Die Haftung für culpa in contrahendo im IPR und IZVR [1 ed.] 9783428524624, 9783428124626

Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, wie die Haftung für culpa in contrahendo (c.i.c.) im IPR und IZVR zu qualifizier

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German Pages 388 Year 2007

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Die Haftung für culpa in contrahendo im IPR und IZVR [1 ed.]
 9783428524624, 9783428124626

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 176

Die Haftung für culpa in contrahendo im IPR und IZVR Von

Alexander Henk

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDER HENK

Die Haftung für culpa in contrahendo im IPR und IZVR

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles

Band 176

Die Haftung für culpa in contrahendo im IPR und IZVR

Von

Alexander Henk

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 978-3-428-12462-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand auf Anregung von Herrn Professor Dr. Heinrich Dörner und seinem damaligen Assistenten Herrn Professor Dr. Ansgar Staudinger während meiner wissenschaftlichen Tätigkeit am Lehrstuhl für Internationales Privatrecht und Bürgerliches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster. Anlass für die Untersuchung der Haftung für culpa in contrahendo im IPR und IZVR waren die Arbeiten der Europäischen Kommission an der „Rom I-“ und „Rom II-Verordnung“ sowie das „Tacconi-Urteil“ des EuGH vom 17. September 2002. Für die Betreuung und Förderung dieser Dissertation danke ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Heinrich Dörner ganz herzlich. Er ermöglichte mir durch die Anstellung an seinem Lehrstuhl ein produktives Arbeitsumfeld, was wesentlich zum Gelingen dieses Werkes beigetragen hat. Herrn Professor Dr. Gerald Mäsch danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Dem Freundeskreis Rechtswissenschaft e. V. bin ich aufgrund des großzügigen Druckkostenzuschusses zu Dank verpflichtet. Den Herausgebern der Fakultätsschriftenreihe „Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft“ danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe. Bei der gesamten Lehrstuhlbesetzung, insbesondere Nicole Fertmann und meinen Weggefährten Stefanie Sendmeyer und Dr. Mihael Pohar, bedanke ich mich für eine schöne Zeit und die angenehme Arbeitsatmosphäre. Meiner Kollegin Stefanie Dornhegge gebührt besonderer Dank für die kritische Durchsicht des Manuskripts und ihre wertvollen Hinweise. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich natürlich auch bei meiner Lebensgefährtin Thurid Wagner, LL.M., die mir jederzeit fachlich als auch privat liebevoll mit Rat und Tat zur Seite stand. Mein größter Dank gilt meinen Eltern Angelika und Erhard Henk, die mich stets in jeder erdenklichen Weise unterstützt und mir meine Ausbildung sowie meine Promotion ermöglicht haben. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Münster, im März 2007

Alexander Henk

Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I. Entwicklung und Funktion der culpa in contrahendo im materiellen Recht . . . . .

25

II. Fallgruppen der culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

C. Die Rechtsquellen des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts sowie die Bedeutung der Qualifikation der c.i.c. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

I. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

II. Internationales Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

I. Begriff und Gegenstand der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

II. Qualifikationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

E. Abbruch von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

10

Inhaltsübersicht

G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages / Aufklärungspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 H. Verletzung von Integritätsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Dritthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 J. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 I. Abbruch von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 II. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 III. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 IV. Verletzung von Integritätsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 V. Dritthaftung wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens . . . . 362 VI. Dritthaftung wegen Inanspruchnahme typisierten Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 VII. Dritthaftung wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses . . . . . . . . . . . . 362 VII. Kollisionsrechtliche Regelung der vorvertraglichen Haftung de lege ferenda . . . 363 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I. Entwicklung und Funktion der culpa in contrahendo im materiellen Recht . . . . .

25

1. Die Entwicklung des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo und seine heutige Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

2. Funktion der culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

II. Fallgruppen der culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Abbruch von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

2. Herbeiführen eines unwirksamen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

3. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

4. Verletzung von Integritätsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

5. Dritthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

a) Eigenhaftung von Vertretern und Verhandlungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

b) Sachwalterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

c) Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

C. Die Rechtsquellen des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts sowie die Bedeutung der Qualifikation der c.i.c. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

I. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

1. Begriff des Internationalen Privatrechts und seine Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

2. Regelung der vorvertraglichen Haftung im EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

3. Bedeutung der Qualifikationsentscheidung im Internationalen Privatrecht . .

52

II. Internationales Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

12

Inhaltsverzeichnis 2. Quellen des Internationalen Zivilprozessrechts und Regelung der vorvertraglichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

a) Regelung der vorvertraglichen Haftung in der EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausschließliche und besondere Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Allgemeiner Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53 55 57 58 59

b) Regelung der vorvertraglichen Haftung in der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausschließliche und besondere Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Allgemeiner Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59 60 61 63 63

3. Bedeutung der Qualifikationsentscheidung im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Auswirkung der Internationalen Zuständigkeit auf den Rechtsstreit . . . . . .

64

b) Bedeutung der Qualifikationsentscheidung für die Zuständigkeitsprüfung aa) Prüfung der internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Doppelrelevante Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgen bei Unzuständigkeit des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gerichtsstand kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 66 67 69 70 72 73

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

I. Begriff und Gegenstand der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

II. Qualifikationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

a) Qualifikation im deutschen Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

b) Qualifikation im staatsvertraglichen bzw. verordnungsrechtlichen Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

2. Internationales Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

a) EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auslegung der Systembegriffe in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO . . . . bb) Auslegung der Systembegriffe in Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO . . . .

90 91 94

b) ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

Inhaltsverzeichnis

13

E. Abbruch von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

a) LAG Frankfurt a.M. – Urteil vom 14. 3. 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

b) LG Hamburg – Urteil vom 29. 10. 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

c) BGH – Urteil vom 26. 7. 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Meinungsstand in der deutschen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Vertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Akzessorische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 cc) Art. 32 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 dd) Pauschale Zuordnungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ee) Ausdrückliche Regelung de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Deliktsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Verhandlungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Rechtsvergleichende Hinweise zum ausländischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . 109 4. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Anwendbarkeit der Art. 27 ff. EGBGB bzw. des EVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Vertragliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Der Vertragsbegriff des EGBGB (EVÜ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB . . . . 114 cc) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) „Unbenannter Anwendungsfall“ des Art. 32 Abs. 1 EGBGB . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 116 117 117 118

dd) Anwendbarkeit des Vertragstatuts gem. Art. 31, 32 EGBGB analog (1) Zulässigkeit der Analogiebildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Planwidrige Regelungslücke oder deliktische Qualifikation . . . . . (a) Deliktische Qualifikation gem. Art. 40 EGBGB . . . . . . . . . . . . (aa) „Weites“ Vertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Äußerer Entscheidungseinklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Besonderes Näheverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Geeignetheit der deliktischen Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . (ee) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 119 125 126 126 127 128 128 132

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Inhaltsverzeichnis (b) Deliktische Qualifikation aufgrund des „Rom-II“-Entwurfs (aa) Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung . . . . . . . . . . . . (bb) Schuldverhältnis aus anderer als unerlaubter Handlung (cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Parallele zum Vertragsabschlusstatbestand, Art. 31 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Parallele zu den Folgen der Vertragsnichtigkeit, Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Geeignetheit der vertraglichen Anknüpfungsregeln . . . . . . . . . (aa) Einheitsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Grundsatz der engsten Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Kollisionsrechtliche Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (α) Interessenlage bei objektiver Anknüpfung . . . . . . . . (β) Sonderanknüpfungen im Parteiinteresse . . . . . . . . . . . (γ) Entsprechende Anwendung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 134 134 137 138 138 139 139 142 143 143 149 149 150 155 156 161

ee) Verhandlungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. EuGVO / EuGVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) LG Hamburg – Urteil vom 29. 10. 1975 / OLG Hamburg – Urteil vom 9. 7. 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) LG Dortmund – Urteil vom 19. 2. 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) EuGH (Tacconi / HWS) – Urteil vom 17. 9. 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Meinungsstand in der deutschen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Anwendbarkeit des Deliktsklagengerichtsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 cc) Wahlrecht des Klägers zwischen Vertrags- und Deliktsklagengerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Rechtsvergleichende Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 d) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Der Vertragsbegriff im Europäischen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . 173 (1) Weiter Vertragsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Inhaltsverzeichnis

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(2) Gesetzlich normierter „Anspruch aus Vertrag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (3) Gesetzliche Schuldverhältnisse im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (1) Sach- und Beweisnähe des Forums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Kalkulierbarkeit des Forums oder Privilegierung des Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 cc) Systematik und Zielsetzung der EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erkennbarkeit der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Prozessökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 193 196 197

dd) Erfüllungsort von Schadensersatzansprüchen wegen Verhandlungsabbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Methoden der Erfüllungsortbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erfüllungsortbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO . . . . . . (3) Erfüllungsortbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO . . . . . .

199 199 201 208

ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 e) Exkurs: Internationale Zuständigkeit bei isolierten Gewinnzusagen . . . . . . 210 2. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Meinungsstand in der deutschen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Der Vertragsbegriff im deutschen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen und Grundwertungen der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bestimmung des Erfüllungsortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219 219 222 224

d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Meinungsstand in der deutschen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Vertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Vertragsstatut oder Wirksamkeitsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Deliktsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

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Inhaltsverzeichnis 3. Rechtsvergleichende Hinweise zum ausländischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . 231 4. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog, Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Qualifikation des Entstehungstatbestands gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Qualifikation der Rechtsfolgen gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB . . 234 cc) Berücksichtigung der Sonderanknüpfungsstatute von Wirksamkeitshindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Geeignetheit der vertraglichen Anknüpfungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Einheitsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) ,UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 cc) Kollisionsrechtliche Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. EuGVO / EuGVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Enger, sachlicher Zusammenhang mit dem Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen und Grundwertungen der EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages / Aufklärungspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Meinungsstand in der deutschen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3. Rechtsvergleichende Hinweise zum ausländischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . 253

Inhaltsverzeichnis

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4. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 aa) Qualifikation des Entstehungstatbestands gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Qualifikation der Rechtsfolgen gem. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (1) Qualifikation der Rechtsfolge bei Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . 255 (2) Qualifikation der Rechtsfolge bei Vertragsanpassung . . . . . . . . . . . 257 b) Geeignetheit der vertraglichen Anknüpfungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 aa) Einheitsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) „UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 cc) Kollisionsrechtliche Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. EuGVO / EuGVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 aa) Enger, sachlicher Zusammenhang mit dem Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen und Grundwertungen der EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 aa) Erfüllungsortbestimmung gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO . . . . . . . . . . 265 bb) Erfüllungsortbestimmung gem. Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO . . . . . . . . . . 265 2. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 H. Verletzung von Integritätsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1. Meinungsstand in der deutschen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Rechtsvergleichende Hinweise zum ausländischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . 271 3. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

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Inhaltsverzeichnis b) Anwendbarkeit des Deliktsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vertragsähnliches Näheverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geeignetheit der vertraglichen oder deliktischen Anknüpfungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vertragliche Anknüpfungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Deliktische Anknüpfungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 EGBGB . . . . . . . . . . . . . .

273 273 273 277 277 279 280

bb) Rom II-VOE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. EuGVO / EuGVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein enger, sachlicher Zusammenhang mit dem Vertrag . . . . . . . . . . . . bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen und Grundwertungen der EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Systematik und Zielsetzung der EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

287 287 288 288 290 291

2. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Dritthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zielvertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deliktsstatut oder eigenständiges Dritthaftungsstatut? . . . . . . . . . . . . . . (1) Anspruchskonkurrenz mit deliktischen Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . (2) Äußerer Entscheidungseinklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Art. 28 EGBGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

298 300 304 305 305 306 310

2. Inanspruchnahme typisierten Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Inhaltsverzeichnis

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b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 aa) Zielvertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 bb) Eigenständiges Dritthaftungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 cc) Anknüpfung bei Gründer-, Gestalter- und Initiatorenhaftung . . . . . . . . (1) Gesellschaftsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deliktsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Modifikation des Deliktsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kapitalmarktrechtliche Relevanz des Anlegerschutzrechts . . (b) Anknüpfung nach dem Auswirkungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Wettbewerbsspezifische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313 314 315 316 316 320 322 326

dd) Anknüpfung bei Haftung von Prospektmitgestaltern . . . . . . . . . . . . . . . . 329 ee) Zusammentreffen von Prospekthaftungsansprüchen und Ansprüchen aus culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3. Unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 aa) Haftungsstatut des falsus procurator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 bb) Zielvertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 cc) Eigenständiges Dritthaftungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 dd) Deliktsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 ee) Akzessorische Anknüpfung an das Zielvertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . 334 ff) Ausnahmsweise Gesellschaftsstatut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 gg) Akzessorische Anknüpfung an eigenständiges Dritthaftungsstatut oder Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 hh) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 a) EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 aa) Enger sachlicher Zusammenhag mit dem Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 cc) Systematik und Zielsetzung der EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 dd) Erfüllungsort von Schadensersatzansprüchen bei Dritthaftung . . . . . . 342 b) ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 2. Inanspruchnahme typisierten Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 a) EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 aa) Art. 5 Nr. 1 EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 bb) Art. 5 Nr. 5 EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

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Inhaltsverzeichnis cc) Art. 5 Nr. 3 EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Außervertragliche Schadenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ort des schädigenden Ereignisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

347 347 349 352

b) ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 3. Unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 a) EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 b) ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 III. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 J. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 I. Abbruch von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 II. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 III. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 IV. Verletzung von Integritätsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 V. Dritthaftung wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens . . . . 362 VI. Dritthaftung wegen Inanspruchnahme typisierten Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 VII. Dritthaftung wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses . . . . . . . . . . . 362 VIII. Kollisionsrechtliche Regelung der vorvertraglichen Haftung de lege ferenda . . 363 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

A. Einleitung I. Vorbemerkung Das deutsche Sachrecht kennt seit über 200 Jahren ein eigenständiges Haftungsinstitut für Verschulden im Vorfeld eines Vertragsschlusses, das auf der Schnittstelle1 zwischen vertraglicher und deliktischer Verantwortlichkeit liegt: die Haftung für culpa in contrahendo.2 Die Zuordnung dieses Schuldverhältnisses zu einer dritten Haftungskategorie zwischen Vertrag und Delikt, nämlich die Einordnung als „rechtsgeschäftsähnliche“ Sonderverbindung,3 stellt in Europa eine Besonderheit dar, die den Rechtsordnungen der meisten anderen Staaten fremd ist.4 Aus deutscher Sicht können sich bei Sachverhalten mit Auslandsberührung aufgrund dieser dogmatischen „Zwitterstellung“ bei der Qualifikation des Rechtsinstituts Probleme ergeben. Um das zuständige Gericht und das anwendbare Sachrecht bestimmen zu können, müssen nämlich zunächst das Internationale Zivilprozessrecht und das Internationale Privatrecht befragt werden. Ausgangspunkt für die Auslegung der in Frage kommenden Normen und die anschließende Qualifikation ist die rechtliche Ausgestaltung der entsprechenden Rechtsfrage im jeweiligen nationalen Sachrecht.5 Fehlt jedoch eine Sonderkategorie für die vorvertragliche Haftung in den entsprechenden Kodifikationen des Internationalen Privat- und Zivilprozessrechts, sehen diese vielmehr nur vertragliche und deliktische Regelungskomplexe vor, dann ist zu überlegen, unter welchen der beiden Rechtsbegriffe Fallgestaltungen zu subsumieren sind, die im deutschen Sachrecht unter den Haftungstatbestand der culpa in contrahendo zusammengefasst werden. 1 Vgl. dazu beispielsweise: MüKo / Spellenberg (1998), Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 44; Patrzek, S. 152; Medicus, in: FS Keller, 205 (206 ff.); von Bar, JuS 1982, 637 (638 ff.); Emmerich, Jura 1987, 561 (566). 2 Zur Entwicklung dieses Rechtsinstituts im deutschen Sachrecht: B. I. 3 Vgl. die amtliche Gesetzesüberschrift von § 311 BGB: „Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse“. Siehe auch: Staudinger, in: Grünbuch zum Int. Vertragsrecht, S. 37 (60): „dritte Spur“. 4 In Österreich (vgl. Mankowski, IPRax 2003, 127 (132 f.)) und in der Schweiz (vgl. BTDrucks. 14 / 6040, S. 162) findet man allerdings eine ähnliche Regelung. In Frankreich hat das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo aufgrund der weiten deliktischen Generalklausel des Art. 1382 C.c. hingegen keine Bedeutung, vgl. Witz / Reinert, ZeuP 2005, 136. Im Einzelnen vgl. B. II. 5 Vgl. Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (946). Zu den Einzelheiten der Auslegung und Qualifikation: D. II.

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A. Einleitung

Die schon seit vielen Jahren schwelende Diskussion6 um die Lösung des Problems der Qualifikation vorvertraglicher Schuldverhältnisse hat in der jüngsten Vergangenheit erneut an Aktualität gewonnen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang nicht nur Änderungen des BGB7 und EGBGB8 durch den deutschen Gesetzgeber. Das Augenmerk muss vielmehr auch auf die Bemühungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gerichtet werden, die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts auf dem Gebiet der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse auf Gemeinschaftsebene zu vereinheitlichen. So präsentierte die Kommission im Juli 2003 einen neuen Verordnungsvorschlag für das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II).9 Des Weiteren wurde das Grünbuch über die Umwandlung des römischen Schuldvertragsübereinkommens (EVÜ)10 in ein Gemeinschaftsinstrument und über seine Aktualisierung seit Januar 2003 zur Diskussion gestellt.11 Mittlerweile hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) vorgelegt.12 Durch diese Vergemeinschaftung des Internationalen Privatrechts für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse werden zwangsläufig sämtliche rechtlichen Sonderformen berührt, die in diesem Bereich in den Mitgliedstaaten existieren. Die in der vorliegenden Arbeit zu untersuchenden Fallgruppen vorvertraglicher Haftung sind de lege ferenda entweder der „Rom I“- oder der „Rom II“-Verordnung zuzuordnen.13 Welches der beiden geplanten Regelwerke dafür einschlägig sein soll, hat der Verordnungsgeber zunächst bewusst offen gehalten und beabsichtigt, die Abgrenzung dem EuGH zu überlassen.14 Nunmehr zeichnet sich jedoch die Tendenz ab, vorvertragliche Schuldverhältnisse für die Zwecke des Internationalen Privatrechts nur als deliktische Schuldverhältnisse zu begreifen und damit dem Anwendungsbereich der „Rom I“-Verordnung – also 6 Vgl. hierzu u. a.: Nickl, Die Qualifikation der culpa in contrahendo im Internationalen Privatrecht, Diss., Regensburg 1991; Frick, Culpa in contrahendo – eine rechtsvergleichende und kollisionsrechtliche Studie, Diss., Zürich 1992. 7 Zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz: B. I. 1. 8 Gesetz zum IPR für außervertragliche Schuldverhältnisse und Sachen vom 21. 5. 1999 (BGBl. 1999 I, S. 1026 ff.). 9 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM (2003) 427 endgültig. 10 Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. 7. 1980 (BGBl. 1986 II, S. 810 ff.). 11 Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, KOM (2002) 654 endgültig. 12 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), KOM (2005) 650 endgültig. 13 Vgl. auch Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (87). 14 Rom II-VOE, KOM (2003) 427 endg., Begründung, S. 9.

I. Vorbemerkung

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einer vertraglichen Anknüpfung im europäischen Kollisionsrecht – generell zu entziehen.15 Ob diese Entwicklung in die richtige Richtung geht, erscheint zumindest diskussionswürdig. Hinzu kommt der verfahrensrechtliche Aspekt. Die prozessuale Zuordnung der culpa in contrahendo ist für die Frage nach dem zuständigen Gericht von Bedeutung, weil je nach Anspruchsgrundlage eine besondere Wahlzuständigkeit bestehen kann.16 Gerade bei internationalen Streitigkeiten spielt der Gerichtsstand keine unerhebliche Rolle. Ausnahmen vom Grundsatz des actor sequitur forum rei17 können einem Beklagten einen ausländischen Gerichtsstand bescheren, auf den es sich einzustellen gilt.18 Sowohl im europäischen als auch im autonomen deutschen Zivilprozessrecht ist die Problematik der Qualifikation der vorvertraglichen Haftung bislang noch nicht eingehend untersucht worden. Höchstrichterliche Rechtsprechung von EuGH und BGH zu Schadensersatzklagen wegen culpa in contrahendo lassen aufhorchen. Die europäischen Richter haben in der Sache Tacconi /HWS die Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen dem Deliktsklagengerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO zugeordnet.19 Diese Entscheidung hat der 3. Zivilsenat des BGH dahingehend aufgefasst, dass „die“ culpa in contrahendo auf der Ebene des Europäischen Zivilprozessrechts deliktisch zu qualifizieren ist.20 Der 7. Zivilsenat des BGH hat hingegen festgestellt, dass Schadensersatzansprüche wegen ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs im Kollisionsrecht den Art. 27 ff. EGBGB unterfallen, womit einer vertraglichen Anknüpfung der Vorzug gegeben wird.21 Demzufolge wird von der deutschen Rechtsprechung eine unterschiedliche Qualifikation der Haftung für vorvertragliches Verschulden vorgenommen, je nachdem, ob es sich um die europäisch prozessrechtliche oder kollisionsrechtliche Ebene handelt. Auch die neueste Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit bei Klagen aus Gewinnzusagen darf nicht unberücksichtigt bleiben.22 Dort stellen sich ähnliche Qualifikationsprobleme wie im Bereich der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, so dass ein Blick auf den Streitstand und die ausgetauschten Argumente lohnend sein kann.23

Begründung, KOM (2005) 650 endgültig, S. 5, 15. Vgl. z. B.: Art. 5 Nr. 1 EuGVO (Erfüllungsort) und Art. 5 Nr. 3 EuGVO (Ort des schädigenden Ereignisses). 17 Grds. muss die Klage am Beklagtengerichtsstand erhoben werden, vgl. BGHZ 115, 90 (92). 18 Vgl. unten: Teil C. II. 3. 19 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7392, Nr. 22 ff.). 20 BGH NJW 2003, 426 (428). 21 BGH WM 2004, 2066 (2068). 22 EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick IPRax 2003, 50 ff.; 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 ff.; BGH NJW 2003, 426 ff. 23 Siehe unten: Teil E. II. 1. e). 15 16

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A. Einleitung

II. Gang der Untersuchung Ausgangspunkt der Arbeit ist zunächst ein kurzer Überblick über die Ausgestaltung der culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht, ergänzt durch rechtsvergleichende Hinweise, um diejenigen Sachverhalte abzugrenzen, deren Behandlung Gegenstand der Arbeit sein soll (B.). Im Anschluss daran werden die zu untersuchenden Kodifikationen des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts angesprochen und die Relevanz des zu behandelnden Problems der Qualifikation verdeutlicht (C.). Danach erfolgt die Darstellung der verschiedenen Qualifikationsmethoden. Dabei muss zwischen autonom-nationalen und europäischvereinheitlichten Regelungen unterschieden werden (D.). Schließlich wird nach Fallgruppen getrennt die Qualifikationsentscheidung sowohl in international-privatrechtlicher als auch in international-zivilprozessrechtlicher Hinsicht vorgenommen (E. – K.).

B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht Unumgänglich für die Lösung des Problems der Qualifikation der culpa in contrahendo ist zunächst ein Blick auf diejenigen Fallkonstellationen, die im deutschen Sachrecht in diesem Haftungssystem vereint werden, denn die entsprechenden Haftungstatbestände bilden gleichsam die Grundlage für die spätere Anknüpfungsentscheidung. Ein kurzer rechtsvergleichender Überblick soll zudem den Umgang einiger europäischer Rechtsordnungen mit der Haftung für vorvertragliches Verschulden skizzieren, um den Hintergrund der Diskussion im Rahmen der europäisch-autonomen Qualifikation zu verdeutlichen.

I. Entwicklung und Funktion der culpa in contrahendo im materiellen Recht Vor einem Vertragsabschluss finden grundsätzlich Verhandlungen zwischen den Parteien statt, zumindest werden aber Kontakte geknüpft, die die Möglichkeit eines späteren Vertragsschlusses ausloten sollen. Solche Vorverhandlungen sind regelmäßig nicht bindend, selbst wenn eine Verständigung über einzelne Vertragsaspekte bereits aufgezeichnet worden ist (vgl. § 154 I 2 BGB). Erst der Vertragsofferte kommt gem. § 145 BGB bindende Wirkung zu. Dementsprechend bestehen im Stadium vorvertraglicher Verhandlungen auch keine vertraglichen Pflichten zwischen den verhandelnden Personen.1 Allerdings treffen beide Seiten Sorgfaltspflichten aus einem vertragsähnlichen Vertrauensverhältnis, das mit Beginn der Vertragsverhandlungen bzw. der Aufnahme eines geschäftlichen Kontakts (Vertragsanbahnung) zwischen den Beteiligten zustande kommt.2 Es entsteht ein vor1 Es bestehen eben nur vorvertragliche Pflichten aus einem vertragsähnlichem Schuldverhältnis, vgl. beispielsweise Palandt / Heinrichs, Einf. v. § 145 BGB, Rn. 18; Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 15, 23; Hk-BGB / Schulze, § 311 BGB, Rn. 12. 2 So formuliert BGHZ 6, 330 (333): „Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss ist eine solche aus einem in Ergänzung des geschriebenen Rechtes geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnis, das aus der Aufnahme von Vertragsverhandlungen entspringt und zur verkehrsüblichen Sorgfalt im Verhalten gegenüber dem Geschäftsgegner verpflichtet.“ Vgl. auch RGZ 78, 239 (240); 120, 249 (251); 162, 129 (156); LAG Frankfurt IPRspr. 1950 / 1951, Nr. 20, 50 (54); Palandt / Heinrichs, Einf. v. § 145 BGB, Rn. 18; Brox / Walker, Allg. Schuldrecht, § 5, Rn. 1 ff.; Larenz, in: FS Ballerstedt, S. 397.

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B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht

vertragliches gesetzliches Schuldverhältnis,3 und zwar unabhängig davon, ob später ein Vertrag geschlossen wird oder nicht.4 Verletzt nur eine Partei schuldhaft die ihr obliegende Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, dann zieht dies eine „vertragsähnliche Haftung“ nach sich.5 Der Geschädigte hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Schädiger nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo.

1. Die Entwicklung des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo und seine heutige Ausgestaltung Bereits das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 regelte die Pflichten des „Contrahenten bey Abschließung des Vertrages“.6 Im Jahre 1861 wiederentdeckt von Rudolf von Jhering,7 entwickelte sich die culpa in contrahendo aufgrund des weiten Anwendungsbereichs zu einem der wichtigsten Schadensersatzinstrumente im Bereich der schuldrechtlichen Leistungsstörungen.8 Bis zur Schuldrechtsreform im Jahr 2002 war die Haftung für vorvertragliches Verschulden in Rechtsanalogie zu verschiedenen Einzelvorschriften des BGB9 zwar allgemein anerkannt,10 auf eine Normierung war aber zunächst bewusst verzichtet 3 Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (447); vgl. eingehender zur Rechtsnatur der culpa in contrahendo unten: Teil B. II. 4 RGZ 104, 265 (267 f.); 132, 26 (27 f.); BGHZ 66, 51 (54); BGH NJW 2001, 2875 (2876); Larenz, Schuldrecht AT, Bd. 1, § 9, S. 109; Medicus, Bürgerliches Recht, § 10, Rn. 199; Ballerstedt, AcP 151 (1950 / 51), 501 (504 f.). 5 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 161; Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (447); Frank, SJZ 1956, 106 (109). 6 Geregelt im ersten Theil, Fünfter Titel, § 284: „Was wegen des bey Erfuellung des Vertrages zu vertretenden Grades der Schuld Rechtens ist, gilt auch auf den Fall, wenn einer der Contrahenten bey Abschließung des Vertrages die ihm obliegenden Pflichten vernachlaessigt hat.“ Abgedruckt in: Hattenhauer / Bernert, S. 78. 7 Rudolf v. Jhering (1818 – 1892). Grundlegend in seiner Schrift: „Culpa in contrahendo oder Schadensersatz bei nichtigen oder nicht zur Perfection gelangten Verträgen“, JherJhb 4 (1861), 1 ff. Allerdings behandelt Jhering in seinem Werk nur die schuldhafte Verursachung der Nichtigkeit des Vertrages, also nur einen Ausschnitt dessen, was heute unter der Haftung für culpa in contrahendo gebündelt wird. Vgl. dazu auch: MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 55; Schütz, S. 78 f.; Emmerich, Jura 1987, 561. 8 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 162; Stoll, in: FS Georgiades, S. 941; Nickl, S. 1.; Emmerich, Jura 1987, 561; Gottwald, JuS 1982, 877. 9 §§ 122, 179 Abs. 2, 307 a.F., 309 a.F., 463 S. 2 a.F., 523, 524, 600, 694 BGB; vgl. dazu: RGZ 95, 58 (60); 104, 265 (267); Erman / Battes, Bd. I, 10. Aufl. (2000), § 276 BGB, Rn. 112; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 101; vgl. auch Ehmann / Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 78 f. Kritisch im Hinblick auf §§ 122, 307 a.F. BGB: Flume, Rechtsgeschäft, § 10, S. 129. Das AGBG setzte in § 11 Nr. 7 („Verletzung von Pflichten bei den Vertragsverhandlungen“) die Existenz der culpa in contrahendo ebenfalls voraus. 10 RGZ 120, 249 (251); BGHZ 6, 330 (333); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 37.

I. Entwicklung und Funktion der culpa in contrahendo im materiellen Recht

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worden, um die Ausbildung der verschiedenen Fallgruppen der Rechtsprechung und Lehre zu überlassen.11 Nachdem der deutsche Gesetzgeber die erforderliche Umsetzung dreier EURichtlinien12 zum Anlass genommen hatte, das Schuldrecht in wesentlichen Teilen umzugestalten,13 wurde die richterrechtlich fortentwickelte Haftung für vorvertragliche Pflichtverletzungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz14 in § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB aus Gründen der Transparenz und Rechtssicherheit explizit festgeschrieben.15 Die Generalklausel16 des § 311 Abs. 2 BGB soll diesem flexiblen Haftungsinstitut Rechnung tragen, zumal die Entwicklung der culpa in contrahendo noch nicht beendet und die Entstehung neuer Fallgruppen nicht ausgeschlossen ist.17 Absatz 3 stellt klar, dass auch Dritte einer vorvertraglichen Verschuldenshaftung unterliegen können. Als Anspruchsgrundlage dient der neue Zentralhaftungstatbestand des § 280 Abs. 1 BGB, während hinsichtlich des Inhalts und der Pflichten aus dem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis i. S. v. § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB auf § 241 Abs. 2 BGB verwiesen wird, der die nicht leistungsbezogenen Schutzpflichten18 normiert. Bei der Verantwortlichkeit für vorvertragliches Verschulden handelt es sich im deutschen Sachrecht also um eine Haftung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflich11 Vgl. Mugdan, Materialien, Bd. I, S. 460. In den Motiven heißt es: „Ob begrifflich die Haftung für culpa in contrahendo auf einen Eingriff in den fremden Rechtskreis, mithin auf eine unerlaubte Handlung oder auf die Verletzung einer rechtsgeschäftlichen Pflicht zurückzuführen sei, ist eine Konstruktionsfrage, deren Lösung der Wissenschaft überlassen werden darf.“ Siehe auch: Mugdan, Materialien, Bd. II, S. 98. 12 Es bedurfte einer Umsetzung der Richtlinien 1999 / 44 / EG (ABl. EG Nr. L 171 S. 12) und 2000 / 35 / EG (ABl. EG Nr. L 200 S. 35) sowie der Artikel 10, 11 und 18 der Richtlinie 2000 / 31 / EG (ABl. EG Nr. L 178 S. 1). 13 Eine reine Richtlinienumsetzung erschien dem Gesetzgeber nicht sinnvoll. Um die Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit des BGB zu gewährleisten, entschied man sich für die „große Lösung“, d. h. eine umfassende Reform des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, des Verjährungsrechts sowie des Gewährleistungsrechts beim Kauf- und Werkvertrag. Daneben wurden verschiedene schuldrechtliche Sondergesetze ins BGB zurückgeführt, um dessen Stellung als „zentrale Zivilrechtskodifikation“ zu stärken und die Einheit und Übersichtlichkeit des Schuldrechts zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 14 / 6040, S. 79). 14 Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. 11. 2001 (BGBl. 2001 I, S. 3138 ff.). 15 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 84. 16 Canaris bewertet die Neuregelung als „subsumtionsgeeignete Norm“ (JZ 2001, 499 (519)). Kritisch hingegen: D-L / H / L / R / Lieb, Neues Schuldrecht, § 3, Rn. 36: Es fehle an einer Pflichtenkonkretisierung sowohl in § 311 II BGB als auch in § 241 II BGB. Ähnlich auch Rieble, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 ff.: „Inhaltsleere Generalklausel“. Vgl. auch Ehmann / Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 151. 17 Vgl. Berger (S. 179 m. w. N.), der von der „mangelnden Kodifizierungsreife“ der culpa in contrahendo spricht. Auch Huber glaubt nicht, dass aus den unterschiedlichen Fallgruppen der c.i.c. ein „einheitliches Prinzip, das einer gesetzlichen Gesamtregelung zugrundegelegt werden könnte“, abstrahiert werden kann (Gutachten, S. 746). 18 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 125; Jauernig / Mansel, § 241 BGB, Rn. 9 f.

