Die Problematik der Verdeckungsabsicht im Mordtatbestand: Eine Untersuchung insbesondere aus historischer und rechtsvergleichender Sicht [1 ed.] 9783428487981, 9783428087983

Die Verdeckungsabsicht ist - neben der Heimtücke und den niedrigen Beweggründen - das wohl umstrittenste Mordqualifikati

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German Pages 351 Year 1997

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Die Problematik der Verdeckungsabsicht im Mordtatbestand: Eine Untersuchung insbesondere aus historischer und rechtsvergleichender Sicht [1 ed.]
 9783428487981, 9783428087983

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DIETMAR WEISS

Die Problematik der Verdeckungsabsicht im Mordtatbestand

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von Klaus Bernsmann, Hans Joachim Hirsch Günter Kohlmann, Michael Walter Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln

Band 23

Die Problematik der Verdeckungsabsicht im Mordtatbestand Eine Untersuchung insbesondere aus historischer und rechtsvergleichender Sicht

Von

Dietmar Weiß

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Weiss, Dietmar: Die Problematik der Verdeckungsabsicht im Mordtatbestand : eine Untersuchung insbesondere aus historischer und rechtsvergleichender Sicht / von Dietmar Weiss. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Kölner kriminalwissenschaftliche Schriften; Bd. 23) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08798-4 brosch.

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-08798-4

e

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Meinen Eltern

Vorwort Die von mir hier vorgenommene Untersuchung des Mordqualifikationsmerkmals der Verdeckungsabsicht hat im Wintersemester 1995/1996 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Für die nunmehrige Veröffentlichung in der Reihe "Kölner Kriminalwissenschaftlichen Schriften" konnten Rechtsprechung und Schrifttum bis Oktober 1996 berücksichtigt werden. Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Hirsch (Universität zu Köln), bedanken, der mir nicht nur bei der Auswahl des Dissertationsthemas behilflich war, sondern das Gedeihen meiner Arbeit mit zahlreichen wertvollen Ratschlägen gefördert hat. Köln, im Oktober 1996 Dietmar Weiß

Inhaltsverzeichnis

Einführung in die Problematik

Teil I Ausländische Strafrechte

A. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......... . ... 5 B. Die kontinental-europäischen Strafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 I. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Der Code Penal von 1791 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Tötung im Zusammenhang mit einem anderen Verbrechen ..... 3. Der Code Penal von 1810/1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Novelle von 1832 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

10 10 12 14 15

11. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17

I. Die italienischen Partikularstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17

2. Das Strafrecht nach der Staatsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 111. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Vorgeschichte . . . . . . . . : . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die schweizerischen Partikulargesetzbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Waadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Graubünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neuenburg ....................................... d) Wallis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Luzern ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Freiburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Tessin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Genf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Appenzell-Außerrhoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) St. Gallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ~ . . . . . . . . . . . . 3. Die Entwürfe zu einem Bundesstrafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Vorentwurf von 1893/94 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der weitere Reformverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 23 23 24 26 27 28 28 29 31 32 34 34 34 39

IV. Österreich .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

x

Inhaltsverzeichnis 1. Das Strafgesetz von 1852 . . . . . . 2. Der Entwurf von 1867 . . . . . . . . 3. Der Regierungsentwurf von 1874 4. Der weitere Reformverlauf . . . . .

......................... ......................... ......................... .........................

V. Ungarn ........................................... "

44 45 49 52 55

VI. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56 VII. Portugal ............ . ............................... 59 VIII. Bulgarien ........................................... 61 IX. Norwegen .... . ...................................... 63 X. Früheres Serbien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 XI. Frühere Tschechoslowakei ................................ 67 XII. Früheres Sowjetrußland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 XIII. Rumänien ........................................... 71 XIV. Früheres Jugoslawien ................................... 73 XV. Frühere DDR ......................................... 76 C. Die vom Code Penal beeinflußten Strafgesetze außerhalb Europas . . . . . . . . 78 I. Lateinamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Argentinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Kuba ............................................. 3. Brasilien ......................................... "

78 78 80 83

II. Asien ............................................... I. Türkei ............................................ a) Das Strafgesetzbuch von 1858 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die Novelle von 1911 ............................... c) Das Strafgesetzbuch von 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Japan ............................................. 3. China .............................................

86 86 86 87 89 90 92

D. Der angelsächsische Rechtskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Das gemeine Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

11. Geschriebenes Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

1. Großbritannien ...................................... 96 2. New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 100 3. Louisiana ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 102 4. Entwurf eines Musterstrafgesetzbuches für die USA ............ 104

Inhaltsverzeichnis

XI

5. Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 107 a) Neusüdwales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Queensland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 109

Teil II Die Geschichte der Vereitelungstötung und der Verdeckungstötung im deutschen Strafrecht A. Die Regelung der Vereitelungstötung in den deutschen Strafgesetzbüchem bis 1941 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Das Allgemeine Landrecht fIlr die Preußischen Staaten von 1794 . . . .. 119

11. Das Strafgesetzbuch für das Königreich Württemberg von 1839 . . . . .. 120 1. Die Entstehungsgeschichte des Art. 245 WürttStGB . . . . . . . . . . .. 120 2. Die Vereitelungstötung nach Art. 245 WürttStGB ............. 128 III. Das preußische Strafgesetzbuch von 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136 1. Die Vereitelungstötung nach § 178 PreußStGB ............... 136 2. Die Entstehungsgeschichte des § 178 PreußStGB . . . . . . . . . . . . .. 139 IV. Das Strafgesetzbuch fur den Norddeutschen Bund von 1870 ........ 143 V. Andere deutsche Partikularstrafgesetzbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 147 B. Die Unterscheidung von Mord und Totschlag vor der Novelle von 1941 ... 147 I. Die historische Entwicklung der Mordmerkmale Überlegung und Vorbedacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das germanische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Das römische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Das italienische Recht im Mittelalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Ursachen für die Einfllhrung der Kriterien Überlegung und Vorbedacht 5. Die Aufnahme der Überlegung in das deutsche Recht ........... a) Das Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148 149 151 153 155 157 158 165

11. Die Überlegung in der Rechtsprechung des RG ................. 174

c.

Die Reform des § 211 StGB während der nationalsozialistischen Zeit. . . .. 180 I. Der Gang des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 180

11. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

XII

Inhaltsverzeichnis Teil III

Die Verdeckungstötung nach § 211 Abs. 2 StGB A. Die Verfassungsmäßigkeit der Verdeckungsabsicht ................. 199 B. Die Verdeckungsabsicht und ähnliche Tatbestandsmerkmale als Unterscheidungskriterien rur Mord und Totschlag ......................... 203

C. Die einzelnen Tatbestandselemente der Verdeckungsabsicht ........... 216 I. Die andere Straftat ................................... 216

11. Das Tatopfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 222 III. Der Begriff des Verdeckens ............................. 224 IV. Das Konkurrenzverhältnis von Vortat und Verdeckungstötung ...... 228 V. Die Verdeckungstötung durch Unterlassen ................... 236 VI. Die Berücksichtigung seelischer Ausnahmezustände . . . . . . . . . . . .. 241 VII. Verdeckungsabsicht und sonstige Tatmotive ....... . . . . . . . . . .. 243 VIII. Der Tötungsvorsatz bei der Verdeckungsabsicht ............... 244 IX. Verdeckungsabsicht und sonstige Mordqualifikationsmerkmale ..... 246 D. Interpretationsversuche zur Beschränkung der Verdeckungsabsicht . . . . . .. 248 I. Die besondere Verwerflichkeit der Tat oder der Gesinnung des Täters . 250

11. Das Merkmal der besonderen Verwerflichkeit in der Rechtsprechung des

BGH ............................................. 256

III. Die vom Täter vorausgeplante Tötung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die Auffassung der Literatur ........................... 2. Der Standpunkt der Rechtsprechung vor BGHSt 27, 346 . . . . . . . .. 3. Die Wende mit BGHSt 27, 346 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Die von BGHSt 27, 346 aufgestellten einschränkenden Voraussetzungen ............................................ a) Die Überlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Körperverletzung als Vortat . . . . . . '.' . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Die "Doppel spontaneität" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Keine "zeitliche Zäsur" zwischen Vortat und Verdeckungstötung . e) Zusammenfassende Bewertung von BGHSt 27, 346 .......... 5. Die Reaktion der anderen Strafsenate des BGH . . . . . . . . . . . . . .. 6. Die erneute Wende in der Rechtsprechung des 2. Senats . . . . . . . ..

262 262 264 267 270 270 271 274 275 276 277 291

Inhaltsverzeichnis

XIII

E. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 305 I. Die Rechtsprechung ................................... 306

11. Der Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 313 111. Schluß ............................................ 316

Schrifttumsverzeichnis

318

Ausländische Gesetzestexte und ihre Übersetzungen

328

Ausländische Gesetzesmaterialien

332

Namen- und Sachwortregister

333

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. AE a.F. AGB ALR Alt. amtl. Anm. Anm. d. Verf. ArchCrR

Art. AT Aufl. Az. b.

BayStGB Beschl. Bd. b. Dall. BGBI. BGH BGHR BGHSt BT BVerfG BVerfGE ca. CCB CCC DDR ders. dies.

DJ

DIr

DJZ

DR DRiZ E 1936 E 1962

andere Ansicht am angegebenen Ort Absatz Alternativ-Entwurf zu einem Strafgesetzbuch alte Fassung Allgemeines Gesetzbuch für die Preußischen Staaten Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alternative amtlich Anmerkung Anmerkung des Verfassers Archiv des Criminalrechts, zitiert nach Jahrgang und Seite Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen bei Bayerisches Strafgesetzbuch Beschluß Band bei Dallinger Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH Rechtsprechung - Strafsachen, hrsg. v. den Richtern des BGH, zitiert nach Paragraph und Nummer Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Strafsachen, zitiert nach Band und Seite Besonderer Teil Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG, zitiert nach Band und Seite circa Cautio Criminalis Bambergensis Constitutio Criminalis Carolina Deutsche Demokratische Republik derselbe dieselben Deutsche Justiz, zitiert nach Jahrgang und Seite Deutscher Juristentag 1980 Deutsche Juristenzeitung, zitiert nach Jahrgang und Seite Deutsches Recht, zitiert nach Jahrgang und Seite Deutsche Richterzeitung, zitiert nach Jahrgang und Seite Entwurf zu einem Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1936 Entwurf zu einem Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1962

Abkürzungsverzeichnis f.

ff. Fn. FS GA gest. GG GS GVG h.M.

HRR

Hrsg. hrsg. v. krit. Ld ..f. i.S.d. i.S.v. i.V.m JA JR JuS JW JZ lit. LK LM LZ

m.

MDR

m.w.Nw. n.F. NJ NJW NorddStGB

Nr.

NStE NStZ OGDDR OGH OGHSt PreußStGB Rdnr.

xv

folgende Seite fortfolgende Seiten Fußnote Festschrift Goltdammers Archiv rur Strafrecht, zitiert nach Jahrgang und Seite gestorben Grundgesetz Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung, zitiert nach Jahrgang und Seite Herausgeber herausgegeben von kritisch in der Fassung im Sinne des (der) im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter, zitiert nach Jahrgang und Seite Juristische Rundschau, zitiert nach Jahrgang und Seite Juristische Schulung, zitiert nach Jahrgang und Seite Juristische Wochenschrift, zitiert nach Jahrgang und Seite Juristenzeitung, zitiert nach Jahrgang und Seite Buchstabe Leipziger Kommentar LindenmaierlMöhring, zitiert nach Paragraph und Nummer Leipziger Zeitung, zitiert nach Jahrgang und Seite mit Monatsschrift rur Deutsches Recht, zitiert nach Jahrgang und Seite . mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Justiz, zitiert nach Jahrgang und Seite Neue Juristische Wochenschrift, zitiert nach Jahrgang und Seite Strafgesetzbuch rur den Norddeutschen Bund Nummer Neue Entscheidungssammlung rur Strafrecht, zitiert nach Paragraph und Nummer Neue Zeitschrift rur Strafrecht, zitiert nach Jahrgang und Seite Oberstes Gericht der DDR Oberster Gerichtshof rur die Britische Zone Amtliche Entscheidungssammlung des OGH in Strafsachen, zitiert nach Band und Seite Preußisches Strafgesetzbuch Randnummer

XVI RG RGSt ReichsStGB RGBI. S.

s.

SK SJZ Sp. StGB StPO StV u.

USA v. Chr. vgl. Vor VRS WürttStGB z.B. zit. n. ZRP ZStW z.T.

Abkürzungsverzeichnis Reichsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des RG in Strafsachen, zitiert nach Band und Seite Reichsstrafgesetzbuch Reichsgesetzblatt Seite siehe Systematischer Kommentar Süddeutsche Juristenzeitung, zitiert nach Jahrgang und Spalte Spalte Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Strafverteidiger, zitiert nach Jahrgang und Seite und Vereinigte Staaten von Amerika vor Christus vergleiche Vorbemerkung Verkehrsrechtssammlung, zitiert nach Band und Seite Strafgesetzbuch für das Königreich Württemberg zum Beispiel zitiert nach Zeitschrift für Rechtspolitik, zitiert nach Jahrgang und Seite Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, zitiert nach Band und Seite zum Teil

Einführung in die Problematik Die Verdeckungstötung gehört neben der Heimtücke und den niedrigen Beweggründen zu den umstrittensten Mordqualifikationsmerkmalen. An ihr scheiden sich die Geister. Die einen wollen sie möglichst weit auslegen: jedesmal, wenn der Täter in der Absicht tötet, eine andere Straftat zu verheimlichen, soll Mord vorliegen. Andere wollen die Verdeckungstötung möglichst eng auslegen. Als einschränkende zusätzliche Kriterien erfreuen sich dabei die Überlegung und die besondere Verwerflichkeit der Tat großer Beliebtheit. Eine Tötung die zur Verheimlichung einer anderen Straftat erfolgte, soll daher nur Mord sein, wenn entweder der Täter die Tötung schon vor Begehung der Straftat geplant hatte oder sie, aus welchen Gründen auch immer, als besonders verwerflich erscheint, andernfalls liege nur Totschlag vor. Wie so häufig im Strafrecht, verläuft die Grenze des Meinungsstreits zwischen literatur und Rechtsprechung. Handelt es sich bei dieser Auseinandersetzung noch um einen Streit von praktischer Bedeutung oder ist er nicht schon lange zu einem "akademischen Glasperlenspiei" degeneriert? Die Frage ist erlaubt, denn der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 57a StGB die absolute Strafandrohung für Mord relativiert. So kann der wegen Mordes Verurteilte nach fünfzehn Jahren Freiheitsentzug mit einer Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung rechnen. Es ist durchaus möglich, daß § 57a StGB zumindest faktisch die lebenslange Freiheitsstrafe über kurz oder lang abschaffen wird. Hat dies nicht wenigstens die Folge, daß der Streit um die einzelnen Mordqualifikationsmerkmale letztlich genau so bedeutsam oder unbedeutsam wird, wie die zahlreichen anderen Abgrenzungsprobleme im Strafrecht auch? Aber schon eine oberflächliche Untersuchung zeigt, daß die Frage nach der Einstufung der Verdeckungstötung in den Kategorien Mord und Totschlag immer noch beachtliche Konsequenzen hat, eine klare, rational nachvollziehbare Lösung dieses Problems daher angezeigt ist. Der Grund dafür, daß die Einordnung einer Tötung als Mord oder Totschlag nach wie vor von großer Bedeutung ist, darf in dem Verhältnis dieser beiden Vorschriften zueinander erblickt werden. Vergleicht man dieses mit dem Verhältnis anderer Strafvorschriften zueinander, die ebenfalls eine enge Verwandtschaft aufweisen (und deren Abgrenzung voneinander oft genauso

1 Weiß

2

Einführung in die Problematik

umstritten ist, wie z.B. bei Diebstahl und Raub), tauchen Besonderheiten auf, die eine gewisse Einmaligkeit begründen. Begründet sind diese Besonderheiten vor allem in dem sog. ExklusivitätsAbsolutheits-Mechanismus' des § 211 StGB. Die Exklusivität des § 211 StGB ergibt sich daraus, daß bei Vorliegen nur eines einzigen Mordqualifikationsmerkmals der Rückgriff auf den Totschlag einschließlich der ihn privilegierenden Vorschriften (insbesondere § 213 StGB) ausgeschlossen ist. Gekoppelt ist diese Exklusivität des § 211 StGB mit einer absoluten Strafandrohung: liegt ein MordqualifIkationsmerkmal vor, darf als einzige mögliche Strafe nur noch die lebenslängliche Haftstrafe (bzw. unter Berücksichtigung des § 57a StGB eine fünfzehnjährige Freiheitsstrafe) verhängt werden, sofern nicht die sog. Vermeidungsstrategien2 der Strafgerichte verfangen. Daraus folgt: Konnte man bei einer vorsätzlichen Tötung, wie auch immer, die Annahme eines MordqualifIkationsmerkmals vermeiden, ist dem Gericht ein Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren eröffnee Entscheidet sich das Gericht, einen minder schweren Fall des Totschlags i.S.v. § 213 StGB anzunehmen (insbesondere die vom Gesetzgeber nicht weiter präzisierte äußerst dehnbare 2. Alternative des § 213 StGB), darf es im Strafmaß sogar bis auf sechs Monate heruntergehen, also praktisch in die Bereiche der Bagatellstrafen vordringen (zumal eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen § 56 Abs. I StGB regelmäßig zur Bewährung auszusetzen ist). Konnte dagegen die Annahme eines MordqualifIkationsmerkmals nicht vermieden werden, muß das Gericht auf lebenslange Haft (bzw. unter Berücksichtigung des § 57a StGB fiinfzehn Jahren) erkennen, selbst dann, wenn die Voraussetzungen der doch sehr verständlichen Milderung des § 213 I. Alternative erfiillt sind. Die Einordnung einer Tat als Mord oder Totschlag kann also über die Verhängung einer unbedeutenden Strafe oder die Vernichtung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und wohl auch psychischen Existenz eines Menschen entscheiden. Des weiteren ist es auch unter psychologischen Gesichtspunkten sehr zweifelhaft, die Möglichkeit der Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach fiinfzehn Jahren mit einer von vornherein zeitig begrenzten Freiheitsstrafe zu vergleichen. Selbst wenn man unterstellt, daß der § 57a StGB in Zukunft einen gewissen Automatismus entwickeln wird, ändert dies nichts daran, daß 'Dieser Begriff dUrfte wohl zuerst von Eser verwendet worden sein, z.B. Eser, NStZ 1983, 433, 438. 2Ausführlich hierzu Arzt, in: Jescheck/Triffterer, S. 141, 150 f. ·JZ war besteht auch beim Totschlag die grundsätzliche Möglichkeit, eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen (§ 212 Abs. 2 StGB), doch wird in der Praxis von dieser Vorschrift kaum Gebrauch gemacht; vgl. hierzu auch Eser, DJT-Gutachten, D 36.

Einführung in die Problematik

3

der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte sich lange Jahre in Unsicherheit darüber befindet, ob und wann er mit seiner Entlassung rechnen kann. Dagegen hat der zur zeitigen Höchststrafe von fünfzehn Jahren verurteilte Totschläger Gewißheit darüber, zu welchem Zeitpunkt er spätestens entlassen wird. Hinzu kommt, daß er in aller Regel bereits nach zwei Dritteln (§ 57 Abs. I StGB), bei ein wenig "guter Führung" sogar schon nach der Hälfte seiner Strafzeit in die Freiheit zurückkehren kann (§ 57 Abs. 2 StGB). In der Praxis klafft also nach wie vor eine Lücke zwischen Mord und Totschlag, die in dieser Extremheit bei anderen Straftatbeständen, bei denen ebenfalls Abgrenzungsprobleme auftauchen, nicht bekannt ist. Daher hat sich an der Aktualität der Mordproblematik auch heute nichts geändert. Nach wie vor ist eine sachgerechte Differenzierung zwischen den einzelnen Tötungsdelikten in Anbetracht der hieran anschließenden Sanktionen dringend geboten. Bei der Frage nach einer sachgerechten, und das heißt im Strafrecht schuldangemessenen Differenzierung, steht die Verdeckungsabsicht, neben einigen anderen Mordqualifikationsmerkmalen (hier sind insbesondere die Heimtücke und die sonstigen niedrigen Beweggründe zu nennen), im Mittelpunkt der Betrachtung. Schon seit langem wird dieses Mordmerkmal als eher zwielichtig empfunden; wird doch sonst die Selbstbegünstigung im Strafrecht als strafmildernd, wenn nicht sogar als strafbefreiend gewertet, soll sie im Zusammenhang mit einer Tötung strafschärfend wirken. Natürlich bestehen auch unter dem Aspekt schuldgerechten Strafens grundsätzlich keine Bedenken, der Verdeckungstötung ein eigenes Tatunrecht zuzugestehen, das durch Strafe abzugelten ist: Dies ergibt sich schon aus dem häufig vorgetragenen Argument, daß der Täter einer Verdeckungstötung nicht nur seine bereits begangene Straftat verheimlicht, sondern noch ein weiteres Unrecht begeht, das, wenn man die betroffenen Rechtsgüter als Maßstab heranzieht, meist noch über das durch die Vortat verursachte deutlich hinausgeht. Wenn der Täter neuen Schaden anrichtet, neues Unrecht begeht, so ist der Rechtsstaat aufgerufen, dieses neue Unrecht zu ahnden. Es gibt kein Grundrecht, sich rur alle Zeiten außerhalb der Rechtsordnung zu bewegen, nur weil man sie einmal verlassen hat. Die Verdeckungstötung ist daher sicher ein strafbarer Totschlag. Es soll auch hier nicht in Zweifel gezogen werden, daß die Verdeckungstötung vielleicht sogar zu den eher schweren Fällen des Totschlags gehört. Doch das oben erwähnte Argument genügt eigentlich nicht, um die Verdeckungsabsicht als ein Kriterium zu betrachten, das eine 4Siehe hierzu auch unten S. 209 ff.

'"

Einführung in die Problematik

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Tötung automatisch zum mit Abstand schwersten Fall der vorsätzlichen Tötungen, dem Mord, macht. Denn die Frage, ob ein einmal begangenes Unrecht die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters hinsichtlich einer sich daran anschließenden Rechtsverletzung automatisch vergrößert, ist sehr viel schwieriger zu beantworten als die zuvor gestellte nach der generellen Strafwürdigkeit der Verdeckungstötung. Man könnte nun sagen, daß der Straftäter mit seiner Verdeckungshandlung eindeutig dokumentiert, daß er viel entschiedener die Rechtsordnung verlassen hat als ein "Einmal-Täter", daß er weniger bereit ist als jener, in die Rechtsordnung wieder zurückzukehren. Sieht man einmal davon ab, daß der "einmalige" Rückfall eines Straftäters (im Gegensatz zur Gewohnheits- und Bandenkriminalität) eigentlich in keiner Rechtsordnung eine Regelung in einem eigenen Tatbestand erfahren hat, sondern eher in der Strafzumessung durch den Richter im Rahmen des Grunddelikts berücksichtigt wird, erscheint dieses Argument auch sonst eher ambivalent'; so kann die Verdeckungstötung durchaus als Beweis für das genaue Gegenteil herangezogen werden, nämlich daß der Täter sein Unrecht erkannt hat und es nun verheimlichen will, um wieder in die Gesellschaft zurückzukehren. Auch der heute noch im Strafrecht gerne vorgetragene Abschreckungsgedanke will bei der Verdeckungstötung zumindest nicht immer überzeugen. Hier sind gerade die in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Fälle zu nennen, in denen der Täter ohne vorherige Planung handelt, quasi in die Verdeckungstötung "hineinschliddert". Handelt aber der Täter unüberlegt, so ist er in aller Regel auch nicht in der Lage, sich die Norm und ihren Verbotssatz zu vergegenwärtigen. In einer solchen Situation kann er durch eine Strafvorschrift, die ihm letztlich gar nicht richtig bewußt geworden ist, nur schwerlich abgeschreckt werden. Ein Ziel dieser Untersuchung ist es, ein wenig aufzuhellen, was den deutschen Gesetzgeber bewogen haben könnte, die Tötung zur Verdeckung einer anderen Straftat zu den schwersten Formen der vorsätzlichen Tötung zu zählen. Dabei beschäftigt sich der erste Teil mit der Frage, welche außerdeutschen Gesetzgeber ebenfalls dieses Mordqualifikationsmerkmal aufgenommen haben; in einem zweiten Teil werden seine geschichtlichen Wurzeln aufgezeigt. Schließlich soll in einem dritten Teil die Krit* und Auslegung der Verdeckungsabsicht in Literatur und Rechtsprechung untersucht werden.

5Siehe unten S. 211 f.

Teil!

Ausländische Strafrechte A. Gang der Untersuchung Dieses Kapitel ist der Frage gewidmet, inwieweit in außerdeutschen Strafgesetzen solche vorsätzlichen Tötungen eine besondere Regelung erfahren haben, die der Täter begangen hat, um sich der Bestrafung wegen einer anderen Straftat zu entziehen. Zwar erfüllt eine Tötung ausschließlich zur Venneidung einer Bestrafung nach allgemeiner Auffassung nicht die Voraussetzungen einer Verdeckungstötung i.S.v. § 211 Abs. 2 StGB. Eine andere Auslegung wäre in der Tat mit dem Wortlaut dieser Vorschrift kaum vereinbar.' Dennoch soll die folgende Darstellung nicht auf die Verdeckungstötung im Verständnis des § 211 Abs. 2 StGB beschränkt bleiben, also eine Tötung, die der Täter, verkürzt ausgedruckt, begeht, um eine andere Straftat zu verheimlichen. Stattdessen soll das Augenmerk auch auf solche Vorschriften gerichtet werden, die die "Vereitelungstötung" unter eine besondere Strafandrohung stellen. Unter einer Vereitelungstötung wird hier eine Tötung verstanden, die der Täter begeht, um eine Bestrafung wegen einer anderen Tat zu venneiden, und zwar auch dann, wenn er diese Straftat gar nicht mehr verheimlichen kann. Im deutschen Strafrecht wurde ein Sonderfall der Vereitelungstötung bis 1941 durch § 214 StGB geregelt. Wird der Täter bei Ausführung der Vortat durch einen Dritten überrascht und tötet er diesen, um seine augenblickliche Festnahme zu verhindern, liegt ein qualifizierter Totschlag vor, der zwar nicht wie Mord LS.d. § 211 a.F. StGB mit dem Tod geahndet wird, dessen Strafinaß aber doch spürbar über das für den einfachen Totschlag i.S.d. § 212 StGB liegt. Die meisten anderen nationalen Strafgesetzgeber haben die Vereitelungstötung jedoch sehr viel allgemeiner gehalten. Dort begeht der Täter einen qualifizierten Totschlag\ wenn er tötet, um seine Bestrafung zu verhindern. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob das Tatopfer ausgeschaltet wurde, um eine Festnahme oder lediglich eine spätere Zeugenaussage, die erst vor Gericht den Täter in Nachteile versetzen würde, zu verhindern. 'Wie hier Z.B. BGH GA 1979, 108. Allerdings könnte man darüber nachdenken, ob eine Vereitelungstötung nicht die Voraussetzungen der sonstigen niedrigen Beweggründe i. S. v. § 211 Abs. 2 StGB erfüllten. IManche Gesetzgeber betrachten diesen Fall ausdrücklich als Mord (sofern sie überhaupt eine sprachliche Unterscheidung zwischen der schwereren und der leichtereren Form der Tötung, wie dies z.B. in Deutschland mit dem Begriffspaar Mord - Totschlag geschehen ist, treffen).

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Teil I: Ausländische Strafrechte

Im Verhältnis zur Verdeckungstötung scheint die Vereitelungstötung im weiten Sinne quasi der allgemeinere Tatbestand zu sein. Ein Täter, der zur Verdeckung einer anderen Straftat tötet, wird regelmäßig mit dieser Handlung die Absicht verfolgen, seine Straffreiheit zu sichern. Andere Motive beim Täter, wie z.B. Venneidung gesellschaftlicher Nachteile bei Aufdeckung einer Straftat, von Unterhaltszahlungen an die durch eine Vergewaltigung schwanger gewordene Frau, können zwar daneben ebenfalls vorkommen, sind aber als alleinige Beweggründe des Täters nur in den seltensten Fällen denkbar. 3 Ein quasi Spezialitätsverhältnis zwischen Vereitelungstötung und Verdekkungstötung ist lediglich dann nicht anzunehmen, wenn die Vereitelungstötung um ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal ergänzt wird. So wird diese in einigen nationalen Strafgesetzbüchern auf die Fälle beschränkt, in denen der Täter durch das Tatopfer auf frischer Tat betroffen wird. Aber auch dann dürfte die Vereitelungstötung zumindest im Ergebnis gegenüber der Verdekkungstötung weiterhin der allgemeinere Tatbestand sein. Untersucht man die von OGH und BGH zur Verdeckungstötung i.S.d. § 211 StGB entschiedenen und veröffentlichten Fälle, ist festzustellen, daß es sich hier stets um einen auf frischer Tat betroffenen Täter handelt, der nun zur Tötung schreitet (meist sind sogar Opfer der Vortat und Opfer der Tötung identisch). Eine Verdeckungstötung, die erst geraume Zeit nach der Vortat geschieht, hat anscheinend keine große praktische Bedeutung (obwohl solche Fälle theoretisch gut vorstellbar sind: Z.B. wenn der Täter sich eines Zeugen der Vortat, der ihn schon seit geraumer Zeit mit seinem Wissen erpreßt, entledigen will). Mit diesen Ausführungen ist eigentlich auch schon der Hauptgrund für die Einbeziehung der Vereitelungstötung in der hier vorgelegten Untersuchung angesprochen. In der Sache scheint zwischen Vereitelungstötung und Verdekkungstötung kein großer Unterschied zu bestehen. Wie schon erwähnt wird auch bei der Verdeckungstötung der Täter letztlich fast immer zum Zwecke der Strafvereitelung handeln. Oft ist es auch nur Zufall, ob der Täter mit Verdeckungsabsicht oder Vereitelungsabsicht tötet. Hat der Täter es nur mit JSiehe hierzu aber auch BGH NJW 1995, S. 1910: Dort hatte der Täter das Opfer, einen Drogenhändler, zunächst im Rahmen eines Haschischgeschäftes betrogen und anschließend getötet. Der Täter hatte die Tötung nicht begangen, weil er befürchtete, das Opfer werde ihn wegen dieses Betruges anzeigen, denn in diesem Fall hätte es seine eigene Mittäterschaft an dem Haschischgeschäft aufdecken müssen. Vielmehr handelte der Täter, um einem privaten Racheakt des Opfers wegen der an ihm begangenen Straftat zuvorzukommen. Der BGH hat Verdeckungsmord angenommen, weil das Tatbestandsmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht voraussetze, daß die Straftat nur vor den Strafverfolgungsbehörden verheimlicht worden ist, vielmehr komme eine Verdeckungshandlung auch vor den Komplizen des Opfers in Betracht. Ob diese wohl im Rahmen der organisierten Kriminalität aufgetauchte Fallkonstellation zukünftig häufiger in Erscheinung treten könnte, muß sich aber erst noch zeigen.

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einem einzigen Zeugen der Vortat oder einer einzigen Person, die ihn wegen der Vortat festnehmen will, zu tun, wird er (auch) zur Verdeckung töten. Triffi er dagegen bei der Tatausfiihrung auf mehrere solcher Personen, wird Verdeckungsabsicht in der Regel nicht mehr vorliegen. Betrachtet man die rechtspolitische Diskussion um die Verdeckungsabsicht i.S.v. § 211 Abs. 2 StGB, wird man häufig feststellen, daß weder Befürworter noch Gegner dieses Mordqualifikationsmerkmals in ihren Begründungen einen Unterschied zwischen Strafverdeckung und Strafvereitelung machen. Beide Seiten bauen ihre Argumentation im wesentlichen auf den Selbstbegünstigungsgedanken auf: die Gegner der Verdeckungsabsicht tragen vor, daß die Selbstbegünstigungsabsicht nicht zu Lasten des Täters gewertet werden darf, die Befürworter erklären, daß es von einer besonderen Gefllhrlichkeit und Verwerflichkeit des Täters zeuge, wenn dieser ein Menschenleben opfert, um ungestraft zu entkommen. Auf die Besonderheit, daß die Verdeckungstötung eigentlich nur einen Spezialfall der Selbstbegünstigung erfaßt, nämlich die Selbstbegünstigung durch Verheimlichen der Straftat, wird kaum eingegangen. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn Verdeckungstötung und Vereitelungstötung unterscheiden sich weder in der erhöhten Gefllhrlichkeit des Täters, noch in der besonderen Verwerflichkeit seiner Tat. In einer rechtspolitischen Diskussion um die Vereitelungstötung könnte man im wesentlichen dieselben Argumente geltend machen, die auch für und gegen die Verdeckungstötung sprechen, wie dies die seinerzeitige rechtswissenschaftliche Diskussion um § 214 StGB a.F. beweist. Was nicht nur den deutschen, sondern auch einige andere Gesetzgeber dazu bewogen haben könnte, besonders das Verheimlichen einer Straftat zu betonen und nicht die Strafvereitelung selbst als Anknüpfungspunkt für die Qualifizierung zu wählen, kann nur vermutet werden. Wie noch näher darzustellen ist, wurde die deutsche Gestaltung der Tötungsdelikte, insbesondere die Verwendung sog. Mordqualifikationsmerkmale zur Unterscheidung von Mord und Totschlag, durch den Entwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1894 und den sich hieran anschließenden Folgeentwürfen nachhaltig beeinflußt. Der von dem Berner Professor earl Stooß (1849 1934) formulierte Entwurf von 1894 verwendet den Begriff der Verdeckungsabsicht. Möglicherweise war es die bewußt enge Bindung an den Wortlaut des Entwurfs, der es einzelnen Gesetzgebern unmöglich machte, einen Tatbestand der Vereitelungsabsicht zu schaffen. Hinsichtlich des deutschen Gesetzgebers könnte auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, daß man auf Grund der Zeitumstände 1941 betont eine Abkehr von der eher französisch

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geprägten Vereitelungstötung des § 214 StGB suchte und daher die sprachliche Variation hin zur Verdeckungsabsicht begrüßte. In diesem Zusammenhang liegt auch der Gedanke an ein schlichtes Redaktionsversehen nahe: man hat einfach übersehen, daß mit dem Begriff der Verdeckungsabsicht nicht alle Fälle der Selbstbegünstigung mittels Tötung erfaßt sind. Letztlich kann dies auch dahingestellt bleiben. Jedenfalls sind Vereitelungstötung und Verdeckungstötung so eng miteinander verwandt, daß es notwendig erscheint, sie stets gemeinsam zu untersuchen; denn diese enge Verwandtschaft könnte auf gemeinsame geistige oder ideologische Wurzeln hindeuten. Im Verlauf dieser Untersuchung soll nur in begrenztem Umfang berücksichtigt werden, ob die Verdeckungstötung bzw. Vereitelungstötung nach dem jeweiligen Strafrechtssystem lediglich die Qualifizierung eines Grundtatbestandes der vorsätzlichen Tötung oder sie ein selbständiger Tatbestand mit erschwerten Rechtsfolgen ist. Dogmatisch gesehen ist es natürlich ein großer Unterschied, ob ein bestimmter Straftatbestand selbständiger Natur ist oder nur die Qualifizierung eines Grundtatbestandes darstellt. Dies beweist schon die seit Jahrzehnten andauernde Diskussion über das Verhältnis der §§ 211 und 212 StGB zueinander. Welchen Weg der jeweilige Gesetzgeber in dieser Frage eingeschlagen hat, könnte nur auf Grund einer sorgfaltigen Analyse der entsprechenden Rechtsordnung beantwortet werden. Hinzu käme noch ein genaues Studium der rechtswissenschaftlichen Literatur und Judikatur für den Fall, daß ein Gesetzgeber (wie z.B. der deutsche) sich nicht eindeutig für die eine oder andere Möglichkeit entschieden hat. Eine solche Vorgehensweise würde wohl den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. Doch scheint sie auch für die Lösung der mit dieser Untersuchung gestellten Aufgabe nicht erforderlich zu sein. Letztlich soll etwas zur Klärung der Frage beigetragen werden, was den deutschen sowie andere Gesetzgeber bewogen hat, die Verdeckungstötung erschwerend zu regeln. In welcher dogmatischen Form dies geschehen ist, spielt hierbei nur eine untergeordnete Rolle. Allenfalls mittelbare Rückschlüsse wären zulässig. Auch die praktische Bedeutung des dogmatischen Verhältnisses von Mord und Totschlag ist oftmals gering. 1m deutschen Recht wird diese Frage nur dann praxisrelevant, wenn an der Tat auch Teilnehmer beteiligt waren. Im übrigen ist sie fast bedeutungslos. Und für den gewöhnlichen Straftäter wird es wohl in keiner Rechtsordnung eine allzu große Rolle spielen, ob ihn die härtere Strafe trifft, weil er die Voraussetzungen eines selbständigen Tatbestandes oder die einer Qualifizierung erfüllt hat. Bei der nachfolgenden Untersuchung sind auch solche Strafgesetze berücksichtigt worden, die die Verdeckungstötung bzw. Vereitelungstötung viel-

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leicht nicht zur schwersten Form ihrer Tötungsdelikte rechnen, sondern sie zwischen Mord und Totschlag ansiedeln (wie dies auch in Deutschland bis 1941 durch den § 214 StGB der Fall war). Damit sind solche Rechtsordnungen zwar nicht direkt mit der gegenwärtigen Rechtslage in Deutschland vergleichbar, aber auch hier kann man zumindest sagen, daß der jeweilige Gesetzgeber die Verdeckungstötung (Vereitelungstötung) als durch eine besonders hohe Verwerflichkeit gekennzeichnet erachtet, zumindest aber der Auffassung ist, daß aus Gründen der Abschreckung eine erhöhte Strafe erforderlich sei. Dies bedeutet, daß auch in den Rechtsordnungen, die die Verdekkungstötung (Vereitelungstötung) als "mittelschweren" Fall der vorsätzlichen Tötung betrachten, letztlich dieselben Überlegungen angestellt worden sind wie in jenen, die sie gleich zu den schwersten Formen der Tötung rechnen. Die nachfolgende Untersuchung der ausländischen Strafrechte konzentriert sich auf die Verdeckungs- und Vereitelungstötung. Andere vorsätzliche Tötungsdelikte, insbesondere Mord (bzw. die schwere Form der vorsätzlichen Tötung), auch soweit dieser Tatbestand andere Voraussetzungen als Verdekkungsabsicht (Vereitelungsabsicht) verlangt, Totschlag (bzw. der Grundfall der vorsätzlichen Tötung) und Tötung im Affekt (bzw. der leichte Fall der vorsätzlichen Tötung) werden ebenfalls kurz abgehandelt. Auf diese Weise erhält der Leser einen Eindruck davon, wie sich Verdeckungs- und Vereitelungstötung in das jeweilige System der Tötungsdelikte einrugen (z.B. ob sie die schwersten Fälle oder nur "mittelschwere" Fälle zwischen dem Grunddelikt und anderen besonders schweren Tötungen darstellen). Soweit sie auf diese Weise zur "Klassifizierung" der Verdeckungs- und Vereitelungstötung nicht erforderlich sind, bleiben sonstige in den Strafgesetzen selbständig geregelte Formen der vorsätzlichen Tötung (z.B. Tötung auf Verlangen bzw. Sterbehilfe, Kindestötung durch die Mutter während oder kurz nach der Geburt, Teilnahme am Selbstmord, Tötung von Verwandten) weitgehend außer Acht. Wenn sie nicht ausdrücklich·erwähnt werden, bedeutet dies somit nicht unbedingt, daß eine entsprechende Regelung fehlt. Ebenfalls einer gewissen Aufmerksamkeit sollen im Verlauf dieser Untersuchung auch Regelungen zur Tötung, die ein Täter begeht, um eine andere Straftat zu ermöglichen, zuteil werden. Diese werden hier kurz als Begehungstötungen bezeichnet. Die Notwendigkeit ihrer besonderen Berücksichtigung ergibt sich bereits aus dem Umstand, daß die Verdeckungstötung praktisch nie alleine in ein Gesetzeswerk aufgenommen worden ist. Stets wird sie - wie z.B. im Fall des § 211 StGB - im Zusammenhang mit der Begehungstötung geregelt. Insofern kann man die Begehungstötung schon fast als Pendant zur Verdeckungstötung (bzw. Vereitelungstötung) betrachten.

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Teil I: Ausländische Strafrechte

B. Die kontinental-europäischen Strafgesetze I. Frankreich

1. Der Code Penal von 1791 Als das wahrscheinlich erste Gesetzeswerk, das auch die Verdeckungstötung unter eine besondere (erschwerte) Stratbestimmung stellte, darf wohl der Code Penal vom 25. September 1791 bezeichnet werden. Wörtlich heißt es dort in P. II tit. II sec. 1 art. 14: "Sera qualifie assassinat, et comme tel puni de mort, l'homicide qui aura ete precede, accompagne ou suivi d'aucuns crimes, tels que deux vol, d'offense a la loi, de sedition, ou tout autre crime." Die Tötung, die einem anderen Verbrechen (als nicht abschließende Beispiele werden der Diebstahl und das Aufruhrgesetz genannt) vorausgegangen ist oder dasselbe begleitet hat oder ihm nachgefolgt ist, wird von dem Gesetz also als Mord (assassinat) bezeichnet und ist mit dem Tod zu bestrafen. Ebenfalls einen Mord begeht, wer die Tötung mit Vorbedacht (prt!meditation) ausfuhrt. Auch diese Tat wird mit der Todesstrafe geahndet (P. II tit. II sec. 1 art. 11). Alle übrigen vorsätzlichen Tötungen werden vom Gesetz als Totschlag (meurtre) bezeichnet. Für den Totschlag ist grundsätzlich lebenslange Zwangsarbeit als Strafe vorgesehen (P. 11 tit. 11 sec. 1 art. 8). Für einige Spezialfalle des Totschlags (Tötung mittels Gift, Tötung der Eltern oder anderer Verwandter aufsteigender Linie) kehrt das Gesetz wieder zur Mordstrafe, der Hinrichtung, zurück (ohne diese Fälle allerdings als Mord zu bezeichnen). Der Code Penal 1791 kennt also zwei Fälle des Mordes: die mit Vorbedacht ausgefuhrte Tötung sowie die Tötung, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem anderen Verbrechen stehende Tötung (die im folgenden kurz als "Zusammenhangstötung" bezeichnet werden soll). Einen über das zufallige zeitliche Zusammentreffen hinausgehenden, wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen Tötung und Verbrechen verlangt das Gesetz noch nicht. Dennoch wird in der genannten Vorschrift das freilich noch sehr unreflektierte Bedürfnis des Gesetzgebers deutlich, eine Tötung, die in einem gewissen Verhältnis mit anderen Straftaten steht, schärfer zu sanktionieren als Tötungen, bei denen eine solche Beziehung fehlt. Welche Gründe jenes Bedürfnis des französischen Gesetzgebers hervorgerufen haben, kann in Anbetracht der nur spärlich vorhandenen Quellen lediglich vermutet werden. Vielleicht waren es zeitbedingte Umstände, die zu der Regelung fuhrten. Diebstahl und Aufruhr werden zwar nur als Beispiele möglicher Verbrechen

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genannt, aber ihre besondere Erwähnung war sicher kein Zufall. Die noch junge französische Republik hatte an vielen Fronten zu kämpfen, nach außen wie nach innen. Tagtäglich randalierte der Mob in Paris. Vielen ging die Revolution noch nicht weit genug und sie versuchten daher, ihre Ziele auf eigene Faust durchsetzen. Andere mißbrauchten schlicht die Revolution, um sich zu bereichern. Im Jahre 1791 bot Paris ein Bild des Chaos. Plünderungen standen auf der Tagesordnung. Opfer waren durchaus nicht immer nur royalistisch Gesinnte. Die Revolution kehrte sich gegen ihre eigenen Kinder. Unter diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, daß der französische Gesetzgeber aus Gründen der Generalprävention oder auch nur einfach, um politische Gegner zu vernichten, Tötungen in Verbindung mit Diebstahl oder Aufruhr besonders hart bestrafen wollte.' Möglicherweise betrachtete man auch schon damals die im Zusammenhang mit einer anderen Straftat begangene Tötung als besonders verwerflich. Der Gesetzgeber ahnte vielleicht, daß in derartigen Fällen die Tötung einen bestimmten Zweck hinsichtlich der Straftat verfolgt, quasi eine dienende Funktion ausübt, ohne allerdings rational oder sprachlich in der Lage zu sein, diese dienende Funktion der Tötung in klaren Tatbestandsmerkmalen zu fassen. Daß die Tötung nur das Mittel zu irgend einem Zweck sein sollte, erschien dem Gesetzgeber eben als so verwerflich, daß er seine Verachtung fi1r die Tat und den Täter durch eine erhöhte Strafe zum Ausdruck brachte. Auch dies ist natürlich nur eine Vermutung. Ob diese Überlegungen allerdings genügen, um die Entstehung der Zusammenhangstötung bzw. ihrer späteren Nachfolger, die Begehungs-, Vereitelungs- und Verdeckungstötung in so vielen Strafgesetzbüchern erklären zu können, ist fraglich. Tatsache ist jedenfalls, daß die Qualifizierung einer Tötung, die im Zusammenhang mit anderen Straftaten steht, wohl einem tiefen Bedürfnis der Gesetzgeber entspringt. Anders ist es kaum zu erklären, daß sich dieses Phänomen seit nunmehr über 200 Jahren in der Gesetzgebung zahlreicher Nationalstaaten erhalten hat. Auch der Umstand, daß der Code Penal, insbesondere in der Fassung, die er 1810 erhielt, zahlreiche europäische Strafgesetze, die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts entstanden, erheblich beeinflußt hat, kann nur bedingt als Ursache für ein Phänomen herangezogen werden, daß noch am Ende des 20. Jahrhunderts wirksam ist.

4Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145 spricht in diesem Zusammenhang von einer für eine gerechte Strafgesetzgebung nicht gerade günstigen Zeit.

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Teil I: Ausländische Strafrechte

2. Die Tötung im Zusammenhang mit einem anderen Verbrechen

Der Totschlag wird zum Mord, wenn die Tötung einem anderen Verbrechen vorausgegangen ist, dasselbe begleitet hat oder ihm nachgefolgt ist. Der Code Penal verlangt hierfür lediglich einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Tötung und Straftat. Das Gesetz gibt allerdings keine Auskunft darliber, wie eng dieser zeitliche Zusammenhang sein muß. Ist eine Art von Idealkonkurrenz oder Fortsetzungszusammenhang zwischen Tötung und Straftat erforderlich oder genügt auch Realkonkurrenz? Und wenn letzteres der Fall sein sollte, wie lange dürfen die Taten zeitlich auseinander liegen, damit noch ein Mord gegeben ist: mehrere Minuten, Stunden, Tage oder gar noch längere Zeiträume? Die Entscheidung hierüber hat der Gesetzgeber offensichtlich in das freie Ermessen des Gerichts gestellt. So konnte nach dem Code Penal ein Täter wegen Mordes bestraft werden, weil er die Tat mit einer Waffe ausführte, deren Besitz das Gesetz verbot oder die der Täter geraume Zeit zuvor in unrechtmäßiger Weise erworben hatte. Der sehr weite Ermessensspielraum, den das Gesetz den Gerichten (deren richterliche Unabhängigkeit weder rechtlich, noch praktisch gesichert war) eröffnete, konnte natürlich in allen erdenklichen Fällen zu einer staatlichen Willkürjustiz mißbraucht werden. Dies würde wieder für einen eher politischen Charakter der Vorschrift sprechen. Bei unliebsamen Personen kann man den zeitlichen Zusammenhang zwischen Tötung und Straftat großzügig auslegen und gelangt so zu dem gewünschten Todesurteil. Die Zusammenhangstötung des Code Penal umfaßt alle Fälle der Begehungs- und der Verdeckungstötung des § 211 StGB. Denn auch diese Tötungen sind vor, während oder nach einer Straftat begangen worden. Allerdings geht der Code Penal noch weiter als § 2 I I StGB. Er erfaßt auch Tötungen, die eher zufällig, bei Gelegenheit oder anläßlich einer anderen Straftat begangen werden. So begeht der Täter nach dem Gesetzeswortlaut einen Mord, wenn er z.B. bei einem Diebstahl eine andere Person tötet, und zwar aus Motiven, die nichts mit der Straftat zu tun haben, wie z.B. persönlicher Haß gegenüber dem Opfer oder einer anderen zufällig anwesenden Person. Auch dies würde für einen politischen Charakter der Zusammenhangstötung sprechen. Da zwischen Straftat und Tötung kein sachlicher Zusammenhang bestehen mußte, dürfte es den damaligen Machthabern nicht schwer gefallen sein, politischen Gegnern den Totschlag oder die andere Straftat oder sogarbeide Taten zu unterstellen, um auf diese Weise deren Hinrichtung zu legitimieren. Die Tötung wird zum Mord, wenn sie im Zusammenhang mit einem Verbrechen steht. Der Code Penal 1791 nimmt eine Dreiteilung der Straftaten

B. Die kontinental-europäischen Strafgesetze

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vor, nämlich in Übertretungen (contravention), Vergehen (demt) und Verbrechen (crime), ohne allerdings diese Begriffe zu definieren. Vielmehr geht der Gesetzgeber von 1791 davon aus, daß sie in Rechtsprechung und Literatur bekannt sind. Ohne näher auf die Einteilung der Straftaten nach dem französischen Recht einzugehen, kann man sagen, daß unter Verbrechen die schweren Delikte zu verstehen sind, die erhebliche Bestrafungen nach sich ziehen, während es sich bei den Vergehen und Übertretungen um die milder bestraften Delikte handelt. Allerdings muß dabei beachtet werden, daß in den früheren Jahrhunderten der Begriff des Verbrechens weitaus großzügiger gesehen wurde als heute. Praktisch alle heute noch bekannten Straftaten sind - gemessen am Code Penal 1791 - Verbrechen. Unter Vergehen und Übertretungen sind daher nur absolute Bagatellstraftaten (z.B. Beleidigung), Ordnungswidrigkeiten oder Verhaltensweisen, die heutzutage überhaupt nicht mehr sanktioniert werden, zu verstehen. Tatsache ist jedenfalls, daß im Code Penal 1791 mit der Beschränkung der Zusammenhangstötung auf Verbrechen ein seltsamer Wertungswiderspruch in der Gesetzgebung begonnen hat, den man in praktisch allen nationalen Regelungen der Begehungs-, Vereitelungs- und Verdeckungstötung antrifft: Dient die Straftat der Begehung oder Verdeckung eines Verbrechens, wird die Tötung qualifiziert, dient sie aber der Begehung einer verhältnismäßig harmlosen Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit, tritt die Qualifizierung nicht ein. Daß ausgerechnet nur die Täter relativ gefiihrlicher Straftaten im Falle einer hinzutretenden Tötung schärfer sanktioniert werden, während diejenigen, die zur Vermeidung von Bagatellstraftaten bereits töten, nur den einfachen Fall einer vorsätzlichen Tötung begehen, kann rational kaum erklärt werden. Wären Verwerflichkeit des Motivs oder Gefiihrlichkeit des Täters Grund für die Strafschärfung, mUßte es doch eher umgekehrt sein. Nimmt man die Gefährlichkeit des Täters als Maßstab, muß festgestellt werden, daß die Tötung aus einem geringen Anlaß nicht selten ein Indiz für die besondere Brutalität und Rücksichtslosigkeit und damit letztlich Gefiihrlichkeit des Täters ist. Hingegen handelt der Täter, der zur Vermeidung einer schweren Strafe tötet, meist nur aus Angst. Dessen Grunde erscheinen noch einleuchtend und er stellt damit - zumindest in Grenzen - die berechenbarere Persönlichkeit dar. Betrachtet man dagegen die Verwerflichkeit des Motivs als Grund für die Strafschärfung des Mordes gegenüber dem Totschlag, so erscheint die Ausklammerung der Bagatellkriminalität als mögliches Verdeckungsobjekt ebenfalls nicht überzeugend. Denn die Absicht, ein Menschenleben zu opfern, um eine Minimalstrafe zu vermeiden, kann auf keinen Fall moralisch respektabler sein als das Motiv, eine mehr oder weniger schwere Strafe zu vermeiden.

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3. Der Code Penal von 1810/1811 Noch während der Konsulatszeit begannen die Arbeiten an einem neuen Strafgesetzbuch, die zur Zeit des Kaiserreiches im Jahre 1810 abgeschlossen wurden. Der neue Code Penal trat schließlich am l. Januar 1811 in Kraft. Im Code Penal 1810 finden sich die vorsätzlichen Tötungsdelikte in den Art. 295 ff. Der Dualismus von Mord und Totschlag ist beibehalten worden. Mord (assassinat) ist die mit Vorbedacht (premeditation) oder aus dem Hinterhalt (guet-apens) begangene vorsätzliche Tötung. Das Gesetz hebt einige Spezialfalle als eigene Tatbestände hervor: Es sind das der Eltern-Mord (Art. 296, Tötung begangen an den Eltern oder anderen Verwandten in aufsteigender Linie), der Kindes-Mord (Art. 300, begangen an einem neugeborenen Kind) sowie den Giftmord. Im Strafmaß bestehen zwischen diesen Mordarten keine Unterschiede. Sie werden alle absolut mit der Todesstrafe bedroht. Totschlag (meurtre) ist jede andere vorsätzliche Tötung und wird mit lebenslänglicher Zwangsarbeit bestraft (Art. 304 Abs. 2). Nach Art. 304 Abs. 1 wird der Totschlag (wie Mord) mit dem Tod bestraft, wenn er einem anderen Verbrechen oder Vergehen vorausging, damit verbunden war oder darauf folgte. Die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat ist also im Code Penal 1810 nunmehr auch auf Vergehen ausgedehnt worden (Übertretungen sind nach wie vor ausgeklammert). Die Ausdehnung der Zusammenhangstötung auch auf Vergehen stellt gegenüber der alten Regelung im Code Penal von 1791 sicher die konsequentere Lösung dar. In der Praxis bedeutet sie aber im Ergebnis eine Strafverschärfung. Dies wiederum läßt auf einen politischen Charakter des Art. 304 Abs. 1 schließen. Man benötigte für die Qualifizierung des Totschlags nur noch eine verhältnismäßig geringfügige Straftat. Eine solche Bagatellstraftat konnte zur Not sicher leicht dem Angeklagten unterstellt werden. Ebenfalls dürfte es nicht schwer gefallen sein, einem unschuldigen Angeklagten auch noch die Tötung unberechtigter Weise anzulasten. Dogmatisch gesehen ist die Zusammenhangstötung im Code Penal 1810 nicht mehr ein Fall des Mordes. Sie wird vom Gesetzgeber nunmehr als eine Quaiifikation des Totschlags betrachtet, was schon durch die geänderte Wortwahl (meurtre statt assassinat) deutlich wird. In der Anwendungspraxis dürfte dies allerdings keine Rolle gespielt haben, weil der qualifizierte Totschlag nicht anders bestraft wird als der Mord. Der Grund für diese dogmatische Umkonstruktion kann vielleicht in dem Umstand erblickt werden, daß beim Gesetzgeber und in der rechtswissenschaftliche Literatur sich die Ansicht durchzusetzen begann, daß ein Mord nur dann vorliegen könne, wenn der

B. Die kontinental-europäischen Strafgesetze

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Täter mit Vorbedacht (bzw. Überlegung) handelte. Eine nicht mit Vorbedacht begangene Tötung als Mord zu bezeichnen, empfand m'an vielleicht als systemfremd. s

4, Die Novelle von 1832 Im Laufe der Jahre nahm in der rechtswissenschaftliehen Literatur die Kritik an der Regelung des Art. 304 Abs. I zu. Die Vorschrift sei unzweckmäßig und ungerecht. 6 Als besonders hart wurde dabei der Umstand empfunden, daß jede Straftat, die der Tötung zeitlich vorgelagert war, diese qualifiziere. Denn ein schwerer Fall des Totschlags lag schon dann vor, wenn der Täter die Tötung mit einer verbotenen Waffe ausführte. Es setzte sich mehr und meJrr die Auffassung durch, daß die eigentlich für den Mord vorgesehene Todesstrafe bei einem Totschlag in Verbindung mit einer anderen Straftat nur dann angemessen sei, wenn zwischen dieser Straftat und der Tötung ein gewisser innerer Zusammenhang besteht. 7 Während der Revision des Code Penal im Jahre 1832 war auch die Regierung der Ansicht, daß Art. 304 Abs. 1 geändert werden müsse. In der Pairskammer setzte man sieh mit dieser Frage ebenfalls auseinander. Die AnsiChten waren jedoch geteilt. Die Befürworter einer Änderung betonten die Notwendigkeit eines wie auch immer gearteten Sachzusammenhangs zwischen Tötung und Straftat, wenn die eigentlich nur für den Mord bestimmte Todesstrafe verhängt werden sollte. Die Gegner wendeten ein, daß in einem Strafprozeß die Geschworenen überfordert sein könnten, über das Vorhandensein vielleicht kaum erkennbarer Beziehungen zwischen der Tötung und der anderen Straftat zu entscheiden. Bald setzte sich in den Beratungen jedoch die Ansicht durch, daß das Gesetz jedenfalls dort zu hart sei, wo es für die Tötung im Zusammenhang mit einem Vergehen die Todesstrafe androhte (ein, wie bereits erwähnt, nicht unbedingt als konsequent zu bezeichnender Gedankengang). Auf die Bemerkung des Abgeordneten Decazes hin, daß die Todesstrafe eigentlich nur dort gereChtfertigt sei, wo eine Handlung, in welcher eine große "perversite" liege, mit der Tötung zusammentreffe, einigte man sich schließlich darauf, eine Unterscheidung zwischen dem Zusammentreffen 5In vielen nationalen Strafgesetzbüchern, die im vorigen Jahrhundert entstanden sind, werden an Hand dieser beiden Kriterien (Vorbedacht und Überlegung) Mord und Totschlag geschieden. Nicht wenige Strafgesetzbücher differenzieren auf diese Weise auch heute noch zwischen einer schweren und einer leichten Form der vorsätzlichen Tötung (wenn auch neben den Merkmalen Vorbedacht und Überlegung meist noch andere verwendet werden). 6Siehe hierzu die Literaturhinweise bei Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, 146 Fn. 1. 7Siehe hierzu Mittermaier, GA 3 (1855), S, 145, 146.

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Teil I: Ausländische Strafrechte

der Tötung mit einem Verbrechen und dem mit einem Vergehen zu machen." Hinsichtlich der Verbrechen blieb es bei der alten Regelung, wonach schon das zuflillige Zusammentreffen von Tötung und anderer Straftat die Todesstrafe auslösen sollte. Sofern der Täter neben der Tötung aber nur ein Vergehen (delit) begangen hatte, war die Tat erst dann qualifiziert, wenn er mit der Tötung den Zweck verfolgte, das Vergehen vorzubereiten, zu erleichtern, zu ermöglichen oder seine Flucht oder seine Straflosigkeit (bzw. die eines Teilnehmers) zu ermöglichen. Noch vorhandene Härten des neuen Art. 304 Code Penal glaubte der Gesetzgeber dadurch vermeiden zu können, daß den Geschworenen nach dem französischen Strafprozeßrecht generell die Befugnis eingeräumt war, bei ihrem Schuldspruch im Einzelfall Milderungsgründe zu berücksichtigen, die es erlaubten, auch unterhalb der gesetzlichen Strafe zu bleiben: Die Aufnahme des neuen Art. 304 in der Literatur kann dennoch nur als kritisch bezeichnet werden. Auch die neue Vorschrift sei von empörender Härte. Hauptübel sei ihr generalisierender Charakter, der zwangsläufig zu irrigen und ungerechten Folgerungen führen müsse. IO Trotz dieser harrschen Kritik ist die Vorschrift bis auf den heutigen Tag nicht mehr geändert worden. Mit der Reform des Code Penal von 1832 schlug die eigentliche Geburtsstunde der Verdeckungstötung. Während bis dahin fast jede Straftat in Verbindung mit einer Tötung die Qualifizierung auslösen konnte (und, sofern es sich um ein Verbrechen handelt, dies auch heute noch kann), stellte der französische Gesetzgeber nunmehr auf die Motivationslage des Täters ab. Erst wenn die Tötung von dem Täter als Mittel zur Erreichung bestimmter Zwekke eingesetzt wurde, griff die Qualifikation ein. Als Tatmotive kommen in Betracht: die Vorbereitung, Erleichterung oder Ermöglichung einer Straftat, also ihre Durchführung, und die Sicherung der Flucht oder der sonstigen Straflosigkeit des Täters oder der Teilnehmer. Der französische Gesetzgeber von 1832 betont im Gegensatz zum deutschen Gesetzgeber weniger das Verheimlichen der Tat als mehr die Ermöglichung der Flucht und Straflosigkeit des Täters bzw. seiner Komplizen. Damit ist der französische Gesetzgeber im Gegensatz zum deutschen Gesetzgeber sogar den konsequenteren Weg gegangen. Der Täter wird die Straftat nie um ihrer selbst willen verdecken wollen. Er wird mit der Verdeckung stets das Ziel verfolgen, seine Flucht oder seine Straflosigkeit (bzw. die anderer Teilnehmer) zu ermöglichen. Der deutsche 8Siehe auch die Darstellung der Beratungen bei Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, 149. 'Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, 146. IOVgl. hierzu die Nachweise bei Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, 147, Fn. 3,4.

B. Die kontinental-europäischen Strafgesetze

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Gesetzgeber hingegen betrachtet die Tötung nur dann als erschwert, wenn sie zur Verdeckung einer Straftat erfolgt. Will oder kann der Täter die Straftat nicht verdecken, weil z.B. schon zu viele Personen vom Geschehen erfahren haben, und handelt er nur noch, um seine Flucht oder sonstige Straflosigkeit zu ermöglichen, wird die Tat zumindest nicht mehr als Verdeckungstötung qualifiziert. Warum aber der erkannte Straftäter, der durch ein großes Polizeiaufgebot verfolgt wird und dabei gleich mehrere seiner Flucht hinderliche Polizeibeamte tötet, milder bestraft werden soll als der noch unerkannte Straftäter, der den einzigen Tatzeugen tötet, ist nur schwer einzusehen. Weder die Verwerflichkeit der Verdeckungstötung (falls man überhaupt moralische Kriterien als Maßstab für die Unterscheidung von Mord und Totschlag heranzieht), noch die Gefährlichkeit des Verdeckungsmörders rechtfertigen die Ungleichbeandlung gegenüber jenem Täter, der sich nur noch "freischießen" will. 11. Italien

1. Die italienischen Partikularstaaten

Die Strafgesetzbücher einer ganzen Reihe von Partikularstaaten waren es, die dem Code Penal 1810 als erstes folgten und die Tötung in Verbindung mit einer anderen Strafe als qualifizierten Totschlag bzw. Mord betrachten. Hierhin gehört das Neapolitanische Gesetzbuch von 1819, daß in Art. 352 die Todesstrafe androht, wenn der Totschlag zum Zwecke der Erleichterung eines Vergehens oder Verbrechens, der Vernichtung eines Beweisstückes einer solchen Tat oder zur Herbeiführung der Straflosigkeit des Täters ausgeführt worden ist. 11 Das Strafgesetzbuch von Parma aus dem Jahre 1819 qualifiziert in Art. 312 den Totschlag, wenn er die unmittelbare Folge eines anderen Verbrechens ist oder der Widersetzung der Festnahme dient. 12 Zu nennen ist hier auch noch das Gesetzbuch von Piemont aus dem Jahre 1839, das in Art. 379 den Totschlag mit dem Tod bedroht, wenn er den Zweck hat, ein Verbrechen vorzubereiten, zu bewirken oder zu erleichtern oder um die Flucht oder die Straflosigkeit der Täter und Teilnehmer von Verbrechen und Vergehen zu sichern. 11 In Anbetracht der engen zeitlichen Nähe zum Code Penal 1810 und der Tatsache, daß die genannten Gesetzbücher eigentlich nur mehr oder weniger wörtliche Übersetzungen dieses Gesetzes sind, darf vermutet werden, daß es IIZit. n. Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, Fn. 3. 12Zit. n. Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, Fn. 3. 13Zit. n. Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, Fn. 3. 2 Weiß

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Teil I: Ausländische Strafrechte

sich bei den dort geregelten Vereitelungstötungen nur um unreflektierte Übernahmen aus dem französischen Recht handelt und sie nicht etwa das Ergebnis eigener Erkenntnisse oder Überlegungen darstellen. Das toskanische Strafgesetzbuch von 1853 versteht unter Mord die mit Vorbedacht ausgeführte Tötung, alle anderen vorsätzlichen Tötungen werden grundsätzlich als Totschlag geahndet. Nach Art. 309 Nr. 3 des Gesetzes ist eine Tötung aber auch dann als mit Vorbedacht verübt zu betrachten, wenn sie eingesetzt wurde als Mittel der Notzucht oder des Diebstahls oder um die Straflosigkeit wegen eines dieser Verbrechen zu sichern. 14 Wie viele andere Strafgesetzbücher betont auch das toskanische weniger die Absicht des Täters, seine Straftat zu verdecken, sondern vielmehr die Absicht, die Straflosigkeit zu sichern. Es weist allerdings in zweifacher Hinsicht Eigentümlichkeiten auf, die es von anderen Regelungen der Verdeckungs- oder Vereitelungstötung unterscheiden. So wird hinsichtlich der in Art. 309 Nr. 3 genannten Tötungsarten unwiderlegbar vermutet, daß sie mit Prämeditation ausgeftihrt wurden. Praktisch sind sie damit zum Mord qualifiziert worden, denn dieser ist nach dem toskanischen Strafgesetzbuch die mit Vorbedacht ausgeftihrte Tötung. ls Bemerkenswert ist dabei die Art und Weise, wie der Gesetzgeber bei der Qualifizierung vorgeht. Er bezeichnet die Begehungs- und Vereitelungstötung nicht unmittelbar als Mord (was der einfachste Weg gewesen wäre), sondern schlägt dabei einen mittelbaren Weg ein: Es wird zu Lasten des Täters unterstellt, daß die genannten Tötungen stets mit Vorbedacht ausgeftihrt worden sind. Warum der toskanische Gesetzgeber diese verhältnismäßig komplizierte Lösung einer Qualifizierung gewählt hat, die zudem auch nicht immer richtig ist, bedenkt man, daß viele Fälle der "spontanen" Vereitelungstötung sicher nicht im voraus geplant waren, kann heute nur vermutet werden. Vielleicht war es der bereits erwähnte "dogmatische" Zwang, wonach Mord, geradezu als "naturgesetzlieh" nur mit Prämeditation begangen werden kann. Der toskanische Gesetzgeber, der auf der einen Seite alle mit Begehungs- und Vereitelungsabsicht begangenen Tötungen als Mord bestraft wissen wollte, andererseits aber keine Möglichkeit sah, von der oben beschriebenen Betrachtungsweise des Mordes abzuweichen, erklärte kurzerhand alle mit Begehungsund Vereitelungsabsicht begangenen Tötungen als mit Prämeditation ausgeftihrt. 14Zit. n. P. Mayer, S. 10. ISDagegen wird von vielen anderen Strafgesetzbüchern - sofern sie sprachlich zwischen Totschlag und Mord unterscheiden - die Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung als qualifizierter Totschlag betrachtet, wie z.B. von § 214 Reichsstrafgesetzbuch.

