Aktuelles Arbeitsrecht, Band 2/2012 9783504383251


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Aktuelles Arbeitsrecht, Band 2/2012
 9783504383251

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Gaul Aktuelles Arbeitsrecht

Band2/2012

Zugan~daten

Benutzemame: gaa · Passwort Arbeitsrecht2012 www.aktuelles-arbeitsrechtde

Band2/2012

Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von

Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von

Dietrich Boewer Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am lAG Düsseldorf aD.

Prof. Dr. Björn Gaul Rechtsanwalt und Fachanwalt fiir Arbeitsrecht, Köln

~~

0US~~Schmidt

Zltierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2012, S....

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikatioo in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VerlagDr. Otto SchmidtKG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221193738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ISBN 978-3-504-42674-3 ©2013 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustinunung des Verlages. Das gilt insbesoodere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elekttonischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entworfvon: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Be1z, Darmstadt PtintedinGermany

Vorwort Das Mediationsgesetz, die Änderungen in Bezug auf die Elternzeit, die Anhebung der Grenzen für geringfügig Beschäftigte und Neuregelungen im Transplantationsrecht sind wahrscheinlich die letzten (großen) Arbeiten des Gesetzgebers in der laufenden Legislaturperiode. Ob der Gesetzentwurf zu einer Geschlechterquote im Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften und von Unternehmen mit Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat noch eine Mehrheit im Bundestag findet, ist zweifelhaft. Daran dürfte auch die Diskussion über die Frauenquote auf europäischer Ebene nichts ändern, die mit dem Entwurf einer entsprechenden Richtlinie noch einmal an Fahrt gewonnen hat. Die beabsichtigte Änderung im Beschäftigtendatenschutzrecht wird wohl nicht mehr kommen. Eher steht zu erwarten, dass neue Leitlinien durch Überlegungen der Europäischen Kommission zur Datenschutzgrundverordnung und zum Cloud Computing gesetzt werden. Im Bereich des Individualarbeitsrechts haben wir uns mit Einzelfragen der Diskriminierung und den Veränderungen der Rechtsprechung zum befristeten Vertrag befasst. Insbesondere die Kettenbefristung ist zusätzlichen Schranken unterworfen. Im Mittelpunkt standen hier allerdings die arbeitsrechtlichen Folgen von psychischer Belastung und Stress am Arbeitsplatz. In diesem Zusammenhang galt es, einen Teil der denkbaren Ursachen sowie rechtliche Schranken und Handlungserfordernisse aufzuzeigen. Die ergänzende Diskussion hat allerdings deutlich gemacht, dass das Thema auf Unternehmensebene bereits eine hohe Sensibilität hat. Es steht zu erwarten, dass Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsräte in den kommenden Jahren auf vielen Ebenen mit den Folgen umgehen müssen. Der vergütungstechnische Umgang mit Überstunden dürfte jetzt durch das BAG abschließend geklärt sein. Das gleiche gilt für die Konsequenzen einer langandauernden Erkrankung auf den Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch. Hier liegen jetzt zahlreiche Entscheidungen vor, die die bislang (noch) offenen Fragen in überzeugender Weise beantwortet haben. Besondere Bedeutung hat dabei die Begrenzung des Übertragungszeitraums auf 15 Monate. Überraschend war die Feststellung des BAG, dass auch ermessensfehlerhafte Weisungen des Arbeitgebers, die nicht aus anderen Gründen unwirksam sind, Handlungspflichten der betroffenen Arbeitnehmer begründen. Im Bereich des Kündigungsrechts hat der 2. Senat des BAG zwar den Weg frei gemacht für die Altersgruppen bei der Sozialauswahl. Die Anforderungen an die Darstellung der berechtigten betrieblichen Interessen sind aber hoch. Wichtige Klarstellungen hat das BAG darüber hinaus zur Kündigung V

Vorwort

schwerbehinderter Menschen, zur (überflüssigen) Änderungskündigung und zur betriebsbedingten Kündigung trotz Kurzarbeit bzw. wegen des Wegfalls einer Hierarchieebene getroffen. Betriebsrentenrechtlich war noch einmal auf den Umstand hinzuweisen, dass Versorgungsansprüche auch durch betriebliche Übung entstehen können. Darauf hat das BAG zutreffend hingewiesen. Hier ist es wichtig, frühzeitig Klarstellungen insbesondere mit Blick auf neueingestellte Arbeitnehmer vorzunehmen. Im Kollektivarbeitsrecht war nicht nur über Schadensersatzansprüche beim Warnstreik, Auskunftsansprüche in Bezug auf Allgemeinverbindlicherklärungen und Konsequenzen für Restrukturierungsmaßnahmen für einen gemeinsamen Betrieb zu berichten, der durch Tarifvertrag gebildet worden ist. Hinzu kamen beispielsweise Klarstellungen des BAG zum Freizeitausgleichsanspruch von Betriebsräten sowie die Mitbestimmung bei der Arbeitsplatzbewertung und bei der Parkplatzordnung. Bei Betriebsänderungen ist es wichtig, die neue Rechtsprechung zu den Anforderungen einer wirksamen Massenentlassungsanzeige zu berücksichtigen. Andernfalls sind solche Kündigungen unwirksam. Strategisch muss die Wirkung eines Rahmensozialplans ebenso beachtet werden wie die Frage, ob Sonderregelungen bei Abfindungen für rentennahe Jahrgänge nicht doch als Diskriminierung wegen des Alters zu qualifizieren sind. Hier stehen erforderliche Klarstellungen von BAG und EuGH noch aus. Klare Leitlinien hat das BAG hingegen zur Kennzeichnung bzw. zur Vermeidung eines Betriebsübergangs im Dienstleistungsbereich, zur Ausgrenzung der Funktionsnachfolge und den Konsequenzen solcher Übertragungsvorgänge für Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge getroffen. Sie müssen bei der Vorbereitung solcher Maßnahmen beachtet werden. Ein großer und herzlicher Dank gilt Dietrich Boewer (Boe), der erneut eine genaue und praxisgerechte Analyse der aktuellen Entwicklung in Rechtsprechung und Gesetzgebung vorgenommen hat. Ebenso danke ich den Herren Daniel Dominik (Do), Daniel Krause (Kr), Stefan Schmidt-Lauber und Jörn Schneider für die Arbeit am Manuskript sowie ganz besonders Frau Doris Hensch, die Inhalte und Formate des Titels zusammengeführt, kontrolliert und mit ihrer Übersicht erneut gewährleistet hat, dass wir pünktlich mit unserer Zusammenfassung erscheinen konnten. Köln, im November 2012

VI

Björn Gaul (Ga)

Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort................................................................................................ .......... V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV

A.

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ............................ 259

1.

Das Gesetz zur Förderung der Mediation und das arbeitsgerichtliche Verfahren ........................................................... 259

2.

Gesetzliche Änderungen bei der Elternzeit ...................................... 264

3.

Arbeits- und sozialrechtliche Änderungen aufgrund der Novellierung des Transplantationsgesetzes ..................................... 267

4.

Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte .......... 271

5.

BDSG – Letzter Stand des Gesetzgebungsverfahrens ..................... 275

6.

Gesetzliche und tarifliche Initiativen zur Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung ................................................................ 278

7.

Gesetzentwurf zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen ................................... 282 a) b) c) d)

Gestufte Einführung einer Geschlechterquote .......................... 283 Wahlverfahren zur Durchsetzung der Geschlechterquote ......... 284 Ausnahme bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ................... 286 Feststellung und Publikation gesetzeskonformen Verhaltens .................................................................................. 286 e) Sanktionen ................................................................................. 287 f) Fazit ........................................................................................... 288 8.

Erweiterung des AGG auf chronisch erkrankte Menschen .............. 289

9.

Entwurf eines Whistleblower-Schutzgesetzes ................................. 290

10.

Gesetzentwurf zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes für Frauen und Männer (Entgeltgleichheitsgesetz)............. 291

11.

Gesetzliche Änderungen im Tarifvertragsrecht ............................... 293

VII

Inhaltsverzeichnis

12.

Gesetzentwurf zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts......................................................................... 293

13.

Insolvenzfestigkeit von Lizenzen (Referentenentwurf des BMJ)................................................................................................. 294

B.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht .......... 297

1.

Entwicklungen im europäischen Datenschutzrecht ......................... 297

2.

Vorschlag für eine Richtlinie zur Durchsetzung der Entsenderichtlinie............................................................................. 298

3.

Europäische Initiativen im Betriebsrentenrecht............................... 299

4.

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Entgeltgleichheit für Männer und Frauen ........................................ 300

5.

Initiative zur erweiterten Arbeitnehmerbeteiligung bei Umstrukturierungen ......................................................................... 300

6.

Entwurf einer Richtlinie zur Geschlechterquote in Leitungsorganen börsennotierter Unternehmen............................... 301

C.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................. 303

1.

Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen.......................... 303 a) Zuvorbeschäftigung bei sachgrundloser Befristung trotz Arbeitnehmerüberlassung?........................................................ 303 b) Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs ................. 304 c) Klagefrist und Schriftformerfordernis des TzBfG .................... 308 d) Befristung einer Arbeitszeiterhöhung ....................................... 311 e) Kettenbefristung und Rechtsmissbrauch................................... 316 f) Tarifvertragliche Regelungen über sachgrundlose Befristung .................................................................................. 319 g) Prozessbeschäftigung als Sachgrund ........................................ 321

2.

Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung im Arbeitsrecht ...................................................................................... 325 a) Falschauskunft als Indiz diskriminierenden Verhaltens............ 325 b) Frist zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Diskriminierung............................................................. 328

VIII

Inhaltsverzeichnis

c) Arbeitszeitverlängerung: Mögliche Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter .................................................................. 330 d) Entschädigung wegen Altersdiskriminierung auch ohne Begünstigung jüngerer Arbeitnehmer ....................................... 333 3.

Leistungsdruck, psychische Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse ................................................... 334 a) Einleitung .................................................................................. 334 b) Psychische Belastung als Ursache für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ..................................................................... 336 c) Arbeitsrechtliche Fragestellungen............................................. 339 d) Unternehmerische Handlungsoptionen ..................................... 345 e) Fazit ........................................................................................... 352

4.

Aktuelle Rechtsprechung zum Direktionsrecht ............................... 353 a) Veränderung des Arbeitsorts ..................................................... 353 b) Vorübergehende Übertragung einer höherwertigeren Tätigkeit .................................................................................... 356

D.

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub .......................................... 357

1.

Aktuelle Rechtsprechung zur Überstundenvergütung ..................... 357 a) Vertragliche Kennzeichnung der regelmäßigen Arbeitszeit ................................................................................. 357 b) Pauschale Vergütung eines Überstundenkontingents ................ 358 c) Unwirksamkeit einer pauschalen Überstundenabgeltung ......... 360 d) Darlegungs- und Beweislast bei Klage wegen Überstundenvergütung .............................................................. 362

2.

Widerrufsvorbehalt für die Privatnutzung eines Dienstwagens ....... 364

3.

Annahmeverzugsansprüche bei vorangehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist? .................... 366

4.

Ende des Annahmeverzugs: Gesamtberechnung Annahmeverzugsvergütung und zweistufige Ausschlussfrist ......................... 370

5.

Anspruch auf Herausgabe von Vergütung bei Verletzung des vertraglichen Wettbewerbverbots ..................................................... 374

6.

Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung .......................................... 376 IX

Inhaltsverzeichnis

a) Erholungsurlaub: Gestaltungsspielraum beim krankheitsbedingten Verfall des tariflichen Mehrurlaubs ......... 377 b) Befristung des Urlaubsabgeltungsanspruchs: Aufgabe der Surrogationstheorie ................................................................... 379 c) Erholungsurlaub: Tarifliche Ausschlussfristen ......................... 381 d) Urlaubsanspruch bei langjähriger Rente wegen Erwerbsminderung .................................................................... 385 e) Vorschlag einer arbeitsvertraglichen Regelung......................... 389

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................... 391

1.

Zugang eines Kündigungsschreibens und Klagefrist....................... 391

2.

Aktuelle Rechtsprechung zum Aufhebungsvertrag.......................... 394 a) Mitbestimmung der Schwerbehindertenvertretung................... 394 b) Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen fehlender Teilnahme eines Rechtsanwalts................................................. 396

3.

Wichtige Fristen bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen ......................................................................................... 399 a) Unverzüglichkeit der Kündigung nach Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung ............... 399 b) Kündigung eines schwerbehinderten Menschen während der Elternzeit ............................................................................. 402

4.

Neues zur Abwicklung einer Massenentlassung.............................. 403 a) Unterrichtung des Betriebsrats über bevorstehende Massenentlassungen.................................................................. 404 b) Keine Heilung von Fehlern der Massenentlassungsanzeige durch Bescheid der Arbeitsverwaltung ........................ 406

5.

Stalking: Abmahnungserfordernis vor Kündigung? ........................ 409

6.

Kündigung wegen Schlechterfüllung der übertragenen Arbeitsaufgabe ................................................................................. 413

7.

Verdeckte Videoüberwachung zur Vorbereitung einer Kündigung wegen Bagatelldelikten ................................................. 415

8.

Betriebsbedingte Kündigung trotz Kurzarbeit? ............................... 420

X

Inhaltsverzeichnis

9.

Betriebsbedingte Kündigung bei Wegfall einer Hierarchieebene................................................................................ 424

10.

Kennzeichnung der Unterhaltspflichten bei der Sozialauswahl ...... 428

11.

Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl ............ 431

12.

Überflüssige Änderungskündigung.................................................. 435

13.

Vorrang der Änderungskündigung bei freiem Arbeitsplatz im Ausland ............................................................................................ 440

14.

Wirksamkeit einer Altersgrenzenvereinbarung trotz MiniRente ................................................................................................ 442

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ............................................................................. 447

1.

Anspruch auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts durch betriebliche Übung ........................................................................... 447

2.

Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Herabsetzung der Leistungen einer Pensionskasse ....................................................... 450

3.

Prüfungszeitraum für die Betriebsrentenanpassung......................... 452

G.

Tarifrecht........................................................................................ 457

1.

Nachwirkung eines Anerkenntnis-Verbandstarifvertrags ................ 457

2.

Schadensersatz wegen rechtswidrigen Warnstreiks ......................... 460

3.

Eingruppierung: Fehlende Berücksichtigung der Berufserfahrung in anderen Unternehmen ....................................... 461

4.

Anspruch auf Auskunft über die Tatbestandsvoraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung .............................................. 463

H.

Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 467

1.

Kennzeichnung des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen .................................................................................... 467 a) Kennzeichnung des gemeinsamen Betriebs.............................. 467 b) Gemeinsamer Betrieb kraft Zuordnungstarifvertrag................. 470

XI

Inhaltsverzeichnis

c) Beschlussverfahren zur Feststellung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsstruktur.............. 471 2.

Betriebsgröße: Keine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern ........................................................................... 472

3.

Wählbarkeit von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes in Privatbetrieben ................................................................................. 474

4.

Arbeitsbefreiung für außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit ......................................................... 476

5.

Internetzugang für den Betriebsrat................................................... 478

6.

Betriebsversammlung: Kein Anspruch des Betriebsrats auf Bewirtungskostenerstattung ............................................................. 480

7.

Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats beim unbefristeten Leiharbeitnehmereinsatz ............................................ 482

8.

Mitbestimmung bei der Parkplatzbenutzung ................................... 483

9.

Aktuelles zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) .............................................................................................. 486 a) Pflicht zur Information des Betriebsrats über die betroffenen Arbeitnehmer ......................................................... 486 b) Mitbestimmungsrechte bei der Ausgestaltung des BEM .......... 488

10.

Mitbestimmung bei der Arbeitsplatzbewertung und Zuordnung von Mitarbeitern ............................................................ 490

11.

Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verstoß gegen Dienstpläne....................................................................................... 493

I.

Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 497

1.

Wirkungsweise eines vorsorglichen (Rahmen-)Sozialplans ............ 497

2.

Altersdiskriminierung durch Kürzung/Wegfall von Sozialplanabfindungen bei rentennahen Jahrgängen ....................... 502

3.

Nachteilsausgleichspflicht durch unwiderrufliche Freistellung....... 505

4.

Haftung des Betriebsrats und seiner Mitglieder bei der Beauftragung eines Beraters bei Betriebsänderungen ..................... 508

5.

Kennzeichnung des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs (§ 613 a BGB) .................................................................................. 510

XII

Inhaltsverzeichnis

a) Ausgangssachverhalt................................................................. 510 b) Ausgrenzung der Funktionsnachfolge ...................................... 512 c) Gesamtwürdigung zur Kennzeichnung des Übertragungsvorgangs .............................................................. 513 d) Übergang bei betriebsmittelgeprägter Tätigkeit........................ 514 e) Übergang bei betriebsmittelarmer Tätigkeit ............................. 515 f) Änderung des Betriebszwecks .................................................. 517 g) Tatsächliche Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit ............... 517 6.

Verwirkung des Widerspruchsrechts nach Übergang des Arbeitsverhältnisses ......................................................................... 519

7.

Inkrafttreten eines Tarifvertrags nach Betriebsübergang: Ansprüche gegen Erwerber? ............................................................ 522

8.

Ablösung einzelvertraglicher Ansprüche durch Gesamtbetriebsvereinbarung vor Betriebsübergang? ...................... 525

9.

Ablösung einer Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang durch Tarifvertrag............................................................................. 529

10.

Betriebsübergang: Kein Übergang von Karenzentschädigungsansprüchen bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer ................ 532 a) Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beim übertragenden Rechtsträger............................................................................... 532 b) Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den übernehmenden Rechtsträger .................................................... 533 c) Konsequenzen für (bereits) ausgeschiedene Arbeitnehmer ...... 536

11.

Betriebsbedingte Kündigung: Abgrenzung zwischen Betriebsübergang und Betriebsstilllegung ....................................... 540

J.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 547

1.

Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen infolge des CGZP-Urteils ................................................................................... 547

2.

Anhebung der Vergütungsgrenze für geringfügig Beschäftigte....... 547

3.

Sperrzeit beim Arbeitslosengeld wegen Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindungszahlung .............................. 549

XIII

Inhaltsverzeichnis

4.

Neue Beitragsbemessungsgrößen 2013 ........................................... 553

Stichwortverzeichnis................................................................................... 555

XIV

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. ABlEG Abs. abw. AcP AGBG ADG ÄndG AEntG AEUV AFG AGBG AiB AFKG AktG AktuellAR AltEinkG AltZertG AVmG allg. AMP AMS amtl. Anl. Anm. AO AP ArbG ArbGG AR-Blattei

anderer Auffassung alte Fassung ablehnend Amtsblatt der EG Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungengesetz Antidiskriminierungsgesetz Änderungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz 1969 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) 1976 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz Aktiengesetz Gaul bzw. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht Alterseinkünftegesetz Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Altersvermögensgesetz allgemein Arbeitgeberverband Mittelständicher Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Anlage Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz 1979 Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis

XV

Abkürzungsverzeichnis

ArbNErfG

AuR AWbG

Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) 1957 Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsrecht in Stichworten Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsgesetz Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) 1972 Arbeit und Recht Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz

BA BAG BAVAZ BAT BAT-O

Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost

ArbPlSchG ArbRB ArbSchG

ARSt ArbStättVO ArbZG ARdGgw. ArGV Art. ASAV ASiG ATG AuA AU-Bescheinigung Aufenthalt/EWG AufenthG Aufl. AÜG

XVI

Abkürzungsverzeichnis

BB BBiG Bd. BDA Beil. BEEG BEM BerASichG BErzGG Beschäftigungschancen gesetz BeschFG BeschSchG BetrAVG BetrSichVO BetrVG BetrVG 1952 BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG BImSchG BKK Bl. BMF BMT-G BMWA BPersVG br BR-Drucks.

Betriebs-Berater Berufsbildungsgesetz 1969 Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beilage Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz 2004 Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) 1985 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) 2001 Beschäftigtenschutzgesetz Betriebsrentengesetz Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz 1972 Betriebsverfassungsgesetz 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bildschirmarbeitsverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz Betriebskrankenkasse Blatt Bundesministerium für Finanzen Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesratsdrucksache XVII

Abkürzungsverzeichnis

BRTV-Bau BSDG BSeuchG BSG BSGE BSHG BSSichG BStBl. BT-Drucks. BUrlG BuW BNichtrSchG BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. ca. CGM CGZP ChemG ChGlFöG

DA DAG DB DBGrG ders. DGB d. h. DKK XVIII

Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (BundesSeuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Breitragssatzsicherungsgesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 1963 Betrieb und Wirtschaft Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) 1994 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb Gesetz über die Gründung der Deutschen Bahn-AG derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Däubler/Kittner/Klebe

Abkürzungsverzeichnis

DLW DNotZ DOK DP DrittelbG DSAG DStR DStRE

Dörner/Luczak/Wildschütz Deutsche Notarzeitschrift Zeitschrift für "Ortskrankenkassen" Das Personalbüro Drittelbeteiligungsgesetz Datenschutzauditgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrechtentscheidung

EAS EBRG

Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) 1996 Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) 1994 Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises Einkommenssteuerberater Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1997 Europäische Menschenrechtskonvention Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG EG EGBGB ELENA-VerfahrensG EstB EGV EMRK ErfK ESC EStG etc. EU EuGH EuZW EUV e. V. evtl. EVÜ EWG EWiR

XIX

Abkürzungsverzeichnis

EzA

Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

FamPflegeZG f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FR FS

Familienpflegezeitgesetz folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau (Dt. Steuerblatt) Festschrift

GA-AÜG

GRC GRUR GS GSG GWB

Geschäftsanweisung zum AÜG von der Bundesagentur für Arbeit (Stand 12/2011) Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe gemeinsam(e) Gendiagnostikgesetz Gentechniksicherheitsverordnung Gewerbeordnung 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Gesetzes zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz 1992 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HAG

Heimarbeitergesetz

GefStoffV gem. GenDG GenTSV GewO GG ggf. GK GK-KR GlTeilhG GmbHR GmS-OBG GNBZ GNeuMoP

XX

Abkürzungsverzeichnis

Halbs. h. M. HGB HinGebSchG SWG

Halbsatz herrschende Meinung Handelsgesetzbuch 1897 Hinweisgeberschutzgesetz Hess/Schlochauer/Worzolla/Glock

i. d. F. i. E. IFG

in der Fassung im Ergebnis Gesetz zur Regelung des Zugangs zur Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz) im Hinblick auf Die Information über Steuer und Wirtschaft Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung 1994 Investmentgesetz im Sinne des Verordnung über Arbeitsgenehmigungen Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen IT-Rechtsberater in Verbindung mit

i. H. a. INF InKDG InsO InvG i. S. d. IT-ArGV IT-AV ITRB i. V. m. JArbSchG JuMoG KDZ Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KO KPK KR

Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) 1976 Justizmodernisierungsgesetz Kittner/Däubler/Zwanziger (Hrsg.) Kündigungsschutzrecht Kommentar 8. Aufl., 2011 Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften XXI

Abkürzungsverzeichnis

K&R krit. KSchG KuG

Kommunikation und Recht kritisch Kündigungsschutzgesetz 1969 Kurzarbeitergeld

LadschlG LAG LAGE LasthandhabV LFZG

Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lastenhandhabungsverordnung Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) 1969 Literatur Lebenspartnergesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Lohnsteuer-Durchführungsverordnung

Lit. LPartG LPartÜAG LS LStDV m. MAH MDR m. E. MERL MgVG m. w. N. MindArbBedG MitbestG MitbestErgG MontanMitbestG MonMitbestErgG MTV MünchArbR MünchKomm MuSchG

XXII

mit Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 2009, 2. Aufl. Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit weiteren Nachweisen Mindestarbeitsbedingungsgesetz Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) 1976 Mitbestimmungsergänzungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Manteltarifvertrag Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) 1968

Abkürzungsverzeichnis

NachwG n. F. NJW Nr. Nrn. NZS n. v. NZA NZA-RR NZG

Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Sozialrecht (noch) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OLG

Oberlandesgericht

PatG PersR PersVG NW

Patentgesetz 1980 Personalrat Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Pflegeversicherungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Preisklauselgesetz Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Ausrüstungen bei der Arbeit

PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG PSABV PSDG PSH-BV PSV PW

Verordnung über die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung Pensionssicherungsverein Preis/Willemsen

RabattG RAG RAGE

Rabattgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts RdA Recht der Arbeit RDV Recht der Datenverarbeitung Risikobegrenzungsgesetz Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken XXIII

Abkürzungsverzeichnis

RIW RL Rz. Rs. RsprEinhG RVO RzK s. S. Sachgeb. SAE SchwarzArbG SchwbG SE SEAG SEBG SeemG SGB I SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB IX SGB X SGB XI

XXIV

Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie(n) Randzahl/Randziffer Rechtssache Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1968 Reichsversicherungsordnung 1911 Rechtsprechung zum Kündigungsrecht siehe Seite bzw. Satz Sachgebiet Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – Schwerbehindertengesetz (1986) Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Seemannsgesetz 1957 Sozialgesetzbuch, I. Buch - Allgemeiner Teil 1975 Sozialgesetzbuch, III. Buch - Arbeitsförderung 1997 Sozialgesetzbuch, IV. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung 1976 Sozialgesetzbuch, V. Buch - Gesetzliche Krankenversicherung 1988 Sozialgesetzbuch, VI. Buch - Gesetzliche Rentenversicherung 1989 Sozialgesetzbuch, VII. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung 1996 Sozialgesetzbuch, IX. Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001 Sozialgesetzbuch, X. Buch - Verwaltungsverfahren 1980/82 Sozialgesetzbuch, XI. Buch - Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit 1994

Abkürzungsverzeichnis

SGb SigG s. o. sog. SozplKonkG SozR SPE spi SprAuG SpTrUG StGB st. Rspr.

Die Sozialgerichtsbarkeit Signaturgesetz siehe oben sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea (=Statut der Europäischen Privatgesellschaft) sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) 1988 Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch 1871 ständige Rechtsprechung

TPG TransPuG TVG TVöD TzBfG

Transplantationsgesetz Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz 1969 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 2001

u. a. u. ä. ÜbernG

unter anderem und ähnlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen 2002 Umlagefinanzierungsgesetz Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Umwandlungsgesetz) 1994 Urheberrechtsgesetz 1965 und so weiter Unfallverhütungsvorschriften

UmlFinG UmwG UrhG usw. UVV v. VAG VermbG VermG

vom Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) XXV

Abkürzungsverzeichnis

VersAusglG vgl. VglO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WahlO WhistleblowerSchutzgesetz WHSS WiB wib WissZeitG WM WpHG WPrax WpÜG z. B. ZDG ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO

XXVI

Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche Vergleichsordnung 1935 Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag 1908 (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz 1976 Wahlordnung Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Woche im Bundestag Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zum Beispiel Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung 1877

Abkürzungsverzeichnis

ZSEG z. T. ZTR zust. ZustRG

Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zustellungsreformgesetz

XXVII

.

A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.

Das Gesetz zur Förderung der Mediation und das arbeitsgerichtliche Verfahren

Nach erheblichen Geburtswehen ist das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21.7.2012, das der Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG dient, am 25.7.2012 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und gemäß Art. 9 am Tag nach der Verkündung, d. h. am 26.7.2012, in Kraft getreten1. Der Bundesrat hatte am 10.2.2012 den Vermittlungsausschuss angerufen, weil auf Veranlassung des Rechtsausschusses die noch im Regierungsentwurf vorgesehene gerichtsinterne Mediation gestrichen worden und durch ein erweitertes Güterichterkonzept ersetzt worden war. Dies war auf den Widerstand des Bundesrates gestoßen, der an der gerichtsinternen Mediation festhalten wollte. Der Vermittlungsausschuss hat durch Beschlussempfehlung vom 27.6.2012 eine Kompromisslösung entwickelt, die vom Bundestag am 28.6.20122 akzeptiert worden ist und darauf hinausläuft, dass das Gericht die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen kann, der alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen darf. Am 29.6.20123 beschloss der Bundesrat gegen das am 28.6.2012 verabschiedete Gesetz keinen Einspruch einzulegen. Soweit die spezifische Situation im arbeitsgerichtlichen Verfahren betroffen ist, gelten für die Klageerhebung die in der ZPO verankerten allgemeinen Grundsätze. Dazu gehört nach der Neufassung des § 253 Abs. 3 ZPO, dass die Klageschrift die Angabe enthalten soll, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist. Falls dies nicht der Fall war, soll erklärt werden, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. 1 2 3

Zur Vertiefung siehe auch Ahrens, NJW 2012, 2465 ff.; Niedostadek, ZESAR 2012, 319 ff.; Düwell, BB 2012, 1921 ff.; Francken, NZA 2012, 836 ff.; Stiel/Stoppkotte, AiB 2012, 631 ff. BT-Drucks. 17/10102. BR-Drucks. 377/12 (B).

259

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber nicht nur bereits vor der Klageerhebung eine Bewusstmachung der Mediation als außergerichtliches Streitbeilegungsinstrument erreichen, sondern zugleich die Chancen für die Inanspruchnahme eines derartigen Verfahrens oder die Vorlage an einen Güterichter nach einer Klageerhebung ausloten. Auch wenn in der Klageschrift erklärt worden ist, dass einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung keine Gründe entgegenstehen, bleibt es in der freiwilligen Entscheidungsmacht der Parteien, ob sie mit einer derartigen Konfliktlösung während des gerichtlichen Verfahrens einverstanden sind. Dem Anliegen einer gerichtsinternen Streitbeilegung entspricht die Neufassung des § 278 Abs. 5 ZPO, wonach das Gericht die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen kann, wobei dieser alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen darf. Diese Vorschrift wird zum Teil unrichtigerweise dahingehend verstanden, dass sich das Gericht der Streitsache zunächst durch eine Verweisung an den Güterichter entledigen kann. Dies wäre eine Fehlinterpretation und würde dem Gedanken der Freiwilligkeit einer gerichtsinternen Streitbeilegung widersprechen. Die Verweisung an den Güterichter hängt von der entsprechenden Zustimmung der Parteien ab. In der Bundestagsdrucksache (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)4 heißt es hierzu: Die Wahrnehmung der Aufgaben als Güterichter gehört zu den Geschäften im Sinne des § 21 e Absatz 1 Satz 1 GVG. Sie ist deshalb im Geschäftsverteilungsplan zu regeln. Die Durchführung einer Güteverhandlung und weiterer Güteversuche vor einem Güterichter sind aussichtsreich, wenn die Parteien für eine einvernehmliche Konfliktlösung offen und deshalb grundsätzlich bereit sind, sich auf ein solches Verfahren einzulassen. Vor diesem Hintergrund kommt der Verweis vor einen zur Durchführung einer Güteverhandlung bereiten Güterichter nur mit Einverständnis der Parteien in Betracht.

In einer besonderen Vorschrift (§ 278 a ZPO) wird vorgesehen, dass das Gericht den Parteien neben der Güterichter-Empfehlung, die ein gerichtsinternes Verfahren darstellt, eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorschlagen kann, mit dem das Gericht

4

BT-Drucks. 17/8058, 21.

260

Das Gesetz zur Förderung der Mediation und das arbeitsgerichtliche Verfahren

nichts zu tun hat. Entscheiden sich die Parteien dafür, ordnet das Gericht das Ruhen des Verfahrens an. Diese Modalitäten der gerichtsinternen, aber auch der außergerichtlichen Möglichkeiten der Konfliktbeilegung, werden gemäß Art. 4 des Gesetzes auf das arbeitsgerichtliche Verfahren übertragen. Nach § 54 Abs. 6 ArbGG kann der Vorsitzende in der Güteverhandlung die Parteien für die Güteverhandlung sowie deren Fortsetzung vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen, der alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen darf. In der Bundestagsdrucksache (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)5 heißt es hierzu: Durch die Einfügung des Absatzes 6 wird auch im ArbGG die Möglichkeit gesetzlich verankert, die Parteien mit ihrem Einverständnis für die Güteverhandlung sowie deren Fortsetzung vor einen Güterichter als ersuchten Richter zu verweisen. Die Beteiligten haben dann in Arbeitssachen eine weitere Option, den bei Gericht anhängigen Konflikt einvernehmlich zu lösen. Die bestehenden Güterichtermodelle sind sowohl gerichtsintern als auch gerichtsübergreifend organisiert. Der ersuchte Richter, der zur Durchführung der Güteverhandlung bereit ist, kann deshalb einem anderen Spruchkörper desselben Gerichtes oder einem anderen Gericht angehören. Die für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs maßgebenden Vorschriften über das Güteverfahren gelten gemäß § 80 Absatz 2 Satz 2 auch im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens. Dementsprechend kann der Vorsitzende auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren von der Möglichkeit nach § 54 Absatz 6 Gebrauch machen, vor einen Güterichter zu verweisen.

In gleicher Weise wird durch die Einfügung eines neuen § 54 a ArbGG (Mediation, außergerichtliche Konfliktbeilegung) auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit geschaffen, dass das Gericht den Parteien eine außergerichtliche Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorschlagen kann. Ebenso wie im Verfahren vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit ordnet im Falle des Einverständnisses der Parteien das Gericht das Ruhen des Verfahrens an (§ 54 a Abs. 2 ArbGG). Anders als im Verfahren vor der ordentli5

BT-Drucks. 17/8058, 22.

261

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

chen Gerichtsbarkeit nimmt das Arbeitsgericht allerdings wegen des Beschleunigungsgrundsatzes das Verfahren von Amts wegen nach drei Monaten wieder auf. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien übereinstimmend darlegen, dass eine Mediation oder eine außergerichtliche Konfliktbeilegung noch betrieben wird. Betrachtet man die im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgenommenen Ergänzungen, so ist die Verankerung der möglichen Verweisung an einen Güterichter auf das Verfahren in der Güteverhandlung beschränkt, so dass die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Vorschlag nicht mehr unterbreiten dürfte. Diese Bewertung könnte dem Beschleunigungsgrundsatz im arbeitsgerichtlichen Verfahren geschuldet sein. Näher liegt es jedoch, dass der Gesetzgeber eine derartige Einschränkung auf die Güteverhandlung nicht gewollt hat, so dass auch noch im Kammertermin an eine Verweisung an den Güterichter zu denken ist, wenn die Parteien eine derartige Verfahrensweise wünschen. Dies folgt aus der Ergänzung des § 64 Abs. 7 ArbGG, der für das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht die Inbezugnahme von § 54 Abs. 6 und § 54 a ArbGG ausdrücklich vorsieht. Dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht ist keine Güteverhandlung vorgeschaltet. Der Gesetzgeber hat auch davon Abstand genommen, abgesehen von der Frage der Protokollierung, das Verfahren vor dem Güterichter näher auszugestalten. In der Bundestagsdrucksache (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)6 heißt es hierzu: Die Überführung der gerichtsinternen Mediation in ein erweitertes Güterichterkonzept führt zu einer klaren gesetzlichen Abgrenzung der richterlichen Streitschlichtung von der Mediation. Während ein Richter in seiner Eigenschaft als gerichtsinterner Mediator sich jeder rechtlichen Bewertung zu enthalten hat und keinen Lösungsvorschlag machen sollte, kann der Güterichter u. a. rechtliche Bewertungen vornehmen und den Parteien Lösungen für den Konflikt vorschlagen. Im Unterschied zu dem gerichtsinternen Mediator kann der Güterichter auch ohne Zustimmung der Parteien in Gerichtsakten Einsicht nehmen und auf Wunsch der Parteien einen Vergleich protokollieren. Die richterliche Streitschlichtung durch den Güterichter wird durch die Erweiterung der Möglichkeiten zur Einschaltung eines Güterichters in den verschiedenen Prozessordnungen ausgeweitet. Zugleich besteht für die Parteien 6

BT-Drucks. 17/8058, 17, 18.

262

Das Gesetz zur Förderung der Mediation und das arbeitsgerichtliche Verfahren stets die Möglichkeit einer Konfliktlösung im Rahmen einer Mediation außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens. Die in der gerichtsinternen Mediation entwickelten mediativen und streitschlichtenden Kompetenzen können im Rahmen der Güterichtertätigkeit weiter genutzt und fortentwickelt werden. Ein Güterichter ist zwar kein Mediator, er kann in einer Güteverhandlung jedoch zahlreiche Methoden und Techniken der Mediation einsetzen, mit denen insbesondere der Sinn der Parteien für ihre Verantwortlichkeit und ihre Autonomie sowie die Bereitschaft sich aufeinander einzulassen gefördert werden sollen. Zu derartigen Methoden und Techniken gehören etwa das sogenannte aktive Zuhören, die Widerspiegelung von Erklärungen und Botschaften der Parteien in deeskalierender Weise, die Umwandlung von Beschwerden in verhandelbare Themen, die Technik des offenen Fragens, die Erarbeitung von Fairnesskriterien zur Lösung des Konflikts sowie die Entwicklung von realisierbaren Probe- und Teillösungen.

Auch der nicht entscheidungsbefugte Güterichter übt eine richterliche Tätigkeit aus, so dass seine Zuständigkeit auch im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts (§ 21 e GVG) geregelt sein muss. Er kann daher ohne Zustimmung der Parteien die Streitakten beiziehen, was regelmäßig erforderlich sein dürfte, um überhaupt eine Konfliktlösung mit den Parteien unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Interessenlage und ihres möglicherweise voneinander abweichenden Vortrags zu diskutieren. Ausdrücklich geregelt hat der Gesetzgeber durch eine Ergänzung des § 159 Abs. 2 S. 2 ZPO, dass ein Protokoll über die Güteverhandlung oder weitere Güteversuche vor einem Güterichter nur auf übereinstimmenden Antrag der Parteien aufgenommen wird. Letzteres wird vor allen Dingen dann eine Rolle spielen, wenn sich die Parteien in einem Prozessvergleich verständigen wollen, um über einen vollstreckbaren Titel zu verfügen. Grundsätzlich ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 159 Abs. 1 ZPO auch in der Güteverhandlung ein Protokoll aufzunehmen. Es bleibt auch dabei, dass neben der Möglichkeit der Verweisung an den Güterichter der Vorsitzende die Güteverhandlung mit Zustimmung der Parteien in einem weiteren Termin, der alsbald stattzufinden hat, fortsetzen kann (§ 54 Abs. 1 S. 4 ArbGG). Da die Verschwiegenheitspflicht nur für den Mediator und die in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen gesetzlich vorgesehen ist (§ 4 Mediationsgesetz), stellt sich natürlich die Frage, ob und inwieweit bei erfolgloser Verhandlung vor dem Güterichter die in diesem

263

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Verfahren vorgetragenen tatsächlichen Umstände in dem streitigen Verfahren verwendet werden dürfen. Hierzu fehlt im Gesetz eine Regelung, so dass die Parteien zur Vermeidung für sie nachteiliger Erklärungen vor dem Güterichter eine Vereinbarung der Vertraulichkeit abschließen müssen, um der Verwertung der Verhandlung vor dem Güterichter im streitigen Verfahren vorzubeugen. Der Gesichtspunkt der Verwertung von Tatsachenstoff dürfte sich jedoch als Achillesverse des Verfahrens vor dem Güterichter erweisen, wenn eine Verständigung der Parteien misslingt und zu keiner das gerichtliche Verfahren überflüssig machenden Einigung führt. Aus Vorsorge, dass bestimmte Informationen, die für die jeweilige Partei nachteilig sind, im streitigen Verfahren nutzbar gemacht werden, wird die anwaltlich vertretene Partei „mauern“ und damit einen vertretbaren Kompromiss erschweren. Die außergerichtliche Mediation ist insoweit weniger anfällig. Im streitigen Verfahren kann der Güterichter selbst nach § 383 Nr. 6 ZPO nicht über Tatsachen als Zeuge vernommen werden, die Gegenstand der vertraulichen Verhandlung im Güterichterverfahren gewesen sind, zumal auch das Öffentlichkeitsgebot nach § 52 ArbGG nur für das erkennende Gericht gilt. Wenn das Verfahren vor dem Güterichter einen Sinn machen und für die Parteien als alternative Konfliktbeilegung attraktiv sein soll, dann wird dieses Ziel nur umsetzbar sein, wenn sich aus diesem Verfahren für die weitere streitige Verhandlung keine Nachteile ergeben. Wichtig und für das arbeitsgerichtliche Verfahren von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Einschaltung eines Güterichters, aber auch die Alternative einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung durch Mediation sowohl für das Berufungsverfahren als auch für das Beschlussverfahren in erster und zweiter Instanz eröffnet. Für das Beschlussverfahren kann allerdings zweifelhaft sein, ob die dafür erforderliche Zustimmung von allen Beteiligten vorliegen muss. Man wird abwarten müssen, ob und inwieweit diese vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeiten der Lösung von Konflikten im arbeitsrechtlichen Bereich angenommen werden. (Boe)

2.

Gesetzliche Änderungen bei der Elternzeit

Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vom 20.9.20077 darüber berichtet, dass die damals 7

C-116/06, NZA 2007, 1274 ff. – Kiiski.

264

Gesetzliche Änderungen bei der Elternzeit

noch in § 16 Abs. 3 S. 3 BEEG enthaltene Regelung, nach der die Arbeitnehmerin ihre Elternzeit nicht wegen der Mutterschutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG vorzeitig beenden kann, mit unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist. Vielmehr hatte der EuGH in der vorstehend genannten Entscheidung im Gegensatz klargestellt, dass die Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie) gebiete, Arbeitnehmerinnen auch während der Elternzeit das Recht zuzugestehen, diese für die Dauer etwaiger Mutterschutzfristen zu beenden. Dass der Arbeitgeber in dieser Zeit zur Entgeltfortzahlung verpflichtet werde, entspreche Art. 11 Mutterschutzrichtlinie. Diesen Hinweisen des EuGH hat die Bundesregierung inzwischen Rechnung getragen. Mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, das am 18.9.2012 in Kraft getreten ist8, ist § 16 Abs. 3 BEEG deshalb wie folgt neugefasst worden: (3) Die Elternzeit kann vorzeitig beendet oder im Rahmen des § 15 Absatz 2 verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Die vorzeitige Beendigung wegen der Geburt eines weiteren Kindes oder in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei Eintritt einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Tod eines Elternteils oder eines Kindes der berechtigten Person oder bei erheblich gefährdeter wirtschaftlicher Existenz der Eltern nach Inanspruchnahme der Elternzeit, kann der Arbeitgeber unbeschadet von Satz 3 nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen. Die Elternzeit kann zur Inanspruchnahme der Schutzfristen des § 3 Absatz 2 und des § 6 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig beendet werden; in diesen Fällen soll die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber die Beendigung der Elternzeit rechtzeitig mitteilen. Eine Verlängerung der Elternzeit kann verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel der Anspruchsberechtigten aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.

Damit muss sich die betriebliche Praxis auf eine gegenteilige Praxis einstellen. Sie wird zur Folge haben, dass Mütter, die während der Elternzeit erneut schwanger werden, diese Elternzeit so rechtzeitig beenden, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer der Mutterschutzfristen für die Geburt des nachfolgenden Kindes gegeben ist. Im Anschluss an diese Geburt kann dann Elternzeit für das weitere Kind in Anspruch genommen wer8

BGBl I 2012, 1878, 1882.

265

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

den. Die Elternzeit für das zuvor geborene Kind kann dann für die Dauer von maximal einem Jahr noch bis zur Vollendung des achten Lebensjahres aufgeschoben werden (§ 15 Abs. 2 S. 3 BEEG). Soweit in der betrieblichen Praxis wegen der Dauer der Elternzeit Schwierigkeiten bestehen, die Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld festzulegen, kann auf das Urteil des BAG vom 22.8.20129 zurückgegriffen werden. Darin stellt der 5. Senat noch einmal ausdrücklich klar, dass die letzten abgerechneten Kalendermonate, die der Berechnung des Zuschusses zugrunde gelegt werden, der Schutzfrist nicht unmittelbar vorangegangen sein müssen. Auch bei einem mehrjährigen Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei die Arbeitnehmerin nicht gehindert, auf den entsprechenden Zeitraum vor der Unterbrechung abzustellen und damit dauerhafte Verdiensterhöhungen, die sie ohne das Ruhen des Arbeitsverhältnisses gehabt hätte, bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld außer Betracht zu lassen. Gleichermaßen könne der Arbeitgeber einer Berechnung auf der Basis der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses dauerhafte Verdienstkürzungen, die ohne das Ruhen des Arbeitsverhältnisses eingetreten wären, entgegenhalten. Ergänzend hierzu ist in § 15 Abs. 4 S. 1 BEEG eingefügt worden, dass eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nicht durchgängig mit derselben Wochenstundenzahl berechnet werden muss. Vielmehr können Ausgleichszeiträume vereinbart werden, die gewährleisten, dass die vereinbarte Wochenstundenzahl im Durchschnitt des Monats erreicht wird. Es ist davon auszugehen, dass die betriebliche Praxis schon längst Teilzeitbeschäftigungen während der Elternzeit in dieser Weise behandelt hat. Damit bewirkt die gesetzliche Änderung faktisch gar keine Erleichterung, weil man an sich schon in der Vergangenheit von einer solchen Berechtigung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ausgegangen war. Im Gegenteil: Es ist zu befürchten, dass der jetzt eingefügte Ausgleichszeitraum von einem Monat den praktischen Bedürfnissen in zu geringer Weise Rechnung trägt, weil vielfach längere Ausgleichszeiträume auch bei Arbeitnehmern zur Anwendung kommen, die eine Teilzeitbeschäftigung im Rahmen der Elternzeit ausüben. (Ga)

9

5 AZR 652/11 n. v. (Rz. 30 f.).

266

Novellierung des Transplantationsgesetzes

3.

Arbeits- und sozialrechtliche Änderungen aufgrund der Novellierung des Transplantationsgesetzes

Das Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes (TPG) vom 21.7.2012, das am 25.7.2012 im Bundesgesetzblatt10 verkündet worden und gemäß Art. 3 am 1.8.2012 in Kraft getreten ist, dient der Umsetzung der Richtlinie 2010/53/EU vom 7.7.2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe11 in deutsches Recht. Gegenstand dieser Richtlinie ist vor allem die Festlegung EU-weiter, einheitlicher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Entnahmekrankenhäuser, Transplantationszentren und andere Bereitstellungsorganisationen. Aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) vom 23.5.201212 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung13 ist durch Art. 1 a des Entwurfs das EFZG vom 26.5.199414 ergänzt worden. Nach einem neu eingefügten § 3 a EFZG soll im Bereich des Entgeltfortzahlungsrechts eine Verbesserung der Absicherung des Lebendspenders von Organen und Geweben erreicht werden15. Bislang galten die Regelungen des EFZG nicht für Spender von Organen und Geweben, weil arbeitsunfähige Spender nicht infolge eigener Krankheit an ihrer Arbeitsleistung gehindert sind. Durch § 3 a Abs. 1 EFZG wird nunmehr vorgesehen, dass auch eine Arbeitsverhinderung infolge einer Spende von Organen oder Geweben, die nach der §§ 8 und 8 a TPG erfolgt, als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit zu qualifizieren ist und damit den spendenden Arbeitnehmern ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen zusteht. Für diesen Zeitraum hat der Arbeitnehmer nunmehr einen Anspruch auf Fortzahlung des bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts (§ 4 Abs. 1 EFZG). Dadurch wird eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit einer Arbeitsunfähigkeit infolge einer Spende von Organen oder Geweben gleichgestellt. Allerdings nimmt der Gesetzgeber darauf Bedacht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit infolge einer Organspende bewusst in Kauf nimmt und damit das vom Arbeitgeber zu tragende allgemeine Krankheitsrisiko er10 11 12 13 14 15

BGBl. I 2012, 1601 ff. ABl. L 207 v. 6.8.2010, 14. BT-Drucks. 17/9773. BT-Drucks. 17/7376. BGBl. I 1994, 1014, 1065 i. d. F. v. 23.12.2003 (BGBl. I 2003, 2848 ff.). Vgl. zum Thema der Entgeltfortzahlung auch Knorr, NZA 2012, 1132 ff.

267

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

höht. Angesichts dessen soll der Arbeitgeber über den Weg der Kostenerstattung nicht mit diesen Kosten der Entgeltfortzahlung belastet bleiben. Deshalb schreibt § 3 a Abs. 2 EFZG vor, dass dem Arbeitgeber das an den Arbeitnehmer fortgezahlte Arbeitsentgelt einschließlich der darauf entfallenden Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur betrieblichen Altersversorgung auf Antrag von der gesetzlichen Krankenkasse des Empfängers von Organen oder Geweben zu erstatten ist. Damit will der Gesetzgeber bei dem Arbeitgeber die Akzeptanz für die Organspende des Arbeitnehmers erhöhen16. Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers betrifft das fortgezahlte Bruttoarbeitsentgelt, worin die vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge enthalten sind, wozu die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitsförderung gehören. Sind Empfänger von Organen oder Geweben bei einer privaten Krankenversicherung voll versichert, übernimmt diese die Kostenerstattung für das fortgezahlte Arbeitsentgelt in Höhe des tariflichen Erstattungssatzes, wobei etwaige vom Organempfänger vertraglich vereinbarte Selbstbehalte bei der Erstattung des Arbeitseinkommens unberücksichtigt bleiben (§ 27 Abs. 1 a SGB V)17. Überdies wird durch § 3 a Abs. 2 EFZG ausdrücklich geregelt, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich die zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Angaben zu machen hat. Die weiteren durch Art. 1 a TPG vorgenommenen Ergänzungen betreffen § 4 und § 8 EFZG. In § 4 Abs. 1 EFZG wird klargestellt, dass sich die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts im Falle der Spende von Organen und Geweben nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bemisst. Im Abs. 2 dieser Vorschrift erfolgt eine Gleichstellung der Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts, wenn die Arbeit gleichzeitig durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder infolge einer Organspende und infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt. Danach erhält der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, deren Höhe sich nach den Regeln der Entgeltzahlung an Feiertagen richtet (§ 2 Abs. 1 EFZG), so dass ihm auch Feiertagszuschläge zugutekommen18.

16 BT-Drucks. 17/9773, 33. 17 BT-Drucks. 17/9773, 34. 18 BAG v. 1.12.2004 – 5 AZR 68/04, NZA 2005, 1315 Rz. 32.

268

Novellierung des Transplantationsgesetzes

Gemäß § 8 Abs. 1 EFZG wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Frist, für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu gewähren ist, ohne dass es einer Kündigung bedarf, oder infolge einer Kündigung, die nicht wegen der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ausgesprochen worden ist, so endet gemäß § 8 Abs. 2 EFZG der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Diese Regelung wird auf den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei einer Spende von Organen oder Geweben durch einen entsprechenden Hinweis auf § 3 a Abs. 1 EFZG übertragen. Der Gesetzgeber hat auch eine Reihe von Ergänzungen im Sozialrecht vorgenommen, die u. a. in den §§ 27 Abs. 1 a und 44 a SGB V ihren Niederschlag gefunden haben19. Bereits aufgrund der Rechtsprechung des BSG20 wurde die Spende als Teil der Krankenhilfe für den Empfänger behandelt. Die Aufwendungen für die ambulante oder stationäre Behandlung der Spender einschließlich aller Vor- und Nebenleistungen waren danach von der Krankenkasse des Empfängers zu tragen. Zu den Aufwendungen gehörte auch der Ausfall von Arbeitseinkünften der Spender, der mit einer infolge der mit der Organ- oder Gewebeentnahme verbundenen Arbeitsunfähigkeit entstand. Zunächst wird mit § 27 Abs. 1 a SGB V klargestellt, dass die Leistungen der Krankenbehandlung die im Rahmen des Transplantationsgesetzes erfolgende Spende von Organen oder Geweben einschließlich der bei den Spendern medizinisch erforderlichen Vor- und Nachbetreuung beinhalten. Dies gilt auch für erforderliche Fahrkosten sowie Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Zuzahlungen werden in diesen Fällen nicht erhoben. Überdies wird der Ausfall von Arbeitseinkünften der Spender im Rahmen eines modifizierten Krankengeldanspruches nach § 44 a SGB V erstattet. Zuständig für Leistungen an die Spender ist die Krankenkasse der Empfänger. Dies betrifft die Spende sowie die erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, das Krankengeld in Höhe der ausgefallenen Arbeitseinkünfte bis zur Beitragsbemessungsgrenze und erforderliche Fahrkosten. Zudem wird ausdrücklich geregelt, dass die Krankenkasse des Empfängers, soweit der Umfang des Versicherungsschutzes der Spender über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hinausreicht (z. B. Leistungen für Zweibettzimmer oder Chefarztbe19 Art. 2 Gesetz zur Änderung des TPG v. 21.7.2012. 20 BSG v. 12.12.1972 – 3 RK 47/70, NJW 1973, 1432 Rz. 15.

269

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

handlung), auch diesen Kostenanteil übernimmt. Damit soll sichergestellt werden, dass für den Spender mit der Spende keine Einschränkung seiner krankenversicherungsrechtlichen Absicherung verbunden sein darf21. Die vorbezeichneten Ansprüche haben nach § 27 Abs. 1 a SGB V auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen, insbesondere auch privat krankenversicherte Personen. Der Verband der Privaten Krankenversicherung hat eine entsprechende Selbstverpflichtungserklärung beschlossen und dem Bundesminister für Gesundheit am 9.2.2012 übermittelt22. Darin hat sie sich verpflichtet, im Falle einer Organ- und Gewebespende nach den §§ 8, 8 a TPG zugunsten eines privat krankenversicherten Organempfängers die aus der Spende entstehenden Kosten des Organspenders (ambulante und stationäre Behandlung, Rehabilitationsmaßnahmen, Fahr- und Reisekosten sowie nachgewiesenen Verdienstausfall) in Höhe des tariflichen Erstattungssatzes zu erstatten. Dies gilt unabhängig vom Versicherungsstatus des Spenders von Organen oder Geweben, also auch für gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Kosten des Spenders werden vom jeweiligen privaten Krankenversicherungsunternehmen als Teil der medizinisch notwendigen Heilbehandlung des Empfängers (und Versicherten) nach § 192 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes bewertet23. Mit der Neuregelung des § 44 a SGB V wird die in § 27 Abs. 1 a SGB V getroffene Bestimmung der Leistungsansprüche von Spendern gegenüber den Krankenkassen der Empfänger ergänzt. Mit der gesetzlichen Regelung wird ein modifizierter Krankengeldanspruch für Spender von Organen oder Geweben vorgesehen, wenn eine im Rahmen des TPG erfolgende Spende von Organen oder Geweben sie arbeitsunfähig macht. Im Rahmen dieses Anspruchs der Spender erfolgt grundsätzlich eine volle Erstattung des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens. Allerdings wird zur Vermeidung einer finanziellen Überforderung der Krankenkassen das Krankengeld begrenzt und orientiert sich an der Beitragsbemessung der Krankenversicherung. Das Krankengeld wird demzufolge in Höhe des ausgefallenen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, wozu auch Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge gehören, höchstens jedoch bis zur Höhe des Betrages der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze für jeden Tag des Zeitraums des Ausfalls von Arbeitseinkünften, geleistet24. Das Krankengeld 21 22 23 24

BT-Drucks. 17/9773, 37. BT-Drucks. 17/9773, 38. BT-Drucks. 17/9773, 37 f. BT-Drucks. 17/9773, 39.

270

Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

wird für den Zeitraum des Ausfalls von Arbeitseinkünften gewährt. Es handelt sich um den Zeitraum, in dem die Spender im Hinblick auf die Organspende arbeitsunfähig sind. Liegen anschließend die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB V vor, so haben die Spender dann insoweit den allgemeinen Krankengeldanspruch aus ihrem eigenen Versicherungsverhältnis. Eine Anrechnung der Dauer des Krankengeldbezugs nach § 44 a SGB V auf die Dauer des Krankengelds nach § 44 Abs. 1 SGB V findet nicht statt25. Ebenso wie § 27 Abs. 1 a SGB V sieht § 44 a SGB V vor, dass auch gesetzlich nicht krankenversicherte Personen, insbesondere privat krankenversicherte Personen, einen entsprechenden Anspruch auf Krankengeld haben. Soweit aufgrund der Neuregelung des § 3 a EFZG ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen besteht, wenn ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge der Spende von Organen oder Geweben, die nach den Regelungen des TPG erfolgt, an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ruht insoweit der Anspruch nach § 44 a SGB V, da diese Vorschrift auf die entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V verweist. Dann erstattet die gesetzliche Krankenkasse des Empfängers von Organen oder Geweben bzw. das jeweilige private Krankenversicherungsunternehmen dem Arbeitgeber stattdessen auf Antrag das fortgezahlte Arbeitsentgelt (einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge). Im Falle der Konkurrenz von Krankengeldansprüchen nach den §§ 44 und 44 a SGB V, wenn Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Organspende und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zusammenfallen, ist der Krankengeldanspruch nach § 44 SGB V ausgeschlossen. An seine Stelle tritt der umfassende Krankengeldanspruch nach § 44a SGB V. (Boe)

4.

Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte

Das Verbraucherinsolvenzverfahren mit einer sich anschließenden Phase der Restschuldbefreiung ist für die betriebliche Praxis deshalb von Bedeutung, weil der Treuhänder den pfändbaren Teil des Arbeitslohns des Arbeitnehmers zur Insolvenzmasse einzieht, den der Arbeitgeber als Drittschuldner

25 BT-Drucks. 17/9773, 39.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

ermitteln und auf das Anderkonto des Treuhänders überweisen muss. Neben den Kosten, die mit der Bearbeitung derartiger Schuldnerinsolvenzen anfallen, trägt der Arbeitgeber je nach Lohnart regelmäßig auch das Risiko der zu treffenden Feststellung des pfändbaren Betrags im Rahmen der Lohnabrechnung. Verbraucherinsolvenzen mit Restschuldbefreiung haben in der Praxis der Lohnabrechnung deutlich zugenommen, weil sich der Schuldner über ein derartiges Restschuldbefreiungsverfahren sämtlicher Schulden – bis auf Ausnahmen (§ 302 InsO) – entledigen kann und derartige Verfahren durch die Möglichkeit der Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens (§§ 4 a ff. InsO) von den Schuldnerberatungsstellen als Ausweg aus der Verschuldung angeraten und favorisiert werden. Nach der gegenwärtigen Rechtslage wird die Restschuldbefreiung durch einen rechtsgestaltenden Beschluss des Insolvenzgerichts nach Ablauf der Abtretungserklärung von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt (§§ 287 Abs. 2, 300 InsO). Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 10.8.201226 soll nach dem Willen der Bundesregierung die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP vom 26.10.2009 vorgesehene Verkürzung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs Jahre auf drei Jahre umgesetzt werden. Nach dem Gesetzentwurf soll es dem Schuldner erstmalig ermöglicht werden, das Restschuldbefreiungsverfahren vorzeitig nach drei oder fünf Jahren zu beenden, wenn er innerhalb der genannten Zeiträume eine Mindestbefriedigungsquote erfüllt oder zumindest die Kosten des Verfahrens trägt. Zugleich verfolgt der Gesetzgeber das Anliegen, das Verbraucherinsolvenzund das Restschuldbefreiungsverfahren effektiver auszugestalten. Soweit für alle natürlichen Personen die Verkürzung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens in Rede steht, ist gemäß § 300 des Entwurfs zunächst vorgesehen, dass das Insolvenzgericht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger und des Treuhänders in jedem Falle nach Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist durch Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung auch dann zu entscheiden hat, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben ist27. Eine vorzeitige Restschuldbefreiung kann auf Antrag des Schuldners erteilt werden, soweit er belegt, dass er die Kosten des Verfah26 BR-Drucks. 467/12. 27 Grundsätzlich dazu BGH v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, NJW 2010, 2283 ff.

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Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

rens berichtigt hat. Dabei ist gemäß § 300 Abs. 1 Nr. 2 des Entwurfs Voraussetzung für die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung nach drei Jahren, dass der Schuldner innerhalb dieser Zeit eine Mindestbefriedigungsquote von 25 % erzielt hat. Dabei werden die in das Schlussverzeichnis aufgenommenen Forderungen berücksichtigt. Darüber hinaus sieht § 300 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs eine vorzeitige Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens vor, wenn der Schuldner innerhalb von fünf Jahren zumindest die Verfahrenskosten beglichen hat. Der Gesetzgeber will damit dem Schuldner einen Anreiz verschaffen, durch eigene Bemühungen zumindest die Verfahrenskosten zu bezahlen, weil er nach den Vorschriften über das Stundungsverfahren noch vier Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung für die gestundeten Verfahrenskosten aufkommen muss (§ 4 b Abs. 1 S. 2 InsO, § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der federführende Rechtsausschuss des Bundesrats hat in seiner Stellungnahme vom 11.9.201228 angesichts der für eine Verkürzung der Restschuldbefreiung gewählten Parameter die Aussichten der vorgesehenen Abkürzung der Restschuldbefreiung für eher gering eingeschätzt, weil die im Gesetzentwurf vorgesehene Befriedigungsquote die Schuldner erheblich überforderte. Überdies wird vom Rechtsausschuss des Bundesrats sinnvollerweise darauf hingewiesen, dass eine Restschuldbefreiung, um dem redlichen Schuldner einen Neustart zu ermöglichen, nur dann Sinn macht, wenn eine Neuverschuldung des Schuldners während des laufenden Insolvenzverfahrens bzw. während der Wohlverhaltensphase zur Versagung der Restschuldbefreiung führt29. Nach derzeitiger Rechtslage sieht § 114 Abs. 1 InsO vor, dass Lohnabtretungen während der ersten zwei Jahre des Insolvenzverfahrens wirksam bleiben und damit die abgetretenen Beträge der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger entzogen werden. Mit dieser Vorschrift soll dem Dienstverpflichteten, der nur die Abtretung seiner Bezüge als Sicherheit anbieten kann, die Kreditbeschaffung ermöglicht werden30. Der Begriff der Bezüge aus einem Dienstverhältnis umfasst auch eine anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung31. Für die betriebliche Praxis ist diese Regelung deshalb von Bedeutung, weil sie gerade bei Arbeitgeberdarlehen eine außerhalb der Verbraucherinsolvenz mögliche Rückführung des Darlehens 28 29 30 31

BR-Drucks. 467/1/12, 2. BR-Drucks. 467/1/12, 8 f. Vgl. auch BGH v. 11.5.2010 – IX ZR 139/09, NZA – RR 2010, 425 ff. BGH v. 11.5.2010 – IX ZR 139/09, NZA–RR 2010, 425 Rz. 5 ff.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

gewährleistet. Der Gesetzentwurf will § 114 InsO komplett streichen und damit das Arbeitseinkommen als regelmäßig einzige Einnahmequelle des Schuldners der Gläubigergesamtheit ungeschmälert zur Verfügung stellen, um dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu genügen32. Unabhängig davon, ob der künftige Wegfall dieser Vorschrift negative Auswirkungen auf die allgemeine Praxis der Kreditvergabe haben wird, gilt dies jedenfalls für Arbeitgeberdarlehen, weil für deren Ausreichung die Werthaltigkeit der Lohnforderung regelmäßig von erheblicher Bedeutung ist. Konsequenterweise will der Gesetzgeber mit dem Wegfall des Verfügungsprivilegs (Abtretung) nach § 114 Abs. 1 InsO auch das in § 114 Abs. 2 InsO statuierte Aufrechnungsprivileg des Arbeitgebers entfallen lassen, was nicht nur für die Rückführung von Darlehen, sondern auch für Bereicherungsansprüche aus überzahlter Vergütung von Bedeutung sein kann. Abweichend von § 94 und § 96 InsO, wonach die Aufrechnungslage bzw. die Hauptforderung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestanden haben muss, darf der Arbeitgeber gegen die innerhalb des Zweijahreszeitraums entstehenden Lohnforderungen des Insolvenzschuldners mit Gegenforderungen aller Art, die bereits zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung entstanden waren, die Aufrechnung erklären 33. Nach der gegenwärtigen Regelung des § 287 Abs. 2 InsO ist vorgesehen, dass dem Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung die Erklärung beizufügen ist, dass er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Der Entwurf sieht vor, dass nach dem Wort „ Insolvenzverfahrens“ das Wort („Abtretungsfrist“) eingefügt wird. Mit dem Begriff Abtretungsfrist will der Gesetzgeber verdeutlichen, dass der gesamte Zeitraum der in § 287 Abs. 2 InsO genannten Frist maßgebend ist34. Im Übrigen bleibt es dabei, dass Vereinbarungen, die eine Abtretung der Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis ausschließen, von einer Bedingung abhängig machen oder sonst einschränken, insoweit unwirksam sind, als sie die Abtretungserklärung vereiteln oder beeinträchtigen würden (§ 287 Abs. 3 InsO). Diese Regelungen sind vor allem für die betriebliche Praxis dort von Bedeutung, wo auf vertraglicher Grundlage Abtretungsverbote vereinbart worden sind. 32 BR-Drucks. 467/12, 33 f. 33 Vgl. BAG v. 21.1.2010 – 6 AZR 593/07, NZA–RR 2010, 46. 34 BR-Drucks. 467/12, 35.

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BDSG – Letzter Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Zukünftig soll zudem der erhöhte Selbstbehalt vier und fünf Jahre nach Abschluss des Insolvenzverfahrens (Motivationsrabatt) in § 292 Abs. 1 S. 4 InsO entfallen. Anders als dies mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes (GNeuMoP)35 vom 11.3.10 geschehen ist, das noch keinen Eingang in das Gesetzgebungsverfahren gefunden hat, bestehen durchaus gute Aussichten dafür, dass das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 10.8.2012 zügig das parlamentarische Verfahren durchläuft und noch in der 1. Hälfte des kommenden Jahres in Kraft tritt. (Boe)

5.

BDSG – Letzter Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Bereits im Jahre 2010 hatte die Bundesregierung den Entwurf einer Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Der Gesetzentwurf enthielt vielfältige Regelungen zu den einzelnen Fragestellungen in Bezug auf den Umgang mit personenbezogenen Daten bei der Begründung, Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses. Diese Regelungen sollten an die Stelle von § 32 BDSG treten, der derzeit im Wesentlichen für den Datenschutz im Beschäftigungsverhältnis maßgeblich ist. Wir hatten bereits mehrfach über die damit zusammenhängenden Fragen und die Änderungsvorschläge berichtet36. Obwohl die außerparlamentarische Diskussion, Gegenäußerungen des Bundesrats, eine Antwort der Bundesregierung, die Sachverständigenanhörung und eine Prioritätenliste der Berichterstatter der Bundesregierung erheblichen Anpassungsbedarf in Bezug auf diesen Entwurf deutlich gemacht hatten, gibt es seit dem 7.9.2011 keine weiteren parlamentarischen Verlautbarungen der Bundesregierung bzw. der Koalitionsfraktionen des Bundestages, die den weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens betreffen37. Offenkundig ist die Bundesregierung weder bereit noch in der Lage, sich auf eine einheitliche Linie zu verständigen und ihr Vorhaben zu einem Abschluss zu bringen. Die betriebliche Praxis wird sich nunmehr wohl darauf einstellen können, dass in dieser Legislaturperiode gar keine Änderung mehr im Beschäftigten-

35 BR-Drucks. 139/10. 36 B. Gaul, AktuellAR 2010, 269 ff.; 2011, 1 ff., 303 ff.; 2012, 1 ff. 37 Zur Entwicklung des BDSG in 2011/2012 siehe auch Gola/Klug, NJW 2012, 2489 ff.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

datenschutz vorgenommen wird. Dieser Eindruck ist nicht nur Ergebnis des aktuellen Schweigens im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens. Diese Einschätzung kommt schlussendlich auch in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zum Ausdruck, die die Pläne der Bundesregierung zur Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes unter besonderer Berücksichtigung des Bereichs der Call-Center zum Gegenstand hatte38. Im Rahmen ihrer Antwort, mit der verschiedene Fragen zu den Regelungszielen der Bundesregierung in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz behandelt werden, lässt die Bundesregierung mit keiner Silbe erkennen, dass das Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperiode noch ernsthaft weiterverfolgt und möglicherweise sogar zu einem Abschluss gebracht werden soll. Vielmehr wird, auch in kontroversen Punkten des Gesetzentwurfs, lapidar auf die ursprünglichen Vorschläge im ersten Entwurf hingewiesen. Alle Erkenntnisse, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens insbesondere durch eigene Feststellungen der Bundesregierung, die Verlautbarungen im Rahmen der Sachverständigenanhörungen und die Prioritätenliste der Berichterstatter der Bundesregierung erkennbar geworden sind, bleiben unberücksichtigt. Deutlich wird dieser Stillstand nicht nur bei der abstrakten Wiedergabe der Ziele einer Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes. Insbesondere in Bezug auf die Videoüberwachung, den Umgang mit Arbeitnehmern in CallCentern und dem Screening von Personaldaten verweist die Bundesregierung lediglich auf ihren Gesetzesvorschlag und verbindet dies mit dem Hinweis, dass insoweit nur die bisherigen Leitsätze der Rechtsprechung konkretisiert würden. Dass die Bundesregierung selbst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eine Anpassung dieses Entwurfs vorgeschlagen hatte, bleibt unberücksichtigt. Entsprechendes gilt in Bezug auf den Gestaltungsspielraum, der zukünftig etwaigen Betriebs- und Dienstvereinbarungen zugestanden werden soll. Hier verweist die Bundesregierung in ihrer Antwort lediglich auf § 32 l Abs. 5 E-BDSG, nach dem von den Vorschriften zum Beschäftigtendatenschutz nicht zu Ungunsten der Beschäftigten abgewichen werden kann. Diese Regelung betreffe – so die Bundesregierung – auch Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Eine Möglichkeit, zu Ungunsten der Beschäftigten durch Be-

38 BT-Drucks. 17/10540 und 17/10666.

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BDSG – Letzter Stand des Gesetzgebungsverfahrens

triebs- oder Dienstvereinbarungen vom gesetzlichen Standard abzuweichen, sei daher nicht vorgesehen. Mit dieser Verlautbarung geht die Bundesregierung wieder auf den Stand ihres Ursprungsentwurfs zurück. Sie lässt unerwähnt, dass die entsprechende Regelung in § 32 l E-BDSG bereits im Widerspruch zu § 4 Abs. 1 E-BDSG stand. Danach war es statthaft, durch Betriebsvereinbarung, Dienstvereinbarung oder Tarifvertrag eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten zu schaffen. Diese kann nach der bisherigen Systematik des Gesetzes, die mit § 4 Abs. 1 E-BDSG nicht aufgehoben worden wäre, eine alternative Rechtfertigung bieten, die auch zu Ungunsten der Beschäftigten von den gesetzlichen Regelungen im BDSG abweichen kann, sofern die auch grundrechtlich geschützten Positionen der betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigt werden und die Maßnahme selbst dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt. Offenbar hat sich die Bundesregierung hier noch nicht auf eine übergreifende Linie verständigt. Erstaunlich ist dies jedenfalls insoweit, als § 32 l Abs. 5 E-BDSG in der Fassung einer Prioritätenliste der Berichterstatter der Bundesregierung vom 7.9.2011 noch eine weitergehende Gestaltungsmöglichkeit zu Gunsten der Betriebsparteien bzw. Tarifvertragsparteien vorgesehen hatte. Denn diese Neufassung des Entwurfs sah bislang vor: Von den § 32 d Abs. 3 und § 32 e Abs. 4 S. 1 Nr. 3 und S. 2 darf nicht durch Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Vereinbarungen nach § 28 Abs. 2 SprAuG zu Ungunsten der Beschäftigten abgewichen werden. Soweit in Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Vereinbarungen nach § 28 Abs. 2 SprAuG von den übrigen Vorschriften dieses Unterabschnitts abgewichen wird, haben diese die sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Arbeits- und Datenschutzrechts ergebenden Beschränkungen zu beachten.

Die vorstehend getroffene Regelung dürfte der aktuellen Rechtsprechung des BAG entsprechen, das insbesondere den betrieblichen Sozialpartnern einen solchen Gestaltungsspielraum neben dem BDSG zuerkannt hatte. Es bleibt zu hoffen, dass sich daran, entgegen der aktuellen Antwort der Bundesregierung, nichts ändert. Dies wäre dann der Fall, wenn das Gesetzgebungsverfahren nicht weiter verfolgt würde und auf der Grundlage der heutigen Gesetzesfassung weiterhin auf die bislang geltende Rechtsprechung des BAG zurückgegriffen werden könnte. Diese Rechtsprechung ist auch mit

277

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

den Vorgaben des EuGH im Urteil vom 24.11.201139, über das wir berichteten40, vereinbar. Denn auch der EuGH hatte darauf hingewiesen, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten dann gestattet werden muss, wenn auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls keine überwiegenden und schutzwürdigen Interessen der betroffenen Arbeitnehmer in Rede stehen. Der Nachteil eines Verzichts einer Umsetzung der Neuregelung im Beschäftigtenschutz dürfte schlussendlich nur darin liegen, dass notwendige Klarstellung in Bezug auf den Datenschutz bei der Nutzung von E-Mail und Internet nicht erfolgen. Hier waren im Gesetzgebungsverfahren insbesondere Klarstellungen durch § 32 i E-BDSG und Veränderungen im TKG diskutiert worden. Der große Vorteil einer fehlenden Änderung des geltenden Rechts dürfte indes darin liegen, dass § 32 Abs. 1 BDSG in seiner heutigen Fassung letztendlich jede Form der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten in den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und bei einer Beachtung des Grundsatzes der Datensparsamkeit auch im Arbeitsverhältnis erlaubt. Dass hier bisweilen eine Konkretisierung durch den Gesetzgeber hilfreich wäre, um Arbeitgebern und Arbeitnehmern ebenso wie den Arbeitnehmervertretern Rechtsklarheit zu verschaffen, dürfte nicht genügen, um jedenfalls aus Sicht der Unternehmen eine Vielzahl von Einschränkungen, Unklarheiten und Widersprüchen in Form eines unausgegorenen E-BDSG in Kauf zu nehmen. Hinzu kommt, dass insbesondere durch die Entwicklung auf der der europäischen Ebene neue Akzente gesetzt werden, denen die Bundesregierung ohnehin Rechnung tragen muss41. (Ga)

6.

Gesetzliche und tarifliche Initiativen zur Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung

Die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben im Bundesrat eine Initiative eingebracht, durch die unter dem Titel „Faire und sichere Arbeitsbedingungen bei der Arbeitnehmerüberlassung herstellen“ die Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Zeitarbeit eingeschränkt werden sollen42. Zur Begründung wird dabei im Wesentlichen auf 39 40 41 42

C-468/10 und C-469/10, NZA 2011, 1409 ff. - ASNEF/FECEMD. B. Gaul, AktuellAR 2012, 17 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2012, 17 ff., 297 f. BR-Drucks. 237/12.

278

Initiativen zur Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung

die bestehenden Unterschiede hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zwischen den Leiharbeitnehmern und den beim Entleiher eingestellten Stammarbeitnehmern verwiesen. Diese Ungleichbehandlung könne auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Vorschriften nicht beseitigt werden. Ein kritisches Merkmal dabei sei, dass Leiharbeit eine relativ kurzfristige Beschäftigungsform sei. Etwa 50 % der Leiharbeitsverhältnisse endeten bereits nach drei Monaten. Dass in vielen Fällen diese Flexibilität auch von Seiten der Leiharbeitnehmer gewünscht wird und vielfach dadurch entsteht, dass Leiharbeitnehmer durch die Entleiher eingestellt werden, bleibt in der Begründung der Gesetzesinitiative indes unberücksichtigt. Keine Berücksichtigung finden auch die aktuellen Entwicklungen auf tarifvertraglicher Ebene, die in vielen Branchen bereits eine ganz erhebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern und damit verbunden auch eine Angleichung an die Arbeitsbedingungen für die beim Entleiher angestellten Stammarbeitnehmer zur Folge haben. Einen konkreten Gesetzesvorschlag enthält die Initiative zwar nicht. Allerdings werden wesentliche Regelungsziele wie folgt beschrieben: • § 14 Abs. 2 AÜG soll um eine Regelung erweitert werden, die bestimmt, dass bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Einrichtung des Betriebsrats im Entleiherbetrieb Leiharbeitnehmer wie Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs, die der Entleiher für die gleiche Dauer unmittelbar beschäftigen würde, berücksichtigt werden, wenn die Überlassung länger als drei Monate dauert. Auf diese Weise soll eine Verknüpfung des Wahlrechts nach § 7 S. 2 BetrVG und der Betriebsratsgröße erreicht werden. • Gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG soll der Betriebsrat ein volles Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Grundsätze über den Einsatz von Leiharbeitnehmern einschließlich der Festlegung einer Obergrenze (Quote oder absolute Höchstzahl) der im Betrieb höchstens einsetzbaren Leiharbeitnehmer erhalten. Dies würde die bestehende Systematik des BetrVG, das die Zahl der im Unternehmen eingesetzten Arbeitnehmer und die Rechtsform der Beschäftigung von Personal der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit unterwirft (vgl. nur §§ 92, 99, 102, 111, 112 BetrVG), mit Blick auf den Kreis der Leiharbeitnehmer grundlegend ändern. • Auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Bedenken sollen die Privilegierungen für die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG) ebenso wie die gelegentliche Arbeitnehmerüberlas-

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

sung zwischen Arbeitgebern (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 a AÜG) gestrichen werden. • Das in § 1 S. 2 AÜG enthaltene Gebot einer nur „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung soll dahingehend ergänzt werden, dass die Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher die Höchstdauer von 12 Monaten nicht übersteigt. Als Rechtsfolge für den Fall einer Missachtung soll die Möglichkeit der Versagung bzw. des Widerrufs der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bzw. die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher gemäß der §§ 9, 10 AÜG vorgesehen werden. • Soweit Leiharbeitnehmer gemäß § 11 Abs. 5 AÜG einen Einsatz in einem bestreikten Entleiherbetrieb ablehnen dürfen, soll dies in ein generelles Verbot geändert werden. Auf diese Weise soll der Druck von Leiharbeitnehmern genommen werden, die als „Streikbrecher“ eingesetzt werden. • Die Leiharbeit soll als eine weitere Branche in das AEntG aufgenommen werden. Dies hätte zur Folge, dass entsprechende Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt und auch durch spezielle Firmen- oder Verbandstarifverträge nicht unterschritten werden dürfen.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Initiative im Bundestag und Bundesrat tatsächlich weiter verfolgt wird. Angesichts der tariflichen Entwicklungen erscheint dies unwahrscheinlich. Denn die Bundesregierung setzt hier augenscheinlich auf die Tarifautonomie, wie ihre Antwort auf eine kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zum Regulierungsbedarf in der Leiharbeit vom 8.8.201243 erkennbar macht. Hintergrund dieser Sichtweise der Bundesregierung sind insbesondere die Tarifverträge, mit denen in verschiedenen Branchen Branchenzuschläge eingeführt wurden. Diese Branchenzuschläge haben zum Ziel, bei länger andauernden Überlassungstatbeständen eine Angleichung des Gehalts der Leiharbeitnehmer an vergleichbare Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers zu erreichen. Problematisch an den insoweit getroffenen Tarifverträgen über Branchenzuschläge ist allerdings, dass sich zum Teil unbestimmte und damit unwirksame Regelungen in Bezug auf den sachlichen Geltungsbereich in diesen Tarifverträgen befinden. Dies gilt insbesondere für solche Fallgestaltungen, in denen die Zuordnung des Betriebs des Entleihers zum Organisati-

43 BT-Drucks. 17/10337 und 17/10432.

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Initiativen zur Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung

onsbereich der jeweiligen Gewerkschaft zweifelhaft ist. Hier soll, ohne Rücksicht auf die satzungsgemäße Zuständigkeit der jeweiligen Gewerkschaft, für die Zuordnung im Zweifel maßgeblich sein, dass im Betrieb des Entleihers ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt, den die tarifvertragschließende Gewerkschaft abgeschlossen hat. Der fehlende Regelungsbedarf besteht aus Sicht der Bundesregierung auch wegen weitergehender Tarifverträge zur Leih-/Zeitarbeit, wie sie insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie zum Abschluss gekommen sind44. Mit diesen Tarifverträgen werden nicht nur Schranken gesetzt, die für die Anerkennung einer noch vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung durch die tarifgebundenen Unternehmen eingehalten werden müssen. Die Tarifverträge sehen darüber hinausgehend vor, dass durch freiwillige Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Einsatz von Leih-/Zeitarbeitnehmern u. a. geregelt werden soll: • Einsatzzwecke, Einsatzbereiche und Volumen von Leih-/Zeitarbeit, • Höhe der Vergütung der Leih-/Zeitarbeitnehmer, die in Verleihverträgen vereinbart wird, sowie • Höchstdauer des Einsatzes und Übernahmeregeln.

Bestehen keine solchen Betriebsvereinbarungen, sieht der Tarifvertrag nicht nur vor, dass nach 18 Monaten der Überlassung durch den Entleiher geprüft wird, ob eine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis erfolgen kann. Wenn 24 Monate der Überlassung überschritten sind, ist in den Tarifverträgen sogar eine Übernahmeverpflichtung vorgesehen, sofern keine „akuten Beschäftigungsprobleme“ bestehen. Auf diese Weise werden überaus weitgehende Regelungen getroffen, die jedenfalls länger andauernden Einsatzformen im Bereich der Zeitarbeit entgegenstehen. Losgelöst davon sehen die zwischen der IG-Metall und den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie abgeschlossenen Vereinbarungen vor, dass die Unternehmen nur solche Verleihunternehmen beauftragen, die hinsichtlich der wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts die Regelungen des AÜG einhalten. Abweichende Regelungen im Sinne von § 9 Ziff. 2 AÜG sollen dabei nur solche sein, die mit der Tarifgemeinschaft des DGB und der IG-Metall abgeschlossen wurden oder werden und einen Branchenzuschlag, oder mindestens eine in der Höhe vergleichbare Vergütung enthalten. Dies soll vermeiden, dass in den tarifge44 Eingehend hierzu vgl. Krause, NZA 2012, 830 ff.

281

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

bundenen Unternehmen zukünftig weiterhin Leiharbeitnehmer zum Einsatz kommen, deren Arbeitsbedingungen durch einen Tarifvertrag mit einer christlichen Gewerkschaft bzw. der CGZP bestimmt werden. Insgesamt ist die rechtliche und politische Entwicklung der Zeitarbeit in Deutschland im Umbruch. Es steht zu erwarten, dass trotz der tarifvertraglichen Regelungen weitergehende Einschränkungen auf gesetzlicher Ebene auch in Zukunft weiter diskutiert werden. Dies gilt insbesondere für den Begriff einer „vorübergehenden“ Überlassung, wie er in § 1 Abs. 1 AÜG als Merkmal der Arbeitnehmerüberlassung benannt wird. Losgelöst davon dürfte auch in der Zukunft weiter die Frage im Raum stehen, ob die Tarifverträge der Zeitarbeit, wie sie mit den Gewerkschaften des DGB abgeschlossen worden sind, überhaupt einer rechtlichen Kontrolle standhalten können. Hier bestehen weiterhin Zweifel, was die Zuständigkeit einzelner Gewerkschaften betrifft45. Darüber hinaus ist die Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf solche Tarifverträge weiterhin umstritten, weil trotz divergierender Entscheidungen auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte bislang keine Klarstellung durch das BAG erfolgt ist. Wir hatten zuletzt über die dahingehend kritische Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 20.9.201146 berichtet47. (Ga)

7.

Gesetzentwurf zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen

Zuletzt hatten wir im Frühjahr über die verschiedenen Gesetzentwürfe zur Einführung einer Geschlechterquote in Aufsichtsräten und Vorständen berichtet48. Unabhängig von der Diskussion einer EU-Richtlinie49 ist ergänzend hierzu über den Bundesrat jetzt der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG) in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden50. Ziel ist keine Geschlechterquote für den Vorstand bzw. die Geschäftsführung. Vielmehr werden übergreifend Geschlechterquoten für den Aufsichtsrat von 45 46 47 48 49 50

Eingehend Rieble, BB 2012, 2177 ff. 7 Sa 1318/11, DB 2011, 119 ff. B. Gaul, AktuellAR 2012, 173 ff. B. Gaul, AktuellAR 2012, 13 ff. Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2012, 301 f. BR-Drucks. 330/12.

282

Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen

börsennotierten Aktiengesellschaften sowie sonstiger Unternehmen vorgeschlagen, die eine Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat vorsehen. Nachfolgend sollen wesentliche Aspekte des Vorschlags dargestellt werden.

a)

Gestufte Einführung einer Geschlechterquote

Durch Änderungen im AktG, auf die in den gesetzlichen Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung verwiesen wird, soll mit Wirkung zum 1.1.2018 eine Verpflichtung geschaffen werden, jedes Geschlecht im Aufsichtsrat mit mindestens 20 Prozent berücksichtigen. Diese Quote soll zum 1.1.2023 auf 40 Prozent angehoben werden. Die Einführung der Geschlechterquote soll im Wesentlichen durch eine Ergänzung von § 96 AktG erfolgen. Auszugsweise sieht der dahin gehende Vorschlag folgende Regelung vor: (3) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 sind bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates beide Geschlechter gerecht zu berücksichtigen. Wenn sich der Aufsichtsrat aus Mitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer zusammensetzt, sind sowohl bei den Mitgliedern der Aktionäre, als auch bei den Mitgliedern der Arbeitnehmer (Teilgremien) bei getrennter Betrachtung beide Geschlechter gerecht zu berücksichtigen. Eine gerechte Berücksichtigung beider Geschlechter liegt vor, wenn die Zusammensetzung die nachfolgend genannten Voraussetzungen erfüllt. Besteht der Aufsichtsrat oder das jeweilige Teilgremium im Sinne des Satzes 2 aus 1.

drei, vier, fünf oder sechs Mitgliedern, müssen Frauen und Männer jeweils mit mindestens einem Mitglied,

2.

sieben oder acht Mitgliedern, müssen Frauen und Männer jeweils mit mindestens zwei Mitgliedern,

3.

neun oder mehr Mitgliedern, müssen Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 20 Prozent

vertreten sein. Die weiteren Mitglieder nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des MontanMitbestimmungsgesetzes und § 5 Absatz 1 Satz 2 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, bleiben für die Erfüllung der Voraussetzungen des Satzes 4 außer Betracht. Wenn die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllt sind, dürfen die Voraussetzungen des Satzes 4 im gesamten Aufsichtsrat unterschritten werden. Satz 4 gilt in dem von den Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzenden Teilgremium nicht für

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Gesellschaften, die in der Regel zu einem Anteil von mindestens 90 Prozent Arbeitnehmer desselben Geschlechts beschäftigen. (4) Ausnahmen von Absatz 3 Sätze 1 bis 4 und 6 sind zulässig, wenn die Gesellschaft nachweist, dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund ist insbesondere anzunehmen, soweit trotz erheblicher Anstrengungen der Gesellschaft nur ungeeignete Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zur Besetzung des Aufsichtsrats zur Auswahl standen. (5) Die Absätze 3 und 4 gelten nur für börsennotierte Gesellschaften, oder Gesellschaften, die den in Absatz 1 genannten Vorschriften über die Mitbestimmung unterliegen. …

Auf die entsprechenden Regelungen wird im MitbestG verwiesen. Im DrittelbG, dem MontanMitbestG, dem MonMitbestErgG, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung sowie im SE-Ausführungsgesetz sollen entsprechende Verweisungsvorschriften bzw. Ermächtigungen eingebunden werden, nach denen die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die Umsetzung der Geschlechterquote gewährleisten soll.

b)

Wahlverfahren zur Durchsetzung der Geschlechterquote

Das Gesetz selbst enthält keine konkreten Vorgaben, wie auf Anteilseignerbzw. Arbeitnehmerseite die „gerechte“ Berücksichtigung der Geschlechter erfolgen soll. Für die Wahl der Arbeitnehmervertreter soll die Konkretisierung durch eine Rechtsverordnung erfolgen, mit der die Bundesregierung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der verschiedenen Mitbestimmungsgesetze Vorgaben schaffen soll, die gewährleisten, dass die Voraussetzungen des § 96 Abs. 3 bis 5 AktG bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer gewahrt sind, sofern der Aufsichtsrat diesen Vorschriften unterfällt. Nach den Verfassern des Gesetzentwurfs kann sich die Bundesregierung dabei an den Regelungen zur Umsetzung der Mindestbeteiligungsquote bei Betriebsratswahlen in den geltenden Vorschriften der ersten Wahlordnung zur Durchführung des BetrVG orientieren. Darin seien bereits Vorschriften enthalten, die das Geschlechterverhältnis der Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat betreffen. Allerdings wäre insoweit eine Anpassung notwendig, als nicht das zahlenmäßige Verhältnis von Frauen und Männern unter den Beschäftigten des jeweiligen Unternehmens für das zu besetzende Gremium relevant sei, sondern die jeweils geltende Mindestquote im Sinne von § 96 Abs. 3 AktG-E.

284

Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen

Hiervon ausgehend könnten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zunächst die durch die Mindestquoten vorgegebenen Sitze von 20 bzw. 40 Prozent (in Arbeitnehmer-Teilgremien mit weniger als neun Mitgliedern die jeweils in der Grundstruktur festgelegte Mindestanzahl) je Geschlecht besetzt werden. Die zur freien Verfügung verbleibenden Sitze würden anschließend auf diejenigen verbleibenden Kandidaten verteilt, die die Höchstzahlen der vergebenen Stimmen auf sich vereinigten. Dadurch bestünde zwar das (in der Praxis nach den Entwurfsverfassern jedoch als äußerst gering zu bewertende) Risiko, dass für den Fall, dass nicht genügend Stimmen auf die Kandidaten des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts entfielen, bereits die Mindestquoten mangels gewählter Kandidaten nicht erfüllt werden könnten. Um dies zu vermeiden, könnte aber festgelegt werden, dass solange Kandidaten des für die Quotenerfüllung benötigten Geschlechts als gewählt gelten, bis die jeweiligen Mindestvoraussetzungen erfüllt seien und zwar auch dann, wenn sie weniger Stimmen auf sich vereinten, als ein Kandidat des jeweils anderen Geschlechts. Alternativ sieht die Begründung des Gesetzentwurfs vor, dass die Wahlordnungen dergestalt angepasst würden, dass jeder wahlberechtigte Arbeitnehmer drei Stimmen habe, welche er auf drei Wahlvorschlagslisten verteile: Die erste Liste enthielte nur männliche Kandidaten (1. Stimme), die zweite Liste nur weibliche (2. Stimme), die dritte Liste enthielte Kandidaten beider Geschlechter. Damit wäre die Vergabe der dritten Stimme nicht an ein Geschlecht gebunden. Auf diese Weise würden – so der Entwurf in seiner Begründung - zunächst die Mindestanteile je Geschlecht anhand der Vergabe der ersten beiden Stimmen besetzt. Die übrigen, zur freien Verfügung stehenden Sitze würden von den verbleibenden Kandidaten besetzt, welche in der dritten Liste die meisten Stimmen erhalten hätten. Durch die Erstellung einer dritten Liste würden Verzerrungen der Erfolgschancen verhindert, die sich in einem lediglich aus den ersten beiden Listen bestehenden System bei ungleicher Anzahl weiblicher und männlicher Beschäftigter ergäben. Dass das Arbeitnehmer-Teilgremium eines Aufsichtsrats nicht noch in Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter unterteilt wird, führt allerdings in der Praxis zu weiteren Schwierigkeiten. Nach dem Entwurf muss die Geschlechterquote schlussendlich durch die Beschäftigten, die aus dem Unternehmen heraus gewählt werden, gewährleistet werden, falls dies durch die Gewerkschaftsvertreter selbst (noch) nicht der Fall ist.

285

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

c)

Ausnahme bei Vorliegen eines wichtigen Grundes

§ 96 Abs. 4 AktG-Entwurf sieht vor, dass Ausnahmen von der Geschlechterquote zulässig sind, wenn die Gesellschaft nachweise, dass hierfür ein wichtiger Grund gegeben ist. Nach Maßgabe der Entwurfsbegründung soll diese Ausnahmevorschrift indes eng ausgelegt werden. Sie diene ausschließlich der Vermeidung unzumutbarer Härten, die daraus resultierten, dass ein Unternehmen, obwohl es rechtzeitig und ernsthaft alle erforderlichen Anstrengungen unternommen habe, um eine geeignete Person für den zu besetzenden Posten zu rekrutieren, keine geeigneten Bewerber finde. Bemerkenswert ist, dass nach der Entwurfsbegründung an die Geeignetheit etwaiger Kandidaten „keine überzogenen Anforderungen“ gestellt werden dürfen. Der Kandidat oder die Kandidatin müsse insbesondere nicht dieselben Voraussetzungen erfüllen, wie dies bei bereits vorhandenen Aufsichtsratsmitgliedern der Fall sei. Hierdurch wäre nämlich unschwer eine Umgehung der Mindestquote durch die Formulierung besonders hoher Anforderungen möglich. Zur Begründung wird dabei darauf verwiesen, dass die Aufgaben des Aufsichtsrats – verglichen mit beispielsweise der Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands – regelmäßig weniger fachspezifische Kenntnisse erforderten. Stattdessen zeige die Besetzung von Aufsichtsräten in der Praxis, dass häufig allgemeinere juristische oder betriebswirtschaftliche Qualifikationen ausreichten, die keine Erfahrungen in der bestimmten Branche oder im Unternehmen voraussetzten. Die Wahrscheinlichkeit, dass keine geeigneten Kandidaten oder Kandidatinnen für eine quotengerechte Besetzung von Aufsichtsgremien zur Verfügung stünden, sei damit als äußerst gering einzustufen. Bei der Suche nach einer geeigneten Person muss das Unternehmen nach der Entwurfsbegründung alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben. In jedem Fall sei die Bekanntmachung eines Gesuchs in einem hierzu geeigneten Medium (beispielsweise Fachpresse und bzw. oder Datenbanken) und ggf. die Vergabe an eine auf die Vermittlung von Führungspersonal spezialisierte Vermittlungsagentur als Grundvoraussetzung anzusehen. Das Unternehmen dürfe sich gerade nicht auf seit jeher verwendete Kommunikationswege beschränken, sondern müsse sich aktiv bemühen, geeignetes Personal bei Bedarf auch auf neuen Wegen zu erschließen.

d)

Feststellung und Publikation gesetzeskonformen Verhaltens

Nach § 96 Abs. 6 AktG-E erlässt das Bundesamt für Justiz auf Antrag gegenüber Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich der vorstehend genannten Vorschriften fallen, einen Bescheid über die Übereinstimmung der 286

Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen

Besetzung des Aufsichtsrats mit den Vorgaben in § 96 Abs. 3, 4 AktG-E. Diese Übereinstimmung wird allerdings auch dann bestätigt, wenn ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben nur in dem mit Arbeitnehmervertretern besetzten Teilgremium erfolgt. Schließlich ist es dem Unternehmen selbst gar nicht möglich, die entsprechende Wahl in der für eine Umsetzung der Quote erforderlichen Weise zu beeinflussen. Ergänzend hierzu soll das Bundesamt für Justiz eine Liste erstellen, die über Namen und Sitz derjenigen Unternehmen Auskunft gibt, bei denen die Besetzung des Aufsichtsrats nicht den Vorgaben in § 96 Abs. 3, 4 AktG-E entspricht. Dabei soll nach dem Gesetzesvorschlag kenntlich gemacht werden, ob die Entscheidung eines Verstoßes in Bestandskraft erwachsen ist. Die Liste soll einmal jährlich im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden. Darüber hinaus soll durch eine Ergänzung des HGB auch eine Erklärung zur Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien als Bestandteil des Lageberichts eingeführt werden. So sieht § 289 b HGB des Entwurfs folgende Regelung vor: Im Lagebericht ist auch anzugeben, 1.

wie viele Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und des Aufsichtsrats weiblich und wie viele männlich sind,

2.

ob für die Gesellschaft aufgrund ihrer Börsennotierung oder Mitbestimmung im Sinne des § 96 Absatz 5 des Aktiengesetzes Mindestzahlen für die Besetzung des Aufsichtsrates mit Frauen und Männern festgelegt sind und

3.

ob, soweit für die Gesellschaft Mindestzahlen für die Besetzung des Aufsichtsrats mit Frauen und Männern festgelegt sind, diese Mindestzahlen eingehalten worden sind.

Sofern für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Absatz 1) Mindestzahlen für die Besetzung des Aufsichtsrates mit Frauen und Männern festgelegt sind, haben sie abweichend von § 264 Absatz 1 Satz 4 einen Lagebericht zu erstellen, der mindestens die Erklärungen gemäß Satz 1 enthält.

Die entsprechenden Angaben werden durch den Betreiber des Bundesanzeigers an das Bundesamt für Justiz weitergeleitet.

e)

Sanktionen

Entgegen der im Frühjahr diskutierten Entwürfe sieht das GlTeilhG keine Auswirkungen für Beschlussfassungen des Aufsichtsrats vor, falls die Ge287

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

schlechterquote nicht gesetzeskonform umgesetzt wird. Im Gegenteil: Es soll nach dem Entwurf ausdrücklich klargestellt werden, dass die Wirksamkeit der Beschlüsse des Aufsichtsrats durch eine Verstoß gegen die Geschlechterquote nicht berührt wird. Dennoch soll auf Sanktionen nicht völlig verzichtet werden. Zunächst einmal sieht der Entwurf vor, dass die fehlende Umsetzung zu den Verlautbarungen im Lagebericht als eine Ordnungswidrigkeit behandelt wird. Ergänzend hierzu ist eine Änderung und Ergänzung des Körperschaftssteuergesetzes vorgesehen. Danach wird festgelegt, dass die gesamten Vergütungen, die an Mitglieder des Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Grubenvorstands oder andere mit der Überwachung der Gesellschaft beauftragte Personen gewährt werden, nicht als abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt werden, falls die gesetzlich verbindlichen Quotenregelungen aus § 96 Abs. 3 bis 5 AktG nicht beachtet werden. Ein solcher Verstoß wird nach dem Entwurf vermutet, soweit die betreffende Gesellschaft nicht entweder durch Vorlage • der Angabe im Lagebericht im Sinne des § 289 b S. 1 Nr. 2 HGB nachweist, dass Mindestzahlen für die Besetzung des Überwachungsorgans nicht bestehen, oder • einer Bescheinigung der zuständigen Behörde gemäß § 96 Abs. 6 AktG die quotengerechte Besetzung über die Nichtanwendbarkeit der Mindestzahlen nachgewiesen wird.

Weitergehende Sanktionen sind derzeit noch nicht vorgesehen. Allerdings fordert die Entwurfsbegründung die Bundesregierung auf, diese „milden Sanktionen“ zu verschärfen51, falls sich dieser Mechanismus als untauglich erweist, um eine Durchsetzung der Geschlechterquote zu gewährleisten.

f)

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie sich der Bundestag zu diesem Gesetzentwurf positionieren wird. Bemerkenswert ist bereits, dass der Bundesrat mit den Stimmen solcher Bundesländer, in denen eine Große Koalition besteht, den Entwurf verabschiedet hat. Zu erwarten ist deshalb, dass auch aus der Koalition heraus nicht nur Ablehnung in Bezug auf die hier niedergelegten Überlegungen zum Ausdruck gebracht wird. Dafür spricht, dass alle bislang zwischen den verschiedenen Bundesregierungen und der Industrie vereinbarten Ziele zur Stärkung insbesondere der Frauen in Führungspositionen bislang 51 Vgl. hierzu Prehm/Hellenkemper, NZA 2012, 960 ff.

288

Erweiterung des AGG auf chronisch erkrankte Menschen

weitgehend fruchtlos verlaufen sind. Dies gilt für Aufsichtsräte und Vorstände gleichermaßen. Insofern ist jedenfalls zu erwarten, dass das Thema den Bundestag und den Bundestagswahlkampf weiter beschäftigen wird. Wir werden darüber berichten. (Ga)

8.