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B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht

ten,19 dessen Besonderheit in der weitgehenden Gleichstellung mit einer vertraglichen Sonderverbindung liegt.20 2. Funktion der culpa in contrahendo So sehr über die dogmatische Herleitung der culpa in contrahendo bis heute gestritten wird21 – die Begründungansätze reichen von Dölles‘ „Lehre vom sozialen Kontakt“22 über die von Larenz entwickelte „Lehre vom geschäftlichen Kontakt“23 und dem Schutz einer „allgemeinen Redlichkeitserwartung“24 sowie der vorvertraglichen Schadenshaftung aufgrund der Sozialbindung privatautonomer Selbstgestaltungsmacht von Frotz25 bis zu dem von Rechtsprechung und herrschender Lehre favorisierten Haftungsgrund des enttäuschten Vertrauens26 – und sich die Frage aufdrängt, ob die Vielzahl so verschiedenartiger Fallgruppen,27 wie sie von 19 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 162. So auch schon die bisher h. M.: BGHZ 6, 330 (333); OLG München WM 1983, 1093 (1097); OLG Frankfurt IPRax 1986, 373 (377); Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 20; MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 58; Flume, Rechtsgeschäft, § 10, S. 128 f., § 33, S. 617; Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (447); Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (284); Reinicke / Tiedtke, ZIP 1989, 1093 (1094). 20 Vgl. Palandt / Heinrichs, Überbl. v. § 311 BGB, Rn. 2; Brox / Walker, Allg. Schuldrecht, § 5, Rn. 2; S. Lorenz, ZEuP 1994, 218 (218). Deshalb bezeichnet Rieble die culpa in contrahendo als „quasivertragliches Schuldverhältnis“, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 (145). 21 Vgl. Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (943 f.); Berger, S. 184 ff.; Gastroph, JA 2000, 803 (804) m. w. N. Allerdings ist mit der Normierung der culpa in contrahendo als gesetzliches Schuldverhältnis den rechtsgeschäftlichen Begründungsversuchen endgültig der Boden entzogen worden. Diese Haftungsbegründung fußte auf der Annahme eines Vorwirkens des später abgeschlossenen Vertrages (RG JW 1912, 743 (743 f.); RGZ 95, 58 (60); siehe auch: Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (285); von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (516)). 22 Dölle, ZgS 1943, 67 (74 f., 84); zustimmend: Thiele, JZ 1967, 649 (652). 23 Larenz, MDR 1954, 515 (517 f.); Daum, NJW 1968, 372 (376). 24 Larenz, Schuldrecht AT, § 9, S. 106. 25 Frotz, in: GS für Gschnitzer (1969), 163 (173 f.); vgl. auch Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 116; Schütz, S. 83, Fn. 264. 26 Vgl. BGH NJW 1962, 31 (32); Medicus, Bürgerliches Recht, § 10, Rn. 199, 203; Gottwald, JuS 1982, 877 (878); Horn, JuS 1995, 377 (378). Haftungsgrund sei die Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen (Ballerstedt, AcP 151 (1950 / 51), 501 (507 f., Fn. 17); dem folgend: BGHZ 60, 221 (226); BGH NJW 1981, 1035 (1036); WM 1986, 1047; NJW 2001, 2875 (2877); OLG München WM 1983, 1093 (1097); Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 115; P. Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 3, Rn. 11; Kittner, Schuldrecht, Rn. 668; Flume, Rechtsgeschäft, § 10, S. 129; Schütz, S. 83 f.; Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (440); Gottwald, JuS 1982, 877 (878)). Auch in der Schweiz wird der Vertrauensschutzgedanke als Haftungsgrund für die culpa in contrahendo angeführt, vgl. Frick, S. 142 f.; Schütz, S. 87 m. w. N. 27 Gemeinsam ist den unterschiedlichen Fallgruppen mitunter nur ihr zeitlicher und funktioneller Zusammenhang mit dem vorvertraglichen Stadium, vgl. Köndgen, in: Schuldrechtsreform, S. 231 (236); vgl. auch: Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 37; Frick, S. 150; Schütz, S. 84.

II. Fallgruppen der culpa in contrahendo

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diesem Rechtsinstitut erfasst werden, überhaupt auf einen einzigen Rechtsgrund zurückgeführt werden können,28 umso mehr ist man sich über die Funktion der Haftung für vorvertragliches Verschulden einig. Es geht darum, die Unzulänglichkeiten der Deliktshaftung im Stadium der Vertragsverhandlungen, in dem es an vertraglichen Schadensersatzmöglichkeiten fehlt, auszugleichen.29 Während sich der Schutzbereich vorvertraglicher Schuldverhältnisse gem. §§ 311 Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB auf alle „Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils“ erstreckt, schützt das Deliktsrecht nur die absoluten Rechte i. S. v. §§ 823, 826 BGB, was sich insbesondere nachteilig auf den Schutz des Vermögens als solches auswirkt. Nach Vertragsschluss würde zudem die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 3 BGB greifen und eine Schadensersatzpflicht könnte sich auch bei fahrlässiger Vermögensschädigung ergeben. Des Weiteren besteht im Deliktsrecht die Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherrn für von seinem Verrichtungsgehilfen verursachte Schäden gem. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB, welche bei der Einstandspflicht für den Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB ausscheidet. Die haftungsrechtliche Benachteiligung des Geschädigten richtet sich mithin danach, ob ein vertragliches Rechtsgeschäft bereits zustande gekommen ist oder nicht, was oftmals nur vom Zufall abhängt. Der Schadensersatzanspruch aus §§ 311 Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB hilft deshalb im Grenzbereich zwischen Vertrag und Delikt mal über die Schwächen des einen, mal über die des anderen Haftungssystems hinweg.30

II. Fallgruppen der culpa in contrahendo Unabhängig von der Kodifizierung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz behalten die von Rechtsprechung und Lehre entwickelten anerkannten Fallgruppen der culpa in contrahendo ihre Gültigkeit. Sie sind unter die entsprechenden Varianten der Absätze 2 und 3 des § 311 BGB zu subsumieren.31 28 Aufgrund der Vielgestaltigkeit des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo sollte der Haftungsgrund nach Fallgruppen getrennt ermittelt werden. Ebenso: Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 120; Berger, S. 187; Frick, S. 151; S. Lorenz, S. 405. Emmerich meint, dass die Suche nach einem einzigen Haftungsgrund ergebnislos bleibe und aufzugeben sei, MüKo, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 64. 29 Vgl. beispielsweise RGZ 95, 58 ff.: in diesem vom Reichsgericht entschiedenen Fall kam ein Schadensersatzanspruch weder aus dem geschlossenen Vertrag noch nach den §§ 823, 826 BGB in Betracht, weil es sich bloß um eine fahrlässigerweise begangene Aufklärungspflichtverletzung handelte. Siehe auch RGZ 143, 219 (222 f.); BGHZ 66, 51 (54); Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 15; Degner, S. 189; U. Huber, Gutachten, S. 737; Medicus, in: H / M / R / S / W, Das neue Schuldrecht, Rn. 159 (S. 117); Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (286); S. Lorenz, ZEuP 1994, 118 (220 ff.); Moura Vicente, RabelsZ, 699 (704); Scheffler, IPRax 1995, 20 (21). 30 Vgl. Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (435 f.); ders., in: FS Georgiades, S. 941 (942); von Bar, JuS 1982, 637 (638 ff.); Landfermann, Rabelsz 45 (1981), 124 (134 f.).

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B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht

1. Abbruch von Vertragsverhandlungen Der Abbruch von Vertragsverhandlungen wird vom Gesetzgeber dem § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB zugeordnet, denn Verhandlungen können nur abgebrochen werden, wenn sie zuvor aufgenommen wurden.32 Unter dem Oberbegriff dieser Fallgruppe verbergen sich die Konstellationen, in denen sich eine Partei vor Erzielung einer vertraglichen Einigung von den Verhandlungen zurückzieht sowie die Situation, in der die eine Seite ihre Abschlussbereitschaft von vornherein nur vorspiegelt. Zwar werden Aufwendungen im Hinblick auf den in Aussicht gestellten Vertragsschluss regelmäßig auf eigenes Risiko getätigt,33 da die Privatautonomie zur Vermeidung eines Kontrahierungszwanges verlangt, den Parteien die Möglichkeit einzuräumen, grundsätzlich auch noch nach längeren Vertragsverhandlungen von einer entsprechenden Bindung Abstand nehmen zu können.34 Allerdings trifft die Beteiligten trotz meist gegenläufiger Interessen die aus Treu und Glauben gem. § 242 BGB abgeleitete Pflicht, fair und loyal miteinander zu verhandeln.35 Eine Haftung auf Schadensersatz wird in diesen Fällen aber nur unter strengen Voraussetzungen gewährt, nämlich wenn ein bereits als sicher hingestellter Vertragsschluss ohne „triftigen Grund“36 durch den Abbruch von Vertragsverhandlungen 31 Siehe BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163, wonach eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung zu den denkbaren Fallgruppen nicht beabsichtigt ist. Siehe auch: Jauernig / Stadler, § 311 BGB, Rn. 36; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 54; Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 14; D-L / H / L / R / Lieb, Neues Schuldrecht, § 3, Rn. 36. Die neue zentrale Haftungsnorm des § 280 Abs. 1 BGB erfasst nunmehr alle Schadensersatzansprüche, die bereits nach altem Recht wegen culpa in contrahendo verlangt werden konnten, vgl. P. Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 3, Rn. 218. 32 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163. 33 Vgl. BGH NJW 1996, 1884 (1885); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 57; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 136; Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (445 f.). 34 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7373, Nr. 55); RGZ 132, 26 (28 f.); BGH NJW 1967, 2199 (2199); NJW-RR 1989, 627 (627); NJW 1996, 1884 (1885); DStR 2001, 802 (803); Hk-BGB / Schulze, § 311 BGB, Rn. 32; Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 34; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 128; Flume, Rechtsgeschäft, § 33, S. 617; Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (445); Gottwald, JuS 1982, 877 (879); Gunst, JZ 1991, 202 (204); Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (346 f.). Vgl. auch Art. 2. 1. 15 (1) der „UNIDROIT-Prinzipien“: „Eine Partei ist frei zu verhandeln und haftet nicht, wenn keine Einigung erzielt wird.“; ebenso Art. 2:301 Abs. 1 der „Lando-Prinzipien“: „Die Parteien sind frei zu verhandeln und haften nicht, wenn keine Einigung erzielt wird.“. 35 MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 177; Gottwald, JuS 1982, 877 (879). Dies ist als Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens – venire contra factum proprium – zu bewerten (vgl. Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 60; Erman / Battes, Bd. I, 10. Aufl. (2000), § 276 BGB, Rn. 122; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor § 275 BGB, Rn. 136; a.A.: Schwab / Witt, S. 132; Gunst, JZ 1991, 202 (204 f.)). 36 Aufgrund des fehlenden Vertrages sollen keine zu hohen Anforderungen an das Vorliegen eines triftigen Grundes gestellt werden dürfen. Vernünftige Überlegungen, wie die Abstandnahme vom Vertrag aufgrund eines anderen besseren Angebots, seien ausreichend:

II. Fallgruppen der culpa in contrahendo

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seitens eines Beteiligten doch nicht mehr zustande kommt.37 Die verhandlungsabbrechende Partei muss das Vertrauen des anderen Teils auf das Zustandekommen des Vertrages schuldhaft38 geweckt oder genährt haben.39 Geht einer der Verhandlungspartner mit der festen Absicht in die Vertragsverhandlungen, das Rechtsgeschäft keinesfalls abschließen zu wollen, und setzt er dennoch die Gespräche fort, so macht er sich nicht nur aus § 826 BGB, sondern auch aus culpa in contrahendo schadensersatzpflichtig. 40 Die Pflicht, der Gegenseite den Schaden zu ersetzen, der durch das Vertrauen erweckende Verhalten des anderen Teils entstanden ist – nämlich Aufwendungen, die sonst nicht getätigt worden wären – , beschränkt sich auf das negative Interesse,41 da der Ersatz des Erfüllungsinteresses auf einen Kontrahierungszwang hinauslaufen würde.42 Ausnahmsweise geht der Schadensersatzanspruch auf das BGH WM 1996, 738 (740); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 61; Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 34; Gottwald, JuS 1982, 877 (879). Nach Ansicht von Stoll soll ein triftiger Grund dann vorliegen, wenn auch eine kontrahierungspflichtige Partei vom Abschlusszwang befreit sein würde, vgl. FS von Caemmerer, S. 435 (450). 37 KG Berlin JW 1929, 3024 (3024); BGHZ 76, 343 (349); 92, 164 (175 f.); BGH NJW-RR 1989, 627 (627); JZ 1991, 199 (201); NJW 1996, 1884 (1885); ZIP 2001, 655 (656); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 57; Flume, Rechtsgeschäft, § 33, S. 617; Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (446); Mäsch, ERPL 2005, 452 (453 f.). Der konkrete Pflichtenverstoß soll laut Kues (S. 28) darin liegen, dem Verhandlungspartner den Sinneswandel, den Vertrag nicht (mehr) abschließen zu wollen, verspätet mitgeteilt zu haben. Larenz will die Haftung aus einer Analogie zu § 122 BGB ableiten, vgl. Schuldrecht AT, Bd. 1, § 9, S. 107 f. Rieble sieht in der Vertrauensenttäuschung keine Pflichtwidrigkeit und stellt im Hinblick auf die Zuordnung der culpa in contrahendo zu § 280 Abs. 1 BGB die Existenzberechtigung dieser Fallgruppe in Frage, vgl. Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 (150 f.). Vgl. zu dieser Fallgruppe auch: Reinicke / Tiedtke, ZIP 1989, 1093 ff. 38 Nach Rechtsprechung und h. M. in der Literatur erforderlich: RGZ 132, 26 (28); BGHZ 57, 191 (194 f.); 92, 164 (175 f.); BGH NJW 1970, 1840 (1840 f.); NJW 1975, 43 (44); WM 1996, 738 (740); Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 136; Nirk, in: FS Möhring, S. 71 (82); Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (449); a.A.: BGH WM 1969, 595; Larenz, in: FS Ballerstedt, S. 397 (415 ff.). 39 BGHZ 71, 386 (395); 76, 343 (349); BGH NJW 1967, 2199 (2199). Lange Verhandlungsdauer und Wissen von Aufwendungen der anderen Partei in Erwartung des Zustandekommens des Vertrages reichen nicht aus, so: BGH WM 1962, 936 (937); für mögliche Anknüpfungspunkte, die eine Haftung aus culpa in contrahendo nach sich ziehen können, siehe: Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn 36; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 136. 40 BGH NJW 1975, 43 (44); Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 34. 41 Die Partei ist so zu stellen, als habe sie das schädigende Ereignis nicht berührt, vgl. RGZ 104, 265 (268); BGHZ 69, 53 (56); BGH NJW 2001, 2875 (2876); NJW 2002, 208 (212); Freudling, JuS 1984, 193 (194); Mäsch, ERPL 2005, 452 (454). Ob Schadensersatz statt der Leistung gem. § 282 BGB verlangt werden kann, ist streitig, vgl. AnwKo / Krebs, Bd. 2, Teilbd. 1, § 311 BGB, Rn. 54, 67, 84; Grunewald, in: FS Wiedemann, S. 75 (76 ff.). 42 BGH WM 1981, 787 (788); JZ 1991, 199 (201); NJW-RR 2001, 1524 (1525); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 186; Staudinger / Löwisch, Vorbem. zu § 275 ff. BGB, Rn. 75; Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (451); Gottwald, JuS 1982, 877 (884).

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B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht

positive Interesse, wenn im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen der Geschädigte nachweist, dass er bei ordnungsgemäßer Abwicklung den Auftrag erhalten hätte.43 Eine Haftung aus culpa in contrahendo kommt nach der österreichischen44 und schweizerischen45 Rechtsprechung immer dann in Betracht, wenn die schädigende Partei eine Aufklärungs- bzw. Warnpflicht verletzt hat. Gemeint sind die Fälle, in denen der Abschlusswille von Beginn an nur zum Schein erweckt oder nach dem Wegfall der Abschlussbereitschaft aufrechterhalten wird. Im Schrifttum wird hingegen – wie in Deutschland – auch das grundlose Abbrechen von Vertragsverhandlungen als pflichtwidrig erachtet, sofern der Vertragsschluss als sicher hingestellt worden ist.46 In Griechenland gelten Art. 197, 198 ZGB, deren Voraussetzungen für die Haftung wegen des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs mit denen des deutschen Rechts identisch sind.47 Diese Normen stellen eine allgemeine Regelung zur vorvertraglichen Haftung dar, dessen Rechtsfolge Schadensersatz ist.48 Die wohl herrschende Ansicht in der griechischen Literatur geht dabei von einer vertragsähnlichen Rechtsnatur aus.49 Die italienische Rechtslage ergibt sich aus Art. 1337 C.c.50 Der Schadensersatzanspruch setzt dabei die Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens voraus, das erst mit einer Einigung über die essentialia negotii, insofern enger als im deutschen Recht, gegeben ist.51 Diese gesetzliche Regelung wird von der Rechtsprechung und weit verbreiteten Literaturmeinung deliktisch eingeordnet. Eine stark vertretene Gegenansicht qualifiziert hingegen vertraglich.52 In Frankreich findet die Haftung für die Fälle des Abbruchs von Vertragsverhandlungen einzig in der allgemeinen Deliktsklausel des Art. 1382 C.C. ihre Grundlage. Voraussetzung zur Begründung der deliktischen Qualität des Verhandlungsabbruchs ist zumindest die Treuwidrigkeit der Verletzung der vorvertraglichen Loyalitätspflicht, z. B. die von Anfang an fehlende Abschlussbereitschaft der einen Partei.53 BGHZ 120, 281 (284 f.). OGH JBl. 1977, 315 (317). 45 BGE 105 (1979) II, 75 (79 ff.). Vgl. hierzu auch: IPG 2000 / 2001 (2004), Nr. 12, S. 204 (214 f.; Rn. 31 ff.); Kues, S. 134 ff. 46 Vgl. IPG 2000 / 2001 (2004), Nr. 12, S. 204 (215, Rn. 36); Frick, S. 38 f.; Kues, S. 37 ff.; Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (345 f.). 47 Nickl, S. 146 f. 48 Vgl. von Bar, Gemeineurop. Deliktsrecht, Bd. 1, § 5, Rn. 472. 49 von Bar, Gemeineurop. Deliktsrecht, Bd. 1, § 5, Rn. 476. 50 Vgl. Frick, S. 82 f.; Nickl, S. 145 f. 51 Vgl. Schütz, S. 156 f.; vgl. zu den Haftungsvoraussetzungen im italienischen Recht auch: Gebauer, Jhb. Ital. Recht 15 / 16 (2002 / 2003), 155 (161 f.). 52 Vgl. Frick, S. 84 f.; Nickl, S. 48 f.; Gebauer, Jhb. Ital. Recht 15 / 16 (2002 / 2003), 155 (160) m. w. N. 43 44

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Im anglo-amerikanischen Recht wird nur in Einzelfällen für den Abbruch von Vertragsverhandlungen gehaftet.54 Insbesondere im englischen Recht sind nur deliktische Ansprüche bei der fahrlässigen oder vorsätzlichen Irreführung über das Zustandekommen des geplanten Vertrages möglich.55 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das vernünftige Vertrauen auf den Vertragsabschluss in vielen anderen europäischen Rechtsordnungen56 ebenfalls geschützt wird. Die Anforderungen an den geschaffenen Vertrauenstatbestand bzw. an die Art der Pflichtverletzung sind aber unterschiedlich streng. Außerhalb des deutschen Rechtskreises werden diese Fälle mit Hilfe des Deliktsrechts gelöst.

2. Herbeiführen eines unwirksamen Vertrages Kennzeichnend für die Fallgruppe der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages ist, dass wenigstens eine Partei sich in dem Glauben befindet, ein Vertrag sei bereits zur Entstehung gelangt und das Stadium der vorvertraglichen Verhandlungen sei schon verlassen.57 Dann stellt sich jedoch heraus, dass das vermeintlich geschlossene Rechtsgeschäft entweder von Anfang an unwirksam war oder dies rückwirkend geworden ist, wodurch der auf den wirksamen Vertragsschluss vertrauenden Partei ein Schaden entstanden ist. Zwar muss jeder Beteiligte grundsätzlich seine Geschäfte selbständig auf deren Gültigkeit überprüfen.58 Bei Wirksamkeitshindernissen kommt aber eine Verantwortlichkeit nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo in Betracht.59 Anerkannt ist die Haftung für einen schuldhaft verursachten Dissens,60 für schuldhaft mangelhafte Vertretung,61 schuldhaft herbeigeführte Vertragsnichtigkeit – beispielsweise gem. §§ 134, 138 BGB62 – und 53 Vgl. Lohse, S. 74 f.; Frick, S. 72 ff. m. w. N.; Schütz, S. 157 ff.; S. Lorenz, ZEuP 1994, 118 (226); Unberath, IPRax 2005, 308 (312). Siehe auch: Nickl, S. 142 ff. 54 Vgl. Frick, S. 97 ff. 55 Lohse, S. 183; Schütz, S. 159 ff.; Cartwright, ERPL 2005, 455 (456 ff.); vgl. auch: Nickl, S. 149 f. 56 Für das niederländische Recht vgl.: EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7376, Nr. 62); Hesselink, ERPL 2005, 443 (443 ff.); für das spanische Recht vgl.: Garcia Rubio, ERPL 2005, 447 (447 ff.); für das portugiesische Recht vgl. Moura Vicente, RabelsZ, 699 (700 ff.). 57 Jauernig / Stadler, § 311 BGB, Rn. 60; Medicus, Gutachten, S. 479 (504); Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (313). 58 Medicus, Gutachten, S. 479 (513 f.); Schütz, S. 129. 59 Diese Fallgruppe hat Jhering zum Ansatzpunkt seiner Überlegungen gewählt, vgl. JherJhb. 4 (1861), S. 1 ff. („Culpa in contrahendo oder Schadensersatz bei nichtigen oder nicht zur Perfection gelangten Verträgen“). 60 RGZ 104, 267 ff.; 143, 219 ff.; BGHZ 99, 101 (106). 61 BGHZ 6, 330 ff.; 92, 164 (175 f.); BGH NJW-RR 2001, 1524. 62 BGH NJW 1987, 639 (640); OLG Düsseldorf BB 1975, 201.

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die Verwendung sittenwidriger oder unwirksamer Vertragsklauseln63 sowie insbesondere die Nichtbeachtung gesetzlicher Formvorschriften.64 Wenn beide Seiten in voller Kenntnis der Formvorschriften auf eine Einhaltung derselben verzichten, scheidet eine Schadensersatzhaftung für vorvertragliches Verschulden grundsätzlich aus.65 Täuscht eine Partei den Verhandlungspartner demgegenüber vorsätzlich über die Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts, so haftet sie aufgrund dieser Treuepflichtverletzung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss.66 Unter bestimmten Umständen muss auch für die fahrlässige Nichtbeachtung von gesetzlichen Formvorschriften Schadensersatz geleistet werden. Dies gilt dann, wenn die eine Partei gegenüber der anderen eine Betreuungsverpflichtung hat.67 So ist beispielsweise im Fall einer gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft die Fahrlässigkeitshaftung damit begründet worden, dass sie „in ihrer Eigenschaft als Handelsgesellschaft“ Rechtsauskünfte über Formvorschriften hätte einholen müssen.68 Für die Fallgruppe der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages gilt zunächst ebenfalls der Grundsatz, dass der Vertrauensschaden zu ersetzen ist.69 Des Weiteren kommt es hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Rechtsfolge aber auf den Grund der Unwirksamkeit an. Ist z. B. gegen die Formvorschrift des § 311b Abs. 1 BGB verstoßen worden, so wird zwar das Erfüllungsinteresse ersetzt, aber nur in Geld.70 Andernfalls würde es sich nicht mehr um einen Schadensersatzanspruch, sondern vielmehr um einen Anspruch auf Vertragserfüllung handeln, der die Formvorschrift aushebelt.71 Resultiert die Unwirksamkeit jedoch aus einer feh63 BGHZ 99, 101 (107); OLG Hamm NJW-RR 2002, 128 (129) (Sittenwidrigkeit); OLG Köln NJW-RR 1995, 1333 (1334) (unwirksame AGB). 64 Medicus, Gutachten, S. 479 (514). 65 Vgl. RGZ 117, 121 (126); BGH NJW 1969, 1167 (1168 f.); anders nur bei Untragbarkeit der Nichtigkeitsfolge, vgl. BGHZ 23, 249 (255); 48, 396 (398). 66 BGHZ 116, 251 (257 f.); BGH NJW 1996, 1884 (1885); DStR 2001, 802 (803). In diesen Fällen haftet der Täuschende u. U. auch nach § 826 BGB und §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 263 StGB. 67 Medicus, Gutachten, S. 479 (514). 68 BGH NJW 1965, 812 (814). Vgl. aber: BGH NJW 1996, 1884 (1885). Auch eine kommunale Selbstverwaltungskörperschaft muss die für sie geltenden Vorschriften besser kennen als der Vertragspartner, Vgl. BGH NJW 1999, 3335 (3338). 69 Vgl. Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 25. 70 Der Höhe nach muss die Entschädigung so beschaffen sein, dass die Beschaffung eines gleichwertigen anderen Grundstücks möglich ist, BGH, NJW 1965, 812 (814). 71 Vgl. BGH NJW 1996, 1884 (1885); NJW 1992, 1037 (1039); NJW 1965, 812: § 311 b Abs. 1 BGB (§ 313 BGB a.F.) muss aus Gründen der Rechtssicherheit „unbedingt eingehalten werden“. Nur wenn es nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren wäre, soll eine Ausnahme zulässig sein, d. h. das Ergebnis muss schlechthin untragbar sein (S. 813). Die Nichtigkeitsfolge tritt beispielsweise zurück, wenn die Existenz des anderen Vertragspartners gefährdet oder ihre Geltendmachung eine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung bedeutet, vgl. BGH DStR 2001, 802 (803); siehe auch: Hk-BGB / Schulze,

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lenden Genehmigung, ist verschiedentlich eine Mitwirkungspflicht aus culpa in contrahendo konstruiert worden. So seien die Parteien im Einzelfall verpflichtet, an einer Vertragsänderung mitzuwirken, um die Genehmigungsfähigkeit herbeizuführen.72 Dies gelte nicht nur für das genehmigungsbedürftige Verpflichtungsgeschäft, sondern gleichermaßen für die Genehmigung des Erfüllungsgeschäfts.73 Auch muss ein ausländischer Lieferant auf Verlangen des Importeurs „im Rahmen des Zumutbaren“ daran mitwirken, eine erforderliche devisenrechtliche Genehmigung zu beschaffen.74 Das Recht Österreichs und der Schweiz kennt ebenso die Haftung aus culpa in contrahendo wegen schuldhafter Nichtbeachtung von Formvorschriften seitens einer Partei.75 Gleiches gilt für beide Länder, wenn die von einer Seite zu vertretende Unwirksamkeit infolge anderer Gründe, die zum Teil speziellgesetzlich normiert sind, eintritt.76 Beispielsweise wird in der Schweiz die vorvertragliche Verantwortlichkeit infolge schuldhaft mangelhafter Vertretung durch Art. 39 Abs. 1, 2 OR angeordnet.77 In Österreich ergibt sich diese Rechtsfolge aus §§ 866, 878 (analog) ABGB.78 Das griechische Recht subsumiert die Fallgestaltung der schuldhaft herbeigeführten Vertragsnichtigkeit unter Artt. 197, 198 ZGB,79 sieht also eine vertragsähnliche Haftung vor. Die Herbeiführung eines nichtigen Vertrages zieht im italienischen Recht gem. Art. 1338 C.c. eine Schadensersatzpflicht nach sich.80 Allerdings führt die Nichteinhaltung von Formvorschriften nur im Falle des Art. 1350 C.c. zur Vertragsnichtigkeit. In den romanischen Rechtsordnungen erfüllen die dort existierenden Formvorschriften nämlich überwiegend Beweisfunktionen, so dass für Schadensersatzansprüche nach den Maßstäben der culpa in contrahendo grundsätzlich jedes Bedürfnis fehlt.81 Auch in Frankreich haftet die Partei, wenn das Rechtsgeschäft von ihr verschuldet unwirksam ist.82 Dabei sind die Nichtigkeitsfälle aufgrund man§ 311 BGB, Rn. 31; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 245 f.; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 146. A.A. BGHZ 92, 164 (175 f.): nur Vertrauensinteresse. 72 BGH NJW 1976, 1939 (1939); WM 1963, 763 (766); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 241 BGB, Rn. 57; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 143; Stoll, in: FS von Caemmerer, S. 435 (443 f.). 73 BGH NJW 1976, 1939 (1939). 74 OLG München IPRspr. 1954 / 55, 57 (58). 75 Vgl. BGE 98 (1972) II, 23 (28 f.); 105 (1979) II, 75 (80 f.); Schütz, S. 144. 76 Vgl. Frick, S. 39 ff.; Schütz, S. 150 f. m. w. N. 77 BGE 40 (1914) II, 370 (372 f.); siehe auch: Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (319 ff.). 78 Vgl. Frick, S. 41; Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (315 ff.). 79 Vgl. Nickl, S. 87; Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (322). 80 Vgl. Frick, S. 80 f. m. w. N.; Nickl, S. 86 f.; Schütz, S. 151. 81 Vgl. Schütz, S. 145 ff. 82 Frick, S. 71 f.; Schütz, S. 152; S. Lorenz, ZEuP 1994, 237 ff.

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gelnder Formbeachtung sehr selten.83 Beide Länder verstehen diese vorvertragliche Haftung aber als eine deliktische.84 Soweit im anglo-amerikanischen Recht eine Seite die Nichtigkeit des Vertrages zu vertreten hat, kommt eine Haftung immer dann in Betracht, wenn eine Aufklärungspflichtverletzung im Sinne der misrepresentation-Lehre oder der Theorie des promissory estoppel vorliegt.85 Ähnlich wie im romanischen Rechtskreis führen Formverstöße nur selten zur Vertragsnichtigkeit.86 Im Falle der verschuldeten Nichtigkeit des Vertrages sehen also sämtliche hier dargestellten Rechtsordnungen eine Haftung vor. Unterschiedlich ist deren Ausgestaltung. Im deutschen Rechtskreis und in Griechenland erfolgt sie mit Hilfe der rechtsgeschäftsähnlichen Haftung aus culpa in contrahendo, andernorts wird das Deliktsrecht bemüht. Festzuhalten ist außerdem, dass die Fälle der Vertragsnichtigkeit aufgrund Formmangels im romanischen und anglo-amerikanischen Rechtskreis eher selten sind und deshalb dort keine Notwendigkeit für die Entwicklung einer Haftung nach den Maßstäben der culpa in contrahendo besteht.

3. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages Im Falle der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages ist es zwar zu einem wirksamen Vertragsabschluss gekommen. Dieser entspricht aber nicht den berechtigten Erwartungen einer Partei. Grund hierfür ist das pflichtwidrige Verhalten der anderen Seite. Zwei Fallgestaltungen haben sich herausgebildet: die Beeinflussung der Willensbildung durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung87 sowie die fahrlässige Verletzung von Aufklärungs- und Informationspflichten. 88 Letzteres setzt das Bestehen einer Aufklärungs- oder Informationspflicht voraus. Dies hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, da sich jede Partei zunächst selbst über die ihr zugänglichen Informationsquellen mit den für den Abschluss des Rechtsgeschäfts notwendigen Daten versorgen muss.89 Grundsätzlich gilt das Prinzip „caveat empSchütz, S. 145. Für Italien: Nickl, S. 87; für Frankreich: Frick, S. 71 f.; Nickl, S. 84. 85 Zur misrepresentation-Lehre und dem Prinzip des promissory estoppel siehe unten stehende Ausführungen: Teil B. IV. 3. d). 86 Vgl. Schütz, S. 147 ff. 87 Der Anspruch aus culpa in contrahendo besteht in uneingeschränkter Anspruchskonkurrenz zu § 123 BGB; vgl. BGH NJW 1979, 1983 (1983 f.); NJW 1990, 1661 (1662); NJW 1991, 1673 (1675); NJW 1998, 302 (303 f.); Hk-BGB / Schulze, § 311 BGB, Rn. 30; Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 24; Ehmann / Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 155; S. Lorenz, S. 330 ff.; Schubert, AcP 168 (1968), 470, (505 f.). 88 BGHZ 96, 302 (311); NJW 2002, 208 (211); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 117 ff. m. w. N.; Horn, JuS 1995, 377 (380); S. Lorenz, S. 391; Schubert, AcP 68 (1968), 470 (507 f.). 83 84

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tor“.90 Eine Pflicht zur Aufklärung entsteht erst dann, wenn es sich um zusätzliche Informationen handelt, die die eine Partei der anderen nicht vorenthalten darf. Regelmäßig wird eine solche Offenbarungspflicht angenommen, wenn es um Umstände geht, die den Vertragszweck vereiteln können und von so wesentlicher Bedeutung sind, dass die Verkehrserwartung eine freiwillige Preisgabe erfordert.91 Insbesondere die erkennbare strukturelle Unterlegenheit eines der Beteiligten kann eine Aufklärungspflicht begründen.92 Je umfassender dabei die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien ist, umso eher kann eine Informationspflicht angenommen werden und umso intensiver wird der Pflichtengrad.93 Im Hinblick auf das Konkurrenzverhältnis zum Gewährleistungsrecht des BGB94 ist zu bemerken, dass eine Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss ab Gefahrübergang grundsätzlich nur noch eingreift, wenn falsch über andere wertbildende Merkmale informiert wird, die nicht zum Gegenstand einer Beschaffenheitsangabe i. S. v. § 434 BGB gemacht werden können.95 Rechtsfolge ist ein Schadensersatzanspruch, der die geschädigte Seite so stellen soll, wie sie ohne die begangene Pflichtverletzung stünde.96 Entgegen des teilweise in der Literatur97 geforderten Anspruchs auf Vertragsanpassung billigt die Rechtsprechung dem Geschädigten lediglich das Recht zu, an dem für ihn ungünstigen Vertrag festzuhalten und die Liquidation des ihm verbliebenen Vertrauensschadens vorzunehmen.98 Als Schaden ist der überzahlte Betrag anzusehen, um den der Vertrag zu teuer abgeschlossen worden ist, verglichen mit dem Preis, der bei Kenntnis der wahren Sachlage gezahlt worden wäre.99 Dass der Vertragspartner sich auf den Vertragsabschluss zum niedrigeren Preis eingelassen hätte, muss der Geschädigte 89 BGH NJW 1997, 3230 (3231); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 70; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 99; Köstlin, S. 146; S. Lorenz, S. 416 f. 90 Vgl. Assmann, Prospekthaftung, S. 20 f. 91 RGZ 62, 149 (150); 120, 249 (252); BGHZ 60, 221 (224); 71, 386 (396); 87, 27 (34); 96, 302 (311); BGH WM 1978, 873 (875); NJW 1984, 2284 (2286); 2002, 208 (211); 2006, 1536 (1538); DB 2002, 1878 (1879); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 72; Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 42; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 153; Köstlin, S. 146; Möllers, LMK 2003, 223 (223 f.); Pfeiffer, IPRax 2003, 233 (238). 92 Vgl. Assmann, Prospekthaftung, S. 23; Rieble, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 (149); S. Lorenz, S. 423 f. 93 MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 100 ff.; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 153, zu den verschiedenen Unterfallgruppen: Rn. 155 – 171. 94 Hierzu MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 124 m. w. N.; vgl. auch Emmerich, JuS 1998, 80 f.; Grigoleit, JZ 2003, 118 (126); Häublein, NJW 2003, 388 ff. 95 Hk-BGB / Schulze, § 311 BGB, Rn. 14; Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 43. 96 Vgl. oben Teil B. IV.; OLGZ 1983 (München), 461 (463); BGH NJW 2006, 1536 (1539). 97 Beispielsweise Palandt / Heinrichs, § 311, Rn. 59; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 242 f. 98 So jüngst BGH NJW 2006, 1536 (1539) m. w. N. 99 BGH NJW 2006, 1536 (1539).