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Eine weitere Besonderheit des toskanischen Strafgesetzbuchs ist in dem Umstand zu erblicken, daß eine Vereitelungstötung nur hinsichtlich zweier bestimmter Straftaten möglich ist, nämlich Diebstahl und Notzucht. Die Tötung zur Vermeidung einer Bestrafung wegen anderer Delikte wird nicht als prämeditierte Tötung und damit als Mord betrachtet. Was den toskanischen Gesetzgeber dazu bewogen haben könnte, gerade den Diebstahl und die Notzucht hervorzuheben, kann heute ebenfalls nur noch vermutet werden. Vielleicht waren es aktuelle Probleme, etwa dergestalt, daß die genannten Straftaten und damit in Zusammenhang stehende Vereitelungstötungen überhand nahmen und der Gesetzgeber sich, um die Abschreckung zu erhöhen, zu einem entsprechenden Eingreifen veraniaßt sah. Das toskanische Strafgesetzbuch gehört zu den wenigen Strafgesetzbüchern des 19. Jahrhunderts, die nie die Todesstrafe kannten. 16 Insofern dürfte die dortige Regelung der Vereitelungstötung in der Praxis nicht die Schärfe erlangt haben, wie dies in anderen Staaten der Fall gewesen ist.

2. Das Strafrecht nach der Staatsgründung Das Strafgesetzbuch (Codice Penale) vom 30. Juni 1889 war das erste für den Gesamtstaat Italien geltende Strafrechtswerk. Es regelt die Bestrafung der vorsätzlichen Tötungen in den Art. 364 ff. Der Codice trifft begrifflich keine Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag. Vielmehr spricht das Gesetz einheitlich von Tötung (omicidio). Art. 364 regelt den Grundfall der Tötung: wer vorsätzlich den Tod einer Person verursacht, wird mit Einschließung von achtzehn bis einundzwanzig Jahren bestraft. Art. 365 und 366 beinhalten Qualifizierungen der Tötung. In ihrer Kasuistik erinnern diese Tatbestände, insbesondere der der schwersten Tötung in Art. 366, an die Mordqualifikationsmerkmale in § 211 StGB. Gemäß Art. 365 ist der Täter mit Einschließung von 22 bis 24 Jahren zu bestrafen, wenn er - die Tat an dem Ehegatten, Geschwistern, Adoptiveltern oder -kindern oder in gerader Linie verschwägerten Personen begangen hat, - ein Mitglied des Parlaments oder einen Beamten anläßlich einer dienstlichen Handlung getötet hat, - unter Zuhilfenahme giftiger Substanzen handelte.

16Zit. n. P. Mayer, S. 10. 2"

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Teil I: Ausländische Strafrechte

Auf die schwerste Strafe - nämlich Freiheitsstrafe bei gleicher Länge wie in Art. 364, jedoch im Zuchthaus - ist gemäß Art. 366 zu erkennen, wenn der Täter - einen Verwandten in auf- oder absteigender Linie getötet hat, - mit Vorbedacht handelte, - aus brutaler Ruchlosigkeit oder mit schwerer Grausamkeit die Tat beging, - mittels Brandstiftung, Überschwemmung oder Versenkung eines Schiffes handelte, - die Tat beging, um eine andere strafbare Handlung vorzubereiten, zu erleichtern oder auszufiihren, unabhängig davon, ob diese letztlich stattgefunden hat oder nicht, - unmittelbar nach der Begehung einer anderen strafbaren Handlung tötete, um den Gewinn aus derselben in Sicherheit zu bringen, um die Straftat zu verbergen, ihre Spuren oder Beweise zu unterdrücken oder um die eigene oder die Bestrafung anderer wegen dieser Tat zu verhindern. Der italienische Gesetzgeber hat sich - ähnlich wie der schweizerische und deutsche Gesetzgeber einige Jahrzehnte später - dazu entschieden, den schwersten Fall einer Tötung dann anzunehmen, wenn der Täter auf Grund einer bestimmten Gesinnung handelte oder die Tat in einer besonders gefährlichen oder hinterhältigen Art und Weise ausfiihrte. Allerdings wurde daneben der Vorbedacht (bzw. die Überlegung) als ein die Tötung qualifizierendes Merkmal beibehalten. Zu den Merkmalen, die eine vorsätzliche Tötung zur schwersten Form qualifizieren, zählt das italienische Strafgesetzbuch einen Tatbestand, der alle Fälle der Verdeckungstötung nach dem deutschen Strafgesetzbuch sowie auch alle Fälle der Vereitelungstötung (wie sie Z.B. durch § 214 Reichsstrafgesetzbuch geregelt wurde) erfaßt. Wörtlich heißt es in Art. 366: "Zuchthaus kommt zur Anwendung, wenn das in Art. 364 vorgesehene Verbrechen (die vorsätzliche Tötung, Anm. d. Verf.) begangen ist: 6. unmittelbar nach Begehung einer anderen strafbaren Handlung, um den Gewinn aus derselben in Sicherheit zu bringen oder weil das vorgesteckte Ziel nicht erreichbar war oder aber zum Zwecke der Verbergung der strafbaren Handlung oder Unterdrückung ihrer Spuren oder Beweise oder zum Zwecke der Sicherung sonstiger Straflosigkeit für sich oder andere.,,'7

Art. 366 Nr. 6 enthält also eine etwas schwerflUlige Umschreibung der Verdeckungsabsicht ("zum Zwecke der Verbergung der strafbaren Handlung "Übersetzung nach A. Teichmann, Das italienische Strafgesetzbuch vom 30. Juni 1889, Berlin 1890.

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oder Unterdrückung ihrer Spuren oder Beweise"). Darüber hinaus werden, wie in vielen nationalen Strafgesetzbüchern, auch die Fälle erfaßt, in denen der Täter die Straftat gar nicht mehr verdecken kann, weil er bereits erkannt ist, sondern nur noch fliehen will ("zum Zwecke der Sicherung sonstiger Straflosigkeit für sich oder andere"). Dem italienischen Gesetzgeber muß dabei durchaus klar gewesen sein, daß hier in der Regel ein Affekttäter handelt, denn zuvor hat er in Art. 366 Nr. 2 die Tötung mit Vorbedacht ausdrücklich erwähnt. Man war also bemüht, die Verdeckungstötung auf jeden Fall als besonders schwere Tötung zu erfassen, und zwar auch dann, wenn der Täter lediglich affektiv handelt. Der italienische Gesetzgeber erfaßt sowohl die Fremdbegünstigung wie die Selbstbegünstigung. Von der Qualifizierung bedroht ist aber nur der auf frischer Tat betroffene Täter ("unmittelbar nach Begehung einer anderen strafbaren Handlung"). Insoweit unterscheidet sich die italienische Form der Verdeckungstötung von der deutschen. In der Praxis dürften allerdings die Unterschiede zwischen diesen beiden Formen der Verdeckungstötung sehr gering sein. Zumindest in den vom BGH entschiedenen Fällen zur Verdeckungstötung ging es stets um einen auf frischer Tat betroffenen Täter. Das italienische Strafgesetzbuch vom 19. Oktober 1930 hat die Systematik der Tötungsdelikte etwas verändert. Auch das neue Strafgesetzbuch differenziert sprachlich nicht zwischen den Tötungsdelikten, sondern spricht einheitlich wieder nur von Tötung. Grundfall bleibt weiterhin die nunmehr in Art. 575 geregelte einfache vorsätzliche Tötung, die mit Gefängnis nicht unter 21 Jahren bestraft wird. In den Art. 576 und 577 Abs. I werden erschwerende Umstände genannt, die, wenn sie bei einer vorsätzlichen Tötung gegeben sind, das Gericht verpflichten, ausschließlich auf die Todesstrafe zu erkennen. Zu diesem Katalog der erschwerenden Umstände gehört nach wie vor der Vorbedacht (Art. 577 Abs. 1 Nr. 3). Andere erschwerende Umstände sind die Tötung eines Verwandten auf- oder absteigender Linie (Art. 577 Abs. 1 Nr. 1) oder die Ausführung der Tat mittels Gift oder eines anderen hinterhältigen Mittels (Art. 577 Abs. 1 Nr. 2). Daneben enthält Art. 576 eine gegenüber dem Strafgesetzbuch von 1889 etwas kompliziertere und mit anderen Vorschriften verschachtelte Regelung der Verdeckungstötung. Nach Art. 576 Abs. 1 Nr. 1 liegt ein Fall der qualifizierten Tötung vor, wenn die Tat unter den in Art. 61 Nr. 2 genannten Umständen ausgeführt worden ist. Art. 61 ist eine Vorschrift des Allgemeinen Teils, die strafverschärfende Umstände nennt. Wird eine Straftat unter den in Art. 61 genannten Umständen begangen, so erhöht sich das vom Gesetz hierfür angedrohte Strafmaß in einem bestimmten Umfang. Gern. Art. 61 Nr. 2 ist bei einer

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Teil I: Ausländische Strafrechte

Straftat erschwerend zu berücksichtigen, wenn sie begangen worden ist, um eine andere strafbare Handlung auszufUhren oder zu verdecken. Der italienische Gesetzgeber betrachtet also die Verdeckungsabsicht als so verwerflich oder gefährlich, daß ihr Vorliegen bei jeder Straftat (also nicht nur der vorsätzlichen Tötung) zu einer Strafverschärfung fUhrt. Trifft die in Art. 61 Nr. 2 genannte Verdeckungsabsicht mit einer vorsätzlichen Tötung zusammen, ist gern. Art. 576 Abs. 1 Nr. 2 die Todesstrafe die einzig zulässige Strafe. Die Vereitelungstötung findet sich in Art. 576 Abs. 1 Nr. 3. Danach ist ebenfalls auf Todesstrafe zu erkennen, wenn die Tötung durch einen Flüchtigen erfolgte, der sich auf diese Weise der Festnahme, einem Haftbefehl oder dem Strafantritt zu entziehen suchte. An der 1930 getroffenen Regelung der Tötungsdelikte hat der italienische Gesetzgeber bis heute im Prinzip festgehalten. Lediglich das Strafmaß wurde reduziert (insbesondere bei den schweren Formen der vorsätzlichen Tötung wurde die Todesstrafe durch eine lebenslange Freiheitsstrafe ersetzt). Letztlich kann aber festgestellt werden, daß auch der modeme italienische Gesetzgeber nach wie vor die erhöhte Strafbarkeit der Verdeckungstötung und· der Vereitelungstötung betont. III. Schweiz

Von nicht geringer Bedeutung für die Entstehung des § 211 Abs. 2 StGB und seiner Mordqualifikationsmerkmale ist die Strafrechtsentwicklung in der benachbarten Schweiz. 1. Vorgeschichte

Bis weit in unser Jahrhundert hinein oblag die Strafgesetzgebung in der Schweiz den einzelnen Kantonen. Erst im Jahre 1937 erhielt die Schweiz ein bundeseinheitliches Strafgesetzbuch, welches am 1. Januar 1942 in Kraft trat. Bis dahin galten die Strafgesetzbücher bzw. Strafgesetze der einzelnen Kantone. Die Gesetzgebungsbefugnis der Kantone im Bereich des Strafrechts fUhrte naturgemäß zu einer Rechtszersplitterung, die zunehmend als belastend empfunden wurde. Im Jahre 1898 gelang es schließlich, die schweizerische Verfassung dahingehend zu ändern, daß nunmehr dem Bund das Gesetzgebungsrecht im Strafrecht einschließlich dem Strafprozeßrecht zustand. 18 18Hafter, S. 18.

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Die Arbeiten an einem Bundes-Strafgesetzbuch begannen aber bereits 1888, als der Bundesrat Carl Stooß (1849-1934), damals Professor in Bem, mit dem Entwurf eines entsprechenden Gesetzeswerks beauftragte. Im Jahre 1893 legte er zunächst den Vorentwurf eines Allgemeinen Teils und 1894 den vollständigen Entwurf eines Strafgesetzbuchs vor. Dieser Entwurf zu einem Strafgesetzbuch war in den nächsten Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher Beratungen diverser vom Justizdepartment eingesetzter Expertenkommissionen. Insgesamt zogen sich die Arbeiten bis 1937 hin. Der letztgültige Entwurf wurde schließlich am 21. Dezember 1937 vom Parlament genehmigt und schließlich in der Volksabstimmung vom 3. Juli 1938 als das neue schweizerische Strafgesetzbuch angenommen. Nach einer Übergangszeit von fast vier Jahren trat das Gesetz am 1. Januar 1942 in Kraft. 19

2. Die schweizerischen Partikulargesetzbücher a) Waadt Der Code Penal für den Kanton Waadeo regelt die Tötungsdelikte in den Art. 211 ff. Das Gesetz differenziert sprachlich nicht zwischen den einzelnen Tötungsdelikten, sondern spricht einheitlich von Tötung (mort). Grundfall ist die einfache vorsätzliche Tötung ohne zusätzliche Voraussetzungen in Art. 211 Abs. 1. Sie wird mit Freiheitsenzug von zwölf bis dreißig Jahren bestraft. Liegt ein Rückfall vor und ist die Tat als verwerflich einzustufen, kann auch die Todesstrafe verhängt werden (Art. 211 Abs. 2). Art. 212 zählt Tatbestände auf, bei deren Vorliegen die Tötung qualifiziert ist und mit dem Tod bestraft werden muß. Ein schwerer Fall der Tötung liegt demnach vor, wenn die Tat mit Vorbedacht oder mittels Gift ausgeführt wurde oder sich gegen den Ehegatten, den Bruder, die Schwester oder einen Verwandten aufsteigender Linie richtete. Des weiteren ist die Tat qualifiziert, wenn ein Polizeibeamter in Ausführung seiner Dienstverpflichtungen ihr Opfer war. Diese letzte Qualifikation ist im Ergebnis nichts anderes als ein Spezialfall der Begehungs- und Vereitelungstötung, die man in einer ganzen Reihe von nationalen Strafgesetzbüchern wiederfindet. Sie soll daher nicht unerwähnt bleiben. Ein Polizeibeamter, der im Rahmen seines Amtes getötet worden ist, wird sich zuvor meist in einer Situation befunden haben, in der er versuchte, 19Zur Entstehungsgeschichte des schweizerischen Strafgesetzbuches siehe auch Hafter, S. 19 f. 2°Zit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 611 f.

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Teil I: Ausländische Strafrechte

eine Straftat zu verhindern oder die Teilnehmer einer solchen Straftat zu verhaften. Der Täter der Tötung wird in der Regel einer dieser Teilnehmer gewesen sein. Das mit der Tötung verfolgte Ziel wird die Vollendung der Vortat oder die Verhinderung der Festnahme gewesen sein. Insofern kann man die in vielen Strafgesetzbüchern anzutreffende Qualifizierung der Tötung eines Polizeibeamten (manche Gesetze verwenden auch die allgemeinere Bezeichnung "Amtsträger") tatsächlich als Sonderfl111e der Begehungs- und Vereitelungstötung betrachten. Zugleich wirft diese Qualifikation der Tötung eines Polizeibeamten oder sonstiger Amtsträger auch ein Licht auf die möglichen Motive der einzelnen Gesetzgeber bei der EinfUhrung der Begehungsund Vereitelungstötung. Polizeibeamte geraten naturgemäß am häufigsten in Situationen, in denen sie eine Straftat verhindern oder die Teilnehmer einer solchen Tat festnehmen müssen. Folglich dürften sie auch zu jenen Personen gehören, die am häufigsten Opfer von mit Begehungs- oder Vereitelungsabsicht begangenen Tötungen werden. Möglicherweise haben die nationalen Strafgesetzbücher Qualifizierungen der Begehungs- und Vereitelungstötung deshalb eingefUhrt, um den fUr die innere Sicherheit äußerst wichtigen Polizeiapparat zu schützen. Sie haben sich also vielleicht von der trügerischen Hoffnung leiten lassen, daß diese Qualifizierung potentielle Täter von einem Polizistenmord abschrecken wird. Hinzu kommt wohl auch, daß viele es als eine gewisse Stärkung der staatlichen Autorität empfinden, wenn die Tötung eines Staatsdieners ein schwereres Verbrechen darstellt als die eines einfachen Bürgers. Möglicherweise hat die Qualifizierungen der Begehungs- und Vereitelungstötung ihre Ursachen letztlich in einem sicherheitspolitischen Denken der staatlichen Repräsentanten. b) Graubünden Das Strafgesetzbuch fUr den Kanton Graubünden vom 8. Juli 1851 regelt die vorsätzlichen Tötungsdelikte in den §§ 87 ff. Mord ist die mit Vorbedacht ausgefUhrte Tötung. Sie wird mit dem Tod bedroht (§ 88). Totschlag ist die ohne Vorbedacht, im Affekt begangene Tötung (§ 91) und wird mit Zuchthaus von sechs bis fUnfzehn Jahren bestraft. Der Totschlag wird privilegiert, wenn das Opfer den Täter zuvor durch schwere Beleidigungen zum Zorne gereizt und dieser die Tat auf der Stelle ausgefUhrt hatte. Die Tötung bei Begehung einer anderen Straftat betrachtet das Graubündener Strafgesetzbuch als einen qualifizierten Fall des Totschlags, der im Strafmaß zwischen Mord und einfachem Totschlag angesiedelt ist. Der fragliche § 92 lautet: "Wer zum Behuf der VollfUhrung eines andern Verbrechens oder um sich der Ergreifung über einem Verbrechen zu entziehen, einen Andern, wenn auch

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ohne Vorbedacht, tödtet, soll mit zehnjähriger bis lebenslänglicher Kettenstrafe bestraft werden." Das Graubündener Strafgesetzbuch betrachtet, ähnlich wie § 214 Reichsstrafgesetzbuch, nicht jede Tötung zur Vermeidung einer Bestrafung als qualifizierten Totschlag; vielmehr muß der Täter gehandelt haben, um sich einer konkret bevorstehenden Festnahme zu entziehen. Unter den Tatbestand des § 92 kann daher nicht die Tötung einer Person subsumiert werden, von welcher der Täter lediglich beftirchtet, daß sie in einem späteren Strafverfahren ihn belastende Zeugenaussagen machen könnte. Hierbei handelt es sich jedoch um eine wenig konsequente Beschränkung der Vereitelungstötung. Weder die verwerfliche Gesinnung des Täters, der handelt, um eine konkrete Festnahme zu verhindern, noch seine Gefiihrlichkeit können eine Differenzierung gegenüber einem solchen Täter rechtfertigen, der die Tötung begeht, um einen lästigen Zeugen zu beseitigen. Das eigentliche Tatmotiv, nämlich Straffreiheit, ist bei beiden Tätern gleich. Eine unterschiedliche moralische Bewertung der verfolgten Zwischenziele (einerseits Verhinderung der Festnahme, andererseits Verhinderung einer Zeugenaussage) erscheint daher wenig sinnvoll und angemessen. Auch was die Gefahrlichkeit betrifft, sind beide Täterpersönlichkeiten als gleich einzustufen: sowohl der eine als auch der andere sind bereit, ftir ihre Freiheit ein Menschenleben zu opfern. Die Tötung durch einen Täter, der die konkret bevorstehende Festnahme verhindern will, dürfte mitunter sogar noch die verständlichere Tat sein. Immerhin befindet er sich in einer Situation, in der seine Freiheit von einem Moment zum anderen bedroht ist. Hier wird der psychische Druck zur Tat erheblich größer sein als in einer Situation, in der der Täter lediglich beftirchten muß, erst geraume Zeit später in einem Strafverfahren durch eine Zeugenaussage in Nachteile zu geraten. Damit soll allerdings nicht gesagt sein, daß diejenigen Strafrechts systeme, die nur die Tötung zur Verdeckung .einer Straftat qualifizieren (wie z.B. das deutsche Strafgesetzbuch) und sonstige Vereitelungstötungen außer acht lassen, die konsequentere Lösung darstellen. Daftir ähneln sich die eigentlichen Motive des Täters, der zur Verheimlichung einer Straftat tötet und desjenigen, der sich seinen Weg durch eine Gruppe von Verfolgern lediglich "freischießen" will zu sehr. Hält man das Selbstbegünstigungsmotiv im Zusammenhang mit einer Tötung ftir besonders verwerflich (oder gefiihrlich), so muß man es stets als qualifizierend erfassen und nicht nur in bestimmten Fallkonstellationen. In dieser Hinsicht kann daher sowohl dem deutschen Strafgesetzbuch wie auch dem hier zu erörtenden graubündener Strafgesetzbuch eine gewisse Inkonsequenz vorgeworfen werden Das Graubündener Strafgesetzbuch qualifiziert den Totschlag, wenn der Täter handelt, um sich "der Ergreifung über einem Verbrechen zu entziehen".

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Teil I: Ausländische Strafrechte

Die Wortwahl deutet darauf hin, daß die Vorschrift nur dann eingreift, wenn der auf frischer Tat betroffene Täter tötet, nicht dagegen, wenn seit der Tat ein mehr oder weniger langer Zeitraum vergangen ist und nunmehr die Festnahme droht. Auch bei dieser Differenzierung des graubündener Strafgesetzbuches handelte es sich um eine wenig konsequente Lösung. Es ist weder unter dem Aspekt der Gefahrlichkeit noch dem der Verwerflichkeit recht einzusehen, warum der auf frischer Tat betroffene Täter im Falle einer Vereitelungstötung schwerer zu bestrafen ist als jener, der erst geraume Zeit später in seinem Versteck aufgestört wird und nunmehr tötet, um zu fliehen. Die Vereitelungstötung nach dem Graubündener Strafgesetz scheint vor allem für jene Täter geschaffen worden zu sein, die ohne vorherige Planung die Tötung ausgeführt haben. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 92, der den Umstand, daß die Qualifizierung auch dann eingreifen soll, wenn die Tötung ohne Vorbedacht begangen wurde, ausdrücklich betont. Gegenstand der Vereitelungstötung kann nur ein Verbrechen sein. Ausgeklammert sind damit die Vergehen. Das Graubündener Strafgesetzbuch ist damit jenem seltsamen Wertungswiderspruch im Rahmen der Verdeckungsbzw. Vereitelungstötung erlegen, wonach ausgerechnet der besonders rücksichtslose Täter, der bereits tötet, um eine Bagatellstrafe zu vermeiden, von der Qualifizierung nicht erfaßt werden soll. c) N euenburg Der Code Penal des Kantons Neuenburg (Neuchatel) vom 21. Dezember 1851 21 regelt die Tötungsdelikte in den Art. 155 ff. Diese Vorschriften sind aber nichts anderes als eine wörtliche Übernahme aus dem französischen Code Penal in seiner Fassung von 1832. Lediglich das Strafmaß wurde humanisiert (z.B. statt der Todesstrafe lebenslange Zuchthausstrafe). Im übrigen stimmen aber die Tatbestände wörtlich überein. Der Code Penal Neuenburg enthält daher auch eine dem Art. 304 des französischen Code Penal entsprechende Vorschrift (im Code Penal Neuenburg Art. 160). Die Tötung, die vor, während oder nach einem Verbrechen erfolgt, ist ein qualifizierter Totschlag und wird mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft (Art. 160 Abs. 1). Das gleiche gilt, wenn die Tötung der Vorbereitung oder Durchführung eines Vergehens dient oder die Bestrafung des Täters oder anderer Teilnehmer wegen dieses Deliktes verhindern soll.

21Zit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 613 f.

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Ein Entwurf zu einem neuen Code Penal vom 5. März 188922 sah nicht unerhebliche Änderungen der Tötungsdelikte vor. Nach wie vor ist die mit Vorbedacht begangene Tötung Mord und wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet (Art. 294 Abs. 1). Die Tötung aus dem Hinterhalt ist als Mordmerkmal aufgegeben worden. Dafür ist aber die Tötung, um eine andere Straftat zu begehen oder eine Bestrafung wegen derselben zu verhindern, dem Mord sprachlich ausdrücklich gleichgestellt, d.h. sie wird nicht mehr als qualifizierter Totschlag betrachtet (Art. 294 Abs. 2). Die Qualifizierung des Totschlags bei einem zufälligen Zusammentreffen mit einem anderen Verbrechen ist dagegen aufgegeben worden. Außerdem sieht der Entwurf vor, daß bei Vorliegen nicht weiter präzisierter mildernder Umstände für Mord auch auf zeitige Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren erkannt werden kann (Art. 294 Abs. 3). In der Praxis könnte diese Vorschrift zu einer "Entschärfung" der Vereitelungstötung geführt haben. Obwohl sie nunmehr vom Gesetzgeber ausdrücklich als Mord (assassinat) und nicht mehr bloß als (qualifizierter) Totschlag (meurtre) bezeichnet wird, sind die Gerichte nach dieser Novellierung in der Lage, Fälle der Vereitelungstötung maßvoller als früher zu bestrafen. Hält ein Gericht mildernde Umstände für gegeben, kann es eine zeitige Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren verhängen. Dagegen wurde nach dem alten Recht die Vereitelungstötung zwar "nur" als Totschlag betrachtet, mußte aber stets mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden. Im übrigen hat der Entwurf es bei dem geltenden Recht belassen. Totschlag ist die ohne Vorbedacht begangene Tötung (Art. 295). Die Tat ist privilegiert, wenn der Täter durch eine schwere Beleidigung oder Mißhandlung durch das Opfer in Zorn geraten und auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist (Art. 296). Der Totschlag ist qualifiziert, wenn das Opfer zu den Geschwistern oder Verwandten aufsteigender Linie des Täters gehörte (Art. 297). d) Wallis Der Code Penal des Kantons Wallis (Valais) vom 26. Mai 1858 23 regelt die Tötungsdelikte in den Art. 213 ff. Auch hier handelt es sich um eine fast wörtliche Übernahme aus dem französischen Code Penal in seiner Fassung von 1832. Das Strafmaß des französischen Code Penal ist ebenfalls beibehalten worden. Zu erwähnen ist aber, daß der wallis'sche Gesetzgeber bei dem Totschlag in Verbindung mit einer anderen Straftat (Art. 222) auf eine Parallele zu Art. 304 Abs. 1 französischer Code Penal verzichtet hat, so daß das 22Zit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 626 f. 23Zit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 614 f.

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bloß zufallige Zusammentreffen von Totschlag und Verbrechen keine verschärfte Strafbarkeit begründet. Darur erstreckt sich aber die Begehungs- und Vereitelungstötung nach wallis'schem Recht nicht nur auf Vergehen, sondern auch auf Verbrechen. e) Luzern Das Kriminalgesetz rur den Kanton Luzern vom 29. Wintermonat (November) 186024 regelt die Tötungsdelikte in den §§ 149 ff. Mord ist die mit Überlegung ausgeruhrte Tötung (§ 152). Als Strafe wird absolut die Todesstrafe angedroht, wobei der Gesetzgeber betont, daß es rur die Verhängung der Todesstrafe keine Rolle spielt, ob die Tötung einzeln oder in Verbindung mit einem Verbrechen geschehen ist (§ 153). Totschlag ist die ohne Überlegung ausgeruhrte Tötung (§ 154). Der Luzemer Gesetzgeber verzichtet also ganz bewußt auf eine Qualifizierung der Verdeckungs- oder Vereitelungstötung. f) Freiburg Der Code Penal rur den Kanton Freiburg von 1868 25 regelt die Tötungsdelikte in den Art. 121 ff. Mord ist die mit Vorbedacht (Art. 122) oder mit Gift (Art. 123) ausgeruhrte Tötung. Zu bestrafen sind diese Taten mit dem Tod (Art. 124). Totschlag ist die ohne Überlegung ausgeruhrte Tötung und wird mit Freiheitsstrafe von sechs Jahren bis lebenslänglich geahndet (Art. 127 Abs. 1). Die Tat ist privilegiert, wenn der Täter sich durch eine Mißhandlung seitens des Opfers auf der Stelle zur Tat hat hinreißen lassen. In diesem Fall beträgt das Strafmaß ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe (Art. 128). In mehreren Fällen wird der Totschlag qualifiziert, so daß auf die Mordstrafe, die Todesstrafe, zu erkennen ist. Qualifizierungen treten ein, wenn die Tötung - von einem Täter ausgeruhrt worden ist, der wegen Totschlags bereits einmal verurteilt worden ist (Art. 127 Abs. 2), - sich gegen einen Verwandten aufsteigender Linie (einschließlich Geschwister und Ehegatten) oder einen Polizeibeamten bei Ausübung seiner Dienste richtet (Art. 127 Abs. 1 lit. a), - mittels bestimmter gemeingefährlicher Mittel ausgeruhrt worden ist (Art. 127 Abs. 1 lit. b). 24Zit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 616 f. 2sZit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 619 f.

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Von besonderem Interesse ist hierbei die Qualifizierung der Tötung eines Polizeibeamten. Wie bereits zum Code Penal des Kantons Waadt erwähnt, dürfte es sich hierbei um eine verkappte Verdeckungstötung handeln. Ein noch im Jahre 1922 veröffentlichter Vorentwurf zu einem neuen Code Pena1 verzichtete auf alle Qualifizierungen des Totschlags. g) Tessin Der Codice Pena1e rur den Kanton Tessin vom 25. Januar 1873 26 regelt die Tötungsdelikte in den Art. 287 ff. Eine sprachliche Differenzierung der Tötungsdelikte nimmt der Codice Penale nicht vor, sondern spricht einheitlich von Tötung bzw. Totschlag (omicidio). Die Regelung der Tötungsdelikte im Tessiner Strafgesetzbuch ist ähnlich komplex und kasuistisch strukturiert wie in dem zeitlich etwas später entstandenen italienischen Strafgesetzbuch. Grundfall ist der Tatbestand einer vorsätzlichen Tötung, die an keine weiteren Voraussetzungen knüpft. Sie wird mit Freiheitsstrafe dritten (gern. Art. 13 zwölf bis sechzehn Jahre) und vierten Grades (gern. Art. 13 sechzehn bis zwanzig Jahre) geahndet (Art. 292 § 1). Von diesem Grundfall heben sich drei Qualifikationen ab, die durch eine kasuistische Aufzählung verschiedener Tatbestände, ähnlich den Mordqualifikationsmerkmalen in § 211 StGB, gekennzeichnet sind. Diese können als besonders schwere, schwere und "mittelschwere" Fälle bezeichnet werden. Die, was die Strafzumessung betrifft, schwerste Form der Tötung findet sich in Art. 287. Ausschließlich lebenslange Freiheitsstrafe ist zu verhängen, wenn die Tötung - sich gegen die Eltern oder andere Verwandte aufsteigender Linie richtete, - mit Vorbedacht ausgeruhrt wurde, - zum Zwecke der Bereicherung ausgefUhrt wurde, - rur eine Belohnung im Auftrag eines Dritten ausgefiihrt wurde, - sich gegen einen hohen Staatsbeamten richtete. Schwere Fälle der Tötung, die zwischen der zuvor genannten Qualifikation und den mittelschweren Fällen in Art. 292 § 2 eingeordnet werden können, finden sich in Art. 291. Freiheitsstrafe runften Grades (gern. Art. 13 zwanzig bis vierundzwanzig Jahre) ist zu verhängen, wenn die Tötung

26Zit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 621 ff.

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Teil I: Ausländische Strafrechte

- sich gegen eine Verwandte absteigender Linie oder Adoptivverwandte richtete, - dem Zweck diente, ein anderes Verbrechen oder Vergehen vorzubereiten, zu erleichtern oder auszufiihren, oder eine solche Straftat zu verbergen, oder die Beweise und Spuren hierfiir zu unterdrücken, - ohne Grund mit Grausamkeit ausgefiihrt wurde, :.. sich gegen einen Staatsbeamten bei Ausführung seines Dienstes richtete. Mittelschwere Fälle der vorsätzlichen Tötung, die zwischen der zuvor genannten Qualifikation und dem Grundfall in Art. 292 § 1 eingeordnet werden können, finden sich in Art. 292 § 2. Es handelt sich hierbei meist um Spezialtalle der Heimtücke. Freiheitsstrafe vierten Grades (gern. Art. 13 sechzehn bis zwanzig Jahre) ist zu verhängen, wenn die Tötung - an einer Person erfolgte, die auf Grund ihres körperlichen oder geistigen Zustandes untahig war, sich zu verteidigen, - an den Dienstherrn oder Gastgeber oder deren Familienmitglieder erfolgte, - an einer Person erfolgte, die dem Täter Unterkunft gewährt hatte oder der von dem Täter Unterkunft gewährt worden war, - die gemeinschaftlich von mehreren gegen eine einzelne Person begangen worden ist. Auch der Codice Penale kennt also einen mit unserer Verdeckungstötung vergleichbaren Tatbestand. Diese weist mit der Verdeckungstötung nach dem deutschen Recht sogar eine sehr enge Verwandtschaft auf. Der Codice Penale betont, im Vergleich zu anderen nationalen Regelungen der Vereitelungstötung, weniger die Flucht des Täters als Strafschärfungsgrund, sondern das Vernichten von Spuren und Beweismitteln, also wie der deutsche Gesetzgeber das Verheimlichen der Tat. Eine, wie schon bemerkt, nicht unbedingt konsequent zu nennende Lösung, denn andere Fälle der Tötung zum Zwecke der Selbstbegünstigung, z.B. um eine Flucht des bereits entdeckten bzw. erkannten Täters zu ermöglichen, werden nicht erfaßt. Der Tessiner Gesetzgeber hat die Begehungs- wie die Verdeckungstötung nicht unter die schwersten Fälle der vorsätzlichen Tötungsdelikten aufgenommen, sondern betrachtet sie quasi als "zweitschwersten" Fall. Dennoch liegen sie im Strafmaß nicht unerheblich über dem "normalen" Totschlag. Auch dogmatisch wird zwischen Verdeckungstötung ~nd der einfachen Tötung ein deutlicher Strich gezogen, da der Gesetzgeber noch eine weitere Gruppe von Tötungsdelikten mit eigener Strafabstufung, nämlich die Heimtücke-Sonderfalle, "zwischengeordnet" hat. Daher kann festgestellt werden, daß die Verdeckungstötung sich nach Ansicht des Tessiner Gesetzgebers in der Skala der verwerflichen bzw. getahrlichen Tötungen doch sehr weit oben befindet.

B. Die kontinental-europäischen Strafgesetze

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Gegenstand einer Verdeckungstötung können sowohl Verbrechen, als auch Vergehen sein. Ausgeklammert sind damit die Übertretungen, also alle BagateIlstraftaten. Damit ist auch der Tessiner Strafgesetzgeber dem sehr häufig im Rahmen der Verdeckungstötung anzutreffenden Wertungswiderspruch erlegen, wonach die Tötung aus einem geradezu unbedeutenden Anlaß milder bestraft wird als die Tötung aus noch verständlich zu nennenden Motiven. Allerdings ist der Codice Penale auf diese Weise immerhin konsequenter als jene Strafrechtsordnungen, die die Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung ausschließlich auf Verbrechen beschränken. Sowohl bei der Begehungs- als auch bei der Verdeckungstötung wird der Tessiner Gesetzgeber vor allem an die Spontantötungen gedacht haben. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Tötung mit Vorbedacht ausdrücklich als Qualifikation erwähnt wird. Hätte der Tessiner Gesetzgeber die beiden genannten Tötungsarten, insbesondere die Verdeckungstötung, nur auf die Fälle ihrer Vorausplanung durch den Täter beschränkt wissen wollen, wäre ihre Regelung überflüssig gewesen, da sie schon durch die Erwähnung der Prämeditation abgedeckt sind. h) Genf Der Code Penal ftir den Kanton Genf vom 21. Oktober 187427 regelt die Tötungsdelikte in den Art. 249 ff. Auch dieses Gesetzbuch hat sich - wie die anderen Strafgesetze der französischsprachigen Schweiz - vom französischen Code Penal beeinflussen lassen. Lediglich die Strafmaße wurden modifiziert. Auf die einfache vorsätzliche Tötung (meurtre) steht Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahre (Art. 251). Die mit Prämeditation oder unter Ausnutzung eines Hinterhalts erfolgte Tötung, ist Mord (assassinat). Geahndet wird die Tat mit lebenslanger Freiheitsstrafe (Art. 252). Ebenfalls mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind die Verwandtentötung (Art. 254), die Vergiftung (Art. 255) sowie die Tötung, die einem anderen Verbrechen vorausging, begleitete oder diesem nachfolgte (Art. 253). Einen minder schweren Fall des Totschlags im Affekt kennt der Code Penal (einmal abgesehen von den generellen Minderungsmöglichkeiten im Allgemeinen Teil) nicht. Der Genfer Gesetzgeber folgt also noch der "Urform" der Zusammenhangstötung aus dem französischen Code Penal von 1791. Jedes, auch rein zufällige Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Totschlag qualifiziert diesen. Wie der französische Gesetzgeber von 1791 hat auch der Genfer 27Zit. n. Sto06, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 624.

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Teil I: Ausländische Strafrechte

Gesetzgeber wenig konsequent die Zusammenhangstötung auf Totschlag in Verbindung mit Verbrechen beschränkt. Tötungen in Verbindung mit Vergehen sind von der Qualifizierung ausgeklammert. i) Appenzell-Außerrhoden Im Strafgesetzbuch für den Kanton Appenzell-Außerrhoden vom 28. April 1878 28 finden sich die Tötungsdelikte in den Art. 79 ff. Einen Mord begeht, wer einen anderen tötet und den Entschluß hierzu mit Vorbedacht gefaßt hat oder die Tat mit Überlegung ausgefilhrt hat. Die Strafe ist Zuchthaus bis auf Lebenszeit (Art. 79 Abs. 1). Handelte der Täter im Zustande "bedeutender Gemüthsaufregung vorsätzlich, aber ohne Vorbedacht", liegt ein Totschlag vor. Die Tat wird mit Zuchthaus bis auf fünfzehn Jahre bestraft (Art. 80 Abs. 1). Wenn der Getötete den Täter "durch schwere Beleidigungen zum Zorne gereizt hatte, wodurch dieser plötzlich zur That hingerissen wurde, oder wenn die Tödtung nur durch schuldhafte Ueberschreitung der Nothwer geschah", so ist der Totschlag privilegiert und wird mit Gefängnis oder Zuchthaus bis zu sechs Jahren bestraft (Art. 80 Abs. 2). Eine Qualifizierung des Totschlags in Zusammenhang mit einer anderen Straftat findet sich in Art. 81. Wörtlich heißt es dort: "In Fällen, wo der Todtschlag begangen wurde, um ein anderes Verbrechen möglich zu machen, oder um die durch das Verbrechen gewonnenen Sachen oder die Person des Thäters in Sicherheit zu bringen, kann Zuchthaus strafe bis auf zwanzig Jahre, und wenn die Absicht der Tödtung in hohem Grade vorliegt, Zuchthaus strafe bis auf dreissig Jahre zur Anwendung kommen." Der zur Verdeckungstötung des deutschen StGB parallele Tatbestand ist hier als ein Töten mit dem Zweck, den Täter in Sicherheit zu bringen umschrieben. Der Appenzeller Gesetzgeber betont also weniger das Verdecken oder Verheimlichen der Straftat als vielmehr das eigentlich vom Täter verfolgte Ziel, nämlich die Straffreiheit. In dieser Hinsicht ist die "Sicherheitstötung" des Appenzeller Strafgesetzbuchs deutlich weiter als die Verdekkungstötung nach dem deutschen StGB. Die Vorschrift greift ihrem Wortlaut nach nicht nur ein, wenn der Täter einen Tatzeugen tötet, um unerkannt zu fliehen, sondern auch dann, wenn seine Person allgemein bekannt ist und er mit der Tötung lediglich seine Flucht sichern will. Die Qualifizierung des Totschlags von den mit ihr letztendlich verfolgten Zwecken (Flucht oder

21Zit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 625.

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Straffreiheit des Täters) abhängig zu machen, ist aber - wie bereits erwähnt im Vergleich zur deutschen Regelung die konsequentere Lösung. Gegenstand einer Strafvereitelungstötung können nur Verbrechen sein. Vergehen und Übertretungen sind damit ausgeklammert. Gemäß Art. 4 sind Verbrechen Handlungen, welche mit Zuchthaus bedroht sind. Vergehen sind Handlungen, welche ausschließlich mit Geflingnis bedroht sind. Übertretungen sind Handlungen, die mit Haft, Arbeitsstrafe oder Geldbuße geahndet werden können. Die Strafvereitelungstötung nach dem Appenzeller Strafgesetzbuch dürfte wohl geschaffen worden sein, um vor allem jene Fälle zu erfassen, in denen die Tötung nicht vom Täter im Voraus geplant worden ist, sondern er sich spontan hierzu entschließt. Dies ergibt sich bereits aus der Mordregelung, die die mit Vorbedacht geplante oder mit Überlegung ausgeführte Tötung betrifft. Eine im Voraus geplante Strafvereitelungstötung könnte ohne weiteres unter den Tatbestand des Mordes subsumiert werden. Einer besonderen Qualifizierungen des Totschlags hätte es dann nicht bedurft und wäre auch nicht sinnvoll gewesen. Die Vereitelungstötung kann nach dem Wortlaut des Art. 81 jederzeit begangen werden. Es ist nicht erforderlich, daß der Täter in irgendeiner Weise auf frischer Tat betroffen wurde. Die im Appenzeller Strafgesetzbuch geregelte Strafvereitelungstötung ist eine verhältnismäßig moderate Qualifizierung. Das Strafmaß von bis zu zwanzig Jahren bleibt spürbar unterhalb dessen, was der Gesetzgeber für Mord vorsieht, nämlich die absolute Androhung der lebenslangen Zuchthausstrafe, und ist nicht viel höher als die maximale Strafe für den Totschlag von fünfzehn Jahren. Nur bei Tötungsabsicht in hohem Grade, also einem besonders schweren Verschulden des Täters, ist das Gericht berechtigt, auf bis zu dreißig Jahre zu erkennen. Hinzu kommt, daß es sich bei den zeitigen Strafen des Art. 81 auch nicht um absolute Androhungen handelt, sondern um Höchststrafen. Das Gericht kann stattdessen auch die für den einfachen Totschlag vorgesehene Freiheitsstrafe anwenden.

3 Weiß

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Teil I: Ausländische Strafrechte

j) St. Gallen

Im Strafgesetz über Verbrechen und Vergehen für den Kanton St. Gallen vom 25. November 1885 29 finden sich die Tötungsdelikte in den §§ 127 ff. Die vorsätzliche Tötung wird, "wenn der Entschluss dazu mit Ueberlegung gefasst und ausgeruhrt wurde", als Mord mit dem Tode bestraft (§ 133). Wird dagegen der Entschluß zur Tötung "in heftiger Gemüthsaufregung gefasst oder ausgeruhrt", liegt ein Totschlag vor, der mit Gefiingnis, Arbeitshaus oder Zuchthaus bis zu runfzehn Jahren geahndet werden kann (§ 130 Abs. 1).

§ 130 Abs. 3 enthält eine Qualifizierung des Totschlags für den Fall, daß dieser im Zusammenhang mit einer anderen Straftat erfolgte. Wörtlich heißt es dort: "Ist der Todtschlag bei oder unmittelbar nach Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens erfolgt, um sich vor der Entdeckung oder Festnahme oder Verfolgung oder gegen die Wegnahme widerrechtlich angeeigneten Gutes zu schützen, so tritt Zuchthaus strafe bis auf zwanzig Jahre ein." Der Gesetzgeber betont bei dieser Form der Strafvereitelungstötung sowohl die Absicht des Täters, seine Beteiligung an der Straftat zu verdecken ("um sich vor der Entdeckung ... zu schützen") als auch die Absicht, eine Bestrafung zu vermeiden ("um sich vor ... Festnahme oder Verfolgung ... zu schützen"). Insbesondere die Betonung des Tatziels Strafvereitelung ist - im Gegensatz zum deutschen Strafgesetzbuch - die konsequentere Lösung. Als Gegenstand einer Strafvereitelungstötung kommen in Betracht Verbrechen und Vergehen. Ausgeschlossen sind damit die Übertretungen. Nach § 1 sind Vergehen Handlungen, die ausschließlich mit Korrektionalstrafe bedroht sind. Übertretungen sind Handlungen, rur die nur die polizeiliche Abwandlung in Betracht kommt. Unter Verbrechen sind alle übrigen strafbaren Handlungen zu verstehen. Schließlich ist noch zu bemerken, daß nur der auf frischer Tat betroffene Täter eine Vereitelungstötung begehen kann.

3. Die Entwürfe zu einem Bundesstrafgesetzbuch a) Der Vorentwurf von 1893/94 1893 legte Stooß zunächst den Vorentwurf des Allgemeinen Teils, 1894 auch den Vorentwurf des Besonderen Teils eines schweizerischen Strafgesetz29Zit. n. Stooß, Die schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung, S. 626.

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buches den Mitgliedern einer Expertenkommission des Eidgenössischen Justiz- und Polizei departements zur Beratung (dessen Mitglied Stooß zugleich war) vor. In dem Vorentwurf finden sich die hier interessierenden vorsätzlichen Tötungsdelikte im Art. 50. 30 Wörtlich heißt es dort: Totschlag. Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, wird mit Zuchthaus von 10 bis 15 Jahren bestraft; begeht er die That in leidenschaftlicher Aufwallung, so ist die Strafe Zuchthaus von 3 bis zu 10 Jahren. Mord. Tötet der Thäter aus Mordlust, aus Habgier, unter Verübung von Grausamkeit, heimtückisch oder mitte1st Gift, Sprengstoffen oder Feuer, oder um die Begehung eines andern Verbrechens zu verdecken oder zu erleichtern, so wird er mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft."

Schon in dieser frühen Phase der Entwicklung merkt man der Regelung in Art. 50 Abs. 2 deutlich an, daß sie das Vorbild für die Mordqualifikationsmerkmale des § 211 StGB sein wird. Fast alle Mordqualifikationsmerkmale sind schon vorhanden: Mordlust, Habgier, Grausamkeit, Heimtücke, Begehungsabsicht, Verdeckungsabsicht. Lediglich für die Begriffe Sprengstoffe und Feuer hat der deutsche Gesetzgeber später den allgemeineren Begriff der gemeingetahrlichen Mittel verwendet. Die besondere Erwähnung der Tötung mittels Gift kann wohl nur noch zeitbedingt erklärt werden. Sie ist ein Relikt aus einer Zeit, als man den Giftmord noch besonders fürchtete. Die Verdeckungstötung ist auf Verbrechen beschränkt. Übertretungen kommen als zu verdeckende Straftaten nicht in Betracht. Den Begriff Vergehen verwendet der Vorentwurf nicht. Er geht also, wie das deutsche StGB mittlerweile auch, von einer Zweiteilung der Delikte in Verbrechen und Übertretungen aus. Welche Straftaten Verbrechen und welche Vergehen sind, bestimmt der Vorentwurf nicht abstrakt in einer Vorschrift des Allgemeinen Teils. Diese Frage wird erst im Besonderen Teil entschieden. Verbrechen sind alle Straftaten, die im ersten Buch, Übertretungen alle Straftaten, die im zweiten Buch des Vorentwurfs geregelt sind. Verbrechen und Übertretungen sind also Straftaten, die jeweils als solche im Besonderen Teil bezeichnet werden. Allgemein kann man sagen, daß der Vorentwurf unter Verbrechen praktisch alle Straftaten versteht, für die andere zeitgenössische Gesetzgeber 30Verhandiungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 317 ff. 31Nach Eser, D1T-Gutachten, D 32, Fn. 44 dürfte dieser Entwurf seinerseits bereits in der Unterscheidung lS.F. Boehmers zwischen Tötungen "ex qualitate personarum", "ex modo, quo comittitur" und "ex fine detestabili" einen Vorläufer gehabt haben. Lange, LK, 9. Aufl., vor § 211, Rdnr. I ist der Auffassung, daß sich der Entwurf z.T. an v. Holtzendorff, Psychologie des Mords, 1875, anlehnt, der zur Abgrenzung von Mord und Totschlag auf die Niedertracht des Motivs und die Gemeingefährlicheit des Mittels abstellt. 3*

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die Begriffe Verbrechen und Vergehen verwenden. Als Übertretungen werden dagegen - wie in vielen anderen Strafgesetzbüchern der damaligen Zeit üblich - vor allem Handlungen erfaßt, die einen Ungehorsam gegen staatliche Anordnungen darstellen 3\ Tatbestände also, die man heute eher dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuordnen oder überhaupt nicht mehr mit Sanktionen verknüpfen würde. Insoweit unterscheidet sich die Verdeckungstötung nach dem Vorentwurf nicht von anderen Tatbeständen der Strafvereitelungstötung, die sowohl Verbrechen als auch Vergehen erfassen. Es muß also auch dem schweizerischen Vorentwurf in dieser Hinsicht der Vorwurf der Inkonsequenz gemacht werden. Die Tötung, um eine verhältnismäßig schwere Strafe zu vermeiden, wird qualifiziert, während die Tötung zur Verhinderung einer Bagatellbestrafung nicht erfaßt wird und nur als Totschlag behandelt werden kann (falls man kein anderes Mordmerkmal anwendet). In den Beratungen der Expertenkommission33 wurde die Verdeckungsabsicht nicht sonderlich problematisiert. Stooß weist darauf hin, daß Art. 50 des Vorentwurfs "einzelne besonders schändliche Tötungen" als Mord bezeichnet. Lediglich die Mitglieder der Expertenkommission Meyer (Schauensee) und Morel weisen darauf hin, daß es zu Abgrenzungsproblemen zwischen Mord und dem Affekttotschlag kommen könnte. 3' Zur Verdeutlichung schildert Morel den Fall einer Verdeckungs- oder Begehungstötung: Ein Dieb ist in ein Haus eingeschlichen. Dieser wird nun bei der Tatausführung von einer anderen Person überrascht. Aus Angst vor der Festnahme gerät der Täter in "leidenschaftliche Aufwallung" und erschlägt den anderen. Morel vermutet, daß in diesem Fall nicht wegen Mordes, sondern wegen Affekttotschlags zu bestrafen sei, weil die Aufzählung der Mordqualifikationsmerkmale in Art. 50 nicht absolut zu verstehen seien. StooW' entgegnet daraufhin, daß ein Zusammentreffen von leidenschaftlicher Aufwallung des Täters mit einem der Erschwernisgründe äußerst selten sei. Habe in dem von Morel angeführten Falle der Dieb seinen Entdecker wirklich in leidenschaftlicher Aufwallung getötet, so werde er dies nicht getan haben, um das Verbrechen zu verdecken. Das Kommissionsmitglied Bärlocher36 macht im Rahmen dieser Diskussion den Vorschlag, die Affekttötung bei gleichzeitigem Vorhandensein eines Erschwernisgrundes durch eine Vorschrift im Allgemeinen Teil über das Zusammentreffen von Strafmilderungs- und Straferhöhungsgründen zu regeln. 32Vgl. hierzu auch Stooß, in: Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 7. 33Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 317 ff. 34Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 321 ff. 35Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 321 f. 36Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 322.

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Im Prinzip kann die Akzeptanz in der Kommission hinsichtlich der Verdekkungsabsicht als Erschwernisgrund nicht überraschen. Hatte diese doch (zumindest in der Ausgestaltung als Strafvereitelungsabsicht) zum Zeitpunkt der Verhandlungen immerhin eine schon über sechzigjährige Tradition in den durch den Code Penal geprägten Strafgesetzeswerken vieler Staaten. Wie gesehen finden sich ähnliche Regelungen in einer Reihe kantonaler Strafgesetzbücher, die wohl letztlich großen Einfluß auf Stooß ausgeübt haben. Aus der Bemerkung des Kommissionsmitgliedes Bärlocher über einen Ausgleich für den Fall des Zusammentreffens eines Mordmerkmals mit einem Affekt darf vielleicht geschlossen werden, daß die Kommission die Mordmerkmale als eine Art Strafzumessungsregel verstanden wissen wollte, die durch mildernde Umstände wieder ausgeglichen werden kann. Dies würde für ihren nichtabschließenden Charakter schon nach den schweizerischen Entwürfen sprechen. Stooß scheint der Auffassung zu sein, daß der bei seiner Tat überraschte Dieb, wenn er in "leidenschaftlicher Aufwallung", also in Panik tötet, nicht mit Verdeckungsabsicht handle. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, daß Stooß die Verdeckungsabsicht enger verstanden wissen wollte als die unter französischem Einfluß entstandene Strafvereitelungsabsicht, nämlich dahingehend, daß nur die im voraus geplante Verdeckungstötung unter dem Erschwernisgrund subsumiert werden könne. Im Gegensatz zu den zahlreichen Regelungen über die Vereitelungstötung in anderen nationalen Strafgesetzbüchern erfaßt der Entwurf in seinem Wortlaut nicht zwingend die affektive Verdeckungstötung. Der von Stooß vorgelegte Entwurf kennt ja nicht mehr das Mordmerkmal der Überlegung bzw. des Vorbedachts. Es kann also bei Auslegung des Begriffs der Verdeckungstötung nicht vorgetragen werden, daß mit ihr nur die Spontantötung gemeint sein kann, weil eine im voraus geplante Tötung ja ohnehin schon von dem Merkmal der Prämeditation erfaßt würde. Nicht ganz klar ist aber der Grund, warum Stooß in seinem Entwurf nunmehr das Verheimlichen der anderen Straftat durch die Tötung betont, während sowohl die zeitgenössischen als auch spätere Gesetzbücher eher die Strafvereitelungsabsicht beim Täter hervorheben, was, wie bereits mehrfach bemerkt, die konsequentere Lösung gewesen wäre. Ein Grund für die Wende von der Strafvereitelungstötung zur Verdekkungstötung könnte darin erblickt werden, daß Stooß mit seinem Entwurf was die Tötungsdelikte betrifft - bewußt nicht mehr an den Code Penal knüpfen wollte (so ist z.B. die Prämeditation als Mordmerkmal bereits völlig auf-

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gegeben), sondern eher an alte gennanische Rechtstraditionen (die Aszendententötung, die wohl auch eher romanischen als gennanischen Ursprungs istJ7 , wird ebenfalls nicht mehr besonders erwähnt). So betonte Stooß während der Beratungen, daß der Vorentwurf an alte Rechtsanschauungen knüpfe, die im Volk noch fortlebten. Es entspreche diesen Rechtsanschauungen des Volkes, daß der schwerer bestraft werde, der eine sittlich besonders verwerfliche und verabscheuungswürdige Tötung begangen habe. Aus diesem Grund müsse auch unbedingt an dem Begriff Mord festgehalten werden. 38 Dagegen seien "die subtilen, psychologischen Unterscheidungen der Prämeditation und der Gemütserregung" nicht in das öffentliche Rechtsbewußtsein eingedrungen. 3' Stooß war also der Überzeugung, daß beim Mord, im Gegensatz zum Totschlag, die Gesinnung des Täters oder die Art der Tatausführung durch eine besondere sittliche Verwerflichkeit und nicht durch die "psychologisierenden" Merkmale Überlegung (Vorbedacht) und Affekt gekennzeichnet sei. Diese doch sehr scharfe Abgrenzung zum französischen Recht könnte sich auch in einer bewußten Abkehr von der bisherigen Wortwahl niedergeschlagen haben. Der von Stooß vertretene Standpunkt zur Prämeditation steht allerdings zu seiner Auffassung, daß bei der Verdeckungstötung Spontantötungen aus Panik nicht erfaßt werden, in einem gewissen Widerspruch. Denn damit gibt er zu, daß die Prämeditation doch kein so unbrauchbares Abgrenzungskriterium ist. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen konnte sich ein Antrag dahingehend, die Tötung eines Beamten während der Ausübung seiner Dienstpflichten als Mord zu qualifizieren, nicht durchsetzen. 40 Möglicherweise war man der Auffassung, daß eine solche Qualifizierung wegen der bereits vorhandenen Verdeckungsabsicht überflüssig sei. Bei einem Beamten, der im Rahmen seiner Dienstausübung getötet wird, handelt es sich meist um einen Polizeibeamten. Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erlaubt es, eine ganze Reihe denkbarer Fälle einer Polizistentötung als Mord zu erfassen. Insoweit wäre eine zusätzliche Qualifizierung dieses Umstandes nicht unbedingt notwendig. Wenn die Kommission bewußt auf eine Aufnahme der Polizistentötung in den Katalog der Mordqualifikationsmerkmale verzichtet hat, spricht dies im Ergebnis dafür, daß man mit Einführung der Verdeckungsabsicht zumindest auch den Schutz der staatlichen Sicherheitskräfte beabsichtigte.

J7Vgl. hierzu Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 319. J&Stooß, in: Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1&95, Bd. I, S. 322. J9StoOß, in: Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 317 f. 40yerhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 319.

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Mit nur unwesentlichen Veränderungen passierte Art. 50 die Beratungen von 1894 und hatte nun folgenden Wortlaut' l : Tötung. Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, wird mit Zuchthaus von 10 bis 15 Jahren bestraft. Totschlag. Begeht er die That in leidenschaftlicher Aufwallung, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu 10 Jahren. Mord. Tötet der Thäter aus Mordlust, aus Habgier, unter Yerübung von Grausamkeit, heimtückisch oder mitte1st Gift, Sprengstoffen oder Feuer, oder um die Begehung eines andern Verbrechens zu verdecken oder zu erleichtern, so wird er mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.

Die größten Unterschiede zu dem von Stooß vorgelegten Entwurf sind in der Tatbezeichnung zu erblicken. Der Begriff Totschlag ist nunmehr auf die Affekttötung beschränkt (die überdies in einem eigenen Absatz geregelt ist), während die übrigen vorsätzlichen Tötungen, die keines der Mordmerkmale in Abs. 3 erfüllen, nur noch als Tötung bezeichnet werden. In den weiteren Verhandlungen der Expertenkommission, die sich bis 1895 hinzogen, wurde an dieser Form der Tötungsdelikte festgehalten. Nur die Artikel und Absatzzählung änderte sich ein wenig. Die Kommissionsmitglieder, die schon bei der ersten Beratung der Tötungsdelikte den Versuch unternommen hatten, Mord und Totschlag wieder "klassisch" zu unterscheiden, nämlich mittels der Merkmale Vorbedacht und Überlegung, konnten sich erneut nicht durchsetzen." Im Jahre 1896 wurde der Vorentwurf in der Fassung, die er durch die Expertenkommission erhalten hatte, veröffentlicht. 4J b) Der weitere Reformverlauf Nach der Veröffentlichung des Vorentwurfs 1896 ruhten zunächst die Arbeiten an einem Strafgesetzbuch. Grund hierfür war der Umstand, daß man nunmehr verstärkt Augenmerk auf eine Vereinheitlichung des Zivilrechts in der Schweiz legte. Daher wurde erst mit Verfügung vom 2. Juni 1901 des Justizdepartement eine sog. kleine Expertenkommission bestellt, deren Aufgabe darin bestand, zusammen mit dem Verfasser des Vorentwurfs Stooß die Arbeiten an einem Strafgesetzbuch fortzusetzen." Das Ergebnis dieser Arbei41Yerhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 323. 42Yerhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 489. 43Yorentwurf zu einem Schweizerischen Strafgesetzbuch nach den Beschlüssen der Expertenkommission. 44Brenner, in: Yorentwurf zu einem Schweizerischen Strafgesetzbuch, 1903, S. Y.

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ten war der Vorentwurf von 1903. Die hier interessierenden vorsätzlichen Tötungsdelikte sind nunmehr in Art. 60 geregelt. Inhaltlich wurden jedoch keine Änderungen vorgenommen. Mit der Fertigstellung des Entwurfs im Jahre 1903 kamen die Arbeiten erneut ins Stocken. Grund hierfUr war wiederum das - wohl nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Bedeutung - größere Interesse an einer Vereinheitlichung des Zivilrechts. Um aber zu verhindern, daß die Arbeiten an dem Strafgesetzbuch völlig zum Erliegen kamen und um der Gefahr vorzubeugen, daß der Entwurf veraltern könnte, wurde die kleine Expertenkommission zusammen mit Stooß vom Justiz- und Polizeidepartement beauftragt, den Entwurf auf dem Laufenden zu halten. Das Ergebnis dieser Arbeiten war ein "aktualisierter Vorentwurf', der dem Justiz- und Polizeidepartement im April 1908 zugeleitet wurde." Die Tötungsdelikte nehmen nun die Stellung des Art. 64 inne. Inhaltlich sind - abgesehen von den Strafmaßen - nach wie vor keine Änderungen zu verzeichnen: Tötung. Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft. Mord. Tötet der Täter aus Mordlust, aus Habgier, mit Grausamkeit, heimtückisch, durch Gift, Sprengstoff oder Feuer, oder um die Begehung eines andern Verbrechens zu verdecken oder zu erleichtern, so wird er mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. Totschlag. Tötet der Täter in leidenschaftlicher Aufwallung, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis von ein bis fünf Jahren. 46

In den Erläuterungen zu Art. 644 \ die Zürcher im Auftrag des Justiz- und Polizeidepartements verfaßte, wird noch einmal betont, daß die Unterteilung der vorsätzlichen Tötungen in Mord und Totschlag auf alte germanische Rechtsanschauungen zurückgehe. Für das alte Recht sei Mord die unehrliche, heimliche Tat gewesen, auch diebisch genannt, die um Geldes willen oder in verräterisch-heimtückischer Weise begangen worden sei, äußerlich gekennzeichnet häufig durch das Verbergen des Leichnams. Im Gegensatz hierzu habe der Totschlag als die ehrliche offene Tötung aus Zornmut gestanden. Dieser sei sühnbar durch Vergleich mit der Familie des Erschlagenen gewesen. Der Mord dagegen habe der schimpflichen Todesstrafe unterlegen. Als Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Mord, der den Täter dauernd aus der menschlichen Gesellschaft ausschließe, und dem Totschlag, der den Eintritt in 45Zürcher, Erläuterungen zum Vorentwurfvom April 1908, 1914, S. XIV. 46Vorentwurf zu einem Schweizerischen Strafgesetzbuch (April 1908), 1909. 47Zürcher, Erläuterungen zum Vorentwurf vom April 1908, Bern 1914, S. 118 ff.

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die Gesellschaft wieder gestatte, sei mehr und mehr die kaltblütige Überlegung, im Gegensatz zur leidenschaftlichen Aufwallung, in den Vordergrund getreten. So scheide das französische Recht die vorsätzliche Tötung in den vorbedachten Mord und dem nicht vorbedachten Totschlag. Allerdings würden dem Mord in der Bestrafung gleichgestellt die Tötung der Eltern und die Tötung mit Gift. Die Tötung aus dem Hinterhalt werde schlechthin als Mord bezeichnet. Im deutschen Strafrecht habe sich schließlich die scharfe Trennung zwischen Mord und Totschlag auf Grund des einzigen Unterscheidungsmerkmals der Überlegung herausgebildet. Gegen diese dogmatisch vollkommenste Ausprägung der Begriffe richteten sich Angriffe von zwei Seiten. Zum einen sei das Merkmal der Überlegung schwierig in der Handhabe, zum anderen sei es in der Sache schlicht falsch.'· pagegen befinde sich der Vorentwurf - so Zürcher - mit dem Volksbewußtsein in Übereinstimmung, wenn er als Merkmale des Mordes die Motive voranstelle, und zwar das unmenschliche der Mordlust, das häßliche der Habgier. Dem schließe sich an der Beweggrund, die Begehung eines anderen Verbrechens zu verdecken oder sie zu erleichtern. Diese Motive seien zwar wie die Überlegung auch nur innerliche Motive, ließen sich aber aus den Umständen meistens leicht feststellen, oft sogar, noch ehe der Täter ermittelt worden sei. Die Tötung mit Grausamkeit, die qualvolle Tötung, bei der der Mörder sich an den Schmerzen seines Opfers weide, sei ganz besonders geeignet, Empörung und Abscheu hervorzurufen, sie sei aber auch ein Beweis für die besondere Gefiihrlichkeit des Täters. Das Heimtückische, das Locken eines Arglosen in einen Hinterhalt, sei insbesondere auch in der Vergiftung zu erblicken. Überhaupt würden oft mehrere Momente zusammentreffen, so beim Lustmörder Mordlust, Grausamkeit, Absicht, ein anderes Verbrechen zu verdecken. Auch die Tötung mittels Sprengstoff oder Feuer (Mordbrenner) seien typische Morde.·9 Die im v.orentwurf gefundene Fassung des Mordes schließe sich enger an das italienische Recht an. Auch der österreichische Vorentwurf sei dem schweizerischen gefolgt.'o In der Fachwelt hegte man die heimliche Hoffnung, daß es sich bei dem Entwurf von 1908 um den endgültigen handeln würde, der nun den gesetzgebenden Organen zugeleitet werden könnte." Jedoch entschloß sich 1911 das Justiz- und Polizeidepartement, die Überprüfung des Gesetzesvorschlags noch einmal von Grund auf, nunmehr durch eine größere Expertenkommission (die 48Zürcher, S. 119 f. 49Zürcher, S. 120 f. 50Zürcher, S. 121. Zu dem österreichischen Entwurf von 1906, auf dem Zürcher hier anscheinend Bezug nimmt, siehe auch unten S. 52 f. 51Ygl. Hafter, S. 19.

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sog. zweite Expertenkommission), vornehmen zu lassen, welche 1912 ihre Arbeiten aufnahm. Das Ergebnis war der Vorentwurf von 1916, der zur Grundlage des bundesrätlichen Entwurfs von 1918 wurde. 52 In dem der Bundesversammlung zugeleiteten Entwurf des Bundesrates von 1918 finden sich die hier interessieren vorsätzlichen Tötungsdelikte in den Art. 98 ff. Inhaltlich haben keine nennenswerten Änderungen stattgefunden. Die Vorschriften lauten nun wie folgt: Art. 98 Tötung. Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft. Art. 99 Mord. Tötet der Täter aus Mordlust, aus Habgier, um die Begehung eines andern Vergehens zu verdecken oder zu erleichtern, mit besonderer Grausamkeit, heimtückisch, durch Feuer, Sprengstoffe oder andere Mittel, die geeignet sind, Leib und Leben vieler Menschen zu gefährden, so wird er mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. Art. 100 Totschlag. Tötet der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung, so wird er mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren bestraft.

Auffalligste Änderung ist der Umstand, daß man die Tötungsdelikte nunmehr auf drei Vorschriften verteilt hat. Gegenstand der Verdeckungstötung muß ein Vergehen sein. Damit ist gegenüber den Vorentwürfen, die stets ein Verbrechen verlangten, aber kein sachlicher Unterschied eingetreten. Wie bereits erwähnt, verwendeten die Vorentwürfe für Straftaten nicht den Begriff Vergehen, sondern ausschließlich die Bezeichnungen Verbrechen und Übertretungen, wobei unter Verbrechen auch solche Straftaten verstanden wurden, die andere Rechtsordnungen, die die klassische Dreiteilung der Delikte beibehalten hatten, wie Z.B. das Reichsstrafgesetzbuch, eher als Vergehen einstuften. Der Entwurf von 1918 hatte lediglich den Begriff Verbrechen als allgemeine Bezeichnung für Straftaten, die keine Übertretungen darstellten, ersatzlos gestrichen und durch den des Vergehens ersetzt, ohne damit sachliche Änderungen an der Zweiteilung der Straftaten vorgenommen zu haben. Gegenstand einer Verdeckungstötung kann daher auch nach dem Entwurf von 1918 jede Straftat mit Ausnahme der Übertretungen sein. In der Begründung des Entwurfs wird noch einmal die mangelnde Praktikabilität sowie die theoretische Unrichtigkeit der Überlegung als Mordmerkmal betont." Der Entwurf schlage daher einen anderen Weg ein, dessen Vor52Hafter, S. 20. 5JBotschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines schweizerischen Strafgesetzbuches, 1918, S. 31.