Erweiterung des AGG auf chronisch erkrankte Menschen

Im Mai hatte die Fraktion DIE LINKE im Bundestag die Initiative ergriffen, einen Diskriminierungsschutz für chronisch erkrankte Menschen in das AGG aufzunehmen52. Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE rechtfertigt die chronische Erkrankung eines Menschen (z. B. durch eine HIVInfektion, Diabetes, Multiple Sklerose oder Krebs), ihn nach Maßgabe der Regelungen des AGG vor einer ungerechtfertigten Benachteiligung zu schützen. Vergleichbare Regelungen seien in vielen anderen Ländern Europas enthalten, die chronische Erkrankungen ausdrücklich (z. B. England, Niederlande, Rumänien) oder über das Verbot einer Diskriminierung wegen des Gesundheitszustands (z. B. Belgien, Finnland, Frankreich, Lettland, Slowenien, Tschechien, Ungarn) erfassen. Ergänzend hierzu verweist die Fraktion auf das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 13.1.201253, das die Kündigung eines HIV-infizierten Chemielaboranten als wirksam bestätigt hatte. Eine solche Diskriminierung – so die Feststellungen im Rahmen der Bundestagsdrucksache – sei als Diskriminierung zu qualifizieren und deshalb unwirksam. Grundsätzlich erscheint es durchaus geboten, chronisch erkrankte Menschen vor einer ungerechtfertigten Benachteiligung zu schützen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob hierfür eine Ergänzung des AGG notwendig ist. Zum einen dürfte die chronische Erkrankung in einer Reihe von Fällen bereits zum Vorliegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX führen. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Viele chronische Erkrankungen haben eben diese Einschränkung zur Folge, so-

52 BT-Drucks. 17/9563. 53 6 Sa 2159/11, NZA-RR 2012, 183 ff.

289

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

dass unmittelbar eine Anwendung von §§ 1, 7 AGG geltend gemacht werden kann. Zum anderen schützen bereits die generellen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung die hiervon betroffenen Arbeitnehmer davor, dass das Arbeitsverhältnis wegen der chronischen Erkrankung gekündigt wird, sofern diese nicht zu erheblichen Fehlzeiten mit der Folge einer wirtschaftlichen Belastung oder Betriebsablaufstörungen führt. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die chronische Erkrankung und das damit verbundene Ausfallrisiko während der Probezeit erkennbar wird. Hier wird man allerdings auch unter Berücksichtigung von § 242 BGB zu prüfen haben, ob in der Kündigung wegen einer solchen Erkrankung nicht eine Kündigung wegen Behinderung liegt. Dies würde dann wiederum zu einer Anwendung der bereits bestehenden Schutzbestimmungen des AGG führen. Hiervon war auch das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 13.1.201254 ausgegangen, als es die Sicherheitsstandards des Arbeitgebers zur Vermeidung einer Infektion der Patienten als berufliche Anforderung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG geprüft und auch unter Berücksichtigung dieses besonderen Schutzes vor einer Diskriminierung wegen Behinderung von einer Wirksamkeit der Kündigung ausgegangen ist. (Ga)

9.

Entwurf eines Whistleblower-Schutzgesetzes

Bereits im Frühjahr hatten wir eingehend über die verschiedenen Gesetzentwürfe im Bereich des Whistleblowing berichtet. Inzwischen ist auch der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht55. Wir hatten über seinen Inhalt bereits auf der Grundlage der im Vorfeld vorliegenden Entwürfe berichtet56. Eine Wahrscheinlichkeit, dass dieser Gesetzentwurf im Rahmen der laufenden Legislaturperiode im Bundestag eine Mehrheit findet, ist gering. Nichtsdestotrotz sei der betrieblichen Praxis empfohlen, sich intensiv mit diesem und anderen Gesetzentwürfen auseinanderzusetzen. Denn solche Entwürfe könnten die Grundlage einer unternehmenseigenen Regelung sein, mit der – beispielsweise auf der Ebene einer Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung – Leitlinien für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im

54 6 Sa 2159/11, NZA-RR 2012, 183 Rz. 35 ff. 55 BT-Drucks. 17/9782. 56 B. Gaul, AktuellAR 2012, 5 ff.

290

Gesetzentwurf zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes für Frauen und Männer

Bereich der Compliance geschaffen werden, die auch dem Aspekt des Whistleblowing Rechnung tragen. Auf diese Weise könnten nicht nur rechtliche Vorgaben umgesetzt werden, wie sie spezialgesetzlich insbesondere in den USA geschaffen wurden. Eine solche Regelung könnte auch dem Umstand Rechnung tragen, dass auch die in Deutschland bestehenden Regelungen die Unternehmen verpflichten, durch geeignete Vorgaben sicher zu stellen, dass ihre Arbeitnehmer in effektiver Weise in die Lage versetzt werden, auf etwaige Rechtsverletzungen im Rahmen des Betriebs zu reagieren. Ein solcher Rahmen könnte durch eine entsprechende Betriebsvereinbarung gesetzt werden, die jedenfalls einen Teil der Vorschläge berücksichtigt, wie sie in den Gesetzesentwürfen enthalten sind. Der Vorteil einer solchen Umsetzung läge darin, dass die bestehende Rechtsunsicherheit jedenfalls in Teilen beseitigt würde. Denn aktuell gibt es mit Ausnahme einiger spezialgesetzlicher Regelungen nur die §§ 241 Abs. 2, 612 a BGB, mit denen die wechselseitigen Rechte und Pflichten im Bereich des Whistleblowing bestimmt werden. Da es sich insoweit lediglich um abstrakte Vorgaben handelt, können daraus keine konkreten Handlungspflichten oder Handlungsschranken abgeleitet werden. Vielmehr erfolgt eine einzelfallbezogene Betrachtung, die insbesondere die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beachten muss. Hier wäre es hilfreich, auf betrieblicher Ebene eine weitergehende Klarstellung vorzunehmen. (Ga)

10. Gesetzentwurf zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes für Frauen und Männer (Entgeltgleichheitsgesetz) Am 23.5.2012 hat die SPD-Fraktion den Entwurf eines Gesetzes zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebots für Frauen und Männer (Entgeltgleichheitsgesetz) in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Im Anschluss an die erste Beratung ist der Gesetzentwurf in die Ausschüsse verwiesen worden. Ausgangspunkt des Gesetzentwurfs ist der Umstand, dass der Durchschnittsverdienst zwischen Männern und Frauen nach Maßgabe amtlicher Statistiken in Deutschland eine Differenz von 23 % ausweist. Damit liegt Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt (17,6 %) obwohl auch hier durch § 3 AGG, Art. 3 Abs. 2 GG, Art. 23 GRC, Art. 157 AEUV und Art. 4 Richtlinie 2006/54/EG eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Arbeitsentgelt geboten ist. Das dieser Durchschnittsverdienst als branchen- und hierarchieübergreifend alle Tätigkeiten erfasst und der Umstand einer Teilzeitbeschäftigung nicht umgerechnet wird, lässt die Begründung des Entwurfs unberücksichtigt. 291

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll jetzt nicht nur eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Entgeltgleichheit erleichtert werden, in dem die Anforderungen an eine Auskunfts- und Stufenklage herabgesetzt werden. Vielmehr sieht der Gesetzentwurf darüber hinausgehend vor, dass in Betrieben der Privatwirtschaft und in Dienststellen der öffentlichen Verwaltung mit in der Regel mehr als 15 Beschäftigten eine betriebliche Prüfung der Entgeltgleichheit erfolgen müsse. Für die Prüfung sollen nur Prüfungsverfahren verwendbar sein, die zuvor durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nach übergreifenden Kriterien zertifiziert worden sind. Die entsprechende Prüfung kann, wenn die Arbeitgeber ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, nicht nur durch Betriebs- und Personalräte unter Einbeziehung sachverständiger Personen veranlasst werden. Auch die Arbeitsgerichte können, wenn eine Klage wegen Entgeltdiskriminierung erhoben wird, auf Antrag und auf Kosten des Arbeitgebers eine sachverständige Person mit der erforderlichen Prüfung beauftragen, falls das Prüfungsverfahren noch nicht fristgerecht eingeleitet worden ist. Hat der Prüfungsbericht Entgeltdiskriminierungen festgestellt, soll nach Maßgabe des Gesetzentwurfs für die Beseitigung der Entgeltdiskriminierung und die Durchsetzung der Entgeltgleichheit eine Einigungsstelle für Entgeltgleichheit gebildet werden. Die Einigungsstelle soll betriebliche Regelungen, die zu einer Entgeltdiskriminierung führen, ersetzen. Hat die Entgeltdiskriminierung ihre Ursache in tarifvertraglichen Regelungen, an die der Arbeitgeber gebunden ist, soll die Einigungsstelle durch Beschluss feststellen, dass die diskriminierenden Regelungen nicht anwendbar und auf die Beschäftigten der durch die Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleichen Regelungen anzuwenden sind, wie auf die übrigen Beschäftigten. In Ausnahmefällen kann die Einigungsstelle für Entgeltgleichheit einen Stufenplan beschließen, mit dem im Laufe von drei Jahren die Entgeltgleichheit erreicht wird. Maßstab für die Angleichung sind die günstigeren Regelungen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Die betriebliche Praxis sollte sich gleichwohl mit diesen Überlegungen befassen, zeigen sie doch denkbare Entwicklungen für den Fall einer neuen Bundesregierung. Dabei stellt sich berechtigterweise die Frage, ob es hierfür keine einfacheren Möglichkeiten gibt. Dies gilt umso mehr, als zertifizierte Verfahren unter Einbindung des Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Zweifel betriebsspezifischen Bedürfnissen sowie funktionsbezogenen Unterschieden in einzelnen Branchen kaum Rechnung tragen können. Zweifelhaft erscheint auch, wie historischen Entwicklungen und/oder den individuellen Einstellungsverfahren bei der Feststellung diskriminierender Tatbestände Rechnung getragen werden soll. (Ga) 292

Gesetzliche Änderungen im Tarifvertragsrecht

11.

Gesetzliche Änderungen im Tarifvertragsrecht

Im Frühjahr hatten wir über verschiedene Initiativen der SPD-Fraktion57, der Fraktion DIE LINKE58 sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN59 berichtet, mit der grundlegende Änderungen im Tarifrecht vorgenommen werden sollten. Im Wesentlichen waren diese Änderungen darauf ausgerichtet, die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zu erleichtern, damit auf diese Weise jedenfalls branchenspezifische Mindestlöhne geschaffen werden können60. Keiner dieser Vorschläge hat im Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Mehrheit gefunden61. Auf der Grundlage der entsprechenden Beschlussempfehlung dieses Ausschusses ist auch eine Ablehnung im Bundestag erfolgt. In dieser Legislaturperiode haben sich die entsprechenden Vorschläge damit erledigt. (Ga)

12. Gesetzentwurf zur Änderung des Prozesskostenhilfeund Beratungshilferechts Im August hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungsrechts in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht62. Das Gesetz sieht eine Vielzahl von Änderungen vor, die vor allem die Voraussetzungen und die Höhe der Prozesskostenhilfe betreffen. So wird die mutwillige Rechtsverfolgung zukünftig in § 114 Abs. 2 ZPO wie folgt definiert: Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolgt besteht.

Entsprechendes ist für die Beratungshilfe vorgesehen (§ 1 Abs. 3 BeratungshG).

57 58 59 60 61 62

BT-Drucks. 17/8459. BT-Drucks. 17/8148. BT-Drucks. 17/4437. B. Gaul, AktuellAR 2012, 11 ff. BT-Drucks. 17/10220. BR-Drucks. 516/12.

293

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens soll die Sonderregelung für die Beiordnung eines Rechtsanwalts in § 11 a Abs. 1, 2 und 2 a ArbGG gestrichen werden. Es genüge, wenn § 121 Abs. 2 ZPO gewährleiste, dass einer Partei auf Antrag ein Rechtsanwalt beizuordnen sei, wenn dies erforderlich erscheine oder der Gegner anwaltlich vertreten sei. Damit verbunden kommen dann allerdings unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Grundentscheidungen auch die vorstehend genannten Regelungen zu den hinreichenden Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zur Anwendung. Die §§ 11 a Abs. 3, 4 ArbGG bleiben unverändert. Es bleibt abzuwarten, ob der Entwurf angesichts der Kritik, die in den Veränderungen eine Beseitigung der „Waffengleichheit“ sieht, im Gesetzgebungsverfahren eine Mehrheit findet. (Ga)

13. Insolvenzfestigkeit von Lizenzen (Referentenentwurf des BMJ) Seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung vom 5.10.199463 am 1.1.1999 (§ 359 InsO, Art. 110 EGInsO) fallen Lizenzverträge unter § 103 Abs. 1 InsO, wonach der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht hat, ob er einen Lizenzvertrag weiterhin erfüllt oder die Erfüllung des Vertrags abgelehnt64. Im Falle der Ablehnung steht dem Vertragspartner nur noch ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 103 Abs. 2 InsO) als einfache Insolvenzforderung zu, die zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann und regelmäßig nur mit einer geringen Quote bedient wird. Diese Rechtssituation kann für den Lizenznehmer bei einer Insolvenz des Lizenzgebers erhebliche negative wirtschaftliche Auswirkungen haben, wenn es etwa um Patentlizenzen der Automobilindustrie oder um Lizenzen an einer Computersoftware geht. Im Hinblick auf diese Auswirkungen für die lizenznehmenden Unternehmen war ursprünglich im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 18.1.2012 eine neue Regelung vorgesehen, die im Hinblick auf Lizenzverträge die Interessen des Lizenzgebers und Lizenznehmers zu einem angemessenen Ausgleich bringen sollte. Nach § 108 a InsOE sollte der Lizenz63 BGBl. I 1994, 2866. 64 Vgl. dazu auch BGH v. 17.11.2005- IX ZR 162/04, NJW 2006, 915 ff.

294

Insolvenzfestigkeit von Lizenzen

nehmer in der Insolvenz des Lizenzgebers einen Anspruch auf Neuabschluss eines Lizenzvertrages erhalten, wenn der Insolvenzverwalter von seinem Recht nach § 103 InsO Gebrauch macht und die Erfüllung des Lizenzvertrags abgelehnt hat. Dieses Recht sollte der Lizenznehmer innerhalb eines Monats ausüben können, was allerdings den Insolvenzverwalter nicht daran hindern sollte, vor Ablauf der Überlegungsfrist das Recht veräußern und übertragen zu können. Bei derartigem Befund sollte jedoch der Erwerber des lizenzierten Rechts als Rechtsnachfolger verpflichtet sein, mit dem Lizenznehmer einen entsprechenden Vertrag abschließen zu müssen. Zur Überbrückung der Schwebezeit bis zum Abschluss eines neuen Lizenzvertrags sah § 108 a Abs. 3 InsOE vor, dass der Lizenznehmer in dieser Zeit weiterhin berechtigt bleiben sollte, das lizenzierte Recht nach dem bisherigen Vertragsinhalt nutzen zu dürfen. Allerdings sollte nach Ablauf von drei Monaten die weitere Nutzung des lizenzierten Rechts nur zulässig sein, wenn eine Vergütung gezahlt wurde, die den Anforderungen des § 108 a Abs. 1 InsOE genügte und darüber hinaus der Lizenznehmer die Ernsthaftigkeit seiner Absicht, einen neuen Lizenzvertrag abschließen zu wollen, dadurch dokumentierte, dass er den Insolvenzverwalter auf Abschluss eines Lizenzvertrags zu verklagen hatte. Der neue Lizenzvertrag sollte dann auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zurückwirken. Mit dieser Ergänzung der Insolvenzordnung wollte der Gesetzgeber einem zentralen Anliegen der lizenznehmenden Wirtschaft nachkommen, auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Lizenzgebers das lizenzierte Recht weiter nutzen zu können, um so einen gewissen Investitionsschutz zu erhalten65. Im Regierungsentwurf des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 10.8.201266 ist § 108 a InsO ohne nähere Begründung ersatzlos gestrichen worden. Der Grund dafür mag darin zu suchen sein, dass der BGH in einer Grundsatzentscheidung vom 17.11.200567 einen Weg aufgezeigt hat, wie auf vertraglicher Basis die Insolvenzfestigkeit von Lizenzen hergestellt werden kann. Der Fall betraf ein Softwareunternehmen, das mit einem Kunden einen Vertrag über die Nutzung, Weiterentwicklung und den Vertrieb einer Software abgeschlossen hatte. Dieser Vertrag konnte von beiden Vertragspartnern nur aus

65 Referentenentwurf v. 18.1.2012 S. 40. 66 BR-Drucks. 467/12. 67 IX ZR 162/04, NJW 2006, 915 f.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

wichtigem Grund gekündigt werden. Im Falle einer berechtigten Kündigung sollten die Sourcecodes in der zum Zeitpunkt der Kündigung aktuellen Version inklusive der Nutzungs- und Vertriebsrechte auf den Vertragspartner übergehen, wofür eine einmalige Vergütung zu zahlen war. Nach Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen des Softwareunternehmens lehnte der Insolvenzverwalter die weitere Erfüllung des Vertrags ab und verwies den Vertragspartner auf zur Insolvenztabelle anzumeldende Schadensersatzansprüche. Dies nahm der Vertragspartner zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung und der Inanspruchnahme des weiteren Nutzungsrechts an dem Quellcode. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass der Vertragspartner aufgrund der berechtigten Kündigung aus wichtigem Grund die Nutzungsrechte an dem Quellcode beanspruchen konnte. Dabei ging der BGH davon aus, dass bedingt begründete Rechte im Insolvenzfall als bereits bestehend behandelt werden und auf der Grundlage des Vertrags zwischen dem Softwareunternehmen und dem Vertragspartner der Erwerb der Nutzung des Quellcodes bereits vorweggenommen und nur noch von dem Eintritt der Bedingung einer berechtigten außerordentlichen Kündigung abhängig war. Da sich der Insolvenzverwalter geweigert hatte, den Vertrag weiterhin zu erfüllen, stand dem Vertragspartner das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Die aufschiebende Bedingung der Übertragung des Rechts trat zwar erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, wirkte jedoch auf den Zeitpunkt der Übertragung des Rechts zurück. Als Resümee dieser Entscheidung ist davon auszugehen, dass, wenn der Erwerb eines Rechts zum Zeitpunkt der Vereinbarung unentziehbar - wenngleich aufschiebend bedingt – eingeräumt wird, der Insolvenzverwalter diesen dinglichen Übergang nicht mehr dadurch verhindern kann, dass er die Nichterfüllung des zu Grunde liegenden Vertrags wählt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wäre es allerdings begrüßenswert gewesen, wenn der Gesetzgeber die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen weiterverfolgt hätte. (Boe)

296

B.

1.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Entwicklungen im europäischen Datenschutzrecht

Bereits im Frühjahr hatten wir über den Vorschlag einer Datenschutzgrundverordnung berichtet1. Inzwischen ist dieser Vorschlag zur Reform des Datenschutzsystems Gegenstand weiterführender Diskussionen im Europäischen Parlament geworden. Auch das Ratstreffen der Justizminister am 24.7.2012 hat sich mit dem Vorschlag befasst. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen dabei indes nicht arbeitsrechtliche Auswirkungen, zumal diese im Wesentlichen zur weiteren Konkretisierung in die Hände der Mitgliedstaaten gegeben werden sollen. Kritik hat vielmehr der Umstand ausgelöst, dass mit der Datenschutzgrundverordnung die Möglichkeit eingeführt werden soll, dass die Kommission in einer Vielzahl von Angelegenheiten konkretisierende Rechtsakte festlegt. Damit würde die Rechtssetzung unmittelbar in die Hände der Exekutive gegeben, ohne dass diese Konkretisierungen noch durch das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten beeinflusst werden könnten2. Hinzu kommt, dass der Entwurf – so die berechtigte Kritik von Härting3 – den aktuellen Herausforderungen der digitalen Informationsgesellschaft überhaupt nicht Rechnung trägt. Er bewegt sich technisch auf dem Stand der Technik vor der Jahrtausendwende, weil er letztlich nur eine Anpassung der Regelungen der Datenschutzrichtlinie vorgenommen hat. Die Ergebnisse der Beratungen im Rahmen des Europäischen Parlaments sollen in Form der Ausschussberichte bis zum Jahresende vorliegen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit entsprechenden Vorschlägen auf der Ratsebene ist allerdings erst im Frühjahr 2013 geplant. Eine Verabschiedung der Datenschutzgrundverordnung könnte erst im Anschluss daran erfolgen, was erkennbar macht, dass auch auf europäischer Ebene Ergebnisse zu einer Veränderung des Systems des Datenschutzes auch 2013 wohl nicht mehr zu erwarten sind. Ein vergleichbares Schicksal auf der Zeitschiene erwartet eine Umsetzung der ersten Vorstellungen der EU-Kommission zur europaweiten Förderung des Cloud-Computings. Im Rahmen der hier initiierten Entwicklung soll ein einheitlicher europäischer Rahmen geschaffen werden, der die Nutzung von 1 2 3

Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2012, 17 ff. Zu Aufbau und Gesetzgebungsverfahren in der EU siehe Röhle, BAV 2012, 493 ff. Legal Tribune ONLINE vom 26.10.2012 „Der Entwurf der Kommission ist niederschmetternd“.

297

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Cloud-Computing-Diensten erleichtert. Gleichzeitig sollen die Themen Datenschutz und Datensicherheit, Haftung sowie Lizensierung urheberrechtlich geschützter Inhalte aufgegriffen und in eine praktikable Vorgabe eingebunden werden. Diese Ziele lassen sich im Rahmen des geltenden Rechts nicht verwirklichen. Auch der Entwurf der Datenschutzgrundverordnung trägt den technischen, rechtlichen und operativen Bedürfnissen des Cloud-Computings nicht ausreichend Rechnung. Dies gilt auch und insbesondere für die Einbindung von Nicht-EU-Staaten, der im Rahmen des Cloud-Computings kaum zu vermeiden ist. Wie Hullen4 ausgeführt hat, soll im Zuge der Veränderungen auch die Festlegung, wer im Rahmen komplexer Cloud-Computing-Dienste als Auftraggeber und Auftragsdatenverarbeiter gilt, vereinfacht werden. Veränderungen und Erleichterungen soll es darüber hinaus in Bezug auf die Kennzeichnung des anwendbaren Rechts sowie den Schutz des in der Cloud gespeicherten Inhalts geben. Auch hier sollen erste Vorschläge allerdings erst 2013 veröffentlicht werden. Obwohl die Industrie dringend klare und praktikable Rahmenbedingungen für das Cloud-Computing benötigt, wird also noch viel Zeit vergehen, bis auf europäischer Ebene dieser Rahmen geschaffen ist. (Ga)

2.

Vorschlag für eine Richtlinie zur Durchsetzung der Entsenderichtlinie

Bereits im Frühjahr hatten wir über den Vorschlag für eine Richtlinie zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen5 berichtet6. Inzwischen hat sich auch der Bundesrat mit diesem Vorhaben befasst7. Grundsätzlich begrüßt der Bundesrat das mit dem Richtlinienvorschlag verfolgte Ziel, auf eine einheitlichere Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung der Entsenderichtlinie hinzuwirken und dabei die Erfahrungen und Probleme aufzugreifen, die sich bei der bisherigen Anwendung in der Praxis ergeben haben. Ebenso begrüßt er Verbesserungen bei der Information der Arbeitnehmer und Unternehmen über ihre Rechte und Pflichten sowie ergänzende Regelungen über die Beteiligung von Gewerkschaften, Verbänden und anderen 4 5 6 7

jurisPR-ITR 18/2012 Anmerkung 2. KOM(2012) 131 final. B. Gaul, AktuellAR 2012, 22 ff. BR-Drucks. 159/12.

298

Europäische Initiativen im Betriebsrentenrecht

Dritten an Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, die entsandte Arbeitnehmer betreffen. Unabhängig davon hält der Bundesrat allerdings folgende Verbesserungen und Klarstellungen des Richtlinienvorschlags für dringend geboten: • Verdachtsunabhängige Vor-Ort-Kontrollen durch die nationalen Prüfbehörden sollen nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften der Mitgliedstaaten auch weiterhin und im bisherigen Umfang zulässig sein. • Die bestehenden Befugnisse der Behörden der Zollverwaltung sollen durch den Richtlinienvorschlag nicht beeinträchtigt und die Verpflichtungen der betroffenen Arbeitgeber nicht in unvertretbarer Weise eingeschränkt werden. • Mit Blick auf die Öffnungsklausel in Art. 12 Abs. 3 sowie den vorgesehenen Haftungsausschluss in Art. 12 Abs. 2 soll in den weiteren Verhandlungen sichergestellt werden, dass strengere innerstaatliche Haftungsregelungen als die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen zulässig bleiben und die in § 14 des AEntG normierte verschuldensunabhängige Mindestentgelthaftung des Generalunternehmers unverändert beibehalten werden kann.

Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit diese Vorstellungen des Bundesrats in die weitere Arbeit auf europäischer Ebene einfließen. Wir werden darüber berichten. (Ga)

3.

Europäische Initiativen im Betriebsrentenrecht

Im Frühjahr hatten wir über die Initiativen der EU-Kommission im Bereich der betrieblichen Altersversorgung berichtet8. Anlass hierfür war das Weißbuch, in dem nicht nur von Maßnahmen zur Absenkung der Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften die Rede war. Ganz erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hatte der Umstand, dass die EUKommission im Zusammenhang mit diesem Weißbuch beabsichtigte, die Solvency-II-Regeln auf die Pensionskassen zu übertragen. Dies hätte insbesondere in Deutschland ganz erhebliche Verpflichtungen in Bezug auf die Eigenkapitalausstattung solcher Versorgungsträger zur Folge, ohne dass die hier zu Lande vorhandene Insolvenzsicherung berücksichtigt würde. Wir hatten darüber berichtet9.

8 9

B. Gaul, AktuellAR 2012, 26 ff. B. Gaul, AktuellAR 2012, 26 ff.

299

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Ob und ggf. mit welchem Inhalt die Kommission tatsächlich Vorschläge zur Neugestaltung des Betriebsrentenrechts vorlegen wird, ist derzeit offen. Bislang gibt es jedenfalls keine weitergehende Konkretisierung, auf die sich die betriebliche Praxis einstellen müsste. (Ga)

4.

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Entgeltgleichheit für Männer und Frauen

Am 24.5.2012 hat das Europäische Parlament eine Entschließung mit Empfehlungen an die Kommission zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit verabschiedet. Sie nimmt sehr ausführlich zu den verschiedenen Bereichen Stellung, in denen aus Sicht des Europäischen Parlaments insbesondere durch die EU-Kommission Maßnahmen zur Durchsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit ergriffen werden sollen10. Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. in welcher Weise die EU-Kommission diese Entschließung aufgreifen und zum Gegenstand eigener Vorschläge etwaiger Richtlinien oder Verordnungen machen wird. Derzeit sind solche Konsequenzen nicht erkennbar. (Ga)

5.

Initiative zur erweiterten Arbeitnehmerbeteiligung bei Umstrukturierungen

Im Rahmen eines Berichts des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments vom 8.6.201211 werden weitgehende Empfehlungen an die Kommission zur Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern, zur Antizipation und zum Management von Umstrukturierungen ausgesprochen. Sie sollen Grundlage einer Entschließung des Europäischen Parlaments werden, die damit weitergehende Gesetzgebungsinitiativen einleiten soll. Ein Umsetzung dieser Initiative durch das Europäische Parlament und/oder die EU-Kommission hätte ganz erhebliche Bedeutung für das geltende Verfahren einer Beteiligung des Betriebsrats bei Umstrukturierungen, insbesondere also den §§ 111, 112 BetrVG. Denn mit den darin enthaltenen Empfehlungen werden umfangreiche Verhandlungspflichten im Bereich der Beschäftigung, der Qualifikation sowie alternativer Maßnahmen zu etwaig geplanten Entlassungen vorgeschrieben. Wenn solche Verhandlungen in der 10 2011/2285 (INI). 11 2012/2061 (INI).

300

Entwurf einer Richtlinie zur Geschlechterquote in Leitungsorganen

betrieblichen Praxis zukünftig erforderlich werden, bevor überhaupt eine Betriebsänderung umgesetzt wird, sind erhebliche zeitliche Verzögerungen zu erwarten. Wenn die Nichtbeachtung solcher Vorgaben auch sanktioniert wird, könnte dies über etwaige Nachteilsausgleichsansprüche hinaus sogar die Unwirksamkeit von Umsetzungsmaßnahmen zur Folge haben. Derzeit ist allerdings völlig offen, wie diese Überlegungen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten weiter verfolgt werden. Denn bereits die Diskussion im Rahmen des Europäischen Parlaments hat bislang zu 418 Änderungsvorschlägen geführt, die einer kurzfristigen Beschlussfassung im Europäischen Parlament bzw. der EU-Kommission zu weitergehenden Gesetzesinitiativen entgegen stehen dürften. Der Praxis sei indes empfohlen, dieses Gesetzgebungsverfahren mit besonderer Sorgfalt im Auge zu behalten. (Ga)

6.

Entwurf einer Richtlinie zur Geschlechterquote in Leitungsorganen börsennotierter Unternehmen

Trotz erheblicher Kritik aus Teilen der Mitgliedstaaten hat die Europäische Kommission auf der Grundlage eines Mehrheitsbeschlusses am 14.11.2012 den Vorschlag für eine Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen vorgelegt12. Er ergänzt den Vorschlag, der auf deutscher Ebene in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde13. Mit dem Vorschlag soll die fehlende Vertretung insbesondere von Frauen in den Leitungsorganen großer Gesellschaften verbessert werden. Nach dem Vorschlag sollen den Überwachungsgremien börsennotierter Unternehmen als Folge künftiger Neubestellungen bis 2020 mindestens 40 % dem derzeit unterrepräsentierten Geschlecht angehören. Börsennotierte öffentliche Unternehmen sollen diese Vorgabe schon 2018 erfüllen. Zulässig bleibt natürlich, auf nationaler Ebene weitergehende Quoten festzulegen. Kleine und mittlere Unternehmen (weniger als 250 Arbeitnehmer oder nicht mehr als 50 Mio. Euro Jahresumsatz oder 43 Mio. Jahresbilanzsumme) sind auch bei einer Börsennotierung von dem Richtlinienentwurf - abweichend von dem deutschen Gesetzentwurf zur Frauenquote – ausgenommen. Ebenfalls ausgenommen sind alle anderen Unternehmen ohne Börsennotierungen, insbesondere die GmbH. 12 COM(2012) 614 final. 13 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2012, 282 ff.

301

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

In Bezug auf Vorstandsmitglieder und geschäftsführende Direktoren sieht der Entwurf eine „Flexiquote“ vor. Damit sollen börsennotierte Unternehmen verpflichtet werden, durch eigene Regelungen bis 2020 (bei öffentlichen börsennotierten Unternehmen bis: 2018) Zielvorgaben für ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in diesen Leitungsorganen zu schaffen und einen jährlichen Fortschrittsbericht vorzulegen. Nach dem Entwurf soll die Festlegung der Mitglieder der Leitungsorgane auf der Grundlage eines Vergleichs der Qualifikationen der Kandidaten nach vorab festgelegten, klaren, neutral formulierten und eindeutigen Kriterien erfolgen. Die Zugehörigkeit zu dem unterrepräsentierten Geschlecht allein genügt nicht, um eine Aufnahme in Vorstand oder Aufsichtsrat zu rechtfertigen. Eine Einschränkung ist nur für den Fall vorgesehen, dass die Kandidaten beiderlei Geschlechts die Qualifikationskriterien (Eignung, Befähigung, Leistung) in gleicher Weise erfüllen. Hier soll der Kandidat des unterrepräsentierten Geschlechts den Vorzug erhalten, sofern nicht eine objektive Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls ergeben hat, dass spezifische Kriterien des einen Kandidaten ausnahmsweise einen Vorrang rechtfertigen. Erfolglose Kandidaten sollen einen Anspruch auf Offenlegung der Kriterien und Erwägungsgründe haben. Mit der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, abschreckende Sanktionen für den Fall der fehlenden Beachtung dieser Quotenregelung festzulegen. Hierzu können Geldbußen oder die Nichtigkeit der Bestellung bzw. Wahl der Mitglieder gehören. Die Richtlinie ist innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten umzusetzen. Allerdings tritt sie am 31.12.2028 außer Kraft. Die Kommission bringt damit (auch) ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass dann das Regelungsziel erreicht ist. (Ga)

302

C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.

Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

a)

Zuvorbeschäftigung bei sachgrundloser Befristung trotz Arbeitnehmerüberlassung?

Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses unzulässig, wenn bereits zuvor mit demselben Arbeitgeber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Mit eben diesem Kriterium hatte sich das BAG zuletzt in seinen Entscheidungen vom 6.4.20111 und 21.9.20112 auseinandergesetzt, über die wir berichtet hatten3. In seinem Urteil vom 18.7.20124 hat der 7. Senat des BAG noch einmal bestätigt, dass die bloße Beschäftigung eines Arbeitnehmers im Wege der Arbeitnehmerüberlassung für den Fall einer späteren Anstellung beim Entleiher nicht als Zuvor-Beschäftigung bewertet werden kann. Verleiher und Entleiher sind nicht derselbe Arbeitgeber im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Eine Zuvor-Beschäftigung, die der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsverhältnisses entgegensteht, setzt voraus, dass Vertragspartner des Arbeitnehmers bei beiden Verträgen dieselbe natürliche oder juristische Person ist. Dies gilt auch dann, wenn die jeweils betroffenen Arbeitgeber in einer Konzernverbindung stehen5. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Arbeitnehmerüberlassung ohne die nach dem Gesetz erforderliche Erlaubnis durchgeführt wurde und gemäß §§ 9, 10 AÜG (auch) zu einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher geführt hat. Ob Verleiher, Entleiher und/oder Leiharbeitnehmer dies realisiert haben, spielt keine Rolle. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn zwischen Arbeitnehmern ohne Konzernbindung eine Arbeitnehmerüberlassung erfolgt, für die nicht die nach § 1 Abs. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis besteht. Ein Arbeitsverhältnis nach §§ 9, 10 AÜG kann auch dadurch begründet werden, dass zwischen Konzernunternehmen eine Arbeitnehmerüberlassung erfolgt, ohne dass die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 3 Nrn. 2, 2 a AÜG genannten Privilegien zur Anwendung kommen

1 2 3 4 5

7 AZR 716/09. NZA 2011, 905 Rz. 20 ff. 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255 Rz. 23 ff. Boewer, AktuellAR 2011, 323 ff.; 2012, 35 ff. 7 AZR 451/11 n. v. (Rz. 14). So bereits BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 32/10, NZA 2011, 791 Rz. 15; BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443 Rz. 13.

303

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

und keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besteht. Darauf hat das BAG in seinem Urteil vom 18.7.20126 hingewiesen. In dem dort in Rede stehenden Fall waren die Voraussetzungen einer nur vorübergehenden Überlassung von Arbeitnehmern zwischen Konzernunternehmen nicht erfüllt. (Ga)

b)

Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs

Die Frage der wirksamen Befristung von Arbeitsverhältnissen hat in jüngerer Vergangenheit nicht nur den EuGH7 auf Vorlage des 7. Senats des BAG8 beschäftigt, sondern ist auch Gegenstand weiterer Entscheidungen des BAG9. In dem Urteil des BAG vom 15.2.201210 geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Prozessvergleich als Grund für eine Befristung im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG in Betracht kommt. Das Schriftformerfordernis einer Befristungsabrede und die Einhaltung der Klagefrist für eine Entfristungsklage war Gegenstand einer Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 15.2.201211. Ob und unter welchen Voraussetzungen Kettenbefristungen rechtsmissbräuchlich sein können, wenn bei dem Arbeitgeber ein ständiger Vertretungsbedarf besteht, der ebenso durch unbefristete Arbeitsverträge befriedigt werden könnte, war im Anschluss an eine Entscheidung des EuGH12 vom 7. Senat des BAG bei zwei Fallkonstellationen zu beantworten13. Inwieweit den Tarifvertragsparteien ein Spielraum bezüglich der Anzahl der Verlängerungen und der Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG zusteht, musste der 7. Senat des BAG in einem Urteil vom 15.8.201214 abklären. In einem weiteren Verfahen des 7. Senats des BAG ging um die Inhaltskontrolle einer befristeten Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit und die Frage, ob die Vorschriften des TzBfG in einem solchen Fall entsprechend herangezogen werden können. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Prozessbeschäftigungsverhältnis

6 7 8 9 10 11 12 13 14

7 AZR 451/11 n. v. (Rz. 15 ff., 25 ff.) unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG a. F. EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 - Kücük. BAG v. 17.11.2010 – 7 AZR 443/09 (A), NZA 2011, 34ff. BAG v. 15.8.2012 – 7 AZR 184/11 n. v.; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 n. v.; BAG v. 15.2.2012 - 7 AZR 734/10, NZA 2012, 919; BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733. 7 AZR 734/10, NZA 2012, 919. 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733. EuGH v. 26.1.2012 – C– 586/10, NZA 2012, 135 - Kücük. BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 n. v.; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 783/10 n. v. 7 AZR 184/11 n. v.

304

Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

als Sachgrund für eine befristete Beschäftigung in Betracht kommt, haben das LAG Köln15 und das LAG Schleswig Holstein16 beschäftigt. Nach § 278 Abs. 6 ZPO, der auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt (§ 46 Abs. 2 ArbGG), kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach diesen Alternativen geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. Die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.200117 eingeführte und mit Wirkung ab 1.9.2004 neu gefasste Bestimmung des § 278 Abs. 6 ZPO sieht für gerichtliche Vergleiche die Möglichkeit einer erleichterten Protokollierung vor, die den Beteiligten den Abschluss eines Prozessvergleichs in einem Gerichtstermin erspart18. Ein auf diese Weise abgeschlossener Vergleich entspricht in seinen Wirkungen einem in einer mündlichen Verhandlung abgeschlossenen Prozessvergleich19. In der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 15.2.201220 ging es um einen festgestellten Prozessvergleich, der auf einem schriftlichen Vergleichsvorschlag der Parteien beruhte. Die Klägerin hatte gegen den Arbeitgeber eine Befristungskontrollklage erhoben. Nach der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht einigten sich die Parteien außergerichtlich darauf, das Arbeitsverhältnis noch für die Dauer eines Jahres fortzusetzen. Die Prozessbevollmächtigten teilten diese Verständigung dem Gericht mit und baten darum, das Zustandekommen dieses Vergleichs durch Beschluss festzustellen. Dem entsprach das Arbeitsgericht. Kurz vor Ablauf des erneut befristeten Arbeitsverhältnisses machte die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung mangels Vorliegens eines Sachgrundes gerichtlich geltend. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Bereits bei früherer Gelegenheit hat das BAG21 jedenfalls dann die

15 16 17 18

LAG Köln v. 5.4.2012 – 13 Sa 1360/11 n. v. LAG Schleswig-Holstein v. 29.9.2011 – 5 Sa 155/11 n. v. BGBl. I, 1887. Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 30.6.2004, BTDrucks. 15/3482, 16. 19 BAG v. 23.11.2006 - 6 AZR 394/06, NJW 2007, 1831 Rz. 31. 20 7 AZR 734/10, NZA 2012, 919. 21 BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466; BAG v. 26.4.2006 – 7 AZR 366/05, AP Nr. 1 zu § 14 TzBfG Vergleich.

305

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Voraussetzungen für das Vorliegen eines Vergleichs im Sinne dieser Vorschrift bejaht, wenn das ArbG am Zustandekommen des im befristeten Arbeitsverhältnis enthaltenen gerichtlichen Vergleichs mitwirkt und dadurch ein offener Streit der Parteien über die Rechtslage hinsichtlich des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses beseitigt wird. Die Mitwirkung des Gerichts soll der aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht dienen, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust seines Arbeitsplatzes zu bewahren und damit einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen, grundrechtsgeschützten Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Die Beseitigung eines offenen Streits, der zu bejahen ist, wenn beide Parteien gegensätzliche Rechtsstandpunkte darüber eingenommen haben, ob bzw. wie lange zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, soll die missbräuchliche Ausnutzung des durch § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG eröffneten Sachgrunds verhindern und gewährleisten, dass der gerichtliche Vergleich nicht nur zu einer Protokollierung einer von den Arbeitsvertragsparteien vor Rechtshängigkeit getroffenen Vereinbarung, durch die ein befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird, benutzt wird22. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG sind regelmäßig zu bejahen, wenn eine Befristungskontrollklage - möglicherweise sogar auf Vorschlag des Gerichts – im Güte- oder Kammertermin des Arbeitsgerichts oder in einer höheren Instanz in der mündlichen Verhandlung durch einen protokollierten gerichtlichen Vergleich, der eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum Inhalt hat, erledigt wird. Damit wird auch die für Befristungsabreden erforderliche Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG) gewahrt. Nach § 126 Abs. 4 BGB wird die schriftliche Form durch die notarielle Beurkundung ersetzt. Die notarielle Beurkundung wiederum wird gem. § 127 a BGB bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt. Die §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO sehen vor, dass ein Vergleich im Protokoll festzustellen und das Protokoll insoweit, als es die Feststellung enthält, den Parteien vorzulesen, zur Durchsicht vorzulegen oder aus einer vorläufigen Aufzeichnung (z. B. von Tonträger) vorzulesen oder abzuspielen ist. An dieser Bewertung hält auch der 7. Senat des BAG in der Entscheidung vom 15.2.201223 fest. Für die in § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO vorgesehene 2. Alternative, wonach die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts, der eine Befristungsabrede beinhaltet, durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht anneh22 BAG v. 26.4.2006 – 7 AZR 366/05, AP TzBfG § 14 Vergleich Nr. 1 Rz. 28. 23 7 AZR 734/10, NZA 2012, 919 Rz. 19 f.

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Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

men und das Gericht durch Beschluss das Zustandekommen des Vergleichs feststellt, hat der 6. Senat des BAG24 den Charakter eines Vergleichs im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG bejaht, weil die verantwortliche Mitwirkung des Gerichts einer Missbrauchsverhinderung hinreichend Rechnung trägt. In dem Streitfall hatten die Parteien unter Mitteilung eines außergerichtlichen Vergleichsvorschlags das Gericht um einen entsprechenden Vergleichsvorschlag im Sinne des § 278 Abs. 6 ZPO gebeten, welcher Bitte das Gericht entsprochen hat. Demgegenüber soll der nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1, S. 2 ZPO zustande gekommene gerichtliche Vergleich nach Ansicht des 7. Senats des BAG25 kein gerichtlicher Vergleich im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG sein und damit keinen ausreichenden Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses abgeben. Insoweit beruft sich das BAG auf die Gesetzeshistorie sowie den Sinn und Zweck von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG. Mit dem am 1.1.2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.200126 ist über die Neufassung des § 278 ZPO die Möglichkeit eines gerichtlichen Vergleichsschlusses durch schriftsätzliche Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts eingeführt worden. Erst durch das am 1.9.2004 in Kraft getretene Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24.8.200427 kann nunmehr ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten (§ 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO). Im Zeitpunkt der Verkündung des TzBfG am 28.12.200028 galten diese Regelungen eines Prozessvergleichs noch nicht. Aus den Gesetzesmaterialien zu diesem Gesetz29 geht ausdrücklich hervor, dass der Gesetzgeber im Anschluss an eine entsprechende Rechtsprechung des BAG30 die Vereinbarung der Befristung eines Arbeitsvertrages im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs deswegen als Sachgrund anerkannt hat, weil die Mitwirkung des Gerichts eine hinreichende Gewähr für die Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers bietet. Diese Gewährleistung sei nach Ansicht des BAG zu verneinen, wenn das Gericht keine inhaltliche Verantwortung für den Vergleichsinhalt übernimmt, indem sein Beitrag nur noch auf eine Feststellungsfunktion beschränkt bleibt. Dies sei anders bei 24 25 26 27 28 29 30

BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466. BAG v. 15.2.2012 - 7 AZR 734/10, NZA 2012, 919 Rz. 20. BGBl. I 2001, 1887. BGBl. I 2004, 2198. BGBl. I 2000, 1966. BT–Drucks. 14/4374, 19. BAG v. 2.12.1998 - 7 AZR 644/97, EzA BGB § 620 Nr. 156 m. w. N.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

einem durch das Gericht im Sinne der §§ 159 bis 160 a, 162, 163 ZPO protokollierten Vergleich oder bei einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2, S. 2 ZPO, bei dem sich das Gericht einen ggf. von den Parteien vorgelegten Einigungsentwurf als seinen Vorschlag zu eigen macht und diesen den Parteien unterbreitet. Die betriebliche Praxis wird sich im Falle einer Befristungsvereinbarung auf diese Differenzierung bei dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs einzustellen haben und darauf Bedacht nehmen müssen, dass für die Erleichterung des § 278 Abs. 6 ZPO nur der vom Gericht vorgeschlagene Vergleich einen ausreichenden Sachgrund für die Befristung im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG darstellt. Dabei ist es unschädlich, wenn dieser Vergleichsvorschlag des Gerichts auf eine entsprechende Anregung der Parteien zurückgeht. Sicher ist stets der Weg des protokollierten Vergleichs, wobei Bedacht darauf zu nehmen ist, dass ein offener Streit zwischen den Parteien bereinigt wird.

c)

Klagefrist und Schriftformerfordernis des TzBfG

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf: § 12 TzBfG). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Ist die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt, gilt eine Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeit zeitlich festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitnehmer ist zur Arbeitsleistung nur dann verpflichtet, wenn der Arbeitgeber die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt. Bei derartigem Befund liegt zweifelsfrei ein Arbeitsverhältnis vor, weil sich der Arbeitnehmer – unabhängig von den Modalitäten der Erbringung der Arbeitsleistung – zur Leistung weisungsgebundener und fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet hat. Um vorübergehende Personalengpässe zu überbrücken, greift die betriebliche Praxis auch zum so genannten Rahmenvertrag, der selbst noch keine arbeitsvertragliche Beziehung zwischen dem Arbeitgeber und der jeweiligen Aushilfskraft schafft, aber dazu dient, die Bedingungen für noch abzuschließende einzelne Arbeitsverträge vorzugeben mit der Folge, dass das einzelne Arbeitsverhältnis immer nur befristet für den jeweiligen schriftlich besonders vereinbarten Arbeitseinsatz begründet wird. Durch die Rahmenvereinbarung selbst entsteht damit kein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis. Die Rahmenvereinbarung enthält nämlich weder eine Verpflichtung des Arbeit308

Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

gebers, Einsätze anzubieten, noch eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, ein entsprechendes Angebot anzunehmen. Durch die Rahmenvereinbarung wird demgemäß keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung ausgelöst, was für den Abschluss eines Arbeitsvertrags erforderlich wäre31. Rahmenverträge sind auch bei arbeitsvertraglichen Beziehungen rechtlich möglich, ohne dass mit ihnen eine Gesetzesumgehung oder der Missbrauch einer zulässigen Gestaltungsmöglichkeit bewirkt wird. Ob ein derartiger Rahmenvertrag oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien abgeschlossen worden war, hatte der 10. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 15.2.201232 zu beurteilen. Die Parteien stritten über das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Ausgangspunkt des Streits der Parteien bildete eine Vereinbarung mit welcher der Kläger nach Maßgabe einzelner Vereinbarungen zwischen den Parteien die selbstständige Betreuung von Veranstaltungen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit für den Auftraggeber übernahm. In mehreren Paragraphen regelte das Vertragswerk, welche konkreten Arbeiten eigenverantwortlich jeweils vor Ort wahrzunehmen waren und welche Vergütung nebst Auslagenersatz zu zahlen war. Außerdem war vertraglich vorgesehen, dass für jede Veranstaltung ein Einzelauftrag erfolgen sollte und der Auftragnehmer unverzüglich zu erklären hatte, ob er den Auftrag übernehmen wollte. Ergänzend wurde vertraglich darauf hingewiesen, dass dem Auftragnehmer kein Anspruch auf Erteilung von weiteren Aufträgen zustand. In den Jahren 2001 bis 2009 kam der Kläger auf 51 bis 135 Einsatztage pro Jahr und erzielte damit Honorare zwischen 13.000 und 38.500 € pro Jahr. Nachdem der letzte Auftrag wegen einer Erkrankung des Klägers vorzeitig beendet werden musste, wurde er von dem beklagten Auftraggeber nicht mehr eingesetzt. Im Rahmen einer Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht reklamierte der Kläger den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, weil die Rahmenvereinbarung ungekündigt fortbestand. Hilfsweise wollte er festgestellt haben, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die letzte Befristungsvereinbarung beendet worden sei. In Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung ist der 10. Senat des BAG im Urteil vom 15.2.201233 davon ausgegangen, dass durch den Rahmenvertrag kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden ist. Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist

31 BAG v. 12.11.2008 - 7 ABR 73/07 n. v.; BAG v. 16.4.2003 – 7 AZR 187/02, NZA 2004, 40 Rz. 25 ff. 32 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733. 33 v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733 ff.

309

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

nach § 611 Abs. 1 BGB, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung einer weisungsgebunden, fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Der Inhalt der vorliegenden Rahmenvereinbarung wies gerade keine Verpflichtung des Klägers aus, eine bestimmte Arbeitsleistung erbringen zu müssen. Ebenso wenig hatte der Auftraggeber auf der Grundlage des Vertragswerks die Möglichkeit, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts eine konkrete Dienstleistung vom Kläger beanspruchen zu können. Ein entsprechender Verpflichtungstatbestand setzte vielmehr voraus, dass zusätzlich eine auf den jeweiligen Auftrag bezogene Vereinbarung zwischen den Parteien abgeschlossen wurde. Insofern lag nach Auffassung des BAG ein Rahmenvertrag vor, der konkrete Einzelheiten künftig abzuschließender Einzelverträge vorgab. Das BAG setzt sich auch in dieser Entscheidung mit der Frage auseinander, ob eine Rahmenvereinbarung der vorbeschriebenen Art nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt eine unzulässige, zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führende Vertragsgestaltung darstellt. Das BAG verneint zu Recht eine Umgehung von § 12 TzBfG (Arbeit auf Abruf), weil diese Vorschrift keinen Gestaltungszwang vorschreibt und keineswegs den Abschluss hintereinander geschalteter befristeter Arbeitsverträge untersagt. Angesichts dessen besteht kein Grund, anstelle eines Abrufarbeitsverhältnisses eine Kombination von Rahmenvereinbarung und Einzelarbeitsverträgen zu wählen, wobei die Rahmenvereinbarung die Bedingungen der noch abzuschließenden Einzelverträge vorgibt, auf die bei Abschluss des jeweils befristeten Arbeitsvertrags verwiesen wird. Das BAG sieht in einer Rahmenvereinbarung weder eine Beseitigung noch Beschränkung des durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotenen Bestandsschutzes. Zum einen begründet die Rahmenvereinbarung keine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistungen; des Weiteren unterliegen die zwischen den Parteien geschlossenen Einzelvereinbarungen der arbeitsvertraglichen Befristungskontrolle (§ 14 Abs. 1 TzBfG). Soweit es um die Entfristungsklage bezüglich des letzten Vertrags ging, hatte der Kläger die dreiwöchige Klageerhebungsfrist aus § 17 TzBfG versäumt. Die Besonderheit des Falles bestand nun darin, dass die jeweiligen neben dem schriftlichen Rahmenvertrag erfolgten Beauftragungen des Klägers teilweise nur mündlich zwischen den Parteien abgestimmt und erst nachträglich schriftlich bestätigt worden waren. Diese Verfahrensweise war möglicherweise darauf zurückzuführen, dass der Rahmenvertrag einen schriftlichen Abschluss der jeweiligen Vereinbarung nicht vorsah. Es ging damit auch darum, ob die mangelnde Schriftform der Befristung eines Arbeitsvertrages (§ 14 Abs. 4 TzBfG) innerhalb der Klageerhebungsfrist von 310

Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages nach § 17 TzBfG gerügt werden muss34. Im Gegensatz zu § 4 S. 1 KSchG, der eine schriftliche Kündigung verlangt, knüpft § 17 S. 1 TzBfG nicht an eine schriftliche Befristungsvereinbarung an. Daher muss der Arbeitnehmer die Frist des § 17 S. 1 TzBfG wahren, wenn er die Unwirksamkeit der Befristung auf den Mangel der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG) stützen will. Nach Auffassung des BAG35 lassen weder Wortlaut, Zusammenhang, Zweck und Geschichte der Regelung des § 17 S. 1 TzBfG eine einschränkende Auslegung zu, die den Schriftformverstoß nicht der Klagefrist unterwirft36. In entsprechender Anwendung von § 7 KSchG (§ 17 S. 2 TzBfG) wird nach Ablauf der Klagefrist jedweder Mangel der Befristungsabrede – wie das Fehlen der Schriftform oder des sachlichen Grundes – geheilt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmerstatus während eines befristeten Rechtsverhältnisses nicht abschließend geklärt ist37. Die Entscheidung des BAG ist für die betriebliche Praxis deshalb von Bedeutung, weil sie nicht nur die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Rahmenvereinbarungen bestätigt, sondern darüber hinaus zusätzlich klarstellt, dass abweichend von § 4 S. 1 KSchG die in § 17 S. 1 TzBfG einzuhaltende dreiwöchige Klagefrist wirklich sämtliche Unwirksamkeitsgründe einer Befristungsabrede und damit auch den Mangel der Schriftform erfasst.

d)

Befristung einer Arbeitszeiterhöhung

Der Anwendungsbereich des TzBfG bezieht sich im Hinblick auf den Befristungsteil, der der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG vom 28.6.199938 dient, auf die Befristung des Arbeitsvertrages als solchen, die neben der Zeitbefristung, der Zweckbefristung (§ 15 Abs. 2 TzBfG) auch die auflösende Bedingung (§ 21 TzBfG) einschließt. Aus der Präambel der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge39 ergibt sich, dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen sollen, jedoch anerkannt wird, dass be34 35 36 37

BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733 Rz. 32 ff. v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733 Rz. 42. BAG v. 4.5.2011 - 7 AZR 252/10, NZA 2011, 1178 Rz. 18. BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733 ff. Rz. 40; BAG v. 20.1.2010 – 5 AZR 99/09, DB 2010, 788 Rz. 23, std. Rspr. 38 ABl. Nr. L 175, 43 geändert durch Art. 1 ÄndB 2007/882/EG v. 20.12.2007 ABl. Nr. L 346, 19. 39 Ebenso Nr. 6 der Allgemeinen Erwägungen des Anhangs zur Richtlinie 1999/90/EG v. 28.6.1999.

311

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

fristete Beschäftigungsverträge unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechen. In Anbetracht von § 5 der Rahmenvereinbarung zur Richtlinie 1999/90/EG, der zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge entweder sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen, oder die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge verlangt, hat der Gesetzgeber in § 14 TzBfG eine Kombination dieser Alternativen geschaffen. Dabei steht die Möglichkeit der Befristungsbindung an sachliche Gründe im Vordergrund, während begründunglose Befristungen eines Arbeitsverhältnisses von einer gesetzlichen Höchstdauer und Anzahl abhängen (§ 14 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 a, Abs. 3 TzBfG). Auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen sind die Vorschriften des TzBfG weder unmittelbar noch analog anwendbar. Auch die Klagefrist des § 17 TzBfG findet auf die Befristung einzelner Vertragsbedingungen keine Anwendung, ebenso wenig das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG und die Regelung in § 15 Abs. 5 TzBfG40. Derartige Befristungsabreden unterliegen jedoch der gerichtlichen Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB und damit der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB41. Für diese Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB gelten auch andere Maßstäbe als für die Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 TzBfG, indem eine Angemessenheitskontrolle in Form einer Interessenabwägung vorzunehmen ist. Um die Befristung einer einzelnen Arbeitsbedingung, nämlich die befristete Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit, ging es in der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 15.12.201142. Die Parteien stritten darüber, ob eine für die Dauer von drei Monaten mit einer Justizangestellten des beklagten Landes vereinbarte Arbeitszeiterhöhung von 50 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf die volle wöchentliche Arbeitszeit wirksam war oder nicht. Die durch die Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich anfallende Vergütung erfolgte aus Haushaltsmitteln, die dem beklagten Land aufgrund des Sonderurlaubs einer anderen Justizbeschäftigten zur Beschäftigung von Aushilfskräften aus dafür im Haushaltsplan eingestellten Mitteln zur Verfügung standen. Mit ihrer Klage erstrebte die Klägerin ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis an.

40 So bereits BAG v. 4.6.2003 - 7 AZR 406/02, BB 2003, 1683 Rz. 12. 41 Vgl. BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 ff. Rz. 17; BAG v. 18.6.2008 - 7 AZR 245/07 n. v. (Rz. 17 ff.) 42 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 ff.

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Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

Zunächst geht das BAG in prozessualer Hinsicht davon aus, das die Unwirksamkeit einzelner Arbeitsbedingungen mit einer Klage nach § 256 ZPO geltend zu machen ist43. Soweit es um die Befristungsregelung selbst geht, unterliegt diese nach Ansicht des BAG der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Diese Vorschrift war nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf die Befristungsabrede anzuwenden, weil es sich dabei um eine vom Arbeitgeber vorformulierte Vertragsbedingung handelte, auf deren Inhalt die Klägerin keinen Einfluss nehmen konnte und einen Verbrauchervertrag betraf44. Gegenstand der Inhaltskontrolle ist bei der befristeten Erhöhung der Arbeitszeit nicht der vereinbarte Umfang der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung als Hauptleistungspflicht, die nach § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle nach dem AGBRecht entzogen ist, sondern die zeitliche Einschränkung des Umfangs der Arbeitszeit durch die Befristung. Im Falle der Unwirksamkeit der Befristung ist der Umfang der Arbeitszeit, ebenso wie der gesamte Arbeitsvertrag, für unbestimmte Zeit vereinbart45. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird46. Dabei setzt die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus, die durch eine umfassende Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu ermitteln sind. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen47, wobei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen sind. Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Be43 44 45 46

BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 14. BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 Rz. 12. So bereits BAG v. 18.1.2006 – 7 AZR 191/05, AP BGB § 305 Nr. 8. Vgl. nur BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 ff. Rz. 21 m. w. N.; BAG v. 8.8.2007 - 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 Rz. 23; BAG 4.3.2004 - 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 Rz. 56. 47 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 24 f.; BAG v. 8.8.2007 - 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 Rz. 23.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

stimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (Nr. 1) oder wenn die Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (Nr. 2). § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Liegen die Voraussetzungen des § 307 Abs. 2 BGB vor, wird eine unangemessene Benachteiligung vermutet. Bei der Inhaltskontrolle eines Verbrauchervertrags sind bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB)48. Bei der Übertragung dieser allgemeinen Grundsätze auf den vorliegenden Streitfall verweist das BAG ungeachtet des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs bei der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle der Befristung einzelner Vertragsbedingungen und der nach § 14 Abs. 1 TzBfG geregelten Kontrolle der Befristung eines Arbeitsvertrages darauf, dass bei der Interessenabwägung im Rahmen von § 307 Abs. 1 BGB insoweit auf § 14 Abs. 1 TzBfG zurückzugreifen ist, als der befristeten Arbeitszeiterhöhung ein Sachverhalt zugrunde liegt, der die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt sachlich im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG rechtfertigen könnte. Dann soll in aller Regel das Interesse des Arbeitgebers an der nur befristeten Erhöhung der Arbeitszeit das Interesse des Arbeitnehmers an der unbefristeten Vereinbarung des Arbeitszeitvolumens überwiegen. Diese Überlegung soll vor allem dann gelten, wenn es sich um eine befristete Arbeitszeiterhöhung von erheblichem Umfang handelt. Dabei lässt sich das BAG von der Erwägung leiten, dass das Interesse des Arbeitnehmers an einer unbefristeten Vereinbarung der Arbeitszeit mit der Zunahme des Umfangs seiner Arbeitszeit wächst, weil damit eine höhere Vergütung verbunden ist, die zu einer längerfristigen Lebensplanung beiträgt. Das BAG lässt in diesem Zusammenhang unentschieden, wo die Erheblichkeitsgrenze genau anzusetzen ist. Sie sei jedoch dann überschritten, wenn ein Teilarbeitsverhältnis von einem halb der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit auf die Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten aufgestockt werde. Dies entspricht nach Ansicht des BAG auch der dem TzBfG in Anlehnung an die Richtlinie 1999/70/EG zugrunde liegenden Wertung, dass der unbefristeter Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme darstellt. Diese Wertung soll gleichermaßen auch für die Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit relevant sein.

48 BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 28; so auch zuvor BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 471 Rz. 18.

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Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

Im Lichte dieser Ausgangslage prüft das BAG, ob im Streitfall die Befristung der Arbeitszeitaufstockung deshalb keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt, weil sie auf Umständen beruht, die die Befristung eines hierüber gesondert geschlossenen Vertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG sachlich rechtfertigen könnten. Insoweit bot sich zunächst ein Rückgriff auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG an, wonach ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vorliegt, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird. Dabei muss die Vergütung des Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln erfolgen, die mit einer konkreten Regelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung für eine nur vorübergehende Beschäftigung versehen sind49. In diesem Zusammenhang hat das BAG eine sachliche Rechtfertigung eines befristeten Vertrags auch dann angenommen, wenn Haushaltsmittel, die aufgrund der zeitlich begrenzten Abwesenheit von Planstellen – und Stelleninhabern zur Verfügung stehen, benutzt werden, um einen bestehenden Arbeitsbedarf befristet abzudecken50. Der 7. Senat des BAG äußert in der Entscheidung vom 15.12.201151 erhebliche Bedenken daran, ob die Anwendung und Auslegung von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG mit § 5 Nr. 1 lit. a) der Rahmenvereinbarung unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes vereinbar ist, weil mit diesem Befristungsgrund für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst ein Rechtfertigungsgrund zugelassen wird, der für Arbeitsverhältnisse in der Privatwirtschaft nicht zur Verfügung steht. Die Vereinbarkeit von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG mit Unionsrecht war bereits Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV52, das ohne Entscheidung seine Erledigung gefunden hat. Ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren wäre nur dann geboten gewesen, wenn es auf die unionsrechtliche Fragestellung angekommen wäre. Das BAG hielt es jedoch im vorliegenden Fall für klärungsbedürftig, ob möglicherweise für die befristete Erhöhung der Arbeitszeit der Klägerin der Grund der Vertretung vorlag. Da der Befristungsgrund auch im Fall der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB keiner ausdrücklichen Vereinbarung bedarf, kommt es darauf an, ob der Rechtfertigungsgrund für die Befristung bei Ab49 50 51 52

BAG v. 22.4.2009 – 7 AZR 743/07, NZA 2009, 1143 Rz. 16 ff. BAG v. 14.1.2004 - 7 AZR 342/03, AP TzBfG § 14 Nr. 8 Rz. 17. 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 41 ff. BAG v. 27.10.2010 – 7 AZR 485/09 (A), EzA TzBfG § 14 Nr. 71; vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen EuGH v. 15.9.2011 - C-313/10 - Jansen.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

schluss des Vertrages objektiv vorlag, so dass gleichgültig ist, ob sich der Arbeitgeber bei Vertragsschluss ausdrücklich darauf berufen hat53. Da nach den bisherigen Feststellungen offen geblieben war, ob der Sachgrund einer Vertretung vorlag, hat das BAG den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen, um dieser Frage nachzugehen. Nach Ansicht des BAG hielte im Falle einer Vertretung im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG die streitgegenständliche Befristung der Inhaltskontrolle stand. Unabhängig davon, dass die Entscheidung des BAG vor allem für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst von Bedeutung ist, lässt sich für die Praxis der Privatwirtschaft daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass die befristete Erhöhung der Arbeitszeit jedenfalls dann einer Inhaltskontrolle standhält, wenn ein Sachgrund für die Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses vorläge. Eine weniger strenge Prüfung wird angezeigt sein, wenn sich das Erhöhungsvolumen der Arbeitszeit in sehr engen Grenzen bewegt. Wo diese Grenzen allerdings liegen, lässt sich nicht genau prognostizieren.

e)

Kettenbefristung und Rechtsmissbrauch

Der 7. Senat des BAG54 hatte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, um klären zu lassen, ob es mit § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge55 vereinbar ist, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG dahin auszulegen und anzuwenden, dass ein die wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrages rechtfertigender sachlicher Grund auch im Falle eines ständigen Vertretungsbedarfs gegeben ist, obwohl dieser Vertretungsbedarf auch durch eine unbefristete Einstellung des Arbeitnehmers gedeckt werden könnte, der Arbeitgeber sich aber vorbehält, jeweils neu zu entscheiden, wie er auf den konkreten Ausfall von Arbeitnehmern reagiert. Die Klägerin des Verfahrens war als Justizangestellte beim beklagten Land aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen in der Zeit vom 2.7.1996 bis zum 31.12.2007 beschäftigt und durchgehend im Geschäftsstellenbereich der Zivilprozessabteilung des Amtsgerichts Köln eingesetzt. Die befristeten Verträge wurden stets aus Anlass der vorübergehenden Beurlaubung einer der unbefristet eingestellten Justizangestellten geschlossen und dienten jeweils deren Vertretung. Gegen die letzte Befristung erhob die Klägerin gemäß § 17 TzBfG eine Entfristungsklage und machte geltend, bei insgesamt 13 sich in einem Zeitraum von über 11 Jahren jeweils unmittelbar 53 BAG v. 12.8.2009 – 7 AZR 270/08 n. v. (Rz. 24). 54 Vgl. BAG v. 17.11.2010 – 7 AZR 443/09 (A), NZA 2011, 34 ff. 55 Richtlinie 1999/10/EG v. 28.6.1999 ABl. Nr. L 175, 43 geändert durch Art. 1 ÄndB 2007/882/EG v. 20.12.2007 ABl. Nr. L 346, 19.

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Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

aneinander anschließenden befristeten Arbeitsverhältnissen könne nicht mehr von einem vorübergehenden Vertretungsbedarf ausgegangen werden. Jedenfalls sei eine derartige „Kettenbefristung“ mit § 5 Nr. 1 der EGBUNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 unvereinbar. Das ArbG und das LAG Köln56 hatten die Klage der Klägerin unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des BAG abgewiesen, wonach bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen in der Regel nur der letzte Vertrag der Befristungskontrolle unterfällt und im Falle einer Vertretungsbefristung allein die große Anzahl der mit einem Arbeitnehmer abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge nicht dazu führt, dass an die Prüfung, ob der Sachgrund der Vertretung vorliegt, strengere Anforderungen zu stellen sind57. Das BAG wollte im Hinblick auf § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durch den EuGH abklären lassen, ob seine Rechtsprechung zum Sachgrund der Vertretung uneingeschränkt fortgeführt werden kann, oder ob die Rechtsprechung in Fällen eines dauerhaften Vertretungsbedarfs einer Fortentwicklung bedarf. Der EuGH hat in der Entscheidung von 26.1.201258 weitgehend die bisherige Rechtsprechung des BAG, bei ständigem oder wiederkehrendem Vertretungsbedarf anstelle eines möglichen unbefristeten Arbeitsvertrags wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückgreifen zu dürfen, gebilligt und tenoriert, dass aus dem bloßen Umstand, Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen abdecken zu können, weder einen sachlichen Grund im Sinne von § 5 Nr. 1 a der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse ausschlösse noch das Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne dieser Bestimmung anzunehmen sei. Allerdings hat der EuGH diese weitgefasste Aussage insofern relativiert, als bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse durch einen solchen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, die Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten alle Umstände des Falles einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsverträge oder -verhältnisse berücksichtigen müssen.

56 LAG Köln v. 15.5.2009 - 4 Sa 877/08, LAGE TzBfG § 14 Nr. 50 a. 57 Vgl. die entsprechenden Nachweise bei BAG v. 17.11.2010 – 7 AZR 443/09 (A), NZA 2011, 34 Teilzeitbeschäftigung 21 f. Rz. 21 58 C-586/10, NZA 2012, 135 ff. - Kücük.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

In Anbetracht dieser Aussagen des EuGH hat der 7. Senat des BAG mit Urteil vom 18.7.201259 entschieden, dass das Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarfs der Annahme eines Sachgrunds der Vertretung nicht entgegenstünde. An den entwickelten Grundsätzen zur unmittelbaren, mittelbaren und gedanklichen Vertretung als Sachgrund einer Befristung wird insoweit uneingeschränkt festgehalten. Dies gelte auch bei ständigem Vertretungsbedarf. Dieser müsse nicht durch eine Personalreserve aus unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern gedeckt werden. Allerdings dürften sich die Gerichte nicht auf die Prüfung des Sachgrunds der Befristung beschränken. Vielmehr müssten zusätzlich alle Umstände des Einzelfalls, namentlich die Anzahl und Gesamtdauer der befristeten Verträge, geprüft werden, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgriffen. Diese zusätzliche Prüfung sei im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen. Bei einem institutionellen Rechtsmissbrauch müssen die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm ergebenden Rechtsfolgen zurücktreten, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren, untragbaren Ergebnis führen60. Wichtig ist allerdings, dass an einen solchen nur ausnahmsweise anzunehmenden Rechtsmissbrauch hohe Anforderungen zu stellen sind. Auf den Streitfall bezogen ging das BAG davon aus, dass das beklagte Land bei 13 Befristungen und einer Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von mehr als elf Jahren die vom Gesetz eröffnete Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt haben könnte, soweit nicht besondere Umstände vorlägen, die der Annahme des an sich indizierten Rechtsmissbrauchs entgegenstünden. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ist der Rechtsstreit deshalb zurückverwiesen worden, um dem beklagten Land die Möglichkeit eines entsprechenden Vortrags zu gestatten. Dagegen hat der 7. Senat des BAG in einem ebenfalls am 18.7.201261 verkündeten Urteil die Befristungskontrollklage einer anderen Klägerin abgewiesen und die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. In diesem Fall war die Klägerin bei einer Gesamtdauer von sieben Jahren und neun Monaten mit einer Anzahl von vier Befristungen bei der beklagten Arbeitgeberin in einem Einzelhandelsunternehmen zuletzt aus Gründen der Vertretung (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG) beschäftigt worden.

59 7 AZR 443/09 n. v. 60 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 BGB Rz. 51 m. w. N.; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rz. 40. 61 7 AZR 783/10 n. v.

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Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

Bei diesem Sachverhalt ergaben sich nach Ansicht des BAG keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs. Zieht man ein Resümee aus diesen beiden Entscheidungen des BAG, so reichen jedenfalls vier Befristungen in knapp acht Jahren noch nicht aus, um einen institutionellen Rechtsmissbrauch bejahen zu können. Eine exakte Obergrenze lehnt das BAG ausdrücklich ab. Schließlich müsse einzelfallbezogen entschieden werden. Dabei spreche für einen Gestaltungsmissbrauch, wenn trotz der Möglichkeit unbefristeter Arbeitsverträge auch nach langjähriger Beschäftigung befristete Verträge abgeschlossen werden, wenn die Befristung deutlich hinter dem tatsächlichen Vertretungsbedarf zurückbleibt. Umgekehrt könnten allerdings auch branchenspezifische Besonderheiten (z. B. Saisonarbeit) oder grundrechtlich gewährleistete Freiheiten (z. B. Presse, Kunst, Wissenschaft) zu berücksichtigen sein. Ungeachtet dessen verweist das BAG allerdings auch auf die gesetzliche Wertung des § 14 Abs. 2 TzBfG. Wenn die Grenze von zwei Jahren oder drei Verlängerungen bei Vorliegen eines Sachgrundes nicht um ein Mehrfaches überschritten würde, liege grundsätzlich kein gesteigerter Anlass für eine Missbrauchskontrolle vor. Umgekehrt gelte: Würden die in § 14 Abs. 2 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten würde, sei eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten. In diesen Fällen obliegt es den Arbeitgebern, besondere Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, die den Vorwurf institutionellen Rechtsmissbrauchs entkräften.

f)

Tarifvertragliche Regelungen über sachgrundlose Befristung

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG kann die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig vereinbart werden, wobei bis zu dieser Gesamtdauer auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages erlaubt ist. Ausgeschlossen ist dies nur dann, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (Vorbeschäftigungsverbot)62. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von S. 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren (§ 14 Abs. 2 S. 3, 4 TzBfG). Die Formulierung der Tariföffnungsklausel

62 Zur Frage der Vorbeschäftigung grundsätzlich BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255 Rz. 14 ff; BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905 Rz. 13.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

kann suggerieren, dass der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien nur alternativ die Möglichkeit einräumen wollte, zuungunsten der Arbeitnehmer entweder die Höchstdauer der Befristung, oder aber nur die Anzahl der Verlängerungen eines sachgrundlos befristeten Vertrags regeln zu dürfen63. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 24.10.200064 heißt es hierzu: „Von der gesetzlichen Höchstbefristungsdauer und der Höchstzahl der Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund kann durch Tarifvertrag abgewichen werden.“ Da die tarifliche Öffnungsklausel darauf abzielt, branchenspezifische Lösungen zu erleichtern65, spricht die Teleologie des Gesetzes eher dafür, dass die Tarifvertragsparteien Gesamtdauer und Anzahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge zuungunsten der Arbeitnehmer abweichend vom Gesetz regeln dürfen. Um diese missverständliche Wortfassung in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG ging es in der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 15.8.201266. Der Fall betraf den Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland, wonach vorgesehen war, dass die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 42 Monaten zulässig ist und bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens viermalige Verlängerung erfolgen kann67. Der Kläger des Verfahrens hielt die tarifvertragliche Bestimmung für rechtsunwirksam und griff daher die darauf gestützte Befristung seines Arbeitsvertrags an. Das BAG hat in Übereinstimmung mit dem Hessischen LAG68 und der herrschenden Meinung im Schrifttum69 die Tarifvertragsparteien für befugt gehalten, bei einer sachgrundlosen Befristung sowohl die Anzahl der Verlängerungen als auch zugleich die Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG zuungunsten der Arbeitnehmer festlegen zu dürfen. Damit erwies sich die vorbeschriebene tarifvertragliche Regelung mit einer Höchstdauer von 42 Monaten als wirksam, so dass die Befristungskontrollklage des Arbeitnehmers erfolglos war. Das BAG macht allerdings darauf aufmerksam, dass die in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG vorgesehene Befugnis der Tarifvertragsparteien vor allem aus uni-

63 64 65 66 67 68 69

APS/Backhaus, TzBfG § 14 Rz. 403; ErfK/Müller-Glöge, TzBfG § 14 Rz. 101. BT-Drucks. 14/4374, 14. BT-Drucks. 14/4374, 14. 7 AZR 184/11 n. v. Ab 1.1.2012 ist diese Regelung durch eine andere Regelung ersetzt worden. LAG Hessen v. 3.12.2010 – 10 Sa 659/10, NZA-RR 2011, 240 Rz. 27. Vgl. nur APS/Backhaus, TzBfG § 14 Rz. 403; ErfK/Müller-Glöge, TzBfG § 14 Rz. 101; KR/Lipke, TzBfG § 14 Rz. 434.

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Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

onsrechtlichen Gründen nicht völlig schrankenlos ist. Dem ist beizutreten. Wie aus Art. 2 der Richtlinie 1999/70 und § 5 der Rahmenvereinbarung eindeutig hervorgeht, müssen Tarifverträge ebenso wie Rechts- und Verwaltungsvorschriften die von dieser Richtlinie verwirklichten Grundsätze der Nichtdiskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer und der Vermeidung von Missbrauch aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge beachten. Art. 2 der Richtlinie 1999/70 und § 5 der Rahmenvereinbarung erlauben zudem, dass die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern die Durchführung der Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen können. Demgemäß sind die Sozialpartner auf nationaler Ebene in gleicher Weise wie die Mitgliedstaaten an die Vorgaben der von ihnen umgesetzten Richtlinie gebunden, wobei sie ebenso wie die Mitgliedstaaten zur Erreichung der Ziele über ein weites Ermessen verfügen70. Diese Bindung gilt ungeachtet des in Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) proklamierten Rechts auf Kollektivverhandlungen als Bestandteil des Unionsrechts71. In gleicher Weise haben die Tarifvertragsparteien bei der Befugnis aus § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG verfassungsrechtliche Aspekte zu respektieren. Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein zeitlich völlig unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot wäre jedoch - wie das BAG72 entschieden hat - mit Art 12 Abs. 1 GG unvereinbar, so dass die Tarifvertragsparteien an die von der Rechtsprechung des BAG entwickelten Grundsätze gebunden sind, wonach ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber nicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG entgegen steht, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt.

g)

Prozessbeschäftigung als Sachgrund

Die vorläufige Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während der prozessualen Auseinandersetzung um die Berechtigung einer vom Arbeitgeber erklärten Kündigung oder einer Befristung des Arbeitsverhältnisses wird immer wieder in der betrieblichen Praxis praktiziert, wobei nicht nur der Arbeitgeber für den Fall der gerichtlichen Feststellung des Fortbestandes des 70 EuGH v. 8.9.2011 – C-297/10, NZA 2011, 1100 Rz. 65 - Hennigs u. a. m. w. N. 71 EuGH v. 11.12.2007 – C-438/05, NZA 2008, 124 ff. - Viking. 72 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255 Rz. 23 ff.; BAG v. 6.4.2011 - 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905 Rz. 29 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Arbeitsverhältnisses den Vorteil der Entlastung von Annahmeverzugsvergütung ohne Gegenleistung des Arbeitnehmers hat, sondern auch der Arbeitnehmer mit einer derartigen Regelung einverstanden ist, weil sie ihm jedenfalls auch bei einer Klageabweisung ein wenn auch zeitlich begrenztes Arbeitsverhältnis garantiert. Es entspricht daher auch der Beratungspraxis, über diesen Weg eine für beide Parteien vertretbare Zwischenlösung zu entwickeln, bei der beide Seiten gewinnen können. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG73 kann in der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ausspruch der Kündigung und nach Ablauf der Kündigungsfrist der Abschluss eines neuen befristeten Arbeitsvertrags oder die Vereinbarung liegen, dass der gekündigte Arbeitsvertrag auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage bzw. zweckbefristet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens fortgesetzt werden soll. Verteidigt der Arbeitgeber die von ihm ausgesprochene Kündigung im Kündigungsschutzprozess, so gibt er damit zweifelsfrei zu erkennen, dass jedenfalls der bisherige Arbeitsvertrag aus seiner Sicht beendet ist und nicht mehr als Rechtsgrundlage für eine auch nur vorübergehende Beschäftigung des Arbeitnehmers in Betracht kommt. Wenn er also dem Arbeitnehmer eine vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer der prozessualen Auseinandersetzung oder zumindest für die Dauer des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht oder Landesarbeitsgericht anbieten will, kann dies nur auf der Grundlage eines weiteren zweckbefristeten oder auflösend bedingten Arbeitsverhältnisses geschehen74. Unabhängig von der Einhaltung des Schriftformerfordernisses aus § 14 Abs. 4 TzBfG für die Befristungsabrede, bedarf es stets wegen der Vorbeschäftigung eines Sachgrundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG. Die vom Gesetzgeber selbst beispielhaft in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG aufgeführten Sachgründe lassen sich auf diese Fallkonstellation nicht übertragen, insbesondere kommt § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG nicht in Betracht, wonach in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen können. Ebenso scheidet § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG als Sachgrund aus, weil der Gesetzgeber lediglich den gerichtlichen Vergleich als solchen anerkennt. Allerdings können auch sonstige, in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG nicht genannte Sachgründe die Befristung des Arbeitsvertrages rechtfertigen, wenn sie den in § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG zum Ausdruck gebrachten Bewertungsmaßstäben entsprechen und von ihrem Gewicht her 73 BAG v. 22.10.2003 - 7 AZR 113/03, NZA 2004, 1275 Rz. 34 m. w. N.; BAG v. 15.1.1986 – 5 AZR 237/84, NZA 1986, 561 f. 74 Vgl. dazu BAG v. 19.1.2005 - 7 AZR 113/04 n. v. (Rz. 24 f.); BAG v. 22.10.2003 – 7 AZR 113/03, NZA 2004, 1275 Rz. 39.

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Aktuelles zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

den im Gesetz aufgeführten Sachgründen gleichwertig sind75. Eine höchstrichterliche Klärung fehlt. Das LAG Köln76 hatte jedenfalls keine Bedenken, den Abschluss eines befristeten Prozessarbeitsverhältnisses zur Vermeidung von Annahmeverzugslohn als einen den Befristungsgründen des § 14 TzBfG gleichwertigen Sachgrund anzuerkennen. Eine weitere Kammer des LAG Köln hat nunmehr in einer Entscheidung vom 5.4.201277 diese Rechtsprechung bestätigt. Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer krankheitsbedingt gekündigt. Während des Berufungsverfahrens vor dem LAG schlossen die Parteien eine Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer unter der auflösenden Bedingung der die Kündigungsschutzklage abweisenden Entscheidung des LAG zur Abwendung des Annahmeverzugsrisikos auf der Grundlage der bisherigen Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden sollte. Bevor die Entscheidung des LAG ergangen war, erhob der Kläger bezüglich der Vereinbarung eine Befristungskontrollklage, um ungeachtet der Kündigungsschutzklage aufgrund der neuen Vereinbarung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu erreichen. Das ArbG und das LAG Köln78 haben die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des LAG Köln ist die auflösend bedingte Prozessbeschäftigung (§ 21 TzBfG) durch einen sonstigen nicht genannten Sachgrund gerechtfertigt, weil der damit verfolgte Zweck, das Annahmeverzugsrisiko des Arbeitgebers abzuwenden, in den Anrechnungsvorschriften der §§ 615 S. 2 BGB, 11 KSchG seine rechtliche Anerkennung gefunden hat und damit den Sachgründen nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG von ihrem Gewicht her als gleichwertig zu erachten ist. Die Problematik liegt dem BAG zur Entscheidung vor, so dass demnächst mehr Rechtssicherheit darüber vorherrschen wird, ob eine derartige Überbrückungskonstruktion für den Arbeitgeber zu einem Bumerang wird oder empfehlenswert ist. Weil zweifelhaft ist, ob die Vermeidung des Annahmeverzugsrisikos des Arbeitgebers als Sachgrund im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG Anerkennung findet79, bildet der Abschluss eines Prozessvergleichs über eine zweckbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG) eine sicherere Alternative. Da ein offener Streit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen 75 BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 136/09, NZA 2010, 1172 Rz. 23 m. w. N.; BAG v 9.12.2009 – 7 AZR 399/08, NZA 2010, 495 Rz. 15. 76 LAG Köln v. 30.5.2011 - 2 Sa 209/11 n. v.; Revision eingelegt - 7 AZR 662/11 (voraussichtl. Entscheidungsdatum 16.1.2013). 77 13 Sa 1360/11 n. v., Revision eingelegt - 7AZR 696/12. 78 LAG Köln v. 5.4.2012 – 13 Sa 1360/11 n. v. 79 Ablehnend etwa ErfK/Müller-Glöge, TzBfG § 14 Rz. 76; dafür haltend Ricken, NZA 2005, 323, 330.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

den Parteien besteht, kann der zu Protokoll erklärte Prozessvergleich einen Sachgrund abgeben. Das auf vertraglicher Basis befristete Prozessarbeitsverhältnis ist von der faktischen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung aus einem arbeitsgerichtlichen Weiterbeschäftigungstitel zu unterscheiden. Häufig wird die Kündigungsschutzklage mit dem vom Großen Senat des BAG80 entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch verbunden. Erfolgt eine entsprechende Verurteilung des Arbeitgebers, so erfolgt die vom Arbeitgeber veranlasste Beschäftigung des Arbeitnehmers zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in Erfüllung des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs. Eine derartige Beschäftigung bedarf weder eines zusätzlichen Sachgrundes noch der Einhaltung der Form des § 14 Abs. 4 TzBfG. Nimmt der Arbeitnehmer die ihm vom Arbeitgeber zur Vermeidung der eingeleiteten Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel angebotene urteilsgemäße Beschäftigung nicht wahr, belegt dies regelmäßig seinen fehlenden Leistungswillen, so dass der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug geraten kann (§ 297 BGB)81. Beschäftigt jedoch der Arbeitgeber bei erstinstanzlicher Verurteilung zur Weiterbeschäftigung den Arbeitnehmer nach einem klageabweisenden Berufungsurteil weiter, dann bildet der arbeitsgerichtliche Titel nicht mehr die Grundlage der tatsächlichen Weiterbeschäftigung (§ 717 Abs. 1 ZPO), so dass nunmehr die Fortsetzung der Beschäftigung auf einer vertraglichen Grundlage basieren kann, bei der die Befristungsabrede der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf, deren Mangel gemäß § 16 S. 1 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auslösen kann. Mit einer derartigen Fallkonstellation war das LAG Schleswig-Holstein82 befasst. In dem Streitfall war der Arbeitgeber vom Arbeitsgericht im Zusammenhang mit einer Befristungskontrollklage zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses verurteilt worden und hatte den Kläger aufgefordert, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Trotz Abweisung der Klage im zweiten Rechtszug wurde der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem BAG, das die Revision des Klägers zurückgewiesen hat, weiterhin beschäftigt. Der Kläger vertrat nunmehr die Auffassung, dass die Weiterbeschäftigung nach der Verkündung des Berufungsurteils auf der Grundlage eines zweckbefristeten Arbeitsvertrags erfolgt sei, der mangels Schrift80 BAG GS v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 ff. 81 BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 251/10, DB 2012, 238 Rz. 16. 82 v. 29.9.2011 – 5 Sa 155/11 n. v.; Revision eingelegt - 7 AZR 856/11.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung im Arbeitsrecht

form zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien geführt habe. Dem hat sich das LAG Schleswig-Holstein angeschlossen. Im Falle der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung muss daher der Arbeitgeber unmissverständlich klarstellen, dass er nur zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung den titulierten Anspruch des Arbeitnehmers erfüllt, wobei der Wegfall des Titels etwa durch Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht auch der Weiterbeschäftigung die Grundlage entzieht. Bietet der Arbeitgeber hingegen dem Arbeitnehmer wie in dem vom LAG Schleswig-Holstein83 entschiedenen Fall die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses an, ist es eine Frage der Auslegung, ob hiermit neben der Vermeidung der Zwangsvollstreckung eine vertragliche Grundlage für eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschaffen werden soll. (Boe)

2.

Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung im Arbeitsrecht

a)

Falschauskunft als Indiz diskriminierenden Verhaltens

Mit Urteil vom 21.6.201284 hat der 8. Senat des BAG klargestellt, dass eine Auskunft des Arbeitgebers, mit der die gegen einen Arbeitnehmer gerichtete Maßnahme begründet wird, wahrheitsgemäß erfolgen müsse. Sei sie nachweislich falsch oder stehe sie im Widerspruch zum sonstigen Verhalten des Arbeitgebers, könne dies ein Indiz für eine Diskriminierung sein, das insbesondere bei einer auf Schadensersatz oder Entschädigung gerichteten Klage nach § 22 AGG Berücksichtigung finden muss. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurde die türkischstämmige Klägerin von der Beklagten, einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, zunächst befristet für die Zeit vom 1.2.2008 bis zum 31.8.2008 als Sachbearbeiterin eingestellt. Obwohl im Oktober 2008 ein Personalgespräch stattfand, in dem es auch um Arbeitsfehler der Klägerin ging, wurde noch im November 2008 vereinbart, die befristete Beschäftigung für die Zeit vom 1.1.2009 bis zum 31.1.2010 zu verlängern. Im September 2009 teilte die Beklagte der Klägerin indes mit, dass eine weitere Verlängerung oder Entfristung des Arbeitsverhältnisses über den 31.1.2010 hinaus nicht erfolgen werde. Die Klägerin machte daraufhin gel83 LAG Schleswig-Holstein v. 29.9.2011 – 5 Sa 155/11 n. v. (Revision eingelegt : 7 AZR 856/11). 84 8 AZR 364/11 n. v.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

tend, dass in dieser Entscheidung eine Diskriminierung wegen ihrer ethnischen Herkunft liege. Sie begründete dies auf der Grundlage statistischer Erhebungen mit einer behaupteten Unterrepräsentanz von Arbeitnehmern aus dem „islamischen Kulturkreis oder ausländischer Herkunft“ in der Verwaltungsstelle der Klägerin, ließ aber unberücksichtigt, dass zu diesem Zeitpunkt in den übrigen zehn Bezirksverwaltungen Mitarbeiter aus 13 Nationen beschäftigt wurden. Die Beklagte verneinte dies, lehnte aber weitere Begründungen ihrer Entscheidung ab. Am 31.1.2010 erstellte sie ein Arbeitszeugnis, nach dem die Klägerin die ihr übertragenen Aufgaben „selbständig, sicher, termingerecht und zu unserer vollsten Zufriedenheit“ erledigt hatte. Als die Klägerin sodann Klage auf Entschädigung wegen ethnischer Diskriminierung erhob, machte die Beklagte geltend, die Entfristung sei wegen der nicht genügenden Arbeitsleistung der Klägerin abgelehnt worden. Deshalb habe die Klägerin auch keine aussichtsreiche Bewerbung auf eine Fortbildungsstelle abgeben können. Im Übrigen beschäftige sie zum Zeitpunkt der Klage einen amerikanischen Mitarbeiter und eine polnische Mitarbeiterin in der Verwaltungsstelle der Klägerin. Mit Urteil vom 21.6.201285 hat das BAG zwar die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz, das die Beklagte zu einer Entschädigung von 2.500,- € und Schadensersatz verurteilt hatte, aufgehoben. Allerdings ist die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen worden. In der fehlenden Befristung liegt zunächst einmal eine Benachteiligung gegenüber anderen Arbeitnehmern, die in vergleichbarer Lage nach Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen wurden. Nach Auffassung des 8. Senats des BAG wird aber zu klären sein, ob die von der Beklagten erteilten Auskünfte über die Gründe der Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses Indizwirkung für eine Diskriminierung der Klägerin haben, weil diese Auskünfte möglicherweise falsch oder im Widerspruch zu dem sonstigen Verhalten der Beklagten standen86. Durch das LAG Rheinland-Pfalz wird dabei zu prüfen sein, ob das erteilte Zeugnis falsch war oder ob die Begründung wahrheitswidrig erfolgt ist, nach der wegen der Leistungsmängel der Klägerin keine Entfristung erfolgt. Denn beide Erklärungen der Beklagten sind widersprüchlich. Darüber hinaus wird dem Vortrag der Klägerin nachzugehen sein, dass im Zusammenhang mit der Ablehnung einer Entfristung auch eine weitere – nicht zutreffende – Auskunft erteilt worden sei. Denn zunächst einmal hatte die Klägerin offenbar den Hinweis erhalten, dass ihr Arbeitsplatz wegen einer bevor85 8 AZR 364/11 n. v. 86 BAG v. 21.6.2012 - 8 AZR 364/11 n. v. Rz. 49 ff.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung im Arbeitsrecht

stehenden Fusion in Wegfall geriete. In gleicher Weise ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber immer wechselnde Begründungen für eine Maßnahmen gegeben hat. Den Feststellungen des BAG ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Es spricht die allgemeine Lebenserfahrung für die Vermutung, dass bei wechselnder und in sich widersprüchlicher Begründung des Arbeitgebers die eigentliche Rechtfertigung für eine Entscheidung, die einen Arbeitnehmer benachteiligt, verschwiegen werden soll. Wenn in diesem Zusammenhang noch weitergehende Indizien für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe gegeben sind (hier: unterproportionale Berücksichtigung nicht deutscher Arbeitnehmer bei begünstigenden Entscheidungen des Arbeitgebers), muss dies durch die Arbeitsgerichte im Rahmen von § 22 AGG zugunsten der Arbeitnehmer Berücksichtigung finden. Ausgangspunkt ist dabei indes nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die ethnische Herkunft. Darunter sei - so das BAG im Urteil vom 21.6.201287 – die Zugehörigkeit zu einem Bevölkerungsteil zu verstehen, der durch gemeinsame Herkunft, eine lange gemeinsame Geschichte, Kultur oder Zusammengehörigkeitsgefühl verbunden ist. Allerdings läge auch bei einer scheinbar allein auf die Staatsangehörigkeit bezogenen Differenzierung eine Benachteiligung wegen der Ethnie vor, wenn tatsächlich die Zugehörigkeit zur Volks- und Kulturgemeinschaft für die Zurückstellung tragend sei. Erfasst würden sowohl Fälle, in denen die Benachteiligung eine bestimmte Herkunft betreffe, als auch solche, in denen die Benachteiligung allein daran anknüpfe, dass der Betroffene nichtdeutscher Herkunft sei. Weitere Indizien könnten dabei auch Fragen des Arbeitgebers, Äußerungen, Verstöße gegen Verfahrensvorschriften zum Schutz bestimmter Personengruppen oder statistische Daten sein. Statistische Daten hätten einen Aussagewert aber nur dann, wenn sie sich konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen und aussagefähig seien, was sein Verhalten gegenüber der Merkmalsträgergruppe anbelange. Die bloße Unterrepräsentation einer Gruppe sei insoweit indes nicht zwingend ein Indiz für eine diskriminierende Personalpolitik. Dies gelte insbesondere für Beschäftigungsquoten von Arbeitnehmern unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Die Über- oder Unterrepräsentation von Arbeitnehmern einer Ethnie könne statt auf einem diskriminierenden Verhalten des Arbeitgebers etwa auch auf der individuellen Präferenz der Gruppenmitglieder für eine bestimmte Branche beruhen. Dass Ethnien in einer Belegschaft unterschiedlich repräsentiert würden, könne ei-

87 8 AZR 364/11 n. v. Rz. 30 f., 36, 39.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

nerseits von den im Betrieb anfallenden Tätigkeiten und der damit zusammenhängenden Qualifikation, anderseits von der Bewerberlage abhängen. Einen Erfahrungssatz, wonach bestimmte Bevölkerungsgruppen bei Bewerbungen stets gleichmäßig vertreten seien und Belegschaften dementsprechend zusammengesetzt sein müssten, gebe es nicht. Vorliegend war daher allein der Umstand, dass am Standort der Klägerin zum Zeitpunkt der Klage ursprünglich keine nichtdeutschen Arbeitnehmer beschäftigt waren, wohingegen an den übrigen Standorten Arbeitnehmer 13 verschiedener Ethnien eingestellt waren, ohne Aussagekraft.

b)

Frist zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Diskriminierung

In Übereinstimmung mit seinen Feststellungen im Urteil vom 15.3.201288, über das wir im Frühjahr berichteten89, hat der 8. Senat des BAG auch im Urteil vom 21.6.201290 die Wirksamkeit der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG in Bezug auf Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung wegen einer Diskriminierung bestätigt. Unter Berücksichtigung der vorangehenden Ausführungen des EuGH im Urteil vom 8.7.201091 beginne die Frist allerdings erst in dem Moment, in dem der Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlange. Der hiervon abweichende Wortlaut von § 15 Abs. 4 AGG muss insoweit unionsrechtskonform eingeschränkt werden. Die Entscheidung des BAG ist insoweit von besonderer Bedeutung, als damit die Angelegenheit Bulicke zum Abschluss kommt. Das LAG Hamburg hatte in dieser Angelegenheit bereits durch seinen Beschluss vom 3.6.200992 um Vorabentscheidung gebeten. Diese Vorabentscheidung war mit dem Urteil vom 8.7.201093 erfolgt, ohne dass der EuGH dabei eine abschließende Bewertung vorgenommen hat. Vielmehr war den nationalen Gerichten aufgegeben worden, auf der Grundlage eines Vergleichs mit den übrigen Vorschriften in vergleichbaren Sachverhalten festzustellen, ob die Grundsätze der Äquivalenz und Effizienz auch unter Berücksichtigung der ZweiMonats-Frist gewahrt sind. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin diese Frist versäumt. Anlass ihrer Klage war eine erfolglose Bewerbung auf eine Stellenanzeige der 88 89 90 91 92 93

8 AZR 160/11 n. v. B. Gaul, AktuellAR 2012, 43 f. 8 AZR 188/11 n. v. C-246/09, NZA 2012, 869 ff. – Bulicke. 5 Sa 3/09, LAGE § 15 AGG Nr. 9. C-246/09, NZA 2010, 869 ff. – Bulicke.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung im Arbeitsrecht

Beklagten im November 2007, mit der diese für ihr „junges Team in der City motivierte Mitarbeiter/innen“ im Alter von 18 bis 35 Jahren suchte. Die damals 41-jährige Klägerin bewarb sich unter Beifügung eines vollständigen tabellarischen Lebenslaufs, erhielt dann aber am 19.11.2007 eine telefonische Absage. Erst am 29.1.2008 erhob sie allerdings Klage beim ArbG Hamburg, mit der sie eine Entschädigung sowie Ersatz der Bewerbungsund Prozesskosten verlangte. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch das BAG mit Blick auf die darin liegende Fristversäumnis die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung sind der Effizienz- und Äquivalenzgrundsatz gewahrt. Letztgenannter Grundsatz verpflichtet die Mitgliedstaaten, für die Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen wegen einer Diskriminierung keine strengeren Anforderungen aufzustellen, als sie für vergleichbare Ansprüche nach sonstigen Vorschriften des nationalen Rechts Geltung beanspruchen. Dies war – wie an anderer Stelle ausgeführt94 – insoweit zweifelhaft, als die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen einer Missachtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes durch eine Beleidigung nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 185 StGB noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erfolgen kann (§ 195 BGB). Auch diesem Gesichtspunkt trägt der 8. Senat des BAG nunmehr Rechnung. Nach seiner Auffassung müssen auch solche Schadensersatzansprüche, die auf anderer Rechtsgrundlage im Zusammenhang mit einer Diskriminierung geltend gemacht werden, die Frist des § 15 Abs. 4 AGG berücksichtigen. Damit würden auch Entschädigungsansprüche, die sich auf die §§ 823 BGB, 185 StGB stützen, bei einer Fristversäumnis untergehen, wenn eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale geltend gemacht wird. Dass die Anknüpfung einer Diskriminierung an andere – in ihrer Intensität gleichwohl vergleichbare – Merkmale den betroffenen Arbeitnehmern weiterhin die Möglichkeit gibt, innerhalb der üblichen Ausschlussund Verjährungsfristen etwaige Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche geltend zu machen, nimmt das BAG offenkundig hin. Auch wenn die Feststellungen zur Wahrung des Äquivalenzgrundsatzes nicht notwendig zwingend erscheinen, schafft das Urteil des BAG vom 21.6.201295 klare Verhältnisse für die Berücksichtigung etwaiger Fristen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüchen als Folge einer Diskriminierung wegen eines Merkmals nach § 1 AGG. Dies hilft der betrieblichen Praxis, die sich in Zu94 B. Gaul/Koehler, BB 2010, 503 ff. 95 8 AZR 188/11 n. v.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

kunft insbesondere auf die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG einstellen kann96. Der Gesetzgeber bleibt indes aufgefordert, die europarechtswidrige Regelung zum Fristbeginn bei einer Bewerbung zu streichen. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes beginnt die Frist im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs generell mit dem Zugang der Ablehnung. Dies aber ist – wie der EuGH zu Recht deutlich gemacht hat – mit den europarechtlichen Vorgaben nicht vereinbar. Wie auch in anderen Sachverhalten beginnt die Frist generell erst zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

c)

Arbeitszeitverlängerung: Mögliche Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter

Im Urteil des BAG vom 14.12.201197 ging es um die Frage, ob die Verlängerung der Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter ohne eine entsprechende Regelung bei Teilzeitbeschäftigten als unzulässige Benachteiligung im Sinne des § 4 Abs. 1 TzBfG zu qualifizieren ist. Die Frage, ob darin zugleich eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts zu sehen sein kann, weil das Verhältnis weiblicher Arbeitnehmer an den Teilzeitbeschäftigten gegenüber ihrem Verhältnis bei den Vollzeitbeschäftigten deutlich überwiegt, konnte offen bleiben. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger als Lehrkraft in Teilzeit an der vom beklagten Land getragenen Staatlichen Hochschule für Musik beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag war er verpflichtet, wöchentlich 9,5 Unterrichtsstunden zu erteilen. Hinsichtlich der Vergütung hatten die Parteien im Arbeitsvertrag folgende Regelung getroffen: §5 (1) Herr J erhält in Anlehnung an die in Vergütungsgruppe III und IV eingestuften hauptberuflich außertariflich angestellten Lehrkräfte an den Staatlichen Hochschulen für Musik jeweils geltenden Bestimmungen Vergütung nach Vergütungsgruppe III Stufe 3. Die Vergütung bemisst sich nach dem Verhältnis der nach § 3 dieses Vertrages vereinbarten Unterrichtsstunden einer vergleichbaren vollbeschäftigten hauptberuflichen außertariflich angestellten Lehrkraft. (…).