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nicht beweisen.100 Als Schadensersatz kann aber auch Vertragsaufhebung gewählt werden.101 Wenn die Aufhebung des Vertrages verlangt wird,102 ist dieser Zug um Zug rückabzuwickeln.103 Damit kommt es zu einem ähnlichen Ergebnis wie bei einer Vertragsanfechtung.104 Es ist zusätzlich Aufwendungsersatz an den geschädigten Teil zu leisten.105 In Österreich und der Schweiz wird die schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- oder Informationspflichten ebenfalls als Fallgruppe der culpa in contrahendo angesehen. Die Haftungsvoraussetzungen sind mit denen des deutschen Rechts vergleichbar.106 Im griechischen Recht gelten wiederum die Artt. 197, 198 ZGB, die eine vertragsähnliche Haftung auslösen.107 Die italienische Rechtsordnung kennt ebenfalls Aufklärungspflichten im Vorfeld eines Vertragsabschlusses. Sie finden ihre gesetzliche Regelung in den Artt. 1337, 1338 C.c.108 Allerdings sind diese nach der Rechtsprechung und einem großen Teil der Lehre dem Deliktsrecht zuzuordnen.109 Auch in Frankreich wird für die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten gehaftet, wobei ähnliche Grundsätze gelten wie in Deutschland. Aufgrund der weiten deliktischen Generalklausel des Art. 1382 C.C. unterfällt die Haftung aber unproblematisch dem Deliktsrecht.110 100 Vgl. BGH NJW 2001, 2875 (2877); NJW 2006, 1536 (1539); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 241; kritisch: Rieble, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 (154 f.). 101 Vgl. MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 242 (er weist darauf hin, dass diese Grundsätze auch nach der Schuldrechtsreform gelten sollen, obwohl die Rechtsstellung von Käufern und Werkbestellern verbessert worden ist.); Hk-BGB / Schulze, § 311, Rn. 25; S. Lorenz, S. 69 ff.; Gottwald, JuS 1982, 877 (884). 102 Nach st. Rspr. setzt dieser Anspruch einen Vermögensschaden voraus, der durch den Vertragsschluss verursacht worden sein muss, wobei ein „wirtschaftlich nachteiliger“ Vertrag ausreichen soll. Die h. M. in der Literatur lehnt diese Voraussetzung für einen Anspruch auf Vertragsaufhebung hingegen ab. Dem ist im Hinblick auf § 241 Abs. 2 BGB, der auch die Entscheidungsfreiheit schützt, zuzustimmen. Vgl. zum Streitstand: Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 43 m. w. N. 103 BGH NJW 1962, 1196 (1198); WM 1997, 2309 (2311 f.); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 243; Horn, JuS 1995, 377 (380). 104 So explizit: BGH NJW 1979, 1983 (1984). Kritisch zu der Schaffung einer solchen „Anfechtungsmöglichkeit“ für nur fahrlässige Täuschungen: Gottwald, JuS 1982, 877 (881). 105 BGHZ 69, 53 (57 ff.); 115, 213 (220 f.); OLGZ 1983 (München), 461 (463); Jauernig / Stadler, § 311 BGB, Rn. 56; Staudinger / Löwisch, Vorbem. zu §§ 275 ff. BGB, Rn. 94. 106 Vgl. Frick, S. 43; Schütz, S. 118 f. 107 Vgl. Nickl, S. 121; vgl. oben: Teil B. IV. 1. c), 2. c). 108 Vgl. hierzu: Nickl, S. 114 ff. m. w. N.; Schütz, S. 120. 109 So schon oben: Teil B. IV. 1. c), 2. c). 110 Nickl, S. 116 ff. m. w. N.; Schütz, S. 121 f.; S. Lorenz, ZEuP 1994, 118 (232 ff.); siehe auch: Lohse, S. 76 f.

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Der anglo-amerikanische Rechtskreis ist hinsichtlich der Annahme von Informations- und Aufklärungspflichten strenger. Hier ist das Prinzip „caveat emptor“, wonach grundsätzlich keine Mitteilungspflichten bestehen, ausgeprägter als in Deutschland verwirklicht. Eine vorvertragliche Haftung, die der deutschen culpa in contrahendo funktionell weitgehend entspricht, entsteht im englischen Recht nur dann, wenn eine Seite durch positives Handeln die gegnerische Partei zu einer falschen Vorstellung veranlasst, sog. misrepresentation. 111 Je nachdem, ob die unrichtige Behauptung mit Absicht, fahrlässig oder in gutem Glauben abgegeben wurde, spricht man von „fraudulent“, „negligent“ oder „innocent misrepresentation“.112 Es ist regelmäßig Vertragsaufhebung oder Schadensersatz wählbar.113 Außerdem findet in den Fällen, in denen sich eine falsche Erklärung in dem später abgeschlossenen Vertrag niedergeschlagen hat und die geschädigte Seite an dem Vertrag festhalten will, die Lehre von der promissory estoppel Anwendung. Danach ist die eine Partei an ihre falsche Erklärung gebunden und zum Ausgleich eventuell eingetretener Nachteile der anderen Seite verpflichtet.114 Demzufolge tragen sämtliche angeführten Rechtsordnungen dem Bedürfnis Rechnung, Schäden durch die Herbeiführung eines nachteiligen Vertrages auszugleichen, die einer Partei aufgrund vorvertraglicher Informationspflichtverletzungen der anderen Seite entstanden sind. Die angelegten Maßstäbe und rechtstechnischen Mittel unterscheiden sich dabei, während im Ergebnis oft vergleichbare Lösungen erzielt werden.

4. Verletzung von Integritätsinteressen Des Weiteren bestehen vor Vertragsabschluss Schutzpflichten, dafür Sorge zu tragen, dass im vorvertraglichen Stadium kein Schaden an den Rechtsgütern der anderen Partei dadurch entsteht, dass sie sich in den fremden Gefahrenbereich gewagt und dadurch ihre Rechtsgüter den Einwirkungen der bereichsbeherrschenden Partei ausgesetzt hat.115 Ob es später zu dem avisierten Vertragsabschluss kommt, ist für die Haftung der gefahreröffnenden Partei aus culpa in contrahendo ohne Bedeutung.116 Die vorvertraglichen Erhaltungs- und Sorgfaltspflichten existieren Frick, S. 85 f. m. w. N.; Nickl, S. 119 ff. Vgl. IPG 1999 (2003), Nr. 7, S. 44 (49, Rn. 10); Frick, S. 87 ff.; S. Lorenz, S. 338; Schütz, S. 123 ff.; Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (335 ff.). 113 Ein Schadensersatzanspruch ist für die innocent misrepresentation nur im U.S.-amerikanischen Recht, jedoch nicht im englischen Recht möglich. Allerdings kann sich der Geschädigte in den status quo vor Eingehung des Rechtsgeschäfts zurückversetzen lassen (sog. indemnity), vgl. Frick, S. 88 ff. 114 Frick, S. 95 ff.; Schütz, S. 126. 115 Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (285). Kritisch, da keine Schutzpflicht, sondern eine jedermann gegenüber bestehende Verkehrspflicht: U. Huber, AcP 177 (1977), 281 (319 f.). 116 Jauernig / Stadler, § 311 BGB, Rn. 63; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 77. 111 112

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parallel zu den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten.117 In den Schutzbereich der vorvertraglichen Pflichten fallen deshalb die klassischen, durch das Deliktsrecht ebenfalls geschützten Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum.118 Daneben sind grundsätzlich das gesamte Vermögen und alle sonstigen Rechte, Rechtsgüter und Interessen aus § 241 Abs. 2 BGB von diesen Sorgfaltspflichten erfasst.119 Weil in diesem Stadium der Vertragsanbahnung aber zumeist noch kein konkreter Vertragsschluss in Rede steht, wird der Schaden regelmäßig nicht mit dem Rechtsgeschäft zusammenhängen, sondern es wird sich zumeist um die auch deliktsrechtlich geschützten Rechtsgüter Körper und Eigentum handeln, die im Herrschaftsbereich des zukünftigen Vertragspartners veletzt worden sind.120 Typische Fallkonstellation ist die Verletzung eines Kunden in einem Warenhaus.121 Für die Haftung des Unternehmers reicht es aus, wenn er den potentiellen Kunden seine Räumlichkeiten zur Information über sein Angebot und einen eventuellen Vertragsabschluss öffnet.122 Vertragsverhandlungen müssen nicht stattgefunden haben, sondern es genügt eine „etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung“. Erforderlich ist aber, dass der Geschädigte die Räumlichkeiten „berechtigt“, beispielsweise zum Zwecke eines Vertragsschlusses oder mit der Absicht, sich über das Warenangebot zu informieren – mithin zur Geschäftsanbahnung –, betreten hat.123 Ausweislich der Begründung zum SRMG-Entwurf sind die „Warenhausfälle“ unter § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu subsumieren.124 117 Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 52; Medicus, in: H / M / R / S / W, Das neue Schuldrecht, Rn. 165 (S. 118). 118 Dazu Schütz, S. 100 ff. In diesen Fällen ist auch eine Haftung nach den §§ 823 ff. BGB möglich, vgl. Jauernig / Stadler, § 311 BGB, Rn. 63. 119 Vgl. Ehmann / Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 154; P. Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kapitel 3, Rn. 8. 120 Medicus, in: H / M / R / S / W, Das neue Schuldrecht, Rn. 165 (S. 118). 121 RGZ 78, 239 ff. (Linoleumrollen-Fall); BGH NJW 1962, 31 f. (Bananenschalenfall); BGHZ 66, 51 ff. (Gemüseblatt-Fall). 122 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 70; Rieble, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 (141). Neben der Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils nennt § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB noch das Anvertrauen dieser Schutzgüter als Fallkonstellation. Diese bildet aber nur einen Unterfall der Eröffnung einer Einwirkungsmöglichkeit, vgl. MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 75; siehe auch: Canaris, in: FS Schimansky, S. 43, (52). 123 BGHZ 66, 51 (54 f.); BGH NJW 1962, 31 (32). Ob eine latente Kaufabsicht als Minimum erforderlich ist, ist streitig; bejahend: Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 53; ablehnend unter Hinweis darauf, dass die Freigabe der Räume für den Publikumsverkehr ja auch gerade die Besucher zum Kauf verleiten soll und deshalb nicht auf eine potentielle Kaufabsicht abgestellt werden kann: MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 70. Dem Schutz durch die culpa in contrahendo entzogen sollen aber Personen sein, die sich zu Unrecht in den Geschäftsräumen aufhalten, z. B. ein Ladendieb (vgl. BGHZ 66, 51 (55); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 90; Hk-BGB / Schulze, § 311 BGB, Rn. 16; Jauernig / Stadler, § 311 BGB, Rn. 44; Larenz, MDR 1954, 515 (518); a.A.: Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 245). 124 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163.

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In den sog. Obhutsfällen hat der potentielle Kunde die Sache der anderen Partei vor dem Zustandekommen des Vertrages schon anvertraut, beispielsweise das Kfz vor Abschluss des Bewachungsvertrages auf dem Parkplatz bereits abgestellt, bevor es beschädigt wird.125 Rechtsfolge im Falle der Verletzung von Integritätsinteressen ist Schadensersatz in Höhe des negativen Interesses,126 wobei gem. § 253 Abs. 2 BGB gegebenenfalls Schmerzensgeld verlangt werden kann. Die Rechtslage in Österreich gleicht derjenigen in Deutschland, so dass auf das zuvor Gesagte verwiesen werden kann.127 Auch in der Schweiz ist diese Fallgruppe der culpa in contrahendo anerkannt. Allerdings entscheidet die schweizerische Rechtsprechung je nach Einzelfall, ob eine vertragsähnliche oder deliktische Haftung gegeben ist.128 In Frankreich können die genannten Konstellationen der Schutz- und Obhutspflichtverletzungen adäquat über die deliktischen Generalklauseln der Artt. 1382, 1384 C.C. gelöst werden, denn die Schwächen des deutschen Deliktsrechts, insbesondere mangelnder Vermögensschutz und die Einräumung der Exkulpationsmöglichkeit für den Geschäftsherrn, finden sich im französischen Recht nicht.129 Gleiches gilt für das italienische Recht, das eine deliktische Haftung nach Art. 2043 C.c. vorsieht.130 Ebenso werden in England131, in den Niederlanden, in Dänemark und in Griechenland132 die deliktischen Regelungen auf Schutzpflichtverletzungen angewandt. Somit zeigt sich, dass die im deutschen Sachrecht vorgenommene rechtsgeschäftsähnliche Haftungskonstruktion im Bereich der Schutz- und Obhutspflichtverletzungen nur in Österreich ebenso vertreten wird. Das Eingreifen der culpa in contrahendo lässt sich für diese Fälle einzig auf die bereits genannten Schwächen des deutschen und österreichischen Deliktsrechts zurückführen. Rechtsvergleichend betrachtet handelt es sich um eine Besonderheit, da die übrigen Rechtsordnungen diese Fallkonstellation bereits mit ihren weiten deliktischen Generalklauseln erfassen.133 AG Garmisch-Partenkirchen VersR 1971, 652 (653). BGHZ 66, 51 (53); Gottwald, JuS 1982, 877 (884). 127 Vgl. Schütz, S. 103 f. m. w. N. 128 Vgl. BGE 108 (1982) II, 305 (311 ff.); 101 (1975) II 266 (268 ff.); Schütz, S. 104 m. w. N. 129 Vgl. Lohse, S. 77; Nickl, S. 45 f.; Schütz, S. 104 f. m. w. N.; S. Lorenz, ZEuP 1994, 218 (220, 240 f.); vgl. auch Frick, S. 74; 76 f.; 78 f. 130 Vgl. Nickl, S. 47 ff. m. w. N.; Schütz, S. 105 f.; Gebauer, Jhb. Ital. Recht 15 / 16 (2002 / 2003), 155 (160). Teilweise wird auch Art. 1337 C.c. herangezogen, so bei Obhutspflichtverletzungen, vgl. Frick, S. 83 f. 131 Vgl. Frick, S. 102 f.; Nickl, S. 50; Schütz, S. 106. 132 Nickl, S. 46, 51 f. 133 Vgl. Gebauer, Jhb. f. Ital. Recht 15 / 16 (2002 / 2003), 155 (160 f.); Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (351). 125 126

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B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht

5. Dritthaftung Schließlich legt § 311 Abs. 3 Satz 1 BGB das gesetzliche Fundament für eine Haftung dritter Personen aus culpa in contrahendo. Mit der Normierung der Dritthaftung im Rahmen der culpa in contrahendo war keine Korrektur der anerkannten Fallgruppen bezweckt, sondern es sollte lediglich der Stand der Rechtsprechung wiedergegeben werden.134

a) Eigenhaftung von Vertretern und Verhandlungsgehilfen Grundsätzlich wird bei Vertragsverhandlungen, die mit Hilfe eines Vertreters oder Verhandlungsgehilfen durchgeführt werden, gem. § 278 BGB nur der Vertretene aus dem entstandenen vorvertraglichen Schuldverhältnis verpflichtet.135 Der Vertreter oder Verhandlungsgehilfe haftet grundsätzlich nur aus Delikt. In zwei Fallkonstellationen wird aber ausnahmsweise eine Eigenhaftung aus culpa in contrahendo für die die Verhandlungen vornehmende Hilfsperson angenommen. Zum einen haftet der Vertreter oder Verhandlungsgehilfe, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen der anderen Seite, d. h. Vertrauen für sich und nicht hinsichtlich der zukünftigen Vertragspartei, für die er handelt, in Anspruch genommen hat.136 Dadurch muss er Einfluss auf die Vertragsverhandlungen und den Vertragsabschluss genommen haben. Eine solche Kausalität wird bei der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens vermutet.137 Dies allein reicht aber nicht aus. Vielmehr ist zu fordern, dass eine über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinausgehende, zusätzliche und von der Hilfsperson persönlich zugestandene Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts geboten wird.138 Aus deren Verhalten oder Erklärung muss sich ergeben, dass sie als „Garant der Vertragsdurchführung“ angesehen werden will, auch und gerade dann, wenn der zukünftige Vertragspartner nicht so vertrauenswürdig erscheint.139 Das in den Vertreter gesetzte Vertrauen kann insbesondere auf seiner überragenden Sachkunde, seiner persönlichen Zuverlässigkeit oder seiner Möglichkeit zur Beeinflussung der Vertrags134 Jauerning / Vollkommer, § 311 BGB, Rn. 49; Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 60; Canaris, JZ 2001, 499, (520). 135 BGHZ 56, 81 (83); 71, 284 (286); 88, 67 (68); 126, 181 (183); BGH NJW 1963, 2166 (2167); NJW 1986, 586 (587); NJW-RR 1991, 1241 (1242); Wiedemann, NJW 1984, 2286. 136 BGHZ 88, 67 (68); BGH NJW 1988, 2234 (2234 f.); NJW-RR 1991, 1241 (1242); OLG Hamburg IPRspr. 1988, Nr. 33, S. 69 (70); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 205; Canaris, JZ 2001, 499 (520 f.). 137 Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 117. 138 BGH NJW-RR 1991, 1241 (1242); BGHZ 56, 81 (84 f.); 88, 67 (69); BGH JR 1987, 198 (200); NJW 1987, 2511 (2512); DB 2002, 1878 (1878); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 115; Brandner, in: FS Werner, S. 53 (60 f.); Medicus, in: FS Steindorff, S. 725 (735). 139 MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 216; Canaris, JZ 2001, 499 (521).

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abwicklung beruhen.140 Diese Konstellation ist als „wichtigste Fallgruppe“141 exemplarisch in § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelt. Ferner wird eine Eigenhaftung des Dritten auch bei besonderem wirtschaftlichen Interesse am Vertragsabschluss bejaht.142 Ausreichend ist aber nicht jedes mittelbare wirtschaftliche Interesse, wie z. B. der Erhalt einer Provision.143 Der Vertreter oder Verhandlungsgehilfe muss vielmehr die Verhandlungen selbst führen und so eng mit dem Vertragsgegenstand verbunden sein, dass er als wirtschaftlicher Herr des Geschäfts erscheint, weil er gleichsam in eigener Sache tätig wird (sog. procurator in rem suam).144 Es reicht nach der Rechtsprechungsänderung des BGH für eine Eigenhaftung des GmbH-Geschäftsführers nicht mehr aus, dass er zugunsten der Gesellschaft Sicherheiten in Form einer Bürgschaft und der Abtretung von persönlichen Forderungen zur Verfügung gestellt hat.145 Die Fallgruppe des unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses ist nicht von der in § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB angesprochenen vertrauensrechtlich begründeten Dritthaftung abgedeckt, sondern fällt unter die Generalklausel des § 311 Abs. 3 Satz 1 BGB.146 In der schweizerischen Literatur wird nach den auch für das deutsche Recht geltenden Grundsätzen eine Haftung des Dritten wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens oder wirtschaftlichen Eigeninteresses angenommen.147 Gleiches gilt für Österreich.148 Das anglo-amerikanische und das französische BGHZ 56, 81 (85). BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163. 142 RGZ 120, 249 (252 f.); BGHZ 14, 313 (318); 88, 67 (70); 126, 181 (183); BGH NJW 1988, 2234 (2234 f.); NJW-RR 1991, 1241 (1242); NJW 2002, 208 (212); OLG Hamburg IPRspr. 1988, Nr. 33, S. 69 (70); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 217. Kritisch: Ballerstedt, AcP 151 (1950 / 51), 501 (524); Medicus, in: FS Steindorff, S. 725 (727 ff.); ders., in: H / M / R / S / W, Das neue Schuldrecht, Rn. 170, 172 (S. 119) (Das Eigeninteresse des Dritten verstärke nicht das Vertrauen in ihn, sondern mache misstrauisch. Für die Haftung Dritter reiche es als alleiniges Kriterium nicht aus); Rieble, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 (144); K. Schmidt, ZIP 1988, 1497 (1503). 143 BGHZ 56, 81 (84); BGH NJW-RR 1991, 1241 (1242); NJW 1986, 586 (587); NJW 1987, 2511 (2512); NJW 1997, 1233 (1233); OLG Frankfurt IPRax 1986, 373 (378); Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 118; Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 61. 144 RGZ 120, 249 (253); BGHZ 56, 81 (84); 126, 181 (183); BGH NJW 1984, 2284 (2286); JR 1987, 198 (200); NJW 1987, 2511 (2512); NJW-RR 1991, 1241 (1242); NJW 2002, 208 (212); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 211, 217; Canaris, JZ 2001, 499 (520). 145 BGHZ 126, 181 (186); vgl. auch: OLG Köln NZG 2000, 439. 146 MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 210; Canaris, JZ 2001, 499 (520). Daraus, dass keine eigenständige Kodifikation erfolgt ist, wird teilweise gefolgert, dass die Fallgruppe des wirtschaftlichen Eigeninteresses praktisch aufgegeben wurde, vgl. B / H / M / Hopt, Überbl. v. § 48 HGB, Rn. 11. 147 OLG Frankfurt IPRax 1986, 373 (378); vgl. auch Nachweise bei Frick, S. 238. 148 OLG München WM 1983, 1093 (1097). 140 141

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B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht

Recht lösen diese Fälle hingegen über das Deliktsrecht.149 Ebenso stellt sich die Rechtslage in Italien – Deliktshaftung gem. Art. 2043 C.c. – und in Griechenland – Eingreifen der deliktischen Generalklausel des Art. 914 ZGB – dar.150

b) Sachwalterhaftung Unter die Fallgruppe der Sachwalterhaftung wird teilweise auch die Eigenhaftung von Vertretern und Verhandlungsgehilfen subsumiert,151 während in der Begründung zum Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von der Haftung von Sachverständigen und anderen „Auskunftspersonen“ gesprochen wird.152 Den Aussagen des Sachwalters muss ein entscheidendes Gewicht im Hinblick auf den Vertragsabschluss zukommen, was immer dann bejaht wird, wenn sich der Verhandlungspartner auf die Objektivität und Neutralität des Sachwalters verlässt.153 Der Sachwalter muss besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen haben und zusätzlich eine persönliche Gewähr bieten.154 Anerkannt ist beispielsweise die Eigenhaftung von Gebrauchtwagenhändlern, die aufgrund steuerlicher und haftungsrechtlicher Vorteile als Vermittler fungieren, aber im Rechtsverkehr als Verkäufer auftreten, mit der Konsequenz, dass der Käufer dem Händler als Fachmann allein vertraut.155 Als weitere Fallvariante ist die Sachverständigen- und Auskunftshaftung zu nennen. Hierbei geht es um die Haftung bestimmter Berufsgruppen, die nicht nur ihren Auftraggebern für von ihnen gegebene Auskünfte oder erstellte Gutachten haften, sondern auch gegenüber Dritten, die sich auf die Richtigkeit dieser Angaben verlassen.156 Diese Haftung wird für Angehörige von Berufen als gerechtfertigt angesehen, denen von der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Ausbildung und Tradition ein besonderes Vertrauen entgegengebracht wird.157 149 Vgl. für das englische Recht: BGH NJW-RR 2004, 308 (310); LG Düsseldorf WM 2000, 1193; siehe für das englische und französische Recht: Frick, S. 238 f.; Nickl, S. 187 ff. 150 Vgl. Nickl, S. 189 f. 151 MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 58 und 221; vgl. auch: Medicus, in: FS Steindorff, S. 725 (736) („schillernder Begriff“ des Sachwalters). 152 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163. 153 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163. 154 MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 221. 155 BGHZ 79, 281 (283 f.); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 224 ff. Vgl. aber auch Palandt / Heinrichs, § 311 BGB, Rn. 61 u. 66: diese Fallgruppe kann auch als Eigenhaftung des Verhandlungsgehilfen für eigenes wirtschaftliches Interesse eingestuft werden. Eine klare Grenzziehung ist hier nicht möglich, aber auch nicht notwendig. 156 BGHZ 138, 257 (260 f.); 145, 187 (197 ff.); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 227. 157 MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 227, hierzu zählen neben Sachverständigen auch Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.

II. Fallgruppen der culpa in contrahendo

45

§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB umfasst zuvor die genannten Konstellationen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Lösung solcher Sachverhalte mit Hilfe des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo hingewiesen, weil bisher auch verschiedene andere Haftungskonstruktionen diskutiert worden sind.158 Die rechtsvergleichenden Ausführungen zu der Fallgruppe der Eigenhaftung von Vertretern und Verhandlungsgehilfen gelten ebenso bei der Sachwalterhaftung.159 Außerhalb des deutschen Rechtskreises findet in den meisten Staaten das Deliktsrecht Anwendung.160 c) Prospekthaftung Unter dem Begriff der Prospekthaftung werden verschiedene Haftungstatbestände zusammengefasst. Zum einen ist die Prospekthaftung für bestimmte Kapitalanlageformen in Spezialgesetzen geregelt, die eine Prospektveröffentlichungspflicht vorsehen.161 Die Haftung ergibt sich bereits aus dem jeweils einschlägigen Gesetz. Da es sich insofern nicht um eine Konstellation der culpa in contrahendo handelt, wird die spezialgesetzlich normierte Prospekthaftung in der vorliegenden Arbeit nicht näher besprochen. Zum anderen ist die richterrechtlich entwickelte bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung zu nennen. Dabei ist die Prospekthaftung im weiteren Sinn von derjenigen im engeren Sinn zu unterscheiden. Erstere ist für die Situation entwickelt worden, in der eine Partei – meist ein Anlageberater – mit Hilfe eines Prospektes beim anderen Teil besonderes persönliches Vertrauen weckt. Im Fall einer Haftung dieses Prospektverwenders richtet sich die Einstandspflicht wegen der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo.162 Regelmäßig wird ein Fall der Sachwalterhaftung gegeben sein. Die Prospekthaftung im engeren Sinn beruht nicht auf einem persönlich geschaffenen Vertrauenstatbestand, sondern auf dem typisierten Vertrauen des Anlegers in die Richtigkeit der Prospektangaben. Es geht um die Haftung für die 158 Vgl. BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 228 ff. Mit dem Hinweis auf die culpa in contrahendo soll den anderen Haftungskonstruktionen aber nicht der Boden entzogen werden. Hier wurden insbesondere deliktische Ansätze (von Bar, Gutachten, S. 1681 (1771 ff.), die Annahme eines konkludent abgeschlossenen Auskunftsvertrages (BGH NJW 1998, 448; Kritik: Vertragsannahme oft reine Fiktion, vgl. P. Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 3, Rn. 13) und die Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages (BGHZ 127, 378 (380 ff.); BGH NJW 2001, 514 (516); Kritik: Interessen von Geschädigtem und Auftraggeber des Gutachtens oft entgegengesetzt, vgl. P. Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 3, Rn. 13) diskutiert. 159 Teil B. IV. 5. a) cc). 160 Vgl. Nickl, S. 219. 161 Vgl. Siol, DRiZ 2003, 204, der die §§ 45, 77 BörsG, § 20 KGAA, § 12 AuslandsinvestmentG und § 13 VerkProspektG anführt. 162 Vgl. Möllers, LMK 2003, 223; Siol, DRiZ 2003, 204.

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B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht

Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts eines Prospektes, mit dem eine Anlagegesellschaft Kapitalanleger werben will. Der Prospekt stellt für den Anleger oft die einzige Informationsquelle dar und muss deshalb alle erforderlichen Daten wahrheitsgemäß, umfassend und objektiv vermitteln.163 Die vorvertragliche Haftung für die Inanspruchnahme und Enttäuschung des typisierten Vertrauens soll im Folgenden näher dargestellt werden. Wird der Anleger aufgrund eines unrichtigen oder unvollständigen Prospekts getäuscht und verlangt er deshalb Schadensersatz, so muss er sich in erster Linie an den geschäftsführenden, persönlich haftenden Gesellschafter gem. §§ 705, 280 Abs. 1 BGB halten.164 Da es sich hierbei regelmäßig um eine vermögenslose GmbH handelt, hilft ihm das nicht viel weiter. Gegen die Anlagegesellschaft selbst, die (zumeist) als Personengesellschaft ausgestaltet ist, besteht ebenfalls keine Rückgriffsmöglichkeit. Sie ist nicht Vertragspartnerin geworden und scheidet deshalb aus dem Kreis der Haftenden aus.165 Schließlich bestehen auch keine Schadensersatzansprüche gegen die übrigen Gesellschafter, wenn diese ebenfalls getäuscht wurden, zumal sie nur mit ihrem Kapital an der Gesellschaft beteiligt sind und keinen Einfluss auf die Beitrittsverhandlungen haben.166 Deshalb ist die Haftung auf dritte Personen, die nicht am Vertragsschluss beteiligt waren, ausgedehnt worden, nämlich die „Initiatoren, Gestalter und Gründer der Gesellschaft, die das Management bilden oder beherrschen, und die Personen, die hinter der Anlagegesellschaft stehen und besonderen Einfluss in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen“.167 Diese müssen für den Prospektinhalt verantwortlich sein, den Werbeprospekt also wissentlich und willentlich in Verkehr gebracht haben.168 Sie sind deshalb verpflichtet, für die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt verwendeten Angaben einzustehen.169 Nicht der Anlagegesellschaft als abstraktes Gebilde, sondern vielmehr den dahinter stehenden Verantwortlichen wird nämlich aufgrund ihrer Stellung und Eigenschaft typi163 BGHZ 71, 284 (287 f.); 79, 337 (344); 111, 314 (317); 126, 166 (172); BGH NJW 2001, 436 (436 f.); Siol, DRiZ 2003, 204 (205, 206), vgl. auch: Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 105. 164 BGHZ 71, 285 (286); BGH, NJW-RR 1991, 1246 (1247); B / H / M / Hopt, Anh § 177a HGB, Rn. 63. 165 Siol, DRiZ 2003, 204 (204 f.). 166 Vgl. BGHZ 71, 284 (286); BGH NJW 1973, 1604 (1605); B / H / M / Hopt, Anh § 177a HGB, Rn. 64; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 163; Ahrens, IPRax 1986, 355 (355 f.). 167 BGHZ 71, 284 (287); 79, 337 (342); 126, 166 (169). Vgl. auch B / H / M / Hopt, Anh § 177a HGB, Rn. 63; Köstlin, S. 122 f.; Ahrens, IPrax 1986, 355 (356); Nehmen diese Personen aber an den Vertragsverhandlungen teil, so haften sie bei der Verletzung der ihnen obliegenden vorvertraglichen Pflichten ganz normal gem. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (sog. Prospekthaftung im weiteren Sinn bzw. uneigentliche Prospekthaftung). 168 BGHZ 71, 284 (289); 111, 314 (318); BGH NJW 2001, 436 (437); MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 164; Siol, DRiZ 2003, 204 (207). 169 BGHZ 71, 284 (288); 79, 337 (342).

II. Fallgruppen der culpa in contrahendo

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siertes Vertrauen geschenkt, d. h. persönliche Zuverlässigkeit erwartet.170 Allerdings müssen sie nicht nach außen in Erscheinung getreten sein, um von der Haftung getroffen zu werden.171 Daneben haften auch alle Personen nach den Grundsätzen der Prospekthaftung, die erkennbar an der Prospektgestaltung mitgewirkt und so einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen haben.172 Entscheidend ist, dass diesen Personen eine Garantenstellung zukommt. Dafür ist es erforderlich, dass ihnen aufgrund ihrer Vertrauenswürdigkeit erweckenden, allgemein anerkannten und herausgehobenen beruflichen und wirtschaftlichen Position oder ihrer besonderen Sachkunde typischerweise Vertrauen entgegengebracht wird.173 In Abgrenzung zu der Initiatoren- und Gründerhaftung ist das Auftreten nach außen Haftungsvoraussetzung. Ausreichend hierfür ist das faktische Hervortreten dieser Personen im Prospekt und die dadurch erzeugte Inanspruchnahme des besonderen Vertrauens seitens des Anlageinteressenten, ohne dass es einer Namensnennung bedarf.174 Zu diesem Personenkreis werden vor allem Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gezählt.175 Die Haftung dieser Garanten betrifft nur den Teil des Prospekts, über den sie Garantieaussagen getroffen haben, während die Gründer und Initiatoren umfassend für die Richtigkeit und Vollständigkeit der gesamten Prospektangaben einstehen müssen.176 Bei den Fallgestaltungen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung handelt es sich nach Ansicht der Rechtsprechung und Teilen der Literatur um eine Weiterentwicklung der Grundsätze der Vertrauenshaftung aus culpa in contrahendo.177 Es geht um die Inanspruchnahme typisierten Vertrauens, so dass diese Konstellationen unter § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB subsumiert werden können.178 170 171 172 173 174 175 176

BGHZ 71, 284 (287); 79, 337 (341). Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 105. BGHZ 111, 314 (319); Assmann, AG 2004, 435 (438). BGHZ 111, 314 (319); Siol, DRiZ 2003, 204 (207); von Stebut, ZIP 1992, 1698 (1699). BGHZ 72, 382 (387); 79, 337 (340); 111, 314 (320); Assmann, AG 2004, 435 (439 f.). BGHZ 111, 314 (319); Ahrens, IPRax 1986, 355 (356); Assmann, AG 2003, 435 (438). Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 106; Siol, DRiZ 2003, 204

(208). 177 BGHZ 79, 337 (341); 126, 166 (172); B / H / M / Hopt, Anh § 177a HGB, Rn. 60; Köndgen, AG 1983, 85 (90 ff.); Hopt, S. 49, Rn. 100; Grumann, BKR 2002, 310. Die Entwicklung erfolgte nach teilweise vertretener Ansicht aber in Anlehnung an die börsenrechtliche Prospekthaftung (§§ 44 ff. BörsG), vgl. MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 162; Siol, DRiZ 2003, 204. Zur Herleitung der Prospekthaftung aus dem Deliktsrecht vgl. von Bar, ZGR 1983, 476, 504 ff.; siehe auch Nickl (S. 17), der darauf hinweist, dass bei vorsätzlicher Irreführung § 264a StGB greift, der Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB ist. Vgl. zu anderen Begründungsversuchen: Assmann / Schütze, Hdb. des Kapitalanlagerechts (1990), § 7, Rn. 13 ff., m. w. N. 178 So auch: Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 52; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 222.