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bild z.T. die Regelung der vorsätzlichen Tötungsdelikte im Strafgesetzbuch des Kantons Tessin gewesen sei und der Nachahmung im Vorentwurf für ein neues österreichisches Strafgesetzbuch gefunden habe. Es werde abgestellt auf den Beweggrund (Mordlust, Habgier, die Absicht ein anderes Vergehen zu ermöglichen oder zu verdecken) und auf die Art der Begehung (mit besonderer Grausamkeit, heimtückisch, durch Feuer, Sprengstoffe und andere gemeingefährliche Mittel). In der Begründung heißt es weiter: "So wird es dem Volksrichter möglich gemacht, den blutdürstigen Täter, den Raubmörder und den Lustmörder stets als Mörder zu behandeln, nicht aber die arme Witwe, die nach langen Seelenkämpfen aus Verzweifelung mit ihrem Kinde ins Wasser gegangen ist und noch lebend herausgezogen wird, während das Kind umkam." Daß die Mordqualifikationsmerkmale des Entwurfs durchaus nicht diese gewünschte eindeutige Entscheidung zulassen, beweist die Entscheidung des Großen Senats BGHSt 9, 385. Es bedurfte erst der Einruhrung des extrem künstlichen Tatbestandsmerksmals der feindlichen Gesinnung, um in einem Fall, der dem in der Begründung geschilderten sehr ähnlich ist, die Heimtücke verneinen zu können. In dem schließlich am 21. Dezember 1937 verkündeten und am 1. Januar 1942 in Kraft getretenen schweizerischen Strafgesetzbuch finden sich die Tötungsdelikte in den Art. 111 ff. Diese lauten wie folgt: Art. 111 Vorsätzliche Tötung. Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne daß

eine der besonderen Voraussetzungen der nachfolgenden Artikel zutrifft, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft. Art. 112 Mord. Hat der Täter unter Umständen oder mit einer Überlegung getötet, die seine besondere verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit offenbaren, so wird er mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. Art. 113 Totschlag. Tötet der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung, so wird er mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren bestraft. Durchsetzen konnten sich also die von Stooß vorgeschlagenen Mordmerkmale als Abgrenzungskriterien rur Mord und Totschlag letztlich nicht. Der Gesetzgeber ist stattdessen auf eine Generalklausel zur Umschreibung des Mordtatbestandes ausgewichen. Diese Änderung ist allerdings erst sehr spät, nämlich während der parlamentarischen Beratungen im Nationalrat im Jahre 1937, aufgenommen worden. Die nationalrätliche Kommission schlug zunächst einen Wortlaut vor, der ausschließlich auf die Gefährlichkeit des Täters abstellte ("Hat der Täter unter Umständen oder mit einer Überlegung getötet, die seine besondere Geflihrlichkeit offenbaren ... "); der Ständerat rugte noch den Hinweis auf die "besondere Verwerflichkeit" des Täters hinzu,

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die der Nationalrat als "die besonders verwerfliche Gesinnung" umschrieb. Aus der Zusammenstellung dieser beiden Gründe kam dann der Text des Strafgesetzbuches zustande. In der Begründung hierzu wurde hauptsächlich darauf aufmerksam gemacht, daß die ursprünglich vorgesehene kasuistische Aufzählung einzelner Fälle unbefriedigend und eine allgemeinere Umschreibung der qualifizierenden Momente sinnvoller sei. 54 Betrachtet man die Unterschiede zwischen der tätsächlich gefundenen und der geplanten Regelung näher, ist festzustellen, daß diese allerdings nicht übermäßig groß sind. Zumindest werden sowohl von dem Entwurf wie von der gesetzlichen Regelung dieselben rechtspolitischen Ziele verfolgt. Wie Stooß mit seinen Mordmerkmalen, knüpft auch der schweizerische Gesetzgeber an eine besonders verwerfliche Gesinnung des Täters an. Des weiteren liegt ein Mord vor, wenn in der Tat eine besondere Gefährlichkeit des Täters zum Ausdruck kommt. Auch dieses Mordkriterium hat seine Parallele in einigen der von Stooß verwendeten Mordqualifikationsmerkmalen (wie z.B. Tötung mittels Gift, Sprengstoffen, Feuer, Mordlust), welche dazu bestimmt sind, vermeintlich oder tatsächlich gefährliche Täter zu erfassen, weil sie entweder gleich mehrere Menschen töten bzw. töten können (Gift, Sprengstoffe, Feuer) oder wegen einer pathologischen Veranlagung potentielle Wiederholungstäter sind (Mordlust). Die Unterschiede zwischen der von Stooß vorgeschlagenen und der schließlich verwirklichten Regelung sind daher weniger qualitativer als quantitativer Natur. Während Stooß dem Richter zur Erfassung besonders verwerflicher Gesinnung und Geflihrlichkeit diverse Mordmerkmale an die Hand geben wollte, beläßt es der schweizerische Gesetzgeber bei den Generalklauseln und eröffnet so dem Richter einen größeren Spielraum bei der Bewertung von Tat und Täter. IV. Österreich

1. Das Strafgesetz von 1852

Im österreichischen Strafgesetz vom 27. Mai 1852 (das in wesentlichen Teilen noch auf dem Strafgesetz von 1803 beruht) sind die Tötungsdelikte auf eine, im Vergleich zu anderen Strafsystemen, ungewöhnliche Art und Weise geregelt worden: 54ZU den Einzelheiten dieser letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens siehe ThormanniOverbeck, S. 10.

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Nach § 134 ist Mord jede vorsätzliche Tötung eines Menschen. § 135 definiert bestimmte Arten des Mordes: Meuchelmord (welcher durch Gift oder in sonst tückischer Weise geschieht), Raubmord (welcher in der Absicht, eine fremde bewegliche Sache mit Gewalttätigkeiten gegen eine Person an sich zu bringen, begangen wird), bestellter Mord (zu dem der Täter gedungen oder auf eine andere Art von einem Dritten bewogen worden ist) sowie den gemeinen Mord (der zu keiner der angefilhrten Gattungen gehört). Bis auf den Raubmord, der auch ohne Tötungsvorsatz begangen werden kann, hat diese begriffliche Aufsplitterung des Mordes zumindest filr den Haupttäter keine praktische Bedeutung. Denn nach § 136 ist jeder vollendete Mord einheitlich mit dem Tod zu bestrafen. Totschlag (§ 140) ist eine Tötung, bei welcher der Täter zwar nicht mit dem Willen zu töten, aber doch in anderer feindseliger Absicht handelte. Der österreichische Gesetzgeber versteht also unter Totschlag solche Fälle, die nach deutschem Recht (und auch vielen anderen ausländischen Strafrechten) als Körperverletzungen mit Todesfolge zu bestrafen sind. Gern. § 142 kann der Totschlag mit schwerem Kerker von filnf bis zu zehn Jahren bestraft werden; bei naher Verwandtschaft oder einem besonderen Verhältnis der Verpflichtung zwischen Täter und Opfer beträgt die mögliche Strafe zehn bis zwanzig Jahre schweren Kerker.

2. Der Entwurfvon 1867 Doch hat man von Anfang an in Österreich das Strafgesetz von 1852 im allgemeinen und die dort getroffene Regelung der Tötungsdelikte im besonderen als wenig gelungen empfunden. 55 Daher begangen schon verhältnismäßig früh (allerdings wenig erfolgreich) die Reformbestrebungen. Bereits 1861 beschloß die Regierung die Ausarbeitung eines neuen Strafgesetzes. Die hiermit beauftragte Kommission legte 1867 einen entsprechenden Entwurf vor. Der Entwurf beschäftigt sich mit den hier interessierenden Tötungsdelikten in den §§ 223 ff. Totschlag (§ 223) soll nunmehr vorliegen, wenn der Täter den "Vorsatz zu töten in heftiger Gemüthsaufwallung plötzlich faßt und sogleich ausfilhrt". Alle anderen vorsätzlichen Tötungen sind Mord (ebenfalls in § 223 geregelt). 55In der Begründung zu dem Entwurf eines neuen Strafgesetzes von 1867, S. 4 heißt es dann auch: "... außer aller Frage stehe, ... daß das Strafgesetz vom 27. Mai 1852 weder den heutigen wissenschaftlichen und socialen Anschauungen und dem vorzugsweise durch die deutsche Cultur und Wissenschaft vermittelten Höhepuncte der übrigen europäischen Gesetzgebungen, noch den dermaligen Culturverhältnissen der österreichischen Völker und den jetzt bestehenden politischen Institutionen des Gesammtstaates Oesterreich entspreche ... "

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Nach § 225 werden bestimmte vorsätzliche Tötungen als schwere Arten des Mordes bezeichnet. Schwere Arten des Mordes sind der Raubmord (wenn die Tat bei Verübung eines Raubes begangen wurde), der gedungene oder Banditenmord (wenn der Täter für Lohn handelt), der Meuchelmord (wenn die Tat in tückischer Weise begangen wurde) und der Verwandtenmord (der an Verwandten auf- oder absteigender Linie oder dem Ehegatten verübt worden ist). Diese sprachliche Differenzierung des Mordes wäre wohl nur von geringer praktischer Bedeutung gewesen, denn sowohl der einfache als auch die schwere Art des Mordes ist an Täter und Teilnehmer einheitlich mit dem Tod zu ahnden (§ 226). Liegen im Falle des § 225 (schwere Art des Mordes) die Voraussetzungen des Totschlags (Affekt) vor, wird nur wegen Totschlags bestraft. Allerdings ist dann der Strafrahmen höher als in den einfachen Fällen eines Totschlags (§ 228 Abs. 2). Ein gewisses Interesse verdient hierbei die Regelung des § 228 Abs. 1. Der bei Verübung eines Raubes begangene Totschlag (d. h. eine Tötung im Affekt) wird als räuberischer Totschlag qualifiziert. Er ist der einzige Totschlag, der wie Mord in jedem Fall mit dem Tod bestraft werden muß. Hingegen läßt § 228 Abs. 2 für alle übrigen Fälle des schweren Mordes eine Milderungsmöglichkeit zu, wenn der Täter bei der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandes im Affekt handelte. Die Verfasser des Entwurfes wollten mit dem Tatbestand des räuberischen Totschlags ganz bewußt einen Sonderfall der spontanen (also nicht geplanten) Verdeckungstötung bei Begehung eines Raubes schaffen und diesen mit der Mordstrafe belegen. Denn wenn der Täter eines Raubes im Affekt einen anderen tötet, so glaubte man, wird es sich meist, wenn nicht gar immer um eine Person handeln, von der der Täter befürchtet, daß sie ihm die Beute streitig machen oder seine Bestrafung (und sei es als Zeuge vor Gericht) veranlassen wird. In den MotivenS6 zum Entwurf heißt es dann auch: "... Wenn man erwägt, daß derlei Tödtungen (gemeint ist die Tötung bei Ausführung eines Raubes, Anm. d. Verf.) meist erst dann verübt werden, wenn der Räuber fürchtet, daß er, wenn der Beraubte am Leben bliebe, entdeckt werden könnte; daß hier das wirksamste Motiv zur Verübung einer Tödtung eben in der Furcht vor der Entdeckung gegeben ist, und daß viel seltener bis zu diesem Aeußersten deshalb geschritten wird, weil es nicht möglich ist, sich auf andere Weise in den Besitz des begehrten Gutes zu setzen, ... wird man die größere Strenge des M.E. (gemeint ist der hier besprochene Ministerial-Entwurf von 1867, Anm. d. Verf.) durch das Bedürfnis nach Sicherheit der Person und des Eigenthums gerechtfertigt finden.

56Motive, S. 126 in: Entwurf eines Strafgesetzes über Verbrechen und Vergehen, Wien 1867.

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Aehnliche Erwägungen leiteten die Commission auch bei Feststellung der Strafe für einen solchen bei Verübung eines Raubes begangenen' Todtschlag. Der Räuber, welcher etwa aus Hitze oder aus Furcht vor der Entdeckung im Affecte bis zur vorsätzlichen Tödtung des Beraubten vorgeht, verdient, da er selbst sich in diese Lage gerade durch sein höchst sträfliches räuberisches Beginnen erst versetzte, nicht jene Berücksichtigung, welche das Strafgesetz gegenüber irgend einem anderen Menschen, der in der Aufwallung einen Todtschlag begeht, üben muß. Der Affect, der den Räuber zur Tödtung hinriß - wie angeführt meist die Furcht vor der Entdeckung - kann seine Handlung nicht in so milderm Lichte erscheinen lassen, daß man die verübte Tödtung nicht in ihrem ganzen Gewichte zurechnen könnte. Die Ausschließung der schwersten Strafe, der Todesstrafe nämlich, für den Fall des Raubtodtschlages ist daher an sich schon nicht eine nothwendige Consequenz der aufgestellten grundsätzlichen Unterscheidung des Mordes vom Todtschlage, und dieselbe könnte auch nur zum Nachtheile der berechtigten Anforderungen der Sicherheit der Person und des Eigenthumes geschehen. Diese Betrachtung schien nach dem Erachten der Commission es vollkom. men zu rechtfertigen, auch bei dem Verbrechen des räuberischen Todtschlages ... ebenfalls die Todesstrafe als zulässig zu erkennen .... "

Bemerkenswert ist an dieser amtlichen Begründung, daß man offensichtlich die Verdeckungs- bzw. Strafvereitelungstötung im Verhältnis zur Begehungstötung als das praktisch größere Problem empfand. Letztere soll in Fällen des Raubmordes seltener anzutreffen sein als die Vereitelungstötung. Begründet wird dieser Standpunkt von den Verfassern des Entwurfs mit der Behauptung, daß die Angst vor Bestrafung den Täter eher zu einer Tötungshandlung verleitet als das bloße Besitzenwollen der Beute. Die Begehungstötung erscheint ihnen hingegen - zumindest was die Zahl der Fälle betrifft fast unwichtig. Damit liefern die Verfasser des Entwurfs vielleicht eine weitere Antwort auf die Frage, warum eine ganze Reihe von nationalen Gesetzgebern das Bedürfnis empfunden haben, die Ve,reitelungs- bzw. Verdeckungstötung unter eine erhöhte Strafe zu stellen. Geht man davon aus, daß die Behauptung der Kommission, wonach die Vereitelungsabsicht ein sehr viel stärker zur Tat drängendes Motiv ist als die Begehungsabsicht, keine leichtfertig aufgestellte Theorie ist, sondern zumindest auf (empirisch natürlich nicht gesicherten) Erkenntnissen der polizeilichen und gerichtlichen Praxis beruht, dann darf man weiterhin vermuten, daß Vereitelungstötungen in der damaligen Zeit ein zahlenmäßig größeres Problem darstellten. Dies wäre auch nicht überraschend. Die Strafen, die man im 19. Jahrhundert zu erwarten hatte, waren selbst bei Taten, die nach unserem heutigen Verständnis eher in den Bereich der Bagatellkriminalität gehören, fast immer drakonische Freiheitsstrafen. Berücksichtigt man noch zusätzlich den Stand des Strafvollzugs in der damaligen Zeit, dürften viele dieser langjährigen Freiheitsstrafen im Ergebnis nichts anderes als verkappte Todesstrafen gewesen sein. Insofern dürfte zu

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dieser Zeit der Zwang des Täters, sich der Strafverfolgung zu entziehen, viel größer und auch existenzieller gewesen sein als das heute der Fall ist. Folglich wird ein bei der Vortat überraschter Täter zu seinem Schutz auch viel schneller und konsequenter zur Tötung geschritten sein. Das von den Verfassern des Entwurfs vorgesehene Mittel zur Einschränkung dieses Phänomens, nämlich Qualifizierung der Vereitelungstötung (und damit Androhung der Todesstrafe), dürfte allerdings ungeeignet sein. Anscheinend war man der Ansicht, daß von der erhöhten Strafe eine gewisse abschreckende Wirkung auf den Täter ausgeht. Doch muß eine solche Auffassung als unrichtig eingestuft werden. Es soll an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden, ob die Todesstrafe überhaupt eine zur Abschrekkung geeignete Strafe ist. Jedenfalls gilt für die spontane "affektive" Vereitelungstötung, daß der Täter von ihr gar nicht oder doch kaum abgeschreckt werden kann. Wie die Verfasser des Entwurfs von 1867 durchaus richtig erkannt haben, befindet sich der während der Vortat überraschte Täter in einer Extremsituation. Die Angst vor der Aufdeckung der Tat und die anschließende Bestrafung wird meist, wenn nicht gar immer, sein Denken lähmen. Der Täter kann nicht mehr rational handeln, sondern nur noch emotional reagieren. Abschreckung kann, wenn überhaupt, nur bei einem gewissen Minimum an Überlegung funktionieren. Der Täter muß in der Lage sein, zumindest laienhaft, sich die Verbotsnorm und ihre Rechtsfolgen zu vergegenwärtigen. Ist sein Denken dagegen durch diverse Affekte "blockiert", wird er die Norm gewissermaßen nicht zur Kenntnis nehmen. Dann kann aber von dieser Norm keine abschreckende Wirkung ausgehen, egal welche drastische Strafe sie androht. Vielleicht legte es auch die Struktur der damaligen Tötungsdelikte einem Täter nahe, zu behaupten, er habe mit Verdeckungsabsicht gehandelt. Wie viele andere nationale Gesetzgeber der damaligen Zeit, beabsichtigten die Verfasser des Entwurfs von 1867 mittels des Affektes (bzw. der Überlegung oder des Vorbedachtes) zwischen Mord und Totschlag zu unterscheiden. Bei einer solchen Dogmatik der Tötungsdelikte bietet es sich dem Täter fast an, nach der Tötung einfach zu behaupten, er sei von dem Opfer während einer Straftat überrascht worden. Aus Angst vor der sich dieser Entdeckung anschließenden Strafe sei er in die von § 223 des Entwurfs geforderte "heftige Gemüthsaufwallung" geraten und habe die Tat sofort ausgeführt. In Betracht komme daher nur eine Verurteilung wegen Totschlags. Eine solche Einlassung klingt plausibel und dürfte, auch wenn sie nicht zutrifft, nur schwer widerlegbar sein. Vielleicht sahen sich die nationalen Gesetzgeber gezwungen, durch eine Qualifizierung der Vereitelungs- bzw. Verdeckungstötung einer derartigen Entwicklung entgegenzuwirken: auf der einen Seite wollte man die

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affektive Tötung auch weiterhin als den milder zu bestrafenden Totschlag betrachten, auf der anderen Seite sollte aber nicht jeder Straßenräuber in den Genuß dieser Privilegierung gelangen. Der oben zitierten Begründung zum Entwurf von 1867 kann man aber auch entnehmen, daß die Kommission bei der von ihr gewählten Qualifizierung der Vereitelungstötung (als "Raubtotschlag") nicht ganz von Zweifeln frei war. Immerhin setzt sie sich mit der Frage auseinander, ob der Affekt des Täters im Rahmen einer Vereitelungstötung nicht dieselbe Bedeutung haben müsse wie andere Affekte auch, die die Tötung jedoch zu einem Totschlag machen. Die Kommission gelangt aber zu dem Ergebnis, daß eine Gleichbehandlung dieser Affekte sich verbiete, weil der Täter sich durch seine Vortat verschuldetermaßen selbst in diese kritische Situation versetzt habe. Dabei scheint man aber übersehen zu haben, daß der Entwurf im übrigen fUr den Totschlag keinen unverschuldeten Affekt verlangt. Es genügt, daß der Täter den Entschluß zur Tötung in "heftiger Gemüthsaufwallung plötzlich faßt und sogleich ausfUhrt" (§ 223). Insofern ist es eher inkonsequent und wenig gerechtfertigt, eine besondere Form des verschuldeten Affekts nunmehr zu qualifizieren. 3. Der Regierungsentwurfvon 1874

Im Regierungsentwurf von 1874 sind die vorsätzlichen Tötungsdelikte in den §§ 223 ff. geregelt. Mord (§ 223) ist jede vorsätzliche Tötung. Mehrere, kasuistisch in § 223 Abs. 1 hervorgehobene Morde (Tötung der leiblichen Eltern, Tötung mehrerer Personen, Tötung nach erfolgter Verurteilung des Täters wegen vollendeten oder versuchten Mordes oder zu lebenslänglicher Haft auf Grund einer anderen Straftat, Tötung auf grausame und mit besonderen Qualen fUr den Ermordeten verbundene Art, Tötung bei fortgesetzter Begehung von Raub, Diebstahl, Sachbeschädigung oder Brandstiftung von mindestens zwei Personen) sind mit dem Tod zu bestrafen. In allen anderen Fällen ist der Mord mit lebenslänglichem Zuchthaus zu bestrafen (§ 223 Abs. 2 des Entwurfs). Die durch § 223 Abs. I erfolgte Qualifizierung der Tötung bei fortgesetzter Begehung von Raub, Diebstahl, Sachbeschädigung oder Brandstiftung durch mindestens zwei Personen kann man als eine Art Sondertatbestand der Vereitelungs- und Verdeckungstötung betrachten. Eine ganze Reihe der mit diesem Mordqualifikationsmerkmals erfaßten Tötungen werden im Ergebnis Vereitelungs-, Verdeckungs- oder Begehungstötungen sein. Von den in anderen nationalen Strafgesetzbüchern anzutreffende Regelung der Tötung im Zu4 Weiß

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sammenhang mit einer anderen Straftat unterscheidet sich § 223 Abs. 1 des Regierungsentwurfes letztlich nur in der Beschränkung auf bestimmte Vortaten (Raub, Diebstahl, Sachbeschädigung oder Brandstiftung), die obendrein fortgesetzt und gemeinschaftlich begangen worden sein müssen. Der Regierungsentwurf bezeichnet die in § 223 geregelten Fälle der Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat ausdrücklich als Mord. Warum der Regierungsentwurf ausgerechnet die Tötung im Zusammenhang mit den in § 223 genannten Straftaten qualifiziert, die wohl auch schon nach dem Rechtsverständnis des 19. Jahrhunderts nicht immer zu den schwersten gehören (wie z.B. Diebstahl oder Sachbeschädigung), wird leider nicht mitgeteilt. Es können daher nur Vermutungen aufgestellt werden. Möglicherweise war es ein Überhandnehmen von Tötungen, die durch solche Straftaten ausgelöst wurden und einen auf Abschreckung bedachten Gesetzgeber veranlaßten, hierfUr ein strengeres Strafmaß einzufUhren. Als konsequent kann es aber nicht bezeichnet werden, die Tötung im Zusammenhang mit einer Sachbeschädigung grundsätzlich als Mord zu betrachten, die Tötung im Zusammenhang mit einer Körperverletzung dagegen nicht. Der Totschlag ist im Regierungsentwurf in § 224 geregelt. Hierunter versteht der Entwurf vorsätzliche Tötungen im Affekt. Der Strafrahmen beträgt sechs Monate bis fünfzehn Jahre. Wird der Totschlag begangen, um ein der Ausführung einer strafbaren Handlung entgegenstehendes Hindernis zu beseitigen oder um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen, ist auf Zuchthaus zwischen fünf und zwanzig Jahren zu erkennen (§ 225). Die nicht schon von § 223 Abs. I erfaßten Begehungs-, Vereitelungs- und Verdekkunstötungen, also letztlich Fälle, in denen die Vortat nicht zu den im Katalog des § 223 Abs. I aufgezählten Straftaten gehört, werden somit vom Regierungsentwurf als qualifizierter Totschlag behandelt. Er bleibt aber mit der Anordnung einer zeitigen Freiheitsstrafe (mindestens fünf, höchstens zwanzig Jahre) zum Teil weit hinter dem, was in anderen Strafrechtsordnungen, die Tötungen im Zusammenhang mit anderen Straftaten qualifizieren, üblich ist. Nach dem Entwurf kann der Täter einer Vereitelungstötung weder zu lebenslänglicher Haft, noch gar mit dem Tode bestraft werden. Allerdings geht der oben erwähnte § 223 Abs. 1 als lex specialis § 224 vor. Die Vereitelungstötung wird daher zum schweren Mord und muß mit der Todesstrafe geahndet werden, wenn sie mit den in § 223 genannten Straftaten (gemeinschaftlicher Raub, Diebstahl, Sachbeschädigung oder Brandstiftung in fortgesetztem Zusammenhang) einhergeht. Der Regierungsentwurf von 1874 wird in der Folgezeit zweimal überarbeitet. Die erste Überarbeitung gibt die kasuistische Regelung der Mordvorschrift (und damit auch die Qualifizierung der Tötung im Zusammenhang mit

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bestimmten Straftaten) auf. Mord ist nunmehr, in bewußter Anlehnung an das deutsche Reichsrecht, die mit Überlegung ausgefiihrte vorsätzliche Tötung (§ 218). Die Strafe hierfiir ist Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Totschlag ist die ohne Überlegung begangene vorsätzliche Tötung (§ 219 Abs. 1). An der nunmehr in § 220 geregelten Vereitelungstötung in ihrer Form als qualifizierter Totschlag hat sich inhaltlich kaum etwas geändert. Da aber die Mordvorschrift keine Regelung über die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat mehr enthält, werden die oben erwähnten Spezialfälle der Vereitelungstötung jetzt zu einem Großteil als qualifizierter Totschlag nach § 220 erfaßt. Außerdem wurde in der Überarbeitung des Regierungsentwurfs das Strafmaß fiir den qualifizierten Totschlag reduziert (wie bei den anderen Tötungsdelikten auch). Die zweite Überarbeitung (Überarbeitung II) geht wieder im wesentlichen auf den Regierungsentwurf von 1874 zurück. Totschlag (§ 220) ist die vorsätzliche Tötung im Affekt, Mord (§ 224 Abs. 2) jede andere vorsätzliche Tötung. In § 224 Abs. 1 sind wieder in kasuistischer Weise bestimmte Fälle des Mordes erschwerend hervorgehoben worden, die in jedem Fall mit dem Tod zu bestrafen sind. Es handelt sich dabei im wesentlichen um die gleichen bereits aus dem Regierungsentwurf von 1874 bekannten Tatbestände. Die Qualifizierung der Tötung im Zusammenhang mit bestimmten anderen Straftaten als Mord ist allerdings nicht wieder eingefiihrt worden. Tötet der auf einer frischen Straftat betroffene Täter, um diese Straftat zu begehen oder sich der Bestrafung wegen ihr zu entziehen, wird die Tötung lediglich zu einem qualifizierten Totschlag, dessen Mindeststrafe fiinf Jahre Zuchthaus beträgt (§ 221). Die gänzliche Herausnahme der Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat aus dem Mordtatbestand und die Ahndung der Vereitelungstötung als qualifizierter Totschlag mit einem verhältnismäßig moderaten Strafmaß (Zuchthaus nicht unter fiinf Jahren) darf aber nicht unbedingt als Liberalisierung im geplanten österreichischen Strafrecht mißverstanden werden. Zum einen muß festgestellt werden, daß der Entwurf auch weiterhin den Totschlag zur Verhinderung einer Bestrafung strenger bestraft als einen Totschlag aus anderen Motiven. Zum anderen waren die Verfasser der Überarbeitung lIder Überzeugung, eine ganze Reihe von spontanen Vereitelungstötungen als Mord erfassen zu können. In den Motiven zur Überarbeitung II 57 wird ausdrücklich festgestellt, daß ein Straftäter, der während der Tat von einem Polizeibeamten überrascht wird und diesen tötet, um sich so der Festnahme entziehen zu können, nach der geplanten österreichischen Regelung wegen Mordes bestraft 57Materialien zur Strafrechtsreform, 1890/93, S. 80 f.

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werden könnte. Dieses Ergebnis ist eigentlich überraschend, denn der Mordtatbestand enthält in seiner nunmehrigen Form keinen Ansatzpunkt, spontane, also in der Regel wohl affektive Tötungen, zu erfassen. Handelt der Täter in einem Zustand besonderer Erregung, liegt ein Totschlag vor, und zwar unabhängig davon, ob der Täter selbst oder eine andere Person diesen Affekt verschuldet haben. Auch der Umstand, daß die Tat an einem Polizei beamten begangen wurde, begründet nicht das Eingreifen des Mordtatbestandes, weder in seiner einfachen, noch in seiner qualifizierten Form. Dieser Widerspruch zum Wortlaut der Tötungsvorschriften kann eigentlich nur damit erklärt werden, daß die Verfasser der Überarbeitung 11 von einem sehr eng verstandenen Affektbegriff ausgingen, der die "schreckhafte" Tötung eines Polizeibeamten im Rahmen einer anderen Straftat nicht unbedingt erfaßte. Fest steht jedenfalls: die Verfasser der Überarbeitung 11 hielten die Vereitelungstötung zumindest an einem Polizeibeamten ftir ein so verachtungswürdiges Verbrechen, daß es unbedingt als Mord bestraft werden muß; eine Ahndung als qualifizierter Totschlag genügte ihnen nicht. 4. Der weitere Reformverlauf

Der nächste große Gesetzesvorschlag zur Reform des österreichischen Strafrechts stellt der Kommissionsentwurf von 1906 dar. Die Tötungsdelikte sind nunmehr in den §§ 252 ff. geregelt. Mord (§ 252) ist nach wie vor jede vorsätzliche Tötung. Hinsichtlich der Bestrafung des Mörders differenziert der Entwurf grundsätzlich nach dem bekannten Muster. In § 253 Abs. 1 werden qualifizierende Umstände genannt, in denen der Täter mit dem Tod zu bestrafen ist. § 252 Abs. 2 bestimmt fUr alle anderen Morde als Strafe Zuchthaus von fUnf bis zu zwanzig Jahren oder lebenslänglich. Der Katalog der qualifizierten Mordfiille ist gegenüber den bisherigen Reformversuchen etwas gekürzt. Ein qualifizierter Mord liegt vor, wenn die Tat - begangen wurde mit besonderer Grausamkeit, bei AusfUhrung eines Raubes, eines Verbrechens gegen die Sittlichkeit oder eines Diebstahls, um sich oder einen anderen Beteiligten im Besitz der gestohlenen Sache zu erhalten, oder zur Erlangung einer Erbschaft oder Versicherungssumme, - gegen mindestens zwei Menschen gerichtet war oder das Leben vieler Menschen gefährdet hat, - von einem Sträfling während der Verbüßung einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe begangen wurde. Bei der besonderen Hervorhebung der Morde bei Begehung des Raubes oder einer Straftat gegen die Sittlichkeit dürften man wohl wieder in erster Linie an Fälle der Verdeckungstötung gedacht haben. Dagegen ist eine Tö-

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tung bei Ausführung eines Diebstahls nur qualifiziert, wenn sie dem Erhalt des gestohlenen Gutes dient. Eine darüber hinausgehende schärfere Bestrafung in Fällen der Vereitelungs- oder Verdeckungstötung, auch in der Form eines qualifizierten Totschlags, sieht der Kommissionsentwurf von 1906 nicht vor. 1909 wurde ein neuer Entwurf veröffentlicht. Die dortigen Tötungsdelikte (§§ 285 ff.) weisen in ihren Tatbestandsvoraussetzungen kaum Unterschiede zu dem vorangegangenen Entwurf auf. Diese sind vor allem bei der Strafzumessung anzutreffen. So ist z.B. die Todesstrafe bei den qualifizierten Mordtatbeständen nicht mehr die absolute Strafe, sondern wird nunmehr wahlweise neben dem lebenslänglichen Kerker angedroht. Dem Entwurf von 1909 folgte der Regierungs-Entwurf von 1912, der sich aber kaum von seinem Vorgänger unterschied. Größere Änderungen brachte erst der Entwurf von 1927. Dieser kennt nur noch zwei Formen der vorsätzlichen Tötung (von Tatbeständen wie z.B. der Tötung auf Verlangen oder der Verleitung zum Selbstmord einmal abgesehen). Mord (§ 245) ist grundsätzlich jede vorsätzliche Tötung und wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft. Totschlag (§ 246) ist die Tötung in entschuldbarer heftiger Gemütsbewegung. Kasuistische Qualifizierungen sind nicht mehr vorgesehen. Erst mit der Ausarbeitung der Regierungsvorlage von 1967 wurden die Versuche zur Reform des österreichischen Strafrechts wieder aufgenommen. Die Regierungsvorlage versteht unter Mord (§ 84) jede vorsätzliche Tötung, welche mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren geahndet wird. Allerdings ist wieder eine Qualifizierung vorgesehen, nämlich dann, wenn der Täter aus einem besonders verwerflichen Beweggrund, zu einem besonders verwerflichen Zweck oder auf besonders verwerfliche Weise gehandelt hat. In diesen Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. Die Regierungsvorlage hat sich also zur Abgrenzung des schweren Falles der vorsätzlichen Tötung von seinem "Normalfall", ähnlich dem deutschen Strafgesetzbuch, für eine "Verwerflichkeitslösung" entschieden, ohne die Verwerflichkeit allerdings durch Mordqualifikationsmerkmale näher zu konkretisieren. Dies wiederum geschah in bewußter Abgrenzung zu § 211 StGB. S8 Man ist allerdings der Auffassung, daß bestimmte Mordqualifikationsmerkmale, insbesondere die der 1. Gruppe in § 211 StGB, fast immer besonders verwerfliche Beweggründe darstellen. Ob die Tötung zur Verdeckung einer Sls.

195 f. der Regierungsvorlage 1967.

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Straftat die Verfolgung eines besonders verwerflichen Zwecks darstellt, könne allerdings nur nach den Umständen des Einzelfalles beantwortet werden. 59 Mit dieser letzten These scheint sich beim österreichischen Reformgesetzgeber endgültig die Auffassung durchgesetzt zu haben, daß eine generelle Qualifizierung der Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung abzulehnen ist. Auch die Regierungsvorlage von 1971 hielt an der oben beschriebenen Verwerflichkeitslösung fest. Der schwere Mord unterscheidet sich vom einfachen Mord durch die besondere Verwerflichkeit des Beweggrundes, des Tatzwecks oder der TatausfUhrung. Einzige mögliche Strafe für den schweren Mord ist die lebenslange Freiheitsstrafe (§ 78). Letztlich durchsetzen konnte sich diese Dogmatik der Tötungsdelikte jedoch nicht. Der Qualifikationstatbestand eines schweren Mordes wurde 1973 vom Justizausschuß gestrichen. Begründet wurde diese Maßnahme damit, daß ein einheitlicher Mordtatbestand schwierige dogmatische Abgrenzungsprobleme, die bei der Verwendung der von der Regierungsvorlage vorgesehenen abstrakten Merkmale zur Charakterisierung des Mordes entstünden, vermeiden würde. Auch kriminalpolitisch sei es notwendig, daß die Möglichkeit bestehe, eine einfache vorsätzliche Tötung mit der lebenslangen Freiheitsstrafe zu ahnden. 60 Mit Wirkung zum 1. Januar 1975 wurde dann 1974 endlich ein neues Strafgesetzbuch verkündet. Mord (§ 75) ist die vorsätzliche Tötung ohne weitere zusätzliche Tatbestandsmerkmale. Er wird wahlweise mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht. Totschlag (§ 76) ist gegeben, wenn der Täter "sich in einer allgemeinen begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen läßt, einen anderen zu töten". Die Strafe hierfür beträgt filnf bis zehn Jahre Freiheitsentzug. Ein Raub, bei dessen AusfUhrung ein Mensch getötet wird (zumindest nach dem Verständnis früherer Entwürfe ein "Spezialfall" der Vereitelungs- bzw. Verdeckungstötung), ist gern. § 143 ein schwerer Raub. Sein Strafrahmen ist identisch mit dem für Mord. Da das österreichische Strafrecht den Begriff des Mordes sehr viel allgemeiner versteht als das deutsche Strafgesetzbuch (er umfaßt alle Fälle des § 211 und des § 212 StGB), kann dies heute jedoch nicht mehr als besondere Qualifikation der Vereitelungs- oder Verdeckungstötung interpretiert werden. Auch wenn die Tötung im Rahmen des Raubes vorsätzlich und mit Verdeckungsabsicht ausgefilhrt wurde, kann sie dennoch grundsätzlich nicht härter bestraft werden als jede andere vorsätzliche Tötung auch.

59S.

196 der Regierungsvorlage 1967.

~oos, ZStW 89 (1977), 796 f.

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V. Ungarn Im ungarischen Strafgesetzbuch vom 15. Dezember 1961 sind die Tötungsdelikte in den §§ 253 ff. geregelt. Eine sprachliche Differenzierung der Tötungsdelikte in Mord und Totschlag findet nicht statt. Der Gesetzgeber spricht nur noch einheitlich von Tötung. Grunddelikt ist die vorsätzliche Tötung (§ 253 Abs. 1). Die Strafe beträgt Freiheitsentzug von filnf bis filnfzehn Jahren. Der Täter wird privilegiert, wenn er aus verständlich erscheinenden Gründen in Affekt geraten ist (§ 254). In diesem Fall ist nur auf Freiheitsstrafe zwischen zwei und acht Jahren zu erkennen. § 253 Abs. 2 enthält Qualifizierungen des Grunddelikts. Qualifiziert ist die Tötung, wenn sie ausgefilhrt wurde - in einer besonders grausamen, im voraus geplanten oder viele Menschenleben gefährdenden Weise, - aus Gewinnsucht oder aus einem anderen niedrigen Grund oder Zweck, - gegen eine Amtsperson in der Ausübung des Amtes bzw. wegen der Ausübung des Amtes, - an mehreren Menschen, - von einem Rückfälligen. Viele der aus § 211 StGB bekannten Mordqualifikationsmerkmale sind vorhanden: Habgier ("aus Gewinnsucht"), die sonstigen niedrigen BeweggrUnde, die Grausamkeit, die gemeingefährlichen Mittel (Tötung in einer "viele Menschenleben gefährdenden Weise"). Auch die dem deutschen Recht unbekannten, aber in anderen Rechtsordnungen häufig anzutreffenden Mordmerkmale sind vorhanden: Tötung mehrerer Menschen, Tötung durch einen Wiederholungstäter, Tötung einer Amtsperson bei Erfüllung ihrer Dienste. Auf das heute in vielen Rechtsordnungen immer noch anzutreffende Mordmerkmal der Überlegung ("im voraus geplanten ... Weise") wollte der ungarische Gesetzgeber ebenfalls nicht verzichten. Die Strafe filr die Verwirklichung einer der oben erwähnten Qualifikationen ist der Tod oder zeitige Freiheitsstrafe von zehn bis filnfzehn Jahre. Bei der Tötung einer Amtsperson dürfte es sich um eine "versteckte" Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung handeln. Bei der "Amtsperson" LS.d. § 254 wird es sich meist um einen Polizeibeamten handeln, der damit beschäftigt ist, einen Straftäter festzunehmen. Bei der Tötung eines Polizeibeamten in einer derartigen Situation sind kaum Fälle denkbar, in denen der Täter nicht mit Verdeckungs- oder Strafvereitelungsabsicht handelt. Die Qualifizierung der Tötung einer Amtsperson und die der Vereitelungs(Verdeckungs-)tötung finden sich selten gemeinsam in einem Gesetzeswerk. Meist tritt nur die eine oder die andere Qualifizierung auf. Dies läßt vermu-

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ten, daß die Gesetzgeber mit diesen Tatbeständen letztlich dieselben Ziele verfolgen. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch bei der Vereitelungs- bzw. Verdeckungsabsicht eigentlich der Schutz der Strafverfolgungsorgane im Vordergrund steht. Die Qualifikationstatbestände Vereitelungs- und Verdeckungstötung wären dann in erster Linie geschaffen worden, um die Polizeibeamten bei ihrer täglichen Arbeit zu schützen. Der Gesetzgeber erhoffte sich - zu Recht oder zu Unrecht -, daß von diesen Qualifizierungen und der damit zusammenhängenden strengeren Bestrafung eine abschreckende Wirkung auf potentielle Täter. ausgeht, die so im entscheidenden Moment von der Tötung des Polizeibeamten Abstand nehmen würden. VI. Niederlande

Das erste modeme Strafgesetzbuch der Niederlande trat am 1. Februar 1809 in Kraft. Da es sich um eine mehr oder weniger wörtliche Übersetzung des Code Penal von 1791 handelte, enthielt es auch eine dem P. II tit. II sec. 1 art. 14 Code Penal entsprechende Vorschrift. 61 Auf die Tötung in Verbindung mit einer anderen Straftat steht die Todesstrafe. Ein innerer logischer Zusammenhang zwischen Strafttat und Tötung ist - wie beim Code Penal von 1791 - nicht erforderlich. Wie eng der zeitliche Zusammenhang zwischen den bei den Taten ausgestaltet sein muß, damit eine qualifizierte Tötung vorliegt, ist allein dem Ermessen des Gerichts überlassen. Da auch das niederländische Strafgesetzbuch von 1809 den Mord vom Totschlag auf Grund der Prämeditation unterscheidet, muß davon ausgegangen werden, daß Fälle der spontanen Vereitelungs- bzw. Verdeckungstötung als qualifizierte Taten mit der Todesstrafe geahndet werden. Das Strafgesetzbuch war in den folgenden Jahren teilweise nicht unerheblichen Änderungen unterworfen. Die Zusammenhangstötung blieb hiervon zunächst unberührt. Erst bei der Revision im Jahre 1853 bekundete die Regierung ihr Interesse, die Todesstrafe für die Zusammenhangstötung in lebenslängliches Zuchthaus umzuwandeln. Die Kommission der Generalstaaten erachtete es aber für notwendig, die Todesstrafe zumindest in den Fällen, in denen der Totschlag verübt wurde, um die Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens vorzubereiten, zu erleichtern oder seine Entdeckung zu verhindern, beizubehalten. Eine nähere Begründung ihres Standpunktes lieferte die Kommission nicht. Die Revision endete schließlich damit, daß die Zusammenhangstötung durch eine Vorschrift ersetzt wurde, die den Totschlag qualifizierte, wenn er verübt wurde, um die Ausfiihrung einer Straftat (Verbrechen oder Vergehen) vorzubereiten oder zu erleichtern oder der Bestra61Zit. n. P. Mayer, S. 8.

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fung derselben zuvorzukommen. Die Regelung trat 1854 in Kraft:' Damit hatte die Vereitelungstötung ihren Einzug auch in das niederländische Recht gefunden. Die Regelung entspricht inhaltlich dem Art. 304 des Code Penal in der Form, die er durch die Revision von 1832 erhalten hat. Auf eine Qualifizierung der Tötung, die lediglich im zeitlichen Zusammenhang mit einem Verbrechen steht, ohne in Bezug auf dieses bestimmte Ziele zu verfolgen, hat der niederländische Gesetzgeber allerdings verzichtet. 1870 wurden die Arbeiten an einem neuen Strafgesetzbuch aufgenommen, das am 3. März 1881 verkündet wurde und schließlich am 15. April 1886 in Kraft trat. Im niederländischen Strafgesetzbuch von 1881 sind die Tötungsdelikte in den Art. 287 ff. geregelt. Totschlag ist danach die vorsätzliche Tötung eines Menschen (Art. 287). Die Tat wird mit Gefimgnis bis zu filnfzehn Jah.ren geahndet. Mord liegt vor, wenn der Täter mit Vorbedacht handelte (Art. 289). Die Strafe hierfilr ist Gefimgnis bis zu 20 Jahren oder lebenslänglich. Art. 288 regelt die Verdeckungstötung: "Totschlag nach, bei oder vor einer strafbaren Handlung und in der Absicht verübt, die Ausfilhrung der Handlung vorzubereiten oder zu erleichtern oder bei Ergreifung auf frischer Tat sich selbst oder anderen Teilnehmern an dem Verbrechen Straflosigkeit oder den Besitz des widerrechtlich Entzogenen zu sichern, wird mit Gefl1ngnis auf Lebenszeit oder bis zu zwanzig Jahren bestraft. ,,63 In der Hauptsache ist der Art. 288 niederländisches Strafgesetzbuch weiterhin dem Art. 304 Code Penal treu geblieben. Doch ist der Einfluß des Reichsstrafgesetzbuches unverkennbar. 64 So verwendet der niederländische Gesetzgeber nicht mehr die Begriffe Vergehen und Verbrechen, sondern spricht nur noch von einer strafbaren Handlung. Damit kann nunmehr auch eine Übertretung Gegenstand einer Begehungs- oder Vereitelungstötung sein. Das Erfordernis des Ergriffenwerdens auf frischer Tat, sofern der Täter handelt, um sich oder anderen Teilnehmern die Straflosigkeit zu sichern, ist ebenfalls dem deutschen Recht entnommen.'" Damit findet sich ein aus § 178 preussisches Strafgesetzbuch und § 214 Reichsstrafgesetzbuch her bekannter (und auch im französischen Recht nicht auffindbarer) Wertungswiderspruch im niederländischen Strafgesetzbuch wieder. Der auf frischer Tat betroffene Täter wird härter bestraft als jener Täter, der erst mehrere Stunden (oder sogar noch später) nach seiner Tat überfUhrt wird. Die zeitliche Entfernung zwischen Straftat und Tötung ist jedoch weder ein Gradmesser filr die Ge62Zit. n. Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, 149; P. Mayer, S. 8. 63Übersetzung nach P. Mayer, S. 9. 64p. Mayer, S. 9. 65p. Mayer, S. 9.

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fiihrlichkeit des Täters, noch einer rur die Verwerflichkeit seiner Tat (eher wäre man wohl bereit, dem auf frischer Tat betroffenen Täter, der sich in einer besonderen psychischen Extremsituation befindet, einen die Schuld begrenzenden Affekt zuzugestehen). Die Beschränkung der Qualifizierung auf den auf frischer Tat betroffenen Täter ist rational nur schwer zu rechtfertigen. Ebenfalls wie im preußischen Strafgesetzbuch und Reichsstrafgesetzbuch erfiillt nicht jede Tötungshandlung, die mit der Absicht begangen wurde, sich vor Strafverfolgung zu schützen, die Voraussetzungen des qualifizierten Totschlags. Vielmehr muß sich der Täter in einer Situation befunden haben, in der seine Ergreifung bzw. Festnahme drohte. Dies bedeutet letztlich, daß er die Tat gegen einen zur Festnahme bereiten Dritten gerichtet hat. Die Tötung nur einer als Zeuge in Betracht kommenden Person genügt nicht. Im Gegensatz zum preußischen und reichsdeutschen Strafgesetzbuch unterscheidet der niederländische Gesetzgeber allerdings nicht zwischen Eigenund Fremdbegünstigung. Hier dürfte der niederländische Gesetzgeber den konsequenteren Weg gegangen sein. Es ist kein Grund ersichtlich, einen Täter, der tötet, um sich vor der Strafverfolgung zu schützen, härter zu bestrafen als jenen, der handelt, um andere (z.B. Mittäter) zu begünstigen. Im Zweifelsfall wird der psychische Zwang zum Töten bei dem erstgenannten Täter sogar größer sein, denn dieser muß ja um seine eigene Freiheit fUrchten. Der niederländische Gesetzgeber hat bei Schaffung der Vereitelungstötung wie auch die meisten anderen nationalen Gesetzgeber, die ähnliche Regelungen getroffen haben - in erster Linie an spontane Handlungen gedacht. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, daß die mit Vorbedacht ausgefiihrte Tötung ohnehin als Mord mit lebenslänglicher oder zeitiger Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren geahndet wird. Um die vorausgeplante Vereitelungstötung strafschärfend zu erfassen, hätte es also keiner weiteren Vorschrift bedurft. Eine Subsumtion derartiger Fälle unter die Mordvorschrift wäre unschwer möglich gewesen. In systematischer Hinsicht ist zu bemerken, daß das niederländische Strafgesetzbuch sich der dem Code Penal entliehenen Technik bedient, die Tötung zur Vereitelung der Bestrafung als qualifizierten Totschlag auszugestalten und rur ihn die gleiche Strafe anzudrohen wie fUr den Mord. Warum so verfahren wurde, kann heute nur noch schwer aufgeklärt werden. Für den Täter ist es jedenfalls kaum mehr als eine dogmatische Feinheit, wenn er wegen Mordes oder "nur" eines qualifizierten Totschlags zum Tode verurteilt wird. Bereits oben in den Ausruhrungen zur Entstehungsgeschichte des französischen Code

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Penals wurde die Vermutung geäußert, daß der Gesetzgeber die Unterscheidung von Mord und Totschlag mittels des Kriteriums des Vorbedachtes als so fundamental erachtete, daß er nicht hiervon abweichen wollte. Er sah sich daher vielleicht außerstande, die meist spontan, ohne Vorbedacht geschehene Vereitelungstötung als Mord zu bezeichnen. Da der französiche Gesetzgeber offensichtlich dennoch das Bedürfnis verspürte, die Vereitelungstötung wie einen Mord zu ahnden, wendete er auf sie lediglich das entsprechende Strafmaß an und betrachtete sie im übrigen als einen schweren Fall des Totschlags. Diese Überlegung könnten grundsätzlich auch auf den niederländischen Gesetzgeber angewendet werden. Hinzu kommt, daß der Code Penal in der von ihm 1832 erfahrenen Revision fUr den niederländischen Gesetzgeber auch eine gewisse Vorbildwirkung entfaltete, der er sich vielleicht nicht mehr entziehen konnte oder wollte. Trotz zahlreicher Änderungen des Strafgesetzbuches seit 1881 hat der niederländische Gesetzgeber an der oben dargestellten Regelung der Tötungsdelikte bis heute festgehalten. Nach wie vor ist fUr die Vereitelungstötung der gleiche Strafrahmen vorgesehen wie fUr Mord (lebenslänglich oder zeitige Gefiingnisstrafe von zwanzig Jahren). VII. Portugal

Das portugiesische Strafgesetzbuch vom 16. September 1886 (wie bereits zuvor das Strafgesetzbuch von 185266 ) regelt die Tötungsdelikte in den Art. 349 ff. Das Gesetz verwendet fiir die vorsätzliche Tötung durchgängig den Begriff der willentlichen Tötung (homicidio voluntario ). Eine darüber hinausgehende sprachliche Differenzierung zwischen den einzelnen Tötungsformen nimmt es nicht vor. Inhaltlich unterscheidet das Strafgesetzbuch bei den willentlichen Tötungen aber zwischen einem einfachen und einem schweren Fall (des weiteren kennt es hier nicht weiter interessierende Sonderformen der Vergiftung und der Aszendententötung). Die einfache willentliche Tötung (Art. 349) ist die vorsätzliche Tötung eines anderen. Die Erfilllung weiterer Voraussetzungen ist nicht erforderlich. Die Strafe hierfilr ist wahlweise acht Jahre Zuchthaus und sich daran anschließende zwöltjährige Verbannung oder Verbannung auf filnfundzwanzig Jahre.

66Z um Strafgesetzbuch von 1852 siehe Beleza dos Santos, in: Das Portugiesische Strafgesetzbuch vom 16. September 1886, Berlin 1962, S. I f.; P. Mayer, S. 10.

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Unter bestimmten Voraussetzungen wird die einfache willentliche Tötung zu einem schweren Fall (Art. 351) qualifiziert. Eine erschwerte willentliche Tötung liegt vor, wenn - der Täter mit Vorbedacht handelte, - er Folterqualen oder sonstige Handlungen von Grausamkeit anwendete, - die Tat den Zweck hatte, ein anderes Verbrechen vorzubereiten, zu erleich. tern, auszufiihren oder die Straflosigkeit des Mörders zu sichern, - der Tat ein anderes Verbrechen vorausgegangen, gleichzeitig geschehen oder gefolgt ist, das mit einer höheren Strafe als zwei Jahre Gefilngnis bedroht ist. Die Strafe rur die qualifizierte Tötung beträgt wahlweise acht Jahre Zuchthaus mit darauffolgender Verbannung von zwanzig Jahren oder ausschließlich Verbannung von achtundzwanzig Jahren (das Strafgesetzbuch von 1852 sah allerdings noch die Todesstrafe vor"'). Das portugiesische Strafgesetzbuch kennt also die Vereitelungstötung. Wer eine Tötung begeht, um die Bestrafung wegen eines Verbrechens zu verhindern, muß mit der Höchststrafe rechnen, nämlich acht Jahre Zuchthaus mit anschließender zwanzig jähriger Verbannung oder achtundzwanzigjähriger Verbannung. Der Gesetzgeber unterscheidet nicht zwischen Eigen- und Fremdbegünstigung. Es spielt auch keine Rolle, ob die Verdeckungstat von vornherein geplant oder zumindest einkalkuliert war. Da das portugiesische Strafgesetzbuch die mit Vorbedacht ausgefiihrte Tötung ohnehin schon als schweren Fall betrachtet, wäre eine Qualifizierung der auschließlich im Voraus geplanten Vereitelungstötung überflüssig gewesen. Allerdings kann Gegenstand der Vereitelungstötung nur ein Verbrechen sein. Unter Verbrechen sind diejenigen Delikte zu verstehen, die das portugiesische Strafgesetzbuch ausdrücklich als solche (z.B. in der Kapitelüberschrift) bezeichnet (Art. 15). Die übrigen Straftaten sind Vergehen. Zusätzlich zur Vereitelungstötung, vermutlich ebenfalls in Anlehnung zum Code Penal, enthält das portugiesische Strafrecht eine weitere Qualifizierung, nach der allein schon der zeitliche Zusammenhang mit einem anderen Verbrechen, sofern es mit einer Freiheitsstrafe von.mehr als zwei Jahren bedroht ist, die Tötung qualifiziert. Bei dieser Vorschrift handelt es sich wohl um einen Auffangtatbestand. Trifft die Tötung mit einer verhältnismäßig schweren Straftat zusammen, wird sie auf jeden Fall qualifiziert, auch wenn der 67Siehe hierzu P. Mayer, S. 10.

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Täter ohne Vereitelungs- oder Begehungsabsicht handelte. Schon das bloß zuflillige Zusammentreffen der Tötung mit der anderen Straftat wird also als schwerer Fall erfaßt. Warum der portugiesische Gesetzgeber diese Parallelvorschrift zu Art. 304 Abs. 2 Code Penal in das Strafgesetzbuch aufgenommen hat, kann nur vermutet werden. Vielleicht war es eine diffuse Angst vor einem Täter, der mehrere Straftaten gleichzeitig begeht; vielleicht war es aber auch nur die starke Vorbildwirkung des französischen Code Penals, dem der portugiesische Gesetzgeber nur unreflektiert folgte. Die Qualifizierung des zuflilligen Zusammentreffens von Tötung und einer anderen Straftat im portugiesischen Strafgesetzbuch wird in ihrer praktischen Anwendung allerdings genauso problematisch gewesen sein wie die Parallelvorschrift des Code Penal, zumal auch hier gesetzgeberische Angaben über die Länge des zeitlichen Zusammenhangs zwischen den beiden Taten fehlen. Die einzige Einschränkung gegenüber der Regelung im Code Penal ist darin zu erblicken, daß die Tötung im zeitlichen Zusammenhang mit einem Verbrechen stehen muß, das mit einer höheren Strafe als zwei Jahre bedroht ist. Dagegen genügt im Code Penal jedes Verbrechen, um die Qualifizierung auszulösen. Spätere Änderungen des portugiesische Strafgesetzbuchs haben den oben beschriebenen Rechtszustand der Vereitelungs- bzw. Zusammenhangstötung nicht angetastet (wenn man einmal von Änderungen der Strafrahmen absieht). VIII. Bulgarien

Im Strafgesetz Bulgariens vom 2. Februar 1896 sind die Tötungsdelikte in den Art. 247 ff. geregelt. Begrifflich wird nicht zwischen Mord und Totschlag unterschieden, vielmehr spricht das Gesetz einheitlich von Tötung. Nach Art. 247 Abs. 1 wird derjenige, der einen anderen vorsätzlich tötet, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft. Gern. Art. 247 Abs. 2 ist auf Todesstrafe zu erkennen, wenn die Tat mit Überlegung ausgefiUut worden ist. Art. 248 zählt eine Reihe von Tatbeständen auf, in denen die einfache vorsätzlichen Tötung LS.v. Art. 247 Abs. 1 qualifiziert wird. Als qualifiziert werden demnach betrachtet die vorsätzliche Tötung: - des Oberhauptes eines fremden Staates, - eines Geistlichen bei Abhaltung des Gottesdienstes oder Vornahme religiöser Zeremonien, - eines Organs der öffentlichen Gewalt während oder aus Anlaß der Erfüllung seiner Amtsobliegenheiten, - des Vaters oder der Mutter, - von mindestens zwei Personen oder einer Schwangeren,

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- in einer für Leben oder Gesundheit vieler Menschen gefährlichen Art oder Form, - unter Zufügung von Martern, - in gewinnsüchtiger Absicht, - zum Zwecke erleichterter Begehung eines anderen Verbrechens, - durch Vergifbrng. Die Tatbestände des Art. 248 sind Qualifikationen der einfachen vorsätzlichen Tötung. Der für sie vorgesehene Strafrahmen (grundsätzlich lebenslanges Zuchthaus) geht zwar über den der einfachen vorsätzlichen Tötung hinaus. Die Verhängung der Todesstrafe kommt aber nicht in Betracht. Diese bleibt der schwersten Form der Tötung vorbehalten; und das ist die mit Überlegung ausgeführte Tötung. Art. 248 ähnelt in seinem äußeren Aufbau der Mordvorschrift nach dem Entwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch von 1893/94. Eine ganze Reihe von Mordqualifikationsmerkmale dieses Entwurfs (wenn auch in sprachlich anderer Form) sind erkennbar: Habgier (in gewinnsüchtiger Absicht), Tötung mit gemeingefahrlichen Mitteln (in einer für Leben oder Gesundheit Vieler gefährlichen Art oder Form), Grausamkeit (unter Zufügung von Martern), Tötung, um eine andere Straftat zu begehen (zum Zwecke erleichterter Begehung eines anderen Verbrechens). Auf eine besondere Bestrafung der Verdeckungs- oder Vereitelungstötung hat der bulgarische Gesetzgeber offensichtlich verzichtet. Jedoch darf vermutet werden, daß mancher Fall der Verdeckungstötung durch den Tatbestand der Tötung eines Organs der öffentlichen Gewalt während der Erfüllung einer Amtsobliegenheit (also insbesondere der Fall der Tötung eines Polizeibeamten durch einen auf frischer Tat betroffenen Straftäter) erfaßt wird. Die Strafe für die in Art. 248 aufgeführten Tatbestände beträgt in der Regel lebenslängliches Zuchthaus. Jedoch kann die Strafe ausnahmsweise auch milder ausfallen. Das bulgarische Strafgesetzbuch vom 2. Februar 1951 brachte gewisse Änderungen in die Systematik der Tötungsdelikte. Grundtatbestand ist nach wie vor die einfache vorsätzliche Tötung (Art. 126). Sie wird mit Freiheitsentziehung von mindestens zehn Jahren bestraft. Die ~chwere Form der Tötung findet sich in Art. 127. Dieser enthalt einen Katalog von Qualifizierungen, die mit denen des Art. 248 a.F. nahezu identisch sind. Art. 127 ist nunmehr die einzige Form der schweren vorsätzlichen Tötung. Die Systematik der Tötungsdelikte ist jetzt durchaus mit der im deutschen Strafgesetzbuch vergleichbar.

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Neu aufgenommen worden ist in dem Katalog der erschwerenden Tatumstände u.a. die Tötung zur Verdeckung einer anderen Straftat. Ähnlich wie der deutsche Gesetzgeber betont auch der bulgarische Gesetzgeber somit das Verheimlichen der zuvor begangenen Straftat, weniger das (allerdings fast immer hinter der Verdeckungsabsicht stehende) Motiv der Strafvereitelung. Für alle in Art. 127 genannten Tatbestände ist als Strafe Freiheitsentzug von mindestens fUnfzehn Jahren vorgesehen. In vom Gesetz nicht näher spezifizierten besonders schweren Fällen kann auch die Todesstrafe verhängt werden. Die früher einen eigenen Tatbestand bildende Tötung mit Überlegung (Vorbedacht) ist jetzt ebenfalls ein Fall des Art. 127. Der bulgarische Gesetzgeber hat damit also an der Qualifizierung der Tötung mit Vorbedacht festgehalten. Di~s darf zugleich als Indiz daftlr gewertet werden, daß er bei der Verdekkungstötung in erster Linie an den spontan, also affektiv handelnden Täter gedacht hat. Ansonsten wäre diese Qualifizierung überflüssig. Denn ein Täter, der eine Verdeckungstötung geplant begeht, handelt fast zwangsläufig mit Vorbedacht und wäre schon deshalb durch den Qualifikationstatbestand erfaßt. Das bulgarische Strafgesetzbuch vom 16. März 1968 hat die oben beschriebene Regelung der Tötungsdelikte - wenn man einmal von der veränderten Artikelzählung absieht" - fast unverändert übernommen. IX. Norwegen

Das Allgemeine Bürgerliche Strafgesetz ftlr das Königreich Norwegen vom 22. Mai 1902 regelt die vorsätzli~hen Tötungen in den §§ 233 ff. Eine begriffliche Unterscheidung zwischen den Tötungsdelikten wird nicht vorgenommen. Das Gesetz kennt nur den Totschlag, und zwar in einer einfachen und in einer schweren Form. Der einfache Totschlag (§ 233 Abs. 1) ist die vorsätzliche (Mit-)Verursachung des Todes eines Menschen. Der Täter ist mit Gefängnis nicht unter sechs Jahren zu bestrafen. Die schwere Form des Totschlags (§ 233 Abs. 2) liegt vor, wenn der Täter mit Überlegung handelte oder die Tötung beging, um ein anderes Verbrechen zu erleichtern oder zu verheimlichen oder um sich der Bestrafung wegen eines solchen Verbrechens zu entziehen. Desweiteren liegt ein schwerer Fall des Totschlags vor, wenn der Täter wegen einer vorsätzlichen Tötung bereits vorbestraft ist oder andere besonders erschwerende Umstände vorliegen. In allen diesen Fällen kann auf lebenslängliches Gefängnis erkannt werden. 61Die Tötungsdelikte sind nunmehr in den Art. 115 ff. geregelt.

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Das norwegische Strafgesetzbuch von 1902 gehört somit zu den Strafgesetzbüchern, die nicht nur die Tötung aus Gründen der Strafvereitelung als erschwerte Tötung hervorhebt, sondern auch solche, die erfolgen, um eine Straftat zu verdecken (verheimlichen). Hier ist deutlich der Einfluß des Entwurfs zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch von 1893/94 zu spüren. Allerdings dürfte die kumulative Erwähnung von Verdeckungstötung und Vereitelungstötung überflüssig sein. Die alleinige Erwähnung der Vereitelungstötung hätte genügt. Denn der Täter, der eine Straftat verdecken will, tut dies in aller Regel auch, um seine oder die Bestrafung eines anderen zu verhindern. Auch der norwegische Gesetzgeber scheint bei seiner Regelung der Verdekkungs- und Vereitelungstötung in erster Linie an Fälle spontaner, affekthafter Tötungen gedacht zu haben. Dies ergibt sich wieder aus dem Umstand, daß er die mit Überlegung ausgefilhrte Tötung ebenfalls als qualifizierten Totschlag erwähnt. Hätte der norwegische Gesetzgeber bei der Verdeckungs- und Vereitelungstötung nur oder im wesentlichen an vorausgeplante Fälle gedacht, wäre ihre Erwähnung als eigener Qualifikationstatbestand an sich überflüssig. Das Tatbestandsmerkmal der Überlegung allein würde schon genügen, sie als erschwerte Fälle zu erfassen. Dies läßt nur den Schluß zu, daß die Vereitelungs- und Verdeckungstötung im norwegischen Recht in erster Linie Fälle einer spontanen Tötung betreffen sollen. Die Verdeckungs- und die Vereitelungstötung im norwegischen Recht werden durch zwei Einschränkungen in ihrer Schärfe etwas gemildert. Zum einen setzen diese Tötungsformen ein vorangegangenes Verbrechen voraus, zum anderen sieht der Gesetzgeber keine absolute Strafe vor. Der Richter muß nicht auf lebenslänglich erkennen, sondern kann bis auf die Mindeststrafe filr Totschlag, sechs Jahre Gefängnis, herabgehen. Verbrechen sind nach § 2 diejenigen Straftatbestände, die im zweiten Teil des Strafgesetzbuches aufgefilhrt werden. Die Straftaten des dritten Teils, d.h. alle anderen Straftaten, sind Übertretungen. Übertretungen i.S.d. norwegischen Strafgesetzbuches sind Taten, die nach unserem heutigen Rechtsverständnis zumeist als Ordnungswidrigkeiten behandelt werden, falls sie überhaupt noch einer besonderen Verfolgung unterliegen (z.B. die Störung der Sonntagsruhe, nächtliche Ruhestörung, Hausfriedensbruch, bestimmte Fahrlässigkeitsdelikte). Allerdings ist - wie bereits mehrfach erwähnt - die Beschränkung der Vereitelungs- und Verdeckungstötung auf Verbrechen eine eher inkonsequente Milderung. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum ein Täter, der zur Vermeidung einer Bagatellstrafe tötet, weniger gefährlich sein

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oder verwerflich gehandelt haben soll als jener, der die Tat begeht, um einer massiveren Bestrafung zu entgehen. Im Ergebnis kann also festgestellt werden, daß der Richter im norwegischen Strafgesetzbuch bei der Bewertung der Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung einen weiten Ermessensspielraum besitzt, der bei richtiger Anwendung diesen beiden Mordmerkmalen erheblich an Schärfe nimmt. Dagegen dürfte die Beschränkung dieser Tötungen auf vorangegangene Verbrechen bei dem weiten Verbrechensbegriff des norwegischen Strafgesetzbuches - abgesehen von seiner Inkonsequenz - zu keiner spürbaren Entlastungen des Täters, etwa im Vergleich zum deutschen Recht, fiihren.

x. Früheres Serbien Der am 26. Juni 1910 vom serbischen Justizministerium veröffentlichte Vorentwurf eines Strafgesetzbuches fiir das Königreich Serbien regelt die Bestrafung der vorsätzlichen Tötungen in den §§ 131 - 148. Wie viele andere nationale Strafgesetze auch, verzichtet dieses Gesetz ebenfalls auf eine terminologische Unterscheidung der Tötungsdelikte und spricht einheitlich von Tötung. Grundtatbestand ist die einfache vorsätzliche Tötung (§ 131 Abs. 1). Sie wird mit Zuchthaus von zehn bis zwanzig Jahren bestraft. § 131 Abs. 2 zählt qualifizierende Tatbestände auf, in denen der Täter mit dem Tod oder mit lebenslangem Zuchthaus zu bestrafen ist. Wörtlich lautet die Vorschrift: "Wenn die Tötung auf grausame Weise, durch Gift oder auf eine das Leben vieler Menschen gefährdende Weise ausgefiihrt ist, oder wenn die Tötung aus Eigennutz oder zum Zwecke des Unternehmens und Verheimlichens einer anderen mit Zuchthaus bedrohten Straftat begangen ist, soll der Täter mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft werden. ,,69 Diese Vorschrift kann den Einfluß des Entwurfs zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch von 1893/94 kaum leugnen. Praktisch alle dort erwähnten Mordqualifikationsmerkmale sind vorhanden. Ebenso wie der schweizerische Entwurf betont der serbische Entwurf weniger die Vereitelungsabsicht des Täters als vielmehr seine Verheimlichungsabsicht hinsichtlich der Straftat. Auch dies darf als Indiz fiir einen entsprechenden Einfluß gewertet werden.