Zum Zeitpunkt seiner Einstellung bestand für die vollzeitbeschäftigten Lehrkräfte eine Unterrichtungsverpflichtung von 20 Semesterwochenstun-

96 Abw. noch LAG Hamm v. 14.6.2011 – 14 Ta 289/11 n. v. in einem PKH-Verfahren. 97 5 AZR 457/10, NZA 2012, 663 ff.

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den. Dementsprechend erhielt der Kläger Vergütung auf der Basis von 9,5/20tel der Vergütung einer entsprechenden vollbeschäftigten Lehrkraft. Als die Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten von 20 auf – dies war in der Revisionsinstanz unklar - 25 Semesterwochenstunden angehoben wurde, lehnte der Kläger eine entsprechende Anhebung seiner Lehrverpflichtung auf 12 Lehrerveranstaltungsstunden/Woche ab. Das beklagte Land hatte ihm deshalb nur noch eine Vergütung auf der Basis von 9,5/25tel der Vergütung einer vollbeschäftigten Lehrkraft geleistet. Dies hatte zur Folge, dass sich seine monatliche Vergütung um 360,59 € (brutto) reduzierte. Der Kläger sah darin eine Diskriminierung wegen seiner Teilzeitbeschäftigung. Unabhängig davon machte er geltend, dass die dynamische Bezugnahme seiner Vergütungsabrede auf das Verhältnis seiner Arbeitszeit zur Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter intransparent und deshalb unwirksam sei. Das beklagte Land schulde ihm deshalb weiterhin eine Vergütung in Höhe von 9,5/20tel der Vergütung einer vollbeschäftigten Lehrkraft. Der 5. Senat des BAG hat die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz zwar aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen. Aus der Begründung seiner Entscheidung heraus wird aber erkennbar, dass der Zahlungsanspruch des Klägers trotz der an sich denkbaren Diskriminierung wegen seiner Teilzeitbeschäftigung nicht besteht. Zunächst einmal hat das BAG deutlich gemacht, dass die Arbeitsvertragsparteien eine feste Arbeitszeit von 9,5 Stunden vereinbart hatten. Eine dynamische Vereinbarung, nach der sich die Arbeitszeit entsprechend einer vorgegebenen Quote an der für Vollzeitbeschäftigte maßgeblichen Arbeitszeit ausrichten sollte, war im Arbeitsvertrag nicht vorgesehen. Diese Dynamik sah der Arbeitsvertrag nur in Bezug auf den Vergütungsanspruch vor, der sich nach dem Verhältnis der individuellen Arbeitszeit zur Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten richten sollte. Aus Sicht des BAG war eine solche Regelung nicht intransparent. Es reiche aus, wenn die einschlägigen Regelungen zur Feststellung der Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter im Zeitpunkt der Anwendung bestimmbar seien. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wolle den Verwender nicht zwingen, jede Klausel gleichsam mit einem umfassenden Kommentar zu versehen98. Dass die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nicht durch den Arbeitgeber selbst bestimmt werde, sondern an Regelungen eines Gesetz- oder

98 BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 457/10, NZA 2012, 663 Rz. 18.

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Verordnungsgebers gebunden sei, führe ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung. Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf die Lehrverpflichtungsverordnung bedeute eine Unterwerfung unter fremde Gestaltungsmacht, die von § 308 Nr. 4 BGB nicht erfasst werde99. Entsprechendes würde dann gelten, wenn die Dauer der Arbeitszeit durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag bestimmt würde. Dennoch kann die hier in Rede stehende Anknüpfung der Vergütung an dem Verhältnis der Teilzeitbeschäftigung zur Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter zu einer Diskriminierung wegen der Teilzeitbeschäftigung führen. Zwar gewährleistet die entsprechende Regelung, dass die stundenbezogene Vergütung eines Teilzeitbeschäftigten der Vergütung Vollzeitbeschäftigter entspricht. Insoweit sind also die Vorgaben des § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG gewahrt. Eine Gleichbehandlung Teilzeitbeschäftigter bei der Vergütung entsprechend dem pro-rata-temporis-Grundsatz des § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG schließt aber - so das BAG – eine sonstige Benachteiligung nicht aus. Eine schlechtere Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG könne auch darin liegen, dass aufgrund unterschiedlicher Vertragsgestaltung der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer Nachteile erleide, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nicht habe. Das sei vorliegend der Fall. Denn zwischen den Parteien stehe außer Streit, dass die Erhöhung des Unterrichtsdeputats die monatliche Vergütung vergleichbarer vollbeschäftigter Lehrkräfte unberührt gelassen habe. Demgegenüber führe sie bei teilzeitbeschäftigten Lehrkräften, wie dem Kläger, zu einer Minderung der monatlichen Vergütung. Dies könne nur daran liegen, dass vollbeschäftigte Lehrkräfte eine monatliche Vergütung unabhängig von der Höhe des Unterrichtsdeputats erhielten. Sachliche Gründe für diese unterschiedliche Behandlung habe das beklagte Land nicht dargelegt. Das Verbot schlechterer Behandlung in § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG verpflichte - so das BAG – den Arbeitgeber, das dort inkriminierte Verhalten zu unterlassen. Drohe – erst – im Laufe des Vertragsverhältnisses einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer aufgrund unterschiedlicher Vertragsgestaltung des Arbeitgebers bei Voll- und Teilzeitbeschäftigten eine schlechtere Behandlung, sei der Arbeitgeber verpflichtet, den Teilzeitbeschäftigten so zu stellen, dass eine schlechtere Behandlung unterbleibe. Dementsprechend müsse das beklagte Land nach der Erhöhung des Unterrichtsdeputats vollbeschäftigter Lehrkräfte dem Kläger eine Verlängerung seiner Arbeitszeit in dem Umfang anbieten, der erforderlich sei, ihm seine bisherige monatliche Vergütung zu

99 BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 457/10, NZA 2012, 663 Rz. 19 f.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung im Arbeitsrecht

erhalten. Unterlasse der Arbeitgeber das zur Verhinderung (oder Beseitigung) einer von § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG verbotenen schlechteren Behandlung Erforderliche, mache er sich ggf. schadensersatzpflichtig. Dieser Bewertung des BAG ist zuzustimmen. Sie verpflichtet die betroffenen Arbeitgeber, für den Fall der Arbeitszeitverlängerung bei Vollzeitbeschäftigten entsprechende Angebote an die Teilzeitbeschäftigten zu richten. Mit der Annahme solcher Angebote würde eine Arbeitszeitverlängerung vorgenommen, die auch bei dem Teilzeitbeschäftigten einen Fortbestand der bis dahin gezahlten Vergütung zur Folge hat. Vergleichbar mit den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern setzte der Fortbestand der bisherigen Vergütung aber voraus, dass hierfür eine längere Arbeitszeit aufgewandt würde. In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall hatte das beklagte Land dem Kläger indes eine entsprechende Anhebung seiner individuellen Arbeitszeit angeboten. Dabei brauchte sich das beklagte Land nicht auf „Bruchteilsstunden“ einzulassen und durfte zu Gunsten des Klägers auf volle Unterrichtsstunden aufrunden. Zugleich hatte das beklagte Land dem Kläger eine ausreichende Überlegungszeit zur Annahme des Angebots eingeräumt100. Damit war aber eine Diskriminierung ausgeschlossen. Die Zurückverweisung war indes notwendig, weil für das BAG nicht ausreichend geklärt war, ob die Arbeitszeit vollbeschäftigter Arbeitnehmer von 20 auf 24 oder 25 Wochenstunden angehoben worden war. Davon hing die Höhe des Gehaltsanspruchs ab.

d)

Entschädigung wegen Altersdiskriminierung auch ohne Begünstigung jüngerer Arbeitnehmer

In seinem Urteil vom 23.8.2012101 hat der 8. Senat des BAG deutlich gemacht, dass ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Entschädigung wegen einer Diskriminierung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe auch dann vorliegen kann, wenn die Begünstigung anderer Arbeitnehmer nicht erkennbar ist. Schon eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder – was insoweit entscheidend ist – erfahren würde. In entsprechender Weise liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in beson-

100 BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 457/10, NZA 2012, 663 Rz. 27 ff., 30. 101 8 AZR 285/11 n. v.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

derer Weise benachteiligen „können“, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte im Juni 2009 mittels einer Stellenausschreibung zwei Mitarbeiter im Alter zwischen 25 und 35 Jahren gesucht. Der 1956 geborene Kläger bewarb sich um eine Stelle, wurde aber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Obwohl solche durchgeführt worden waren, stellte die Beklagte keinen anderen Bewerber ein. Der Kläger machte deshalb geltend, er sei wegen seines Alters unzulässig benachteiligt worden und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Entgegen der Bewertung durch das LAG Berlin-Brandenburg hat das BAG durchaus die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Entschädigung anerkannt. Enthalte eine Stellenausschreibung den Hinweis, dass Mitarbeiter eines bestimmten Alters gesucht würden, so scheitere der Anspruch eines nicht eingestellten älteren Bewerbers auf eine Entschädigung nach dem AGG nicht allein daran, dass der Arbeitgeber keinen anderen neuen Mitarbeiter eingestellt habe. Dies folgt bereits aus § 3 Abs. 1, 2 AGG. Im Hinblick darauf wird das LAG Berlin-Brandenburg im Rahmen der erneuten Verhandlung der Klage zu prüfen haben, ob der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war und ob eine Einstellung wegen seines Alters unterblieben ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann er eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. (Ga)

3.

Leistungsdruck, psychische Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

a)

Einleitung

Zu den Zeichen der Zeit gehört es heute immer häufiger, dass sich Arbeitnehmer - auch solche außerhalb der Führungsebene – in ihrem Urlaub mit beruflichen Tätigkeiten befassen müssen. Um den „Familiensegen“ zu retten, werden E-Mails dann aber nur abends durchgesehen und Telefongespräche oder –Konferenzen auf das vermeintlich „Notwendige“ begrenzt. Vergleichbare Beispiele lassen sich in vielfältiger Weise finden. Sie dokumentieren die Arbeitsverdichtung, die insbesondere als Folge einer zunehmenden Vernetzung unserer Arbeitswelt erkennbar wird. Durch unternehmensübergreifende – manchmal auch globale – Projekte und Projektbeteilig334

Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

te, durch die Dynamik von Prozessen innerhalb und außerhalb der Unternehmen und die Veränderungen in den Kommunikationsprozessen findet eine Komprimierung der Arbeitswelt statt. Gleichzeitig nimmt aber die Bedeutung einer „Work-Life-Balance“ zu. Wer Bewerbungsgespräche führt, erkennt, dass die Attraktivität eines Arbeitsplatzes nicht mehr nur durch Arbeitsanforderungen und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bestimmt wird. Dabei verschwimmt die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben, zwischen Arbeitszeit, Urlaub und Freizeit zunehmend. Erreichbarkeiten während der Arbeitszeit werden durch Erreichbarkeitserwartungen auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit ergänzt. Das Blackberry als Statussymbol: Fluch oder Segen? Social Media – berufliches Netzwerken oder schon Freizeit? BYOD102 noch Privileg, Kostenersparnis oder die endgültige und freiwillige Aufgabe einer geschützten Privatsphäre? Mit diesen Entwicklungen, die neben körperlichen Belastungen vor allem psychische Beeinträchtigungen zur Folge haben können, müssen sich die HR-Verantwortlichen der Unternehmen ebenso wie Berater auseinandersetzen103. Sind Boreout oder Burnout ernst zu nehmende psychosomatische Belastungen, verkappte Depressionen, dem Life-Style geschuldet104, oder nur Befindlichkeitsstörungen besonders „sensibler“ Mitarbeiter? Hier bestehen Handlungserfordernisse, die sich arbeitsrechtlich und personal- bzw. unternehmenspolitisch begründen lassen. Zu Recht sind deshalb auch die Arbeitnehmervertreter inzwischen aktiv; beispielhaft sei insoweit nur auf die AntiStress-Verordnung der IG Metall105 vom Juni 2012 hingewiesen. Die Bundesregierung hat gesetzgeberischen Handlungsbedarf abgelehnt106, berücksichtigt bei ihrem Vorgehen aber auch die Erkenntnisse und Empfehlungen des Ausschusses für Arbeitsmedizin, der auf der Grundlage der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) gebildet wurde107. Parallel dazu wurden im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) bereits Leitlinien entwickelt, die sich mit dem Umgang mit der 102 BYOD (= Bring your own device) ist eine Organisationsform, die Arbeitnehmern ermöglicht, ihre eigenen Smartphones, Notebooks oder Tablet-PCs zu dienstlichen Zwecken zu nutzen. 103 Eingehend vgl. auch Uhl/Polloczek, BB 2007, 2401 ff.; Roth/Jänisch, die BG 2/09, 56 ff.; Reinhard, ArbRB 2012, 186 ff.; Reusch, AiB 2010, 499 ff.; Rudolph, AiB 2012, 381 ff.; Hjort, AiB 2009, 563 ff. 104 „Noch jemand ohne Burn-Out?„ titelte DIE ZEIT am 30.11.2011 ihre aktuelle Ausgabe, in der sie nach dem „wahren Leiden“ der Betroffenen fragte. 105 www.igmetall.de. 106 BT-Drucks. 17/9478, 20. 107 Vgl. Psychische Gesundheit im Betrieb – Arbeitsmedizinische Empfehlung (Stand Dezember 2011).

335

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

psychischen Belastung108 am Arbeitsplatz befassen109. Vergleichbare Informationen liefert die Übersicht „Risk assessment essentials“ der European Agency for Safety and Health at Work110. Der DGB hat im März 2012 seinen Index „Gute Arbeit“ vorgelegt.

b)

Psychische Belastung als Ursache für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit

Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE111 umfangreiche Statistiken vorgelegt, die in ihrer Gesamtheit zweifelsohne den Eindruck bestätigen, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz und damit verbundene Ausfälle in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Dies liegt nicht nur daran, dass die Sensibilität für entsprechende Belastungen gestiegen ist, was auch ihre Erkennbarkeit erhöht hat. Es liegt vor allem auch daran, dass Arbeitsanforderungen mit psychischer Belastung in Deutschland signifikant zugenommen haben. Allerdings ist damit die Ursächlichkeit zwischen Belastung und Krankheit nicht geklärt. Gerade bei psychisch bedingten Belastungen lässt sich feststellen, dass multiple Ursachen – auch und insbesondere unter Einbindung privater Gegebenheiten – eine Rolle spielen. Häufig ist es dann aber das Arbeitsverhältnis, in dem die Auswirkungen dieser Belastungen offenkundig und durch Krankenkassen und Rentenversicherung dokumentiert werden. Ungeachtet dessen ist es wichtig, die denkbaren Ursachen psychischer Belastungen zu kennen. So werden von der Bundesregierung neben starkem Termin- und Leistungsdruck112 u. a. folgende Aspekte genannt113: • Fortlaufende Beschleunigung von Fertigungs-, Dienstleistungs- und Kommunikationsprozessen aufgrund globalen Wettbewerbs, technischen Fortschritts und anhaltender Rationalisierungsdynamik; • zunehmende geistige Arbeit und steigende Anforderungen an Qualifikation und ständige Weiterbildung, zum Teil qualifikatorische Überforderung; 108 Nach DIN EN ISO 10075-1 ist psychische Belastung „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“. 109 Vgl. Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz v. 24.9.2012. 110 http://hwi.osha.europa.eu. 111 BT-Drucks. 17/9287 und 17/9478. 112 Vgl. BT-Drucks. 17/9478, 14, 16. 113 BT-Drucks. 17/9478, 14 f.

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Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

• verstärkter Einsatz neuer Technologien, die permanente Erreichbarkeit insbesondere bei Führungskräften114 ermöglichen sowie Multitasking und die Entgrenzung der Arbeit fördern115; • erhöhte Eigenverantwortung der Beschäftigten für den gelungenen Ablauf und Erfolg ihrer Arbeit in Verbindung mit steigender Komplexität der Arbeitsanforderungen, zunehmende Störungen und Unterbrechungen sowie neue Steuerungssysteme; • diskontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse, steigende Mobilitätsanforderungen und berufliche Unsicherheiten sowie flexible Personaleinsatzkonzepte im Kontext permanenter Restrukturierungsprozesse; • zunehmende Instabilität sozialer Beziehungen im Zusammenhang mit Tätigkeits- und Berufswechsel und wachsender Konkurrenz am Arbeitsplatz.

Diese Gründe einer psychischen Belastung dürften nicht im Streit stehen. Sie ergeben sich in ähnlicher Weise aus den Erläuterungen der Empfehlun-

114 Nach einer Befragung des BKK-Bundesverbandes (2010), auf den die Bundesregierung in ihrer Antwort verweist (BT-Drucks. 17/9478, 17), waren 84 % der Berufstätigen zwischen 18 und 65 Jahren außerhalb der regulären Arbeitszeit für den Arbeitgeber, für Kollegen oder Kunden in beruflichen Angelegenheiten erreichbar. Davon gaben 51 % eine jederzeitige Erreichbarkeit (d. h. abends und am Wochenende), 27 % nur in Ausnahmefällen und 5 % nur zu bestimmten Zeiten an. Nach einer repräsentativen Befragung des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. waren 2010 schon rund zwei Drittel der Beschäftigten außerhalb der Arbeitszeit über Handy oder Internet erreichbar, davon ein Drittel jederzeit und ein Drittel zu festgelegten Zeiten. 2011 waren es bereits 88 %, wobei jeweils die Erreichbarkeit bei Männern höher als bei Frauen zu sein scheint. Dies dürfte Konsequenz der familiären Einbindung sein. Nach dem DGB-Index Gute Arbeit wird von 38 % der Befragten eine sehr häufige Erreichbarkeit per E-Mail oder Telefon außerhalb der Arbeitszeit verlangt. Bei 22 % wird oft, 17 % selten und 17 % nie erwartet, dass diese Erreichbarkeit gegeben ist. 115 So verweist der Ausschuss für Arbeit darauf, dass „Arbeitsunterbrechungen und Multitasking als Stressoren einen substanziellen Beitrag zur Erklärung des psychosozialen Wohlbefindens von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern leisten. Gehäufte Arbeitsunterbrechungen gehen einher mit negativen Gefühlen wie Kontrollverlust, höherer Depressivität, höherer Erschöpfung, erhöhten psychosomatischen Beschwerden und eingeschränkter Schlafqualität. … Unerledigte Aufgaben befördern „Rumination“, d. h. eine fortwährende gedankliche Beschäftigung mit der Aufgabe bzw. dem Problem.“ Dies kann zur Folge haben, dass Arbeitnehmer auch nach Beendigung der Arbeit nicht „abschalten“ können, was wiederum im Zusammenhang mit Herzerkrankungen stehen kann.

337

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

gen des Ausschusses für Arbeitsmedizin116 und dem DGB-Index Gute Arbeit. Ohne jeden Nachweis einer unmittelbaren Relevanz oder gar Ursächlichkeit der vorstehenden Entwicklungstendenzen lässt sich parallel dazu erkennen, dass die Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Störungen und Verhaltensstörungen deutlich angestiegen sind. So waren 2001 nur 6,6 % der Fehltage entsprechend begründet, wohingegen 2010 bereits 13,1 % der Fehltage durch solche Belastungen ausgelöst wurden. Dabei gibt es grundsätzlich keine branchenbezogenen Schwerpunkte117. Ausnahmen gelten offenbar für die Sozial- und Erziehungsberufe, LKW-Fahrer, Gesundheitsdienstleistungsberufe und Berufe in der Papierherstellung und im Druck, wobei hier zum Teil unterschiedliche Ergebnisse präsentiert werden118. Allerdings sind die Ausfallzeiten bei Frauen deutlich höher als bei Männern119, darüber hinaus nehmen psychische Störungen und Verhaltensstörungen bei Arbeitnehmern nach Vollendung des 45. Lebensjahres zu120. An diese Belastungen anknüpfend ist auch die Zahl der Erwerbsminderungsrenten aufgrund einer psychischen Erkrankung von 2000 (Männer: 19.087, Frauen: 19.950) bis 2010 (Männer: 31.698, Frauen: 39.248) deutlich angestiegen. Auch insoweit ist aber nicht erkennbar, ob und ggf. inwieweit psychische Belastungen am Arbeitsplatz wirklich ursächlich waren. Welche Kosten mit solchen Ausfallzeiten verbunden sind, ist natürlich schwierig feststellbar. Insofern kann die Bundesregierung nur eine unverbindliche Schätzung wiedergeben, die die jährlichen Krankheitskosten, die auf die Arbeit zurückzuführen sind, auf etwa 44 Mrd. € beziffern, wobei die direkten Kosten etwa 19 Mrd. € und die indirekten Kosten etwa 25 Mrd. €

116 117 118 119

Psychische Gesundheit im Betrieb S. 17 ff. Vgl. auch DGB-Index Gute Arbeit S. 5 ff. BT-Drucks. 17/9478 S. 18 f.; DGB-Index Gute Arbeit S. 8 f. Von den 181,5 Tagen, die 2010 je 100 Versicherte durch psychische und Verhaltensstörungen ausgelöst wurden, fallen 137,8 Tage auf Männer und 242,1 Tage auf Frauen. 2001 fielen von 146,3 Tagen noch 105,6 Tage auf Männer und 193,8 Tage auf Frauen (BT-Drucks. 17/9478, 6). Zu diesem Ergebnis kommt auch der Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S. 8 f. 120 Von den 181,5 Tagen, die 2010 je 100 Versicherte durch psychische und Verhaltensstörungen ausgelöst wurden, fallen 121,4 Tage auf Arbeitnehmer jünger als 45 Jahre und 255,0 Tage auf Arbeitnehmer von 45 Jahren und älter. 2001 lag das Verhältnis bei 146,3 Tagen noch bei 121,4 zu 196,7 Tagen (BT-Drucks. 17/9478, 6). Abweichend hiervon geht der Ausschuss für Arbeitsmedizin davon aus, dass Erkrankungen aufgrund psychischer Belastungen jüngere und ältere Arbeitnehmer gleichermaßen betreffe (Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S. 8 f.).

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Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

ausmachen sollen. Auf psychische Störungen und Verhaltensstörungen sollen nach dieser Schätzung insgesamt 14,3 % (6,3 Mrd. €) entfallen, wobei die direkten Kosten 3,0 Mrd. € und die indirekten Kosten 2,2 Mrd. € Kosten betragen haben sollen121.

c)

Arbeitsrechtliche Fragestellungen

Dass die psychische Belastung am Arbeitsplatz zunimmt, kann auch mit Blick auf diese Erkenntnisse nicht mehr ernsthaft im Streit stehen. Eines steht allerdings auch fest: Schon die Ursachen psychischer Belastungen sind vielfältig. Nach dem Belastungs-/Beanspruchungsmodell122 gehören hierzu Einflüsse aus der Situation (z. B. Gestaltung der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation, Arbeitsumgebungsbedingungen), soziale Faktoren aus der Organisation und gesellschaftliche Rahmenbedingungen123. Dies macht deutlich, dass die Zunahme solcher Belastungen natürlich auch durch die Veränderungen unserer Arbeitswelt ausgelöst wird. Folgerichtig entsteht eine psychische Fehlbelastung, wenn Anforderungen oder Belastungen gestellt werden, die in ihrer Ausprägung bei Beschäftigten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen124. Deutlich wird aber auch, dass psychische Belastungen auch durch Anknüpfungspunkte außerhalb des Arbeitsverhältnisses ausgelöst werden; besondere Verhaltensweisen im Arbeitsverhältnis können deshalb ebenso wie Erkrankungen und Fehlzeiten insoweit auch Ausdruck von Belastungen sein, die im privaten Lebensumfeld bestehen125. Auch aus diesem Grunde lassen sich auch die rechtlichen Folgen nicht einheitlich kennzeichnen. Vielmehr wird man auch in Bezug auf die arbeitsrechtlichen Handlungspflichten im Zusammenhang mit psychischen Belastungen jeweils einzelfallbezogen prüfen müssen, welche rechtlichen Fragestellungen relevant sind und ob und ggf. wie auf diese Relevanz auf Arbeitgeberseite reagiert wird. Diese Vorgabe trifft auch die Arbeitnehmerseite, zumal schon § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Überwachung einer Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Vorschriften), Nr. 2 b (Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit) oder Nr. 9 (Förderung von

121 BT-Drucks. 17/9478, 12. 122 Vgl. hierzu Rohmert, Das Belastungs-Beanspruchungskonzept, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft 1984, Ausgabe 38, 193 ff. 123 Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S.25. 124 Vgl. Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S.25. 125 Zum Einfluss biologischer, gesellschaftlicher und betrieblicher Rahmenbedingungen auf die psychische Gesundheit vgl. Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S. 13 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Arbeitsschutzmaßnahmen) entsprechende Aufgaben des Betriebsrats benennt. aa)

Allgemeine Pflicht zur Vermeidung gesundheitsgefährdender Maßnahmen

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt der Begriff der Gesundheit den Zustand des vollkommenen körperlichen, sozialen und geistigen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Übertrüge man diese Kennzeichnung auf die durch §§ 241 Abs. 2, 618 BGB, 3 Abs. 1 ArbSchG begründete Pflicht des Arbeitgebers, bei der Ausgestaltung der Arbeit eine Gefährdung für Leben und Gesundheit von Arbeitnehmern möglichst zu vermeiden, müssten alle Maßnahmen des Arbeitgebers unterbleiben, die das körperliche, soziale und geistige Wohlbefinden der Arbeitnehmer gefährden, soweit dies die Natur der übertragenen Dienstleistung erlaubt. Allerdings schränkt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier den Pflichtenkreis ein, was auch Art. 9 AEUV zeigt. bb)

Konkrete Handlungserfordernisse im Bereich des Arbeitsschutzes

§ 5 Abs. 1, 2 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber, durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Dabei hat er die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen; bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist allerdings die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend. Nach den Feststellungen der GDA ist der erste Ansatzpunkt für einen „verhältnispräventiven“ Umgang mit der psychischen Belastung am Arbeitsplatz die betriebliche Gefährdungsanalyse126. Dem ist zuzustimmen. Bemerkenswert ist aber, dass psychische Belastungen in dem Katalog der Umstände in § 5 Abs. 3 ArbSchG, aus denen sich eine Gefährdung ergeben kann127, gleichwohl nicht genannt werden. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise psychische Belastungen am Arbeitsplatz in der Praxis überhaupt Gegenstand der Gefährdungsanalyse nach § 5 ArbSchG und der daran anknüpfenden Arbeitsunterweisung nach § 12 ArbSchG sind, lässt sich nicht erkennen. Eigene Erkenntnisse zu solchen Prozessen lassen aber vermuten, dass eine Einbindung psychischer Belas126 Vgl. Uhl/Polloczek, BB 2007, 2401 ff.; Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz v. 24.9.2012 S. 4. 127 Vgl. BAG v. 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, NZA 2005, 227 Rz. 20; Rudolph/Nawroth, BPUVZ 4/12, 174 ff.

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Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

tungen hier überwiegend nicht erfolgt. Dies dürfte insbesondere für kleinere und mittlere Betriebe gelten128. Hinzu kommt, dass in vielen Unternehmen bislang noch gar keine Gefährdungsanalyse erfolgt ist. Im Gegensatz zu dem präventiven Ansatz der Gefährdungsanalyse ist das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX darauf gerichtet, einer bereits eingetretenen Arbeitsunfähigkeit Rechnung zu tragen. Mit dem Beschäftigten, ggf. der Schwerbehindertenvertretung, dem Betriebsrat und dem Betriebsarzt sollen Möglichkeiten erörtert werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Dabei ist natürlich auch einer psychischen Belastung, wenn diese als Ursache der Arbeitsunfähigkeit in Betracht kommt, nachzugehen und zu versuchen, diese Beeinträchtigung zu mildern oder eine Wiedereingliederung nach entsprechenden Ausfallzeiten zu begleiten129. Voraussetzung ist natürlich, dass den Beteiligten diese Belastung überhaupt bewusst ist und offen Wege erörtert werden, die – unter Einbindung von Vorgesetzten und Kollegen – eine Veränderung der Arbeitsumstände möglich machen. Andernfalls kommt auch bei psychischen Erkrankungen eine Kündigung in Betracht130. cc)

Arbeitszeitrechtliche Schranken

Dass die ganz überwiegende Zahl der Arbeitnehmer ihre Erreichbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit nach eigenen Angaben freiwillig schaffen131, steht grundsätzlich einer arbeitszeitrechtlichen Berücksichtigung entgegen. Jedes Diensttelefon mit dem Recht zur Privatnutzung vermittelt diese Erreichbarkeit. Entscheidend ist, dass die daran anknüpfende Inanspruchnahme außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit auf Veranlassung oder mit Duldung des Arbeitgebers durch diesen oder durch verantwortliche Führungskräfte erfolgt132. Ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen von § 106 S. 1 GewO wirksam auffordern kann133, spielt keine Rolle, wenn der Arbeitnehmer der tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber in Form eines Anrufs oder einer E-Mail mit der Bitte um Antwort Folge leistet. E-Mail und Telefonat müssen allerdings der Erfüllung arbeitsvertraglicher Aufgaben dienen. Die Einbeziehung durch Kollegen oder Kunden genügt

128 BT-Drucks. 17/9478, 12 f. 129 Vgl. Knittel, SGB IX § 84 Rz. 110; Riegel/Tewes, BPUVZ 1/12, 14 ff. 130 Vgl. LAG Hamm v. 2.12.2010 – 15 Sa 910/10 n. v.; LAG Thüringen v. 28.6.2007 – 3 Sa 36/07 n. v.; ArbG Kaiserslautern v. 3.4.2008 – 2 Ca 1002/07 n. v. 131 BT-Drucks. 17/9478, 17. 132 Bissels/Domke/Wisskirchen, DB 2010, 2052, 2053 f. 133 Hierzu vgl. Bissels/Domke/Wisskirchen, DB 2010, 2052 f.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

für eine Einbeziehung in die Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne, wenn diese Form der Zusammenarbeit zur Erfüllung der betrieblichen Aufgaben gehört und durch den Arbeitgeber veranlasst wurde. Hier können Überlegungen des BAG zur Geltendmachung von Überstundenvergütung nutzbar gemacht werden134. Entscheidend ist aus arbeitszeitrechtlicher Sicht, ob die Verpflichtung eines Arbeitnehmers, auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein, als Dienstleistung in Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten zu sehen ist. Es genügt, dies mit Übergabe eines Smartphones mündlich zu vereinbaren. Allerdings führt die bloße Erreichbarkeit des Arbeitnehmers durch Telefon oder E-Mail noch nicht zur Annahme von Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne (§ 2 Abs. 1 ArbZG), zumal keine Vorgaben für den Aufenthaltsort getroffen werden. Allein der Umstand, dass das dienstliche Telefon mit dem Recht zur Privatnutzung auch in der Freizeit mitgenommen wird, hat deshalb arbeitszeitrechtlich keine Bedeutung. Veranlasst der Arbeitgeber aber die Erreichbarkeit des Mitarbeiters durch Telefon und/oder Internet, wird man indes die zur Rufbereitschaft entwickelten Grundsätze anwenden müssen. Wird der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Zeit tatsächlich tätig, ist darin im Zweifel Arbeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne zu sehen. Entsprechend den Überlegungen zur Gleitzeit gilt dies auch dann, wenn es keine Vorgabe gab, wie schnell die Antwort erfolgen müsse. Auf die Dauer eines Telefonats, einer Telefonkonferenz oder der Beantwortung einer E-Mail kommt es grundsätzlich nicht an135. Angesichts der modernen Kommunikationsmittel ist die Verrichtung von Arbeit auch nicht an die Anwesenheit am Arbeitsplatz geknüpft136. Für diese - zugegebenermaßen strenge – Sichtweise spricht, dass Ruhezeit nach den Feststellungen des EuGH im Urteil vom 9.9.2003137 nur dann gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber keiner Verpflichtung unterliegt, die ihn daran hindert, frei und ohne Unterbrechung seinen eigenen Interessen nachzugehen. Eine Erheb-

134 Vgl. BAG v. 17.4.2002 – 5 AZR 644/00, NZA 2002, 1340 Rz. 88. 135 Vgl. Falder, NZA 2010, 1150, 1151 f.; Anzinger, BB 1994, 1492, 1494; a. A. HWK/ Gäntgen, ArbzG § 5 Rz. 2 m. w. N.; Reinhard, ArbRB 2012, 186, 187, die einen wertenden Ansatz der Arbeitszeit vertreten, der aber wegen des ordnungsrechtlichen Charakters und unionsrechtlicher Vorgaben nicht überzeugt. Schwierig in der Durchsetzbarkeit dürfte auch der Ansatz sein, „kurze E-Mails“ oder „kurzweilige Telefonate“ aus der Arbeitszeitrelevanz herauszunehmen (so Bissels/Domke/Wisskirchen, DB 2010, 2052, 2054; ähnlich für „nicht nennenswerte Arbeitsleistungen“ wie eine telefonische Auskunft Anzinger/Koberski/Wolters, ArbZG § 5 Rz. 13). 136 Vgl. BAG v. 29.6.2000 – 6 AZR 900/98, NZA 2001, 165 Rz. 18 ff. 137 C-151/02, NZA 2003, 1019 Rz. 94 Jaeger.

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Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

lichkeitsschwelle ist hier (leider) nicht erkennbar. Selbst kurzzeitige, geringfügige Tätigkeiten stehen dem entgegen138. Sofern keine Organmitglieder oder leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG in Rede stehen, stellt sich deshalb die Frage einer Vereinbarkeit dieser Arbeit mit den Grenzen der täglichen und/oder wöchentlichen Arbeitszeit (§ 3 ArbZG), der notwendigen Dauer von Ruhezeiten (§ 5 ArbZG), oder ihrer Zulässigkeit an Sonn- und Feiertagen (§§ 9 f. ArbZG). Die Voraussetzungen etwaiger Ausnahmen, wie sie beispielsweise in §§ 7, 11 f., 14 ArbZG vorgesehen sind, dürften nur selten erfüllt sein. Wegen des zwingenden Charakters ist auch eine vertragliche Einschränkung ausgeschlossen. Ob diese Form der Bereitschaft bzw. die tatsächliche Inanspruchnahme vergütet wird, hängt von den individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen bzw. § 612 BGB ab139. Soweit zum Teil versucht wird, ein Überschreiten der hier in Rede stehenden Schranken durch den Verzicht auf Arbeitszeiterfassung bzw. die Einführung von Vertrauensarbeitszeit zu vermeiden, mag dies zwar tatsächlich funktionieren. Auch die Einführung von Vertrauensarbeitszeit beseitigt aber nicht die Anwendbarkeit der gesetzlichen Schranken, sie vermeidet nur, dass ihre Missachtung offenkundig wird. Ungeachtet dessen bestehen die Dokumentationserfordernisse des § 16 Abs. 2 ArbZG fort; sie können aber auf die Arbeitnehmer delegiert werden140. dd)

Urlaubsrechtliche Schranken

Wenn – wie aufgezeigt – die Erreichbarkeit und die tatsächliche Inanspruchnahme von Arbeitnehmern in ihrem Urlaub auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt, kann dies der Gewährung von Erholungsurlaub entgegen stehen. Wie auch durch § 8 BUrlG im Umkehrschluss deutlich wird, muss in Bezug auf das jeweils in Rede stehende Arbeitsverhältnis eine vollständige und unwiderrufliche Freistellung erfolgen. Sie muss sogar, sofern der Urlaubsanspruch insgesamt länger ist, mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen (§ 7 Abs. 2 S. 2 BUrlG). Ergänzend hierzu hat das BAG bereits im Urteil vom 20.6.2000141 ausgeführt, dass dem Arbeitnehmer uneingeschränkt zu ermöglichen sei, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung

138 Vgl. Anzinger/Koberski/Wolters, ArbZG § 5 Rz. 13. 139 Zur objektiven Vergütungserwartung vgl. zuletzt BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11, NZA 2012, 1147 Rz. 20; zur Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess vgl. BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939 ff. 140 Vgl. Reinhard, ArbRB 2012, 186, 188; HWK/Gäntgen, ArbZG § 16 Rz. 7. 141 9 AZR 405/99, NZA 2001, 100 Rz. 24.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbstbestimmt zu nutzen. Dies sei dann nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer trotz der Freistellung ständig damit rechnen müsse, zur Arbeit abgerufen zu werden. Eine derartige Arbeitsbereitschaft lasse sich mit der Gewährung des gesetzlichen Erholungsurlaubs nicht vereinbaren. Der Anspruch des Arbeitnehmers werde in diesem Fall nicht erfüllt. Hiervon ausgehend führt die bloße Erreichbarkeit während des Urlaubs noch nicht dazu, dass kein Urlaub gewährt wird. Die bloße Mitnahme eines Smartphones oder IPads steht der Erfüllung des Urlaubsanspruchs also nicht entgegen. Wenn der Arbeitnehmer aber auf Veranlassung des Arbeitgebers dienstliche Telefonate zu führen oder E-Mails zu lesen oder auch zu beantworten hat, liegt eine Unterbrechung vor, die - lässt man „zwingende Notwendigkeiten, welche einen anderen Ausweg nicht zulassen"142, einmal unberücksichtigt - im Zweifel zur Folge hat, dass der Urlaubsanspruch nicht verbraucht wird143. Dies gilt auch bei kurzen Unterbrechungen, zumal auch diese durch ihre Zahl oder ob des Themas, der damit einhergehenden Bedeutung oder der Gesprächspartner der Erholung entgegenwirken können. Dass der Zeitpunkt der Bearbeitung „freigestellt“ wird, spielt keine Rolle, sofern arbeitgeberseits davon ausgegangen wird, dass die Beantwortung jedenfalls während des Urlaubs erfolgt. Damit aber würde der Urlaubsanspruch nicht verbraucht, was ergänzende Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsanspruch zur Folge haben kann144. Abweichende Regelungen könnten hierzu nur in Bezug auf den freiwilligen Mehrurlaub getroffen werden, sofern dem nicht tarifvertragliche Vorgaben entgegenstehen (§ 13 BUrlG). Fehlt allerdings die arbeitgeberseitige Veranlassung, bleibt es beim Urlaub. Freiwilliges Lesen der E-Mails zur Vorbereitung des Wiedereinstiegs in die Arbeit nach dem Urlaub steht der Erfüllung des Urlaubsanspruchs also nicht entgegen. ee)

Haftung des Arbeitgebers

Wenn der Arbeitgeber schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz der Gesundheit seiner Beschäftigten verletzt, kann das Schadensersatzansprüche der betroffenen Arbeitnehmer zur Folge haben (§ 618 Abs. 3, 823 ff., 842 ff. BGB). Hierzu gehören neben den deliktischen Ansprüchen auch

142 Vgl. BAG v. 20.6.2000 - 9 AZR 405/99, NZA 2001, 100 Rz. 22. 143 Vgl. Falder, NZA 2010, 1150, 1156. 144 BAG v. 29.07.1965 - 5 AZR 380/64, EzA BUrlG § 3 Nr. 3.

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Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

vertragliche Ansprüche, da die allgemeine Fürsorgepflicht eine vertragliche Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB darstellt145. Bei der praktischen Umsetzung dürfte aber nicht nur die Feststellung schwierig sein, welcher Schaden auf Seiten des Arbeitnehmers eingetreten ist. Schon der Umstand, dass der Arbeitgeber diesen Schaden schuldhaft versucht habe, dürfte durch den insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Arbeitnehmer schwer aufgezeigt werden können. Allerdings ist die Darlegungs- und Beweislast dahingehend erleichtert, dass die Arbeitnehmerseite nur nachweisen muss, dass ein ordnungswidriger Zustand vorgelegen hat, der geeignet war, den eingetretenen Schaden herbeizuführen146.

d)

Unternehmerische Handlungsoptionen

Schon die rechtlichen Rahmenbedingungen zwingen Unternehmen, Maßnahmen zur Verminderung von Stress und psychischer Belastungen zu ergreifen. Ungeachtet dessen liegt es im unternehmens- und personalpolitischen Interesse, in diesem Bereich proaktiv tätig zu werden. Die denkbaren Handlungsoptionen dabei sind vielfältig. Sie können nachfolgend nur auszugsweise behandelt werden. Nicht jede Maßnahme passt. Manche Maßnahmen sind darauf gerichtet, das Entstehen solcher Belastungen zu vermeiden, sofern die Ursache im Arbeitsverhältnis zu sehen ist. Andere Maßnahmen versuchen, die Folgen unvermeidbarer Belastungen zu mildern und den Betroffenen Wege aufzuzeigen, Belastungen abzubauen und künftigen Belastungen entgegenzuwirken. aa)

Benennung von Ansprechpartnern und –stellen

Viele Unternehmen oder Konzerne schaffen inzwischen Ansprechpartner und –stellen, die vielfach außerhalb des Unternehmens liegen. Hier kann der Arbeitnehmer – in der Regel auch anonym – Hilfe nicht nur bei psychischen Belastungen verlangen. Der Vorteil für den Arbeitnehmer liegt insbesondere in der unbürokratischen (kostenlosen) Inanspruchnahme und der Möglichkeit, durch feste Kooperationspartner deutlich schneller einen fachlich versierten Ansprechpartner zu erreichen. Unter Einbeziehung externer Dienstleister werden in diesem Zusammenhang häufig auch Hilfestellungen in allgemeinen Lebenslagen, die zu Problemen und Belastungen führen (z. B. Pflegefälle im Angehörigenbereich,

145 Vgl. zur Haftung Podehl, DB 2007, 2090 ff.; Hjort, AiB 2009, 563, 567 f. 146 Vgl. BAG v. 27.2.1970 – 1 AZR 258/69, AP BGB § 618 Nr. 16; ähnlich zur Beweiserleichterung BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 628/05, NZA 2007, 262 Rz. 14.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Krankheiten von Kindern, Umzüge, Behördengänge) geboten. Hierzu kann auch die Unterstützung in wirtschaftlichen Notlagen gehören. Die Erreichbarkeit erfolgt über das Telefon („Hotline“). Hinweise sind am Schwarzen Brett und auf entsprechenden Intranetseiten enthalten. Die Abrechnung erfolgt nach Pauschalen oder aufwandsbezogen. bb)

Mitarbeiterbefragungen

Mitarbeiterbefragungen können einen guten Überblick über die individuellen, bereichs- oder funktionsbezogenen Belastungen verschaffen. Wichtig ist, bei der Durchführung neben den datenschutzrechtlichen Erfordernissen auch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 6, 94 BetrVG zu beachten. cc)

Besonderer Fokus im Rahmen der Unternehmens- und Führungskultur

Viele Unternehmen haben Richtlinien zu Compliance, zu Ethik und zu Social Media. Es gibt Whistleblower-Hotlines und Meldestellen, die bei Verstößen gegen das AGG verantwortlich sind. Mehr und mehr gibt es darüber hinaus allerdings auch (Führungs-)Leitlinien, die den Umgang zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter, zwischen Führungskräften und Mitarbeitern und den Mitarbeitern selbst bestimmen sollen. Häufig ist dabei von „Verantwortung“, „Transparenz“, „Vertrauen“, „Respekt“, „Toleranz“, „Führen, Fordern und Fördern“ oder „Gleichbehandlung“ die Rede. Solche Leitlinien können und sollen sich auch der Frage annehmen, wie dem Umstand einer Belastung - physischer und psychischer Art – Rechnung getragen wird. Natürlich können im Rahmen solcher Handlungsleitlinien nur übergeordnete Anforderungen beachtet werden, die wegen ihres Bezugs zum arbeitgeberseitigen Direktionsrecht auf der einen Seite und der abstraktgenerellen Kennzeichnung im Zweifel auch keine Beteiligungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zur Folge haben147. Gleichwohl kann darin eine Unternehmenskultur zum Ausdruck gebracht worden, die die Bereitschaft zu entsprechendem Handeln erhöht. „Gesundes Führen“ kann insoweit eine Leitlinie für die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und nachgeordneten Mitarbeitern sein. Dabei sollte allerdings deutlich werden, dass dies eine ganzheitliche Aufgabe ist, die Unternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen erfüllen müssen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es viel-

147 Vgl. BAG 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 2520 Rz. 58 ff.; Kort, NJW 2009, 129 ff.

346

Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

fach soziale Konflikte innerhalb und außerhalb des Arbeitsverhältnisses sind, die zu entsprechenden psychischen Belastungen führen. Soweit die IG Metall mit ihrer Anti-Stress-Verordnung im Juni 2012 Leitlinien zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastung bei der Arbeit vorgelegt hat, erscheint eine Übernahme auf Unternehmensebene ausgeschlossen. Zwar werden die Grundpflichten des Arbeitgebers an sich in zutreffender Weise wiedergegeben. Auch wenn diese Regelungen (zwangsläufig) abstrakt sind, kann dies die Sensibilität der Betroffenen für das Thema erhöhen und insoweit auch hilfreich sein. Wenig überzeugend ist aber die Regelungsdichte in Bezug auf Gefährdungsanalysen, die detaillierte Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung der Arbeitsplätze, der Arbeitsaufgaben und der Arbeitsorganisation, der Gestaltungsmaßgaben bezüglich sozialer Beziehungen und zur Arbeitszeit enthält. Das stringente Beachten und Dokumentieren dieser Vorgaben führt zu einem unverhältnismäßigen Aufwand und lässt kaum noch Raum für unternehmensspezifische Gegebenheiten. Das gleiche gilt für die Errichtung eines Ausschusses „Psychische Belastung am Arbeitsplatz“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der das Bestehen vergleichbarer Einrichtungen (z. B. Ausschuss für Arbeitsmedizin) unberücksichtigt lässt. dd)

Erwartungsmanagement: Klare Kennzeichnung arbeitsrechtlicher Pflichten

Auch wenn psychische Belastung vielfältige Ursachen hat, gibt es eine Ursache, die gerade im Arbeitsleben relevant wird: Angst. Oder die Sorge, den Erwartungen des Arbeitgebers, des Vorgesetzten oder der Kollegen und Kunden nicht in der gebotenen Weise gerecht zu werden. Denn dies könnte zur Folge haben, dass der Arbeitsplatz als wirtschaftliche und soziale Lebensgrundlage durch ein Versagen aufs Spiel gesetzt wird. Gerade ältere Arbeitnehmer sind insoweit davon betroffen, dass sich die für eine Arbeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten kontinuierlich verändern, Verantwortung steigt und die Arbeitsdichte gleichzeitig erhöht wird. Hier machen sich die dann auch die technischen Veränderungen, die viele Aufgaben gleichzeitig, jedenfalls in schnellerer zeitlicher Abfolge erledigen lassen, in besonderer Weise bemerkbar. In diesem Zusammenhang hilft nicht nur eine Organisation der Arbeit durch die verantwortlichen Führungskräfte, die solchen Belastungen in Bezug auf den Umgang der Arbeit, die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten und die zeitliche Planung Rechnung trägt. Effizienzmanagement muss auch das Ziel verfolgen, unternehmerische Ergebnisse mit einer möglichst geringen Belastung der Arbeitnehmer (Ressourcen) zu erreichen. Dabei sind indivi347

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

duelle Fertigkeiten der Mitarbeiter ebenso wie individuelle Belastungsgrenzen zu berücksichtigen. Wichtig ist, die damit verbundenen Erwartungen auch klar zu kommunizieren. Diese Kommunikation betrifft nicht nur Art, Inhalt und Granularität von Ergebnissen oder die Fristen, innerhalb derer Arbeiten abgeschlossen sein müssen. Empfehlenswert ist auch, eine klare Erwartung in Bezug auf Art, Umfang und Häufigkeit von Kommunikation innerhalb einer Gruppe von Arbeitnehmern zu äußern. Dies gilt vor allem für den E-Mail-Verkehr, um nur eine der Hauptursachen von Stress und psychischer Belastung zu nennen. Dabei sollte kritisch gefragt werden: Wer ist Adressat einer E-Mail? Wer muss persönlich an einer Besprechung, einer Video- oder Telefonkonferenz teilnehmen? Wer gehört (wirklich) in „cc“? Sind alle Anlagen einer EMail erforderlich? Welche Bearbeitungszeit ist für die jeweilige E-Mail angemessen? Müssen E-Mails mit der Erwartung verschickt werden, tagesgleiche Antworten zu erhalten? Erwartet der Arbeitgeber, dass E-Mails außerhalb der Arbeitszeit, ggf. also auch am Wochenende, gelesen und bearbeitet werden? Hier können unterschiedliche Maßstäbe für Arbeitnehmer, Führungskräfte, Mitglieder eines Projekts oder sonstige Arbeitnehmer gelten. Wichtig allerdings ist, dass Erwartungen zugunsten einer abgesenkten Erreichbarkeit auch akzeptiert und gelebt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass einzelne Arbeitnehmer diese Vorgabe ernst nehmen, im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern aber unberechtigterweise als weniger belastbar und/oder leistungswillig erscheinen. Rigorose Entscheidungen, Server auszustellen oder E-Mail-freie Tage einzuführen, dürften das Problem nicht lösen148. Zum einen führt dies nur zu einem Verschieben der Belastung auf den Zeitpunkt, an dem der Server wieder eingestellt wird. Wie die betreffenden Unternehmen festgestellt haben, verlagert sich die Kommunikation in der serverfreien Zeit auf die (ggf. unvollständige) Weitergabe von Nachrichten durch Telefonate, SMS oder Nachrichten auf privaten E-Mail-Adressen. Zum anderen versperrt man den Mitarbeitern die Möglichkeit, ein Kommunikationsmedium zu nutzen, das auch arbeitserleichternd wirken kann; „das Kind“ wird also mit dem „Bade ausgeschüttet“.

148 So testete z. B. VW 2011 einen E-Mail-Stopp: 30 Minuten nach Ende der Gleitzeit wurde der Server-Betrieb eingestellt, 30 Minuten vor Beginn des nächsten Arbeitstages waren die Verbindungen wieder offen; vgl. auch Konzernrichtlinie Deutsche Telekom 2010 zur E-Mail-Auszeit am Wochenende.

348

Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

ee)

Überprüfung von Führungsverhalten

Insbesondere Führungskräfteschulungen müssen die Sensibilität für die Begründung, das Vermeiden und die Auswirkungen etwaiger psychischer Belastungen behandeln. Hierzu gehören auch die Wege der Motivation, der Umgang mit Konflikten, die Bewältigung von Stresssituationen und die Sensibilität, eine psychische Belastung von Mitarbeitern überhaupt zu erkennen. Dafür reicht es nämlich nicht aus, nur die Mitarbeiter im Auge zu behalten, die besonders belastet sind. Die Belastung, die zum Ausbrennen („Burnout“) führen kann, kann – wie erwähnt - auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses bestehen. Das Arbeitsverhältnis selbst bringt dann das „Fass nur zum Überlaufen“; die dem Arbeitsverhältnis allein innewohnende Belastung hätte diese Gefahr selbst also nicht erkennen lassen. Neben allgemeinen Hinweisen stehen in entsprechenden Schulungen vor allem die arbeitszeit- und urlaubsrechtlichen Fragestellungen im Vordergrund. Neben diesen harten Faktoren der Ausübung des Direktionsrechts wird man sich zukünftig indes (stärker) auch den weichen Faktoren widmen müssen, die stressmindernde Wirkung besitzen. Folgt man Feststellungen des Ausschusses für Arbeitsmedizin, hängt die Belastung von Mitarbeitern in diesem Zusammenhang auch von der Qualität von Weisungen ab. Hier sind die Grundsätze der Verstehbarkeit (Verlässlichkeit, Transparenz, Klarheit, Einbindung), der Bewältigbarkeit (Resourcen, soziale Unterstützung, gesundheitsorientiertes Führungsverhalten, Kollegialität, Möglichkeit von Qualifikation, Gefühl, Schwierigkeiten meistern zu können) und Sinnhaftigkeit (Eigenverantwortlichkeit und Partizipation; Vermittlung des Gefühls, dass Engagement Sinn macht; Vermittlung, was Ziel einer Herausforderung ist)149. Vor diesem Hintergrund muss auch sichergestellt werden, dass die tatsächlichen und personellen Ressourcen in ihrer Quantität und Qualität gewährleisten, dass die übertragenen Aufgaben auch erfüllt werden können. Ggf. muss nachjustiert und unterstützt werden. Hier müssen Führungskräfte sensibilisiert werden. Dabei geht es nicht nur um das Zeit- und Erwartungsmanagement, das die arbeitszeitliche Inanspruchnahme von Mitarbeitern bestimmt. Es geht auch um die Verteilung von Arbeit, den Umstand der Teamarbeit, den Know-how-Transfer und die Einbindung von Arbeitnehmern als potenzielle Vertreter. Denn nur dann, wenn mehrere Arbeitnehmer gleichermaßen in der Lage sind, jedenfalls vorübergehend eine bestimmte Aufgabe zu erfül-

149 Vgl. Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S. 22.

349

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

len, ist eine vollständige Freistellung von Arbeitnehmern zu Erholungszwecken möglich. ff)

Allgemeine Maßnahmen zur Gesundheitsförderung

Prävention, Gesundheitsmanagement und Sensibilisierung in Bezug auf vermeidbare Gefahren für die Gesundheit verringern und vermeiden Arbeitsunfähigkeitszeiten. Angesichts des notwendigerweise ganzheitlichen Ansatzes ist es nicht überraschend, dass in vielen Unternehmen nicht nur gesundes Essen und Kurse zur Ernährungsberatung angeboten werden. Betriebssport (von Leistungs- bis zu Entspannungsangeboten wie Yoga und Pilates), Vorsorgeuntersuchungen auf Kosten der Arbeitgeber, Zuschüsse zu sportlichen Aktivitäten sollen körperliche und geistige Fitness verschaffen. Weitere Freizeitangebote sollen Ablenkung, Bereicherung und Entspannung bewirken. Ergänzend hierzu bietet es sich an, mit den Krankenkassen zusammenzuarbeiten. Diese sind nach §§ 21, 21 a SGB V ohnehin verpflichtet, auch auf betrieblicher Ebene an Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit mitzuwirken150. Möglicherweise kann im Rahmen dieser Zusammenarbeit auch die Beratungskompetenz von Betriebsärzten, die die unternehmensspezifischen Besonderheiten deutlich besser erfassen können, verbessert werden. Hier besteht offenbar noch Optimierungsbedarf151. gg)

Ergänzung der Rahmenbedingungen für Gefährdungsanalyse und BEM

Sinnvoll dürfte es sein, die etwaige psychische Belastung und die insoweit maßgeblichen Faktoren insbesondere im Rahmen von Arbeitsplatzanalysen nach § 5 ArbSchG, Unterweisungen nach § 12 ArbSchG und etwaigen Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX zu berücksichtigen152. Dabei könnten Überlegungen und Checklisten nutzbar gemacht werden, die der Ausschuss für Arbeitsmedizin153, die European Agency for Saftey and Health at Work154 oder die GDA für die Arbeit der Aufsichtsbehörden im Zusammenhang mit der

150 Vgl. hierzu auch den „Leitfaden Prävention“, der Handlungsfelder und Kriterien des GKV-Spitzenverbandes zur Umsetzung von §§ 20 und 20 a SGB V behandelt (Stand: August 2010). 151 Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S. 10. 152 Eingehend Roth/Jänisch, die BG 2/09, 56 ff. 153 Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S. 23 ff. 154 Risk assessment essentials (S. 26).

350

Belastung & Stress – Arbeitsrechtliche Handlungserfordernisse

Überprüfung von Gefährdungsanalysen155 entwickelt haben. Hilfreich können auch einzelne Gesichtspunkte sein, die sich in §§ 6 ff. der „Anti-StressVerordnung“ der IG Metall finden. Denkbar ist auch, solche Maßnahmen proaktiv durch gemeinsame Arbeitskreise zu ergänzen, die auch von Mitarbeiterseite besetzt werden („Gesundheitszirkel“)156. Zu erwarten ist, dass die Aufsichtsbehörden in der Zukunft unter Berücksichtigung branchen- oder unternehmensbezogener Besonderheiten verstärkt prüfen werden, ob und ggf. inwieweit die psychische Belastung von Arbeitnehmern bei der Gefährdungsanalyse beachtet wurde. Die GDA hat insoweit klare Ziele bestimmt, die durch die Aufsichtspersonen der jeweils zuständigen Behörden im Rahmen von Betriebsbegehungen beachtet werden sollen. Hierzu ist ein umfassendes Rahmenkonzept „Qualifizierung des Aufsichtspersonals“ entwickelt worden157. Anlass hierfür sind für die GDA vor allem Unfälle und Beschwerden von Beschäftigten, besondere Arbeitsplatzmerkmale, branchentypische Faktoren psychischer Belastungen, Kampagnen und Schwerpunktaktionen sowie Hinweise auf psychische Belastungen von Beschäftigten158. hh)

Sensibilisierung für arbeitszeitrechtliche und urlaubsrechtliche Folgen

Führungskräfte sollten auf die rechtlichen Konsequenzen der Übertragung von Aufgaben auch in Bezug auf Arbeitszeit und Urlaub in Kenntnis gesetzt werden. Damit sollte nicht nur erreicht werden, dass das arbeitgeberseitige Direktionsrecht in den Grenzen gesetzlicher Vorgaben nach billigem Ermessen ausgeübt wird (§§ 106 S. 1 GewO, 315 BGB). Das setzt voraus, dass im Einzelfall auch eine eingeschränkte Erreichbarkeit als ausreichend qualifiziert wird. Vielmehr wird vermieden, dass der Betriebsrat geltend macht, dass mit bestimmten Anforderungen in Bezug auf die Erreichbarkeit und die daran anschließende Inanspruchnahme von Arbeitnehmern nicht nur arbeitszeitrechtliche Grenzen überschritten, sondern losgelöst davon Mitbestimmungsrechte ausgelöst werden. Die Missachtung solcher Beteiligungsrechte kann sogar Unterlassungsansprüche des Betriebsrats zur Folge haben159.

155 Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz v. 24.9.2012 S. 18 ff. 156 Ausschuss für Arbeitsmedizin, Psychische Gesundheit im Betrieb S. 31 f. 157 Vgl. Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz v. 24.9.2012 S. 5 ff., 12 ff. 158 Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz v. 24.9.2012 S. 9. 159 Vgl. BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 77/10, DB 2012, 1575 Rz. 14.

351

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

ii)

Anpassung der Arbeitszeit- und Personalplanung

Die Möglichkeit, durch eine kombinierte Planung von Arbeitszeit und Personal Belastungen abzubauen, ist offenkundig. Einerseits muss die Möglichkeit einer Verteilung der Arbeitszeit betrieblichen Anforderungen Rechnung tragen. Sie muss den Arbeitnehmern allerdings auch Planungssicherheit sowohl für die betriebliche Inanspruchnahme als auch die Freizeit verschaffen. Dies muss bei Regelungen zu Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, JobSharing oder anderweitigen Vereinbarungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit berücksichtigt werden. jj)

Einbindung in Zielvereinbarungen

Viele Unternehmen treffen Zielvereinbarungen, die in der Regel auch mit Entgeltbestandteilen verknüpft sind. Denkbar ist, die individuellen Ziele auch mit solchen Kriterien zu verknüpfen, die psychische Belastungen im Verantwortungsbereich des betroffenen Arbeitnehmers vermeiden oder helfen, bestehende Zustände zu verbessern. Denn es obliegt natürlich der Führungskraft, im eigenen Verantwortungsbereich Belastungen zu erkennen. Hier spielt Teamfähigkeit, Offenheit und Vertrauen eine große Rolle. Da sie naturgemäß in unterschiedlicher Weise ausgeprägt sind, kann es hilfreich sein, das Verhalten von Führungskräften auch insoweit durch geeignete Ziele zu steuern160. kk)

Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Viele Maßnahmen zur Einschränkung oder Milderung der psychischen Belastung am Arbeitsplatz sind mit Beteiligungsrechten des Betriebsrats verknüpft. Neben den allgemeinen Aufgaben in § 80 Abs. 1 BetrVG sei hier nur beispielhaft auf §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3, 7161, 89, 90 f., 94 BetrVG hingewiesen. Sollte der Betriebsrat zur Wahrnehmung dieser Aufgaben Informationen benötigen, sind ihm diese verfügbar zu machen (§ 80 Abs. 2 BetrVG). Darüber hinaus kann ein Anspruch darauf bestehen, externen Sachverstand in Anspruch zu nehmen (§ 80 Abs. 3 BetrVG).

e)

Fazit

Nicht alle Probleme lassen sich lösen. So können Mitarbeiter in global operierenden Unternehmen nicht vollständig vor Telefonkonferenzen außerhalb der individuellen Arbeitszeit geschützt werden. Solche Belastungen sind

160 Vgl. zur Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei solchen Zielvereinbarungen LAG Hamm v. 9.3.2012 – 13 TaBV 100/10 n. v. 161 Vgl. Uhl/Polloczek, BB 2007, 2401 ff.

352

Aktuelle Rechtsprechung zum Direktionsrecht

aber nicht der Regelfall, auch nicht die typische Belastung eines Mitarbeiters, die dann zur Überlast wird und Ausfallzeiten zur Folge hat. Im Mittelpunkt der hier in Rede stehenden Überlegungen stehen allgemeine Folgen der Arbeitsverdichtung, die branchenübergreifend Verhaltensüberprüfungen und gegebenenfalls auch Verhaltensveränderungen erforderlich machen. Die Gesundheit der Mitarbeiter hat für alle Unternehmen zu Recht einen sehr hohen Stellenwert. Wichtig ist, in diesem Zusammenhang auch die Zunahme von Stress und psychischer Belastung anzuerkennen, ernst zu nehmen und auf Arbeitgeberseite die Aufgabe zu sehen, solche Belastungen möglichst zu vermeiden und – soweit dies nicht möglich ist – nachhaltige Wege zu suchen, die eine etwaige Beeinträchtigung der Gesundheit von Arbeitnehmern beseitigen oder jedenfalls einschränken können. Dabei müssen Veränderungen in der Unternehmensleitung beginnen. Nur wenn das Erwartungsmanagement schon dort in angemessene Bahnen gelenkt und diese Erwartung auch auf dieser Ebene selbst gelebt wird, können Arbeitnehmer der nachgeordneten Ebenen solche Veränderungen auch umsetzen. Letztlich ist es eine Frage der Unternehmenskultur, wie Unternehmen den arbeitsrechtlichen und personalpolitischen Anforderungen im Umgang mit entsprechenden Belastungen Rechnung tragen. (Ga)

4.

Aktuelle Rechtsprechung zum Direktionsrecht

a)

Veränderung des Arbeitsorts

Gemäß § 106 S. 1 GewO ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitsort nach billigem Ermessen zu ändern, wenn eine solche Weisung nicht gegen ein Gesetz, eine tarifvertragliche Regelung, einen Betriebsvereinbarung oder Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien verstößt. In der Regel ist es deshalb der Arbeitsvertrag selbst, der durch die Zusage eines bestimmten Arbeitsorts zu einer Einschränkung des ortsbezogenen Direktionsrechts führt. Entscheidend sind insoweit allerdings die Umstände des Einzelfalls. So ist - wie das BAG im Urteil vom 13.6.2012162 deutlich macht – bei der Auslegung einer arbeitsvertraglichen Regelung zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert. Es macht – so das BAG – keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Ar162 10 AZR 296/11 n. v. (Rz. 17).

353

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

beitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibe oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, für die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. Im letztgenannten Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 S. 1 GewO gilt und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll. Eine solche Regelung war in dem konkret zu entscheidenden Fall erfolgt. Denn die Parteien hatten die Klägerin als Purserette mit folgender Regelung im Arbeitsvertrag eingestellt: Einsatzort ist grundsätzlich Frankfurt/Main. S kann Frau … auch vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, an einem anderen Ort sowie befristet bei einem anderen Unternehmen einsetzen.

Nachdem die Klägerin zunächst einmal in Frankfurt/M. tätig war, wurde sie durch die Beklagte 1995 nach Hannover versetzt. Als die dortige Niederlassung im Jahre 2009 geschlossen wurde, sollte die Klägerin wieder nach Frankfurt/M. versetzt werden. Hierzu war die Klägerin nicht bereit. Sie machte geltend, dass durch die langjährige gleichbleibende Tätigkeit in Hannover eine Einschränkung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts eingetreten sei. Eine Versetzung nach Frankfurt/M. könne deshalb nur erfolgen, wenn sie sich damit einverstanden erkläre. Den dauerhaften Einsatz bei einem anderen Konzernunternehmen auf eine geringwertigere Stelle in Hannover hatte die Klägerin zuvor abgelehnt. Mit überzeugender Begründung hat das BAG nicht nur die grundsätzliche Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers anerkannt. Vielmehr hat es auch darauf verwiesen, dass durch die langjährige gleichbleibende Tätigkeit der Klägerin in Hannover keine Einschränkung dieses Direktionsrechts eingetreten sei. Zwar sei es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht würden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisierten163. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schaffe aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen wolle. Die Nichtausübung des Direktionsrechts habe keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen dürfe, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden solle, könne es durch konklu163 BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 206/11 n. v. (Rz. 24); BAG v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265 Rz. 19.

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Aktuelle Rechtsprechung zum Direktionsrecht

dentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen164. Da die Klägerin entsprechende Umstände nicht vortragen konnte, blieb es damit bei der Befugnis der Beklagten, den Arbeitsort entsprechend § 106 S. 1 GewO zu ändern. Erforderlich war lediglich, dass sie dabei den Grundsatz billigen Ermessens beachtete, also eine Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgt war. In dieser Abwägung sind – so das BAG – alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehörten die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltspflichten165. Ausdrücklich weist das BAG in seinem Urteil vom 13.6.2012166 darauf hin, dass bei der Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen keine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG erfolge. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankomme, könne auch aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach den § 106 S. 1 GewO, 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden167. Dieser Bewertung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über eine ortsbezogene Versetzung zwar auch berücksichtigen muss, dass ein Arbeitnehmer durch familiäre Verpflichtungen hiervon in besonderer Weise belastet sein kann. Diesen Interessen des Arbeitnehmers können indes betriebliche Umstände entgegen gehalten werden. Diese Umstände können es gerade erforderlich machen, langjährige und berufserfahrene Mitarbeiter an den neuen Arbeitsort zu versetzen. Darauf hatte das BAG bereits im Urteil vom 17.8.2011168 hingewiesen, über das wir berichteten169. Auch der Umstand, dass ein Standort geschlossen wird, ist mit einem erheblichen Gewicht in die Abwägung einzu-

164 BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 206/11 n. v. (Rz. 24); BAG v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265 Rz 19. 165 BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 206/11 n. v. (Rz. 30); BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rz. 40. 166 10 AZR 296/11 n. v. (Rz. 30). 167 Vgl. BAG v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265 Rz 22, 25. 168 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265 Rz 28. 169 B. Gaul, AktuellAR 2012, 51 ff.

355

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

beziehen. Schließlich besteht im Anschluss daran für den Arbeitgeber keine Möglichkeit (mehr), den Arbeitnehmer am bisherigen Arbeitsort einzusetzen. Eine Verpflichtung, dem Arbeitnehmer – befristet oder unbefristet – eine Tätigkeit in einem anderen Unternehmen zuzuweisen, kann aus dem Grundsatz billigen Ermessens nicht abgeleitet werden, sofern eine unbefristete vertragsgemäße Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber möglich ist170.

b)

Vorübergehende Übertragung einer höherwertigeren Tätigkeit

Die Rechtmäßigkeit der (nur) vorübergehenden Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit durch den Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes ist an den Regeln zu messen, die der Arbeitgeber bei der Ausübung seines arbeitsvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts nach § 106 GewO (§ 315 Abs. 1 BGB) einzuhalten hat. Darauf hat das BAG im Urteil vom 18.4.2012171 hingewiesen. Auch diese Form der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber muss deshalb billigem Ermessen entsprechen. Hiervon ausgehend kommt es aus Sicht des 10. Senats in einem ersten Schritt darauf an, ob es billigem Ermessen entspreche, dem Arbeitnehmer die anders bewertete Tätigkeit überhaupt, wenn auch nur vorübergehend, zu übertragen. In einem zweiten Schritt sei dann zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspreche, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen. Dabei sei unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers daran, die Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen, oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und – falls damit verbunden – auch der besseren Bezahlung überwiege. Es muss also eine „doppelte“ Billigkeitsprüfung erfolgen. Entspreche die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit nicht billigem Ermessen, so erfolge die Bestimmung der „Leistung“ entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch eine richterliche Entscheidung. Damit kann die Tätigkeit auch auf Dauer zugewiesen werden. Gibt es allerdings gewichtige Gründe, die für eine nur vorübergehende Zuweisung sprechen (z. B. Vertretung eines Mitarbeiters), bleibt es bei der vorübergehenden Zuordnung. Die Beweislast für ermessensgerechte Ausübung des Direktionsrechts trägt dabei derjenige, der das Leistungsbestimmungsrecht ausübt172. (Ga)

170 BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11 n. v. (Rz. 31, 33). 171 10 AZR 134/11, NZA 2012, 927 Rz. 19 ff. 172 BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 134/11, NZA 2012, 927 Rz. 20 f.

356

D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.

Aktuelle Rechtsprechung zur Überstundenvergütung

a)

Vertragliche Kennzeichnung der regelmäßigen Arbeitszeit

Ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Überstundenvergütung setzt zunächst einmal voraus, dass der Arbeitnehmer über die regelmäßige individuelle Arbeitszeit hinaus tätig wird. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Arbeitsvertragsparteien eine bestimmte – ggf. sehr flexible – Arbeitszeit vereinbart haben und der Arbeitnehmer noch in den Grenzen dieser vertraglichen Vereinbarung eingesetzt wird. Nur die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung kann besondere vertragliche Vergütungsansprüche oder Vergütungsansprüche nach § 612 Abs. 1, 2 BGB auslösen. Darauf hat das BAG mit Urteil vom 18.4.20121 hingewiesen. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger als Fernfahrer im Linienverkehr eingesetzt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht. Allerdings hatten die Parteien, wie das ArbG aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers und des Geschäftsführers der Beklagten festgestellt hatte, anlässlich der Einstellung (mündlich) vereinbart, dass der Kläger die Arbeitsleistung schulde, die arbeitszeitrechtlich erlaubt sei. Durch diese Individualvereinbarung hatten die Parteien – so das BAG – arbeitsvertraglich die Hauptleistungspflicht des Klägers dahingehend konkretisiert, dass zeitdynamisch das jeweils geltende Arbeitszeitrecht für Kraftfahrer den Umfang der Arbeitspflicht bestimmen sollte. Der Vergütungsanspruch (2.450,00 €) blieb hiervon unberührt. Nach Auffassung des BAG ist eine solche Vereinbarung zulässig. Sie hat zur Folge, dass der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit kraft seines Weisungsrechts nach billigem Ermessen innerhalb des insoweit durch öffentlichrechtliche Arbeitszeitvorschriften bestimmten Zeitrahmens gemäß § 106 S. 1 GewO bestimmen kann. Überstunden, die einen gesonderten Vergütungsanspruch auslösen könnten, werden danach erst dann geleistet, wenn dieser Rahmen überschritten wird. Grundlage sind dabei die Regelungen des ArbZG in Verbindung mit den Besonderheiten, wie sie für Kraftfahrer insbesondere in § 21 a Abs. 4 ArbZG bestimmt werden2.

1 2

5 AZR 195/11, NZA 2012, 796 Rz. 17. Vgl. BAG v. 18.4.2012 – 5 AZR 195/11, NZA 2012, 796 Rz. 20 f.

357

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Hiervon ausgehend müssen allerdings auch Ausgleichszeiträume berücksichtigt werden, die im öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrecht vorgesehen sind. So darf bei Straßenverkehrstätigkeiten von Fahrern und Beifahrern die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich zwar grundsätzlich nicht überschritten werden. Sie kann jedoch auf bis zu 60 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich nicht überschritten werden. Einerseits ist der Ausgleichszeitraum damit kürzer als der in § 3 S. 2 ArbZG geregelte. Allerdings geht das Gesetz bei Kraftfahrern nicht von einer werktäglichen, sondern von einer wochenbezogenen Betrachtungsweise aus. Diese ist maßgeblich, wenn arbeitsvertraglich eine Arbeitszeit in den Grenzen des arbeitszeitrechtlich Zulässigen vereinbart wurde.

b)

Pauschale Vergütung eines Überstundenkontingents

Mit seinem Urteil vom 16.5.20123 hat der 5. Senat des BAG deutlich gemacht, dass eine vertragliche Vereinbarung über die Vergütung einer bestimmten Anzahl von Überstunden wirksam sein kann und weitergehenden Vergütungsansprüchen für diesen Teil der Überstunden entgegensteht4. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien nur einen mündlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Diesem lag eine 40-Stunden-Woche zugrunde, für die ein Grundgehalt von 2.184,84 € (brutto) gezahlt werden sollte. Ergänzend hierzu hatten sich die Arbeitsvertragsparteien abgestimmt, dass bei der vereinbarten Vergütung die ersten 20 Überstunden im Monat „mit drin“ seien. Als die Beklagte auf der Grundlage dieser Vereinbarung Überstunden erst ab der 21. Stunde vergütete, erhob der Kläger Klage mit dem Ziel, auch für die ersten 20 Überstunden im Monat eine Vergütung zu erhalten. Das BAG hat diese Klage mit überzeugender Begründung abgewiesen. Zwar stelle auch die mündliche Abrede der Arbeitsvertragsparteien eine AGB dar, die einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterworfen werden müsse. Denn auch eine mündliche Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber – was hier der Fall war – für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwende, sei eine AGB und führe zur Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sie dem Arbeitnehmer nicht einseitig bei Ab-

3 4

5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 ff. Siehe vertiefend auch Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986 ff.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Überstundenvergütung

schluss des mündlichen Arbeitsvertrags gestellt wird, sondern ein Ergebnis der Aushandlung zwischen den Arbeitsvertragsparteien geworden ist5. Nach den überzeugenden Feststellungen des BAG ist eine solche Klausel indes nicht überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden. Dass Arbeitgeber versuchten, Überstunden pauschal abzugelten, sei im Arbeitsleben weit verbreitet. Das würden nicht nur zahlreiche Gerichtsentscheidungen, sondern auch die vielen Vorschläge und Formulierungshilfen im Schrifttum zur Vertragsgestaltung belegen. Dass die Klausel bei den Vertragsverhandlungen bzw. im Einstellungsgespräch von der Beklagten an unerwarteter Stelle, z. B. ohne jeglichen Zusammenhang mit dem Themenkomplex „Entgelt“ untergebracht worden sei, habe der Kläger nicht behauptet. Die streitgegenständliche Klausel sei auch nicht mangels hinreichender Transparenz unwirksam (§ 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 BGB). Zwar sei eine pauschale Abgeltung von Überstunden nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollten. Der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukomme“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen müsse6. Nach diesen Grundsätzen sei die Klausel, in der vereinbarten Vergütung seien die ersten 20 Überstunden im Monat „mit drin“, klar und verständlich. Aus der Formulierung „mit drin“ ergebe sich – nicht nur im bayerischen Sprachraum – unmissverständlich, dass mit der Monatsvergütung neben der Normalarbeitszeit bis zu 20 Überstunden abgegolten seien. Der Arbeitnehmer wisse durch die Quantifizierung auch, „was auf ihn zukomme“. Er müsse für die vereinbarte Vergütung ggf. bis zu 20 Überstunden monatlich ohne weitergehende Bezahlung leisten. Dass die Klausel sich nicht zu den Voraussetzungen verhalte, unter denen der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden würde anordnen dürfen, stünde ihrer Transparenz nicht entgegen. Anordnungsbefugnis und Vergütung von Überstunden seien unterschiedliche Regelungsgegenstände. Ob Überstunden überhaupt angeordnet werden dürften, sei für die Frage ihrer Vergütung unerheblich7. 5 6 7

BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 Rz. 12 ff. BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 Rz. 21; BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335 Rz. 14. BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 Rz. 22 f.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Einer weitergehenden Inhaltskontrolle, die schlussendlich auch die Höhe der Vergütung betreffe, kann die streitgegenständliche Klausel nicht unterworfen werden. Klauseln, die (nur) den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen, sind keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen. Vielmehr betreffen sie eine Hauptleistungsabrede, die einer Angemessenheitskontrolle entzogen ist (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB). Dem ist zuzustimmen. Ob dies allerdings auch dann gilt, wenn der Arbeitsvertrag die Befugnis zur Anordnung von Überstunden unmittelbar mit einer Regelung verknüpft, wie diese Überstunden zu vergüten sind, hat das BAG ausdrücklich offen gelassen8. In der Praxis sollte deshalb überlegt werden, entsprechende Regelungskomplexe zu trennen. Während die Befugnis zur Anordnung von Überstunden in die Klauseln zur Arbeitszeit eingebunden werden kann, sollte die Vergütungsregelung in den entsprechenden Komplex zur Bezahlung eingebunden sein.

c)

Unwirksamkeit einer pauschalen Überstundenabgeltung

Bereits zu früherer Gelegenheit hatten wir darauf verwiesen, dass die pauschale Abgeltung von Überstunden durch das Gehalt intransparent und daher unwirksam ist9. Daran hat das BAG in seinen beiden Entscheidungen vom 22.2.201210 und vom 27.6.201211 angeknüpft. Danach ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer – so das BAG – müsse bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukomme“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen müsse12. Klauseln, nach denen etwaige Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, genügen diesen Ansprüchen nicht. Dies gilt selbst dann, wenn ergänzend hierzu bestimmt wird, dass Überstunden nur „bei betrieblichen Erfordernissen“ zu leisten sind. Denn auch dann lässt der Arbeitsvertrag nicht erkennen, in welchem Umfang Überstunden bzw. Mehrarbeit erforderlich sind. Damit bleibt aber die vom Arbeitnehmer ohne eine weitere Vergütung zu leistende Arbeit weder bestimmt noch bestimmbar. 8 9 10 11 12

BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 Rz. 24 ff., 26. Vgl. B. Gaul, AktuellAR, 2011, 57 ff.; 2012, 63 ff. 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 ff. 5 AZR 530/11 n. v. BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11 n. v. (Rz. 16); BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 Rz. 16; BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335 Rz. 14.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Überstundenvergütung

Die Unwirksamkeit entsprechender Pauschalabreden hat allerdings nicht automatisch einen Vergütungsanspruch nach § 612 Abs. 2 BGB zur Folge. Vielmehr kann eine solche Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB nur dann beansprucht werden, wenn die in Rede stehende Dienstleistung in Form der Überstunden den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Insoweit kommt es also auf den jeweils in Rede stehenden Einzelfall an. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es nicht. Vielmehr ist – so das BAG – die Vergütungserwartung stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankomme. Sie könne sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsähen. In weiten Teilen des Arbeitslebens sei deshalb durchaus eine – objektive – Vergütungserwartung gegeben13. Daraus folgend können dann auch Vergütungsansprüche insbesondere durch „gekorene“ AT-Angestellt geltend gemacht werden. Erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis hat allerdings der Umstand, dass eine – objektive – Vergütungserwartung durch das BAG im Zweifel indes abgelehnt wird, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt werden14. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer eine zusätzliche Vergütung erhält, die am Erfolg seiner Arbeitsleistung angeknüpft wird. Dies ist insbesondere bei Provisionen der Fall. Denn hier kommt es aus Sicht der beteiligten Kreise typischerweise nicht auf die Erfüllung eines Stundensolls, sondern den Erfolg – die vermittelten Geschäfte – an. Erhält der Arbeitnehmer arbeitszeitbezogene Vergütung und zusätzlich für einen Teil seiner Arbeitsaufgaben in nicht unerheblichem Maße Provisionen, lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen. Fehlt es daran, kann eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart ist15.

13 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 Rz. 21; BAG v. 21.9.2011 – 5 AZR 629/10, NZA 2012, 145 Rz. 31. 14 So BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 Rz. 21; BAG v. 21.9.2011 – 5 AZR 629/10, NZA 2012, 145 Rz. 32. 15 So BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11 n. v. (Rz. 20).

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Weitergehend lehnt das BAG eine – objektive – Vergütungserwartung auch dann ab, wenn Dienste höherer Art geschuldet sind oder insgesamt eine deutliche herausgehobene Vergütung gezahlt wird16. Letztgenannte Fallkonstellation liegt aus Sicht des 5. Senats des BAG regelmäßig dann vor, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet17. Mit dieser dynamischen Verdienstgrenze gebe der Gesetzgeber alljährlich zu erkennen, welche Einkommen so aus dem in der Solidargemeinschaft aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten herausragen, dass damit keine weitere Rentensteigerung mehr zu rechtfertigen sei. Wer mit seinem aus abhängiger Beschäftigung erzielten Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreite, gehöre zu den Besserverdienern, die aus der Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht eines Stundensolls beurteilt würden. Ihnen und ihren Arbeitgebern fehle regelmäßig die objektive Vergütungserwartung für ein besonders Entgelt als Gegenleistung für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit. Auch dieser Fallgruppe ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn weit übertarifliche Gehälter gezahlt werden und es insoweit auch üblich ist, dass dann nicht mehr über die gesonderte Vergütung einzelner Überstunden gesprochen wird. Dass die Arbeitsvertragsparteien in entsprechenden AT-Verträgen deshalb auch (klarstellend) die Klausel einbinden, dass etwaige Überstunden bzw. Mehrarbeit mit dem Gehalt abgegolten sind, bestätigt sodann diese Einschätzung, was auch im Rahmen von § 612 Abs. 1 BGB nutzbar gemacht werden kann.

d)

Darlegungs- und Beweislast bei Klage wegen Überstundenvergütung

Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden und den daran anknüpfenden Vergütungsanspruch gelten die Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben. Darauf hat das BAG mit Urteil vom 16.5.201218 hingewiesen. Verlange der Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für Überstunden, habe er deshalb darzulegen und – im Bestreitensfall – auch zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet

16 BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11 n. v. (Rz. 19); BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 Rz. 21. 17 2012: 5600 € (altes Bundesgebiet), 4.800 € (neues Bundesgebiet); 2013: 5.800 € (altes Bundesgebiet), 4.900 € (neues Bundesgebiet). 18 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939 Rz. 25 ff.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Überstundenvergütung

habe. Dabei genüge der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, in dem er vortrage, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten habe. Schließlich begründet bereits die Anwesenheit eines Arbeitnehmers im Betrieb eine Vermutung dafür, dass diese zur Erledigung seiner Arbeit jeweils notwendig war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Anwesenheit in Kenntnis des Arbeitgebers bzw. eines Vorgesetzten erfolgt, der für die Ausübung des arbeitszeitbezogenen Direktionsrechts zuständig ist. Das Verhalten eines solchen Vorgesetzten muss sich der Arbeitgeber zurechnen lassen19. Auf diesen Vortrag des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber – so das BAG – im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann dieser Weisung – nicht – nachgekommen ist. Allerdings müssen diese Grundsätze zur wechselseitigen Darlegungs- und Beweislast im Einzelfall ggf. modifiziert werden. So könne ein Kraftfahrer, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen würden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vortrage, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet habe. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast sei es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21 a Abs. 7 S. 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben müsse20. Ergänzend hierzu weist das BAG in seinem Urteil vom 16.5.201221 indes daraufhin, dass weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber ihrer Darlegungslast durch die bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Stundenaufstellungen oder sonstige Aufzeichnungen genügen. Anlagen könnten lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen. Vielmehr habe die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer bzw. die substantiierte Erwiderung hierauf durch den Arbeitgeber entsprechend § 130 Nr. 3, 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Dieses Erfordernis kann auch weitergehende Hinweise zu den Ursachen bzw. Notwendigkeiten einer bestimmten Tätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erforderlich machen. So hat das BAG das pauschale Bestreiten einer Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber nicht ohne 19 LAG Berlin-Brandenburg v. 23.12.2011 – 6 Sa 1941/11 n. v. (Rz. 23). 20 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939 Rz. 28. 21 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939 Rz. 29 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

weiteres für ausreichend angesehen. Wenn – so der konkrete Fall – ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötige und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen könne, seien die Überstunden – unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung – jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig. Etwas anders gelte nur, wenn der Arbeitgeber darlegen könne, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden könnten. Erst dann obliege es wiederum dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit geführt hätten. Schlussendlich ist die prozessuale Geltendmachung einer Überstundenvergütung damit an eine Vielzahl von Faktoren geknüpft, die einem Erfolg entgegenstehen können. Zunächst einmal ist darzulegen, dass der Arbeitnehmer überhaupt außerhalb der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit tätig geworden ist. Hierbei spielen nicht nur die vertraglichen Vereinbarungen über die regelmäßige Arbeitszeit eine Rolle. Vielmehr sind darüber hinaus die Auswirkungen von Ausgleichszeiträumen zu beachten. Weiterhin ist zu klären, ob die Arbeit außerhalb der Arbeitszeit tatsächlich auf eine Anordnung oder Duldung des Arbeitgebers zurückgeführt werden muss. Diese Erfordernisse sind für jede einzelne Stunde, deren Vergütung beansprucht wird, darzutun. Ergänzend hierzu muss sodann geltend gemacht werden, dass vertragliche und/oder gesetzliche Ansprüche auf Vergütung dieser Arbeitszeit bestehen. Soweit § 612 BGB nutzbar gemacht werden soll, setzt dies eine - objektive – Vergütungserwartung voraus, deren Vorliegen durch den Arbeitnehmer dargelegt werden muss. Hier hat das BAG jetzt klare Schranken gesetzt, die einem Vergütungsanspruch insgesamt oder in Teilen der über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeit entgegenstehen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn – was bei AT-Angestellten durchaus regelmäßig der Fall ist – eine Vergütung gezahlt wird, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt. (Ga)

2.

Widerrufsvorbehalt für die Privatnutzung eines Dienstwagens

Widerrufsvorbehalte müssen im Allgemeinen den Anforderungen der §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB genügen. Sie dürfen nicht grundlos erfolgen. Für die Wirksamkeit eines solchen Widerrufsvorbehalts bezüglich der Leistungen des Arbeitgebers bedeutet dies, dass dieser die Gründe, die ihn zum einseiti364

Widerrufsvorbehalt für die Privatnutzung eines Dienstwagens

gen Widerruf seiner Leistungspflicht berechtigen sollen, in der vertraglichen Regelung hinreichend klar benennen muss. Zusätzlich ist eine hinreichend transparente Formulierung notwendig. Bezieht sich der Widerruf auf einen entsprechend ausgestalteten Teil der Vergütung, so darf dieser höchstens 25% der Gesamtvergütung umfassen22. Ein Widerrufsvorbehalt ist grundsätzlich auch bezüglich der privaten Nutzung eines Dienstwagens zulässig. Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil dar und ist regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung23. Hiervon ausgehend stellt das BAG in seiner Entscheidung vom 21.3.201224 klar, dass ein Widerrufsvorbehalt die private Nutzung eines Dienstwagens betreffend wirksam ist, soweit er nicht grundlos erfolgen soll, sondern vielmehr wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist. Auch in diesem Fall müssen aber die Gründe, unter denen der Widerruf erklärt werden soll, aus der Vereinbarung selbst erkennbar werden. Werde insoweit an eine wirksame Freistellung angeknüpft, sei dies auch angemessen und zumutbar, da der Arbeitnehmer bis zum letztendlichen Kündigungstermin keine weitere Arbeitsleistung erbringen müsse. Da das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beim Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens nicht grundlegend berührt werde, sei auch keine Änderungskündigung notwendig. Eine Ankündigungs- bzw. Auslauffrist muss in der Vereinbarung nach Auffassung des BAG25 zwar nicht genannt werden. Allerdings kann der Arbeitgeber zur Gewährung einer solchen Frist als Folge der Ausübungskontrolle verpflichtet sein. Denn der Widerruf muss billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) entsprechen26, da mit der Widerrufserklärung eine Bestimmung der Leistung durch den Arbeitgeber erfolgt. Bei der Ausübungskontrolle eines Widerrufs bezüglich der privaten Nutzung eines Dienstwagens ist – so das BAG - insbesondere die individuelle Situation des Arbeitnehmers und seine steuerrechtliche Lage zu berücksichtigen. Ist der Arbeitnehmer gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verpflichtet, die private Nutzung für einen Dienstwagen bis zum Ende des jeweiligen Monats zu versteuern, so ist dies ein wesentlicher Gesichtspunkt im Rahmen der Interessenabwägung. Gegenübergestellt werden hier das Interesse des Arbeit22 23 24 25 26

BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423 Rz. 44. BAG v. 21.8.2001 – 3 AZR 746/00, NZA 2002, 394 Rz. 41. 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rz. 17. v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rz. 18. BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rz. 22.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

nehmers, den versteuerten Vorteil nutzen zu können und das abstrakte Interesse des Arbeitgebers am sofortigen Entzug des Dienstwagens. Dabei geht das BAG von einem Überwiegen der Interessen des Arbeitnehmers aus, wenn der Dienstwagen das einzige Auto im Besitz des Arbeitnehmers ist und er die Privatnutzung ohnehin noch bis zum Monatsende versteuern muss. Denn in diesem Fall führe der Entzug des Dienstwagens nicht nur zu einem Nutzungsausfall, sondern auch zu einer spürbaren Minderung des Nettoeinkommens. Dass der Arbeitgeber den Dienstwagen generell nur Mitarbeitern zur Verfügung stelle, die ihn auch dienstlich benutzten, stehe dahinter zurück27. Überwiegt nun das Interesse des Arbeitnehmers an der Nutzung des Dienstwagens und kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung, dem Arbeitnehmer diese Nutzung zu ermöglichen, nicht nach, wird der Arbeitgeber zwar gemäß § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit von seiner Leistungspflicht befreit28. Hieraus resultiert ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Ersatz des dadurch entstehenden Schadens (§§ 280 Abs. 1 S. 1, 283 S. 1 BGB). Dabei geht es um eine Nutzungsausfallentschädigung, die auf der Grundlage steuerlicher Bewertungen der privaten Nutzungsmöglichkeit in Höhe von 1% des Listenpreises des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung kalkuliert werden darf29. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass ein Widerrufsvorbehalt in Bezug auf die private Nutzung eines Dienstwagens im Grundsatz einer AGB-Kontrolle standhalten kann, wenn die allgemeinen Voraussetzungen aus §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB beachtet werden. Bei der Frage der Ausübungskontrolle ist jedoch die steuerrechtliche und persönliche Lage des Arbeitnehmers im Einzelfall zu berücksichtigen. Handelt es sich um das einzige Fahrzeug des Arbeitnehmers und zahlt dieser für den laufenden Monat noch Steuern für dessen Nutzung, so ist ihm die Nutzung des Dienstwagens noch bis zum Ende des Kalendermonats zu gewähren. (Do)

3.

Annahmeverzugsansprüche bei vorangehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist?

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete gemäß § 615 S. 1 BGB für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur 27 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rz. 23. 28 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rz. 24. 29 BAG v. 27.5.1999 – 8 AZR 415/98, NZA 1999, 1038 Rz. 12.

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Annahmeverzugsansprüche bei vorangehender Arbeitsunfähigkeit

Nachleistung verpflichtet zu sein. Nach § 293 BGB gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. Hierfür hat sich die allgemeine Umschreibung eingebürgert, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung in Person, zur rechten Zeit, am richtigen Ort und richtigerweise anzubieten hat (§ 294 BGB)30. Kündigt der Arbeitgeber jedoch das Arbeitsverhältnis, so bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs nach Ablauf der Kündigungsfrist keines Angebots im vorbeschriebenen Sinne, wenn sich die Kündigung als rechtsunwirksam erweist. Dies folgt nach der Rechtsprechung des BAG31 aus § 296 S. 1 BGB, wonach der Arbeitgeber gehalten ist, in diesem Falle die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung dadurch vorzunehmen, dass er dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Zur Beendigung des Annahmeverzugs muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordern und dabei unmissverständlich klarstellen, dass die Kündigung zu Unrecht erfolgt sei32. Nach § 297 gerät der Arbeitgeber indes nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der tatsächlichen Leistungsfähigkeit umfasst diese Vorschrift auch die darin nicht erwähnte Leistungswilligkeit. Dies folgt nach der Rechtsprechung des BAG33 daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Fehlt es an der objektiven Leistungsfähigkeit oder dem subjektiven Leistungswillen kommt es von vornherein nicht zu einem Annahmeverzug des Arbeitgebers, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer – etwa im Falle der Arbeitgeberkündigung – seine Arbeitsleistung tatsächlich nicht anbieten musste34. Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Einwendung der mangelnden Leistungsfähigkeit oder des mangelnden Leistungswillens35. Da sich diese Umstände in der Sphäre des Arbeitnehmers abspielen,

30 Vgl. nur Schaub/Linck, § 95 Rz. 25 a. 31 BAG v. 17.11.2011 - 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 Rz. 13; BAG v. 27.8.2008 - 5 AZR 16/08, NZA 2008, 1410 Rz. 16; BAG v. 24.9.2003 - 5 AZR 500/02, NZA 2004, 90 Rz. 14 ff. 32 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 Rz. 14 ff.; BAG v. 24.9.2003 - 5 AZR 500/02, NZA 2004, 90 Rz. 23; ErfK/Preis, BGB § 615 Rz. 67; Schaub/Linck, § 95 Rz. 60. 33 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 Rz. 16; BAG v. 17.8.2011 - 5 AZR 251/10, NZA-RR 2012, 342 Rz. 16. 34 BAG v. 17.8.2011 - 5 AZR 251/10, NZA-RR 2012, 342 Rz. 16. 35 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 Rz. 17; BAG v. 17.8.2011 - 5 AZR 251/10, NZA-RR 2012, 342 Rz. 17; Schaub/Linck, § 95 Rz. 54 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

genügt der Arbeitgeber zunächst seiner Darlegungslast, wenn er Indizien darlegt und nachweist, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Diese Indizwirkung muss der Arbeitnehmer erschüttern, wenn die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, nicht als zugestanden gelten soll. Gelingt ihm dies, bleibt der Arbeitgeber für die Tatsachen beweispflichtig, aus denen die fehlende Leistungsfähigkeit und der fehlende Leistungswille des Arbeitnehmers zu entnehmen sind. Die Frage der fehlenden Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit einer Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn hat den 5. Senat des BAG in seinem Urteil vom 22.2.2012 beschäftigt36. Der Kläger war bei dem beklagten Land als Lehrer beschäftigt und sollte aufgrund einer entsprechenden Weisung des Arbeitgebers an eine andere Schule versetzt werden. Er teilte dem Arbeitgeber mit, in dieser Umsetzung einen Akt der Willkür zu sehen, dem er nicht folgen werde. Nachdem der Kläger zunächst wegen Krankheit seinen Dienst nicht angetreten hatte, erschien er auch nach Beendigung der Krankheit nicht an seinem neuen Arbeitsplatz. Es erfolgte eine weitere Krankschreibung. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung ordentlich. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Anschließend nahm der Kläger die Arbeit an der bisherigen Schule wieder auf und verlangte von dem beklagten Land unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach Ablauf der Kündigungsfrist für die Dauer von anderthalb Jahren die Fortzahlung seiner Vergütung, wobei er sich darauf berief, ab diesem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig gewesen zu sein und mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage seinen Leistungswillen bekundet zu haben. Zunächst konstatiert das BAG, dass dem Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung ein fehlendes Arbeitsangebot des Klägers nicht entgegenstünde, weil es nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung keines Arbeitsangebots bedarf. Allerdings hätte sich das beklagte Land nicht in Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungsunwillig war (§ 297 BGB). Im Streitfall kam beides zusammen. Zunächst hat das BAG die Indizwirkung zu Gunsten des Beklagten für die andauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers genügen lassen, dass dieser nach mehrmonatiger Erkrankung gerade unmittelbar nach dem Ende der Kündigungsfrist wieder gesundet sein sollte. Hierzu müsste sich der Kläger – ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht – substantiiert einlassen, widrigenfalls die weitere Leis36 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858.

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Annahmeverzugsansprüche bei vorangehender Arbeitsunfähigkeit

tungsunfähigkeit als zugestanden anzusehen sei (§ 138 Abs. 3 ZPO). Nach der vom BAG vorgenommenen Zurückverweisung wird das LAG den Parteien Gelegenheit zu einer entsprechenden Stellungnahme geben müssen. Soweit es um die Leistungswilligkeit während des Annahmeverzugszeitraums geht, gilt es nach Ansicht des BAG zu fragen, an welcher Schule der Kläger seine Tätigkeit – die Kündigung hinweggedacht – hätte erbringen müssen. Für den Annahmeverzug ist nämlich ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich37. In diesem Zusammenhang ließ das BAG nicht den Einwand des Klägers gelten, die Zuweisung einer Tätigkeit an der anderen Schule habe billigem Ermessen widersprochen. Dabei geht das BAG von der Erwägung aus, dass die unbillige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers nicht nichtig, sondern nur unverbindlich sei (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB). Es heißt dann in der Entscheidung wie folgt: Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung u. a. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht.

Unter Berücksichtigung dieses Begründungsansatzes soll das LAG im weiteren Berufungsverfahren im Falle einer Bindung des Klägers an die von dem Beklagten erfolgte Zuweisung an die andere Schule davon ausgehen können, dass jedenfalls nach bisherigen Feststellungen ein Leistungswille des Klägers nicht erkennbar sei. Daran hat auch die Erhebung der Kündigungsschutzklage – im Gegensatz zur Auffassung des Klägers – nichts geändert, weil der Kläger einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber durch ein tatsächliches Arbeitsangebot hätte kundtun müssen. Für die betriebliche Praxis ist diese Entscheidung des BAG einigermaßen überraschend, weil jedenfalls bislang aus der Rechtsprechung des BAG nicht 37 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 Rz. 21; BAG v. 13.7.2005 - 5 AZR 578/04, NZA 2005, 1348 Rz. 34.

369

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

entnommen werden konnte, dass eine unbillige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zumindest vorläufig verbindlich ist. So hat etwa der 9. Senat des BAG38 die der Billigkeit widersprechende Versetzung als rechtsunwirksam angesehen. Auch der 2. Senat des BAG39 hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, wenn das Leistungsverlangen des Arbeitgebers billigem Ermessen im Sinne von § 106 GewO widerspricht. Ob insoweit eine Neuorientierung der Rechtsprechung des BAG zum Weisungsrecht des Arbeitgebers eingeleitet wird, ist nicht hinreichend deutlich erkennbar. Für die Arbeitgeberseite erweist sich allerdings die Betrachtung des BAG als vorteilhaft, weil damit die mit der Feststellung des billigen Ermessens stets verbundenen Unwägbarkeiten bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts beseitigt werden. (Boe)

4.

Ende des Annahmeverzugs: Gesamtberechnung Annahmeverzugsvergütung und zweistufige Ausschlussfrist

Der Gesetzgeber hat im Schuldrecht des BGB die Beendigung des Annahmeverzugs ungeregelt gelassen. Nach gefestigter Spruchpraxis des BAG40 endet der Annahmeverzug des Arbeitgebers nicht von selbst, sondern erst dann, wenn die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs entfallen. Ist der Arbeitgeber daher nach einer unwirksamen Kündigungserklärung mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug geraten, muss er zur Beendigung des Annahmeverzugs die versäumte Arbeitsaufforderung nachholen. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien den Streit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses beendet haben, insbesondere zugunsten des Arbeitnehmers eine entsprechende arbeitsgerichtliche Entscheidung vorliegt. Der Arbeitnehmer darf dann regelmäßig zunächst eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten, was zumindest dann gilt, wenn dem Arbeitnehmer nicht ohne weiteres erkennbar ist, wann und wo er seine Arbeit wieder antreten soll41.

38 v. 21.7.2009 – 9 AZR 378/08 n. v. 39 v. 24.2.2011 – 2 AZR 636/09, NZA 2011, 1087 Rz. 17 ff. 40 BAG v. 26.9.2007 - 5 AZR 870/06, NZA 2008, 1063 Rz. 25 ff.; BAG v. 18. 1.2000 - 9 AZR 932/98, NZA 2000, 2276 Rz. 28 ff.; BAG v. 19.1.1999 - 9 AZR 679/97, NZA 1999, 925 Rz. 20. 41 Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch § 95 Rz. 63 m. w. N.