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B. Die culpa in contrahendo im deutschen materiellen Recht

Bei der Prospekthaftung ist das negative Interesse zu ersetzen, nämlich der Schaden, der der Partei dadurch entstanden ist, dass sie auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes vertraut hat.179 Neben Aufwendungsersatz kann auch die Rückgängigmachung des nachteiligen Vertrages verlangt werden.180 Bei noch werthaltigen Beteiligungen erfolgt die Rückgewähr Zug um Zug.181 Hinzu kommt die Möglichkeit, gem. § 252 BGB den entgangenen Gewinn einzufordern, der durch eine anderweitige Geldanlage erzielt worden wäre.182 Die Prospekthaftung wird in den materiellen Rechtsordnungen vieler anderer Staaten dem Deliktsrecht zugeordnet.183

III. Fazit Der Blick auf die im deutschen Sachrecht anerkannten Fallgruppen der culpa in contrahendo verdeutlicht, wie unterschiedlich die Rechtskonflikte sind, die mit diesem Rechtsinstitut gelöst werden. Dennoch kann zwischen vorvertraglichen Pflichten differenziert werden, die sich unmittelbar auf den zu schließenden Vertrag selbst auswirken, z. B. Aufklärungspflichten, und solchen, die nichtvertragsspezifische Rechtsgüter der Parteien schützen. Letztere sind eher deliktisch geprägt, so dass es nicht verwundert, wenn teilweise argumentiert wird, es handele sich eigentlich um Verkehrssicherungspflichten.184 Die rechtsvergleichende Umschau hat gezeigt, dass eine dritte Haftungskategorie neben Vertrag und Delikt außerhalb des deutschen Rechtskreises weitgehend unbekannt ist. Rechtsordnungen, die eine Haftung für culpa in contrahendo kennen oder jedenfalls vergleichbare Konstellationen für haftungsrechtlich relevant halten, nehmen zumeist eine deliktische Zuordnung vor,185 obwohl in der Literatur – vor allem in Italien und Frankreich – verstärkt auch für eine vertragliche oder vertragsähnliche Einordnung eingetreten wird.186 Jedenfalls bestehen aber zwischen den einzelnen vorBGHZ 115, 213 (220); 126, 166 (173); Siol, DRiZ 2003, 204 (208 f.). BGHZ 126, 166 (173); 115, 213, 221; Wenn man für die Vertragsaufhebung als zusätzliche Voraussetzung einen Vermögensschaden fordert (vgl. oben: Teil B. IV. 3. c)), so wird dieser darin erblickt, dass der Anleger seine Mittel nicht in dieser Form anlegen wollte, vgl. BGHZ 145, 121 (131). Der Schaden und die unrichtigen Prospektangaben müssen aber in einem inneren Zusammenhang gestanden haben, OLG Frankfurt WM 1992, 572 (575). 181 Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 107. 182 Siol, DRiZ 2003, 204 (209). 183 Vgl. Köstlin, S. 126; für das anglo-amerikanische Recht vgl. Köndgen, AG 1983, 85 (90). In Österreich folgt man jedoch der deutschen Auffassung zur Prospekthaftung, vgl. von Bar, Gemeineurop. Deliktsrecht, § 5, Rn. 496 m. w. N. 184 Medicus, Gutachten, S. 489 ff.; von Bar, JuS 1982, 637 (639). 185 Siehe oben: B. II. 1. – 5.; vgl. auch AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 24; Kadner Graziano, S. 436. 186 Siehe oben: B. II. 1. – 5.; für das italienische Recht vgl. Lohse, S. 128 ff.; für das französische Recht vgl. Frick, S. 76 ff.; Nickl, S. 85; S. Lorenz, ZEuP 1994, 218 (220). 179 180

III. Fazit

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vertraglichen Fallgestaltungen erhebliche Unterschiede, die bei der noch vorzunehmenden Qualifikation im Internationalen Privat- und Prozessrecht berücksichtigt werden müssen.187

187 Ebenso: Vischer / Vischer / Oser, Int. Vertragsrecht, § 7, Rn. 1153; Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (945); Nickl, S. 20; Patrzek, S. 152; a.A. wohl Köstlin, S. 127.

C. Die Rechtsquellen des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts sowie die Bedeutung der Qualifikation der c.i.c. Stehen sich zwei Parteien unterschiedlicher Nationalität in einer rechtlichen Auseinandersetzung gegenüber oder weist der Sachverhalt sonst einen Auslandsbezug auf, dann ist zu entscheiden, welche nationale Rechtsordnung Anwendung findet und vor welchem Gericht ein Anspruch klageweise durchgesetzt werden kann. Diese Fragen beantwortet das Internationale Privatrecht- bzw. Zivilverfahrensrecht.

I. Internationales Privatrecht 1. Begriff des Internationalen Privatrechts und seine Quellen Unter den Begriff des Internationalen Privatrechts werden die staatlichen Rechtssätze gefasst, die mittels Verweisung auf die inländische oder eine ausländische Privatrechtsordnung bestimmen, welchen Staates Privatrecht auf ein konkretes Lebensverhältnis Anwendung finden soll.1 Dabei handelt es sich um nationales bzw. staatliches Recht, d. h. jeder Staat hat sein eigenes Kollisionsrecht.2 Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Qualifikation vorvertraglicher Haftungssachverhalte im deutschen Internationalen Privatrecht.3 Das deutsche Kollisionsrecht ist im EGBGB geregelt, in das die kollisionsrechtlichen Vorschriften des EVÜ inkorporiert wurden.4 Größtenteils sind die staatsvertraglichen Bestimmungen in die Art. 27 – 37 EGBGB übernommen worden, andere EVÜ-Normen finden sich im übrigen EGBGB verstreut.5 Aufgrund der 1 Staudinger / F. Sturm / G. Sturm, Einl. zum IPR, Rn. 9; Stoll, IPRax 1984, 1. Zur Entwicklung und Kritik an dem Begriff „Internationales Privatrecht“ vgl. Staudinger / F. Sturm / G. Sturm, Einl. zum IPR, Rn. 21 ff.; Junker, IPR, § 1, Rn. 6; Neuhaus, Grundbegriffe, § 1, S. 4 ff. 2 Vgl. Raape / Sturm, IPR, § 1, S. 4. 3 Das deutsche Internationale Privatrecht ist zu prüfen, wenn deutsche Gerichte international zuständig sind (dazu unten: Teil C. II.), die Parteien deutsches Recht einschließlich Kollisionsrecht gewählt haben oder eine ausländische Rechtsordnung auf das deutsche Rechtsanwendungsrecht verweist. 4 Zur Kritik an der Inkorporationslösung vgl.: Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 16 – 18; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (698 ff.); Kohler, EuR 1984, 155 (163 ff.); Reinhart, RIW 1994, 445 (446).

I. Internationales Privatrecht

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Übernahme in das EGBGB liegt dementsprechend nationales Verweisungsrecht vor, dessen staatsvertragliche Herkunft sich aber gem. Art. 36 EGBGB bei seiner Auslegung bemerkbar macht,6 wie noch zu zeigen sein wird. Das wird sich in Zukunft ändern, sobald die europäischen Verordnungen über das auf vertragliche („Rom I“) bzw. außervertragliche Schuldverhältnisse („Rom II“) anzuwendende Recht in Kraft treten werden.7 Denn die in den Verordnungen (als unmittelbar geltendes EG-Recht) enthaltenen Vorschriften bleiben gem. Art. 3 Abs. 2 S. 2 EGBGB unberührt und gehen als ranghöheres Recht in ihrem Anwendungsbereich dem autonomen deutschen Kollisionsrecht vor.8

2. Regelung der vorvertraglichen Haftung im EGBGB Stellt sich die Frage nach der Qualifikation vorvertraglicher Haftungsinstitute im EGBGB, so ist der fünfte Abschnitt heranzuziehen, der die Anknüpfungsregeln für das Schuldrecht enthält. Jedoch sucht man in beiden Unterabschnitten eine explizite Erwähnung der culpa in contrahendo vergeblich. Dieser Befund könnte zu der Annahme verleiten, dass das EGBGB für die vorvertragliche Haftung keine Geltung beansprucht. Auf der anderen Seite sind diese Sachverhalte nicht explizit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Art. 37 EGBGB (Art. 1 Abs. 2 – 4 EVÜ) kann keine dahingehende Aussage entnommen werden. Außerdem ist zu beachten, dass die für die Anknüpfungsgegenstände im Internationalen Privatrecht verwendeten Begriffe nicht bedeutungsgleich mit materiell-rechtlichen Begrifflichkeiten sind. Um eine Rechtsfrage unter eine bestimmte Kollisionsnorm subsumieren zu können, muss der Verweisungsbegriff nicht notwendig mit dem entsprechenden materiell-rechtlich verwendeten Begriff deckungsgleich sein. Zwar ist zu vermuten, dass gleiche Begrifflichkeiten im deutschen Internationalen Privatrecht und im deutschen materiellen Sachrecht auch gleich auszulegen sind, zwingend ist das jedoch nicht.9 Trotz der Nichterwähnung der culpa in contrahendo scheint es demzufolge möglich, dieses Rechtsinstitut entweder als vertragliches Schuldverhältnis (Art. 27 ff. EGBGB) aufzufassen oder dem Systembegriff der unerlaubten Handlung (Art. 40 EGBGB) zu unterstellen, obwohl es im deutschen materiellen Sachrecht weder als Vertrag noch als Delikt eingeordnet wird.10 Im Folgenden soll eine Subsumtion unter die im EGBGB enthaltenen Kollisions5 Vgl. Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 16; Staudinger / Magnus, Vorbem. zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 28. 6 Siehe unten: Teil D. II. 1. b). Da das EVÜ mittelbar Bedeutung für die Auslegung der entsprechenden EGBGB-Normen hat (vgl. Art. 36 EGBGB), werden die EVÜ-Vorschriften bei der Prüfung des Internationalen Privatrechts jeweils mit angegeben. 7 Siehe oben, Fn. 9 und 10. 8 Vgl. EuGH 15. 07. 1964 – 6 / 64, Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1251 (1269 ff.). 9 von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 4. 10 Siehe oben: Teil B. I., II.

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C. Rechtsquellen des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts

normen versucht werden. Nur wenn dies fehlschlägt, ist eine neue Anknüpfungsregel zu entwickeln.

3. Bedeutung der Qualifikationsentscheidung im Internationalen Privatrecht Wie gesehen, entscheidet das Internationale Privatrecht über die auf den streitigen Lebenssachverhalt anzuwendende Rechtsordnung. Da das materielle Sachrecht der Staaten überwiegend nicht vereinheitlicht ist, spielt das Kollisionsrecht für die Parteien eines Rechtsverhältnisses eine wesentliche Rolle. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass eine Rechtsordnung das Vorliegen eines Anspruchs bejaht, beispielsweise Schadensersatz gewährt, während nach einem anderen Recht die notwendigen Voraussetzungen für eine Entschädigung noch nicht vorliegen oder ein solcher Ersatz nur auf andere, für den Anspruchsinhaber weniger günstige Weise ermöglicht wird. So wird für die vorvertragliche Haftung wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen im italienischen Recht explizit verlangt, dass die essentialia negotii bereits Gegenstand der Erörterungen gewesen sind, während dies im deutschen Sachrecht für eine Haftung aus culpa in contrahendo nicht erforderlich ist.11 Die Unterschiede in den nationalen Sachrechten können also dazu führen, dass entweder die eine oder die andere Seite schlechter steht. Dies ist davon abhängig, wie die Auslegung der Anknüpfungsgegenstände den Geltungsbereich einer Kollisionsnorm absteckt, wodurch das nationale Sachrecht festlegt wird, was wiederum über den materiell-rechtlichen Anspruch bestimmt. Deshalb kann die Qualifikation der culpa in contrahendo für alle Beteiligten an einem internationalen Rechtsstreit von weitreichender Bedeutung sein.

II. Internationales Zivilprozessrecht 1. Begriff Das Internationale Zivilprozessrecht ist Teil des Internationalen Zivilverfahrensrechts12 und stellt die Regeln auf, nach denen sich in einem gerichtlichen Verfahren mit einem ausländischen Berührungspunkt die jeweils anwendbare nationale Prozessrechtsordnung bestimmen lässt. Das Internationale Zivilprozessrecht entscheidet über die Geltung der jeweiligen Verfahrensordnung grundsätzlich unabhängig von der in der Sache anwendbaren lex causae. Aufgrund dieser Eigenständigkeit wird deshalb auch von einem zweiten Kollisionsrecht gespro11 Siehe oben: Teil B. IV. 1. a). Gleichwohl ist auch im deutschen Recht für diese Fallgruppe regelmäßig davon auszugehen, dass die Schaffung des haftungsbegründenden Tatbestandes mit der Einigung über die essentialia negotii einhergeht. 12 Zur Abgrenzung vgl. Junker, IPR, § 1, Rn. 22; Schack, IZVR, Rn. 11.

II. Internationales Zivilprozessrecht

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chen.13 Der hier zu behandelnde Teilbereich der Internationalen Zuständigkeit beantwortet die Frage, ob eine Streitsache mit Auslandsbeziehungen von deutschen oder von ausländischen Gerichten entschieden werden soll.14

2. Quellen des Internationalen Zivilprozessrechts und Regelung der vorvertraglichen Haftung Als Quellen für das Internationale Zivilprozessrecht kommen Staatsverträge, Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Prozessrecht in Betracht. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Qualifikation der culpa in contrahendo im Geltungsbereich der praxisrelevanten Kodifikationen der EuGVO und der ZPO.

a) Regelung der vorvertraglichen Haftung in der EuGVO Für die Mitgliedstaaten der EG gilt die EuGVO15.16 Sie regelt für die Mitgliedsländer einheitlich die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus diesen Rechtsgebieten. Geschaffen wurde die Verordnung auf Grundlage der durch den EG-Vertrag i. d. F. von Amsterdam eingeführten Kompetenztitel der Artt. 61 lit. c, 65, 67 Abs. 1 EGV als Nachfolgekodifikation des EuGVÜ17.18 Ihr sachlicher Anwendungsbereich in Art. 1 EuGVO erstreckt sich auf Zivil- und Handelssachen. Damit eine Rechtsstreitigkeit auch räumlich unter die EuGVO fällt, muss sie allerdings 13 Kropholler, IPR, § 56, S. 572; vgl. auch: Schack, IZVR, Rn. 7 ff. („prozessuales Kollisionsrecht“). 14 BGHZ 44, 46 (46 f.): „die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher Gerichte und der Zuständigkeit ausländischer Gerichte“. Siehe auch: Heldrich, S. 69 ff. 15 Verordnung (EG) Nr. 44 / 2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000. Gem. Art. 76 EuGVO ist diese Verordnung am 1. März 2002 in Kraft getreten. 16 Bislang galt im Verhältnis zu Dänemark das EuGVÜ i. d. F. von 1996 (Art. 1 und 2 des Protokolls (Nr. 5) über die Position Dänemarks, das sich im Anhang zum EGV findet). Die Geltung der EuGVO ist deshalb in Art. 1 Abs. 3 EuGVO explizit ausgeschlossen worden. Nun ist jedoch die Anwendung der EuGVO auch auf Dänemark vereinbart worden. Der Rat der Europäischen Union hat am 27. April 2006 beschlossen, das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 299 / 62) zu notifizieren (ABl. L 120 / 22). 17 Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968. Gem. Art. 68 Abs. 1 EuGVO tritt diese Verordnung im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten an die Stelle des EuGVÜ. 18 Vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 322; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Überblick EuGVVO, Rn. 3; Piltz, NJW 2002, 789 (789).

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C. Rechtsquellen des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts

einen Anknüpfungspunkt an das Hoheitsgebiet eines durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaates aufweisen.19 Ist die EuGVO anwendbar,20 dann geht sie in dem von ihr geregelten Bereich als unmittelbar21 geltendes sekundäres Gemeinschaftsrecht dem autonomen Verfahrensrecht vor.22 Durch die Revision des EuGVÜ und dessen Übernahme in die Verordnung haben sich die dort niedergelegten Grundsätze nicht geändert. Trotzdem hat die Überarbeitung sichtbare Spuren hinterlassen, wie man insbesondere an der Einfügung des hier im weiteren Verlauf noch zu besprechenden Buchstaben b) in Art. 5 Nr. 1 EuGVO sehen kann. Die Rechtsprechung zum EuGVÜ ist für die wortlautgetreu übernommenen Bereiche in der Verordnung aber weiterhin maßgebend, soweit Sinn und Zweck der Neuregelung nicht entgegenstehen.23 Bei Vorliegen der räumlichen und zeitlichen Voraussetzungen ergibt sich die Zuständigkeit des Gerichts aus der EuGVO, da ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo jedenfalls in Abgrenzung zu den öffentlichrechtlichen Sachen als Zivilsache i. S. d. Verordnung anzusehen.24 Auch greift keiner der in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EuGVO explizit genannten Ausschlussgründe ein. Vorrangig ist zu prüfen, ob die Zuständigkeit eines Gerichts von den Parteien durch Absprache festgelegt wurde. Ist dies nicht der Fall, so ist eine Subsumtion unter ausschließliche, besondere und schließlich unter den allgemeinen Gerichtsstand zu versuchen.

Erwägungsgrund 8 der EuGVO. Zu den Anwendungsvoraussetzungen siehe: Thomas / Putzo / Hüßtege, Vorbem. EuGVVO, Rn. 5 ff.; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Überblick EuGVVO, Rn. 4 ff.; vgl. auch: Benicke, WM 1997, 945 (946 ff.). 21 Unmittelbare Geltung gem. § 249 Abs. 2 S. 2 EGV, vgl. auch § 76 a.E. EuGVO. 22 Vgl. Kropholler, EuZPR, Einl., Rn. 19; Vor. Art. 2 EuGVO, Rn. 16; Stein / Jonas / Brehm, Bd. I, Vor. § 12 ZPO, Rn. 32; zum EuGVÜ: OLG Oldenburg NJW 1976, 1043 (1043 f.); OLG Stuttgart IPRax 1992, 86 (88); Schack, Der Erfüllungsort, Rn. 305. 23 So: Thomas / Putzo / Hüßtege, Vorbem. EuGVVO, Rn. 14; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Überblick EuGVVO, Rn. 2, 15; Eltschig, IPRax 2002, 491 (492). Die durch die Neuregelung nicht veränderten Artikel werden deshalb mit dem Zusatz EuGVÜ / EuGVO gekennzeichnet. Rechtsprechung zum EuGVÜ wird für die Auslegung der EuGVO ohne besondere Kennzeichnung herangezogen, wenn aufgrund der Neufassung keine andere Beurteilung geboten ist. 24 Eine nicht unter die EuGVO fallende öffentlich-rechtliche Sache ist anzunehmen, wenn der Streitgegenstand einen Zusammenhang mit der Ausübung von Hoheitsbefugnissen aufweist, wobei es ausreichend ist, wenn der geltend gemachte Anspruch in einer hoheitlichen Tätigkeit seinen Ursprung findet, vgl. EuGH 14. 10. 1976 – 29 / 76, LTU / Eurocontrol, Slg. 1976, 1541 (1551, Nr. 4); 16. 12. 1980 – 814 / 79, Niederlande / Rüffer, Slg. 1980, 3807 (3819, Nr. 8); Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 325; Kropholler, EuZPR, Art. 1 EuGVO, Rn. 6. Es ist also zu unterscheiden, ob es sich um hoheitliche Rechtsakte, wie einen Verwaltungsakt oder einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, handelt oder ob ein privates Rechtsgeschäft geschlossen wurde. 19 20

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aa) Gerichtsstandsvereinbarung Eine Gerichtsstandsvereinbarung soll den Zuständigkeitsinteressen der Parteien Rechnung tragen und Rechtssicherheit schaffen.25 Sie ist nach Maßgabe des Art. 23 EuGVO unter Beachtung der dort niedergelegten Voraussetzungen möglich.26 Ist eine Streitigkeit, die vorvertragliche Haftung zwischen den Beteiligten betreffend, bereits entstanden, dann können die Parteien sich auch noch im Nachhinein über das dafür zuständige Gericht einigen. Soll hingegen ein Forum für künftige Rechtsstreitigkeiten festgelegt werden, so müssen diese zur Gewährleistung der Vorhersehbarkeit ihren Ursprung in eben dem Rechtsverhältnis haben, anlässlich dessen die Gerichtsstandsbegründung von den Beteiligten vorgenommen worden ist. Es soll vermieden werden, dass eine Partei durch die umfassende Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts für sämtliche Rechtsstreitigkeiten, die sich eventuell aus den Beziehungen mit dem Vertragspartner ergeben können und die ihren Ursprung in einem anderen als dem zum Anlass der Gerichtsstandsvereinbarung genommenen Rechtsverhältnis haben, überrascht wird.27 Das Rechtsverhältnis muss bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung noch nicht bestehen, aber nach Art und Gegenstand hinreichend bestimmbar sein.28 Treten Unklarheiten auf, wird die Parteiabsprache als Tatfrage vom angerufenen Gericht nach dessen nationalen Maßstäben, also der lex fori, ausgelegt.29 Die Bestimmung des objektiven Umfangs der Zuständigkeitsabsprache richtet sich nach dem Parteiwillen.30 Für die Frage, ob Ansprüche aus culpa in contrahendo von der Gerichtsstandsvereinbarung mit umfasst waren oder nicht, kommt es auf deren Wortlaut im Einzelfall an. Nach deutschem Verständnis sollen Zuständigkeitsvereinbarungen, die alle Streitigkeiten „aus dem Vertragsverhältnis“ an einem Gericht konzentrieren, auch konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung erfassen, wenn diese zugleich Vertragsverletzungen darstellen.31 Allerdings wird weitergehend auch ver25 Vgl. EuGH 03. 07. 1997 – Benincasa / Dentalkit Srl, Slg. 1997 I-3767 (I-3798, Nr. 28); Geimer, IZPR, Rn. 1596 ff.; von Falkenhausen, RIW 1983, 420 (421). 26 Ob als ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung ein Gemeinschaftsbezug zu verlangen ist, ist umstritten, vgl. Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 23 EuGVVO, Rn. 2 m. w. N. 27 EuGH 10. 03. 1992 – 214 / 89, Powell Duffryn / Petereit, IPRax 1993, 32 (34, Nr. 31). Vgl. auch: Kropholler, EuZPR, Art. 23 EuGVO, Rn. 69. 28 OLG Oldenburg IPRax 1999, 458 (459); Kropholler, EuZPR, Art. 23 EuGVO, Rn. 70; Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rz. 3043. 29 EuGH 10. 03. 1992 – 214 / 89, Powell Duffryn / Petereit, IPRax 1993, 32 (34, Nr. 37); 03. 07. 1997 – Benincasa / Dentalkit Srl, Slg. 1997 I-3767 (I-3798, Nr. 31); Rauscher / Mankowski, EuZPR, Art. 23 Brüssel I-VO, Rn. 62; Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rz. 3081; Schlosser, EuZPR, Art. 23 EuGVVO, Rn. 37. So auch schon: von Falkenhausen, RIW 1983, 420 (421). 30 OLG Stuttgart IPRax 1992, 86 (88); Roth, IPRax 1992, 67 (68). 31 BGH NJW 1965, 300 (300); OLG Hamburg VersR 1982, 341 (341); Kropholler, EuZPR, Art. 23 EuGVO, Rn. 69.

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treten, die sachliche Reichweite einer solchen Gerichtsstandsklausel im Zweifel auf Streitigkeiten auszudehnen, die ersichtlich im Zusammenhang mit dem Rechtsverhältnis stehen, anlässlich dessen die Abrede erfolgte.32 Demzufolge könnten auch außervertragliche Ansprüche im ausgewählten Forum geltend gemacht werden, wenn sie nicht gleichzeitig eine Vertragsverletzung bedeuten.33 Ob die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss ebenfalls hierunter fällt, muss im Einzelfall entschieden werden. Dafür könnte sprechen, dass eine Zuständigkeitskonzentration für möglichst viele Ansprüche aus demselben Sachverhalt der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit dient, also regelmäßig im Parteiinteresse liegt.34 Ist die Vereinbarung weiter gefasst, geht es nach dem Wortlaut der Vereinbarung beispielsweise um Streitigkeiten, die „in Verbindung mit dem vorliegenden Vertrag“ entstehen können, so ist dies dahingehend zu interpretieren, dass die Parteien ihre Rechtsbeziehungen im Konfliktfall umfassend von dem bezeichneten Gericht beurteilen lassen wollen, „und zwar unabhängig von der dogmatischen Einordnung der geltend zu machenden Ansprüche“.35 Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo würden ebenso wie konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung in diesem Fall von einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung mit umfasst, wenn sie einen Bezug zum abgeschlossenen Vertrag aufweisen.36 Kommt der Vertrag, für den die Zuständigkeitsabrede Geltung beanspruchen soll, nicht zustande, weil die Verhandlungen vorher abgebrochen wurden, und ergibt sich deshalb ein Anspruch aus culpa in contrahendo, so fragt sich, ob die Geltung der Gerichtsstandsklausel auch für diesen Fall angenommen werden kann. Nach allgemeiner Auffassung soll die Zuständigkeitsabrede nicht von der Wirksamkeit des Hauptvertrages abhängen, so dass auf Feststellung der Nichtigkeit des Hauptvertrages am vereinbarten Gericht geklagt werden kann, soweit die Absprache nicht ebenfalls vom Nichtigkeitsgrund betroffen ist.37 Gleiches wird man dann aber auch für eine Klage annehmen können, die das Zustandekommen bzw. 32 Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 389; Rauscher / Mankowski, EuZPR, Art. 23 Brüssel I-VO, Rn. 44, 62 f.; Kindler / Haneke, IPRax 1999, 435 (436). Eine streng wortlautorientierte Auslegung nimmt hingegen die französische Rechtsprechung vor, vgl. Schlosser, EuZPR, Art. 23 EuGVVO, Rn. 43 a. 33 So: von Falkenhausen, RIW 1983, 420 (422); a.A.: OLG Hamburg VersR 1982, 341 (341): im Zweifel keine Ausdehnung einer solchen Gerichtsstandsabrede auf eine Klage wegen unerlaubter Handlung in Form eines Betruges schon bei Vertragsschluss. 34 Vgl. von Falkenhausen, RIW 1983, 420 (421); a.A.: Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rz. 3152, wonach Ansprüche aus culpa in contrahendo im Zweifel nicht erfasst sein sollen. 35 Vgl. OLG Stuttgart, IPRax 1992, 86 (88). 36 So jedenfalls explizit für deliktische Ansprüche: OLG Stuttgart, IPRax 1992, 86 (88); Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rz. 3080; Schlosser, EuZPR, Art. 23 EuGVVO, Rn. 38; Roth, IPRax 1992, 67 (68). 37 EuGH 03. 07. 1997 – Benincasa / Dentalkit Srl, Slg. 1997 I-3767 (I-3799, Nr. 32); Schlosser, EuZPR, Art. 23 EuGVVO, Rn. 39; Schack, IZVR, Rn. 459.

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das Bestehen des Vertrages klären will.38 Bejaht das Gericht die Frage nach dem Zustandekommen des Vertrages, so gilt die Parteiabrede für daraus sich ergebende Ansprüche. Kommen die Richter zum gegenteiligen Ergebnis, so sollte die Frage nach vorvertraglichen Schadensersatzansprüchen ebenfalls in diesem Forum behandelt werden. Es wird regelmäßig im Parteiinteresse liegen, alle mit dem (nicht zustande gekommenen) Vertrag im inneren Zusammenhang stehenden Streitigkeiten, die sich auf dieselbe tatsächliche Grundlage stützen, am vereinbarten Gericht erheben zu können, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen.39 Es ist für die Beteiligten durchaus vorhersehbar, dass möglicherweise das Zustandekommen des Vertrages gerichtlich geklärt werden muss. Dass die damit zusammenhängenden Fragen einer möglichen Schadensersatzhaftung in demselben Forum geprüft werden, unterläuft nicht den angesprochenen Schutz für den Beklagten vor kompetenzrechtlicher Überrumpelung, denn sie findet ihren Ursprung gerade in der streitigen Beziehung zwischen den Parteien. bb) Ausschließliche und besondere Gerichtsstände Liegt keine Vereinbarung über das zuständige Gericht vor, dann können Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat gem. Art. 3 Abs. 1 EuGVO nur vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates verklagt werden, wenn eine ausschließliche Gerichtszuständigkeit40 gem. § 22 Nr. 1 – 5 EuGVO besteht oder eine der besonderen Zuständigkeiten aus den Abschnitten zwei bis fünf eingreift. Eine Klagemöglichkeit für Ansprüche aus culpa in contrahendo ist dort nicht explizit festgeschrieben. Ob trotz der Nichterwähnung der vorvertraglichen Haftung in diesen Vorschriften entsprechende Schadensersatzklagen hierunter subsumiert werden können, ist fraglich,41 aber für bestimmte Konstellationen, d. h. haftungsrelevante Rechtsbeziehungen im Vorfeld von Verträgen der dort genannten Art, nicht von vornherein auszuschließen.42 Der vorliegenden Arbeit wird die Situation zugrunde gelegt, dass eine ausschließliche bzw. eine der vorrangigen Zuständigkeiten der Abschnitte 3 – 543 nicht Ebenso: Geimer, IZPR, Rn. 1719. So Kropholler, EuZPR, Art. 23 EuGVO, Rn. 69, allerdings nur für Ansprüche, die mit vertraglichen Ansprüchen konkurrieren. Vgl. auch: Roth, IPRax 1992, 67 (68). Dass aber auch ein enger Zusammenhang zu einem in Aussicht genommenen und dann nicht zustande gekommenen Vertrag genügen kann, vgl. unten: Teil E. 40 Diese verdrängen in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine und alle besonderen Zuständigkeiten, vgl. Rauscher / Mankowksi, EuZPR, Art. 22 Brüssel I-VO, Rn. 1. 41 Zu den Qualifikationsmethoden siehe unten: Teil D II. 2. a). 42 Vgl. Rauscher / Staudinger, EuZPR, Vorbem. Art. 15 – 17 Brüssel I-VO, Rn. 3. 43 Wenn der Anwendungsbereich der in den Abschnitten 3 – 5 geregelten Zuständigkeiten eröffnet ist, sind dem Kläger die fakultativen Gerichtsstände des Art. 5 EuGVO verwehrt, vgl. Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 1. 38 39

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gegeben ist. Neben dem allgemeinen Gerichtsstand in Art. 2 EuGVO hätte der Kläger dann noch die Möglichkeit, einen der fakultativen Gerichtsstände des Art. 5 EuGVO zu wählen, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Allerdings ist die culpa in contrahendo hier ebenfalls nicht erwähnt. Daraus ist jedoch nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, dass dieses Rechtsinstitut, das im deutschen Recht als „rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis“ zwischen Vertrag und Delikt angesiedelt wird, nun auch im europäischen Verfahrensrecht als Tertium neben vertraglichen und deliktischen Ansprüchen gilt und deshalb die besonderen Gerichtsstände des Art. 5 EuGVO ausscheiden. Die Nummern 1 und 3 des Art. 5 EuGVO bilden nämlich ein geschlossenes System für sämtliche Streitigkeiten, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird.44 Demnach ist kein Haftungsanspruch, auch nicht ein solcher, der im Vergleich mit den Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten als nationale Besonderheit anzusehen ist, der Zuordnung unter dieses Zuständigkeitsregime entzogen.45 Für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen im Vorfeld eines Vertrages ist folglich keine „dritte Spur“ vorgesehen.46 Will der Kläger an einem fakultativen Gerichtsstand klagen, so ist mithin entweder der Vertragsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVO oder der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVO begründet. Im Folgenden wird deshalb untersucht, welche der beiden besonderen Zuständigkeitsnormen für die jeweilige Fallgruppe der vorvertraglichen Haftung in Betracht kommt. cc) Allgemeiner Gerichtsstand Ist keine der fakultativen Zuständigkeiten vom Kläger gewählt worden, so findet sich der allgemeine Gerichtsstand gem. Art. 2 Abs. 1 EuGVO, dem Grundsatz actor sequitur forum rei folgend,47 im Wohnsitzstaat des Beklagten.48 Die Regel dient dem Schutz der beklagten Partei und findet ihre Rechtfertigung bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten in den schwerwiegenden Belastungen49, die eine Verteidigung vor ausländischen Gerichten im Vergleich zu einem Forum im eigenen Land mit sich bringen würde.50 Das örtlich zuständige Gericht wird dann 44 Vgl. (zum EuGVÜ): EuGH 27. 10. 1998 – 51 / 97, Reunion europeenne / Spliethoff ’s Bevrachtingskantoor, EuZW 1999, 59 (60, Nr. 22 – 24); Europäische Kommission, EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7391, Nr. 14). Ebenso Generalanwalt Geelhoed, Schlussanträge, EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7359 (I-7378., Nr. 71). Siehe auch: Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 3 a. 45 Gebauer, Jhb. Ital. Recht 15 / 16 (2002 / 2003), 155 (168). 46 Vgl. Staudinger, in: Grünbuch zum Int. Vertragsrecht, S. 37 (60). 47 Vgl. EuGH 13. 07. 2000 – 412 / 98, Group Josi / UGIC, NJW 2000, 3121 (3121, Nr. 35). 48 Zum Wohnsitz vgl. Art. 59 EuGVO. 49 Zu den Belastungen, die eine Rechtsverfolgung im Ausland mit sich bringt, vgl. unten: Teil C. II. 3. a). 50 Bericht Jenard, BT-Drucks. VI / 1973, S. 52 (66); EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Generalanwalt Geelhoed, Schlussanträge, Slg. 2002, I-7359 (I-7367, Nr. 31).