Wie die Regelung der Verdeckungstötung nach dem serbischen Entwurf ausgelegt wurde, insbesondere ob sie auf Fälle der vorausgeplanten Tötung beschränkt gewesen wäre, kann heute nicht mehr geklärt werden. Das in die69()bersetzung nach Topalovits/Landsberg, Vorentwurf zu einem Strafgesetzbuch rur das Königreich Serbien, Berlin 1911, S. 34. 5 Weiß

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ser Arbeit bereits häufiger verwendete Argument, wonach die Verdeckungsbzw. Vereitelungstötung auch auf Fälle affektiver Tötung angewendet worden sein muß, weil sie andernfalls wegen einer bereits vorhandenen Qualifizierung der prämeditierten Tötung überflüssig gewesen wäre, ist hier nicht erlaubt. Der serbische Entwurf hat auf eine besondere Hervorhebung der mit Vorbedacht bzw. Überlegung ausgefUhrten Tötung verzichtet. Andererseits kennt auch das deutsche Strafrecht seit 1941 nicht mehr die Überlegung als besonderes Mordmerkmal. Dennoch hat die bundesdeutsche Rechtsprechung praktisch von Anfang an das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht sehr weit ausgelegt und es auch auf Fälle des spontanen und affektiven Tatentschlusses ausgedehnt (obwohl dies nach dem Wortlaut nicht zwingend ist). Eine ähnliche Auffassung könnten auch die Verfasser des serbischen Entwurfs geteilt haben. Des weiteren ist zu bedenken, daß die spontane Verdeckungstötung ein nicht unwichtiges Argument in der Apologese der BefUrworter einer erhöhten Strafbarkeit der Verdeckungstötung ist. Die Regelung der Verdeckungstötung als schwerer Fall des "normalen" Totschlags soll eben verhindern, daß der in die Enge getriebene, möglicherweise bereits in Panik befindliche Straftäter zu der "naheliegenden Lösung" seines Problems, nämlich der Tötung, greift. Man hofft, daß die erhöhte Strafandrohung in derartigen Situationen den auch in Panik befindlichen Straftäter wieder "zur Besinnung" bringt und bei ihm die Hemmschwelle fUr eine Tötung erhöht. Es ist wohl anzunehmen, daß den Verfassern des serbischen Entwurfs dieses sehr häufig anzutreffende Argument rur die verschärfte Strafbarkeit der Verdeckungstötung durchaus bekannt war und daher diese nicht auf die Fälle ihrer vorherigen Planung beschränkt wissen wollten. Des weiteren ist zu beachten, daß die Vereitelungstötung wie die Verdeckungstötung möglicherweise in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle leerliefe, wenn man sie von vornherein auf vorbedachte Tötungen beschränken würde. 70 Auch dies spricht daftir, daß die Verfasser des serbischen Entwurfs sie wohl auf Fälle einer spontanen Tötung angewendet wissen wollten. Die Verdeckungstötung nach dem serbischen Strafgesetzbuch ist auf Straftaten beschränkt, die nach dem Entwurf mit Zuchthaus zu bestrafen sind. Im wesentlichen sind damit alle üblichen Straftaten in unserem Sinne (Verbrechen und Vergehen) erfaßt.

70S0 hat in fast allen dem BGH vorgelegten Fällen zur Verdeckungsabsicht der jeweilige Täter die Tötung spontan begangen.

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XI. Frühere Tschechoslowakei

Der Entwurf zu einem tschechoslowakischen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1926 regelt die Tötungsdelikte in den §§ 271 ff. Er unterscheidet die Tötungsdelikte sprachlich in Mord (§ 272) und Totschlag (§ 271). Totschlag ist die absichtliche (d.h. vorsätzliche) Tötung eines Menschen und ist mit Gefängnis von drei bis fiinfzehn Jahren zu bestrafen (§ 271 Abs. I). Mord liegt vor, wenn der Täter aus niedriger Gesinnung tötet. Der Täter ist mit Kerker von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslänglichem Kerker zu bestrafen (§ 272). Die mit der Ausarbeitung des Entwurfes beauftragte Kommission ist der Auffassung, daß die niedrige Gesinnung des Täters - im Gegensatz zur Überlegung - das geeignetere Kriterium zur Unterscheidung von Mord und Totschlag sei." Man verzichtete allerdings darauf, den Begriff der niedrigen Gesinnung in § 272 näher zu konkretisieren, etwa durch Aufzählung einzelner Mordqualifikationsmerkmale. Stattdessen findet sich im Allgemeinen Teil des Entwurfes eine Vorschrift (§ 14), die rur alle Straftaten, die aus einer niedrigen Gesinnung begangen wurden, eine Strafschärfung anordnet. Gern. § 14 Abs. 3 ist eine Tat insbesondere dann aus einer niedrigen Gesinnung begangen worden, "wenn in ihr grobe Gewinnsucht, Arbeitsscheu, Bosheit, Unverschämtheit, Roheit zum Ausdrucke kommt oder wenn sie dem Schuldigen als Mittel dazu dient, ein anderes Verbrechen zu begehen oder sich ein solches zu erleichtern oder sich einen Vorteil aus einem Verbrechen zu sichern oder sich vor Strafe wegen eines Verbrechens zu bewahren". In den Motiven des Entwurfes werden von der Kommission als Beispiele fiir eine niedrige Gesinnung LS.d. § 272 die Tötung zur Verübung oder Erleichterung einer Straftat sowie die Tötung zur Bewahrung des Schuldigen vor Strafe ausdrücklich erwähnt. 72 Der tschechoslowakische Entwurf darf also auch zu den Strafgesetzbüchern gerechnet werden, die die Vereitelungstötung als besonders verwerfliche Tat betrachten. Allerdings ist man den verhältnismäßig unkonventionellen Weg gegangen, die Strafvereitelung nicht in der Mordvorschrift selber zu erwähnen, sondern in einer Vorschrift des Allgemeinen Teils, die fiir alle Straftaten und nicht nur fiir die Tötung gilt. Die in § 14 Abs. 3 erwähnten Motive des Täters sind nur als Regelbeispiele zu verstehen, wie sich schon aus der Verwendung des Wortes "namentlich" ergibt. Des weiteren wurde von den Verfassern des Entwurfes auch bewußt der Begriff der "niedrigen Gesinnung" und nicht etwa der des "niedrigen Beweggrundes" gewählt. Damit sollte, viel71Yorentwürfe Tschechoslowakei, Begründung, S. 191. 72Yorentwürfe Tschechoslowakei, S. 191. S"

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leicht in Anlehnung an eine langsam an Boden gewinnende Tätertypenlehre, festgestellt werden, daß es nicht ausreiche, wenn das konkrete Motiv des Täters, um das es geht, nur ein einmaliger Vorgang innerhalb seiner Psyche sei. Vielmehr müsse das Motiv charakteristisch fiir die gesamte Persönlichkeit des Täters sein." Bei einem derartigen Verständis der niedrigen Gesinnung hätten die Gerichte fiir den Fall, daß der Entwurf geltendes Recht geworden wäre, durchaus die Möglichkeit gehabt, bei einem Täter, der aus einer Affektsituation heraus eine Tötung zur Verdeckung oder zur Strafvereitelung begangen hat, etwa weil er während der Tat überrascht wurde, auf die Mordstrafe zu verzichten. In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, daß die Vereitelungsabsicht ein sich aus einer bestimmten Paniksituation herausergebendes Motiv darstellt und nicht unbedingt charakteristisch für die ganze Gesinnung des Täters ist. Als Vortat einer Vereitelungstötung i.S.d. Entwurfs kommt jede Straftat in Betracht. Eine Beschränkung der Verdeckungsabsicht auf bestimmte Straftaten ist dem Wortlaut des § 14 nicht zu entnehmen. Der Entwurf beschränkt die Vereitelungstötung nicht zeitlich. Die Qualifizierung tritt somit auch dann ein, wenn die Vortat längere Zeit zurückliegt. Die Regelung konnte sich aber in der Praxis nicht durchsetzen. Die Strafgesetzbücher von 1950 und 1961 verzichten generell auf eine Qualifizierung von Tötungen, die dazu dienen, eine andere Straftat zu verdecken oder den Täter wegen einer solchen Tat straflos zu stellen. XII. Früheres Sowjetrußland

Das erste sowjetrussische Strafgesetzbuch trat am 1. Juni 1922 in Kraft. In der Folgezeit wurde es mit unwesentlichen Modifikationen nach und nach auch von den übrigen Sowjetrepubliken übernommen. 7' In dem Strafgesetzbuch 1922 finden sich die Tötungsdelikte in den §§ 142 ff. Der Gesetzgeber unterscheidet sprachlich zwischen der vorsätzlichen Tötung (§ 143), der qualifizierten Tötung (§ 142) und der Affekttötung (§ 144). 73Wörtlich heißt es denn auch in der Begründung: "Damit (mit der Verwendung des Begriffes niedrige Gesinnung, Anm. des Verf.) soll gesagt sein, daß bei der Beurteilung seiner Tat nicht nur deren Beweggrund allein für sich betrachtet werden soll, sondern daß geprüft werden soll, ob dieser Beweggrund der gesamten Veranlagung des Täters entspricht" (Vorentwürfe Tschechoslowakei, Begründung, S. 20). 74Gallas, Einleitung, S. 7, in: Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik, Berlin 1931.

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In § 142 werden enumerativ Tatbestände aufgezählt, bei deren Vorliegen eine qualifizierte Tötung anzunehmen ist. Sie wird mit strenger Isolierung von mindestens acht Jahren bestraft. Die einfache vorsätzliche Tötung wird mit mindestens drei Jahren strenger Einzelhaft bestraft. Die Tötung wird von dem sowjetrussischen Gesetzgeber als qualifiziert betrachtet, wenn der Täter sie begangen hat: - aus Eigennutz, Eifersucht oder anderen niederen Beweggründen, - obwohl er bereits wegen vorsätzlicher Tötung oder sehr schwerer Körperverletzung eine Strafe verbüßt hat, - in einer Weise, die für das Leben vieler Menschen gefiihrlich oder rur den Erschlagenen besonders quälend gewesen ist, - in der Absicht, ein anderes schweres Delikt zu erleichtern oder zu verbergen, - obwohl er zur besonderen Sorge rur den Getöteten verpflichtet war, - unter Ausnutzung der hilflosen Lage des Getöteten. Man sieht diesen Qualifizierungen den erheblichen Einfluß des Entwurfs von 1893/94 zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch an. Viele der dortigen Mordqualifikationsmerkmale sind vorhanden: die Habgier (Tötung aus Eigennutz), die sonstigen niedrigen Beweggründe, die gemeingefiihrlichen Mittel (Tötung in einer Weise, die rur das Leben vieler Menschen gefiihrlich ist), die Grausamkeit (Tötung in einer Weise, die rur den Erschlagenen besonders quälend gewesen ist), die Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht (Tötung in der Absicht, ein anderes schweres Delikt zu erleichtern oder zu verbergen) und die Heimtücke (Tötung unter Ausnutzung der hilflosen Lage des Getöteten). Zur Charakterisierung der Verdeckungstötung hat der sowjetrussische Strafgesetzgeber die Formulierung "Tötung in der Absicht, ein anderes schweres Delikt zu verbergen" gewählt. Bemerkenswert ist, daß hierbei die Absicht auf das Verbergen einer anderen Straftat gerichtet sein muß und nicht wie in vielen anderen Strafrechtsordnungen auf die Strafvereitelung. Wie der deutsche Gesetzgeber hat auch der sowjetrussische Gesetzgeber sich damit besonders eng an den Wortlaut des schweizerischen Entwurfs gehalten. Qualifiziert ist allerdings nicht jede Tötung zur Verdeckung einer Straftat, sondern nur die Tötung zur Verdeckung eines schweren Delikts. Das sowjetrussische Strafgesetzbuch kennt keine Definition des "schweren Delikts". Unter dem Begriff "Delikt" versteht es "jede gemeingefiihrliche Handlung oder Unterlassung ... , die die Grundlagen der Sowjetverfassung und diejenige Rechtsordnung bedrohen, die von der Arbeiter- und Bauernregierung für die

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Zeit des Übergangs zum kommunistischen Staat geschaffen" wurden (§ 6). Im Gegensatz zu den meisten Rechtsordnungen nimmt das sowjetrussische Strafgesetzbuch keine besondere Unterscheidungen innerhalb der Delikte vor. Jede Straftat von der unbedeutendsten Beleidigung bis zur qualifizierten vorsätzlichen Tötung ist ein Delikt. Hinzu kommt, daß das sowjetrussische Strafgesetzbuch in § 6 bewußt eine Formulierung gewählt hat, die es der Justiz erlaubt, auch solche Taten als Delikte zu erfassen und zu bestrafen, die im Strafgesetzbuch überhaupt nicht geregelt werden. 7s Was unter einem schweren Delikt zu verstehen ist, bleibt also ausschließlich dem Ermessen des Gerichts überlassen. Dabei ist es nicht an die Tatbestände des Strafgesetzbuches gebunden. Gegenstand einer Verdeckungstötung kann also auch eine nicht ausdrücklich für strafbar erklärte Handlung sein, wenn sie bloß die Grundlagen der Sowjetverfassung und der sonstigen von der Arbeiter- und Bauernregierung geschaffenen Rechtsordnung bedroht und von dem zuständigen Gericht als schwer empfunden wird. Schon bald nach Erlaß des Strafgesetzbuchs von 1922 beschloß die sowjetrussische Führung eine Reform des Gesetzeswerkes. 76 Nach Vorarbeiten von ca. zwei Jahren wurde am 22. November 1926 ein neues Strafgesetzbuch verkündet, das am I. Januar 1927 in Kraft trat. Den in der Folgezeit in den übrigen Sowjetrepubliken erlassenen Strafgesetzbüchern diente es in allen grundsätzlichen Punkten als Vorbild, so daß es insoweit zugleich den in der gesamten Union zur damaligen Zeit geltenden Rechtszustand wiedergibt (ebenso wie das Vorläufer-Strafgesetzbuch von 1922).77 Die Tötungsdelikte finden sich nun in den §§ 136 ff. Abgesehen von einer geringftigigen Milderung im Strafmaß hat sich inhaltlich gegenüber der Regelung im Strafgesetzbuch von 1922 jedoch nichts geändert. Obwohl das Strafgesetzbuch von 1926 in den nächsten Jahren und Jahrzehnten z.T. erheblichen Änderungen unterworfen wurde7!, blieben die Tötungsdelikte hiervon praktisch verschont. Dies änderte sich auch mit dem neuen Strafgesetzbuch vom 27. Oktober 1960 nicht. Die Tötungsdelikte sind nunmehr in den Art. 102 geregelt. Gravierende inhaltliche Änderungen können nicht festgestellt werden. Nach wie 75Vgl. H. Freund, S. 101. 76Gallas, Einleitung, S. 7, in: Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik, Berlin 1931. 77Gallas, Einleitung, S. 8, in: Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik, Berlin 1931. 78Vgl. hierzu Gallas, Vorbemerkungen, S. X, in: Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik, Berlin 1953.

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vor unterscheidet der sowjetrussische Strafgesetzgeber zwischen drei Fällen der vorsätzlichen Tötung: die einfache vorsätzliche Tötung (Art. 103), die qualifizierte vorsätzliche Tötung (Art. 102) und die vorsätzliche Tötung im Zustand einer starken seelischen Erregung (Art. 104). Die Fallgruppen der qualifizierten Tötung sind modifiziert worden. Außerdem ist daß ftlr diese Taten vorgesehene Strafmaß erhöht worden. Neben der Freiheitsstrafe ist nunmehr auch die Verhängung der Todesstrafe möglich (deren Anwendung die früheren Strafgesetzbücher auf die Tötungsdelikte nicht vorsahen). Neu aufgenommen worden sind im Katalog der qualifizierten Tötungen die Tötung im Zusammenhang mit der Erfilllung der Amtspflicht oder einer gesellschaftlichen Pflicht durch den Verletzten, die Tötung von zwei oder mehr Personen, die Tötung einer schwangeren Frau, wenn dem Täter die Schwangerschaft bekannt war sowie die Tötung aus Blutrache. Die übrigen Qualifikationstatbestände sind unangetastet geblieben oder sprachlich nur so unwesentlich modifiziert worden, daß hiermit keine nennenswerten inhaltlichen Änderungen gewollt sein können. Der Tatbestand der Verdeckungstötung ist überhaupt nicht geändert worden. XIII. Rumänien

Im rumänischen Strafgesetzbuch vom 18. März 1936 (in Kraft getreten am 1. Januar 1937) sind die Tötungsdelikte in den Art. 463 ff. geregelt. Abgesehen von den üblichen Spezialfiillen kennt das Gesetz zwei Formen der vorsätzlichen Tötung: einen einfachen Grundfall, dessen einzige Voraussetzung die vorsätzliche Tötung eines Menschen ist (Art. 463) und einen qualifizierten Fall, bei dem, ähnlich den Mordqualifikationsmerkmalen im deutschen Strafrecht, weitere Umstände hinzutreten müssen (Art. 464). Die einfache vorsätzliche Tötung eröffnet dem Richter einen Strafrahmen von zehn bis zwanzig Jahren Zwangsarbeit. Die qualifizierte Tötung wird absolut mit lebenslänglicher Zwangsarbeit bedroht. Ein schwerer Fall der vorsätzlichen Tötung liegt gern. Art. 464 vor, wenn diese verübt wurde - mit Vorbedacht'9, - um ein vorher verübtes Verbrechen oder Vergehen zu verbergen oder um sich oder einen anderen der Strafverfolgung zu entziehen, - durch Anwendung von Martern, - an einem Verwandten auf- oder absteigender Linie, 79Die Tötung mit Vorbedacht wird vom rumänischen Strafgesetzbuch ausdrücklich als Mord bezeichnet. Hinsichtlich der anderen Qualifikationsfäl1e wird sprachlich nicht zwischen dem einfachen und dem schweren Fall der Tötung unterschieden.

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an an an an

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dem Bruder oder der Schwester, dem Ehegatten, dem Dienstgeber oder Lehrherrn, mehreren Personen bei derselben Gelegenheit.

Festzustellen ist, daß Art. 464 gewisse Einflüsse des Entwurfes zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch von 1893/1894 nicht leugnen kann, obwohl andere Strafgesetze deutlichere Übereinstimmungen hiermit zeigen. Um so bemerkenswerter erscheint daher, daß das rumänische Strafgesetzbuch die Verdeckungstötung kennt, nämlich die Tötung, um ein vorher verübtes Verbrechen oder Vergehen zu verbergen. Daneben findet sich in Art. 464 auch die Vereitelungstötung. Grund hierfür mag der traditionsreiche Einfluß des Code Penal auf das rumänische Strafrecht gewesen sein. 80 Wie aber bereits mehrfach erwähnt, ist eine zusätzliche Regelung der Verdeckungstötung neben der Vereitelungstötung an sich überflüssig. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen einer Verdeckungstötung (Vereitelungstötung), die der Straftäter bei der Ausführung der anderen Straftat spontan beschlossen hat und einer Verdeckungstötung (Vereitelungstötung), die bereits vor Ausübung der anderen Straftat geplant war. Es ist aber kaum anzunehmen, daß der rumänische Strafgesetzgeber die Vorschrift nur auf mehr oder weniger länger geplante Verdeckungstötungen angewendet wissen wollte. Wenn dies nämlich so sein sollte, wäre sie unnötig. Bei geplanten Verdekkungstötungen wird fast immer Vorbedacht vorliegen, welcher nach dem Willen des Gesetzgebers bereits ein Mordqualifikationsmerkmal ist. Es darf daher wohl kaum anzunehmen sein, daß die rumänischen Gerichte, etwa im Wege einer berichtigenden Auslegung, zu einer Beschränkung der Verdekkungstötung auf die Fälle ihrer vorherigen Planung gelangt sind. Gegenstand der Verdeckungstötung können sowohl Verbrechen als auch Vergehen sein. Ausgeschlossen sind damit Tötungen zur Verdeckung einer Übertretung. Übertretungen sind jene Taten, die ihre Regelung im 3. Buch des Strafgesetzbuchs gefunden haben. Es handelt sich hier, wie so oft auch in anderen Strafgesetzen, um Fälle der Bagatellkriminalität und um Ordnungswidrigkeiten bzw. um Verhaltensweisen, die heute überhaupt nicht mehr sanktioniert werden. Auch der rumänische Gesetzgeber ist damit dem häufig anzutreffenden Wertungswiderspruch erlegen, daß die Verdeckungstötung aus Furcht vor einer harten Freiheitsstrafe die Tat zu einer schweren Tötung qualifiziert, während die Tötung, um einer Bagatellstrafe zu entgehen, keine SOZur Bedeutung des französischen Code Penal für das rumänische Strafrecht siehe auch Isopescul-Grecul, Einleitung, S. 7 ff., in: Das Rumänische Strafgesetzbuch, Berlin 1942.

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Konsequenzen für die Bewertung der Tat nach sich zieht. Gleichgültig, ob man die Gefährlichkeit des Täters oder die besondere Verwerflichkeit seiner Motive als Grund fUr die Strafschärfung des Mordes gegenüber dem Totschlag ansieht, ist die Ausklammerung der Bagatellstraftaten (einschließlich der Ordnungswidrigkeiten) von den möglichen Verdeckungsobjekten rational nicht nachvollziehbar. In den folgenden Jahren erlebte das Strafgesetzbuch eine Reihe von Änderungen. Die Tötungsvorschriften blieben hiervon aber verschont. Mit dem Einmarsch der Sowjettruppen im August 1944 fiel Rumänien in den kommunistischen Machtbereich. Das Strafgesetzbuch von 1936 wurde von den neuen Machthabern zunächst unverändert übernommen, erfuhr aber im Laufe der folgenden Jahre vor allem natürlich im Bereich des politischen Strafrechts erhebliche Änderungen. sl Gewisse Änderungen wurden dabei auch an den Tötungsdelikten vorgenommen. So wurde die antiquierte Qualifizierung der Tötung des Dienst- oder Lehrherren gestrichen. Dagegen wurden andere Fälle der schweren Tötung ein weiteres Mal qualifiziert und quasi zu einem Tatbestand der besonders schweren Tötung zusammengefaßt. So werden die Tötung mit Vorbedacht, wenn vom Gesetz nicht naher spezifizierte erschwerende Umstände vorliegen, und die Tötung unter Verübung von Grausamkeiten oder Quälerei nunmehr mit dem Tod bestraft. Die Verdeckungs- und die Vereitelungstötung wurden nicht unmittelbar verändert; durch die oben erwähnte Strafverschärfung bei bestimmten anderen Mordmerkmalen sind aus ihnen jedoch "mittelschwere" Fälle der Tötung geworden. XIV. Früheres Jugoslawien

Im jugoslawischen Strafgesetzbl!ch vom 2. März 1951 sind die vorsätzlichen Tötungsdelikte in den Art. 135 ff. geregelt. Nicht unähnlich dem deutschen Strafrecht geht das Gesetz von einer Dreigliederung der Tötungstatbestände aus: einem Grundfall, einer Qualifizierung und einer Privilegierung. Sprachlich werden der Grundfall und die Qualifizierung einheitlich als Tötung (ubojstvo), die Privilegierung als Totschlag (ubojstvo na mah, was wörtlich "plötzlicher Totschlag", sinngemäß übersetzt wohl Totschlag im Affekt bedeutet) bezeichnet. Der Grundtatbestand setzt lediglich die vorsätzliche Tötung eines Menschen voraus. Die Strafe beträgt strenges Gefiingnis von mindestens fünf Jahren und nicht mehr als zwanzig Jahre (Art. 28). Bei der Privilegierung (dem Totschlag) handelt es sich um die übliche Affekttötung. Deren Tatbestand ist IlEinfilhrung, S. 3 f., in: Rumänisches Strafgesetzbuch, Berlin 1964.

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erfüllt, wenn der Täter in heftiger Gemütsbewegung tötet, in die er ohne sein Verschulden durch einen Angriff oder durch schwere Ehrverletzung von seiten des Getöteten versetzt worden ist. Die Strafe beträgt strenges Geflingnis bis zu zehn Jahren. Die qualifizierte Tötung setzt sich aus einer Aufzählung von Kriterien zusammen, die den Mordqualifikationsmerkmalen im Entwurf von 1893/94 zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch bzw. im deutschen Strafgesetzbuch sehr ähnlich sind. Eine absolute Strafe fUr die qualifizierte Tötung kennt das jugoslawische Strafgesetzbuch jedoch nicht. Das Gericht hat die Wahl zwischen zeitiger Strafe (mindestens zehn Jahre, höchstens zwanzig Jahre strenges Geflingnis) oder der Todesstrafe. Eine qualifizierte Tötung begeht, wer einen Menschen auf grausame oder hinterlistige Art, oder auf eine das Leben mehrerer Menschen gefährdende Art, oder aus Eigennutz, oder behufs Begehens oder Verheimlichens einer anderen strafbaren Handlung oder aus sonstigen niedrigen Beweggründen tötet. Ebenfalls eine qualifizierte Tötung begeht, wer mehrere Menschen tötet oder im Zeitpunkt der Tat bereits wegen vorsätzlicher Tötung vorbestraft war. Im jugoslawischen Strafgesetzbuch von 1951 tauchen somit fast alle aus dem deutschen Recht bekannten Mordqualifikationsmerkmale auf: die Habgier (Eigennutz), die niedrigeri Beweggründe, die Heimtücke (hinterlistige Art), die Gemeingefährlichkeit (eine das Leben mehrerer Menschen gefährdende Art), die Begehungstötung und die Verdeckungstötung (zur Verheimlichung einer anderen strafbaren Handlung). Das Gesetz spricht von einer Tötung zwecks Verheimlichens einer anderen stratbaren Handlung. Diese Formulierung deckt sich sprachlich weitgehend mit unserem Begriff der Verdeckungstötung, so daß sowohl die deutsche Verdeckungstötung als auch die jugoslawische Verheimlichungstötung praktisch dieselben Tötungsverbrechen erfassen dürften. Gegenstand einer Verdekkungstötung ist eine andere strafbare Handlung. Das jugoslawische Strafgesetzbuch bezeichnet Straftaten allgemein als strafbare Handlungen und nimmt keine weitere Unterteilungen vor. Aber auch hier ist jener Wertungswiderspruch festzustellen, wonach die Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit keine Qualifizierung begründet (falls man in einer solchen Tat keinen der nicht näher spezifizierten niedrigen Beweggründe erblickt). Das Gesetz sagt nicht ausdrücklich, ob auch der problematische Fall der Verdeckungstötung, ihre spontane AusfUhrung, als qualifizierte Tötung erfaßt sein soll. Die Situation ist also ähnlich wie in dem bereits etwähnten Fall des

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Entwurfs zu einem serbischen Strafgesetzuch. 82 Eine definitive Abklärung der Frage, ob der Verheimlichungsabsicht im jugoslawischen Strafgesetzbuch eine gewisse Vorausplanung erfordert oder zur Erfiillung des Tatbestandes auch der spontane Verdeckungsvorsatz genügt, läßt sich mit letzter Sicherheit nicht beantworten. Dies könnte erst nach einer genauen Untersuchung der Gesetzgebungsmaterialien und möglichst breiten Analyse der jugoslawischen Rechtsprechungspraxis erfolgen, was jedoch den Rahmen der hier vorgelegten Untersuchung sprengen würde. Änderungen von gewissem Umfang wurden an dem jugoslawischen Strafgesetzbuch durch das "Gesetz über die Abänderung und Ergänzung des Strafgesetzbuches" vom 2. Juli 1959 (in Kraft getreten am l. Januar 1960) vorgenommen. Auch die Tötungsdelikte blieben hiervon nicht völlig verschont. So wurde der Katalog der qualifizierten Tötungen um weitere Mordmerkmale erweitert. Zu erwähnen ist hier insbesondere die Tötung einer Amts- oder Militärperson bei der Ausübung ihres Dienstes der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der Ergreifung des Täters einer strafbaren Handlung oder der Beaufsichtigung einer Person, der die Freiheit entzogen ist. Die Tötung einer Amtsperson bei Ausübung ihrer Dienstpflichten als qualifizierte Tötung bzw. Mord zu betrachten, ist nichts ungewöhnliches und kommt in einer ganzen Reihe von nationalen Strafgesetzen vor. Bemerkenswert ist allenfalls, daß der jugoslawische Gesetzgeber die dienstlichen Handlungen, bei denen eine Tötung ausgetuhrt worden sein muß, damit sie als qualifiziert einzustufen ist, noch einmal spezifiziert hat (wobei es sich hier möglicherweise auch nur um eine beispielhafte Aufzählung diverser Amtspflichten handelt). Zu den noch einmal besonders aufgetuhrten Dienstpflichten gehört auch die Ergreifung des Täters einer strafbaren Handlung. Dieses Mordmerkmal der Tötung einer Amtsperson bei der Festnahme eines Straftäters steht in einer engen Verwandtschaft zur Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung. Im Verhältnis zur Vereitelungstötung dürfte es sogar einen Spezialfall darstellen. Tötet der Täter den Polizeibeamten, um wegen seiner Straftat nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, ist stets auch der Tatbestand der Vereitelungstötung erfiillt. Kann der Täter mit der Tötung zugleich seine Teilnahme an der vorangegangenen Straftat verbergen, ist auch der Tatbestand der Verdeckungstötung ertullt. Die besondere Erwähnung der Tötung eines Polizeibeamten ist neben der Qualifizierung der Verdeckungstötung im jugoslawischen Strafgesetzbuch nicht überflüssig. Denn kann der Täter mit der Tötung des Polizeibeamten bei der Festnahme die vorangegangene Straftat nicht mehr verheimlichen, sondern will er nur noch seine Flucht duchsetzen, liegen die Voraussetzungen der Verdeckungstötung nicht mehr vor (stattdessen käme nur noch eine QuaK2Siehe hierzu auch die Ausführungen unten S. 84 f. zum brasilianischen Strafgesetzbuch, wo sich dieses Problem ein weiteres Mal stellt.

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lifizierung wegen der vorhandenen Vereitelungsabsicht in Betracht, die aber das jugoslawische Strafrecht, wie das deutsche Strafrecht, nicht als besonderes Mordqualifikationsmerkmal kennt). XV. Frühere DDR

Bis zum Erlaß eines eigenen Strafgesetzbuches galt in der DDR zunächst das Reichsstrafgesetzbuch und damit auch die Mordqualifikationsmerkmale des § 211 StGB. In dem 1968 in Kraft getretenen neuen Strafgesetzbuch sind die Tötungsdelikte in den §§ 112 ff. geregelt. Der DDR-Gesetzgeber unterteilt, wie viele andere nationale Strafrechtsordnungen auch, die Tötungsdelikte in einen Grundfall und jeweils sich hiervon abhebende leichte und schwere Fälle. Die Bezeichnung Mord wird sowohl für den Grundfall, die einfache vorsätzliche Tötung, als auch für die schweren Fälle gewählt. Der Begriff des Totschlags ist nunmehr reserviert für die Affekttötung, die Kindstötung und die Tötung bei Vorliegen beschränkter Schuldfähigkeit, die alle zusammen in § 113 geregelt sind. Der einfache Mord ist mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe zu ahnden. Derselbe Strafrahmen gilt grundsätzlich auch für den qualifizierten Mord. Das Gericht darf aber zusätzlich auch auf die Todesstrafe erkennen. Zur Spezifizierung des qualifizierten Mordes ist der DDR-Gesetzgeber dabei verblieben, ein System von Mordqualifikationsmerkmalen zu verwenden, die allerdings zum Teil von denen des § 211 StGB abweichen. Da für den qualifizierten Mord grundsätzlich auch der Strafrahmen des einfachen Mordes eröffnet ist, handelt es sich bei den Mordqualifikationsmerkmalen des § 112 Abs. 2 im Ergebnis um Regelbeispiele. 83 Ein qualifizierter Mord liegt vor, wenn die Tat - ein Verbrechen gegen die Souveränität der DDR, den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte oder ein Kriegsverbrechen ist oder aus Feindschaft gegen die DDR begangen wird, - mit gemeingefährlichen Mitteln oder Methoden begangen wird oder Furcht und Schrecken unter der Bevölkerung auslösen soll, - heimtückisch oder in besonders brutaler Weise begangen wird, - mehrfach begangen wird oder der Täter bereits wegen vorsätzlicher Tötung bestraft ist, - nach mehrfacher Bestrafung wegen Gewaltverbrechen begangen wird. 83S0 auch OG DDR, NJ 1989, 434, 435.

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Der DDR-Gesetzgeber hat also nicht nur die Verdeckungsabsicht, sondern auch die Begehungsabsicht (sowie eine Reihe weiterer Mordqualifikationsmerkmale des Reichsstrafgesetzbuches) aufgegeben. In den kommenden Jahren wurde das DDR-Strafgesetzbuch umfangreichen Reformen unterworfen. Die hier interessierenden Tötungsdelikte blieben jedoch davon verschont (wenn man einmal von Änderungen im Strafrahmen, z.B. Abschaffung der Todesstrafe, absieht). Im Ergebnis kann also festgehalten werden, daß der DDR-Gesetzgeber immerhin einer der ganz wenigen Gesetzgeber gewesen ist, welche die Verdeckungstötung, nach dem sie einmal eingefiihrt worden war, auch wieder abgeschafft haben." Allerdings ist an dieser Stelle noch zu bemerken, daß die Verdeckungstötung damit im Strafrecht der DDR nicht vollkommen bedeutungslos geworden war. Wie bereits erwähnt, sah das DDR-StGB fiir den einfachen Mord keine absolute Strafandrohung vor, sondern eröffnete den Gerichten einen gewissen Strafrahmen. Daher waren diese gezwungen, in jedem einen Mordfall betreffenden Urteil Ausfiihrungen zur Schuld des Täters und zur Strafzumessungen zu machen. In diesem Bereich spielte der Begriff der Verdekkungsabsicht anscheinend nach wie vor eine gewisse Rolle. Denn immer wieder wurde vom Obersten Gerichtshof der DDR die Notwendigkeit einer verschärften Strafandrohung damit begründet, daß der Täter im jeweiligen Fall mit Verdeckungsabsicht gehandelt hatte, und zwar unabhängig davon, ob die Tötung im voraus geplant worden war oder nicht." Bemerkenswert ist jedenfalls, daß in der DDR selbst nach seiner "offiziellen" Abschaffung das Mordqualifikationsmerkmal Verdeckungsabsicht eine gewisse Bedeutung behalten hat. Dabei spricht manches dafiir, daß es sich hier um eine originäre dogmatische Rechtsentwicklung handelt und nicht bloß das Ergebnis staatlichen Drucks auf die Rechtsprechung ist. So wird in den Entscheidungen des OG, nicht unähnlich denen des BGH, betont, daß das Motiv der Verdeckungsabsicht stets als besonders verwerflich einzustufen sei. B6 Dies ist im Prinzip dasselbe Argument, mit dem bereits die Aufnahme der Verdeckungsabsicht in den schweizerischen Entwurf von 1893/94 sowie in das deutsche Reichsstrafgesetzbuch 1941 gerechtfertigt wurde.

84Neben der DDR ist in diesem Zusammenhang lediglich noch China zu erwähnen, daß mit dem Strafgesetzbuch vom I. Januar 1935 die bis dahin geltende, aus dem Code Penal übernommene Vereitelungstötung abschaffte (s. hierzu unten S. 92 f.). K5Siehe hierzu die Entscheidungen OG NJ 1973, 673 ff., 735 ff.; 1989, 434, 435; zur Verdeckungsabsicht i.S.v. § 211 StGB siehe OG NJ 1966, 156,444 ff. K6S0 z.B. OG NJ 1973,673, 674; 1989, 434, 435.

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C. Die vom Code Penal beeinflußten Strafgesetze außerhalb Europas I. Lateinamerika

1. Argentinien Das argentinische Strafgesetzbuch vom 30. September 1921 regelt die Tötungsdelikte in den Art. 79 ff. Das Gesetz differenziert nicht weiter sprachlich zwischen den einzelnen Tötungsdelikten, sondern spricht einheitlich von Tötung. Im übrigen geht das argentinische Strafgesetzbuch von einer Dreiteilung der Tötungsdelikte aus. Art. 79 regelt - parallel zum Totschlag nach dem deutschen Strafgesetzbuch - die einfache vorsätzliche Tötung. Diese wird mit Gefangnis oder Zuchthaus von acht bis fünfundzwanzig Jahren bestraft. Von der einfachen vorsätzlichen Tötung unterscheidet der argentinische Gesetzgeber den Fall einer schweren Tötung (Art. 80) sowie den einer leichten Tötung im Affekt (Art. 81). Art. 80 zählt kasuistisch diejenigen Fälle auf, in denen eine qualifizierte Tötung vorliegt. Nach Art. 80 ist zu bestrafen, wer - einen Verwandten aufsteigender oder absteigender Linie oder seinen Ehegatten tötet, - einen anderen heimtückisch oder in Wut, gegen Lohn oder das Versprechen eines Lohnes, durch schwere Grausamkeiten, aus roher Verkommenheit oder durch Gift, Brandstiftung, Überschwemmung, Zugentgleisung, Explosion oder ein anderes Mittel, das große Verheerungen verursachen kann, tötet, - einen anderen tötet, um ein sonstiges Verbrechen vorzubereiten, zu erleichtern, zu vollenden oder zu verheimlichen oder um sich oder seinen Mithelfern den Erfolg des Verbrechens zu sichern oder sich oder sie der Strafe zu entziehen oder weil er nicht den Erfolg, den er beabsichtigte, als er die andere Straftat unternahm, erzielt hat. Der Täter ist in diesen Fällen mit lebenslangem Zuchthaus oder mit lebenslangem Gefangnis zu bestrafen. Dem Art. 80 ist unschwer anzusehen, daß bei seiner Entstehung die Mordvorschrift im Entwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch von 1893/94 Pate gestanden hat. Praktisch alle dortigen Mordqualifikationsmerkmale sind vorhanden. Auch umgedreht kann festgestellt werden, daß der argentinische Gesetzgeber nur wenige Tatbestände in seinen Katalog der schweren Tötungen aufgenommen hat, die nicht im schweizerischen Entwurf vorhanden sind.

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Die Mordqualifikationsmerkmale im argentinischen Strafgesetzbuch sind (zumindest wenn man den Wortlaut der Vorschrift zugrundelegt) nicht als Regelbeispiele ausgestaltet, sondern stellen - auch darin unterschiedslos zum schweizerischen Entwurf - eine abschließende Aufzählung dar. Selbst im Strafrahmen bestehen nur minimale Unterschiede. Die Strafe im schweizerischen Entwurf ist absolut. Im argentinischen Strafgesetzbuch ist dies nicht viel anders. Auch hier wird als ausschließliche Strafe lebenslänglicher Freiheitsentzug angedroht. Der Richter hat lediglich die Wahl zwischen der Verhängung einer lebenslangen Gefängnisstrafe oder einer lebenslangen Zuchthausstrafe als zwei Formen des Strafvollzugs. Von den Mordqualiflkationsmerkmalen des schweizerischen Entwurfs fmden sich in Art. 80 die Heimtücke, die Habgier, die Grausamkeit, die Tötung mittels Gift, Brandstiftung oder Explosion, die Ermöglichungsabsicht und die Verdeckungsabsicht. Zusätzlich zur Verdeckungsabsicht hat der argentinische Gesetzgeber die Vereitelungsabsicht noch einmal ausdrücklich erwähnt. Die Erwähnung der Vereitelungsabsicht macht an sich die zusätzliche Aufführung des Tatbestands der Verdeckungsabsicht überflüssig. Wie bereits dargelegt, umfaßt die Vereitelungsabsicht in der Regel alle Fälle der Verdeckungsabsicht. Die zusätzliche Erwähnung der Verdeckungsabsicht ist aber ein weiteres Indiz fUr die enge Anlehnung des argentinischen Strafgesetzbuches an den schweizerischen Entwurf bzgl. der Tötungsdelikte. Das argentinische Strafgesetzbuch stellt die Tötung zur Verdeckung eines Verbrechens bzw. die Tötung zur Vereitelung der Bestrafung wegen eines solchen Verbrechens unter erschwerten Sanktionen. Mit der Verwendung des Begriffs Verbrechen ist keine Einschränkung dahin gehend gemeint, daß nur die Tötung in der Absicht, bestimmte Straftaten zu verdecken oder die Bestrafung wegen bestimmter Straftaten zu vereiteln den Tatbestand des Art. 80 erflillt. Das argentinische Strafgesetzbuch kennt keine besondere Unterteilung der Straftaten, sondern bezeichnet alle Delikte als Verbrechen. Ausgeklammert von der Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung sind damit lediglich die sog. Übertretungen. Diese sind aber nicht im Strafgesetzbuch, sondern in den Partikulargesetzen der Gemeinden, Provinzen und Territorien geregelt." Es handelt sich hierbei um Taten, die nach unserem Rechtsverständnis zumeist Ordnungswidrigkeiten sind bzw. bei denen das deutsche Recht überhaupt keine Sanktion vorsieht. Wie die meisten anderen Strafgesetzbücher, die die Verheimlichungs- bzw. Verdeckungstötung unter besondere Bestrafung stellen, unterscheidet auch das 87Siehe hierzu auch Mattes, Einleitung, S. 11, in: Das Argentinische Strafgesetzbuch, Berlin 1957.

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argentinische Strafgesetzbuch nicht zwischen Fremd- und EigenbegOnstigung. Beide Formen sind unterschiedslos unter die erschwerte Strafe gestellt worden. Ein Betroffensein des Täters auf frischer Tat ist ebenfalls nicht erforderlich. Alsbald nach Erlaß des Strafgesetzbuches setzten schon Reformbestrebungen ein. Bereits 1924 wurde der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches vorgelegt. 88 In den vierziger und fünfziger Jahren wurden dann z.T. erhebliche Änderungen an dem bestehenden Strafgesetzbuch vorgenommen. 89 Die allein hier interessierenden Tötungsdelikte blieben aber von Neuerungen verschont.

2. Kuba Das erste eigenständige kubanische Strafgesetzbuch war der C6digo de Defensa Social (Gesetzbuch der sozialen Verteidigung) vom 4. April 1936. Der C6digo trat am 9. Oktober 1938 in Kraft. 90 Die Tötungsdelikte sind dort in den Art. 431 ff. geregelt. Das Gesetz kennt - abgesehen von den üblichen Spezialtötungsvorschriften - zwei Formen der vorsätzlichen Tötung, den Mord (Art. 431) und den Totschlag (Art. 434). Die Mordvorschrift läßt starke schweizerische Einflüsse erkennen. In Art. 431 sind eine Reihe von Qualifikationsmerkmale aufgelistet, bei deren Vorliegen die Tötung zum Mord wird. Liegt keiner dieser besonderen Merkmale vor, so ist die Tat als Totschlag zu bestrafen (Art. 434). Mord konnte zunächst wahlweise mit zwanzig Jahren Freiheitsenzug oder mit dem Tod bestraft werden. Nach der 1940 in Kraft getretenen kubanischen Verfassung durfte die Todesstrafe grundsätzlich nur noch bei Spionage verhängt werden. Damit war die Todesstrafe de facto für Mord beseitigt. Totschlag kann mit Freiheitsentzug von sechs bis zwanzig Jahren bestraft werden. Nach Art. 431 wird die Tötung als Mord bestraft, wenn einer der folgenden Umstände hinzukommt: - Begehung der Tat gegen Entgelt, Zuwendung, Belohnung, Anerbieten oder Versprec4en, - Begehung der Tat auf Grund einer Willkür-Anordnung von seiten einer Behörde oder von deren Mittelsmänner, 88Mattes, Einleitung, S. 28, in: Das Argentinische Strafgesetzbuch, Berlin 1957. 89Siehe die Zusammenstellung bei Mattes, Einleitung, S. 33, in: Das Argentinische Strafgesetzbuch, Berlin 1957. CJOslau, Einfllhrung, S. XII - XV, in: Das Cubanische Gesetzbuch der Sozialen Verteidigung, Berlin 1957.

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Begehung mittels Heimtücke, Begehung im Jähzorn, Begehung mit ersichtlichem Vorbedacht, Begehung der Tat mittels Explosivstoffen, schädlichen Gasen, Brandstiftung, Gift, Betäubungsmitteln oder irgendeinem ähnlichen Mittel, das geeignet ist, allgemeine Verheerungen hervorzurufen, - Begehung der Tat, um ein anderes Delikt vorzubereiten, zu erleichtern, darin aufgehen zu lassen oder zu verbergen, oder um dessen Aufklärung zu verhindern, - Begehung auf Grund sadistischer oder roh entarteter Triebe, - Begehung der Tötung, nachdem dieser eine Entführung, eine Freiheitsberaubung oder eine Wegnahme gegen Lösegeld oder willkürliche oder ungesetzliche Inhaftierung des Opfers vorangegangen ist. Man findet in Art. 431 praktische alle Mordqualifikationsmerkmale des Entwurfs von 1893/94 zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch: die Tötung aus Habgier, die heimtückische Tötung, die Tötung mittels Gift, Sprengstoff oder Feuer, die Tötung aus Mordlust oder zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, die grausame Tötung ("Begehung auf Grund sadistischer oder roh entarteter Triebe"), die Tötung, um eine andere Straftat zu verdecken oder um eine andere Straftat zu begehen. Damit ist Art. 431 des kubanischen Strafgesetzbuches sogar eine der ausländischen Mordvorschriften, die dem schweizerischen Entwurf am meisten ähneln. Kaum ein anderes Gesetzwerk (mit Ausnahme des deutschen StGB) hat soviele Mordqualifikationsmerkmale dort entlehnt. Hinsichtlich der Verdeckungstötung findet sich in Art. 431 zwar eine ungewöhnlich differenzierte, allerdings dogmatisch wenig überzeugende Regelung. So liegt eine qualifizierte Tötung vor, wenn der Täter handelt, um ein anderes Delikt zu verbergen oder um dessen Aufklärung zu verhindern. Dies ist an sich eine unnötige sprachliche Verdoppelung des Tatbestandes der Verdekkungstötung. Eine zusätzliche Erwähnung der Tötung aus dem Grund, um die Aufklärung der vorangegangenen Tat zu verhindern, hätte es nicht bedurft. Wer tötet, um eine Straftat zu verbergen, handelt wohl auch immer, um die Aufklärung der Tat zu verhindern. Des weiteren betrachtet das Gesetz Tötungen als qualifiziert, die bestimmten anderen Straftaten folgen, nämlich einer Entführung, einer Freiheitsberaubung oder einer Wegnahme gegen Lösegeld, einer willkürlichen oder ungesetzlichen Inhaftierung des Opfers. Auch in diesen Fällen dürfte fast immer eine Verdeckungsabsicht beim Täter vorliegen. Einer besonderen Erwähnung bedurfte es also gar nicht.

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Gegenstand einer Verdeckungstötung kann nur ein Delikt (delito) sein. Nicht erfaßt werden damit die ebenfalls im Gesetz geregelten Übertretungen (contraveneiones). Der C6digo geht von einer Zweiteilung der strafbaren Handlungen aus, die er als Delikte und Übertretungen bezeichnet. Mit dem Begriff Delikt werden in etwa dieselben Tatbestände erfaßt, die in anderen Strafgesetzbüchern als Vergehen oder Verbrechen bezeichnet werden. Übertretungen sind all jene Taten, die im 3. Buch des Gesetzes geregelt sind (Art. I). Es handelt sich hierbei meist um Handlungen, die nach unserem Verständnis Ordnungswidrigkeiten oder mindere Straftaten sind, falls sie heutzutage überhaupt noch verfolgt werden: z.B. Erregung öffentlichen Ärgernisses, Verletzung verschiedener Fürsorgepflichten, Beleidigungen. Durch den Verzicht auf eine Erfassung der Übertretungen ist auch der C6digo dem merkwürdigen Wertungswiderspruch erlegen, wonach die Tötung zur Verdekkung einer verhältnismäßig schweren Straftat härter bestraft wird als die Tötung zur Verdeckung eines Bagatellverstoßes. Eine zeitliche Beschränkung der Verdeckungstötung, etwa dahingehend, daß der Täter auf frischer Tat betroffen sein muß, kennt das kubanische Strafgesetzbuch nicht. Eine Verdeckungstötung ist demnach auch hinsichtlich länger zurückliegender Straftaten möglich. Nach der Machtübernahme Castros im Jahre 1959 blieb der C6digo offiziell zunächst in Kraft. Faktisch wurde er aber von den Richtlinien, die die Kommunisten an die ausschließlich mit Laienrichtern besetzten Volksgerichte erließen, überlagert. Auf diese Weise sollte die "revolutionäre Gerechtigkeit" verwirklicht werden:' In den Jahren 1969 bis 1973 arbeitete eine vom Zentralkomitee der kommunistischen Partei beauftragte Kommission den Vorentwurf zu einem neuen Strafgesetzbuch aus: 2 Der neue C6digo trat dann am 1. März 1979 in Kraft. Die Tötungsdelikte sind nunmehr in den Art. 314 ff. geregelt. Der Gesetzgeber geht von einer Zweiteilung der Tötungsdelikte aus. Grundfall ist die vorsätzliche Tötung, die keine weiteren Voraussetzungen erfordert und auch nur die Bezeichnung Tötung trägt. Der Strafrahmen beträgt Freiheitsentziehung von sieben bis funfzehn Jahren (Art. 314). Hiervon hebt sich als Qualifizierung der Mord ab, der mit Freiheitsentziehung von funfzehn bis zwanzig Jahre bestraft wird (Art. 316). Art. 316 enthält - wie seine Parallelvorschrift im alten C6digo - eine Aufzählung von Tatbeständen, die, wenn ihre Voraus9lBlau, Einleitung, S. 2 f., in: Das kubanische Strafgesetzbuch vom I. März 1979, Berlin 1983. 92Blau, Einleitung, S. 4, in: Das kubanische Strafgesetzbuch vom l. März 1979, Berlin 1983.

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setzungen vorliegen, die Tötung zum Mord qualifizieren. Auch inhaltlich hat sich an diesen Mordqualifikationsmerkmalen gegenüber der bisherigen Regelung mit geringen Ausnahmen nichts geändert. Insbesondere sind sowohl die Begehungs- als auch die Verdeckungstötung als besondere Erschwernisgründe nach wie vor vorhanden. 3. Brasilien

Im brasilianischen Strafgesetzbuch vom 31. Dezember 1940 (in Kraft getreten am 1. Januar 1942) sind die Tötungsdelikte in den Art. 121 ff. geregelt. Das Gesetz geht von einer Dreiteilung der Tötungsdelikte aus: einem Grundfall (Art. 121), einer Privilegierung (Art. 121 § 1) und einer qualifizierten Tötung (Art. 121 § 2). Zur sprachlichen Differenzierung verwendet das Gesetz die Begriffe "einfache Tötung", "Fall der Strafminderung" und "qualifizierte Tötung". Ein dem deutschen Mord und Totschlag entsprechendes Begriffspaar verwendet der Gesetzgeber also nicht. Voraussetzung des Grunddelikts ist die vorsätzliche Tötung eines Menschen. Die Strafe hierfür beträgt sechs bis zwanzig Jahre. Der leichte Fall liegt vor, wenn der Täter aus einem "Beweggrund von erheblichem sozialen oder sittlichen Wert oder unter der Herrschaft einer heftigen Gemütsbewegung unmittelbar im Gefolge einer ungerechtfertigten Herausforderung des Verletzten" handelt. In diesen Fällen ist die Strafe - bezogen auf das Grunddelikt - um ein Sechstel bis ein Drittel zu mindern. Qualifiziert ist eine Tötung, wenn in der Person des Täters oder in der Tat· bestimmte Mordqualifikationsmerkmale erfüllt sind, die denen des Entwurfs von 1893/94 zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch und des § 211 deutsches Strafgesetzbuch sehr ähneln. Qualifiziert ist eine Tötung, wenn sie begangen wird: - gegen die Gewährung oder das Versprechen einer Belohnung oder aus einem anderen niedrigen Beweggrund, - aus einem nichtigen Beweggrund, - unter Anwendung von Gift, Feuer, Explosivstoffen, Erstickungsmitteln, Folterung oder anderen hinterlistigen oder grausamen Mitteln oder solchen, aus denen eine Gemeingefahr hervorgehen konnte, - verräterisch, hinterhältig oder vermittels Täuschung oder anderer Mittel, die dem Verletzten die Verteidigung erschweren oder unmöglich machen, - um die Ausführung, Verdeckung, Straflosigkeit oder Vorteile eines anderen Verbrechens zu sichern.

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Eine ganze Reihe der aus dem schweizerischen Entwurf und § 211 StGB bekannten Mordqualifikationsmerkmale sind vorhanden: die Habgier, die sonstigen niedrigen Beweggründe (wobei der brasilianische Gesetzgeber zwischen niedrigen und nichtigen Beweggründen offensichtlich noch einmal unterscheidet), die Grausamkeit, die Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln, die Heimtücke (wohl zweimal im Gesetzestext erwähnt, zum einen etwas schwerfallig mit der Formulierung "verräterisch, hinterhältig oder vermittels Täuschung oder anderer Mittel, die dem Verletzten die Verteidigung erschweren oder unmöglich machen", zum anderen mit dem Begriff der "hinterlistigen Mittel" umschrieben), die Begehungstötung, die Verdeckungstötung und die Vereitelungstötung. Die Strafe beträgt Zuchthaus von zwölf bis zu dreißig Jahren. Die Tötung, die ein Täter begeht, um seine Bestrafung wegen einer vorangegangen Tat zu verhindern, hat der brasilianische Gesetzgeber (wie einige andere Gesetzgeber auch) in zwei Tatbestände aufgesplittet, nämlich in die Tötung zur Verdeckung eines Verbrechens und in die Tötung zur Vereitelung der Bestrafung wegen eines solchen Verbrechens. Wie bereits zum kubanischen Strafgesetzbuch erwähnt, ist dies eine sinnlose sprachliche Verdoppelung der Tatbestände. Die Vereitelungstötung umfaßt notwendigerweise alle Fälle, in denen der Täter handelt, um eine Straftat zu verdecken (und noch einige mehr). Damit stellt die Regelung der Verdeckungstötung im brasilianischen Strafgesetzbuch eine sprachlich wie dogmatisch wenig durchdachte Lösung dar. Gegenstand der Verdeckungs- und der Vereitelungstötung muß ein Verbrechen sein. Daraus darf auch hier nicht geschlossen werden, daß der Anwendungsbereich der Verdeckungstötung insoweit im brasilianischen Recht enger ist als im deutschen. Das brasilianische Strafgesetzbuch bezeichnet alle in ihm aufgeführten Straftaten als Verbrechen. Die Übertretungen (die nicht mehr Gegenstand einer Verdeckungs- oder Vereitelungstötung sein können) sind in einem eigenen Gesetz geregelt. Die Verbrechen des brasilianischen Strafgesetzbuchs decken sich in etwa mit den Vergehen und Verbrechen nach dem deutschen StGB. Die Übertretungen sind eher unserem Ordnungswidrigkeitenrecht vergleichbar. Damit ist auch der brasilianische Gesetzgeber dem bereits mehrfach erwähnten Wertungswiderspruch erlegen: Der Täter, der aus einer nicht unverständlichen Angst vor einer schweren Strafe handelt, wird härter bestraft als jener, der so brutal und rücksichtslos ist, daß er bereits wegen einer drohenden Bagatellstrafe tötet. Fraglich ist, ob das brasilianische Strafgesetzbuch eine Bestrafung wegen Verdeckungs- oder Vereitelungstötung auf solche Fälle beschränkt, in denen

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der Täter die Tötung bereits länger im voraus geplant hat. Für die StrafgesetU, die als Mordkriterien auch oder nur die Merkmale der Überlegung oder des Vorbedachts verwenden, fiillt die Antwort leicht. Fälle einer vorausgeplanten Tötung lassen sich stets oder doch fast immer unter die Begriffe Überlegung und Vorbedacht subsumieren. Die Erwähnung einer eng auszulegenden Verdeckungstötung wäre wohl überflüssig gewesen (obwohl natürlich Redaktionsversehen nie ganz auszuschließen sind, wie der brasilianische Gesetzgeber mit seiner doppelten Regelung der Verdeckungs- und Vereitelungstötung ja bewiesen hat). Diese Argumentation verliert ihre Gültigkeit, wenn das fragliche Gesetz, wie eben das brasilianische, die Merkmale Überlegung und Vorbedacht nicht bzw. nicht mehr kennen. Wie schon zu dem Entwurf eines serbischen Strafgesetzbuches erwähnt, ist der Begriff der Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung hinsichtlich der Frage, ob er neben vorausgeplanten auch spontane Tötungen erfaßt, nicht ganz eindeutig. Auch die deutschen Gerichte (einschließlich des BVerfG) sahen sich bisher durch den Wortlaut der Verdekkungstötung in § 211 StG B nicht gehindert, diese Vorschrift über die Fälle der geplanten Tötung hinaus auszudehnen. Wie ebenfalls schon zum serbischen Entwurf erwähnt, ist weiterhin zu beachten, daß die Vereitelungs- bzw. Verdeckungstötung in zahlreichen Fällen nicht eingreifen würde, wenn sie von vornherein auf vorausgeplante Handlungen beschränkt wäre. Tatsächlich hatte es der BGH bislang in seinen zahlreichen veröffentlichten Entscheidung zur Verdeckungsabsicht kaum mit einem Fall der vorausgeplanten Tötung zu tun. Fast immer handelte es sich um mehr oder weniger spontane Tötungen. Dies könnte dafilr sprechen, daß ein nach unseren Maßstäben konservativ eingestellter Gesetzgeber, der ein restriktives Strafrecht bevorzugt, vielleicht die weite Auslegung dieser Begriffe wünscht. Ob es sich bei dem brasilianischen Gesetzgeber von 1940 um einen solch konservativen Gesetzgeber gehandelt hat, kann in Anbetracht des nur spärlich vorhandenen Materials allenfalls spekuliert werden. Aber selbst wenn man diese Frage bejahen würde, bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß die Strafgerichte einer entsprechenden Intention des Gesetzgebers gefolgt wären. Dies herauszufinden setzte eine sorgfiiltige Analyse der brasilianischen Rechtsprechung zur qualifizierten Tötung voraus, was allerdings den Rahmen der hier vorgelegten Untersuchung sprengen würde und deshalb unterbleiben muß. Ob das brasilianische Strafrecht jede Form der Vereitelungstötung oder nur die vorausgeplante qualifiziert, kann also, wie im Fall des Entwurfs zu einem serbischen Strafgesetzbuch, nicht abschließend geklärt werden. Festzuhalten ist aber, daß auch der brasilianische Gesetzgeber nicht darauf verzichten konnte oder wollte, zumindest grundsätzlich die Verdeckungs- bzw. Vereite-

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lungstötung gegenüber der einfachen vorsätzlichen Tötung unter eine erhöhte Strafe zu stellen. 11. Asien

J. Türkei

a) Das Strafgesetzbuch von 1858 Das Strafgesetzbuch vom 28. Zilhidje 1274 (9. August 1858) ist das erste modeme Strafgesetzbuch der Türkei. Nachdem bereits schon früher Versuche unternommen wurden, europäisches Rechtsdenken in das türkische Recht einzufiihren, lag mit diesem Gesetzbuch nunmehr das erste fast rein westlich geprägte Strafgesetz der Türkei vor. Es lehnt sich in erheblichem Maß an den französischen Code Penal von 1810 an. Nicht nur im Aufbau, sondern bis in die Einzelheiten des Strafsystems und der strafrechtlichen Begriffe ist es ihm nachgebildet. Der türkische Gesetzgeber ist sogar soweit gegangen, daß er an zahlreichen Stellen ganze Artikelserien wörtlich aus dem Code Penal übernommen hat.') Die Tötungsdelikte werden in den Art. 168 - 176 geregelt. Eine terminologische Differenzierung zwischen Mord und Totschlag findet - anders als im Code Penal - allerdings nicht statt. Das Gesetz spricht - wie viele andere nationale Strafgesetzbücher auch - einheitlich von Tötung. Nach Art. 171 ist der Täter mit dem Tod zu bestrafen, wenn er mit Vorbedacht getötet hat. Gern. Art. 174 Abs. 1 ist der Täter - wenn er ohne Vorbedacht tötete - mit fünfzehn Jahren Zwangsarbeit zu bestrafen. Nach Art. 174 Abs. 2 wird auch der Täter einer vorbedachtslosen Tötung mit dem Tod bestraft, wenn diese der Ausführung eines anderen Verbrechens vorhergegangen oder nachgefolgt oder gleichzeitig mit ihr geschehen ist oder zum Zweck der Ausführung eines anderen Verbrechens erfolgte. Es ist die aus dem Code Penal bekannte Qualifizierung der vorsätzlichen Tötung, die in zeitlicher Verbindung mit einem anderen Verbrechen steht. Genau wie der französische Gesetzgeber scheint auch der türkische Gesetzgeber der diffusen Angst erlegen zu sein, daß das Zusammentreffen von Tötung und einer anderen Straftat ein Indiz ft1r die besondere Geflihrlichkeit des Täters oder Verwerflichkeit der Tat ist. Möglich ist auch, daß der türkische Gesetzgeber unter dem Druck der äußeren Bedingungen, die zur Rezeption des französischen 93Nord, Einleitung, S. IX, in: Das türkische Strafgesetzbuch vom 28. Zilhidje 1274 (9. August 1858), Berlin 1912.

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Rechts fiihrte, diese Regelung eher kritiklos bzw. gedankenlos übernahm und in seinen Konsequenzen nicht immer vollkommen durchdachte. Vielleicht wurde auch in der Türkei, die gerade dabei war, das islamisch geprägte Recht mit seinen zum Teil drakonischen Strafen abzustreifen, eine solche Regelung als nicht sonderlich hart empfunden. Wie im Code Penal von 1810 ist es auch nach dem türkischen Strafgesetzbuch rur eine Qualifizierung ausreichend, daß die Tötung in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem Verbrechen steht. Unter Verbrechen versteht das Gesetz Handlungen, die mit sog. Abschreckungsstrafen bedroht sind (Art. 3). Alle anderen Straftaten sind Vergehen und Übertretungen. Abschreckungsstrafen sind die Todesstrafe, Zwangsarbeit, Festungshaft, lebenslängliche Verbannung, dauernde Enthebung aus Würden und Ämtern, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Im Ergebnis zieht der türkische Gesetzgeber die Grenze zwischen Verbrechen einerseits und Vergehen und Übertretungen andererseits etwa dort, wo es z.B. auch der deutsche Gesetzgeber getan hat. Abgesehen von der Kritik, die der Zusammenhangstötung generell entgegenzubringen ist, kann die Regelung in Art. 174 Abs. 2 auch dogmatisch nicht überzeugen. Der türkische Gesetzgeber erwähnt neben dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Tötung und anderer Straftat auch die Absicht des Täters, die Tötung zur Begehung einer solchen Straftat einzusetzen als weiteren Qualifizierungsgrund. Dies ist aber an sich überflüssig. Denn jede Tötung, die eingesetzt wird, um eine andere Straftat zu begehen, steht mit dieser in einem (meist engen) zeitlichen Zusammenhang. Einer besonderen Erwähnung der Begehungsabsicht hätte es daher eigentlich nicht mehr bedurft. b) Die Novelle von 1911 Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden immer wieder Teile des Strafgesetzbuches novelliert. Die Tötungsdelikte blieben hiervon lange Zeit unberührt. Erst die Novelle vom 6. Djemazi-ül-achyr 1329 (4. April 1911) brachte Änderungen. Die leichte Form der vorsätzlichen Tötung ist nach wie vor die ohne Überlegung ausgefilhrte (Art. 174 Abs. 1), so wie die schwere Form der Tötung immer noch die Tötung mit Vorbedacht ist (Art. 170). Auch am Strafmaß hat sich nichts geändert. Der Täter der schweren Tötung ist mit dem Tod, der Täter der Tötung in ihrer leichten Form ist mit filnfzehn Jahren Zwangsarbeit zu bestrafen. Neben der mit Vorbedacht ausgefilhrten Tötung wird aber nunmehr auch die Tötung der Eltern, Großeltern und sonstiger Verwandter aufsteigender Linie als schwere Form betrachtet und mit dem Tod geahndet (Art. 170). Außerdem finden sich in Art. 174 Abs. 2 quasi mit-

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telschwere Fälle der vorsätzlichen Tötung, die mit lebenslänglicher Zwangsarbeit bestraft werden. Es handelt sicht hierbei um - die Tötung eines Parlamentsmitgliedes, - die unter Anwendung von Quälereien und Grausamkeiten begangene Tötung, - sowie die an mindestens zwei Personen begangene Tötung. Was die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat betrifft, so ist diese nun entsprechend dem Code Penal von 1832 näher spezifiziert. § 174 Abs. 3 lautet: liMit dem Tode wird bestraft, wer eine Tötung begeht, um eine strafbare Handlung vorzubereiten oder zu erleichtern oder auszuführen oder um die Flucht oder Straflosigkeit des Haupttäters oder der Teilnehmer an einer solchen strafbaren Handlung zu sichern. "'4 Der Zusammenhang zwischen Vortat und Tötung ist nicht mehr ein völlig unpräziser, vom Gesetzgeber nicht näher definierter zeitlicher Zusammenhang. Vielmehr ist er dahingehend konkretisiert, daß die Tötung der Begehung der Vortat oder der Strafvereitelung bzgl. dieser Vortat dienen muß. Der neue Tatbestand erfährt damit eine erhebliche Einschränkung gegenüber der bisherigen Regelung. Dafür wird er aber an anderer Stelle erweitert. Als Vortat kommt jetzt nicht nur ein Verbrechen in Betracht, sondern jede unter Strafe gestellte Tat. Im Ergebnis erfaßt das Gesetz alle Fälle der Verdeckungstötung LS.v. § 211 Abs. 2 StGB sowie den Fall, daß der Täter mit der Tötung nur noch seine Flucht sichern will. Auch bei der türkischen Form der Vereitelungstötung darf man wohl vermuten, daß der Gesetzgeber in erster Linie an spontane Handlungen des Täters gedacht hat. Für eine besondere Erfassung der im voraus geplanten Vereitelungstötungen bestand kein Bedarf. Diese hätten nach dem türkischen Strafgesetzbuch ohnehin als vorbedachte Tötungen mit dem Tod bestraft werden müssen. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang noch, daß der türkische Gesetzgeber den Täter einer Vereitelungstötung für gefährlicher oder verachtungswürdiger hält als einen Mehrfachmörder (sofern er ohne Überlegung handelte). Dieser ist nämlich nach Art. 174 Abs. 2 nur mit lebenslänglicher Zwangsarbeit zu bestrafen.

94Übersetzung von Nord, Das türkische Strafgesetzbuch, Berlin 1912, S. 53.