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Gesamtberechnung Annahmeverzugsvergütung und zweistufige Ausschlussfrist

Ebenso wenig stellt der Gesetzgeber eine konkrete Regelung der technischen Abwicklung der anderweitigen Anrechnung von Verdiensten zur Verfügung, wenn der Arbeitnehmer während der Dauer des Annahmeverzugs einer anderweitigen Beschäftigung nachgeht (§ 615 S. 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG). In der Rechtsprechung des BAG42 gesichert ist dabei, dass auf die Gesamtvergütung für die Dauer des beendeten Annahmeverzugs und nicht auf eine pro-rata-temporis-Abrechnung abzustellen ist, so dass nach der Feststellung der während des Verzugs angefallenen Gesamtvergütung der Betrag gegenüberzustellen ist, den der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig erzielt hat. Ungelöst ist jedoch, wie abrechnungstechnisch zu verfahren ist, wenn das vertragliche Entgelt nach Monaten bemessen wird und ein Kalendermonat lediglich anteilig zu berücksichtigen ist. Die vorstehenden Fragen waren Gegenstand einer Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 16.5.201243. Dem Kläger war von der Beklagten zum 31.3.2003 gekündigt worden. Erst mit Urteil vom 29.1.2008 wurde vom LAG rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Mit Schreiben vom 21.11.2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Arbeitsaufnahme auf. Der Kläger, der bereits zum 1.11.2006 ein neues Arbeitsverhältnis begründet hatte, reagierte darauf nicht, was die Beklagte veranlasste, dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 3.12.2008 fristlos zu kündigen. Die Parteien stritten nun darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte für die Zeit vom 1.1.2006 bis zum 30.11.2008 Annahmeverzugsvergütung schuldete. In dem Arbeitsvertrag der Parteien war vorgesehen, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit gegenüber dem anderen Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden mussten, um nicht zu verfallen. Bei Ablehnung oder nicht rechtzeitiger Erklärung sollte der Anspruch ausgeschlossen sein, wenn er nicht innerhalb von vier Monaten nach einem dieser Zeitpunkte gerichtlich geltend gemacht wurde. Das BAG hat den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen, um weitere Feststellungen darüber zu treffen, wann das Aufforderungsschreiben der Beklagten dem Kläger zugegangen war, um exakt den Umfang der Annahmeverzugsvergütung bestimmen zu können. In der Sache selbst hat das BAG zunächst einen Anspruch des Klägers auf Zahlung seiner Vergütung aus Annahmeverzug gemäß § 615 S. 1, § 611 Abs. 1 i. V. m. §§ 293 ff. BGB für be-

42 Nur BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971 Rz. 33; BAG v. 12.12.2006 - 1 AZR 96/06, NZA 2007, 453 Rz. 27; BAG v. 22.11.2005 - 1 AZR 407/04, NZA 2006, 736 Rz. 22. 43 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

rechtigt erachtet. Der Vergütungsanspruch war ab Zugang der Kündigung der Beklagten vom Grundsatz her entstanden, weil nach der Rechtsprechung des BAG44 in der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugleich die Erklärung des Arbeitgebers liegt, die Leistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr annehmen zu wollen, so dass kein besonderes Angebot des Arbeitnehmers nach §§ 295, 296 BGB erforderlich ist. Jedenfalls bis zum Zugang der Aufforderungserklärung der Beklagten zur Wiederaufnahme der Tätigkeit mit Schreiben vom 24.11.2008 scheiterte die Vergütung aus Annahmeverzug nicht am fehlenden Leistungswillen des Klägers (§ 297 BGB). Nach § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außer Stande ist, die Leistung zu bewirken. Davon ist auch dann auszugehen, wenn sich der Arbeitnehmer durch mangelnden Leistungswillen selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu erbringen45. Das BAG stellt in diesem Zusammenhang klar, dass allein aus der Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses nicht das Fehlen der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers im gekündigten Arbeitsverhältnis hergeleitet werden kann. Wird er vom bisherigen Arbeitgeber zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgefordert, dann kann er durch ordentliche Kündigung das neu eingegangene Arbeitsverhältnis auflösen und seiner Dienstpflicht wieder nachkommen. Allerdings muss der Arbeitgeber nach verlorenem Kündigungsschutzprozess hinsichtlich der Aufforderung der Wiederaufnahme der Arbeit keine Ankündigungsfrist einhalten, weil eine solche gesetzlich nicht vorgesehen ist. Soweit das KSchG anwendbar ist, räumt der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer in § 12 KSchG das Recht ein, binnen einer Woche nach Rechtskraft der arbeitsgerichtlichen Entscheidung die Fortsetzung des früheren Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung verweigern zu dürfen. Nach Eintritt der Rechtskraftwirkung der erfolgreichen Kündigungsschutzklage des Klägers hatte ihn die Beklagte ausdrücklich aufgefordert, die Arbeit ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder aufzunehmen und damit grundsätzlich den bis dahin bestehenden Annahmeverzug beendet. Da der Kläger dieser Arbeitsaufforderung des bisherigen Arbeitgebers ohne jegliche Erklärung nicht nachgekommen ist, wurde damit seine fehlende Leistungsbereitschaft im gekündigten Arbeitsverhältnis indiziert, so dass wegen § 297 BGB kein weiterer Annahmeverzug ab dem Zeitpunkt der vorgesehenen Ar44 Nur BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971 Rz. 12; BAG v. 24.9.2003 - 5 AZR 500/02, NZA 2004, 90 Rz. 14. 45 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 Rz. 16.

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Gesamtberechnung Annahmeverzugsvergütung und zweistufige Ausschlussfrist

beitsaufnahme mehr bestand. Das LAG hatte allerdings in diesem Zusammenhang nicht geklärt, zu welchem Zeitpunkt dem Kläger das Aufforderungsschreiben zugegangen war. Soweit es um die Berechnung der Annahmeverzugsvergütung geht, hat das BAG mit dieser Entscheidung klargestellt, dass eine pauschalierende Berechnungsweise auf der Grundlage von 30 Tagen monatlich im Falle eines Monatsgehalts maßgebend ist und nicht auf die Anzahl der jeweiligen Arbeitstage abgestellt werden muss, wenn der Annahmeverzug im Laufe eines Monats endet. Diese Berechnungsweise erfolgt in Anlehnung an § 191 BGB, wonach ein Monatszeitraum zu 30 Tagen gerechnet wird. Schließlich hatte sich das BAG mit dem Einwand der Beklagten zu beschäftigen, die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche seien durch die nicht eingehaltene vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist untergegangen. Zunächst musste die vertragliche Ausschlussfrist als AGB den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB genügen. Das war zweifelsfrei nicht der Fall, soweit die erste Stufe der Ausschlussfrist betroffen war, die den klägerischen Arbeitnehmer verpflichtete, seine Ansprüche innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit gegenüber dem beklagten Arbeitgeber schriftlich geltend machen zu müssen. Die Ausschlussfrist war angesichts der Unterschreitung der Dauer von drei Monaten rechtsunwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) 46. Die Unwirksamkeit der ersten Stufe der Ausschlussklausel ließ jedoch die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages im Übrigen unberührt (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Da jedoch aufgrund des Wegfalls der ersten Stufe der Ausschlussfrist nicht feststellbar war, wann die zweite Stufe der Ausschlussfrist zu laufen begann, entbehrte auch diese der Wirksamkeit. In Anbetracht dessen konnte die zweite Stufe auch nicht unter Anwendung des sog. Blue-Pencil-Tests aufrechterhalten werden47. Der betrieblichen Praxis wird durch diese Entscheidung nochmals in Erinnerung gerufen, dass der einmal eingetretene Annahmeverzug des Arbeitgebers grundsätzlich nur dann beendet wird, wenn der Arbeitgeber eine ausdrückliche Arbeitsaufforderung an den Arbeitnehmer richtet, was häufig unbeachtet bleibt. Das zeigt auch der vom BAG entschiedene Fall, weil sich auch dort der Arbeitgeber mehrere Monate Zeit gelassen hatte, bevor er den Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung herangezogen hat. Eine weiterführende Bedeu46 Vgl. etwa BAG v. 28.9.2005 - 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149 Rz. 28; BAG v. 25.5.2005 - 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 Rz. 24. 47 Dazu BAG v. 14.9.2011 - 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 Rz. 7; BAG v. 12.3.2008 - 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699 Rz. 28; Preis RdA 2012, 101, 106.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

tung kommt der Entscheidung des BAG auch für die abrechnungstechnische Seite des Annahmeverzugslohns zu, sofern der Annahmeverzug im Laufe eines Monats endet. (Boe)

5.

Anspruch auf Herausgabe von Vergütung bei Verletzung des vertraglichen Wettbewerbverbots

Auch ohne eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag ist es dem Arbeitnehmer verboten, während der Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Wettbewerbstätigkeit aufzunehmen. Missachtet er dieses Verbot, bestehen nicht nur Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann darüber hinaus Schadensersatz fordern. Alternativ hierzu kann er verlangen, dass der Arbeitnehmer die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Arbeitgebers eingegangen gelten lässt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder den Anspruch auf die Vergütung abtritt (§ 61 Abs. 1 HGB). Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 17.10.201248 bietet § 61 Abs. 1 HGB keine Grundlage für einen Anspruch des Arbeitgebers auf Herausgabe der Vergütung, die ein Arbeitnehmer als Folge der arbeitsvertraglichen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen erhält. In dem zugrunde liegenden Fall war der Beklagte bei der Klägerin als Produktmanager und technischer Leiter tätig gewesen. Das Arbeitsverhältnis endete nach Maßgabe eines Vergleichs in einem Kündigungsschutzprozess aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung. Die Parteien vereinbarten eine Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung. Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes wurde im Vergleich nicht bestimmt. Nachdem der Beklagte schon während der Freistellung ein Arbeitsverhältnis bei einem Wettbewerber der Klägerin aufnahm, machte die Klägerin geltend, dass der Beklagte wegen der darin liegenden Verletzung des Wettbewerbsverbots verpflichtet sei, die beim Wettbewerber bezogene Vergütung herauszugeben. Hilfsweise hat sie geltend gemacht, dass die beim Wettbewerber bezogene Vergütung auf die Ansprüche des Beklagten ihr gegenüber angerechnet werden müssten. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch der 10. Senat des BAG die Klage abgewiesen. Der Beklagte sei nach § 61 Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, ein mit dem Wettbewerber vereinbartes Festgehalt an die Klägerin

48 10 AZR 809/11 n. v.

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Vergütung bei Verletzung des vertraglichen Wettbewerbverbots

herauszugeben. Denn der Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem Wettbewerber sei kein „Geschäft“ im Sinne des § 61 HGB. Als „Geschäft“ im Sinne der §§ 60, 61 HGB werden damit nur solche Rechtsgeschäfte qualifiziert, die als eine auf Gewinnerzielung gerichtete Teilnahme am geschäftlichen Verkehr zu verstehen sind, also nicht nur zur Befriedigung eigener privater Bedürfnisse des Arbeitnehmers erfolgen49. Im Kern müssen sie so ausgestaltet sein, dass der Arbeitgeber sie auch selbst hätte abschließen können. Der Abschluss eines Arbeitsvertrags gehört nicht hierzu50. Der Beklagte war als Arbeitnehmer tätig, er hat somit keine Geschäfte gemacht, sondern seine Arbeitsleistung in den Dienst eines Konkurrenten gestellt. Abweichend von der durch das LAG Baden-Württemberg noch vertretenen Auffassung stellt dies keinen Verstoß gegen § 60 HGB dar, so dass auch die Rechtsfolgen des § 61 HGB unausgelöst bleiben51. Der bislang erst vorliegenden Pressemitteilung lässt sich nur ansatzweise entnehmen, warum der bisherige Arbeitgeber die beim Wettbewerber erzielte Vergütung nicht auf die eigenen Zahlungsverpflichtungen anrechnen kann. Insoweit weist der 10. Senat des BAG allein darauf hin, dass die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber zwar bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses unter Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot gegen Treu und Glauben verstoßen könne. Ein solcher Verstoß sei im Streitfall aber nicht ausreichend dargelegt worden52. Letztlich dürfte der Umstand, dass die Feststellung unwiderruflich erklärt worden war, den Ausschluss der Anrechnung bewirkt haben. Ohne Rücksicht auf die Begründung der Entscheidung in dem hier in Rede stehenden Fall macht der Rechtsstreit allerdings deutlich, dass beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags bzw. eines gerichtlichen Vergleichs ebenso wie bei der einseitigen Freistellung eines Arbeitnehmers durch arbeitgeberseitige Erklärung nicht nur darauf geachtet werden muss, dass etwaige Urlaubsansprüche bzw. Zeitguthaben mit einer Freistellung zur Abgeltung kommen. Vielmehr sollte im Zusammenhang mit einer Freistellung gegenüber dem Arbeitnehmer noch einmal ausdrücklich erklärt werden, dass das vertragliche Wettbewerbsverbot ebenso wie die Verschwiegenheitspflicht ohne Rücksicht auf die Freistellung jedenfalls bis zur Beendigung des Ar49 BAG v. 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP HGB § 61 Nr. 1; MünchKomm/v. HoyningenHuene, HGB § 60 Rz. 41. 50 BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11 n. v.; BAG v. 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP HGB § 61 Nr. 1. 51 So die Vorinstanz LAG Baden-Württemberg v. 12.9.2011 – 9 Sa 45/11 n. v. 52 BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11 n. v.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

beitsverhältnisses fortbestehen. Zu einer solchen Klarstellung besteht bereits deshalb Anlass, weil das BAG schon mit seinem Urteil vom 6.9.200653, auf das wir hingewiesen hatten, die Ansicht vertreten hatte, dass der Arbeitgeber mit einer unwiderruflichen Freistellung und der gleichzeitigen Erklärung, anderweitiger Verdienst des Arbeitnehmers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses werde gemäß § 615 S. 2 BGB angerechnet, (konkludent) auf die Einhaltung des vertraglichen Wettbewerbsverbots verzichte. Ohne Rücksicht darauf, dass ein solcher Rückschluss kaum nachvollziehbar erscheint, sollte deshalb sowohl auf den Fortbestand des vertraglichen Wettbewerbsverbots als auch auf die Berechtigung, anderweitige Vergütung gemäß § 615 S. 2 BGB anzurechnen, verwiesen werden. Losgelöst davon sei darauf hingewiesen, dass eine Vereinbarung, nach der der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt wird, Entgeltfortzahlungsansprüche des Arbeitnehmers auch dann auslösen kann, wenn diese bei einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen langandauernder Arbeitsunfähigkeit oder anderweitiger Fehlzeiten an sich nicht bestehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Vereinbarung der AGB-Kontrolle unterfällt (§ 305 c Abs. 2 BGB). Insofern empfiehlt es sich, in der Regelung zur Freistellung selbst keine Fortzahlung der Vergütung zuzusagen. Vielmehr sollte unmittelbar im Anschluss an die Erklärung zur Freistellung festgestellt werden, dass etwaige Vergütungsansprüche hiervon (selbstverständlich) unberührt bleiben. Ergänzend kann vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung ordnungsgemäß abgerechnet und die sich daraus ergebende Vergütung ausgezahlt wird. (Ga)

6.

Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung

Der durch die Rechtsprechung des EuGH54 veranlasste Wandel der Bewertungsgrundsätze des BUrlG setzt sich auch in weiteren Entscheidungen des BAG fort. Dies gilt u. a. für Fragen, welchen Gestaltungsspielraum die Tarifvertragsparteien, aber auch die Arbeitsvertragsparteien haben, um den übergesetzlichen Urlaub frei zu regeln55, welche Grundsätze einer zeitlichen Begrenzung des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei lang andauernder Arbeits-

53 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 Rz. 22. 54 Vgl. nur EuGH v. 3.5.2012 – C-337/10, EzA Richtlinie 2003/99 EG – Vertrag 1999 Nr. 9 – Neidel; EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333 ff. - KHS; EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135 ff. – Schultz-Hoff. 55 Etwa BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 575/10, PersR 2012, 1411 ff.; BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 618/10, NZA 2012, 987 ff.

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Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung

unfähigkeit gelten56 und ob Urlaubsansprüche bei langjähriger Rente wegen Erwerbsminderung entstehen können57 sowie welche Rechtsqualität dem Urlaubsabgeltungsanspruch beigemessen werden kann, nachdem die Surrogationstheorie aufgegeben worden ist58.

a)

Erholungsurlaub: Gestaltungsspielraum beim krankheitsbedingten Verfall des tariflichen Mehrurlaubs

Nach der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH59 ist aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG)60 davon auszugehen, dass der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch, zu dem auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub aus § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX gehört61, im Falle fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entgegen der Regelung in § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG nicht bis zum 31. März des Folgejahres befristet ist62. Soweit der darüber hinausgehende Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in Rede steht, können die Mitgliedstaaten nach Ansicht des EuGH63 die Inanspruchnahme und Gewährung des Mehrurlaubs nach nationalem Recht frei festlegen. In der auf Vorlage des VG Frankfurt a. M. getroffenen Entscheidung hat der EuGH ausdrücklich klargestellt, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG Bestimmungen des nationalen Rechts, die dem Beamten64 (Arbeitnehmer) zusätzlich zu dem Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren, ohne dass die Zahlung einer finanziellen Vergütung für den Fall vorgesehen wäre, dass dem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche nicht haben zugutekommen können, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst leisten konnte, nicht entgegensteht. Dies gilt auch für die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Urlaubsansprüche, die den nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindest-

56 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, BB 2012, 2046 ff.; Düwell, DB 2012, 1749. 57 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, BB 2012, 2046 ff. 58 BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087; Arnold, ArbR 2012, 314; A. Müller, BB 2012, 1727. 59 EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135 ff. - Schultz-Hoff. 60 ABl. EU L 299 v. 18.11.2003, 9. 61 BAG v. 23.3.2010 - 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 Rz. 71. 62 BAG v. 24.3.2009 - 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 Rz. 42 ff.; zur Mindestlänge der Übertragung: EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333 ff. - KHS. 63 v. 3.5.2012 – C-337/10, EzA Richtlinie 2003/99 EG – Vertrag 1999 Nr. 9 Rz. 36 Neidel; BAG v. 12.4.2011 - 9 AZR 80/10, EzA BUrlG § 7 Nr. 123. 64 Zur Anwendung der Richtlinie 2003/88/EG auf Beamte bereits EuGH v. 14.7.2005 – C-52/04, NZA 2005, 921 – Personalrat Feuerwehr Hamburg.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

jahresurlaub von vier Wochen übersteigen. Daher ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Tarifvertragsparteien den Mehrurlaub einem eigenständigen Verfall zuführen, der abweichend vom gesetzlichen Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ausgestaltet werden kann. Der 9. Senat des BAG hatte sich in einer Entscheidung vom 22.5.201265 damit zu beschäftigen, ob die Tarifvertragsparteien bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers in wirksamer Weise festlegen dürfen, dass der tarifliche Mehrurlaubsanspruch nach einem kurzen Übertragungszeitraum von wenigen Monaten untergeht. Der Tarifvertrag sah vor, dass, wenn der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März des kommenden Kalenderjahres angetreten werden kann, sondern er bis zum 31. Mai angetreten werden muss, um nicht zu verfallen. Die Parteien stritten darüber, ob auf der Grundlage dieser tarifvertraglichen Regelung der tarifliche Mehrurlaub des Klägers, der länger als zwei Jahre nacheinander arbeitsunfähig erkrankt war, von dieser Ausschlussfrist erfasst war oder das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs teilen musste. Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das Problem des Falles bestand nun darin, dass die Tarifvertragsparteien jedenfalls explizit nicht zwischen dem Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen und dem darüber hinausgehenden Mehrurlaub von weiteren zehn Arbeitstagen differenziert hatten66. Deshalb kam es darauf an, ob im Wege der Auslegung von einer derartigen Differenzierung ausgegangen werden durfte. Das BAG hat dies bejaht. Für diese Beurteilung war vor allem maßgebend, dass sich die Tarifvertragsparteien von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub bei der Befristung und Übertragung vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eine eigenständige, vom BUrlG abweichende Regelung bezüglich der Übertragung und des Verfalls des Urlaubsanspruchs getroffen hatten67. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die eigenständige Sonderregelung für den unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaub im Hinblick auf § 13 Abs. 1 S. 1, § 1 BUrlG i.V. m. § 134 BGB unwirksam ist. Für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den sog. Mehrurlaub, bleibt sie gemäß § 139 BGB wirksam68. Im Streitfall hatten die Tarifvertragsparteien in doppelter Hinsicht ihren eigenständigen Regelungswillen bezüglich der Erfüllbarkeit des Urlaubsan65 66 67 68

9 AZR 575/10, PersR 2012, 411 ff. Vgl. BAG v. 23.3.2010 - 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 ff. Siehe auch BAG v. 12.4.2011 - 9 AZR 80/10, NZA 2011, 1050 ff. So ausdrücklich BAG v. 12.4.2011 - 9 AZR 80/10, NZA 2011, 1050 Rz. 27.

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Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung

spruchs verdeutlicht: Es war nicht nur die Übertragungsfrist auf den 31. Mai des folgenden Kalenderjahres verlängert worden, sondern zusätzlich – abweichend von § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG – für ausreichend angesehen worden, dass der Urlaub bis zu diesem Termin angetreten wird, während auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung der übertragene Urlaub in den ersten drei Monaten des Folgejahres gewährt und genommen werden muss. Da zahlreiche Tarifverträge noch aus einer Zeit datieren, die vor der SchulzHoff-Entscheidung des EuGH abgeschlossen worden sind, ist für einen eigenständigen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien bezüglich der Begrenzung der Übertragung von Urlaubsansprüchen vor allem auf ein abschließendes Fristenregime abzustellen, das sich deutlich von der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG entfernt.

b)

Befristung des Urlaubsabgeltungsanspruchs: Aufgabe der Surrogationstheorie

Vor dem Wandel der Rechtsprechung durch die Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH69 hat das BAG70 den Urlaubsabgeltungsanspruch abgesehen von dem Tatbestandsmerkmal der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie den Naturalurlaubsanspruch. Der Urlaubsabgeltungsanspruch war Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht, der daher an die gleichen Voraussetzungen gebunden war wie der Urlaubsanspruch (sog. Surrogationstheorie). Da der Naturalurlaubsanspruch auf das Kalenderjahr befristet ist (§ 7 Abs. 3 BUrlG), musste auch der ihn ersetzende Abgeltungsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres geltend gemacht und erfüllt werden, um nicht gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG unterzugehen. Diese Rechtsprechung hatte das BAG auch auf die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung von fortdauernd arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmern übertragen, wenn der Naturalurlaub nicht bis zum Ablauf des auf den 31. März des folgenden Kalenderjahres begrenzten Übertragungszeitraums gewährt und genommen werden konnte. Erst nach der Schultz-HoffEntscheidung des EuGH71 hat das BAG72 im Falle der Dauererkrankung für den gesetzlichen Mindesturlaub die Surrogationstheorie aufgegeben und den Urlaubsabgeltungsanspruch als reinen Zahlungsanspruch qualifiziert. Ob das BAG auch für den Fall der Arbeitsfähigkeit des aus dem Arbeitsverhältnis 69 70 71 72

EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135 ff. – Schultz-Hoff. Nur BAG v. 17.1.1995 - 9 AZR 263/92 n. v. EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135 ff. – Schultz-Hoff. BAG v. 24.3.2009 - 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

ausscheidenden Arbeitnehmers an der Surrogationstheorie festhalten würde, war zweifelhaft. Der 9. Senat des BAG73 hatte nunmehr Gelegenheit, in einer Entscheidung vom 19.6.2012 darüber zu entscheiden, ob der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers auch dann abzugelten war, wenn er erstmals nach Ablauf des Urlaubsjahres, in dem der Naturalurlaub entstanden war, vom Arbeitnehmer geltend gemacht wurde. Der Kläger hatte einen Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen und war im Jahre 2008 bei dem beklagten Arbeitgeber bis zum 31. Juli beschäftigt. Bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis standen ihm noch 16 Arbeitstage Urlaub zu, die er erst gegenüber dem Arbeitgeber als Abgeltung Anfang Januar 2009 beanspruchte. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung der Abgeltung unter Hinweis darauf, dass ein Naturalurlaubsanspruch mit dem 31.12.2008 untergegangen sei und damit auch das Surrogat der Abgeltung. Nach der früheren Rechtsprechung des BAG74 wäre der Abgeltungsanspruch des Klägers am 31.12.2008 gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG verfallen, weil der Urlaubsanspruch auf das Kalenderjahr befristet ist und damit auch der ihn ersetzende Urlaubsabgeltungsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres geltend gemacht und erfüllt werden muss, um nicht unterzugehen. Mit dem Argument, krankheitsbedingt arbeitsunfähige und aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer, denen der Urlaubsabgeltungsanspruch erhalten bleibt, nicht besser stellen zu dürfen, als Arbeitnehmer, die ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Naturalurlaub hätten beanspruchen können, hat das BAG die Surrogationstheorie vollständig aufgegeben. Dabei lässt sich das BAG von der Erwägung leiten, dass in § 7 Abs. 4 BUrlG kein Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs verankert sei und nach dieser Vorschrift die Abgeltung des Urlaubs allein von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht von einer weiteren Geltendmachung abhänge. Die vollständige Aufgabe der Surrogationstheorie hat damit zur Folge, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch eine rein finanzielle Vergütung des Arbeitgebers im Sinne des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG darstellt und nicht mehr dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG unterliegt. Diese Bewertung entspricht nach Ansicht des BAG auch dem Zweck des § 7 Abs. 3 BUrlG, der einer nicht gewollten Urlaubshortung entgegenwirken soll, die im Falle der Urlaubsabgeltung keine Rolle spielt.

73 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087 ff. 74 BAG v. 17.1.1995 - 9 AZR 664/93, NZA 1995, 531 ff.

380

Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung

Als reiner Geldanspruch wird allerdings, wie das BAG75 bereits bei früherer Gelegenheit entschieden hat, die Urlaubsabgeltung von tarifvertraglichen Ausschlussfristen erfasst, was im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG steht. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen war der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers von dem Beklagten noch zu erfüllen. Dabei hat das BAG dem beklagten Arbeitgeber keinen Vertrauensschutz aus Art. 20 Abs. 3 GG in die bisherige Rechtsprechung eingeräumt, weil höchstrichterliche Entscheidungen zum einen kein Gesetzesrecht darstellen und damit keine vergleichbare Rechtsbindung erzeugen, des Weiteren nach dem Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des LAG Düsseldorf vom 2.8.200676 in der Sache Schultz-Hoff nicht mehr zu erwarten war, dass das BAG seine Rechtsprechung zur Surrogationstheorie aufrecht erhalten würde. Mit dieser Änderung der Rechtsprechung hat das BAG für die betriebliche Praxis eine sinnvolle Klarstellung getroffen, so dass nicht mehr danach unterschieden werden muss, ob die Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsvertrages an einen weiterhin erkrankten Arbeitnehmer oder einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer zu gewähren ist.

c)

Erholungsurlaub: Tarifliche Ausschlussfristen

Nur unter der Prämisse, dass der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, ist er gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Daher besteht im bestehenden Arbeitsverhältnis kein Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, was grundsätzlich auch für den tariflichen Mehrurlaub anzunehmen ist, sofern die Tarifvertragsparteien für diesen Teil des Urlaubs nichts anderes ausdrücklich vereinbart haben. Erfüllt der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer beanspruchten Naturalurlaub nicht, so wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um77. Ein Schadensersatzanspruch in Geld gemäß § 251 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn die Gewährung von Ersatzurlaub aus Gründen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in natura nicht mehr möglich ist.

75 BAG v. 9.8.2011 - 9 AZR 365/10, NZA 2011, 1421 Rz. 16. 76 12 Sa 486/06, NZA-RR 2006, 628 ff. 77 BAG v. 20.4.2012 - 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982 Rz. 12; BAG v. 11.4.2006 - 9 AZR 523/05, AP Nr. 28 zu § 7 BUrlG Übertragung Rz. 24.

381

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Soweit tarifvertragliche Ausschlussfristen alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen, werden davon auch die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis betroffen, die nicht von einer Gegenleistung abhängig sind, so dass neben dem Urlaubsabgeltungsanspruch der Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld verfällt. Ob ein etwa entstandener Urlaubsgeldanspruch aufgrund seiner Akzessorietät das Schicksal des Urlaubsanspruchs teilt, war u. a. eine Frage, der das BAG78 in einer Entscheidung vom 20.4.2012 nachzugehen hatte. Die Parteien des Rechtsstreits stritten darüber, ob der Klägerin drei weitere Urlaubstage für das abgelaufene Kalenderjahr zustanden, die sie im abgelaufenen Kalenderjahr nicht beansprucht hatte und für die sie eine Entschädigung verlangte, und ob ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Urlaubsgeld für diese Urlaubstage verfallen war. Dieser Streit war dadurch veranlasst, dass ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag, der einen höheren Urlaubsanspruch beinhaltete, durch einen neuen allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag abgelöst worden war (Wach – und Sicherheitsgewerbe), der einen um drei Tage verminderten Urlaub vorsah. Die Arbeitsvertragsparteien hatten außerdem im Arbeitsvertrag durch eine Bezugnahmeklausel auf den einschlägigen Tarifvertrag verwiesen. Die Klage der Klägerin war in allen Instanzen erfolglos. Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbestand, vermochte die Klägerin den von ihr beanspruchten zusätzlichen Urlaub nicht als Entschädigung im Sinne eines Zahlungsanspruchs zu realisieren, weil eine Abgeltung des Urlaubs ausschließlich bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses infrage kommt. Insofern hält das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, die auf einer klaren Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG fußt. Da die Klägerin für die drei weiteren Urlaubstage keinen Grund für eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr geltend machen konnte, war der Urlaubsanspruch mit dem 31. Dezember des Entstehungsjahres verfallen (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Nach Ansicht des BAG teilt das Urlaubsgeld als urlaubsakzessorische Sonderzahlung das Schicksal des Urlaubsanspruchs. Dies hat zur Konsequenz, dass mit dem Untergang des Naturalurlaubsanspruchs am Jahresende mangels entsprechender Geltendmachung zugleich der Urlaubsgeldanspruch wegen seiner Akzessorietät untergeht.

78 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982 ff.

382

Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung

Allerdings bedarf es stets der Klärung, ob eine im Tarifvertrag vorgesehene Urlaubsgeldzahlung tatsächlich eine urlaubsakzessorische Bedeutung79 aufweist. Allein die Bezeichnung einer Leistung als Urlaubsgeld in einem Tarifvertrag oder einer arbeitsvertraglichen Regelung muss nicht gleichbedeutend damit sein, dass eine urlaubsakzessorische Sonderzahlung vorliegt. Vor allem an den im Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag geregelten Leistungsvoraussetzungen lässt sich ablesen, ob die Urlaubsgeldzahlung von den Regelungen zum Urlaub abhängig ist oder bloß eine saisonale Sonderleistung darstellt80. Eine Frage, die im Übrigen auch für die Unpfändbarkeit nach § 850 a Nr. 2 ZPO gleichermaßen von Bedeutung ist. Im Streitfall hat das BAG die Zahlungsansprüche der Klägerin auch an der tarifvertraglichen Ausschlussfrist scheitern lassen, unabhängig davon, dass sich die tarifvertragliche Ausschlussfrist auf alle „gegenseitigen Ansprüche“ aus dem Arbeitsverhältnis bezog. Entgegen der Ansicht der Klägerin ging das BAG davon aus, dass die tarifliche Ausschlussfrist trotz ihrer missverständlichen Formulierung nicht auf synallagmatische Ansprüche begrenzt sei, sondern nach dem allgemeinen Sprachverständnis nur ein anderes Wort für „wechselseitig“ oder „beiderseitig“ ausdrücken wollte. Die Besonderheit der Entscheidung des BAG für die betriebliche Praxis bestehen vor allem darin, dass auch der Anspruch auf Urlaubsgeld, soweit ihm eine urlaubsakzessorische Bedeutung beizumessen ist, das Schicksal des Urlaubsanspruchs teilt, wenn dieser nicht rechtzeitig vom Arbeitnehmer beansprucht worden ist. In einer weiteren Entscheidung vom zwei 22.5.2012 hatte der 9. Senat des BAG81 zu klären, ob der tarifvertragliche Mehrurlaub bei entsprechender tarifvertraglicher Regelung auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit am 31. Mai des Folgejahres verfällt und ob im Falle der Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen vor diesem Zeitpunkt (hier 31. März) auch der Urlaubsabgeltungsanspruch für den Mehrurlaub untergeht, wenn der Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis wegen seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit den tariflichen Mehrurlaub verloren hätte. Die entsprechende Regelung des Tarifvertrages sah vor, das, wenn der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen Gründen nicht bis zum 31. März genommen werden konnte, er noch bis zum 31. Mai ange-

79 Zur Abgrenzung: BAG v. 12.10.2010 - 9 AZR 522/09, NZA 2011, 695 ff.; BAG v. 19.5.2009 - 9 AZR 477/07, DB 2009, 2051 ff. 80 BAG v. 19.5.2009 - 9 AZR 477/07, DB 2009, 2051 Rz. 15. 81 9 AZR 618/10, NZA 2012, 987 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

treten werden durfte. Die Parteien des Rechtsstreits stritten über eine Urlaubsabgeltung für den tariflichen Mehrurlaub des Klägers, der in der Zeit vom 23.10.2007 bis zu seinem Ausscheiden am 31.3.2009 arbeitsunfähig krank war und diese Erkrankung über den 31.5.2009 fortbestand. Die Arbeitgeberin hatte den gesetzlichen Urlaubsanspruch aus den Jahren 2007, 2008 und bis zum 31.3.2009 abgegolten, sich jedoch geweigert, eine Abgeltung des tarifvertraglichen Mehrurlaubs für diese Zeiten zu bezahlen. Zunächst konstatiert das BAG, dass der dem Kläger zustehende tarifliche Mehrurlaub von zehn Tagen aus dem Jahr 2007 mit dem 31.5.2008 verfallen war und demgemäß bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.3.2009 nicht mehr nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten war. Wie zuvor dargelegt worden ist, steht diese Aussage in Übereinstimmung mit einer am gleichen Tage verkündeten weiteren Entscheidung des BAG82. Zweifelhaft konnte allerdings sein, wie mit dem tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2008 bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.3.2009 zu verfahren war, wenn sich die Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 31.5.2009 – wie hier – hinzog. Denn bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wäre der Mehrurlaub aus dem Jahre 2008 zu diesem Zeitpunkt untergegangen. Da die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG nur für den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen gelten, können sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Tarifvertragsparteien die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des Mehrurlaubs nach nationalem Recht frei regeln und bestimmen83. Sie können demgemäß bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit den Verfall des tariflichen Mehrurlaubs am Ende des laufenden Kalenderjahres vorsehen oder seinen Fortbestand auf einen kurzen Übertragungszeitraum begrenzen. Ob die Tarifvertragsparteien von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, muss unter Umständen durch Auslegung ermittelt werden, wenn sie keine klare Differenzierung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem tariflichen Mehrurlaub getroffen haben84. Haben die Tarifvertragsparteien bezüglich der Übertragung des Urlaubs eine vom gesetzlichen Fristenregime abweichende eigenständige Regelung getroffen, so spricht dies dafür, dass der tarifliche Mehrurlaub eine besondere Regelung erfahren soll. Nach Ansicht des BAG ist hinsichtlich der Frage, ob die Tarifvertragsparteien die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abweichend von der gesetzli82 BAG v. 22.5.2012 - 9 AZR 575/10, PersR 2012, 414 ff. 83 EuGH v. 3.5.2012 – C-337/10, EzA Richtlinie 2003/99 EG – Vertrag 1999 Nr. 9 Rz. 36 - Neidel; BAG v. 12.4.2011 - 9 AZR 80/10, NZA 2011, 1050 Rz. 21. 84 Vgl. Boewer, AktuellAR 2012 375 f.

384

Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung

chen Bestimmung in § 7 Abs. 4 BUrlG geregelt haben, eine eigenständige Prüfung anzustellen, die unabhängig davon zu erfolgen hat, ob die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Befristung der Übertragung des Naturalurlaubs (Mehrurlaubs) eine Sonderregelung geschaffen haben. Der für die Entscheidung des Rechtsstreits einschlägige Tarifvertrag im öffentlichen Dienst enthält hinsichtlich der Urlaubsabgeltung keine vom Gesetz abweichende Regulierung. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Zahlungsanspruch zu verstehen ist, richtet sich der Anspruch auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs mangels anderweitiger Regelung im Tarifvertrag nach den für das Gesetz geltenden Maßgaben und teilt damit das gleiche rechtliche Schicksal wie der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch, der auch dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer zu gewähren ist85. Danach entsteht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch, der im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG in seinem Bestand unberührt bleibt, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres fortdauert86.

d)

Urlaubsanspruch bei langjähriger Rente wegen Erwerbsminderung

Gemäß § 4 BUrlG wird der volle Urlaubsanspruch nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Die Entstehung des Urlaubsanspruchs nach dem BUrlG setzt allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus, ohne dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht haben muss87. Auch der Urlaubsanspruch nach § 125 SGB IX, der das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs teilt, wird nicht an eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gebunden88. Deshalb ist der Schwerbehindertenzusatzurlaub aus § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden konnte, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war89. Eine derartige Auslegung des BUrlG entspricht auch einer unionskonformen Auslegung, zumal Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht zwischen Arbeitnehmern, die während des Be85 BAG v. 4.5.2010 - 9 AZR 183/09, NZA 2010, 1011 Rz. 19. 86 BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 618/10, NZA 2012, 987 Rz. 11; BAG v. 4.5.2010 - 9 AZR 183/09, NZA 2010, 1011 Rz. 21. 87 So bereits BAG v. 13.5.1982 - 6 AZR 360/80, DB 1982, 2470 Rz. 19 und sodann ständige Rechtsprechung BAG 24.3.2009 - 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 Rz. 21. 88 BAG v. 23.3.2010 - 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 Rz. 69. 89 BAG v. 23.3.2010 - 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 Rz. 69.

385

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

zugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben und solchen, die während des Bezugszeitraums wegen Krankheit der Arbeit ferngeblieben sind, differenziert90. Allerdings ist in der Rechtsprechung der LAG91 die Ansicht vertreten worden, während des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses könnten keine Urlaubsansprüche entstehen, jedenfalls sei die Kürzung des Urlaubsanspruchs um Zeiten des Ruhens zulässig. Zur Begründung dieser Rechtsauffassung wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der Suspendierung der Hauptleistungspflichten kein Vergütungsanspruch bestehe und deshalb auch kein Sekundäranspruch auf Urlaub begründet werden könne. Eine Urlaubsgewährung setze zudem voraus, dass vertraglich eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bestehe. Schließlich wird die Regelung in § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX bemüht, worin eine Abhängigkeit der Urlaubstage von der Anzahl der Arbeitstage in der Kalenderwoche festgelegt werde. Bei einer Beschäftigung von weniger als fünf Tagen in der Woche betrage die Höhe des Urlaubsanspruchs bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis „0“. Der 9. Senat des BAG hatte in einer Entscheidung vom 7.8.201292 über ein krankheitsbedingtes Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu befinden. Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war seit dem Jahr 2001 bis zum 31.3.2009 bei der Beklagten in einer Reha – Klinik beschäftigt. Sie bezog ab dem 20.12.2004 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und nahm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Tätigkeit bei der Beklagten nicht mehr auf. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren TVöD ruhte das Arbeitsverhältnis während des Bezugs einer Rente auf Zeit und verminderte sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden Kalendermonat des Ruhens um ein Zwölftel. Die Klägerin beanspruchte von der Beklagten die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 mit 18.841,05 € brutto. Während die Vorinstanzen der Zahlungsklage weitgehend entsprochen haben, hat das BAG der Klägerin lediglich eine Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen aus den Jahren 2008 und 2009 mit 3.919,95 € brutto zugesprochen und im Übrigen die Abgeltung für die trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses in

90 Vgl. auch EuGH v. 24.1.2012 – C-282/10, NZA 2012, 139 Rz. 30 - Dominguez; BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, DB 2012, 2047 Rz. 12. 91 Vgl. etwa LAG Düsseldorf v. 19.1.2012 - 15 Sa 380/11, ZTR 2012, 283 Rz. 45; LAG Düsseldorf v. 1.10.2010 - 9 Sa 1541/09 n. v. (Rz. 50); LAG Köln v. 29.4.2010 - 6 Sa 103/10, ZTR 2010, 589 Rz. 15; Düwell, DB 2012, 1750; Wicht, BB 2012, 1349. 92 9 AZR 353/10, DB 2012, 2462 ff.

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Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung

den Jahren 2005 für 2007 entstandenen gesetzlichen Urlaubsansprüche abgewiesen, weil diese mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen sind. Das BAG geht zunächst davon aus, dass die Annahme, Urlaubsansprüche im ruhenden Arbeitsverhältnis könnten nicht entstehen, wenn das Ruhen auf eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen sei, der in § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG angeordneten Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs widerspräche. Danach dürfen von den §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG weder die Tarifvertragsparteien noch die Arbeitsvertragsparteien zuungunsten des Arbeitnehmers abweichen, so dass sie weder in wirksamer Weise die Entstehung von Urlaubsansprüchen während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses ausschließen noch eine Kürzung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs vorsehen können, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen längere Zeit an seiner Arbeitsleistung gehindert ist. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs setzt weder eine Arbeitsleistung noch ein Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers voraus. Auch im ruhenden Arbeitsverhältnis schulde der Arbeitnehmer „an sich“ eine Arbeitsleistung mit der Maßgabe, dass diese Pflicht lediglich suspendiert sei. Dies entspräche der Sicht des Gesetzgebers, der in § 17 BEEG und in § 4 ArbPlSchG davon ausgegangen sei, dass im ruhenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche entstünden, weil ansonsten die in diesen Vorschriften enthaltene Kürzungsmöglichkeit unsinnig wäre. Dem Einwand, diese Vorschriften seien Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, hält das BAG entgegen, dass der Gesetzgeber in dem am 1.7.2008 in Kraft getretenen PflegeZG keine Möglichkeit der Urlaubskürzung vorgesehen habe, obwohl während der Pflegezeit ebenfalls die Hauptleistungspflichten ruhten. Auf den Streitfall bezogen war danach in den Jahren von 2005 bis 2009 ein gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch nebst Zusatzurlaub für behinderte Menschen zu Gunsten der Klägerin entstanden. Das BAG geht jedoch davon aus, dass der gesetzliche Mindesturlaub einschließlich des gesetzlichen Zusatzurlaubs für die Jahre 2005 bis 2007 vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.3.2009 verfallen sind. Dieses Ergebnis leitet das BAG aus einer unionskonformen Auslegung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG ab. Der EuGH hat in der Entscheidung vom 22.11.201193 Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG dahingehend interpretiert, dass dieser Vorschrift eine tarifvertragliche Regelung nicht entgegensteht, die einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsieht, nach

93 C-214/10, NZA 2011, 1333 Rz. 22 ff. - KHS.

387

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Urlaub erlischt. Darauf gestützt hat das BAG § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG unionskonform dahingehend ausgelegt, dass gesetzliche Urlaubsansprüche vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Anders gewendet geht der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres unter. Dabei hat des BAG die unionskonforme Auslegung entscheidend darauf gestützt, dass sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Genese des BUrlG folgern lässt, dass der Urlaubsanspruch auch dann zum Ende des Urlaubsjahres bzw. zum Ende des in § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG bezeichneten Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen der Erkrankung außer Stande war, den Urlaub zu verwirklichen. Im Falle fortbestehender Arbeitsunfähigkeit erlösche der zunächst übertragene Urlaubsanspruch nicht am Ende des Übertragungsjahres, er werde vielmehr wegen des weiterhin vorliegenden Grundes in der Person des Arbeitnehmers erneut in das übernächste Kalenderjahr übertragen. Dabei hat sich das BAG auf die Rechtsprechung des EuGH94 gestützt, wonach aus Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie zu entnehmen ist, dass der Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den der Urlaub gewährt wird, deutlich überschreiten muss. Würde der übertragene Urlaub bereits mit dem Ende des Folgejahres untergehen, handelte es sich nicht um eine deutliche Überschreitung des Bezugszeitraums, der dem Kalenderjahr nach dem BUrlG entspricht. Etwas anderes ließe sich auch nicht aus Art. 9 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation über den bezahlten Jahresurlaub vom 24.6.197095 (IAO-Übereinkommen) entnehmen, wonach der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaub erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen ist. Abgesehen davon, dass das IAO– Übereinkommen Nr. 132 keine für die Gerichte normativ bindende innerstaatliche Regelung aufweist96, kann es Unionsrecht nicht verdrängen, das die Arbeitsgerichtsbarkeit bindet (Art. 23 GG, Art. 267AEUV).

94 EuGH v. 3.5.2012 - C-337/10, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9 Rz. 41 – Neidel; EuGH v. 22.11.2011 - C-214/10, NZA 2011, 1333 Rz. 38 - KHS. 95 BGBl. II 1975, 746. 96 BAG v. 7.8.2012 - 9 AZR 353/10, DB 2012, 2462 Rz. 38.

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Neues zu Urlaub und Urlaubsabgeltung

Der in das Folgejahr aus Gründen der Erkrankung des Arbeitnehmers übertragene Urlaub unterliegt nach Ansicht des BAG dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG, so dass er am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres, mithin 15 Monate nach dem Ende des Bezugszeitraums, verfällt. Das BAG hielt eine Klärung der Frage, ob möglicherweise unionsrechtlich auch ein kürzerer Übertragungszeitraum von 13 oder 14 Monaten zulässig wäre, nicht für erforderlich, weil eine weitere Reduktion des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG dem im BUrlG vorgesehenen Gebot der zeitnahen Erfüllung des Urlaubsanspruchs widerspräche. In Anbetracht der vom BAG entwickelten Grundsätze war im Streitfall der im Jahr 2005 entstandene Urlaub der Klägerin am 31.3.2007, der im Jahre 2006 entstandene Urlaub am 31.3.2008 und der im Jahre 2007 entstandene Urlaub am 31.3.2009 verfallen, so dass er auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten war. Der im Jahre 2008 entstandene Urlaub der Klägerin war bis zum 31.3.2009 noch nicht untergegangen, was gleichermaßen für den im Jahr 2009 bis zum 31.3.2009 entstandenen Anteil des gesetzlichen Erholungsurlaubs gilt und gleichermaßen den der Klägerin zustehenden Schwerbehindertenzusatzurlaub betrifft. Die Bedeutung der Entscheidung des BAG liegt vor allem darin, dass sie der betrieblichen Praxis Rechtssicherheit verschafft, soweit es um die Problematik der Entstehung von Urlaubsansprüchen bei durch Krankheit veranlassten ruhenden Arbeitsverhältnissen geht. Des Weiteren klärt die Entscheidung, welcher Übertragungszeitraum bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers den Naturalurlaubsanspruch begrenzt, wobei allerdings nicht ganz eindeutig ist, ob der in das übernächste Kalenderjahr übertragene Naturalurlaub bis zum 31. März nur angetreten oder auch genommen sein muss.

e)

Vorschlag einer arbeitsvertraglichen Regelung

Soweit der Arbeitgeber nicht durch die Anwendung eines den gesetzlichen Urlaub überschreitenden Tarifvertrags gebunden ist und auf einzelvertraglicher Basis seinen Mitarbeitern einen übergesetzlichen Urlaub gewährt, ist dieser Teil des Urlaubs einer vom BUrlG abweichenden Vertragsgestaltung zugänglich. Die Parteien des Einzelarbeitsvertrags können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art 7 Abs. 1 Richtlinie 88/2003/EG gewährleisteten und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche

389

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG beschränkt97. Da nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann der uneingeschränkten Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unterliegen, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, entfällt insoweit auch eine AGB-Kontrolle, die sich auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot reduziert (§ 307 Abs. 3 S. 2, § 307 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 BGB). Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen kann eine Urlaubsregelung im Anstellungsvertrag vorsehen, dass der Arbeitnehmer einen Urlaub von 30 Arbeitstagen erhält, der sich aus dem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen98 und dem übergesetzlichen Zusatzurlaub von zehn Arbeitstagen zusammensetzt. Es ist sodann angezeigt, im Vertrag selbst zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem Zusatzurlaub zu differenzieren. So könnte etwa geregelt werden, dass sich der gesetzliche Mindesturlaub ausschließlich nach den dafür maßgebenden gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem BUrlG, richtet und mit dem vom Arbeitgeber gewährten Naturalurlaub in erster Linie zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt wird. Bezüglich des übergesetzlichen Urlaubs können völlig eigenständige Regelungen festgelegt werden, die etwa vorsehen, dass im Falle einer ganzjährigen Erkrankung kein Zusatzurlaub entsteht, ein solcher Zusatzurlaub allenfalls – auch im Falle einer fortlaufenden Erkrankung – am 31. März des folgenden Kalenderjahres untergeht, dass der Zusatzurlaub im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung entfällt, dass bei der Frage der zeitlichen Festlegung des Urlaubs vorrangig oder sogar ausschließlich betriebliche Gründe maßgebend sein sollen. Ebenso wäre eine Regelung denkbar, die es dem Arbeitgeber erlaubt, dem Arbeitnehmer anstelle der Erteilung von Naturalurlaub auch eine Abgeltung des Urlaubs gewähren zu können. Bislang jedenfalls hat die betriebliche Praxis nur sehr zurückhaltend von derartigen vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht. Dieser Umstand mag darauf zurückzuführen sein, dass tarifliche Bindungen, zumindest aber die Anlehnung an die Tarifverträge der Branche eine derartige Vertragsgestaltung ausschließen oder nicht angezeigt erscheinen lassen. (Boe)

97 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 Rz. 81. 98 Bei schwerbehinderten Menschen käme der gesetzliche Zusatzurlaub aus § 125 SGB IX hinzu.

390

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Zugang eines Kündigungsschreibens und Klagefrist

Der Zugang von Kündigungserklärungen stellt die betriebliche Praxis immer wieder vor Probleme, weil es häufig nicht nur darum geht, durch einen rechtzeitigen Zugang der Kündigung einen Kündigungstermin zu halten1 oder bei einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu wahren, sondern auch vom Zugang abhängig ist, wann die Klageerhebungsfrist aus § 4 Satz 1 KSchG zu laufen beginnt. Da die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 623 BGB der gesetzlichen Schriftform bedarf (§ 126 Abs. 1 BGB), handelt es sich um eine verkörperte Willenserklärung, deren Zugang nach § 130 BGB erfolgt2. Die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang der Kündigung und den Zeitpunkt (Rechtzeitigkeit) ihres Zugangs trägt bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung der Arbeitgeber3. Nach § 130 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Bei einer schriftlichen Willenserklärung ist dies der Fall, sobald diese in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines empfangsberechtigten Dritten gelangt und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen4. Da es im Hinblick auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme auf die gewöhnlichen und nicht auf die konkreten Verhältnisse ankommt, spielt es nach der Rechtsprechung des BAG5 für den Zugang auch keine Rolle, ob der Arbeitnehmer infolge einer Erkrankung oder durch urlaubsbedingte zeitweilige Abwesenheit an der Kenntnisnahme der Kündigung gehindert war. Die 1 2 3 4 5

Vgl. etwa BAG v. 9.6.2011 – 6 AZR 687/09, NZA 2011, 847. Wegen des Schriftformerfordernisses gilt dies auch für den Zugang unter Anwesenden: BGH v. 21.2.1996 – IV ZR 297/94, NJW-RR 1996, 641 Rz. 23. Zu den Zugangsproblemen: Von Vogel, NJW-Spezial 2007, 369; vgl. auch BAG v. 28.5.2009 – 2 AZR 732/08, NZA 2009,1229 Rz. 22; zur Beweisqualität von Einwurfeinschreiben: LAG Köln v. 14.8.2009 – 10 Sa 84/09 n. v. (Rz. 34 f.). BAG v. 22.3.2012 - 2 AZR 224/11, BB 2012, 2111 Rz. 21 ff.; BAG v. 11.11.1992 - 2 AZR 328/92, DB 1993, 487 Rz. 33 ff. BAG v. 22.3.2012 - 2 AZR 224/11, BB 2012, 2111 Rz. 21 ff. m. w. N.; BAG v. 11.11.1992 - 2 AZR 328/92, NZA 1993, 259 Rz. 33, std. Rspr.

391

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

(abstrakte) Möglichkeit der Kenntnisnahme richtet sich dabei nach den Gepflogenheiten des Verkehrs, so dass etwa der Einwurf in die dafür vorgesehene Empfangseinrichtung (etwa Briefkasten) den Zugang einer Kündigung bewirkt, sobald nach der Verkehrsauffassung mit der nächsten Entnahme gerechnet werden kann. Dies ist bei Briefkästen regelmäßig der Zeitpunkt der üblichen Zustellzeiten der Post6, die im Streitfall möglicherweise vom Gericht zu ermitteln sind. In Anbetracht dieser für den Zugang einer Kündigung maßgebenden Kriterien hat das BAG7 auch dann den Zugang eines Kündigungsschreibens bejaht, wenn der Arbeitgeber von der urlaubsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers Kenntnis hat. Zum einen kann den Arbeitnehmer die Obliegenheit treffen, auch bei urlaubsbedingter Abwesenheit Vorkehrungen zu treffen, dass ihn zugangsbedürftige Willenserklärungen erreichen. Das kann dadurch geschehen, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Urlaubsanschrift bekannt gibt. Dann kann es dem Arbeitgeber möglicherweise gemäß § 242 BGB verwehrt sein, sich auf den Zugang der Kündigung an der Heimatanschrift berufen zu dürfen. Des Weiteren hat der Gesetzgeber mit § 5 KSchG, soweit es um die rechtzeitige Erhebung einer Kündigungsschutzklage geht, eine Regelung geschaffen, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einer nachträglichen Zulassung der Klage einräumt, wenn er trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Die Frage der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage hatte der 2. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 22.3.20128 zu behandeln. Der Kläger des Verfahrens hielt sich in der Zeit vom 12. bis zum 27.6.2009 urlaubsbedingt im Ausland auf. Bei seiner Rückkehr am 27.6.2009 fand er in seinem Briefkasten ein Schreiben vom 25.6.2009, das eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers wegen Arbeitszeitbetrugs enthielt, und ein weiteres Schreiben vom 26.6.2009, das eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers wegen unentschuldigten Fehlens am 12.6.2009 zum Inhalt hatte. Die Kündigung vom 25.6.2009 war durch Boten am gleichen Tage gegen 13.00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden. Am 9.7.2009 erhob der Kläger vor der Rechtsantragstelle des ArbG Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 26.6.2009. Mit am gleichen

6 7 8

BAG v. 22.3.2012 - 2 AZR 224/11, BB 2012, 2111 Rz. 21 ff.; BGH v. 21.1.2004 - XII ZR 214/00, NJW 2004, 1320; BAG v. 11.11.1992 - 2 AZR 328/92, NZA 1993, 259 Rz. 33 f. BAG v. 24.6.2004 - 2 AZR 461/03, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22. 2 AZR 224/11, BB 2012, 2111 ff.

392

Zugang eines Kündigungsschreibens und Klagefrist

Tage beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 17.7.2009 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch gegen die Kündigung vom 25.6.2009 und erklärte in der Klagebegründung, diese Kündigung sei dem Kläger am 27.6.2009 zugegangen. Nachdem die Beklagte unter Beweisantritt behauptet hatte, die Kündigung vom 25.6.2009 sei noch am selben Tage in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden, beantragte der Kläger mit einem bei dem ArbG am gleichen Tage eingegangenen Schriftsatz vom 3.9.2009 die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung vom 25.6.2009. Die Vorinstanzen, die durch Zwischenurteil über die Zulassung der verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage entschieden und diese abgelehnt haben, sind vom BAG bestätigt worden. Zunächst ging das BAG davon aus, dass die Kündigung vom 25.6.2009 in verkehrsüblicher Weise durch Einwurf in den Briefkasten des Klägers in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangt war und für ihn noch am gleichen Tage die Möglichkeit bestanden hätte, davon Kenntnis zu nehmen, weil am Wohnort des Klägers bis 14.00 Uhr gewöhnlich mit Zustellungen der Post zu rechnen war. Demgemäß hatte der Kläger die Kündigungsschutzklage nicht innerhalb der Klageerhebungsfrist von drei Wochen bei dem ArbG anhängig gemacht, weil die Klagefrist bereits am 16.7.2009 abgelaufen war (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Damit war über den hilfsweise gestellten Antrag auf nachträgliche Zulassung zu entscheiden, was durch Zwischenurteil auf der Grundlage von § 5 KSchG geschehen konnte. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch das BAG eine nachträgliche Klagezulassung abgelehnt, weil der Kläger nicht unverschuldet daran gehindert war, die Klage rechtzeitig beim ArbG zu erheben, wobei ihm ein Verschulden seines Bevollmächtigten (§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 85 Abs. 2 ZPO) zuzurechnen ist. Dabei ist das BAG davon ausgegangen, dass es grundsätzlich zu den Sorgfaltspflichten des Arbeitnehmers gehört, sich nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darüber zu informieren, wie dagegen vorzugehen ist. Gleichermaßen hätte auch der Bevollmächtigte des Klägers angesichts des auf den 25.6.2009 datierten und nicht mit der Post beförderten Kündigungsschreibens bedenken müssen, dass die Kündigung ungeachtet der Information des Klägers, diese erst am 27.6.2009 aus dem Briefkasten entnommen zu haben, möglicherweise bereits am 25.6.2009 zugegangen war. Mit dieser Entscheidung bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur Problematik des Zugangs einer Kündigung. Sie gewährt der Praxis insoweit eine hinreichende Sicherheit, als auch eine durch Boten per Einwurf in den Briefkasten und nicht nur per Einschreiben mit Rückschein zugestellte Kündigung die Zugangsvoraussetzungen erfüllt, weil der durch die Post 393

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

beförderte Einschreibebrief nicht bereits mit dem Einwurf des Benachrichtigungsscheins, sondern erst bei Abholung der Sendung durch den Arbeitnehmer zugeht9. (Boe)

2.

Aktuelle Rechtsprechung zum Aufhebungsvertrag

a)

Mitbestimmung der Schwerbehindertenvertretung

Nach § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Wie das BAG mit Beschluss vom 14.3.201210 deutlich gemacht hat, werden damit zwei Verpflichtungen vorgegeben, die sich nach Inhalt, Umfang und Zeitpunkt voneinander unterscheiden. Zum einen wird der Arbeitgeber verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung umfassend zu informieren. Gegenstand der Unterrichtung sind – so das BAG – alle Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren. Dabei werden nicht nur einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, sondern alle Angelegenheiten, die sich spezifisch auf schwerbehinderte Menschen auswirken, einbezogen. Voraussetzung ist freilich, dass die Angelegenheit schwerbehinderte Menschen in einer besonderen Weise betrifft. Werden sie wie nicht schwerbehinderte Beschäftigte durch eine Angelegenheit berührt, kommt § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX nicht zum Tragen11. Im Rahmen der Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung muss der Arbeitgeber dieser die zu der Angelegenheit gehörenden Informationen geben. Die Unterrichtung muss umfassend sein. Sie muss auch unverzüglich erfolgen. Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung deshalb ohne schuldhaftes Zögern informieren, sobald er davon Kenntnis erlangt, dass eine Angelegenheit in Rede steht, die schwerbehinderte Menschen berührt. Dieser Zeitpunkt kann vor oder nach dem Abschluss der

9 BAG v. 7.11.2002 - 2 AZR 475/01, NZA 2003, 719 Rz. 37, 39. 10 7 ABR 67/10 n. v. (Rz. 19 ff.). 11 BAG v. 14.3.2012 – 7 ABR 67/10 n. v. (Rz. 20); BAG v. 17.8.2010 – 9 ABR 83/09, NZA 2010, 1431 ff. Rz. 13, 18.

394

Aktuelle Rechtsprechung zum Aufhebungsvertrag

Angelegenheit liegen, da insoweit an die Kenntnis des Arbeitgebers angeknüpft wird12. Zum anderen ist der Arbeitgeber verpflichtet, in Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, vor einer Entscheidung anzuhören. Wie das BAG im Beschluss vom 14.3.201213 deutlich macht, unterscheidet sich diese Verpflichtung von der Verpflichtung, die Schwerbehindertenvertretung zu informieren. Sie gehe insofern darüber hinaus, als die Anhörung regelmäßig eine entsprechende Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung voraussetze, sich darin aber nicht erschöpfe, sondern darüber hinaus verlange, dass dem Schwerbehindertenvertreter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde und der Arbeitgeber eine entsprechende Stellungnahme auch zur Kenntnis nehme. Die Anhörungspflicht beziehe sich nicht auf sämtliche, die schwerbehinderten Menschen betreffenden Angelegenheiten, sondern nur auf die diesbezüglichen Entscheidungen des Arbeitgebers. Entscheidungen in diesem Sinne sind einseitige Willensakte des Arbeitgebers. Dies entspricht nicht nur dem Wortsinn des Begriffs, sondern wird auch dadurch bestätigt, dass in § 95 Abs. 2 S. 1 auch von der „getroffenen“ Entscheidung gesprochen wird. Sinn und Zweck dieser Beteiligung liegen darin, der Schwerbehindertenvertretung Gelegenheit zu geben, den Arbeitgeber aus ihrer fachlichen Sicht auf mögliche, ggf. nicht bedachte Auswirkungen seiner Entscheidung hinzuweisen. Anders als die Unterrichtung muss die Anhörung deshalb nicht „unverzüglich“, sondern „vor“ der Entscheidung erfolgen. Der Arbeitgeber genügt daher seiner Pflicht zur Anhörung nicht, wenn er die Schwerbehindertenvertretung erst nach der Entscheidung anhört14. Ein Aufhebungsvertrag mit einem schwerbehinderten Menschen ist zwar eine Angelegenheit, aber keine Entscheidung im Sinne von § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX. Dies hat das BAG mit Beschluss vom 14.3.201215 klargestellt. Hiervon ausgehend ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich zu informieren. Wann dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Werde ein Aufhebungsvertrag mit einem schwerbehinderten Menschen ohne eine entsprechende Vorbereitung spontan abgeschlossen, könne eine Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung regelmäßig erst nachträglich erfolgen. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, im Hinblick darauf mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags ab12 13 14 15

BAG v. 14.3.2012 – 7 ABR 67/10 n. v. (Rz. 20). 7 ABR 67/10 n. v. (Rz. 21). BAG v. 14.3.2012 – 7 ABR 67/10 n. v. (Rz. 21). 7 ABR 67/10 n. v. (Rz. 22).

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

zuwarten, bestehe nicht. Führe der Arbeitgeber dagegen mit dem schwerbehinderten Menschen über einen bestimmten Zeitraum Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags, könne bereits darin eine Angelegenheit im Sinne des § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX liegen, hinsichtlich derer die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten ist. Eine Entscheidung im Sinne des § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX stellt der Abschluss eines Aufhebungsvertrags nicht dar. Denn der Vertragsabschluss ist kein einseitiger Willensakt des Arbeitgebers. Insofern bestehe – so das BAG – auch keine Verpflichtung, die Schwerbehindertenvertretung vor Abschluss des Aufhebungsvertrags anzuhören. Dies erfolgt auch aus Sinn und Zweck des Anhörungsrechts. Denn der schwerbehinderte Mensch müsse nicht vor den möglichen Folgen einer einseitigen Entscheidung des Arbeitgebers durch Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung geschützt werden. Vielmehr könne er privatautonom selbst über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags entscheiden. Da der schwerbehinderte Mensch durch die §§ 95 ff., 92 SGB IX sogar in besonderer Weise vor einer einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschützt werde, befinde er sich ohnehin in einer stärkeren Position, als dies bei einem nicht schwerbehinderten Menschen der Fall sei.

b)

Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen fehlender Teilnahme eines Rechtsanwalts

Nach den Feststellungen des LAG Hamm im Urteil vom 9.6.201116 ist der Arbeitgeber auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit nicht gehalten, im Rahmen von Gesprächen zu einem Aufhebungsvertrag dem Arbeitnehmer ohne dessen Aufforderung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu ermöglichen. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien auf Veranlassung des Arbeitgebers am Vormittag des 30.9.2010 zunächst einmal Gespräche über eine durch den Arbeitgeber geltend gemachte Pflichtverletzung der Klägerin geführt. Diese Gespräche wurden auf Seiten des Arbeitgebers durch die Personalleiterin und einen Rechtsanwalt der Beklagten geführt. Die Klägerin war unvorbereitet zu diesem Gespräch eingeladen worden. Im Rahmen dieses Gesprächs kamen die Parteien überein, dass ein Aufhebungsvertrag unterzeichnet werden sollte. Zum Abschluss dieses Aufhebungsvertrags wurde die Klägerin etwa eine Stunde nach dem ersten Gespräch eingeladen. Sie

16 15 Sa 410/11, LAGE § 123 BGB 2001 Nr. 8.

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Aktuelle Rechtsprechung zum Aufhebungsvertrag

kam und unterzeichnete den Aufhebungsvertrag, erklärte dann aber sechs Tage später, dass sie diesen wegen Drohung gemäß § 123 BGB anfechte. Das LAG Hamm hat diese Anfechtung für unbeachtlich gehalten. Nach § 123 Abs. 1 BGB kann eine Willenserklärung wegen Drohung angefochten werden, wenn der Anfechtende zur Abgabe seiner Erklärung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Eine Drohung im Sinne des Gesetzes setzt objektiv das In-Aussicht-Stellen eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird17. Der Bedrohte muss also einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm das Gefühl vermittelt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Dabei kann sich die Widerrechtlichkeit der Drohung auch aus der Widerrechtlichkeit des zum Einsatz gelangenden Mittels oder des verfolgten Zweckes ergeben. Hiervon ausgehend kann auch die Ankündigung einer außerordentlichen wie auch einer ordentlichen Kündigung als Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB qualifiziert werden, sofern aus Sicht eines objektiven Dritten nicht ernsthaft an den wirksamen Ausspruch einer solchen Kündigung hätte gedacht werden können18. Diese Voraussetzungen lagen in dem hier in Rede stehenden Fall nicht vor. Allein der Umstand, dass ein Gespräch für den Arbeitgeber durch einen Rechtsanwalt geführt wird, stellt keine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch diesen Rechtsanwalt oder andere Vertreter des Arbeitgebers keine weitergehenden Maßnahmen angekündigt werden, falls es nicht zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags kommt. Insbesondere besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass eine Pflichtverletzung keine Konsequenzen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses haben wird. Die Ankündigung weiterer Maßnahmen, die der Arbeitnehmer als Konsequenz dieser Pflichtverletzung befürchtet, stellt keine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB dar19. Ergänzend hierzu hat das LAG Hamm darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, der Klägerin vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags eine Bedenkzeit einzuräumen. Die Unterbreitung eines „jetzt und heute“ anzunehmenden Aufhebungsvertrags ohne Zulassung von Bedenkzeit, 17 BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466 ff. Rz. 39; HWK/Thüsing, BGB § 123 Rz. 35. 18 Vgl. BAG v. 21.3.1996 – 2 AZR 543/95, NZA 1996, 1030 ff. Rz. 30; LAG Hamm v. 9.6.2011 – 15 Sa 410/11, LAGE § 123 BGB 2002 Nr. 8 Rz. 37; HWK/Thüsing, BGB § 123 Rz. 35. 19 LAG Hamm v. 9.6.2011 – 15 Sa 410/11, LAGE § 123 BGB 2002 Nr. 8 Rz. 45.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Rücktritts- oder Widerrufsrechten führe nicht generell zur Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrags20. Dies gelte erst recht, wenn der Arbeitnehmer nicht um eine Überlegungsfrist nachsuche21. Etwas anderes kann sich freilich aus einem Tarifvertrag ergeben. Ungeachtet dessen habe – so das LAG Hamm – die Beklagte auch das Gebot fairen Verhandelns nicht dadurch verletzt, dass der Klägerin nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, den ihr vorgelegten Aufhebungsvertrag erst nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt zu unterzeichnen bzw. das Aufhebungsvertragsgespräch im Beisein eines von ihr hinzugezogenen Rechtsanwalts fortzuführen. Zwar lasse die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Anhörung des Arbeitnehmers zu einer Verdachtskündigung erkennen, dass dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben ist, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen22. Der Hinweis auf die Rechtsprechung zur Verdachtskündigung verfange indes nicht. Unabhängig davon, dass die Situation eines Arbeitnehmers bei der Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung nicht vergleichbar sei mit der bei Verhandlungen zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags, gehe auch die bisherige Rechtsprechung zur Anhörung bei Verdachtskündigung nicht davon aus, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe, den Arbeitnehmer ungefragt auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts hinzuweisen. Eine solche Verpflichtung könne auch nicht aus dem Grundsatz der Waffengleichheit abgeleitet werden. Es obliege also dem Arbeitnehmer, die Aufnahme eines solchen Gesprächs, die Fortführung eines solchen Gesprächs oder den Abschluss eines solchen Gesprächs durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags nur nach vorheriger Einbindung eines Rechtsanwalts anzuerkennen. Verzichte der Arbeitnehmer darauf, stehe dies der Wirksamkeit etwaiger Vereinbarungen nicht entgegen. Dem ist zuzustimmen. Etwas anderes ist die Frage, ob es personalpolitisch sinnvoll und fair ist, Arbeitnehmer durch die unvorbereitete Führung eines Gesprächs in Anwesenheit eines Rechtsanwalts jedenfalls psychologisch in eine Situation zu bringen, bei der unter Umständen Entscheidungen getroffen werden, die der Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt nach entsprechender Beratung bereut. Juristisch zulässiges Handeln entspricht nicht in allen Fallgestaltungen der Idee eines fairen und vertrauensvollen Umgangs, der letztendlich das Bild des Arbeitgebers auch vor den übrigen Arbeitnehmern prägt. (Ga) 20 BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597 ff., Rz. 44; LAG Hamm v. 9.6.2011 – 15 Sa 410/11, LAGE § 123 BGB 2002 Nr. 8 Rz. 54. 21 BAG v. 30.1.1986 – 2 AZR 196/85, NZA 1987, 91, Rz. 33. 22 So LAG Berlin-Brandenburg v. 16.12.2010 – 2 Sa 2022/10, LAGE § 625 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 Rz. 20.

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Wichtige Fristen bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen

3.

Wichtige Fristen bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen

Die Kündigung schwerbehinderter Menschen bedarf nicht nur einer Zustimmung des Integrationsamtes nach den §§ 85 ff. SGB IX. Sowohl bei der ordentlichen als auch bei der außerordentlichen Kündigung sind darüber hinaus ergänzende Fristen zu beachten, die den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung im Anschluss an die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes betreffen. Sie sind unterschiedlicher Natur, abhängig davon, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung in Rede steht. Darüber hinaus können sie durch die Notwendigkeit beeinflusst werden, eine ergänzende Zustimmung anderer Behörden zum Ausspruch der Kündigung zu erhalten. Konkret ging es vorliegend um eine Zustimmung nach § 18 BEEG.

a)

Unverzüglichkeit der Kündigung nach Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung

Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung setzt nach § 626 Abs. 2 BGB zunächst einmal voraus, dass diese binnen zwei Wochen nach dem Zeitpunkt erklärt wird, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Wenn die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen aber nach den §§ 85 ff., 91 Abs. 1 SGB IX auch an die Zustimmung des Integrationsamts geknüpft ist, besteht die Gefahr, dass diese Zustimmung erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB erteilt wird. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt nur innerhalb von zwei Wochen nach dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, beantragt werden kann. Denn das Integrationsamt ist nur gehalten, seine Entscheidung innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrags an zu treffen (§ 91 Abs. 2, 3 SGB IX). Diese Problematik der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB war dem Gesetzgeber bewusst. § 91 Abs. 5 SGB IX bestimmt deshalb, dass die Kündigung auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB erfolgen kann, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird. Eine Zustimmung ist gemäß § 91 Abs. 5 SGB IX erteilt, sobald eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 S. 1 SGB IX getroffen und der antragstellende Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 S. 1 SGB IX nicht getroffen worden ist; in diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gemäß § 91 Abs. 3 S. 2 SGB IX als erteilt. Das hat das BAG mit Urteil vom 399

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

19.4.201223 unter Bestätigung seiner Rechtsprechung zur Vorgängerregelung in § 18 Abs. 6 SchwbG klargestellt. Entsprechend § 121 Abs. 1 BGB bedeutet „unverzüglich“ auch im Rahmen von § 91 Abs. 5 SGB IX „ohne schuldhaftes Zögern“. Schuldhaft ist ein Zögern dann, wenn das Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist24. Da „unverzüglich“ weder „sofort“ bedeute noch damit eine starre Zeitvorgabe verbunden sei, kommt es nach den Feststellungen des BAG auf eine verständige Abwägung der beiderseitigen Interessen an. Dabei sei nicht allein die objektive Lage maßgebend. Solange derjenige, dem unverzügliches Handeln abverlangt werde, nicht wisse, dass er die betreffende Rechtshandlung vornehmen müsse, oder es mit vertretbaren Gründen annehmen könne, er müsse sie noch nicht vornehmen, liege kein „schuldhaftes“ Zögern vor25 Hiervon ausgehend hat das BAG in dem seiner Entscheidung vom 19.4.201226 zugrunde liegenden Fall zwar keine abschließende Entscheidung über einen unverzüglichen Ausspruch der Kündigung treffen können. Allerdings helfen seine Feststellungen, die gesetzlichen Obliegenheiten richtig zu verstehen und bei etwaigen Kündigungen in der Zukunft zutreffend anzuwenden. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte am 8.6.2009 beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien beantragt. Der Antrag ging am 9.6.2009 beim Integrationsamt ein. Hintergrund waren Erkenntnisse der Beklagten, die auf eine Unterschlagung bzw. einen Diebstahl durch den Kläger hindeuteten. Am 22. oder 23.6.2009 fragte die Beklagte beim Integrationsamt telefonisch nach einer Bescheidung des Antrags. Nach ihrem eigenen Vortrag erhielt sie daraufhin die Nachricht, dass sich eine Entscheidung auf dem Postweg befinde. Weitere Auskunft zum Inhalt dieser Entscheidung erhielt sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Mit Schreiben vom 24.6.2009 teilte ihr das Integrationsamt schließlich mit, dass es innerhalb der Zwei-WochenFrist des § 91 Abs. 3 SGB IX keine Entscheidung getroffen habe und deshalb die Zustimmung als erteilt gelte. Das Schreiben wurde ausweislich des Poststempels am 30.6.2009 aufgegeben. Die Niederlassungsleiterin der Be23 2 AZR 118/11 n. v. (Rz. 15). 24 BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 118/11 n. v. (Rz. 16); BAG v. 1.2.2007 – 2 AZR 333/06, NZA 2007, 744, Rz. 31. 25 BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 118/11 n. v. (Rz. 16); BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 57/05, ZTR 2006, 440 Rz. 31; BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 255/04, NZA 2005, 991 Rz. 28. 26 2 AZR 118/11 n. v. (Rz. 20 ff.).

400

Wichtige Fristen bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen

klagten nahm es am 1.7.2009 zur Kenntnis. Mit Schreiben vom 2.7.2009, das dem Kläger einen Tag später zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Termin. Nach Auffassung des BAG war der Beklagten nicht vorzuwerfen, dass sie nicht unmittelbar im Anschluss an ihre telefonische Rückfrage beim Integrationsamt eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt hatte. Denn für sie war zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar, ob eine zustimmende oder eine ablehnende Entscheidung getroffen worden war. Da der Arbeitgeber nicht riskieren muss, eine Kündigung ohne die erforderliche Zustimmung des Integrationsamts auszusprechen, wenn er zwar weiß oder annehmen darf, dass das Integrationsamt vor Ablauf der Zwei-Wochen-Entscheidung des § 91 Abs. 3 S. 1 SGB IX eine Entscheidung getroffen hat, aber nicht weiß, wie die Entscheidung ausgefallen ist, darf er sich damit begnügen, den Zugang der auf dem Postweg befindlichen Entscheidung abzuwarten. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings, dass das BAG bei den entsprechenden Feststellungen noch einmal bestätigt, dass eine Obliegenheit des Arbeitgebers bestehe, sich beim Integrationsamt zu erkundigen, ob es innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 S. 1 SGB IX eine Entscheidung getroffen habe, weil andernfalls die Zustimmung fingiert werde27. Erfährt der Arbeitgeber auf diese Rückfrage hin, dass die Zustimmung innerhalb der Verwaltungsorganisation bereits erteilt wurde, ist er gehalten, unverzüglich die Kündigung auszusprechen. Er darf nicht abwarten, dass ihm die Entscheidung des Integrationsamts auf dem Postwege zugestellt wird. Etwas anderes gilt dann, wenn ihm auch auf Rückfrage hin nicht mitgeteilt wird, welchen Inhalt die Entscheidung gehabt hat. Denn in diesem Fall bleibt offen, ob es sich um eine zustimmende oder ablehnende Entscheidung handelt oder ob allein durch Zeitablauf die Zustimmung als erteilt gilt. In diesem Fall ist es dem Arbeitgeber – so das BAG – nicht zuzumuten, darauf zu dringen, ggf. auch über den Inhalt der getroffenen Entscheidung schon vorab in Kenntnis gesetzt zu werden. Zu einer solchen Auskunft sei das Integrationsamt nicht verpflichtet. Vielmehr habe die Bekanntgabe der Entscheidung durch Zustellung zu erfolgen (§§ 88 Abs. 2, 91 Abs. 1 SGB IX). Teilt das Integrationsamt lediglich mit, dass es innerhalb der Frist eine Entscheidung getroffen habe, darf der Arbeitgeber deshalb die Zustellung des

27 BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 118/11 n. v. (Rz. 23); BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 57/05, ZTR 2006, 440 Rz. 28.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

entsprechenden Bescheids eine – nicht gänzlich ungewöhnliche – Zeit lang abwarten28. Dass in den verwaltungsrechtlichen Vorschriften festgelegt wird, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, spielt für die Fristberechnung nach § 91 Abs. 5 SGB IX keine Rolle. Hier kommt es einzig und allein auf den tatsächlichen Zugang dieses Bescheids beim Arbeitgeber an. Denn auch verwaltungsrechtlich tritt die Fiktion der Zustellung dann nicht ein, wenn das Schriftstück nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugeht. Hiervon ausgehend ist in der betrieblichen Praxis sehr sorgfältig darauf zu achten, zunächst einmal rechtzeitig den Antrag auf Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen. Hier muss die Zwei-Wochen-Frist der §§ 626 Abs. 2 BGB, 91 Abs. 2 SGB IX eingehalten werden. Im Anschluss daran obliegt es dem Arbeitgeber, jedenfalls zum Ende der zweiwöchigen Entscheidungsfrist des Integrationsamtes bei der Behörde nachzufragen, ob bereits eine Entscheidung getroffen wurde. Denn wenn er auf diese Rückfrage hin erfährt, dass eine positive Entscheidung getroffen wurde oder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist keine solche Entscheidung erfolgt, muss unverzüglich die außerordentliche Kündigung erklärt werden. Nur wenn auch auf Rückfrage keine Auskunft durch das Integrationsamt erfolgt, kann der Zugang der Entscheidung abgewartet werden. In diesem Fall ist unmittelbar im Anschluss daran unverzüglich eine Kündigung auszusprechen.

b)

Kündigung eines schwerbehinderten Menschen während der Elternzeit

Wenn ein schwerbehinderter Mensch während der Elternzeit gekündigt werden soll, bedarf es neben einer Zustimmung des Integrationsamts nach den §§ 85 ff. SGB IX auch einer Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG. Dieses Erfordernis kann zur Folge haben, dass die Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX, innerhalb derer die ordentliche Kündigung des schwerbehinderten Menschen nach Zustimmung des Integrationsamts erklärt werden muss, nicht eingehalten werden kann. Denn die Kündigung ist insgesamt erst dann zulässig, wenn eine Zustimmung sämtlicher Behörden erfolgt ist.

28 BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 118/11 n. v. (Rz. 23).

402

Neues zur Abwicklung einer Massenentlassung

Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 24.11.201129 ist der vom Gesetzgeber in § 88 Abs. 3 SGB IX nicht hinreichend bedachten Möglichkeit, dass die Kündigung des schwerbehinderten Menschen unter einem weiteren behördlichen Erlaubnisvorbehalt als dem des § 85 SGB IX steht, durch die Gerichte im Wege eines angemessenen Ausgleichs der – jeweils grundrechtlich geschützten – Interessen des schwerbehinderten Arbeitnehmers und des Arbeitgebers Rechnung zu tragen. Bei einem Zusammentreffen des Zustimmungserfordernisses nach § 85 SGB IX mit dem Erfordernis einer Zulässigkeitserklärung gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG führt dies nach Auffassung des 2. Senats des BAG dazu, dass in § 88 Abs. 3 SGB IX an die Stelle des Ausspruchs der Kündigung der Antrag auf Zulässigkeitserklärung durch die hierfür zuständige Stelle tritt. Der Arbeitgeber ist also gehalten, spätestens innerhalb eines Monats nach Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung des schwerbehinderten Menschen auch den Antrag auf Zulässigkeitserklärung gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG zu stellen. Wird einem solchen Antrag dann erst außerhalb der Monatsfrist entsprochen, bleibt die Kündigung aufgrund der bereits erteilten Zustimmung des Integrationsamts zulässig. Eine gesetzliche Regelung, die bestimmt, innerhalb welcher Frist der Arbeitgeber nach Zugang der Zulässigkeitserklärung des § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG nunmehr die Kündigung des schwerbehinderten Menschen erklären muss, besteht nicht. Insofern könnte man zwar auch die Ansicht vertreten, dass jetzt erneut die Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX in Gang gesetzt wird. Das BAG lässt diese Frage in seiner Entscheidung vom 24.11.201130 offen. Allerdings geht der 2. Senat des BAG davon aus, dass der Arbeitgeber jedenfalls dann rechtzeitig gekündigt habe, wenn die Kündigung unverzüglich nach Zugang der Zulässigkeitserklärung des § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG erklärt werde. Der Praxis sei deshalb empfohlen, ohne schuldhaftes Zögern unmittelbar nach Zugang der entsprechenden Entscheidung nach § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG eine Kündigung auszusprechen. Wichtig ist, dass die erforderliche Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt ist. (Ga)

4.

Neues zur Abwicklung einer Massenentlassung

Die Umsetzung der durch die Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen begründe29 2 AZR 429/10, NZA 2012, 610 Rz. 24 ff. 30 2 AZR 429/10, NZA 2012, 610 Rz. 39.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ten Anforderungen im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung von den §§ 17, 18 KSchG bereitet der betrieblichen Praxis nach wie vor Schwierigkeiten. Wir hatten bei früherer Gelegenheit bereits eingehend über die verschiedenen Anforderungen gesprochen, die sowohl in Bezug auf die Kennzeichnung der Massenentlassung, die Beteiligung des Betriebsrats als auch die ordnungsgemäße Anzeige gegenüber der Arbeitsverwaltung zu berücksichtigen sind31. Mit seinen Urteilen vom 28.6.201232 und vom 20.9.201233 hat das BAG zu weiteren Aspekten Stellung genommen. Es dürfte hilfreich sein, darauf die Vorbereitung und Abwicklung einer Massenentlassung auszurichten34.

a)

Unterrichtung des Betriebsrats über bevorstehende Massenentlassungen

Beabsichtigt der Arbeitgeber eine Massenentlassung gemäß § 17 Abs. 1 KSchG durchzuführen, hat er den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über 1. die Gründe für die geplanten Entlassungen, 2. die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen Arbeitnehmer, 3. die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, 4. den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, 5. die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Arbeitnehmer und 6. die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.

Auf dieser Grundlage haben Arbeitgeber und Betriebsrat insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Eine Abschrift dieser Mitteilung an den Betriebsrat ist der Agentur für Arbeit zuzuleiten; sie muss zumindest die in § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 KSchG vorgeschriebenen Angaben enthalten (§ 17 Abs. 3 S. 1 KSchG).

31 B. Gaul, AktuellAR 2010, 439 ff.; 2011, 147 ff.; 2012, 127 ff. 32 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 ff. 33 6 AZR 155/11 n. v. 34 Vgl. auch Ferme, DB 2012, 2162 ff.

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Neues zur Abwicklung einer Massenentlassung

In seinem Urteil vom 20.9.201235 hat der 6. Senat des BAG zwar offen gelassen, ob die Unterrichtung der Schriftform des § 126 BGB bedarf. Wir hatten bereits an anderer Stelle auf dieses Erfordernis hingewiesen und insoweit die Ansicht vertreten, dass eine eigenhändige Unterschrift zum Abschluss der entsprechenden Informationen und eine körperliche Verbundenheit verschiedener Dokumente auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm nicht erforderlich erscheint36. Damit käme § 126 BGB nicht zur Anwendung. Dies entspräche Feststellungen des BAG zu § 99 BetrVG37. Ob damit allerdings dem Schriftformerfordernis in Art. 2 Abs. 3 lit. b) Richtlinie 98/59/EG Rechnung getragen wird, kann einzig und allein der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens beantworten. In seinem Urteil vom 20.9.201238 geht der 6. Senat des BAG indes von einer Heilung eines eventuellen Schriftformverstoßes aus, wenn der Arbeitgeber die von § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG geforderten Angaben in einem nicht unterzeichneten Text dokumentiert und diesen dem Betriebsrat zugeleitet hat, sofern der Betriebsrat auf dieser Grundlage eine abschließende Stellungnahme zu den Entlassungen abgegeben hat. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurde über das Vermögen der Klägerin am 1.9.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Er schloss mit dem Gesamtbetriebsrat am 15.10.2009 einen von beiden Seiten unterzeichneten Interessenausgleich mit Namensliste für drei Betriebe des Unternehmens, der die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Angaben enthielt. Der Gesamtbetriebsrat erklärte in dem Interessenausgleich abschließend, er sei umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet worden. Der Beklagte fügte seiner anschließenden Massenentlassungsanzeige den Interessenausgleich als Stellungnahme gemäß den §§ 1 Abs. 5 S. 2, 17 Abs. 3 S. 2 KSchG bei. Nach Auffassung des BAG hat die fehlende Einhaltung des Schriftformerfordernisses des § 126 BGB nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Denn ein etwaiger Schriftformmangel sei durch diese Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats im Rahmen des Interessenausgleichs geheilt worden. Dafür spreche der Zweck des Unterrichtungserfordernisses, welches in Art. 2 Abs. 3 lit. b) Richtlinie 98/59/EG vorgegeben worden sei. Die Arbeitnehmervertretung solle nach der Auslegung des EuGH konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder 35 36 37 38

6 AZR 155/11 n. v. B. Gaul, AktuellAR 2011, 420 f. Vgl. BAG v. 6.7.2006 – 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266 Rz. 33. 6 AZR 155/11 n. v.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

einzuschränken. Diesem Zweck sei genüge getan, wenn die Arbeitnehmervertretung aufgrund schriftlich fixierter ausreichender Angaben des Arbeitgebers zu den geplanten Entlassungen eine abschließende Stellungnahme abgegeben habe. Diesem Ergebnis ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Denn schlussendlich legt der Zweck des Schriftformerfordernisses in Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 98/59/EG ebenso wie in § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG nicht darin, den Arbeitgeber vor der Abgabe einer rechtsgestaltenden Willenserklärung zu schützen. Vielmehr dient das Schriftformerfordernis dem Zweck, die Weitergabe der unionsrechtlich gebotenen Informationen an die zuständige Arbeitnehmervertretung in Form einer Wissenserklärung zu dokumentieren. Hierfür ist eine eigenhändige Unterschrift und/oder die feste Verbindung der hierfür verwendeten Schriftstücke nicht erforderlich. Es genügt, wenn im Streitfall durch den Arbeitgeber nachgewiesen werden kann, dass die insoweit in Papierform dokumentierten Unterlagen dem Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat vertreten durch den Vorsitzenden, auch zugegangen sind.

b)

Keine Heilung von Fehlern der Massenentlassungsanzeige durch Bescheid der Arbeitsverwaltung

Obwohl ein etwaiger Schriftformmangel der Unterrichtung des Betriebsrats nach Maßgabe der vorangehenden Feststellungen geheilt werden kann, lehnt das BAG eine etwaige Heilung von Fehlern im Zusammenhang mit der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Arbeitsverwaltung durch einen bestandskräftigen Bescheid der Arbeitsverwaltung im Urteil vom 28.6.201239 ab. Die Arbeitsgerichte seien – so das BAG – durch einen solchen Bescheid nicht gehindert, als Konsequenz etwaiger Fehler des Arbeitgebers im Rahmen des Verfahrens zur Beteiligung der Agentur für Arbeit die Unwirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige und daraus folgend auch die Unwirksamkeit einer Kündigung festzustellen. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit 1990 bei der Schuldnerin beschäftigt. Am 1.3.2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Auf der Grundlage eines noch während des vorläufigen Insolvenzverfahrens mit seiner Zustimmung beschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste vom 24.2.2009 kündigte der Beklagte am 11.3.2009 das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2009. Am 26.2.2009 hatte die Schuldnerin Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet, 39 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 63 ff.

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Neues zur Abwicklung einer Massenentlassung

ohne aber dieser Anzeige den Interessenausgleich beizufügen. Der Anzeige war entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG auch keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Der Betriebsrat der Schuldnerin erklärte am 26.2.2009 allerdings schriftlich gegenüber der Agentur für Arbeit, er sei darüber informiert, dass eine Massenentlassungsanzeige abgesandt worden sei. Noch am 26.2.2006 bestätige die Agentur für Arbeit sodann den Eingang der Massenentlassungsanzeige und verkürzte durch einen späteren Bescheid die Sperrzeit gemäß § 18 Abs. 1 KSchG. Mit seiner Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Er begründete dies u. a. damit, dass der Massenentlassungsanzeige keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt worden sei. Das BAG hat diesem Einwand des Klägers in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen für beachtlich gehalten und der Klage stattgegeben. Die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats, ersatzweise des Interessenausgleichs mit Namensliste, sei Voraussetzung für eine wirksame Massenentlassungsanzeige. Das Schreiben des Betriebsrats vom 26.2.2009 an die Agentur für Arbeit habe keine eindeutige, abschließende Meinungsäußerung zu den angezeigten Kündigungen enthalten und sei deshalb nicht als Stellungnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG zu qualifizieren. Diese Stellungnahme des Betriebsrats sei aber Wirksamkeitsvoraussetzung, um von einer ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige auszugehen. Hierfür ist müsse die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind. Sie müsse sich also auf die angezeigten Kündigungen beziehen und eine abschließende Meinungsäußerung des Betriebsrats zu diesen Kündigungen enthalten, wobei auch die eindeutige Äußerung, keine Stellung nehmen zu wollen, ausreichend sei40. Diese gesonderte Stellungnahme kann indes durch einen Interessenausgleich mit Namensliste (§§ 125 Abs. 2 InsO, 1 Abs. 5 S. 4 KSchG) oder eine § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG entsprechende Erklärung des Betriebsrats in einem Interessenausgleich ohne Namensliste oder die Erklärung des Arbeitgebers gemäß § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG ersetzt werden41. Ohne ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht wirksam erklärt werden. Eine Einschränkung gilt nur dann, wenn die Massenentlassungsanzeige eine falsche Anzahl der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer benennt, weil bestimmte Been40 BAG v. 28.6.2012 - 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 53. 41 BAG v. 28.6.2012 - 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 55 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

digungstatbestände nicht erfasst werden. Hier können sich – so das BAG – nur diejenigen Arbeitnehmer auf den Fehler berufen, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind42. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Anzeige so wenig Arbeitnehmer benennt, dass die Arbeitsverwaltung unzutreffender Weise von einer fehlenden Massenentlassung ausgeht und daher gar nicht die gebotenen Maßnahmen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit einleitet43 Dass die Agentur für Arbeit diesen Mangel der Massenentlassungsanzeige nicht gesehen bzw. berücksichtigt habe, spielt für das BAG im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses keine Rolle. Dafür spricht, dass die Agentur für Arbeit zwar mit einem solchen Bescheid zu erkennen gibt, dass sie ihre Beteiligung im Zusammenhang mit der Massenentlassung als durch den Arbeitgeber ordnungsgemäß veranlasst sieht. Angesichts der fehlenden Stellungnahme des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Massenentlassung ist für das Arbeitsgericht indes nicht erkennbar, ob auch der Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt wurde. Denn für die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats genügt es nicht, dass dieser gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG unterrichtet wurde. Es muss mit dem Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG auch über das Ob und Wie der geplanten Massenentlassung beraten werden. Auf eben dieses Ergebnis der Beratung und die Erkenntnis des Betriebsrats, die Massenentlassung nicht verhindern zu können, stellt die Pflicht zur Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG ab. Bedauerlicherweise scheint es dem BAG indes nicht zu genügen, dass die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats im Kündigungsschutzverfahren nachgewiesen wird. Die Beteiligung muss – so das BAG – auch gegenüber der Agentur für Arbeit formal ordnungsgemäß nachgewiesen werden, indem seine Stellungnahme der Anzeige beigefügt wird. Diese Stellungnahme ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige. Fehlt diese Stellungnahme des Betriebsrats oder ist sie unvollständig, kann der Arbeitgeber indes nach § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG verfahren44. Zutreffend geht das BAG ergänzend hierzu davon aus, dass der Bescheid der Agentur für Arbeit über die Verkürzung der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 KSchG den Formfehler des Arbeitgebers nicht geheilt habe. Die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige sei von der Bindungswirkung eines solchen Bescheides nicht erfasst. Es fehlt auch an einer Bindungswirkung der 42 BAG v. 28.6.2012 - 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 46 ff. 43 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 26.08.2011 – 7 Sa 672/10, ZInsO 2012, 346 ff. 44 BAG v. 28.6.2012 - 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 58.

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Stalking: Abmahnungserfordernis vor Kündigung?

Feststellungen der Arbeitsverwaltung gegenüber den von der Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer. Außerdem bestehe sonst die Gefahr, dass die Durchsetzung der Vorgaben der Massenentlassungsrichtlinie nicht in der unionsrechtlich gebotenen Weise sichergestellt wäre45. Insgesamt zeigt diese Entscheidung erneut, dass die Formalien der Massenentlassungsanzeige schon bei der Beteiligung des Betriebsrats aber auch bei der Zusammenstellung der in diesem Zusammenhang erforderlichen Unterlagen sehr sorgfältig eingehalten werden müssen, wenn nicht eine Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigungen riskiert werden soll. (Ga)

5.

Stalking: Abmahnungserfordernis vor Kündigung?

Insbesondere seit der Emmely-Entscheidung des BAG vom 10.6.201046 muss in der betrieblichen Praxis vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung sehr sorgfältig geprüft werden, ob nicht eine Abmahnung in gleicher Weise geeignet wäre, die befürchtete (zukünftige) Störung des Vertragsverhältnisses zu vermeiden. Wie das BAG in seinem jetzt vorliegenden Urteil vom 19.4.201247 noch einmal klargestellt hat, bedarf es einer Abmahnung in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Von diesen strengen Anforderungen geht das BAG ausdrücklich auch bei Störungen im Vertrauensbereich aus48. In dem der Entscheidung vom 19.4.201249 zugrundeliegenden Fall ging es um die außerordentliche Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers wegen des beharrlichen Nachstellens einer Kollegin („Stalking“). Der Kläger (Jahrgang 1957, verheiratet, schwerbehindert) war beim beklagten Land seit 1989 als Verwaltungsangestellter im Immobilienmanagement tätig. Bereits 2007 hatte sich eine in diesem Bereich beschäftigte Leiharbeitnehmerin bei der Leitung der Niederlassung über den Kläger mit der Begründung beschwert, dass sie sich von diesem belästigt fühle. Auf der Grundlage dieser Beschwerde kam es zu einem Beschwerdeverfahren nach 45 BAG v. 28.6.2012 - 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 63 ff., 57 ff. 46 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 ff. 47 2 AZR 258/11 n. v. (Rz. 15). 48 Vgl. BAG v. 9.6.2011 – 2 AZR 381/10, NZA 2011, 1027 Rz. 18; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 Rz. 37. 49 2 AZR 258/11 n. v.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

dem AGG. Mit Schreiben vom 19.4.2007 teilte die Beschwerdestelle sodann dem Kläger mit, dass die Mitarbeiterin weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Nicht-Kontakt durch den Kläger vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare dienstliche Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe „auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben“. Mit Schreiben vom 8.10.2009 wandte sich dann eine andere, seit Februar 2009 beim Immobilienmanagement als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin an dessen Direktor. Sie machte geltend, dass sie durch den Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt würde. Obwohl sie sich ihm gegenüber deutlich abweisend geäußert habe, suche er weiterhin Kontakt zu ihr. So habe er ihr in der Zeit von Mitte Juni 2009 bis Anfang Oktober 2009 – unstreitig – insgesamt mehr als 120 E-Mails, MMS und SMS geschickt. Nachdem der Kläger bereits im Rahmen einer „Sofortmaßnahme“ die Anordnung erhielt, mit sofortiger Wirkung jeden dienstlichen und privaten Verkehr mit der Beschwerdeführerin zu unterlassen und nur in dienstlichen Dingen über Dritte Kontakt mit ihr aufzunehmen, wurde er nach Durchsicht des gesamten „Schriftverkehrs“ zu den Vorwürfen angehört. Im Anschluss daran und nach Zustimmung des Personalrats sprach das beklagte Land eine außerordentlich fristlose Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung, hilfsweise jeweils mit sozialer Auslauffrist bis zum 30.6.2010 aus. Der Kläger machte geltend, dass diese Kündigung unwirksam sei. Insbesondere habe das beklagte Land ihn wegen dieses Verhaltens allenfalls abmahnen dürfen. Die durch das LAG Hessen getroffene Entscheidung, mit der der Kündigungsschutzklage stattgegeben wurde, ist durch das BAG aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen worden. In den Entscheidungsgründen hat der 2. Senat des BAG zunächst einmal klargestellt, dass der Umstand, dass ein Arbeitnehmer einer Kollegin unter bewusster Missachtung ihres entgegenstehenden Willens im Betrieb oder im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit beharrlich nachstelle, an sich ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein könne. Dabei komme es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an. Entscheidend sei vielmehr die mit diesem Verhalten verbundene Störung des Betriebsfriedens. In einem derartigen Verhalten liege nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen, sondern zugleich eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241

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Stalking: Abmahnungserfordernis vor Kündigung?

Abs. 2 BGB. Denn dieser habe die Integritätsinteressen seiner Mitarbeiter zu schützen. Ob dieses Stalking allerdings im Ergebnis eine außerordentliche Kündigung rechtfertige, sei abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere vom Ausmaß und der Intensität der Pflichtverletzung und deren Folgen – vor allem für die betroffenen Mitarbeiter, eine etwaige Wiederholungsgefahr und dem Grad des Verschuldens. Unter Berücksichtigung dieser Umstände muss eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden, die auch zu berücksichtigen hat, mit welcher Beharrlichkeit sich der Arbeitnehmer gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Mitarbeiterin wiederholt in das Privatleben eingemischt hat. In dem konkret hier zur Entscheidung stehenden Fall hatte der Kläger nach dem - bestrittenen – Vortrag des beklagten Landes sogar damit gedroht, er könne dafür sorgen, dass die belästigte Mitarbeiterin keine Anstellung beim Land bekomme. Ihren Ehemann, der über keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfüge, werde er bei der Polizei und der Ausländerbehörde anzeigen. Dies habe – so das beklagte Land – bei der Mitarbeiterin massive Angstzustände verursacht, die allerdings durch das LAG Hessen im Rahmen seiner Interessenabwägung im Wesentlichen unberücksichtigt geblieben waren. Im Mittelpunkt der Feststellungen des BAG stand indes die Frage, ob eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Ausspruch einer Abmahnung zulässig war. Denn eine solche Abmahnung war ausdrücklich nicht erklärt worden. Vielmehr hatte der Kläger lediglich im Anschluss an die erste Beschwerde die Aufforderung der Beschwerdestelle erhalten, „zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ jede unmittelbare dienstliche Kontaktaufnahme mit der damals belästigten Mitarbeiterin zu unterlassen. Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 19.5.201250 gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abmahnung neben der Rüge eines genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens (Rügefunktion) der Hinweis auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall (kündigungsrechtliche Warnfunktion)51. Der Arbeitgeber müsse in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich – wenn auch nicht expressis verbis – den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.