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durch das nationale Prozessrecht des gem. Art. 2 Abs. 1 EuGVO bestimmten Mitgliedstaates ermittelt. Der allgemeine Gerichtsstand gilt für Klagen jeder Art.51 Demnach kann eine Person jedenfalls in dem Land, in dem sie ihren Wohnsitz hat, auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo verklagt werden, da eine ausschließliche Zuständigkeit nach der EuGVO regelmäßig nicht gegeben ist. dd) Fazit Festzuhalten bleibt, dass die EuGVO keine explizite Regelung über den Gerichtsstand von Klagen enthält, die Schadensersatzforderungen wegen vorvertraglichen Verschuldens zum Gegenstand haben. Zwar ist der allgemeine Gerichtsstand für Klagen jeder Art eröffnet. Die besonderen Zuständigkeitsnormen schweigen aber zu der Behandlung vorvertraglicher Schuldverhältnisse. Will der Kläger, der seinen Anspruch auf eine vorvertragliche Pflichtverletzung stützt, einen besonderen Gerichtsstand wählen, so muss – differenziert nach Fallgruppen – eine Subsumtion unter eine der beiden vorhandenen Kategorien, d. h. entweder unter Art. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 EuGVO erfolgen. Diese verlangen entweder eine vertragliche oder eine deliktische Qualifikation. Die Sonderstellung des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo im deutschen Sachrecht als rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis und damit als Tertium neben Vertrag und Delikt kann im internationalen Kontext nicht aufrechterhalten werden.

b) Regelung der vorvertraglichen Haftung in der ZPO Hauptquelle für das deutsche Zuständigkeitsrecht ist die Zivilprozessordnung. Auf das autonome Verfahrensrecht ist immer dann zurückzugreifen, wenn keine vorrangige Kodifikation eingreift. Außerhalb des Anwendungsbereichs von Staatsverträgen und der EuGVO52 bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Ansprüche aus culpa in contrahendo also nach den Normen der ZPO.53 Diese enthält, bis auf vereinzelte Ausnahmen,54 keine expliziten Aussagen 51 Vgl. EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5586, Nr. 20); 27. 10. 1998 – 51 / 97, Reunion europeenne / Spliethoff’s Bevrachtingskantoor, EuZW 1999, 59 (62, Nr. 51). Vgl. auch: Linke, IZPR, Rn. 129; Geimer, IPRax 1986, 80 (81). 52 Die ZPO kann grundsätzlich nur noch in den Fällen Geltung entfalten, in denen der Beklagtenwohnsitz nicht in einem Mitgliedsland der EU liegt, sog. Drittstaatenfälle (vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 393; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Überblick EuGVVO, Rn. 11). 53 Siehe: BGH IPRax 1992, 240 (241); OLG Köln WuB VII B. Art. 5 EuGVVO 2.05, 479; Fezer / Büscher, Bd. 2, § 14 UWG, Rn. 32; MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 106; Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 41; § 32 ZPO, Rn. 23; Thomas / Putzo / Hüßtege, § 29 ZPO, Rn. 2; § 32 ZPO, Rn. 5; Zimmermann, § 29 ZPO, Rn. 1; Linke, IZPR, Rn. 137. 54 Z. B.: §§ 606 a Abs. 1, 640 a Abs. 2 ZPO.

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zur internationalen Zuständigkeit. Deshalb werden die Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit herangezogen. Bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug wird die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte durch die örtlichen Gerichtsstandsnormen indiziert.55 Diese Gerichtsstandsregeln sind also doppelfunktional.56 Trotz der Verknüpfung sind örtliche und internationale Zuständigkeit aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage aber keinesfalls identisch. Die internationale Zuständigkeit ist stets gesondert zu überprüfen und darf nicht mechanisch aus der örtlichen abgeleitet werden.57 aa) Gerichtsstandsvereinbarungen Die zu erfüllenden Voraussetzungen hinsichtlich einer zulässigen und wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung im autonomen deutschen Prozessrecht werden von den §§ 38, 40 ZPO aufgestellt. Diese Vorschriften sind doppelfunktional und gelten deshalb auch für die internationale Zuständigkeit.58 Im Gegensatz zu Art. 23 EuGVO unterscheidet die ZPO zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten. Letztere können eine Abrede nur in Sonderfällen unter Einhaltung der strengen Formerfordernisse der Absätze 2 und 3 des § 38 ZPO treffen.59 Des Weiteren muss sich die Vereinbarung gem. § 40 ZPO auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis beziehen und ist nur zulässig, wenn vermögensrechtliche 60 Ansprüche betroffen sind und keine ausschließliche Zuständigkeit für die Klage besteht. Ein Inlandsbezug als ungeschriebene Prorogationsvoraussetzung für deutsche Gerichte ist ab55 BGHZ 44, 46 (47); 63, 219 (220); 94, 156 (157 f.); 115, 90 (92); OLG Saarbrücken NJW 2000, 670 (671); LG Düsseldorf IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (79); Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 2; 52; Schack, IZVR, Rn. 236; Vollkommer, IPRax 1992, 207 (211). 56 BGHZ 44, 46 (47); NJW 1987, 1323 (1324); Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 95; Stein / Jonas / Brehm, Bd. I, Vor. § 12 ZPO, Rn. 32; Linke, IZPR, Rn. 115, 138; Schack, IZVR, Rn. 236; ders., Erfüllungsort, Rn. 221; Schröder, S. 84; Mankowski, IPRax 1997, 173 (174); ders., VuR 1999, 219 (220, Fn. 15); Geimer, WM 1986, 117 (117). 57 Vgl. BGH JZ 2003, 687 (689); Kropholler, Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 215; Schack, IZVR, Rn. 236. Missverständlich: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 394 („Danach folgt aus der örtlichen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts zugleich dessen internationale Zuständigkeit.“), vgl. aber auch Rn. 323. 58 Schack, IZVR, Rn. 435. 59 Nach einer anderen Ansicht soll das Formerfordernis des § 38 Abs. 2 S. 2 ZPO auch für internationale Gerichtsstandsabreden unter Kaufleuten gelten, vgl. OLG Nürnberg NJW 1985, 1296 (1296); Zöller / Vollkommer, § 38 ZPO, Rz. 25. Anders die h. M., vgl. OLG Saarbrücken NJW 2000, 670 (671); Geimer, IZPR, Rn. 1608, 1619; Kropholler, Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 498; Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rz. 3107; Thomas / Putzo / Hüßtege, § 38 ZPO, Rn. 15; Schack, IZVR, Rn. 438. Somit stellen die Formerfordernisse des Art. 23 EuGVO für Kaufleute höhere Hürden dar als die in der ZPO genannten Voraussetzungen. 60 Diese Einschränkung sieht Art. 23 EuGVO nicht vor. Als „Filter“ dient aber bereits Art. 1 Abs. 2 EuGVO, der den Anwendungsbereich der EuGVO entsprechend begrenzt.

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zulehnen.61 Denn das Bedürfnis der Parteien, an einem neutralen Gerichtsstand zu klagen, ist ebenso legitim wie die Wahl einer neutralen Rechtsordnung.62 Die Erforderlichkeit eines Inlandskriteriums, um eine Überlastung deutscher Gerichte zu verhindern, ist nicht gegeben.63 Zur Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung gilt das zur EuGVO Gesagte.64 Ob Ansprüche aus culpa in contrahendo mit in die Gerichtsstandsklausel einbezogen sind, ist durch Auslegung zu bestimmen. Grundsätzlich ist auch hier davon auszugehen, dass es typischerweise im Parteiinteresse liegt, den Sachzusammenhang zu wahren und die Ansprüche, die im inneren Zusammenhang mit dem Rechtsverhältnis stehen, anlässlich dessen die Zuständigkeitsabsprache erfolgt ist, ebenfalls vor dem vereinbarten Forum geltend zu machen.65 bb) Ausschließliche und besondere Gerichtsstände Wie in der EuGVO finden sich auch im autonomen Zivilprozessrecht keine ausschließlichen Gerichtsstände, die explizit auf Klagen wegen Verschuldens bei Vertragsschluss Bezug nehmen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so kann sich der Kläger gem. § 35 ZPO zwischen diesen entscheiden. Nach den Vorschriften der ZPO kann die klagende Partei demzufolge ebenfalls einen besonderen Gerichtsstand wählen, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo sind in den die besonderen Zuständigkeiten regelnden Normen jedoch nicht erwähnt. In Betracht käme der besondere Gerichtsstand des Vermögens gem. § 23 S. 1, 1. HS ZPO.66 Wird auf Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen geklagt, so handelt es sich um eine Klage wegen vermögensrechtlicher Ansprüche, weil sie auf Geldersatz gerichtet ist.67 Neben der Vermögensbelegen61 Geimer, IZPR, Rn. 1745 ff.; Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rz. 3158; Schack, IZVR, Rn. 442; a.A.: LG Hamburg RIW 1976, 228. 62 Vgl. Schröder, S. 468. Ebenso: Geimer, IZPR, Rn. 1747; Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rz. 3158. 63 Vgl. Geimer, IZPR, Rn. 1746. Sollte es jedoch einmal zu einer die Funktionsfähigkeit der deutschen Justiz gefährdenden Häufung von Gerichtsstandsvereinbarungen ohne Berührungspunkt zum Inland kommen, dann kann dem durch geeignete Maßnahmen entgegengewirkt werden. Geimer schlägt beispielweise die Erhöhung der Gerichtskosten für solche Fälle vor. 64 Siehe oben: Teil C. II. 2. a) aa). 65 Ebenso: Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1 (23). 66 Diese Vorschrift gilt auch für die internationale Zuständigkeit (B / L / A / H / Hartmann, § 23 ZPO, Rn. 3; Schumann, ZZP 93 (1980), 408 (416 ff.)). Wenn der Beklagte seinen Wohnsitz jedoch in einem Mitgliedstaat der EU hat, dann ist dieser exorbitante Gerichtsstand gem. Art. 3 Abs. 2 EuGVO, Anhang I, 2. Spiegelstrich ausgeschlossen. 67 Ansprüche werden als vermögensrechtlich angesehen, wenn sie entweder auf einer vermögensrechtlichen Beziehung beruhen oder auf Geld gehen. Ursprung und Zweck des Anspruchs sind nicht von Belang, vgl. Thomas / Putzo / Reichold, Einl. IV, Rn. 1.

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heit68 im Inland wird zur Einschränkung der Vorschrift im Erkenntnisverfahren ein hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits für notwendig erachtet.69 Allerdings greift § 23 ZPO nur subsidiär ein und wird nicht nur von ausschließlichen, sondern im Rahmen der internationalen Zuständigkeit auch von sonstigen besonderen Gerichtsständen verdrängt.70 Grund hierfür ist das Erfordernis des hinreichenden Inlandsbezugs. Oftmals wird dieser dann gegeben sein, wenn bereits ein besonderer Gerichtsstand begründet ist. Beispielsweise kann die Begehung einer unerlaubten Handlung im Inland für den nötigen Inlandsbezug i. S. v. § 23 ZPO sorgen, gleichzeitig ist aber § 32 ZPO anwendbar. In solchen Fällen besteht kein Bedürfnis, dem Kläger noch einen zusätzlichen inländischen, örtlich aber von der deliktischen Zuständigkeit abweichenden Gerichtsstand zu verschaffen.71 Aufgrund der Subsidiarität des Vermögensgerichtsstands ist zu erörtern, welche weiteren besonderen Zuständigkeitsnormen für Schadensersatzklagen wegen culpa in contrahendo eine Regelung bereithalten könnten, obwohl solche Ansprüche nicht explizit im Wortlaut beschrieben sind. Entsprechend der materiell-rechtlichen Einordnung der vorvertraglichen Haftung im deutschen Recht ist dabei vorrangig an die §§ 29 und 32 ZPO zu denken. Wäre eine dieser Normen einschlägig, so ginge sie als besonderer Gerichtsstand dem § 23 ZPO vor. Im deutschen Prozessrecht normiert § 29 Abs. 1 ZPO den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes. Demnach ist das Forum am Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung für jene Streitigkeiten zuständig, die sich „aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen“ ergeben. Dem deutschen Zivilprozessrecht ist also ebenfalls eine Erfüllungsortzuständigkeit der Gerichte bekannt. Die Ähnlichkeit zu dem in Art. 5 Nr. 1 EuGVO geregelten Gerichtsstand für Vertragsklagen resultiert daraus, dass dieser dem deutschen § 29 ZPO nachgebildet worden ist.72 Von dem grundsätzlichen Prorogationsverbot in § 29 Abs. 2 ZPO sind 68 Zum Vermögensbegriff vgl. BGH IPRax 1992, 240 (241); Zöller / Vollkommer, § 23 ZPO, Rn. 7 ff.; Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 36, Rn. 5; Vollkommer, IPRax 1992, 207 (210). 69 BGHZ 115, 90 (94 ff.); BGH NJW 1996, 2096; NJW 1997, 324 (325); Zöller / Vollkommer, § 23 ZPO, Rn. 1; Vollkommer, IPRax 1992, 207 (211); a.A.: B / L / A / H / Hartmann, § 23 ZPO, Rn. 16. 70 Zöller / Vollkommer, § 23 ZPO, Rn. 5; Vollkommer, IPRax 1992, 207 (211 f.). Der BGH spricht von einem „Auffanggerichtsstand“, vgl. BGHZ 115, 90 (95). Diese Sichtweise käme der Rechtslage nach der EuGVO entgegen, in dessen Anwendungsbereich § 23 ZPO gem. Art. 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 i.V. m. Anhang I EuGVO nicht gilt, womit ein gewisser Gleichlauf im internationalen Zuständigkeitsrecht erzielt würde. Nach h. M. konkurriert § 23 ZPO hingegen mit den anderen besonderen Gerichtsständen, wird also nicht als subsidiär verdrängt, vgl. Kropholler, Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 309 m. w. N.; siehe zudem Thomas / Putzo / Hüßtege, § 23 ZPO, Rn. 3. Folgt man dieser Ansicht, so kann der Kläger auch beim Vorliegen eines anderen besonderen Gerichtsstandes, eine Klage auf Schadensersatz wegen culpa in contrahendo am Vermögensgerichtsstand geltend machen. Es steht ihm also noch ein weiteres Forum nach seiner Wahl zur Verfügung. 71 Vgl. Schumann, ZZP 93 (1980), 408 (419, 432); siehe auch: Vollkommer, IPRax 1992, 207 (212).

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nur abstrakte Erfüllungsortvereinbarungen betroffen.73 Dieser Absatz entspricht demnach der Regelung in § 38 ZPO. Klagen aus unerlaubten Handlungen können gem. § 32 ZPO vor dem Gericht geltend gemacht werden, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Der Tatort umfasst hier ebenso wie in Art. 5 Nr. 3 EuGVO sowohl den Handlungsals auch den Erfolgsort.74 Wie auf europäischer Ebene muss also untersucht werden, ob die in diesen Tatbeständen verwendeten Begrifflichkeiten so ausgelegt werden können, dass sie auch Ansprüche aus culpa in contrahendo in der jeweiligen Konstellation erfassen.75 cc) Allgemeiner Gerichtsstand Fehlt es an einer Gerichtsstandsvereinbarung und sind auch keine ausschließlichen oder besonderen Zuständigkeiten der Gerichte begründet, so verbleibt es bei den allgemeinen Gerichtsständen. Die ZPO folgt – genau wie die EuGVO – dem actor sequitur forum rei-Grundsatz, wonach alle Klagen, also auch solche wegen culpa in contrahendo, jedenfalls am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten geltend gemacht werden können.76 Regelmäßig bestimmt sich diese Zuständigkeit dann gem. § 13 ZPO nach dem Wohnsitz der beklagten Partei. dd) Fazit Das Fazit fällt ebenso aus wie auf der Ebene der EuGVO. Will der Kläger seinen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo abweichend vom allgemeinen Beklagtengerichtsstand an einem besonderen Gerichtsstand geltend machen, dann müssen die jeweiligen Fallgruppen entweder dem Delikts- oder dem Vertragsklagengerichtsstand zugeordnet werden.

72 Geimer / Schütze / Geimer, Int. Urteilsanerkennung, Bd. I / 1, § 83, S. 555; Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 1. 73 MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 97; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 35. 74 MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 32 ZPO, Rn. 20. 75 Allerdings ist im autonomen deutschen Prozessrecht streitig, inwieweit die besonderen Zuständigkeiten überhaupt für die culpa in contrahendo gelten, vgl. dazu unten: Teil E. II. 2. 76 Vgl. § 12 ZPO. Die allgemeinen Gerichtsstände sind in den §§ 13 – 19 a ZPO geregelt.

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3. Bedeutung der Qualifikationsentscheidung im Internationalen Zivilprozessrecht Die Frage der Qualifikation vorvertraglicher Haftungstatbestände spielt im Internationalen Zivilprozessrecht ebenfalls eine wichtige Rolle. Zunächst soll deshalb die Bedeutung der Ermittlung des international zuständigen Forums klargestellt und danach die Tragweite von Zuordnungsproblemen im Recht der internationalen Zuständigkeit erläutert werden.

a) Auswirkung der Internationalen Zuständigkeit auf den Rechtsstreit Für die streitenden Parteien und den Ausgang des Rechtsstreits kann es in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung sein, vor welchem Gericht ein Urteil über die Streitigkeit gefällt wird. Auf der einen Seite sind die Erschwernisse eines im Ausland zu führenden Rechtsstreits u. U. beträchtlich. Muss eine Partei zur Verfolgung ihrer Ansprüche ein ausländisches Gericht bemühen, so hat sie sich mit einem für sie fremden Rechtssystem auseinander zu setzen. Gemeint ist hier das ausländische Verfahrensrecht, das insbesondere auch über das anzuwendende Beweisverfahren bestimmt.77 Möglicherweise schreckt den Kläger auch eine lange Verfahrensdauer vor ausländischen Gerichten.78 Zudem kann es zu einer Reihe praktischer Probleme und Unannehmlichkeiten kommen, wie zum Beispiel zur Schwierigkeit, einen geeigneten Rechtsbeistand im Ausland zu finden, einer u. U. notwendigen Anreise zum ausländischen Gericht sowie zu Sprachproblemen. Damit hängen oftmals erhöhte Kosten zusammen. Dies sind alles Umstände, die eine Rechtsverfolgung im Ausland mit sich bringen und erschweren können. Ist der Streitwert gering und der zu leistende Aufwand unverhältnismäßig hoch, kann eine Partei womöglich aufgrund dieser Erschwernisse zum Verzicht auf eine ihr zustehende Anspruchsdurchsetzung veranlasst werden. Ähnliche Schwierigkeiten können sich aber auch für den Beklagten ergeben, wenn er sich beispielsweise aufgrund einer gegebenen besonderen Zuständigkeit außerhalb seines Heimatstaates verteidigen muss. Nicht nur aus Gründen der Bequemlichkeit stellt sich für jede Partei demnach grundsätzlich ein Gerichtsstand im Inland als vorteilhaft dar. Der BGH spricht deshalb auch von einem „natürlichen Interesse“ jedes Staatsangehörigen daran, dass sein Staat, dessen Organisation und Funktionsweise er kenne, über seine Rechtssache entscheidet.79 77 Vgl. Palandt / Heldrich, Einl. v. Art. 3 EGBGB, Rn. 33; Geimer, WM 1986, 117. Die Regelungen hinsichtlich der Beweislast sind hingegen grundsätzlich der lex causae zu entnehmen, (siehe Art. 32 Abs. 3 S. 1 EGBGB) ebenso wie für die Darlegungslast (ausführlich dazu: Schack, IZVR, Rn. 655 ff.). 78 Schack, IZVR, Rn. 225. 79 BGHZ 44, 46 (50); BGH NJW 1981, 2642 (2643). Vgl auch: von Bar / Mankowski / Mankowski, IPR, Bd. I, § 5, Rn. 156.

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Auf der anderen Seite kann die internationale Zuständigkeit eines Gerichts Auswirkungen auf den Ausgang des Rechtstreits haben. So darf nicht übersehen werden, dass jedes nationale Gericht seine lex fori, und damit zunächst80 einmal sein Internationales Privatrecht anwendet.81 Der deutsche Richter muss von Amts wegen das deutsche Kollisionsrecht beachten.82 Erst dieses verweist auf die anwendbare Rechtsordnung und bestimmt damit zumindest mittelbar das materielle Recht.83 Durch die Wahl eines Gerichtsstands kann somit indirekt über das für die Sachentscheidung maßgebliche Recht entschieden und können damit auch oftmals die Weichen für den Ausgang des Verfahrens gestellt werden. Diese mittelbare Wirkung der internationalen Zuständigkeit ist für die Beteiligten mithin von zentraler Bedeutung. Deshalb liegt es im Parteiinteresse, bereits im Vorhinein durch eine Gerichtsstandsvereinbarung Planungssicherheit zu schaffen. Ist eine solche Vorentscheidung nicht getroffen worden, kann es dazu kommen, dass sich dem Kläger die Möglichkeit des sog. forum shopping84 bietet, d. h. er wird sich bei der Auswahl zwischen gleichzeitig nebeneinander bestehenden Gerichtsständen in mehreren Staaten für dasjenige Forum entscheiden, das voraussichtlich die für ihn günstigste Entscheidung treffen wird. Wie bereits angesprochen, stellt diese Wahlmöglichkeit für die klagende Partei einen großen Vorteil im Hinblick auf die Erreichung eines möglichst positiven Ausgangs des Rechtsstreits dar. Die Auswirkungen der internationalen Zuständigkeit auf den Ausgang des streitigen Verfahrens dürfen folglich nicht unterschätzt werden.

b) Bedeutung der Qualifikationsentscheidung für die Zuständigkeitsprüfung Des Weiteren ist die Tragweite der Qualifikationsentscheidung hinsichtlich der Haftung aus culpa in contrahendo im Rahmen der Feststellung der internationalen Zuständigkeit zu untersuchen.

Zur lex fori gehört ebenso das Sachrecht des Forumstaates. Junker, IPR, § 1, Rn. 22; Mistelis, S. 181. 82 RGZ 95, 164 (166); BGH NJW 1993, 2305 (2306); NJW 1996, 54; Palandt / Heldrich, Einl. v. Art. 3 EGBGB, Rn. 1. 83 Vgl. BGHZ 44, 46 (50); BGH NJW 2003, 426 (427); Kropholler, IPR, § 58, S. 590; Geimer, WM 1986, 117, der in diesem Zusammenhang sogar davon spricht, dass mit der Festlegung des international zuständigen Gerichts bereits eine „Vorentscheidung über den Ausgang des Prozesses“ getroffen wird. 84 Hierzu Schack, IZVR, Rn. 221 ff.; vgl. auch Looschelders, Vorbem. zu Art. 3 – 6 EGBGB, Rn. 31. 80 81

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aa) Prüfung der internationalen Zuständigkeit Die Prüfung der (internationalen) Zuständigkeit nimmt ein deutsches Gericht nach nationalem Prozessrecht von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens vor.85 Auf europäischer Ebene ist eine Amtsprüfung nur in den von Artt. 25, 26 EuGVO erfassten Konstellationen vorgesehen.86 Steht eine ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat gem. Art. 22 EuGVO in Frage, so folgt die Verpflichtung zur Amtsprüfung aus Art. 25 EuGVO. Nach Art. 26 Abs. 1 EuGVO prüfen die Richter ex officio, ob sie zuständig sind, wenn der Beklagte sich nicht auf das Verfahren vor einem unzuständigen Gericht einlässt. Die Säumnis reicht also aus, um die amtswegige Zuständigkeitsprüfung zu veranlassen, denn der Beklagte soll nicht nur für eine bloße Zuständigkeitsrüge vor ein ausländisches Forum gezwungen werden.87 In allen anderen Fällen muss die beklagte Partei aktiv werden und den Mangel der Zuständigkeit geltend machen. Lässt sie sich hingegen auf das Verfahren ein, so wird das Gericht gem. Art. 24 EuGVO zuständig. Nicht erforderlich dafür ist eine Einlassung zur Hauptsache.88 Sich auf das Verfahren einzulassen bedeutet, sich mit dem Ziel der Klageabweisung zu verteidigen.89 Eine Ausnahme gilt gem. Art. 24 Satz 2 EuGVO aber für die Rüge des Mangels der internationalen Zuständigkeit des Gerichts oder wenn ein anderweitiger ausschließlicher Gerichtsstand besteht. Das Problem der Qualifikation der culpa in contrahendo wird relevant, wenn der Kläger an einem der besonderen Gerichtsstände aus Art. 5 EuGVO klagen will. Denn dann müssen die besonderen Zuständigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein, d. h. für Nr. 1 müssen „ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“, während nach Nr. 3 „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder [ . . . ] Ansprüche aus einer solchen Handlung“ gegeben sein müssen. Ob die jeweilige Tatsache vorliegt, überprüft das Gericht anhand von schlüssigen und erheblichen Umständen, die eine Partei vorträgt.90 Der Kläger muss die zuständigkeitsbestimmenden Tatsachen dartun und trägt insoweit die Beweislast.91 Deren Umfang richtet sich nach dem nationalen Prozessrecht des angerufenen Gerichts.92 85 BGHZ 98, 263 (270); BGH WM 1969, 501 (502); NJW 1981, 1606; NJW 2003, 2830; Kropholler, Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 21; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 45; Schack, IZVR, Rn. 385; a.A.: Geimer, WM 1986, 117 (117 f.). 86 Vgl. OLG Köln NJW 1988, 2182; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art 19 EuGVÜ, Rn. 1. 87 Rauscher / Mankowski, EuZPR, Art. 26 Brüssel I-VO, Rn. 1; Ost, S. 167; Geimer, WM 1986, 117 (118). 88 Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 392; Rauscher / Staudinger, EuZPR, Art. 24 Brüssel I-VO, Rn. 4; Schlosser, EuZPR, Art. 25 EuGVVO, Rn. 2; Piltz, NJW 2002, 789 (794). 89 Kropholler, EuZPR, Art. 24 EuGVO, Rn. 7. 90 EuGH 04. 03. 1982 – 38 / 81, Effer / Kantner, IPRax 1983, 31 (33, Nr. 7). 91 Vgl. Valloni, S. 210.

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bb) Doppelrelevante Tatsachen Die Beweispflichtigkeit des Klägers wird im deutschen Prozessrecht für sog. doppelrelevante Tatsachen von der herrschenden Meinung abgeschwächt. Diese liegen vor, wenn sowohl die prozessuale als auch die materiellrechtliche Wertung ein und derselben Gegebenheit zum gleichen Ergebnis führt, d. h. wenn dieselben Tatsachen sowohl für die Zuständigkeit des Gerichts als auch gleichzeitig für die Begründetheit des Anspruchs notwendigerweise erheblich sind.93 Falls sich Zuständigkeits- und Begründetheitstatsachen also decken, dann sind erstere nur vom Kläger schlüssig zu behaupten, da die eigentliche Prüfung erst in der Begründetheit erfolgen soll (sog. Schlüssigkeitstheorie).94 Als Grund hierfür wird angegeben, dass die Prüfung der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen nicht mit der Prüfung des materiell-rechtlichen Anspruchs zusammenfallen solle, weil dies ein unökonomisches Vorgehen sei und der Aufwand der Beweiserhebung in der Zuständigkeitsprüfung sich für ein Prozessurteil nicht rechne. Die Verlagerung in die Begründetheit führe hingegen zu einem Sachurteil, das aufgrund seiner Sperrwirkung hinsichtlich weiterer Klagen gegenüber einem Prozessurteil für den Beklagten günstiger sei.95 Für die übrigen, nur zuständigkeitserheblichen Tatsachen verbleibt es dabei, dass bei Bestreiten der Gegenpartei ein Beweisverfahren in der Zuständigkeitsprüfung durchgeführt werden muss.96 Die Schlüssigkeitstheorie wird im deutschen Recht demnach nicht nur bei der örtlichen, sondern auch bei der internationalen Zuständigkeit angewandt.97 92 MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 45; Rauscher / Mankowski, EuZPR, Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO, Rn. 7; P. Huber, ZEuP 1996, 295 (312). 93 BGHZ 7, 184 (186);124, 237 (240); OLG Celle NJW 1966, 1975 (1975); KG ZLR 2002, 759 (771 f.); Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (415); Geimer, WM 1986, 117 (119); Weller, IPRax 2000, 202 (203); Würthwein, ZZP 106 (1993), 51 (56). 94 Vgl. BGHZ 98, 263 (273); 124, 237 (240 f.); 132, 105 (110); schweiz. BGE 112 III (1996), 249 (252); MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 19 EuGVÜ, Rn. 3; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 32 ZPO, Rn. 14 f.; Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493 (503, 505). Zur örtlichen Zuständigkeit: BGH NJW 1964, 497 (498); Fezer / Büscher, Bd. 2, § 14 UWG, Rn. 7; Zimmermann, § 29 ZPO, Rn. 3. Vgl. auch die kritische Darstellung bei Würthwein, ZZP 106 (1993), 51 (55 ff.). 95 Rauscher / Mankowski, EuZPR, Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO, Rn. 8; Schack, IZVR, Rn. 387; Kubis, S. 94 f.; Ost, S. 99 f.; Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (420 ff.); Gottwald, IPRax 1995, 75; vgl. auch: schweiz. BGE 112 III (1996), 249 (252). 96 Vgl. Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 57; Kubis, S. 96; Valloni, S. 212; Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (417); Windel, ZZP 111 (1998), 3 (25). 97 RGZ 95, 268 (270); BGHZ 124, 237 (241); BGH NJW 1996, 1411 (1413); Ost, S. 42, 55. Die Schlüssigkeitstheorie gilt allerdings nicht im Rahmen der Anerkennungszuständigkeit, vgl. BGHZ 124, 237 (242 ff.); Kubis, S. 97, 101; Ost, S. 225; Windel, ZZP 112 (1999), 512 (515 f.). Problematisch ist die Anwendung der Schlüssigkeitstheorie auch im Rahmen der internationalen Zuständigkeit für den Fall der Säumnis des Beklagten, weil gem. § 331 Abs. 1 ZPO dann die bloßen Zuständigkeitsbehauptungen des Klägers als zugestanden angesehen werden. Teilweise wird die Geltung der Geständnisfiktion in diesem Bereich deshalb abgelehnt (Kropholler, Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 218; Ost, S. 81; Geimer, WM

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Doppelrelevant in dem genannten Sinn sind der vertragliche Anspruch nach § 29 ZPO98 und die „unerlaubte Handlung“ i. S. v. § 32 ZPO.99 Der Kläger muss demnach bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen culpa in contrahendo nur schlüssig behaupten, dass es sich dabei um eine vertragliche Streitigkeit oder eine unerlaubte Handlung handelt, um den jeweiligen Gerichtsstand zu begründen. Diese für die ZPO entwickelte Lehre soll nach ganz h. M.100 auch auf die europäische Ebene übertragen werden können.101 Um die internationale Zuständig1986, 117 (119); a.A.: Kubis, S. 97). Ob die Schlüssigkeitstheorie dann im Versäumnisverfahren zu rechtfertigen ist, ist streitig (dafür: Kropholler, Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 219; dagegen: Ost, S. 82 – 85). 98 Vgl. Schack, IZVR, Rn. 387; Ost, S. 28; Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (418). 99 Vgl. BGHZ 124, 237 (241); 132, 105 (110); OLG Köln ZIP 1998, 74 (75); Kropholler, Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 219; Kubis, S. 93; Gottwald, IPRax 1995, 75. 100 BGHZ 98, 263 (273); OLG Koblenz IPRax 1991, 241 (244); OLG Karlsruhe IPRspr. 1997, Nr. 162, 329 (330); KG ZLR 2002, 759 (771 f.); Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 94; Art. 25 EuGVO, Rn. 5; ders., Hdb. IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 651, 692; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 45; U. Dörner, S. 68 f.; Ost, S. 213 ff., 227; Schack, Erfüllungsort, Rn. 312; Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (417); Gottwald, IPRax 1983, 13 (14 f.); P. Huber, ZEuP 1996, 295 (312); Piltz, NJW 1981, 1876; Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493 (503, 505); so wohl auch: B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 22; Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 4, Art. 26 EuGVVO, Rn. 1; vgl. für die Schweiz: BGE 112 III (1996), 249 ff. Kritisch: Windel, ZZP 112 (1999), 512 (515). Nach überwiegender Ansicht findet die Schlüssigkeitstheorie im Rahmen des Art. 26 EuGVO, also im Fall der Beklagtensäumnis, keine Anwendung, vgl. Rauscher / Mankowski, EuZPR, Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO, Rn. 9; Schlosser, EuZPR, Art. 26 EuGVVO, Rn. 1; Ost, S. 215. 101 Eine Gegenansicht weist auf die Nachteile für den Beklagten hin, der aufgrund schlüssiger Behauptungen vor einem ausländischen Forum gerichtspflichtig gemacht werden kann, und warnt vor einer Vernachlässigung der spezifischen Zuständigkeitsinteressen (vgl. Rauscher / Mankowski, EuZPR, Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO, Rn. 9; Mankowksi, MMR 2002, 814 (818)). Deshalb wird teilweise gefordert, dass der äußere Tatbestand der jeweiligen Zuständigkeitstatsache vorliegen müsse und zu beweisen sei (Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 74, 263 ff.; Geimer / Schütze / Geimer, Int. Urteilsanerkennung, Bd. I / 1, § 83, S. 582 f.; Geimer, IZPR, Rn. 1494, 1826; ders., WM 1986, 117 (119); so wohl auch: Rauscher / Mankowski, EuZPR, Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO, Rn. 9). Nach einer weiteren Ansicht ist die Annahme der Doppelrelevanz von Tatsachen im Rahmen der EuGVO überhaupt fraglich. Die prozessualen Begrifflichkeiten auf europäischer Ebene seien von denjenigen der materiellen Rechtsordnungen unabhängig und deckten sich nicht zwangsläufig. So sei es beispielweise möglich, dass ein Tatsachenkomplex von deutschen Gerichten als Delikt eingestuft werde, das anwendbare materielle Recht aber anders qualifiziere. Die Entscheidung über die Doppelrelevanz einer Tatsache hänge also vom anwendbaren Recht in der Sache ab, so dass die Schlüssigkeitstheorie hier nicht passe (Weller, IPRax 2000, 203 (204); nach Ansicht von Kubis (S. 105) sind diese Tatsachen deshalb überhaupt nicht doppelrelevant). Vielmehr wird vorgeschlagen, auf eine materielle Prüfung in der Zulässigkeit zu verzichten und stattdessen auf den örtlichen Bezug zum Gerichtsstand abzustellen (vgl. Würthwein, ZZP 106 (1993), 51 (54, 64 ff.); Kubis, S. 101). Würde man eine Klage aus culpa in contrahendo beispielsweise als deliktisch i. S. v. Art. 5 Nr. 3 EuGVO ansehen, müsste der Kläger nur eine unerlaubte Handlung behaupten und der Handlungs- oder Erfolgsort müsste mit dem Gerichtsstand identisch sein, d. h. die Handlung oder der Erfolg