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c) Das Strafgesetzbuch von 1926 Am 1. März 1926 trat in der Türkei ein neues Strafgesetzbuch in Kraft. Die Tötungsdelikte blieben von Änderungsmaßnahmen - wenn man einmal von einigen äußerlichen Umgestaltungen absieht - jedoch verhältnismäßig unberührt. Allerdings ist der Katalog der Qualifizierungen etwas umfangreicher und vor allem differenzierter geworden. Grunddelikt ist wieder die einfache vorsätzliche Tötung in § 448, die mit Zuchthaus von fünfzehn bis achtzehn Jahren zu bestrafen ist. Diese einfache Tötung wird durch in §§ 449 und 450 enumerativ aufgezählte Tatbestände qualifiziert. Gern. § 449 ist die Tötung mit Zuchthaus nicht unter achtzehn Jahren zu bestrafen, wenn sie begangen ist: - an Ehegatten, Geschwistern, an dem Adoptivvater, an der Adoptivrnutter, an Adoptivkindern, an dem Schwiegervater, der Schwiegermutter oder an der Braut, - an einem Staatsbeamten bei oder wegen Ausübung seiner Amtsbefugnisse, - mit Gift. Nach § 450 ist die Tötung mit dem Tod zu bestrafen, wenn sie begangen ist: - an der Mutter, an dem Vater, an der Großmutter oder an dem Großvater, - an einem Mitglied der Großen Nationalversammlung, - aus Verrohung oder unter Folterung oder mit Grausamkeit, - mit Überlegung (Vorbedacht) - von mehr als einer Person gemeinsam, - mittels Brandstiftung, Überschwemmung oder Versenkung, - um ein anderes Vergehen vorzubereiten, zu erleichtern oder zu begehen, - um unmittelbar nach Begehung eines anderen Vergehens sich den Vorteil aus diesem Vergehen zu sichern, oder um Vorbereitungen zu verbergen, die in dieser Absicht unternommen sind, - um ein Vergehen zu verbergen, oder um Spuren oder Beweistücke dieses Vergehens zu unterdrücken, oder um sich oder einen anderen der Strafe zu entziehen. Sprachlich etwas differenzierter als bisher ist die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat gestaltet worden. Dies gilt insbesondere für die hier vor allem interessierende Tötung zur Verdeckung der Straftat bzw. Vereitelung der Bestrafung. Die alte Fassung verwendete die Worte "um die Flucht oder Straflosigkeit des Haupttäters oder der Teilnehmer an einer solchen strafbaren Handlung zu sichern". Nunmehr unterscheidet der Gesetzgeber sprachlich zwischen drei Handlungsformen: Verbergen der Straftat, Un-

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terdrücken von Spuren oder Beweisstücken, Entziehung vor Bestrafung. Verbergen der Straftat bedeutet, das Bekanntwerden der Straftat zu verhindern. Unterdrücken von Spuren oder Beweisstücken meint, das die Ermittlungen in der mittlerweile bekannten Straftat erschwert werden. Entziehung vor Bestrafung ist die Strafvereitelung. Dieser Begriff ist inhaltlich fast identisch mit dem im alten Art. 174 verwendeten (Sicherung der Flucht oder Straflosigkeit). Letzteres dürfte auch der Oberbegriff rur die vorangegangenen Begriffe sein. Unter Entziehung vor Bestrafung können sowohl Handlungen, die eine Straftat verbergen sollen als auch Taten, die Beweisstücke oder Spuren unterdrücken sollen, subsumiert werden. Der Gesetzgeber behandelt die einzelnen Tatbestände der Strafvereitelungsabsicht und -verdeckungsabsicht in ihren Rechtsfolgen gleich. Tötungen, die aus diesen Motiven heraus geschehen sind stets mit dem Tod zu bestrafen. Dies bedeutet, daß § 449 trotz erheblicher sprachlicher Umgestaltungen gegenüber Art. 174 des alten türkischen Strafgesetzbuches in Bezug auf die Verdeckungs- oder Vereitelungsabsicht keine sachlichen Unterschiede gebracht haben dürfte. Das gleiche gilt auch rur den Umstand, daß der Gesetzgeber nun statt von Verbrechen von Vergehen spricht. Das Strafgesetzbuch 1926 hat die Dreiteilung der Straftaten in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen zu Gunsten einer Zweiteilung in Vergehen und Übertretung aufgegeben. Jede Straftat wird im Strafgesetzbuch 1926 ausdrücklich entweder als Vergehen oder Übertretung bezeichnet. Dabei sind die Verbrechen des Strafgesetzbuches 1858 mit den Vergehen des Strafgesetzbuches 1926 im wesentlichen dekkungsgleich. Auch das türkische Strafgesetzbuch von 1926 scheint mit seinen Tatbeständen der Verdeckungs- und Vereitelungstötung in erster Linie an spontane Begehungen dieser Taten gedacht zu haben. Andernfalls wären diese Regelungen überflüssig, denn die mit Überlegung (Vorbedacht) ausgefllhrte Tötung zählt ebenfalls zu den Qualifikationstatbeständen des Art. 450. Die Tötungsdelikte wurden im Laufe der nächsten Jahre mehrfach novelliert, was aber zu keinen großen inhaltlichen Änderungen fllhrte. Dies gilt insbesondere fllr die hier interessierenden Fälle der Verdeckungstötung und der Vereitelungstötung. 2. Japan In dem Vorentwurf zu einem Strafgesetzbuch rur das Kaiserlich Japanische Reich aus dem Jahre 1893 finden sich die Tötungsdelikte in den Art. 257 ff.

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Grunddelikt ist die einfache vorsätzliche Tötung (Art. 257). Sie wird mit lebenslänglichem Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter sieben Jahren bestraft. Art. 258 enthält Fälle der qualifizierten Tötung. Diese sind mit dem Tod oder mit lebenslänglichem Zuchthaus zu bestrafen. Als qualifiziert werden folgende Tötungen betrachtet: - Tötung eines Verwandten aufsteigender Linie, - die mit Überlegung ausgefilhrte Tötung, - Tötung von zwei oder mehr Menschen, - Tötung mittels Verstümmelung, körperlicher Folterung oder sonstiger barbarischer Handlungen, - Tötung, um die Begehung eines Verbrechens zu erleichtern oder um sich der Strafe wegen eines früher begangenen Verbrechens zu entziehen. Der Entwurf filr ein Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1903 blieb mit kleinen Änderungen bei dieser Fassung." Durchsetzen konnte sich dieser Entwurf allerdings nicht. In dem am 23. April 1907 in Kraft getretenen Strafgesetzbuch sind die vorsätzlichen Tötungsdelikte äußerst kurz abgehandelt. Die einfache vorsätzliche Tötung fmdet sich als Grunddelikt in § 199. Hiervon hebt sich eine Qualifizierung, die Tötung des Ehegatten oder sonstiger Verwandte aufsteigender Linie, ab (§ 200). Die nachfolgenden Strafgesetzbücher von 1953 und 1961 haben diesen Rechtszustand praktisch nicht angetastet. Es kann aber festgestellt werden, daß auch in Japan zumindest eine zeitlang erwogen wurde, die Vereitelungstötung als eine schwere Form der vorsätzlichen Tötung zu regeln. Von den im Entwurf aus dem Jahre 1893 genannten Qualifizierungen konnte sich nur die Verwandtentötung halten (das Strafgesetzbuch von 1961 hat schließlich auch hierauf verzichtet). Die Regelung der Vereitelungstötung nach dem Entwurf 1893 dürfte ihr Vorbild wohl in Art. 304 des französischen Code Penal von 1810 haben. Anders als in den im übrigen sehr ähnlichen Vorschriften des § 178 preußisches Strafgesetzbuch von 1851 und § 214 Reichsstrafgesetzbuch von 1871 muß der Täter nicht auf frischer Tat betroffen sein. Die Vereitelungsabsicht kann auch auf länger zurückliegende Taten gerichtet sein. Auch ist nicht erforderlich, daß sich die Tat gegen eine zur Festnahme bereite Person richtet; die Tötung einer nur als Tatzeuge in Betracht kommende Person erfilllt ebenfalls die Voraussetzungen des Entwurfs. Da der japanische Entwurf eine Qualifikation der überlegt ausgefilhrten Tötung vorsieht, darf vermutet werden, daß die Vorschrift in erster Linie gegen den affektiv und spontan handelnden Täter gerichtet ist.

95Siehe Leuze, S. 33.

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3. China Nach dem Boxeraufstand von 1900 setzte in China eine Periode der Rechtsentwicklung ein, die erheblichen westlichen Einflüssen unterlag und das alte, bisher geltende konfuzianisch geprägte Recht rasch verdrängte. Die chinesische Republik erließ kurz nach ihrer Errichtung im Jahre 1912 ein vorläufiges Strafgesetzbuch. Danach wurde mit den Arbeiten für das endgültige Gesetz begonnen, die zunächst zu dem Entwurf von 1916 und dann zu dem Entwurf von 1919 führten. Der Kampf zwischen Nord- und Südchina brachte das Reformwerk allerdings vorübergehend ins Stocken. Nach dem Sieg der Kuomintang-Regierung wurde von dieser am 10. März 1928 das neue Strafgesetzbuch verkündet, welches im wesentlichen auf dem Entwurf von 1919 beruht. Das Strafgesetzbuch 1928 wurde jedoch bald als reformbedürftig empfunden."" Schon 1931 wurden von der Gesetzgebungskammer in Nanking die Reformarbeiten begonnen. Das daraus hervorgegangene Strafgesetzbuch wurde am 1. Januar 1935 verkündet und trat noch im selben Jahr in Kraft." Der Entwurf von 1919, der auch Grundlage für das Strafgesetzbuch 1928 war, beschäftigt sich in den Artt. 280 ff. mit den Tötungsdelikten. Der Entwurf, wie auch das Gesetz, differenzieren sprachlich nicht zwischen den einzelnen Formen der vorsätzlichen Tötung, sondern sprechen einheitlich von Tötung. Grundtatbestand ist die einfache vorsätzliche Tötung. Als Strafen stehen dem Richter zur Verfügung der Tod, lebenslängliches Geflingnis oder Gefcingnis nicht unter zehn Jahren (Art. 280). Qualifizierungen der vorsätzlichen Tötung finden sich in Art. 281 und 282. Art. 283 privilegiert die Affekttötung. Die schwerste Form der vorsätzlichen Tötung ist die Tötung eines Verwandten aufsteigender Linie (Art. 281 Abs. 1). Einzig mögliche Strafe ist die Todesstrafe. Die Tötung anderer Verwandten kann wahlweise mit dem Tod oder mit lebenslänglichem Gefangnis bestraft werden (Art. 281 Abs. 2). In Art. 282 werden weitere erschwerende Umstände aufgezählt. Die dort genannten Taten können wahlweise mit lebenslänglichem Geflingnis oder mit dem Tod bestraft werden. Sie stellen daher auf Grund ihres Strafmaßes quasi mittel schwere Fälle der Tötung dar, die zwisch~n der einfachen vorsätzlichen Tötung (die neben dem Tod und der lebenslänglichen Haft auch mit zeitiger Freiheitsstrafe geahndet werden kann) und der Tötung eines Verwandten aufsteigender Linie (für die nur die Todesstrafe möglich ist) stehen. Als er96Vgl. Herrfahrdt, in: Das Chinesische Strafgesetzbuch, Bonn 1938, S. 3. 97Herrfahrdt, in: Das Chinesische Strafgesetzbuch, Bonn 1938, S. 4.

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schwerend werden betrachtet die Tötung mit Vorbedacht, die besonders grausame Tötung, die Tötung, um eine andere Straftat zu begehen, um den Gewinn aus einer solchen Straftat zu sichern oder die Bestrafung wegen einer solchen Straftat zu verhindern. Der chinesische Gesetzgeber hat also die Vereitelungstötung als einen "mittelschweren" Fall der vorsätzlichen Tötung ausgestaltet. Er betrachtet sie nicht als so schwer wie die Tötung eines Verwandten aufsteigender Linie, bei der nur die Todesstrafe in Betracht kommt; aber immerhin noch als so verwerflich bzw. geflihrlich, daß er sie gegenüber der einfachen vorsätzlichen Tötung hervorhebt und sie mit einem engeren Strafrahmen versieht. Die Qualifizierung solcher Tötungen, die der Begehung einer anderen Straftat dienen oder die Bestrafung wegen einer solchen Tat verhindern sollen, konnten sich allerdings nicht lange im chinesischen Recht halten. Das Strafgesetzbuch vom 1. Januar 1935 verzichtete auf sie und einige weitere Qualifizierungen.

D. Der angelsächsische Rechtskreis I. Das gemeine Strafrecht

Im gemeinen Recht (common law) wird Mord (murder) häufig als "ungesetzliche Tötung ausgeführt mit malice aforethought (vorbedachte Bosheit)" umschrieben. Malice ist aber nicht nur bei vorsätzlichen Tötungen zu bejahen, sondern auch dann, wenn der tödliche Erfolg einer Handlung überhaupt nicht gewollt war. Entscheidend für die Bewertung einer Tat als Mord ist, neben der Verursachung des Todes, die Verwerflichkeit der vom Täter beabsichtigten Handlung. Nach dem common law ist es dann gerechtfertigt, ihm auch diejenigen weiteren Folgen seines Handeins zuzurechnen, die er nicht gewollt hatte.'8 So war nach dem gemeinen Recht das Vorliegen eines Mordes schon dann zu bejahen, wenn jemand bei Begehung bestimmter schwerer Gewaltverbrechen (felonies of violence) einen anderen unvorsätzlich, also insbesondere fahrlässig, tötete. Hierunter fallen z.B. die nicht gewollte Tötung eines den Täter ertappenden Polizeibeamten, der Notzuchtsversuch an einer Frau, die während der Tat einen tödlichen Herzschlag erleidet, der ungewollte Erstickungstod des geknebelten Opfers eines Raubes. 99 Im übrigen stellt praktisch jede Tat, die nach deutschem Recht als Körperverletzung mit Todesfolge zu qualifizieren wäre, einen Mord i.S.d common law dar.

98Leask, S. 151; SimsoniGeerds, S. 10 f.; Heldmann, ZStW 71 (1959),314,315 ff. 99Grünhut, S. 222; Radbruch, S. 61.

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Unter Totschlag (manslaughter) versteht das common law jede ungesetzliche Tötung ohne malice aforethought. Er um faßt daher alle rechtswidrigen Tötungen, die keinen Mord darstellen. Man unterscheidet zwischen vorsätzlichem manslaughter und unvorsätzlichem manslaughter. Vorsätzlicher manslaughter ist gegeben, wenn die Tötung bei einem Versuch erfolgt, ungesetzlichen Schaden unter Umständen zuzufügen, die nicht der Definition von malice aforethought entsprechen. Eine Tötung, die an sich Mord wäre, kann durch eine Provokation des Täters durch das Opfer zu einem vorsätzlichen manslaughter gemildert werden, wenn sie so schwer war, daß sie den Täter des normalen Maßes von Selbstbeherrschung beraubte und er in dieser Erregung die Tat beging. Häufigster Fall des nicht vorsätzlichen manslaughters ist die fahrlässige Tötung.'oo Das gemeine Recht, wie es sich in Rechtsprechung und Literatur herausgebildet hat, erfaßt mit seinem (weiten) Mordbegriff unter anderem also auch Tötungen, die geschehen, wenn der Täter sich einem Beamten bei Ausübung seiner Dienstpflichten widersetzt. Wie bereits mehrfach erwähnt, handelt es sich hierbei wohl um eine zumindest partielle Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung. Die Beamten, die als potentielle Opfer einer Tötung bei Ausübung ihrer Dienstpflichten in Betracht kommen, dürften überwiegend Angehörige des Polizeidienstes sein. Des weiteren dürfte die Mehrzahl der Polizeibeamten, die im Dienst getötet werden, ihr Leben im Rahmen der Verbrechensbekämpfung verlieren, nämlich bei der Verhinderung von Straftaten oder der Festnahme von Straftätern. In all diesen Fällen wird der Täter mit Verdeckungsabsicht oder doch zumindest Vereitelungsabsicht handeln. Hinzu kommt, daß das gemeine Recht den Begriff Mord grundsätzlich auch auf alle Fälle einer Tötung erstreckt, die im Zusammenhang mit anderen (schweren) Straftaten stehen. Diese Regelung erinnert sehr an die bereits oben dargestellte Zusammenhangstötung nach dem französischen Code Penal von 1791, wo ebenfalls ein zuflilliger zeitliches Zusammentreffen von Vortat und Tötung zur Qualifizierung genügt. Die Aufnahme der rechtspolitisch äußerst zweifelhaften Zusammenhangstötung (bzw. des Sondertatbestandes der Polizistentötung) in den Mordtatbestand durch das gemeine Recht ist ein durchaus bemerkenswerter Vorgang. Das gemeine Recht ist ja nicht das Ergebnis eines einmaligen Gesetzgebungsaktes, der durch Irrtümer bzw. falsche Einschätzungen der hieran Beteiligten verzerrt werden kann, weil z.B. das aktuelle Tagesgeschehen die Politiker zu raschen und vor allem populären Entscheidungen zwingt, wie dies seinerzeit bei der Einführung der Vereitelungstötung in das württembergische StrafgeI()()Simson/Geerds, S. 10 f.; Leask, S. 152.

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setzbuch wohl der Fall war. IOI Vielmehr ist es aus einer jahrzehntelangen (wenn nicht sogar jahrhundertalten) Rechtsprechung und rechtswissenschaftlichen Forschung erwachsen. Was hierftlr die Ursachen gewesen sind, kann heute nur vermutet werden. Die Ausdehnung des Begriffes "murder" auf zahlreiche vorsätzliche, zum Teil sogar unvorsätzliche Tötungen im Rahmen anderer Straftten beruht wahrscheinlich auf Einflüssen des kanonischen Rechts. Dort galt das Prinzip versari in re illicita, woraus das angelsächsische Recht folgerte, daß die Schuld eines Täters, der bereits in einer Straftat verstrickt ist, im Falle eines zusätzlichen Schadens höher zu bewerten ist als die eines anderen Täters, der den gleichen Schaden verursacht, aber eben nicht während einer Straftat, sondern nur bei Gelegenheit. '02 Möglicherweise war es auch das Bedürfnis der Obrigkeit, die eigenen Beamten bei der Strafverfolgung besonders zu schützen, das die Rechtsprechung veranlaßte, die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat zu qualifizieren. Dies würde vielleicht erklären, daß das common law noch einmal ausdrücklich die Tötung eines Polizeibeamten unter eine erhöhte Strafe stellt. Da, wie bereits erwähnt, die meisten getöteten Polizeibeamte bzw. Staatsdiener bei der Verhinderung einer Straftat bzw. bei der Festnahme eines Straftäters ums Leben gekommen sind, hätte es zu deren Schutz eigentlich genügt, die erhöhte Strafbarkeit einer Tötung nur davon abhängig zu machen, daß diese im Zusammenhang mit einer anderen Straftat erfolgte. Um aber ganz sicher zu gehen, daß die Tötung eines Polizeibeamten bei Begehung einer Straftat strafschärfend berücksichtigt wird, wurde zusätzlich zur ohnehin schon vorhandenen Qualifizierung der Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat noch der Sondertatbestand der Polizistentötung geschaffen. Die an sich überflüssige Erwähnung dieses Sondertatbestandes neben der Zusammenhangstötung scheint darauf hinzudeuten, daß das eigentliche Ziel des common law ein umfassender Schutz der Strafvollstreckungsbeamten ist. Abschließend geklärt werden kann die Frage nach der Ursache ftlr die Aufnahme der Zusammenhangstötung in das gemeine Recht aber erst nach einer genauen Untersuchung der historischen und geistesgeschichtlichen Wurzeln der Abgrenzung von Mord und Totschlag im common law. Da es sich hierbei aber um eine den Rahmen dieser Untersuchung sprengende AufgabensteIlung handelt, muß letztendlich auf eine endgültige Klärung verzichtet werden. Es kann jedenfalls festgestellt werden, daß dem common law die Qualifizierung der Vereitelungs- bzw. Verdeckungstötung nicht fremd ist. Zwar gibt es parIOISiehe hierzu die Ausfllhrungen unten S. 122 f. 102SimsonlGeerds, S. 10, Fn. 20; Heldmann, ZStW 71 (1959), S. 314,315.

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tielle Unterschiede zu den entsprechenden kontinental-europäischen Regelun-

gen, doch sind diese nicht so signifikant: Das common law verlangt im Gegensatz zu den kontinental-europäischen Gesetzgebern nicht, daß mit der Tötung in Bezug auf die andere Straftat ein besonderes Ziel (z.B. Verdeckung, Vereitelung der Bestrafung, Ermöglichung der Tat) verfolgt wird. Schon das bloße Zusammentreffen von Straftat und Tötung genügt zur Qualifizierung. Insofern besteht eine große Ähnlichkeit zur bereits besprochenen Regelung im französischen Code Penal von 1791. Soweit das common law sogar fahrlässige Tötungen im Zusammenhang mit einer anderen Straftat qualifiziert, geht es über die ohnehin schon strenge Regelung des Code Penal deutlich hinaus. Sieht man einmal von der zusätzlichen Berücksichtigung der Fahrlässigkeitstötungen ab, sind eigentlich nur wenige Tötungen im Zusammenhang mit anderen Straftaten denkbar, in denen der Täter nicht handelte, um eine solche Straftat zu ermöglichen oder seine Bestrafung wegen dieser zu vermeiden. Im praktischen Ergebnis dürfte es daher keine großen Unterschiede geben zwischen der kontinental-europäischen Ermöglichungs- und Vereitelungstötung einerseits und der angelsächsischen Zusammenhangstötung andererseits. Die historischen Wurzeln und Entwicklungen, die im kontinental-europäischen Recht und im angelsächsischen Recht zur Qualifizierung solcher Tötungen fiihrten, die in Verbindung zu anderen Straftaten stehen, mögen verschieden gewesen sein. ,03 Aber letztlich beweisen sie doch, daß auch im angelsächsischen Rechtskreis vielerorts eine anscheinend tiefverwurzelte Abneigung gegenüber jenem Täter anzutreffen ist, der zusätzlich zu der Tötung eine weitere Straftat begeht. 11. Geschriebenes Recht

I. Großbritannien

In Großbritannien bestimmte sich die Strafbarkeit einer Tötung bis zum Inkrafttreten des Homicide Act 1957 nach den Grundsätzen des common law. Der Homicide Act von 1957 brachte gegenüber der bisherigen Regelung der Tötungsdelikte durch das common law eine bedeutsame Neuerung, die eiI03FUr ein vom kontinental-europäischen verschiedenes geistesgeschichtliches Umfeld bei der Entstehung der Zusammenhangstötung im common law spricht schon der Umstand, daß hier auch fahrlässige Tötungen erfaßt werden. Die Gleichsetzung von fahrlässigen mit vorsätzlichen Tötungen, auch wenn sie im Zusammenhang mit anderen Straftaten erfolgen, ist im kontinental-europäischen Recht eher die Ausnahme und meist auf wenige einzelne Straftaten beschränkt, wie z.B. der Raub mit Todesfolge im deutschen Strafrecht.

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gentlich als eine Kompromißlösung in der Auseinandersetzung um die Abschaffung der Todesstrafe gedacht war. 104 Der Begriff murder wurde nunmehr auf enger als zuvor gefaßte Tatbestände beschränkt. Nach sec. I des Homicide Acts ist eine Tötung auch bei Begehung eines anderen Delikts nur noch dann als murder zu bestrafen, wenn sie nicht bloß bei Gelegenheit dieses Delikts begangen worden ist, sondern wegen des darin zum Ausdruck kommenden bösen Willens auch ohne die Begehung der Straftat als murder geahndet werden müßte ("done with the same malice aforethought as is required for a killing to amount to murder when not done in the cours or furtherance of another offence"). Das gleiche gilt nach sec. 1 des Homicide Acts ausdrücklich auch für den Fall der Tötung eines Iustizbeamten bei Gelegenheit des Widerstandes gegen dessen Amtshandlungen einschließlich einer von ihm durchgefiihrten rechtmäßigen Festnahme. Die Tat kann nur dann als murder bestraft werden, wenn in ihr unabhängig von dem Umstand der Dienstausfiihrung durch den Beamten ein böser Wille zum Ausdruck kommt. Mit dieser in sec. 1 des Homicide Acts gefundenen Regelung hat die lediglich fahrlässig verursachte Tötung bei Ausfiihrung eines anderen Delikts ihre Sonderrolle, die ihr nach dem common law zu kam, verloren. Sie kann nur noch dann als murder verfolgt werden, wenn dies auch ohne dem Vorliegen einer Straftat möglich wäre. Den Täter trifft ein gesteigerter Schuldvorwurf grundsätzlich nur noch dann, wenn er den Tötungserfolg voraussah oder zumindest voraussehen konnte, daß seine Handlungen geeignet sind, diesen Erfolg herbeizufiihren. Letzteres trifft vor allem auf Körperverletzungen mit Todesfolge zu. IOS Liegen diese Voraussetzungen aber nicht vor, kann die Tötung trotz Vorliegens einer weiteren Straftat in der Regel nur als manslaughter verfolgt und geahndet werden. Sofern der Täter aber die Tötung nicht lediglich fahrlässig, sondern besonders leichtfertig verursacht hat (z.B. durch eine Körperverletzung mit Todesfolge), wollte auch der Homicide Act auf ihre Qualifizierung nicht gänzlich verzichten, wenn sie im Zusammenhang mit einer anderen Straftat steht. Wie bereits erwähnt, war der Homicide Act eine Kompromißlösung im Streit um die Abschaffung der Todesstrafe. Das common law sah noch die Todesstrafe fiir alle Fälle des (ohnehin weit gefaßten) murders vor. Der Homicide Act beschränkte sie nunmehr auf einzelne Fälle des murders, die als capital murder bezeichnet werden (sec. 5 - 7 Homicide Act). Zwar ist mittlerweile in Großbritannien die Todesstrafe abgeschafft - insofern ist die Kompromißlösung des Homicide Act gegenstandslos geworden - der capital murder ist aber nach wie vor ein Fall der qualifizierten Tötung und wird daher schärfer beI04SimsoniGeerds, S. 17 f. IOSYgl. Heldmann, ZStW 71 (1959), S. 314, 318. 7 Weiß

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straft als die einfache Fonn. Nach dem Homicide Act sind folgende Fälle als capital murder zu bestrafen: Mord im Verlauf oder zur Förderung eines Diebstahls, Mord mittels Schußwaffe oder Sprengstoff, Mord bei rechtmäßiger Festnahme oder bei Ausbruch aus dem Gefangnis, Ennordung eines Polizeioder Gefangnisbeamten bei Ausübung seiner Amtspflichten sowie wiederholter Mord. Ein Fall des capital murders ist demnach auch die leichtfertig verursachte Tötung, wenn der Täter handelte, um eine rechtmäßige Festnahme zu verhindern. Dies ist im Ergebnis nichts anderes als die Vereitelungstötung anderer Strafrechtsordnungen. Dabei geht die Vereitelungstötung nach dem Homicide Act weit über die anderer nationaler Strafrechtssysteme hinaus. Denn einen Mord begeht nicht nur der, der einen Menschen vorsätzlich tötet, sondern ebenfalls derjenige Täter, der schon in leichtfertiger Weise den Tod eines anderen verusacht. Letzteres trifft vor allem auf die Körperverletzung mit Todesfolge zu. Nach englischem Recht macht sich demnach ein Täter auch dann wegen einer Vereitelungstötung, also capital murder, strafbar, wenn er lediglich eine Körperverletzung zur Verhinderung seiner Festnahme begehen wollte, diese aber tödlich endete. Ebenfalls ein Fall des capital murders ist die leichtfertige Tötung eines Polizei- oder Gefangnisbeamten bei Ausübung seiner Dienstpflichten. Letztlich handelt es sich hierbei - wie bereits mehrfach erwähnt - um einen Sonderfall der Vereitelungstötung (bzw. Begehungstötung), zumindest dann, wenn es um Polizeibeamte als Opfer geht. Die Diensthandlung, bei der der Polizeibeamte durch Einwirkungen des Täters ums Leben kommt, wird meist, wenn nicht sogar immer, darin bestehen, eine Straftat zu verhindern oder den Täter wegen Beteiligung an dieser Straftat festzunehmen. Des weiteren wird nach dem Homicide Act von 1957 auch die Tötung im Verlauf eines Diebstahls als capital murder qualifiziert. Bei praktisch allen der damit erfaßten Fälle dürfte es sich im Ergebnis um Vereitelungs- oder Begehungstötungen handeln, die speziell im Rahmen eines Diebstahls erfolgten. Alle übrigen Tötungen, die keinen Fall des murders oder des capital murders darstellen, sind nach dem Homicide Act manslaughter. Es handelt sich hierbei zumeist um Tötungen im Affekt oder fahrlässige Tötungen. Abschließend kann man feststellen, daß der Homicide Act von 1957 eine nicht unerhebliche Einschränkung flir die bis dahin nach dem common law qualifizierte Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat brachte.

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Das mehr oder weniger zufiUlige Zusammentreffen einer nur leicht fahrlässig begangenen Tötung mit einer anderen Straftat genügt zur QualifIkation nicht mehr. Vielmehr muß der Täter, wie auch sonst, um einen Mord zu begehen, wenigstens grob fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht haben. Besonders qualifIziert ist also die Tötung, die lediglich im zeitlichen Zusammenhang mit einer anderen Straftat steht, nicht mehr. Geschieht der Mord, also die grobfahrlässige Tötung, um sich der Festnahme wegen einer anderen Straftat zu entziehen, bleibt es allerdings bei einer QualifIzierung: die Tat wird dann als capital murder verfolgt. Ähnlich wie der französische Gesetzgeber von 1832 hat also auch der englische Gesetzgeber die QualifIzierung der Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat davon abhängig gemacht, daß mit ihr ein bestimmter Zweck verfolgt wird, nämlich die Verhinderung einer rechtmäßigen Festnahme. Im Ergebnis handelt es sich um nichts anderes als die (Straf-)Vereitelungstötung des französischen Code Penals und anderer nationaler Strafgesetzbücher, denn der Täter wird in aller Regel nur deshalb die Festnahme verhindern wollen, um sich oder seine Komplizen vor Bestrafung zu schützen. Es ist wahrscheinlich nicht allzu spekulativ, wenn man unterstellt, daß bei der Ausgestaltung des capital murder in dieser Hinsicht kontinental-europäische Vorbilder eine Rolle gespielt haben. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß der Homicide Act mit seiner Vereitelungstötung deutlich über diese Vorbilder hinausgeht, wenn man bedenkt, daß auch der Täter erfaßt wird, der besonders leichtfertig den Tod seines Widersachers verursacht hat, ansonsten aber vollkommen unvorsätzlich handelte. Bemerkenswert ist, daß der Homicide Act die Fallgruppe der Vereitelungstötungen qualifIziert, nicht dagegen die der Begehungstötungen. Die Tötung zur Durchsetzung einer anderen Straftat, um die aus ihr erlangte Beute zu erhalten, ist nicht generell qualifIziert. Lediglich dann, wenn eine solche Tat im Verlaufe eines Diebstahls erfolgt, wird sie zum Fall eines capital murders. Warum der britische Gesetzgeber mit der Tötung zur Verhinderung einer Festnahme ein MordqualifIkationsmerkmal übernommen hat, das in vielen Rechtsordnungen umstritten ist, aber ausgerechnet auf das eher unangefochtene MordqualifIkationsmerkmal der Begehungstötung verzichtet hat, ist eigentlich schwer einzusehen; vor allem, wenn man bedenkt, daß die Vereitelungstötung, sofern sie in einer Rechtsordnung bekannt ist, fast immer mit der Begehungstötung als MordqualifIkationsmerkmal einhergeht. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Schaffung des capital murder den Schutz der Allgemeinheit vor besonders gefiihrlichen Begehungsarten und Tätern sowie den Schutz besonders gefiihrdeter Amtspersonen. 106 Selbst wenn man einmal unI06Siehe hierzu die Nachweise bei Heldmann, ZStW 71 (1959), S. 314,339. 7'

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terstellt, daß dieses Ziel durch drakonische Abschreckungsstrafen, wie z.B. der Todesstrafe, zu erreichen ist, erscheint die Ausklammerung der Begehungstötung aus dem Tatbestand des capital murders doch eher inkonsequent. Warum sollte der potentielle Täter einer Vereitelungstötung für das Opfer einer Straftat gefährlicher sein als ein Täter, der schon dann bereit ist, einen anderen umzubringen, wenn er der Verwirklichung einer anderen Straftat entgegensteht? Im Ergebnis dürfte es sich also bei dem Begehungsmörder sogar um den brutaleren Täter handeln, weil er sehr viel rascher zur Tötung schreitet als der Vereitelungsmörder, der erst handelt, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt. Tatsächlich ist der capital murder in der angelsächsischen Rechtsliteratur auch erheblich umstritten. 107 Nicht ganz unähnlich der Kritik in der deutschen Strafrechtswissenschaft an § 211 StGB wird dem britischen Gesetzgeber der Vorwurf gemacht, daß er willkürlich bestimmte Fallgruppen der vorsätzlichen bzw. leichtfertigen Tötung qualifiziert habe. 2. New York

Im Strafgesetzbuch des Bundesstaates New York vom 26. Juli 1881 finden sich die vorsätzlichen Tötungsdelikte in den §§ 179 ff. Dort wird zwischen Mord und Totschlag differenziert, wobei das jeweilige Delikt noch einmal in einer Begehungsfonn I. Grades und einer solchen 2. Grades unterteilt wird. Wie so häufig im angelsächsischen Recht sind die Tötungsdelikte auch im Strafgesetzbuch New York eine merkwürdige Vennischung aus vorsätzlichen Tötungen und Körperverletzungen mit Todesfolge. Die schwerste Fonn der Tötung ist der Mord im 1. Grad (§ 183), der mit der absolut angedrohten Todesstrafe geahndet wird (§ 186). Dieser liegt zunächst dann vor, wenn der Täter die Tötung vorsätzlich und überlegt ("mit wohl erwogenem und überlegtem Vorsatz") ausgeführt hat. Darüber hinaus ist ein Mord im 1. Grad gegeben, wenn der Täter die Tötung durch eine Handlung herbeiführt, welche unmittelbar für andere gefiihrlich ist und einen verdorbenen Sinn, der keine Rücksicht auf menschliches Leben nimmt, erkennen läßt. Ein überlegtes Handeln des Täters ist dabei nicht erforderlich. Verursacht der Täter die Tötung bei Begehen eines Verbrechens im engeren Sinne, liegt ebenfalls Mord im 1. Grad vor, selbst dann, wenn er ohne jeden Tötungsvorsatz handelte. Verbrechen im engeren Sinne sind solche Straftaten, die mit dem Tod oder mit Einsperrung in ein Staatsgefllngnis geahndet werden (§ 5). Alle anderen Straftaten sind lediglich Vergehen (§ 6). Mord im 2.

I07Siehe die Nachweise bei Heldmann, ZStW 71 (1959), S. 314, 339.

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Grad (§ 184) liegt vor, wenn der Täter ohne Überlegung vorsätzlich tötet. Die hierfilr absolut angedrohte Strafe ist Einsperrung auf Lebenszeit (§ 187). Totschlag im 1. Grad liegt vor, wenn der hinsichtlich der Tötung unvorsätzlich handelnde Täter diese während eines Vergehens gegen die Person oder das Eigentum des Opfers verursacht hat (§ 189 Abs. I). Ebenfalls Totschlag im 1. Grad ist gegeben, wenn der mit Körperverletzungsvorsatz handelnde Täter zwar die Tötung in einem Zustand besonderer Erregung verursachte, jedoch auf ungewöhnlich grausame Weise oder unter Anwendung einer gefährlichen Waffe handelte (§ 189 Abs. 2). Der Totschlag im 1. Grad ist mit Einsperrung von filnf bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen (§ 192). Totschlag im 2. Grad (§ 193) liegt vor, wenn der hinsichtlich der Tötung unvorsätzlich handelnde Täter - diese während eines von ihm begangenen Hausfriedensbruchs verursachte, - besonders erregt war und ihm auch nicht die Benutzung einer gefährlichen Waffe oder übermäßige Grausamkeit vorgeworfen werden kann, - die Tötung während einer von ihm begangenen Straftat verursachte, sofern diese nicht die Tat zu einem Mord im I. oder 2. Grade oder Totschlag im 1. Grade macht. Darüberhinaus werden aber auch andere Tötungsdelikte, insbesondere fahrlässige Tötungen infolge einer besonders unsachgemäßen Benutzung von Maschinen, Fahrzeugen und Tieren als Totschlag im 2. Grad bezeichnet. Daher ist der Strafrahmen hierfilr auch sehr weit gefaßt. Der Tat kann mit Einsperrung von einem bis zu funfzehn Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden (§ 202). Einflüsse des common law auf das Strafgesetzbuch New Yorks sind deutlich erkennbar. Dies ergibt sich vor allem aus der Einstufung der mit malice aforethought begangenen Tötungen als Mord (1. Grades). Damit werden vorsätzliche Tötungen und Körperverletzungen mit Todesfolge praktisch auf eine Stufe gestellt. \08 Wie im common law üblich qualifiziert das Strafgesetzbuch des Staates New York Tötungen, die im Zusammenhang mit anderen Straftaten stehen. Die ohne entsprechenden Vorsatz verursachte Tötung während eines Verbrechens wird automatisch zu einem Mord im 1. Grad und muß dann mit der 101 Allerdings soll an dieser Stelle angemerkt werden, daß immerhin das im übrigen vollkommen kontinental-europäisch geprägte österreichische Strafgesetz bis 1975 die Körperverletzung mit Todesfolge als Totschlag bezeichnete und diese im Zusammenhang mit der vorsätzlichen Tötung (Mord) regelte.

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Höchststrafe, dem Tod, geahndet werden. Fahrlässige Tötungen oder Körperverletzungen mit Todesfolge, die mit Vergehen (insbesondere gegen das Eigentum oder die Person) zusammentreffen sind immerhin meist noch Totschlag im 1. Grad und können mit verhältnismäßig harten Freiheitsstrafen geahndet werden.

3. Louisiana Im Strafgesetzbuch des amerikanischen Bundesstaates Louisiana, welches am 29. Juli 1942 in Kraft getreten ist, finden sich die Tötungsdelikte in den Art. 29 ff. Der Tatbestand des Mordes (Art. 30) ist, wie fiir angelsächsisch geprägtes Recht üblich, sehr weit. Er umfaßt nicht nur grundsätzlich jede vorsätzliche Tötung, sondern ist auch dann gegeben, wenn der Täter nur die Absicht hatte, eine schwere Körperverletzung beizubringen und das Opfer an den Folgen dieser Körperverletzung stirbt (Art. 30 Nr. 1). Außerdem ist eine Tötung Mord, wenn der Täter mit der Durchfiihrung oder versuchten Durchfiihrung einer erschwerten Brandstiftung, eines erschwerten Einbruchs, eines erschwerten Menschenraubs, einer erschwerten Notzucht, eines bewaffneten Raubs oder eines einfachen Raubs beschäftigt ist, auch dann, wenn er keine Verletzungsabsicht hat (Art. 30 Nr. 2). Der Mord ist grundsätzlich mit dem Tod zu bestrafen. Totschlag (Art. 31) liegt vor, wenn der Täter die Tötung auf Grund einer vom Opfer provozierten plötzlichen "Leidenschaft oder Blutsaufwallung" begangen hat (Art. 31 Nr. 1). Diese Alternative des Totschlags ähnelt daher, wenn man einmal davon absieht, daß auch sie fiir Fälle der Körperverletzung mit Todesfolge gilt, der klassischen Affekttötung. Totschlag ist des weiteren gegeben, wenn der Tod während einer gegen das Opfer gerichteten vorsätzlichen Straftat des Täters eintritt, die nicht zu den in Art. 30 Nr. 2 aufgezählten gehört (Art. 31 Nr. 2 lit. a), und zwar unabhängig davon, ob der Täter mit Verletzungs- oder Tötungsabsicht handelte. Schließlich ist Totschlag gegeben, wenn der Täter gegen eine rechtmäßige Verhaftung Widerstand in einer Weise leistet, die an sich nicht gefährlich ist, aber hierdurch dennoch den Tod des Opfers verursacht (Art. 31 Nr. 2 lit. b). Der Totschlag ist mit Geflingnis oder Zwangsarbeit bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen. Das Strafgesetzbuch von Louisiana gehört somit zu den Rechtssystemen, welche die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat qualifizieren. Wie viele andere durch das common law geprägte Strafgesetzbücher auch, geht es dabei weit über die Verdeckungs- und Vereitelungstötung kontinentaleuropäischer Strafrechtssysteme hinaus, indem es nicht unbedingt Tö-

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tungsvorsatz, ja in einigen Fällen nicht einmal einen Körperverletzungsvorsatz verlangt. So genügt nach Art. 31 Nr. 2lit. b) bereits der Widerstand gegen eine rechtmäßige Festnahme, um eine hierbei geschehene fahrlässige Tötung zum Totschlag zu qualifizieren. Ein solcher Tatbestand kann dann immerhin mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwanzig Jahren Geflingnis oder Zwangsarbeit geahndet werden. Das Strafgesetzbuch von Louisiana beschränkt sich nicht darauf, alle Tötungen, die im Zusammenhang mit einer anderen Straftat stehen, zu einem einheitlichen Tötungsdelikt zu qualifizieren. Die Tötung kann einmal Mord, aber auch einmal Totschlag sein. Ihre genaue Einordnung hängt im wesentlichen von der vorangegangenen Straftat ab. Die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat wird als Mord qualifiziert, wenn die Vortat die Voraussetzungen eines der folgenden Tatbestände erftlllt: schwere Brandstiftung, schwerer Einbruch, schwerer Menschenraub, schwere Notzucht, einfacher Raub, bewaffneter Raub (Art. 30 Nr. 2). Ähnlich wie beim Code Penal von 1791 genügt ein gewisses zeitliches Zusammentreffen von Straftat und Tötung, ohne daß eine weitere sachliche Beziehung zwischen den beiden Taten (z.B. die Absicht, mit der Tötung die andere Straftat zu ermöglichen, zu verdecken, ihre Bestrafung zu verhindern) notwendig ist. Im Ergebnis werden vom Mordbegriff LS.d. Strafgesetzbuches von Louisiana alle Fälle erfaßt, die nach deutschem Recht Verdeckungstötungen wären (sofern es sich bei der Vortat um eine der in Art. 30 aufgezählten Straftaten handelt); daneben werden aber auch eine ganze Reihe zusätzlicher Fälle erfaßt: die Begehungstötung, die Strafvereitelungstötung, Tötungen, die zeitlich nur zufällig mit der Vortat zusammentreffen (ebenfalls sofern einer der in Art. 30 Nr. 2 aufgezählten Tatbestände als Vortat vorliegt). In all diesen Fällen spielt es, wie im angelsächsischen Recht üblich, keine Rolle, ob der Täter mit Tötungs- oder bloß Körperverletzungsvorsatz handelt. Treffen die Tötung und eine Straftat, die nicht zu dem in Art. 30 Strafgesetzbuch Lousiana aufgezählten schweren Straftaten gehört, zusammen, liegt immerhin noch eine Totschlag vor, und zwar auch dann, wenn der Täter nur mit einfachem Körperverletzungsvorsatz handelte (Art. 31 Nr. 2 lit. a). Auch hier ist grundsätzlich kein sachlicher Zusammenhang zwischen Straftat und Tötung erforderlich. Vom Gesetz wird noch einmal ausdrücklich der Fall erwähnt, daß die Tötung in einer Situation des Widerstandsleistens gegen eine rechtmäßige Festnahme erfolgt (Art. 31 Nr. 2 lit. b). Hier geht der Gesetzgeber sogar so weit, daß bereits an sich ungefährliche, also leicht fahrlässige, aber für die Tötung

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ursächliche Handlungen die Tat zum Totschlag qualifizieren. Im Ergebnis handelt es sich hierbei also um Fälle der Vereitelungstötung. Auf eine ausdrückliche Erwähnung der Begehungstötung verzichtet der Gesetzgeber dagegen. Abschließend kann man sagen, daß das Strafgesetzbuch Louisianas die Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung, sofern sie vorsätzlich geschieht, nicht besonders hervorhebt. In diesen Fällen ist sie - wie alle vorsätzlichen Tötungen, bei denen der Täter nicht in einem vom Opfer provozierten Affekt handelt - ein Mord und damit die schwerste Form der Tötung. Der Gesetzgeber hat aber alle Körperverletzungen mit Todesfolge, die im Rahmen einer Straftat geschehen, als Mord oder Totschlag qualifiziert. Besonders weit ist der Gesetzgeber in solchen Fällen gegangen, in denen sich der Täter einer rechtmäßigen Festnahme widersetzt. Hier genügt sogar schon die leicht fahrlässig verursachte Tötung, um die Tat als Totschlag zu qualifizieren. Insofern kann das Strafgesetzbuch Louisianas als ein im Ergebnis sehr weitgehender Versuch der Qualifizierung der Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung gewertet werden. 4. Entwur/ eines Musterstra/gesetzbuches für die USA

Der Entwurf eines Musterstrafgesetzbuches filr die Vereinigten Staaten von Amerika stammt, wie der deutsche Entwurf eines Strafgesetzbuches, aus dem Jahre 1962. Allerdings ist er nicht wie der deutsche Entwurf eine amtliche Gesetzesvorlage, sondern ein von dem American Law Institut, einer privaten Vereinigung, nach zehnjährigen Vorarbeiten entwickelte Modell eines Strafgesetzbuchs. Den Bundesstaaten steht es frei, dieses Musterstrafgesetzbuch ganz, teilweise oder überhaupt nicht zu übernehmen. 109 Die Tötungsdelikte sind in sec. 210 geregelt. Der Entwurf kennt im wesentlichen drei Formen der strafbaren Tötung: den Mord (sec. 210.2), den Totschlag (sec. 210.3) und die fahrlässige Tötung (sec. 210.4). Mord und Totschlag sind wieder die fUr das angelsächsische Recht übliche Kombination aus vorsätzlicher und fahrlässiger Tötung. Mord ist grundsätzlich jede vorsätzliche Tötung eines Menschen. Daneben ist auch eine solche Tötung Mord, die zwar nicht vorsätzlich, aber leichtfertig und unter Umständen begangen wird, die ungewöhnliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Wert menschlichen Lebens erkennen lassen. Solche GleichI~onig, Richard M., Vorwort, in: Musterstrafgesetzbuch, Berlin 1965.

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gültigkeit ist nach dem Entwurf insbesondere dann zu vermuten, wenn jemand als Täter oder Teilnehmer bestimmte schwere Straftaten (z.B. Raub, Notzucht, gewaltsame oder durch Drohung mit Gewalt erzwungene widernatürliche Unzucht, Brandstiftung, Einbruch, Menschenraub oder als Verbrechen zu bestrafendes Ausbrechen) begeht oder nach Begehung oder dem Versuch einer solchen Tat flieht. Die Verfasser des Entwurfs gehen also ähnlich wie die Gesetzgeber von Louisiana und New York davon aus, daß das Zusammentreffen einer Tötung und bestimmter schwerer Straftaten auch dann einen Mord darstellt, wenn die Tötung überhaupt nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig begangen wurde. Mord wird als Verbrechen ersten Grades mit zeitiger Freiheitsentziehung von mindestens einem Jahr oder höchstens zehn Jahren oder lebenslänglicher Freihei~sentziehung geahndet (sec. 6.06). In einigen vom Musterentwurf näher bezeichneten besonders schweren Fällen des Mordes darf das Gericht auch auf die Todesstrafe erkennen (sec. 210.6 § 2). Das Gericht soll aber auch in diesen Fällen die Todesstrafe nur anwenden, wenn es mildernde Umstände als nicht gegeben erachtet. In sec. 210.6 § 3 werden die vom Musterentwurf als besonders schwer eingestuften Fälle aufgezählt: - Der Mord war durch einen zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten begangen (hier ist wohl vor allem an Fälle des Ausbruchs von Strafgefangenen gedacht). - Der Täter ist bereits einmal wegen Mordes oder eines anderen Verbrechens, bei dem er Gewalt angewendet hat, verurteilt worden. - Der Täter hat zugleich mehrere Morde begangen. - Der Täter hat mit der Tötung eine große Anzahl von Personen ebenfalls der Gefahr des Todes ausgesetzt. - Der Mord wurde begangen, um einer rechtmäßigen Festnahme zu entgehen oder ihr zuvorzukommen, oder um ein Entweichen aus rechtmäßiger Haft zu bewerkstelligen. . - Der Mord wurde um eines geldlichen Vorteils wegen begangen. - Der Mord war besonders verrucht, scheußlich oder grausam und zeugte von ungewöhnlicher Verderbtheit. Diese Aufzählung ist allerdings nicht abschließend. Das Gericht darf in den vom Musterentwurf genannten Fällen nur dann auf die Todesstrafe erkennen, wenn es sonstige mildernde Umstände ausdrücklich nicht für gegeben hält. Andererseits können auch vom Musterentwurf nicht genannte Erschwernisgründe vom Gericht berücksichtigt werden und mit der Todesstrafe geahndet

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werden. Die oben aufgezählten Erschwernisgründen stellen also weniger eine echte Qualifikation des Mordes als vielmehr eine Strafzumessungsregel dar. Trotzdem kann nicht bestritten werden, daß der Musterentwurf im Ergebnis einen schweren Fall des Mordes kennt, der mit dem Tod zu bestrafen ist. Die dort genannten Regelbeispiele orientieren sich offensichtlich an kontinentaleuropäische Vorbilder. So wird grundsätzlich unter die erhöhte Strafe gestellt z.B. der Mehrfachmörder, der Täter, der gemeingefährliche Mittel einsetzt, der aus Habgier handelt, grausam tötet u.s.w. Erfaßt wird von dem Musterentwurf auch der Täter, der tötet, um einer rechtmäßigen Festnahme zu entgehen, ihr zuvorzukommen oder sonst ein Entweichen aus rechtmäßiger Haft zu bewerkstelligen. Damit gehört der Musterentwurf ebenfalls zu den Gesetzestexten, die eine Fonn der Vereitelungsabsicht bei der Tötung unter erhöhte Strafe stellen, wenn dies auch im Gegensatz z.B. zum deutschen Strafgesetzbuch nicht zwingend ist. Bemerkenswert ist an der Regelung der Vereitelungstötung im Musterentwurf zweierlei. Zum einen ist dies neben dem britischen Homicide Act von 1957 und dem Strafgesetzbuch von Louisiana aus dem Jahre 1942 die einzige bekannte Regelung, die ausschließlich die Strafvereitelung (bzw. Strafverdekkung) unter erhöhte Strafe stellt, nicht dagegen ihr fast immer anzutreffendes Pendant, die Tötung, um eine andere Straftat zu begehen, obwohl gerade dieses Mordmerkmal in der deutschen Diskussion um § 211 StGB meist unangefochten seinen Platz als legitime Strafschärfung behält. Was die Verfasser des Musterentwurfes bewogen haben könnte, ein nicht nur in Deutschland als problematisch empfundenes Mordmerkmal aufzunehmen, auf ein aber mit ihm stets gemeinsam auftretendes Mordmerkmal, das zudem meist als unproblematisch betrachtet wird, ausgerechnet zu verzichten, kann nur vennutet werden. Möglicherweise war es nur eine ungenaue Rezeption des europäischen Rechts. Vielleicht glaubte man auch, durch die Erwähnung der Habgier zumindest die Hauptfälle der Begehungstötung erfaßt zu haben. Vielleicht sah man auch in Anbetracht der sehr offenen Regelung über die Verhängung der Todesstrafe keine Notwendigkeit filr eine differenzierte und detaillierte Ausgestaltung der Mordmerkmale. Denn der Richter ist ja befugt, auch in den nicht vom Musterentwurf erwähnten Fällen die Todesstrafe zu verhängen, genauso wie er in den erwähnten Fällen auf sie verzichten darf. Daher kann auch ein Täter, der tötet, um eine andere Straftat zu begehen, zum Tode verurteilt werden. Wie im angelsächsischen Recht üblich, muß auch nach dem Musterentwurf für die Fälle, in denen die Todesstrafe möglich ist, nicht unbedingt eine vor-

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sätzliche Tötung gegeben sein. Entschärft wird dieses Ergebnis aber wieder mit dem Hinweis auf die offene Regelung des Musterentwurfs. Das Gericht darf die Todesstrafe nur verhängen, wenn es keine mildernden Umstände für gegeben erachtet. Eine nur fahrlässige Tötung des Opfers dürfte wohl, wenn schon nicht das Unrecht, so doch zumindest die Schuld des Täters derart reduzieren, daß nach den Vorstellungen der Verfasser des Musterentwurfs eine Todesstrafe nicht mehr in Betracht kommt.

5. Australien Die zwangsläufig angelsächsisch geprägten Strafgesetze Australiens sehen ebenfalls häufig vor, daß eine Tötung im Zusammenhang mit anderen (oder bestimmten) Straftaten als Mord (murder) zu qualifizieren ist, und zwar unabhängig davon, ob der Täter hinsichtlich der Tötung vorsätzlich oder nur fahrlässig handelte. a) Neusüdwales Nach sec. 18 des Crimes Act von 1900 liegt Mord vor, wenn die Tat auf sorgloser Mißachtung menschlichen Lebens beruht, oder mit der Absicht zu töten oder eine schwere Körperverletzung zuzufügen begangen wurde, oder wenn die Tötung erfolgt ist, während oder nach dem Versuch oder der Begehung einer ausgesprochen lebensgefl1hlichen Handlung oder eines mit Todesstrafe oder lebenslänglichem Zuchthaus bedrohten Verbrechens durch den Täter oder einen Mittäter. Die einzig zulässige Strafe ist die Todesstrafe (Crimes Act sec. 19).110 Alle anderen Fälle der Tötung sind vorsätzlicher oder unvorsätzlicher Totschlag (manslaughter).111 Das recht enge und harte Strafmaß für die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat kann vielleicht damit gerechtfertigt werden, daß nach dem Crimes Act nicht die Begehung irgendeiner Straftat die Tötung zum Mord qualifiziert, sondern nur einige schwere Verbrechen, die selber mit der Todesstrafe oder lebenslänglichem Zuchthaus bedroht sind. 112 Zumindest dann, wenn der Täter schon wegen der Vortat die Todesstrafe zu erwarten hat, stellt für ihn die zusätzlich wegen einer Tötung angedrohte Todesstrafe keine besondere Härte mehr dar. Allerdings dürfte eine zweifache Androhung der Todesstrafe in der Regel kaum einen Sinn machen. Etwas anderes gilt nur ll'Leask, S. 6 f. IlILeask, S. 5. 1l2Leask, S. 7.

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dann, wenn für die Vortat die Todesstrafe nicht absolut angedroht wird. In einem solchen Fall hat die zwingend vorgeschriebene Todesstrafe für Tötungen im Zusammenhang mit einer derartigen Straftat ihre eigenständige Bedeutung. Im übrigen muß auch hier darauf hingewiesen werden, daß es eine fragwürdige Differenzierung darstellt, wenn der Täter, der schon zur Verwirklichung einer unbedeutenden Straftat bzw. zur Verhinderung der Bestrafung wegen einer solchen tötet, milder bestraft wird als jener Täter, der erst im Rahmen besonders schwerer Straftaten sich zu einer lebensgefährlichen Behandlung des Opfers genötigt sieht. b) Queensland Nach dem Criminal Code Act von 1899 macht sich wegen Mordes grundsätzlich jeder strafbar, der widerrechtlich und vorsätzlich einen anderen tötet (sec. 301)."3 Nach sec. 302" 4 liegt darüber hinaus auch Mord vor: - wenn der Täter beabsichtigte, dem Getöteten oder einem anderen eine schwere Körperverletzung zuzufügen, - wenn der Tod in Verfolgung einer einem ungesetzlichen Zweck dienenden Handlung herbeigeführt wird, und zwar einer so gearteten Handlung, daß sie vermutlich Menschenleben gefährdet, auch wenn der Täter niemanden verletzen wollte, - wenn der Täter beabsichtigt, einem anderen eine schwere Körperverletzung zuzufügen, um die Begehung eines Verbrechens zu erleichtern, dessen Täter ohne Haftbefehl verhaftet werden kann oder um die Flucht eines anderen, der ein solches Verbrechen begangen oder versucht hat, zu erleichtern, auch wenn der Täter nicht wußte, daß der Tod die Folge seines Handeln sein könnte. Für Mord wird absolut lebenslängliches Zuchthaus mit Zwangsarbeit angedroht. Alle anderen Tötungen sind als vorsätzlicher oder unvorsätzlicher Totschlag strafbar. Der Criminal Code Act qualifiziert also die Tötung eines Menschen als Mord, wenn sie dazu dient, bestimmte Straftaten (bei denen eine Verhaftung auch ohne Haftbefehl zulässig ist, d.h. Taten, die mit Verbrechen i.S.d. deutschen Strafgesetzbuchs vergleichbar sind) zu begehen oder um die Flucht wegen eines solchen Verbrechens zu erleichtern. Dabei modifiziert es aber diese möglicherweise nach europäischen Vorbildern entstandenen Fälle der Begehungs- und Vereitelungstötung in eine für das angelsächsische Recht typi113Leask, S. 80. 114Leask, S. 80 f.

E. Zusammenfassung

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schen Weise dahingehend, daß auch eine Körperverletzung mit Todesfolge als Mord erfaßt wird.

E. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß eine ganze Reihe nationaler Gesetzgebungen die Tötung zur Verdeckung einer anderen Straftat bzw. zur Vereitelung der Bestrafung wegen einer solchen Tat gegenüber dem "Normalfall" der Tötung qualifizieren. Die Verdeckungstötung in § 211 StGB ist also kein spezifisch deutsches Phänomen. Das gleiche gilt für ihren Vorläufer, die Vereitelungstötung nach § 214 a.F. StGB. Die weite Verbreitung der Vereitelungs- und der Verdeckungstötung wundert zunächst nicht, sind sie doch beide nach Vorbildern entstanden, die zu ihrer Zeit viele Gesetzeswerke nachhaltig beeinflußten. Die Vereitelungstötung hat ihr Vorbild in Art. 304 Abs. 1 des Code Penal in seiner Fassung von 1832. Eine quasi "archaische" Form der Vereitelungstötung findet sich bereits im Code Penal von 1791. Dort wird jedes Zusammentreffen von Straftat und vorsätzlicher Tötung als Mord (assassinat) bezeichnet und unter eine qualifizierte Strafe (Todesstrafe) gestellt, die über die übliche Strafe für Totschlag (meurtre, lebenslängliche Zwangsarbeit) deutlich hinausgeht. Sofern es sich bei der Straftat um ein Verbrechen handelt, ist dies auch heute noch geltendes Recht in Frankreich. Der Code Penal von 1810 hat zu seiner Zeit beachtlichen Einfluß auf andere nationale Gesetzgebungen ausgeübt. Eine ganze Reihe der in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts entstandenen Strafgesetzbücher waren nichts anderes als Übersetzungen dieses französischen Gesetzeswerkes. Es liegt daher nahe, die internationale Verbreitung der Vereitelungstötung damit zu erklären, daß der jeweilige Gesetzgeber mehr oder weniger kritiklos diese Vorschrift aus dem französischen Recht übernommen hat. Doch würde man das Phänomen Vereitelungstötung so nur vordergründig erklären können. Für die in enger zeitlicher Nähe zum Code Penal entstandenen Gesetzeswerke mag dies als Erklärung genügen, nicht aber fiir ihre Novellierungen, die jahrzehnte, oft erst ein Jahrhundert später erfolgten und welche die Qualifizierung der Vereitelungstötung fast immer unangetastet ließen. Es ist hier kaum mehr denkbar, darin bloß das Nachwirken eines einst bedeutenden Strafgesetzbuches zu sehen. Wie oben ausgefiihrt, finden sich mit der Vereitelungstötung, ja sogar mit der Zusammenhangstötung des Code Penal von 1791 eng verwandte Tatbestände im common law und in den durch das common law be-

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einflußten Gesetzbüchern Englands, Nordamerikas und Australiens. Hier kann kaum noch der Einfluß des Code Penals vermutet werden. War es also nicht der Einfluß des Code Penal, wenn man einmal von einer frühen Zeit der Gesetzgebung absieht, die den Einzug der Vereitelungstötung in die nationalen Strafgesetzbücher ermöglichte, stellt sich natürlich die Frage nach der wahren Ursache. Diese zu beantworten, fällt nicht leicht. Aber letztlich wird man doch sagen müssen, daß eine Verwerflichkeitsbewertung der Vereitelungstötung durch den jeweiligen Gesetzgeber für ihre Qualifizierungen ursächlich gewesen sein dürfte. Schon in den Beratungen der französischen Nationalversammlung von 1832 zur Novellierung der Zusammenhangstötung waren die Abgeordneten sich rasch einig, daß für eine Tötung, die mit einer anderen Straftat einhergeht die Todesstrafe nur dann gerechtfertigt sei, wenn in der Handlung eine besondere Abscheulichkeit zum Ausdruck komme. ll5 Eine solche gesteigerte Verwerflichkeit glaubte man in allen Tötungen erblicken zu können, die mit einem Verbrechen einhergehen, sowie in jenen Tötungen, die im Zusammenhang mit einem Vergehen stehen und bei denen der Täter mit der Tötung einen bestimmten Zweck verfolgt, nämlich die Verwirklichung des Vergehens oder die Vermeidung der Bestrafung wegen eines solchen Vergehens. Während man die "reine" Zusammenhangstötung, die schon dann eingreift, wenn sich Tötung und Straftat zufällig begegnen, sich außerhalb des Code Penal kaum durchsetzen konnte - man findet sie in anderen Strafgesetzbüchern äußerst selten - traten Vereitelungs- und Begehungstötung dagegen einen regelrechten "Siegeszug" an. Es scheint diese Zweck-Mittel-Relation, also die Absicht des Täters, zur Erreichung eines bestimmten Ziels ein Menschenleben bedingungslos zu opfern, gewesen zu sein, die bei vielen Gesetzgebern und vielleicht auch in der Bevölkerung, Entsetzen und Abscheu hervorriefen. Zur Ahndung einer solchen Tat schien dann die höchste Strafe, welche die jeweilige Rechtsordnung kannte, gerade ausreichend. Erhärtet wird der Gedanke von der Verwerflichkeitseinschätzung bestimmter Motive durch die jeweiligen Gesetzgeber dadurch, daß auch andere Zweck-Mittel-Relationen im Rahmen der Tötung zu einer Qualifizierung führen. So wird die Tötung zur persönlichen Bereicherung in den nationalen Strafgesetzbüchern mindestens genau so häufig, wenn nicht gar noch häufiger qualifiziert als die Vereitelungstötung. Warum ein Motiv, wie die Selbstbegünstigung, das sonst eher strafmildernd berücksichtigt wird, auf einmal die Tötung in den Augen so vieler Gesetzgeber als besonders verwerflich erscheinen läßt, mit der Folge ihrer Qualifizierung, kann nur psychologisch (möglicherweise auch politisch) erklärt werIISSiehe hierzu die Bemerkung des Abgeordneten Decazes bei Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, 146.

E. Zusammenfassung

III

den. Während viele Gesetzgeber bereit sind, eine Selbstbegünstigung zu tolerieren, solange der Täter zur Erreichung dieses Ziels' Körperverletzungs-, Vennögensdelikte etc. begeht, versagt ihr Verständnis, sobald der Täter eine Tötung unternimmt. Der Grund hierftlr muß in dem Umstand gesehen werden, daß von den meisten Menschen die vorsätzliche Tötung als das schwerste Verbrechen angesehen wird. Folglich wird es in praktisch allen Rechtsordnungen mit höchsten Strafen (lange oder lebenslängliche Freiheitsstrafen, oft auch heute noch die Todesstrafe) geahndet. 1I6 Weder Gesetzgeber noch Bevölkerung sind bei der vorsätzlichen Tötung als dem größten Verbrechen bereit, Zweck-Mittel-Relationen zu Gunsten des Täters zuzulassen. Scheinbar verbietet die Schwere der Tat jede rur den Täter sprechende Argumentation. Man mag einen solchen Standpunkt als irrational einstufen, doch wird man nicht bestreiten können, daß er zu allen Zeiten sehr populär gewesen ist. Der Ge~etzgeber kann schon aus politischen Gründen den Willen in der Bevölkerung zu harten Strafen rur vorsätzliche Tötungen nicht ignorieren. Dabei hängt dieser Zwang zu "volkskonfonnen" Strafen nur bedingt davon ab, ob der Gesetzgeber demokratischer Natur ist (und schon wegen der bevorstehenden Wahlen auf die yolksmeinung achten muß) oder eher diktatorisch strukturiert ist. So sah sich z.B. der absolutistische württembergische Gesetzgeber von 1839 durch eine in der Bevölkerung hohes Aufsehen erregende Straftat gezwungen, die Vereitelungstötung nach französischem Vorbild in das neu zu schaffende Strafgesetzbuch aufzunehmen, obwohl er sie zuvor in den Beratungen als unsachgemäßen Tatbestand verworfen hatte. 1I7 Neben diesen psychologischen und politischen Gründen spielte wohl auch der Abschreckungsgedanke bei der weltweiten Verbreitung der Vereitelungstötung eine gewisse Rolle. So begründete man in dem aus dem Jahre 1867 stammenden Entwurf zu einem österreichischen Strafgesetzbuch die Notwendigkeit einer Qualifizierung der Tötung im Zusammenhang mit einem Raub als Raubmord damit, daß auf diese Weise in zahlreichen Fällen der Täter von einer Vereitelungstötung abgeschreckt werden könnte. 1I8 In der Kommission 116Auch wenn die vorsätzliche Tötung in den Augen vieler das schwerste Verbrechen überhaupt ist, handelt es sich hierbei letztlich doch um einen ambivalenten Sachverhalt. Oft genug werden Tötungen als völlig legal betrachtet; man denke nur an kriegerische Auseinandersetzungen oder an die Todesstrafe. DarUberhinaus sind auch im Verhältnis der Bürger untereinander zahlreiche Situationen denkbar, in denen eine Tötung als gerechtfertigt betrachtet wird. Hauptanwendungsfälle der Notwehr dürften fast nur Körperverletzungs- und Tötungshandlungen sein. Vielleicht muß in dieser Ambivalenz eine der Ursachen für die Schwierigkeiten erblickt werden, eine rationale und allseits befriedigende Differenzierung der Tötungsdelikte zu schaffen. 117Einzelheiten hierzu siehe unten S. 120 ff. 118Motive, S. 126, in: Entwurf eines Strafgesetzes über Verbrechen und Vergehen, Wien 1867.