50 51

2 AZR 258/11 n. v. (Rz. 21). So bereits BAG v. 18.11.1986 – 7 AZR 674/84, NZA 1987, 418 Rz. 34.

411

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Umstritten in Rechtsprechung und Literatur ist allerdings die Frage, mit welcher Deutlichkeit die Abmahnung diese Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennen lassen muss. Während ein Teil der Literatur die bloße Ankündigung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ für nicht ausreichend hält, sieht der wohl ganz überwiegende Teil der Literatur die Warnfunktion auch dann als gegeben an, wenn „arbeitsrechtliche Schritte“ angekündigt oder eine „Gefährdung von Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses“ angekündigt werden, falls sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers wiederholen sollte. Die ausdrückliche Androhung einer Kündigung sei nicht erforderlich52. Letztgenannter Auffassung schließt sich der 2. Senat an. Nach Auffassung des BAG kann schon die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ eine hinreichende Warnung vor einer Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses sein. Mit einer solchen Formulierung werde ausgedrückt, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit allen denkbaren arbeitsrechtlichen Folgen bis hin zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen müsse. Eine ausdrückliche Kündigungsandrohung sei – so das BAG – dafür nicht erforderlich. Es sei ausreichend, wenn der Arbeitnehmer erkennen könne, der Arbeitgeber werde im Wiederholungsfall möglicherweise auch mit einer Kündigung reagieren53. Hiervon ausgehend war dem Schreiben der Beschwerdestelle vom 19.4.2007 zwar die für eine Abmahnung erforderliche Warnfunktion zuzugestehen. Allerdings konnte dieses Schreiben nach Auffassung des BAG gleichwohl nicht als eine Abmahnung qualifiziert werden, weil es an einer Rüge vorherigen Fehlverhaltens fehlte. Denn die Beschwerdestelle hatte zwar dokumentiert, dass die betroffene Mitarbeiterin keinen Kontakt mehr mit dem Kläger wünsche. Auch war – zur Vermeidung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ – die Beachtung dieses Wunsches der Mitarbeiterin für die Zukunft verlangt worden. Das Schreiben enthielt aber nicht die eindeutige Bewertung, dass das vorangegangene Verhalten des Klägers eine Pflichtverletzung dargestellt habe. Offenkundig muss arbeitgeberseitig sehr deutlich auch das pflichtwidrige, also nicht nur das pflichtgemäße Verhalten genannt werden. Dass das beklagte Land auch ohne Kennzeichnung dieses Schreibens der Beschwerdestelle als Abmahnung zu einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt sein könnte, hat das BAG ausdrücklich klar52 53

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Vgl. zusammenfassend zur Meinungsübersicht BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 258/11, n. v. (Rz. 22). BAG v. 19.4.2012 -2 AZR 258/11 n. v. (Rz. 23).

Kündigung wegen Schlechterfüllung der übertragenen Arbeitsaufgabe

gestellt. Allerdings bedarf dies einer einzelfallbezogenen Bewertung des LAG Hessen, die im Rahmen der erneuten Entscheidung erfolgen muss. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings der Umstand, dass die vom 2. Senat des BAG in der jetzt vorliegenden Entscheidung vorgenommenen Feststellungen in Bezug auf die Bestandteile einer ordnungsgemäßen Abmahnung auch in anderen Fallgestaltungen ohne Einschränkung eingehalten werden. Dies schließt nicht nur die Rügefunktion ein. Wichtig ist auch, dass die dieser Rüge zugrunde liegende Darstellung des Sachverhalts vollständig und zutreffend ist. Im Anschluss daran sollte, auch um jeden Auslegungszweifel zu vermeiden, ausdrücklich auch die Möglichkeit einer Kündigung als Bestandteil der arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Wiederholungsfall zum Ausdruck gebracht werden. Dass diese Androhung nicht nur die Wiederholung derselben Pflichtverletzung betrifft, hat der 2. Senat des BAG zwar zu Recht klargestellt. Vielmehr erstrecke sich der mit einer Abmahnung verbundene Hinweis auf eine Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall grundsätzlich auch auf vergleichbare Pflichtverletzungen. Nicht erforderlich sei deshalb, dass der Arbeitgeber die zu unterlassene Pflichtverletzung losgelöst vom konkreten Verstoß generalisierend beschreibe. Es reiche aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammten und somit gegebene Abmahnungs- oder potenzielle Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stünden54. Zu empfehlen ist aber gleichwohl, in der Abmahnung ausdrücklich die Warnung auf „gleiche und gleichartige“ Pflichtverletzungen zu erstrecken. Auch dies schließt Auslegungszweifel bzw. Auslegungsnotwendigkeiten aus. (Ga)

6.

Kündigung wegen Schlechterfüllung der übertragenen Arbeitsaufgabe

Grundsätzlich kann die Missachtung von Anweisungen des Arbeitgebers zur Art, Ort und Zeit der Tätigkeit eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn aufgrund fruchtloser Abmahnung in der Vergangenheit eine Wiederholung dieser schuldhaften Pflichtverletzung in der Zukunft zu besorgen ist. Losgelöst davon kann eine solche Kündigung auch dadurch gerechtfertigt sein, dass in

54

BAG v. 19.4.2012 - 2 AZR 258/11 n. v. (Rz. 19); BAG v. 9.6.2011 – 2 AZR 323/10, NZA 2011, 1342 Rz. 31; BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589 Rz. 41.

413

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

besonderer Weise gegen wichtige Rechte oder Rechtsgüter bzw. Interessen des Arbeitgebers verstoßen wird und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass entsprechende Störungen des Vertragsverhältnisses auch zukünftig auftreten werden. Trotz dieser grundsätzlich zutreffenden Feststellungen nimmt das LAG Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 15.9.201155 allerdings an, dass eine bewusst falsche Auskunft des Arbeitnehmers über die Nichterfüllung der ihm übertragenen Aufgaben als solches die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könne. Gebe ein Arbeitnehmer auf die Frage seines Vorgesetzten, ob er bestimmte ihm übertragene Aufgaben bereits erledigt habe, eine unwahre Antwort, verletze er damit zwar seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft über den Stand der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben. Die kündigungsrechtliche Bedeutung dieser Pflichtverletzung hänge im Kern aber von der Art und dem Ausmaß der Nichterfüllung der Arbeitspflicht ab, über die der Arbeitnehmer getäuscht habe. Reichten Art und Ausmaß der Nichterfüllung nicht zur Kündigung aus, könne die Kündigung auch nicht wegen der Vertuschung der Nichterfüllung der Arbeitsleistung gerechtfertigt sein. Diese Bewertung überzeugt nicht. Denn sie missachtet, dass der Arbeitnehmer die Nichterfüllung der ihm übertragenen Aufgaben durch die bewusst wahrheitswidrige Auskunft weiter perpetuiert. Er nimmt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, zu diesem Zeitpunkt erneut auf eine Erfüllung dieser Vertragspflichten zu drängen. Er nimmt ihm auch die Möglichkeit, für eine anderweitige Erfüllung dieser Vertragspflichten Sorge zu tragen. Darüber hinaus begründet die fehlerhafte Auskunft des Arbeitnehmers die Gefahr, dass die Nichterfüllung der Vertragspflicht zu einem Schaden des Arbeitgebers führt oder dieser Schaden sogar verstärkt wird. Hinzu kommt, dass die bewusst wahrheitswidrige Auskunft über die Erfüllung bzw. Nichterfüllung einer übertragenen Vertragspflicht zu erkennen gibt, dass offenkundig keine Bereitschaft besteht, diese verhaltensbezogenen Pflichten innerhalb des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen. Damit liegt eine zweite – eigenständige – Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis vor, die nicht nur einen eigenständigen Kündigungsgrund bilden kann. Sie ist auch bei der Frage zu berücksichtigen, ob im Hinblick auf solche Pflichtverletzungen mit oder ohne Abmahnung eine negative Zukunftsprognose gegeben ist. In jedem Fall ist dieses Verhalten im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. (Ga)

55 5 Sa 53/11, NZA-RR 2012, 246 ff.

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Verdeckte Videoüberwachung zur Vorbereitung einer Kündigung wegen Bagatelldelikten

7.

Verdeckte Videoüberwachung zur Vorbereitung einer Kündigung wegen Bagatelldelikten

Insbesondere im Anschluss an die Emmely-Entscheidung des BAG vom 10.6.201056, über die wir berichteten57, stellt sich in der betrieblichen Praxis nicht nur die Frage, ob Arbeitnehmer überhaupt noch ohne Ausspruch einer Abmahnung wegen eines sogenannten „Bagatelldelikts“ gekündigt werden können58. Wir hatten an anderer Stelle bereits über die aktuelle Rechtsprechung im Anschluss an die Emmely-Entscheidung des BAG berichtet59. Im Mittelpunkt stehen dabei zwar in der Regel materiell-rechtliche Fragen, insbesondere also das Erfordernis einer negativen Zukunftsprognose und der gebotenen Interessenabwägung. Gerade weil es sich bei diesen sogenannten „Bagatelldelikten“ häufig um ein Verhalten von Arbeitnehmern handelt, das gegen Eigentum oder Vermögen des Arbeitgebers gerichtet ist, steht die Praxis allerdings häufig auch vor der Frage, welche Maßnahmen im Vorfeld einer Kündigung zur Sicherung der prozessual notwendigen Beweise ergriffen werden können. Im Hinblick darauf enthält die Entscheidung des BAG vom 21.6.201260 wichtige Hinweise, die nicht nur die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Kündigung, sondern auch die prozessuale Verwertbarkeit der im Vorfeld durch Videoaufnahmen erlangten Beweise betreffen. Von der Kündigung in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war eine Verkäuferin im Einzelhandel betroffen, die bereits 18 Jahre bei der Beklagten beschäftigt war, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin. Die Beklagte hatte im Vorfeld der Kündigung mit Zustimmung des bei ihr gebildeten Betriebsrats in der Zeit vom 1. bis 22.12.2008 Videokameras in den Verkaufsräumen der Filiale installieren lassen. Am 12.1.2009 wertete die Arbeitgeberin das ihr übergebene Filmmaterial im Beisein eines Betriebsratsmitglieds aus. Sie hielt der Klägerin anschließend vor, diese habe sich heimlich Zigaretten angeeignet. Denn auf dem Filmmitschnitt war nach dem Vortrag der Beklagten zu sehen, wie die Klägerin am 6. und am 17.12.2008, jeweils nach 20.00 Uhr, einen sogenannten Zigarettenträger einer Kasse öffnete, ihm einige Schachteln Zigaretten entnahm, diese in den Fächern für (Einkaufs-)Tüten verstaute, den Zigarettenträger wieder verschloss, sich zu-

56 57 58 59 60

2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 ff. B. Gaul, AktuellAR 2010, 452 ff. Zur Frage der Bagatellgrenze Schmitz-Scholemann, NZA 2012, 1001, 1007. B. Gaul, AktuellAR 2011, 434. 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

nächst entfernte, einige Minuten später wieder an die Kasse zurückkehrte, den Tütenfächern die Zigarettenschachteln entnahm und diese in ihrer Bluse verstaute. Die Klägerin hielt die auf dieser Grundlage durch die Beklagte ausgesprochene außerordentliche (fristlose) Kündigung ebenso wie die ordentliche Kündigung für unwirksam. Insbesondere machte sie geltend, dass die heimlich vorgenommenen Videoaufnahmen im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung nicht verwertbar seien. Sie missachteten ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und datenschutzrechtliche Vorgaben. Die Beklagte wiederum rechtfertigte diese Aufnahmen damit, dass es hohe Inventurverluste in der Filiale der Klägerin, insbesondere im Bereich Tabak, gegeben habe, die auch den Bereich der Klägerin betroffen hatte. Das BAG hat die Sache weitestgehend, allerdings wegen fehlender Feststellungen des LAG Köln, zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen. Dabei wird es jetzt allerdings nur noch um die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung gehen, weil die außerordentliche Kündigung nicht mehr Gegenstand der Revision gewesen war. Grundsätzlich ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG). Sie ist – so das BAG – durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann könne dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Etwas anderes gelte nur dann, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken61. Unter Berücksichtigung seiner Feststellungen in der Emmely-Entscheidung wiederholt der 2. Senat des BAG noch einmal den Grundsatz, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses regelmäßig positiv beeinflusst werden könne, wenn die vertragliche Verletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers beruhe. Insofern bedürfe es nach Maßgabe des auch in §§ 314 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer Abmahnung nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar sei, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmah61 BAG v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 ff. Rz. 14; BAG v. 9.6.2011 – 2 AZR 284/10, DB 2011, 2724 Rz. 34.

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Verdeckte Videoüberwachung zur Vorbereitung einer Kündigung wegen Bagatelldelikten

nung nicht zu erwarten stehe, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handele, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen sei62. Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das BAG an sich die ordentliche Kündigung der Klägerin für gerechtfertigt gehalten. Die Kündigung sei insofern durch Gründe im Verhalten der Klägerin bedingt. Begehe – so das BAG – ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletze er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbrauche das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten könne sogar einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen und zwar auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betreffe oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise sogar gar keinem Schaden, geführt habe63. Maßgebend sei der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch64. Ein solches Verhalten war der Klägerin vorliegend vorzuwerfen. Die Klägerin hatte heimlich und vorsätzlich das in sie gesetzte Vertrauen als Verkäuferin und stellvertretende Filialleiterin zu einer Schädigung des Vermögens ihrer Arbeitgeberin missbraucht. Auch unter Berücksichtigung der unbeanstandeten Betriebszugehörigkeit der Klägerin von 18 Jahren und des geringen Werts der entwendeten Gegenstände hält es das BAG insofern für gerechtfertigt, dass das LAG Köln zu der Einschätzung gekommen war, dass das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin durch die vorsätzlichen Pflichtverletzungen objektiv derart erschüttert gewesen sei, dass seine Wiederherstellung und ein künftig wieder störungsfreies Miteinander der Parteien nicht mehr zu erwarten war. Insofern war dem Interesse der Arbeitgeberin an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch unter Berücksichtigung des Lebensalters und der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin der Vorrang einzuräumen. Die Klägerin habe durch ihr Verhalten die Basis für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zerstört. Dies gelte umso

62 BAG v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 ff. Rz. 15; BAG v. 9.6.2011 – 2 AZR 284/10, DB 2011, 2724 Rz. 35; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 Rz. 37. 63 BAG 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 ff. Rz. 17; BAG v. 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, NZA 2011, 571 Rz. 18. 64 BAG v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 ff. Rz. 17; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 Rz. 27.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

mehr, als es sich bei der hier in Rede stehenden Pflichtverletzung um ein Verhalten gehandelt habe, das insgesamt auf Heimlichkeit angelegt war65. Trotz dieser materiell-rechtlichen Einschätzung konnte der 2. Senat des BAG indes keine abschließende Entscheidung über die Frage treffen, ob die dieser Sachlage zugrundeliegende Verwertung der Videoaufnahmen prozessual zulässig war. Allerdings hat es hierzu grundlegende Feststellungen getroffen, die auch in vergleichbaren Fallgestaltungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung solcher Kündigungen nutzbar gemacht werden können. Grundsätzlich war vorliegend nicht nur zu prüfen, ob in der Verwertung der Videoaufzeichnungen ein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG lag. § 32 BDSG, der hierzu eigenständige Feststellungen trifft, war zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht in Kraft, würde allerdings – darauf sei hingewiesen – zu einem entsprechenden Ergebnis führen. Ergänzend hierzu war festzustellen, ob die in § 6 b Abs. 1, 2 BDSG getroffenen Vorgaben für Videoaufnahmen in öffentlichen Räumlichkeiten einer Verwertung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses entgegenstanden. Bei der Abwägung zwischen dem Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Interesse an einer Verwertung der einschlägigen Daten und Erkenntnisse nur dann höheres Gewicht, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzukommen, die ergeben, dass das Verwertungsinteresse trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung überwiegt. Darauf weist das BAG in seinem Urteil vom 21.6.201266 ausdrücklich hin. Allein das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reiche nicht aus67. Die weiteren Aspekte müssten gerade eine bestimmte Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als schutzbedürftig qualifizieren68. Ungeachtet dessen sei das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete, auch im Privatrechtsverkehr und insbesondere im Arbeitsverhältnis zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers - auch in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild – nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe könnten durch Wahrnehmung überwiegend schutz65 BAG v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 Rz. 19 f.; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 Rz. 45. 66 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 Rz. 29. 67 So bereits BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 n. v. 68 So BVerfG v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96, NJW 2002, 3619 Rz. 61; BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 537/06, NZA 2008, 1008 Rz. 36.

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Verdeckte Videoüberwachung zur Vorbereitung einer Kündigung wegen Bagatelldelikten

würdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit den Interessen des Arbeitgebers kollidiere, müsse eine Güterabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden, um festzustellen, welchem dieser Rechtsgüter Vorrang einzuräumen ist69. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 21.6.201270 die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist71. Der Verdacht müsse in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder eine andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern bestehen. Er dürfe sich nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er müsse sich jedoch nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten72. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssten weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein. Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt waren, konnte das BAG aufgrund der Feststellungen des LAG Köln selbst noch nicht feststellen. Insbesondere war nicht erkennbar, auf welche Tatsachen sich der Verdacht des Arbeitgebers gründete, dass Inventurdifferenzen durch das Verhalten der Verkäufer in der streitgegenständlichen Filiale beeinflusst worden waren. Ebenso wenig war erkennbar, welcher zumindest eingrenzbare Kreis von Mitarbeitern hiervon betroffen war. Dass der Betriebsrat der Überwachung zugestimmt hatte, kann die Einschränkung des Persönlichkeitsrechts einzelner Arbeitnehmer nicht rechtfertigen. Vielmehr müssen Arbeitgeber und Betriebsrat gleichermaßen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer berücksichtigen.

69 BVerfG v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96, NJW 2002, 3619 Rz. 59; BAG v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 Rz. 30; BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 537/06, NZA 2008, 1008 Rz. 36. 70 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 Rz. 30. 71 So bereits BAG v. 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, NZA 2003, 1193 Rz. 28. 72 So bereits BAG 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, NZA 2003, 1193 Rz. 31.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Dass bei der Videoaufnahme die allgemeine Kennzeichnungspflicht aus § 6 b Abs. 2 BDSG im Zweifel nicht ordnungsgemäß Rechnung getragen wurde, stand der prozessualen Verwertung aus Sicht des 2. Senats des BAG nicht entgegen. Zum einen geht das BAG davon aus, dass eine verdeckte Videoüberwachung auch in öffentlich zugänglichen Räumen nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig ist, falls diese als einziges Mittel zur Überführung von Arbeitnehmern zu qualifizieren ist73. Zum anderen nimmt das BAG zu Recht an, dass bereits eine verfassungskonforme Interpretation der datenschutzrechtlichen Vorschriften zu dem Ergebnis kommen müsse, dass die Erhebung der personenbezogenen Daten in Form einer Videoaufnahme auch auf der Grundlage einer allgemeinen Interessenabwägung zulässig sein müsse, wenn diese die besondere Form der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berücksichtige. Hiervon gehe auch Art. 7 Richtlinie 95/46/EG aus, der die Verarbeitung personenbezogener Daten zulasse, wenn sie zur Verwirklichung eines berechtigten Interesses des für die Verarbeitung verantwortlichen erforderlich sei und das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiege74. (Ga)

8.

Betriebsbedingte Kündigung trotz Kurzarbeit?

Nach den §§ 95 ff. SGB III besteht ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Ein erheblicher Arbeitsausfall liegt allerdings nur dann vor, wenn 1. er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, 2. er vorübergehend ist, 3. er nicht vermeidbar ist und 4. im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist; der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 % des monatlichen Bruttoentgelts betragen.

73 Ebenso Grimm/Strauf, ZD 2011, 188 ff. Bergwitz, NZA 2012, 353, 357 f.; Vietmeyer, DB 2010, 1462, 1463; a. A. Lunk, NZA 2009, 457, 460; Bayreuther, NZA 2005, 1038, 1040 f. 74 BAG v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 Rz. 35 ff., 43.

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Betriebsbedingte Kündigung trotz Kurzarbeit?

Das Erfordernis, nach dem der Arbeitsausfall zur Anerkennung eines Anspruchs auf Kurzarbeitergeld nur vorübergehender Natur sein darf, hat zur Folge, dass mit der gleichen Prognose keine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist. Denn es fehlt an einem betrieblichen Erfordernis zur wirksamen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen. Folgerichtig setzt die Anerkennung einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens voraus, dass der Arbeitgeber die Tatsachen darlegt und ggf. auch beweist, die erkennen lassen, dass zukünftig auf Dauer für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis mehr für eine Weiterbeschäftigung besteht75. Darauf hat das BAG noch einmal im Urteil vom 23.2.201276 hingewiesen. Ein bloßer Hinweis auf auslaufende Aufträge oder das Fehlen von Anschlussaufträgen reiche regelmäßig nicht aus, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu begründen. Vielmehr müsse der Arbeitgeber anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung vorliege, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Diese Darstellung muss für das Arbeitsgericht auch nachvollziehbar sein. Insofern sei es erforderlich, dass die für die Beschäftigung der Arbeitnehmer einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden dargestellt und miteinander verglichen würden77. Hiervon ausgehend kann ein nur vorübergehender Arbeitsmangel eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, schließt dies eine betriebsbedingte Kündigung zunächst einmal aus. Denn entsprechende Regelungen sprechen dafür, dass die Betriebsparteien nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgehen78. Dieses aus der Kurzarbeit folgende Indiz kann der Arbeitgeber aber durch konkreten Sachvortrag entkräften79. Entfalle die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer aufgrund später eintretender weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher und/oder organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer, könne – so das BAG –

75 Vgl. BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99, NZA 1999, 1099 ff. 76 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852 Rz. 16. 77 BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852 Rz. 20; BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 412/05, DB 2006, 1962 Rz. 17. 78 BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852 Rz. 21. 79 So bereits BAG v. 26.6.1997 – 2 AZR 494/96, NZA 1997, 1286 Rz. 14.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses bestehen80. In dem Fall, der zu diesen Feststellungen des BAG geführt hat, hatte der Arbeitgeber Anfang 2009 mit seinem Betriebsrat vor dem Hintergrund eines beabsichtigten Personalabbaus im Umfang von 48 Stellen über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt. In einer Absichtserklärung vom 13.2.2009 beschrieben die Betriebsparteien bestimmte Maßnahmen als erstrebenswerte Alternativen zu den erwogenen Entlassungen; u. a. war die Einführung von Kurzarbeit mit Wirkung zum 1.3.2009 bei einer maximalen Laufzeit von 18 Monaten und verteilt auf jeweils sechs Monate vorgesehen. Am 27.2.2009 schlossen die Betriebsparteien sodann mehrere Betriebsvereinbarungen, durch die nicht nur Kurzarbeit eingeführt wurde. Ergänzend hierzu vereinbarten die Parteien, dass weitere Veränderungen in Bezug auf die Vergütung zur Kostenreduzierung wirksam werden sollen. Arbeitnehmer, die das Angebot eines dahingehenden Änderungsvertrags annähmen, sollten bis zur vollständigen Beendigung der in der Produktion durchgeführten Kurzarbeit von dem Ausspruch ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen ausgenommen werden. 111 Arbeitnehmer der 127 betroffenen Arbeitnehmer nahmen das Angebot an. Der Kläger gehörte nicht dazu. Angesichts weiter rückläufiger Aufträge entschloss sich die Beklagte sodann am 19.5.2009, zahlreiche Arbeitsplätze, darunter den eines „Anfasers/Ofenbedieners/Einteilsägers“ in der Rohrzieherei, ab 1.10.2009 wegfallen zu lassen. Von der Streichung waren fast ausschließlich Arbeitsplätze von Arbeitnehmern betroffen, die das Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags abgelehnt hatten. Infolgedessen wurde auch der Kläger zum 30.9.2009 gekündigt. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses hat es das BAG zwar grundsätzlich für möglich gehalten, dass auch dieser Sachverhalt nicht generell einer betriebsbedingten Kündigung entgegenstand. Allerdings sei der Arbeitgeber verpflichtet, zuvor alle Möglichkeiten auszuschöpfen, durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit betriebsbedingte Kündigungen in Zeiten geringeren Arbeitsanfalls zu vermeiden. Hätten die Betriebsparteien durch die Einführung von Kurzarbeit den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit auf ein Niveau abgesenkt, das den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gerade überflüssig mache, so könne ein dringendes betriebliches Kündigungserfordernis regelmäßig erst dann angenommen werden, 80 BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852 Rz. 21; BAG v. 26.6.1997 – 2 AZR 494/96, NZA 1997, 1286 Rz. 15.

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Betriebsbedingte Kündigung trotz Kurzarbeit?

wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit zur Arbeitsreduzierung voll ausgeschöpft habe und gleichwohl noch ein Beschäftigungsüberhang bestünde81. Dieses Erfordernis war aus Sicht des 2. Senats des BAG durch die Beklagte nicht ausreichend dargetan. Denn es war nach dem Vortrag des Arbeitgebers nicht erkennbar, ob es nicht doch möglich gewesen wäre, die Kündigung des Klägers durch die Arbeitszeitflexibilisierung, die als Konsequenz der mit dem Betriebsrat vereinbarten Kurzarbeit möglich war, zu vermeiden. Schließlich war auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags der Beklagten nicht auszuschließen, dass den rückläufigen Aufträgen durch eine Ausweitung der Kurzarbeit bzw. einer Ausschöpfung der mit der Kurzarbeit eingeführten Flexibilisierungsmöglichkeiten hätte Rechnung getragen werden können. Nur dann, wenn auch bei Ausschöpfung der vereinbarten Option für Kurzarbeit das Arbeitsvolumen nicht so stark verringert werden kann, dass dies der weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeit entspricht, kommt aber eine betriebsbedingte Kündigung von Arbeitsverhältnissen in Betracht. Dieser Bewertung ist zuzustimmen. Allerdings ist es wichtig, die ergänzenden Feststellungen des BAG zu berücksichtigen. Denn darin stellt der 2. Senat des BAG ausdrücklich klar, dass es im Streitfall nicht darum gegangen sei, ob der Arbeitgeber rechtlich gezwungen sein könne, vor dem Ausspruch der Kündigung die Einführung von Kurzarbeit zu betreiben. Gegen eine solche Verpflichtung spricht bereits der Umstand, dass Kurzarbeit im Sinne der §§ 95 ff. SGB III eben nur dann zulässig ist, wenn der Arbeitsausfall nur vorübergehender Natur ist. Ist nach der Prognose des Arbeitgebers von einem dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit auszugehen, kommt eine solche Kurzarbeit schon kraft Gesetzes nicht in Betracht. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Kündigung durch eine beabsichtigte Stilllegung oder eine Fremdvergabe von Arbeiten (z. B. Verlagerung ins Ausland) begründet wird. Hier aber besaß die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung bereits die Möglichkeit, die Arbeitszeit der Mitarbeiter rechtswirksam auf bis zu 14 Wochenstunden zu reduzieren. Von dieser Möglichkeit hätte sie angesichts des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen zunächst einmal Gebrauch machen müssen. Denn wenn damit dem Wegfall der Beschäftigung hätte Rechnung getragen werden können, war die betriebsbedingte Kündigung nicht durch betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. (Ga)

81 BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852 Rz. 22; BAG v. 8.11.2007 – 2 AZR 418/06, AiB 2008, 353 Rz. 16.

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9.

Betriebsbedingte Kündigung bei Wegfall einer Hierarchieebene

Die betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist vorbehaltlich einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG). Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich dabei aus inner- oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen – so das BAG – vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist durch das Arbeitsgericht zwar nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachprüfbar ist aber, ob die vertragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch durch das Beschäftigungsverhältnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist82. Mit seinem Urteil vom 24.5.201283 hat der 2. Senat des BAG in nachvollziehbarer Weise deutlich gemacht, wie diesen Anforderungen im Zusammenhang mit der Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Wegfalls einer Hierarchieebene Rechnung zu tragen ist. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten, die in Deutschland drei Produktionsstätten besaß, in einem Werk mit etwa 85 Arbeitnehmern beschäftigt. 2006 war der Kläger zum „Betriebsleiter GUR“ und 2007 zum „Leiter des gesamten Standorts“ benannt worden. Mit Schreiben vom 24.9.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.4.2010. Sie verwies darauf, dass im Zusammenhang mit globalen Veränderungen im Konzern die weltweite Verantwortlichkeit für die Prozessentwicklung und das Qualitätsmanagement zwar am Standort angesiedelt worden sei. An diese Funktion habe sie auch die Hälfte der bisher vom Kläger wahrgenommenen Leitungsaufgaben „angekoppelt“. Die Stelle habe sie aber mit Frau K besetzt, die neben ihrem Chemie- ein Ingenieurstudium absolviert habe und deshalb – anders als der Kläger – über die 82 83

424

BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, DB 2012, 2402 Rz. 21; BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852 Rz. 17; BAG v. 16.12.2010 – 2 AZR 770/09, NZA 2011, 505 Rz. 13. 2 AZR 124/11, DB 2012, 2402 Rz. 22 ff.

Betriebsbedingte Kündigung bei Wegfall einer Hierarchieebene

erforderlichen Kenntnisse und die notwendige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Prozessentwicklung und des Qualitätsmanagements besitze. Diese Aufgaben waren neu. Die Stelle sei deshalb auch mit einem Aufgaben- und Kompetenzzuwachs verbunden; zu einer Beförderung des Klägers auf diese Stelle sei sie nicht verpflichtet. Die andere Hälfte der Tätigkeiten des Klägers habe sie auf insgesamt sieben, dem Kläger bisher nachgeordnete Arbeitnehmer verteilt, die auch in der Lage seien, das zusätzliche Pensum zu bewältigen. Der Kläger war der Auffassung, dass die Beklagte die dringenden betrieblichen Erfordernisse seiner Kündigung nicht ausreichend vorgetragen habe. Insbesondere sei nach seiner Auffassung davon auszugehen, dass eine Verlagerung der bisher durch ihn erledigten Aufgaben auf andere am Standort beschäftigte Arbeitnehmer nicht ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme möglich gewesen sei. Das BAG hat die klagestattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und in Übereinstimmung damit angenommen, dass die Beklagte in der Tat die ihr obliegende Darlegung des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Wenn – so das BAG – die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich seien, müsse er seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit in besonderer Weise verdeutlichen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes in Verbindung mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben verbunden sei. Hier müsse der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfielen. Insofern müsse der Arbeitgeber die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d. h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, erledigt werden könnten84. Auch im Zusammenhang mit einer solchen Begründung einer betriebsbedingten Kündigung geht das BAG zwar davon aus, dass die Festlegung des 84

BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, DB 2012, 2402 Rz. 22 f.; BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852 Rz. 18.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Anforderungsprofils einer Stelle zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zähle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, sei grundsätzlich hinzunehmen85. Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast seien mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG indes dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändere, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt seien. Hier müsse der Arbeitgeber zur Vermeidung des Vorwurfs des Missbrauchs darlegen und ggf. auch beweisen, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung“, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für das Stellenprofil handele. Die Änderung des Anforderungsprofils müsse im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs – etwa aufgrund von Änderungen des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Tätigkeit – auch die Anforderungen an den Arbeitsplatzinhaber erfasse86. Gestalte der Arbeitgeber lediglich Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändere, und sei der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung in der Lage, die künftig anfallenden Arbeiten zu verrichten, so sei eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Änderungen zum Anlass nehme, die Stelle in eine „Beförderungsstelle“ umzuwandeln. Das gleiche gelte, wenn der Arbeitgeber die auf dem Arbeitsplatz bislang zu verrichtende Tätigkeit um zusätzliche Aufgaben erweitere, der dadurch veränderte Arbeitsplatz aber nach Bedeutung und Verantwortung um nicht so viel anspruchsvoller sei, dass insgesamt ein anderer Arbeitsbereich entstanden wäre87. Diese Anforderungen an die Darlegungslast hatte die Beklagte nicht berücksichtigt. Bereits dies führte zur Unwirksamkeit der Kündigung. Zwar hatte die Beklagte im Einzelnen vorgetragen, welche konkreten Aufgaben aus den Bereichen „Betriebsleitung GUR“ und „Standortleitung“ in welchem zeitlichen Umfang künftig durch Frau K und weitere sieben na85 86 87

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BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, DB 2012, 2402 Rz. 24; BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, NZA-RR 2011, 18 Rz. 19. BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, DB 2012, 2402 Rz. 26; BAG v. 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, NZA 2009, 312 Rz. 26, 31. BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, DB 2012, 2402 Rz. 26; BAG v. 30.8.1995 – 1 ABR 11/95, NZA 1996, 496 Rz. 36.

Betriebsbedingte Kündigung bei Wegfall einer Hierarchieebene

mentlich benannte Arbeitnehmer übernommen werden sollten. Sie hatte es aber nach den Feststellungen des BAG versäumt, schlüssig darzutun, dass die fraglichen sieben Personen über hinreichend freie Arbeitszeitkapazität verfügten, um das zusätzliche Pensum von täglich bis zu einer Stunde ohne überobligationsmäßige Leistungen zu bewältigen. Vielmehr hatte sie dies lediglich pauschal behauptet, ohne aufzuzeigen, worauf sich ihre Einschätzung stützte. Spätestens nachdem der Kläger die mangelnde Schlüssigkeit bzw. die nicht ausreichende Substantiierung beanstandet und auf die Auslastung konkreter Mitarbeiter hingewiesen hatte, hätte die Beklagte ihren Vortrag im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiieren müssen. Eine solche Darlegungslast besteht nach den Feststellungen des BAG auch dann, wenn es sich bei den Arbeitnehmern, welche die Aufgaben übernehmen sollen, um „leitende Angestellte“ oder zumindest außertariflich vergütete Arbeitnehmer handeln sollte. Nach Auffassung des 2. Senats des BAG folgt aus einer solchen Kennzeichnung der Arbeitnehmer nicht, dass mit diesen keine vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Arbeitszeit bestünden. Im Übrigen unterlägen auch sogenannte AT-Mitarbeiter den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes, weil nur leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG aus dem Anwendungsbereich ausgegrenzt werden (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG). Dies gilt auch bei der Vereinbarung einer Vertrauensarbeitszeit. Denn auch bei einem solchen Arbeitszeitmodell kann nicht davon ausgegangen werden, dass es an arbeits- oder tarifvertraglichen Vorgaben zur wöchentlichen Arbeitszeit fehlt und die betroffenen Arbeitnehmer über die bislang erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen als Bestandteil ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten übernehmen müssen88. Dieser Bewertung durch das BAG im konkreten Fall ist zuzustimmen. Sie macht deutlich, dass bereits im Vorfeld einer betriebsbedingten Kündigung – schon mit Blick auf die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG – nicht nur analysiert werden muss, welche Aufgaben des vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmers auf den bisherigen Arbeitsplatz mit welchem Arbeitsaufwand geleistet wurden. Im Zusammenhang mit der Entscheidung, diese Arbeiten auf andere Arbeitnehmer zu übertragen, ist sodann deutlich zu machen, mit welcher Arbeitsauslastung diese Mitarbeiter bis dahin tätig geworden sind. Denn es muss aus dem Vortrag des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der für die Zukunft prognostizierten Arbeitsauslastung heraus erkennbar werden, dass die zusätzlichen Aufgaben für die verbleibenden Mitarbeiter im Rahmen der arbeitsvertraglich geschuldeten 88

BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, DB 2012, 2402 Rz. 30, 34.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Zeit ohne überobligationsmäßige Mehrbelastung übernommen werden können. Auch für die Arbeitnehmer, die in der Zukunft weiterbeschäftigt werden, ist also eine Darstellung des Ist- und des Sollzustands vorzunehmen. Diese Darstellung ist mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG in die Betriebsratsanhörung einzubinden. (Ga)

10. Kennzeichnung der Unterhaltspflichten bei der Sozialauswahl In seinem Urteil vom 28.6.201289 hat sich das BAG nicht nur mit der Zulässigkeit der Bildung von Altersgruppen bei der einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO zugrunde liegenden Sozialauswahl beschäftigt und klargestellt, dass ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel aus dem Bereich der Sozialpolitik auch darin liegen könne, den Betrieb aus der Insolvenz heraus verkaufsfähig zu machen. Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV bedürfe es nicht. Weitergehende Bedeutung für die betriebliche Praxis hat der Umstand, dass sich der 6. Senat des BAG in diesem Urteil intensiv auch mit der Frage auseinandersetzt, welcher Kenntnisstand des Arbeitgebers in Bezug auf bestehende Unterhaltspflichten der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer ausreichend ist, um von einer ordnungsgemäßen Berücksichtigung der Sozialdaten auszugehen. Dabei hat das BAG differenziert zwischen den Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und den Unterhaltspflichten gegenüber Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern. Wenn die Betriebsparteien bei einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO in Bezug auf die Sozialauswahl nur die aus der Lohnsteuerkarte ersichtlichen Unterhaltspflichten gegenüber Kindern berücksichtigten, stünde dies – so das BAG – noch im Einklang mit den von ihnen nach § 75 Abs. 1 BetrVG zu wahrenden Grundsätzen des Rechts, die sie auf die geltende Rechtsordnung, die das Arbeitsverhältnis gestalte und auf dieses einwirke, erstreckten. Die dazu zu zählenden Unterhaltspflichten gegenüber Kindern gemäß §§ 1601 ff. BGB würden dadurch unter Beachtung der Bedürfnisse des Insolvenzverfahrens noch ausreichend erfasst. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich einer Lohnsteuerkarte nicht zuverlässig entnehmen lasse, ob und ggf. in welchem Umfang Unterhaltspflichten gegenüber Kindern bestehen. Beispielhaft werde dies bereits dadurch deutlich, dass Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, nur auf

89

428

6 AZR 682/10, DB 2012, 2348 ff. Rz. 31.

Kennzeichnung der Unterhaltspflichten bei der Sozialauswahl

Antrag und unter den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen auf der Lohnsteuerkarte eingetragen würden90. Auch bei Anwendung des weiten Maßstabs dürfe aber bei der einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO zugrunde liegenden Sozialauswahl jedenfalls die Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt an den mit dem Arbeitnehmer in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten gemäß § 1360 BGB nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Zu den von den Betriebsparteien nach § 75 Abs. 1 BetrVG zu wahrenden Grundsätzen des Rechts zähle auch die Beachtung der Verpflichtung zur Gewährung von Familienunterhalt gemäß § 1360 BGB91. Entsprechendes wird man auch in Bezug auf den eingetragenen Lebenspartner und die insoweit bestehende Unterhaltspflicht gemäß § 12 LPartG annehmen müssen. Die Unterhaltspflicht, die sich die Ehegatten gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB als Folge der ehelichen Solidarität schuldeten, setzte – so das BAG – weder eine Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers noch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners voraus. Jeder Ehegatte schulde dem anderen Gatten Unterhalt, auch wenn dieser vermögend und in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Die Betriebsparteien dürften bei der Erstellung eines Interessenausgleichs mit Namensliste auch in der Insolvenz deshalb die Pflicht zur Gewährung von Familienunterhalt an den Ehegatten, bei der es sich um die bedeutsamste Ausprägung der ehelichen Grundpflicht zur Lebensgemeinschaft handele, nicht völlig außer Betracht lassen. Doppelverdienst erlaubt also keine Ausgrenzung. Die Auswahlrichtlinie, nach der nur Unterhaltspflichten gegenüber jedem auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Kind mit fünf Punkten berücksichtigt wurden, war deshalb rechtswidrig. Auch die Rechtswidrigkeit einer Auswahlrichtlinie hat allerdings nicht zwingend die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl zur Folge. Denn bei der Sozialauswahl kommt es nach der Rechtsprechung des BAG nicht auf einen fehlerfreien Auswahlvorgang an. Entscheidend ist, ob sich das Ergebnis unter Berücksichtigung des Gebots einer ausreichenden Berücksichtigung der Sozialdaten nach den §§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG, 125 Abs. 1 InsO als zutreffend oder fehlerhaft erweist92. Vor diesem Hintergrund kann im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit einer Auswahlrichtlinie die

90 91 92

BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 682/10, DB 2012, 2348 ff. Rz. 47, 49 ff. BAG 28.6.2012 – 6 AZR 682/10, DB 2012, 2348 ff Rz. 52. Vgl. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 682/10, DB 2012, 2348 ff Rz. 55; BAG v. 9.11.2006 – 2 AZR 812/05, NZA 2007, 549 ff. Rz. 24.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ordnungsgemäße Sozialauswahl geprüft werden, wenn und soweit die Sozialdaten der insoweit vergleichbaren Arbeitnehmer bekannt sind und als Konsequenz einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses auch berücksichtigt werden können. Wichtig dabei ist, dass § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG vom Arbeitgeber nur eine „ausreichende“ Berücksichtigung der dort angeführten Sozialdaten verlangt. Die Würdigung des Gerichts, die soziale Auswahl sei nicht ausreichend, setzt deshalb – so das BAG – die Feststellung voraus, dass der vom Arbeitnehmer konkret gerügte Auswahlfehler tatsächlich vorliegt, also ein bestimmter, mit dem gekündigten vergleichbarer Arbeitnehmer in dem nach dem Gesetz erforderlichen Maß weniger schutzbedürftig ist93. Nicht jeder Fehler führt dabei zur Unwirksamkeit der Kündigung. Auch wenn eine Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt worden sei, sei die Kündigung nicht wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl unwirksam, wenn – so das BAG – mit der Person des Gekündigten gleichwohl – zufällig – eine objektiv vertretbare Auswahl getroffen worden sei. Der Arbeitgeber brauche grundsätzlich nicht die „bestmögliche“ Sozialauswahl vorgenommen zu haben. Deshalb könnten sich auch auf der Grundlage einer unwirksamen Auswahlrichtlinie gekündigte Arbeitnehmer nur dann mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen, wenn sie „deutlich schutzwürdiger“ seien94. Hiervon ausgehend ist es deshalb auch bei der Vereinbarung einer Auswahlrichtlinie nicht erforderlich, zwingend den Arbeitnehmer zu kündigen, der die geringste Punktzahl besitzt. Denn auch bei einer geringeren Punktzahl ist nicht zwingend davon auszugehen, dass der betroffene Arbeitnehmer deutlich weniger schutzwürdig ist. Innerhalb eines bestimmten Rahmens, den man möglicherweise mit drei bis fünf Punkten bemessen kann, wird man noch eine in etwa gleich gewichtete Schutzbedürftigkeit annehmen können, die dem Arbeitgeber bei der Festlegung der Person, die gekündigt werden soll, Entscheidungsfreiheit vermittelt. (Ga)

93 94

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BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 682/10, DB 2012, 2348 ff Rz. 59; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 420/09, NZA 2010, 1352 ff. Rz. 19. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 682/10, DB 2012, 2348 ff Rz. 59; BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 476/10 n. v. (Rz. 48).

Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl

11.

Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl

Mit Blick auf das Urteil des BAG vom 15.12.201195 hatten wir uns zuletzt im Frühjahr intensiv mit der Frage befasst, ob es auch unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben zulässig ist, die Auswahlentscheidung im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG auf der Grundlage von Altersgruppen vorzunehmen. Diese Gestaltungsmöglichkeit hatte der 2. Senat des BAG auch unter Einbindung des unionsrechtlichen Verbots der Altersdiskriminierung und dessen Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG bestätigt. Durch die von § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG im Interesse der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur ermöglichte Bildung von Altersgruppen werde die andernfalls linear ansteigende Gewichtung des Lebensalters unterbrochen und zugunsten jüngerer Arbeitnehmer relativiert. Beides sei durch rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt. Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer sicherzustellen, würden zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies diene zugleich der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung. Außerdem verhindere die Altersgruppenbildung sowohl zugunsten einer angemessenen Verteilung der Berufschancen jüngerer und älterer Arbeitnehmer als auch im Interesse der Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme, dass eine Vielzahl von Personen gleichen Alters zur gleichen Zeit auf den Arbeitsmarkt dränge96. An diesen Feststellungen hat der 2. Senat des BAG in seinem Urteil vom 22.3.201297 angeknüpft. Von ganz erheblicher Bedeutung für die betriebliche Praxis ist insoweit aber der Umstand, dass mit dieser Entscheidung weitere Konkretisierungen in Bezug auf den Begründungsaufwand vorgenommen werden, der zur Rechtfertigung einer solchen Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG erforderlich ist. Gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG sind in die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG jedenfalls diejenigen Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen, im betrieblichen Interesse liegt. Wie das BAG deutlich macht, ist von einem berechtigten betrieblichen Interesse indes nicht bereits dann 95 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044 ff. 96 Zusammenfassend B. Gaul, AktuellAR 2012, 123 ff. 97 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

auszugehen, wenn betriebliche Gründe für eine Weiterbeschäftigung einzelner Arbeitnehmer erkennbar sind. Die vom Arbeitgeber mit der Herausnahme verfolgten Interessen müssen – so das BAG – auch im Kontext der Sozialauswahl berechtigt sein. Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist deshalb im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gegen das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Herausnahme sogenannter Leistungsträger abzuwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiege, desto gewichtiger müssten die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein98. Auch die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl auf der Grundlage zuvor gebildeter Altersgruppen ist nicht per se zulässig. Vielmehr müssen auch insoweit betriebliche Interessen des Arbeitgebers erkennbar werden, die es rechtfertigen, abweichend von einer übergreifenden Betrachtung sämtlicher vergleichbarer Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG die Auswahlentscheidung jeweils in Bezug auf die einzelnen Altersgruppen zu treffen. Zu diesem Zweck obliegt es dem Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer entsprechenden Vorgehensweise, die Auswirkungen betriebsbedingter Kündigungen auf der Grundlage einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG auf die Altersstruktur des Betriebs darzustellen und im Anschluss daran deutlich zu machen, welche Nachteile sich daraus für die Fortführung des Betriebs ergeben. Dabei gibt es keinen allgemeingültigen Begründungsansatz. Vielmehr hebt der 2. Senat des BAG zu Recht hervor, dass insoweit auf die konkreten betrieblichen Verhältnisse in Bezug auf die Gruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer abgestellt werden muss. Dementsprechend müsse der Arbeitgeber, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG berufen wolle, zu diesen Auswirkungen und möglichen Nachteilen konkret vortragen99. In diesem Zusammenhang war auf der Grundlage dahingehender Feststellungen des BAG bislang angenommen worden, dass jedenfalls beim Vorliegen einer Massenentlassung nach § 17 Abs. 1 KSchG ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur – widerlegbar – indiziert sei. Daran hält die Rechtsprechung zwar fest. Mit seinem Urteil vom 22.3.2012 macht der 2. Senat des BAG indes deutlich, dass insoweit nicht ohne weiteres auf den Betrieb in seiner Gesamtheit abgestellt werden könne. Vielmehr erkennt er ein widerlegbares Indiz für das Vorliegen eines 98 BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040 Rz. 24 f. 99 BAG v. 22.3.20012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040 Rz. 30; BAG v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044 Rz. 65; BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 468/08, NZA 2010, 1059 Rz. 23.

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Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl

berechtigten Interesses im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zunächst einmal nur dann an, wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht. Ob von einer solchen Erleichterung der Darlegung auch dann ausgegangen werden kann, wenn sich die Massenentlassung auf mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer verteilt, also die Anzahl der insgesamt zu entlassenen Arbeitnehmer die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, nicht aber die der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer, blieb ausdrücklich offen100. Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass immer dann, wenn die Schwellenwerte nicht bereits in Bezug auf die Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer erreicht werden, in Bezug auf diese Gruppe eine individuelle Rechtfertigung für die Bildung von Altersgruppen und eine daran anknüpfende Sozialauswahl erfolgen muss. Diese kann beispielsweise an der körperlichen Belastung durch die in Rede stehende Arbeit, die unterschiedliche Erfahrung von Arbeitnehmern verschiedener Altersgruppen, die Alters- und Erfahrungsstruktur etwaiger Kunden oder die Notwendigkeit eines KnowHow-Transfers in Bezug auf künftige Arbeitnehmer-Generationen ausgerichtet sein. Wichtig ist, insoweit allerdings auf die Besonderheiten der Tätigkeit der jeweils in Rede stehenden Vergleichsgruppe abzustellen. Ergänzend hierzu weist das BAG daraufhin, dass die konkrete Altersgruppenbildung geeignet sein muss, die bestehende Altersstruktur der Belegschaft zu sichern. Auch insoweit darf allerdings nicht auf den Betrieb in seiner Gesamtheit abgestellt werden. Dies hätte nämlich zur Folge, dass innerhalb einzelner Vergleichsgruppen durchaus eine Verbesserung der Altersstruktur erreicht werden könnte. Vielmehr ist bei der Frage, ob nur eine Sicherung – keine Verbesserung – der Altersstruktur erreicht wird, jeweils auf die Gruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer abzustellen. Ausdrücklich verlangt das BAG insoweit, dass, wenn mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen sind, auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen an den Entlassungen möglich sein müsse. Die betriebsweite Sicherung der bestehenden Altersstruktur müsse insoweit die Folge einer proportionalen Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen sein. Eine vergleichsgruppenübergreifende Anwendung des Altersgruppenschemas sei rechtlich ausgeschlos-

100

BAG v. 22.3.20012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040 Rz. 30 f.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

sen. Es sei das Wesen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb der Vergleichsgruppe zu erfolgen habe. Nur dort könne deshalb eine Sicherung der Altersstruktur – mit positiven Effekten für den Betrieb insgesamt – angestrebt werden. Diese Voraussetzung war in dem durch das BAG zu entscheidenden Fall nicht gegeben. Denn hier war zwar in Bezug auf den Betrieb in seiner Gesamtheit im Wesentlichen die Altersstruktur nicht verbessert worden, nachdem die Auswahlentscheidung vergleichsgruppenübergreifend innerhalb von Altersgruppen erfolgt war. Allerdings gab es – insbesondere in Bezug auf die Vergleichsgruppe des Klägers – einzelne Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer, in denen das Durchschnittsalter als Konsequenz der Altersgruppen und der darin vorgenommenen Auswahlentscheidung ganz erheblich abgesenkt wurde. Schlussendlich hatte der Arbeitgeber die Wahrung des Gebots einer Sicherung der Altersstruktur mit einem betriebsweiten arithmetischen Ergebnis aus den verschiedenen Disproportionalitäten bei der Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen begründet101. Insbesondere hatte er sogar solche Vergleichsgruppen einbezogen, in denen gar keine Altersgruppenbildung erfolgt war. Hinzu kam, dass zum Teil Altersgruppen gebildet wurden, die so klein waren, dass innerhalb der Altersgruppe schon als Folge der fehlenden Auswahlmöglichkeit ein zu hoher Prozentsatz an Arbeitnehmern gekündigt wurde. Denn wenn in einer Altersgruppe zwar nur 20 % der Arbeitnehmer gekündigt werden müssen, diese Altersgruppe aber nur aus einem oder zwei Arbeitnehmern besteht, werden automatisch zu viele Arbeitnehmer entlassen. In solchen Fällen ist es also erforderlich, größere Altersgruppen zu bilden, um eine proportionale Auswahlentscheidung unter Aufrechterhaltung der bestehenden Altersstruktur zu ermöglichen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass die vorstehend wiedergegebenen Anforderungen des BAG an eine Modifikation der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG nicht erst im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung vorgetragen werden können. Erforderlich ist, dass bereits die Betriebsratsanhörung als Bestandteil der Ausführungen zur Sozialauswahl diese Gesichtspunkte einbezieht. Andernfalls ist der Aspekt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG aus einer übergreifenden Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG herauszunehmen, prozessual nicht verwertbar. Darüber hinaus wäre die Kün-

101 BAG v. 22.3.20012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040 Rz. 33 ff., 35.

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Überflüssige Änderungskündigung

digung wegen unvollständiger Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG unwirksam. (Ga)

12. Überflüssige Änderungskündigung Die Frage der Änderungskündigung hat für die betriebliche Praxis nicht nur deswegen eine große Bedeutung, weil sie häufig nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit an die Stelle einer betriebsbedingten Beendigungskündigung treten muss102, sie stellt auch eine Alternative dar, wenn der Arbeitgeber unsicher ist, ob er gegenüber dem Arbeitnehmer eine Maßnahme – etwa eine Versetzung – auf der Grundlage seines Direktionsrechts durchsetzen kann. Nach der Legaldefinition in § 2 S. 1 KSchG liegt eine Änderungskündigung vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und im Zusammenhang mit der Kündigung dessen Fortsetzung zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet. Die Änderungskündigung ist daher ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigung muss als zweites Element ein bestimmtes, jedenfalls bestimmbares, den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzutreten. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BAG103 führt eine überflüssige Änderungskündigung im Falle der Annahme des mit der Änderungskündigung verbundenen Angebots unter Vorbehalt nicht zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Änderungsschutzklage des Arbeitnehmers wird als unbegründet abgewiesen. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn der Arbeitnehmer bei einer überflüssigen Änderungskündigung das Änderungsangebot abgelehnt oder nicht angenommen hat, weil dann die Parteien über den Bestand des Arbeitsverhältnisses streiten und diese Bestandsgefährdung nach Ansicht des BAG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspricht, da der Arbeitgeber das gleiche Ziel etwa kraft Direktionsrechts als mildere Maßnahme hätte erreichen können104.

102 Vgl. etwa BAG 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1289 Rz. 28; Moll/Boewer MAH Arbeitsrecht § 46 Rz. 8, 9 m. w. N. 103 BAG v. 23.2.2012 - 2 AZR 44/11, DB 2012, 2104 Rz. 12 ff.; BAG v. 26.1.2012 - 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856 Rz. 12 ff.; BAG v. 29.9.2011 - 2 AZR 523/10, NZA 2012, 628 Rz. 28 ff. 104 BAG v. 29.9.2011 - 2 AZR 523/10, NZA 2012, 628 Rz. 28 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Der 2. Senat des BAG hat sich in zwei Entscheidungen vom 23.2.2012105 und vom 19.7.2012106 erneut mit der Problematik einer sog. überflüssigen Änderungskündigung befassen müssen. In dem ersten Fall ging es darum, dass der als Fleischer vom Arbeitgeber eingestellte Kläger zunächst in der Materialvorbereitung eingesetzt worden war und nach Schließung dieser Abteilung in dem Bereich Rohwurst mit einer geringeren Vergütung arbeiten sollte. In einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich war vorgesehen, dass die Versetzungen und Umgruppierungen durch Änderungskündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats erfolgen sollten. Die Beklagte hatte den Kläger bereits zuvor in dem Bereich Rohwurst allerdings unter Fortzahlung seiner bisherigen höheren Vergütung eingesetzt. Am 29.7.2009 sprach die Beklagte aus betriebsbedingten Gründen zum 31.10.2009 eine ordentliche Kündigung aus und bot dem Kläger künftig ab 1.11.2009 eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der neuen Tätigkeit im Bereich Rohwurst und allen damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben unter Absenkung der Bezüge um zwei Lohngruppen an. Der Kläger hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage erhoben. Die Änderungsschutzklage des Klägers war in allen Instanzen erfolgreich. Das BAG geht dabei zunächst der Frage nach, ob die Klage allein deswegen als unbegründet hätte abgewiesen werden müssen, weil die Beklagte die im Kündigungsschreiben angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen bereits durch Ausübung ihres Direktionsrechts hätte herbeiführen können. Unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung107 bestätigt das BAG, dass die Begründetheit einer Änderungsschutzklage im Sinne von § 4 S. 2 KSchG voraussetzt, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die Änderungskündigung wirksam wird, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die Gegenstand des mit der Kündigung gemachten Angebots des Arbeitgebers sind. Habe der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt akzeptiert, sei Streitgegenstand der Änderungsschutzklage nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen neuen Arbeitsbedingungen nicht gelten, könne das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch bereits nach den fraglichen Bedingungen richtete.

105 2 AZR 44/11, DB 2012, 2104. 106 2 AZR 25/11, NZA 2012, 1038. 107 Etwa BAG v. 26.1.2012 - 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856 ff.

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Überflüssige Änderungskündigung

Auf den Streitfall bezogen hat das BAG einen derartigen Befund verneint. Die Beklagte sei zwar berechtigt gewesen, dem Kläger per Direktionsrecht (§ 106 S. 1 GewO) die vom Tätigkeitsbild eines Fleischers108 umfasste Herstellung von Rohwurst übertragen zu dürfen, weil sich vom Grundsatz her die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit bei Anwendung eines tariflichen Vergütungsystems nach diesem System richtet und der einschlägige Tarifvertrag die Vergütung allein nach dem Berufsbild des Fleischers ausrichtete. Damit hatten die Tarifvertragsparteien eine dem Berufsbild des Fleischers zugehörige Teiltätigkeit, die auch ohne einschlägige Berufsausbildung hätte abgewickelt werden können, im Sinne einer summarischen Arbeitsbewertung vernachlässigt und ausschließlich auf die Qualifikation des Arbeitnehmers (ausgebildeter Fleischer) abgestellt. Insofern war die Beklagte auch gehalten, dem Kläger die bisherige Vergütung eines Fleischers fortzahlen zu müssen. Der Kläger war daher auch im Bereich der Rohwurst in die bisherige Vergütungsgruppe des Tarifvertrags eingruppiert. Da die Beklagte dem Kläger mit der Änderungskündigung nach Ansicht des BAG jedoch ein Angebot unterbreitet hatte, das seinen künftigen Einsatzbereich abschließend umschrieb, weil er künftig im Bereich Rohwurst alle damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben verrichten sollte und von einem neuen Tätigkeitsbereich die Rede war, war eine derartige Änderung der Arbeitsbedingungen vom Direktionsrecht der Beklagten nicht mehr gedeckt, weil sie auf eine dauerhafte Begrenzung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit, nämlich im Bereich Rohwurst, hinauslief. Bereits dieser Gesichtspunkt war für das BAG von entscheidungserheblicher Bedeutung, ohne dass es noch zusätzlich auf die Herabstufung im tarifvertraglichen Vergütungssystem ankam. Angesichts dessen lag keine überflüssige Änderungskündigung vor, so dass in der Sache selbst zu entscheiden war, ob für die Änderung der Arbeitsbedingungen dringende betriebliche Gründe maßgebend waren. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und ob sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, solche Vertragsänderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss109. Dieser von BAG angelegte Prü-

108 Verordnung über die Berufsausbildung zum Fleischer i. d. F. v. 23.3.2005 (BGBl. 2005 I, 898). 109 BAG v. 12.10.2010 - 2 AZR 945/08, NZA 2011, 460 Rz. 29; BAG v. 9.9.2010 - 2 AZR 936/08, AP Nr. 149 zu § 2 KSchG 1969 Rz. 29.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

fungsmaßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot annimmt oder ablehnt110. Das BAG hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass sie die Abteilung Materialvorbereitung endgültig geschlossen hat und keine Tätigkeiten mehr verrichtet wurden, die im Sinne des Lohntarifvertrags die Eingruppierungsmerkmale der bisherigen Lohngruppe des Klägers erfüllten. Dies habe jedoch die Beklagte nicht berechtigt, den bisher weit gefassten vertraglichen Aufgabenbereich des Klägers als Fleischer dauerhaft auf eine Beschäftigung im Bereich Rohwurst zu begrenzen. Auch wenn bisher vom Arbeitnehmer verrichtete Aufgaben ersatzlos wegfielen, bestünde kein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen, solange der Arbeitnehmer auf der bestehenden Vertragsgrundlage mit Aufgaben beschäftigt werden könne, die ihm in den durch § 106 S. 1 GewO vorgegebenen Grenzen einseitig übertragen werden könnten. Ergänzend verweist das BAG darauf, dass anderenfalls auch der im KSchG verankerte Bestandsschutz des Arbeitnehmers relativiert wird, weil er sich im Falle einer Sozialauswahl mangels Austauschbarkeit nicht mehr auf solche Tätigkeiten berufen kann, die zuvor zu seinem Aufgabenbereich gehört haben. Bereits aus den vorstehenden Erwägungen ergab sich das fehlende dringende betriebliche Erfordernis für die Begrenzung des Aufgabenbereichs des Klägers, so dass das BAG offen ließ, welche rechtlichen Konsequenzen damit verbunden sein konnten, dass der Arbeitgeber irrtümlich im Änderungsangebot eine unzutreffende Vergütungsgruppe anführt hatte. Bei der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 19.7.2012111 ging es um eine Klägerin, die bei der Beklagten als Verkäuferin zuletzt mit einem Arbeitszeitvolumen von 163 Stunden monatlich an den Tagen Montag bis Freitag, und zwar von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 8.00 bis 16.00 Uhr und am Freitag bis 13.30 Uhr, im Bereich der sogenannten Preisauszeichnung beschäftigt wurde. Die Klägerin war Ersatzmitglied des Betriebsrats und hatte auch in den Jahren 2008 und 2009 an mehreren Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen. Die Beklagte beschloss im Jahre 2009, die Preisauszeichnung nicht mehr zentral wie bisher, sondern durch jede Abteilung selbst ausführen zu lassen, weshalb die Klägerin im Verkauf eingesetzt werden sollte. Nach Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung, der dieser Maßnahme widersprochen hatte, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 21.4.2009 eine außerordentliche 110 BAG v. 15.1.2009 - 2 AZR 641/07, NZA 2009, 957 Rz. 14; BAG v. 26.11.2009 - 2 AZR 658/08, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 144 Rz. 16. 111 2 AZR 25/11, NZA 2012, 1038 ff.

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Überflüssige Änderungskündigung

Änderungskündigung mit einer Auslauffrist bis zum 31.10.2009 aus und bot der Klägerin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1.11.2009 im Verkauf an. Bei Zugang der Kündigung am 21.4.2009 erhielt die Klägerin eine Einladung zur Betriebsratssitzung, an der sie zwei Tage später teilnahm. Nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt hat die Klägerin eine Änderungsschutzklage erhoben und unter anderem geltend gemacht, dass sie zukünftig auch an Samstagen eingesetzt werden solle, was nicht Gegenstand der Anhörung des Betriebsrats gewesen sei und nicht ihrem Vertrag entspräche. ArbG und LAG haben der Klage entsprochen, weil keine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vorgelegen habe. Die Revision der Beklagten führte zur Zurückverweisung. Das BAG gelangt zu dem Ergebnis, dass die Änderungskündigung der Beklagten nicht an einer mangelhaften Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG scheitern durfte, wenn das Änderungsangebot in Wirklichkeit nicht auf eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen abzielte und damit die ausgesprochene Änderungskündigung überflüssig war. Das BAG bestätigt in diesem Zusammenhang erneut, dass das ArbG die Sozialwidrigkeit oder Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen nach § 4 S. 2 KSchG nicht treffen könne, wenn das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot nicht auf eine Änderung der bestehenden Arbeitsvertragsbedingungen gerichtet sei, sondern die bereits bestehenden Vertragsbedingungen inhaltlich nur erneut wiedergäbe. Davon sei auszugehen, wenn die in dem Vertragsangebot enthaltenen Bedingungen vom Arbeitgeber bereits durch Ausübung des Direktionsrechts durchgesetzt werden könnten, weil dann der Vertrag in Wirklichkeit nicht geändert werden solle. Das BAG fügt ergänzend hinzu, dass sich eine vom Arbeitgeber erstrebte Änderung, die sich bereits durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 S. 1 GewO realisieren lässt, bereits im Rahmen der vertraglichen Regelung bewegt und keine Änderung der Arbeitsbedingungen darstellt, so dass in Wirklichkeit überhaupt kein Änderungsangebot vorliegt. Bei derartiger Sachlage ist die Änderungsschutzklage als unbegründet abzuweisen. Da die Klägerin im Streitfall eine Tätigkeit als Verkäuferin schuldete, hielt sich der Einsatz der Klägerin im Verkauf im Rahmen der bestehenden vertraglichen Abrede und war zweifelsfrei vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Nur bezüglich der Lage der Arbeitszeit, die ebenfalls nach § 106 S. 1 GewO grundsätzlich zum Direktionsrecht des Arbeitgebers gehört, konnte etwas anderes gelten, wenn die Parteien insoweit eine vertragliche Regelung getroffen hatten, die nur einen bestimmten zeitlichen Einsatz der 439

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Klägerin zuließ. Hierzu hatte das LAG keine Feststellungen getroffen. Das BAG betont allerdings in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung112, dass auch durch eine jahrelange gleichmäßige Handhabung der Organisation der Arbeitszeit nicht allein dadurch auf eine vertragliche Regelung geschlossen werden kann, vielmehr besondere Umstände hinzutreten müssen, die darauf schließen lassen, dass der Arbeitnehmer nur noch unverändert seine Arbeit bringen soll. Das BAG hat schließlich die Frage aufgeworfen, ob die Wirksamkeit der Kündigung der Klägerin an § 15 Abs. 1 KSchG scheitern könnte, weil die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung nach § 103 BetrVG wegen der Heranziehung der Klägerin als Ersatzmitglied zur Betriebsratssitzung und der damit möglicherweise eingetretenen Nachrückung gem. § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG hätte eingeholt werden müssen. Darauf käme es allerdings dann nicht an, wenn die ausgesprochene Änderungskündigung überflüssig war, weil sich dann eine Kündigung und damit eine Beteiligung des Betriebsrats erübrigte. Die Entscheidungen des BAG sind für die Praxis deshalb wichtig, weil sie dem Arbeitgeber eine für ihn weitgehend risikolose Alternative schaffen, im Wege der Änderungskündigung eine Personalentscheidung durchzusetzen, bei der möglicherweise zweifelhaft ist, ob sie auch über das Direktionsrecht, d.h. durch einseitige Leistungsbestimmung, umsetzbar wäre. Deshalb kann der Arbeitgeber im Zweifelsfall daran denken, zunächst eine einseitige Leistungsbestimmung vorzunehmen und hilfsweise auf eine Änderungskündigung zurückzugreifen, wenn sich nicht ausreichend sicher abschätzen lässt, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen durch das Direktionsrecht gedeckt ist. (Boe)

13. Vorrang der Änderungskündigung bei freiem Arbeitsplatz im Ausland Nach § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen (freien) Arbeitsplatz möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Dies schließt ggf. zumutbare Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ein. Ob dem Arbeitgeber eine Versetzung des Arbeitnehmers im Rahmen des Direktionsrechts auf den anderen Arbeitsplatz möglich wäre, spielt keine Rolle. Aus dem Ultima-Ratio-

112 BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 757/08, DB 2009, 2551 Rz. 54.

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Vorrang der Änderungskündigung bei freiem Arbeitsplatz im Ausland

Prinzip heraus folgt, dass der Arbeitgeber ggf. eine Änderungskündigung anstelle einer Beendigungskündigung aussprechen muss. Mit seinem Urteil vom 5.7.2012113 hat das LAG Düsseldorf deutlich gemacht, dass in diese Überlegungen zu den Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung des vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffenen Mitarbeiters Arbeitsplätze nicht einzubeziehen sind, die sich in einem anderen Betrieb des Unternehmens im Ausland befinden. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin geltend gemacht, dass der Arbeitgeber ihr eine Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in Tschechien hätte anbieten müssen. In diese dort gelegene Niederlassung des Unternehmens war ein Teil der Produktion verlagert worden. Völlig zu Recht weist das LAG Düsseldorf zwar darauf hin, dass ein entsprechendes Angebot des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung auf einem anderen (freien) Arbeitsplatz nicht bereits mit der Begründung unterbleiben kann, der Arbeitnehmer werde dieses Angebot (sicher) nicht annehmen. Es obliegt dem Arbeitnehmer selbst, eine Entscheidung über die Annahme entsprechender Angebote zu treffen. Das macht bereits § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG deutlich. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn bereits im Vorfeld einer solchen Kündigung erkennbar wird, dass der Arbeitnehmer ein entsprechendes Angebot vorbehaltlos und endgültig abgelehnt hat. Allerdings muss die Ablehnung auch mit dem Hinweis erfolgen, dass selbst die Möglichkeit einer Annahme des Angebots unter dem Vorbehalt einer sozialen Rechtfertigung von Seiten des Arbeitnehmers nicht gewünscht wird114. Eine solcher Art erklärte Ablehnung von Arbeitnehmern findet in der betrieblichen Praxis indes nicht statt. Entscheidend ist schlussendlich aber, dass der im Ausland gelegene Arbeitsplatz nach zutreffender Auffassung des LAG Düsseldorf nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG fällt. Als „Betrieb“ im Sinne des § 1 KSchG könnten nur die in der Bundesrepublik Deutschland liegenden organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens angesehen werden. Organisatorische Einheiten bzw. Betriebe, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelegen seien, gehören nicht hierzu. Insoweit hat sich das LAG Düsseldorf dem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 5.5.2011115 angeschlossen, das – im Gegensatz zum LAG Hamburg im Urteil vom 22.3.2011116 – in Anlehnung an die Entscheidung des BAG vom 113 114 115 116

15 Sa 485/12 n. v. Vgl. BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1289 Rz. 49. 5 Sa 220/11 n. v. 1 Sa 2/11, AE 2011, 240 f.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

26.3.2009117 die Ansicht vertreten hatte, das der erste Abschnitt des KSchG nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anzuwenden sei. Dem ist zuzustimmen. (Ga)

14. Wirksamkeit einer Altersgrenzenvereinbarung trotz Mini-Rente Bereits in seinen beiden Urteilen vom 16.10.2007118 und vom 12.10.2010119, über die wir berichtet hatten120, hatte der EuGH sich eingehend mit der Wirksamkeit tarifvertraglicher Altersgrenzenvereinbarungen beschäftigt. Allerdings war nach wie vor umstritten, ob die wirksame Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Altersgrenze für den Bezug der gesetzlichen Altersrente nicht doch aus Sicht des EuGH mit der Erwartung verknüpft war, dass diese Altersrente dem Arbeitnehmer eine angemessene Sicherung des Lebensstandards gewährleiste121. Insofern blieb umstritten, ob man von der Wirksamkeit entsprechender Regelungen auch dann ausgehen könne, wenn Arbeitnehmer nur eine sehr geringe Altersrente erhielten, die aus sich heraus mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben bzw. den Lebensstandard nicht gewährleisten dürfte. Auf der Grundlage eines Vorabentscheidungsersuchens des Södertörns tingsrätt (Schweden) hatte der EuGH nunmehr Gelegenheit, durch Urteil vom 5.7.2012122 auch hierzu noch einmal abschließend Stellung zu nehmen. Denn das Södertörns tingsrätt hatte dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt: 1. Kann eine nationale Vorschrift, die wie die 67-Jahre-Regel eine Ungleichbehandlung wegen des Alters beinhaltet, gerechtfertigt sein, selbst wenn sich weder aus dem Zusammenhang, in dem die Vorschrift entstanden ist, noch aus anderen Anhaltspunkten klar ergibt, welches Ziel oder welcher Zweck der Vorschrift zugrunde liegt? 117 118 119 120 121

2 AZR 883/07, DB 2009, 1409 Rz. 13. C-411/05, NZA 2007, 1219 ff. – Palacios de la Villa. C-45/09, NZA 2010, 1167 ff. – Rosenbladt. B. Gaul, AktuellAR 2007, 496 ff.; 2010, 127 ff. So beispielsweise Preis, NZA Editorial, Heft 14/2012; BAG v. 18.6.2008 – 7 AZR 116/07, NZA 2008, 1302 Rz. 42; Bauer/von Medem, NZA 2012, 945 ff.; a. A. beispielsweise Preis, NZA 2010, 1323 ff.; APS/Kiel, KSchG § 1 Rz. 721 b; nach Bayreuther, NJW 2012, 2758, 2761 kommt es zumindest dann nicht darauf an, ob die Rente angemessen ist, wenn vom Staat für eine hinreichende Grundsicherung gesorgt ist. 122 C-141/11, NZA 2012, 785 ff. – Hörnfeldt.

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Wirksamkeit einer Altersgrenzenvereinbarung trotz Mini-Rente

2. Geht eine nationale Vorschrift über die Versetzung in den Ruhestand wie die 67-Jahre-Regel, die ausnahmslos gilt und u. a. nicht die Rente berücksichtigt, die ein Einzelner beanspruchen können wird, über dasjenige hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels oder Zwecks angemessen und erforderlich ist?

Anlass für das Vorabentscheidungsersuchen war eine Klage des Herrn Hörnfeldt, der die Unwirksamkeit der in einem einschlägigen Kollektivvertrag festgelegte Altersgrenze mit Vollendung des 67. Lebensjahres mit der Begründung geltend gemacht hatte, dass darin eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters liege. Herr Hörnfeldt begann 1989 beim damaligen Postverk (Postdienst) zu arbeiten. Obwohl er mehrfach darum bat, in größerem Umfang arbeiten zu dürfen, arbeitete er von 1989 bis 2006 lediglich einen Tag pro Woche auf Stundenbasis. Von 2006 bis 2008 arbeitete er im Umfang von 75 %. Vom 11.10.2008 bis 31.5.2009 stand er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis im Umfang von 75 %. Nachdem das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 67. Lebensjahres auf der Grundlage der in dem Kollektivvertrag enthaltenen Regelung endete, bezog er eine gesetzliche Altersrente in Höhe von etwa 680,00 €/Monat. Hätte sein Arbeitsverhältnisses noch zwei oder drei Jahre fortbestanden, woran er interessiert war, hätte sich diese Altersrente auf etwa 913,00 €/Monat erhöht. Nach Auffassung des EuGH ist die Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 67. Lebensjahres nicht als unzulässige Diskriminierung wegen des Alters zu qualifizieren, auch wenn im vorliegenden Fall auf der Grundlage der individuellen Erwerbsbiografie tatsächlich eine Altersrente in Rede steht, die aus sich heraus das Leben bzw. den Lebensstandard kaum gewährleistet. Zunächst einmal bestätigt der EuGH auch in seinem Urteil vom 5.7.2012123, dass entsprechenden Regelungen typischerweise legitime Ziele im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG zugrunde lägen. So hatte die schwedische Regierung unter Bezugnahme auf die Vorarbeiten zu den in Rede stehenden Rechtsgrundlagen geltend gemacht, dass die 67-Jahre-Regel (1) verhindern solle, dass Arbeitsverhältnisse unter für die Arbeitnehmer erniedrigenden Bedingungen aufgrund ihres fortgeschritten Alters beendet würden, (2) eine Anpassung der Altersrentenregelungen an den Grundsatz der Berücksichtigung der während des gesamten Erwerbslebens erzielten Einkünfte ermöglichen solle, (3) die Schranken für diejenigen abbauen solle, die nach Erreichen des Alters von 65 Jahren weiterarbeiten wollten, (4) eine

123 C-141/11, NZA 2012, 785 Rz. 22 ff. – Hörnfeldt.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Anpassung an demografische Entwicklungen anstrebe und der Gefahr eines Arbeitskräftemangels zuvor kommen solle sowie (5) dazu berechtigen, aber nicht dazu verpflichten solle, bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres zu arbeiten, indem das Beschäftigungsverhältnis nach Vollendung des 65. Lebensjahres fortgesetzt werden könne. Die Festsetzung eines zwingenden Ruhestandsalters erleichtere zudem den Zugang junger Leute zum Arbeitsmarkt. Nach Auffassung des EuGH ist die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Beschäftigen, die das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, seit Langem Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus beruhe auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und hänge von der Entscheidung ab, die Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer zu verlängern oder, im Gegenteil, deren früheren Eintritt in den Ruhestand vorzusehen124. Darüber hinaus sei die Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozial- und Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten, zumal wenn es darum gehe, den Zugang jüngerer Personen zur Ausübung eines Berufs zu fördern125. Dass diese Ziele der Altersgrenzenregelung in der in Rede stehenden Vorschrift nicht ausdrücklich genannt würden, stehe der Wirksamkeit nicht entgegen. Denn eine nationale Regelung, die das angestrebte Ziel nicht genau angebe, sei nicht automatisch von einer Rechtfertigung gemäß Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG ausgeschlossen. Fehle es an einer solchen Angabe, sei allerdings wichtig, dass andere – aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete – Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichten, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden könnten126. Hiervon war der EuGH im vorliegenden Fall ausgegangen.

124 So bereits EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 Rz. 44 – Rosenbladt. 125 So bereits EuGH v. 21.7.2011 – C-159/10 und C-160/10, AP Nr. 21 zu Richtlinie 2000/78/EG Rz. 49 – Fuchs und Köhler; EuGH v. 18.11.2010 – C-250/09 und C268/09, NZA 2011, 29 ff. – Georgiev. 126 EuGH v. 5.7.2012 – C-141/11, NZA 2012, 785 Rz. 24; EuGH v. 21.7.2011 – C159/10 und C-160/10, AP Nr. 21 zu Richtlinie 2000/78/EG Rz. 39 – Fuchs und Köhler.

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Wirksamkeit einer Altersgrenzenvereinbarung trotz Mini-Rente

Aus seiner Sicht waren die Mittel (hier: Altersgrenze 67) zur Erreichung dieser Zielsetzungen auch angemessen und erforderlich. Zwar ist im Zusammenhang mit der Rechtfertigung einer Altersgrenze zu berücksichtigen, das auch die Teilnahme älterer Arbeitnehmer am Berufsleben und damit am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben besonderes Augenmerk zu richten ist. Ihr Verbleiben im Berufsleben fördert – so der EuGH – die Vielfalt im Bereich der Beschäftigung, die ein im 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG anerkanntes Ziel ist. Um zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Maßnahme über das zur Erreichung der angestrebten Ziele Erforderliche hinausgehe und die Interessen von Arbeitnehmern, die das 67. Lebensjahr vollenden, übermäßig beeinträchtige, sei sie in dem Regelungskontext zu betrachten, in den sie sich einfüge. Insofern müssten die Nachteile, die eine solche Regelung für die Betroffenen bewirke, ebenso wie die Vorteile berücksichtigt werden, die mit ihr für die Gesellschaft im Allgemeinen und die diese bildenden Individuen im Besondern bedeute127. Im Hinblick darauf nennt der EuGH vier Gründe, die aus seiner Sicht die entsprechende Regelung rechtfertigen128: Zunächst einmal hebt der EuGH hervor, dass die 67-Jahre-Regel nicht nur zur Folge habe, dass mit Vollendung des 67. Lebensjahres eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkt werde. Vielmehr sei – entsprechend den Vorgaben in § 41 SGB VI – die Regelung auch mit dem Verbot verbunden, eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Vollendung des 67. Lebensjahres zu vereinbaren. Losgelöst davon geht der EuGH davon aus, dass die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 67. Lebensjahres den Betroffenen nicht die Möglichkeit nehme, über diesen Zeitpunkt hinaus beruflich tätig zu sein. Dass es allerdings kaum möglich ist, eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber in diesem Alter zu finden, erörtert der EuGH nicht. Ihm genügt scheinbar das Recht, eine Beschäftigung aufnehmen zu können, um insoweit eine Diskriminierung auszuschließen. Drittens stelle die 67-Jahre-Regel nicht nur darauf ab, dass ein bestimmtes Alter erreicht werde, sondern berücksichtige auch, dass dem Arbeitnehmer am Ende seiner beruflichen Laufbahn ein finanzieller 127 EuGH v. 5.7.2012 – C-141/11, NZA 2012, 785 Rz. 37 f. – Hörnfeldt; EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 Rz. 73 – Rosenbladt. 128 EuGH v. 5.7.2012 – C-141/11, NZA 2012, 785 Rz. 39 ff. – Hörnfeldt.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Ausgleich durch einen Einkommensersatz in Gestalt einer Altersrente zukomme. Viertens gehe aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hervor, dass, wer keine einkommensbezogene Altersrente oder nur eine niedrige Rente beanspruchen könne, ab Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente in Form einer Grundversorgung beziehen könne, die in einer Garantierente, Wohngeld und/oder einer Unterhaltsbeihilfe für ältere Menschen bestehe. Offenkundig genügt dem EuGH also, dass bei niedrigen Renten durch ergänzende staatliche Leistungen das Leben bzw. der Lebensunterhalt gewährleistet wird. Hiervon war er bereits in Bezug auf Frau Rosenbladt ausgegangen, die eine deutlich niedrigere Rente als Herr Hörnfeldt bezog.

Nach diesen klaren Feststellungen des EuGH wird man in der betrieblichen Praxis von der Wirksamkeit entsprechender Altersgrenzenvereinbarungen ausgehen können. Dies dürfte ohne Rücksicht darauf gelten, ob diese durch Gesetz, Tarifvertrag oder arbeitsvertragliche Regelungen bestimmt werden. Da sich die Feststellungen des EuGH bislang allerdings stets auf tarifvertragliche Regelungen beziehen, dürfte es empfehlenswert sein, dort, wo entsprechende Tarifverträge bestehen, diese unmittelbar oder durch Bezugnahme zur Grundlage einer entsprechenden Vertragsbeendigung zu machen. (Ga)

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F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Anspruch auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts durch betriebliche Übung

Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung kann auch die betriebliche Übung als Rechtsquelle in Betracht kommen (§ 1 b Abs. 1 S. 4 BetrAVG), so dass sie wie eine ausdrückliche Versorgungszusage Versorgungsverpflichtungen des Arbeitgebers auslöst. Nach ständiger Spruchpraxis des BAG1 handelt es sich bei einer betrieblichen Übung um ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung oder sonstige Vergünstigung, etwa den Abschluss einer Versorgungsvereinbarung, zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung oder Vergünstigung auch künftig gewährt. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung beigemessen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann2. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis begründet, aus dem sich bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung herleiten lässt. Da § 151 BGB nur die zugangsbedürftige Erklärung der Annahme eines Vertragsangebots ersetzt, ist grundsätzlich für den Vertragsschluss ein nach außen hervortretendes Verhalten des Angebotsempfängers erforderlich, aus dem der Wille zur Annahme entnommen werden kann (Vertragstheorie). Dabei ist ein derartiger Wille zur Annahme regelmäßig dann zu bejahen, wenn der Erklärungsempfänger ein für ihn lediglich vorteilhaftes Angebot nicht durch eine nach außen erkennbare Willensäußerung abgelehnt hat3. Allerdings kann ein Anspruch aus einer betrieblichen Übung nur unter der Voraussetzung entstehen, dass es an einer anderen kollektiv – oder individualrechtlichen Rechtsgrundlage für die Gewährung der Leistung fehlt4. Dies erklärt sich daraus, dass der Arbeitnehmer bei Vorliegen einer 1 2 3 4

Vgl. nur BAG v. 15.5.2012 – 3 AZR 610/11 n. v.; BAG v. 16.2.2010 - 3 AZR 118/08, NZA 2011, 104 Rz. 9. BAG v. 15.2.2011 - 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541 Rz. 88 m. w. N.; BAG v. 30.7.2008 - 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rz. 17. BAG v. 15.5.2012 – 3 AZR 610/11 n. v.; BGH v. 14.10.2003 - XI ZR 101/02, NJW 2004, 287 Rz. 13. BAG v. 20.6.2007 - 10 AZR 410/06, NZA 2007, 1293 Rz. 23.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

anderweitigen Rechtsgrundlage annehmen muss, der Arbeitgeber will die daraus für den Arbeitnehmer herleitbare Verpflichtung erfüllen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber nur einer vermeintlichen Verpflichtung aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder vertraglichen Regelung nachkommt5. Ein derartiger Vertrauenstatbestand zu Gunsten des Arbeitnehmers entsteht jedoch noch nicht bei einer erstmaligen oder gar wiederholten vorbehaltlosen Gewährung einer Leistung oder Vergünstigung des Arbeitgebers, weil der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bei derartiger Sachlage noch nicht auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen darf6. Die Rechtsprechung des BAG hat bislang keine allgemeinverbindliche Regel aufgestellt, ab welcher Wiederholung eines den Arbeitnehmer begünstigenden Verhaltens, das sich auf alle Arbeitsbedingungen beziehen kann, die einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zugänglich sind, ein Bindungswille des Arbeitgebers angenommen werden kann. So hat das BAG7 bei der Gewährung von jährlich an die Belegschaft geleisteten Gratifikationen angenommen, dass die dreimalige vorbehaltlose Zahlung einen Verpflichtungstatbestand nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung begründen kann. Demgegenüber hat das BAG8 im Falle der tatsächlichen Zahlung einer übertariflichen Zulage, die über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos gewährt und nicht mit Tariflohnerhöhungen vom Arbeitgeber verrechnet worden war, eine betriebliche Übung verneint, wonach die Zulage auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden solle. Für die Arbeitnehmer sei nämlich erkennbar, dass der Arbeitgeber regelmäßig nicht absehen könne, ob er bei künftigen Tariflohnerhöhungen weiter in der Lage sein werde, eine bisher gewährte Zulage in unveränderter Höhe fortzuzahlen. Bezüglich laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hat das BAG9 eine Gewährung über einen Zeitraum von fünf bzw. acht Jahren für ausreichend angesehen. Ein Arbeitnehmer kann bereits mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses in den Genuss einer im Betrieb vorhandenen betrieblichen Übung gelangen,

5 6 7 8 9

BAG v. 18.4.2007 - 4 AZR 653/05, DB 2007, 2598 Rz. 43. BAG v. 15.5.2012 – 3 AZR 610/11 n. v. m. w. N.; BAG v. 30.7.2008 - 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rz. 27. BAG v. 1.4.2009 - 10 AZR 393/08, ZTR 2009, 485 Rz. 19. BAG v. 23.9.2009 – 5 AZR 973/08, EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 50. BAG v. 15.5.2012 – 3 AZR 610/11 n. v.; BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 194/07, NZA 2009, 196 Rz. 26.

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Vereinbarung eines Versorgungsrechts durch betriebliche Übung

wobei gleichgültig ist, ob er bereits zu diesem Zeitpunkt die anspruchsbegründenden Voraussetzungen erfüllt hat10. Ob ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vereinbarung einer Versorgungszusage aus einer betrieblichen Übung herleiten kann, war Gegenstand einer Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 15.5.201211. Der Kläger war bei der Beklagten nahezu 20 Jahre als Bankangestellter beschäftigt. Seit dem Jahre 1972 vereinbarte die Beklagte mit nahezu allen Mitarbeitern nach zwanzigjähriger Tätigkeit im Bankgewerbe, davon mindestens zehn Jahre bei der Beklagten, sofern sie gute Beurteilungen erhalten hatten und ihr Gesundheitszustand eine vorzeitige Zurruhesetzung nicht erwarten ließ, Versorgungsverträge. Diese Handhabung wurde nicht nur in einem Mitarbeiterhandbuch publiziert, sondern war auch Gegenstand einer Personalinformation im Jahre 1994 und einer Power-Point Präsentation im Jahre 2001. Im Januar 2009 beschloss der Vorstand der Beklagten aus Anlass von Umstrukturierungsmaßnahmen bedingt durch die Finanzkrise, keine Versorgungsrechte mehr zu vereinbaren. Der Kläger, der im Jahr 2009 regulär zur Verleihung des Versorgungsrechts angestanden hatte, erhielt von der Beklagten die Mitteilung, dass bis auf weiteres keine Versorgungsrechte mehr erteilt würden. Da der Kläger am 1.10.2009 die vorbeschriebenen Voraussetzungen für die Verleihung eines Versorgungsrechts erfüllt hatte, nahm er die Beklagte in Anspruch, ihm in Ergänzung zum bestehenden Arbeitsvertrag vom 1.1.2000 ein Angebot auf Abschluss eines Versorgungsvertrages mit einem näher formulierten Inhalt zu unterbreiten. Die Beklagte verteidigte sich vor allem damit, dass der Kläger kein schützenswertes Vertrauen auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts habe erwerben können, weil die Entscheidung darüber in ihrem Ermessen gestanden habe. Die Klage des Klägers war in allen Instanzen erfolgreich. Das BAG ging davon aus, dass dem Kläger aus einer bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Übung ein Anspruch zustand, von der Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Versorgungsvertrages zu erhalten. Dabei ließ sich das BAG von der Erwägung leiten, dass die Beklagte bereits seit dem Jahr 1972 unter Berücksichtigung der herangezogenen drei Kriterien entsprechende Versorgungsverträge mit den Arbeitnehmern abgeschlossen hatte. Unterdessen gelangte der Kläger bereits bei Eintritt in das Arbeitsverhältnis in den Genuss dieser betrieblichen Übung, weil sie zu diesem Zeitpunkt schon seit 1972 praktiziert worden war. Deshalb kam es auch nicht 10 BAG v. 15.5.2012 – 3 AZR 610/11 n. v.; BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 194/07, NZA 2009, 196 Rz. 38. 11 3 AZR 610/11 n. v.

449

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

darauf an, dass die Beklagte vor Erfüllung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen bei dem Kläger erklärt hatte, die Vereinbarung eines Versorgungsrechts einstellen zu wollen. Das BAG betont in diesem Zusammenhang, dass bei den Arbeitnehmern ein schutzwürdiges Vertrauen nicht erst dann geweckt wird, wenn sie selbst in den Genuss der Versorgungszusage kommen; vielmehr wird der Vertrauenstatbestand schon dadurch begründet, dass der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ein Versorgungsversprechen erteilt und dies im Unternehmen bekannt wird. Dabei wird vom BAG angenommen, dass sich derartige betriebliche Übungen im Betrieb schnell herumzusprechen pflegen. Das BAG ließ auch nicht den Einwand der Beklagten gelten, dem Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung stünde ein immanenter Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Wenn der Arbeitgeber vermeiden will, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, so muss er – so das BAG – einen entsprechenden einschränkenden Vorbehalt klar und deutlich zum Ausdruck bringen12, was im Streitfall nicht geschehen war. In Anbetracht der Rechtsprechung des BAG zur betrieblichen Übung, die aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Erwähnung in § 1 b BetrAVG auch als Rechtsquelle für eine Versorgungsverpflichtung in Betracht kommt, muss ein Arbeitgeber, der für die Zukunft eine entsprechende Vertragsbindung vermeiden will, einen entsprechenden Vorbehalt vor der jeweiligen Leistungsgewährung erklären, was durch Aushang, Rundschreiben oder durch Erklärung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern geschehen kann. Nach Ansicht des BAG können Ansprüche für die zukünftigen Jahre auch dann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitgeber nach außen hin zum Ausdruck bringt, die Vergünstigung von einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall abhängig machen zu wollen13. (Boe)

2.

Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Herabsetzung der Leistungen einer Pensionskasse

Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt, kann die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar über den Arbeitgeber oder mittelbar über eine Direktversiche12 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 118/08, NZA 2011, 104 Rz. 14; BAG v. 19.2.2008 – 3 AZR 61/06, NZA-RR 2008, 597 Rz. 20. 13 Vgl. auch BAG v. 15.2.2011 – 3 AZR 365/09 n. v.

450

Herabsetzung der Leistungen einer Pensionskasse

rung, eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds sowie durch eine Unterstützungskasse erfolgen (§ 1 Abs. 1 S. 2 BetrAVG). Unabhängig davon, ob eine unmittelbare Versorgungszusage des Arbeitgebers vorliegt oder eine andere Versorgungsform gewählt wird, trifft die Verpflichtung aus der Versorgungszusage den Arbeitgeber. Diese Pflichtenstellung des Arbeitgebers wird ausdrücklich in § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG bestätigt, wonach der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann einzustehen hat, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Die Frage einer derartigen Einstandspflicht des Arbeitgebers war Gegenstand einer Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 19.6.201214. Der Arbeitgeber hatte dem klagenden Arbeitnehmer eine Betriebsrente zugesagt, die über eine Pensionskasse durchgeführt werden sollte. Seit dem 1.11.2003 bezog der Kläger von der Pensionskasse die Pensionskassenrente. Die Satzung der Pensionskasse sieht vor, dass ein Fehlbetrag unter bestimmten Voraussetzungen durch Herabsetzung der Leistungen auszugleichen ist. Die Mitgliederversammlung der Pensionskasse beschloss im Jahre 2003 eine Herabsetzung ihrer Leistung und zahlte an den Kläger in der Folgezeit nur noch eine verringerte Pensionskassenrente aus. Der Kläger nahm daraufhin die Beklagte aus dem arbeitsvertraglichen Grundverhältnis auf Ausgleich der Leistungskürzung klageweise in Anspruch. Die Beklagte verteidigte sich unter anderem damit, dass die Satzung der Pensionskasse vorsehe, dass ein Fehlbetrag durch Herabsetzung der Leistungen auszugleichen sei, was der Kläger hinzunehmen habe. Das BAG hat wie bereits die Vorinstanzen der Klage entschieden und die Verpflichtung des Arbeitgebers auf Ausgleich der herabgesetzten Pensionskassenrente aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG hergeleitet. Auch wenn die Pensionskasse von ihrem satzungsmäßigen Recht Gebrauch macht, Fehlbeträge durch Herabsetzung ihrer Leistungen auszugleichen, trifft den Arbeitgeber aus dem arbeitsvertraglichen Grundverhältnis die Pflicht, an den Arbeitnehmer die Beträge zu zahlen, um die die Pensionskasse ihre Leistungen gekürzt hat. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien – wie hier – vereinbart haben, dass für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die jeweils gültige Satzung der Pensionskasse maßgebend sein solle15. Eine derartige dynamische Inbezugnahme der Satzung der Pensionskasse in der Versorgungszusage erstreckt sich nach Ansicht des BAG nicht auf eine Satzungsbestimmung, die der Pensionskasse das Recht einräumt, Fehlbeträge durch Herabsetzung ihrer Leistungen auszugleichen. Dies folgt aus § 17 Abs. 3 14 3 AZR 408/10 n. v. 15 Vgl. Rolfs, BetrAV 2012, 469 ff.

451

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

S. 3 BetrAVG, wonach von den Bestimmungen des BetrAVG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Da § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG nicht vertragsdispositiv ist, konnte sich der Arbeitgeber auch nicht durch Hinweis auf die Satzung der Pensionskasse von seiner eigenen Einstandspflicht aus der Versorgungszusage gegenüber dem Arbeitnehmer befreien. (Boe)

3.

Prüfungszeitraum für die Betriebsrentenanpassung

Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Regelung verfolgt den Zweck, eine inflationsbedingte Auszehrung der Betriebsrenten zu vermeiden, um so das ursprünglich vorausgesetzte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei Rentenbeginn aufrechtzuerhalten16. Von § 16 BetrAVG kann nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (§ 17 Abs. 2 S. 3 BetrAVG). In den weiteren Absätzen des § 16 BetrAVG konkretisiert der Gesetzgeber zur besseren Handhabung der in § 16 Abs. 1 BetrAVG nur vage umschriebenen Anpassungsprüfung die näheren Einzelheiten, unter welchen Voraussetzungen eine Anpassungsprüfung als erfüllt gilt, eine Verpflichtung zur Anpassung entfällt und wann eine Anpassung zu Recht unterbleiben darf. Nach § 16 Abs. 2 BetrAVG gilt die Verpflichtung der Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ausfällt als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Vorgabe kann der Arbeitgeber im Rahmen der Anpassungsprüfung den Anpassungsmaßstab wählen und sich anstelle der Verbraucherindex-Lösung, die den Teuerungsausgleich der Geldrente abbildet, für eine darunter liegende netto- oder reallohnbezogene Obergrenze entscheiden. Damit werden die Belange des Versorgungsempfängers durch den Anpassungsbedarf, der sich nach dem seit Rentenbeginn eintretenden Kaufkraftverlust richtet, bestimmt, aber zugleich durch die Nettoverdienstentwicklung bei den aktiven Arbeit16 BAG v. 19.6.2012 – 3 AZR 464/11, BB 2012, 1663 m. w. N.; BAG v. 30.8.2005 – 3 AZR 395/04, DB 2006, 732 Rz. 22; BAG v. 21.8.2001 – 3 AZR 589/00, NZA 2003, 561 Rz. 15.

452

Prüfungszeitraum für die Betriebsrentenanpassung

nehmern begrenzt17. Der Billigkeit widerspricht es danach nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrente nur bis zur durchschnittlichen Steigerung der Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer anpasst. Bleibt die Entwicklung der Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer hinter dem Kaufkraftverlust zurück, müssen auch die Betriebsrentner mit einer entsprechend geringeren Rentenerhöhung zufrieden sein. Damit wird ein Gleichlauf des Versorgungsniveaus der Betriebsrentner mit dem Einkommensniveau der noch aktiven Arbeitnehmer hergestellt18. Grundsätzlich ist der volle Anpassungsbedarf seit Rentenbeginn zu ermitteln, womit der Prüfungszeitraum festgelegt wird, der nicht zur Disposition des Arbeitgebers steht19. Dieser Prüfungszeitraum ist auch für die jeweiligen Prüfungstermine maßgebend. Ob für die Alternative der Nettolohnentwicklung der Anpassungsbedarf der Versorgungsempfänger ebenfalls seit dem individuellen Rentenbeginn bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag zu bestimmen ist, war Gegenstand einer Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 19.6.201220. Der Kläger bezog seit dem 1.1.2006 eine Betriebsrente von monatlich 3173 € brutto. Die Beklagte bündelte die Anpassungsprüfungen nach § 16 BetrVG jeweils zum 1.7. eines jeden Kalenderjahres. Zum 1.7.2009 passte sie die Betriebsrente des Klägers um 2,91 % auf 3265,50 € brutto an und legte dabei die Nettolohnentwicklung sämtlicher Mitarbeiter im deutschen Konzern mit Ausnahme der sog. „Executives“ in den Kalenderjahren 2006 bis 2008 zu Grunde. Der Kläger beanstandete diese Anpassung als unzureichend und beanspruchte von der Beklagten den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufpreisverlust von 6,04 % mithin eine Rente in Höhe von 3364,65 € brutto sowie Nachzahlung des monatlichen Differenzbetrags. Das BAG hat die Klage für berechtigt angesehen, weil die von der Beklagten praktizierte Anpassung der Betriebsrente nicht billigem Ermessen entsprach. Die Beklagte hatte nämlich nicht die Nettolohnentwicklung vom Rentenbeginn des Klägers (1.1.2006) zum Anpassungsstichtag (1.7.2009) berücksichtigt, sondern lediglich die Nettolohnentwicklung in den Kalenderjahren 2006 bis 2008. In Anbetracht dessen konnte der Kläger eine Anpassung seiner Betriebsrente an den seit Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag ein-

17 BAG 30.8.2005 - 3 AZR 395/04, DB 2006, 732 Rz. 33 f. 18 BAG v. 19.6.2012 – 3 AZR 464/11, BB 2012, 1663 m. w. N. 19 BAG v. 19.6.2012 – 3 AZR 464/11, BB 2012, 1663; BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 810/05, DB 2008, 135 Rz. 16. 20 3 AZR 464/11, BB 2012, 1663.

453

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

getretenen Kaufkraftverlust in Höhe von 6,04 % von der Beklagten beanspruchen. Nicht zu beanstanden war nach Ansicht des BAG21, dass die Beklagte alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zum 1. Juli eines Jahres gebündelt hatte und sich damit für den Kläger der 1.7.2009 als Prüfungstermin ergab. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass der gesetzlich vorgeschriebene Dreijahresrhythmus die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin erlaubt, weil damit ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand vermieden wird und die Interessen der Betriebsrentner allenfalls geringfügig beeinträchtigt werden, weil sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung verzögert. Wählt der Arbeitgeber die reallohnbezogene Obergrenze, um den auf der Grundlage des zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlustes ermittelten Anpassungsbedarf zu begrenzen, muss er ebenfalls zur Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung den Prüfungszeitraum vom individuellen Rentenbeginn bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag zugrunde legen. Dieser Bewertungsansatz entspricht nach Auffassung des BAG auch der in § 16 Abs. 4 S. 1 BetrAVG vorgesehenen Regelung, wonach der Arbeitgeber zur nachholenden Anpassung nicht verpflichtet ist, wenn die Anpassung zu Recht ganz oder teilweise unterblieben ist. Damit setzt diese Bestimmung eine nachholende Anpassung geradezu voraus, weil sie sonst unsinnig wäre. Das BAG weist in diesem Zusammenhang auch zu Recht darauf hin, dass der Gleichlauf der Prüfungszeiträume für den Anpassungsbedarf und die reallohnbezogene Obergrenze zwar zu einer nachholenden Anpassung für die Zukunft, nicht aber zu einer nachträglichen, auf frühere Anpassungsstichtage bezogenen Anpassung führt. Da die Beklagte fehlerhaft eine Berechnungsmethode angewandt hatte, die nicht der Nettolohnentwicklung vom Rentenbeginn des Klägers bis zum Anpassungsstichtag entsprach, war sie gehalten, zur Ermittlung des Kaufkraftverlustes auf den zum Anpassungsstichtag aktuellsten vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisindex für Deutschland zurückzugreifen22 .