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keit des Gerichts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO zu begründen, reicht es folglich aus, wenn der Kläger schlüssig das Bestehen eines Anspruchs vertraglicher Natur behauptet.102 Gleiches gilt hinsichtlich einer unerlaubten Handlung, um den Deliktsgerichtsstand zu begründen.103

cc) Folgen bei Unzuständigkeit des Gerichts Klagt der Kläger vor einem Gericht, dessen internationale Zuständigkeit nicht nach der EuGVO oder der ZPO begründet ist, so wird die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen.104 Hat das Gericht seine Unzuständigkeit festgestellt, ergibt sich für den Kläger eine prekäre Situation. Eine Verweisung an das zuständige Gericht im Ausland, wie § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO sie für die örtliche Unzuständigkeit im deutschen Prozessrecht vorsieht, ist bei der internationalen Zuständigkeitsfrage sowohl im Rahmen der ZPO als auch im Geltungsbereich der EuGVO nicht möglich. Ein unzuständiges Gericht kann deshalb nicht über die Souveränitätsgrenzen seines Staates hinweg ein ausländisches Gericht mit bindender Wirkung für zuständig erklären.105 Der Kläger steht nach der Klageabweisung also vor dem Problem, sich ein anderes zuständiges Gericht suchen zu müssen, das die Zuständigkeitsvoraussetzungen neu prüft. Es bleibt dem in einem anderen Mitgliedstaat angerufenen Gericht unbenommen, ebenfalls seine Unzuständigkeit festzustellen, so dass der Kläger wiemüssen erwiesenermaßen im Gerichtsbezirk begangen worden bzw. eingetreten sein (vgl. Würthwein, ZZP 106 (1993), 51 (64)). 102 Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 4; Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (418); Piltz, NJW 1981, 1876. Stellt sich dann im Nachhinein beim Eintritt in die materiell-rechtliche Prüfung heraus, dass der behauptete vertragliche Anspruch gar nicht besteht, so ändert sich nichts an der Gerichtszuständigkeit. Die Klage wird aber als unbegründet abgewiesen, vgl. Piltz, NJW 1981, 1876; Schack, Erfüllungsort, Rn. 312. 103 BGHZ 98, 263 (273); B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 156; Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 375; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 94; Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (419). 104 BGHZ 98, 263 (273); OLG Stuttgart IPRax 1992, 86 (89); Rauscher / Staudinger, EuZPR, Art. 25 Brüssel I-VO, Rn. 6; Schack, IZVR, Rn. 389, 395; Grunsky, in: FS Fenge, S. 63 (64); Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (403); Geimer, WM 1986, 117 (120). Das gilt sowohl in dem Fall, dass der Beweis nicht erbracht werden konnte, als auch für den nicht schlüssigen Vortrag einer doppelrelevanten Tatsache, vgl. Kubis, S. 96. 105 MüKo-ZPO / Gottwald (1992), Bd. 3, Art 20 IZPR, Rn. 5 (jetzt: 2. Aufl. 2001: QuasiBindung, vgl. Art. 20 EuGVÜ, Rn. 5); Geimer, IZPR, Rn. 1010, 1850; Kropholler, Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 654; Schack, IZVR, Rn. 395; Schumann, in: FS Nagel, S. 402 (403 f.); Geimer, WM 1986, 117 (122); Mankowski, IPRax 1997, 173 (178); Weller, IPRax 2000, 202 (203). Allerdings kann innerhalb desselben Mitgliedstaates eine Verweisung von einem Gericht zu einem anderen aufgrund autonomen Prozessrechts in bestimmten Fällen in Betracht kommen, vgl. Kropholler, EuZPR, Art. 26 EuGVO Rn. 2.

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derum die Nachteile einer Klageabweisung tragen müsste.106 Im Geltungsbereich autonomer Prozessrechte kann dies sogar zu einem negativen Kompetenzkonflikt führen.107 Innerhalb der EU ist dem mit der Zuständigkeitsvereinheitlichung durch die EuGVO weitgehend vorgebeugt, aber ganz auszuschließen ist ein solcher Kompetenzkonflikt nicht.108 Allerdings kommt noch erschwerend hinzu, dass möglicherweise während einer langwierigen Suche nach dem zuständigen Gericht der materiell-rechtliche Anspruch verjähren könnte.109 Der aufgrund des Fehlens der internationalen Zuständigkeit durch Prozessurteil abgewiesene Kläger hat außerdem gem. § 91 ZPO als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang zu tragen. Dass es sich nicht um eine Sachentscheidung handelt, spielt keine Rolle.110 Klagt der Anspruchsinhaber also vor einem international nicht zuständigen Forum, so hat das zahlreiche negative Folgen für ihn. Um sich diese zu ersparen, könnte er den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten wählen und die Klageerhebung an einem besonderen Gerichtsstand aufgeben. Dieser bietet aber für den Kläger eventuell Vorteile, auf die er nicht verzichten will.111 Deshalb ist es für die klagende Partei von besonderem Interesse zu wissen, welches Gericht sie aufgrund einer besonderen Zuständigkeit bei Klagen anrufen kann, die nicht explizit in der Zuständigkeitsnorm erwähnt sind und deren Einordnung deshalb fraglich ist. Dazu gehört insbesondere auch eine Schadensersatzklage aus culpa in contrahendo, bei der fraglich ist, ob es sich hierbei um die Geltendmachung eines vertraglichen (dann Art. 5 Nr. 1 EuGVO bzw. § 29 ZPO) oder deliktischen (dann Art. 5 Nr. 3 EUGVO bzw. § 32 ZPO) Anspruchs handelt. Eine Klärung dieser Problematik entspricht insbesondere auch dem Sinn und Zweck der EuGVO, die durch vorhersehbare Foren den Rechtsschutz und Rechtsverkehr im europäischen Binnenraum erleichtern will. dd) Gerichtsstand kraft Sachzusammenhangs Die soeben erläuterte, mit der Qualifikationsfrage vorvertraglicher Haftungsinstitute zusammenhängende Problematik könnte durch die Anerkennung eines 106 Es besteht auch die Möglichkeit, die Beantwortung der Frage, welches Gericht denn nun zuständig ist, dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen, freilich verbunden mit der Gefahr, dass eine lange Entscheidungszeit dazu führen kann, dass das abweisende Urteil in Rechtskraft erwächst und keine Wiederaufnahme möglich ist, vgl. Grunsky, in: FS Fenge, S. 63 (67). 107 Zu einer Rechtschutzverweigerung wird es gleichwohl nicht kommen, da in einem solchen Fall eine Notzuständigkeit deutscher Gerichte besteht, vgl. Geimer, WM 1986, 117 (123); vgl. auch: Schack, IZVR, Rn. 396 ff. 108 Siehe Schack, IZVR, Rn. 395. 109 Vgl. Grunsky, in: FS Fenge, S. 63 (66 f., 70 f.). 110 Grunsky, in: FS Fenge, S. 63 (68); vgl. auch: Mankowski, JZ 2003, 689 (690). 111 Dazu bereits oben: Teil C. II. 3. a).

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Gerichtsstands kraft Sachzusammenhangs, also einer Zuständigkeitskonzentration für konkurrierende Anspruchsgrundlagen vor einem Gericht, entschärft werden.112 Anspruchsgrundlagenkonkurrenz ist gegeben, wenn der Kläger einen einheitlichen prozessualen Anspruch geltend macht, der sich auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützt.113 Wenn also neben vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen gleichzeitig auch solche auf Schadensersatz wegen culpa in contrahendo geltend gemacht werden, wäre zu überlegen, ob letztere ohne Rücksicht auf ihre zivilprozessuale Rechtsnatur ebenfalls am Vertrags- bzw. am Deliktsklagengerichtsstand eingeklagt werden können, wenn ein ausreichender Sachzusammenhang zwischen den entsprechenden Ansprüchen besteht.114 Das Qualifikationsproblem würde entschärft, da eine genaue rechtliche Zuordnung des vorvertraglichen Haftungsinstituts in diesem Fall nicht notwendig wäre und die Abgrenzungsfrage somit obsolet würde. Einen solchen Sachzusammenhangsgerichtsstand sehen allerdings weder die ZPO noch die EuGVO ausdrücklich vor. Auch aus Art. 28 EuGVO lässt sich keine Zuständigkeit für konnexe Klagen herleiten, da die Vorschrift nur eine spätere Verfahrensaussetzung regelt115 und die Gerichtsstände des Sachzusammenhangs abschließend116 in Art. 6 EuGVO aufgezählt sind. Es fragt sich aber, ob eine Zuständigkeitskonzentration praeter legem gerechtfertigt werden kann.

112 Schmidt-Kessel hält die Diskussion um eine Annexkompetenz im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 bzw. Nr. 3 EuGVO seit dem Tacconi-Urteil für überholt. Er geht davon aus, dass beim Vorliegen eines Vertrages alle dann geltend gemachten Ansprüche kraft autonomer Qualifikation als vertraglich anzusehen seien. Hinsichtlich eines Sachverhalts seien konkurrierende Ansprüche und damit konkurrierende Gerichtsstände ausgeschlossen (ZEuP 2004, 1019 (1026 ff.). Diese Ansicht beruht jedoch auf einer Fehlinterpretation der Erklärungen des Generalanwalts Geelhoed in der Sache Tacconi / HWS. Wenn dieser sagt, dass sich Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3 EuGVO gegenseitig ausschließen, so ist als Bezugspunkt ein und derselbe Anspruch gemeint und nicht ein Sachverhalt, aus dem verschiedenartige Ansprüche – vertraglicher und deliktischer Natur – entstehen können (EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7378 f., Nr. 71, 73). 113 BGH JZ 2003, 687 (687); Banniza von Bazan, S. 44; Schack, IZVR, Rn. 347; Kiethe, NJW 2003, 1294; Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493 (493 f.). Vgl. dazu auch: BGH IPRax 1989, 98 (99); Mansel, IPRax 1989, 84 (85 f.). 114 So hat das BayObLG für die örtliche Zuständigkeit entschieden, dass im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. § 32 ZPO auch über konkurrierende Schadensersatzansprüche wegen der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages mitentschieden werden kann, wenn diese auf demselben Lebenssachverhalt beruhen (MDR 1995, 1261). 115 Vgl. EuGH 24. 06. 1981 – 150 / 80, Elefanten Schuh / Jacqmain, Slg. 1981, 1671, (1687, Nr. 19); 27. 10. 1998 – 51 / 97, Reunion europeenne / Spliethoff ’s Bevrachtingskantoor, EuZW 1999, 59 (61, Nr. 39); Kropholler, EuZPR, Art. 28 EuGVO, Rn. 2; Schack, IZVR, Rn. 341; ders., Erfüllungsort, Rn. 316; Mansel, IPRax 1989, 84 (86). 116 Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 28 Brüssel I-VO, Rn. 1; Art. 6 Brüssel I-VO, Rn. 1; Schack, Erfüllungsort, Rn. 315.

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(1) Meinungsstand Wenn im Falle der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz der Vertrags- und der Deliktsklagengerichtsstand nicht zusammenfallen, so darf nach Ansicht des EuGH das aufgrund von Art. 5 Nr. 3 EuGVO zuständige Gericht nur über das Vorliegen eines Anspruchs wegen unerlaubter Handlung entscheiden und nicht gleichzeitig über konkurrierende Ansprüche vertraglicher Natur.117 Eine Annexkompetenz wird abgelehnt.118 Gleiches gilt nach ständiger Rechtsprechung für das deutsche Prozessrecht, wo von deutschen Gerichten ebenfalls die Ausweitung des § 32 ZPO auf nicht-deliktische Ansprüche abgelehnt wird, soweit es die internationale Zuständigkeit betrifft.119 Die Kognitionsbefugnis des Gerichts geht nach dieser Ansicht demnach nur so weit, wie der Rahmen, der durch die Zuständigkeitsnorm festgelegt ist, reicht. Werden darüber hinaus Ansprüche geltend gemacht, so ist die Klage insoweit nicht zulässig und wird abgewiesen.120 Dies soll nach Teilen der Literatur vice versa auch für den Vertragsklagengerichtsstand gelten, an dem also nur vertragliche Ansprüche eingeklagt werden können.121 Folglich käme es zu einer Gerichtsstandsspaltung, wenn ein Anspruch geltend gemacht wird, der sich zugleich auf vertragliche und außervertragliche Ansprüche stützt, sofern der Kläger einen besonderen Gerichtsstand wählt. Das müsse er aber hinnehmen, wenn er sich die Vorteile der besonderen Zuständigkeiten zu eigen machen will. Der Vorrang des „favor defensoris“ solle nämlich nur in den engen, durch die besonderen 117 EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5585 f., Nr. 19 – 21); 27. 10. 1998 – 51 / 97, Reunion europeenne / Spliethoff ’s Bevrachtingskantoor, EuZW 1999, 59 (62, Nr. 49). So auch: B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 137 f.; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 41; Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 19; Schack, Erfüllungsort, Rn. 317; Schwarz, S. 164 ff.; Mankowski, IPRax 97, 173 (178). 118 Vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 352; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 50. 119 BGH WM 1976, 1230 (1231); NJW 1974, 410 (411); IPRax 1989, 98 (99); NJW 1996, 1411 (1413); JZ 2003, 687 (689). So auch: Würthwein, ZZP 106 (1993), 51 (74 ff.). Für die örtliche Zuständigkeit wird seit Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 GVG vom BGH ein Sachzusammenhangsgerichtsstand für konkurrierende Ansprüche im Deliktsklagengerichtsstand des § 32 ZPO angenommen, indem insbesondere die Prozessökonomie betont wird, vgl. BGH JZ 2003, 687 ff.; so schon BayObLG MDR 1995, 1261. Siehe auch Zimmermann, § 32 ZPO, Rn. 5: wenn ein Gericht schon über rechtswegfremde Anspruchsgrundlagen entscheiden muss, dann soll es wegen des Sachzusammenhangs erst recht über alle rechtswegeigenen Ansprüche urteilen dürfen. A.A.: Es sei eine ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers für die ZPO nötig, da § 17 Abs. 2 GVG nicht herangezogen werden könne: Banniza von Bazan, S. 120, 141, 152 f.; Mankowski, JZ 2003, 689 (691). So wohl auch: Schack, IZVR, Rn. 348; Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493 (495 ff.). 120 EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5586, Nr. 21); BGH, NJW 1996, 1411 (1413); Geimer, WM 1986, 117 (121). 121 Fezer / Büscher, Bd. 2, § 14 UWG, Rn. 43; Geimer / Schütze / Geimer, Int. Urteilsanerkennung, Bd. I / 1, § 83, S. 559; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 8; Valloni, S. 213; Rauscher, WuB VII B. Art. 5 EuGVVO 2.05, 480 (484); vgl. zur örtlichen Zuständigkeit nach der ZPO: RG JW 1896, Nr. 3, 201 (201 f.).

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Zuständigkeitsvorschriften gezogenen Grenzen durchbrochen werden.122 Die Ausnahmegerichtsstände seien deshalb restriktiv zu handhaben.123 Belasse es der Kläger hingegen beim allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVO, so könne er sich die Erhebung zweier separater Klagen ersparen.124 Dies entspreche dem Grundsatz der Beklagtenbegünstigung, der sonst drohe, leer zu laufen. Dieses Ergebnis ist auf Kritik gestoßen.125 Die Argumente gegen eine solche Zuständigkeitskonzentration seien nicht überzeugend. Der Grundsatz des actor sequitur forum rei werde durch die Anerkennung des Sachzusammenhangsgerichtsstands nicht aus den Angeln gehoben, denn dieser sei nur in genau abgrenzbaren Fällen anzunehmen, nämlich wenn sich die geltend gemachten Anspruchsgrundlagen aus einem einheitlichen prozessualen Anspruch herleiten.126 Auch die Begründung, die allgemeine Beklagtenzuständigkeit werde entwertet, greife nicht durch. Genauso gut könne man entgegnen, dass bei Ablehnung eines Gerichtsstands des Sachzusammenhangs die besonderen Gerichtsstände in ihrer Bedeutung herabgesetzt würden, indem man den Kläger, der sich zur Verfolgung seiner Interessen grundsätzlich auf alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen stützen werde, in diesen Fällen zwänge, nicht von seinem Wahlrecht zugunsten einer Sonderzuständigkeit Gebrauch zu machen, weil er sonst möglicherweise zwei Klagen vor verschiedenen nationalen Gerichten erheben müsse oder ansonsten die negativen Folgen einer Klageabweisung wegen Unzulässigkeit127, beispielsweise die Kostenlast, zu tragen habe.128 (2) Stellungnahme In der Tat sprechen gute Argumente für die Annahme eines Gerichtsstands kraft Sachzusammenhangs bei Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. So kann eine nachteilige „Verdopplung“ des Prozesses durch die Anrufung verschiedener Gerichte unterschiedlicher Staaten für Ansprüche aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt und damit die mehrmalige Klärung identischer Tatsachenfragen verhindert werden.129 Diese Zuständigkeitskonzentration dient also der Prozessökonomie. Auch der EuGH hat bereits mehrfach betont, dass eine GeB / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 138; Valloni, S. 214. EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5585, Nr. 19); vgl. auch: RGZ 27, 385 (386). 124 EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5586, Nr. 20); Würthwein, ZZP 106 (1993), 51 (76). 125 Für Nachweise siehe sogleich: Teil C. II. 3. b) dd) (2). 126 Banniza von Bazan, S. 145. 127 Dazu bereits oben: Teil C. II. 3. b) cc). 128 Banniza von Bazan, S. 142; Staudinger, ZEuP 2004, 767 (778 f.). 129 Vgl. Schröder, S. 581; Geimer, IZPR, Rn. 1523; ders., IPRax 1986, 80 (81); Spellenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89 (121). 122 123

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richtsstandshäufung im Sinne der Rechtspflege und des effektiven Rechtsschutzes möglichst zu vermeiden sei.130 Eine prozesswirtschaftlichere Verfahrensgestaltung spricht mithin für eine Kompetenz aufgrund Sachzusammenhangs.131 Eine umfassende Kognitionsbefugnis entspricht zudem nicht nur dem Gerichtsund Klägerinteresse. Auch dem Beklagten ist nicht unbedingt an einer Gerichtsstandsspaltung gelegen, da er sich dann mehrfach verteidigen müsste.132 Wenn man einen Gerichtsstand kraft Sachzusammenhangs ablehnt, heißt das nämlich nicht, dass der Kläger sich notwendigerweise auf den allgemeinen Beklagtengerichtsstand beschränken wird, um dort über alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen entscheiden zu lassen. Ebenso wenig wird die „Waffengleichheit“ der Beteiligten über Gebühr zum Nachteil der beklagten Seite beeinträchtigt. An der Wahlmöglichkeit des Klägers zwischen einem besonderen und dem allgemeinen Gerichtsstand ändert sich nichts. Die ohnehin für eine Anspruchsgrundlage begründete Sonderzuständigkeit wird nur auf den gesamten prozessualen Anspruch ausgedehnt.133 Aufgrund dieser Ausweitung der gerichtlichen Prüfungsbefugnis werden die Gegner einer Zuständigkeitskonzentration an einem besonderen Gerichtsstand dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass im Falle der Prüfung nichtdeliktischer Ansprüche im Deliktsklagengerichtsstand sowie außervertraglicher Ansprüche im Vertragsklagengerichtsstand diese Zuständigkeiten um Klagegründe erweitert werden, für die es jeweils an der besonderen Beweis- bzw. Sachnähe des Gerichts, also den maßgeblichen Rechtfertigungsgründen für die jeweilige Sonderzuständigkeit, fehle.134 Dem ist jedoch zu entgegnen, dass das Forum für die die Sonderzuständigkeit begründende Anspruchsgrundlage sach- bzw. beweisnah ist und es für die konkurrierenden Anspruchsgrundlagen zumindest nicht sach- bzw. beweisferner ist als der allgemeine Beklagtengerichtsstand. 135 Außerdem war zwar die Sachund Beweisnähe ausschlaggebend für die Schaffung der besonderen Gerichts130 EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1003, Nr. 17); 19. 02. 2002 – 256 / 00, Besix / Kretschmar, NJW 2002, 1407 (1408, Nr. 27); 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank&Schick, IPRax 2003, 50 (54, Nr. 57); ebenso: OLG Karlsruhe IPRspr. 1997, 329 (330). Dennoch hat es der Gerichtshof bislang abgelehnt einen Sachzusammenhangsgerichtsstand (ausdrücklich) anzuerkennen (dazu bereits oben: Teil C. II. 3. b) dd) (1). 131 BGH JZ 2003, 687 (688); Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 79; ders., Hdb. des IZVR Bd. I, Kap. III, Rn. 374; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 59; Banniza von Bazan, S. 144 f.; Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1 (20 f.); ders., IPRax 1989, 84 (85); Staudinger, ZEuP 2004, 767 (778). Eine ökonomischere Verfahrensgestaltung anzweifelnd: Ritter, NJW 1971, 1217 (1218). 132 So auch: BGH JZ 2003, 687 (688); Gottwald, IPRax 1989, 272 (273 f.); Kiethe, NJW 2003, 1294 (1295); Staudinger, ZEuP 2004, 767 (779). 133 Banniza von Bazan, S. 143. 134 RGZ 27, 385 (386); P. Huber, ZEuP 1996, 295 (306 f.); Mankowski, IPRax 1997, 173 (178); Ritter, NJW 1971, 1217 (1218). Ähnlich: Schack, IZVR, Rn. 348. 135 Spellenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89 (124); ihm folgend: Banniza von Bazan, S. 142.

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stände.136 Diese Kriterien können heute aber für die Zuständigkeitsbegründung nicht mehr als alleinig ausschlaggebend gelten.137 Prozessökonomische Gesichtspunkte finden hingegen – auch in der EuGH-Rechtsprechung – immer stärkere Berücksichtigung.138 Neben einer effektiven Verfahrensgestaltung könnte durch eine umfassende Prüfungskompetenz für einen einheitlichen prozessualen Anspruch der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen durch Gerichte in verschiedenen Staaten vorgebeugt werden, die aufgrund divergierender nationaler Kollisionsrechte gegeben ist. Diese kann aber auch durch eine voranschreitende Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts auf europäischer Ebene nicht vollständig gebannt werden, weil unterschiedliche Gerichte einen Sachverhalt möglicherweise dennoch unterschiedlich würdigen. Eine gleiche Entscheidung über gleiche Sach- und Rechtsfragen ist nur durch den gleichen Richter gewährleistet.139 Schließlich ist die Vermeidung von Qualifikationsproblemen als praktische Folge einer Zuständigkeitskonzentration zu nennen. Trotz der genannten Vorteile spricht ein Argument entscheidend gegen die Zulassung eines Sachzusammenhangsgerichtsstands zum gegenwärtigen Zeitpunkt, nämlich die ansonsten bestehende Gelegenheit zum forum shopping. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es dem Kläger möglich wäre, für den gesamten Rechtsstreit das international zuständige Forum mit dessen lex fori und damit schlussendlich auch das anwendbare Sachrecht zu wählen. Er kann somit Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nehmen. Eine solche Bevorzugung des Klägers als Folge der besonderen Bedeutung der internationalen Zuständigkeit wiegt schwerer als prozessökonomische Vorteile und geht zu Lasten der beklagten Partei.140 Außerdem würde gerade durch die Zubilligung einer solch weitreichenden Steuerungsmöglichkeit in der Hand des Klägers eine Zuständigkeitserschleichung attraktiv gemacht.141 Diese schwerwiegenden Konsequenzen lassen de lege lata 136 Vgl. Bericht Jenard, BT-Drucks. VI / 1973, S. 69; EuGH 26. 05. 1982 – 133 / 81, Ivenel / Schwab, Slg. 1982, 1891 (1899, Nr. 11); 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1002, Nr. 11) und Generalanwalt Mancini, Schlussanträge, 1005 (1010). Für die ZPO vgl.: Würthwein, ZZP 106 (1993), 51 (74). 137 Vgl. unten: Teil E. II. 1. d) bb) (1). 138 So: Erklärung der Kommission, EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5571); 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick, IPRax 2003, 50 (54, Nr. 55 ff.). Siehe unten: Teil E. II.. 1. d) cc) (3). Vgl. auch (allerdings zur örtlichen Zuständigkeit): BGH JZ 2003, 687 (688); Spellenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89 (121). 139 Spellenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89 (121). 140 BGH NJW 1996, 1411 (1413); JZ 2003, 687 (689). 141 Mankowski, JZ 2003, 689 (690); ders., IPRax 1997, 173 (178); Würthwein, ZZP 106 (1993), 51 (76 f.); Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493 (503). Besonders problematisch wäre dies im Rahmen doppelrelevanter Tatsachen, für die die h. M. eine schlüssige Behauptung ausreichen lässt, um die Zuständigkeit des Gerichts zu begründen. Deshalb wird auch eine Ein-

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einen Sachzusammenhangsgerichtsstand für die internationale Zuständigkeit als unvereinbar mit dem Grundsatz der Beklagtenbegünstigung erscheinen. Die voranschreitende Vereinheitlichung des Kollisionsrechts durch die geplanten Verordnungen „Rom I“ und „Rom II“ auf europäischer Ebene bereitet aber den Weg für die zukünftige Anerkennung einer Zuständigkeitskonzentration bei Anspruchsgrundlagenkonkurrenz im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3 EuGVO. Auch der EuGH hat mit seinem Urteil in der Sache „Gabriel“ das Tor zur Entwicklung eines Sachzusammenhangsgerichtsstands – jedenfalls im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO – aufgestoßen, als er für den Anspruch aus Gewinnmitteilung eine Annexkompetenz des für die Warenbestellung zuständigen Gerichts bejaht hat.142 Die Einführung eines Gerichtsstands kraft Sachzusammenhangs könnte im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erfolgen, weil dieser Fall bei der Rechtssetzung nicht bedacht worden ist. Es liegt also eine unbewusste Lücke vor, deren Schließung durch Richterrecht möglich wäre.143 Zumindest im Vertragsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVO sollte dann auch über konkurrierende außervertragliche Ansprüche entschieden werden können, weil das vertragliche Verhältnis regelmäßig prägend für die außervertraglichen Ansprüche ist.144 Dies entspricht auch der vertragsakzessorischen Anknüpfung, wie sie in Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB und zukünftig in Art. 3 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO auf Kollisionsrechtsebene zu finden ist, was im Ergebnis zu einem Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht führen würde.145 Gestützt wird der Ausbau des Vertragsklagengerichtsstands auf Kosten des Deliktsforums auch dadurch, dass Letzterer als subsidiärer Auffangtatbestand anzusehen ist.146 schränkung der Schlüssigkeitstheorie zur Verhinderung einer Zuständigkeitserschleichung gefordert, vgl. Gottwald, IPRax 1989, 272 (274), der eine Annexkompetenz vom „ernstlichen Bestehen des zuständigkeitsbegründenden Umstands“ abhängig machen will. Siehe auch: Mansel, IPRax 1989, 84 (86). 142 Eingehend hierzu: Staudinger, ZEuP 2004, 767 (777 ff.). 143 Banniza von Bazan, S. 153 f.; vgl. auch Geimer, IPRax 1986, 80 (81). 144 B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 138; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 79; ders., Hdb. des IZVR Bd. I, Kap. III, Rn. 374, 691; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 59; Schlosser, EuZPR, Vorbem. Art. 5 EuGVVO, Rn. 2; Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 57; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 46; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (656); Mankowski, JZ 2003, 689 (691); Mansel, IPRax 1989, 84 (85); Staudinger, ZEuP 2004, 767 (781). So wohl auch: Generalanwalt Darmon, Schlussanträge, EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5577, Nr. 27 ff.). Kritisch zur generellen Annahme einer Prägung deliktischer Streitigkeiten durch ein konkurrierendes Vertragsverhältnis: Valloni, S. 215 f.; Gottwald, IPRax 1989, 272 (274). Nach a.A. soll auch am Deliktsklagengerichtsstand über konkurrierende vertragliche Ansprüche entschieden werden können, so jedenfalls: Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 222; ders., IZVR, Rn. 1523; Banniza von Bazan, S. 148 ff.; Geimer, NJW 1988, 3089 (3090); Mansel, IPRax 1989, 84 (85). Für die örtliche Zuständigkeit: BGH JZ 2003, 687 ff. 145 So auch: Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (656); Staudinger, ZEuP 2004, 767 (779).

III. Ergebnis

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Für das deutsche autonome Prozessrecht gilt dies nicht, da eine zukünftige Kollisionsrechtsvereinheitlichung außerhalb Europas derzeit nicht ersichtlich ist und eine Zuständigkeitskonzentration dann – wie angesprochen – den Beklagten zu sehr benachteiligt. Eine umfassende Entscheidung ist somit nur im allgemeinen Beklagtengerichtsstand zu erreichen oder aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung sowie einer rügelosen Einlassung vor einem besonderen Gerichtsstand. Es bleibt für die internationale Zuständigkeit demnach beim Konzept der eingeschränkten Kognitionsbefugnis.147 Folglich kann die Frage nach der Qualifikation der culpa in contrahendo keinesfalls unbeantwortet bleiben. Auch wenn man im europäischen Prozessrecht de lege ferenda einen Gerichtsstand kraft Sachzusammenhangs bejahen sollte, bleibt das Problem der Rechtsnatur dieses vorvertraglichen Haftungsinstituts jedenfalls für die Konstellationen aktuell, in denen ein solcher Schadensersatzanspruch isoliert geltend gemacht wird, also keine konkurrierenden Anspruchsgrundlagen zur Zuständigkeitsbegründung herangezogen werden können. Das gilt ferner, wenn man die Möglichkeit einer Zuständigkeitskonzentration nur für den Vertragsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVO bejaht, denn dann könnten Ansprüche aus culpa in contrahendo, die mit deliktischen Ansprüchen konkurrieren, nicht am Deliktsklagengerichtsstand eingeklagt werden.

III. Ergebnis Die vorstehenden Erläuterungen haben gezeigt, dass der Qualifikationsfrage von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo im internationalen Rechtsverkehr eine erhebliche Bedeutung zukommt. Das Internationale Privatrecht bestimmt über die geltende Rechtsordnung und damit über die Frage, ob nach dem anzuwendenden Recht überhaupt ein vorvertraglicher Haftungsanspruch besteht bzw. wie ein solcher Anspruch ausgestaltet ist. Eine explizite Aussage zur Qualifikation solcher Ansprüche findet sich jedoch weder im staatsvertraglichen Kollisionsrecht des EVÜ noch im deutschen EGBGB. Trotzdem ist eine Subsumtion von einzelnen Fallgruppen der culpa in contrahendo 146 Vgl. unten: Teil E. II. 1. d) aa); siehe auch: EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1002, Nr. 12); Schack, IZVR, Rn. 349. Der Kläger hat aber weiterhin die Möglichkeit, nur die vertraglichen Ansprüche am gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVO zuständigen Gericht geltend zu machen und für die konkurrierenden deliktischen Ansprüche dann Art. 5 Nr. 3 EuGVO zu wählen, vgl. Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 57. 147 A.A.: Staudinger, ZEuP 2004, 767 (781). Auch nach Ansicht des BGH würde sich das autonome deutsche Prozessrecht bei einer Anerkennung des Sachzusammenhangsgerichtsstands im Rahmen der EuGVO wohl anpassen, soweit es um die internationale Zuständigkeit geht, vgl. NJW 1996, 1411 (1413). Diese Sichtweise ist allerdings keinesfalls zwingend (so auch: Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493 (503)) und nach hier vertretener Ansicht nicht zu rechtfertigen.