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war man der Überzeugung, daß bei einer Tötung im Zusammenhang mit einem Raub der Täter häufiger auf Grund eines Strafvereitelungsmotivs handeln wird als zum Zweck des Erhalts seiner Beute. Die einzige Möglichkeit, einen Täter von der für ihn naheliegenden Vereitelungsabsicht abzuhalten, sei eine möglichst strenge Abschreckungsstrafe, nämlich die Todesstrafe. Dabei betonte die Kommission in ihrer Begründung, daß die Qualifizierung der Tötung im Zusammenhang mit einem Raub auch dann eintreten müsse, wenn der Täter lediglich einen Totschlag begangen hat, also ohne Überlegung bzw. Vorbedenken handelte. l19 Es wurde bereits oben bei der Besprechung der österreichischen Strafgesetzentwürfe darauf hingewiesen, daß das Prinzip der Abschreckung bei spontan, also affektiv handelnden Straftätern in aller Regel nicht die von der Tat abhaltende Wirkung entfalten kann, die sie vielleicht sonst besitzt. Der meist erregte Täter, der von einem Moment zum anderen mit der Gefahr seiner Festnahme konfrontiert wird, dürfte kaum die Zeit haben, sich die Verbotsnorm "Vereitelungstötung" zu vergegenwärtigen. Vielmehr wird er in dieser Situation zahlreichen Affekten (Angst, Schrecken, Panik, aber auch Ärger, Wut) ausgesetzt sein und ohne großes Nachdenken versuchen, seine Freiheit zu verteidigen. Ist aber der Täter - wenn auch nur vorübergehend - nicht in der Lage, sich eine Rechtsnorm mit den hieran anknüpfenden Sanktionen zu vergegenwärtigen, können diese auch keine abschreckende Wirkung entfalten. Dabei spricht einiges dafür, daß der Täter einer Vereitelungstötung zumindest in einer sehr großen Zahl von Fällen spontan handelt. Immerhin findet sich in nur einem einzigen veröffentlichen Fall des BGH zur Verdeckungsabsicht ein Täter, der die von ihm vollzogene Tötung länger geplant hatte. 120 Letztlich bedeutet dies, daß der Abschreckungsgedanke bei der Vereitelungstötung regelmäßig leerlaufen muß. Auch wenn das Abschreckungsprinzip bei einer Vielzahl mit Vereitelungsabsicht (Verdeckungsabsicht) handelnden Tätern also gar nicht funktionieren kann, klingt es bei einer vordergründigen Betrachtung doch überzeugend. Hinzu kommt, daß der Abschreckungsgedanke im 19. Jahrhundert generell populärer war als heute. In Anbetracht dieser Umstände erscheint es nicht als zu spekulativ, wenn man davon ausgeht, daß andere nationale Gesetzgeber die gleichen oder zumindest ähnliche Überlegungen zur Vereitelungsabsicht angestellt haben wie die Verfasser des Entwurfs zu einem österreichischen Strafgesetz im Jahre 1867. Neben der Verwerflichkeitseinschätzung ist der 119Motive, S. 126, in: Entwurf eines Strafgesetzes über Verbrechen und Vergehen, Wien 1867. 120SGH NJW 1995, 1910.

E. Zusammenfassung

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sicherheitspolitische Gedanke wohl eine zweite wichtige Ursache für die Verbreitung der Vereitelungstötung. Möglicherweise wird bei der Verbreitung der Vereitelungstötung ein weiterer sicherheitspolitischer Aspekt eine Rolle gespielt haben, nämlich der Schutz der Strafverfolgungsorgane vor Angriffen durch einen Straftäter. Die Tötung eines Polizeibeamten während der Ausübung seiner dienstlichen Aufgaben wird in aller Regel die Voraussetzungen der Vereitelungs- oder der Begehungstötung erfüllen. Im Prinzip ist die Polizistentötung nichts anderes als ein Spezialtatbestand zu diesen beiden Mordqualifikationsmerkmalen. Eine ganze Reihe nationaler Gesetzgeber haben dann auch entweder die Tötung eines Beamten (in der Regel wohl eines Polizeibeamten) oder die Vereitelungstötung qualifiziert. Nur sehr selten aber findet man beide Mordmerkmale zusammen in einem Gesetz geregelt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß man, ebenfalls wieder unter Heranziehung des Abschreckungsgedankens, glaubte, durch die Androhung einer möglichst strengen Bestrafung den Täter von der Tötung eines Polizeibeamten abzuhalten. Triffi dieser Gedanke zu, ging es den nationalen Gesetzgebern mit der Einführung der Vereitelungstötung in erster Linie um den Schutz ihrer staatlichen Autorität. Die oben ausgeführten Überlegungen zur Verbreitung der Vereitelungstötung lassen sich mit leichten Modifikationen auch auf die Verdeckungstötung übertragen. Beide Tatbestände ähneln sich, trotz ihrer unterschiedlichen historischen Wurzeln, doch sehr. Sowohl die Vereitelungsabsicht als auch die Verdeckungsabsicht sind geschaffen worden, um die Tötung durch einen Straftäter zu qualifizieren, der sich mit dieser Handlung der Strafverfolgung entziehen will. Während mit der Vereitelungsabsicht der Gesetzgeber dieses Motiv expressis verbis als strafschärfenden Umstand betont, wird es bei der Verdekkungsabsicht nur mittelbar angesprochen. Allerdings dürften bei der Verdekkungsabsicht kaum Fälle denkbar sein, in denen der Täter aus anderen Gründen als zur Sicherung seiner Straffreiheit gehandelt hat. Daß ein Täter ausschließlich tötet, um eine andere Straftat zwecks Vermeidung gesellschaftlicher Nachteile zu verdecken, ist ein Umstand, der in der Praxis keine allzu große Rolle spielen dürfte (obwohl es solche Fälle gerade im moralisch konservativen 19. Jahrhundert sicher gegeben hat). In gewisser Hinsicht ist also die Verdeckungsabsicht nichts anderes als ein Spezialfall der Vereitelungsabsicht. Daher ist es wohl nicht übertrieben spekulativ, wenn man unterstellt, daß bei der Entstehung und Verbreitung der Verdeckungsabsicht die aus dem Code Penal stammende Vereitelungsabsicht zumindest Pate gestanden hat. Die vielleicht ersten Gesetzeswerke, die im Gegensatz zum Code Penal nicht mehr so sehr das Vereitelungsmotiv des Täters, sondern seinen Willen 8 Weiß

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zum Verheimlichen der Straftat betonten, sind das Strafgesetzbuch ftlr den schweizerischen Kanton Tessin von 1873 sowie das italienische Strafgesetzbuch von 1889. Die dort gefundene Regelung der Tötungsdelikte, insbesondere die Ausgestaltung des Qualifikationstatbestandes durch Aufzählung einzelner Mordqualifikationsmerkmale, scheint Carl Stooß bei der Anfertigung seines Entwurfs zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch aus den Jahren 1893 und 1894 beeinflußt zu haben. Dieser Entwurf, der in vielen strafrechtlichen Fragen - auch außerhalb des Bereichs der Tötungsdelikte - als sehr fortschrittlich galt, hat zahlreiche nationale Gesetzgeber in den kommenden Jahren beeinflußt. Ähnlich wie im Fall des Code Penal ftlr die Vereitelungsabsicht war auch diese Vorbildwirkung des schweizerischen Entwurfs ilirderlieh ftlr die Verbreitung der Verdeckungsabsicht. Aber genau so wenig wie man mit der Existenz des Code Penal allein das Phänomen der Vereitelungsabsicht erklären kann, genügt auch der schweizerische Entwurf nicht als einzige Ursache ftlr die Aufnahme der Verdeckungsabsicht in verschiedene nationale Strafgesetzbücher. Die Verbreitung der Verdeckungsabsicht kann aber im wesentlichen mit den gleichen Überlegungen begründet werden wie die der Vereitelungsabsicht. Daftlr ähneln sich die beiden Tatbestände letztlich doch zu sehr. Auch bei der Verdeckungsabsicht werden viele Gesetzgeber eine moralische Bewertung der Zweck-Mittel-Relation vorgenommen haben, die sie letztlich dazu bewog, dieses Motiv als besonders verwerflich einzustufen und in einen Katalog von Mordqualifikationsmerkmalen aufzunehmen. Der bereits bei der Vereitelungsabsicht erwähnte Abschreckungsgedanke wird auch hinsichtlich der Verdeckungsabsicht eine ganze Reihe nationaler Gesetzgeber beeinflußt haben. Des weiteren dürfte der Umstand, daß die mit der Verdeckungsabsicht eng verwandte Vereitelungsabsicht gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits eine weite Verbreitung gefunden hatte, eine rasche Aufnahme jenes Tatbestandsmerkmals bewirkt haben. In der konkreten Ausgestaltung durch die nationalen Gesetzgeber werden die Ähnlichkeiten zwischen Strafvereitelungsabsicht und Verdeckungsabsicht besonders deutlich. Fast immer tauchen sie zusammen mit der Begehungsabsicht auf. Man kann in dieser Hinsicht durchaus von einem festen Begriffspaar sprechen. Sollte der jeweilige nationale Gesetzgeber aber doch einmal auf ein Pendant dieses Paares verzichten, ist es überraschenderweise meist die Tötung zur Ermöglichung einer Straftat, wie z.B. im britischen Homicide Act von 1957. Man kann diese Besonderheit des englischen Rechts aber möglicherweise mit der im Vergleich zum kontinental-europäischen Recht unterschiedlichen Rechtstradition erklären. Eine weitere Parallele zwischen Vereitelungs- und Verdeckungsabsicht findet sich in den Taten, die das eigentliche Ziel der Tötung sind. Es muß sich

E. Zusammenfassung

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stets um verhältnismäßig schwere Straftaten, also Verbrechen und Vergehen, handeln (manche nationale Gesetzgeber sehen sogar nur Verbrechen als Gegenstand einer Verdeckungs- oder Vereitelungstötung vor). Stets ist das Bagatellstrafrecht (Übertretungen, Ordnungswidrigkeiten) ausgeklammert. Es handelt sich hierbei eigentlich um einen Wertungswiderspruch. Man kann ihn zwar z.T. damit erklären, daß der jeweilige nationale Gesetzgeber das Problem der Tötung zur Verdeckung einer Bagatelltat bzw. zur Vermeidung der Bestrafung wegen einer solchen als extrem seltene Konstellation und daher als praktisch irrelevant betrachtete, aber überzeugen kann eine solche Differenzierung im Ergebnis nicht. Eine weitere bemerkenswerte Ähnlichkeit von Verdeckungs- und Vereitelungsabsicht besteht in ihrer Beständigkeit. Dort, wo diese Tatbestände eingefUhrt wurden, sind sie bis heute nicht aufgegeben worden. Eine Ausnahme bilden hier eigentlich nur China (fUr die Vereitelungsabsicht) und die ehemalige DDR (fUr die Verdeckungsabsicht)l2I. Was gerade die Aufnahme der Verdeckungsabsicht in den Entwurf eines schweizerischen Strafgesetzbuches (und wohl auch ihre Aufnahme in das deutsche Strafgesetzbuch) betrifft, scheint zu den bereits oben zur Vereitelungsabsicht genannten Gründen noch ein germanisch geprägter Rechtsgedanke eine gewisse Rolle gespielt zu haben. Stooß selber betont in der Begründung zur der von ihm getroffenen Regelung der Mordqualifikationsmerkmale mehrfach, daß es sich hierbei um eine bewußte Abkehr von der französischen geprägten psychologischen Differenzierung zwischen Mord und Totschlag hin zu der germanischen Unterscheidung auf Grund einer ethischen Bewertung der Tat handelt. 122 Allerdings hat es weder in den germanischen Volksrechten noch in den Stadt- und Landrechten des Mittelalters jemals eine besondere Qualifizierung der Tötung zur Verdeckung einer anderen Straftat gegeben. Eine große Rolle spielte in diesen Rechten jedoch die hinterhältige bzw. heimlich ausgefUhrte Tötung. Sie wurde fast immer als die schwerere Fonn der Tötung betrachtet und daher mit dem Tod oder mit lebenslanger Achtung bestraft. Die heimtückische Tötung stand damit im Gegensatz zu der in einem offenen Zweikampf (im "Zornesmuth") ausgefUhrten Tötung, zu welcher der Täter sich obendrein offen bekannte. 123 Für diese sahen die germanischen Volksrechte lange Zeit gar keine Sanktion vor. Vielmehr war es der Familie des Getöteten überlassen, ihn zu rächen. Erst in späteren Jahrhunderten wurde als Bestrafung die Pflicht zur Zahlung eines Wergeldes an die Sippe des ToI2IWobei im Falle der DDR auch noch die bereits oben, S. 77, gemachten Einschränkungen zu berücksichtigen sind. 122Stooß, Verhandlungen der Expertenkommission 1893 - 1895, Bd. I, S. 322. 123Siehe hierzu Wilda, S. 686 f., 705 f. und unten S. 149 ff. 8'

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ten eingeführt. Schließlich verschwand im Mittelalter die Zahlung des Wergeldes als Strafe für die im Zornesmuth ausgeführte Tötung. An seine Stelle trat nunmehr die Todesstrafe. Sie wurde aber bei dem in Zornesmuth handelnden Täter meist in einer vergleichsweise humanen Form vollzogen (häufig als Enthauptung durch das Schwert). Die Todesstrafe für die schwerere Form der Tötung wurde dagegen in brutalerer (und wohl auch als in einer als entehrend und demütigend empfundenen) Weise vollzogen (meist in Form des Räderns ). Neben dem Umstand, daß der Täter die Tötung im "ehrlichen Zweikampf" ausgeführt hat, scheint in den germanischen und mittelalterlichen Rechten auch das öffentliche Bekenntnis zur Tat eine wichtige Rolle rur die mildere Beurteilung der Tötung eine Rolle gespielt zu haben. Einige germanische Rechte gingen sogar so weit, daß sie die Tötung im Zweikampf dennoch zu der schweren, verwerflichen Form zählten, wenn der Täter versuchte, die Tat zu verheimlichen (indem er z.B. den Leichnam versteckte).124 Es scheint so, als habe Stooß die Abneigung des germanischen Rechts gegenüber dem heimlich die Tötung begehenden Täter auf andere Begehungsweisen übertragen. Nicht nur dann, wenn die Tötung hinterhältig begangen wird, sei dies besonders verächtlich, sondern auch dann, wenn die Tötung der Verheimlichung eines anderen Sachverhaltes (z.B. einer Straftat) dient. Diese Gedanken erklären zumindest z.T. die eher irrationale Betonung des Verheimlichens in dem Entwurf von Stooß (und dem ihm fast wörtlich folgenden deutschen Strafgesetzbuch); und eine gewisse Irrationalität kann der Verdeckungstötung (im Vergleich zu jenen Qualifikationstatbeständen, die ausschließlich an die Vereitelungsabsicht des Täters knüpfen) nicht abgesprochen werden.

124Noch bis in das Mittelalter hinein findet man Rechte, in denen die Einordnung der Tötung in das Schema von Mord und Totschlag davon abhängig gemacht wurde, ob der Täter sich offen zu seiner Tat bekannte (dann Totschlag) oder sie leugnete (dann Mord). So heißt es im steierischen Landlauf: "... der ain ze tot siecht auf laugen (= leugnen), ... das heisset mord" (zit. n. His, Deutsches Strafrecht, S. 125). Das Rechtsbuch Ruprechts von Freising (Ill. Buch, Kap. 20) definiert den Mörder als leugnenden, hinterhältig oder mittels Gift vorgehenden Täter. Wilda, S. 706 ff. weist daraufhin, daß der Begriff Mord in den germanischen Rechten ursprünglich nur für solche Tötungen bestimmt war, bei denen der Leichnam nach der Tat versteckt wurde. Die Art und Weise der Tatausführung sowie die Motive des Täters spielten für die Klassifizierung der Tat zunächst keine Rolle. Erst in späteren Jahrhunderten scheint man unter Mord auch die hinterhältig ausgeführte Tötung verstanden zu haben. Weitere Rechte, die zur Bewertung der Tat an das Verbergen des Leichnams knüpfen sowie Literatur zu diesem Themenkomplex siehe unten im 11. Teil, Fn. 117.

E. Zusammenfassung

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Wie bereits erwähnt, ist das Verheimlichen der Straftat nicht das eigentlich vom Täter einer Verdeckungstötung verfolgte Ziel; letztlich geht es ihm um die Strafvermeidung. Mit diesem Motiv handelt auch ein auf der Flucht befmdlicher und mittlerweile erkannter Täter, der sich gegen einen oder mehrere Verfolger zur Wehr setzt. Tötet er einen Verfolger, kann ihm nicht mehr der Vorwurf der Verdeckungstötung gemacht werden, weil es nichts mehr zu verheimlichen gibt. Dabei ist es eher eine Frage des Zufalls, ob der Täter mit der Tötung die Vortat noch verheimlichen kann (z.B. weil er nur von einer Person überrascht worden ist) oder er mit der Tötung nur noch seine Flucht decken kann. Folglich kann man auch keine großen Unterschiede in Gefährlichkeit oder Verwerflichkeit der beiden Täter konstatieren. Ein Strafrecht, daß um eine schuldangemessene Bestrafung und Prävention bemüht ist, dürfte beide Motive, Verdeckungsabsicht und Vereitelungsabsicht, nicht verschieden qualifizieren. Geschieht dies in einer Strafrechtsordnung jedoch und wird nur die Verdeckungsabsicht qualifiziert (wie z.B. im deutschen Strafrecht), spricht vieles rur ideologische Ursachen. Die Ausfilhrungen oben haben gezeigt, daß Stooß bei der Schaffung eines schweizerischen Strafgesetzbuches im allgemeinen und der Neuregelung der Tötungsdelikte im besonderen von einer gewissen idealistischen Betrachtungsweise des germanischen Rechts beherrscht wurde. Dies dürfte auf den nationalsozialistischen Gesetzgeber, der 1941 schließlich die Verdeckungstötung zum geltenden Recht machte, in noch größerem Umfang zutreffen. Die Verdeckungstötung scheint daher wenn auch sicher nicht vollständig - im "Germanenkult" des 19. Jahrhunderts zu wurzeln.

Teil II

Die Geschichte der Vereitelungstötung und der Verdeckungstötung im deutschen Strafrecht Der folgende Teil dieser Untersuchung beschäftigt sich mit der historischen Entwicklung der Vereitelungstötung und der Verdeckungsabsicht in Deutschland, angefangen mit dem Allgemeinen Landrecht rur die Preußischen Staaten bis zur Reform des § 211 StOB im Jahre 1941.

A. Die Regelung der Vereitelungstötung in den deutschen Strafgesetzbüchern bis 1941 Eine Qualifizierung der mit der Verdeckungstötung eng verwandten Vereitelungstötung fmdet sich vor allem in den Strafgesetzbüchern Württembergs (1839) und Preußens (1851). Die dortigen Regelungen lassen deutlich den Einfluß des Art. 304 Code Penal in seiner seit 1832 gültigen Fassung erkennen. Dem deutschen Strafrecht insgesamt blieb die Vereitelungstötung, trotz der sonst sehr großen Einflüsse des Code Penal auf die Strafrechtsgesetzgebung, dennoch lange Zeit eher fremd. 1 In den zahlreichen Strafrechten, die in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von den deutschen Territorialstaaten geschaffen wurden, finden sich eine mit Art. 304 Code Penal vergleichbare Regelung außer in den bereits erwähnten Strafgesetzbüchern Württembergs und Preußens nur noch im oldenburgischen Strafgesetzbuch von 1858. In den Motiven zu einigen deutschen Strafgesetzbüchern wurde sogar ausdrücklich von einer solchen Regelung Abstand genommen. So heißt es in den Materialien zum braunschweigischen Strafgesetzbuch, daß die Todesstrafe bei einem in der Leidenschaft verübten Verbrechen, der dem Art. 304 Code Penal wohl vorschwebe, sich nicht rechtfertigen lasse, zum al die Konkurrenzvorschriften es erlauben würden, die rur den Totschlag vorgesehene Strafe bis zur höchsten Kettenstrafe zu erhöhen, so daß auch fiir die schlimmsten Fälle dieser Art ein ausreichendes Strafmaß vorhanden sei. 2 Auch in den Motiven zum Entwurf eines mecklenburgischen Strafgesetzbuches wurde festgestellt, daß die Drohung mit der fUr den Mord vorgesehenen Todesstrafe im Falle 'Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, 147. 2Motive zum Braunschweigischen Strafgesetzbuch, S. 270; zit. n. Mittermaier, GA 3 (1855), S. 145, 147, Fn. 5.

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der Konkurrenz des Totschlags mit anderen Verbrechen teils zu Ungerechtigkeiten filhren, teils überflüssig sein würde. J Das Allgemeine Landrecht filr die Preußischen Staaten von 1794 (ALR) ging sogar so weit, daß es in einem Spezialfall der Verdeckungs- bzw. Vereitelungstötung ausdrücklich eine Regelung zu Gunsten des Täters traf. I. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794

Das ALR, das am 1. Juni 1794 in Kraft trat, stellt im wesentlichen eine wörtliche Übernahme des AGB (Allgemeines Gesetzbuch für die Preußischen Staaten) aus dem Jahr 1791 dar (welches allerdings nie gültiges Recht wurde). Die hier interessierenden Tötungsvorschriften des ALR sind nahezu identisch mit denen des AGB. Für den Totschlag (ALR Teil 11, Tit. 20 § 806) ist die Todesstrafe vorgesehen, allerdings in ihrer mildesten Form (Enthaupten durch das Schwert). Dagegen wird filr Mord (Tötung mit überlegtem Vorsatz, ALR Teil 11, Tit. 20 § 826) die verschärfte Todesstrafe durch das Rad angeordnet. ALR Teil 11, Tit. 20 §§ 1194, 1195, 1196 regeln Spezialflllle der Begehungs- bzw. VeIeitelungstötung. § 1194 bestimmt, daß ein Räuber, der zur Begehung seiner Tat einen Menschen tötet, mit der verschärften Todesstrafe, also wie ein Mörder, zu bestrafen ist. § 1195 ordnet die Hinrichtung mit dem Schwert filr den Fall an, daß der auf der Flucht befmdliche Räuber ausschließlich getötet hat, um sein Leben vor dem Verfolger zu schützen. § 1196 kehrt wieder zur Mordstrafe für den Fall zurück, daß der Räuber nicht zum Schutz seines Lebens, sondern zur Verteidigung der Beute gehandelt hat. Das ALR ist also durchaus von einer gewissen Toleranz gegenüber dem Straftäter, der tötet, um seine Flucht zu erleichtern. Wie viele andere Gesetzgeber nach ihm auch, sieht der preußische Gesetzgeber in einem Menschen, der tötet, um eine andere Straftat (hier Raub) zu begehen oder den aus der Straftat erlangten Vorteil zu sichern, einen für die öffentliche Sicherheit besonders geflihrlichen bzw. moralisch höchst verwerflich handelnden Delinquenten, an dem die schwerste mögliche Strafe zu vollstrecken ist. Dagegen kehrt das ALR hinsichtlich des Straftäters, der nur tötet, um sich zu verteidigen, wieder zur einfachen Totschlagsstrafe zurück.

3Erachten zu dem Entwurfe eines Strafgesetzbuchs für Mecklenburg, 11, S. 26; zit. n. Mittennaier, GA 3 (1855), S. 26.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

Das ALR vertritt also in der Frage der Vereitelungstötung einen sehr viel aufgeklärteren Standpunkt als die französischen Strafgesetzbücher von 1791 und 1810, welche die Tötung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat, zumindest was das Strafmaß betrifft, faktisch wie einen Mord behandeln. 11. Das Strafgesetzbuch für das Königreich WOrttemberg von 1839

1. Die Entstehungsgeschichte des Art. 245 WürttStGB Das vielleicht älteste deutsche Strafgesetzbuch, das die Vereitelungstötung unter eine verschärfte Strafe stellt, ist das Strafgesetzbuch fUr das Königreich Württemberg aus dem Jahre 1839 (WürttStGB). Das WürttStGB gehört zu den zahlreichen deutschen Strafgesetzen, die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in den deutschen Territorialstaaten entstanden und dort die Geltung des vor allem durch die CCC geprägten gemeinen Strafrechts beendeten. Wie fast alle Strafgesetzbücher aus dieser Zeit, kann auch das WürttStGB den Einfluß des Code Penal nicht verleugnen. Die Regelung der Tötungsdelikte in den Art. 235 ff. WürttStGB macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Mord (Art. 237) ist die mit Vorbedacht beschlossene oder ausgefUhrte Tötung. Wie der Code Penal verlangt das WürttStGB das Vorliegen der Prämeditation, damit Mord angenommen werden darf, und zwar alternativ bei der Tatplanung oder TatausfUhrung. Dabei ist der württembergische Gesetzgeber, wie der französische Gesetzgeber auch, einer sprachlichen Inkorrektheit erlegen, die bereits Feuerbach' aufgefallen ist. Die Prämeditation kann natürlich nicht mehr bei der TatausfUhrung vorliegen, da sie begriffsnotwendig dieser vorausgeht. Andere Strafgesetzbücher - wie schließlich auch das Strafgesetzbuch rur das Deutsche Reich - haben den zeitlich neutralen Begriff der Überlegung gewählt. Für den Mord wird die Todesstrafe absolut angedroht. Totschlag (Art. 243 Abs. 1) liegt vor, wenn die "Tödtung ohne Vorbedacht, im Affecte, beschlossen und ausgefUhrt" wurde. Zu bestrafen ist die Tat mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren. Der Affekt muß nicht auf einem Verschulden des Opfers beruhen. Dies. ergibt sich aus Art. 243 Abs. 2, der fUr derartige Fälle gleich zweimal eine Milderung anordnet: "Hatte jedoch der Getödtete den Thäter durch beleidigendes Betragen zum Zorne gereizt, so ist Zuchthaus bis zu zehen Jahren, und wenn es besonders schwere Beleidigungen, Beschimpfungen oder Mißhandlungen waren, wodurch der Thäter zum Zorne gereizt und auf der Stelle zur That hingerissen worden, auf Kreisgeflingnis von vier bis zu sechs Jahren, zu erkennen." 4Zit. n. Wachenfeld, Die Tötungsdelikte, S. 27.

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Mehrere Tötungstatbestände hat der württembergische Gesetzgeber zwar nicht formal zu Mord erklärt, aber in ihren Rechtsfolgen ihm vollkommen gleichgestellt, nämlich die auf die Tötung gerichtete Vergiftung in Art. 240 sowie die Vereitelungs- und Begehungstötung in Art. 245. Einer näheren Betrachtung soll hier natürlich Art. 245 unterworfen werden. Wörtlich heißt es dort: "Wer, um ein anderes Verbrechen vorzubereiten, um dessen Verübung zu erleichtern oder dasselbe zu vollenden, oder wer, um sich der Ergreifung über einem Verbrechen zu entziehen, einen Todtschlag (Art. 243) begeht, soll mit dem Tode bestraft werden."

Der württembergische Gesetzgeber betont also die Absicht des Täters, sich der Verhaftung zu entziehen. Für diesen Tatbestand erscheint neben dem Begriff Vereitelungstötung auch der Begriff Verfolgertötung passend. Art. 245 WürttStGB geht auf Art. 304 des Code Penal zurück. S Der durch Gesetz vom 28. April 1832 veränderte Code Penallautet: "Tötung hat Todesstrafe zur Folge, wenn sie einem anderen Verbrechen vorangegangen war oder zugleich mit demselben oder nach demselben verübt wurde. Tötung hat gleichfalls Todesstrafe zur Folge, wenn sie zum Zweck hat, ein Vergehen vorzubereiten oder zu erleichtern oder es zu vollführen, oder die Flucht der Urheber oder der Mitschuldigen dieses Vergehens oder deren Straflosigkeit zu begünstigen. In jedem anderen Falle wird der der Tötung Schuldige mit lebenslänglicher Zwangsarbeitsstrafe bestraft. ,,0

Bereits in Art. 150 des Entwurfs zu einem württembergischen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1832 (Entwurf I) fand sich eine nicht unähnliche Regelung. Diese lautete: "Wer über einem Verbrechen betreten, einen öffentlichen Diener oder eine Privatperson, welche ihn verfolgt oder zur Haft bringen will, mit Vorsatz lebensgeflihrlich verwundet, soll 1) wenn der Tod des Verwundeten erfolgt ist, mit dem Tode; 2) außerdem mit Zuchthaus bestraft werden. ,,7

Dies war eine verglichen mit Art. 245 WürttStGB harte Regelung. Bereits der Täter, der seinen Verfolger lediglich mit Körperverletzungsvorsatz ausschalten wollte, mußte mit der Todesstrafe rechnen, wenn sein Opfer den Angriff nicht überlebte. Möglicherweise ist hierin der Grund zu erblicken, warum Art. 150 Entwurf I nicht in den Entwurf von 1835 (Entwurf 11) aufge5Hälschner II, S. 95. 6Übersetzung bei Hufnagel II, S. 37 f. 7Zit. n. Hufnagel II, S. 37.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

nommen wurde. Dieser verzichtete im übrigen generell für alle Fälle des Totschlags, mit Ausnahme der Vergiftung, auf die Verhängung der Todesstrafe.' Dies änderte sich jedoch nach einem spektakulären Verbrechen. Ein mit Dolch und Hammer bewaffneter Mann namens Hollenstein hatte sich zur Mittagszeit in die Wohnung eines Kassenbeamten eingeschlichen, um die dort befindliche Amtskasse aufzubrechen und möglicherweise vorhandenes Geld zu entwenden. Da der Täter glaubte, daß sich in dem Amtszimmer immer noch der Kassenbeamte befände, entschloß er sich, zunächst einen unbewohnten Raum des Hauses aufzusuchen. Hierbei verursachte er jedoch so viel Lärm, daß der Kassenbeamte aufmerksam wurde und versuchte, den Täter festzuhalten und Hilfe herbeizurufen. Dieser setzte sich mit Schlägen seines Hammers zur Wehr. Dabei wurde der Kassenbeamte so schwer verletzt, daß er wenige Tage später starb. Der schließlich gefaßte Täter wurde zunächst wegen Totschlags zum Tode verurteilt, dann aber zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt mit der Begründung, die Staatsregierung habe durch Art. 229 Entwurf 11 ihre Ansicht ausgesprochen, daß der Totschlag nicht mehr mit dem Tode bestraft werden solle: Die Straftat und die anschließende teilweise Begnadigung des Täters erregten in der württembergischen Bevölkerung großes Aufsehen. Die ständische Kommission sah sich hierdurch veraniaßt, in den Gesetzesberatungen den Antrag zu stellen, in die Vorschrift über den Mord (Art. 225 Entwurf 11, Art. 237 WürttStGB) noch einen Satz 2 folgenden Inhalts aufzunehmen: "Auch soll, wer einen Andern tödtet, um ein Verbrechen vorzubereiten, um dessen Verübung zu erleichtern oder zu vollenden, oder wer über einem Verbrechen betreten, Denjenigen, der ihn deshalb ergreifen will, tödtet, bestraft werden: 1) mit dem Tode, wenn er die Absicht hatte, zu tödten; 2) mit fünfzehnjährigem bis lebenslänglichem Zuchthause, wenn seine Absicht auf Tödtung nicht gerichtet war." Mit dieser geplanten Regelung lehnte sich die Kommission bewußt an Art. 150 Entwurf I und Art. 304 Code Penal an. Im Vergleich zu jenen Vorschriften handelte es sich aber um eine verhältnismäßig milde Regelung. 1O So verwirkte der Täter nur dann die Todesstrafe, wenn er mit Absicht tötete (anders Art. 150 Entwurf 1). Und - im Gegensatz zu Art. 304 Code Penal - begrenzte man immerhin die Todesstrafe generell auf den mit Begehungs- oder Vereitelungsabsicht ausgeführten Totschlag, so daß nicht jedes zufiillige zeitliche 8Hufnagel 11, S. 37. 9Hufnagel 11, S. 37. Il}{ufnagel 11, S. 37 f.

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Zusammentreffen der Tötung und der anderen Straftat genügte. Unter Verzicht auf die erschwerte Strafe auch fi1r jene Täter, die ohne Vorsatz töteten, und im übrigen sprachlich leicht modifiziert, wurde der Vorschlag der Kommission schließlich als Art. 245 des WürttStGB angenommen. Nicht nur die Gesetzessystematik, auch die Entstehungsgeschichte des Art. 245 WürttStGB sprechen dafUr, daß man mit dieser Vorschrift vor allem an die affektive, also "spontane" Vereitelungstötung, gedacht hatte. Schon während der Beratungen zu dem Gesetzesentwurf waren sich die BefUrworter der geplanten Regelung darüber einig, daß ein Täter nicht lediglich nach Art. 245 bestraft werden sollte, der zwar objektiv den Tatbestand dieser Vorschrift verwirklichte, zusätzlich aber auch das subjektive Mordmerkmal "Vorbedacht" des Art. 237 erfUllte. Ein solcher Täter sei wegen Mordes mit dem Tod zu bestrafen." Als Beispiel fUr einen solchen Mord nennt die Kommission den Fall eines Täters, der die Begehung eines Verbrechens beabsichtigt und sich bewaffuet, um denjenigen zu töten, der die Verübung verhindern oder den Täter ergreifen will. 12 Aus diesen offen im Gesetzgebungsverfahren vorgetragenen Überlegungen darf geschlossen werden, daß die Verdeckungstötung des Art. 245 bewußt auf jenen Täter zugeschnitten war, der ohne nachweisbaren Mordvorsatz eine Straftat ausfUhrt, hierbei überrascht wird und nun aus Panik tötet, um eine drohende Festnahme zu verhindern. Weil man sich außerstande sah, diesen Fall unter den Tatbestand des Mordes zu subsumieren, dennoch aber die Höchststrafe fUr den Täter wünschte, wurde die Vereitelungstötung in Art. 245 geschaffen. Doch schon die Kommission hatte gewisse Zweifel daran, ob die Anwendung der Mordstrafe auf die nicht im voraus geplante Vereitelungstötung wirklich angemessen sei. So sollte zumindest nicht der Fall erfaßt sein, daß ein Untersuchungs- oder Strafgefangener auf der Flucht aus dem Gefängnis, seinen Verfolger tötet. Dem Wortlaut nach würde Art. 245 WürttStGB durchaus den Fall erfassen: Denn der Fliehende wird über dem Verbrechen der gewaltsamen Selbstbefreiung aus dem Gefllngnis "betreten". \3 Auch Hufnagel, einer der beiden Kommentatoren des WürttStGB, ist der Auffassung, daß in einem solchen Fall nicht nach dem Wortlaut, sondern dem "Geiste des Gesetzes" entschieden werden sollte. Er begründet seine Auffassung, indem er diesen Fall mit der eingangs geschilderten Tötung des Kassenbeamten vergleicht: Der Verfolger eines Strafgefangenen befinde sich nicht in einer so IIHaupt-Bericht I, Beil.-H., S. 287, zit. n. Hufnagel 11, S. 39. 12Haupt-Bericht I, Beil.-H., S. 287, zit. n. Hufnagel 11, S. 39; Goltdammer, Materialien 11, S. 378, Fn. I; Hepp III, S. 128. 'JBericht von Hufnagel 11, S. 40.

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Teil Il: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

großen Gefahr wie jener Kassenbeamte. Auch seien die Täter nicht gleich gefährlich, "weil der böse Wille des Verbrechers in beiden Fällen nicht gleich heroisch" sei. 14 Was die Kommission, aber auch die Literatur, wohl bewegte, diese beiden Fälle unterschiedlich zu behandeln, kann heute eigentlich nur noch vermutet werden. Sicher hat man schon bei der Schaffung des Art. 245 WürttStGB Bedenken gehabt, eine Vereitelungstötung, die auf einem spontanen Entschluß des Täters beruht, gleich einem Mord mit dem Tod zu bestrafen. Denn der Einbrecher, der den Kassenbeamten tötete, hatte, wenn schon die Tat nicht geplant, so doch zumindest eine Auseinandersetzung mit dem späteren Opfer (oder einem anderen schutzbereiten Dritten) fiir möglich gehalten. Sonst hätte er seine Tat wohl nicht so schwer bewaffnet (mit Messer und Hammer) begangen. Hingegen dürfte ein Strafgefangener, der flieht, oft nur eine sich plötzlich und unerwartet auftretende günstige Gelegenheit ausgenutzt haben. Die Tötung eines eventuellen Verfolgers erfolgt dann spontan, ohne jede vorherige Überlegung und wie auch immer geartete Planung. Vielleicht spielte auch die unterschiedliche Motivationslage der Täter, die wohl mit dem Hinweis auf den "bösen Willen" gemeint ist, eine Rolle: Der Strafgefangene tötet, um seine Freiheit zu erkämpfen, der bei einer Straftat überraschte Täter, um mit der Beute zu entkommen. Das idealistisch eingestellte 19. Jahrhundert dürfte hierfiir mehr Verständnis gehabt haben als fiir jenen Täter, der um materieller Vorteile willen tötete. Auch wenn diese Überlegungen heute nicht mehr verständlich erscheinen, kann aber festgestellt werden, daß man bereits in der Entstehungsphase des Art. 245 WürttStGB Bedenken gegen eine Qualifizierung der Vereitelungstötung hatte. Dies beweist überdies der Umstand, daß man den allerersten Versuch, die Verdeckungstötung mit einer erhöhten Strafbarkeit zu belegen (Art. 150 Entwurf I), zunächst aufgegeben hatte. Mit dem Vorschlag der Kommission war die Staatsregierung im wesentlichen einverstanden. Sie war aber der Auffassung, daß der Zusatz nicht zu Art. 225 Entwurf 11 erfolgen, sondern in Art. 229 Entwurf 11 (der späteren Totschlagsregelung) aufgenommen werden sollte, "weil hierdurch als Ausnahme von der im letzterem Artikel festgesetzten Regel (nämlich Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren fiir Totschlag, Anm. d. Verf.), zunächst ausgesprochen werden solle, daß ein Todtschlag, welcher verübt werde, um ein anderes Verbrechen vorzubereiten, um dessen Verübung zu erleichtern

14Hufnagel Il, S. 40 f.

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oder zu vollenden, oder um sich der Ergreifung über einem Verbrechen zu entziehen, mit dem Tode zu bestrafen sey"lS. Man betrachtete also die Fälle des Art. 245 WürttStGB als Totschlagsformen, die aber ausnahmsweise wie Mord zu bestrafen sind. In der Debatte über den Kommissionsantrag wurde für eine solche Regelung geltend gemacht, daß die Todesstrafe für den Totschlag die bisher gesetzliche Strafe gewesen sei. Es sei auch bedepklich, für alle Fälle des Totschlags die Todesstrafe abzuschaffen. "Wenn Jemand sich durch ein vorangehendes Verbrechen in die Lage setze, ergriffen zu werden, und sodann Denjenigen, der ihn, um ihm das Entwendete abzunehmen oder ihm der Obrigkeit zu überliefern, festhalte, vorsätzlich tödte, sey die Todesstrafe vollkommen begründet, was sich auch in dem erwähnten Fall (die oben geschilderte Tötung des Kassenbeamten, Anm. d. Verf.) allgemein im Publikum ausgesprochen habe .... Denn in solchen Fällen lasse sich ein gerechter Affekt, eine solche Gemüthsaufwallung oder Zorneshitze, die es allein rechtfertigen könne, die vorsätzliche Tödtung nicht mit dem Tode zu bestrafen, nicht wohl denken. Wer, indem er auf einen Diebstahl ausgehe, so frech sei, Denjenigen, der ihm dabei unversehens in den Weg trete, sofort über den Haufen zu stechen, sei ein Mensch, dessen Strafbarkeit der des Mörders gleich komme. ,,16 Welche Gründe also haben demnach den württembergischen Gesetzgeber bewogen, die Vereitelungstötung mit der Mordstrafe zu belegen? Man glaubte, der Täter einer Vereitelungstötung sei im Vergleich mit einem "normalen" Totschläger ein besonders gefahrlicher Krimineller. Es handele sich bei ihm um einen Menschen, der grundsätzlich jeden, der sich ihm in den Weg stellt, tötet, quasi um einen Massenmörder. Ein weiterer Grund für die erhöhte Strafbarkeit wird klar, wenn man sich den Personenkreis, der nach Ansicht des Gesetzgebers Opfer einer Vereitelungstötung sein kann, genauer betrachtet. Es sind solche Personen, die versuchen, dem Täter das Entwendete wieder abzunehmen oder ihn der Justiz überliefern. Dies werden in aller Regel Polizei beamte sein, gelegentlich auch das Opfer der zuvor begangenen Straftat. Es darf angenommen werden, daß der Gesetzgeber mit der Androhung einer erhöhten Strafe für die Vereitelungstötung seine Polizei beamten besonders schützen wollte. Ein dritter Grund ist darin zu erblicken, daß der Gesetzgeber glaubte, sich der öffentlichen Meinung beugen zu müssen. Hiermit im Zusammenhang ISYorläufige Ansichten der Staatsregierung über die Commissionsanträge vom 17. Januar 1838, 11. Beilagen-Heft, S. 120, zit. n. Hufnagel 11, S. 38. 16Yerh. d. Kammer d. Abg., 45. Sitzung, S. 35 - 39, zit. n. Hufnagel 11, S. 38.

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steht die zweite Gruppe möglicher Opfer einer Vereitelungstötung: diejenigen Personen, die bereits Opfer der vorausgegangenen Straftat (wohl häufig ein Vermögensdelikt) waren und den Täter festnehmen wollen, um sich wieder in Besitz ihres Gutes zu bringen. Der Gedanke an die Tötung eines zäh mit dem Täter ringenden Opfers, welches ihm die Beute zu entreißen sucht, würde wohl zu allen Zeiten die öffentliche Meinung erregen. In diesem Zusammenhang ist auch auf ein nicht unerhebliches Abgrenzungsproblem der Vereitelungstötung zur Ermöglichungstötung hinzuweisen: Der Täter ist noch nicht im Besitz der Beute, weil die Vortat erst das Versuchsstadium erreicht hat. Nunmehr triffi er auf den rechtmäßigen Gewahrsamsinhaber (oder einen anderen schutzbereiten Dritten) und tötet diesen. In einer derartigen Fallkonstellation stellt sich die filr die Praxis schwer zu beantwortende Frage: Hat der Täter in der Absicht gehandelt, eine andere Straftat zu ermöglichen (nämlich den Versuch zu vollenden) oder seine Festnahme wegen der Versuchstat zu verhindern, oder lagen sogar beide Motive vor? Außerdem verwischen sich bei einer derartigen Fallkonstellation die Grenzen zwischen Vereitelungstötung und der Tötung im Zusammenhang mit einem Raub (Raubmord), die in vielen Strafrechtsordnungen im Vergleich zum Totschlag mit einer deutlich höheren Strafe (meist der Strafe fUr Mord) bedroht ist. Möglicherweise ist in dem Abgrenzungsproblem Vereitelungstötung - Ermöglichungstötung eine weitere Ursache filr die verschärfte Strafbarkeit der Vereitelungstötung zu erblicken. In der Praxis dürften präzise Abgrenzungen zwischen Vereitelungsabsicht (bzw. Verdeckungsabsicht) und Ermöglichungsabsicht, die subjektive Tatbestandsmerkmale sind und sich somit nur im Verstand des Täters vollziehen, äußerst schwer nachweisbar sein. Jeder Täter kann leicht behaupten, daß er nicht zur Ermöglichung der Straftat, sondern zur Vereitelung seiner Bestrafung getötet hat. Will man die Ermöglichungsabsicht (deren Existenzberechtigung auch im Rahmen des § 211 Abs.2 StGB nie ernsthaft in Zweifel gezogen worden ist) unter eine besonders erhöhte Strafe stellen, ist dies ohne gleichzeitge Qualifizierung der Vereitelungsabsicht in der Praxis kaum möglich. 17 Schließlich haben auch die BefUrworter einer Qualifizierung der Vereitelungstötung im WürttStGB in ihrer Argumen17Möglicherweise ist in diesen praktischen Beweisproblemen ein Grund zu sehen, warum kaum eine Strafrechtsordnung nur die Ermöglichungsabsicht im Zusammenhang mit einer Tötung qualifiziert hat. Fast immer treten Ermöglichungsabsicht und Verdeckungsabsicht (bzw. Vereitelungsabsicht) quasi als Zwillingspaar auf. Will man die Ermöglichungsabsicht effizient qualifizieren, wird man vielleicht nicht umhin können, auch die Verdeckungsabsicht (Vereitelungsabsicht) als Erschwernisgrund zu erfassen.

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tation nicht sonderlich scharf zwischen dieser und der Ermöglichungstötung unterschieden. Des weiteren wurde im Gesetzgebungsverfahren vorgetragen, daß der durch das Hinzukommen eines Zeugen verursachte Affekt in keiner Weise geeignet ist, die Tötung zu entschuldigen. In diesem Argument der Befilrworter der Vereitelungstötung kommt schon sehr früh zum Ausdruck, daß auch die sittliche Bewertung der Motive des Täters bei der Qualifizierung wohl eine große Rolle gespielt haben. Die Motive des Vereitelungs- bzw. Verdeckungstäters werden im Vergleich mit anderen Tötungsmotiven als minderwertig eingestuft. Doch handelt es sich im Ergebnis um eine wenig überzeugende Differenzierung. Weder der württembergische noch ein anderer Gesetzgeber, der Mord und Totschlag mittels der Kriterien Vorbedacht (Überlegung) und Affek~ unterscheidet, verlangen in ihren Totschlagstatbeständen von dem Täter, daß er fiir seine Erregung moralisch besonders hochstehende Gründe hat. Lediglich die Frage, ob ein minder schwerer Totschlag vorliegt, wird häufig davon abhängig gemacht, daß der Täter sich in einer entschuldbaren Affektsituation befindet. So verlangt der württembergische Gesetzgeber fUr die Privilegierung des Totschlags, daß "der Getödtete den Thäter durch beleidigendes Betragen zum Zorne gereizt" hat. Liegen sogar "besonders schwere Beleidigungen, Beschimpfungen oder Mißhandlungen" seitens des Opfers vor, "wodurch der Thäter zum Zorne gereizt und auf der Stelle zur That hingerissen worden" ist, greift eine nochmalige Milderung ein. Dagegen genügt fUr den Grundfall des Totschlags jede Tötung, die "ohne Vorbedacht, im Affecte, beschlossen und ausgeführt" wurde. Bei der Vielzahl aller denkbaren, vom Opfer völlig unverschuldeten Ursachen für den Erregungszustand des Täters, ist es eigentlich inkonsequent und auch wenig sachgerecht, einen ganz bestimmten Grund (Angst vor Bestrafung) herauszugreifen, ihn als besonders minderwertig einzustufen und die Tötung mit der Höchststrafe zu belegen. Die Einführung der Vereitelungstötung in das WürttStGB stieß folglich auch auf Kritik. Die Gegenmeinung in der Abgeordnetenkammer machte geltend, daß der Kommissionsvorschlag größtenteils Fälle umfasse, die ohnehin schon von der Mordvorschrift des Art. 225 Abs. 2 Entwurf 11 (Art. 237 WürttStGB) erfaßt würden. "... nur der Fall, wenn Jemand auf einem Verbrechen betreten, denjenigen, der ihn angreifen wolle, tödte, könne bald Mord, bald Todtschlag sein; fUr den letzteren Fall ein Ausnahmegesetz zu machen sei kein hinreichender Grund vorhanden; und es widerstreite dies überdies dem Grundsatze des Gesetzbuches, die Todesstrafe so wenig als möglich anzuwenden."" Man wollte also die Fälle der Vereitelungstötung 18Yerh. d. Kammer d. Abg., 45. Sitzung, S. 35 - 45; zit. n. Hufnagel 11, S. 38.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien fiir Mord und Totschlag in Art. 237 und 243 WürttStGB lösen. Handelte der Täter mit Vorbedacht sollte Mord, tötete er ohne Vorbedacht im Affekt sollte Totschlag vorliegen. Die Gegenauffassung konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Mit der recht dünnen Mehrheit von 44 zu 41 Stimmen wurde der Vorschlag der ständischen Kommission von der Abgeordnetenkammer angenommen. 19 In der Kammer der Standesherrn erfolgte dagegen die Annahme einstimmig. 20 Art. 245 WürttStGB stieß in der zeitgenössischen wissenschaftlichen Literatur auf herbe Kritik. 21 Seeger22 bemerkt hierzu: "Diese Bestimmung ... ist ein neuer Beleg für den alten Satz, daß es nichts taugt, sich in der Gesetzgebung durch einzelne Ereignisse leiten zu lassen." 1849 wurde in Württemberg die Todesstrafe abgeschafft und die Strafdrohung des Art. 245 durch lebenslängliches Zuchthaus ersetzt. Als im Jahre 1853 die Todesstrafe wieder eingeführt wurde, beließ man es im Fall des Art. 245 bei der lebenslänglichen Zuchthausstrafe. Allerdings war das Strafmaß fiir die Vereitelungstötung damit immer noch deutlich höher als jenes für den einfachen Totschlag in Art. 243. Während für die Vereitelungstötung die lebenslange Haftstrafe absolut angedroht wurde, bestimmte Art. 243, daß für den Totschlag eine Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren verhängt werden solle. Trotzdem ist P. Mayer der Auffassung, daß der Verzicht auf eine erneute Einführung der Todesstrafe fiir die Fälle des Art. 245 auf einen Gesinnungswandel des württembergischen Gesetzgebers hindeute, der zu der Erkenntnis gelangt sei, daß diese Strafvorschrift keinem wirklichen Bedürfnis entspreche. 23 Es soll hier nicht bestritten werden, daß beim württembergischen Gesetzgeber anscheinend gewisse Zweifel dahingehend aufgekommen sind, ob die Gleichsetzung der Vereitelungstötung mit dem Mord eine angemessene Vorgehensweise seL Im Ergebnis muß aber festgestellt werden, daß dieser nach wie vor bedeutenden Wert auf eine scharfe Sanktionierung der Vereitelungstötung legte. 2. Die Vereite[ungstötung nach Art. 245 WürttStGB Die Vereitelungstötung nach dem WürttStGB wie auch die Verdeckungstötung LS.v. § 211 StGB verschärfen die Strafe für eine vorsätzliche Tötung, wenn der Täter mit der Absicht der Selbstbegünstigung handelt. Beide Tat"Verh. d. Kammer d. Abg., 45. Sitzung, S. 35 - 49, zit. n. Hufnagel 11, S. 39. 2"Kammer d. Standesherm, 111. Heft, S. 845, zit. n. Hufnagel 11, S. 39. 2!Hepp, Archiv des Criminalrechts 1847, S. 509 ff.; Seeger, S. 31 f. 22Seeger, S. 32; ebenso P. Mayer, S. 8. 23p. Mayer, S. 8.

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bestände sind aber nicht deckungsgleich, sondern erfassen durchaus verschiedene Fallgruppen. So greift die Vereitelungstötung bereits dann ein, wenn der auf frischer Tat betroffene Täter handelt, um sich der Festnahme zu entziehen, er also einen Verfolger tötet, der ihn an der Flucht hindern will. Keine Rolle spielt, ob es dem Täter damit gelingt oder er auch nur die Absicht hatte, seine Straftat zu verdecken. Insofern ist die Vereitelungstötung nach dem WürttStGB eine durchaus konsequentere Lösung als die Verdeckungstötung nach dem bundesdeutschen StGB. Wie bereits erwähnt, handelt der Täter einer Verdeckungstötung letztlich nicht mit dem Ziel, eine Straftat um ihrer selbst willen zu verdecken, sondern um sich der Bestrafung zu entziehen. Damit unterscheidet er sich in seinen Motiven in nichts von jenem Täter, der tötet, um sich der Festnahme durch einen Verfolger zu entziehen. Zwischen bei den Tätern bzw. Taten sind eigentlich keine Unterschiede auszumachen; dies gilt sowohl für die Verwerflichkeit des Motivs (das bei beiden Tätern ohnehin gleich ist) als auch rur die Geflihrlichkeit der Täter (denn in beiden Fällen haben die Täter deutlich zu verstehen gegeben, daß sie bereit sind, zur Durchsetzung eines rechtswidrigen Zieles ein Menschenleben zu opfern). Allerdings ist auch die Vereitelungstötung nach dem WürttStGB nicht frei von Widersprüchen. Der württembergische Gesetzgeber verwendet zur weiteren Bestimmung der Vereitelungstötung die Formulierung "um sich der Ergreifung über einem Verbrechen zu entziehen". Art. 245 WürttStGB greift also nur ein, wenn der auf frischer Tat betroffene Täter gehandelt hat, um die Festnahme durch einen Verfolger zu verhindern. Ist der Täter nicht mehr auf frischer Tat betroffen oder tötet er nicht, um seine augenblickliche Festnahme zu verhindern (etwa indem er einen Tatzeugen beseitigt, der ihn vor der Polizei oder vor Gericht belasten könnte), greift der Tatbestand nicht ein. Die Tat ist, je nach dem, ob die Tatbestandsmerkmale des Vorbedachtes oder des Affektes vorliegen, entweder Mord oder Totschlag. Auch hierbei handelt es sich um eine wenig überzeugende Differenzierung. Es ist kein rechter Grund ersichtlich, warum die Tötung eines Tatzeugen weniger verachtungswürdig sein soll als die Tötung eines zur Festnahme bereiten Dritten. Auch hinsichtlich der Gefährlichkeit scheinen beide Täter zumindest gleich zu sein. Dabei könnte man jenem Täter, der erst dann tötet, wenn er festgenommen werden soll, vielleicht sogar eine geringere Gefährlichkeit attestieren. Dieser wird immerhin angegriffen, und seine Freiheit ist unmittelbar bedroht. Der Täter befindet sich also in einer besonderen psychischen Extremsituation. Seine Tat erscheint daher verständlicher als die eines Täters, der einen Dritten (der U.U. gar nicht zur Gegenwehr in der Lage ist) schon deshalb aus dem Weg räumen will, weil er von ihm irgendwann einmal eine belastende Aussage als Zeuge vor Gericht erwartet. Ähnlich verhält es sich mit der Tötung, die der Täter begeht, um seine augenblickliche Festnahme bei Ausführung der Vortat 9 Weiß

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zu verhindern, und einer solchen Tötung, die er erst geraume Zeit nach Vollendung der Vortat begeht, um seine Festnahme zu verhindern. Das Motiv des Täters (Verhinderung der Bestrafung) hat sich durch den zeitlichen Abstand zur Tat nicht geändert. Auch die moralische Bewertung dieses Motivs wird durch den verflossenen Zeitraum nicht berührt. Mit der Geflihrlichkeit des Täters verhält es sich genau so: Sowohl der auf frischer Tat betroffene Täter als auch der geraume Zeit später betroffene Täter müssen als gleich geflihrlich eingestuft werden. Folglich kann hieraus ebenfalls keine unterschiedliche strafrechtliche Behandlung abgeleitet werden. Insoweit erscheint die Verdekkungstötung nach dem bundesdeutschen StGB, bei welcher der zeitliche Abstand zwischen Vortat und Tötung genauso wenig eine Rolle spielt wie die Frage, ob das Opfer den Täter festnehmen oder ihn lediglich später durch eine Aussage belasten will, als die konsequentere Lösung. Was den württembergischen Gesetzgeber letztlich veraniaßt haben könnte, einen relativ engen Spezialfall der Vereitelungstötung, nämlich die Tötung eines zur Festnahme entschlossenen Dritten, der den Täter bei Ausführung der Vortat überrascht, zu qualifizieren, kann wegen des nur spärlich vorhandenen Quellenmaterials lediglich vermutet werden. Das Vorbild des Code Penal kann es nicht gewesen sein. Art. 304 Code Penal macht die erhöhte Strafbarkeit des Täters davon abhängig, daß er in der Absicht getötet hat, seine Bestrafung zur vermeiden. Dies umfaßt nicht nur die Tötung einer Person, die den Täter festnehmen will, sondern auch die eines Zeugen, der den Täter möglicherweise erst in einem Gerichtsverfahren belasten kann. Möglicherweise war die Beschränkung der Qualifizierung auf Tötungen im Rahmen einer Festnahme ein Redaktionsversehen. DafUr würde sprechen, daß der Gesetzgeber unter dem Zwang äußerer Ereignisse bei der Einführung der Vorschrift handelte und daher möglicherweise nicht die Zeit hatte, die Vorschrift "widerspruchsfrei" zu formulieren. Andererseits spricht gegen ein durch Eile verursachtes Redaktionsversehen, daß der württembergische Gesetzgeber bereits in einer frühen Phase des Gesetzgebungsverfahrens erwogen hatte, einen Tatbestand zu schaffen, der gerade die Tötung zur Verhinderung einer Festnahme qualifizierte. Die Herausnahme der Tötung eines Zeugen aus dem Tatbestand der Vereitelungstötung kann vielleicht mit der schon oben geäußerten Vermutung, daß nämlich diese Vorschrift den Schutz der Polizeibeamten bezweckt, erklärt werden. Insofern bestand vielleicht kein Bedürfnis, Zeugen zu Schutzsubjekten des Art. 245 WürttStGB zu machen. Bei ihnen dürfte es sich in der Regel um Zivilpersonen, nicht um Polizeibeamte handeln (die, wenn sie Zeugen einer Straftat sind, meist auch zugleich versuchen werden, gegen den Straftäter vorzugehen, also seine Straftat verhindern bzw. ihn festnehmen wollen).

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Darüber hinaus hat der württembergische Gesetzgeber darauf verzichtet, solche Vereitelungstötungen zu qualifizieren, die erst geraume Zeit nach Vollendung der Tat erfolgen. Auch diese Einschränkung könnte man damit erklären, daß der württembergische Gesetzgeber für eine entsprechende Ausdehnung des Tatbestandes kein Bedürfnis sah. Vielleicht war er der Ansicht, daß der erst nach einiger Zeit gestellte Täter sich nicht mehr in einer besonderen Paniksituation befindet. Insofern liegt es nahe, in einem solchen Fall Mord anzunehmen, zumindest wenn man an die Merkmale Vorbedacht und Überlegung keine allzu hohen Anspruche stellt. In der Tat dürfte der im Augenblick der Straftat überraschte Täter sich in einer besonderen psychischen Extremsituation befinden, in der er für Kurzschlußhandlungen, also Tötungen, sehr anfallig ist. Er wird plötzlich und unerwartet mit einer Situation konfrontiert, in der von einem Augenblick zum anderen seine Freiheit bedroht ist und kaum mehr Möglichkeiten hat, Handlungsalternativen zu entwickeln. Anders verhält es sich mit einem schon seit längerem auf der Flucht befmdlichen Täter. Er hat in aller Regel mehr Zeit, seine prekäre Lage zu überdenken und Handlungsalternativen zur Tötung zu entwerfen. Die hier vorgetragenen Überlegungen zur psychischen Situation eines auf frischer Tat betroffenen Täters bzw. eines Täters, der erst nach einiger Zeit gestellt wird, werden zwar nicht auf jeden, aber doch zumindest auf eine Vielzahl von Fällen zutreffen. Der württembergische Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts dachte vielleicht noch nicht so perfektionistisch wie ein moderner Gesetzgeber und wird deshalb auch nicht das Bedürfnis verspürt haben, für jeden denkbaren Sonderfall eine eigene Regelung zu schaffen (wozu er infolge eines fehlenden Gleichheitssatzes auch nicht besonders verpflichtet war). Daher könnte den württembergischen Gesetzgeber schon die relativ hohe Wahrscheinlichkeit, daß der erst später ertappte Täter mit Überlegung handelt (und daher ohnehin einen Mord begeht), veraniaßt haben, auf eine weitere Qualifizierung der Tat zu verzichten (die in aller Regel ja auch nichts gebracht hätte). Jedoch kann als Zwischenergebnis festgestellt werden, daß die Vereitelungstötung nach dem WürttStGB und die Verdeckungstötung nach dem bundesdeutschen StGB eng verwandt sind. Diese enge Verwandtschaft ergibt sich vor allem aus dem Umstand, daß sie die in Selbstbegünstigungsabsicht begangene Tötung qualifizieren. Hinzu kommt, daß trotz der oben erwähnten Unterschiede zwischen diesen bei den Tatbeständen auch eine erhebliche Zahl von Fällen denkbar sind, in denen sowohl die Vereitelungs- als auch die Verdeckungstötung eingreifen würde. Insbesondere ist hier an die Fallkonstellation zu denken, daß der zur Festnahme bereite Dritte zugleich auch der einzige Tatzeuge ist. Dabei nimmt auch die Vereitelungstötung nach dem WürttStGB wenig Rücksicht auf die psychische Verfassung des Täters. Es spielt für die Anwendbarkeit des Tatbestandes keine Rolle, ob der Täter auf 9"

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die Auseinandersetzung vorbereitet war oder sie ihn völlig überrascht, er also quasi affektiv handelt. Die Vereitelungstötung erfaßt somit auch den noch heute als kritisch empfundenen Fall der Verdeckungstötung, nämlich die nicht geplante Tötung eines Zeugen, Polizeibeamten usw. durch einen überraschten und in Panik geratenen Täter. Es verwundert daher wenig, daß die Vereitelungstötung nach dem WUrttStGB zu ihrer Zeit fast genau so umstritten war wie später die Verdeckungstötung nach dem bundesdeutschen StGB. Wegen der subjektiven Fassung des Art. 245 WürttStGB ("um sich der Ergreifung über einem Verbrechen zu entziehen"), ist bei dem Täter nur die Absicht erforderlich, seine Verhaftung zu verhindern. Dagegen ist es für die Erfüllung des Tatbestandes nicht notwendig, daß er mit der Tötung dieses Ziel auch tatsächlich erreicht. Des weiteren dürfte es auf Grund der subjektiven Fassung des Art. 245 WürttStGB ebenfalls nicht erforderlich sein, daß von dem Tatopfer tatsächlich die Gefahr einer Festnahme ausgeht (z.B. weil es den Täter überhaupt nicht bemerkt hat). Entscheidend ist nur, daß der Täter dies für möglich hält und deshalb tötet. Insofern dürften wohl kaum Unterschiede im Anwendungsbereich der Vereitelungsabsicht nach Art. 245 WürttStGB und dem der Verdeckungsabsicht nach § 211 Abs. 2 StGB bestehen. Die Vereitelungstötung muß geschehen sein, um die Festnahme wegen eines Verbrechens zu behindern oder zu vermeiden. Das WürttStGB teilt die Straftaten in Verbrechen und Vergehen ein (Art. 1 Satz 2). Es nennt aber keine abstrakten Kriterien, an Hand derer eine Trennung vollzogen werden könnte. Häufig wird im Besonderen Teil bei der Regelung des jeweiligen Tatbestandes festgestellt, ob die Tat ein Verbrechen oder ein Vergehen ist. Mitunter scheint es aber auch so zu sein, daß nur auf Grund einer Auslegung des Tatbestandes ermittelt werden kann, von welcher Qualität die Straftat sein soll. Im großen und ganzen kann man aber sagen, daß der württembergische Gesetzgeber Straftaten, die mit höheren Strafen bedroht werden, als Verbrechen und Straftaten mit einer geringeren Strafandrohung als Vergehen betrachtet. 2' Diese insgesamt wenig überzeugende Einteilung der Straftaten in Verbrechen und Vergehen läßt sich wohl damit erklären, daß sie - mit Ausnahme der Regelung in Art. 245 - keine praktischen Konsequenzen hat. Der württembergische Gesetzgeber knüpft an die Qualifizierung der Tat als Verbrechen oder Vergehen keinerlei Rechtsfolgen. Im Ergebnis muß aber festgestellt werden, daß der württembergische Gesetzgeber - wie viele andere Gesetzgeber auch, welche die Verdeckungs- oder 24Hufnage1, WürttStGB, Anm., S. 5.

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Vereitelungstötung unter eine erhöhte Strafe gestellt haben - jenem Wertungswiderspruch erlegen ist, wonach die Tötung aus Angst vor einer hohen Strafe die Tat qualifiziert, die Tötung zur Vermeidung einer geringen Strafe dagegen keine besonderen Rechtsfolgen auslöst. Eine Tötung, um die Bestrafung wegen eines polizeirechtlichen Verstoßes zu verhindern, genügt nämlich nicht für die verschärfte Sanktion des Art. 245 WürttStGB. Art. 245 WürttStGB qualifiziert seinem Wortlaut nach ausdrücklich nur die in SelbstbegOnstigung begangene Vereitelungstötung. Nimmt der Täter fremde Interessen war, greift die Vorschrift nicht ein. Kann zudem Überlegung infolge eines Affekts verneint werden, kommt nur noch die Bestrafung wegen einfachen Totschlags gern. Art. 243 Abs. I WürttStGB in Betracht. Dieser sieht nur noch eine Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren Zuchthaus vor. Dieses Ergebnis überrascht zunächst. Warum sollte der in Fremdbegünstigungsabsicht handelnde Täter besser gestellt werden als jener, der zum eigenen Schutz handelt? Was den württembergischen Gesetzgeber (und ihm nachfolgend den preußischen und reichsdeutschen Gesetzgeber) dazu bewogen haben könnte, die Fremdbegünstigung gegenüber der SelbstbegOnstigung zu privilegieren, kann nur vermutet werden. Vielleicht erschien die Tat des eher "altruistisch" veranlagten Täters, der auf diese Weise eine ihm nahestehende Person retten will, den Verfassern des Art. 245 WürttStGB ethisch weniger verwerflich als die des vollkommen eigennützig vorgehenden Täters. Ein solcher Standpunkt würde zwar zum idealistisch eingestellten 19. Jahrhundert passen, wäre aber sachlich kaum zu rechtfertigen. Hinzu käme, daß nicht bei jeder Fremdbegünstigung "Altruismus" unterstellt werden darf. Nur dann, wenn der Täter sich gezwungen sieht, zugunsten eines Verwandten oder einer ihm sonst nahestehenden Person einzuschreiten, kann man bei ihm eine psychische Notsituation konstatieren, die mit der Zwangslage vergleichbar ist, in der sich ein Täter befindet, dem selbst die Verhaftung droht. Daneben sind auch bei der Vereitelungstötung zum Schutze eines Dritten durchaus sehr eigennützige Motive denkbar, etwa der Fall eines beauftragten Lohnmörders, dessen Aufgabe bei der Ausfiihrung einer Straftat gerade darin besteht, den Auftraggeber vor Verfolgern zu schützen. Hier ist eigentlich kein nennenswerter "Idealismus" mehr feststellbar, der es rechtfertigen würde, die Tat in einem milderen Licht zu beurteilen. Im Gegenteil, ein solcher Lohnmörder ist eigentlich durch eine besondere Verwerflichkeit und Gefahrlichkeit gekennzeichnet. Er begibt sich ganz bewußt in eine Situation, in der er einen Menschen töten wird. Dagegen ist der in reiner Selbstbegünstigungsabsicht handelnde Täter meist von den Ereignissen überrascht worden (sofern er die Tötung nicht schon in seinen Tatplan aufgenommen hatte). Eine Rechtsordnung,

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welche die Bestrafung des Täters von dem von ihm verwirklichten Tatunrecht und seinem persönlichen Verschulden abhängig macht, sollte daher bedacht sein, besonders den in "egoistischer" Fremdbegünstigungsabsicht handelnden Täter zu erfassen. Seine Ausklammerung aus einem Qualifikationstatbestand ist daher eine wenig überzeugende Lösung. 25 Möglicherweise handelt es sich bei der Herausnahme der Fremdbegünstigungsfälle aus dem Anwendungsbereich des Art. 245 WürttStGB nur um ein redaktionelles Versehen. In dem geschilderten Fall eines Einbruchdiebstahls, der den württembergischen Gesetzgeber letztlich bewog, die Vereitelungstötung in sein neues Strafgesetzbuch aufzunehmen, handelte es sich ja um eine Selbstbegünstigung. Gegen ein Redaktionsversehen spricht aber, daß auch das preußische Strafgesetzbuch von 1851 und später das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes von 1870 sowie das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 im Rahmen der Vereitelungstötung ebenfalls auf eine Regelung der Fremdbegünstigung verzichten. Die Verfasser dieser Strafgesetzbücher müßten dann den Fehler ihrer württembergischen Kollegen wiederholt haben. Dieser Gedanke ist aber recht unwahrscheinlich. Ein Einfluß des Code Penal kann hinsichtlich dieser Frage ebenfalls nicht angenommen werden. Art. 304 Code Penal in der Fassung, die er 1832 erhielt, stellt auch die in Fremdbegünstigungsabsicht begangene Tötung unter eine erhöhte Strafe. Vielleicht war es auch ein quantitatives Argument, daß den württembergischen (und ihm nachfolgend den preußischen und reichsdeutschen) Gesetzgeber dazu bewog, auf eine Qualifizierung der Fremdbegünstigung zu verzichten. Zahlenmäßig sind wohl die Fälle der Selbstbegünstigung höher einzustufen als die der Fremdbegünstigung. Will man die Vereitelungstötung durch eine höhere Bestrafung im Wege der Abschreckung verhindern, muß man in erster Linie die Selbstbegünstigung qualifizieren. In der Rechtsprechung des BGH findet sich nur in einem einzigen Fall ein Täter, der in Fremdbegünstigungsabsicht eine Verdeckungstötung beging. 2• Es dominieren 2S Allerdings wird man bei einem Täter, der auf Grund eines Auftrages tötet, sehr häufig Prämeditation annehmen dürfen, so daß die Tat schon aus diesem Grund als Mord LS.d. WürttStGB gewertet werden darf. Vielleicht hat der württembergische Gesetzgeber deshalb die "eigennützige" Fremdbegünstigung nicht in seine Erwägungen miteinbezogen. Er war sich sicher, mit seiner Regelung in Art. 245 WürttStGB nur "altruistische" Fremdbegünstigungen von der Todesstrafe ausgeschlossen zu haben. Aber auch dann wllre diese Regelung sachlich nicht zu rc;chtfertigen. Denn es ist kaum anzunehmen, daß ein Täter, der zum Schutz eines Angehörigen oder einer ihm sonst nahestehenden Person handelt, sicht stets in einer größeren psychischen Zwangslage befindet als jener Täter, der "nur" zum Schutz der eigenen Person tötet. Dies mag von Fall zu Fall zutreffen. Generell kann eine solche These aber nicht aufgestellt werden. 26BGHSt 9, 180. Hier hatte der Täter gehandelt, um seine Ehefrau zu schützen.