21 BAG v. 19.6.2012 – 3 AZR 464/11, BB 2012, 1663; BAG v. 30.11.2010 – 3 AZR 754/08, DB 2011, 1002 Rz. 48 f. 22 BAG v. 28.6.2011 – 3 AZR 859/09, NZA 2011, 1285 Rz. 28.

454

Prüfungszeitraum für die Betriebsrentenanpassung

Für die betriebliche Praxis wird durch die Entscheidung des BAG nochmals klargestellt, dass bei der Anpassungsprüfung die Bündelung aller Betriebsrenten auf einen Stichtag erlaubt ist, wobei die erste Anpassung um nicht mehr als sechs Monate verzögert werden darf. Vom jeweiligen Prüfungstermin zu trennen ist der Prüfungszeitraum, der sich auf den gesamten Zeitraum seit Rentenbeginn bis zum Prüfungstermin erstreckt, unabhängig davon, ob der Anpassungsmaßstab der eingetretene Kaufpreisverlust oder die reallohnbezogene Obergrenze sein soll. Missachtet der Arbeitgeber diese Grundsätze, widerspricht seine Entscheidung billigem Ermessen. Die Begrenzungsalternative der reallohnbezogenen Obergrenze erweist sich nicht nur deswegen als schwierig, weil nicht nur die erforderliche Vergleichsgruppenbildung problematisch sein kann, sondern auch einen erheblichen Verwaltungsaufwand hinsichtlich der Sicherung entsprechender Daten bedeutet. (Boe)

455

.

G. Tarifrecht 1.

Nachwirkung eines Anerkenntnis-Verbandstarifvertrags

Typischerweise regelt jeder Tarifvertrag selbst, welche Rechte und Pflichten für die tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien während seiner Laufzeit gelten sollen. Insbesondere auf der Ebene von Firmentarifverträgen ist es allerdings auch üblich, durch Tarifvertrag auf die Regelungen eines anderen (Verbands-)Tarifvertrags Bezug zu nehmen. Eigenständig werden dann nur noch solche Rechte und Pflichten geregelt, die abweichend von dem im Wege der Anerkenntnis in Bezug genommenen Tarifvertrag gelten sollen. Mit seinem Urteil vom 22.2.20121 hat der 4. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die entsprechende Bezugnahme durch Tarifvertrag auf die Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags von der Rechtssetzungsbefugnis von Tarifvertragsparteien gedeckt ist. Voraussetzung sei allerdings, dass der Geltungsbereich der in Bezug genommenen Tarifnorm mit dem Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm in einem engen sachlichen Zusammenhang stehe. Je nachdem, ob die Tarifnorm, auf die verwiesen werde, in erster Linie raumbezogen, betriebsbezogen, fachbezogen oder personenbezogen sei, müsse auch hinsichtlich des maßgebenden Geltungsbereichs ein enger Sachzusammenhang mit dem entsprechenden Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm bestehen. Das Erfordernis des engen sachlichen Zusammenhangs des Geltungsbereichs der Tarifverträge diene dazu, dass auch bei der Inkorporierung fremden Normsetzungswillens dem Postulat der Sachgerechtigkeit der tariflichen Regelung im Sinne eines angemessenen Interessenausgleichs Rechnung getragen werde2. Blankettverweisungen auf jeweils geltende andere Tarifverträge sind nur dann ohne weitergehende Erfordernisse unbedenklich, wenn sie zwischen denselben Tarifvertragsparteien bestehen3. In dem der Entscheidung vom 22.2.20124 zugrunde liegenden Fall war dieser Zusammenhang zwischen dem Verweisungstarifvertrag und dem 1 2 3 4

4 AZR 8/10, ZTR 2012, 436 ff. Rz. 20 f. BAG v. 22.2.2012 – 4 AZR 8/10, ZTR 2012, 436 ff. Rz. 20; BAG v. 29.8.2001 – 4 AZR 332/00, NZA 2002, 513 ff. Rz. 37. BAG v. 22.2.2012 – 4 AZR 8/10, ZTR 2012, 436 ff. Rz. 20; BAG v. 10.11.1982 – 4 AZR 1203/79, DB 1983, 717 ff. Rz. 36. 4 AZR 8/10, ZTR 2012, 436 ff.

457

Tarifrecht

Bezugstarifvertrag gegeben. Beide waren zwischen der gleichen Gewerkschaft abgeschlossen. Im Übrigen verwies der Verweisungstarifvertrag auf solche Tarifverträge, die für die Arbeitnehmer in seinem persönlichen Geltungsbereich bis zu einer Privatisierung gegolten hatten. Die aus dieser Bezugnahme auf einen anderen Tarifvertrag folgende Zusammenführung der Regelungen zweier Tarifverträge hat auch Konsequenzen für den Fall, dass die gesetzliche Bindung an diesen Tarifvertrag beendet wird. In dem vorstehend genannten Fall war diese Beendigung der Tarifbindung dadurch eingeleitet worden, dass die Beklagte ihre Mitgliedschaft in dem tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverband zum 30.6.2005 kündigte. Der Verbandstarifvertrag, der durch den Arbeitgeberverband zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden war, enthielt eine Bezugnahme auf den MTV Angestellte bzw. den MTV Arbeiter II sowie die diese ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung. Als der Arbeitgeberverband mit Wirkung zum 1.10.2005 den MTV Angestellte und den MTV Arbeiter II durch den Tarifvertrag für die arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e. V. (TV-AVH) ersetzte, machte die Klägerin geltend, dass für ihr Arbeitsverhältnis angesichts der dynamischen Bezugnahme im Anerkenntnistarifvertrag jetzt der TV-AVH zur Anwendung käme. Auf dessen Grundlage sollte die Beklagte eine Jahressonderzuwendung zahlen. Mit überzeugender Begründung hat der 4. Senat des BAG einen Anspruch auf die Sonderzuwendung nach Maßgabe des TV-AVH abgelehnt. Dieser Tarifvertrag sei als Konsequenz des bereits zuvor wirksam gewordenen Austritts aus dem Arbeitgeberverband für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht (mehr) verbindlich geworden. Zutreffend aus Sicht der Klägerin war zwar, dass der TV-AVH als Konsequenzen der dynamischen Verweisungsbestimmung im Zweifel Bestandteil des Arbeitsverhältnisses geworden wäre, sofern zu diesem Zeitpunkt die Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband fortbestanden hätte. Diese Dynamik hatte jedoch zum 30.6.2005, dem Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband, ihr Ende gefunden. Damit trat die Fortgeltung gemäß § 3 Abs. 3 TVG ein, woraus mit dem Inkrafttreten des TV-AVH zum 1.10.2005 eine Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG wurde. Nach den insoweit ergänzenden Feststellungen des BAG gilt ein tarifvertraglich in Bezug genommener anderer Tarifvertrag nicht als solcher für die an den Verweisungstarifvertrag gebundenen Parteien des Arbeitsverhältnisses, sondern als inkorporierter Teil des Verweisungstarifvertrags. Mit einer 458

Nachwirkung eines Anerkenntnis-Verbandstarifvertrags

- dynamischen - tarifvertraglichen Verweisung auf einen anderen Tarifvertrag sei – so das BAG – keine eigenständige und normative Geltung des in Bezug genommenen Tarifvertrags verbunden. Der verweisende Tarifvertrag und der in Bezug genommene Tarifvertrag bildeten eine Einheit. Die Normen des Bezugstarifvertrags seien Teil der Normen des Verweisungstarifvertrags5. Diese von den Tarifvertragsparteien mit ihrer Verweisung vorgenommene Verknüpfung mehrerer Tarifverträge zu einem Regelwerk habe weitreichende Folgen für den zeitlichen Umfang der Fortgeltung (Nachgeltung). Denn diese besteht nach § 3 Abs. 3 TVG nur solange, bis der Tarifvertrag endet. Nach ständiger Rechtsprechung zu § 3 Abs. 3 TVG steht dem Ende eines Tarifvertrags aber jede Änderung des Tarifvertrags gleich. Ausgehend davon, dass der Verweisungstarifvertrag und der Bezugstarifvertrag eine Einheit bilden, führt deshalb jede Änderung, Ergänzung oder Ersetzung des inkorporierten Tarifvertrags nach Ablauf der Bindung an den VerweigerungsTarifvertrag zum Ende der – normativen – Geltung des Verweisungstarifvertrags. Jede Änderung, Ergänzung oder Ersetzung des Verweisungsobjekts sei gleichzeitig eine solche des nur noch nachgeltenden Verweisungssubjekts. Sei aufgrund einer solchen Änderung das Ende des Tarifvertrags eingetreten, bleibe die Tarifgebundenheit an den Verweisungstarifvertrag nicht länger normativ nach § 3 Abs. 3 TVG fortbestehen6. Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Diese Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG schließt sich auch bei einem Verbandsaustritt an das Ende der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG an. Sie schreibt dann aber nur noch den Tarifstand in statischer Form fest, wie er zum Zeitpunkt dieser Beendigung des bis dahin geltenden Tarifvertrags gegolten hat. Dies gilt auch dann, wenn die nachwirkende Tarifnorm nach ihrem Wortlaut dynamisch auf eine in einem anderen Tarifvertrag vereinbarte Regelung, die nach dem Beginn der Nachwirkung geändert worden ist, verweist. Eine lediglich nachwirkende Verweisung erstreckt sich nicht auf im Nachwirkungszeitraum vereinbarte Änderungen der in Bezug genommenen Regelungen7.

5 6 7

BAG v. 22.2.2012 – 4 AZR 8/10, ZTR 2012, 436 ff. Rz. 25; BAG v. 10.3.2004 – 4 AZR 140/03, ZTR 2004, 407 f. Rz. 18. BAG v. 22.2.2012 – 4 AZR 8/10, ZTR 2012, 436 ff. Rz. 26; BAG v. 17.5.2000 – 4 AZR 363/99, NZA 2001, 453 ff. Rz. 42 ff. So BAG v. 22.2.2012 – 4 AZR 8/10, ZTR 2012, 436 ff. Rz. 27; BAG v. 10.3.2004 – 4 AZR 140/03, ZTR 2009, 407 f. Rz. 17.

459

Tarifrecht

Von diesen Grundsätzen ausgehend konnte der TV-AVH, der erst zum 1.10.2005 in Kraft getreten war, für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien keine Geltung mehr entfalten. Denn mit seinem Inkrafttreten endete der zum Zeitpunkt des Verbandsaustritts der Beklagten (30.6.2005) geltende MTV Arbeiter II. Zu diesem Zeitpunkt endete dann auch die Fortgeltung (Nachbindung) der Beklagten an den Verbandstarifvertrag gemäß § 3 Abs. 3 TVG. Konsequenz war, dass nur noch dessen Regelungen gemäß § 4 Abs. 5 TVG in die Nachwirkung traten. Der erst im Anschluss daran wirksam werdende TV-AVH gehörte nicht mehr zu diesem Regelungswerk. (Ga)

2.

Schadensersatz wegen rechtswidrigen Warnstreiks

Wechselt ein Unternehmen während laufender Tarifvertragsverhandlungen innerhalb eines Arbeitgeberverbands von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) und informiert es die Gewerkschaft über diesen Statuswechsel, sind spätere gegen dieses Unternehmen gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen zum Abschluss eines Verbandstarifvertrags unzulässig. Dies hat das BAG mit Urteil vom 19.6.20128 festgestellt. In dem zugrunde liegenden Fall betrieb die Klägerin ein Unternehmen, das Verpackungen und Packungsbeilagen für Pharma-Produkte herstellte. Sie war bis zum 29.3.2009 tarifgebundenes Mitglied im Arbeitgeberverband Druck und Medien Hessen e. V. (VDMH). Mit Wirkung vom 30.3.2009 wechselte sie innerhalb des VDMH in eine OT-Mitgliedschaft und wurde zudem Mitglied im Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen (VPU). Mit Schreiben des VPU vom 19.5.2009 und einem Gespräch vom 22.5.2009, an dem u. a. der Geschäftsführer der Klägerin und Vertreter von ver.di teilnahmen, wurde die Gewerkschaft über den Statuswechsel unterrichtet. Dennoch rief ver.di am 29.5.2009 die Beschäftigten der Klägerin von 6.00 bis 22.00 Uhr zu einem Warnstreik zur Durchsetzung einer fünfprozentigen Lohnerhöhung in der Druckindustrie auf. Daran beteiligten sich alle gewerblichen Arbeitnehmer. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Warnstreik sei infolge ihres Statuswechsels rechtswidrig gewesen. Sie hat deshalb von ver.di Schadensersatz in Höhe von rund 35.000 € verlangt. Entgegen der Bewertung durch die Vorinstanzen ist das BAG von einer Rechtswidrigkeit des Warnstreiks ausgegangen. Diese Rechtswidrigkeit hat-

8

1 AZR 775/10 n. v.

460

Fehlende Berücksichtigung der Berufserfahrung in anderen Unternehmen

te zur Folge, dass die Gewerkschaft gemäß § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet war, den durch den Streik bedingten Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ausgelösten Schaden zu ersetzen. In der Begründung dieser Bewertung hat der 1. Senat des BAG darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem VDMH zum Zeitpunkt der Arbeitskampfmaßnahme nicht mehr als tarifgebundenes Mitglied angehört habe. Ihr vorheriger Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft sei für ver.di hinreichend transparent und damit tarifrechtlich wirksam gewesen. Dies habe zur Folge, dass Streikmaßnahmen, die auf den Abschluss des Verbandstarifvertrags gerichtet gewesen seien, rechtswidrig waren. Denkbar gewesen wäre allein, dass ver.di die bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer zur Durchführung eines Unterstützungsstreiks aufgerufen hätte. Ebenso wäre denkbar gewesen, dass der Streik zum Abschluss eines Firmentarifvertrags durch das nicht mehr tarifgebundene Unternehmen hätte führen sollen. Eine nachträgliche Umdeutung des Warnstreiks, die die Klägerin trotz fehlender Tarifbindung getroffen hatte, lehnt das BAG ab. Die Gewerkschaft hätte also schon bei Einleitung des Arbeitskampfes die entsprechende Zielsetzung ihrer Streikmaßnahme unter Berücksichtigung der tarifvertraglich regelbaren Ziele bzw. der Besonderheiten des Unterstützungsstreiks ausrichten müssen. Eine abschließende Feststellung konnte das BAG indes nicht treffen. Wegen fehlender Feststellungen zur Schadenshöhe war der Rechtsstreit vielmehr zur weiteren Sachaufklärung an das LAG Berlin-Brandenburg zurückzuverweisen. (Ga)

3.

Eingruppierung: Fehlende Berücksichtigung der Berufserfahrung in anderen Unternehmen

Art. 1 Richtlinie 2000/78/EG verbietet ebenso wie § 1 AGG, das Alter ohne eine besondere Rechtfertigung als Grund für eine Benachteiligung heranzuziehen. Unerheblich dabei ist, ob die Benachteiligung auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene erfolgt. Auch eine tarifvertragliche Regelung, die wegen des Alters benachteiligt, ist grundsätzlich unwirksam. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn die besonderen Voraussetzungen einer zulässigen Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß Art. 6 Richtlinie 2000/78/EG bzw. § 10 AGG erfüllt sind. Mit Urteil vom 7.6.20129 hat der EuGH deutlich gemacht, dass keine unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters gegeben ist, wenn bei der ta9

C-132/11, NZA 2012, 742 f. – Tyrolean Airways.

461

Tarifrecht

rifvertraglichen Einstufung von Flugbegleitern die durch eine gleiche Tätigkeit in anderen Unternehmen des Konzerns erworbene Berufserfahrung keine Berücksichtigung findet. Eine entsprechende Regelung war in dem Tarifvertrag der Tyrolean Airways enthalten. Danach war für alle Regelungen und Ansprüche, für die das Eintrittsdatum relevant ist, allein die Einstellung Tyrolean Airways maßgeblich. Art. 2 Richtlinie 2000/78/EG verbietet zwar ebenso wie § 3 AGG i. V. m. § 1 AGG, dass unmittelbar oder mittelbar wegen des Alters benachteiligt wird. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters liegt dabei vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines bestimmten Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Nach Auffassung des EuGH liegt in einer tarifvertraglichen Regelung, die Berufserfahrungen in anderen Konzernunternehmen nicht berücksichtigt, keine Ungleichbehandlung, die unmittelbar oder mittelbar auf das Alter oder auf ein an das Alter anknüpfendes Ereignis abstellt. Denn eine Bestimmung, die die Berufserfahrung zur Grundlage einer Eingruppierung und der daraus folgenden Vergütung mache, beruhe auf einem Kriterium, das weder untrennbar mit dem Alter der Arbeitnehmer verbunden sei, noch mittelbar daran anknüpfe. Dies gelte selbst dann, wenn berücksichtigt würde, dass die Anwendung des streitigen Kriteriums in bestimmten Einzelfällen dazu führen könne, dass die höhere Vergütung bei Arbeitnehmern, die nicht durchgängig bei der Tyrolean Airways beschäftigt waren, trotz vergleichbarer Berufserfahrung erst in einem höheren Alter erfolgt. Zwingend erscheint diese Bewertung indes nicht. Denn schlussendlich kommt die Berufserfahrung ohne Rücksicht darauf, ob sie beim Vertragsarbeitgeber oder im Rahmen einer vorangehenden Beschäftigung erworben wurde, dem Arbeitgeber selbst in gleicher Weise zugute. Eine sachliche Rechtfertigung für die Benachteiligung solcher Arbeitnehmer, die die Berufserfahrung in anderen (Konzern-)Unternehmen gesammelt haben, erscheint allenfalls dann denkbar, wenn man in der Vergütung der geleisteten Arbeit zugleich auch eine Honorierung der dem Vertragsarbeitgeber gegenüber erbrachten Betriebstreue sieht. Unterstellt man allerdings, dass die Vergütung der Arbeit grundsätzlich nicht an der Dauer der Betriebszugehörigkeit ausgerichtet wird, sondern den Wert der Arbeit zugrunde legt, wäre auch dieses Kriterium ungeeignet, eine entsprechende Differenzierung zu rechtfertigen. Leider findet sich in den Ausführungen des EuGH indes keine Auseinandersetzung mit dieser Frage, die für die betriebliche Praxis bei ta462

Tatbestandsvoraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung

riflichen und betrieblichen Vergütungssystemen gleichermaßen von Bedeutung sein kann. Von daher ist eine Übernahme der hier getroffenen Grundsätze nicht ohne weiteres zu empfehlen. (Ga)

4.

Anspruch auf Auskunft über die Tatbestandsvoraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung

Gemäß § 5 Abs. 1 TVG kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären, wenn 1. die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und 2. die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.

Hiervon kann nur abgesehen werden, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung zur Behebung eines sozialen Notstands erforderlich erscheint. Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags hat in der betrieblichen Praxis eine ganz erhebliche Bedeutung. Sie führt nämlich auch in solchen Arbeitsverhältnissen, in denen es keine beiderseitige Tarifbindung gibt, zu einer unmittelbaren und zwingenden Geltung der normativen Regelungen eines Tarifvertrags. Die Möglichkeit, im Rahmen der negativen Koalitionsfreiheit vom Tarifvertrag abweichende Regelungen zu treffen, wird damit eingeschränkt. Sie ist nur noch dann zulässig, wenn sie durch den Tarifvertrag gestattet wird oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (§ 4 Abs. 3 TVG). Für die von einem solchen Tarifvertrag betroffenen Arbeitsvertragsparteien ist es in der Regel nicht erkennbar, auf welcher Grundlage das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem aus Spitzenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss zu der Erkenntnis gelangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Allgemeinverbindlicherklärung erfüllt sind. In Bezug auf das öffentliche Interesse mag insoweit noch ein Beurteilungsspielraum gegeben sein, der insbesondere eine politische Bewertung erlaubt. Bei der Frage, ob die bereits unmittelbar tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen, 463

Tarifrecht

handelt es sich allerdings um eine objektive Tatsache, deren Vorliegen zur Überzeugung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erkennbar sein muss. Mit seinem Urteil vom 23.5.201210 hat das VG Berlin mit überzeugender Begründung klargestellt, dass die damit verbundene Ungewissheit für die von einer Allgemeinverbindlicherklärung betroffenen Arbeitsvertragsparteien durchaus beseitigt werden kann. Denn nach § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) hat jeder nach Maßgabe des IFG gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Zu den Behörden im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 IFG gehört auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, weil es sich auch im Zusammenhang mit der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen noch um eine vollziehende Gewalt handelt, die weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung zugerechnet werden kann. Die Behörde kann nach § 1 Abs. 2 IFG Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Amtliche Informationen im Sinne dieses Gesetzes sind jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 IFG). Losgelöst von den Ausschlusstatbeständen in § 3 IFG (Schutz von besonderen öffentlichen Belangen), § 4 IFG (Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses) und § 5 IFG (Schutz personenbezogener Daten) steht § 6 IFG dem Anspruch auf Informationszugang dann entgegen, wenn dies zum Schutz geistigen Eigentums erforderlich ist. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf danach nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Nach Auffassung des VG Berlin im Urteil vom 23.5.201211 war auch der Versagungsgrund des § 6 S. 2 IFG nicht gegeben. Soweit das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Herausgabe von Informationen in Bezug auf die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren vom 20.12.1999 in der Fassung verschiedener Änderungstarif10 VG 2 K 96.11 n. v. 11 VG 2 K 96.11 n. v.

464

Tatbestandsvoraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung

verträge zwischen der IG BAU einerseits und den Arbeitgeberverbänden „Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V.“ und des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e. V. mit der Begründung abgelehnt hatte, dass andernfalls Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beiden Arbeitgeberverbände gefährdet seien, hat dies das VG Berlin nicht überzeugt. Denn es war auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Behörde nicht erkennbar, dass solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in Rede standen. Hierzu werden nur solche Tatsachen, Umstände und Vorgänge gerechnet, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches Interesse an der Nichtverbreitung der Information im danach erforderlichen Sinne fehlt, wenn die Offenlegung der in Rede stehenden Tatsachen nicht geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen12. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, zumal bereits nicht erkennbar war, ob und ggf. in welcher Weise die beiden Arbeitgeberverbände überhaupt unternehmerisch tätig waren. In jedem Fall aber war nicht erkennbar, wie Angaben zu den Arbeitnehmerzahlen im Geltungsbereich des in Rede stehenden Tarifvertrags der weiteren koalitionsspezifischen Tätigkeit der Arbeitgeberverbände entgegen gestanden hätten. Konsequenz der Entscheidung des VG Berlin war, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verpflichtet wurde, dem Kläger Auskunft zu erteilen über 1. die Zahl der von den Sozialkassen des Baugewerbes erfassten gewerblichen Arbeitnehmer und die Zahl der in den Mitgliedsbetrieben beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer beim HDB und ZDB, 2. die Zahl der in den tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen und Mitgliedsbetrieben beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer mit Meldebögen der bauindustriellen Mitgliedsverbände, 3. die Zahl der unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes fallenden Beschäftigten unter Anwendung der jährlichen Erhebung des Statistischen Bundesamtes und nach der Statistik der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes sowie die Zahl der in den tarifgebundenen Betrieben Beschäftigten nach Angaben der Tarifvertragspar-

12 BVerwG v. 28.5.2009 – VII C 18.08 n. v. (Rz. 13); BVerwG v. 24.9.2009 – VII C 2.09 n. v. (Rz. 50); VG Berlin v. 23.5.2012 – VG 2 K 96.11 n. v.

465

Tarifrecht

teien sowie die Berechnung der Tarifbindung aus dem Prüfvermerk des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Auf dieser Grundlage dürfte sich relativ sicher feststellen lassen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 Abs. 1 TVG gegeben waren. Es bleibt abzuwarten, ob nach Maßgabe der in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze auch in weiteren Fällen entsprechende Auskunftsansprüche geltend gemacht werden. Anzunehmen ist, dass es eine nicht unerhebliche Zahl entsprechender Allgemeinverbindlicherklärungen gibt, bei denen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer entsprechenden Erklärung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zumindest zweifelhaft sind. (Ga)

466

H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.

Kennzeichnung des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen

Angesichts der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit, die insbesondere im Rahmen von Konzernverbindungen inzwischen der Regelfall ist, spielt der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen in der betrieblichen Praxis eine zunehmend wichtige Rolle. Dies gilt nicht nur für die kündigungsschutzrechtliche Bewertung, die zu einer unternehmensübergreifenden Sozialauswahl führen kann1. Insbesondere die betriebsverfassungsrechtlichen Konsequenzen eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen haben erhebliche Bedeutung, sind sie doch mit einer unternehmensübergreifenden Interessenvertretung in Form eines einzigen Betriebsrats verknüpft. Dies folgt schlussendlich bereits aus § 1 Abs. 1 S. 1, 2 BetrVG. Mit seinem Beschluss vom 18.1.20122 hat der 7. Senat des BAG wichtige Klarstellungen in Bezug auf die Kennzeichnung des gemeinsamen Betriebs, die Konsequenzen einer rechtsgeschäftlichen Übertragung einzelner Betriebsteile sowie das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG getroffen. Wesentliche Einzelheiten dieser Feststellungen sollen nachfolgend zusammengefasst werden.

a)

Kennzeichnung des gemeinsamen Betriebs

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG werden in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt. Dies gilt nach § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG auch für gemeinsame Betriebe mehrerer Unternehmen. Hiervon ausgehend bestätigt das Gesetz, dass ein Betrieb im Sinne des BetrVG auch durch mehrere Arbeitgeber geführt werden kann. Dies setzt voraus, dass die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat aus gesteuert werden. Dazu müssen sich – so das BAG – die beteiligten Unternehmen zumindest konkludent zu einer gemeinsamen Führung verbunden ha1 2

Vgl. BAG v. 29.11.2007 – 2 AZR 763/06, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 95; HWK/Quecke, KSchG § 23 Rz. 6. 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 f.

467

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

ben3. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Eine nur unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten des BetrVG institutionell einheitlich für die Beteiligten wahrgenommen werden4. Im Gegensatz dazu ist ein Betriebsteil nur gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt. Nicht erforderlich ist, dass insoweit die Leitungsmacht in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten eigenständig ausgeübt wird. Dies macht im Umkehrschluss auch § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG deutlich. Danach gilt ein Betriebsteil – entgegen seiner eigentlichen Kennzeichnung – als selbständiger Betrieb, wenn er räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG) oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig ist (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG). Für einen solchen Betriebsteil ist grundsätzlich ein eigener Betriebsrat zu wählen, es sei denn, die Arbeitnehmer haben nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG beschlossen, an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb teilzunehmen. Um die Feststellung eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen auf der Ebene des Betriebsverfassungsrechts zu erleichtern, hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 BetrVG zwei eigenständige Vermutungen geschaffen. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wird ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vermutet, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden. Wie das BAG mit seinem Beschluss vom 18.1.20125 deutlich macht, setzt ein Rückgriff auf diese Vermutung aber voraus, dass dargelegt und ggf. bewiesen wird, dass ein „gemeinsamer Einsatz“ erfolgt, also eine übergreifende Steuerung der Arbeitnehmer in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten durch einen einheitlichen Leitungsapparat gegeben ist6. Dabei kommt es – so das BAG – darauf an, dass ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der auch charakteristisch für den normalen Betriebsablauf der beteiligten Unternehmen ist7. Mit dem Nachweis dieser gemeinsamen Leitung entfällt die Notwen3 4 5 6 7

HWK/B. Gaul, BetrVG § 1 Rz. 15 m. w. N. BAG v. 18.1.2012 – 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 25; BAG v. 13.8.2008 – 7 ABR 21/07, NZA-RR 2009, 255 Rz. 19, 23. 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 30 ff. Vgl. BAG v. 13.8.2008 – 7 ABR 21/07, NZA-RR 2009, 255 Rz. 29; HWK/B. Gaul, BetrVG § 21 Rz. 17. BAG v. 18.1.2012 – 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 35.

468

Kennzeichnung des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen

digkeit, das Vorliegen einer Führungsvereinbarung zwischen den am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen darzulegen und ggf. zu beweisen8. Alternativ hierzu ist in der betrieblichen Praxis zu prüfen, ob die Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG nutzbar gemacht werden kann. Danach wird ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vermutet, wenn die Spaltung eines Unternehmens zur Folge hat, dass von einem Betrieb ein oder mehrere Betriebsteile einem an der Spaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet werden, ohne dass sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs wesentlich ändert. In seinem Beschluss vom 18.1.20129 hat das BAG zwar offen gelassen, ob die Anwendbarkeit dieser Vorschrift an das Vorliegen einer Unternehmensspaltung nach § 123 UmwG geknüpft ist oder ob – wofür mehr spricht – auch eine sonstige Form der Übertragung eines Betriebsteils auf einen anderen Rechtsträger bei unverändertem Fortbestand des übertragenen Rechtsträgers erfasst wird10. Entscheidend ist jedenfalls, dass allein der unveränderte Fortbestand einer unternehmensübergreifenden Leitungsmacht nicht genügt, um auch von dem Fortbestand eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen auszugehen. Vielmehr ist erforderlich, dass auch im Anschluss an die Zuordnung eines Betriebsteils zu einem anderen Rechtsträger dieser auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze zur Kennzeichnung eines Betriebs oder selbständigen Betriebsteils durch §§ 1, 4 BetrVG weiterhin als Bestandteil des bisherigen Betriebs qualifiziert werden kann. Dies ist nicht nur dann nicht der Fall, wenn die beteiligten Unternehmen letztendlich mehrere Betriebe jeweils gemeinsam führen. Vielmehr ist das (weitere) Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs auch dann abzulehnen, wenn der von einer Zuordnung zu einem anderen Rechtsträger betroffene Betriebsteil im Zusammenhang mit dieser Zuordnung auch räumlich so verändert wird, dass eine weite Entfernung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG gegeben ist. Denn auch die übergreifende Ausübung einer Leitungsmacht in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten, die einen Betriebsteil letztendlich zum Bestandteil eines Betriebs macht, befreit nicht von der Notwendigkeit, dass diese Betriebsteile nicht räumlich weit voneinander entfernt sein dürfen. Denn wenn eine räumlich weite Entfernung gegeben ist, werden diese Betriebsteile gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG ohne Rücksicht auf die übergreifende Leitungsmacht 8 BAG v. 18.1.2012 – 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 31. 9 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 38. 10 So bereits HWK/B. Gaul, BetrVG § 1 Rz. 18.

469

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

schlussendlich als Folge der gesetzlichen Fiktion wie ein selbständiger Betrieb behandelt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in dem betroffenen Betriebsteil die Mindestgröße für die Wahl eines Betriebsrats im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG gegeben ist. Hiervon war in dem Sachverhalt auszugehen, der dem Beschluss vom 18.1.201211 zugrunde lag. Denn die in Rede stehenden Einheiten, die von den beteiligten Unternehmen im Zweifel sogar gemeinsam geführt wurden, lagen jeweils räumlich weit voneinander entfernt. Hiervon ausgehend waren sie wie selbständige Betriebe zu behandeln, so dass trotz übergreifend einheitlicher Leitungsmacht nicht ein einziger gemeinsamer Betrieb vorlag. Vielmehr war davon auszugehen, dass die beteiligten Unternehmen jeweils mehrere gemeinsame Betriebe führten, die betriebsverfassungsrechtlich eigenständig zu behandeln waren.

b)

Gemeinsamer Betrieb kraft Zuordnungstarifvertrag

Das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs kann auch durch den Abschluss eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 BetrVG bewirkt werden. Denn die beteiligten Unternehmen sind in der Lage, gemeinsam mit der für die betrieblichen Einheiten zuständigen Gewerkschaft festzulegen, welche Betriebe oder Betriebsteile einen unternehmensübergreifenden Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsrechts bilden sollen. Mit der Zuordnung dieser Teile werden sie gemeinsam als eine einzige betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit gekennzeichnet, die nach § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG als Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG gilt. In diesem Fall kommt es dann auch nicht darauf an, ob die räumliche Entfernung nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG an sich der übergreifenden Bildung eines einzigen (gemeinsamen) Betriebs entgegensteht. Denn mit einem Zuordnungstarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG können auch räumlich weit voneinander gelegene Einheiten zu einem einzigen Betrieb zusammengefasst werden12. Werden einzelne Teile des durch einen Zuordnungstarifvertrag zu einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen zusammengefassten Betriebs gemäß § 613 a BGB durch einen anderen Rechtsträger übernommen, ist dies nicht mit einer Fortgeltung des Zuordnungstarifvertrags für den übernehmenden Rechtsträger verbunden. § 613 a Abs. 1 S. 2 BetrVG, der die Fortgeltung der durch Tarifvertrag geregelten Rechte und Pflichten bestimmt, erfasst keine tarifvertraglichen Regelungen zu betrieblichen oder betriebsver-

11 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 41 ff. 12 Vgl. HWK/B. Gaul, BetrVG § 3 Rz. 8; Fitting, BetrVG § 3 Rz. 33 f.

470

Kennzeichnung des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen

fassungsrechtlichen Fragen. Sofern also kein Beitritt des übernehmenden Rechtsträgers auf der tarifvertraglichen Ebene vereinbart wird, der übernehmende Rechtsträger also nicht durch eigene Entscheidung Partei des Tarifvertrags wird, fallen die von diesem Rechtsträger übernommenen Betriebsteile aus dem gemeinsamen Betrieb im Sinne des § 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG heraus. Ob und inwieweit in diesen Einheiten ein eigener Betriebsrat gebildet wird, hängt von den §§ 1, 4 Abs. 1 BetrVG ab. Allerdings hat der bis zur Herauslösung dieser Betriebsteile aus der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit nach § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG zuständige Betriebsrat ein Übergangsmandat nach § 21 a Abs. 1 BetrVG. Dieses endet, wie das BAG im Beschluss vom 18.1.201213 zu Recht ausgeführt hat, aber spätestens sechs Monate nach der Ausgliederung der Betriebsteile und ihrer Übertragung auf den anderen Rechtsträger14.

c)

Beschlussverfahren zur Feststellung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsstruktur

Ist zweifelhaft, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, erlaubt § 18 Abs. 2 BetrVG dem Arbeitgeber, jedem beteiligten Betriebsrat, jedem beteiligten Wahlvorstand oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, eine klarstellende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu beantragen. Mit diesem Verfahren eröffnet das Gesetz die Möglichkeit, gerichtlich mit Bindungswirkung unabhängig von einer konkreten Betriebsratswahl klären zu lassen, ob eine Organisationseinheit betriebsratsfähig ist. Nach den klarstellenden Feststellungen des 7. Senats des BAG im Beschluss vom 18.1.201215 liegen betriebsratsfähige Organisationseinheiten im Sinne des § 18 Abs. 2 BetrVG vor, wenn es sich bei den Einrichtungen um Betriebe im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG, um selbständige Betriebsteile nach § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG oder um betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten im Sinne des § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG handelt. Mit der Feststellung können – so das BAG – insbesondere Unsicherheiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten, die teilweise von der Zahl der in dem Betrieb beschäftigen Arbeitnehmer abhängen, ausgeräumt werden. Außerdem dient das Verfahren dazu, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße künftige Betriebsratswahl zu schaffen. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG kläre daher – so das BAG – eine für zahlreiche betriebs13 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 68. 14 Eingehend HWK/B. Gaul BetrVG § 3 Rz. 39 ff. 15 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 17 ff., 23.

471

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

verfassungsrechtliche Fragestellungen bedeutsame Vorfrage, in dem verbindlich festgelegt werde, welche Organisationeinheit als der Betrieb anzusehen sei, in dem ein Betriebsrat zu wählen sei und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen könne16. Für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 18 Abs. 2 BetrVG kommt es nach den ausdrücklichen Feststellungen des BAG nicht darauf an, in welchen betrieblichen Organisationseinheiten bereits Betriebsräte gewählt sind. Denn mit dieser Wahl ist die betriebsverfassungsrechtliche Situation allenfalls für die laufende Amtszeit der Betriebsräte geklärt. Für künftige Betriebsratswahlen besteht nach wie vor ein Interesse an der Feststellung, in welcher Organisationseinheit ein Betriebsrat zu wählen ist. Der Betriebsrat – so das BAG – habe das erforderliche Interesse an einer Feststellung nach § 18 Abs. 2 BetrVG u. a. dann, wenn streitig sei, ob für mehrere Betriebsstätten des Unternehmens ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen sei oder ob die einzelnen Betriebsstätten für sich genommen betriebsratsfähig seien17. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings der Umstand, dass die Feststellungen zur Antragsbefugnis in § 18 Abs. 2 BetrVG abschließend sind. Einzelne Arbeitnehmer sind ebenso wenig antragsberechtigt wie die Schwerbehindertenvertretung. Darauf weist das BAG im Beschluss vom 18.1.201218 ausdrücklich hin. (Ga)

2.

Betriebsgröße: Keine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern

Mit seinem Urteil vom 18.10.201119, über das wir berichtet haben20, hatte der 1. Senat des BAG die These vertreten, dass Leiharbeitnehmer bei der Feststellung des Anwendungsbereichs der Beteiligungsrechte eines Betriebsrats wegen einer Betriebsänderung in § 111 S. 1 BetrVG zu berücksichtigen sind. Insofern seien auch Leiharbeitnehmer, die mehr als sechs Monate im Betrieb eingesetzt würden, als „in der Regel … wahlberechtigte Arbeitnehmer“ zu qualifizieren. Ihre Beschäftigung kann also zur Folge haben, dass der Schwellenwert für eine Beteiligung von Betriebsräten nach §§ 111, 112 16 BAG v. 18.1.2012 – 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 19, BAG v. 13.8.2008 – 7 ABR 21/07, NZA-RR 2009, 255 Rz. 16; BAG v. 17.1.2007 – 7 ABR 63/05, NZA 2007, 703 ff. Rz. 12. 17 BAG v. 18.1.2012 – 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 19; BAG v. 9.12.2009 – 7 ABR 38/08, NZA 2010, 906 ff. Rz. 18. 18 7 ABR 72/10, DB 2012, 1754 Rz. 71 f. 19 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 Rz. 15. 20 B. Gaul, AktuellAR 2012, 217 ff.

472

Betriebsgröße: Keine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern

BetrVG überschritten wird, was insbesondere die Sozialplanpflicht einer Betriebsänderung auslöst. In seinem Beschluss vom 2.8.201121 hat das LAG Nürnberg diese Bewertung nicht auf § 9 BetrVG übertragen. Nach seinen Feststellungen sind deshalb bei der Bestimmung der Größe des Betriebsratsgremiums Leiharbeitnehmer nicht zu berücksichtigen. Da § 9 BetrVG keinen von § 5 BetrVG abweichenden Arbeitnehmerbegriff enthalte, könne Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Feststellung der Größe eines Betriebsrats nur sein, wer mit dem Entleiher, in dessen Betrieb gewählt werde, in einem Arbeitsverhältnis stehe. Dieser Bewertung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Zu Recht verweist das LAG Nürnberg insoweit auch auf die Systematik in den §§ 5 Abs. 1, 7 S. 2 BetrVG. Denn wenn Leiharbeitnehmer bereits Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG seien, hätte es der Sonderregelung zur Gewährleistung eines aktiven Wahlrechts in § 7 S. 2 BetrVG nicht bedurft. Ebenso überflüssig wäre § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG, der Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes, die an ein Unternehmen der Privatwirtschaft überlassen werden, den Status von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG gibt. Damit bestätigt das LAG Nürnberg in Bezug auf § 9 BetrVG den bisherigen Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer zwar wählen, aber nicht zählen22. Das BAG folgt bei der Auslegung, wer betriebsangehöriger Arbeitnehmer ist, bisher der sogenannten Kumulationstheorie, nach der zu berücksichtigende Arbeitnehmer sowohl in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und darüber hinaus in die Betriebsorganisation eingegliedert sein müssen23. Bis zu der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 16.4.200324 war in Rechtsprechung25 und Literatur26 kontrovers diskutiert worden, ob die Einführung des § 7 S. 2 BetrVG durch Art. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsreformgesetz von 2001 zu einer Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer führe. Abzuwarten bleibt, ob auch das BAG der Sichtweise des LAG Nürnberg je-

21 7 TaBV 66/10 n. v. (Rz. 33 ff.). 22 Ständige Rechtsprechung seit BAG v. 18.1.1989 – 7 ABR 21/88, 724 ff.; zuletzt BAG v. 7.5.2088 – 7 ABR 17/07, NZA 2008 Rz. 16 ff. 23 Vgl. Kreutz, FS Wissmann, S. 364 ff. 24 7 ABR 53/02, NZA 2003, 1345 Rz. 16. 25 Mitzählen wollte u. a. ArbG Frankfurt/M. v. 22.5.2002 – 2 BV 148/02, AiB 2003, 626 ff., exemplarisch für viele Instanzgerichte. 26 Für eine Berücksichtigung Hamann, NZA 2003, S. 526, 530; Fitting, § 9 Rz. 25 f. m. w. N.

473

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

denfalls in § 9 BetrVG folgt und damit seine bisherige Rechtsprechung27 bestätigt. Revision ist eingelegt28. (Ga)

3.

Wählbarkeit von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes in Privatbetrieben

Grundsätzlich setzt die Wahlberechtigung (aktiv und passiv) von Arbeitnehmern im Bereich der Betriebsverfassung voraus, dass sie von § 5 Abs. 1 BetrVG erfasst werden. Danach sind Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne des BetrVG Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Arbeitnehmer, die bei einem anderen Rechtsträger beschäftigt werden, um von dort aus im Wege der Leiharbeit bzw. Personalgestellung in der Organisationsstruktur eines anderen Arbeitgebers zum Einsatz kommen sollen, sind grundsätzlich keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Dies zeigt im Umkehrschluss auch § 7 S. 2 BetrVG. Danach sind Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers, die zur Arbeitsleistung überlassen werden, wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Eine Wählbarkeit ist auch bei einem Überschreiten dieses Überlassungszeitraums nicht vorgesehen. Abweichend hiervon bestimmt allerdings § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG, dass als Arbeitnehmer auch Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten gelten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind. Sie können daher, obwohl sie in keinem Arbeitsverhältnis zu diesem privatrechtlich organisierten Unternehmen stehen, nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit in den Betriebsrat gewählt werden (§§ 5 Abs. 1 S. 3, 8 Abs. 1 BetrVG). Voraussetzung ist lediglich, dass sie in den Betrieb eingegliedert sind, der dortige Betriebsinhaber also das arbeitgeberseitige Weisungsrecht in Bezug auf Art, Ort und Zeit der Tätigkeit ausübt. Ein aktives Wahlrecht besteht vom ersten Tag an. § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG erfasst jede Tätigkeit, innerhalb derer Beamte, Soldaten oder Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einem privatrechtlich or-

27 v. 16.4.2003 – 7 ABR 53/02, NZA 2003, 1345 Rz. 16. 28 7 ABR 69/11.

474

Wählbarkeit von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes in Privatbetrieben

ganisierten Unternehmen zur Arbeitsleistung überlassen werden. Die Bezeichnung (Personalgestellung, Abordnung, Arbeitnehmerüberlassung) spielt keine Rolle29. Auch ist eine bestimmte Dauer nicht erforderlich30. Die an das privatrechtlich organisierte Unternehmen überlassenen Personen werden als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG bei der Berechnung von Schwellenwerten berücksichtigt, sind mit Beginn der Gestellung nach den §§ 7 S. 1, 8 BetrVG aktiv und nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit auch passiv wahlberechtigt. Sie können vom Geltungsbereich etwaiger Betriebsvereinbarungen erfasst werden. Auch ist eine Doppelmitgliedschaft in Betriebsrat und Personalrat möglich31. Die Dauer der Überlassung spielt betriebsverfassungsrechtlich nur dann eine Rolle, wenn bei der Feststellung der Zahl von Beschäftigten auf die „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer abgestellt wird. Dies hatte das BAG bereits bei seinen Feststellungen zur Einbindung von Leiharbeitnehmern in die Berechnung der Schwellenwerte nach § 111 BetrVG klargestellt32. Wir hatten darüber berichtet33. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das BAG im Beschluss vom 15.8.201234 zu Recht klargestellt, dass eine Betriebsratswahl im Betrieb eines privaten Unternehmens rechtsunwirksam ist, wenn daran Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die überlassen wurden, nicht beteiligt worden sind. In dem zugrunde liegenden Fall erbrachte das Unternehmen Dienstleistungen für ein in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführtes Universitätsklinikum und beschäftigte aufgrund eines Gestellungsvertrags auch knapp 300 beim Universitätsklinikum angestellte Arbeitnehmer. Der Wahlvorstand hielt diese Arbeitnehmer nicht für den Betriebsrat wählbar und wies einen Wahlvorschlag zurück, auf dem einige dieser Arbeitnehmer kandidierten. Die hieraus gestützte Wahlanfechtung einer in dem Betrieb vertretenen Gewerkschaft war deshalb begründet. Denn auch die gestellten Arbeitnehmer besaßen im Einsatzbetrieb das passive Wahlrecht nach den §§ 5 Abs. 1 S. 3, 7, 8 BetrVG. (Ga)

29 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011 – 15 TaBV 2347/10 n. v. Rz. 30 ff. 30 LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011 – 15 TaBV 2347/10 n. v. Rz. 30; a. A. Heise/Fedder, NZA 2009, 1069, 1070 f. 31 LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011 – 15 TaBV 2347/10 n. v. Rz. 38; HWK/B. Gaul, BetrVG § 5 Rz. 34 a. 32 BAG v. 18.10.2011 – 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 ff. Rz. 19 ff. 33 B. Gaul, AktuellAR 2011, 557 ff.; 2012, 217 ff. 34 7 ABR 34/11 n. v.

475

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

4.

Arbeitsbefreiung für außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit

Gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG hat das Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, einen Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen dabei auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; (nur) wenn diese aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist, muss die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit vergütet werden. In seinem Urteil vom 15.2.201235 hat der 7. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die zeitliche Festlegung der Arbeitsbefreiung durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen im Sinne des § 106 S. 1 GewO in Verbindung mit § 315 Abs. 3 BGB erfolgen muss. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger, der Vorsitzende des Betriebsrats, im ersten Quartal 2009 im Umfang von 77,16 Stunden aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben erfüllt. Hierfür begehrte er einen Ausgleich durch Arbeitsbefreiung zum einen in der Zeit vom 25. bis 28.3.2009 und zum anderen am 10., 12. und 15.6.2009. Auf der Grundlage dieses Begehrens verständigten sich die Parteien zwar auf einen Teil der Tage, an denen die Freistellung zum Ausgleich dieser „betriebsratsbezogenen Mehrarbeit“ erfolgen sollte. Mit dem ergänzenden Vorschlag der Beklagten, den Kläger in den Osterferien an einzelnen Tagen freizustellen, erklärte sich dieser indes nicht einverstanden. Er vertrat die Auffassung, dass die Beklagte bei der Festlegung des Ausgleichszeitraums die Wünsche des Betriebsratsmitglieds folgen müsse, sofern diesen keine betriebsbedingten Gründe entgegenstünden. Das BAG ist dieser Bewertung des Klägers nicht gefolgt. Nach seiner Auffassung durfte die Beklagte den Freistellungszeitraum nach billigem Ermessen festlegen, ohne in der vom Kläger begehrten Weise an die Vorstellung des Betriebsratsmitglieds gebunden zu sein. Mit der dadurch ausgelösten Freistellung des Klägers war der Freistellungsanspruch erfüllt und damit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

35 7 AZR 774/10, NZA 2012, 1112 ff.

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Arbeitsbefreiung für außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit

Nach seinen ergänzenden Feststellungen erfolgt die Erfüllung des Anspruchs aus § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht, Arbeitsleistung zu erbringen. Wie bereits der Wortlaut der gesetzlichen Regelung erkennen lasse („ist … zu gewähren“), bedürfe die Freistellung keiner Einigung, sondern lediglich einer empfangsbedürftigen gestaltenden Erklärung des Arbeitgebers, mit der er zum Zwecke der Erfüllung des Arbeitsbefreiungsanspruchs nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichte und die Arbeitspflicht des Betriebsratsmitglieds zum Erlöschen bringe. Damit handele es sich um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit im Sinne des § 106 S. 1 GewO. Mit der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung werde zugleich auch die Zeit bestimmt, während derer ein Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten habe. Beide Festlegungen unterlägen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, wie es durch § 106 S. 1 GewO begründet würde. Dies ermögliche es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort, nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB zu bestimmen36. Entgegen der von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung37 nimmt das BAG in seinem Urteil vom 15.2.201238 in Übereinstimmung mit einem anderen Teil der Literatur39 an, dass keine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers analog § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG zu berücksichtigen. Dies folge nicht nur aus dem unterschiedlichen Wortlaut der gesetzlichen Regelungen. Auch der Sinn und Zweck des Freizeitausgleichsanspruchs in § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG geböte kein Verständnis dahingehend, auf ihn den in § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG ausdrücklich festgelegten Maßstab zu übertragen. Die Intentionen von Urlaubsanspruch und Anspruch auf Arbeitsbefreiung seien unterschiedlich. Ebenso wenig wie ein tarifvertraglich vorgesehener Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit „Erholungsurlaub“ sei40, diene die Arbeitsbefreiung wegen der in der Freizeit geleisteten Betriebsratstätigkeit dem Erholungszweck. Sie ziele vielmehr – wie insbesondere die Monatsfrist des § 37 Abs. 3 S. 3 BetrVG verdeutliche – auf einen möglichst zeitnahen und im Zusammenhang mit der Erledigung der Betriebsratsaufgaben stehenden Ausgleich des aus betriebsbedingten Grün36 BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 774/10, NZA 2012, 1112 ff. Rz. 25; BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 567/03, NZA 2005, 359 ff. Rz. 17. 37 So DKKW/Wedde, BetrVG § 37 Rz. 79; ErfK/Koch, BetrVG § 37 Rz. 8. 38 7 AZR 774/10, NZA 2012, 1112 ff. Rz. 27 ff. 39 Vgl. Richardi/Thüsing, BetrVG § 37 Rz. 54; Weber, KG-BetrVG § 37 Rz. 94. 40 Vgl. BAG v. 17.1.1995 - 3 AZR 399/94, NZA 1995, 1000 ff. Rz. 34.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

den erbrachten Freizeitopfers des Betriebsratsmitglieds41. Dem ist zuzustimmen. Schließlich würde man sogar darüber nachdenken müssen, ob eine Berücksichtigung der Freistellungswünsche des Betriebsratsmitglieds analog § 7 Abs. 1 BUrlG im Zusammenhang mit der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 3 BetrVG nicht als eine unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds im Sinne des § 78 S. 2 BetrVG qualifiziert werden müsste. Auf diesen Aspekt ist das BAG indes nicht eingegangen. Ungeachtet dessen erlaubt § 106 S. 1 GewO dem Arbeitgeber nicht, die Interessen des Betriebsratsmitglieds unberücksichtigt zu lassen. Vielmehr muss der Arbeitgeber im Rahmen billigen Ermessens auch auf berechtigte Interessen des Arbeitnehmers an der Planbarkeit seiner Freizeit Rücksicht nehmen. Hierzu gehört es auch, dass er dem Arbeitnehmer rechtzeitig mitteilen muss, wann der Freizeitausgleich gewährt wird. Dem Betriebsratsmitglied soll ermöglicht werden, sich darauf einzustellen, um die Freizeit sinnvoll nutzen zu können42. Diese Voraussetzungen waren in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall erfüllt. Die Beklagte durfte insoweit ihrem Interesse an einer Freistellung des Klägers in den Osterferien Vorrang einräumen, weil in dieser Zeit ohnehin ein reduzierter Bedarf an Fahrern bestand. Diese Tätigkeit übte der Betriebsratsvorsitzende außerhalb seiner Betriebsratstätigkeit aus. Der bevorzugten Berücksichtigung der Wünsche des Klägers stand insbesondere der Zweck der Arbeitsbefreiung, ein zeitnaher Ausgleich der aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleisteten Betriebsratstätigkeit, entgegen. Der Kläger hätte also darüber hinausgehende Gründe nennen müssen, die gegen die von der Beklagten beabsichtigte Freistellung in den Osterferien gesprochen hätten. Dies war nicht geschehen. (Ga)

5.

Internetzugang für den Betriebsrat

Gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber im erforderlichen Umfang für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung des Betriebsrats Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen. Wie der Beschluss des

41 Vgl. BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 774/10, NZA 2012, 1112 ff. Rz. 30; BAG v. 5.5.2010 – 7 AZR 728/08, NZA 2010, 1025 ff. Rz. 28 f. 42 BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 774/10, NZA 2012, 1112 ff. Rz. 31; BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211 ff. Rz. 28 f.; BAG v. 17.1.1995 – 3 AZR 399/94, NZA 1995, 1000 ff. Rz. 36.

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Internetzugang für den Betriebsrat

BAG vom 18.7.201243 deutlich macht, hat dies in der Regel zur Folge, dass der Betriebsrat auch einen Internetzugang verlangen kann. Grundsätzlich setzt die Geltendmachung eines solchen Anspruchs zwar voraus, dass der Betriebsrat darlegen kann, dass der Internetzugang zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben erforderlich ist44. Nach den jetzt vorliegenden Feststellungen des 7. Senats des BAG darf der Betriebsrat allerdings auch ohne die Bezugnahme auf konkret anstehende Aufgaben davon ausgehen, dass die Einholung von Informationen aus dem Internet zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten erforderlich ist. Verantwortliche Betriebsratsarbeit setze – so das BAG – voraus, dass sich jedes Betriebsratsmitglied – insbesondere bei der Vorbereitung auf Betriebsratssitzungen – über anstehende Betriebsratsaufgaben informieren und hierzu recherchieren könne. Hiervon ausgehend sei es auch grundsätzlich Sache des Betriebsrats festzulegen, ob beim Zugang einzelner Betriebsratsmitglieder zum Internet über einen gemeinsamen Rechner des Betriebsrats eine Personalisierung stattfinden solle oder nicht. Insbesondere dürfe es der Betriebsrat für erforderlich erachten, dass der Internetzugang einzelner Betriebsratsmitglieder über den Rechner des Betriebsrats in einer Weise eingerichtet werde, die es der Arbeitgeberin nicht ermögliche, die Internetrecherchen der einzelnen Betriebsratsmitglieder nachzuvollziehen. Insofern könne er einen Internetzugang verlangen, bei dem Recherchen einzelner Mitglieder für Außenstehende nicht erkennbar seien. Ausdrücklich weist das BAG in seinem Beschluss vom 18.7.201245 darauf hin, dass sich der Arbeitgeber bei der entsprechenden Einrichtung eines Gruppenaccounts auch nicht auf datenschutzrechtliche Schranken berufen könne. Denn es obliege dem Betriebsrat selbst für die Einhaltung etwaig maßgeblicher Schranken des Datenschutzrechts Sorge zu tragen. Wenn auf dem Rechner des Betriebsrats personenbezogene Daten automatisiert verarbeitet oder genutzt würden, sei – so das BAG – die innerbetriebliche Gestaltung nach der Anlage zu § 9 S. 1 BDSG so zu organisieren, dass sie den besonderen Anforderungen des Datenschutzes gerecht werde. Dabei seien insbesondere Maßnahmen zu treffen, die je nach Art der zu schützenden personenbezogenen Daten oder Datenkategorien geeignet seien, zu gewährleisten, dass nachträglich überprüft und festgestellt werden könne, ob

43 7 ABR 23/11, DB 2012, 2524 Rz. 20 ff. 44 So bereits BAG v. 14.7.2010 – 7 ABR 80/08, DB 2010, 2731 Rz. 17. 45 7 ABR 23/11, DB 2010, 2524 Rz. 29 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

und von wem personenbezogene Daten in das Datenverarbeitungssystem eingegeben, verändert oder entfernt worden seien. Die Verantwortung für diesen Nachweis trage aber der Betriebsrat, der die geeigneten und erforderlichen Sicherungen festzulegen habe. Als Teil der verantwortlichen Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG sei der Betriebsrat selbst dem Datenschutz verpflichtet und habe eigenständig über Maßnahmen zu beschließen, um den Anforderungen des BDSG Rechnung zu tragen46. Aus der Eigenverantwortlichkeit des Betriebsrats folge dessen Pflicht, u. a. für die in Satz 2 Nr. 5 der Anlage zu § 9 S. 1 BDSG vorgesehene Eingabekontrolle Sorge zu tragen und zu gewährleisten, dass nachträglich überprüft und festgestellt werden könne, ob und von wem personenbezogene Daten eingegeben, verändert oder entfernt worden seien. Die danach grundsätzlich gebotene individuelle Zugangsregelung zum gemeinsam genutzten Betriebsrats-PC setze jedoch – so das BAG – nicht zwingend einen für die Arbeitgeberin erkennbaren personalisierten Zugang zum PC voraus. Eine geeignete Eingabekontrolle lasse sich auch anders konfigurieren, etwa über Eingaben, deren persönliche Zuordnung nicht dem Arbeitgeber, sondern nur dem Betriebsrat bekannt seien (z. B. durch die Bezeichnungen als BR 1, BR 2, BR 3 usw.)47. Hiervon ausgehend macht es keinen Sinn, mit dem Betriebsrat über die Einrichtung eines Internetzugangs zu streiten. Ebenso wenig ist es angesichts des heutigen Stands der Technik geboten, noch ernsthafte Diskussionen über die Erforderlichkeit eines Personalcomputers zu führen. Es ist davon auszugehen, dass das BAG auch insoweit seine bislang zurückhaltende Rechtsprechung in Bezug auf die Erforderlichkeit entsprechender Ausstattungen für die Betriebsratsarbeit modifizieren und entsprechende Ansprüche anerkennen wird. (Ga)

6.

Betriebsversammlung: Kein Anspruch des Betriebsrats auf Bewirtungskostenerstattung

Mit seinem Beschluss vom 25.4.201248 hat das LAG Nürnberg deutlich gemacht, dass der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber keinen Anspruch auf Übernahme der anlässlich der Durchführung einer Betriebsversammlung anfallenden Bewirtungskosten hat. 46 BAG v. 18.7.2012 – 7 ABR 23/11, DB 2012, 2524 Rz. 31; BAG v. 12.8.2009 – 7 ABR 15/08, NZA 2009, 1218 Rz. 27. 47 BAG 18.7.2012 – 7 ABR 23/11, DB 2010, 2524 Rz. 31. 48 4 TaBV 58/11 n. v.

480

Kein Anspruch des Betriebsrats auf Bewirtungskostenerstattung

In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Betriebsrat die Mitarbeiter des Unternehmens zu einer Betriebsversammlung in den Räumen des Gewerkschaftshauses eingeladen. Da diese Versammlung etwa sechs Stunden dauerte, hatte er für die Mitarbeiter Getränke und Backwaren bereit gestellt und den Arbeitgeber aufgefordert, die hierfür angefallenen Kosten in Höhe von 39,71 € zu erstatten. Nach seiner Auffassung war eine entsprechende Verpflegung der Arbeitnehmer erforderlich, um zu gewährleisten, dass die Teilnehmer dem bis zu siebenstündigen Bericht des Betriebsrats folgen konnten. Mit überzeugender Begründung hat das LAG Nürnberg einen solchen Anspruch abgelehnt. Erstaunlich ist allerdings, dass wegen dieser Frage bis in die zweite Instanz gestritten wurde. In der Begründung seiner Entscheidung hat das LAG Nürnberg darauf verwiesen, dass § 40 Abs. 1 BetrVG nur einen Anspruch des Betriebsrats begründe, dass die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten getragen werden. Eine Übernahme darüber hinausgehender Kosten, selbst wenn sie durch den Betriebsrat veranlasst worden sind, kommt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nur in Betracht, wenn im Vorfeld eine entsprechende Abstimmung mit dem Arbeitgeber erfolgt. Diese war vorliegend nicht gegeben. Bewirtungskosten einer Betriebsversammlung fallen – so das LAG Nürnberg – nicht unter die Kosten, die durch die Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten des Betriebsrats entstehen. Vielmehr handelt es sich um Aufwand, der den Bereich der persönlichen Lebensführung zuzuordnen ist und deshalb nicht von § 40 Abs. 1 BetrVG erfasst wird49. Ungeachtet dessen wäre es dem Betriebsrat zweifelsohne möglich gewesen, die Aufnahmefähigkeit der Teilnehmer der Betriebsversammlung auch auf andere Weise zu vermeiden. Denn er könnte dieser Erschöpfung – so das LAG Nürnberg – auch dadurch vorbeugen, dass angemessene Pausenunterbrechungen stattfinden. Diese könnten von den Teilnehmern dazu genutzt werden, sich im erforderlichen Umfang mit Getränken und Speisen einzudecken und diese zu sich zu nehmen. Auch bei einer Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit hätte es den Mitarbeitern oblegen, diese Versorgung selbst sicherzustellen. Denn die Einnahme von Getränken und Speisen während einer Unterbrechung der Arbeitstätigkeit zählt – so das LAG Nürnberg – für jeden Mitarbeiter zu seiner persönlichen Lebensführung, auch wenn dies dazu diene, seine konzentrierte Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Eine Verpflich49 Vgl. BAG v. 23.6.2010 – 7 ABR 103/08, NZA 2010, 1298 Rz. 7; BAG v. 28.8.1991 – 7 ABR 46/90, NZA 1992, 72 Rz. 17.

481

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

tung des Arbeitgebers, diesen Aufwand bei Betriebsversammlungen zu übernehmen, besteht nicht. (Ga)

7.

Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats beim unbefristeten Leiharbeitnehmereinsatz

Gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“. Wie wir bereits bei früherer Gelegenheit berichtet haben, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, welche Bedeutung diese gesetzliche Feststellung hat. Nach der hier vertretenen Auffassung wird man annehmen müssen, dass darin kein unverbindlicher Programmsatz zu sehen ist. Vielmehr hat bereits der unionsrechtliche Ursprung dieser Feststellung zur Folge, dass der Einsatz von Leiharbeitnehmern, falls er dieser gesetzlichen Vorgabe entsprechen soll, von Beginn an endlich ausgestaltet werden muss. Dies ist bei einer Zeit- oder Zweckbefristung der Fall50. Auf der Grundlage dieser Auseinandersetzung über die arbeitnehmerüberlassungsrechtlichen Folgen der gesetzlichen Vorgaben ist auch die betriebsverfassungsrechtliche Handhabe streitig. So stellt sich die Frage, ob der Betriebsrat der Einstellung eines Leiharbeitnehmers mit der Begründung widersprechen kann, dass damit gegen ein Gesetz verstoßen werde (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Während das ArbG Leipzig eine solche Sichtweise abgelehnt hatte, hat das LAG Niedersachsen mit Beschluss vom 19.9.201251 nunmehr allerdings einen entsprechenden Zustimmungsverweigerungsgrund anerkannt. Nach seiner Auffassung ist die unbefristete Überlassung von Arbeitnehmern nach geltendem Recht unzulässig. Auch unter Berücksichtigung der entsprechenden Vorgaben des Unionsrechts habe der Betriebsrat deshalb aus den §§ 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG das Recht, einer dauerhaften Überlassung eines Leiharbeitnehmers die Zustimmung zu verweigern. Das BAG hatte mit seiner Entscheidung vom 25.1.200552 eine solche Zustimmungsverweigerung zur früheren Rechtslage noch abgelehnt. Zu hoffen bleibt, dass der 1. Senat des BAG möglichst kurzfristig Klarheit in Bezug auf diese Frage schaffen wird. Rechtsbeschwerde wurde jedenfalls zugelassen. Dass das BAG bei dieser Gelegenheit auch die sachliche Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung eines Leiharbeitnehmers bewerten

50 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2011, 11, 341 ff.; 2012, 199 ff. 51 17 TaBV 124/11 n. v. (Rz. 27); ebenso ArbG Offenbach v. 1.8.2012 – 10 BV 1/12 n. v. 52 1 ABR 61/03, NZA 2005, 1199 Rz. 41 ff.

482

Mitbestimmung bei der Parkplatzbenutzung

wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Unabhängig von der Begründetheit der vorläufigen Maßnahme erlauben die diesbezüglichen Regelungen in § 100 BetrVG allerdings, den Leiharbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens einzusetzen. (Ga)

8.

Mitbestimmung bei der Parkplatzbenutzung

Soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Auch wenn der Wortlaut insoweit das gesamte Verhalten der Arbeitnehmer erfasst, besteht indes kein Beteiligungsrecht des Betriebsrats, soweit Regeln und Weisungen des Arbeitgebers das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer betreffen. Die damit verbundene Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts nach § 106 S. 1 GewO, die einer unmittelbaren Konkretisierung der Arbeitspflicht dient, ist keiner Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterworfen53. Umgekehrt aber besteht ein entsprechendes Beteiligungsrecht des Betriebsrats, wenn das sogenannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen ist. Hierzu gehören alle Anordnungen des Arbeitgebers, die dazu dienen, das sonstige Verhalten der Arbeitnehmer zu koordinieren. Wie das BAG in seinem Beschluss vom 7.2.201254 noch einmal deutlich gemacht hat, zählen hierzu sowohl verbindliche Verhaltensregeln als auch Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen und berühren, ohne Normen für das Arbeitsverhalten zum Inhalt zu haben. Ausreichend ist es, wenn eine solche Maßnahme darauf gerichtet ist, die vorgegebene Ordnung des Betriebes zu gewährleisten und aufrecht zu erhalten. Voraussetzung ist freilich, dass ein kollektiver Tatbestand betroffen ist, also eine Regelung in Rede steht, die über eine ausschließlich einzelfallbezogene Rechtsausübung hinausgeht und kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt55. In seinem Beschluss vom 7.2.201256 hat das BAG deutlich gemacht, dass der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch bei der Festlegung der Nutzungsbedingungen von Parkflächen, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern 53 BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 63/10, NZA 2012, 685 Rz. 17; BAG v. 27.1.2004 – 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 ff. Rz. 20. 54 1 ABR 63/10, NZA 2012, 685 Rz. 17. 55 BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 63/10, NZA 2012, 685 Rz. 18; BAG v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, NZA 2007, 818 ff. Rz. 19. 56 1 ABR 63/10, NZA 2012, 685 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

für das Abstellen ihrer Privat-PKW zur Verfügung stellt, mit zu bestimmen hat. Denn diese Nutzungsbedingungen betreffen das Ordnungsverhalten. Die Berechtigung des Arbeitgebers, auch insoweit verbindliche Verhaltensregeln festzusetzen, folgt aus §106 S. 2 GewO. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Arbeitgeberin, der Flughafen Köln/Bonn, für ihre am Unternehmensstandort beschäftigten Mitarbeiter kostenlos Parkplätze zum Abstellen der Privat-PKW zur Verfügung gestellt. Der überwiegende Teil der Parkflächen befand sich außerhalb des Sicherheitsbereichs des Flughafens. Beschäftigte, die dort geparkt haben, mussten sich zunächst einer Sicherheitskontrolle unterziehen und danach zu Fuß oder per Shuttle den Weg zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen. Der andere Teil der Parkplätze befand sich innerhalb des Sicherheitsbereichs des Flughafens. Mitarbeiter, die dort ihr Fahrzeug parken, können mit diesem in den Sicherheitsbereich einfahren und ihren Wagen dort abstellen. Ohne Mitbestimmung des Betriebsrats legte die Arbeitgeberin dann durch Schreiben vom 6.2.2009 fest, dass die im Sicherheitsbereich gelegenen Parkplätze von Mitgliedern der GBL-Runde, Assistent/Innen der Geschäftsführung, Abteilungs- und Stabsstellenleitern mit einem Arbeitsplatz im Sicherheitsbereich, schwerbehinderten Arbeitnehmern, deren Ausweis einen bestimmten Vermerk trägt, sowie am Wochenende von Mitgliedern der Werksfeuerwehr genutzt werden dürfen. Der Betriebsrat vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die Festlegung des Personenkreises, der die im Sicherheitsbereich gelegenen Parkplätze benützen dürfe, nur mit seiner Zustimmung habe getroffen werden dürfen. Er beantragte daher, die Verfügung des Arbeitgebers aufzuheben und ihm aufzugeben, es künftig zu unterlassen, ohne Berücksichtigung seines Mitbestimmungsrechts Festlegungen in Bezug auf die Parkplatznutzung zu treffen. Mit der Einschränkung, dass entsprechende Verpflichtungen des Arbeitgebers nur Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG betreffen können, hat der 1. Senat des BAG im Wesentlichen diesem Begehren entsprochen. Nach seiner Auffassung hat der Betriebsrat bei der Benutzung der von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Parkflächen mitzubestimmen. Die Nutzung der Parkplätze durch die Belegschaft betreffe nicht das mitbestimmungsfreie Arbeits- sondern das Ordnungsverhalten. Die Art und Weise der Arbeitsleistung werde von der Maßnahme der Arbeitgeberin nicht berührt.

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Mitbestimmung bei der Parkplatzbenutzung

Denn die von den Anträgen erfassten Arbeitnehmer erbrächten bis zum Abstellen ihrer Privat-PKW keine Arbeitsleistung57. Nach den Feststellungen des BAG war das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Arbeitgeberin nicht zur Überlassung von Parkraum verpflichtet war und diese Leistung über die vertraglich geschuldete Vergütung hinaus gewährt werden sollte. Ebenso wenig handelte es sich nach Auffassung des BAG um eine abstrakte Festlegung des nutzungsberechtigten Personenkreises, die der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls ohne Beteiligung des Betriebsrats treffen kann. Vielmehr stelle die Arbeitgeberin allen Arbeitnehmern Parkmöglichkeiten auf dem Betriebsgelände zur Verfügung. Deren Verteilung habe sie nicht einzelfallbezogen, sondern in einer abstrakten Ordnung geregelt. Diese gestatte nur ausgewählten Arbeitnehmergruppen die Nutzung der im Sicherheitsbereich gelegenen Parkmöglichkeiten. Eine solche Maßnahme unterliege dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG58. Eine Möglichkeit, die Kennzeichnung der nutzungsberechtigten Personen für den im Sicherheitsbereich gelegenen Parkraum als mitbestimmungsfreie Entscheidung des Arbeitgebers zu kennzeichnen und insoweit über die Festlegung von Nutzungsbedingungen für unterschiedliche Parkräume zu sprechen, hat das BAG insoweit abgelehnt. Dass die Benutzung des Parkraums im Sicherheitsbereich Verordnungen der Europäischen Union Rechnung tragen musste, stand einer Mitbestimmung des Betriebsrats nicht entgegen. Denn § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG schließt Beteiligungsrechte des Betriebsrats nur dann aus, wenn und soweit entsprechende Regeln bereits abschließend durch Gesetz oder Tarifvertrag bestimmt werden. Besteht allerdings, was vorliegend der Fall war, für den Arbeitgeber bei der Umsetzung der durch Gesetz begründeten Pflichten ein Gestaltungsspielraum, ist insoweit ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gegeben. Insoweit obliegt es dann Arbeitgeber und Betriebsrat, bei der Festlegung der Nutzungsbestimmungen nur solche Vorgaben zu treffen, die den ergänzenden Anforderungen der Verordnungen der Europäischen Union Rechnung tragen. Dies gilt beispielsweise für die Ausstellung von Fahrzeugausweisen oder das Vorliegen von Gründen, die eine Einfahrt in den Sicherheitsbereich rechtfertigen. Werden diese Vorgaben eingehalten, ist der verbleibende Gestaltungsspielraum einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zugänglich. Kommt keine

57 BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 63/10, NZA 2012, 685 Rz. 19 f. 58 BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 63/10, NZA 2012, 685 Rz. 20.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Einigung darüber zustande, wird diese durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt (§ 87 Abs. 2 BetrVG). (Ga)

9.

Aktuelles zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)

Wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, klärt der Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person, die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt zu diesem betrieblichen Eingliederungsmanagement hinzugezogen. Gemäß § 84 Abs. 2 S. 6, 7 SGB IX können der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung nicht nur die Klärung etwaiger Fragen verlangen. Sie wachen insgesamt darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Insoweit konkretisiert das Gesetz die allgemeine, bereits in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorgesehene Pflicht, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze im Betrieb auch durchgeführt werden.

a)

Pflicht zur Information des Betriebsrats über die betroffenen Arbeitnehmer

Mit Beschluss vom 7.2.201259, über den wir bereits berichteten60, hatte das BAG klargestellt, dass der Arbeitgeber auf Verlangen des Betriebsrats verpflichtet ist, diesem die Namen der Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen im Jahreszeitraum auch dann mitzuteilen, wenn diese der Weitergabe nicht zugestimmt haben. Der Arbeitgeber hatte eine entsprechende Information des Betriebsrats mit Blick auf datenschutzrechtliche Bedenken abgelehnt. Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass ihm der Arbeitgeber auf Verlangen die zur Durchführung der ihm obliegenden Verpflichtung, die Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer

59 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744 ff. 60 B. Gaul, AktuellAR 2012, 206 ff.

486

Aktuelles zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)

geltenden Verschriften im Betrieb zu überwachen, erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellt. Voraussetzung für einen entsprechenden Anspruch ist also, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats besteht und im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung auch erforderlich ist61. Hiervon war vorliegend auszugehen. Denn die Durchführung des BEM betrifft alle Arbeitnehmer des Betriebs mit einer krankheitsbedingten Fehlzeit von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahreszeitraums. Sie ist nicht davon abhängig, dass eine Schwerbehinderung vorliegt. Sie besteht unabhängig von einem Antrag der betroffenen Arbeitnehmer oder einer der am Verfahren beteiligten Stellen. Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen alle Maßnahmen zum BEM einzuleiten. Der Betriebsrat muss nach § 84 Abs. 2 S. 7 SGB IX darüber wachen, dass diese Verpflichtungen erfüllt werden. Hiervon ausgehend überzeugt die Annahme des BAG, dass eine anonymisierte Unterrichtung über die Zahl bzw. Funktion der vom BEM betroffenen Mitarbeiter nicht ausreichend ist, um die gesetzliche Überwachungspflicht zu erfüllen. Ein anonymisiertes Mitarbeiterverzeichnis lässt bloß die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer erkennen. Vielmehr ist eine namensbezogene Weitergabe erforderlich. Nur so ist es dem Betriebsrat möglich festzustellen, ob der Arbeitgeber die gegenüber den hiervon betroffenen Arbeitnehmern aus § 84 Abs. 2 SGB IX obliegenden Verpflichtungen auch umfassend nachgekommen ist. Eine Zustimmung dieser Arbeitnehmer zur Weitergabe ihrer Namen ist nicht erforderlich. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber auch ohne Zustimmung der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer ein BEM anzubieten. Die nach § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX erforderliche Zustimmung der betroffenen Person bezieht sich nur auf den Klärungsprozess, nicht aber auf die vorhergehende Phase, die mit dem Zugang des Angebots über die Durchführung des BEM beim Arbeitnehmer beendet wird. Der Betriebsrat muss nach den §§ 84 Abs. 2 S. 7 SGB IX, 80 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX prüfen, ob bereits diese Pflicht ordnungsgemäß erfüllt wird. Nur dann kann festgestellt werden, ob dem Ziel des Gesetzes, letztlich Kündigungen arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer zu vermeiden, genüge getan wird. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen nicht. Dies gilt umso mehr, als eine Mitteilung des Personenkreises, der die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung des BEM erfüllt, nicht mit einer Mitteilung der der Ar61 Vgl. BAG v. 30.9.2008 – 1 ABR 54/07, NZA 2009, 502 Rz. 28.

487

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

beitsunfähigkeit zugrunde liegenden Krankheiten oder deren Ursachen verknüpft ist. Ebenso wenig wird die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigt, sich für oder gegen eine Teilnahme am BEM auszusprechen. Denn eine entsprechende Erklärung des Arbeitnehmers ist erst dann geboten, wenn er zur Teilnahme aufgefordert wurde und die gesetzlich gebotene Belehrung über die Chancen und Risiken des BEM erhalten hat. Ungeachtet dessen folgt bereits aus § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG, dass auch die mit entsprechenden Mitteilungen an den Betriebsrat verbundene Weitergabe höchstpersönlicher Daten (§ 3 Abs. 9 BDSG) zulässig ist. Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist das Erheben, Verarbeiten und Nutzen besonderer Arten personenbezogener Daten für eigene Geschäftszwecke auch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn dies zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. § 32 BDSG, der nicht die Verarbeitung sensitiver Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG betrifft, findet insoweit keine Anwendung. Darauf hat das BAG mit eingehender Begründung unter Bezug auf europarechtliche Vorgaben in seinem Beschluss vom 7.2.201262 hingewiesen. Ein Grund zu der Annahme, dass das schutzwürdige Interesse des jeweils betroffenen Arbeitnehmers das Interesse des Arbeitgebers an der Datenerhebung und der Weitergabe dieser Daten in Erfüllung der gesetzlichen Pflichten gegenüber dem Betriebsrat überwiegt, besteht nicht. Dies gilt umso mehr, wenn man sich in Übereinstimmung mit den Feststellungen des 1. Senats des BAG vor Augen führt, dass das bEM einer Erhaltung des Arbeitsplatzes und damit der wirtschaftlichen Existenz des Arbeitnehmers zu dienen bestimmt ist.

b)

Mitbestimmungsrechte bei der Ausgestaltung des BEM

Da der Gesetzgeber in § 84 Abs. 2 SGB IX dem Arbeitgeber Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des BEM zugesteht, muss bei jeder einzelnen Regelung geprüft werden, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Wie das BAG mit Beschluss vom 13.3.201263 deutlich gemacht hat, kann sich ein solches bei allgemeinen Verfahrensfragen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Bezug auf die Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben64. 62 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744 Rz. 27 ff. 63 1 ABR 78/10, NZA 2012, 748 Rz. 12. 64 Ebenso Fitting, BetrVG § 87 Rz. 310 a; Richardi/Richardi, BetrVG § 87 Rz. 546.

488

Aktuelles zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)

In der vorstehend genannten Entscheidung macht der 1. Senat des BAG indes deutlich, dass der in § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX enthaltene Begriff der Arbeitsunfähigkeit einer Ausgestaltung durch Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zugänglich ist. Vielmehr ist von dem gesetzlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit auszugehen, wie er auch den Regelungen des EFZG zugrunde liegt. In seiner Begründung verweist das BAG darauf, dass der Arbeitgeber zusammen mit dem Betriebsrat und mit Zustimmung und Beteiligung des Arbeitnehmers ein BEM durchführe, wenn „Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind“. Zweck der Regelung sei nach der Gesetzesbegründung, durch die gemeinsame Anstrengung aller in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Beteiligten mit dem BEM ein Verfahren zu schaffen, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichere, weil viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit aus Krankheitsgründen erfolgten und arbeitsplatzsichernde Hilfen der Integrationsämter vor der Beantragung einer Zustimmung zur Kündigung kaum in Anspruch genommen würden. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienten damit neben der Gesundheitsprävention auch der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen65. Da bei einer negativen Gesundheitsprognose eine krankheitsbedingte Kündigung bei zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr vorbehaltlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung in Betracht komme, werde deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs „arbeitsunfähig“ in § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX auf die zu § 3 Abs. 1 EFZG ergangene Begriffsbestimmung Bezug genommen habe und keinen vom EFZG abweichenden eigenen Begriff mit anderen Merkmalen schaffen wollte. Für die Bemessung des Sechs-WochenZeitraums des § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX seien deshalb - so das BAG – die dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 EFZG angezeigten Arbeitsunfähigkeitszeiten maßgeblich. Dies gewährleiste auch eine praktikable und sichere Anwendung dieser Vorschrift. Ein der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zugänglicher Spielraum bei der Konkretisierung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit bestehe nicht66. Vor diesem Hintergrund hat es das BAG abgelehnt, Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeit zuzugestehen, durch Vereinbarung eigenständige Verfahren zur Kennzeichnung einer Arbeitsunfähigkeit festzulegen. So hatte 65 BAG v. 13.3.2012 – 1 ABR 78/10, NZA 2012, 748 Rz. 14; BAG v. 30.9.2010 – 2 AZR 88/09, NZA 2011, 39 Rz. 32. 66 BAG v. 13.3.2012 – 1 ABR 78/10, NZA 2012, 748 Rz. 14.

489

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

der Betriebsrat im Rahmen der Einigungsstelle67 in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall vorgeschlagen, ein Verfahren zur Analyse der Arbeitsfähigkeit durch ein „Arbeitsfähigkeitscoaching“ zu regeln. Danach sollten alle Arbeitnehmer zweimal jährlich einen „Check-up“ von etwa 60 Minuten Dauer durchlaufen und nach dem sogenannten „Work-Ability-Index“ (WAI) klassifiziert werden. Bei einem WAI-Wert von 7 bis 27 Punkten wäre die Arbeitsfähigkeit mit „schlecht“, von 28 bis 36 Punkten mit „mittelmäßig“, von 37 bis 43 Punkten mit „gut“ und von 44 bis 49 Punkten mit „sehr gut“ einzustufen gewesen. Nach dem Vorschlag des Betriebsrats sollten alle Beschäftigten mit einem WAI-Wert zwischen 7 und 36 Punkten einen Anspruch auf ein BEM haben. Diesem Vorschlag war die Einigungsstelle indes zu Recht nicht gefolgt. (Ga)

10. Mitbestimmung bei der Arbeitsplatzbewertung und Zuordnung von Mitarbeitern Gerade im Zusammenhang mit beabsichtigten Reorganisations- und Restrukturierungsvorhaben ist es häufig erforderlich, zunächst einmal festzustellen, welche Aufgaben auf welchen Arbeitsplätzen mit welcher Arbeitszeitintensität durchgeführt werden. Nur wenn der Arbeitgeber ein aktuelles Bild von den im Betrieb verrichteten Tätigkeiten, dem Anforderungsprofil der einzelnen Arbeitsplätze, den Arbeitsabläufen und ihrer Verknüpfung sowie dem zeitlichen Aufwand der einzelnen Aufgaben hat, können Entscheidungen zur Verbesserung dieser Arbeitsabläufe getroffen werden. Nur wenn diese Klarheit besteht, können auch die arbeitsplatzbezogenen Folgen von Maßnahmen zur Verlagerung bzw. Einstellung bestimmter Aufgaben gewertet werden. Nur bei entsprechenden Feststellungen zu den einzelnen Arbeitsplätzen kann darüber hinaus festgestellt werden, ob die Eingruppierung von Arbeitnehmern zutreffend ist, weil die tatsächlich am Arbeitsplatz verrichteten Aufgaben und ihre Verantwortung mit den maßgeblichen Kriterien des Tarifvertrags übereinstimmen. Im Hinblick auf diese weitreichende Bedeutung einer Arbeitsplatzbewertung ist es überaus hilfreich, das der 7. Senat des BAG mit seinem Beschluss vom 19.4.201268 noch einmal deutlich gemacht hat, ab welchem Zeitpunkt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei einer entsprechenden Arbeitsplatzbewertung und der daran anschließenden Zuordnung von Mitarbeitern bestehen. 67 Zum Verlauf des Einigungsstellenverfahrens vgl. Oberberg/Schoof, AiB 2012, 533 ff. 68 7 ABR 52/10 n. v.

490

Arbeitsplatzbewertung und Zuordnung von Mitarbeitern

In dem zugrunde liegenden Fall ging es im Ergebnis um die Eingruppierung der deutschen Arbeitnehmer in einen neuen Vergütungstarifvertrag, mit der eine Anpassung an die Eingruppierung (das sogenannte Grading) der übrigen Arbeitnehmer des Unternehmens in Europa, dem Nahen Osten, dem Indischen Subkontinent und Afrika erfolgen sollte. In dem zugrunde liegenden Tarifvertrag waren zunächst einmal folgende „Eingruppierungsgrundsätze“ enthalten: 1. Für die Eingruppierung sind allein die übertragenen und ausgeführten Arbeiten und nicht etwaige Berufsbezeichnungen maßgebend. 2. Für die Eingruppierung in eine der nachgenannten Vergütungsgruppen ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit entscheidend. Hierbei wird ein Bewertungszeitraum von mindestens 4 Wochen zugrunde gelegt. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer kann nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen.

Losgelöst von den im Übrigen enthaltenen Beschreibungen der Anforderungen, die für die Tätigkeit der einzelnen Tarifgruppen maßgeblich sein sollten, ordnete der Tarifvertrag ausdrücklich die sich aus einer Vergleichsliste im Einzelnen ergebenden Stellenbezeichnungen/Jobtitel (z. B. Billing, Database, Agent, CFS Prozessing, Agent Advanced) tabellarisch jeweils einer bestimmten Vergütungsgruppe zu. Nachdem im Zusammenhang mit einer Neudurchführung des Gradings zum Teil neue Jobtitel eingeführt wurden, stritt sich der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat, ob diese Veränderung der Jobtitel auch eine veränderte Eingruppierung der betroffenen Arbeitnehmer zur Folge habe. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob bereits die mit dem Grading vorgenommene Bewertung des Arbeitsplatzes oder erst die Zuordnung einzelner Arbeitnehmer zu diesem Arbeitsplatz und die Zuweisung des entsprechenden Jobtitels Mitbestimmungsrechte wegen einer Ein- oder Umgruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG ausgelöst hatte. Eine solche Eingruppierung bedarf der Zustimmung des Betriebsrats. Dieser soll im Wege einer „Mitbeurteilung“ prüfen, ob der Arbeitgeber bei seiner Zuordnung eine ordnungsgemäße Interpretation der tarifvertraglichen Vorgaben zur Kennzeichnung der einzelnen Gehaltsgruppen vorgenommen hat. Nach den insoweit überzeugenden Feststellungen des BAG ist die Eingruppierung die erstmalige Einreihung, eine Umgruppierung die Änderung dieser Einreihung in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Eine Umgruppierung kann deshalb auch in der Feststellung bestehen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, in die er bisher eingruppiert ist, sondern denen einer 491

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

anderen. Anlass für eine Änderung der bisherigen Einreihung könne auch - wie hier – die Änderung des bisher geltenden Vergütungsschemas bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers sein69. Ein- oder Umgruppierungen im Sinne des § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind – so das BAG – indes stets personenbezogene Einzelmaßnahmen. Die vom Arbeitgeber vorzunehmende und vom Betriebsrat mit zu beurteilende Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe einer Vergütungsordnung betreffe einzelne Arbeitnehmer. Davon zu unterscheiden seien personenunabhängige Bewertungen von Arbeitsplätzen oder Tätigkeiten. Sie könnten zwar maßgebliche Vorgaben für die Eingruppierung des Arbeitnehmers enthalten, der auf dem bewerteten Arbeitsplatz tätig sei oder die bewertete Tätigkeit ausübe. Die abstrakte Bewertung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit sei jedoch keine personelle Einzelmaßnahme im Sinne des § 99 BetrVG. Sie sei unabhängig vom Arbeitsplatzinhaber oder von demjenigen, der die Tätigkeit ausübe. Gegenstand der Beurteilung sei nicht – wie bei der Eingruppierung – der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitsplatz70. Hiervon ausgehend war das Grading des Arbeitsplatzes, das letztlich als Arbeitsplatzbewertung zu qualifizieren war, keiner Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG zugänglich. Wenn als Folge dieses Gradings dem einzelnen Arbeitnehmer allerdings ein Jobtitel zugewiesen wurde, der sich von der bisherigen Kennzeichnung der Stelle unterschied, hatte dies eine Umgruppierung zur Folge. Denn schlussendlich musste der Betriebsrat bewerten, ob der veränderte Jobtitel auch eine Veränderung oder die Beibehaltung der bisherigen Vergütungsgruppe rechtfertigte. Dass die Tätigkeit des Mitarbeiters vor und nach dem Grading nicht verändert wurde, spielte insoweit keine Rolle. Denn entgegen den abstrakten Grundsätzen zur Eingruppierung von Arbeitnehmern in die Vergütungsordnung hatten die Tarifvertragsparteien ausdrücklich festgelegt, dass bestimmte Jobtitel ungeachtet weitergehender Kriterien jeweils zu einer Eingruppierung in eine bestimmte Vergütungsgruppe führen sollten. Für den Betriebsrat war deshalb allenfalls zu überprüfen, ob von den Arbeitnehmern alle nach dem jeweiligen Jobtitel vorausgesetzten Tätigkeiten erfüllt werden und insgesamt mindestens die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch genommen haben. In diesem Fall war eine weitergehende Subsumption unter die abstrakt-generellen Kriterien der entsprechenden Vergütungsgruppe nicht (mehr) erforderlich. Denn mit der tabellarischen Zuordnung der einzelnen Jobtitel zu den Vergütungsgruppen 69 BAG v. 19.4.2012 – 7 ABR 52/10 n. v. (Rz. 28). 70 BAG v. 19.4.2012 – 7 ABR 52/10 n. v. (Rz. 29); BAG v. 1.6.2011 – 7 ABR 138/09, AP Nr. 139 zu § 99 BetrVG 1972 Rz. 32.

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Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verstoß gegen Dienstpläne

hatten die Tarifvertragsparteien insoweit eine verbindliche Zuordnung vorgenommen. Diese war – so das BAG – auch dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde71. (Ga)

11.

Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verstoß gegen Dienstpläne

Der Betriebsrat kann gem. § 23 Abs. 3 BetrVG bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes beträgt 10.000 €. Mit dieser gesetzlichen Regelung will der Gesetzgeber ein Mindestmaß gesetzlichen Verhaltens des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sicherstellen. Bei groben Verstößen gegen diese Ordnung soll daher der Arbeitgeber vom Betriebsrat zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachhaltig angehalten werden können72. Da der Gesetzgeber nur einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen die sich für ihn aus dem 102 BetrVG ergebenden Pflichten der Unterlassungspflicht aussetzt, bedarf es der Konkretisierung dessen, was darunter zu verstehen ist. Das BAG geht davon aus, dass ein grober Verstoß anzunehmen ist, wenn es sich um eine objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung handelt. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Arbeitgeber mehrfach erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats missachtet, was auch bei einem entsprechenden Verstoß gegen bereits bestehende Betriebsvereinbarungen der Fall sein kann73. Da der Arbeitgeber insofern als Organ der Betriebsverfassung und nicht als Einzelperson ange-

71 BAG v. 19.4.2012 – 7 ABR 52/10 n. v. (Rz. 50). 72 So BAG v. 20.8.1991 - 1 ABR 85/90, NZA 1992, 317 Rz. 34; ErfK/Kania § 23 BetrVG Rz. 17. 73 BAG v. 18.8.2009 - 1 ABR 47/08, NZA 2010, 222 Rz. 36 f.; BAG v. 29.4.2004 - 1 ABR 30/02, NZA 2004, 670 Rz. 135 f.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

sprochen ist, kommt es dabei nach ständiger Rechtsprechung des BAG74 auf sein schuldhaftes Verhalten nicht an. Nur dann, wenn der Arbeitgeber seine Rechtsposition in einer schwierigen und noch ungeklärten Rechtsfrage verteidigt, ist von vornherein ein grober Verstoß zu verneinen75. Ein derartiger Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG war Gegenstand einer Entscheidung des 1. Senats des BAG vom 7.2.201276. Der Arbeitgeber, eine Fluggesellschaft, hatte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über Pausenzeiten abgeschlossen, die vom Arbeitgeber in mindestens 36 Fällen insoweit verletzt worden war, als die Arbeitnehmer während der vorgesehenen Pausen arbeiten mussten. Auf Intervention des Betriebsrats, die Pausenzeiten sicherzustellen, stellte der Arbeitgeber weitere Mitarbeiter ein. Auch nach dieser Maßnahme gab es weitere Fälle, in denen Beschäftigte während der festgelegten Pausenzeiten auf Anordnung oder mit Duldung des Arbeitgebers arbeiteten. Der Betriebsrat nahm daraufhin den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht auf Unterlassung der Anordnung und Duldung von Arbeitsleistungen der Mitarbeiter in den von der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Pausenzeiten in Anspruch. Im Gegensatz zum LAG Köln77, das die Frage, ob in der Pause gearbeitet werden darf, nicht für mitbestimmungspflichtig gehalten und den Antrag zurückgewiesen hat, ist das BAG davon ausgegangen, dass dem Betriebsrat das Recht zusteht, auf die Einhaltung der mit dem Arbeitgeber abgeschlossenen Dienstpläne in der Betriebsvereinbarung zu achten, woraus sich eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 3 BetrVG ergibt, weil die Betriebsvereinbarung ihre Grundlage im BetrVG habe. Der gravierende Verstoß des Arbeitgebers liege im vorliegenden Fall darin, dass er die betreffenden Mitarbeiter entweder in den Pausen angewiesen habe, zu arbeiten, oder eine entsprechende Arbeitsleistung duldend entgegengenommen habe. Dabei stellt das BAG klar, dass die für den Unterlassungsanspruch grundsätzliche Voraussetzung einer Wiederholungsgefahr für die Zukunft durch die Vielzahl der Pflichtverletzungen indiziert werde und auch eine Zusicherung des Arbeitgebers, sich künftig betriebsverfassungskonform zu verhalten, die Wiederholungsgefahr nicht ausschließt. Insofern hat die Entschei74 Nur BAG v. 26.7.2005 - 1 ABR 29/04, NZA 2005, 1372 Rz. 27; BAG v. 29.4.2004 - 1 ABR 30/02, NZA 2004, 670 Rz. 135; BAG v. 22.6.1993 - 1 ABR 62/92, NZA 1994, 184 Rz. 53 ff. 75 BAG v. 29.4.2004 - 1 ABR 30/02, NZA 2004, 670 Rz. 135. 76 1 ABR 77/10, NZA-RR 2012, 359. 77 v. 27.9.2010 - 2 TaBV 11/10, LAGE BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 4 Rz. 22.

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Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verstoß gegen Dienstpläne

dung des BAG78 eine weiterführende Qualität, weil es in früheren Entscheidungen offen gelassen hat, ob § 23 Abs. 3 BetrVG eine Wiederholungsgefahr voraussetzt. Ursprünglich war das BAG79 davon ausgegangen, dass der mit § 23 Abs. 3 BetrVG in einem Beschlussverfahren zu erreichende Verfahrenserfolg kollektivrechtlich einer (individualrechtlichen) Abmahnung des Arbeitgebers entspräche und das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr des gerügten Verhaltens des Arbeitgebers keine Voraussetzung des Anspruchs nach § 23 Abs. 3 BetrVG sei. Erst mit einer Entscheidung vom 29.4.2004 hat das BAG80 angenommen, dass die Wiederholungsgefahr bei einem groben Verstoß indiziert sei. Im Falle einer Verurteilung des Arbeitgebers ist ihm für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung nach § 23 Abs. 3 S. 5 BetrVG ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 € anzudrohen. Diese Vorschrift verdrängt § 890 ZPO, wonach eine Verurteilung zu einem Ordnungsgeld bis zu 250.000 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung möglich ist und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft verurteilt werden darf. In § 23 Abs. 3 S. 5 BetrVG hat der Gesetzgeber davon abgesehen, dem Arbeitgeber Ordnungshaft androhen oder verhängen zu dürfen, wenn ein bis zu 10.000 € festgesetztes Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann81. Für die betriebliche Praxis ist diese Entscheidung deshalb von Bedeutung, weil gelegentlich – unabhängig von fehlenden Anweisungen der Geschäftsleitung – obere Führungskräfte ohne Rückendeckung mit dem Betriebsrat Überstunden anordnen oder sonst bezüglich der Arbeitszeit von abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen abweichen und damit riskiert wird, dass der Betriebsrat von der Möglichkeit der Unterlassungsklage aus § 23 Abs. 3 BetrVG Gebrauch macht. Liegt eine entsprechende Verurteilung des Arbeitgebers erst einmal vor, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht im Falle jeder Zuwiderhandlung die Verhängung von Ordnungsgeld gegen den Arbeitgeber bewirken. (Boe)

78 79 80 81

BAG v. 29.2.2000 - 1 ABR 4/99, NZA 2000, 1066 ff. v. 18.4.1985 - 6 ABR 19/84, NZA 1985, 783 Rz. 41 ff. BAG v. 29.4.2004 - 1 ABR 30/02, NZA 2004, 670 Rz. 134 ff. BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 71/09, NZA 2011, 174 Rz. 7.

495

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I. 1.

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Wirkungsweise eines vorsorglichen (Rahmen-) Sozialplans

In seinem Urteil vom 17.4.20121 hat sich der 1. Senat des BAG eingehend mit der Wirkungsweise eines vorsorglichen Sozialplans beschäftigt, der in dem konkreten Fall zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat vereinbart worden war. Entsprechende Grundsätze wird man auf einen sogenannten Rahmensozialplan übertragen müssen, unabhängig davon, ob er zwischen Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat abgeschlossen wird. Nach den insoweit durchaus verallgemeinerungsfähigen Feststellungen des BAG bestimmt ein vorsorglicher Sozialplan (typischerweise) für eine Vielzahl künftig möglicher, noch nicht geplanter Betriebsänderungen den Ausgleich oder die Milderung potenzieller wirtschaftlicher Nachteile. Sinn und Zweck einer solchen (unternehmens- oder konzernbezogenen) Vereinbarung sind typischerweise, für mögliche künftige Betriebsänderungen Ausgleichsregelungen zur Verfügung zu stellen, die dem Arbeitgeber Planungssicherheit eröffnen und den Arbeitnehmern für den Fall einer ausbleibenden Regelung auf betrieblicher Ebene normative Ansprüche gewähren. Derartige Regelungen seien aber – so das BAG – nach § 88 BetrVG nur freiwillig möglich. Erzwingbar seien sie nicht2. Sie beschränkten nicht die betriebsverfassungsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der örtlichen Betriebsräte und nähmen diesen nicht die Befugnis, anlässlich einer konkreten Betriebsänderung nach § 88 BetrVG i. V. m. § 112 a BetrVG mit dem Arbeitgeber in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Sozialplanregelungen zu treffen. Dies folge aus der den jeweiligen Betriebsverfassungsorganen zugewiesenen Regelungszuständigkeit, die durch den Abschluss freiwilliger Vereinbarungen nicht aufgehoben werden könne3. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte bereits 1997 eine Gesamtbetriebsvereinbarung „zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen“ durch personelle Maßnahmen infolge von Effektivitäts- und Effizienzuntersuchungen bzw. Betriebsänderungen „GBV 1997“ abgeschlossen. Danach erhielten alle Arbeitnehmer, die in einem unbefristeten und ungekündigten

1 2 3

1 AZR 119/11 n. v. (Rz. 23 ff.). So bereits BAG v. 11.12.2007 – 1 AZR 824/06, DB 2008, 298 ff. Rz. 34. BAG v. 17.4.2012 – 1 AZR 119/11 n. v. (Rz. 23); Fitting, BetrVG § 50 Rz. 10.