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C. Rechtsquellen des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts

unter die Verweisungsregeln dieser Kodifikationen nicht von vornherein ausgeschlossen. Abhängig ist die Möglichkeit der Anwendung dieser Vorschriften insbesondere auch von der jeweiligen Qualifikationsmethode, wozu im Folgenden noch Ausführungen gemacht werden. Vor welchem Gericht der Kläger eventuell bestehende vorvertragliche Schadensersatzansprüche gerichtlich durchsetzen kann, bestimmt das Internationale Zivilprozessrecht. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen, da neben den Unannehmlichkeiten, die eine Rechtsverfolgung im Ausland mit sich bringt, das Gericht seine lex fori, also auch sein Internationales Privatrecht anwendet, was sich wiederum auf das geltende Sachrecht auswirkt. Wie im Kollisionsrecht schweigen jedoch die in Betracht kommenden Rechtsquellen – EuGVO (bzw. EuGVÜ) und ZPO – dazu, ob neben dem allgemeinen Beklagtengerichtsstand eine besondere Gerichtszuständigkeit nach Wahl der klagenden Partei besteht. Insbesondere ist daran zu denken, Ansprüche aus culpa in contrahendo im Vertragsoder Deliktsklagengerichtsstand geltend zu machen. Hier stellt sich erneut die Qualifikationsfrage. Will der Kläger beispielsweise vor dem für vertragliche Ansprüche zuständigen Forum klagen, dann muss er schlüssig darlegen, dass es sich bei dem vorvertraglichen Anspruch um einen „vertraglichen“ i. S. d. Zuständigkeitsnorm handelt. In den meisten Fällen nimmt das Gericht eine amtswegige Zuständigkeitsprüfung vor und weist eine Klage im Falle der Unzuständigkeit durch Prozessurteil ab, was für die klagende Partei die oben beschriebenen Nachteile mit sich bringt. Zudem gibt es (noch) keinen Sachzusammenhangsgerichtsstand, der die Qualifikationsproblematik der culpa in contrahendo entschärfen würde. Letztere ist dementsprechend dringend einer Lösung zuzuführen. Dafür spielt die Frage nach der anzuwendenen Qualifikationsmethode eine entscheidende Rolle. Der nachfolgende Teil der Arbeit befasst sich folglich mit den unterschiedlichen Methoden der Qualifikation im Internationalen Privat- und Zivilprozessrecht.

D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden Sollen Sachverhalte mit Auslandsberührung rechtlich gewürdigt werden, so betritt man zwangsläufig das Terrain der Qualifikation, in dem trotz oder gerade wegen deren herausragender Bedeutung „so ziemlich alles umstritten [ist], was nur umstritten sein kann“1. Deshalb bedarf es einer Klärung der wichtigsten Streitfragen für die Zwecke dieser Arbeit, um das Vorgehen bei der Zuordnung der vorvertraglichen Haftungstatbestände verständlich zu machen und somit die Einordnungsmaßstäbe festzulegen. Allerdings kann nur in der gebotenen Kürze auf die im Bereich der Qualifikation existierenden Uneinigkeiten eingegangen werden, da ansonsten der Rahmen des vorliegenden Werkes gesprengt würde.2

I. Begriff und Gegenstand der Qualifikation Aus dem Französischen kommend hat der Qualifikationsbegriff Eingang in das deutsche Internationale Privatrecht gefunden. Nach der Entdeckung dieser international-privatrechtlichen Problematik durch Kahn3 wurde der Ausdruck „qualification“ nämlich zuerst von Bartin4 verwendet und für das französische Recht geprägt.5 Der Begriff der Qualifikation bezeichnet im Internationalen Privatrecht die Subsumtion unter den Tatbestand einer Kollisionsnorm, also die Einordnung in kollisionsrechtliche Kategorien.6 So Dörner, StaZ 1988, 345. Für eine erschöpfende Behandlung dieser Problematik sei verwiesen auf Weber, Die Theorie der Qualifikation (1986); Mistelis, Charakterisierungen und Qualifikation im interntionalen Privatrecht (1999); von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7, Rn. 138 ff. 3 Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (107 ff.). 4 Bartin, Clunet 24 (1897), 225 ff., 466 ff., 720 ff.; hier zitiert aus Picone / Wengler, IPR (1974), 345 (349). 5 Ausführlich zur Entwicklung der Qualifikation, Weber, S. 7 ff. Hinweise auf die Entwicklung des Qualifikationsbegriffs durch Kahn und Bartin auch bei: MüKo / Sonnenberger, Bd. 10, Einl. IPR, Rn. 494; Junker, IPR, § 6, Rn. 136; Riezler, IZPR, § 12, S. 102; Schnitzer, Hdb. des IPR, Bd. 1, S. 95; Schwind, IPR, Rn. 57; Siehr, IPR, § 49, S. 429. 6 MüKo / Sonnenberger, Bd. 10, Einl. IPR, Rn. 494; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 1; Junker, IPR, § 6, Rn. 151; Looschelders, S. 138 ff.; Meyer-Sparenberg, S. 129; Mistelis, S. 183; Neuhaus, Grundbegriffe, § 13, S. 113; Raape / Sturm, IPR, § 15, S. 276; Rauscher, IPR, S. 95; Siehr, IPR, § 49, S. 429; Zimmer, S. 31; Basedow, in: Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131 (132); Dörner, StaZ 1988, 345 (348); Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (430). Einschränkend: Staudinger / F. Sturm / G. Sturm, Einl. zum IPR, Rn. 208. 1 2

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

Die Mehrzahl der deutschen Autoren verwendet diesen Ausdruck dabei sowohl für die Subsumtion unter den Anknüpfungsgegenstand als auch hinsichtlich des Verweisungsziels.7 Im Fokus dieser Arbeit steht die Subsumtionsproblematik der vorvertraglichen Haftung, die im deutschen Recht als Fallgruppen der culpa in contrahendo anerkannt sind. Der Gegenstand der Qualifikation ist ebenfalls nicht unumstritten. Ob Aussagen über Lebensverhältnisse, Rechtsfragen oder Rechtsnormen subsumiert werden, ist demnach fraglich.8 Mit Dörner ist jedoch davon auszugehen, dass jeder dieser Qualifikationsgegenstände seine Berücksichtigung bei der Prüfung der einzelnen Elemente der Verweisungsnorm findet und diesem eher theoretischen Streit somit der Boden entzogen ist. Unter den Anknüpfungsgegenstand werden demnach Aussagen über den Sachverhalt in konkretisierter Gestalt, also einzelne Rechtsfragen, subsumiert, während die Subsumtion von Aussagen über Rechtsnormen unter das Verweisungsziel erfolgt.9 Qualifiziert man unter die Systembegriffe im Tatbestand der Verweisungsnorm, dann gehen damit notwendigerweise Auslegungsfragen einher, die streng genommen nicht mehr dem Begriff der Qualifikation unterfallen.10 In der praktischen Rechtsanwendung ist eine trennscharfe Unterscheidung von Auslegung und Qualifikation jedoch kaum möglich.11 Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Kollisionsnormen für die Zwecke einer Subsumtion unter einen Anknüpfungsgegenstand ist ohne vorherige Auslegung desselben in den allermeisten Fällen 7 MüKo / Sonnberger, Bd. 10, Einl. IPR, Rn. 447; Looschelders, S. 141; ders., Vorbem. zu Art. 3 – 6 EGBGB, Rn. 14; Meyer-Sparenberg, S. 129 f. Vgl. auch Darstellungen des Meinungsstands bei Reder, S. 129 f. und Dörner, StaZ 1988, 345 (348). Neuhaus bezeichnet die Subsumtion unter eine Verweisungsnorm des Forums als primäre Qualifikation, die Subsumtion unter das Verweisungsziel als sekundäre Qualifikation, vgl. Grundbegriffe, § 13, S. 113. Dagegen verwenden andere den Begriff der Qualifikation nur hinsichtlich des Verweisungsziels, vgl. Raape / Sturm, IPR, § 15, S. 279 f. Wieder andere sprechen sogar bei der Subsumtion unter das Anknüpfungsmoment von Qualifikation, siehe Schnitzer, Hdb. des IPR Bd. 1, S. 95; Schwind, IPR, Rn. 56; ablehnend: von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 1; Siehr, IPR, § 49, S. 429; Basedow, in: Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131 (133). 8 Dafür, dass Rechtsfragen und Rechtsnormen den Qualifikationsgegenstand bilden: von Bar / Mankowski / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7, Rn. 179 f.; Looschelders, S. 141; Meyer-Sparenberg, S. 130; Neuhaus, Grundbegriffe, § 14, S. 118 ff.; Basedow, in: Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131 (132); Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (430). Für Lebensverhältnisse als Qualifikationsgegenstand: Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (244 f.); vgl. auch: Junker, IPR, Rn. 151; Rauscher, IPR, S. 95. 9 Dörner, StaZ 1988, 345 (348 ff.); ebenso: Looschelders, Vorbem. zu Art. 3 – 6 EGBGB, Rn. 15. Die Subsumtion von Fakten unter den Anknüpfungspunkt wird vorliegend nicht als Qualifikation bezeichnet. 10 Von einigen Autoren wird jedoch die Auslegung der Kollisionsnormen als Qualifikation bezeichnet, vgl. Palandt / Heldrich, Einl. vor Art. 3 EGBGB, Rn. 27; von Bar / Mankowski / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7, Rn. 138 ff.; Ferid, IPR, § 4, Rn. 4 – 6, 4 – 9; Kegel / Schurig / Schurig, IPR, § 7, S. 335 f.; Mistelis, S. 183. 11 Meyer-Sparenberg, S. 129; Basedow, in: Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131 (132); ähnlich: Junker, IPR, § 6, Rn. 155; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (430).

I. Begriff und Gegenstand der Qualifikation

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überhaupt nicht denkbar. Obwohl sprachlich betrachtet keine Synonyme, sondern korrelative Begriffe vorliegen12, fällt die Differenzierung von Qualifizieren und Auslegen aufgrund des engen Zusammenhangs der beiden Vorgänge sehr schwer. Folglich werden sie vorliegend zusammen behandelt. Eine detaillierte, in kleinste Prüfungsschritte aufgegliederte Darstellung würde künstlich wirken und könnte so zu Unverständlichkeiten führen. Demnach ist zunächst der Anwendungsbereich der entsprechenden Verweisungsnorm durch Auslegung zu bestimmen und dann die Subsumtion der Rechtsfrage unter den Tatbestand dieser Vorschrift vorzunehmen. Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich auf das Internationale Privatrecht. Darüber, ob sie auch für das Internationale Zivilprozessrecht, insbesondere für die hier interessierenden Zuständigkeitsregeln, Geltung beanspruchen können, herrscht Streit. Nach einer Ansicht werden auf international-prozessrechtlicher Ebene nur die Fälle vom Qualifikationsbegriff mit umfasst, in denen materielles Recht vom Prozessrecht abgegrenzt wird oder bei der Subsumtion unter Normen, die den Anwendungsbereich völkerrechtlicher Verträge abstecken.13 Ansonsten gehe es um Auslegungsfragen von Entscheidungsnormen und nicht wie im Internationalen Privatrecht um Verweisungsrecht.14 Die damit einhergehenden Unterschiede müssen sich in der Begriffsbildung widerspiegeln. Von Qualifikation im international-privatrechtlichen Sinne könne keine Rede sein, wenn unter Prozessrechtsnormen subsumiert wird. Es handele sich vielmehr um Teil- oder Vorfragen prozessrechtlicher Hauptfragen.15 Mehrheitlich wird der Qualifikationsbegriff jedoch ebenso im Internationalen Zivilprozessrecht gebraucht.16 Die Auffassung, wonach die Verwendung des Ausdrucks Qualifikation auf den Bereich des Internationalen Privatrechts beschränkt sei, wird als zu eng kritisiert.17 Auch im Internationalen Zivilprozessrecht würden schließlich Rechtsfragen aus internationalen Sachverhalten unter Sammelbegriffe subsumiert. Es gehe um die Einordnung eines Gegenstandes in das zivilprozessuale Normensystem. Auf „Tatbestandsebene“ ergebe sich insoweit also kein Unterschied, weshalb der Ausdruck Qualifikation hier ebenfalls gerechtfertigt sei.18 Der Mehrheitsmeinung kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie die Rechtsfolgenverschiedenheit übersehe, die sich daraus ergibt, dass es sich im InterNeuhaus, Grundbegriffe, § 13 (S. 114). Basedow, in: Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131 (136 ff.). 14 Basedow, in: Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131 (135); vgl. auch: Staudinger / F. Sturm / G. Sturm, Einl. zum IPR, Rn. 209. 15 Basedow, in: Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131 (145 f.). 16 Vgl.: Ost, S. 42 ff.; Pfeiffer, Hdb. der Handelsgeschäfte, § 22, Rn. 83; Riezler, IZPR, § 12, S. 103; Schröder, S. 135; Mankowski, IPRax 1997, 173 (174); ders., VuR 1999, 219 (220); Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1025). 17 Schack, IZVR, Rn. 49, Fn. 3. 18 Kubis, S. 91. 12 13

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

nationalen Privatrecht um Rechtsanwendungsrecht handelt, somit eine Rechtsordnung berufen wird, während das Internationale Prozessrecht eine konkrete Rechtsfolge ausspricht. Trotz dieses Unterschiedes überwiegen dennoch die Gemeinsamkeiten. Sowohl das Internationale Privat- als auch das Internationale Prozessrecht müssen Sachverhalte mit Auslandsberührung „verarbeiten“. Hier wie da stellen sich dieselben Probleme, nämlich die Frage, welchem nationalen Recht bzw. welcher Methode dieser Zuordnungsvorgang unterliegt. In beiden Fällen müssen die Sammelbe-griffe relativ abstrakt und weit gefasst sein, um den spezifischen Gegebenheiten eines internationalen Rechtsstreits gerecht werden zu können. Mithin ist die Subsumtion unter Systembegriffe auf international-zivilprozessualer Ebene ebenfalls als Qualifikation zu bezeichnen. Eine andere Bezeichnung würde nur Verwirrung stiften, zumal sich der Ausdruck Qualifikation in der internationalzivilprozessualen Literatur bereits eingebürgert hat.19 Zur Verdeutlichung der bestehenden Unterschiede bietet es sich jedoch an, von international-privatrechtlicher bzw. international-prozessrechtlicher Qualifikation zu sprechen.20 Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass die Abgrenzung der Kollisionsnormen bzw. der Zuständigkeitsnormen im Internationalen Prozessrecht durch Auslegung erfolgt, während die Subsumtion von Aussagen über Rechtsfragen als Qualifikation bezeichnet wird.

II. Qualifikationsmethoden Bei der Durchführung der Qualifikation fragt sich, welche Rechtsordnung die Kriterien und Maßstäbe für diesen Vorgang stellt, d. h. wessen Recht über die Auslegung der jeweiligen Kollisionsnorm und die Subsumtion der Rechtsfrage unter diese entscheidet. 1. Internationales Privatrecht Nach welchem Recht und welcher Methode zu qualifizieren ist, hängt von der Quelle ab, aus der das jeweilige Internationale Privatrecht entstammt. Zu unterscheiden ist zwischen nationalen Regelwerken und staatsvertraglichen Übereinkommen bzw. in der Europäischen Union unmittelbare Geltung entfaltenden Verordnungen.

19 Ähnlich: Kubis, S. 92. Vgl. auch Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (430): „Der heute im Prozessrecht gebräuchliche Begriff der Qualifikation . . .“. 20 In der vorliegenden Arbeit wird der Qualifikationsbegriff ohne zusätzliche Konkretisierung gebraucht, wenn sich bereits aus dem Kontext ergibt, um welche Art der Qualifikation es sich handelt.

II. Qualifikationsmethoden

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a) Qualifikation im deutschen Internationalen Privatrecht Im deutschen Internationalen Privatrecht hat sich als Qualifikationsstatut die lex fori gegenüber der lex causae-Qualifikation und rechtsvergleichenden Ansätzen21 durchgesetzt.22 Gleiches gilt aber auch für viele andere Staaten.23 Gegen die Qualifikation lege causae werden u. a. die Gefahr von Normenmangel oder -häufung24 sowie der Einwand des Zirkelschlusses25 ins Feld geführt. Die rechtsvergleichende Qualifikation sieht sich dem Vorwurf der praktischen Undurchführbarkeit ausgesetzt.26 Für ein Vorgehen lege fori spricht hingegen, dass jede Rechtsordnung „in erster Linie selbst über ihre Auslegung zu befinden [hat]“27. Dem ist zuzustimmen, da der nationale Gesetzgeber mit der Schaffung des nationalen Verweisungsrechts in seiner konkreten Gestalt bestimmte rechtspolitische Ziele verwirklichen will, die es zu beachten gilt.28 Nach der lex fori zu qualifizieren bedeutet, dass sich die Subsumtion der Rechtsfrage unter den Anknüpfungsgegenstand nach Maßgabe des Rechtssystems richtet, dem die Kollisionsnorm entstammt, also dem Forumstaat.29 Die Anknüpfungsgegenstände stimmen oftmals mit denen des deutschen materiellen Rechts überein, da sie ihnen entlehnt sind.30 Es kann regelmäßig vermutet werden, dass gleiche Begrifflichkeiten im Internationalen Privatrecht und im deutschen materiellen Recht auch gleich zu verstehen sind. Jedenfalls kommt der deut21 Vgl. zum Meinungsstreit um das Qualifikationsstatut: von Bar / Mankowski / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7, Rn. 145 ff.; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 12 ff.; Raape / Sturm, IPR, § 15, S. 277 f. 22 RGZ 95, 164 (165 f.); 138, 243 (245); BGHZ 29, 137 (139); 47, 324 (332); 73, 370 (373); 119, 392 (394); Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 5; MüKo / Sonnenberger, Bd. 10, Einl. IPR, Rn. 508; Palandt / Heldrich, Einl. vor Art. 3 EGBGB, Rn. 27; Staudinger / F. Sturm / G. Sturm, Einl. zum IPR, Rn. 211 ff.; Eilinghoff, S. 132 ff.; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 12, 30; Meyer-Sparenberg, S. 130; Mistelis, S. 189; Neuhaus, Grundbegriffe, § 15, S. 123; Reder, S. 130; Dörner, StaZ 1988, 345 (350 f.); Kropholler, ZfRV 77 (1978), 1 (6). 23 Vgl. Mistelis, S. 181; Raape / Sturm, IPR, § 15, S. 279; Siehr, IPR, § 49, S. 430 f. Siehe aber auch: Schwind, IPR, Rn. 60 ff. 24 MüKo / Sonnenberger, Bd. 10 Einl. IPR, Rn. 508; Kegel / Schurig / Schurig, IPR, § 7, S. 342; Raape / Sturm, IPR, § 15, S. 277; Rauscher, IPR, S. 101. 25 Ferid, IPR, § 4, Rn. 4 – 14; Junker, IPR, § 6, Rn. 158. Kritisch: Kegel / Schurig / Schurig, IPR, § 7, S. 342. 26 Vgl. Jenckel, S. 144; Raape / Sturm, IPR, § 15, S. 277; Rauscher, IPR, S. 99; Meyer-Sparenberg, S. 131. 27 Neuhaus, Grundbegriffe, § 15, S. 123. 28 Dörner, StaZ 1988, 345 (350 f.). 29 Ferid, IPR, § 4, Rn. 4 – 16; Junker, IPR, § 6, Rn. 159; Zimmer, S. 32; Dörner, StaZ 1988, 345 (350); Kindler, in: FS Jayme, Bd. I, S. 409. 30 Eilinghoff, S. 134; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 13; Junker, IPR, § 6, Rn. 159; Rauscher, IPR, S. 95 f.; Kindler, in: FS Jayme, Bd. I, S. 409.

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

schen sachrechtlichen Einordnung hinsichtlich der Zuordnung im deutschen Kollisionsrecht eine „gewisse Indizfunktion“ zu.31 Beispielsweise werden vertragliche Schuldverhältnisse des materiellen Rechts grundsätzlich vom Vertragsbegriff des EGBGB in den Artt. 27 ff. EGBGB mitumfasst. Allerdings bedeutet dies nicht, dass sich dieselben, sowohl auf materiell-rechtlicher als auch auf international-privatrechtlicher Ebene verwendeten Begriffe, immer vollständig decken. Das folgt aus der Autonomie des Internationalen Privatrechts. So sind die kollisionsrechtlichen Ausdrücke weit zu verstehen, weil sie flexibel genug sein müssen, auch ausländische Rechtsinstitute adäquat zu erfassen.32 Außerdem bezwecken die Anknüpfungsgegenstände die international-privatrechtliche Gerechtigkeit33, gleiche Begriffe in Sachnormen jedoch die sachrechtliche. 34 Entsprechend den Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sind die verweisungsrechtlichen Ausdrücke demnach unabhängig von den materiellrechtlichen Begrifflichkeiten.35 Der Begriffskern bleibt jedoch auch auf international-privatrechtlicher Ebene materiell-rechtlich geprägt. Wengler spricht anschaulich davon, dass sich die Systembegriffe des Internationalen Privatrechts um den inländischen Begriff des materiellen Rechts „herumkristallisieren“. 36 Ergänzt wird die Qualifikation lege fori durch die sog. funktionell-teleologische Qualifikationsmethode.37 Der Frage nach Funktion und Ziel des zu qualifizierenden Gegenstands unabhängig von national-rechtssystematischen Kategorien kommt somit entscheidende Bedeutung zu. Vorteil dieses Vorgehens ist die damit verwirklichte notwendige Loslösung von der strikten Anbindung der Systembegriffe an das materielle Rechtsverständnis des Forumstaates. Insbesondere für von Bar / Mankowski / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7, Rn. 170. Palandt / Heldrich, Einl. vor Art. 3 EGBGB, Rn. 27; Kropholler, IPR, § 16, S. 122 f. 33 Intenational-privatrechtliche Gerechtigkeit bedeutet, dass die mit dem Sachverhalt am engsten verbundene Rechtsordnung berufen wird, vgl. Palandt / Heldrich, Einl. v. Art. 3 EGBGB, Rn. 1; Heldrich, S. 114; Schurig spricht vom „räumlich besten“ Recht, vgl. Kegel / Schurig / Schurig, § 2, S. 131. 34 Siehe: Kegel / Schurig / Schurig, § 2, S. 131 ff.; Basedow, in: Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131 (134); ähnlich: Reder, S. 131. Kritisch im Hinblick auf die postulierte Vorrangigkeit der international-privatrechtlichen Gerechtigkeit und stattdessen für die Maßgeblichkeit des materiell-rechtlichen Ergebnisses: Schack, in: Liber Amicorum Kegel, S. 179 (188 ff.); vgl. auch Schurig, RabelsZ 59 (1995), 229 (233). 35 Als Erster hat dies Rabel explizit ausgesprochen, RabelsZ 5 (1931), 241 (249); MüKo / Sonnenberger, Bd. 10, Einl. IPR, Rn. 509; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 4; Junker, IPR, § 6, Rn. 168; Meyer-Sparenberg, S. 130; Mistelis, S. 182, 184; Zimmer, S. 33; Kindler, in: FS Jayme, Bd. I, S. 409 (410). 36 Wengler, ZvglRW 55 (1944), 322 (326); vgl. auch Kegel / Schurig / Schurig, IPR, § 7, S. 339. 37 RGZ 163, 367 (375 f.); BGHZ 29, 137 (139); 47, 324 (332); von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 27; Junker, IPR, § 6, Rn. 161; Looschelders, Vorbem. zu Art. 3 – 6 EGBGB, Rn. 16; MüKo / Sonnenberger, Bd. 10, Einl. IPR, Rn. 513 ff.; Kindler, in: FS Jayme, Bd. I, S. 409 (409 f.); Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (430). 31 32

II. Qualifikationsmethoden

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Randbereiche und Zweifelsfälle können auf diese Weise passende Lösungen erzielt werden. Anpassungsprobleme reduzieren sich ebenfalls.38 Dabei stellen die einen beim Qualifizieren nach funktionell-teleologischen Gesichtspunkten auf Sinn und Zweck der in Frage stehenden Kollisionsnorm, die anderen auf die Funktion des zu beurteilenden Rechtsinstituts ab. Die erste Ansicht wird hauptsächlich von Kegel vertreten und als interessenorientierte Qualifikation bezeichnet. Hinter jeder Verweisungsregelung stehe ein international-privatrechtliches Interesse, das es zu ermitteln gelte. Unterschieden werden müsse zwischen Partei-, Verkehrs- und Ordnungsinteressen. Je nachdem, welchem dieser Interessen die Kollisionsnorm diene, sei die Reichweite des Anknüpfungsgegenstandes festzulegen.39 Nach der zweiten Meinung entscheidet die Funktion des jeweiligen Rechtsinstituts über die Qualifikation. Die Rechtsprobleme in der Welt seien einander ähnlicher als ihre jeweilige rechtskonstruktive Bewältigung. Mittels der funktionalen Qualifikation könne man diese Unterschiede in den national-rechtlichen Lösungswegen adäquat erfassen, indem alle Rechtsinstitute mit vergleichbarem Regelungszweck demselben Systembegriff zuzuordnen seien.40 Richtigerweise ist dieser (Schein-)Konflikt dahingehend zu lösen, dass beide Kriterien zu berücksichtigen sind. Bei der Auslegung der Sammelbegriffe im Tatbestand der Verweisungsregel kommt es neben Geschichte, Wortlaut und Systematik der Norm besonders auf ihr Telos, also auf die damit verfolgten rechtspolitischen Ziele, an. Hier ist der Platz für die interessenorientierte Qualifikation. Bei der Subsumtion der Aussagen über Rechtsfragen hingegen ist auf die Funktion des zugrundeliegenden Rechtsinstituts abzustellen.41 Beide Fälle haben gemeinsam, dass auf das Ergebnis des Anknüpfungsvorgangs geblickt wird. Die funktionellteleologische Qualifikationsmethode berücksichtigt nämlich auch die mit der jeweils in Betracht kommenden Anknüpfung verbundene Rechtsfolge. Bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen kann somit ein billiges Ergebnis den Ausschlag geben.42 Die der eigentlichen Qualifikation vorhergehende Auslegung unterliegt ebenfalls den Vorstellungen der lex fori, richtet sich also nach dem Interpretationskanon Looschelders, S. 151 ff. Kegel / Schurig / Schurig, IPR, § 7, S. 346 ff.; § 2, S. 134 ff. (international-privatrechtliche Interessen); vgl. auch: Jenckel, S. 146; Looschelders, S. 150 f.; Reder, S. 130 f. 40 Neuhaus, Grundbegriffe, § 15, S. 129 ff.; vgl. auch: BGHZ 29, 137 (139); 47, 324 (332). 41 Siehe Dörner, StaZ 1988, 345 (351 f.). Ebenfalls für die Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Kollisionsnorm sowie der Funktion des Rechtsinstituts: von Hoffmann / Thorn, IPR, § 6, Rn. 30; Junker, IPR, § 6, Rn. 164; Meyer-Sparenberg, S. 130 f.; Mistelis, S. 182 ff., 188; Rauscher, IPR, S. 101; Kropholler, ZfRV 77 (1978), 1 (6 f.); Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (430). 42 Neuhaus, Grundbegriffe, § 15, S. 132; vgl. Jenckel, S. 145. 38 39

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

des Forums.43 Wie gerade beschrieben, sind dabei Sinn und Zweck der auszulegenden Vorschrift maßgeblich. Es bleibt somit festzuhalten, dass sich Auslegung und Qualifikation im nationalen Kollisionsrecht an den Vorstellungen der lex fori orientieren, wobei die funktionell-teleologische Sichtweise letztendlich die entscheidende ist.

b) Qualifikation im staatsvertraglichen bzw. verordnungsrechtlichen Internationalen Privatrecht Eine Ausnahme von der soeben dargestellten Qualifikationsmethode muss jedoch für vereinheitlichtes Internationales Privatecht gemacht werden, das aufgrund von Staatsverträgen oder im Bereich der Europäischen Union durch Verordnungen geschaffen worden ist. Um Sinn und Zweck dieser Rechtsvereinheitlichung nicht zu torpedieren, indem jeder Vertrags- bzw. Mitgliedstaat nach den Vorstellungen seiner lex fori qualifiziert und damit letztendlich wieder seine eigenen rechtlichen Wertungen durchsetzt, ist zwingend eine autonome Interpretation geboten.44 Sowohl die Auslegung der Systembegriffe als auch die Qualifikation unter die Kollisionsnorm müssen losgelöst von nationalen Rechtsvorstellungen erfolgen.45 Stattdessen sind die Kodifikationen regelmäßig aus sich selbst heraus auszulegen.46 Grundsätzlich gilt dafür der Auslegungskanon, der auch für die Interpretation nationaler Bestimmungen Geltung beansprucht, d. h. Wortlaut, Systematik, Historie und Telos sind zu berücksichtigen.47 Allerdings müssen an diesen Kriterien einige Modifikationen vorgenommen werden, damit sie der rechtsvereinheitlichenden Zielsetzung gerecht werden. Was die grammatikalische Auslegung betrifft, so müssen sämtliche Sprachfassungen berücksichtigt werden, in denen das Übereinkommen geschlossen wurde. Im Rahmen der Europäischen Union sind sogar die sprachlichen Versionen aller Mitgliedstaaten verbindlich. Ein rein nationales Wortlautverständnis wird der autonomen Auslegung bzw. Qualifikation nicht gerecht und scheidet demnach aus. Die dem Regelwerk zugrunde gelegten Sprachfassungen sind bereits so aufeinander abgestimmt, dass Wortlaut und Verständnis mit den Zielen des Übereinkommens MüKo / Sonnenberger, Bd. 10, Einl. IPR, Rn. 507. BGHZ 52, 216 (219 ff.); von Bar / Mankowski / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7, Rn. 171; Junker, IPR, § 6, Rn. 160; Siehr, IPR, § 49, S. 432; Meyer-Sparenberg, S. 132; Rauscher, IPR, S. 103; Kropholler, ZfRV 77 (1978), 1 (8); Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (677). 45 Meyer-Sparenberg, S. 132. 46 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 6; Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 15. 47 Vgl. BGHZ 52, 216 (220); Looschelders, Art. 36 EGBGB, Rn. 3; Kost, S. 83; vgl. auch: Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 10, 14 ff., der darauf hinweist, dass diese Auslegungskriterien auch explizit in den Artt. 31 – 33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. 05. 1969 festgeschrieben sind. 43 44

II. Qualifikationsmethoden

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konform gehen. Deshalb kommt der grammatischen Auslegung eine hohe Bedeutung zu.48 Die Systematik und Historie sind ebenfalls aus staatsvertraglicher bzw. bei Verordnungen der Europäischen Union aus europäischer Perspektive zu handhaben. Entscheidend für das Auslegungsergebnis und die anschließende Subsumtion ist jedoch die funktionell-teleologische Betrachtungsweise. Bei der Ermittlung von Sinn und Zweck der jeweiligen Norm ist die Zielsetzung des Staatsvertrages bzw. der Verordnung maßgebend. Eine weitere Besonderheit bei der autonomen Auslegung bzw. Qualifikation hinsichtlich staatsvertraglicher oder verordnungsrechtlicher Vorschriften ist die rechtsvergleichende Interpretation. Alle an dem Übereinkommen beteiligten Staaten müssen darauf achten, dass die Anwendung des Regelwerkes in der Praxis übereinstimmend erfolgt. Deshalb darf zumindest die bereits ergangene obergerichtliche Rechtsprechung in diesem Bereich nicht unberücksichtigt bleiben.49 Nur so kann die Rechtsvereinheitlichung gewahrt werden.50 Die dem Gebot der einheitlichen Auslegung des Art. 36 EGBGB unterliegenden deutschen Verweisungsnormen stellen insofern einen Sonderfall dar. Es handelt sich hierbei um nationales Kollisionsrecht staatsvertraglichen Ursprungs, da die entsprechenden Artikel dem EVÜ entstammen.51 Alle Vertragsstaaten, so auch Deutschland, sind also dem internationalen Entscheidungseinklang verpflichtet, um dem Vereinheitlichungsziel zu genügen. Im EVÜ ist dies explizit in Art. 18 geregelt, der dem Art. 36 im deutschen EGBGB entspricht. Dabei ist Art. 18 EVÜ nicht wörtlich in Art. 36 EGBGB aufgegangen. Die deutsche Formulierung, dass die einheitliche Auslegung und Anwendung „zu berücksichtigen [ist]“, statuiert eine bindende Rechtspflicht.52 Damit erweist sie sich als strengere Regelung im Vergleich zu der des EVÜ, wo davon gesprochen wird, „dem Wunsch Rechnung zu tragen, eine einheitliche Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften zu erreichen“.53 Obwohl es sich mithin um nationale Rechtsvorschriften handelt, ist eine europäisch-autonome Auslegung zwingend geboten. Gleiches gilt für die anStaudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 17. Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 22. 50 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 12; daran hat sich nichts dadurch geändert, dass der EuGH nunmehr die Auslegungskompetenz über das EVÜ erlangt hat. 51 Siehe oben: Teil C. I. 1. 52 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 5; Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 36 EGBGB, Rn. 2; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 36 EGBGB, Rn. 2; Looschelders, Art. 36 EGBGB, Rn. 1; MüKo / Martiny, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 9; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 2; Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 7; Reinhart, RIW 1994, 445 (451). 53 Möglicherweise stellt dies eine Kompensation für die Ablehnung der unmittelbaren Geltung des EVÜ und die Wahl der Inkorporationslösung dar, vgl. AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 5. 48 49

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

zuwendende Qualifikationsmethode. Es findet keine Subsumtion lege fori, sondern eine Qualifikation nach europäisch-autonomen Maßstäben statt.54 Für die europäisch-autonome Auslegung bzw. Qualifikation gelten zunächst einmal die Standards der soeben dargestellten autonomen Auslegung.55 Im Rahmen der wortlautorientierten Interpretation muss berücksichtigt werden, dass gem. Art. 33 EVÜ alle Sprachfassungen des Übereinkommens gleichwertig sind. Bei nicht zu vereinbarenden Wortsinnabweichungen in den jeweiligen Sprachen ist jedoch das Ziel des Übereinkommens und damit die teleologische Auslegung maßgeblich.56 Besondere Beachtung bei der historischen Auslegung ist dem Bericht von Giuliano / Lagarde57 zu schenken, der Erläuterungen zum EVÜ enthält. Mit Hilfe dieses Berichts können die Entstehungsgeschichte und die hinter den einzelnen Normen stehenden Ziele und Wertungen erforscht werden. Wird eine Auslegung mit Hilfe der Systematik versucht, dann kommt es entscheidend auf den Gesamtzusammenhang des Übereinkommens und nicht des EGBGB an.58 Außerdem sollte die Rechtsprechung des EuGH zu Parallelkodifikationen wie dem EuGVÜ / EuGVO in die Überlegungen mit einbezogen werden. In der Präambel zum EVÜ wird der Zusammenhang mit dem EuGVÜ klargestellt, indem darauf hingewiesen wird, dass sich beide Übereinkommen zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung ergänzen sollen.59 Mit der Ratifikation des zweiten Auslegungsprotokolls60 durch Belgien am 05. 05. 200461 und dem darauffolgenden 54 Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (70); AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 3; Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 6; Reinhart, RIW 1994, 445 (446). 55 Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 36 EGBGB, Rn. 5; vgl. zu der Unterscheidung von autonomer und europäisch-autonomer Auslegung: Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (682); ähnlich: Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 10. 56 Vgl. AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 8; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 22; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 9. 57 Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 ff. 58 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 9; Looschelders, Art. 36 EGBGB, Rn. 5; Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 20; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694). 59 BT-Drucks. 10 / 503, S. 6: „Die Hohen Vertragsparteien [ . . . ] in dem Bestreben, die innerhalb der Gemeinschaft insbesondere im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit und der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen bereits begonnene Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts fortzusetzen, [ . . . ] sind wie folgt übereingekommen: [ . . . ].“ 60 Zweites Brüsseler Protokoll zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, BGBl. 1995 II, 923 ff. 61 Hierzu: Jayme / Kohler, IPRax 2004, 481 (491). Vgl. auch Dörner, WuB IV B. Art. 28 EGBGB 1.05, 38.