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eindeutig die Fälle der Selbstbegünstigung. Tötungen, die zum Zwecke der FremdbegUnstigung geschehen, scheinen extrem selten zu sein. Daher könnte es auch die geringe praktische Relevanz der Fremdbegünstigungsabsicht gewesen sein, die den wilrttembergischen Gesetzgeber veranlaßte, auf ihre Erwähnung im Tatbestand des Art. 245 WilrttStGB zu verzichten. Trotz des sicher erheblichen quantitativen Unterschieds kann die Differenzierung zwischen Selbst- und FremdbegUnstigung letztlich nicht wirklich überzeugen. Vergleicht man den Täter, der zu Gunsten eines Angehörigen oder einer sonst ihm nahestehenden Person handelt, mit jenem Täter, der zu seinem eigenen Schutz tötet, wird man feststellen müssen, daß der jeweilige psychische Druck, dem beide ausgesetzt sind, sich letztlich zu sehr ähneln, als daß daraus eine unterschiedliche Behandlung abgeleitet werden könnte. Dies wird zumindest auf den Regelfall zutreffen. Nur in AushnahmefiUlen dürfte die Zwangslage für den in "altruistischer" Fremdbegünstigungsabsicht handelnden Täter größer sein als für den Täter, der ausschließlich in Selbstbegünstigungsabsicht tötet. Geht man von dem Täter aus, der in "egoistischer" Fremdbegünstigungsabsicht (z.B. für Geld) handelt, erscheint die Ausklammerung aus dem Tatbestand des Art. 245 WürttStGB noch unverständlicher. Zu fragen bleibt noch, ob die Vereitelungstötung nach dem Willen des Gesetzgebers alle Fälle erfassen sollte, in denen der Täter tötet, um sich vor der Festnahme zu sichern, also auch die umstrittene Spontantötung, oder ob Art. 245 auf jene Fälle beschränkt sein sollte, in denen der Täter die Verfolgertötung schon im voraus geplant hatte. P. Mayei7 scheint die Auffassung zu vertreten, daß die Verfasser des Art. 245 die Vorschrift sehr viel enger verstanden haben als es ihr Wortlaut eigentlich zuläßt und möglicherweise die Spontantötung, zumindest wenn sie auf die Durchsetzung von Fluchthandlungen gerichtet ist, gar nicht erfassen wollten. Dies ist jedoch zu verneinen. Man muß davon ausgehen, daß der Tatbestand der Vereitelungstötung gerade geschaffen wurde, um auch die Fälle der Spontantötung zu erfassen. Sofern es um die geplante Vereitelungstötung geht, wäre die Regelung in Art. 245 WürttStGB überflüssig. Eine derartige Tat könnte ohne weiteres unter den Begriff Mord, also Tötung mit Vorbedacht, subsumiert werden. Das gleiche gilt auch für die in Art. 245 geregelte Begehungstötung, also die Tötung, um ein Verbrechen vorzubereiten, zu erleichtern oder zu beenden. Bei dieser Form der Tötung dürfte der Täter sogar regelmäßig die Tat im Voraus geplant haben. Lediglich bei dem Unterfall der Ermöglichungstötung, die Tötung, um ein Verbrechen zu beenden, sind Fälle einer Spontantötung mög27p.

Mayer, S. 7.

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Teil II: Die Geschichte der Yerdeckungstötung in Deutschland

lieh. Es dürfte nicht allzu kühn sein, zu vennuten, daß der Gesetzgeber bei Schaffung des Art. 245 sogar besonders an die spontane Vereitelungstötung gedacht hat, die beim besten Willen nicht unter dem psychologischen Mordbegriff des WürttStGB zu subsumieren war. Auch die Kritiker der Vorschrift haben in den Beratungen zu Art. 245 geltend gemacht, daß Art. 245 ein Sondergesetz sei, um den Täter, der, bei seiner Tat überrascht, spontan, ohne Vorbedacht tötet, der Mordstrafe auszusetzen. 2B Bei der Vereitelungstötung nach Art. 245 WürttStGB handelt es sich nicht um einen Mord, sondern einen qualifizierten Totschlag. Damit besteht natürlich dogmatisch gesehen ein großer Unterschied zur Regelung der Verdekkungstötung im geltenden deutschen Strafgesetzbuch. Praktisch ist ein Unterschied jedoch nicht feststell bar. Denn der württembergische Gesetzgeber ordnet fiir den Fall der Vereitelungstötung die Mordstrafe, nämlich die absolute Todesstrafe an. Weder fiir den Angeklagten noch fiir die öffentliche Meinung dürfte es eine große Rolle spielen, ob die Todesstrafe auf Grund einer Mordoder einer Totschlagsregelung angeordnet wird. Daß der württembergische Gesetzgeber die Vereitelungstötung nicht als Mord geregelt hat, ist wohl eher zufällig und von den Zeitumständen abhängig gewesen. Er war zu sehr in der Dogmatik seiner Zeit gefangen. Noch war die Auffassung herrschend, daß Mord stets die mit Überlegung ausgefiihrte Tötung, Totschlag stets die im Affekt begangene Tötung sei. Ein Mordtatbestand, der auf einem anderen oder bloß zusätzlichen Kriterium als das der Überlegung aufbaute, schien damals wohl noch undenkbar. 111. Das preußische Strafgesetzbuch von 1851

1. Die Vereitelungstötung nach § 178 PreußStGB

Auch das preußische Strafgesetzbuch (PreußStGB) vom 14. April 1851 kennt eine der Verdeckungs- bzw. Vereitelungsabsicht ähnliche Regelung. § 178 PreußStGB lautet: "Wer bei Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens, um ein der Ausführung desselben entgegentretendes Hindernis zu beseitigen, oder um sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen, vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird mit dem Tode bestraft."

§ 178 PreußStGB betrachtet - wie das württembergische Strafgesetzbuch die Vereitelungstötung nicht als einen Fall des Mordes, sondern als eine Qua28Yerh. d. Kammer d. Abg., 45. Sitzung, S. 35 - 45, zit. n. Hufnagel II, S. 38.

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lifizierung des in § 176 PreußStGB geregelten Fall des Totschlags. 29 Der Totschlag ist nach dieser Vorschrift die vorsätzliche, jedoch ohne Überlegung ausgeführte Tötung. lD Hingegen liegt nach § 175 PreußStGB Mord vor, wenn der Täter mit Überlegung handelte. ll Hinsichtlich des Regelungsgehalts besteht zwischen dieser Vorschrift und der 3. Gruppe der Mordmerkmale in § 211 Abs. 2 StGB eine enge Verwandtschaft. § 178 1. Alt. PreußStGB ("um ein der Ausführung desselben entgegentretendes Hindernis zu beseitigen") ist deckungsgleich mit der Ermöglichungsabsicht in § 211 Abs. 2 StGB (wenn man einmal davon absieht, daß § 178 PreußStGB sich auf ein Verbrechen als Vortat beschränkt). Unschwer ließen sich alle Fälle, in denen nach der BGH-Rechtsprechung Ermöglichungsabsicht zu bejahen ist, auch unter § 178 1. Alt. PreußStGB subsumieren. Umgekehrt gilt das gleiche für alle denkbaren Fälle des § 178 1. Alt. PreußStGB; sie würden auch die Voraussetzungen der Ermöglichungsabsicht nach § 211 Abs. 2 StGB erfüllen. Zwar nicht deckungsgleich, aber eng verwandt ist § 178 2. Alt. PreußStGB ("um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen") mit der Verdekkungsabsicht. Es handelt sich um die bereits aus Art. 245 WürttStGB bekannte Vereitelungstötung. Erfaßt wird nämlich die Situation, in welcher der auf frischer Tat betroffene Täter tötet, um seine Festnahme zu verhindern. Wie Art. 245 WürttStGB qualifiziert auch § 178 PreußStGB seinem Wortlaut nach ausdrücklich nur die in Selbstbegünstigung begangene Vereitelungstötung. Nimmt der Täter fremde Interessen war, greift die Vorschrift nicht ein. Kann zudem Überlegung infolge eines Affekts verneint werden, so kommt nur noch die Bestrafung wegen einfachen Totschlags gern. § 176 PreußStGB in Betracht. Dieser siel)t das im Vergleich zur Todesstrafe mildere lebenslängliche Zuchthaus vor. Dennoch erfaßt § 178 2. Alt. PreußStGB, wie Art. 245 WürttStGB, letztlich eine Reihe der als problematisch empfundenen Fälle der Verdeckungstötung, an denen sich auch heute noch die Kritik der rechtswissenschaftlichen Literatur an der Rechtsprechung des BGH im besonderen und der vom Gesetzgeber in § 211 Abs. 2 StGB getroffenen Regelung im allgemeinen ent29Hälschner III, S. 92. 30Wörtlich heißt es in § 176 PreußStGB : "Wer vorsätzlich, jedoch nicht mit Ueberlegung, einen Menschen tödtet, begeht einen Todtschlag, und soll mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft werden." 31§ 175 Abs.l PreußStGB lautet: "Wer vorsätzlich und mit Ueberlegung einen Menschen tödtet, begeht einen Mord, und wird mit dem Tode bestraft."

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

zündet: ein Straftäter wird auf frischer Tat von einer anderen Person überrascht. Aus Furcht vor Bestrafung tötet er den Dritten. Wie beim württembergischen StGB wäre es falsch, die Regelung der Vereitelungstötung nach § 178 PreußStGB im Vergleich zur Verdeckungstötung nach dem bundesdeutschen StGB als liberal zu betrachten, nur weil die Vereitelungstötung ein Fall des qualifizierten Totschlags, die Verdeckungstötung dagegen ein Fall des Mordes ist. Sprachlich und dogmatisch wird zwar zwischen Mord und der Vereitelungstötung als qualifiziertem Totschlag differenziert, im Strafmaß werden aber beide Tatbestände gleich behandelt. Für den Angeklagten dürfte es gleichgültig sein, ob er gern. § 175 oder gern. § 178 PreußStGB mit dem Tod bestraft wird. Auch die Allgemeinheit wird in ihrer sozialen Bewertung zwischen Straftaten, die ausschließlich mit der Höchststrafe geahndet werden müssen, kaum Unterschiede machen. Für sie sind der Mörder und der qualifzierte Totschläger gleich verachtungswürdige Verbrecher. Die Situation des im Affekt handelnden Täters, der tötet, um sich der Festnahme zu entziehen, war zu Zeiten des PreußStGB im Prinzip nicht anders als heute unter der Geltung des StGB. Kritik gegen die Aufnahme der Vereitelungsabsicht wurde schon bei der Redaktion des PreußStGB geäußert. 12 Durchsetzen konnten sich die Gegner allerdings nicht. Die BefUrworter begründeten die Regelung des § 178 2. Alt. im wesentlichen damit, daß ein solcher Verbrecher fUr die öffentliche Sicherheit höchst gefiihrlich seL" Aber schon Hälschner weist darauf hin, daß dieses Argument eigentlich nur auf jenen Verbrecher zutreffen könne, der sich darauf vorbereitet hat, eventuell eine Tötung zu begehen, um hierdurch ein anderes Verbrechen zu begehen oder sich der Bestrafung wegen eines solchen zu entziehen." l2Goltdammer, Materialien 11, S. 376; Abegg, S. 391. llHälschner III, S. 95. l4Hälschner III, S. 95 f., Fn. 4. Anderer Ansicht ist dagegen Strampff, S. 251 f., der zur Regelung der Vereitelungstötung in einem der Entwürfe des PreußStGB Stellung nimmt. Zwar sei es im Vergleich zu den anderen Fällen des qualifizierten Totschlags (Tötung, um ein anderes Verbrechen zu begehen, Tötung eines Verwandten) am wenigsten gerechtfertigt, eine Tötung, die erfolgte, um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen, als qualifizierten Totschlag (und damit als todeswürdiges Verbrechen) zu betrachten. Andererseits sei es gerade in diesem Fall kaum denkbar, daß der Täter im Affekt gehandelt habe. Wer einen anderen tötet, um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen, handle grundsätzlich mit Überlegung und nicht in leidenschaftlicher Aufwallung. Strampff scheint hier den Begriff der Überlegung sehr weit auszulegen. Schon eine sehr kurze Reflektion über die Tat, die jeder Vereitelungstötung vorausgeht (denn der Täter muß sich, damit VereiteIungsabsicht angenommen werden kann, zumindest rur einen Moment darüber im Klaren sein, was er mit der Tötung bezweckt), begründet für ihn das Tatbestandsmerkmal der Überlegung.

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2. Die Entstehungsgeschichte des § 178 PreußStGB Rund ein viertel Jahrhundert wurde an dem PreußStGB gearbeitet. Bereits 1827 wurde der erste Entwurf rur einen Allgemeinen Teil, in den darauffolgenden Jahren 1828 und 1829 der erste Entwurf rur einen Besonderen Teil vorgelegt. Eine dem späteren § 178 PreußStGB entsprechende Regelung taucht jedoch verhältnismäßig spät in den Entwürfen auf. Die Aufnahme der Vereitelungstötung wurde zuerst von der mit einem Entwurf des PreußStGB beauftragten Staatsratskommission vorgeschlagen.!S Der Vorschlag fand schließlich die Billigung des Staatsrates!· und wurde als Art. 302 in den Entwurf der Staatsratskommission von 1843 aufgenommen!7. Die Vorschrift ist bewußt Art. 304 Code Penal und Art. 245 WürttStGB nachgebildet worden.!· Während die Regelung der Begehungstötung im Staatsrat allgemeine Zustimmung fand, wurde die Vereitelungstötung kontrovers diskutiert. So wurde geltend gemacht, daß sie im Grunde system fremd sei. Nach den allgemeinen Nonnen des Entwurfs über die Konkurrenz mehrerer Straftaten komme auch bei Zusammentreffen mit einem anderen Vergehen oder Verbrechen eine Steigerung der durch den Totschlag verwirkten lebenslänglichen Zuchthausstrafe nicht in Betracht." Außerdem sei es nicht zu rechtfertigen, daß eine Tötung, die ohne Überlegung ausgefUhrt werde und bloß bei Gelegenheit eines anderen, vielleicht sehr unbedeutenden Verbrechens erfolge, dem Mord gleichgestellt werde.'" So würde etwa ein Dieb, welcher aus Angst ein ihm zufällig zur Hand befindliches Messer ergreife, einem Täter gleich bestraft, welcher sich vorher bereits mit der eventuellen Absicht zu töten bewaffnet habe. Die Vereitelungstötung müsse auf den Fall beschränkt werden, in dem der Täter sich schon vor AusfUhrung der Straftat bewaffnet habe, wobei ihm ein Tötungsvorsatz in diesem frühen Stadium der Tatausruhrung nicht nachgewiesen werden brauche." Auch im Preußen des Jahres 1843 war man sich also der besonderen Problematik der Vereitelungstötung bewußt. Die Argumente ihrer Gegner unterscheiden sich eigentlich nur wenig von den heute gegen die Verdeckungstö35Berathungs-Protokolle 11, S. 184 f., zit. n. Beseler, S. 354. 36Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. und 17. April 1843, zit. n. Beseler, S. 354. 37Zit. n. Goltdammer, Materialien 11, S. 377, Fn. 1. 38Beseler, S. 353; Goltdammer, Materialien 11, S. 376. 39Hälschner III, S. 95; Beseler, S. 354; Goltdammer, Materialien 11, S. 376. 4°Goltdammer, Materialien 11, S. 376. 4lGoltdammer, Materialien 11, S. 376. Ein solcher Fall war es ja auch gewesen, der den württembergischen Gesetzgeber veranIaßt hatte, die Vereitelungstötung in das WürttStGB aufzunehmen.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

tung vorgetragenen. Auch damals hat man es als besonderes Mißverhältnis empfunden, daß der hinsichtlich der Tötung unvorbereitet handelnde Täter genauso hart bestraft werden soll wie jener, der die Tötung im voraus geplant hat; ein Argument, das auch heute unter der Herrschaft des Art. 3 GG sicher seine Bedeutung hat. Die Argumente der BefUrworter einer Qualifikation der Verdeckungstötung gleichen denen ihrer Vorgänger bei Schaffung des württStGB. Das bisherige Recht habe die Todesstrafe fUr Totschlag vorgesehen (ALR Teil 11, Tit. 20 § 806).42 Für Totschlagsfalle, die den in § 178 PreußStGB geregelten nicht unähnlich seien, habe das ALR sogar eine verschärfte Todesstrafe vorgesehen (ALR Teil 11, Tit. 20 §§ 1194, 1196).'3 Außerdem gebe es Totschlagsfalle, fUr welche die mildere Freiheitsstrafe nicht angemessen sei. Zu diesen Fällen gehöre auch die Vereitelungstötung, denn ihr Täter sei fUr die öffentliche Sicherheit höchst gefährlich. 44 Allerdings ist gerade im Falle Preußens der Hinweis auf das früher geltende Recht eher ein Argument gegen die Qualifizierung der Vereitelungsabsicht. Wie bereits erwähnt, regelt das ALR in Teil 11, Tit. 20 §§ 1194 1196 gewisse Spezialfalle der Begehungs- und der Vereitelungstötung. § 1194 bestimmt, daß ein Räuber, der zur Begehung seiner Tat einen Menschen tötet, durch das Rad hinzurichten ist. Dies ist zugleich die Strafe fUr den Mord (ALR Teil 11, Tit. 20, § 826: Tötung mit überlegtem Vorsatz). Die gleiche Strafe erleidet gern. § 1196 auch derjenige Räuber, der auf der Flucht einen Verfolger tötet, um sich im Besitz der Beute zu erhalten. § 1195 bestimmt, daß der Täter mit dem Schwert hinzurichten ist, wenn er nicht die Tötung begangen hat, um den Besitz der Beute zu sichern, sondern um sein Leben vor den Verfolgern zu retten. Die Schwertstrafe ist zugleich auch die Strafe fUr den Totschlag (ALR Teil 11, Tit. 20 § 806). Das ALR wendet somit auf diesen Spezialfall der Vereitelungstötung (bzw. Verdeckungstötung) ganz bewußt die vergleichsweise milde Totschlagsstrafe (Hinrichtung durch das Schwert) an. Bestimmte Formen der Begehungstötung (der Täter tötet einen Menschen, um einen Raub zu begehen bzw. seine Beute zu sichern) ahndet das ALR dagegen wie einen Mord mit der schwereren Hinrichtung durch das Rad. Überträgt man diese Einstellung des ALR zur Begehungs- bzw. Vereitelungstötung auf das PreußStGB, das nur noch eine Form der Todesstrafe kennt, so kann man fUr die Vereitelungstötung nur die Totschlagsstrafe, also lebenslängliches Zuchthaus, vorsehen. Der Hinweis auf 42Goltdammer, Materialien 11, S. 376. 43Beseler, S. 354. 44Goltdammer, Materialien 11, S. 376.

A. Die Regelung der Vereitelungstötung bis 1941

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das ALR ist daher eher ein Gegenargument zur Qualifizierung der Vereitelungstötung. Das zweite Argumente der Befiirworter einer Qualifizierung der Vereitelungstötung, nämlich die Gefährlichkeit des Täters in bezug auf die öffentliche Sicherheit, spricht dafür, daß die Vorschrift in erster Linie zum Schutz der Strafverfolgungsbeamten geschaffen wurde, also letztlich einen sicherheitsrechtlichen Charakter trägt. Die Befürworter einer Qualifizierung der Vereitelungstötung waren sich durchaus im Klaren darüber, daß es sich bei dem Täter häufig nicht um einen Mörder LS.d. § 176 PreußStGB handeln würde, der die Tötung also mit Überlegung ausführt. Die Formulierung "bei Unternehmen eines Verbrechens" war bewußt gewählt worden, um anzudeuten, daß eine solche Tötung auch dann vorliegen soll, wenn der Täter den Entschluß zu ihr erst in dem Augenblick faßt, in welchem er bei der Vortat unvermutet überrascht wird." Darüber hinaus wäre die Qualifizierung der vorausgeplanten Vereitelungstötung auch überflüssig gewesen, weil diese ohnehin als überlegte Tötung einen Mord darstellen würde. Der Entwurf von 1845 ließ die Qualifizierung der Begehungs- und der Vereitelungstötung wieder fallen. Begründet wurde der Verzicht damit, daß es regelmäßig überflüssig sei, die Begehungstötung unter eine verschärfte Bestrafung zu stellen. Werde die Tat zur Beseitigung eines Hindernisses bei einem zu unternehmenden Verbrechen begangen, so läge in der Regel das Merkmal der Überlegung, also Mord, vor. Sollte die Begehungstötung ausnahmsweise im Affekt begangen worden sein, sei es nicht einzusehen, "weshalb hier der Todtschlag die Natur des Mordes annehmen solle":6 Werde die Tötung bei Gelegenheit der Flucht begangen, also in einer "Art des Nothstandes", sei in jedem Fall ein Affekt gegeben, mithin die Todesstrafe unangemessen." Im Entwurf der Immediat-Kommission von 1846 wurde jedoch die Regelung über die Begehungs- und Vereitelungstötung wieder aufgenommen. Auch im Entwurf von 1847 war die Vorschrift enthalten (dort § 226).48 Der Entwurf wurde dem Vereinigten Ständischen Ausschuß zur Begutachtung vorgelegt. Dort kritisierte man die dem § 178 PreußStGB entsprechende Vorschrift aus den bereits genannten Gründen erneut. Schließlich wurde der 45Goltdammer, 46Goltdammer, 47Goltdammer, 4BGoltdammer,

Materialien Materialien Materialien Materialien

11, 11, 11, 11,

S. S. S. S.

376. 377. 377. 377, Fn. l.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

Wegfall der Worte "oder um sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen", also Streichung der Vereitelungstötung, beantragt. Jedoch folgten der Entwurf von 1850 und schließlich auch das PreußStGB diesem Antrag nicht" 9 Sowohl im Staatsrat als auch im Ständischen Ausschuß wurde erörtert, ob in § 178 PreußStGB nicht auch der Fall einer Tötung zur Verhütung der Entdeckung einer Straftat, etwa die Tötung eines Zeugen, aufzunehmen sei. Letztlich konnte sich dieser Gedanke aber nicht durchsetzen. Man glaubte, daß es sich bei einer solchen Tat ohnehin stets um eine überlegte Tötung und folglich Mord handeln würde. 50 Nach einer entsprechenden Änderung wäre jedoch § 178 PreußStGB zu einer umfassenden Qualifizierung der Vereitelungs- wie Verdeckungstötung geworden. Er hätte dann praktisch alle Fälle der Verdeckungstötung i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB erfaßt (wenn man von seiner Beschränkung auf ein Verbrechen als Vortat absieht). Wie schon zum WürttStGB erwähnt, kann die Beschränkung der Vereitelungsabsicht auf Fälle, in denen der Täter tötet, um sich der Festnahme zu entziehen, nur wenig überzeugen. Erfaßt wird also nicht der Täter, der einen Zeugen beseitigt, um eine spätere Verhaftung durch die Polizei zu verhindern. In einem derartigen Fall liegt nur ein Totschlag vor, falls der Täter nicht mit Überlegung handelte. SI Das gleiche gilt für den Täter, der zwar tötet, um seine Bestrafung zu verhindern, aber nicht mehr auf frischer Tat betroffen ist. Wie bereits oben zum WürttStGB kann die Ausklammerung dieser beiden Fälle (Tötung eines Zeugen, Tötung des Verfolgers erst nach Vollendung der Vortat) aus dem Tatbestand der Vereitelungstötung in der Sache nicht wirklich überzeugen. Dafür ähneln sie in ihrem Unwertgehalt zu sehr dem in § 178 PreußStGB geregelten Fall (Tötung des Verfolgers durch den auf frischer Tat betroffenen Täter). Die bereits zum WürttStGB geäußerte Vermutung eines Redaktionsversehens kann dem preußischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Dieser hatte sich, zumindest was die Tötung eines Tatzeugen betrifft, ganz bewußt dagegen ausgesprochen, den Tatbestand des § 178 PreußStGB weiter zu fassen. Allerdings können die anderen bereits zum WürttStGB vermuteten Gründe für die Beschränkung des Tatbestandes der Vereitelungstötung zur Begründung herangezogen werden: Dem preußischen Gesetzgeber ging es vielleicht um eine besondere Schutzvorschrift zu Gunsten seiner Polizeibeamten. Die besondere Qualifizierung der Tötung eines Tatzeugen, der meist eine zivile Person ist, erübrigte sich daher. Soweit es um die Tötung eines Verfolgers (auch eines Polizeibeamten) nach Voll49Goltdammer, Materialien 11, S. 377. ~Goltdammer, Materialien, S. 378. 51p. Mayer, S. 41 zum gleichlautenden § 214 ReichsStGB. Siehe auch Mittermaier, GA 3 (1855), 145, 157.

A. Die Regelung der Vereitelungstötung bis 1941

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endung der Vortat geht, war nach der Vorstellung des preußischen Gesetzgebers eine Qualifizierung ebenfalls nicht erforderlich, weil diese Taten häufig mit Überlegung begangen werden und schon deshalb als Mord bestraft werden müssen (insbesondere dann, wenn man an das Vorhandensein der Überlegung nicht so hohe Anforderungen stellt wie dies später durch das Reichsgericht zu § 211 a.F. StGB zum Teil geschah). Im Ergebnis kann eine solche Differenzierung jedoch nicht überzeugen. Weder der sicherheitspolitische Aspekt (Schutz der Staatsdiener) noch das quantitative Argument (nach Beendigung der Tat handelt der Täter meist überlegt und begeht daher ohnehin einen Mord) rechtfertigen es nicht, Straftaten, die im Unwertgehalt so eng beieinanderliegen, strafrechtlich unterschiedlich zu behandeln. IV. Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund von 1870

Die Tötungsvorschriften des PreußStGB wurden fast wörtlich in das Strafgesetzbuch filr den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870 (NorddStGB)52 übernommen. Die Regelung des § 178 PreußStGB findet sich dort in § 214 NorddStGB.

§ 178 PreußStGB wurde mit zwei Änderungen, jeweils im Tatbestand und auf der Rechtsfolgenseite, in das NorddStGB übernommen. Trotz einer im Ergebnis nicht unbedeutenden Reduzierung des Strafmaßes hat man grundsätzlich an der Qualifizierung der Begehungs- und Vereitelungstötung festgehalten. Begründet wurde die Notwendigkeit dieser Qualifizierung mit der Gefährlichkeit des Täters. 53 Warum und inwiefern insbesondere der Täter einer Vereitelungstötung von einer erhöhten Gefährlichkeit sei, wird allerdings im ganzen Gesetzgebungsverfahreri an keiner Stelle näher erläutert. Auch der Gesetzgeber des NorddStGB konnte sich also nicht von Ängsten lösen, die sprachlich anscheinend nur schwer zu erläutern sind und daher wohl eher dem Bereich der Irrationalität zugerechnet werden müssen. Der Tatbestand des § 178 PreußStGB hat bei seiner Übernahme in das NorddStGB nur in einem Punkt eine Änderung erfahren. So wurde die Formulierung "eines Verbrechens oder Vergehens" in § 178 PreußStGB ersetzt durch den Begriff "einer strafbaren Handlung". Dabei handelt es sich zwar nicht um eine sehr bedeutende Novellierung, unwesentlich ist sie aber den52Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes, S. 197. 53Motive zum Entwurf vom Juli 1869, S. 157; siehe auch Motive des Bundesrates, S. 70; jeweils zit. n. P. Meyer, S. 15 f.

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Teil II: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

noch nicht. Nach § 178 PreußStGB machte sich nur strafbar, wer tötet, um ein Verbrechen oder Vergehen auszuführen bzw. um sich der Festnahme auf frischer Tat wegen einer solchen Tat zu entziehen. Die Vorschrift griff jedoch nicht ein, wenn die Vortat, um die es ging, eine Übertretung war. Schon Mittermaier54 hatte die Ausklammerung der Übertretungen aus dem Tatbestand des § 178 PreußStGB als wenig sachgerechte Lösung kritisiert und dies mit einem Beispiel überzeugend illustriert: Wer bei einem Holzdiebstahl, der nach preußischem Recht eine Übertretung ist, den Förster, der ihn ergreifen will, tötet, wird nicht nach § 178 PreußStGB bestraft. Handelt es sich bei dem Täter jedoch um einen rückfälligen Holzdieb, so ist er im Falle einer Tötung mit dem Tod zu bestrafen, weil der Holzdiebstahl im Rückfall ein Vergehen darstellt. Ist der Täter wiederum in der glücklichen Lage, daß seit seiner letzten Bestrafung ein mehr als zweijähriger Zeitraum verflossen ist, so fällt die Todesstrafe weg, weil nach dem preußischen Recht der Rückfall nicht mehr zu berücksichtigen ist. Mittermaier bezweifelt dann auch, ob man mit derartigen Strafurteilen unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit wirklich zufrieden sein könne. 55 Der Entwurf eines Strafgesetzbuches vom Juli 1869 hatte dagegen noch eine hinsichtlich der Tatbestandsseite vollkommene wörtliche Übernahme des § 178 PreußStGB vorgesehen (§ 188 des Entwurfs). Auch der Kommissionsentwurf vom 31. Dezember 1869 behielt den Tatbestand unverändert bei. In der Sitzung vom 11. Februar 1870 beschloß der Bundesrat, dem der Entwurf mittlerweile zugeleitet worden war, die bisherige Beschränkung der Begehungs- und Vereitelungstötung auf Vergehen und Verbrechen aufzuheben und diese Begriffe durch den allgemeineren der strafbaren Handlung zu erset54Mittermaier, GA 3 (1855), 145, 155. 55Mittermaier, GA 3 (1855), 145, 155. Man kann den von Mittermaier geschilderten Fall auch in das aktuelle bundesdeutsche Recht transformieren, um diesbzgl. Schwachstellen der Verdeckungsabsicht i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB aufzudecken: Eine Polizeistreife will einen alkoholisierten Autofahrer anhalten. Da der Aufofahrer bereits zahlreiche "Punkte" in Flensburg hat, befürchtet er den Verlust seines Führerscheins und beschleunigt sein Fahrzeug mit Tötungsvorsatz. Der Autofahrer durchbricht die Straßensperre und tötet einen der Polizeibeamten. Hat der BAK-Wert des Aufofahrers die sog. O,8-Promille-Grenze überschritten, ohne daß dabei seine Fahrtauglichkeit beeinträchtigt wird, handelte er lediglich, um den Verlust der Fahrerlaubnis wegen einer weiteren Ordnungswidrigkeit zu vermeiden. Die Tat kann dann nicht wegen Verdekkungsmordes verurteilt werden (möglich wäre es allenfalls, Mord auf Grund eines anderen Mordqualifikationsmerkmals, z.B. niedrige Beweggründe, anzunehmen). Ist dagegen die Fahrtauglichkeit des Autofahrers beeinträchtigt (z.B. weil die 1,I-Promille-Grenze überschritten wurde), liegt Mord vor, weil er nunmehr zur Verdeckung einer Straftat (z.B. § 316 StGB) handelte. Hier entscheiden also letztlich Fahrtauglichkeit und Promillewerte darüber, ob der Täter wegen Totschlags oder Mordes zu verurteilen ist.

A. Die Regelung der Vereitelungstötung bis 1941

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zen. In den Motiven hierzu ist vermerkt, daß die Beschränkung der Begehungs- und Vereitelungstötung "als durch innere Gründe nicht gerechtfertigt" wieder aufgegeben werden müsse. Der Reichstag, dem am 14. Februar 1870 die Gesetzesvorlage zugeleitet wurde, schloß sich in dieser Frage dem Bundesrat an. 56 Die Verwendung des im Vergleich zu "Verbrechen und Vergehen-lI allgemeineren Begriff der "strafbaren Handlung" in § 214 NorddStGB führt dazu, daß nunmehr auch eine Übertretung Gegenstand einer Vereitelungs- bzw. Begehungstötung sein kann. Eine im Zusammenhang mit einer Tötung stehende Übertretung ist aber zugleich das Mindesterfordemis für die Anwendung des § 214 NorddStGB. Der Täter muß getötet haben, um die Begehung einer mit einer Kriminalstrafe belegten, d.h. einer im Strafgesetzbuch oder einem Nebenstrafgesetz erwähnten Tat zu ermöglichen bzw. um die Bestrafung wegen einer solchen Tat zu vermeiden. Nicht erfaßt werden dagegen Taten, die nur disziplinarrechtlich oder ordnungsrechtlich verfolgt werden können, wie z.B. Verstöße von Soldaten oder Strafgefangenen gegen die für sie geltenden Dienstordnungen. Eine im Zusammenhang mit derartigen Taten stehende Tötung ist kein Fall des § 214 NorddStGB. Der Gesetzgeber hat sich bei der Gestaltung der Vereitelungstötung also nicht nur von Verwerflichkeitsgesichtspunkten leiten lassen. Dann hätte er nämlich Tötungen, die im Zusammenhang mit Ordnungsverstößen stehen, erst recht qualifizieren müssen. Bei derartigen Fallkonstellationen tallt die ZweckMittel-Relation besonders extrem zu Ungunsten des Täters aus, was zumindest ein bedeutsames Indiz für eine besondere Verwerflichkeit darstellt. Die Ausklammerung der absoluten Bagatellkriminalität aus dem Anwendungsbereich des § 214 NorddStGB scheint ein weiterer Beleg für seinen sicherheitsrechtlichen Charakter zu sein. Der Gesetzgeber stellt ein unerwünschtes Verhalten, daß er in bestimmten Situation generell erwartet (ein auf frischer Tat betroffener, also überraschter Straftäter versucht, durch Tötung die Vortat zu vollenden oder zu fliehen) unter eine erhöhte Strafe, um möglichst viele Personen von diesem Verhalten abzuschrecken. Dort, wo der Gesetzgeber vermuten darf, daß eine Tötung verhältnismäßig unwahrscheinlich ist (zur Begehung eines unbedeutenden Bagatelldelikts oder zur Vermeidung der Bestrafung wegen einer solchen Tat) verzichtet er auf eine Qualifizierung. Eine sehr erhebliche Änderung hat die Vereitelungstötung hinsichtlich des Strafmaßes in § 214 NorddStGB erfahren. § 178 PreußStGB drohte sowohl für die Begehungs- als auch auch für die Vereitelungstötung absolut die To56Siehe hierzu P. Mayer, S. 15 f., 35 f. 10 Weiß

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

desstrafe an, letztlich also die Strafe für Mord. § 214 NorddStGB verzichtet nunmehr für beide Fälle auf die Androhung der Todesstrafe. Das Gericht kann wahlweise eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren Zuchthaus oder lebenslängliches Zuchthaus verhängen. Einher geht der Verzicht auf die Todesstrafe in § 214 NorddStGB mit einer allgemeinen Reduzierung des Strafniveaus bei den vorsätzlichen Tötungsdelikten. Das PreußStGB sah rur Mord die absolute Todesstrafe vor, rur Totschlag die lebenslange Zuchthausstrafe, ebenfalls absolut angedroht, und für den minder schweren Fall des Totschlags (Tötung in einer vom Opfer provozierten Erregung) Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren Gefangnis. Mord wird auch nach dem NorddStGB weiterhin mit dem Tod geahndet. Für Totschlag ist die lebenslange Zuchthausstrafe abgeschafft. Statt dessen ist nur noch eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens runf Jahren Zuchthaus angedroht. Für den minder schweren Fall des Totschlags (dessen Tatbestand um die fragwürdige Alternative der "anderen mildernden Umstände" erweitert worden ist) liegt die unterste Strafgrenze bei nunmehr sechs Monate Gefängnis. Auf die Todesstrafe rur die Begehungs- und Vereitelungstötung hatte bereits der Entwurf vom Juli 1869 verzichtet und statt dessen absolut die lebenslange Zuchthausstrafe angedroht. 57 Das gleiche gilt rur den Kommissionsentwurf vom 31. Dezember 1869. Zeitweilig war allerdings wieder die Todesstrafe geplant. Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 11. Februar 1870 den Kommissionsentwurf mit wenigen Änderungen angenommen. Zu diesen wenigen abgeänderten Vorschriften gehörte auch § 209, der die Begehungsund Vereitelungstötung regelte. Die vom Kommissionsentwurf vorgesehene lebenslange Zuchthausstrafe war vom Bundesrat wieder durch die Todesstrafe ersetzt worden. In den Motiven hierzu heißt es: "Die Tötung bei Unternehmung einer strafbaren Handlung ist wegen ihrer großen Gefährlichkeit, gleichwie im preussischen St.G.B., mit der schwersten Strafe, der Todesstrafe, bedroht worden. ,,58 Diese Bemerkung beweist zugleich das sicherheitspolitische Anliegen des Bundesrates bei Abfassung der Begehungs- und Vereitelungstötung. Der Reichstag konnte sich aber dem Vorschlag des Bundesrates nicht anschließen. In der Zweiten Beratung zum NorddStGB ging er sogar soweit, die Todesstrafe generell (also auch rur Mord) abzuschaffen. Diese wurde zwar in der dritten Beratung wieder eingeruhrt, nicht jedoch rur die Begehungs- und Vereitelungstötung. 59 Hier verzichtete man sogar auf die absolute Androhung S7Siehe hierzu P. Meyer, S. 15. SSMotive, S. 70; zit. n. P. Mayer, S. 16. s9Siehe hierzu P. Mayer, S. 16.

B. Die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag vor 1941

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der lebenslangen Zuchthausstrafe und eröffnete den Gerichten auch einen zeitigen Strafrahmen (wenn auch mit der hohen Untergrenze von zehn Jahren).

§ 214 NorddStGB wurde schließlich wörtlich in das Strafgesetzbuch fUr das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 aufgenommen. V. Andere deutsche Partikularstrafgesetzbücher Von den sonstigen deutschen Strafgesetzbüchern, welche die mit Vereitelungsabsicht begangene Tötung qualifizieren, ist zunächst das großherzoglich oldenburgische Strafgesetzbuch vom 3. Juli 1858 zu nennen. Es wiederholt in seinem Art. 160 den preußischen Art. 178 wörtlich, allerdings mit dem Unterschied, daß statt Todesstrafe lebenslängliches Zuchthaus angedroht wird. 60 Der Entwurf eines Strafgesetzbuches der freien Hansestadt Bremen aus dem Jahr 1868 bestimmte in § 306: "Zuchthaus nicht unter 10 Jahren soll erkannt werden, wenn der Totschlag

1. ... 2. bei Unternehmung eines Verbrechens, um ein der Ausführung desselben ent-

gegenstehendes Hindernis zu beseitigen oder um sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen, begangen worden ist."

Das oldenburgische Strafgesetzbuch und der bremische Entwurf eines Strafgesetzbuches ordnen damit die Begehungs- und Vereitelungstötung im Strafmaß zwischen dem Mord und dem einfachen Totschlag ein.

B. Die Unterscheidung von Mord und Totschlag vor der Novelle von 1941 Die sog. "kleine" Strafrechtsnovelle vom 4. September 1941 61 fUgte bekanntlich die Mordqualifikationsmerkmale in den § 211 StGB ein. Damit wurde eine fast einhundert Jahre alte gesetzliche Regelung zur Unterscheidung von Mord und Totschlag aufgegeben. 62 Der nun folgende Abschnitt dieser Untersuchung soll die historischen Wurzeln der alten Unterscheidung von Mord und Totschlag aufzeigen und die Auslegung der §§ 211 und 212 a.F. 6Op. Mayer, S. 14. 61RGBl. I, S. 549. "Klein" deshalb, weil die ursprüngliche Absicht, eine Generalreform des StGB, sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr verwirklichen ließ. 62Gerechnet ab dem PreußStGB von 1851, aus dem die Tötungsdelikte wörtlich in das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871 übernommen wurden. 10*

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

StGB durch das Reichsgericht erläutern. Hierdurch werden die Motive, die den Gesetzgeber 1941 dazu bewogen, eine bis heute höchst umstrittene Regelung der Tötungsvorschriften einzuführen, etwas klarer. Immerhin könnte man ihm den Vorwurf machen, eine vielleicht brauchbare Unterscheidung von Mord und Totschlag ohne Not verworfen zu haben. Bejaht man die damit gestellte Frage nach der Eignung der alten Regelung als Differenzierungsmethode zu den vorsätzlichen Tötungsdelikten, bleibt dies nicht ohne Konsequenzen für die Lösung des Problems der Verdeckungsabsicht. In einem solchen Fall müßte darüber nachgedacht werden, ob die Mordqualiftkationsmerkmale (und damit auch die Verdeckungsabsicht) nicht zugunsten der alten gesetzlichen Regelung wieder aus dem StGB zu entfernen sind. I. Die historische Entwicklung der Mordmerkmale Überlegung und Vorbedacht

Bis 1941 wurden Mord und Totschlag mittels des Tatbestandsmerkmals der Überlegung unterschieden. §§ 211 und 212 ReichsStGB hatten bis dahin folgenden Wortlaut: §211

Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft. § 212

Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung nicht mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Totschlags mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft. Diese Vorschriften waren seit der Verkündung des ReichsStGB im Jahre 1871 nicht mehr geändert worden und sind wörtlich dem NorddStGB von 1870 entnommen. Das NorddStGB seinerseits hat die Regelungen über Mord und Totschlag - abgesehen von einer Modifikation des Strafrahmens bei Totschlag - wörtlich dem PreußStGB von 1851 entnommen. Zahlreiche andere deutsche Partikularstrafgesetzbücher, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, unterschieden in ähnlicher Weise zwischen Mord und Totschlag mittels des Tatbestandsmerkmals der Überlegung oder ihres Zwillingsbruders, dem Vorbedacht. Überlegung und Vorbedacht sind zwar inhaltlich nicht völlig identisch, aber doch sehr eng verwandt. Beide Tatbestandsmerkmale setzen beim Täter eine gewisse, über den bloßen Vorsatz der Tötung hinausgehende Tatplanung vor-

B. Die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag vor 1941

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aus. Diese Tatplanung kann in einem Überdenken des Für und Wider der Tat bestehen oder die Art und Weise der Tatausftlhrung betreffen. Mit den Begriffen Überlegung und Vorbedacht kann man je nach Bedarf wahlweise nur eine oder beide Planungsphasen als Voraussetzungen für einen Mord bestimmen. Dabei betont der Begriff des Vorbedachtes die Planung vor Beginn der Tatausftlhrungen. Die Überlegung hingegen ist ihrem Wortsinn nach weniger zeitlich beschränkt. Mit ihr kann man auch Fälle erfassen, in denen der Täter erst im Moment der Tatausftlhrung beginnt, plan voll vorzugehen. Die Überlegung kann bei Bedarf aber auch dahingehend interpretiert werden, daß der Täter sowohl vor als auch während der Tatausftlhrungen planvoll handelt. Diese Flexibilität der Überlegung bei der Auslegung war es wohl, die ihr schließlich im Verhältnis zum Vorbedacht den Vorzug bei den deutschen Gesetzgebern gab. Die Trennung von Mord und Totschlag, also der qualifizierten Tötung von der einfachen Tötung, mittels des Merkmals der Überlegung ist allerdings kein deutsches Phänomen. Zahlreiche nationale Strafgesetzbücher haben im 19. Jahrhundert diesen Weg beschritten. In einer ganzen Reihe von nationalen Strafgesetzbüchern finden sich daher die Mordmerkmale der Überlegung und des Vorbedachts. Der Grund hierfiir darf wohl in dem erheblichen Einfluß des französischen Code Penals auf die Strafrechtssysteme Kontinentaleuropas, Lateinamerikas und einzelner asiatischer Staaten (z.B. das Chinas nach der Revolution von 1911) erblickt werden. Im Code Penal von 1791 und ihm nachfolgend im Code Penal (Code Napoleon) von 1810 ist der Vorbedacht (premeditation) neben der Tötung aus dem Hinterhalt das wichtigste Kriterium, den Mord (assassinat) von dem Totschlag (meurtre) zu trennen. Allerdings muß hier angemerkt werden, daß es praktisch kein anderes nationales Strafgesetzbuch gegeben hat, das mit einer solchen absoluten Strenge Mord und Totschlag ausschließlich nach dem Kriterium der Überlegung unterschieden hat, wie das ReichsStGB von 1871.

1. Das germanische Recht Die historischen Wurzeln der Überlegung als Unterscheidungskriterium für Totschlag und Mord bzw. die einfache Tötung und die qualifizierte Tötung sind auch heute noch nicht ganz geklärt. Wohl unstreitig ist, daß es sich nicht um eine germanisch-rechtliche Methode der Differenzierung handelt. Zwar trafen die germanischen Volksrechte eine Unterscheidung zwischen einer einfachen und einer höheren Form der Tötung, doch geschah diese Unterscheidung meist auf Grund einer Bewertung der Tatmotive oder der Tatausftlhrung.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

Viele gennanische Rechte verstanden unter einem Totschlag die vorsätzliche Tötung im "Zornmuth". Dieser Tatbestand blieb lange Jahrhunderte straflos, löste allenfalls Fehden zwischen den Sippen des Opfers und des Täters aus. Erst an der Schwelle zum Mittelalter wurde als Sühne die Zahlung eines Wergeldes eingeftlhrt (vennutlich um der als filr das Gemeinwesen schädlich empfundenen Fehden Herr zu werden). In späteren Jahrhunderten tritt an die Stelle des Wergeldes die Todesstrafe, die aber meist in der "ehrenhaften" Fonn der Schwertstrafe vollzogen wurde. Dagegen war filr den Mord die als unehrenhaft empfundene (und wohl auch brutalere) Hinrichtung durch das Rad vorgesehen. Der Mord wird im gennanischen Recht häufig mit dem Begriff des "Neidingswerks" (nidings drap) umschrieben. Hierunter sind insbesondere Handlungen zu verstehen, die in einer hinterhältigen oder heimtückischen Art und Weise ausgefUhrt wurden; aber auch Tötungen, die aus als besonders verachtenswürdig empfundenen Motiven (z.B. reine Habgier) erfolgten, werden als Neidingswerk erfaßt. Die Charakterisierung des Totschlags als Tötung im "Zornmuth" in den gennanischen Rechten darf wohl nicht als Privilegierung einer Affekttötung mißverstanden werden. Vielmehr lag eine solche Tötung schon dann vor, wenn die Tat im Rahmen eines Zweikampfes ausgeftlhrt wurde, der beiden Seiten die gleichen Chancen hinsichtlich des Ausgangs dieses Kampfes eröffnete. 61 Dies setzte voraus, daß der Kampf mit "ehrlichen" Waffen, insbesondere mit dem Schwert, ausgetragen wurde. Als "unehrliche" Waffen galten vor allem Dolch, Gift und Brandstiftung. 64 Der Täter durfte nicht in "böslicher Absicht", d.h. mit als verwerflich einzustufenden Motiven (z.B. um sich zu bereichern) gehandelt haben. 65 Schließlich durfte die Tat nicht unter Verletzung eines Friedens geschehen. 66 Im wesentlichen waren daher sieben Formen qualifizierter Tötungen bekannt61 : - die Tötung ist nicht im Zornmuth, also im Waffenstreit, sondern um einer bösen Absicht willen an einem schuldlosen Mann begangen worden; - die Tötung wird von dem Täter heimlich (aus dem Hinterhalt) begangen oder von dem Täter zwar im offenen Zweikampf ausgefUhrt aber nach Vollendung verheimlicht (z.B. indem er den Leichnam versteckt); - die Tat wird mit unehrlichen Waffen oder durch andere Mittel, die als unehrlich oder besonders getah.rlich gelten, ausgefUhrt (z.B. durch Gift oder mittels Brandstiftung); - die Tötung eines Wehrlosen; 63Wilda, 64Wilda, 6sWilda, 66Wilda, 67Wilda,

S. S. S. S. S.

686 705 686 686 705

f.; Allfeld, S. 42; Thomas, S. 30. f. f.; Allfeld, S. 42; Thomas, S. 30. f.; Allfeld, S. 42; Thomas, S. 30. f.

B. Die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag vor 1941

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- der Täter stand zu dem Opfer in einem zu Treue und Ergebenheit verpflichtenden Verhältnis; - die Tötung geschieht unter Verletzung eines höheren Friedens (z.B. des Thing-Friedens); - die Tötung einer in der gesellschaftlichen Hierarchie auf Grund ihrer Amtswürde oder Geburt über einen gewöhnlichen Freien stehenden Person." In den germanischen Volksrechten hat weder die Überlegung noch der Affekt eine Rolle bei der Unterscheidung der schweren von der leichten Form der Tötung eine Rolle gespielt. Die oben genannten Qualiflkationtatbestände können genausogut mit Überlegung wie im Affekt begangen werden. Keine dieser Tötungen setzt zwingend voraus, daß der Täter mit Überlegung oder Vorbedacht handelte. Auch ein Affekttäter kann die einzelnen Tatbestände verwirklichen'" Das gleiche gilt fUr die Tötung im Zornesmuth. Diese setzte im wesentlichen nur voraus, daß die beiden Kontrahenten einen offenen Zweikampf austrugen, in dem beide Seiten die gleichen Chancen hinsichtlich des Sieges hatten. Auf Grund dieser Offenheit vermuteten die germanischen Volksrechte, daß der Täter sich von edlen Motiven hat leiten lassen. Dagegen ist es auch hier fUr die Bewertung der Tat gleichgültig, ob er seine Tat im Affekt ausfilhrte oder lange im voraus plante und lediglich einen günstigen Moment abwartete. 7o Die wohl herrschende Meinung in der Literatur geht daher davon aus, daß im germanischen Recht Überlegung und Affekt keine Unterscheidungskriterien filr Mord und Totschlag waren." 2. Das römische Recht

Statt dessen ist man heute der allgemeinen Überzeugung, die historische Quelle fUr die Überlegung bzw. den Vorbedacht im römischen oder doch zumindest im italienischen Recht zu flnden. Das wichtigste große römische Strafrechtswerk, das gewisse Rückschlüsse auf eine Verwendung der Überlegung (oder doch zumindest des Affektes) als 68Man sieht den Qualifikationstatbeständen des germanischen Rechts unschwer an, daß sie Pate bei der Schaffung der Mordqualifikationsmerkmale gestanden haben. 69Allfeld, S. 43 f.; Hälschner III, S. 37; vgl. auch Thomas, S. 33 ff. 7°Allfeld, S. 43 f. 7lAllfeld, S. 43 f.; Hälschner III, S. 37; Vgl. auch Thomas, S. 33 ff.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

Unterscheidungskriterium zwischen Mord und Totschlag zulassen könnte, ist die noch auf Sulla zurückgehende Lex Comelia de sicaris et veneficis aus dem Jahre 82 v. Chr. 72 Ursprünglich kannte die Lex Comelia keine in subjektiver Hinsicht differenzierende Betrachtungsweise der Tötungstatbestände. Eine Unterscheidung fand nur aufgrund objektiver Tatbestandsmerkmale statt. So lag z.B. ein schwerer Fall der Tötung vor, wenn die Tat mittels Gift oder Brandstiftung ausgeftihrt wurde, daß Opfer der eigene Vater war u.s.w. 73 Die Lex Comelia galt mit erheblichen Änderungen während der Kaiserzeit fort. Seit Hadrian soll dann in der Bestrafung zwischen einer Tötung mit Überlegung (propositio) und einer solchen im Affekt (impetus) unterschieden worden sein. 74 Den Grund für die Annahme einer entsprechenden Differenzierung im römischen Recht liefert ein zu dieser Zeit in die Lex Comelia eingefügter Fall. Dort heißt es, daß ein Ehemann, der, hingerissen von der Gewalt des Schmerzes, die beim Ehebruch ertappte Gattin getötet hat, nicht nach der ganzen Strenge des Gesetzes bestraft werden soll, weil es sehr schwierig sei, einen gerechten Schmerz zu unterdrücken. 7s Dieser wohl heute als herrschend zu betrachtende Auffassung über die Entstehung des Mordmerkmals der Überlegung können allerdings gewichtige Argumente entgegengesetzt werden. 7• So vertritt z.B. Allfeld die Ansicht, daß das römische Recht überhaupt nicht innerhalb der vorsätzlichen Tötungen differenziert habe. Der Grund für die Privilegierung des Ehemannes in dem von der Lex Comelia erwähnten Fall, sei nicht so sehr darin zu erblicken, daß er übereilt und in Erregtheit gehandelt hat. Ursache für die mildere Bestrafung des Täters sei vielmehr der Umstand, daß der Ehebruch eine schwere Beleidigung und Kränkung des Ehemannes darstelle und er somit aus einem nach römischen Vorstellungen gerechten, ja sogar höchst ehrenvollen Motiv gehandelt habe. 77 Wäre für die römischen Kaiser und Rechtsgelehrten tatsächlich die Rascheit des Tatentschlussses der entscheidende Faktor gewesen, so hätten sie dies klarer und deutlicher zum Ausdruck gebracht als es mit der Schilderung jenes Ehebruch-Falles in der Lex Comelia geschehen ist. 7• Des weiteren bevorzugten die eher praktisch denkenden römischen Juristen, Rechtsfolgen an äußerlich eindeutig erkennbare Tatbestandsmerkmale zu 72Zur Frage, ob die erheblich ältere Lex Numae (ca. 700 v. ehr.) ebenfalls schon Ansätze zu einer Differenzierung der Tötungsdelikte mittels Kriterien wie Überlegung oder Vorbedacht erkennen lassen, siehe Thomas, S. 7. 73Siehe hierzu im einzelnen Thomas, S. 10 ff. 7·V • LisztlEb. Schmidt, S. 462 f.; Blei, S. 7; Kohlrausch/Lange, 43. Aufl., §§ 211, 212, Anm. III 2); Maurach/SchroederlMaiwald, S. 25.; SimsonlGeerds, S. 13. 75Zit. n. Allfeld, S. 18 f. 76S0 vor allem von Allfeld, S. 17 ff.; siehe aber auch Temme, S. 55. 77Allfeld, S. 18 f. 71Allfeld, S. 20 f.

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knüpfen, wie z.B. die Art des benutzten Tatwerkzeugs. Dagegen hätten sie schwer nachweisbare, weil sich ausschließlich in Psyche des Täters abspielende Tatbestandsmerkmale, wie sie Überlegung und Affekt darstellten, sicher abgelehnt. 7. Außerdem fmde sich der in dem Fallbeispiel zur Charakterisierung der Tötung verwendete Begriff impetus nur sehr selten im römischen Recht; und dort, wo er gebraucht werde, habe er meist einen sehr verschiedenen Inhalt. Dies spräche dagegen, daß es sich bei dem Begriff impetus um einen terminus technicus gehandelt habe, den die römischen Juristen zur Umschreibung eines bestimmten Tatbestandes (der Affekthandlung) gebrauchten. '" Schließlich beweise die deutliche Betonung der Motive des Ehemannes bei der Tötung, daß das römische Recht einen ganz bestimmten Ausnahmefall regeln und nicht eine allgemeine Privilegierung der Affekttötung aufstellen wollte. 3 \ Nach der Auffassung Allfelds hatten die römischen Juristen mit der Sc~ilderung des Ehebruch-Falles also weniger die Absicht, ein subjektives Tatbestandsmerkmal zur allgemeinen Differenzierung innerhalb der vorsätzlichen Tötungen einzuftlhren, sondern wollten vielmehr einen beschränkten Schuldausschließungsgrund schaffen. Die Frage, ob die Lex Cornelia seit der Zeit Hadrians zwischen überlegter Tötung einerseits und affektiver Tötung andererseits unterschieden hat, kann eigentlich nur auf Grund sorgfältiger etymologischer Untersuchungen beantwortet werden. Zeitgenössische Kommentierungen, die hierüber sicheren Aufschluß geben könnten, fehlen. Eine überzeugende Beweisftlhrung kann wohl ft1r beide Seiten nicht geftlhrt werden. Es soll daher ft1r den weiteren Verlauf der Untersuchung dahingestellt bleiben, welcher Auffassung letztlich zu folgen ist. 3. Das italienisqhe Recht im Mittelalter

Einigkeit herrscht aber in der Lehre, daß im italienischen Recht des Mittelalters die Unterscheidung zwischen einer überlegten Tötung und einer solchen im Affekt bereits verhältnismäßig weit entwickelt ist. So weist Dahm daraufhin, daß die Statuarrechte im 13. und 14. Jahrhundert bei manchen Tatbeständen (nicht unbedingt Tötungen) die Schwere der Strafe mitunter davon abhängig machten, ob der Täter überlegt oder in Erregung handelt. 32 Dabei wur79Allfeld, S. 22 f. 8°Allfeld, S. 26 f. 8lAllfeld, S. 28. 821m Statut von Siena (1309/1310) steht auf Verstümmelung "in meschia et rissa" Geldstrafe von 500 Lire, auf Verstümmelung "di proponimento altrui che ne la meschia" Geldstrafe von 1500 Lire. Mit dem Tode wird nach diesem Statut bestraft, wer

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de allerdings nicht genau die psychische Situation des Täters im Zeitpunkt der Tat analysiert. Vielmehr wurde aus den äußeren Umständen der Tat geschah sie z.B. während eines Streites oder eines Angriffs seitens des Opfers - unwiderlegbar auf einen Affekt geschlossen. Konnten Umstände, die eine Erregung des Täters nahelegen, nicht nachgewiesen werden, ging man ebenso unwiderlegbar von einer überlegten Handlung aus'" Diese Gesetzgebung der italienischen Stadtstaaten regte die zeitgenössischen Rechtswissenschaftier an, ein ähnliches System zur Differenzierung der Tötungsdelikte zu verwenden. 84 Diese sonderten zunächst die Tötung in rixa (im Streit) und die Tötung in impetus (Erregung) aus den übrigen vorsätzlichen Tötungen aus, wobei zwischen den Begriffen rixa und impetus nicht immer streng unterschieden wurde. Sie wurden teilweise abwechselnd, teilweise synonym verwande s Die so gestaltete Tötungskategorie wurde darüber hinaus mit den römischen Grundsätzen über den ausnahmsweise zu berücksichtigenden Entschuldigungsgrund des honestissimus calor (ehrenvollen Zorns) nach vorausgegangener schwerer Beleidigung verbunden. Dieser griff zwar nur dann ein, wenn die Tat unmittelbar nach der Zufügung der Beleidigung, ohne weiteres Besinnen (ex abrupto) ausgeführt wurde." Die italienischen Juristen sind aber bald dazu übergegangen, eine in leidenschaftlicher Erregung begangene Tötung auch noch dann anzunehmen, wenn seit der Veranlassung zur Tat ein längerer Zeitraum (höchstens dreißig Tage) vergangen war. Das Gegenstück hierzu bildete die Tötung auf Grund eines gewissen Tatplanes. 87 mit Vorbedacht einen anderen tötet, aber nur mit Geldstrafe von 3000 Lire, wenn er dies im Streit tut. Das Statut von Vercelli unterscheidet ebenfalls Straftaten "in rixa" von "tractate et appensate" begangenen Verbrechen. Nach dem Statut von Moncalieri (1378) wird ein Täter strenger bestraft, wenn er einen anderen mit Überlegung ("meditate") verletzt als derjenige, der dieselbe Verletzung im Streit ("in rixa") zufUgt. Das Gesetz von Ivrea bedroht eine Körperverletzung, die zum Tod des Opfers fUhrt, mit der Todesstrafe, es sei den, daß die Tat "non tamen appensate, sed furore et luxuria" geschah. In diesem Fall ist nur eine Geldstrafe zu bezahlen. Albericus de Rosciate beruft sich bei seiner Einteilung der Tötungsdelikte auf ein Statut von Bergamo, das zwischen überlegter und unüberlegter Tötung, zwischen tractatim und non tractatim begangenen Taten unterscheidet. Beispiele zit. n. Dahm, Das Strafrecht Italiens, S. 268 f

83Dahm, Das Strafrecht Italiens, S. 268 f 84ZU nennen sind hier vor allem Albericus de Rosciate (gest. 1354), Bartolus de Saxoferrato (1314 - 1357), Baldus de Ubaldis (ca. 1327 - 1400), Hippolytus de Marsiliis (gest. 1529), Aegidius Bossius (gest. 1546) und Julius Clarus (1525 - 1575); siehe zu diesem Komplex auch Dahm, Das Strafrecht Italiens, S. 268 ff u. 328 f. 85 Allfeld, S. 83. 86Allfeld, S. 83 ff. 87Allfeld, S. 85 f; Dahm, Das Strafrecht Italiens, S. 268 f.

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Damit standen den italienischen Juristen nunmehr zwei Fonnen der vorsätzlichen Tötung zur Verfügung, die - im Gegensatz zum gennanischen Recht weniger anband von Verwerflichkeitskriterien, sondern auf Grund von eher psychologischen Gesichtspunkten unterschieden wurden. Dabei hat die nicht in Erregung begangene Tötung natürlich noch nicht viel gemein mit dem mit Überlegung begangenen Mord, wie man ihn im 19. Jahrhundert in vielen Strafgesetzbüchern antrifft. So fehlt eine scharfe dogmatische Trennung zwischen Überlegung und Vorsatz. Es darf angenommen werden, daß sowohl in der Theorie als auch in der Praxis diese Begriffe nur sehr unsicher gehandhabt wurden. Viele nach unserem Verständnis nur vorsätzlich begangene Tötungen wird man als überlegte bezeichnet haben und umgekehrt. Für die ohne Überlegung begangene Tötung, die eher dem minder schweren Fall des § 213 StGB entspricht, wird es im italienischen Recht keinen großen Anwendungsbereich gegeben haben. Keinesfalls wird sie wie der ohne Überlegung begangene Totschlag nach § 212 ReichsStGB der Regelfall der vorsätzlichen Tötungen gewesen sein. Doch spielte nunmehr die Überlegung in den Doktrin der italienischen Juristen eine zunehmend an Bedeutung gewinnende Rolle." 4. Ursachen für die Einführung der Kriterien Überlegung und Vorbedacht

Was die italienischen Juristen des Mittelalters dazu bewogen haben könnte, ausgerechnet die Überlegung verstärkt bei der Differenzierung der Tötungsdelikte heranzuziehen, ist, ebenso wie die genaue Entstehungsgeschichte dieses Mordmerkrnals, bis heute nicht ganz geklärt. Zunächst muß festgestellt werden, daß die Regelungen in den gennanischen Volksrechten (und im italienischen Recht) von einem anscheinend tiefsitzenden Bedürfnis zeugen, die vorsätzlichen Tötungsdelikte in eine schwere und eine leichte Fonn zu unterteilen. Denn sonst würde man den Dualismus von Mord und Totschlag nicht in so vielen Rechten der damaligen Zeit antreffen. Mit dem umfangreichen Strafrahmen der Tötungsdelikte und einem damit ggf. einhergehenden Wunsch nach ojektiven Differenzierungskriterien kann dieses Phänomen alleine nicht erklärt werden. Zwar sahen z.B. die gennanischen Volksrechte lange Zeit einen nicht unerheblichen Sprung im Strafmaß zwischen der einfachen und der qualifizierten Tötung vor (einerseits Straflosigkeit bzw. Zahlung eines Wergeldes, andererseits Todesstrafe), doch ging man spätestens ab dem Mittelalter dazu über, ft1r beide Taten die Todesstrafe vorzusehen (wenn auch dem Mörder meist die brutalere Hinrichtungs88Allfeld, S. 87.