497

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Arbeitsverhältnis standen und die von betriebsbedingten personellen Maßnahmen betroffen waren, im Einzelnen geregelte Abfindungszahlungen. Dies sollte nach der GBV 1997 allerdings dann nicht gelten, wenn ein Arbeitnehmer einen ihm angebotenen und in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz ohne stichhaltige Begründung ablehnte. Der Kläger war zum 1.11.2004 von einem Übergang eines Betriebsteils von der Beklagten auf die A GmbH betroffen. Anlässlich dieses Betriebsteilübergangs vereinbarten die Beklagte, ihr Betriebsrat und die Erwerberin im Rahmen einer Überleitungsvereinbarung vom 28.9.2004 (ÜV 2004), dass die GBV 1997 mit der Maßgabe galt, dass der bisherige Arbeitsplatz am selben Ort bei der Erwerberin als in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertig und zumutbar sei und ein Widerspruch gegen den Übergang den Abfindungsanspruch bei anschließender Kündigung ausschloss. Der Kläger und weitere 24 Arbeitnehmer widersprachen im November 2005 dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH. Anlass hierfür war das bevorstehende Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH, das am 22.12.2005 eröffnet wurde. Der Widerspruch des Klägers war trotz Ablaufs der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB statthaft, weil die Unterrichtung fehlerhaft gewesen war und er das Widerspruchsrecht nicht verwirkt hatte4. Als das Arbeitsverhältnis im Anschluss daran betriebsbedingt gekündigt werden sollte, vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan (IA/SP 2008). Dieser bestimmte u. a. § 1 Betriebsänderung, Information und Beratung mit dem Betriebsrat 1. Die Betriebspartner gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich bei dem Ausspruch von 25 Kündigungen um eine Betriebsänderung gem. § 111 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG handelt, weil in einem Betrieb mit in der Regel 171 Arbeitnehmern (einschließlich der 25 zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer) mehr als 10 % entlassen werden sollen. ….. § 2 Gegenstand und Geltungsbereich der Vereinbarung 1. …. Die Betriebspartner ergänzen mit dieser Betriebsvereinbarung die zwischen ihnen am 28.9.2004 abgeschlossene Überleitungsvereinbarung. Rechtsfolgen und Ansprüche von Mitarbeitern, die unter 4

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BAG v. 2.4.2009 – 8 AZR 318/07, AP BGB § 613 a Nr. 8; siehe auch teilweise parallel BAG v. 2.4.2099- 8 AZR 178/07, AP BGB § 613 a Nr. 9.

Wirkungsweise eines vorsorglichen (Rahmen-) Sozialplans

den Geltungsbereich gem. § 2 Ziffer 2 dieser Betriebsvereinbarung fallen, richten sich ausschließlich nach Maßgabe dieser Betriebsvereinbarung. 2. Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter mit einem bis zum 15.1.2008 erhobenen nachträglichen Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses, mit denen eine abschließende Vereinbarung über die Rechtsfolgen ihres Widerspruchs bisher nicht getroffen ist. … § 5 Entschädigungsleistungen, Sozialplan Für Ausgleich und Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung oder durch eine bereits nach einem Widerspruch ausgesprochene Kündigung entstehen oder entstanden sind, gelten die Regelungen der Überleitungsvereinbarung vom 28.9.2004 mit folgender Maßgabe: 1. Mitarbeiter, die bis zum 15.3.2008 mit A eine Vereinbarung gemäß nachfolgender Ziffer 2 abschließen, erhalten eine Entschädigungsleistung in Höhe von 67.000,- € brutto. 2. Die A verpflichtet sich, allen unter den persönlichen Geltungsbereich gemäß § 2 Ziff. 2 fallenden Mitarbeitern zugleich mit dem Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung, spätestens jedoch bis zum 15.2.2008, eine Vereinbarung anzubieten, wonach der nachträgliche Widerspruch gegenstandslos ist, das Arbeitsverhältnis also am 1.11.2004 auf A GmbH übergegangen ist, daher die vorsorgliche Kündigung ebenfalls gegenstandslos ist und einschließlich evtl. Ansprüche aus betrieblicher Altersvorsorge keine weiteren Ansprüche gegen A oder verbundene Unternehmen der Firmengruppe A NV bestehen. … 4. Mitarbeiter, die ohne Abschluss der angebotenen Vereinbarung als Folge ihres nachträglichen Widerspruchs durch betriebsbedingte Beendigungskündigung aus dem Arbeitsverhältnis bei A ausscheiden, ist ein Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan ausgeschlossen, wie dies auch in Ziff. 6.3 der Überleitungsvereinbarung vereinbart worden ist.

Der Kläger hat die ihm nach § 5 Nr. 2 IA/SP 2008 angebotene Vereinbarung nicht unterzeichnet. Er verlangte nunmehr eine Abfindung in Höhe von 61.355,00 € (brutto), nach Maßgabe der GBV 1997. Die Beklagte verweigerte eine solche Zahlung mit der Begründung, dass nach der im IA/SP 2008 in Verbindung mit der ÜV 2004 getroffenen Regelung ein solcher Anspruch 499

Betriebsänderung und Betriebsübergang

als Folge einer Kündigung nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen sei. Der 1. Senat des BAG hat in seinem Urteil vom 17.4.20125 die Sichtweise des Arbeitgebers bestätigt und die Klage abgewiesen. Dabei hat das BAG zunächst einmal deutlich gemacht, dass die Regelungen des IA/SP 2008 keinen Abfindungsanspruch des Klägers begründen können. Denn sie waren daran geknüpft, dass die in § 5 Nr. 2 IA/SP 2008 bezeichnete Vereinbarung über einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bei der A GmbH abgeschlossen werden. Diese Vereinbarung hatte der Kläger nicht abgeschlossen. Für Mitarbeiter, die ohne Abschluss der angebotenen Vereinbarung ausschieden, war durch § 5 Nr. 4 IA/SP 2008 in Verbindung mit der ÜV 2004 ein Abfindungsanspruch ausgeschlossen, wenn ursprünglich die Möglichkeit bestanden hatte, den bisherigen Arbeitsplatz im Zusammenhang mit dem Betriebsteilübergang – wenn auch bei einem anderen Rechtsträger – beizubehalten. Auch diese Voraussetzung war in Bezug auf den Kläger erfüllt6. Nach Auffassung des BAG konnte allerdings auch die GBV 1997 einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung wegen betriebsbedingter Kündigung nicht begründen. Grundsätzlich stünden der IA/SP 2008 und die ungekündigte GBV 1997 zwar nebeneinander. Voraussetzung einer Abänderung oder Ablösung der Gesamtbetriebsvereinbarung sei auch eine Regelung, die mit bzw. – sofern eine Kündigung erfolge – gegenüber dem Gesamtbetriebsrat erfolgen müsse. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um einen Gegenstand der zwingenden oder der freiwilligen Mitbestimmung handele. Deshalb könne eine mit dem Gesamtbetriebsrat getroffene Vereinbarung grundsätzlich auch nicht durch eine mit dem örtlichen Betriebsrat beschlossene Vereinbarung abgelöst werden. Habe der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat in einer Angelegenheit, die nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliege, eine Betriebsvereinbarung geschlossen, müsse er sich wegen deren Aufhebung oder Änderung durch eine neue freiwillige Vereinbarung an den Gesamtbetriebsrat wenden oder sie einseitig durch Kündigung beenden7. Nach Auffassung des 1. Senats des BAG kann indes trotz ihrer fortbestehenden Geltung aus der GBV 1997 kein Anspruch auf eine Abfindung entstehen, wenn zwischen dem örtlichen Betriebsrat und dem Arbeitgeber anläss-

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500

1 AZR 119/11 n. v. (Rz. 15 ff.). BAG v. 17.4.2012 – 1 AZR 119/11 n. v. (Rz. 15 ff.). BAG v. 17.4.2012 – 1 AZR 119/11 n. v. (Rz. 25.).

Wirkungsweise eines vorsorglichen (Rahmen-) Sozialplans

lich einer Betriebsänderung hierzu konkrete (abschließende) Regelungen getroffen wurden. Eine Kumulation der Ansprüche aus IA/SP 2008 einerseits und GBV 1997 andererseits in Bezug auf die von der Betriebsänderung 2008 betroffenen Arbeitnehmer sei ausgeschlossen. Der GBV 1997 sei – so das BAG – als vorsorglichem Sozialplan nicht zu entnehmen, dass sie einem örtlichen Betriebsrat die aus Anlass einer konkreten beteiligungspflichtigen Betriebsänderung zustehende Befugnis zum Abschluss eines wegen der Ausnahmevorschrift des § 112 a BetrVG nur freiwillig möglichen Sozialplans verschließen wollte. Als Ausgleichsregelung für eine Vielzahl denkbarer Betriebsänderungen beanspruchte sie wegen ihrer typischen Auffangfunktion aber aus Sicht des BAG nur in solchen Fällen Geltung, in denen die örtlichen Betriebsparteien im Falle einer konkreten Betriebsänderung, die in ihren Zuständigkeitsbereich falle, von einer eigenen Ausgleichsregelung absähen und keinen Sozialplan vereinbarten. Vorliegend hätten die Betriebsparteien aus Anlass eines betriebsbezogenen interessenausgleichspflichtigen Personalabbaus im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG aber eine Ausgleichsregelung getroffen, die allein wegen der Ausnahmevorschrift des § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG nur freiwillig erfolgen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass die GBV 1997 im Falle des Abschlusses eines Sozialplans infolge einer bestimmten Betriebsänderung zusätzliche Ansprüche zugunsten von Arbeitnehmern begründen sollte, fänden sich nicht. Die im Wege der Auslegung der GBV 1997 begründete Entscheidung des BAG erscheint durchaus vertretbar, zwingend ist sie allerdings nicht. Denn schlussendlich lässt das BAG unberücksichtigt, dass die im Ergebnis nachrangige Geltung der GBV 1997 weder im Wortlaut noch im Gesamtzusammenhang, der Systematik oder in schriftlich dokumentierten Erklärungen zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat erkennbar geworden ist. Vielmehr lässt die GBV 1997 lediglich das Interesse der Parteien erkennen, Arbeitnehmern bei einer betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine bestimmte Abfindung zuzusagen. Sie soll nur dann nicht gewährt werden, wenn ein anderer (zumutbarer) Arbeitsplatz mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung angeboten worden ist. Dass die GBV 1997 auch dann zurücktreten soll, wenn zwischen Arbeitgeber und einem örtlichen Betriebsrat hiervon abweichende – im Ergebnis die GBV 1997 einschränkende – Regelungen getroffen werden, kann zwar mit der Annahme eines „typischen Zwecks“ eines vorsorglichen Sozialplans zu Recht angenommen werden. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass die Parteien eines vorsorglichen Sozialplans durchaus die Absicht haben können, weitergehende Zugeständnisse zu machen, als dies zu einem späteren Zeitpunkt auf betrieblicher 501

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Ebene beabsichtigt ist, würde dieser (weitergehende) Regelungszweck des vorsorglichen Sozialplans bei diesem allgemeinen Auslegungsergebnis nicht berücksichtigt. Im Hinblick auf diese Bedenken in Bezug auf das Auslegungsergebnis wird man der betrieblichen Praxis empfehlen müssen, das Verhältnis des vorsorglichen Sozialplans zu den auf örtlicher Ebene abgeschlossenen Sozialplänen ausdrücklich im Sozialplan selbst erkennbar werden zu lassen. Dabei sollte durch eine klare Regelung deutlich gemacht werden, dass der vorsorgliche Sozialplan dann keine Anwendung findet, wenn auf örtlicher Ebene im Rahmen der dort bestehenden Regelungszuständigkeit Vereinbarungen über den Ausgleich bzw. die Milderung wirtschaftlicher Nachteile als Folge einer Betriebsänderung getroffen werden. Dabei sollte es keine Rolle spielen, ob diese Vereinbarungen im Rahmen des pflichtigen Sozialplans (§ 112 BetrVG) bzw. in Form eines freiwilligen Sozialplans (§ 112 a BetrVG) zustande kommen. Unerheblich wäre bei einer solchen Regelung auch, welche der jeweils in Rede stehenden Vereinbarungen für Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer günstiger ist. Dass ein vorsorglicher Sozialplan in der betrieblichen Praxis schlussendlich Mindestansprüche begründet, die bei späteren Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Zweifel als Mindestleistung durch die Betriebsräte verstanden werden, ist zu berücksichtigen und ggf. hinzunehmen. Diese Wirkung ist der Preis für die „Befriedungsfunktion“, die ein vorsorglicher Sozialplan bzw. ein Rahmensozialplan im Hinblick auf künftige Personalanpassungsmaßnahmen hat, die dann anschließend ohne einen eigentlichen Sozialplan zur Umsetzung kommen. Diese Folge muss allerdings einkalkuliert werden, weil der Betriebsrat als Konsequenz seiner Beteiligungsrechte bei späteren Betriebsänderungen und der Notwendigkeit, vor deren Umsetzung noch Interessenausgleichsverhandlungen führen zu müssen, schon mit Blick auf das Zeitmoment Druck ausüben kann, im Rahmen der Sozialplanverhandlungen auf örtlicher Ebene weitergehende Zugeständnisse zu machen. (Ga)

2.

Altersdiskriminierung durch Kürzung/Wegfall von Sozialplanabfindungen bei rentennahen Jahrgängen

Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir auf die Feststellungen des EuGH im Urteil vom 12.10.20108 hingewiesen9. Danach stehen Art. 2 und 6 Abs. 1

8

C-499/08, NZA 2010, 1341 ff. – Andersen.

502

Kürzung/Wegfall von Sozialplanabfindungen bei rentennahen Jahrgängen

der Richtlinie 2000/78/EG einer nationalen Regelung entgegen, nach der Arbeitnehmer, die eine Altersrente beziehen können, die von ihrem Arbeitgeber aus einem Rentensystem gezahlt wird, dem sie vor Vollendung ihres 50. Lebensjahres beigetreten sind, allein aus diesem Grund eine Entlassungsabfindung nicht beziehen können, die dazu bestimmt ist, die berufliche Wiedereingliederung von Arbeitnehmern mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als zwölf Jahren zu fördern. Nach der hier vertretenen Auffassung stehen diese Feststellungen des EuGH losgelöst von den in § 10 AGG getroffenen Feststellungen Regelungen im Rahmen eines Sozialplans entgegen, nach denen rentennahe Arbeitnehmer für den Fall einer betriebsbedingten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses von dem Anspruch auf Zahlung einer Abfindung ausgeschlossen bzw. Abfindungsansprüche gemindert werden, weil diese Arbeitnehmer unmittelbar nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder einem zwischenzeitlichen Bezug von Arbeitslosen- und/oder Kurzarbeitergeld einen Anspruch auf gesetzliche Altersrente haben. Denn eine solche Regelung benachteiligt diese Arbeitnehmer wegen ihres Alters ohne Rücksicht darauf, ob auf ihrer Seite überhaupt ein Interesse besteht, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Altersrente in Anspruch zu nehmen. Ausgehend davon, dass auch diese Arbeitnehmer berechtigt wären, sich um eine Anschlussbeschäftigung zu bemühen, gibt es jedenfalls unter Berücksichtigung der Feststellung des EuGH keine Rechtfertigung, sie - anders als jüngere Arbeitnehmer– bei diesem Bemühen nicht durch Zahlung einer Abfindung zu unterstützen. Schließlich hat die Abfindung auch unter Berücksichtigung von § 112 Abs. 1 BetrVG das Ziel, eine Überbrückungshilfe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Suche nach einer Anschlussbeschäftigung zu begründen. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn Arbeitnehmer im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses – ggf. nach der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld bzw. Kurzarbeitergeld – tatsächlich gesetzliche Altersrente beziehen. In diesen Fällen muss allerdings geprüft werden, ob wegen der ggf. vorzeitigen Beendigung der gesetzlichen Altersrente nicht doch wirtschaftliche Nachteile als Folge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten sind, die – ganz oder teilweise – zum Gegenstand von Ausgleichsleistungen des Sozialplans gemacht werden sollten. In den Urteilen vom 10.3.201110, 14.6.201111 und 10.11.201112 haben das LAG Rheinland-Pfalz sowie das LAG Düsseldorf allerdings von der vorste9 B. Gaul, AktuellAR 2010, 554 ff.; 2011, 239 ff. 10 10 Sa 547/10 n. v. 11 16 Sa 1712/10 n. v.

503

Betriebsänderung und Betriebsübergang

henden Analyse der Bedeutung der Feststellungen des EuGH abweichende Bewertungen vorgenommen und das Vorliegen einer Altersdiskriminierung wegen entsprechender Sonderregelungen für rentennahe Jahrgänge in verschiedenen Sozialplänen abgelehnt. Die jeweils in Rede stehenden Regelungen hatten zur Folge, dass die Abfindungsansprüche, die bei den „normalen“ Arbeitnehmern gezahlt wurden, für rentennahe Jahrgänge im Einzelfall um 50 %, 85 % bzw. 95 % gekürzt wurden. Zur Begründung wird dabei im Wesentlichen auf den Umstand verwiesen, dass die betrieblichen Sozialpartner bei der Ausübung ihres Gestaltungsspielraums berücksichtigen dürften, dass die rentennahen Jahrgänge jedenfalls die Möglichkeit hätten, zeitnah nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Bezug der gesetzlichen Altersrente eine wirtschaftliche Ausgleichsleistung zu erhalten. Dies unterscheide diese Gruppe von Arbeitnehmern von den übrigen Arbeitnehmern, die als Folge einer betriebsbedingten Kündigung ebenfalls einen Wegfall der bisherigen wirtschaftlichen Absicherung durch das bestehende Arbeitsverhältnis hinzunehmen hätten. Die durch den EuGH in seinem Urteil vom 12.10.201013 getroffenen Feststellungen seien auf die hier in Rede stehenden Regelungen für rentennahe Jahrgänge in einem Sozialplan nicht zu übertragen. Denn anders als bei einer gesetzlichen Regelung, wie sie der Entscheidung des EuGH zugrunde lag, ging es bei einem Sozialplan darum, ein begrenztes Volumen zu verteilen. Die Betriebsparteien müssten die zur Verfügung stehenden Mittel im Hinblick auf den Ausgleich künftiger Nachteile der Arbeitnehmer, die von der Betriebsänderung betroffen seien, optimieren und darauf achten, dass keine Gruppe übermäßig bevorzugt werde (Verteilungsgerechtigkeit). Erhöhten sich die Abfindungen für ältere Arbeitnehmer, weil ein möglicher Rentenbezug nicht mehr berücksichtigt würde, hätte dies einen nachhaltigen Effekt für jüngere Arbeitnehmer, für die Rente noch in weiter Ferne liege. Die Betriebspartner könnten deshalb zwischen „rentennahen“ und „rentenfernen“ Jahrgängen differenzieren. Dass der Kläger in einem der Fälle anstelle von 156.695,42 € (brutto) nur 22.200,- € (brutto) erhalte, stelle auch unter Berücksichtigung dieser Überlegungen eine noch angemessene Ausgleichsleistung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar14. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG dieser Bewertung folgen wird. In mindestens zwei Verfahren ist bereits Revision eingelegt worden15. Diese Verfahren

12 13 14 15

11 Sa 764/11 n. v. C-499/08, NZA 2010, 1341 Rz. 44. ff. – Andersen. LAG Rheinland-Pfalz v. 10.3.2011 – 10 Sa 547/10 n. v. (Rz. 47). Unter den Aktenzeichen 1 AZR 617/11 und 1 AZR 25/12.

504

Nachteilsausgleichspflicht durch unwiderrufliche Freistellung

betreffen die Urteile des LAG Düsseldorf. Ob gegen das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.3.201116, das keine Revision zugelassen hatte, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde, ist nicht bekannt. Der betrieblichen Praxis sei trotz dieser – möglicherweise als positiv empfundenen – Urteile des LAG Rheinland-Pfalz und des LAG Düsseldorf empfohlen, auf die bisherige Praxis in Bezug auf rentennahe Jahrgänge zu verzichten. Sie birgt das Risiko, dass entsprechende Differenzierungen als Altersdiskriminierung qualifiziert werden und damit bei der Berechnung der Höhe von Sozialplanabfindungen keine Berücksichtigung mehr finden. Die Folge wäre, dass auch die rentennahen Jahrgänge die für die übrigen Arbeitnehmer geltenden Abfindungsregelungen in Anspruch nehmen können. Fehlen dort Höchstgrenzen, kann dies eine Vervielfachung der vorgesehenen Abfindungsbeträge zur Folge haben. Wie bereits an anderer Stelle eingehend ausgeführt17, empfiehlt es sich vielmehr, Abfindungsregelungen vorzusehen, die altersunabhängig für alle Arbeitnehmer, die von einer betriebsbedingten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses betroffen sind, eine wirtschaftliche Absicherung im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsehen. Die Dauer dieser wirtschaftlichen Absicherung kann nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelt werden. Die Höhe dieser wirtschaftlichen Absicherung kann davon abhängig gemacht werden, welches Sozialplanvolumen zur Verteilung verfügbar ist. Altersunabhängig kann dann darüber hinaus festgelegt werden, dass die Möglichkeit der Inanspruchnahme gesetzlicher Sozialleistungen (z. B. Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Altersrente) anspruchsmindernd berücksichtigt wird. Ergänzend hierzu sollten nicht nur summenmäßige Höchstbeträge festgesetzt werden. Vielmehr ist, ohne ausdrückliche Bezugnahme auf rentennahe Arbeitnehmer, darüber hinaus als Höchstgrenze einer Abfindung der Betrag festzusetzen, den der Arbeitnehmer bei einer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bis zum vereinbarten Ende auch ohne eine Kündigung erhalten hätte. (Ga)

3.

Nachteilsausgleichspflicht durch unwiderrufliche Freistellung

Nach den §§ 113 Abs. 2, 3 BetrVG, 10 KSchG kann ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung geltend machen, wenn dieser eine

16 10 Sa 547/10 n. v. 17 B. Gaul, AktuellAR 2011, 239 ff., 554 ff.

505

Betriebsänderung und Betriebsübergang

geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und infolge der Maßnahmen Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Gerade bei zeitkritischen Betriebsänderungen stellt sich in der betrieblichen Praxis immer wieder die Frage, welche Maßnahmen arbeitgeberseitig bereits eingeleitet werden können, bevor die Interessenausgleichsverhandlungen zum Abschluss gekommen sind. Dies gilt auch und insbesondere im Rahmen des Insolvenzverfahrens, das trotz der Beschleunigungsregelungen in den §§ 121, 122 InsO den Versuch eines Interessenausgleichs nicht entbehrlich macht. In der Regel geht es nur um den Abschluss von Vereinbarungen über den An- oder Verkauf bzw. die Vermietung des jeweils zur betrieblichen Nutzung verwendeten Grundstücks. Solche Vereinbarungen können ohne Einschränkung abgeschlossen werden, wenn und soweit daraus keine Räumungsverpflichtung folgt, die bereits vor Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen zur Umsetzung kommen muss. Entsprechendes gilt für Vereinbarungen, die eine Veräußerung von Betriebsmitteln zur Folge haben, solange der Arbeitgeber Zeitrahmen und Umfang der Nutzung weiter steuern kann. Letztendlich muss allerdings jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob die Maßnahme des Arbeitgebers bereits eine Durchführung der Betriebsänderung zur Folge hat. Hiervon ist nach Maßgabe der Feststellungen des BAG im Urteil vom 30.5.200618 auszugehen, wenn der Arbeitgeber unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Insofern löst der Arbeitgeber durch sein Handeln einen Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG aus, sobald seine Maßnahmen in unumkehrbarer Weise eine Auflösung der betrieblichen Organisation (Betriebsstilllegung), eine Verlagerung des Betriebs oder Betriebsteils oder grundlegende Veränderungen in Bezug auf die Betriebsorganisation bzw. den Betriebszweck zur Folge haben. Hiervon kann beispielsweise dann auszugehen sein, wenn Veränderungen im Produktionsprozess bzw. Vereinbarungen mit Zulieferen zur Folge haben, dass die ursprünglich geplante Produktion eingeschränkt bzw. eingestellt werden muss, ohne dass darüber bereits ein Interessenausgleich abgeschlossen bzw. die Interessenausgleichsverhandlungen im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens gescheitert sind.

18 1 AZR 25/05, NZA 2006, 1122 ff. Rz. 17.

506

Nachteilsausgleichspflicht durch unwiderrufliche Freistellung

Nach den insoweit überzeugenden Feststellungen des LAG BerlinBrandenburg vom 2.3.201219 kann auch die unwiderrufliche Freistellung der in einem Betrieb oder Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer zur Folge haben, dass darin bereits die Durchführung einer Betriebs- bzw. Betriebsteilstilllegung zu sehen ist. Denn mit dieser gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern erklärten Maßnahme verzichtet der Arbeitgeber in unumkehrbarer Weise darauf, die Arbeitsleistung dieser Arbeitnehmer zur Verfolgung des Betriebszwecks in Anspruch nehmen zu können. Denn die Freistellung hat angesichts der Unwiderruflichkeit auch dauerhaften Charakter. Insofern ist es richtig, nur bei einer Berechtigung zum Widerruf dieser Freistellung von einer grundsätzlich noch umkehrbaren Maßnahme des Arbeitgebers auszugehen. Wirtschaftliche Beweggründe, die den Arbeitgeber zur Durchführung entsprechender Maßnahmen veranlassen, spielen im Zusammenhang mit der Begründung eines Anspruchs auf einen Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG keine Rolle. Dies machen bereits die insolvenzrechtlichen Vorschriften erkennbar, die mit Ausnahme der Möglichkeit einer gerichtlichen Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung auch den Insolvenzverwalter nicht von der Verpflichtung zum Versuch eines Interessenausgleichs befreien. Von diesen Überlegungen ausgehend hat das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 2.3.201220 als Konsequenz einer unwiderruflichen Freistellung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der beabsichtigten Stilllegung eines Fitness-Studios einen Nachteilsausgleichsanspruch anerkannt. Erhebliche Bedeutung besitzt dabei der Umstand, dass es sich insoweit um eine Neumasseverbindlichkeit handelt, die im Wege der Leistungsklage gegenüber dem Insolvenzverwalter verfolgt werden kann21. Auf diesen Nachteilsausgleichsanspruch ist zwar der Sozialplananspruch des hiervon betroffenen Arbeitnehmers anrechenbar. Allerdings gilt dies nur dann, wenn und soweit der Insolvenzverwalter diese Sozialplanforderung bereits tatsächlich an den Arbeitnehmer ausgezahlt hat22. Im Zweifel ist damit der Nachteilsausgleichsanspruch für den Arbeitnehmer deshalb deutlich lukrati-

19 20 21 22

13 Sa 2187/11, ZIP 2012, 1429 f. 13 Sa 2187/11, ZIP 2012, 1429 f. Vgl. BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 25/05, NZA 2006, 1122 ff. Rz. 11. BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05, NZA 2007, 1287 ff. Rz. 60 ff.; LAG BerlinBrandenburg v. 2.3.2012 – 13 Sa 2187/11, ZIP 2012, 1429 Rz. 36; LAG Berlin v. 27.5.2005 – 6 Sa 1499/04, NZA-RR 2005, 516 Rz. 61.

507

Betriebsänderung und Betriebsübergang

ver, als es eine Sozialplanforderung im Rahmen der Insolvenz sein kann. (Ga)

4.

Haftung des Betriebsrats und seiner Mitglieder bei der Beauftragung eines Beraters bei Betriebsänderungen

Gemäß § 111 S. 2 BetrVG kann der Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern bei einer geplanten Betriebsänderung zur Unterstützung bei der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte aus §§ 111, 112 BetrVG einen Berater hinzuziehen. Entgegen der normalen Einbeziehung von Sachverständigen gemäß § 18 Abs. 3 BetrVG ist hierfür eine vorangehende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nicht erforderlich. Wenn die Tätigkeit des Beraters zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich und das versprochene Entgelt marktüblich ist, hat der Betriebsrat einen Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG23. In seinem Urteil vom 25.10.201224 hat der BGH jetzt deutlich gemacht, dass das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die zulässige Einbindung eines Beraters durch die Betriebsräte sehr sorgfältig geprüft werden sollte. Denn nur unter diesen Voraussetzungen können die durch den Berater entstehenden Kosten erstattet werden. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, droht dem Betriebsratsvorsitzenden bzw. den übrigen als Vertreter des Betriebsrats handelnden Betriebsratsmitgliedern eine Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB). In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Betriebsrat eines an mehreren Standorten tätigen Unternehmens mit mehr als 300 Arbeitnehmern den Beschluss gefasst, sich im Verfahren über einen Interessenausgleich gemäß § 111 S. 2 BetrVG von der Klägerin betriebswirtschaftlich beraten zu lassen. Auf der Grundlage dieses Beschlusses erteilte der Betriebsratsvorsitzende der Klägerin einen Beratungsauftrag. Als sich der Arbeitgeber weigerte, die dadurch entstandenen Kosten im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG zu erstatten, nahm die Klägerin nunmehr sowohl den Betriebsrat als Gremium als auch den Betriebsratsvorsitzenden und die stellvertretende Betriebsrats-

23 24

508

HWK/Hohenstatt/Willemsen, BetrVG § 111 Rz. 70; Wlotzke/Preis, BetrVG § 111 Rz. 35; Fitting, BetrVG § 111 Rz. 118. III ZR 266/11 n. v.

Haftung des Betriebsrats und seiner Mitglieder bei der Beauftragung eines Beraters

vorsitzende auf Zahlung des Honorars für die von ihr erbrachten Beratungsleistungen in Anspruch. Die Vorinstanzen hatten diese Klage noch abgewiesen. Der III. Zivilsenat hatte das Berufungsurteil indes aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach seinen Feststellungen besteht eine Vermögens- und – daraus folgend – auch eine Rechtsfähigkeit des Betriebsrats im Verhältnis zu Dritten, soweit eine entsprechende Vereinbarung innerhalb des gesetzlichen Wirkungskreises des Betriebsrats liegt. Denn ein gegen den Arbeitgeber gerichteter Anspruch des Betriebsrats gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG auf Befreiung von der gegenüber dem Berater bestehenden Verbindlichkeit setzt notwendig das Bestehen einer eigenen Verpflichtung des Betriebsrats gegenüber dem Dritten voraus. Ohne wirksame vertragliche Grundlage würde der Dritte auch kaum den Betriebsrat beraten. Entsprechendes wird man für die Einbindung eines Rechtsanwalts in die gerichtliche Vertretung eines Betriebsrats annehmen müssen. Nach den ergänzenden Feststellungen des BGH ist ein Vertrag, den der Betriebsrat zu seiner Unterstützung gemäß § 111 S. 2 BetrVG mit einem Beratungsunternehmen schließt, aber nur insoweit wirksam, als die Beratung zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sind und das versprochene Entgelt marktüblich ist. Nur in diesem Umfang sei der Betriebsrat vermögens- und daher auch rechtsfähig. Schutzwürdige Interessen des Beraters stünden einer solchen Begrenzung der Vertragswirksamkeit nicht entgegen, da eine weitergehende rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Betriebsrats für den Berater mangels eines über den Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch hinaus gehenden Vermögens des Betriebsrats regelmäßig wertlos sei. Mit Blick auf das Risiko entsprechender Beauftragungen weist der III. Zivilsenat des BGH indes daraufhin, dass dem Betriebsrat insoweit ein Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Erforderlichkeit der Beratung zuzugestehen ist25. Diese Grenzen seien auch nicht zu eng zu ziehen26. Soweit sie von der Betriebsratsvorsitzenden bei der Beauftragung des Beratungsunternehmens dennoch überschritten würden, sei der von ihm für den Betriebsrat geschlossene Vertrag unwirksam. Damit können aus diesem Vertrag weder Ansprüche gegenüber dem Betriebsrat noch daran anknüpfende Kostenerstattungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber entstehen. 25 26

Ebenso Fitting, BetrVG § 111 Rz. 123 f. BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11 n. v.

509

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Erhebliche Bedeutung für die Betriebsräte im Zusammenhang mit etwaigen Betriebsänderungen hat indes der Umstand, dass der Betriebsratsvorsitzende – ebenso wie andere, dem Betriebsrat angehörende Mitglieder – insoweit gegenüber dem Beratungsunternehmen entsprechend den Grundsätzen des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§179 BGB) haften kann, es sei denn, das Beratungsunternehmen kannte die mangelnde Erforderlichkeit der Beratung oder musste sie kennen. Auch diese Rechtsfolge legt nahe, dass von Seiten der Betriebsräte aus versucht werden sollte, im Vorfeld einer Beauftragung externer Beratungsunternehmen Einvernehmen mit dem Arbeitgeber über diese Beauftragung, ihren Umfang und die dadurch entstehenden Kosten zu erzielen. Dies kann auch zu einer Vereinbarung gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG führen. (Ga)

5.

Kennzeichnung des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs (§ 613 a BGB)

Mit seinem Urteil vom 15.12.201127 hat der 8. Senat des BAG noch einmal eine Zusammenfassung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines rechtsgeschäftlichen Betriebs- bzw. Betriebsteilübergangs vorgenommen. Seine Ausführungen zeigen in klarer Weise, auf welche Weise auch die praktische Ausgestaltung potenzieller Übertragungsvorgänge die Anwendbarkeit von § 613 a BGB vermeiden oder herbeiführen kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine betriebsmittelintensive oder eine betriebsmittelarme Tätigkeit in Rede steht. Die Systematik ist gleich, auch wenn die hier in Rede stehenden Feststellungen das Vorliegen eines Betriebs- bzw. Betriebsteilübergangs im Zusammenhang mit der Neuvergabe eines Bewachungsauftrags betrafen. Darauf hat das BAG auch in einem weiteren Urteil vom 21.6.201228 hingewiesen, dass das Vorliegen eines Betriebsübergangs im IT-Dienstleistungsbereich betraf.

a)

Ausgangssachverhalt

In dem der erstgenannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger zunächst einmal als sogenannter Objektverantwortlicher durch die A GmbH in einem Logistikobjekt eingesetzt. Die A GmbH hatte den Objektschutz, Personenkontrollen, den Pfortendienst sowie Streifengänge für insgesamt fünf Objekte übernommen. In diesen fünf Objekten setzte sie 28

27 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130. 28 8 AZR 181/11 n. v.

510

Kennzeichnung des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs (§ 613 a BGB)

Wachleute ein, von denen fünf als Objektverantwortliche beschäftigt wurden. Der Kläger war mit zuletzt sechs Kollegen im Objekt „F I“ tätig. Zur Durchführung von Personenkontrollen mittels sogenannter Scanner waren im Wachlokal PC, Drucker und Faxgerät vorhanden, derer sich A als Auftragnehmer bediente. Als der Bewachungsauftrag mit A beendet wurde, kündigte A das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger betriebsbedingt zum 31.3.2009. Der Kläger ging gegen diese Kündigung nicht gerichtlich vor. Mit Beendigung der jeweiligen Überwachungsverträge zwischen A und der Firma F übernahm die Beklagte die Überwachung der entsprechenden Objekte. Im Zuge dessen bot sie Arbeitnehmern von A den Abschluss neuer Arbeitsverträge an, wobei strittig blieb, ob allen Arbeitnehmern oder nur einigen solche Angebote unterbreitet wurden. Auch der Kläger erhielt ein entsprechendes Angebot, das einen geringfügig geringeren Stundenlohn beinhaltete. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab. Von den zuvor bei A beschäftigten 28 Arbeitnehmern sind insgesamt 14 Arbeitnehmer durch die Beklagte übernommen worden. Hierzu gehörte auch eine Objektverantwortliche. Aus dem Objekt „F I“ wurden von den sieben Arbeitnehmern insgesamt vier Wachleute übernommen. Der Kläger, der in diesem Objekt Objektverantwortlicher war, gehörte nicht dazu. Mit Schreiben vom 1.5.2009 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihn weiter zu beschäftigen. Zur Begründung verwies er auf das Vorliegen eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG die Klage abgewiesen. Zwar könne aus § 611 BGB in Verbindung mit § 242 BGB ein Wiedereinstellungsanspruch bestehen, wenn nach dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung noch während der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer entsteht. Ergibt sich die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, kann dies nur ausnahmsweise einen Wiedereinstellungsanspruch rechtfertigen. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn der Betrieb oder Betriebsteil, dem der Arbeitnehmer zugeordnet war, gemäß § 613 a BGB auf einen Betriebserwerber übergehe29. Ein solcher Betriebs- oder Betriebsteilübergang lag nach den Feststellungen des BAG in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall indes nicht

29 Vgl. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 37; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469 Rz. 33.

511

Betriebsänderung und Betriebsübergang

vor. Damit kam es auch nicht mehr auf die Frage an, ob nicht – wovon auszugehen war – das Arbeitsverhältnis hätte allenfalls gekündigt auf die Beklagte übergehen können. Dort wäre es dann wegen fehlender Kündigungsschutzklage beendet worden.

b)

Ausgrenzung der Funktionsnachfolge

Zunächst einmal hat das BAG deutlich gemacht, dass die bloße Fortführung der bisherigen betrieblichen Tätigkeit durch einen anderen Rechtsträger (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang darstelle, wie die reine Auftragsnachfolge. Der bloße Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber stelle daher für sich genommen noch keinen Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG dar30. Hiervon ausgehend konnte auch der Abschluss eines (neuen) Bewachungsvertrags zwischen F und der Beklagten selbst auch dann nicht zur Anwendbarkeit von § 613 a BGB führen, wenn der der Beklagten erteilte Auftrag inhaltlich identisch zu dem zuvor A erteilten Auftrag sein sollte. Zwar könne auch die Übernahme von Kunden- und Lieferantenbeziehungen einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang begründen. Die bloße Auftragsnachfolge selbst stelle aber weder einen Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB noch den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG dar31. Hiervon ausgehend setze der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit neben einer etwaigen Auftragsnachfolge die Feststellung zusätzlicher Umstände voraus, die in der Gesamtwürdigung die Annahme des Fortbestands der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigten. Eine Tätigkeit sei noch keine wirtschaftliche Einheit. Dies gelte selbst dann, wenn ein Dienstleistungsauftrag, der für die Existenz des Betriebs unentbehrlich einziger Auftrag des Betriebs sei. Insofern setze der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit neben einer etwaigen Auftragsnachfolge die Feststellung zusätzlicher Umstände voraus,

30 EuGH v. 11.3.1997 – C-13/95, NZA 1997, 433 f. – Ayse Süzen; BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 40; BAG v. 25.6.2009 – 8 AZR 258/08, NZA 2009, 1412 RZ. 41. 31 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 181/11 n. v. (Rz. 31); BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 45; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469 ff.

512

Kennzeichnung des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs (§ 613 a BGB)

die in der Gesamtwürdigung die Annahme des Fortbestands der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigten32.

c)

Gesamtwürdigung zur Kennzeichnung des Übertragungsvorgangs

Ausgangspunkt seiner Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs ist damit die Feststellung des BAG, dass § 613 a BGB dann zur Anwendung kommt, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführe. Der Begriff wirtschaftliche Einheit beziehe sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisatorischen Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen sei, richte sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Als Teilaspekte dieser Gesamtwürdigung nennt das BAG unter Berücksichtigung entsprechender Feststellungen des EuGH insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, den Übergang materieller Betriebsmittel wie beweglicher Güter und Gebäude, den Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, den Übergang von Kundschaft- und Lieferantenbeziehungen, den Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit könne sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien komme je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden ein unterschiedliches Gewicht zu33.

32 EuGH v. 20.1.2011 – C-463/09, NZA 2011, 148 ff. - CLECE; BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 46; BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1267 Rz. 49 f. 33 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 181/11 n. v. (Rz. 30); BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 39; BAG v. 25.6.2009 – 8 AZR 258/08, NZA 2009, 1412 Rz. 40 ff.

513

Betriebsänderung und Betriebsübergang

d)

Übergang bei betriebsmittelgeprägter Tätigkeit

In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen34. Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern durch einen Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden, schließt einen Betriebsübergang nicht aus. Auch ist bei einer Auftragsneuvergabe die Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Betriebsübergangs vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer35. Darauf weist das BAG noch einmal in den beiden Urteilen vom 15.12.201136 und 21.6.201237 ausdrücklich hin. Sächliche Betriebsmittel sind nach den entsprechenden Feststellungen des BAG im Rahmen einer Auftragsneuvergabe dann wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmache. Kriterien hierfür könnten sein, dass die Betriebsmittel unverzichtbar zur ordnungsgemäßen Verrichtung der Tätigkeit seien, auf dem freien Markt nicht erhältlich seien oder ihr Gebrauch vom Auftraggeber zwingend vorgeschrieben werde38. Diese Voraussetzungen einer betriebsmittelgeprägten Tätigkeit waren vorliegend nicht gegeben. Denn hierfür genügt nicht, dass sie zur Erbringung einer Dienstleistung erforderlich sind. Insofern mag auch die Nutzung eines Wachlokals im Hinblick auf die Bewachung eines Objekts im Schichtbetrieb notwendig sein. Das Wachlokal selbst dient aber nicht unmittelbar der Sicherung und Bewachung des zu überwachenden Projekts. Vielmehr hat es als Hilfsmittel allein dienende Funktion. Dies gilt – so das BAG – auch für die im Wachlokal vorgehaltene Ausrüstung. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die ein- bzw. ausfahrenden Fahrzeuge schlussendlich durch die Wachleute selbst kontrolliert werden und diese im Objekt Streife laufen. Denn prägend

34 EuGH v. 20.11.2003 – C-340/01, NZA 2003, 1385 ff. - Abler; BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 40; BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 567/09, NZA 2011, 197 Rz. 30. 35 Vgl. EuGH v. 15.12.2005 – C 232/04 und C- 233/04, NZA 2006, 29 ff. – Güney Görres. 36 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 40. 37 8 AZR 181/11 n. v. (Rz. 31). 38 BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 40; BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 Rz. 21 ff.; BAG v. 13.6.2006 - 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1101 Rz. 20.

514

Kennzeichnung des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs (§ 613 a BGB)

für diese Tätigkeit sei schlussendlich die Achtsamkeit der Wachleute an der Pforte, im Objekt bzw. auf Streifengängen und deren Bereitschaft, bzw. Fähigkeit, im Bedarfsfall einzugreifen. Dass die Erkenntnisse solcher Streifengänge durch Ausnutzung technischer Hilfsmittel (Computer, Drucker) dokumentiert werden, macht bei wertender Betrachtungsweise nicht den eigentlichen Kern dieser Tätigkeit aus.

e)

Übergang bei betriebsmittelarmer Tätigkeit

Unter Bezugnahme auf die dahingehenden Feststellungen des EuGH geht auch der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 15.12.201139 davon aus, dass in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen könne. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit sei in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführe, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personal übernehme, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden müsse, um die Rechtsfolgen des § 613 a BGB auszulösen, hänge von der Struktur des Betriebs oder Betriebsteils und der ausgeübten Tätigkeit ab. Würden Arbeitnehmer mit einer geringeren Qualifikation beschäftigt, müsse eine größere Anzahl von ihnen weiterbeschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können, als wenn der Betrieb stärker durch Spezialwissen und Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt sei. Denn hier könne neben anderen Kriterien ausreichen, dass wegen ihrer Sachkunde wesentliche Teile der Belegschaft übernommen würden. So sei schlussendlich entscheidend, ob der weiter beschäftigte Belegschaftsteil insbesondere aufgrund seiner Sachkunde, seiner Organisationsstruktur und nicht zuletzt seiner relativen Größe im Grundsatz funktionsfähig geblieben sei40. Diese Voraussetzungen lagen für das BAG in dem seiner Entscheidung vom 15.12.201141 zugrunde liegenden Fall nicht vor. In Bezug auf das Objekt „F

39 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 40, 53 ff. 40 BAG v. 20.6.2011 – 8 AZR 181/11 n. v. (Rz. 42); BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 53; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469 Rz. 21. 41 8 AZR 181/11 n. v. (Rz. 32).

515

Betriebsänderung und Betriebsübergang

I“ hatte die Beklagte nur vier von sieben Wachleuten übernommen. Hierzu gehörte kein Objektverantwortlicher, dessen Einstellung und Weiterbeschäftigung besonderes Gewicht hat. Auch in Bezug auf die fünf Objekte in ihrer Gesamtheit lag aus Sicht des 8. Senats des BAG keine Übernahme des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft vor. Denn auch insoweit hatte die Beklagte nur 50 % der Mitarbeiter übernommen (14 von 28 Arbeitnehmern). Hierzu gehörten lediglich ein Objektverantwortlicher, so dass – so das BAG – die Beklagte nicht das identitätsprägende „Gerüst“ der Belegschaft übernommen habe. Umgekehrt hat das BAG im Urteil vom 21.6.201242 einen solchen Betriebsteilübergang für möglich gehalten. Hier beschäftigte die Beklagte 50 der 87 bzw. der zuletzt noch 80 der zuvor beim bisherigen Betriebsinhaber beschäftigten Arbeitnehmer (IT-Servicetechniker, EDV-Service-Mitarbeiter und Führungskräfte). Damit habe die Beklagte einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der beim bisherigen Betriebsinhaber beschäftigten Arbeitnehmer übernommen, unabhängig davon, ob man von 62,5 % oder 57,5 % ausginge. Die Beklagte nutze die Fachkenntnisse von weit mehr als die Hälfte der bislang in der Einheit eingesetzten Arbeitnehmer. Dies genüge, weil der IT-Servicebetrieb in besonderer Weise durch die Spezialkenntnisse und Qualifikationen seiner Mitarbeiter geprägt sei, zumal die Tätigkeiten nur nach einem Studium oder einer Ausbildung im IT-Bereich und nach Schulungen in Bezug auf einzelne EDV-Produkte ausgeführt werden könnten. Dabei müssten die Kenntnisse im Hinblick auf die sich ständig verändernde Technik auf dem Laufenden gehalten werden. Hinzu kam, dass die Beklagte neben dem Geschäftsführer acht Mitarbeiter, die leitende Funktionen innehatten, in vergleichbarer Funktion weiter beschäftigte. Sie habe nicht nur das Know-how, sondern das spezifische Fachwissen, die Kontakte und die Marktkenntnisse der Führungskräfte genutzt, welche notwendig sind, um ein IT-Serviceunternehmen zu führen. Diesem Umstand komme bei § 613 a BGB ganz erhebliche Bedeutung zu. Folgerichtig hatte die Beklagte im Internet auch von einem „eingespielten Team“ gesprochen, was den Funktionszusammenhang auch nach dem Übertragungsvorgang bestätigte. Wegen dieser Umstände konnte dann auch die Übernahme der Kundendatei als ein weiteres Indiz berücksichtigt werden.

42 8 AZR 181/11 n. v. (Rz. 41 ff.).

516

Kennzeichnung des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs (§ 613 a BGB)

f)

Änderung des Betriebszwecks

Wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur oder im Konzept der betrieblichen Tätigkeit können einer Identitätswahrung entgegenstehen. Das stellt das BAG im Urteil vom 21.6.201243 ausdrücklich klar. So spreche eine Änderung des Betriebszwecks gegen eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung des Betriebs und damit gegen die für einen Betriebsübergang erforderliche Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit. Ein Betriebsübergang scheide auch aus, wenn die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den Produktionsfaktoren beim anderen Unternehmen verloren gehe. Bei einer Eingliederung der übertragenen Einheit in die Struktur des Erwerbers falle – so das BAG der Zusammenhang dieser funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen Betriebsübergang maßgeblichen Faktoren nicht zwangsläufig weg. Die Beibehaltung der „organisatorischen Selbständigkeit“ sei nicht erforderlich, wohl aber die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, die es dem Erwerber erlaube, diese Faktoren, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert würden, zur Verfolgung einer bestimmten – der gleichen oder gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen.

g)

Tatsächliche Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit

Dass der Kläger und andere Arbeitnehmer der A in dem der Entscheidung vom 15.12.2011 zugrunde liegenden Fall durch die Beklagte ein Angebot erhalten hatten, ihre Tätigkeit bei der Beklagten in den streitgegenständlichen Objekten fortzusetzen, konnte aus sich heraus keinen Betriebs- oder Betriebsteilübergang auslösen. Wie das BAG unter Bezugnahme auf die Vorgaben des EuGH deutlich macht, kommt es bei der Kennzeichnung eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs auf die tatsächliche Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals an. Die bloße Möglichkeit einer solchen Fortführung genügt nicht. Komme es nicht zur Weiterbeschäftigung des für die Identitätswahrung relevanten Anteils der Arbeitnehmer, nutze der Auftragsnachfolge nicht die vom alten Auftragnehmer in der personellen Verbundenheit geschaffene Organisationsstruktur. Hier sei die Identitätswahrung zwar beabsichtigt, in der Praxis aber misslungen. Werde das Angebot, mit derselben Tätigkeit wie zuvor zum Nachfolger

43 8 AZR 181/11 n. v.

517

Betriebsänderung und Betriebsübergang

zu wechseln, von den Beschäftigten des Vorgängers – oder einer identitätswahrenden Anzahl von ihnen – abgelehnt, liege kein Betriebsübergang vor44. Die fehlende Bereitschaft des relevanten Anteils der Beschäftigten, die Arbeitsbedingungen beim Nachfolger zu akzeptieren, bringe zwar somit auch die verbliebenen, ggf. selbst wechselbereiten Arbeitnehmer um die Chance eines Betriebsübergangs. Dies sei aber eine Konsequenz des auch unionsrechtlich gebotenen Erfordernisses der Identitätswahrung. Eine richterliche Kontrolle, die die Entscheidung der wechselunwilligen Belegschaftsmitglieder im Interesse ihrer Kollegen an das Vorliegen „sachlicher Gründe“ binde, finde ebenso wenig statt, wie eine richterliche Kontrolle der vom Nachfolger angebotenen Arbeitsbedingungen. Dies dürfte nach seinen Feststellungen sogar dann gelten, wenn die Arbeitsbedingungen, falls ein Betriebsübergang vorläge, nicht dem Inhalts- und Bestandsschutz des § 613 a Abs. 1 BGB entsprächen. Der Nachfolger bzw. der relevante Anteil der Beschäftigten hätte es insoweit „in der Hand“, einen Betriebsübergang herbeizuführen oder nicht. Nach den entsprechenden Feststellungen des BAG gilt dies selbst dann, wenn die vom potenziellen Erwerber angebotenen Arbeitsbedingungen mit einer Verschlechterung für die Arbeitnehmer verbunden sind. Auch damit werde – so das BAG – § 613 a BGB nicht umgangen. Vielmehr träten seine Voraussetzungen auf der Tatbestandsseite nicht ein. Ebenso wie es dem Übernehmer frei stehe, ob er materielle und/oder immaterielle Betriebsmittel des Veräußerers übernehme und damit einen Betriebsübergang auslöse, stehe es dem Auftragsnachfolger frei, ob die nach Zahl und Sachkunde für eine Identitätswahrung „kritische Masse“ der Belegschaft des früheren Auftragnehmers durch Abschluss von Arbeitsverträgen willentlich weiter beschäftige oder nicht. Ebenso sei es Sache der einzelnen Arbeitnehmer, ob sie mit dem Auftrags- oder Funktionsnachfolger Arbeitsverträge schlössen. Eine Verpflichtung des potenziellen Erwerbers zur Weiterbeschäftigung des bisherigen Personals bestehe nicht. Vielmehr könne sich der neue Auftragnehmer gerade entscheiden, ob er unter Inkaufnahme der Rechtsfolgen des § 613a BGB eine mit dem Person verknüpfte Betriebsorganisation weiternutze und hieraus Vorteile ziehe oder hierauf verzichte45. Auch diesen Feststellungen ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigen, dass gerade in betriebsmittelarmen Betrieben oder Betriebsteilen die 44 BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 57; MüllerGlöge, NZA 1999, 449, 453. 45 BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 130 Rz. 57; BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251 Rz. 16 ff.

518

Verwirkung des Widerspruchsrechts nach Übergang des Arbeitsverhältnisses

Anwendbarkeit von § 613 a BGB durch den Erwerber durch die Zahl und den Inhalt etwaiger Beschäftigungsangebote an die Arbeitnehmer des bisherigen Betriebsinhabers gesteuert werden kann. Darin liegt keine Umgehung, sondern eine Strategie zur Vermeidung der aus § 613 a BGB resultierenden Folgen. (Ga)

6.

Verwirkung des Widerspruchsrechts nach Übergang des Arbeitsverhältnisses

Gemäß § 613 a Abs. 6 BGB ist der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer berechtigt, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Rechtsträger binnen einer Frist von einem Monat nach Zugang der Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB zu widersprechen. Konsequenz des Widerspruchs ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beim übertragenen Rechtsträgers, ausgehend davon, dass dieser nicht mit dem Wirksamwerden des Übertragungsvorgangs aufgelöst wird. Hiervon ist lediglich im Zusammenhang mit einer Anwachsung, der Aufspaltung gemäß § 123 UmwG bzw. einer Verschmelzung nach § 2 UmwG auszugehen. Wie das BAG in zahlreichen Entscheidungen deutlich gemacht hat, beginnt die Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB allerdings erst dann, wenn eine vollständige und ordnungsgemäße Unterrichtung der betroffenen Arbeitnehmer über den übernehmenden Rechtsträger, den Zeitpunkt oder geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs und die insoweit geplanten Maßnahmen erfolgt ist. Erfolgt nur eine unvollständige oder unrichtige Unterrichtung, ist der Arbeitnehmer berechtigt, in den Grenzen der Verwirkung noch einen Widerspruch zu erklären. Adressaten des Widerspruchs können dabei der übertragende oder der übernehmende Rechtsträger sein. Ausgehend davon, dass die Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen muss, können zwar keine allgemeingültigen Voraussetzungen für einen endgültigen Ausschluss des Widerspruchsrechts bestimmt werden. Mit seinem Urteil vom 15.3.201246 hat der 8. Senat des BAG seine Grundsätze für die Kennzeichnung einer Verwirkung des Widerspruchsrechts aber erneut präzisiert.

46 8 AZR 700/10, NZA 2012, 1097 Rz. 28 ff.

519

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Nach seinen dahin gehenden Feststellungen beruht die Verwirkung auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes (§ 242 BGB). Sie diene dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und solle das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigen. Die Verwirkung verfolge deshalb nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Vielmehr müsse der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er seine Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei müsse das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten sei. Angesichts der gesetzlichen Regelung sei hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine bestimmte Monatsfrist abzustellen. Entscheidend seien vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls. Auch sei die Länge des Zeitablaufs in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Zeitmoment und Umstandsmoment beeinflussten sich wechselseitig; beide Elemente seien also bildhaft im Sinne „kommunizierender Röhren“ miteinander verbunden47. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände seien, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machten, desto schneller könne ein Anspruch verwirken. Umgekehrt gelte, je mehr Zeit seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs verstrichen sei und je länger der Arbeitnehmer bereits für den Erwerber gearbeitet habe, desto geringer seien die Anforderungen an das Umstandsmoment48. Insofern müssten letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigten, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen49. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall war das Arbeitsverhältnis des Klägers als Konsequenz eines Betriebsteilübergangs zum 1.7.2002 auf einen anderen Rechtsträger übergegangen. Die Unterrichtung über diesen Betriebsteilübergang war an verschiedenen Stellen unvollstän47 BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 700/10, NZA 2012, 1097 Rz. 31; BAG v. 22.6.2011 – 8 AZR 752/09, DB 2011, 2385 Rz. 30. 48 BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 700/10, NZA 2012, 1097 Rz. 31; BAG v. 22.6.2011 – 8 AZR 752/09, DB 2011, 2385 Rz. 30; BAG v. 24.7.2008 – 8 AZR 175/07, AP BGB § 613 a Nr. 347 Rz. 27. 49 BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 700/10, NZA 2012, 1097 Rz. 31; BAG v. 22.4.2010 – 8 AZR 871/07 n. v. (Rz. 29).

520

Verwirkung des Widerspruchsrechts nach Übergang des Arbeitsverhältnisses

dig bzw. fehlerhaft. Dennoch erklärte der Kläger erst nach mehr als sechseinhalb Jahren einen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses. Zuvor hatte er über mehrere Jahre hinweg gegenüber dem Erwerber Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht, die insbesondere an den Fortbestand einer dynamischen Tarifbindung im Anschluss an den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB (arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel) bzw. eine gesetzliche Tarifbindung anknüpften. Der Erwerber hatte entsprechende Klagen jeweils mit der Begründung abgewiesen, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel als Konsequenz der Rechtsprechung des BAG zu den sogenannten „Gleichstellungsabreden“ entgegen ihrem Wortlaut im Anschluss an den Übergang des Arbeitsverhältnisses nur noch auf den bis zum Betriebsteilübergang bei der Beklagten als übertragenden Rechtsträger zuletzt geltenden Tarifvertrag Bezug nahm. Eine Dynamisierung dieser Tarifbindung war wegen der fehlenden Tarifbindung des Erwerbers nicht gegeben. Weder 2005 noch 2006, 2007 oder 2008 hatte der Kläger indes Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Alle Ansprüche richteten sich gegen den Erwerber und stützten sich auch auf Rechtsfolgen, deren Geltung der Kläger aus § 613 a BGB ableitete. Mit überzeugender Begründung hat das BAG diese Umstände des Einzelfalls zum Anlass genommen, von einer Verwirkung des Rechts zum Widerspruch auszugehen. Ausgangspunkt war dabei zunächst einmal die Feststellung, dass das Zeitmoment verwirklicht war, als er erst sechseinhalb Jahre nach der Unterrichtung dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen hatte. Angesichts der Dauer zwischen Unterrichtung und Widerspruch war diesem Zeitmoment auch ein besonderes Gewicht zuzumessen, das zur Folge hatte, dass an das Vorliegen des Umstandsmoments nur noch erleichterte Voraussetzungen geknüpft werden mussten. In Bezug auf dieses Umstandsmoment hat der 8. Senat des BAG zunächst einmal deutlich gemacht, dass die Fortführung des Betriebsratsamtes durch den Kläger keine Bedeutung für das Umstandsmoment habe. Auch aus der Kandidatur des Klägers, die diesem fortbestehenden Betriebsratsmandat vorangegangen war, konnte kein Indiz für die Anerkennung des Umstandsmoments abgeleitet werden50. Auch die bloße Arbeit für den Erwerber, die Änderung einer Versorgungszusage, Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines 50 BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 700/10, NZA 2012, 1097 Rz. 35.

521

Betriebsänderung und Betriebsübergang

neuen Dienstwagens oder eine Wiedereingliederungsmaßnahme nach langandauernder Arbeitsunfähigkeit waren für das BAG nicht genügend, um das Umstandsmoment auszulösen. Mit diesen Feststellungen knüpft das BAG an sein Urteil vom 22.2.201251 an. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, die am Übertragungsvorgang beteiligten Unternehmen auf etwaige Fehler ihrer Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB hinzuweisen52. Ob dieser strenge Maßstab angesichts der Dauer des beim Erwerber fortbestehenden Arbeitsverhältnisses wirklich geboten ist, kann vorliegend offen bleiben. Denn letztendlich hat das BAG mit überzeugender Begründung das Umstandsmoment dadurch als verwirklicht angesehen, dass sich der Kläger beim Streit um die Weitergeltung der Tarifdynamik ausschließlich an die Geschäftsführung des Erwerbers gewendet und dabei weder dieser noch der Beklagten gegenüber auch nur angedeutet hatte, dass im Wege des noch möglichen Widerspruchs die Beklagte Gegnerin seiner Ansprüche auf Tariflohnerhöhungen werden könnte. Dieses Verhalten hatte der Kläger in den Jahren 2005 bis 2008, jeweils ohne Erfolg, wiederholt. Auch der Eintritt der Verjährung in Bezug auf die älteren Lohnansprüche hatte ihn nicht zu einer Veränderung in Bezug auf den Adressaten seiner Zahlungsansprüche veranlasst. Da der Kläger auch auf einen Widerspruch verzichtete, obwohl wegen des gemeinsamen Betriebs zwischen Veräußerer und Erwerber eine betriebsbedingte Kündigung nahezu ausgeschlossen war, führte schlussendlich zu dem berechtigten Vertrauen der Beklagten, dass der Kläger den Verlust der beiderseitigen Tarifbindung bei der Erwerberin und damit auch den Verlust der früher geltenden Tarifdynamik akzeptiert und dergestalt die Veränderung des rechtlichen Bestandes seines Arbeitsverhältnisses angenommen hatte. In Zusammenschau mit dem Vorliegen eines besonders gewichtigen Zeitmoments erweist sich dieses Umstandsmoment – so das BAG – als ausreichend, um im Dezember 2008 die Verwirkung des Rechts zum Widerspruch anzunehmen. Dem ist zuzustimmen. (Ga)

7.

Inkrafttreten eines Tarifvertrags nach Betriebsübergang: Ansprüche gegen Erwerber?

Wenn ein Tarifvertrag nicht bereits mit seinem Abschluss, sondern nach Maßgabe der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung erst zu einem

51 4 AZR 579/10 n. v. (Rz. 47). 52 BAG v. 22.2.2012 – 4 AZR 579/10 n. v. (Rz. 50).

522

Inkrafttreten eines Tarifvertrags nach Betriebsübergang: Ansprüche gegen Erwerber?

späteren Zeitpunkt in Kraft tritt, ist für den Beginn der gesetzlichen Tarifgeltung der Zeitpunkt des Inkrafttretens maßgebend. Dies hat nicht nur Bedeutung für die Frage, ob entsprechende Änderungen eines Tarifvertrags im Anschluss an die Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband noch für ein Arbeitsverhältnis zum Tragen kommen53. Wie das BAG mit den Urteilen vom 16.5.201254 klargestellt hat, macht sich diese Rechtsfolge auch im Zusammenhang mit einem rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergang bemerkbar. Denn zu den Rechten und Pflichten eines Tarifvertrags, der nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber werden, gehören nur solche Regelungen eines Tarifvertrags, die bis zum Wirksamwerden des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs bereits in Kraft getreten sind. Entsprechendes gilt, wenn die Tarifbindung durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den für den Arbeitgeber jeweils kraft Gesetzes verbindlichen Tarifvertrag erfolgt ist (§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB). Denn im Zweifel will der Arbeitgeber nur die Tarifverträge zur Anwendung bringen, die im Verhältnis zu den Arbeitnehmern mit gesetzlicher Tarifbindung Geltung beanspruchen. Nur diese sind die „im Zeitpunkt“ des Betriebsübergangs geltenden Regelungen55. Dies gilt jedenfalls für Arbeitsverträge mit Abschluss bis zum 31.12.2001. Wenn ein Tarifvertrag bis zum Betriebs- oder Betriebsteilübergang noch nicht in Kraft getreten ist, haben seine Rechte und Pflichten für das beim Erwerber fortbestehende Arbeitsverhältnis keine Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn die Regelungen erst „ab Betriebsübergang“ gelten56. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine gesetzliche oder (nur) eine vertragliche Bindung an den beim übertragenden Rechtsträger jeweils geltenden Tarifvertrag bestanden hat. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um einen Anspruch aus einem Tarifvertrag über eine Zusatzzahlung (TV-Zusatzzahlung). Diese Zahlung stand im Zusammenhang mit einem zuvor erbrachten Verzicht auf tarifvertragliche Rechte, der in einem gesonderten Sanierungstarifvertrag vereinbart worden war. Der TV-Zusatzzahlung wurde zwar im Herbst 2004 gleichzeitig mit dem sofort in Kraft tretenden Sanierungstarifvertrag verhandelt und von den Parteien abgeschlossen. Um Rückstellungen

53 Vgl. hierzu BAG v. 18.5.2011 – 4 AZR 457/09, NZA 2011, 1378 ff.; BAG v. 4.6.2008 – 4 AZR 419/07, NZA 2008, 1366 ff.; BAG v. 20.5.2009 – 4 AZR 179/08, NZA 2010, 102 ff. 54 4 AZR 320/10 n. v. und - 4 AZR 321/10, NZA 2012, 932 Rz. 17 ff. 55 Vgl. auch BAG v. 20.6.2012 – 4 AZR 657/10 n. v. (Rz. 23). 56 Vgl. auch BAG v. 20.6.2012 – 4 AZR 657/10 n. v. (Rz. 25).

523

Betriebsänderung und Betriebsübergang

in der Bilanz zu vermeiden, hatten die Tarifvertragsparteien aber vereinbart, dass der TV-Zusatzzahlung erst am 1.1.2008 in Kraft treten sollte. Bereits zuvor – nämlich zum 1.1.2006 – gingen die Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen, die in einem Call-Center tätig waren, im Wege eines Betriebsübergangs auf die im vorliegenden Rechtsstreit beklagte Arbeitgeberin über. Entgegen der Sichtweise der Vorinstanzen hat der 4. Senat des BAG die Zahlungsklagen zu Recht abgewiesen. Denn der Erwerber ist in keine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis eingegangen, die zu einer Anwendung der Regelungen des TV-Zusatzzahlung führen könnte. Ein Anspruch der klagenden Arbeitnehmerinnen gegen die Beklagte aus § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB war ohne Rücksicht auf die Frage einer gesetzlichen Tarifbindung in der Zeit bis zum Betriebsübergang bereits ausgeschlossen, weil der TV-Zusatzzahlung bis zum Betriebsübergang nicht in Kraft getreten war. Damit konnten die darin enthaltenen Zahlungspflichten ohne Rücksicht auf den später liegenden Zeitpunkt der Fälligkeit nicht zum Bestandteil des Arbeitsverhältnisses zwischen den klagenden Arbeitnehmerinnen und dem übertragenden Rechtsträger werden. Nur der Sanierungstarifvertrag, der sofort in Kraft getreten war, konnte deshalb gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen den klagenden Arbeitnehmerinnen und der Beklagten werden. Entsprechendes galt auch mit Blick auf den Umstand, dass in den Arbeitsverträgen die Anwendung des jeweils für den Arbeitgeber verbindlichen Tarifvertrags vereinbart worden war. Denn auch eine solche Klausel soll nach ihrem erkennbaren Zweck nur solche tariflichen Rechte und Pflichten zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses machen, an die der Arbeitgeber bereits kraft Gesetzes gebunden ist. Bei einem Tarifvertrag, der kraft Vereinbarung noch nicht in Kraft getreten ist, liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Damit konnte die Bezugnahme bis zum Betriebsübergang keine Bindung an den TV-Zusatzzahlung auslösen, in die die Beklagte nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB hätte eintreten können. Ein Tarifvertrag, der erst im Anschluss an das Wirksamwerden eines Betriebsübergangs beim übertragenden Rechtsträger in Kraft tritt, hat für die Arbeitsverhältnisse beim übernehmenden Rechtsträger keine Bedeutung. Eine gesetzliche Bindung an diesen Tarifvertrag kann für den Erwerber durch § 613 a BGB nicht begründet werden. Eine vertragliche Bezugnahme ist im Zweifel schon deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht die jeweils gültigen Tarifverträge eines anderen Rechtsträgers erfassen soll. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – Haustarifverträge in Rede stehen. Bei Verbandstarifverträgen wird man durchaus eine etwas andere Sichtweise für 524

Ablösung einzelvertraglicher Ansprüche durch Gesamtbetriebsvereinbarung

denkbar halten müssen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Arbeitsverträge in Rede stehen, die seit dem Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung (1.1.2002) abgeschlossen worden sind und keine ausdrückliche Begrenzung auf die für den Arbeitgeber jeweils kraft Gesetzes verbindlichen Tarifverträge enthalten. (Ga)

8.

Ablösung einzelvertraglicher Ansprüche durch Gesamtbetriebsvereinbarung vor Betriebsübergang?

Der Vorteil kollektivrechtlicher Regelungen auf Betriebsebene liegt nicht nur darin, dass nur ein einziger Vertragspartner überzeugt werden muss. Der wesentliche Vorteil von Regelungen über die Gewährung freiwilliger Sozialleistungen auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung liegt darin, dass ihre Änderung oder Beendigung unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich hat. Eine Nachwirkung kommt gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nur dann in Betracht, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Scheitern Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über eine Änderung, ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, eine Beendigung der jeweils in Rede stehenden Leistungen durch Kündigung auszulösen. Eine Einschränkung dieser Befugnis gilt grundsätzlich nur im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, wo durch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit besondere Besitzstandsregeln geschaffen wurden. Problematisch wird diese Gestaltungsfreiheit allerdings dann, wenn der Arbeitgeber vor Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder parallel zur Geltung solcher Vereinbarungen im Arbeitsvertrag zusätzliche Regelungen über die Gewährung entsprechender Leistungen getroffen hat. Denn in diesen Fällen stellt sich die Frage, ob darin nur die deklaratorische Wiedergabe des bereits kraft Betriebsvereinbarung geltenden Anspruchs zu sehen ist oder ob mit der arbeitsvertraglichen Regelung eine eigenständige Anspruchsgrundlage geschaffen werden sollte57. Ist letzteres der Fall, können Änderungen auf der Ebene der Betriebsvereinbarung allein den Anspruch nicht beseitigen. Vielmehr ist es erforderlich, darüber hinaus auch eine Anpassung der arbeitsvertraglichen Regelung vorzunehmen. Diese Eigenständigkeit von Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung macht das Urteil des BAG vom 18.4.201258 noch einmal deutlich. In dem zugrun-

57 Vgl. hierzu BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 256/07 n. v. (Rz. 24 ff.); HWK/Kliemt, NachwG § 2 Rz. 38 ff. 58 10 AZR 47/11, NZA 2012, 791 ff.

525

Betriebsänderung und Betriebsübergang

deliegenden Arbeitsvertrag hatte der Arbeitgeber auszugsweise folgende Regelung getroffen. § 3 Bezüge Für ihre Tätigkeit erhalten Sie 1. ein Tarifgehalt …. 2. eine Frühjahrs- und Weihnachtsgratifikation entsprechend den Richtlinien der Gesellschaft.

Das Arbeitsverhältnis ging 2002 durch Betriebsübergang auf die A Immobilien GmbH über. In einer Gesamtzusage der A-Immobilien GmbH zu den Wechselbedingungen hieß es zunächst einmal: 1. Tarif Für die Arbeitsverhältnisse gelten die Tarifverträge für das private Versicherungsgewerbe. 2. Vergütung Die Höhe der betrieblichen Frühjahrs- und Weihnachtsgratifikation sowie der Erfolgsbeteiligung berechnet sich entsprechend der Richtlinien der A Lebensversicherungs-AG. Sollten innerhalb der A Group stärker am Erfolg der Einzelunternehmen bzw. der Mitarbeiter orientierte Vergütungssysteme eingeführt werden, kann auch die A Immobilien GmbH ein solches im Einvernehmen mit dem Betriebsrat vereinbaren. In diesem Fall löst das neue Vergütungssystem der A Immobilien GmbH die Regelungen der A Lebensversicherungs-AG ab.

Zum 1.1.2006 trat bei der A Lebensversicherungs-AG eine Gesamtbetriebsvereinbarung über eine variable Vergütung vom 25.10.2005 (GBV) in Kraft. Diese galt zunächst einmal bis zum 31.12.2006, wurde aber durch Nachträge auch für die Jahre 2007 und 2008 vereinbart. Die A Immobilien GmbH sagte im Wege einer Ergänzung ihrer Gesamtzusage zu den Wechselbedingungen die entsprechende Anwendung der GBV für 2006 zu. Auch die befristeten Verlängerungen der GBV für die Jahre 2007 und 2008 vollzog sie durch weitere Ergänzungen der Gesamtzusage vom 20.6.2006 und vom 20.3.2008 nach. Die zweite Ergänzung fand allerdings erst statt, als das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits durch einen weiteren Betriebsübergang auf die Beklagte übergegangen war. Gegenüber der Beklagten machte der Kläger geltend, dass die Beklagte eine variable Vergütung in Höhe von 70 % eines Monatsgehalts zahlen müsse,

526

Ablösung einzelvertraglicher Ansprüche durch Gesamtbetriebsvereinbarung

weil auch die A Immobilien GmbH für 2008 entsprechend der Regelung innerhalb der A Group eine solche Zahlung geleistet hatte. Dass die Beklagte selbst keine variable Vergütung gezahlt hatte, spiele keine Rolle. Unerheblich sei auch, dass die Anwendung der GBV 2008 durch die A Immobilien GmbH erst im Anschluss an den Betriebsübergang gegenüber den dort zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten Arbeitnehmern zugesagt worden sei. Denn ohne Rücksicht auf diese Zusage habe weiterhin die bereits im Arbeitsvertrag enthaltene Regelung gegolten, nach der eine Frühjahrs- und Weihnachtsgratifikation entsprechend der Richtlinien der A Lebensversicherungs-AG gezahlt werden müsse. Das BAG hat dieser Klage stattgegeben. Nach seiner Auffassung folgte ein entsprechender Anspruch bereits aus der im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahme. Diese Zusage sei durch einseitige Leistungsversprechen der A Immobilien GmbH im Anschluss an den ersten Betriebsübergang nicht verändert worden. Folgerichtig müsse auch die Beklagte, die im Anschluss an den zweiten Betriebsübergang in das Arbeitsverhältnis eingetreten sei, diesen Anspruch erfüllen. Dass der Arbeitsvertrag des Klägers die Höhe der Gratifikation nicht festlege, sondern auf „Richtlinien der Gesellschaft“ verweise, stehe dem Zahlungsanspruch nicht entgegen. Denn in diesen Richtlinien waren die zusätzlichen Leistungen der A Lebensversicherungs-AG und damit die „Vergütungsordnung“ der Gesellschaft geregelt. Die Zusage der Zahlung von Gratifikationen und die Verweisung auf Richtlinien der Gesellschaft könne aus Sicht verständiger Vertragspartner nur so verstanden werden, dass der Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch auf Gratifikationen und sonstige Leistungen habe, wie sie in der Gesellschaft jeweils gezahlt würden59. Diese Verpflichtung sei – so das BAG – im Jahre 2002 zunächst einmal die A Immobilien GmbH nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB eingetreten. Mit ihrer einseitigen Zusage, eine variable Vergütung nach Maßgabe der GBV zu leisten, habe sie den Arbeitsvertrag zwar nicht abgeändert. Mit ihrer Zusage habe sie aber eine neue – im Unternehmen geltende – Richtlinie geschaffen, die während der Geltungsdauer dieser Zusage für den arbeitsvertraglichen Anspruch des Klägers maßgeblich war. Folgerichtig war sie auch entsprechend dieser Zusage verpflichtet, an den Kläger auf der Grundlage des Arbeitsvertrags in Verbindung mit der GBV Jahressonderzahlungen zu leisten. Als das Arbeitsverhältnis sodann auf die Beklagte überging, gab es aber keine Zusage der A Immobilien GmbH mehr, die Jahressonderzahlungen für

59 BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 47/11, NZA 2012, 791 Rz. 17.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

das Jahr 2008 regelte. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die A Immobilien GmbH ihre Zusage für 2008 noch nicht gemacht. Folgerichtig bestand eine (nachträgliche) Regelungslücke, die nach Maßgabe des BAG im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen war60. Hiervon ausgehend hat das BAG zunächst einmal klargestellt, dass aus der dynamischen Bezugnahme auf Richtlinien der Gesellschaft auf den Willen der Arbeitsvertragsparteien zu schließen war, auch das nachfolgende Regelungswerk der A Lebensversicherungs-AG vertraglich in Bezug zu nehmen. Die mit der GBV verbundene Änderung der „Vergütungsordnung“ der Gesellschaft wirkte deshalb auf den Arbeitsvertrag wie eine grundlegende inhaltliche Änderung der in Bezug genommenen Richtlinien; der vertragliche Anspruch des Klägers war nunmehr auf die nach der neuen Vergütungsordnung durch die jeweilige GBV bestimmte variable Vergütung gerichtet. Auf die Günstigkeit der neuen Regelung kam es nicht an. Insofern war die arbeitsvertragliche Regelung als eine Zusage zu verstehen, die im Unternehmen jeweils nach Höhe und Anspruchsvoraussetzungen geltenden Regelungen über entsprechende Sonderzahlungen anzuwenden. Mit der Änderung dieser Zusage im Jahre 2007 fiel das Arbeitsverhältnis wieder in die vorangehende Zusage zurück, nach der solche Leistungen zu gewähren waren, wie sie bei der A Lebensversicherungs-AG geleistet wurden. Zwar könne – so das BAG – bei Tantieme- oder sonstigen Gewinnbeteiligungsabsprachen Anpassungsbedarf nach den Regelungen der ergänzenden Vertragsauslegung bestehen, wenn die Kennziffern, die Bemessungsgrundlage für die Tantieme seien, beim Betriebserwerber nicht mehr gegeben seien. Bei der 2008 bei der A Lebensversicherungs-AG durch GBV festgelegten variablen Vergütung in Höhe von 0,7 Monatsgehältern bestehe ein solcher Anpassungsbedarf aber nicht. Insgesamt ist diese Sichtweise des BAG zwar vertretbar, auch wenn die Arbeitsvertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wohl nicht daran gedacht hatten, die Höhe einer Jahressonderzahlung an den wirtschaftlichen Erfolg eines anderen Unternehmens auszurichten. Hier wäre es nach der hier vertretenen Auffassung überzeugender, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf den wirtschaftlichen Erfolg des aktuellen Arbeitgebers abzustellen und nach billigem Ermessen eine angemessene Regelung zu finden. In jedem Fall aber dürfte der neue Arbeitgeber berechtigt sein, unter Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eine eigenständige (neue) Vergütungsordnung zu schaffen. Diese Vergütungsordnung

60 BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 47/11, NZA 2012, 791 Rz. 19 ff.

528

Ablösung einer Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang durch Tarifvertrag

wäre nach ihren Anspruchsvoraussetzungen und der Leistungshöhe dann für den Kläger nach Maßgabe der im Arbeitsvertrag enthaltenen Zusage verbindlich. Auf die Günstigkeit käme es nicht an. Scheiterte eine Vereinbarung, könnte diese im Wege eines Einigungsstellenverfahrens erzwungen werden (§ 87 Abs. 2 BetrVG). (Ga)

9.

Ablösung einer Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang durch Tarifvertrag

Soweit eine Betriebsvereinbarung nicht bereits als Konsequenz des Übergangs eines Betriebs unter Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Identität kollektivrechtlich als Betriebsvereinbarung weitergilt61, gelten die Rechte und Pflichten einer Betriebsvereinbarung als Inhalt des Arbeitsverhältnisses fort62 und können für die Dauer eines Jahres auf individualrechtlicher Ebene nicht zum Nachteil der vom Übergang seines Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer geändert werden (§ 613 a Abs. 1 S. 2 BGB). Dieser Bestandsschutz gilt allerdings nur eingeschränkt. Denn diese Rechte und Pflichten einer bis zum Übergang des Arbeitsverhältnisses geltenden Betriebsvereinbarung können gemäß § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB durch eine beim Betriebserwerber abgeschlossene Betriebs-, Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsvereinbarung abgelöst werden. Die individualrechtlich als Inhalt des Arbeitsverhältnisses weiter geltenden kollektivrechtlichen Regelungen sind – so das BAG – inhaltlich nicht weiter geschützt, als sie es bei ihrem normativen Fortbestehen beim Betriebserwerber gewesen wären63. Auf die Günstigkeit der Neuregelung kommt es nicht an. Weitergehende Schranken enthält § 613 a Abs. 1 S. 4 BGB. Eine entsprechende Ablösung der nach § 613 a S. 2 BGB fortgeltenden Betriebsvereinbarung kann – so das BAG im Urteil vom 13.3.201264 – auch durch einen Spruch der Einigungsstelle geschehen. Er ersetzt die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und wirkt auch im Rahmen von § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB wie eine Betriebsvereinbarung. Auch insoweit kommt es auf die Günstigkeit der Regelung nicht an65.

61 Vgl. B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 25 Rz. 6. 62 Zur Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen beim Betriebsteilübergang eingehend Monz, BB 2012, 1923 ff. 63 BAG v. 13.3.2012 – 1 AZR 659/10, NZA 2012, 990 Rz. 17; BAG v. 14.8.2001 – 1 AZR 619/00, NZA 2002, 276 ff.; HWK/Gaul, BetrVG § 77 Rz. 69 ff. 64 1 AZR 659/10, NZA 2012, 990 Rz. 17. 65 B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 25 Rz. 136 ff.

529

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Auch für eine Betriebsvereinbarung bzw. den Spruch einer Einigungsstelle, die nach § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB ablösende Wirkung haben, kommt allerdings der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG zum Tragen. Dies macht der 1. Senat des BAG mit seinem Urteil vom 13.3.201266 deutlich. Danach können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Hiervon ausgehend ist eine gegen § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung unwirksam67. Die entsprechende Sperrwirkung hängt nicht von der Tarifbindung des Arbeitgebers ab. Sie soll einen generellen Vorrang der Tarifvertragsparteien bewirken. In den Bereichen, die üblicherweise Gegenstand eines Tarifvertrags sind, sollen Arbeitgeber und Betriebsrat keine abweichenden oder ergänzenden Betriebsvereinbarungen mit normativer Wirkung abschließen können68. Diese Sperrwirkung aus § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG kommt an sich dann nicht zum Tragen, wenn Angelegenheiten in Rede stehen, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Dies hatte der Große Senat bereits mit seinem Beschluss vom 3.12.199169 klargestellt70. Ein solches Mitbestimmungsrecht setzt indes nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG voraus, dass keine zwingende tarifliche Regelung besteht, an die der Arbeitgeber gebunden ist. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG führt daher – so das BAG – auch im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 BetrVG zur Unwirksamkeit einer betrieblichen Regelung, soweit dieser eine zwingende tarifliche Regelung entgegensteht, sofern der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen nicht ausdrücklich zulässt71. Hiervon ausgehend hat der Abschluss eines Tarifvertrags in dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall zur Folge, dass die zuvor durch 66 1 AZR 659/10, NZA 2012, 990 Rz. 20 ff.; eingehend zu dieser „Über-Kreuz-Ablösun“ auch Müller-Bonanni/Mehrens, NZA 2012, 1194 ff. 67 Vgl. bereits BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 573/01, NZA 2003, 393 ff.; HWK/B. Gaul, BetrVG § 77 Rz. 48. 68 BAG v. 13.3.2012 – 1 AZR 659/10 NZA 2012, 990 Rz. 20; BAG v. 20.11.2001 – 1 AZR 12/01, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 70. 69 GS 2/90, NZA 1992, 749 ff. 70 BAG v. 13.3.2012 – 1 AZR 659/10, NZA 2012, 990 ff. Rz. 21; BAG v. 17.5.2011 – 1 AZR 473/09, NZA 2011, 1169 Rz. 30. 71 BAG v. 13.3.2012 – 1 AZR 659/10, NZA 2012, 990 Rz. 21; BAG v. 29.4.2004 – 1 ABR 30/02, NZA 2004, 670 ff.

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Ablösung einer Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang durch Tarifvertrag

Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene Betriebsvereinbarung verdrängt wurde. Bei den jeweils in Rede stehenden Zahlungen (Jahressonderzahlung, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen) handelte es sich um Arbeitsentgelt, dessen Ausgestaltung von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst wurde. Fünf Jahre nach dem Zustandekommen des Einigungsstellenspruchs über diese Leistungen wurde allerdings ein Tarifvertrag abgeschlossen, an den die Beklagte als Konsequenz ihrer Verbandmitgliedschaft gebunden war. Dieser Tarifvertrag regelte sowohl ein zusätzliches Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen als auch eine Jahressonderzahlung. Da der Tarifvertrag insoweit auch keine abweichenden Anhaltspunkte enthielt, handelte es sich insoweit um eine abschließende Regelung, die in Bezug auf solche Gegenstände einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entgegenstand. Denn der Tarifvertrag legte die Verteilung entsprechender Zahlungen auf die Belegschaft fest, ohne dass insoweit für die Betriebspartner ein Regelungsspielraum verblieb. Wie das BAG bereits mit Urteil vom 18.10.201172, über das wir berichteten73, deutlich gemacht hat, bewirkt diese Sperrwirkung des Tarifvertrags indes nicht, dass auch die Arbeitnehmer ohne Mitgliedschaft in der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft und ohne eine entsprechende Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag einen Anspruch auf entsprechende Leistungen geltend machen können. Denn für diesen Anspruch fehlt es an den gesetzlichen bzw. arbeitsvertraglichen Voraussetzungen. Dennoch sieht der 1. Senat des BAG darin keinen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG). Dem Schutzbedürfnis der insoweit nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer werde dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers tarifliche Betriebsnormen für alle Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Tarifvertrags Anwendung fänden (§ 3 Abs. 2 TVG). Daneben sei der tarifgebundende Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, auch die tariflichen Inhaltsnormen (§ 3 Abs. 1 TVG) ungeachtet der Tarifbindung der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 BetrVG unterlägen. Konsequenz dieser Verpflichtung ist, dass jedenfalls die tarifliche Vergütungsordnung auch ohne gesetzliche Tarifbindung einzelner Arbeitnehmer zur Anwendung gebracht werden muss. Der Höhe nach folgt daraus zwar kein Zahlungsanspruch. Ein Abweichen in Bezug auf einzelne Leistungsansprüche ist dem 72 1 ABR 25/10, NZA 2012, 392 Rz. 16. 73 B. Gaul, AktuellAR 2012, 202 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Arbeitgeber indes nur erlaubt, wenn diese Systematik dieser Leistung in Bezug auf die übrigen, tarifvertraglich geregelten Leistungen gewahrt wird. Fehlt es an diesem Fortbestand der durch Tarifvertrag vorgegebenen Systematik, sind hiervon abweichende Regelungen unwirksam. Es gilt – auch ohne gesetzliche Tarifbindung – im Zweifel das durch den Tarifvertrag vorgegebene Niveau, weil dieses die im Betrieb geltende Vergütungsordnung widerspiegelt. (Ga)

10. Betriebsübergang: Kein Übergang von Karenzentschädigungsansprüchen bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer grundsätzlich frei, seine Kenntnisse und Fähigkeiten beruflich zu verwerten74. Lässt man die gesetzlichen Regelungen über das Verbot einer Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (z. B. § 17 UWG) einmal unberücksichtigt, kann sich eine Einschränkung nur dadurch ergeben, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede treffen. Wenn diese Abrede während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses getroffen wird, bestimmt sich ihre Wirksamkeit nach den zwingenden Regelungen in den §§ 74 ff. HGB. Die dort für den Handlungsgehilfen getroffenen Vorgaben sind nach allgemeiner Ansicht auf jede Form des Arbeitsverhältnisses zu übertragen75. Nach wie vor bereitet die Behandlung von Vereinbarungen über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot Schwierigkeiten, wenn Betriebe oder Betriebsteile, in der die hiervon betroffenen Arbeitnehmer beschäftigt sind oder beschäftigt waren, Gegenstand eines rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergangs werden.

a)

Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beim übertragenden Rechtsträger

In der rechtlichen Bewertung unproblematisch ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem übertragenden Rechtsträger fortbesteht. Diese Rechtsfolge kann auch durch einen Widerspruch gegen den Betriebsübergang ausgelöst werden. Hinsichtlich der 74 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rz. 29. 75 BAG v. 2.8.1971 – 3 AZR 12/71, DB 1971, 2165 Rz. 15 ff.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rz. 66 ff.

532

Betriebsübergang: Kein Übergang von Karenzentschädigungsansprüchen

Wirksamkeit bzw. Unverbindlichkeit76 ist dann auf die Verhältnisse beim übertragenden Rechtsträger am Tage der Vertragsbeendigung abzustellen. Dessen geschäftliche Interessen können sich nach der Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteils indes geändert haben, was dann zu dem aus § 74 a HGB resultierenden Rechtsfolgen führt.

b)

Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den übernehmenden Rechtsträger

Eine andere Sachlage ist gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer, mit dem ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Entscheidend für die Rechtsfolgen ist, ob die Vereinbarung von § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB erfasst wird. Wenn dies der Fall ist, tritt der übernehmende Rechtsträger in die Vereinbarung ein. Ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wirksam, wird er zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet. Ist es unverbindlich, hängen seine Verpflichtungen davon ab, in welcher Weise der Arbeitnehmer sein Wahlrecht ausübt. Entscheidet sich der Arbeitnehmer für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots, kann er die Karenzentschädigung beanspruchen. Entscheidet er sich, das Wettbewerbsverbot nicht anzuerkennen, geht der Anspruch auf Karenzentschädigung verloren77. Ist es nichtig, können aus der Vereinbarung wechselseitig keine Rechte und Pflichten entstehen. Ein Teil des Schrifttums lehnt eine Einbeziehung der Regelungen über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in den Anwendungsbereich von § 613 a BGB ab. Allerdings werden aus dieser Bewertung unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses und seiner formalen Beendigung zum übertragenden Rechtsträger auch die Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung einerseits und zur Zahlung der Karenzentschädigung andererseits ausgelöst werde. Zum Teil wird angenommen, dass ein Übergang des Wettbewerbsverbots nur durch gesonderte Vereinbarung zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer in Frage kommt, die dann zur Konsequenz hat, dass die Wettbewerbsvereinbarung nur noch zwischen Arbeitnehmer und Betriebserwerber Wirkung entfaltet78. 76 Zur Bedeutung der Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Unverbindlichkeit im Zusammenhang mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot vgl. D. Gaul, Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen S.154 ff. m. w. N. 77 Vgl. BAG v. 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, DB 1983, 834 Rz. 22 ff.; BAG v. 2.12.1968 – 3 AZR 402/67, DB 1969, 352 Rz. 20 ff. 78 Nägele, BB 1989, 1480, 1481.

533

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Diese Bewertung überzeugt nicht. Ginge man von einem Fortbestand des Wettbewerbsverbots beim übertragenden Rechtsträger aus, das mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses ausgelöst werde, könnte dies dem Arbeitnehmer verbieten, für den Erwerber tätig zu werden. Richtigerweise muss die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses – also als arbeitsvertragliche Abrede – qualifiziert werden79. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist Folge der Risiken, die sich unmittelbar aus der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses ergeben80. Ohne diese Vertragsbeziehung wäre eine Konkurrenzklausel überflüssig, sie wäre im Zweifel sogar unwirksam (§ 1 GWB)81. Insoweit ist es der übernehmende Rechtsträger als Rechtsnachfolger, der bei der Abwicklung des Arbeitsvertrags in diese Abrede gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB eintritt82. Eine besondere Vereinbarung über die Überleitung des Wettbewerbsverbots ist nicht erforderlich83. Hiervon war das BAG auch im Hinblick auf die Rechtslage vor der Einführung von § 613 a BGB ausgegangen84. Insoweit ist auch eine analoge Anwendbarkeit von § 613 a Abs. 1 BGB85 nicht erforderlich. Schon im Urteil vom 6.2.198086 hatte das BAG die Möglichkeit eines Widerspruchs deshalb offenbar auch damit begründet, dass es für den Arbeitnehmer bedeutsam sein kann, ein Wettbewerbsverbot nur dem Veräußerer des Betriebs zu schulden. Von einem solchen Übergang der Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wird man auch dann ausgehen können, wenn er an der Aufrechterhaltung der Vereinbarung kein Interesse hat. Eine solche Situation kann dann eintreten, wenn der Geschäftsbereich, wegen dem ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, im Zusammenhang mit einem Betriebsteilübergang beim alten Betriebsinhaber verbleibt, die Möglichkeit einer Konkurrenz zum neuen Arbeitgeber bei ei-

79 So bereits Schreiber, RdA 1982, 137, 145; Grunsky, Festschrift Söllner (1990) S. 41, 42 ff. 80 Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 153. 81 B. Gaul, DB 1995, 874, 877. 82 LAG Baden-Württemberg, v. 6.8.1998 – 19 Sa 10/98, LAGE § 613 a BGB Nr. 70 Rz. 15; Annuß, BB 1998, 1582, 1585. 83 Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern S. 130; Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 158. 84 BAG v. 24.10.1972 – 3 AZR 102/72, DB 1973, 924 Rz. 24 ff. 85 So Schmalenberg, NZA 1989 Beil. 3, 14, 15, für den Fall, dass der übernehmende Rechtsträger ein geschäftliches Interesse an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots hat. 86 5 AZR 275/78, BB 1980, 1585.

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Betriebsübergang: Kein Übergang von Karenzentschädigungsansprüchen

ner entsprechenden Betätigung also entfällt87. Hier hilft dem übernehmenden Rechtsträger nur ein Verzicht auf die Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, der allerdings nach Maßgabe von § 75 a HGB bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt werden muss. Sinnvoll wäre sogar, dass der übertragende Rechtsträger möglichst frühzeitig vor dem Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 75 a HGB auf die Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verzichtet. Denn in diesem Fall würde der übernehmende Rechtsträger nach Ablauf der 1-Jahres-Frist – ausgehend vom Tag des Zugangs beim Arbeitnehmer vor dem Übergang des Arbeitsverhältnisses – auch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach seinem Übergang von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei. Nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses kann der übertragende Rechtsträger auf die Einhaltung nicht mehr verzichten88. In diesen Fällen hängt die Wirksamkeit bzw. Verbindlichkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots allerdings vor allem davon ab, dass die in § 74 a HGB genannten Voraussetzungen – dann bezogen auf den übernehmenden Rechtsträger – erfüllt werden89. Abzustellen ist also auf seine geschäftlichen Interessen, nicht mehr auf die des übertragenden Rechtsträgers. Eine Ausnahme erscheint allenfalls dann denkbar, wenn sich der Betriebserwerber gegenüber dem übertragenen Rechtsträger verpflichtet, dessen wettbewerbsrechtlichen Belange für den Fall einer Vertragsbeendigung mit dem betreffenden Mitarbeiter zu vertreten90. Fehlt eine entsprechende Abrede, müssen die Interessen des übernehmenden Rechtsträgers – auch unter Berücksichtigung der Dauer des Wettbewerbsverbots und der Höhe der vereinbarten Karenzentschädigung – die Einschränkung der Berufsfreiheit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen91. Maßgeblich ist dabei das Unternehmen, nicht der übertragene Betrieb oder Betriebsteil. Rechtfertigen die geschäftlichen Interessen des übernehmenden Rechtsträgers den Fortbestand des nachvertraglichen Wett-

87 Vgl. LAG Baden Württemberg v. 6.8.1998 – 19 Sa 10/98, LAGE § 613 a BGB Nr. 70; abw. MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 613 a Rz. 102 f., der ein geschäftliches Interesse des Erwerbers für den Übergang eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots voraussetzt. 88 ArbG Mannheim v. 18.12.1997 – 5 Ca 300/97 n. v. 89 So auch Borngräber, Betriebsübergang S. 72 f., Bauer, DB 1983 S. 713, 717. 90 So LAG Baden-Württemberg v. 6.8.1998 – 19 Sa 10/98, LAGE § 613 a BGB Nr. 70 Rz. 15. 91 LAG Baden-Württemberg v. 6.8.1998 – 19 Sa 10/98, LAGE § 613 a BGB Nr. 70; D. Gaul, NZA 1989, 697, 699.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

bewerbsverbots nicht, begründet die daraus folgende Unverbindlichkeit dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht: Entscheidet er sich für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots, ist der Anspruch auf Karenzentschädigung gegeben. Entscheidet er sich gegen das Wettbewerbsverbot, kann er – allerdings ohne einen Anspruch auf Karenzentschädigung – unmittelbar nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Wettbewerb zum übernehmenden Rechtsträger treten92. Umgekehrt folgt aus der Überleitung der Vereinbarung allerdings auch, dass der übertragende Rechtsträger daraus keine Ansprüche mehr gegenüber dem früheren Arbeitnehmer geltend machen kann93. Dies gilt selbst dann, wenn er an einer Aufrechterhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots interessiert ist. Er kann nicht einmal verhindern, dass der Erwerber einen Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ausspricht (§ 75 a HGB) oder mit dem Arbeitnehmer dessen Aufhebung vereinbart. Erforderlich wäre, dass der übertragende Rechtsträger mit dem Arbeitnehmer eine gesonderte Vereinbarung über den Fortbestand des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots trifft. Solange eine solche Vereinbarung im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge indes vor der Übertragung des Arbeitsverhältnisses getroffen wird, ist sie nur wirksam, wenn die Vorgaben der §§ 74 ff. HGB eingehalten werden. Hier würde der Arbeitnehmer also gegenüber dem übertragenden Rechtsträger zur Wettbewerbsenthaltung verpflichtet. Im Hinblick auf den Zweck von § 613 a BGB – auch im Hinblick auf den übertragenden Rechtsträger – ist jedoch Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung, dass dieser seinerseits dadurch keine Einschränkung der Leistungsverpflichtungen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag hinnehmen muss. Denn dieser Arbeitsvertrag geht ohne Einschränkung über.

c)

Konsequenzen für (bereits) ausgeschiedene Arbeitnehmer

Wenn Arbeitnehmer bereits ausgeschieden sind, können aus § 613 a BGB keine Rechte oder Pflichten des ausgeschiedenen Arbeitnehmers gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger begründet werden. Denn nach dieser Vorschrift tritt der übernehmende Rechtsträger nur in die Rechte und Pflichten aus aktiven Arbeitsverhältnissen ein, die am Tage des Wirksamwerdens der Übertragung in dem vom Übergang betroffenen Betrieb oder Betriebsteil bestehen. Arbeitsverhältnisse, die vor diesem Tag beendet wurden, werden

92 ArbG Mannheim v. 18.12.1997 – 5 Ca 300/97 n. v. 93 Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 156.

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Betriebsübergang: Kein Übergang von Karenzentschädigungsansprüchen

nicht erfasst. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer selbst durch Widerspruch oder außerordentliche Kündigung, die auch im Zusammenhang mit einer Spaltung nach § 123 UmwG denkbar sind94, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seinem Übergang auf einen anderen Rechtsträger oder – bei einem späteren Widerspruch – ex tunc zum Tage des von den beteiligten Unternehmen aus beabsichtigten Übergangs bewirkt hat95. Dies kann gerade bei Schlüsselkräften, mit deren Übergang der Erwerber gerechnet hat, problematisch werden. Dass aus der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gemäß der §§ 74 ff. HGB eine rechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch über die Beendigung des Arbeitsvertrags hinaus besteht, genügt nicht, um unmittelbar einen Übergang der Wettbewerbsvereinbarung gemäß § 613 a BGB anzunehmen. Damit entfällt nicht nur ein Anspruch des übernehmenden Rechtsträgers auf Unterlassung von Wettbewerb, der dem übernommenen Geschäftsbetrieb schaden könnte. Entsprechend kann § 613 a BGB auch keine Verpflichtung des übernehmenden Rechtsträgers begründen, eine etwaige Karenzentschädigung an die zum Zeitpunkt der Übertragung bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu zahlen96. Darauf hatte das LAG Köln mit Urteil vom 8.7.201197 zutreffend hingewiesen. Wenn die geschäftlichen Interessen des übertragenden Rechtsträgers nach der Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen, auf die sich das Wettbewerbsverbot seinem Sinn nach bezog, nicht mehr rechtfertigen, führt dies indes zur Unverbindlichkeit. Entgegen der Auffassung des LAG Köln im Urteil vom 8.7.201198 hat der Arbeitnehmer nunmehr die Wahl, ob er sich weiterhin gegen Zahlung der Karenzentschädigung gebunden fühlt oder ob er unter Verzicht auf die Karenzentschädigung den Wettbewerb aufnimmt99. Insofern wird man davon ausgehen müssen, dass die Unverbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nicht bereits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen muss, um dem Arbeitnehmer das Recht zu geben, sich von der Einhaltung dieser Vereinbarung loszusagen. In Überein94 Vgl. B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 11 Rz. 33 ff. 95 Vgl. ArbG Münster v. 14.4.2000 – 3 Ga 13/00, DB 2000, 1182 f. für den Fall einer Verschmelzung. 96 So auch v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329, 334; D. Gaul, NZA 1989, 697, 699. Entsprechendes gilt für spätere Überlegungen in §§ 92 ff. EArbVG 1992 (Professorenentwurf); vgl. Hromadka, Festschrift D. Gaul S. 357, 381. 97 10 Sa 398/11, ZIP 2012, 243 Rz. 31 ff. 98 10 Sa 398/11, ZIP 2012, 243 Rz. 39. 99 MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 613 a Rz. 102 f.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

stimmung mit der wohl herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung kann die Unverbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots als Folge fehlenden geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers auch zu einem späteren Zeitpunkt mit der Folge eintreten, dass der Arbeitnehmer auch erst zu diesem Zeitpunkt sein Wahlrecht ausüben kann100. Er kann sich entscheiden, an der Wettbewerbsabrede gegen Fortzahlung der Karenzentschädigung festzuhalten. Gleicherweise kann er allerdings auch die Entscheidung treffen, unter Verzicht auf die Karenzentschädigung nunmehr eine Wettbewerbstätigkeit aufzunehmen. Will der Erwerber dies verhindern, muss eine gesonderte Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und übernehmendem Rechtsträger abgeschlossen werden101. Ein in der Praxis wohl selten erfolgreiches Unterfangen, wenn nur die „normale“ Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB gezahlt werden soll. Zu überlegen ist auch, ob der Unterlassungsanspruch des übernehmenden Rechtsträgers an den übertragenden Rechtsträger abgetreten wird102. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des LAG Köln im Urteil vom 8.7.2011103 ist auch eine analoge Anwendbarkeit von § 613 a BGB ausgeschlossen104. Zutreffend wäre dabei zwar die Ausgangsüberlegung, dass auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechtspflichten zwischen den Arbeitsvertragsparteien fortbestehen können. Dies allein genügt aber nicht. Es fehlt nicht nur an einer planwidrigen Regelungslücke105, die eine Einbeziehung der nachvertraglichen Rechtsbeziehungen in den Anwendungsbereich von § 613 a BGB verlangt. Zwar folgt dies nicht bereits – entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht106 – aus der Möglichkeit, den aus der beim übertragenden Rechtsträger fortbestehenden Wettbewerbsabrede resultierenden Unterlassungsanspruch auf den übernehmenden Rechtsträger zu übertragen. Denn von dieser Übertragung bliebe die Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung unberührt. Eine Übertragung des gesamten Vertragsverhältnisses um die nachvertragliche Wettbewerbsabrede 100 BAG 28.1.1966 – 3 AZR 374/65 (Rz. 36), DB 1966, 585 Rz. 36; HWK/Diller, HGB § 74 a Rz. 11; andererseits kann ein ursprünglich bestehendes berechtigtes Interesse auch z. B. infolge einer Betriebsveräußerung entfallen, siehe ErfK/Oetker, HGB § 74 a Rz. 2. 101 LAG Hessen v. 3.5.1993 – 10 Sa Ga 345/93, NZA 1994, 1033 ff. 102 So Grunsky, Festschrift Söllner (1990) S. 41, 56; abl. Bauer, DB 1983, 713, 716 f. 103 10 Sa 398/11, ZIP 2012, 243 Rz. 34 ff. 104 Ebenso LAG Hessen v. 3.5.1993 – 10 SaGa 345/93, NZA 1994, 1033 ff.; Bauer, DB 1983, 713, 717; a. A. ErfK/Preis, BGB § 613 a Rz. 52. 105 LAG Hessen v. 3.5.1993 – Sa Ga 345/93, NZA 1994, 1033 ff.; a. A. Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 219 f. 106 Borngräber, Arbeitsverhältnis bei Betriebsübergang S. 74.