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methode, z.B. durch das Rad, vorbehalten blieb). Bei den italienischen Juristen des Mittelalters, welche die Überlegung überhaupt erst eingeführt oder doch zumindest dogmatisch gefestigt haben, fehlt sogar diese Differenzierung bei der Todesstrafe. Die Todesstrafe für die Tötung mit Überlegung wie für die im Affekt sind meist auf die gleiche Art zu vollziehen. Warum ein solches allgemeines Bedürfnis nach Differenzierung besteht, läßt sich vielleicht überhaupt nicht mehr klären und muß letztlich im geschichtlichen Dunkel verbleiben. Vielleicht ist es eine tiefsitzende Erkenntnis, daß vorsätzliche Tötungen wie kaum andere Straftaten in ihrer ethischen Verwerflichkeitsbewertung erheblich auseinandergehen können. Zwar gehört der Mord seit altersher mit zu den schwersten Straftaten, der in fast allen Strafrechtsordnungen streng sanktioniert wird. Doch bedeutet dies bei weitem nicht, daß alle vorsätzlichen Tötungen wirklich bestraft wurden, nicht einmal, daß sie überhaupt unter Strafe gestellt sind. Die meisten Rechtsordnungen kannten zu jeder Zeit zahlreiche Fallkonstellationen, in denen die Tötung straflos war. So gab es in den archaischen Gesellschaften Menschenopfer, die Sklavenhaltergesellschaften betrachteten die Tötung von Sklaven als legal, in Kriegen war das Töten schon immer zulässig. In praktisch allen modemen Rechtsordnungen ist die Tötung in Notwehr erlaubt. Man kann sogar soweit gehen und sagen, daß als durch Notwehr gerechtfertigte Tatbestände im wesentlichen nur die Tötungen und Körperverletzungen in Betracht kommen. Bei der Verletzung aller anderen Strafrechtstatbestände ist eine Notwehrsituation fast nur theoretisch denkbar. Man kann also feststellen, daß das menschliche Leben als Rechtsgut von den einzelnen Strafrechtsordnungen eher ambivalent betrachtet wird, mitunter, wie z.B. bei der Notwehr, sogar betrachtet werden muß. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, was die römischen und italienischen Juristen dazu bewogen haben könnte, die Überlegung als Unterscheidungsmerkmal für Mord und Totschlag heranzuziehen. Am Anfang der geschichtlichen Entwicklung hin zum Begriff der Überlegung scheint jedenfalls die Tötung im Affekt zu stehen: der durch ein mehr oder weniger aggressives oder beleidigendes Verhalten des Opfers gereizte Täter schreitet zur Tötung. Eine solche Tötung im Vergleich zu anderen Tötungen zu milder zu bestrafen, dürfte ein schon fast zwingender Vorgang gewesen sein. Das Opfer trägt an seiner eigenen Tötung eine gewisse Mitschuld. In sehr vielen Rechtskulturen wird man es als unangemessen empfunden haben, dann den Täter für die Tötung alleine büßen zu lassen. Die Mitschuld des Opfers hat fast zwangsläufig eine Reduzierung der Strafe beim Täter zur Folge. Der intellektuelle

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Schritt, der zur Privilegierung der Affekttötung führte, dürfte dann nur ein kleiner gewesen sein. 89 Allfeld ist der Auffassung, daß sich zu dem so geschaffenen minder schweren Fall einer vorsätzlichen Tötung sich als Gegensatz dazu die besonnene, überlegt ausgeführte Tötung fast schon von selbst aufdränge. 90 Eine andere Aufassung vertritt dagegen Thomas. Er führt die Entstehung der Überlegung auf die besonderen Verhältnisse des italienischen Mittelalters zurück. Die großen Patrizierfamilien hätten sich bei ihren Machtkämpfen immer häufiger gedungener Mörder bedient, was zu einem beachtlichen Anstieg des Lohnmordes in den italienischen Städten geführt habe. Meist wurden diese Tötungen zudem heimtückisch ausgeführt. Daher habe sich bald ein Bedürfnis nach Bekämpfung sowohl des in Bereicherungsabsicht handelnden Täters als auch desjenigen, der bei Ausführung der Tötung heimlich oder hinterhältig vorgeht, herausgebildet. Beide Täter gingen fast zwangsläufig überlegt vor. Insofern habe man die Überlegung als den kleinsten gemeinsamen Nenner von Raubmord und Tötung aus dem Hinterhalt erkannt und diese statt jene anderen Begriffe zur Umschreibung des Mordes benutzt. 91 Auch die Frage nach dem warum der Überlegung kann letztlich keiner abschließenden Klärung mehr zugeführt werden. Die Motive, welche die spätmittelalterlichen Gesetzgeber zur Aufnahme einer (zumindest rudimentär vorhandenen) Überlegung als Abgrenzungskriterium zwischen Mord und Totschlag bewegten, sind nicht überliefert. Es spricht aber einiges für die von Allfeld vertretene Auffassung, wonach die überlegte Tötung als Gegensatz zur Tötung in rixa und in impetus entwickelt wurde. Begünstigt man den in Erregung handelnden Täter, scheint es nur natürlich, den planvoll vorgehenden Täter härter zu bestrafen. Trotz aller berechtigten Kritik an dem Merkmal der Überlegung ist auch heute noch in den Anschauungen vieler (auch Juristen) der kühl berechnend handelnde Täter von dem "Idealbild" des Mörders nicht allzu weit entfernt. 92 5. Die Aufnahme der Überlegung in das deutsche Recht

Ebenfalls umstritten ist die Frage, wann das aus dem römisch-italienischen Recht stammende Merkmal der Überlegung seinen Einzug in das deutsche 19Was letztlich dafUr spricht, daß die Affekttötung doch schon im römischen Recht bekannt gewesen sein dürfte. 90 Allfeld, S. 83 ff. 91Thomas, S. 99, 113 ff. 92Vgl. auch Geilen, JR 1980,309,313.

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Recht gefunden hat. Eine Beantwortung dieser Frage fiillt nicht zuletzt deshalb schwer, weil das Strafrecht des deutschen Mittelalters in zahlreiche Territorialrechte zersplittert war. Daher ist es praktisch unmöglich ein bestimmtes Gesetz heranzuziehen und es an den Anfang der Geschichte der Überlegung im deutschen Strafrecht zu stellen. Feststeht zunächst, daß man im Mittelalter langsam dazu übergeht, den Begriff Mord ftlr den qualifizierten und den des Totschlags ftlr den privilegierten Fall der Tötung zu verwenden. 91 a) Das Mittelalter Einen ersten Hinweis auf die Verwendung der Überlegung fmdet sich in dem ca. 1215 bis 1235 entstandenen Sachsenspiegel und einer erläuternden Glosse. Der Sachsenspiegel regelt die Tötungsdelikte in Kap. 11 Art. 13 § 4 und § 5. In § 4 heißt es: "Alle mordere ... , die sal man alle radebrechen." In § 5 heißt es: "Der den man slet ... , den sal man die houbete abslän." Wie in vielen anderen mittelalterlichen Rechten auch, werden die Begriffe Mord und Totschlag nicht definiert, sondern als bekannt vorausgesetzt. Eine Erläuterung findet sich erst in einer Glosse zum Sachsenspiegel. Sie gehört zu den ältesten Definitionen der Begriffe von Mord und Totschlag im deutschen Recht überhaupt." Dort heißt es zu § 4: "Etzlicher töt den anderen umb sein gut von geratem mut, daz seint mörder und von den sagt he hie ... ,,9S Dagegen liegt nach der Glosse Totschlag vor, wenn die Tötung in "unvride" geschieht. Die Verwendung des Begriffs "von geratem mut" scheint daraufhinzudeuten, daß ein Mord nach der Glosse nur vorliegen soll, wenn der Täter mit einer gewissen Überlegung oder einem Vorbedenken handelte. Ein Teil der Literatur geht daher auch davon aus, daß mit dieser Glosse die Überlegung und der Vorbedacht ihren Einzug in das deutsche Strafrecht als Unterscheidungskriterien von Mord und Totschlag gefunden haben. 96 Ein anderer Teil der Literatur bestreitet allerdings, daß die Glosse den Mord als eine überlegte oder vorbedachte Tötung beschreiben wollte. 97 Zur Begründung beruft sie sich auf eine etwas ältere Fassung der Glosse, die wie folgt lautet: "Ethlike dodet den anderen umme syn dingk. Dith sind morder, von den sedt he hie." Hier fehlt der Begriff "von geratem mut" (beratenen Mut) und damit jeder Hinweis auf eine Überlegung als Mordvoraussetzung. 9lAllfeld, S. 65. 94Allfeld, S. 66. 95Zit. n. Allfeld, S. 66. %Hälschner III, S. 44; neuerdings wohl auch Thomas, S. 68. 97Allfeld, S. 67; wohl auch Wilda, S. 711, Fn. 5.

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Insbesondere Allfeld'· ist der Auffassung, daß die Glosse, und damit auch der Sachsenspiegel, sich nach wie vor auf dem Boden gennanisch-rechtlicher Traditionen bewege, indem sie bei der Begriffsbestimmung des Mordes vor allem ein Motiv des Täters, nämlich seine Gewinnsucht, betone. Des weiteren verlange die Glosse für einen Totschlag nicht, daß die Ausführung eine rasche, unbesonnene gewesen sei, sondern nur Zorn oder Unfrieden als Motive. Der Gebrauch des Begriffes "unvride" deute sogar auf eine Fehde hin, also eines zwischen Täter und Opfer seit längerer Zeit bestehenden feindseligen Verhältnisses, d.h. der Tatbestand des Totschlags würde sogar eher noch als der Mord eine Tötung mit Überlegung voraussetzen. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß zahlreiche mittelalterliche Rechte den Begriff des Totschlags durchaus nicht auf Fälle der vor~ätzlichen Tötung beschränken. Als Totschlag wurden lange Zeit auch solche Fälle erfaßt, in denen der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelte und der Tod des Opfers mehr oder weniger zuflillig eintrat, also die nach modernem Rechtsverständnis eher Körperverletzungen mit Todesfolge waren. Erst im ausgehenden Mittelalter begann man, unter römisch-rechtlichen Einfluß, den mit direktem Tötungsvorsatz (animus occidendi) ausgeführten Totschlag von jenen Taten zu unterscheiden, bei denen der Täter zwar in einer feindlichen Haltung, aber nicht unbedingt mit Tötungsabsicht gegen sein Opfer vorgegangen und dessen Tod dabei mehr oder weniger zuflillig eingetreten ist. Zuvor wurde zwischen diesen Taten oft kein Unterschied gemacht und bezeichnete alle diese Fälle einheitlich als Totschlag. Erst später, unter römisch-rechtlichen Einfluß, ging man dazu über, eine Tat nur noch dann mit dem Begriff Totschlag zu umschreiben, wenn ein entsprechender animus occidendi vorlag. 99 Insofern könnte es durchaus sein, daß die Glosse durch die Verwendung des Begriffs "von geratem Mut" lediglich darauf hinweisen wollte, daß der Mor.d, im Gegensatz zum Totschlag, auf jeden Fall vorsätzlich begangen werden mUßte. loo Überhaupt ist es wohl die große Allfeld, S. 67 f. Allfeld, S. 88. Dieser Umstand erschwert natürlich zugleich auch die Beantwortung der Frage, ab wann und in welchen Rechten eine Differenzierung der Tötungsdelikte anhand der Überlegung vorgenommen wurde. Verwenden verschiedene Stadt- und Landrechte einen Begriff, wie z.B. "vorbetrechtlich", zur Umschreibung von Mord, dann mag dies ein Hinweis darauf sein, daß nach diesen Rechten der Täter bei Begehung der Tötung einem gewissen Tatplan gefolgt sein muß, um ihm einen Mord vorwerfen zu können. Die Verwendung des Begriffes "vorbetrechtlich" (oder ähnlicher Begriffe) deutet aber genau so gut vielleicht nur darauf hin, daß nach dem Willen des Gesetzgebers der Täter zur Begehung eines Mordes auf jeden Fall mit einem Tötungsvorsatz i.S.e. animus occidendi gehandelt haben muß, während für den Totschlag ein Verletzungsvorsatz genügt. 100Vgl. auch Allfeld, Die Entwicklung des Begriffes Mord, S. 68. 98 99

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Ähnlichkeit des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Überlegung mit dem Merkmal des Vorsatzes, was die genaue Festlegung ihres Entstehungszeitpunktes und ihre spätere Entwicklung so schwierig macht. Es wird daher in den kommenden Jahrhunderten noch oft unklar bleiben, ob der Verfasser eines Rechtssatzes, der einen der Überlegung oder des Vorbedachtes verwandten Rechtsbegriff gebraucht, nun tatsächliche eines dieser beiden Merkmale meinte oder lediglich den Vorsatz. In den zahlreichen deutschen Stadtrechten des Mittelalters werden Formulierungen zur Umschreibung einer vorsätzlichen Tötung verwendet, die darauf hindeuten könnten, daß das Merkmal der Überlegung als Unterscheidungskriterium von Mord und Totschlag zumindest ansatzweise zu dieser Zeit bereits bekannt war. Andererseits kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß die Verfasser mit ihrer Wortwahl lediglich klarstellen wollten, daß das schwerer zu bestrafende Tötungsdelikt auf jeden Fall mit Tötungsvorsatz begangen worden sein muß, während rur das milder zu bestrafende Delikt Verletzungsvorsatz genügt. So ist nach c. 8 des Straßburger Statuts von 1249 die Höhe der Strafe rur die Tötung eines Menschen davon abhängig, ob die Tat mit "premeditatio consilio" oder "non premeditatio consilio" ausgefilhrt wurde (im ersten Fall Ausweisung aus der Stadt rur ein Jahr, im zweiten Fall Ausweisung rur einen Monat). 101 Vergleichbare Formulierungen finden sich im Frankfurter Stadtrecht von 1297 (§ 8 "... animo deliberato ... "), im Reichsbrief von Grech aus dem Jahre 1242 ("premeditata malita") und im Reichsbrief von Gehrden aus dem Jahre 1319 ("ex proposito vel deliberatione animi, quod vulgariter vorsate dicitur").102 In einer Bamberger Urkunde von 1350 heißt es: "Ob das wäre, das ein mörder hinein hinz und kheme, der mid verdachtem muth offentlich oder heimblich einen mordt hett gethan, der soll keinen friedt bey uns nicht haben. Geschehe aber ein todschlag von iähem zorn oder von trunckenheit oder von auflaufs wegen ... ,,103 In einem Privileg Karls IV. rur Heilbronn von 1354 wird derjenige vom Asyl ausgeschlossen, der "offen mörder oder bösewicht, der mort oder andere bosheit oder aufsetze getan hette", im Gegensatz zu dem, der "umb schuld oder totschlag oder andere sache, die ohn aufsatz und on geverd geschehe, darin flohe".I04 Bei HisloS werden noch einige Beispiele rur Stadtrechte aufgezählt, die den Mord vom Totschlag durch den Begriff "aufsatz" unterscheiden.

IOIZit. n. der Textausgabe des Statuts bei Gaupp, S. 85. 102Zit. n. Hälschner III, S. 44, Fn. 3. I03Zit. n. H. Hirsch, Hohe Gerichtsbarkeit, S. 42, Fn. 4. I04Zit. n. His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters II, S. 93. lOsHis, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters II, S. 93, Fn. 7.

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Das Stadtrecht von Ofen (Art. 306) aus dem Jahre 1421 bezeichnet als Mord eine Tötung, die "mit langem gedachten Vorsatz und mit Verwartung" ausgeftlhrt wurde.'" § 237 des Steierischen Landlaufs aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts b~zeichnet die Tötung, die nicht einer augenblicklichen Aufwallung entspringt, sondern "durich neid", d.h. durch Haß, veraniaßt ist, als Mord.'07 Der ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert stammende Iglauer Schöffenspruch bezeichnet die Tötung "animo deliberato positis insidiis" als Mord (mortificatio).108 Eine vergleichbare Formulierung findet sich im Brünner Schöffenbuch (c. 522).'09 Nach einem Rechtsbrief von Zutphen aus dem Jahre 1486 wird ein "Totschläger mit vorsait ind opsait gleich dem Mörder bestraft"."o Die Wormser Reformation von 1498 ordnet die Todesstrafe fUr denjenigen an, der "aufsetzlich vorbetrechtlich eynen anderen anlauffi auff me springt oder angeet mit aussgereyfften mörtlichen waffen jne zu letzen".'" Der Mainzer Stadtfriede von 1300 kennt zwar nur den Begriff des Totschlages und nicht auch den des Mordes, sieht aber für Tötungen unterschiedliche Strafen vor, je nach dem, ob die Tötung mit "vorgesatztem rade" oder "ane vorsatz, van geschichte" ausgeführt wurde (§ 6). Im ersten Fall muß der Delinquent die Stadt für fünf Jahre verlassen, im letzten Fall dagegen nur ftlr zwei Jahre. 1I2 § 5 des Stadtrechts von Brügge stellt die Tötung "by vorsienen rade ende by ghemaecter laghe" der Tötung "by heeten bloede" gegenüber. In den friesischen Rechten (z.B. Middelburg von 1254, Zeeland von 1258) steht auf Tötung "bi redenda rede ende bi leidera lege" (mit beratenem Rate und bei gelegtem Hinterhalt), wie auf einigen anderen als schwer hervorgehobenen Tötungen auch, ein mehrfaches Wergeld. Auch im rigischen Recht wird die mit "vorsate" ausgeführte Tötung deutlich vom Mord unterschieden. 1I3 Das um 1515 redigierte ostfriesische Landrecht bestimmt, daß die unvorsätzliche, trunkenen oder hastigen Mutes begangene Tötung mit Geld gesühnt werden könne, den vorsätzlichen und mit wohlbedachtem Mut verübten Totschlag aber immer die Todesstrafe treffe."·

Zit. n. Thomas, S. 71. I07His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 93 f. 108Zit. n. His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 94. I09Zit. n. His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 94, Fn. 3. lIoZit. n. His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 94, Fn. 4. 'IiZit. n. Allfeld, S. 89. 112Zit. n. His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 89. 113 Alle Rechte zit. n. His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters 11, S. 88 f. 114Zit. n. Allfeld, S. 92. ' 06

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Die wohl herrschende Meinung im Schrifttum geht davon aus, daß das in den deutschen Stadt- und Landrechten des Mittelalters verwendete Merkmal des Vorbedachtes (bzw. ähnlich lautender Begriffe) noch nichts gemein hat mit dem subjektiven Tatbestandsmerkmal in den Strafgesetzbüchern des 19. Jahrhunderts.'" Vielmehr solle mit der Betonung eines gewissen Tatplanes beim Täter lediglich klar gestellt werden, daß dieser hinsichtlich der Tötung auf jeden Fall vorsätzlich gehandelt haben müsse, dagegen nur Körperverletzungsvorsatz (mit anschließender Todesfolge) ftir die Annahme von Mord (bzw. der schweren Form einer Tötung) nicht ausreiche. Nur selten wird der Mord in den genannten Rechten allein durch die Verwendung des Begriffes Vorbedacht gekennzeichnet. Häufig liegt ein Mord auch dann vor, wenn der Täter aus bestimmten Motiven handelte (hier ist vor allem Gewinnsucht, also der Lohn- und Raubmord, zu nennen l16 ) oder die Tat in einer bestimmten Art und Weise ausfiihrte (z.B. Tötung aus dem Hinterhalt oder in anderer heimtückischer Weise"', mittels Brandstiftung, unter Verwendung bestimmter als "unehrlich" oder hinterhältig empfundener Waffen, wie etwa Gift, Dolch, Armbrust"8). Auch die Tötung eines nahestehenden Familienangehörigen (z.B. der Eltern) wird oft als qualifizierte Tötungen betrachtet und mit einer deutlich strengeren Strafe belegt als der einfache Tot115Hälschner III, S. 44, sieht in der vorbedachten Tötung eine solche, zu der das Opfer keinen Anlaß gegeben hat. Allfeld, S. 69, weist daraufhin, daß der Vorbedacht oftmals im Zusammenhang mit anderen die Tat zum Mord qualifizierenden Merkmalen, wie z.B. Gewinnsucht, genannt wird. Die Tötung aus materiellen Motive geschehe aber immer überlegt. Mit der zusätzlichen Erwähnung des Vorbedachts solle lediglich die Notwendigkeit eines habgierigen Motivs für die Verurteilung des Täters wegen Mordes noch einmal betont werden; neuerdings auch Thomas, S. 72; anderer Ansicht ist dagegen anscheinend His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 93 f. 116S0 z.B. im Stadtrecht von Brügge aus dem Jahre 1304 (§ 18), im Steierischen Landlauf aus dem 14. Jahrhundert; auch die Glosse zum Sachsenspiegel gehört letztlich zu diesen Rechten. II'SO stellt das Brünner Schöffenbuch ausdrücklich fest, daß die Tötung in offener Fehde (inimicita manifesta) kein Mord sei; zit. n. His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, 1935, S. 92, Fn. 6. Auch eine heimlich ausgeführte Tötung wird in den Partikularrechten oftmals als Mord bezeichnet; Nachweise bei His, a.a.O., S. 90 f. Mitunter genügte für die Klassifizierung einer Tötung als Mord, alter germanischer Tradition entsprechend, schon das bloße Verbergen des Leichnams nach der Tat (so noch das Stadtrecht von Augsburg: "... ist daz ein man den andren ze tode sieht und das niht lougent und auch den toten niht verbirget, der ist des mordes niht schuldik ... "; zit. n. His, a.a.O., S. 90, Fn. 8; siehe hierzu auch Wilda, S. 706 ff.; Dahm, Das Strafrecht Italiens, S. 330 f. 118ZU den Mordwaffen (mortwapen, arma mortifera) als qualifizierende Umstände bei der vorsätzlichen Tötung siehe insbesondere Thomas, S. 73; Wilda, S. 567; His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 89 f. m.w.Nw.

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schlag \l9, das gleiche gilt filr die häufig erwähnte Tötung unter Verletzung eines Treueverhältnisses oder eines gelobten Friedens. 12o Damit scheinen sich die deutschen Stadt- und Landrechte noch an dem germanischen Verwerflichkeitsprinzip zu orientieren. Bestimmte Tatmotive und bestimmte Begehungsformen der Tötung werden als besonders anstößig empfunden und daher qualifiziert. Der Totschläger scheint immer noch ein solcher Täter zu sein, der seinen Gegner im "fairen" Zweikampf bezwungen hat und wird im Vergleich zum Mörder meist milder bestraft. Ist für den Totschlag die Todesstrafe vorgesehen, wird diese verhältnismäßig human vollzogen (z.B. durch Enthaupten), die Todesstrafe filr Mord wird in der Regel sehr viel brutaler vollzogen (häufige Hinrichtungsmethoden bei Mord sind das Rädern und die Schleifung 12l , aber auch die Verbrennung 122, das Einmauern oder Einschmieden in einen Panzer, das Sieden in heißem Öl und die Säckung werden genannt I23 ). In vielen Partikularrechten kann sich der Totschläger überdies noch lange Zeit der Hinrichtung durch Zahlung eines Wergeldes entziehen oder muß lediglich eine mehr oder weniger kurzfristige Verbannung ertragen. 12' Dagegen scheint das "Idealbild" des Mörders nach den deutschen Stadtund Landrechten ein Täter zu sein, der sein Opfer eben nicht in einem fairen Zweikampf überwunden, sondern sein Ziel durch eine mehr oder weniger hinterhältige Methode erreicht hat. Ebenfalls Mörder sind solche Täter, die aus eigennützigen Motiven töten oder ihre Tat unter Mißachtung der Herrschaftsverhältnisse begehen (Bruch eines Treueverhältnisses, eines angeordneten Friedens). Man kann natürlich darüber streiten, ob die mittelalterlichen Rechte noch wirklich vom germanischen Zweikampfdenken beherrscht werden oder nur 'I~achweise bei His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 86 - 88.

'2~achweise bei His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 92 f. '2IHis, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 94. 122His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 95. '23His, Das Strafrecht des Deutschen Mittelalters 11, S. 86 f. Bei der Säckung wird der Täter zusammen mit diversen Tieren in einen Sack gebunden und dann ertränkt. Das in einigen Rechten vorgesehene Erhängen des Täters am Galgen wirkt im Vergleich zu den o.g. Hinrichtungsmethoden schon fast wieder human. Näheres dazu bei His, a.a.O., S. 95. 124His, Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, S. 124; Thomas, S. 79 ff. m.w.Nw. Danach scheint in der Strafrechtspraxis der mittelalterlichen Städte die Todesstrafe für Totschlag überhaupt keine Rolle gespielt zu haben. Fast immer habe der Täter durch Wergeld- oder Bußgeldzahlungen seine Schuld sühnen können, mitunter, z.B. bei der Tötung eines Fremden, sei nicht einmal dies erforderlich gewesen. 11'

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Teil II: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

noch vordergründig diesem Prinzip folgen und in Wirklichkeit bereits anderen Zwecken dienen. 121 Jedenfalls scheinen die mittelalterlichen Stadt- und Landrechte weder die Überlegung noch den Affekt als Kriterien zur Unterscheidung von Mord und Totschlag zu kennen. Statt dessen orientieren sie sich noch (wenn auch vielleicht nur auf den ersten Blick) an den alten germanischen Volksrechten. Es dürfte in der Tat auch zweifelhaft sein, ob die Verfasser der mittelalterlichen Rechte (die vielleicht nicht einmal immer über eine juristische Bildung verfügten) überhaupt in der Lage gewesen wären, einen klare dogmatische Unterscheidung zwischen dem subjektiven Tatbestandsmerkmal der Überlegung und dem Vorsatz zu treffen, die sich letztlich nur in Nuancen unterscheiden. Allenfalls hätten sie, wie die zeitgenössischen italienischen Juristen, die zeitliche Dauer zwischen Tatanlaß und Tatausführung betont und als Kriterium herangezogen, etwa dergestalt, daß Mord dann vorliege, wenn der Täter eine bestimmte (in Stunden oder Tagen bemessene) Frist mit der Tat abgewartet hat (z.B. die Dreißig-Tage-Frist der italienischen Juristen).126 Eine solche Regelung findet sich aber nicht in den hier betrachteten Rechten. Da125So ist z.B. Thomas, S. 88 ff., der Auffassung, daß in den mittelalterlichen Stadtund Landrechten das germanische Zweikampf-Prinzip keine Bedeutung mehr habe. Auch wenn diese Rechte sich noch äußerlich an den germanischen Volksrechten orientierten, hätten sich doch die Zielgruppen der Mord- und Totschlagsregelungen gewandelt. Die Mordvorschriften mit ihren brutalen Strafsanktionen richteten sich in erster Linie gegen die sog. "schädlichen Leute". Hierzu gehörten insbesondere die Angehörigen der sozial benachteiligten Unterschichten der mittelalterlichen Gesellschaft, die ihren Lebensunterhalt durch Straftaten erwirtschafteten, also jene Personen, die man auch als "fahrendes Volk" bezeichnete, wie z.B. Spielleute, Bettler, erwerbslose Landsknechte. Diese Bevölkerungsgruppen seien von dem wohlhabenderen Teil der mittelalterlichen Gesellschaft (Adel und Bürgertum) als Bedrohung empfunden worden. Daher habe man die Straftaten, die von diesen unterprivilegierten Kreisen am häufigsten begangen wurden, vor allem Diebstahl und andere heimlich ausgeführte Delikte, unter besonders harte Sanktionen gestellt, um potentielle Gewaltverbrecher abzuschrecken. Aus diesem Grund sei der Mord als Vermögensdelikte bzw. heimlich ausgeführte Straftat ausgestaltet worden. Der einfache Totschlag sei dagegen das Auseinandersetzungsmittel des Bürgertums und des Adels gewesen. Das in den Totschlagtatbeständen alternativ zur Todesstrafe vorgesehene Wergeld oder Bußgeld habe es der besitzenden Klasse ermöglicht, sich quasi freizukaufen. Einen ähnlichen Standpunkt wie Thomas, wenn auch ohne dessen starke Betonung des ideologischen Charakters der Tötungsvorschriften, vertritt Allfeld, S. 74: Auch er geht davon aus, daß diese Regelungen in erster Linie der Disziplinierung der schädlichen Leute diente. Das Strafrecht des Mittelalters sei von einem einfachen Sicherheitsdenken beherrscht gewesen. Man habe die Existenz der schädlichen Leute als eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit betrachtet und sie daher aus der menschlichen Gesellschaft entfernen wollen. Dem entsprechend seien die Tötungsvorschriften ausgestaltet worden. 126S0 wohl im Ergebnis auch Allfeld, S. 74 f.

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her spricht einiges dafür, daß im mittelalterlichen Deutschland die Überlegung (bzw. der Vorbedacht) noch unbekannt waren. l21 b) Die Neuzeit Am Beginn der Neuzeit stehen in Deutschland in strafrechtlicher Hinsicht die Halsgerichtsordnungen. Zu den bedeutendsten Gesetzeswerken dieser Art zählen die Bambergische Halsgerichtsordnung von 1507 (Cautio Criminalis Bambergensis, CCB) und die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Constitutio Criminalis Carolina, CCC). Die Art. 155 - 182 CCB sind den Tötungsdelikten gewidmet. Art. 162 CCB regelt Mord und Totschlag. Dort heißt es: "Jtem ein yeder moerder oder todtschleger hat, wo er desshalb nit rechtmessig entschuldigung aussfuern kan, das leben verwurckt; Aber nach gewonheyt etlicher gegent werden die fursetzlichen moerder vnd todtschleger einander gleych mit dem Rade gericht: darinnen sol vnderscheyde gehalten werden vnd also, das, der gewonheyt nach, ein fursetzlicher mutwilliger moerder mit dem rade vnd ein ander, der einen todtschlage auss jheheyt vnd zorn gethan vnd sunst der nachgemelten entschuldigung nit hat, mit dem schwert vom leben zum tode gestraffi werden soellen; ... " Diese Vorschrift ist fast wörtlich von der CCC (dort Art. 137 128) übernommen worden. In Art. 250 differenziert die CCB noch einmal zwischen "furgesetzte moerderey, die mit bosshaffiiger vorbetrachtung vnd verwartung geschieht" und "todschleg, die von vngeschichten auss zorn vnd on boesen furgesatzten willen gescheen". Aus diesen Fonnulierungen der CCB und der CCC schließt die Mehrheit unter den Rechtshistorikern, daß beide Gesetze unter Mord eine mit Überlegung, unter Totschlag eine im Affekt begangene vorsätzliche Tötung verstehen. Durch die Gegenüberstellung des "fursetzlichen mutwilligen moerders" einerseits und des nicht "fursetzlich", sondern aus "jheheyt vnd zorn" (Art. 127Eine Ausnahme hiervon mag das oben erwähnte Stadtrecht von Ofen sein. In diesem erst am Ende des Mittelalters entstandenen Stadtrecht scheint die gleichzeitige Erwähnung eines langen Überdenkens der Tat neben dem Vorsatz auf ein Mordmerkmal der Überlegung hinzudeuten; so im Ergebnis auch Allfeld, S. 67 f. '2KArt. 137 CCC: "Item eyn jeder mörder oder todtschläger wo er deßhalb nit rechtmessig entschuldigung außfUren kan, hat das leben verwürckt. Aber nach gewonheyt etlicher gegent, werden die fürsetzlichen mörder vnd die todtschleger eynander gleich mit dem radt gericht, darinnen soll vnderscheydt gehalten werden, vnd also daß der gewonheyt nach, ein fürsetzlicher mutwilliger mörder mit dem rade, vnnd eynander der eyn todtschlag, oder auß gecheyt vnd zorn gethan, vnd sunst auch gemelte entschuldigung nit hat, mit dem schwert vom leben zum todt gestrafft werden sollen, ... "

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

137 CCC: "gecheyt vnnd zorn") handelnden Totschlägers sei der Mord als eine überlegte, der Totschlag als eine nicht-überlegte Tötung definiert worden. 129 Der Begriff "fursetzlich" in der CCB und CCC dürfe nicht als lediglicher Hinweis auf das Vorhandensein oder Fehlen des einfachen Tötungsvorsatzes mißverstanden werden. Begründet wird diese Auffassung zunächst damit, daß sich dem Wortlaut nach der von CCB und CCC verwendete Begriff "fürsetzlich" nur auf Mörder, nicht aber auch auf Totschläger bezieht. Da der Totschlag ebenfalls eine vorsätzliche Tötung sei, müsse folglich mit filrsetzlich beim Mord etwas anderes gemeint sein als der Tötungsvorsatz. 130 Daß sich der Begriff filrsetzlich nur auf Mörder und nicht auch auf Totschläger bezieht, folgert man bei der CCC noch zusätzlich aus dem Artikel "die", der sowohl vor den fUrsetzlichen mördern als auch vor todtschleger steht. Damit hätten die Verfasser der CCC unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß es in der Vorschrift um die fUrsetzlich handelnden Mörder und die eben nicht fUrsetzlich handelnden Totschläger geht (und nicht etwa um fUrsetzlich handelnde Mörder und fUrsetzlich handelnde Totschläger). Nur wenn der Artikel "die" vor den Totschlägern fehlen würde, könnte man annehmen, daß der Begriff filrsetzlich sich auch auf Totschläger bezieht. 1l1 Des weiteren wird diese Auffassung mit der sonst üblichen Wortwahl der CCB und CCC zur Umschreibung des Vorsatzes begründet. Beide Gesetze bedienten sich dabei meist solcher Begriffe, wie "bosshafftig", "arglistig", "geuerlich", "freuenlich", "gewaltig", "unerlich", "betriglich" u.s.w. Dagegen werde der Begriff fursetzlich außerhalb der Tötungsdelikte in der CCB nur noch ein einziges Mal, nämlich in Art. 140, in der CCC an fUnf Stellen verwendet, dort aber stets in Verbindung mit einem der erwähnten anderen, den Vorsatz ausdrückenden Adjektive. Hieraus dürfe geschlossen werden, daß mit fursetzlich beim Mord etwas anderes gemeint sein muß als der einfache Tötungsvorsatz. Im übrigen würde dessen spezielle Hervorhebung gerade bei einem nur vorsätzlich begehbaren Verbrechen von einer "kaum glaublichen Trivialität" der Verfasser der CCB und CCC zeugen. 132 Als weiteres Argument fUr die Prämeditation als Tatbestandsmerkmal des Mordes in CCB und CCC wird auf den bereits erwähnten Art. 250 CCB ver'~Qterbock, S. 234 ff.; Eb. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 116; Brunnenmeister, S. 249; Heffter, S. 206; Roßhirt, S. 306; im Ergebnis wohl auch Thomas, S. 121 m.w.Nw. 13&ygl. Allfeld, S. 98 f. I3IWachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 5 ff. IJ2Güterbock, S. 234 f.

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wiesen. Dort wird differenziert zwischen "furgesetzte moerderey, die mit bosshaftiger vorbetrachtung vnd verwartung geschieht" und Totschlagsfällen, "die von vngeschichten auss zorn vnd on bösen furgesatzten willen gescheen" .133 Mit dieser Vorschrift erläutere die CCB noch einmal, was sie unter einer furgesetzten Mörderei verstehe, nämlich eine mit boshaftiger Vorbetrachtung und Verwartung ausgeführten Tötung. Unter dem Begriff Verwartung, der auch in anderen Rechtsquellen Verwendung finde, sei das Auflauern zu verstehen. Mit diesem Begriff wollte man den im Mittelalter so häufigen Raubmord erfassen, der zugleich auch ein prägnantes Beispiel für eine mit Überlegung ausgeführte Tötung sei. Werde zur näheren Erläuterung des Terminus "furgesetzte mörderei" zusätzlich der Begriff Vorbetrachtung (der auf eine gewisse Tatplanung hindeute) verwendet sowie der Raubmord, der häufig nicht nur mit Vorsatz, sondern auch mit Überlegung ausgefUhrt werde, als erklärendes Beispiel erwähnt, hätten die Verfasser der CCB unter furgesetzt etwas anderes verstehen müssen als den einfachen, auf Tötung gerichteten dolus. Als Beleg dafür, daß die CCB und die CCC mittels der Prämeditation zwischen Mord und Totschlag unterschieden, wird auch auf die Überschrift des Art. 148 CCC verwiesen.'34 Diese lautet: "Straff der jhenen, so eyander inn morden schlahen vnnd rumoren fürsetzlieh oder vnfürsetzlich beistandt thun." Der Gedanke, der hinter dem Verweis auf diese Überschrift steht, ist der, daß eine fahrlässige oder gar zuflillige Beihilfe undenkbar ist, es sich bei dem erwähnten unfürsetzlichen beistandt also um eine vorsätzliche Beihilfe handeln muß. Folglich verstehe die CCC unter unfürsetzlich bzw. fürsetzlich etwas anderes als unvorsätzlich bzw. vorsätzlich. l3S Außer in Art. 137 und der bereits erwähnten Überschrift zu Art. 148 wird das Begriffspaar fürsetzlichlunfürsetzlich von der CCC nur noch an einer einzigen Stelle verwandt, nämlich in Art. 134. Dort heißt es: "ltem so eyn artzt auß vnfleiß oder vnkunst vnnd doch vnfürsetzlich jemandt mit seiner artzenei (tötet) der soll nach gestalt vnd gelegenheyt der sachen vnd nach radt der verstendigen gestrafft werden ... Hett aber eyn artzt solch tödtung williglieh gethan, so wer er als ein fürsetzlicher mörder zu straffen." Auch aus dieser Stelle folgert man, daß die CCC mit dem Begriff unfürsetzlich nicht bloß die Abwesenheit von Vorsatz meint bzw. lediglich die Fahrlässigkeit umschreiben will. Die Fahrlässigkeit werde in Art. 134 schon mit den Begriffen "vnkunst" und "vnfleiß" umschrieben. Durch die Verwendung der Worte "vnd doch" werde aber zwischen unfürsetzlich einerseits und unkunst und unfleiß 133Güterbock, S. 235 f. 134Güterbock, S. 239, Fn. 2 Nr. 2. 13SYgl. Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 10.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

andererseits ein Gegensatz hergestellt. Dies wäre aber unverständlich, wenn man unfUrsetzlich als fahrlässig interpretieren würde. 136 Der Auffassung, daß CCB und CCC zwischen Mord und Totschlag mittels des Kriteriums der Überlegung differenzieren, sind mit gewichtigen Argumenten vor allem Allfeld 137 und Wachenfeld 138 entgegengetreten. Beide Gesetzeswerke knüpften nach wie vor an alte germanische Rechtstraditionen, wonach der Mord im Gegensatz zum Totschlag eine verwerfliche Tötung sei. Allenfalls fUr den Totschlag könne durch die Verwendung der Begriffe "in gecheyt und zorn" anerkannt werden, daß CCB und CCC beginnen, die affektive Tötung aus dem Mord auszuklammern. Als Gegenargument wird geltend gemacht, daß die beiden Gesetzeswerke schon ihrem Wortlaut nach vielleicht gar nicht die Absicht hatten, die Unterscheidung von Mord und Totschlag auf einen dogmatisch vollkommen neuen Boden zu stellen, sondern lediglich die Frage verbindlich entscheiden wollten, wie die Täter dieser Straftaten zu bestrafen sind. 139 In der Tat beklagen CCB und CCC ja den Zustand, daß vielerorts sowohl fUr den Mord als auch fUr den Totschlag die einheitliche Strafe des Räderns vorgesehen ist. Diese Verfahrensweise scheint von den Verfassern der beiden Gesetzeswerke als ungerecht empfunden worden zu sein und wurde daher durch ein differenzierteres Strafensystem (Räderung des Mörders, Enthauptung des Totschlägers) ersetzt. Hinsichtlich des Inhalts der Begriffe Mord und Totschlag habe man an die althergebrachten Definitionen knüpfen wollen. l40 Auch die Verwendung des Begriffes "mutwillig" zur Umschreibung des Mordes spreche dafUr, daß CCB und CCC an alte germanische Rechtstraditionen anknüpfen wollten. Hierdurch sollte lediglich festgestellt werden, daß es sich beim dem Mord um eine verwerfliche Tötung handle, die durch keine wie auch immer geartete Provokation von Seiten des Opfers veraniaßt worden ist. 141 Die grammatikalische Interpretation, wonach die CCC mit der Stellung des Artikels "die" sowohl vor den fUrsetzlichen Mördern als auch vor dem Totschläger zum Ausdruck gebracht habe, daß sich der Begriff "fUrsetzlich" nur 136Güterbock, S. 239, Fn. 2 Nr. 2. 137Allfeld, S. 92 ff. I3IWachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. I ff. S. 92 f. 1-40Allfeld, S. 92 f. 141AlIfeld, S. 94 f.; ähnlich Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 12 f. 139AlIfe1d,

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auf Mörder, aber nicht auf Totschläger beziehe, sei nicht zwingend, zumal wenn man bedenkt, daß der Artikel erst in der dritten Fassung der CCC vor dem Begriff "todtschleger" eingefügt wurde. 142 Aber selbst wenn man unterstellt, daß die Verfasser von CCB und CCC davon ausgingen, daß der Totschlag unfilrsetzlich begangen werde, bedeute dies nicht zwangsläufig, daß mit filrsetzlich etwas anderes als vorsätzlich gemeint sei. Wie viele andere mittelalterliche Rechte auch, könnten CCB und CCC unter einem Totschlag durchaus nicht nur die vorsätzliche Tötung eines Menschen im Affekt verstanden haben, sondern jede Tötung, welche die Folge eines in Jäheit und Zorn gerichteten Angriffs ist, egal ob der Angreifer mit Tötungsvorsatz oder Körperverletzungsvorsatz handelte. 143 In Anbetracht der Tatsache, daß weder zur CCB noch zur CCC schriftliche niedergelegte Äußerungen der Verfasser dieser beiden Gesetzeswerke vorhanden sind, die Rückschlüsse auf ihre Ansichten und Motive zuließen, ist jede Streitentscheidung nicht frei von Spekulation. Wirklich befriedigend kann daher die Frage, nach welchen Kriterien CCB und CCC Mord und Totschlag voneinander schieden, vielleicht nie geklärt werden. Jedenfalls wird man sich hüten müssen, in den beiden Gesetzen eine strenge Dogmatik von Überlegung und Affekt zu erkennen, wie sie schließlich im 19. und frühen 20. Jahrhundert von der Strafrechtswissenschaft und der Rechtsprechung zu diesen Tatbestandsmerkmalen entwickelt worden ist. Betrachtet man Lebensgeschichte und Werk Schwarzenbergs (ca. 1465 - 1528), des geistigen Vaters der CCB, spricht vieles dafür, daß der Überlegung und dem Vorbedacht tatsächlich nunmehr eine verstärkte Bedeutung zur Unterscheidung von Mord und Totschlag im deutschen Strafrecht zukommt. Da ist zunächst einmal der Einfluß des italienischen Rechts auf Schwarzenberg zu erwähnen, das ihn nachhaltig beeindruckte. 144 Auch die Abkehr von der stark emotional geprägten Verwerflichkeitsprüfung des Täters und seiner Motive, wie sie nach den mittelalterlichem Rechten zur Feststellung eines Mordes erforderlich war, hin zu der rational eher nachvollziehbaren Prüfung, ob der Täter berechnend oder im Affekt gehandelt hat, dürfte ebenfalls zu Schwarzenbergs aufklärerischen Geist passen. 14S Es soll daher filr den weiteren Verlauf dieser Untersuchung davon 142Allfeld, S. 98 f. '43Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 20. '44Siehe hierzu Eb. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 116. 145 Auch Eb. Schmidt, Einflihrung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 116 weist darauf hin, daß Schwarzenberg "bei den Italienern in die Schule gegangen ist". Die Beschäftigung mit dem italienischen Strafrecht habe Schwarzenberg die Möglichkeit eröffnet, sich wissenschaftlich mit der Materie auseinanderzusetzen, was wiederum bei ihm zu einer kritischen Distanz zum Strafrecht im mittelalterlichen Deutschland geführt habe.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

ausgegangen werden, daß mit der CCB und der CCC in Deutschland die Phase beginnt, in der die Unterscheidung des Mordes vom Totschlag mit Hilfe des Begriffes der Überlegung, als eines neben dem Vorsatz selbständig stehenden Tatbestandsmerkmals, erfolgt. CCB und insbesondere die CCC galten zwar als die bedeutendsten deutschen Gesetzwerke ihrer Zeit, doch enthielten sie kein fur das ganze Reich geltendes Recht. Die CCB als Partikularstrafgesetzbuch konnte nur fur das Bistum Bamberg Wirkung entfalten. Die CCC war zwar Reichsrecht, galt aber als solches nur subsidiär, d.h. partikulare Strafrechte gingen ihr vor. 146 Insofern folgte aus dem Umstand, daß CCB und CCC in der Abgrenzung von Mord und Totschlag neue Wege gingen, nicht zwangsläufig, daß in Deutschland diese beiden Tötungstatbestände ausschließlich mittels des Merkmals der Überlegung unterschieden wurden. Vom 16. Jahrhundert ab beginnt in Deutschland die Phase des gemeinen Rechts, das bis weit ins 18. Jahrhundert gelten sollte. Das Strafrecht wird nun verstärkt einer systematischen Betrachtung unterworfen und zu einem eigenen, neben den Partikularstrafrechten stehenden Lehrgebäude entwickelt. Daneben werden die Stadt- und Landrechte in zunehmenden Maße von wissenschaftlich ausgebildeten Juristen verfaßt. Diese Entwicklung vollzieht sich zunächst unter dem bedeutsamen Einfluß der italienischen Rechtswissenschaft, die in ihrer Dogmatik der deutschen weit überlegen ist. Die italienische Strafrechtsdogmatik, aber auch der Umstand, daß die CCC trotz ihrer nur subsidiären Gültigkeit, zahlreiche Partikulargesetze in der nachfolgenden Zeit beeinflußte, dürfte im Ergebnis zu einer verhältnismäßig raschen Verbreitung der neuen Doktrin über die Abgrenzung der Tötungsdelikte Mord und Totschlag geführt haben.'" Zu nennen ist hier vor allem die Constitutio Criminalis Theresiana von 1768. Hier wird viel146Siehe hierzu Eb. Schmidt, Einfllhrung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 142, der allerdings daraufbinweist, daß in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Partikularstrafgesetzbücher entstanden, die sich mehr oder weniger stark an der CCC, mitunter auch an der CCB, orientierten. Dies dürfte im Ergebnis zu einer raschen Verbreitung der neuen Doktrin über die Tötungsdelikte Mord und Totschlag gefllhrt haben. 147S0 wurde 1535 in Hessen die Constitutio Criminalis Philippina erlassen, eine fast wörtliche Wiedergabe der CCC. Die Chur-Kölner Reformation von 1538 und die Pommersche Hofgerichtsordnung von 1566 lehnen sich ebenfalls wörtlich an die CCC an. In Mecklenburg ergeht 1570, in Münster 1571, in Butzbach 1578 die allgemeine Anweisung, der CCC zu folgen. In Chur-Brandenburg entscheiden die Gerichte seit 1529 nach der CCB und spätestens seit 1535 nach der CCC. Die Kursächsischen Konstitutionen von 1572 beruhen in ihrem strafrechtlichen Teil wesentlich auf der CCC. Engen Anschluß an die CCC zeigen auch die Badischen Landrechte (Baden-Baden 1588, Baden-Durlach 1622), das Churpfälzische Landrecht von 1582 sowie die Hamburger Statuten von 1603. Seit 1516 wird in den fränkischen Besitztümern Brandenburgs die der CCB nachgebildete Brandenburgica angewendet.

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leicht zum erstenmal in einem deutschen Strafrechtswerk unmißverständlich von einer vorbedachten Tötung gesprochen ("... daß der Fürsatz jemanden umzubringen einige Zeit vor dem Angriffe und vor der Thathandlung vorhergegangen sei oder daß der Totschläger den Tod des Entleibten vorbedächtlich ... gewollt habe"I'.). Allerdings wird dieser Umstand in der Theresiana nicht strafschärfend berücksichtigt. 1.9 Abschließend ist zur gemeinrechtlichen Phase zu bemerken, daß in dieser Zeit der Vorbedacht zwar nur langsam, aber beständig als Kriterium fUr die Abgrenzung von Mord und Totschlag Raum gewinnt. Das Ende des Gemeinrechts in Deutschland wird üblicher weise mit dem Beginn der Aufklärung angesetzt. Das erste wichtige Gesetz dieser Epoche ist das ALR von 1794, auch wenn es in vielen Bereichen noch dem 17. Jahrhundert zugerechnet werden muß. Die Tötungsdelikte finden sich dort in den §§ 806 ff. (Teil 11 Titel 20). Einen Totschlag nach § 806 begeht, "wer in der feindseligen Absicht, einen Andern zu beschädigen, solche Handlungen unternimmt, woraus, nach dem gewöhnlichen allgemein oder ihm besonders bekannten Laufe der Dinge, der Tod desselben erfolgen mußte, und ihn dadurch wirklich tödtet". Die hierfilr vorgesehene Strafe ist die Hinrichtung mit dem Schwert. Ein Mord (§ 826) begeht, wer "mit vorher überlegtem Vorsatze zu tödten einen Todschlag wirklich verübt". Die hierfilr vorgesehene Strafe ist das Rädern. Ob unter dem "vorher überlegten Vorsatze" die Prämeditation verstanden werden muß, ist bis heute nicht ganz geklärt. So ist Temme 1so der Auffassung, daß das ALR den Mord mittels der Prämeditation vom Totschlag unterscheidet. Die Gegenauffassung lSl versteht hierunter nur den einfachen Tötungsvorsatz. Zur Begründung fUhrt sie an, daß der Totschlag des ALR seinem Wortlaut nach nur bestimmte getahrliche Körperverletzungen mit Todesfolge erfaßt. Würde man Mord als die mit Prämeditation und Tötungsvor-

148Zit. n. Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 37 und Thomas, S. 158, Fn. 70. 149Ähnlich auch der Codex iuris Bavarici criminalis von 1751, der in Kap. 3 § 1 den Totschlag als mit "bösem geflihrlichen Fürsatz" verübte Tötung definiert. Die Formulierung orientiert sich an der Morddefinition der CCC, was darauf hindeuten könnte, daß eine überlegte bzw. vorbedachte Tötung gemeint ist. Qualifizierend wirkt der Umstand der Überlegung auch hier nicht. Der Täter ist mit dem Schwert hinzurichten. Als Mord, der mit dem Rädern zu bestrafen ist, werden einige Spezialfälle der vorsätzlichen Tötung bezeichnet (wie z.B. Raub- und Lohnmord, Elternrnord, die hinterlistige Tötung u.s.w.). lsoremme, S. 131. ISIHälschner I, S. 61; zweifelnd auch Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 148.

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Teil 1I: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland

satz ausgeführte Tötung verstehen, entstünde eine nicht erklärliche Stratbarkeitslücke hinsichtlich der vorsätzlichen nicht prämeditierten Tötung. ,s2 Daß das ALR möglicherweise unter dem vorher überlegten Vorsatz etwas anderes als den bloßen Tötungsvorsatz verstanden haben könnte, ergibt sich vielleicht schon daraus, daß der Entwurf noch von einem "vorher gefaßten Vorsatz" sprach. Zumindest diese Formulierung deutet darauf hin, daß nichts anderes als der Tötungsvorsatz gemeint sein sollte. Wenn man allerdings später von einer recht eindeutigen Formulierung zur Umschreibung des Vorsatzes zugunsten einer anderen abgewichen ist, könnte dies ein Indiz dafilr sein, daß auch inhaltlich eine Änderung beabsichtigt war. 'S3 Auch die zu befilrchtende Rechtslücke überzeugt nicht als Argument. Eine Rechtslücke entstünde nur dann, wenn man den Totschlag nach dem ALR ausschließlich auf Körperverletzungen mit Todesfolge beschränken und nicht auch auf vorsätzlich, nicht-prämeditierte Tötungen ausdehnen würde. Der Wortlaut jedenfalls erfaßt nicht zwingend nur die erstgenannten Fälle; zumal wenn man bedenkt, daß § 806 nicht jede Körperverletzung mit Todesfolge als Totschlag betrachtet, sondern nur eine solche, bei der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit der Eintrit des Todes zu erwarten ist und dies fiir den Täter auch erkennbar war. Insofern liegt der Gedanke nahe, daß es sich bei § 806 lediglich um eine Beweiserleichterungsvorschrift handelt. Mit ihr sollte vielleicht nur verhindert werden, daß ein hinsichtlich der Tötung vorsätzlich handelnder Täter später vor Gericht behaupten kann, er habe nur eine schwere Körperverletzung begehen wollen, um sich des Vorwurfs des Totschlags oder des Mordes zu entziehen. Mit letzter Sicherheit kann diese Frage allerdings nicht geklärt werden. Feststeht jedenfalls, daß auch noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland der Begriff Totschlag nicht ausschließlich filr vorsätzliche Tötungen reserviert war.'s. Dies dürfte im Ergebnis auch zu einer nicht unerheblichen Unsicherheit bei der Anwendung der Begriffe Vorsatz, Vorbedacht, Überlegung in Gesetzgebung und Praxis gefilhrt haben, so daß der Begriff der Überlegung (des Vorbedachtes) das eine mal als Synonym fiir den Tötungsvorsatz, das andere mal als ein über den Tötungsvorsatz hinausgehendes, eine besondere Tatplanung umschreibendes subjektives Tatbestandsmerkmal gebraucht wurde.

IS2Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 148. 'SJoies sieht auch Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 148, so. 154In Österreich verstand man sogar bis zur Strafrechtsreform von 1975 unter Totschlag jede Körperverletzung mit Todesfolge.

B. Die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag vor 1941

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Dies änderte sich jedoch mit dem zweiten wichtigen deutschen Gesetzeswerk in der Zeit nach dem gemeinen Recht, dem bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 (BayStGB), dessen geistiger Vater Johann Paul Anselm von Feuerbach (1775 - 1833) war. Mord liegt vor, wenn die Tötung "mit Vorbedacht beschlossen oder mit Überlegung" ausgeflihrt wurde (Art. 146 BayStGB). Die Tat ist mit dem Tod zu bestrafen. Ein Totschlag liegt vor, wenn der Täter "ohne Überlegung und Vorbedacht in aufwallender Hitze des Zornes eine lebensgefilhrliche Handlung wider den anderen beschließt und ausruhrt" und das Opfer an den Folgen dieser Tat stirbt (Art. 151 BayStGB). Als Strafe ist lebenslängliches Zuchthaus, ausnahmsweise auch nur Zuchthaus von acht bis zwölf Jahren, wenn der Getötete die Tat provoziert hat. Der Mord ist nach Feuerbachs eigenen Bekundungen nicht bloß eine Tötung, die schon dann vorliegt, wenn der Täter mit einfachem Tötungsvorsatz handelt. Vielmehr müssen Vorbedacht und Überlegung als eigene Tatbestandsmerkmale zusätzlich vorliegen. Dagegen ist Totschlag die Tötung im Affekt. 'ss Diese Betrachtungsweise der Tötungsdelikte ist in das BayStGB eingeflossen. 'S6 Feuerbach hat sich bei seiner Regelung des Mordes an dem Code Penal von 1791 orientiert. Schon dieser definierte den Mord (assassinat) als eine mit Vorbedacht (premeditation) ausgeflihrte Tötung. ,s7 Dagegen war Totschlag (meurtre) die ohne Vorbedacht begangene Tötung. ,s8 Fast alle deutschen Partikularstrafgesetzbücher, die in den Jahrzehnten nach dem BayStGB entstanden, folgten diesem im wesentlichen, soweit es die Unterscheidung von Mord und Totschlag betrifft. 1851 erließ Preußen als letzter großer deutscher Partikularstaat ein modemes Strafgesetzbuch. Die Tötungsdelikte waren dort im wesentlichen nach dem Feuerbach'schen Vorbild geregelt. Die von dem preußischen Gesetzgeber 1851 geschaffene Regelung der Tötungsdelikte war 1870 Vorbild rur das Strafgesetzbuch ftlr den Norddeutschen Bund, welches wiederum praktisch unverändert 1871 als Strafgesetzbuch rur das Deutsche Reich übernommen wurde.

ISSFeuerbach, Kritik des Kleinschrodschen Entwurfs, 3. Theil, S. 81. 156S0 im Ergebnis auch Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 68. IS7p. 11 T. I Art. II Code Penal von 1791. Bekanntlich ist der Code Penal bei seiner Definition des Mordes einer sprachlichen Ungenauigkeit erlegen. Eine Tötung kann nicht mit Vorbedacht (premeditation) ausgeführt werden, weil es sich bei dem Vorbedacht schon begrifflich um einen psychischen Vorgang handelt, der bei Ausführung der Tat abgeschlossen sein muß. Feuerbach vermeidet diesen sprachlichen Fehler, indem er die notwendige psychische Situation des Täters während der Tat mit dem Begriff der Überlegung umschreibt (siehe hierzu auch Wachenfeld, Die Begriffe von Mord und Totschlag, S. 69). ISlp. 11 T. I Art. 8 Code Penal von 1791.

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Teil 11: Die Geschichte der Verdeckungstötung in Deutschland 11. Die Überlegung in der Rechtsprechung des RG

An dieser Stelle kann nicht die ganze Rechtsprechung des RG zur Überlegung in allen ihren Feinheiten und Verästelungen dargestellt werden. Insofern muß auf die damals einschlägige Fachliteratur verwiesen werden. Zum besseren Verständnis der gegen die Überlegung gerichteten Kritik sind aber folgende AusfUhrungen notwendig. 'S9 Für das RG war die Überlegung ein eigenes subjektives Tatbestandsmerkmal, dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen in einer von der Frage nach dem Vorsatz unabhängigen Prüfung festgestellt werden mußte. '60 Eine Überlegung konnte grundsätzlich dann angenommen werden, wenn sich der Täter sowohl der ihn zur Handlung drängenden als auch der ihn hiervon abhaltenden Motive bewußt war und er ihr Für und Wider gegeneinander abwog. Eine genaue Planung des konkreten Tatablaufs war dagegen nicht erforderlich. Die so verstandene Überlegung mußte nicht schon während der Phase, in der sich der Täter zu Tötung entschließt, gegeben sein. Vielmehr genügte es, wenn der Täter während der (allerdings gesamten) Tatausfilhrung überlegt vorging, soweit diese filr den Tod unmittelbar ursächlich war.'·' Der Verlust der Besonnenheit während des Tötungsakts konnte folglich die bis dahin minutiös geplante Tat zu einem Totschlag machen. Dagegen konnte ein auf der Stelle zur Tötung hingerissener Täter einen Mord begehen, wenn er im Laufe der Tatausfilhrung seine Besonnenheit zuTÜckgewann und zumindest die letzten unmittelbaren zur Tötung filhrenden Schritte in diesem seelischen Zustand vollzog. '.2 Nach der Vorstellung des RG bildeten Überlegung und Affekt kein geschlossenes System, das die Subsumtion aller vorsätzlichen Tötungen unter das eine oder andere Merkmal zuließ. Vielmehr seien auch Tötungen denkbar, die weder ein besonders hohes Maß an Tatplanung noch eine erheblich gesteigerte Erregung des Täters erkennen ließen. '.3 Durch eine solche Betrachtungsweise war das RG gezwungen, genauer festzulegen, welcher Grad der Tatplanung oder Erregung vorliegen mußte, um die Überlegung zu bejahen oder zu verneinen. Das RG entschied sich zur Lösung dieses Problems einen kasuistischen, relativ stark am Einzelfall orientierten Weg zu gehen.

IS9Siehe hierzu auch Jähnke, MDR 1980, 705 ff. I~G, JW 1931, 2805; RGSt 67, 424, 426. 161RGSt 44, 378, 379; 67, 424, 426; 70, 257, 259. 162RGSt 32, 253, 254; RG, JW 1933, 431; RG, LZ 1926, 938. '63Vgl. hierzu RG, JW 1931, 939; RG, JW 1935, 3105; A. Weber, JW 1928, 2982.

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So brauchte nach Ansicht des RG die Abwägung der BeweggrUnde, die den Täter zur Tat drängten, mit denen, die ihn davon abhielten, nicht unbedingt eine "ruhige" zu sein. l64 Ein die Überlegung ausschließender Affekt lag erst dann vor, wenn den Täter ein die naturgemäße Aufregung dessen, der einen anderen zu töten im Begriffe steht, übersteigendes und das folgerichtige Abwägen verhinderndes Maß der Geftlhlserregung beherrschte. 16s Umgedreht konnte die Überlegung nach Ansicht des RG trotz voller Gemütsruhe fehlen, wenn der Täter sich keine Gedanken machte oder infolge Schwermut nicht dazu gelangte. l66 Die wohldurchdachte Planung und Vorbereitung der Tat waren nur Beweisanzeichen dafUr, daß sie auch mit Überlegung ausgeftlhrt wurde. 161 Diese sehr abwägende, am Einzelfall orientierte Betrachtung der Überlegung durch das RG dürfte wohl eine der Hauptursachen rur die spätere Kritik gewesen sein, daß niemand eigentlich so recht wisse, was mit diesem Mordmerkmal gemeint sei. 168 Die Überlegung (bzw. der Vorbedacht) erfreute sich vor allem in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts großer Beliebtheit bei den deutschen Gesetzgebern. In fast allen in dieser Zeit entstandenen Strafgesetzbüchern taucht es als Unterscheidungsmerkmal fUr Mord und Totschlag auf, sei es zusammen mit dem Merkmal des Affektes, sei es ohne diesen als einziges Differenzierungskriterium. Höhepunkt und Abschluß dieser Entwicklung war 1871 die Aufnahme der Überlegung in das ReichsStGB. Von nun an nahm aber die Kritik an diesem Mordmerkmal kontinuierlich zu. 1905 konstatierte Franz von Liszt, daß die Überlegung eine ernstliche Verteidigung als Unterscheidungsmerkmal von Mord und Totschlag schon seit Jahren nicht mehr gefunden habe. 16' Im Verlauf der Zeit wuchs die Zahl der Gegner sogar noch. 110 Nur ein Jahrhundert zuvor hatte Feuerbach fast leidenschaftlich ausgerufen: "Nicht leicht wird eine Gesetzgebung aufzuweisen sein, die nicht zwischen Tötung mit Vorbedacht aus Überlegung (Mord) und zwischen Tötung, aus einem plötzlich entstandenen, durch zufälligen äußern Antrieb bewirkten Entschluß (Totschlag im eigentlichen Sinn) unterschieden hätte. ,,111 Ein bemerkenswerter Abstieg dieses Mordmerkmals in der allgemeinen Wertschätzung.

164RGSt 62, 196; RG, JW 1931, 2805 Nr. 22. 16SRGSt 42, 260. I66RG, JW 1931,939; RG, JW 1935, 3105; A. Weber, JW 1928,2982. 167RGSt 62, 196. 168Vgl. hierzu Nagler/Schäfer, LK 6.17. Aufl., vor § 211 Anm. 1. 169V• Liszt, Verbrechen und Vergehen wider das Leben, S. 44 m.w.Nw.; gewisse Zweifel auch schon in RGSt 8, 276. I70Siehe die Meinungsübersicht bei Conen, S. 28. I7IFeuerbach, Kritik des Kleinschrodschen Entwurfs, Bd. 3, 1804, S. 81.

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Die Gründe, warum die Überlegung nunmehr abgelehnt wurde, waren unterschiedlicher Natur. Eine gewisse Rolle wird hierbei wohl auch die römisch-italienisch-französische Herkunft dieses Mordmerkmals gespielt haben. Vielen Juristen des national geprägten Zeitalters um die Jahrhundertwende muß die "welsche" Unterscheidung von Mord und Totschlag als für das deutsche Recht nicht angemessen erschienen sein. 172 Aber es gab auch rational begründete Bedenken. Eines der Hauptargumente gegen die Überlegung war die bereits oben angedeutete Unklarheit des Begriffes. Um ihn rankten sich mannigfache Meinungsstreitigkeiten, die bis zur Abschaffung dieses Mordmerkmals nie wirklich geklärt worden sind. Dies fing bereits mit der Frage an, ab welchem Zeitpunkt der Täter überlegt vorgegangen sein muß: bereits vor den eigentlichen Tathandlungen, erst mit ihrem Beginn oder gar in allen diesen Tatphasen?l7J Ebenfalls umstritten war, von welcher Dauer und Intensität die Überlegung sein mußte, aber vor allem die Frage, was der Täter konkret zu bedenken hatte, damit Mord angenommen werden kann. Während die einen genügen ließen, daß bei Bildung des Entschlusses die für oder gegen die Tatbegehung sprechenden Gründe in das Bewußtsein des Täters gelangt waren'74, ohne daß aber dabei Kaltblütigkeit oder überlegte Auswahl der Mittel erforderlich gewesen wäre J7S , legten andere das Schwergewicht auf die Planung, das Überdenken des Vorgehens und die Klarheit über Mittel und Wege der Ausführung"6; und wieder andere wollten sowohl ein Vorbedenken des "Ob" als auch des "Wie" der Tat verlangen 177 • Eser hat errechnet, daß, wenn all diese Deutungsmöglichkeit miteinander kombiniert werden, man auf nicht weniger als sechzehn verschiedene Auslegungen zur Überlegung kommt. 178 Auch dem RG gelang es nie, sich in diesen für die Auslegung der Überlegung fundamentalen Fragen zu einer klaren Linie durchzuringen. Statt dessen 172Siehe hierzu auch Eser, DJT -Gutachten, D 28 mit entsprechenden Literaturnachweisen. So haben z.B. Wachenfeld und Allfeld in ihren Werken einen bemerkenswerten argumentativen Aufwand betrieben, um nachzuweisen, daß die Überlegung erst durch den vom Code Penal inspirierten Feuerbach in das deutsche Recht gelangt ist. 17JVgl. v. Liszt, Verbrechen und Vergehen wider das Leben, S. 42 ff. m.w.Nw .. '74Siehe vor allem das RG in den zuvor zitierten Entscheidungen. 175S0 besonders deutlich Binding, S. 27: "Diese Überlegung bezieht sich nicht wesentlich auf die Mittel der Tötung - denn diese berechnet auch der Totschläger oft mit größter Genauigkeit -, sondern auf das Gewicht der Abhaltungsgründe." 176V• Holtzendorff, S. 427: Überlegung, wenn der Täter "in Gemäßheit eines vorbedachten Planes und durch vorher ausgewählte oder in Bereitschaft gehaltene Mittel" handelt. I77V. Liszt, Verbrechen und Vergehen wider das Leben, S. 42 f. 178Eser, DJT-Gutachten, D 28, Fn. 25.

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schwankte es in seiner Rechtsprechung und nahm in, was den Geschehensablauf betrifft, sehr ähnlichen Fällen das eine mal Überlegung, das andere mal Affekt an. Häufig wurde der Verdacht geäußert, daß das RG (und auch die Untergerichte) die Entscheidung, ob in einem Fall Mord oder Totschlag anzunehmen sei, von einer Bewertung der Tat und der Täterpersönlichkeit abhängig gemacht haben: handelte der Täter in den Augen des Gerichts besonders verwerflich, lag Mord, handelte er weniger verwerflich, lag nur Totschlag vor. 179 Bezeichnend filr die Ungenauigkeit des Begriffs der Überlegung ist auch eine Bemerkung von Nagler/Schäfer '80 , wonach seine Dehnbarkeit der Rechtsprechung Gelegenheit gebe, zu gerechten Ergebnissen zu gelangen. 111 Des weiteren wurde gegen die Überlegung geltend gemacht, daß sie gegenüber dem Tatmotiv neutral sei und daher den Unwertgehalt der Tat nicht stets zutreffend auszudrücken vermag. Der Sexualrnord werde nicht erfaßt, dagegen sei die Tötung aus Mitleid, z.B. im Falle der Sterbehilfe, Mord. \82 Derjenige, der Skrupel hat, wird leichter zum Mörder gestempelt als der bedenkenlos zustechende Messerheld. \83 Daß die Tat des Schwachen und Wehrlosen, der sich mit List gegen eine übermächtige Brutalität zur Wehr setzt, eher Milde verdient, wurde nicht erst gegen die Heimtücke, sondern schon gegen die Überlegung ins Feld gefilhrt.'B< Schließlich ist hier auch noch an die aus der Entscheidung des Großen Senats BGHSt 9, 385 bekannte Fallkonstellation zu denken, in denen der Täter Selbstmord begehen will und nach reiflichem Überlegen beschließt, seine Angehörigen mit in den Tod zu nehmen.

17'Vgl. Jähnke, MDR 1980, 705, 708; Eser, mT-Gutachten, D 28; siehe hierzu auch die Bemerkungen Dahms zur Überlegung während seiner Arbeit in der Strafrechtskommission von 1934, abgedruckt bei Regge/Schubert, Quellen 11, Bd. 2.1, S. 514; eine detaillierte Rechtsprechungsanalyse findet sich bei Conen, S. 20 ff; ferner Blühm, S. 98 ff.; Otto, ZStW 83 (1971), 39, 52 f.; sowie Geilen, Bockelmann-FS, S. 613 ff. speziell zu Mordvermeidungsstrategien des RG bei politisch motivierten Taten. II