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Betriebsübergang: Kein Übergang von Karenzentschädigungsansprüchen

bedürfte einer Zustimmung des Arbeitnehmers107. Schließlich waren solche Rechtspflichten bekannt, als über die Folgen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs im Hinblick auf das Inkrafttreten von § 613 a BGB diskutiert wurde108. Die Entscheidung des BAG vom 26.11.1971109 wurde indes, worauf Bossmann110 zu Recht aufmerksam macht, erst nach der Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens verkündet. Zum Teil wird auch die Vergleichbarkeit der Interessenlage des ausgeschiedenen Arbeitnehmers mit dem der aktiv Beschäftigten abgelehnt111. Selbst wenn man das Vorliegen dieser Voraussetzungen unterstellt, ist nicht erkennbar, wie der Gesetzgeber diese Lücke geschlossen hätte. Denn wenn man schon eine Überleitung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots annähme, müsste dies nach dem Wortlaut von § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ausnahmslos erfolgen. Dann aber wären die Fallgestaltungen unbefriedigend gelöst, in denen der übertragende Rechtsträger seinerseits Interesse an einem Fortbestand des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots als Verpflichtung ihm gegenüber hat112. Die Lösung, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot jeweils dem Rechtsträger zuzuordnen, bei dem der Betrieb oder Betriebsteil im Anschluss an den Übertragungsvorgang verbleibt113, kann wegen der damit verbundenen Notwendigkeit, Arbeitnehmer trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmten Betrieben oder Betriebsteilen zuzuordnen, nicht überzeugen, denn damit wird unterstellt, dass sich der Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers trotz üblicherweise vorhandener Direktionsklausel nach dem Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht geändert hätte. Für eine Aufspaltung des Wettbewerbsverbots in gleichzeitige Verpflichtungen gegenüber übertragendem und übernehmendem Rechtsträger gibt es – entgegen der Vorgehensweise von Müller-Glöge114 – im Gesetz keine Anhaltspunkte. Es ist im Übrigen nicht überzeugend, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ausgeschiedener Arbeitnehmer überzuleiten, während Ansprüche oder Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, die ausgeschiedene Arbeitnehmer besitzen, von einer Übertragung ausgenommen werden sollen115.

107 108 109 110 111 112 113 114 115

So auch Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 204 ff. m. w. N. Eingehend Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 176 ff. 3 AZR 220/71, DB 1972, 537 ff. m. zust. Anm. Küchenhoff Bl. 6 ff. Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 182 ff. Staudinger/Annuß, BGB § 613 a Rz. 190ff. So auch Erman/S. Edenfeld, BGB § 613 a Rz. 59. So Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 222 ff., 226 ff. In MünchKomm, BGB § 613 a Rz. 102 ff. Für eine solche Differenzierung MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 613 a Rz. 10.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Angesichts der verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen und des unterschiedlichen Schutzzwecks kann ein Übergang von Verpflichtungen aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot für den Fall der Vertragsbeendigung vor dem Übergang eines Betriebs- oder Betriebsteils auch nicht durch einen Vergleich von § 419 BGB a. F. und § 613 a BGB begründet werden. In diesem Fall würde der Anwendungsbereich von § 613 a BGB in unzulässiger Weise ausgedehnt116. Im Übrigen könnte die Möglichkeit einer Übertragung des Unterlassungsanspruchs, würde man die Überlegungen auch auf Fallgestaltungen außerhalb von Betriebsübergang und Umwandlung anwenden, dazu missbraucht werden, die Anforderungen an die Verbindlichkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots aus § 74 a Abs. 1 HGB zu umgehen. Eine andere Rechtsfolge kann indes bei einer Spaltung oder Vermögensteilübertragung bewirkt werden. Denn hier können die beteiligten Rechtsträger im Spaltungsplan oder -vertrag festlegen, dass der übernehmende Rechtsträger auch Zahlungspflichten gegenüber bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern übernimmt. Neben betrieblicher Altersversorgung kann hierzu auch die Zahlung einer Karenzentschädigung gehören. Das Wettbewerbsverbot selbst, die Unterlassungsverpflichtung, muss allerdings gegenüber dem übertragenden Rechtsträger fortbestehen. Eine Ausnahme gilt indes für die Aufspaltung. Hier kann der Anspruch auf einen übernehmenden Rechtsträger übertragen werden. Die Wirksamkeit für die Zukunft setzt aber voraus, dass seine gesellschaftlichen Interessen die Wettbewerbsenthaltung rechtfertigen. (Ga)

11.

Betriebsbedingte Kündigung: Abgrenzung zwischen Betriebsübergang und Betriebsstilllegung

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG, dass die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG gehört, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können117. Wie das BAG im Urteil vom 16.2.2012118 insoweit noch einmal deutlich macht, ist unter einer Stilllegung insoweit die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und 116 Krit. Bossmann, Auswirkungen des Betriebsübergangs S. 173 ff., 204, 210; Zöllner, Anm. zu BAG v. 23.1.1966 – 3 AZR 374/65, DB 1966, 585 ff.; a. A. Säcker/Joost, DB 1978, 1078. 117 Vgl. nur BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1968 Rz. 28. 118 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37, 38.

540

Abgrenzung zwischen Betriebsübergang und Betriebsstilllegung

Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin finde, dass das Unternehmen die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstelle, die Fortführung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Allerdings sei der Arbeitgeber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung, komme auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich dafür sei aber, dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst habe, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen. Diese Absicht könne insbesondere darin erkennbar werden, dass allen Arbeitnehmern gekündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgelöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen dürfe, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt werde. An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehle es aber, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs stehe119. Gleiches gelte, wenn der Arbeitgeber sich im Zeitpunkt der Kündigung noch um neue Aufträge bemühe120. Wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung andererseits endgültig geplant und bereits eingeleitet worden sei, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung, wenn sich der Arbeitgeber eine Betriebsveräußerung vorbehält, falls sich hierfür – unerwartet – noch eine Chance in der Zukunft bieten sollte. Die betriebsbedingte Kündigung wird in ihrer Wirksamkeit bei einer solchen Sachlage durch die spätere Betriebsoder Betriebsteilveräußerung nicht berührt121. Problematisch im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses sind natürlich die Fallgestaltungen, in denen ein Betrieb im Anschluss an eine betriebsbedingte Kündigung noch vor Ablauf der Kündigungsfrist als Konsequenz eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird. Ähnliches gilt in solchen Fällen, in denen die Veräußerung kurze Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bewirkt wird. Da ein rechtsge119 BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37; BAG v. 29.9.2005 – 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720 ff. 120 BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37; BAG v. 13.2.2008 – 2 AZR 75/06 n. v. 121 BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37; BAG v. 4.5.2006 – 8 AZR 299/05, NZA 2006, 1096 Rz. 22; BAG v. 29.9.2005 – 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720 Rz. 29.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

schäftlicher Betriebs- oder Betriebsteilübergang auch dann vorliegen kann, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil eine nur unerhebliche Zeitspanne tatsächlich stillgelegt wird, hängt die Wirksamkeit der Kündigung maßgeblich davon ab, welche Absicht auf Seiten des Arbeitgebers zum Zeitpunkt dieser Kündigung in Bezug auf die Fortsetzung des Betriebs oder Betriebsteils verfolgt wurde. Mit eben dieser Frage hat sich das BAG im Urteil vom 16.2.2012122 noch einmal eingehend befasst. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung sei – so das BAG – der des Kündigungszugangs. Dies schließe es nicht aus, dass – insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohne – der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulasse. Verlaufe die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung planmäßig, sei es gerechtfertigt, von einem tragfähigen Konzept im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen. Umgekehrt spreche bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebs bzw. bei alsbaldiger Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen123. Der Arbeitgeber – so das BAG – trage im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingten (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG). Berufe sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so sei, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten werde, der Arbeitgeber verpflichtet, substantiiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellten, geplant und beschlossen habe. Über diese Entschlussfassung hinaus müsse der Arbeitgeber substantiiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hätten124. Der Umfang der Darlegungslast hänge dabei auch davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung der Kündigung einlasse. Trage der gekündigte Arbeitnehmer beispielsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft getroffen gewesen sei, weil es Veräuße122 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 40 ff. 123 BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 40; BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 137/00, NZA 2002, 212 Rz. 41. 124 BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 41; BAG v. 23.3.1984 – 7 AZR 409/82, ZIP 1984, 1524 Rz. 41.

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Abgrenzung zwischen Betriebsübergang und Betriebsstilllegung

rungsverhandlungen gegeben habe, und komme es zu einer alsbaldigen Wiedereröffnung bzw. nahtlosen Fortsetzung durch einen Betriebserwerber, so trage der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wiedereröffnung bzw. Veräußerung nicht bereits voraussehbar oder gar geplant gewesen sei125. Auf der Grundlage dieser Grundsätze hatte der Arbeitgeber in dem der Entscheidung vom 16.2.2012126 zugrunde liegenden Fall nach Auffassung des 8. Senats des BAG nicht ausreichend vorgetragen, um von einer ernsthaften Absicht der Betriebsstilllegung zum Zeitpunkt der Kündigung auszugehen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Beklagte als Insolvenzverfahren ein internationales Bieterverfahren mit dem Ziel einer Veräußerung der Betriebe der Insolvenzschuldnerin eingeleitet. Nach dem bis zum 15.4.2009 nur zwei unbefriedigende Angebote eingegangen waren, beschlossen die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin unter Mitwirkung des Beklagten am 14.4.2009 die Schließung der Betriebe mit Ablauf des 30.4.2009. Darüber wurden die Mitarbeiter am 16.4.2009 unterrichtet. Am 12.4.2009 stellte der Beklagte den Kläger mit Ablauf des 30.4.2009 von der „weiteren Mitarbeit“ frei. Nachdem am 8./13.5.2009 zwischen dem Beklagten und dem Betriebsrat sowie dem Gesamtbetriebsrat ein Interessenausgleich und mehrere Sozialpläne vereinbart worden waren, erstattete der Beklagte eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG. Im Anschluss daran wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.8.2008 „aus betriebsbedingten Gründen“ gekündigt. Auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen Mitarbeiter wurden, soweit keine behördlichen Zulässigkeitserklärungen notwendig waren, gekündigt. Mit der Hälfte der Arbeitnehmer wurde die Produktion bis Ende August 2009 fortgesetzt. Für den Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt war, beschloss der Beklagte später, die Ausproduktion in einem der beiden Betriebe der Insolvenzschuldnerin bis zum 18.12.2009 fortzusetzen. Hierfür wurde mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern eine Verlängerung ihrer Kündigungsfrist vereinbart. Am 14.8.2009 wurde im Handelsregister die Umfirmierung der KL GmbH in LP P GmbH eingetragen. Der Geschäftsgegenstand wurde in: „Die Produktion und der Vertrieb von elektrischen, elektronischen und elektromechanischen und technischen Bauelementen und Geräten und die Ausführung Geschäfte, die damit im Zusammenhang stehen“ geändert. Geschäftsführer 125 BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 41; BAG v. 17.10.1980 – 7 AZR 675/78, DB 1981, 747 Rz. 28; ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rz. 279. 126 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 42 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

der LP P wurde der Geschäftsführer der Muttergesellschaft der LP P GmbH. Die Muttergesellschaft war zugleich Leasinggeberin der Insolvenzschuldnerin. Seit dem 1.9.2009 führt die LP P den Betrieb zur Herstellung von Leiterplatten in P fort. Sie hatte das Betriebsgrundstück und die im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel erworben. Von den Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin beschäftigte die LP P jedenfalls etwas weniger als die Hälfte weiter. Den Betrieb in G führt die RI GmbH fort. In einer Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14.9.2009 hieß es unter der Überschrift “R geht nach dramatischen Wochen gestärkt aus der Insolvenz hervor“ u. a. Durch seine hervorragende Reputation gelang es R selbst in der Insolvenz in den Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners. Ende Juli konnte für das Werk P mit dem früheren R-Eigentümer Z eine Zukunftslösung gefunden werden.

Obwohl die Vereinbarungen zur Übernahme der Betriebsmittel einschließlich des Betriebsgrundstücks offenbar erst nach Ausspruch der Kündigung des Klägers – allerdings noch vor Ablauf der Kündigungsfrist – abgeschlossen worden waren, hat es der 8. Senat des BAG für berechtigt gehalten, das das LAG Düsseldorf den Gesamtumständen eine tatsächliche Vermutung gesehen hat, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigung nicht ernsthaft eine dauerhafte Stilllegung der betrieblichen Tätigkeit geplant hatte. Dagegen sprach nicht nur, dass unmittelbar im Anschluss an den Ablauf der Kündigungsfrist der Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt war, durch einen anderen Rechtsträger fortgeführt wurde. Dass die Fortführung mit einer deutlich geringeren Zahl erfolgte, spielte insoweit keine Rolle. Denn in jedem Fall war insoweit keine Betriebsstilllegung, die von Seiten des Beklagten als Grund für die Kündigung genannt worden war, erfolgt. Hinzu kam, dass der Beklagte wegen gegenüber Kunden, Banken, Lieferanten noch gegenüber dem Leasinggeber Kündigungen in Bezug auf die bestehenden Geschäftsbeziehungen mit Blick auf die an sich beabsichtigte Einstellung der Produktion zum 31.8.2009 erklärt hatte. Solche Maßnahmen, die ein starkes Indiz für die ernsthafte Absicht einer Betriebsstilllegung sind, lagen damit nicht vor. Entsprechend kam hinzu, dass sogar die Pressemitteilung erkennen ließ, das während des laufenden Insolvenzverfahrens schlussendlich erfolgreiche Maßnahmen eingeleitet worden waren, um eine Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit sowohl in P als auch in G zu ermöglichen. Diese Angaben standen im Widerspruch zu der Behauptung des Beklagten, er habe nur eine Ausproduktion geplant und die Kunden hierüber informiert. 544

Abgrenzung zwischen Betriebsübergang und Betriebsstilllegung

Der Bewertung durch den 8. Senat des BAG ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigt noch einmal, dass auch im Insolvenzverfahren die allgemeinen Grundsätze zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung greifen. Auch wenn selbstverständlich die aus § 613 a BGB folgenden Konsequenzen in vielen Fällen der erfolgreichen Sanierung eines Unternehmens entgegenstehen, sind die arbeitsrechtlichen „Spielregeln“ einzuhalten. Wenn der Erwerber einen Betrieb übernehmen will, aber weniger Mitarbeiter benötigt, können auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens – sogar unter erleichterten Voraussetzungen - betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. Dies erlaubt auch § 613 a Abs. 4 S. 2 BGB. Allerdings ist dabei eine Sozialauswahl vorzunehmen, die einer freien Auswahl der zu übernehmenden Arbeitnehmer entgegensteht. Ein weitergehender Gestaltungsspielraum kommt allenfalls dann in Betracht, wenn auf das Mittel einer Namensliste nach § 125 InsO zurückgegriffen wird. (Ga)

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J.

1.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen infolge des CGZP-Urteils

In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 29.8.20121 ist erkennbar, dass durch das CGZP-Urteil des BAG vom 14.12.20102, über das wir berichteten3, Nachzahlungen nur in einen erheblich geringerem Ausmaß als ursprünglich erwartet zu der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen geführt hat. So geht die Bundesregierung davon aus, dass die Beitragsnachforderungen, die auf der Grundlage von 1011 Beitragsbescheiden bis zum 31.7.2012 begründet wurden, (nur) rund 69,3 Millionen € betragen. Ein Teil dieser Beiträge ist gestundet, ein Teil niedergeschlagen worden. Entgegen einer vielfach vorgenommen Bewertung beruhen die Beitragsbescheide nach den Feststellungen der Bundesregierung in nahezu 80 % der Fälle auf personenbezogenen Ermittlungen zur Feststellung individueller Lohnansprüche ohne Anwendung pauschaler Erhöhungsprozentsätze. Lediglich in etwa 20 % der Beitragsbescheide ist der Lohnabstand aufgrund eines pauschalierten Prozentsatzes in Höhe von 24 % bestimmt worden. Fälle, bei denen auf eine Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen mit Blick auf den „unverhältnismäßigen Aufwand“ zur Ermittlung der „Equal-Pay“Ansprüche verzichtet wurde, gibt es nach Auskunft der Bundesregierung nicht. (Ga)

2.

Anhebung der Vergütungsgrenze für geringfügig Beschäftigte

Auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP4 hat der Bundestag Ende Oktober nach kontroverser

1 2 3 4

BT-Drucks. 17/10473 und 17/10558. 1 ABR 19/10, NZA 2011, 289 f. B. Gaul, AktuellAR 2011, 179 ff. BT-Drucks. 17/10773, BT-Drucks. 17/11174, BT-Drucks. 17/11178.

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Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

Diskussion5 Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung beschlossen. Der entgegen gerichtete Antrag der Fraktion DIE LINKE, mit dem geringfügig Beschäftigte uneingeschränkt der Sozialversicherungspflicht unterworfen werden sollten6, wurden abgelehnt. Trotz vorhandener Widerstände im Bundesrat7 ist davon auszugehen, dass diese Änderungen am 1.1.2013 in Kraft treten. Kernpunkte sind die Erhöhung der Entgeltgrenze für die sogenannten „Mini-Jobs“ von 400,– € auf 450,– € bzw. für die sogenannten „Midi-Jobs“ von 800,– € auf 850,– € sowie der Wechsel von der bisher geltenden „Opt-In“-Lösung zur Teilnahme an der sozialen Rentenversicherung hin zu einer „Opt-Out“-Lösung. Die Anhebung der Entgeltgrenzen ist mit der stabilen und im gesamteuropäischen Vergleich positiven Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes begründet worden. Auf diesem Wege soll der Bereich der geringfügig Beschäftigten, deren Verdienstgrenzen zuletzt im Zusammenhang mit der sogenannten „Hartz II – Gesetzgebung“8 im Jahre 2003 erhöht wurden, an der allgemeinen Lohnentwicklung teilhaben. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage ist in Bezug auf die Rentenversicherung der geringfügig Beschäftigten vorgesehen, dass diese Beschäftigten zukünftig zunächst einmal die Differenz zwischen dem Pauschalbetrag des Arbeitgebers in Höhe von 15 % des Entgelts (§ 276 a SGB VI) und dem jeweiligen Rentenversicherungsbeitrag9 zahlen müssen. Derzeit besteht eine solche Beitragspflicht nur dann, wenn sich die Beschäftigten für diese Möglichkeit entscheiden („Opt-in“). Bei Arbeitsverhältnissen, die ab 1.1.2013 begründet werden, muss sich der Arbeitnehmer nach § 6 Abs. 1 b SGB VI konkret gegen diese zusätzliche Versicherungspflicht entscheiden („Optout“). Um eine flächendeckende Information von Beschäftigten und Arbeitgebern sicherzustellen, sollen beide bei erstmaliger Aufnahme bzw. Beitragszahlung durch ein Informationsschreiben der Minijob-Zentrale über diesen Mechanismus und die Auswirkungen der jeweiligen Optionen unterrichtet werden. Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, bleiben in dieser Beschäftigung auch dann längstens bis zum 31.12.2014 versicherungspflichtig, wenn das Entgelt 5 6 7 8 9

Vgl. die Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen die Ausschussdrucksache 17(11)984 des Ausschusses für Arbeit und Soziales. BT-Drucks. 17/7386. Vgl. BR-Drucks. 625/1/12. BGBl. I 2002, 4621 ff. Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2012, 553 f.

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Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

zwischen 400 und 450 € monatlich beträgt. Sie werden aber mit Wirkung zum 1.1.2013 auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, sofern der Antrag bis zum 31.3.2013 gestellt wird, im Übrigen von dem Beginn des Kalendermonats an, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag gestellt wird (§§ 444 SGB III, 7 Abs. 3 SGB V). Personen, die am Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes als Beschäftigte wegen Verzichts auf die Versicherungsfreiheit in einer geringfügigen Beschäftigung oder mehreren geringfügigen Beschäftigungen versicherungspflichtig waren, bleiben insoweit versicherungspflichtig. Hier ist kein Verzicht mehr möglich. Weiterhin gilt, dass ein Antrag zur Befreiung von der Versicherungspflicht bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden kann und für die Dauer der Beschäftigung bindend ist. Der Arbeitgeber muss den Eingang des Antrags ebenso dokumentieren wie die schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers, dass die Gleitzonenregelung in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 276 b SGB VI) Anwendung finden soll. Die Befreiung gilt als erteilt, wenn die zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Befreiung wirkt grundsätzlich rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist. Zu beachten ist, dass die Anhebung der Grenze für geringfügig Beschäftigte auch Auswirkungen auf die Rentenversicherungspflicht Selbständiger hat. Denn diese hängt davon ab, ob ein nicht nur geringfügig Beschäftigter Arbeitnehmer beschäftigt wird. (Ga/Kr)

3.

Sperrzeit beim Arbeitslosengeld wegen Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindungszahlung

Gemäß § 159 Abs. 1 SGB III (früher: § 144 Abs. 1 SGB III) ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Ein versicherungswidriges Verhalten liegt nach den gesetzlichen Vorgaben u. a. dann vor, wenn die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis löst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben oder dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit be-

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Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

ginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte. Sie verkürzt sich u. a. dann auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. Konsequenz einer Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 SGB III ist nicht nur, dass der Arbeitslosengeldanspruch für die entsprechende Zeitspanne ruht. Ganz erhebliche Bedeutung hat auch der Umstand, dass sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe mindert. Bei einer Sperrzeit von zwölf Wochen erfolgt die Minderung mindestens um ein Viertel der Anspruchsdauer, die der oder dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, dass die Sperrzeit begründet, zusteht. Dies bestimmt § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III (früher: § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). In seinem Urteil vom 22.6.201210 hat das Hessische LSG deutlich gemacht, dass die vorstehend genannten Rechtsfolgen auch dann eintreten können, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer hohen Abfindung zu einem Zeitpunkt gelöst hat, zu dem der Arbeitgeber aufgrund der einzuhaltenden Kündigungsfrist keine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung hätte aussprechen können. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin, die zuletzt als freigestellte Betriebsratsvorsitzende tätig war, nach Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen, der unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung vorsah. Die Abfindung wurde um eine Turboprämie erhöht, deren Zahlung für einen Vertragsabschluss innerhalb eines bestimmten Zeitfensters zugesagt war. Zur Rechtfertigung ihres Vorgehens hatte die Klägerin nicht nur darauf verwiesen, dass als Konsequenz der Betriebsänderung eine Weiterbeschäftigung nur an anderen Orten innerhalb des Bundesgebietes möglich gewesen wäre, was zur Folge gehabt hätte, dass sie ihre pflegebedürftigen Eltern nicht mehr hätte versorgen können. Darin läge ein wichtiger Grund, der die Festsetzung 10 L 7 AL 186/11, NZA 2012, 1024.

550

Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

einer Sperrzeit verbiete. Sie hatte bei diesem Vortrag indes unberücksichtigt gelassen, dass ihr Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags nach den im Interessenausgleich und Sozialplan getroffenen Regelungen (noch) nicht hätte aussprechen können. Denn vor einer solchen Kündigung war durch den Interessenausgleich und Sozialplan ein sogenanntes Clearing-Verfahren bestimmt worden, durch das hätte geprüft werden müssen, ob und gegebenenfalls es anderweitige (zumutbare) Beschäftigungsmöglichkeiten im Konzern gegeben hätte. Ein solches Clearing-Verfahren hätte zur Folge, dass eine Kündigung der Klägerin gegen Zahlung der im Sozialplan vorgesehenen Abfindung frühestens drei Monate später möglich gewesen wäre. Nach Auffassung des Hessischen LSG hat die Klägerin durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags ihr Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob die Arbeitslosigkeit auch unabhängig vom Abschluss des Aufhebungsvertrags aufgrund einer ansonsten ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung eingetreten wäre. Denn für die Beurteilung der Frage, ob eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Eintritt der Arbeitslosigkeit geführt habe, komme es allein auf die tatsächlichen Geschehensabläufe an. Keine Beachtung finde demgegenüber ein hypothetischer Geschehensablauf, zu dem auch eine angedrohte betriebsbedingte Kündigung gehöre. Unerheblich sei insoweit auch, ob die Initiative hierzu von ihr oder vom Arbeitgeber ausgegangen sei11. Nach Auffassung des Senats stand der Klägerin für ihr Verhalten auch kein wichtiger Grund zur Seite. Denn unter Berücksichtigung des Zwecks der Sperrzeitregelung solle dieser eine Sperrzeit nur dann vermeiden, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden könne. Bei der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag und Zahlung einer Abfindung könne sich der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BSG deshalb auf einen wichtigen Grund (nur) dann berufen, wenn ihm der Arbeitgeber mit einer nach Arbeitsrecht objektiv rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung zu dem Zeitpunkt drohe, zu dem er das

11 Hessisches LSG v. 22.6.2012 – L 7 Al 186/11, NZA 2012, 1024 Rz. 29.

551

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

Arbeitsverhältnis löse und ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten sei12. Diese Voraussetzungen lagen im vorliegenden Fall nicht vor. Denn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags hatte der damalige Arbeitgeber das Clearing-Verfahren noch gar nicht begonnen. Es hätte erst im nächsten Monate starten sollen und war auf die Arbeitnehmer begrenzt, die nicht zuvor bereits einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hatten. Hiervon ausgehend wäre eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht – wie im Aufhebungsvertrag vorgesehen – bereits zum 30.9.2010, sondern – unter Berücksichtigung der individuellen Kündigungsfrist – erst zum 31.12.2010 möglich gewesen. Dass die Klägerin geltend machte, durch eine Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort die pflegebedürftigen Eltern nicht mehr versorgen zu können, spielte vorliegend keine Rolle. Denn im Interessenausgleich und Sozialplan war ausdrücklich festgesetzt worden, dass eine Weiterbeschäftigung für einen Arbeitnehmer nicht zumutbar sei, wenn dies zur Folge habe, dass pflegebedürftige Angehörige nicht mehr versorgt werden können. Die Klägerin hätte also, falls nur an anderen Orten eine Weiterbeschäftigung möglich gewesen wäre, auch als Konsequenz des Clearing-Verfahrens kein zumutbares Angebot einer Weiterbeschäftigung erhalten. Vielmehr wäre es, allerdings drei Monate später, zu einer betriebsbedingten Kündigung gegen Zahlung der im Sozialplan vorgesehenen Abfindung gekommen. Aus Sicht des Hessischen LSG waren auch die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Sperrzeit von zwölf auf sechs Wochen nicht gegeben. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass die zwölfwöchige Sperrzeit aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls als besonders hart in ihren Rechtsfolgen für die Klägerin hätte qualifiziert werden müssen. Anhaltspunkte dafür hatte die Klägerin indes nicht vorgetragen. Dass die Klägerin nur durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags innerhalb des hierfür vorgesehenen Zeitfensters einen Anspruch auf die „Turboprämie“ in Höhe von zusätzlichen 1.500 € pro vollendetem Beschäftigungsjahr auslösen konnte, spiele keine Rolle, auch wenn diese Zahlung neben der üblichen Abfindung den Aufhebungsvertrag besonders „schmackhaft“ gemacht habe13.

12 BSG v. 8.7.2009 – B 11 AL 17/08 R, NJW 2010, 2459 Rz. 19; BSG v. 12.7.2006 – B 11 a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359 Rz. 13; Hessisches LSG v. 22.6.2012 – L 7 AL 186/11, NZA 2012, 1024 Rz. 30. 13 Hessisches LSG v. 22.6.2012 – L 7 AL 186/11, NZA 2012, 1024 Rz. 33.

552

Neue Beitragsbemessungsgrößen 2013

Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass die arbeitsrechtlichen Mechanismen, die die Beendigung von Arbeitsverhältnissen fördern, schlussendlich dem Eintritt einer Sperrzeit und den damit verbundenen Rechtsfolgen nicht entgegenstehen. Vielmehr obliegt es den betroffenen Arbeitnehmern, die wirtschaftlichen Vorteile einerseits und die sozialversicherungsrechtlichen Nachteile andererseits abzuwägen. Arbeitgebern, die entsprechende Beendigungen veranlassen, sei empfohlen, diese Rechtsfolgen nicht zu verschweigen bzw. wegen dieser Rechtsfolgen auf entsprechende Auskünfte der dafür jeweils zuständigen Sozialversicherungsträger zu verweisen. Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil auch die Praxis der örtlichen Agenturen völlig unterschiedlich ist. (Ga)

4.

Neue Beitragsbemessungsgrößen 2013 2012 West Monat

Beitragsbemessungsgrenze (Rentenversicherung) * Beitragsbemessungsgrenze (Knappschaft) * Beitragsbemessungsgrenze (Arbeitslosenversicherung)* Beitragsbemessungsgrenze (Kranken- und Pflegeversicherung) * Versicherungspflichtgrenze (Kranken- und Pflegeversicherung) ** Bezugsgröße in der Sozialversicherung *** Geringfügigkeitsgröße Beitragssatz (Rentenversicherung)

2013 Ost

Jahr

Monat

West Jahr

Monat

Ost Jahr

Monat

Jahr

5.600

67.200

4.800

57.600

5.800

69.600

4.900

58.800

6.900

82.800

5.900

70.800

7.100

85.200

6.050

72.600

5.600

67.200

4.800

57.600

5.800

69.600

4.900

58.800

3.825

45.900

3.825

45.900

3.937,50

47.250

3.937,50

47.250

4.237,50

50.850

4.237,50

50.850

4.350

52.200

4.350

52.200

2.625

31.500

2.240

26.880

2.695

32.340

2.275

27.300

400

400

450

450

19,6 %

18,9 %

Beitragssatz (Knappschaft)

26 %

25,1 %

Beitragssatz (Arbeitslosenversicherung)

3%

3%

Beitragssatz (Krankenversicherung)

15,5 %

15, 5 %

Beitragssatz (Pflegeversicherung)

1,95 %

2,05 %

553

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

*

Hierbei handelt es sich um den Maximalbetrag, bis zu dem in der jeweiligen Sozialversicherung Beiträge erhoben werden dürfen. Der Einkommensanteil, der über diesem Grenzbetrag liegt, ist beitragsfrei.

**

Eine private Krankenversicherung darf gewählt werden, wenn im vergangenen Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten wurde und auch im aktuellen Kalenderjahr noch überschritten wird.

*** In der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Bezugsgröße beispielsweise Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbständiger dar. (Ga)

554

Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen

Abfindung - Altersdiskriminierung 502 ff. - Altersrente 502 ff. - Diskriminierung 502 ff. - rentennahe Jahrgänge 502 ff. - Sperrzeit 549 ff. - Verteilungsgerechtigkeit 504 Abgeltung, Urlaubsanspruch 99 ff. Ablösungsprinzip, Betriebsvereinbarung 194 Abmahnung - Bestimmtheit 413 - Kündigung 409 ff., 416 f. - Rügefunktion 411, 413 - Warnfunktion 411 f. AEntG - Änderung 11 f. - Leiharbeitnehmer 280 AGB-Kontrolle - Änderungsvereinbarung 166 ff. - Angemessenheit 71 f. - Arbeitszeiterhöhung 311 ff. - Ausbildungskosten 47 ff. - Ausschlussfrist 59, 373 f. - Bezugnahmeklausel 165 f., 173 ff. - Blue-Pencil-Test 175 - geltungserhaltende Reduktion 48 f. - kollektive Günstigkeit 194 f. - Rückzahlungsklausel 47 ff., 73 - salvatorische Klausel 49 f. - Stichtagsregelung 72 ff. - Transparenz 49, 50, 70 f. - Überstundenabgeltung 63 ff., 358 ff. - Unklarheitenregel 165

AGB-Kontrolle - Urlaub 389 - Urlaubsabgeltung 100 - Weiterbildungskosten 47 ff. - Widersprüchlichkeit 70 Agentur für Arbeit, Massenentlassung 404 ff. AGG, chronische Erkrankung 289 f. Aktiengesellschaft, Frauenquote 282 ff., 301 Allgemeinverbindlicherklärung 11 f., 464 f. - Prüfung 463 ff. - Voraussetzungen 463 ff. Alter, Sozialauswahl 119 ff. Ältere Arbeitnehmer - Psychische Belastung 338, 346 f. - Sozialauswahl 431 - Sozialplan 502 ff. Altersdiskriminierung - Altersgruppen 431 ff. - Betriebszugehörigkeit 461 ff. - Kündigungsfrist 12 f., 124 f. - Rechtfertigung 106 ff. - Sozialauswahl 117 ff., 119 ff., 431 ff. - Sozialplanabfindung 502 f. - Tarifvertrag 90 ff. - Urlaub 105 ff. Altersgrenze - Diskriminierung 442 ff. - Mini-Rente 442 Altersgruppen - Massenentlassung 122, 431 ff. - Sozialauswahl 121 ff., 431 ff. 555

Stichwortverzeichnis

Änderungskündigung - Änderungsangebot 435 - Anhörung Betriebsrat 439 - Annahmeverzug 135 f. - Auslandsbeschäftigung 440 ff. - Begriff 435 - Betriebsratsmitglied 440 - Direktionsrecht 435 ff. - Ersatzmitglied 440 - freier Arbeitsplatz 440 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 439 - Streitgegenstand 436 - Territorialitätsprinzip 441 - überflüssige 435 ff. - Ultima-Ratio 127 f., 437 f. - Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 440 ff. Anderweitiger Erwerb, Annahmeverzug 135 f. Anerkenntnis-Tarifvertrag 457 ff. - Fortgeltung 459 - Nachgeltung 459 - Nachwirkung 459 f. Anfechtung - Aufhebungsvertrag 397 - Betriebsratswahl 177 ff., 179 ff. - Drohung 236 f. - Täuschung 236 f. Annahmeverzug - Änderungskündigung 135 f. - anderweitiger Erwerb 135 f. - Arbeitsunfähigkeit 366 ff. - Ausschlussfrist 370 ff. - Beendigung 366 ff., 370 - Kündigungsschutzprozess 135 f., 366 ff. - Leistungsangebot Arbeitnehmer 372 - Leistungsbereitschaft 372 - Vergütungsanspruch 370 ff. 556

Annahmeverzug - vertragswidrige Tätigkeit 135 f., 374 f. - Zumutbarkeit 136 Anschlussbeschäftigung, Urlaubsanspruch 109 f. Anti-Stress-Verordnung 335 Arbeitnehmer - BetrVG 215 ff., 279 - Equal-Treatment-Gebot 163 f. Arbeitnehmerentsendung 22 ff. Arbeitnehmerfreizügigkeit - Arbeitsgenehmigung 22 - Bulgarien 22 - Rumänien 22 Arbeitnehmerüberlassung - AEntG 280 - Arbeitskampf 280 - Beitragsnachforderung 164 - Betriebsänderung 216 ff. - Betriebsvereinbarung 281 - BetrVG 215 ff. - Bezugnahmeklausel 173 ff., 282 - Branchenzuschlag 280 f. - CGZP 163 f., 282, 547 - christliche Gewerkschaften 163 f., 278 ff., 281 - Dauer 54 f. - DrittelbG 219 - Einschränkung 278 ff. - Einstellung 482 f. - Equal-Treatment-Gebot 55, 173 ff., 282 - Erlaubnis 55 - gelegentliche 279 - IG-Metall 281 - Konzern 52 ff., 279, 303 f. - Konzernprivileg 53 ff. - mehrgliedrige Tarifverträge 173 ff., 282

Stichwortverzeichnis

Arbeitnehmerüberlassung - MitbestG 219 - Mitbestimmung Betriebsrat 197 ff., 279 - Schwellenwerte 215 ff., 279 - Sozialversicherung 154 - Streik 280 - Tarifzuständigkeit 281 f. - Übernahmepflicht 281 - Unzuverlässigkeit 57 - Vergaberecht 57 - vorübergehende 56 f., 197 ff., 280 - Zustimmungsverweigerung 198 - Zweck 54 f. Arbeitsbedingungen, Befristung 311 ff. Arbeitsentgelt - Betriebszugehörigkeit 461 ff. - Diskriminierung 291 ff., 300 - Mindestlohn 293 - Mitbestimmung Betriebsrat 200 ff. Arbeitsgenehmigung - Bulgarien 22 - Fachkräfte 22 - Rumänien 22 Arbeitskampf - Abwehraussperrung 159 - Arbeitskampfparität 160 - Betriebsrisiko 160 - Betriebsstilllegung 159 ff. - Entgeltfortzahlung 160 f. - Gegenmaßnahmen 160 ff. - Gesetz 10 f. - Koalitionsfreiheit 155 - Leiharbeitnehmer 280 - OT-Mitgliedschaft 460 f. - Schadensersatz 460 f. - Streik 155 ff. - Streikziel 460 f.

Arbeitskampf - suspendierende Betriebsstilllegung 159 ff. - Unterstützungsstreik 157 f., 461 - Verhältnismäßigkeit 157 f. - Warnstreik 460 f. Arbeitslosengeld - Gesamtdauer 550 - Karenzentschädigung 139 f. - Sperrzeit 549 ff. Arbeitslosenversicherung, Beitragsbemessungsgrenze 553 f. Arbeitsort, Direktionsrecht 51 f., 353 ff. Arbeitsplatzbewertung, Mitbestimmung Betriebsrat 490 ff. Arbeitsschutz - Mitbestimmung Betriebsrat 206 ff. - psychische Belastung 340 f. - Unterweisung 206 ff. Arbeitsunfähigkeit, Urlaubsabgeltung 101 ff. Arbeitsvertrag - ablösende Betriebsvereinbarung 194 f., 525 ff. - Altersgrenze 442 - Altvertrag 165 - Änderung 86 ff., 166 ff. - Änderungskündigung 127 f. - Ausschlussfrist 57 ff. - befristeter → befristeter Arbeitsvertrag - betriebliche Einheitsregelung 192 f. - Betriebsübergang 87 ff. - Betriebsvereinbarung 525 ff. - betriebsvereinbarungsoffen 191 ff. - Gleichbehandlungsgrundsatz 86 ff. 557

Stichwortverzeichnis

Arbeitsvertrag - Gleichstellungsabrede 164 ff. - kollektive Günstigkeit 194 f. - Kündigungsfrist 124 f. - ruhender → ruhender Arbeitsvertrag - Überstundenabgeltung 63 ff., 360 ff. - Urlaub 389 f. - Urlaubsabgeltung 99 ff. - Vertragsmuster 86 ff. Arbeitsverweigerung - Glaubensfreiheit 128 ff. - Kündigung 128 ff. Arbeitszeit - AGB-Kontrolle 357 ff. - E-Mail 341 f. - Erreichbarkeit 341 f. - Grenze 357 f. - Kraftfahrer 357 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 493 ff. - psychische Belastung 341 f., 350 - Ruhezeit 350 - Telefonat 341 f. - Telefonkonferenz 342 - Überstunden 341 - Vereinbarung 357 f. Arbeitszeiterhöhung - AGB-Kontrolle 311 ff. - Angemessenheit 313 f. - befristete 311 ff. Arbeitszeitflexibilisierung - Elternzeit 266 - Wertguthaben 241 Arbeitszeitkonto - Kürzung 66 f. - Verrechnung 66 f. Arbeitszeitverlängerung, Diskriminierung 330 ff. 558

ArbGG - Mediation 3 ff., 261 ff. - Prozesskostenhilfe 293 f. - Rechtsanwalts-Beiordnung 294 AT-Vertrag, Überstunden 360 ff. Aufhebungsvertrag - Anfechtung 391 - Ausgleichsklausel 153 f. - Drohung 397 - Freistellung 375 f. - Insolvenz 133 ff. - Rechtsanwalt 396 ff. - Rücktritt 133 ff. - Schwerbehinderte 394 ff. - Schwerbehindertenvertretung 394 ff. - Sperrzeit 550 f. - Urlaub 375 f. - Wettbewerbsverbot 375 f. Aufsichtsrat - Frauenquote 13 ff., 282 ff., 301 f. - Wahlverfahren 284 f. Auftragsnachfolge, Betriebsübergang 512 f. Ausbildung, Rückzahlungsklausel 47 ff. Ausgleich Nachtarbeit 208 ff. Ausgleichsklausel, Herausgabeanspruch 153 f. Auskunftsanspruch - Betriebsrente 143 ff. - Bewerber 44 ff. - Wissenserklärung 144 Ausländer, Arbeitsgenehmigung 22 Ausschlussfrist - AGB-Kontrolle 59, 373 f. - Annahmeverzug 370 ff. - Arbeitsvertrag 57 ff. - Beginn 59 f. - Erholungsurlaub 381 ff.

Stichwortverzeichnis

Ausschlussfrist - Schadensersatz 57 ff. - Tarifvertrag 57 ff., 381 ff. - Urlaubsabgeltung 101 ff., 381 ff. - Vorsatz 57 ff. - zweistufige 370 ff. Ausschuss für Arbeitsmedizin 335 Außerordentliche Kündigung - Arbeitsverweigerung 128 ff. - Bagatelldelikt 415 ff. - Betriebsratsmitglied 185 ff. - Glaubensfreiheit 129 - Schwerbehinderte 399 ff. - Stalking 409 ff. Auswahlrichtlinie 430 AVR-Bezugnahme, Ablösung 172 ff.

Bagatelldelikt, Kündigung 415 ff. BBG-Sprung, Betriebsrente 141 ff. BDSG → Beschäftigtendatenschutz Beamte, BetrVG 474 BEEG, Änderung 264 ff. Befristete Arbeitszeiterhöhung 311 ff. Befristeter Arbeitsvertrag - Absolventenbefristung 37 - Arbeitsbedingungen 32 f. - Ausbildung 37 f. - Berufsausbildungsverhältnis 35 ff. - Diskriminierung 325 ff. - EG-Richtlinie 29 ff. - Einstellungsanspruch 34 f. - Elternzeit 29 ff. - gerichtlicher Vergleich 304 ff. - Haushaltsbefristung 31 f. - Inhaltsschutz 32 f. - Kettenbefristung 29 ff., 316 ff. - Klagefrist 308 ff. - Konzern 303

Befristeter Arbeitsvertrag - Kündigungsschutzprozess 321 ff. - Leiharbeitnehmer 303 f. - Maßregelungsverbot 33 ff. - öffentlicher Dienst 316 - § 278 Abs. 6 ZPO 305 - Prognoseentscheidung 30 f. - Prozessbeschäftigung 304 f., 321 ff. - Prozessvergleich 304 ff. - Rahmenvereinbarung 309 f. - Rechtsmissbrauch 30 f., 32 f., 316 ff. - Sachgrund 304 ff., 316 ff., 321 ff. - sachgrundlos 35 ff., 319 ff. - Schadensersatz 34 f. - Schriftform 306, 308 ff. - Tarifvertrag 319 f. - Traineeprogramm 37 - Übernahme 32 f., 33 ff. - Verlängerung 29 ff. - Vertragsfreiheit 34 - Vertretung 29 ff., 316 ff. - Vorbeschäftigung 35 ff., 303 f. - Weiterbildung 37 f. Beherrschungsvertrag, DrittelbG 210 f. Behinderte Menschen → Schwerbehinderte Menschen Behinderung, chronische Erkrankung 289 f. Beitragsbemessungsgrenze - Betriebsrente 141 ff. - Sozialversicherung 553 f. BEM, Datenschutz 204 ff., 486 ff. Benachteiligung → Diskriminierung Beratungshilfe 293 f. Berufliche Weiterbildung, SGB III 240 559

Stichwortverzeichnis

Berufungsverfahren, Mediation 264 Beschäftigtendatenschutz - Anwendungsbereich 19 f. - Auftragsdatenverarbeitung 21 - automatisierte Verarbeitung 19 - BDSG-Änderung 1 f., 275 ff. - betriebliches Eingliederungsmanagement 204 ff., 486 ff. - Betriebsrat 479 f. - Betriebsvereinbarung 1, 20 f., 276 f. - Beweisverwertung 418 ff. - Call-Center 276 - Cloud-Computing 297 f. - Datei 19 f. - Datenschutzbeauftragter 21 - Datenschutzgrundverordnung 19 ff., 297 f. - Datensicherheit 21 - Dienstleistungsfreiheit 17 f. - Dienstvereinbarung 276 f. - Dokumentationspflichten 21 - EG-Datenschutzrichtlinie 1, 17 ff., 277 f., 297 f. - Eingliederungsmanagement 204 ff., 486 ff. - Einwilligung 1, 20 - E-Mail 278 - EU-Kommission 297 f. - EU-Recht 17 ff., 277 f., 297 f. - Gesetzesänderung 1 f. - Interessenabwägung 18 f., 418 ff. - Internet 278 - Konzern 1 - Mindestschutz 17 - Persönlichkeitsverletzung 418 ff. - Screening 1, 276 - Tarifvertrag 1, 20 f. 560

Beschäftigtendatenschutz - Videoüberwachung 276, 415 ff., 419 f. Beschlussverfahren, Mediation 264 Betrieb, Tarifpluralität 10 f. Betriebliche Altersversorgung - Anpassung → Betriebsrentenanpassung - Ausfallhaftung Arbeitgeber 450 ff. - Auskunftsanspruch 143 ff. - BBG-Sprung 141 ff. - Beitragsbemessungsgrenze 141 ff. - Beitragssatzsicherungsgesetz 141 - betriebliche Übung 447 ff. - Bündelung 454 - Drei-Jahres-Zeitraum 452 - Eigenkapitalausstattung 299 - Einstandspflicht Arbeitgeber 450 ff. - Insolvenzsicherung 27 - Kaufkraftverlust 145 ff. - Nettolöhne 452 f. - Pensionskasse 27, 299, 450 ff. - Pensionssicherungsverein 27 - Portabilität 26 f. - Prüfungszeitraum 452 ff. - reallohnbezogene Obergrenze 454 - Schuldanerkenntnis 143 - Solvency II 27, 299 - Unverfallbarkeit 26 f., 299 - Verbraucherpreisindex 452 - Weißbuch 26 f., 299 - Wissenserklärung 144 Betriebliche Einheitsregelung - Betriebsvereinbarung 191 ff. - kollektive Günstigkeit 192 f.

Stichwortverzeichnis

Betriebliche Übung - Begriff 69, 447 ff. - Betriebsrente 447 ff. - Entstehung 447 ff. - Freiwilligkeitsvorbehalt 69 f., 450 - Jahressonderzahlung 448 - Konkludentes Verhalten 70 - Tariflohnerhöhung 448 - übertarifliche Zulage 448 - Vertrauensschutz 448 - Vorbehalt 450 Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) 204 ff., 486 ff. - Arbeitsunfähigkeits begriff 489 f. - Auskunftsanspruch Betriebsrat 204 f., 486 f. - Datenschutz 204, 486 ff. - Einigungsstelle 489 f. - Information Betriebsrat 486 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 486 ff., 488 ff. - psychische Belastung 341 - Überwachungsanspruch Betriebsrat 486 f. Betriebsänderung - Berater 508 ff. - Kostenerstattung 508 ff. - Leiharbeitnehmer 216 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 300 f. - Nachteilsausgleichsanspruch 218 f., 506 ff. - Sachverständige 508 ff. - Schadensersatz 84 ff. - Scheitern Interessenausgleichsverhandlungen 220 ff. - Schwellenwerte 216 ff. - Sozialplan 497 ff., 502 ff.

Betriebsbedingte Kündigung - Altersgruppen 121 ff. - Änderungskündigung 127 ff. - Arbeitszeitflexibilisierung 423 - Aufgabenverteilung 425 ff. - Auftragsschwankung 421 - Betriebsratsanhörung 114 ff., 427 - Betriebsstilllegung 540 ff. - Betriebsübergang 540 ff. - Darlegungslast 421, 425 ff. - freier Arbeitsplatz 117 ff. - Hierarchieebene 424 ff. - Ist-Zustand 428 - Kostenreduzierung 422 - Kurzarbeit 420 ff. - Leiharbeitnehmer 117 ff. - leitende Angestellte 427 - Massenentlassung 125 ff. - Personalreserve 118 f. - Prognose 421 - Schwerbehinderung 114 ff. - Soll-Zustand 428 - Sonderleistung 75 - Sozialauswahl 114 ff., 428 ff., 431 ff. - Sozialdaten 114 ff. - Stellungnahme Betriebsrat 125 ff. - überobligationsmäßige Belastung 425 ff. - Vermutung Betriebsübergang 542 - Vertretungskräfte 118 f. - Wegfall Hierarchieebene 424 ff. Betriebsbegriff, Betriebsratswahl 179 Betriebsrat - BDSG 479 f. - Berater 508 ff. - Büropersonal 478 ff. 561

Stichwortverzeichnis

Betriebsrat - Datenschutz 479 f. - Ersatzmitglied 185 ff. - Freistellungen 219 - Freistellungsanspruch 508 ff. - Haftung 508 ff. - Internetzugang 478 ff. - Kostenerstattung 508 ff. - Leiharbeitnehmer 214 ff., 219, 473, 474 f. - Rechtsfähigkeit 509 f. - Sachmittel 478 ff. - Sachverständige 508 ff. - Unterlassungsanspruch 493 ff. - Vermögensfähigkeit 509 f. - Zuständigkeit 187 ff. Betriebsratsgröße, Leiharbeitnehmer 219 Betriebsratsmitglied - Änderungskündigung 440 - Arbeitsbefreiung 476 ff. - Arbeitszeit 476 ff. - Erholungsurlaub 186 - Freistellungsanspruch 476 f. - Haftung 508 ff. - Kündigung 185 ff. - Mehrarbeit 477 - Verhinderung 186 - Vertretungsmacht 510 - Widerspruch Betriebsübergang 521 Betriebsratswahl - Abbruch 177 ff. - Anfechtung 177 ff., 179 ff. - Nichtigkeit 178 - Unterlassungsverfügung 177 ff. Betriebsrente → betriebliche Altersversorgung Betriebsrentenanpassung 145 ff., 147 ff., 452 ff. - Anpassungsentscheidung 145 ff. 562

Betriebsrentenanpassung - Bündelung 145, 454 - Drei-Jahres-Zeitraum 145, 452 - Eigenkapitalausstattung 148, 299 - Eigenkapitalverzinsung 148 ff. - Fiktion 147 ff. - Kaufkraftverlust 145 ff. - nachholende 148 - nachträgliche 148 - Preisindex für die Lebenshaltung 146 - Prognose 148 - Prüfungstermine 145, 452 ff. - reallohnbezogene 454 - Rückrechnungsmethode 146 - unterbliebene Anpassung 147 ff. - Unterrichtung nach § 16 Abs. 4 S. 2 BetrAVG 147 ff. - Verbraucherpreisindex 146, 452 - Widerspruch 148 Betriebsstilllegung - Begriff 540 f. - Betriebsübergang 540 ff. - Streik 159 ff. - suspendierende 159 ff. Betriebsteilübergang → Betriebsübergang Betriebsübergang - Arbeitnehmer 224, 513, 515 f. - Arbeitsbedingungen 518 - Arbeitsorganisation 513 - Arbeitsvertrag 525 ff. - Arbeitsvertragsänderung 87 ff., 518 ff. - Auftragsnachfolge 512 f. - Beschäftigungsangebot 518 - betriebsbedingte Kündigung 540 ff. - Betriebsmethoden 513 - Betriebsmittel 224, 513, 514 f.

Stichwortverzeichnis

Betriebsübergang - betriebsmittelarme Tätigkeit 515 f. - betriebsmittelintensive Tätigkeit 514 f. - Betriebsstilllegung 540 ff. - Betriebsteil 222 f. - Betriebsvereinbarung 232 ff., 529 ff. - Betriebszweck 517 - Bewachung 510 - Bezugnahme Tarifvertrag 522 ff. - Bezugnahmeklausel 169 f. - Einigungsstellenspruch 531 - Führungskräfte 513 - funktionelle Verknüpfung 223 - Funktionsnachfolge 512 f. - Funktionszusammenhang 516 - Gebäude 513 - gemeinsamer Betrieb 225 ff., 469 ff. - Gesamtbetriebsvereinbarung 232 ff. - Gesamtwürdigung 513 - Gleichbehandlung 87 - Haftung 230 f. - Identitätswahrung 222 f., 517 - „im Zeitpunkt“ 523 - IT-Dienstleistung 510 - Karenzentschädigung 532 ff. - Kennzeichnung 222 ff., 510 ff. - Klarenberg 222 ff. - Know-How 224 - Know-How-Kräfte 224, 516 - Konzernbetriebsvereinbarung 232 ff. - „kritische Masse“ 518 - Kriterien 513 - Kundenkontakte 224, 513 - Kündigung 234, 540 ff. - Logistik 510

Betriebsübergang - nachvertragliches Wettbewerbsverbot 532 ff. - Organisationsstruktur 515 - organisatorische Einheit 222 f. - Patente 224 - Produktnamen 224 - relative Größe 515 - Tarifbindung 169 ff. - Tarifvertrag 231 f., 522 ff. - tatsächliche Fortsetzung 517 ff. - Teilbetriebszweck 224 - Unterrichtung → Unterrichtung Betriebsübergang - Vermeidung 518 f. - Vermutung 542 - Wertschöpfung 514 - Widerspruch → Widerspruch Betriebsübergang Betriebsvereinbarung - ablösende 525 ff., 529 ff. - Ablösung Einzelarbeitsvertrag 191 ff. - Ablösungsprinzip 194 - Arbeitsvertrag 191 ff., 525 ff. - Arbeitszeitkonto 66 f. - BDSG 276 f. - Betriebsübergang 232 ff., 529 ff. - Bonuspool 79 f., 80 ff. - Compliance 290 f. - Datenschutz 1, 20 f., 276 f. - Einigungsstellenspruch 531 - Geschäftsgrundlage 80 - Günstigkeitsprinzip 191, 194, 525 ff. - Handlungspflicht 80 ff. - Inhaltskontrolle 72 - kollektive Günstigkeit 192 ff. - Leiharbeitnehmer 281 f. - Schadensersatz 80 ff. - Sonderleistung 72 563

Stichwortverzeichnis

Betriebsvereinbarung - Sperrwirkung Tarifvertrag 530 f. - Stichtagsregelung 72 - Tarifvorrang 200, 530 f. - Überleitungsbetriebsvereinbarung 214 f. - Whistleblower 9, 290 - Zusammenschluss Betriebe 213 ff. Betriebsversammlung, Bewirtungskosten 480 ff. Betriebszugehörigkeit - Altersdiskriminierung 461 ff. - Arbeitsentgelt 461 ff. Betriebszusammenschluss - Betriebsvereinbarung 213 ff. - Übergangsmandat 213 f. Betriebszweck, Betriebsübergang 517 BetrVG - Arbeitnehmerbegriff 215 ff., 474 f. - Beamte 474 - Leiharbeitnehmer 279, 474 - öffentlicher Dienst 474 f. - Ordnungsgeld 495 - Ordnungshaft 497 - Personalgestellung 474 f. - Soldaten 474 BetrVG-Betrieb, Leiharbeitnehmer 472 ff. Beweislastumkehr, Whistleblower 6 Beweisverwertung, Kündigung 418 ff. Bewerber - Auskunftsanspruch 44 ff. - Behinderung 38 ff. - Diskriminierung 38 ff. - Einstellungsstopp 38 ff. - Fragepflicht 42 564

Bewerber - Fragerecht 42 - Schwerbehinderung 38 ff. - Vorstellungsgespräch 39 Bewerbungsverfahren, Auskunftsanspruch 44 ff. Bewirtungskosten, Betriebsversammlung 480 ff. Bezugnahme Tarifvertrag - AGB-Kontrolle 165 f., 173 ff. - Altersgrenze 446 - Altvertrag 164 ff. - Änderungsvereinbarung 166 ff. - AVR-Bezugnahme 172 f. - Betriebsübergang 231 f. - Blue-Pencil-Test 175 - ergänzende Auslegung 169 ff. - Gleichstellungsabrede 164 ff. - Leiharbeitnehmer 282 - mehrgliedrige Tarifverträge 173 ff., 282 - Neuvertrag 165 ff. - Schuldrechtsmodernisierung 165 - Tarifsukzession 171 f. - Überleitungstarifvertrag 170 - Unklarheitenregel 165 - Unterrichtung Betriebsübergang 231 f. Bezugnahmeklausel, kirchliche Arbeitsbedingungen 172 f. Bezugsgröße, Sozialversicherung 553 f. Billiges Ermessen - Bonuspool 79, 82 - Direktionsrecht 51 f., 353 ff. Blankettverweisung, Tarifvertrag 457 Bonus → Sonderleistung Bonuspool 76 ff. - Betriebsvereinbarung 79 f., 80 ff.

Stichwortverzeichnis

Bonuspool - Bindungswirkung 76 ff. - Ermessen 79, 82 - Ermessensbonus 76 ff. - Schadensersatz 80 ff. - Wissenserklärung 78 Boreout 334 ff. Branchenzuschlag, Leiharbeitnehmer 280 f. Burnout 334 ff.

CGZP - Equal-Treatment-Gebot 163 - Sozialversicherungsbeiträge 547 - Tariffähigkeit 163 f. - Tarifzuständigkeit 163 - Vertrauensschutz 164 Christliche Gewerkschaften, Leiharbeit 163 f., 278 ff., 281 Chronische Erkrankung, AGG 289 f. Cloud-Computing 297 f. Compliance, Whistleblowing 290 f. Computer, Steuerfreiheit 241 f.

Darlegungs- und Beweislast - Sozialauswahl 432 - Überstunden 362 ff. Datenschutz → Beschäftigtendatenschutz Datenschutzbeauftragter 21 Datenschutzgrundverordnung 19 ff., 297 f. DGB, Index „Gute Arbeit“ 335 ff. Dienstplan, Mitbestimmung Betriebsrat 493 ff. Dienstvereinbarung, BDSG 276 f. Dienstwagen - Privatnutzung 364 ff. - Schadensersatz 366 - Widerrufsvorbehalt 364 ff.

Direktionsklausel, höherwertigere Tätigkeit 356 ff. Direktionsrecht - Änderungskündigung 435 ff. - Arbeitsort 51 f., 353 ff. - billiges Ermessen 51 f., 353 f., 369 f. - Bindungswirkung 369 f. - Einschränkung 353 - Interessenabwägung 51 f. - Konkretisierung 353 - Leistungsverweigerungsrecht 370 - SGB III 52 - Sozialauswahl 354 - Verbindlichkeit 369 f. - Zumutbarkeit 52 Diskriminierung - Alter 105 ff., 333 f. - Altersgrenze 442 ff. - Äquivalenzprinzip 329 f. - Arbeitsentgelt 291 ff. - Arbeitszeitverlängerung 330 ff. - Auskunft 326 f. - Auskunftsanspruch 44 ff. - Ausschlussfrist 43 f. - befristeter Arbeitsvertrag 325 ff. - Begünstigung 333 f. - Benachteiligung 333 f. - Beweislastumkehr 41 - Bewerber 38 ff., 40 ff. - Bulicke 328 ff. - Effizienzprinzip 329 - Elternzeit 63 - Entschädigung 43 f., 325 ff., 328 ff. - Erholungsurlaub 105 ff. - ethnische Herkunft 327 - Falschauskunft 325 ff. - Frauenquote 13 ff. - Frist 43 f., 328 565

Stichwortverzeichnis

Diskriminierung - Indiz 325 ff. - legitimes Ziel 92 f., 106 f. - Sachverständige 292 - Schadensersatz 43 f., 325 ff., 328 ff. - Schwangerschaft 61 ff. - Schwerbehinderte 40 ff. - Staatsangehörigkeit 327 - Statistik 327 - Stellenanzeige 333 f. - Tarifvertrag 90 ff. - Teilzeitbeschäftigung 330 ff. - Übergangsregelung 90 ff. - Zwei-Monats-Frist 328 ff. Dividende, Tantieme 82 ff. Doppelverdienst, Sozialauswahl 429 DrittelbG - Beherrschungsvertrag 210, 211 - Frauenquote 282 ff., 301 f. - Kommanditgesellschaft 211 - Konzernunternehmen 210 f. - Leiharbeitnehmer 219 - Personengesellschaft 211 - Stellenwert 210 - Wahlberechtigung 210 f. Drohung, Aufhebungsvertrag 397

EG-Richtlinie -

Altersgrenze 444 ff. Arbeitnehmerüberlassung 54 f. Arbeitszeit 96 ff., 376 ff., 387 f. Arbeitszeiterhöhung 313 f. befristete Arbeitsverträge 29 ff. Betriebsrenten 26 f. Datenschutz 1, 17 ff., 277 f., 297 f. - Diskriminierungsschutz 91 f., 120 ff. - Elternzeit 61 f. 566

EG-Richtlinie - Entsenderichtlinie 22, 298 f. - Erholungsurlaub 96 ff. - Frauenquote 301 f. - Gleichbehandlung 91 f., 120 ff. - grenzüberschreitende Dienstleistung 22 ff. - Leiharbeitnehmer 54 f. - Massenentlassung 404 ff. - Mutterschutzurlaub 62 - Portabilität 26 f. - Rechtsformänderung 24 - Teilzeitbeschäftigung 315 - Urlaub 376 ff., 387 f. - Verlegung von Unternehmenssitzen 24 ff. - vorübergehender Einsatz 23 f., 298 f. Ehegatte, Sozialauswahl 429 Eingliederungsmanagement, Datenschutz 204 ff., 486 ff. Eingliederungszuschuss, SGB III 240 Eingruppierung, Mitbestimmung Betriebsrat 492 Einigungsstelle - Aufklärungspflicht 207 - betriebliches Eingliederungsmanagement 489 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 485 f. - Nachtarbeitsausgleich 209 - Protokoll 221 f. - Rechtsfrage 221 - Regelungsfrage 221 - Tarifvorbehalt 200, 530 f. Einigungsstellenspruch, Anfechtung 206 ff. Einstellung, Leiharbeitnehmer 482 f. Einstellungsstopp, Bewerber 38 ff.

Stichwortverzeichnis

Einwilligung - Datenschutz 1, 20 Elternzeit - Beendigung 61 ff., 264 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 29 ff. - Diskriminierung 63 - Härtefall 61 - Kündigung 402 f. - Mutterschutz 264 ff. - Schwangerschaft 61 ff., 264 ff. - schwerbehinderter Mensch 402 f. - Teilzeit 266 - Urlaub 387 E-Mail - Arbeitszeit 341 f. - BDSG 278 - psychische Belastung 347 - Ruhezeit 342 - Sonntagsarbeit 342 - Urlaub 342 f. Entgelt → Arbeitsentgelt Entgeltfortzahlung, Organspende 267 ff. Entgeltgleichheit, Europäisches Parlament 300 Entgeltgleichheitsgesetz 291 ff. Entschädigung - Ausschlussfrist 43 f. - Diskriminierung 43 f. Entsenderichtlinie 22 ff., 298 f. Entsendung, Arbeitnehmer 22 ff. Equal-Treatment-Gebot - Bezugnahmeklausel 173 ff., 282 - CGZP 163, 282, 547 - mehrgliedriger Tarifvertrag 173 ff., 282 - Mitbestimmung Betriebsrat 197 ff., 279 Ergänzende Vertragsauslegung, Bezugnahmeklausel 169 ff.

Erholungsurlaub - 15-Monats-Frist 387 f. - Abgeltung 99 ff., 101 ff. - AGB-Kontrolle 389 f. - altersabhängige Staffel 105 f. - Anrechnung 109 f. - Anschlussbeschäftigung 109 f. - Arbeitsunfähigkeit 96 ff., 376 ff., 385 ff. - Arbeitsvertrag 389 f. - Aufhebungsvertrag 375 f. - Ausschlussfrist 101 ff., 381 ff. - Betriebsratsmitglied 186 - Dauer 105 ff. - Doppelanspruch 109 f. - Elternzeit 387 - E-Mail 342 f. - Ersatzmitglied Betriebsrat 185 ff. - Erwerbsminderungsrente 385 ff. - IAO-Übereinkommen 97, 388 - Kündigung 109 f. - langandauernde Arbeitsunfähigkeit 96 ff. - psychische Belastung 350 - ruhender Arbeitsvertrag 96 ff., 387 - Schwerbehinderte 104 f., 385 ff. - Surrogationstheorie 101 f., 379 f. - Tarifvertrag 377 ff. - Telefonat 342 f. - Übertragungszeitraum 96 ff., 100 f., 387 f. - Unterbrechung 342 f., 350 - Verfall 97, 387 f. - Vergleich 375 f. - Zugang Kündigung 392 - Zusatzurlaub 104 f. Ermessen → billiges Ermessen Erprobungsphase 240 567

Stichwortverzeichnis

Ersatzmitglied Betriebsrat - Änderungskündigung 440 - Kündigung 185 ff. - Nachrücken 186 Erwerbsminderungsrente - psychische Belastung 338 - Urlaub 385 ff. - Urlaubsabgeltung 385 ff. Ethik-Richtlinie, psychische Belastung 346 f. Ethnie, Begriff 327 Europäische Genossenschaft 28 Europäischer Betriebsrat, Gesetz 5

Familienpflegezeit 5 Flexi-Gesetz, Bericht 241 Förderung Selbständiger, SGB III 240 Fortgeltung, Tarifvertrag 459 Fragerecht, Schwerbehinderung 114 ff. Frauenquote 13 ff., 282 ff., 301 f. - Aktiengesellschaft 282 ff., 301 - Aufsichtsrat 282 ff., 301 f. - Ausnahme 284, 286 - Bescheinigung 288 - Black-List 287 - Bundesanzeiger 287 - Dokumentation 286 f. - EG-Richtlinie 301 f. - Feststellungsbescheid 286 f. - Führungsgremien 282 ff. - Geschäftsführung 282, 301 f. - Gesetzentwurf 282 ff. - Lagebericht 287 ff. - Ordnungswidrigkeit 288 - Prozente 283 - Sanktionen 287 f. - Vorstand 282, 301 f. - Wahlverfahren 284 f. 568

Freistellung - Aufhebungsvertrag 375 f. - Betriebsrat 219 - Betriebsratsmitglied 476 ff. - Nachteilsausgleich 505 ff. Freiwilligkeitsvorbehalt 68 ff. - AGB-Kontrolle 68 ff. - betriebliche Übung 69 f., 450 Friedenspflicht, Streik 155 ff. Frist, Diskriminierung 328 Fristlose Kündigung → außerordentliche Kündigung Führungskräfte, Frauenförderung 13 ff., 282 ff. Führungskultur, psychische Belastung 346 f. Funktionsnachfolge, Betriebsübergang 512 f.

Gefährdungsanalyse - Arbeitsschutz 207 f. - psychische Belastung 340 f., 349 f. Geltungserhaltende Reduktion, AGB-Kontrolle 48 f. Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie 335 Gemeinsamer Betrieb - § 18 BetrVG 471 f. - Außen-GbR 226 - Beschlussverfahren 467, 471 f. - Betriebsteilübergang 469 f. - Betriebsübergang 225 ff., 470 f. - BetrVG 467 ff. - Feststellung 467, 471 f. - Innen-GbR 226 - Kennzeichnung 467 ff. - Leitungsapparat 468 - räumliche Entfernung 469 f., 470 f. - Spaltung 469 ff.

Stichwortverzeichnis

Gemeinsamer Betrieb - Tarifvertrag 467 ff., 470 f. - Vermutung 468 ff., - Zuordnung Arbeitnehmer 469 f. - Zuordnungstarifvertrag 470 f. Geringfügig Beschäftigte - Gesetzesänderung 547 ff. - Opt-In-Lösung 548 - Opt-Out-Lösung 548 - Übergangsregelung 548 f. - Vergütungsgrenze 547 ff. Geringfügigkeitsgröße 553 f. Gesamtbetriebsrat, Zuständigkeit 187 ff. Gesamtbetriebsvereinbarung → Betriebsvereinbarung Gesamtbetriebsvereinbarung, Betriebsübergang 232 ff. Geschäftsführung, Frauenquote 13 ff., 282, 301 f. Geschlechterquote → Frauenquote Gesundheit, Begriff 340 Gesundheitsschutz, Mitbestimmung Betriebsrat 208 ff. Gewerkschaft, Frauenquote 283 Gewissensfreiheit, Kündigung 128 ff. Glaubensfreiheit, Kündigung 128 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz - Arbeitsvertrag 86 ff. - Begriff 86 - Betriebsübergang 87 - Entgelterhöhung 86 f. - Sonderleistung 88 f. - Teilzeitbeschäftigung 88 f. - Zweckbestimmung 89 f. Gleichstellungsabrede, Tarifvertrag 164 ff. Grundrechtscharta, Kündigung 113 Gründungszuschuss 239

Gute Arbeit-Index 335 Güterichter, Mediation 3 f., 259 ff.

Haftung, psychische Belastung 344 f. Haushaltsbefristung, Arbeitsvertrag 31 f. Herausgabeanspruch - Arbeitsunterlagen 152 - Ausgleichsklausel 153 f. - Umfang 152 - Whistleblower 152 ff. - Zurückbehaltungsrecht 153 Hierarchieebene, Wegfall 424 ff. Hinweisgeber → Whistleblower Höherwertigere Tätigkeit, Direktionsrecht 356 ff.

IAO-Übereinkommen, Urlaub 388 IG-Metall Anti-StressVerordnung 335 Informationsfreiheitsgesetz 465 f. Inhaltskontrolle, Betriebsvereinbarung 72 Insolvenz - Aufhebungsvertrag 133 ff. - EDV-Programm 295 f. - Lizenzen 294 ff. - Lohnabtretung 273 f. - Nachteilsausgleich 507 f. - Quellcode 296 Insolvenzgeld-Umlage 239 Insolvenzschutz, Wertguthaben 241 Integrationsamt - Fristen 399 ff. - Kündigung 114 ff. - Zwei-Wochen-Frist 399 ff. Interessenausgleich - Massenentlassung 125 ff., 407 f. - Nachteilsausgleich 218 f. - Scheitern 220 ff. 569

Stichwortverzeichnis

Internet, BDSG 278 Internetzugang, Betriebsrat 478 ff.

Jahressonderzahlung → Sonder-

leistung Jüngere Arbeitnehmer, Kündigungsfrist 112, 124 f.

Karenzentschädigung - anderweitige Einkünfte 139 ff. - Anrechnungsgrenze 140 - Arbeitslosengeld 139 f. - Betriebsübergang 532 ff. Kaufkraftverlust, Betriebsrente 145 ff. Kettenbefristung - Arbeitsvertrag 29 ff., 316 ff. Kirchliche Arbeitsbedingungen, Bezugnahmeklausel 172 f. Klageerhebung, Mediation 259 Klagefrist - befristeter Arbeitsvertrag 308 ff. - Entfristung 308 ff. - Kündigung 391 ff. Knappschaft, Beitragsbemessungsgrenze 553 f. Kollektive Einheitsregelung, Begriff 193 f. Kollektive Günstigkeit - AGB-Kontrolle 194 f. - Betriebsvereinbarung 192 ff. Kommanditgesellschaft, Konzern 211 Konzern - Arbeitnehmerüberlassung 52 ff. - Datenschutz 1 - Drittelbeteiligung 210 f. - Kommanditgesellschaft 211 - Leiharbeit 52 ff., 279 - Personengesellschaft 211 570

Konzernbetriebsrat, Zuständigkeit 187 ff. Konzernbetriebsvereinbarung, Betriebsübergang 232 ff. Konzernprivileg, Arbeitnehmerüberlassung 53 ff. Krankenkasse, psychische Belastung 350 f. Krankenversicherung - Beitragsmessungsgrenze 553 f. - Beitragssatz 553 f. - Pflichtversicherungsgrenze 553 Krankgengeld, Organspende 270 Krankheit → Arbeitsunfähigkeit Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - Annahmeverzug 366 ff. - betriebliches Eingliederungsmanagement 204 ff., 486 ff. - Erholungsurlaub 376 ff. - Kündigungsschutzprozess 366 ff. - Mehrurlaub 377 ff. - Streik 160 ff. - Urlaub 96 ff. - Urlaubsabgeltung 101 ff., 376 ff., 379 ff. - Zusatzurlaub 104 f. KSchG, Territorialitätsprinzip 441 f. Kündigung - Abmahnung 409 ff., 416 f. - betriebsbedingte → betriebsbedingte Kündigung - Betriebsübergang 234 - Beweisverwertung 415 ff., 418 ff. - Bote 393 - Briefkasten 392 f. - Diebstahl 415 ff. - Einschreiben 393

Stichwortverzeichnis

Kündigung - Glaubensfreiheit 128 ff. - Grundrechts-Charta 113 - Interessenabwägung 417 f. - Klagefrist 391 ff. - Leiharbeitnehmer 117 ff. - Lüge 413 f. - Probezeit 112 f. - Schlechtleistung 413 f. - Stalking 409 ff. - Straftat 417 - Tarifvertrag 457 ff. - Täuschung 413 f. - Ultima-Ratio 127 f., 416 - Unterschlagung 415 ff. - Urlaub 391 - Urlaubsanspruch 109 f. - Vertretungsbefugnis 109 ff. - Videoüberwachung 415 ff. - Vollmachtsurkunde 109 ff. - Wahlbewerber 183 ff. - Wartezeit 112 f. - Whistleblower 131 f. - Wissensentscheidung 128 ff. - Zugang 391 ff. - Zurückweisung 109 ff. Kündigungsfrist - Altersdiskriminierung 12 f., 124 f. - jüngere Arbeitnehmer 112, 124 f. Kündigungsschutz, Ersatzmitglied Betriebsrat 185 ff. Kündigungsschutzprozess - Annahmeverzug 135 f., 366 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 321 ff. - Prozessbeschäftigung 321 ff. - Wiederaufnahme 131 f. Kurzarbeit - Arbeitsausfall 420 f. - Kündigung 420 ff.

Kurzarbeitergeld, Neuregelung 239

Lagebericht, Frauenquote 287 ff. Langandauernde Arbeitsunfähigkeit, Urlaub 96 ff. Lebenspartner, Sozialauswahl 429 Leiharbeit → Arbeitnehmerüberlassung Leiharbeitnehmer - befristeter Arbeitsvertrag 303 f. - Betriebsratsgröße 472 ff. - BetrVG 215 ff., 427 ff., 474 - Bewerbungsverfahren 39 f. - CGZP 547 - DrittelbG 219 - Einstellung 482 f. - Kündigung 117 ff. - MitbestG 219 - Mitbestimmung Betriebsrat 279, 482 f. - Schwellenwerte 215 ff., 472 ff. - Übernahme 303 f. - Wählbarkeit 474 f. - Wahlberechtigung 215, 217 f. Leistungsdruck 334 ff. Leistungsverweigerungsrecht, Direktionsrecht 370 Lizenzvertrag, Insolvenz 294 Lohnabtretung, Insolvenz 273 f. Lohnsteuerkarte, Sozialauswahl 428 f.

Massenentlassung - Agentur für Arbeit 404, 406 ff. - Altersgruppen 122 - Anzeige 406 ff. - EG-Richtlinie 403 ff. - EU-Initiative 300 f. - Interessenausgleich 125 ff., 407 f. 571

Stichwortverzeichnis

Massenentlassung - Mitbestimmung Betriebsrat 404 ff., 407 f. - Namensliste 125 f., 407 - Schriftformerfordernis 125, 405 - Sozialauswahl 122, 432 f. - Sperrfrist 408 f. - Stellungnahme Betriebsrat 125 ff., 407 ff. - Unterrichtung Betriebsrat 404 f. - Zahl Arbeitnehmer 407 f. Maßregelungsverbot - befristeter Arbeitsvertrag 33 ff. - Whistleblower 5 ff., 290 ff. Mediation 2 ff., 259 ff. - ArbGG 3 ff., 261 ff. - Berufungsinstanz 262 - Beschlussverfahren 264 - Geschäftsverteilungsplan 263 - Gesetzentwurf 2 ff. - Güterichter 3 f., 259 ff. - Klageerhebung 259 - Verschwiegenheitspflicht 263 f. - ZPO 259 ff. - Zwangsvollstreckung 4 Mediator, Zertifizierung 3 Mindestlohn 293 - Gesetz 11 f. - Tarifvertrag 11 f. Mini-Rente, Altersgrenze 442 ff. Mitarbeiterbefragung, psychische Belastung 344 f. MitbestG, Leiharbeitnehmer 219 Mitbestimmung Betriebsrat - Änderungskündigung 439 - Arbeitsentgelt 200 ff. - Arbeitsplatzbewertung 490 ff. - Arbeitsschutz 206 ff. - Arbeitszeit 493 ff. - Ausgleich Nachtarbeit 208 ff. 572

Mitbestimmung Betriebsrat - betriebliches Eingliederungsmanagement 204 ff., 486 ff., 488 ff. - Betriebsänderung 300 f. - Betriebsnorm 201 - Bonuspool 79 f. - Dienstplan 493 ff. - Eingliederungsmanagement 204 - Eingruppierung 492 - Einigungsstelle 485 f. - Einstellung 197 ff., 482 f. - Entlassungen 300 - Entlohnungssystem 203 - Equal-Treatment-Gebot 197 ff. - Gefährdungsanalyse 207 f. - Gehalt 200 ff. - Gesundheitsschutz 208 ff. - Gewerkschaftsmitgliedschaft 203 - Grading 492 - Jobgrading 492 - Kündigung 427 - Leiharbeitnehmer 197 ff., 279, 482 f. - Lohngerechtigkeit 200 ff. - Lohngestaltung 200 ff. - Massenentlassung 300 f., 404 ff. - Nachtarbeit 208 ff. - Ordnung 483 ff. - Ordnungshaft 495 - Parkplatz 483 ff. - Pausen 494 f. - psychische Belastung 339 f., 346 f., 351 - Qualifikation 300 - Tarifvorbehalt 200 ff., 530 f. - Umgruppierung 492 - Umstrukturierung 300 f. - Unterlassungsanspruch 493 ff. - Verhalten 483 ff.

Stichwortverzeichnis

Mitbestimmung Betriebsrat - Verteilungsgrundsätze 203 f. - Whistleblower 9, 290 f. - Zuständigkeit 187 f., 190 - Zustimmungsverweigerung 198 Mutterschaftsgeld - Berechnung 266 - Bonus 67 f. - erfolgsabhängige Vergütung 67 f. - Provision 67 f. Mutterschutz, Elternzeit 264 ff.

Nachgeltung, Tarifvertrag 459 Nachteilsausgleich - Betriebsänderung 218 f., 505 ff. - Freistellung 505 ff. - Insolvenz 507 f. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot - anderweitige Einkünfte 139 ff. - Arbeitslosengeld 139 ff. - Betriebsübergang 532 ff. - Karenzentschädigung 139 ff., 532 ff. - Unverbindlichkeit 533 f. - Wirksamkeit 532 f. Namensliste, Massenentlassung 125 f., 407 Nichtigkeit, Betriebsratswahl 178

Öffentlicher Dienst, Personalgestellung 474 f. Ordnungsgeld, BetrVG 495 Ordnungshaft, BetrVG 495 Organmitglieder, Frauenförderung 13 ff., 301 Organspende - Entgeltfortzahlung 267 ff. - Krankengeld 270 - Krankenversicherung 269 ff.

OT-Mitgliedschaft, Streik 460 f.

Parkplatz, Mitbestimmung Betriebsrat 483 ff. Pausen, Mitbestimmung Betriebsrat 494 f. Pensionskasse - Eigenkapital 27 - Einstandspflicht Arbeitgeber 450 ff. - Insolvenzsicherung 27 - Leistungsherabsetzung 450 ff. - Solvency II 27, 299 Pensionssicherungsverein 27 Personalgestellung, BetrVG 474 f. Personengesellschaft, Konzern 211 Pflegeversicherung - Beitragsbemessungsgrenze 553 f. - Beitragssatz 553 f. - Versicherungspflichtgrenze 553 Pflegezeit - Gestaltungsrecht 94 f. - Höchstdauer 94 - Inanspruchnahme 93 ff. - mehrmalige Inanspruchnahme 93 ff. - Verlängerung 94 - Verteilung 95 Pflichtverletzung, Ausschlussfrist 57 ff. Pflichtversicherungsgrenze 2013 553 Probezeit, Kündigung 112 f. Provision - Mutterschaftsgeld 67 f. - Organisationsänderung 84 ff. - Schadensersatz 84 ff. Prozessbeschäftigung, befristeter Arbeitsvertrag 321 ff. Prozesskostenhilfe 293 f. 573

Stichwortverzeichnis

Psychische Belastung 334 ff. - ältere Arbeitnehmer 338, 346 f. - Angst 346 - Ansprechpartner 344 - Anti-Stress-Verordnung 335, 345 f. - Arbeitsorganisation 339 - Arbeitsschutz 340 f. - Arbeitssteuerung 346 - Arbeitsunfähigkeit 336 ff. - Arbeitsverdichtung 334 - Arbeitszeit 341 f., 350 - Ausschuss für Arbeitsmedizin 335 - betriebliches Eingliederungsmanagement 341 - Betriebsrat 339, 341 - Bewältigbarkeit 350 - Branchenbezug 338 - DGB 335 f. - Effizienzmanagement 346 - E-Mail 347, 334 ff. - Entgrenzung 337 - Ernährungsberatung 350 - Erreichbarkeit 337 - Erwartungsmanagement 346 f. - Erwerbsminderungsrente 338 - Ethik-Richtlinie 346 - Fehltage 338 - Fitnessangebote 350 - Führungskraft 346 f., 347 f. - Führungskultur 346 f. - Fürsorgepflicht 340 f. - Gefährdungsanalyse 340 f., 349 f. - Geschlechterquoten 301, 338 - gesundes Führen 346 - Gesundheitsbegriff 340 - Gesundheitsförderung 340 f., 350 - Gesundheitszirkel 349 574

Psychische Belastung - Gleitzeit 350 - Haftung 343 f. - Hotline 344 - IG Metall 347 - Jobsharing 350 - Kommunikationsprozesse 336 - Konkurrenz 337 - Kooperationspartner 344 - Krankenkasse 350 f. - Krankheitskosten 338 f. - Mitarbeiterbefragung 344 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 346 f., 353 - Mobilitätsanforderungen 337 - Multitasking 337 - Qualifikationsanforderungen 336 - Sachverständige 353 - Schulung 350 - Schwerbehindertenvertretung 341 - Sinnhaftigkeit 348 - Unternehmenskultur 346 f. - Urlaub 350 - Urlaubsunterbrechung 342 f., 350 - Verstehbarkeit 348 - Vertrauensarbeitszeit 350 - WHO 340 - Work-Life-Balance 335 - Zielvereinbarung 350 f. Punkteschema, Sozialauswahl 122 f., 430 f.

Quote, Frauenförderung 13 ff., 282 ff., 301 f.

Rahmensozialplan 497 ff. Rahmenvereinbarung, befristeter Arbeitsvertrag 309 f.

Stichwortverzeichnis

Räumliche Entfernung, Betriebsbegriff 469 f. Rechtsanwalt, Aufhebungsvertrag 396 ff. Rechtsmissbrauch, befristeter Arbeitsvertrag 316 ff. Rentenversicherung - Beitragsbemessungsgrenze 553 f. - Beitragssatz 553 f. - Selbständige 549 Restrukturierung → Betriebsänderung Restschuldbefreiungsverfahren 271 ff. - Lizenzen 295 - Verkürzung 271 ff. Rücktritt, Aufhebungsvertrag 133 ff. Rückzahlungsklausel - AGB-Kontrolle 73 - Weiterbildungskosten 47 ff. Ruhender Arbeitsvertrag, Urlaub 96 ff., 387 Ruhezeit, E-Mail 342

Sachgrundlose Befristung 35 ff. Salvatorische Klausel, AGBKontrolle 49 f. Schadensersatz - Ausschlussfrist 43 f., 57 ff. - Betriebsänderung 84 ff. - Bonuspool 80 ff. - Dienstwagen 366 - Diskriminierung 43 f. - Unterrichtung Betriebsübergang 227 - Warnstreik 460 Schlechtleistung, Kündigung 413 f. Schriftform, Massenentlassung 125, 405

Schwangerschaft - Diskriminierung 61 ff. - Elternzeit 61 ff., 264 ff. - Mutterschaftsgeld 67 f., 266 Schwellenwerte, Betriebsänderung 216 ff. Schwerbehinderte Menschen - Aufhebungsvertrag 394 ff. - außerordentliche Kündigung 399 ff. - Bewerbungsverfahren 38 ff. - chronische Erkrankung 289 f. - Diskriminierung 40 ff. - Elternzeit 402 f. - Entschädigung 40 ff. - fristlose Kündigung 399 ff. - Integrationsamt 399 ff. - Kündigung 399 ff., 402 f. - Urlaub 385 ff. - Vorstellungsgespräch 40 ff. Schwerbehindertenvertretung - Aufhebungsvertrag 394 ff. - psychische Belastung 341 Schwerbehinderung - Aufhebungsvertrag 394 ff. - Ausgleichsabgabe 115 - Erholungsurlaub 104 f. - Fragepflicht 42, - Fragerecht 42, 114 ff. - Integrationsamt 114 ff. - Sozialauswahl 114 ff. - Urlaubsabgeltung 102 ff. - Zusatzurlaub 115 Screeening, Datenschutz 1, 276 Selbständige, Rentenversicherungspflicht 549 SGB III-Neufassung 239 ff. Software, Steuerfreiheit 241 f. Soldaten, BetrVG 474 Solvency II, Betriebsrenten 299 575

Stichwortverzeichnis

Sonderleistung - betriebliche Übung 69 f., 83 f., 448 - betriebsbedingte Kündigung 75 - Betriebsvereinbarung 72 - Bindungsfrist 72 f. - Dividende 82 ff. - Freiwilligkeitsvorbehalt 68 ff., 83 f., 448 - gemischter Zweck 74 - Gleichbehandlung 88 f. - Mischcharakter 74 - Mutterschaftsgeld 67 f. - Organisationsänderung 84 ff. - Stichtagsregelung 72 ff., 82 f. - Synallagma 73 f. - Weihnachtsgratifikation 74 Sozialauswahl - Alter 119 ff. - ältere Arbeitnehmer 431 - Altersdiskriminierung 117 ff., 119 ff., 431 ff. - Altersgruppen 121 ff., 431 ff. - Auskunftsanspruch 115 - Auswahlrichtlinie 430 - Darlegungslast 432 - Doppelverdienst 429 - EG-Richtlinie 2000/78/EG 119 ff. - Ehegatte 429 - Fragerecht 114 ff. - freiwilliger 497 ff. - Kinder 428 f. - Lebenspartner 429 - Lohnsteuerkarte 428 f. - Massenentlassung 122, 432 f. - Punkteschema 122 f., 430 f. - Spielraum 430 - Urteilspflicht 428 ff. - Vergleichsgruppe 433 f. 576

Sozialplan - ältere Arbeitnehmer 502 ff. - Betriebsänderung 497 ff., 502 ff. - rentennahe Jahrgänge 502 ff. - Turboprämie 550 f. - Verteilungsgerechtigkeit 504 - vorsorglicher 497 ff. Sozialplanabfindung → Abfindung Sozialversicherung - Arbeitnehmerüberlassung 164 - Beitragssatz 553 f. - Bezugsgröße 553 f. Sozialversicherungsbeiträge, CGZP 547 Sperrzeit - Abfindung 549 ff. - Arbeitslosengeld 549 f. - Aufhebungsvertrag 550 f. - Turboprämie 550 f. Stalking, Kündigung 409 ff. Statistik, Diskriminierung 327 Stellenanzeige, Diskriminierung 333 f. Steuerfreiheit - Computerzubehör 241 - Datenverarbeitungsgerät 241 f. - Home-use-Programm 241 - Software 241 f. Stichtagsklausel, Kündigung 75 Strafurteil, Wiederaufnahme 131 f. Streik - Arbeitskampf 155 ff. - Friedenspflicht 155 ff. - Gesetz 10 f. - Leiharbeitnehmer 280 - Unterlassungsverfügung 155 ff. - Unterstützungsstreik 157 f. - Verhältnismäßigkeit 157 f. Surrogationstheorie, Urlaubsanspruch 101 f., 79 ff.

Stichwortverzeichnis

Tantieme → Sonderleistung

Tariffähigkeit - CGZP 163 f. - Prüfverfahren 175 Tarifpluralität, Gesetz 10 f. Tarifsukzession, Bezugnahmeklausel 171 f. Tarifvertrag - Allgemeinverbindlicherklärung 11 f., 293, 463 ff. - Altersdiskriminierung 90 ff. - Altersgrenze 442 - Anerkenntnis 457 ff. - Ausgleich Nacharbeit 208 ff. - Ausschlussfrist 57 ff., 381 ff. - AVR-Ablösung 172 f. - befristeter Arbeitsvertrag 319 ff. - Betriebsnorm 201 - Betriebsratsstruktur 179 ff. - Betriebsstruktur 213 ff. - Betriebsübergang 522 ff. - Betriebszugehörigkeitszeiten 461 ff. - Bezugnahmeklausel → Bezugnahme Tarifvertrag - Blankettverweisung 457 - Branchenzuschlag 280 f. - CGZP 163 f. - Datenschutz 1, 20 f. - Diskriminierung 90 ff. - EG-Richtlinie 2000/78/EG 91 ff. - Eingruppierung 461 ff. - Fortgeltung 459 - Gemeinsamer Betrieb 470 f. - Gleichstellungsabrede 164 ff. - Günstigkeitsprinzip 173 - Inhaltsnorm 201 - Inkrafttreten 522 f. - Kündigung 457 ff. - Kündigungsfrist 124 f. - mehrgliedriger 173 ff., 282

Tarifvertrag - Mehrurlaub 377 ff. - Mindestlohn 11 f., 293 - Mitbestimmung Betriebsrat 200 ff. - Nachgeltung 459 - Nachwirkung 457 ff. - Sperrwirkung 530 f. - Tarifpluralität 10 f. - Tarifzuständigkeit 163 - Urlaubsanspruch 96 ff., 99 Tarifvorbehalt - Einigungsstelle 200, 530 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 200 ff., 530 f. Tarifzuständigkeit - CGZP 163 - Leiharbeitnehmer 281 f. - Prüfverfahren 175 Teilbetriebsübergang → Betriebsübergang Teilzeitbeschäftigung - Diskriminierung 330 ff. - Elternzeit 266 - Gleichbehandlungsgrundsatz 88 f. Traineeprogramm, befristeter Arbeitsvertrag 37 Transplantation - Entgeltfortzahlung 267 ff. - Krankengeld 270 Transplantationsgesetz (TPG) 267 ff. Treuepflicht, Auskunftsanspruch 115, 117 Turboprämie - Sozialplan 550 f. - Sperrzeit 550 f.

Übergangsmandat, Betriebszusammenschluss 213 f. 577

Stichwortverzeichnis

Überleitungstarifvertrag, Bezugnahmeklausel 170 Überstunden - AGB-Kontrolle 63 ff., 358 ff. - Angemessenheitskontrolle 360 - Arbeitszeit 341 - AT-Vertrag 360 ff. - Ausschlussfrist 66 - BBG-Grenze 362 - Beweislast 362 ff. - Büroleiter 65 - Darlegungslast 362 ff. - Dienste höherer Art 362 - erfolgsbezogene Vergütung 361 f. - Großkanzlei 64 - Kennzeichnung 357 f. - Lagerleiter 65 - Pauschale 358 ff., 360 ff. - Vergütung 63 ff., 357 ff. - Vergütungserwartung 361 f. Überstundenabgeltung 63 ff., 360 ff. Übertragungszeitraum, Urlaub 96 ff. Überwachungsrecht - Betriebsrat 187 ff. - Gesamtbetriebsrat 188 ff. Ultima-Ratio, Änderungskündigung 127 f. Umgruppierung, Mitbestimmung Betriebsrat 492 Umstrukturierung, Mitbestimmung Betriebsrat 300 f. Umwandlung → Betriebsübergang Unterhaltspflicht - Lohnsteuerkarte 428 f. - Sozialauswahl 428 f. Unterlassungsanspruch - Betriebsrat 493 ff. 578

Unterlassungsanspruch - vertragliches Wettbewerbsverbot 374 Unternehmen, Verlegung 24 ff. Unternehmenskultur, psychische Belastung 346 f. Unternehmensmitbestimmung, Frauenquote 282 ff. Unternehmenssitz, Verlegung 24 ff. Unterrichtung Betriebsübergang - Altersteilzeit 235 f. - Altvertrag 231 f. - Änderung Umstände 229 - Anfechtung 235 ff. - arbeitnehmerspezifischer 232 - Betriebserwerber 230 - Betriebsvereinbarung 232 ff. - Beweislast 229 - Bezugnahmeklausel 231 f. - Darlegungslast 229 - Gesamtbetriebsvereinbarung 232 f. - gesamtschuldnerische Haftung 230 f. - Haftung 230 f. - Konzernbetriebsvereinbarung 232 ff. - Kündigung 234 - kündigungsschutzrechtliche Folge 234 - Neuvertrag 231 f. - offensichtliche Fehler 230 - Schadensersatz 227 - Selbsterkundigung 229 - streitige Rechtsfrage 233 - Tarifbindung 231 f. - Umwandlung 231 - wesentliche Arbeitsbedingungen 233 - Widerspruchsrecht 227, 234 - Zeitpunkt 229

Stichwortverzeichnis

Unterrichtung Betriebsübergang - Zweck 228 f. Unterstützungsstreik 157 f. - Kennzeichnung 461 Unterweisung, Arbeitsschutz 206 ff. Unverfallbarkeit, Betriebsrente 26 f. Unverzüglichkeit 111 Urlaub → Erholungsurlaub Urlaubsabgeltung 101 ff., 376 ff. - Ausschlussfrist 101 ff., 381 ff. - Erwerbsminderungsrente 385 ff. - ruhender Arbeitsvertrag 96 ff., 387 - Schwerbehinderung 102 ff. - Surrogationstheorie 101 f., 379 f.

Verbraucherinsolvenz 271 ff. - Lohnabtretung 273 f. - Restschuldbefreiungsverfahren 271 ff. Vergleich - Freistellung 375 f. - Urlaub 375 f. - Wettbewerbsverbot 375 f. Verhaltensbedingte Kündigung - Abmahnung 409 ff. - Arbeitsverweigerung 128 ff. - Bagatelldelikt 415 ff. - Stalking 409 ff. - Unterschlagung 415 ff. Verjährung, vorsätzliche Pflichtverletzung 57 ff. Verlegung - grenzüberschreitende 24 ff. - Unternehmenssitz 24 ff. Vermittlungsgutschein 240 Vermutung - Betriebsübergang 542

Verlegung - gemeinsamer Betrieb 468 ff. Verschwiegenheitspflicht, Mediation 263 f. Vertragliches Wettbewerbsverbot - anderweitige Vergütung 374 ff. - Entgeltanspruch 374 f. - Herausgabeanspruch 374 ff. - Unterlassungsanspruch 374 Vertragsauslegung, ergänzende 169 ff. Vertretung, befristeter Arbeitsvertrag 29 ff., 316 ff. Verwirkung Widerspruchsrecht → Widerspruch Betriebsübergang Videoüberwachung - BDSG 276 - Beschäftigtendatenschutz 419 f. - Kündigung 415 ff. Vollmachtsurkunde, Zurückweisung 109 ff. Vorbeschäftigung, Befristung 35 ff., 303 f. Vorstand, Frauenquote 13 ff., 282, 301 f. Vorstellungsgespräch, Bewerber 39

Wahlberechtigung - Drittelbeteiligung 210 f. - Konzern 210 f. - Leiharbeitnehmer 215, 217 f. Wahlbewerber - Aufstellung 183 - Kündigungsschutz 183 ff. - Wahlvorschlag 183 f. Wahlverfahren, Frauenquote 284 f. Warnstreik, Schadensersatz 460 Wartezeit, Kündigung 112 f. Wehrdienst, Urlaub 387 Weihnachtsgratifikation, Stichtagsregelung 74 579

Stichwortverzeichnis

Weißbuch, Betriebsrente 26 f. Weisungsrecht → Direktionsrecht Weiterbildungskosten, Rückzahlung 47 ff. Wertguthaben - Bericht 241 - Insolvenzschutz 241 - Portabilität 241 Wettbewerbsverbot, vertragliches → vertragliches Wettbewerbsverbot Whistleblower 5 ff. - Anzeigerecht 6 f., 8 f., 152 f. - Betriebsvereinbarung 9, 290 f. - Beweislastumkehr 6 - Datenschutz 7 - Diskriminierungsschutz 5 ff. - Herausgabeanspruch 152 ff. - Hinweis 7 - Hinweisgebersystem 9, 290 f. - Kündigung 131 f. - Kündigungsschutzprozess 131 f. - Maßregelungsverbot 5 ff. - Missstand 7 - Öffentlichkeit 7, 8 f. - Restitutionsgrund 131 f. - Schutzgesetz 290 f. - Zurückbehaltungsrecht 153 Whistleblowing, Compliance 290 f. Widerrufsvorbehalt - AGB-Kontrolle 364 ff. - Ausübungskontrolle 365 f. - billiges Ermessen 365 f. - Dienstwagen 364 ff. - Inhaltskontrolle 364 f.

580

Widerspruch Betriebsübergang - Anfechtung 235 ff. - Betriebsratsmitglied 521 - Drohung 236 f. - Täuschung 236 f. - Umstandsmoment 520 ff. - Unterrichtungspflicht 234 - Verwirkung 519 ff. - Zeitmoment 520 Widerspruch, Betriebsrentenanpassung 148 Wiederaufnahme - Einstellungsverfügung 132 - Kündigungsschutzprozess 131 f. - Verwaltungsakt 132 Wissenserklärung, Auskunftsanspruch 144 Work-Life-Balance 335

Zertifizierung, Mediator 3 Zeugnis - einfaches 150 - Geheimcode 151 - Gestaltungsspielraum 150 - qualifiziertes 150 - Wahrheitspflicht 150 f. - Wohlwollensgebot 151 Zielvereinbarung, psychische Belastung 350 f. Zugang, Kündigung 391 ff. Zumutbarkeit, Direktionsrecht 52 Zwangsvollstreckung, Mediation 4