II. Qualifikationsmethoden

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In-Kraft-Treten am 01. 08. 2004 ist der EuGH nun auch zur Auslegungsinstanz für das EVÜ geworden. Wenn schon vor Übertragung der Auslegungskompetenz auf den Gerichtshof dessen Rechtsprechung zum EuGVÜ / EuGVO zumindest als Anhaltspunkt herangezogen werden sollte,62 so gilt dies nun erst recht. Es ist von einer einheitlichen Auslegung gleicher europäischer Begrifflichkeiten auszugehen, wenn nicht Besonderheiten zu einer anderweitigen Beurteilung nötigen.63 Ein Gleichlauf der Ausdrücke in den europäischen Regelwerken schafft in der sich entwickelnden europäischen Begriffswelt Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit. Er ist deshalb notwendig. Inwieweit die Rechtsprechung des EuGH zum EVÜ auch für das EGBGB als ausschließlich nationales Kollisionsrecht verbindlich ist, ist jedoch fraglich.64 Das Gebot der einheitlichen Auslegung spiegelt sich insbesondere bei der teleologischen und rechtsvergleichenden Auslegung wider. Beide Auslegungsmethoden verschmelzen miteinander. Sie bilden das entscheidende Auslegungskriterium.65 Auf der Suche nach dem Sinn und Zweck einer Vorschrift, ist das Ziel der Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts der vertraglichen Schuldverhältnisse nicht aus den Augen zu verlieren. In Zweifelsfällen müssen mithin internationalisierungsfähige Lösungen gefunden werden.66 Denn nur eine mit der herrschenden Rechtspraxis aller Vertragsstaaten harmonierende Auslegung kann den internationalen Entscheidungseinklang fördern.67 Um dies zu erreichen, ist notwendigerweise rechtsvergleichend vorzugehen. Rechtsprechung und Lehre der übrigen Vertragsländer müssen im Rahmen des Zumutbaren in die Überlegungen der deutschen Richter mit einfließen und berücksichtigt werden.68 Das bedeutet jedoch nicht, dass die deutschen Gerichte durch ausländische Entscheidungen gebunden sind.69 Der inländische Richter muss sich aber mit dem Urteil eingehend auseinandersetzen, denn die Abweichung von einer in den anderen Vertragsstaaten geübten einheitlichen Praxis ohne ausreichende Begründung stellt einen Verstoß gegen Art. 36 EGBGB dar.70 62 Vgl. Looschelders, Art. 36 EGBGB, Rn. 6; Staudinger / Magnus, Vorbem. zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 43. 63 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 7; Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 36 EGBGB, Rn. 7; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 23; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 10. Siehe außerdem: BGH JR 1995, 14 (16). 64 Vgl. Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 26; Staudinger / Magnus, Vorbem. zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 29. Siehe zudem unten: Teil E. I. 4. b) aa). 65 Looschelders, Art. 36 EGBGB, Rn. 10; MüKo / Martiny, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 25 ff.; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 12 f. 66 Staudinger / Magnus, Vorbem, zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 43. 67 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn. 11. 68 Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 25; Staudinger / Magnus, Vorbem. zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 41. 69 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36, Rn. 12; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694). 70 Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 26.

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

Kollisionsnormen staatsvertraglicher Art oder staatsvertraglicher Herkunft sowie solche in europäischen Verordnungen dienen also der Rechtsvereinheitlichung auf international-privatrechtlicher Ebene, weshalb sie autonom auszulegen sind. Der gewöhnliche Interpretationskanon ist deshalb aus internationaler Perspektive zu gebrauchen und zudem um das Element der Rechtsvergleichung zu erweitern. c) Fazit Somit ist zu konstatieren, dass je nach Herkunft der Verweisungsvorschrift unterschiedliche Qualifikationsmethoden anzuwenden sind. Im Hinblick auf die Qualifikation der im deutschen Sachrecht als culpa in contrahendo zusammengefassten vorvertraglichen Haftungsfälle kommen nach vorläufiger, unbefangener Betrachtung möglicherweise die Kollisionsnormen für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse in Betracht. Dabei unterliegen die Artt. 27 ff. EGBGB gem. Art. 36 EGBGB der europäisch-autonomen Qualifikationsmethode, während es für die nichtvertraglichen Sonderverbindungen gem. Art. 38 ff. EGBGB bei der funktionell-teleologischen Qualifikation lege fori verbleibt. In Anbetracht der Tatsache, dass letztere möglicherweise de lege ferenda durch eine Verordnung vereinheitlicht werden und dann die europäisch-autonome Subsumtionsmethode zu berücksichtigen ist, soll das Qualifikationsproblem nicht nur aus deutscher Sicht behandelt werden, obwohl diese de lege lata maßgeblich ist.

2. Internationales Zivilprozessrecht Im Internationalen Zivilprozess stellt sich bei der Qualifikation ebenso die Methodenfrage wie im Internationalen Privatrecht, wobei wiederum zwischen den verschiedenen Rechtsquellen zu differenzieren ist. a) EuGVO Die in der EuGVO verwendeten Begriffe sind grundsätzlich autonom auszulegen.71 Wie im staatsvertraglich bzw. verordnungsrechtlich vereinheitlichten Internationalen Privatrecht kann auch hier nur eine autonome Bestimmung der international-zivilprozessualen Rechtsbegriffe die mit der Verordnung bezweckte Rechtsvereinheitlichung am besten fördern und gewährleisten.72 Es handelt sich demzufolge nicht nur um Verweisungen auf das nationale Recht eines der Mitgliedstaaten.73 71 Vgl. zum EuGVÜ: EuGH 03. 07. 1997 – 269 / 95, Benincasa / Dentalkit Srl, Slg. 1997, 3767 (3794, Nr. 12); Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Überblick EuGVVO, Rn. 13; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (436); kritisch: Lohse, S. 228 f. 72 Schack, IZVR, Rn. 50; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (434). 73 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, NJW 2002, 3159 (3159, Nr. 19).

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Demnach gelten die obigen Ausführungen zum autonomen Auslegungsinstrumentarium und zur europäisch-autonomen Qualifikationsmethode für die EuGVO entsprechend.74 Auch die Gewichtung der einzelnen Auslegungskriterien ist vergleichbar. Bei der autonomen Auslegung im Rahmen der EuGVO sind insbesondere die Systematik und die Zielsetzung zu Rate zu ziehen.75 Diese Auslegungsmaßstäbe drängen die Auslegung nach historischen76 und grammatikalischen Gesichtspunkten mithin etwas in den Hintergrund. Des Weiteren ist zur Wahrung der Einheitlichkeit die Rechtsvergleichung zu beachten. Der EuGH als oberste Auslegungsinstanz macht davon Gebrauch, wenn es um die autonome Begriffsbildung geht.77 Eine rechtsvergleichende Umschau bringt Aufschluss über die entsprechende Problemlösung in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und kann so die Basis für ein gemeinsames europäisches Begriffsverständnis bieten. Trotzdem ist eine autonome Begriffsbestimmung auch unbeeinflusst vom Ergebnis dieses Vergleichs möglich. Es ist nicht zwangsläufig diejenige Auffassung zugrunde zu legen, die von der Mehrheit der Mitgliedstaaten vertreten wird.78 Das autonome Vorgehen hat immer mit Blick auf die Zielsetzung der EuGVO zu erfolgen und erschöpft sich nicht in der Feststellung eines rechtsvergleichenden Mehrheitsentscheids. Im Folgenden soll kurz geklärt werden, ob von dem Grundsatz der autonomen Begriffsauslegung hinsichtlich der in den hier voraussichtlich in Betracht kommenden Zuständigkeitsnormen verwendeten Anknüpfungsbegriffe Ausnahmen gemacht werden müssen. aa) Auslegung der Systembegriffe in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO Möglicherweise kommt für Schadensersatzklagen wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten der Vertragsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO in Betracht. Es ist streitig, ob die in dieser Norm gebrauchten Begriffe des „Vertrages“ und der „Ansprüche aus einem Vertrag“ autonom zu definieren sind. Siehe beispielsweise Schwarz, S. 85 ff. Vgl. EuGH 14. 10. 1976 – 29 / 76, LTU / Eurocontrol, Slg. 1976, 1541 (1550, Nr. 3); 08. 03. 1988 – 9 / 87, Arcado / Haviland, NJW 1989, 1424 (1424, Nr. 10); 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick, IPRax 2003, 50 (52, Nr. 37); 17. 09. 2002 – 334 / 00 Tacconi / HWS, NJW 2002, 3159 (3159, Nr. 19); Basedow, in: Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. II, Rn. 47 ff.; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 5; Schwarz, S. 93; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (437 ff.). 76 Hier sind insbesondere der Bericht von Jenard (BT-Drucks. VI / 1973, S. 52 ff.) und der Bericht von Schlosser (BT-Drucks. 10 / 61, S. 30 ff.) zu berücksichtigen. 77 Vgl. von Bar / Mankowski / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7, Rn. 172 m. w. N. 78 Basedow, in: Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. II, Rn. 52; Schack, Erfüllungsort, Rn. 327. Der EuGH hat aber auch schon die verschiedenen nationalen Lösungen bei seinem Bemühen um eine einheitliche Auslegung der Begriffe im EuGVÜ zumindest bestätigend für seine gefundene Lösung herangezogen, vgl. EuGH 30. 11. 1976 – 21 / 76, Bier / Mines de Porasse d’Alsace, NJW 1977, 493 (494); vgl. auch: Müller-Feldhammer, EWS 1998, 162 (166). 74 75

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

Nach einer Ansicht soll nämlich der Anknüpfung an die lex causae der Vorzug zu geben sein.79 Die Vertreter dieser Auffassung argumentieren, dass es ansonsten nämlich zu einer Spaltung in dem Sinne käme, dass der Sachverhalt im Hinblick auf die Zuständigkeit des Gerichts nach anderen Kriterien bewertet wird, als sie schließlich für die Sachentscheidung gelten würden, bei der eine Qualifikation nach der lex causae erfolgt.80 Als weiterer Einwand gegen eine autonome Begriffsbestimmung können damit verbundene Schwierigkeiten angeführt werden. Solange der autonome Inhalt der Begriffe nicht festgelegt worden ist, herrscht nämlich eine erhebliche Rechtsunsicherheit, da nicht klar ist, was nun unter den Begriff subsumiert werden kann und was nicht.81 Dem letztgenannten Einwand ist aber zu entgegnen, dass mangelnde Rechtssicherheit aufgrund unklarer Begriffsinhalte in abgeschwächter Form bei einer Anknüpfung an die lex causae ebenfalls auftreten können, da es wohl keine Rechtsordnung gibt, in der nicht die Behandlung von Einzelfällen streitig ist. So werden eventuell auftretende Auslegungsprobleme auch mit der Anknüpfungsmethode lege causae nicht gelöst, sondern nur auf die national-rechtliche Ebene verschoben.82 In beiden Fällen bleibt eine letztverbindliche Begriffsauslegung den Gerichten überlassen. Auf europäischer Ebene ist dies gem. Art. 68 Abs. 1 EGV dem EuGH übertragen. Entscheidend für eine autonome Begriffsbestimmung spricht jedoch auch bei der Auslegung des Vertragsbegriffs die damit verbundene Vereinheitlichung der Gerichtszuständigkeiten im Anwendungsbereich der EuGVO.83 Nur eine autonome Auslegung des Vertragsbegriffs trägt dem Ziel, der Angleichung der internationalen Zuständigkeitsregelungen hinsichtlich eines reibungslos funktionierenden Binnenmarktes, in angemessener Weise Rechnung. Eine autonome Begriffsbestimmung erleichtert den Parteien außerdem das Auffinden des zuständigen Gerichts, ohne dass erst eine nationale Rechtsordnung zur Begriffsbestimmung herangezogen werden müsste.84 Bei Maßgeblichkeit der lex 79 Geimer / Schütze / Geimer, Int. Urteilsanerkennung, Bd. I / 1, § 83,S. 563, 571; Holl, IPRax 1998, 120 (121); Spellenberg, ZZP 1978, 38 (44 f.); Schlosser, RIW 1988, 987 (989); Piltz, NJW 1981, 1876. Eine Qualifikation nach der jeweiligen lex fori wird – soweit ersichtlich – in Deutschland nicht vertreten, vgl. MüKO-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 2; dafür aber: Cour d’appel de Paris, Rev. crit. 1979, 444 (446 f.); vgl. dazu Schack, Erfüllungsort, Rn. 309. 80 Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 3 a; ders., Anm. zu EuGH 08. 03. 1988 – 9 / 87, Arcado / Haviland, RIW 1988, 987 (989); Piltz, NJW 1981, 1876 (1876 f.). Vgl. auch: B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 19; Schwarz, S. 116 ff. 81 Vgl. Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (435); Schlosser, IPRax 1984, 65 (68). 82 Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (435). 83 Vgl. B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 20; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 2; Kubis, S. 104; Rauscher, S. 163 ff.; Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 15; Schack, Erfüllungsort, Rn. 309. 84 EuGH 03. 07. 1997 – 269 / 95, Benincasa / Dentalkit Srl, Slg. 1997, 3767 (3797, Nr. 26); 19. 02. 2002 – 256 / 00, Besix / WABAG, NJW 2002, 1407 (1408, Nr. 26); 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, NJW 2002, 3159 (3159, Nr. 20).

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causae wäre nämlich eine aufwendige zweistufige Prüfung vorzunehmen, die das Internationale Privatrecht des forums und das für anwendbar erklärte materielle Recht umfasst.85 Eine autonome Qualifikation macht hingegen die Bestimmung der Zuständigkeit eines Gerichts möglich, ohne dass es einer eingehenden materiell-rechtlichen Sachprüfung bedarf.86 Dies fördert die Möglichkeit, schnell und einfach gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Schließlich wird die Gefahr des Auftretens positiver und negativer Kompetenzkonflikte vermieden.87 Die möglichen Nachteile einer Begriffsaufsplitterung in einen prozessualen und einen materiellen Teil müssen hingenommen werden.88 Somit ist eine vertragsautonome Auslegung der Begriffe „Vertrag“ bzw. „Ansprüche aus einem Vertrag“ zu bevorzugen.89 Der Grundsatz der europäisch-autonomen Auslegung wird demnach nicht durchbrochen. Handelt es sich bei dem Verfahrensgegenstand um einen „Vertrag“ oder „Ansprüche aus einem Vertrag“, so kann gem. Art. 5 Nr. 1 a) EuGVO vor dem Gericht des Erfüllungsortes geklagt werden. Mangels einer anderen Vereinbarung wird dieser für Kauf- und Dienstleistungsverträge durch Art. 5 Nr. 1 b) EuGVO bestimmt. Mit der Einführung des lit. b) ist es zu einer grundlegenden Änderung der bisherigen Rechtslage gekommen.90 Nunmehr erfolgt die Bestimmung des Erfüllungsortes für diesen Teilbereich autonom. Bis zu dieser Reform, die im Zuge der Ersetzung des EuGVÜ durch die EuGVO erfolgt ist, war nach Rechtsprechung91 und 85 Im Geltungsbereich des EVÜ ist die Gefahr der Benennung verschiedener Vertragsstatute aufgrund unterschiedlicher nationaler IPR-Vorschriften allerdings gebannt. 86 EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1003, Nr. 17); 29. 06. 1994 – 288 / 92, Custom Made Commercial / Stawa Metallbau, Slg. 1994, 2913 (2957, Nr. 20); 03. 07. 1997 – 269 / 95, Benincasa / Dentalkit Srl, Slg. 1997, 3767 (3797, Nr. 27); Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 5; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (435). 87 Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 16. 88 Vgl. Rauscher, S. 181; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (646 f.). 89 Vgl. EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1002, Nr. 10); 08. 03. 1988 – 9 / 87, Arcado / Haviland, NJW 1989, 1424, Nr. 11; 17. 06. 1992 – Handte / TMCS, Slg. 1992, I-3967 (I-3993, Nr. 10); 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (812, Nr. 33); MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 2; Kropholler, EuGVO, Art. 5 EuGVO, Rn. 5; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 39; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (644 f.); Nagel / Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 39; Schack, Der Erfüllungsort, Rn. 309; U. Schmidt, S. 31; vgl. auch (allerdings kritisch): Schlosser, EuGVO, Art. 5 EuGVVO, Rn. 3. 90 Vgl. Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 27; ders., IPR, § 58, S. 574 ff. Für einen einheitlichen Erfüllungsort am Leistungsort der vertragscharakteristischen Verpflichtung haben sich bereits vor der Reform ausgesprochen: Rauscher, S. 224; Spellenberg, ZZP 91 (1978), 38 (51 ff.). 91 EuGH 06. 10. 1976 – 12 / 76, Tessili / Dunlop, Slg. 1976, 1473 (1486, Nr. 13, 15); 15. 01. 1987 – 266 / 85, Shenavai / Kreischer, Slg. 1987, 239 (254, Nr. 7); 29. 06. 1994 – 288 / 92, Custom Made Commercial / Stawa, Slg. 1994, I-2913 (I-2958, Nr. 26; 256 / 00); 19. 02. 2002 – 256 / 00, Besix / Kretzschmar, NJW 2002, 1407 (1408 Nr. 33).

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

Teilen der Lehre92 die lex causae für die Bestimmung des Erfüllungsortes maßgeblich.93 Ist jedoch lit. b) nicht einschlägig, so gilt gem. lit. c) wiederum lit. a) und damit die „alte“ Qualifikation nach der lex causae.94 Bei der Bestimmung des Erfüllungsortes für bestimmte Vertragstypen gilt demnach zwar die autonome Auslegungsmethode, ansonsten werden von diesem Grundsatz aber Ausnahmen zugunsten der Auslegung lege causae gemacht.95 bb) Auslegung der Systembegriffe in Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO Durch höchstrichterliche Rechtsprechung ist klargestellt, dass die Qualifikation der in Art. 5 Nr. 3 EuGVO genannten Begriffe „unerlaubte Handlung“, „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ bzw. „Ansprüche aus einer solchen Handlung“ ebenfalls autonom zu bestimmen sind.96 Weder die lex fori97 noch 92 B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 45; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 20; Piltz, NJW 1981, 1876 (1877 f.); vgl. auch: Rauscher / Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 40 m. w. N. 93 Als Vorteil der Bestimmung des Erfüllungsortes nach der lex causae wird angeführt, dass eine Gerichtszuständigkeit dort begründet wird, wo der Vertrag auch materiell-rechtlich zu erfüllen ist, so dass es bei den Mitgliedstaaten aufgrund der Geltung des EVÜ zu einer einheitlichen Qualifikation des Erfüllungsortes käme. Als nachteilig hat sich diese Bestimmung jedoch in den Fällen erwiesen, in denen das materielle Recht eine Geldschuld als Bringschuld ansieht, weil es damit zu einer nicht gerechtfertigten Gläubigerprivilegierung kommt, vgl. Kropholler, IPR, § 58, S. 601 f. Außerdem soll die internationale Zuständigkeit der Gerichte möglichst schnell und einfach ohne Rückgriff auf das anwendbare materielle Recht bestimmt werden können. Des Weiteren könne es bei Streitigkeiten aus einem einheitlichen Vertragsverhältnis je nach der jeweils geltend gemachten streitigen Verpflichtung zu unterschiedlichen Gerichtsständen kommen. Dazu: Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 23. Schließlich wird kritisiert, dass eine materiell-rechtliche Erfüllungsortbestimmung den prozessualen Bedürfnissen des Vertragsgerichtsstands nicht gerecht werde, vgl. Gsell, IPRax 2002, 484 (486). 94 Vgl. dazu auch: Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 29; ders., IPR, § 58, S. 576; Eltschig, IPRax 2002, 491 (492). Kritisch zu dieser Zweiteilung: Kropholler / von Hinden, in: GS Lüderitz, S. 401 (408 ff.); Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (444 ff.). 95 Zu den Auswirkungen bei der Qualifikation von Schadensersatzklagen wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen, siehe unten: Teil E. II. 1. d) dd), Teil F. II. 1. c), Teil G. II. 1. c), Teil I. II. 1. a) dd). 96 EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5585, Rn. 16); 26. 03. 1992 – 261 / 90, Reichert u. a. / Dresdner Bank AG, Slg. 1992, I-2149 (I-2180, Rn. 15); 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (812, Nr. 33); vgl. auch: OLG Stuttgart IPRax 1999, 103 (104); Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 345; Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 204 f.; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 72; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 36; Kubis, S. 102; Nagel / Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 63; Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 78; Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 16; Schwarz, S. 128. Kritisch zur autonomen Auslegung: Geimer, Anm. zu EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Bankhaus Schröder u. a., NJW 1988, 3088 (3090). 97 So aber: KG VersR 1982, 499 (500); OLG München RIW 1988, 647.

II. Qualifikationsmethoden

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die lex causae98 kommen als Auslegungsmaßstäbe in Betracht. Zur Begründung sei auf die Ausführungen zum Vertragsklagengerichtsstand verwiesen. Dieses Ergebnis ist im Hinblick auf die autonome Qualifikation der in Art. 5 Nr. 1 EuGVO gebrauchten Anknüpfungsbegriffe nur konsequent, da sich beide Gerichtsstände ergänzen.99 Ist die Rechtsfrage unter einen der Systembegriffe im Tatbestand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO subsumiert worden, so kann die Klage vor dem Gericht des Ortes eingereicht werden, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“, auch wenn dieses nicht im Wohnsitzstaat des Beklagten liegt. Der Tatort ist autonom zu bestimmen und umfasst sowohl den Handlungs- als auch den Erfolgsort.100 b) ZPO Im nationalen Zivilprozessrecht wird der Bedeutungsinhalt von Begrifflichkeiten lege fori bestimmt.101 Nach dieser Methode erfolgt die Auslegung des prozessualen Tatbestandsmerkmals „Vertragsverhältnis“ in § 29 ZPO für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit.102 Ebenso wird der Begriff der „unerlaubten Handlung“ in § 32 ZPO nach deutschem Verständnis ausgelegt.103 Grund hierfür ist es, die Zuständigkeitsprüfung von kollisionsrechtlichen Vorüberlegungen frei zu halten, um eine effektive und einheitliche Entscheidung hinsichtlich des Gerichtsstandes zu gewährleisten.104 Zudem soll der Zugang zu inländischen Gerichten durch inländisches Recht geregelt werden.105 Bei den zu klärenden Interpretationsfragen ist auch hier eine sich an teleologischfunktionellen Argumenten orientierende Betrachtungsweise ausschlaggebend.106 So jedoch: BGHZ 98, 263 (274). Siehe oben: Teil C. II. 2. a) bb). 100 EuGH, 30. 11. 1976 – 21 / 76, Bier / Mines de Potasse, NJW 1977, 493; vgl. auch: BGH NJW 1996, 1411 (1414); B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 140; Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 354; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 81; Kiethe, NJW 2003, 1294 (1296). 101 BGHZ 132, 105 (108); BGH, FamR 1994, 299; Kropholler, in: Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 80 f.; Heldrich, S. 131; Raape / Sturm, IPR, § 15, S. 279; Riezler, IZPR, S. 103 f.; Schwarz, S. 125; a.A.: Geimer, IZPR, Rn. 1481, 1493. Kritisch: Schröder, S. 136 ff. 102 Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 48; Linke, IZPR, Rn. 132; Ganssauge, S. 83; Pfeiffer, Hdb. der Handelsgeschäfte, § 22, Rn. 83; Schack, IZVR, Rn. 261; ders., Erfüllungsort, Rn. 223. 103 LG Düsseldorf IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (79); Kubis, S. 92; vgl. auch vorherige Fußnote. 104 Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 32 ZPO, Rn. 17; Pfeiffer, Hdb. der Handelsgeschäfte, § 22, Rn. 83; Schack, IZVR, Rn. 51. 105 Kubis, S. 93; ähnlich auch Kropholler, in: Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 81; Heldrich, S. 131. 106 Stein / Jonas / Brehm, Bd. I, Vor. § 1 ZPO, Rn. 60. 98 99

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D. Anzuwendende Qualifikationsmethoden

Es findet also keine Auslegung nach Maßgabe des deutschen Sachrechts statt, wie dies im reinen Inlandsfall geschieht.107 Bei der Begriffsauslegung für die Zwecke der internationalen Zuständigkeit muss auch im autonomen deutschen Prozessrecht die internationalrechtliche Dimension zum Tragen kommen. Dabei ist zu vermuten, dass gleiche Begrifflichkeiten im deutschen Internationalen Privatrecht und im deutschen Internationalen Zivilverfahrensrecht gleich auszulegen sind. Jedenfalls kann insoweit von einer Indizwirkung gesprochen werden.108 Werden somit die international-privatrechtlichen Begriffe berücksichtigt, so kann es zu einem erstrebenswerten Gleichlauf kommen.109 Im Hinblick auf die Auslegung des autonomen deutschen Zivilprozessrechts gilt es jedoch zu beachten, dass grundsätzlich keine Bindung an europäische Begriffe besteht. Diese werden durch den EuGH konkretisiert, der für die ZPO unzuständig ist.110 Betrachtet man allerdings die Wertungen der EuGVO bei der Auslegung der deutschen Verfahrenvorschriften quasi als „Vorregelung“111, so hätte dies den Vorteil eines Vereinheitlichungseffekts für sich und würde divergierende Entscheidungen im Grenzbereich der beiden Gerichtsstandssysteme vermeiden. So hat der BGH bereits für die Frage nach der Existenz eines Gerichtsstands kraft Sachzusammenhangs auf die Wertungen in der EuGVO zurückgegriffen, um seine Entscheidung zu begründen.112 Zwingend ist diese Ausrichtung an europäischen Maßstäben aufgrund der Unabhängigkeit113 des autonomen deutschen Prozessrechts freilich nicht.114 Außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung gilt nämlich gem. Art. 4 Abs. 1 EuGVO das nationale Prozessrecht, ohne dass von einer verordnungsautonomen Auslegung die Rede wäre. Weiterhin würde man die ungelösten Probleme im Bereich der europäischen Zuständigkeitsregeln auf das nationale Prozessrecht übertragen. Aus praktischen Gründen und wegen der Rechtssicherheit sollte die Anpassung an die europäisch einheitlichen Wertungen erst erfolgen, wenn die derzeitig noch offenen Fragen gelöst worden sind. Von der Auslegung der autonomen Zuständigkeitsregeln der ZPO nach deutschem Recht als der lex fori ist die Rechtsprechung deshalb im Grundsatz auch nicht abgewichen.115

Mankowski, IPRax 1997, 173 (174). Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 95; Mankowski, IPRax 1997, 173 (176). 109 Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 95; Heldrich, S. 110 ff. 110 Vgl. Mankowski, IPRax 1997, 173 (174). 111 Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 54. 112 BGHZ 132, 105 (112 ff.). 113 Vgl. Schack, IZVR, Rn. 186. 114 Magnus, IHR 2002, 45 (51). 115 So betont auch der BGH zunächst die lex fori Auslegung der autonomen deutschen Zuständigkeitsregeln, bevor er die Wertungen aus dem EuGVÜ (in fragwürdiger Weise) auf die ZPO überträgt, vgl. BGHZ 132, 105 (108, 113). 107 108

III. Ergebnis

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c) Fazit Die Auslegung der Systembegriffe in den Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO richtet sich grundsätzlich nach europäisch-autonomen Grundsätzen, während das nationale Prozessrecht selbst darüber entscheidet, wie es die eigenen Begriffe auslegt (lex fori-Methode).

III. Ergebnis Soeben ist dargestellt worden, dass je nach Rechtsquelle unterschiedliche Wege der Qualifikation beschritten werden: nämlich entweder ein europäisch-autonomes Vorgehen oder eine funktionelle Qualifikation nach der lex fori. Diese verschiedenartigen Methoden haben natürlich Einfluss auf den Ausgang der Qualifikationsfrage von Ansprüchen aus culpa in contrahendo. Bei der nun folgenden Prüfung der einzelnen Fallgruppen vorvertraglicher Haftung sind – den obigen Ausführungen entsprechend – die jeweiligen Qualifikationsmethoden zugrunde zu legen.

E. Abbruch von Vertragsverhandlungen Verhindert eine Partei das Zustandekommen eines Vertrages, so kann sie sich im deutschen Sachrecht gem. §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 ff. BGB wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen schadensersatzpflichtig gemacht haben.1

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ist zu untersuchen, ob einzelne Fallgruppen der culpa in contrahendo unter die bestehenden Kollisionsregeln subsumiert werden können oder ob eine analoge Heranziehung der entsprechenden Normen eine Qualifikation als vertraglich oder deliktisch ermöglichet.

1. Rechtsprechung Die wenig vorhandene deutsche Rechtsprechung zur international-privatrechtlichen Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen ist uneinheitlich. Soweit ersichtlich, mussten sich deutsche Richter erst in drei Fällen mit dieser Problematik auseinander setzen.

a) LAG Frankfurt a.M. – Urteil vom 14. 3. 1951 So entschied das LAG Frankfurt a.M. im Jahr 1951 einen Rechtsstreit, in dem es um die international-privatrechtliche Einordnung eines Schadensersatzanspruches wegen ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen ging.2 Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine amerikanische Handelsgesellschaft hatte einen britischen Staatsangehörigen veranlasst, seine feste Anstellung bei einer in Frankfurt a.M. ansässigen Firma zu kündigen, indem sie ihm eine Anstellung zur Führung ihrer Geschäfte in Deutschland in Aussicht gestellt hatte. Der Brite verklagte die US-Gesellschaft auf Zahlung seiner Jahresbezüge, nachdem die Geschäftsstelle nicht errichtet und ihm gegenüber jedwede Verpflichtung 1 2

Siehe oben: Teil B. II. 1. LAG Frankfurt a.M. IPRspr. 1950 / 51, Nr. 20, S. 50 ff.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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verneint worden war. Die Beklagte erhob u. a. die Einrede, dass kein Vertrag mit dem Kläger zustande gekommen sei, sondern nur Vorverhandlungen stattgefunden hätten, die nicht zu einem Vertragsschluss geführt hätten. Die Gespräche seien nämlich nur mit dem Sekretär des Klägers geführt worden, der nach amerikanischem Recht kein Vertreter des Beklagten sei. Die zu klärende Frage, ob ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen war, beurteilte das Gericht nach amerikanischem Recht, da nach Auffassung der Richter eine diesbezügliche konkludente Rechtswahl vorlag. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass mangels einer beiderseitigen Willensübereinstimmung und fehlender Vertretungsbefugnis kein Vertrag abgeschlossen worden war. Das Landesarbeitsgericht bejahte aber im Anschluss daran das Bestehen eines Anspruchs aus culpa in contrahendo wegen ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen, weil der Kläger seitens der Beklagten zur Kündigung seiner Anstellung veranlasst worden war. Deutsches Recht komme hier zur Anwendung, weil es um ein „rechtserhebliches bloßes Handeln“ gehe, über das ebenso wie bei einer unerlaubten Handlung im Internationalen Privatrecht das Recht des Handlungsortes bestimme.3 Demzufolge sprach sich das LAG Frankfurt a.M. für eine deliktische Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen Verhinderung eines Vertrages aus.

b) LG Hamburg – Urteil vom 29. 10. 1975 Bei einer vom LG Hamburg zu beurteilenden Schadensersatzklage wegen des unbegründeten Abbruchs von Vertragsverhandlungen war über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden, da die internationale Zuständigkeit des Gerichts in Frage stand.4 Um die Rechtsnatur der geltend gemachten Ansprüche ermitteln zu können, sah sich das Landgericht aber auch zu Ausführungen über die international-privatrechtliche Behandlung der in Rede stehenden Fallgruppe des Verschuldens bei Vertragsabschluss veranlasst. Die Richter ordneten pauschal und ohne nähere Begründung alle vorvertraglichen Ansprüche dem Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse zu. Es handele sich um Ansprüche „vertraglicher Natur im weitesten Sinne“.5 Damit nahm das LG Hamburg den entgegengesetzten Standpunkt zur Auffassung des LAG Frankfurt a.M. ein.6

LAG Frankfurt a.M. IPRspr. 1950 / 51, Nr. 20, S. 50 (54). LG Hamburg IPRspr. 1976, Nr. 125, S. 366 ff. Siehe zur Internationalen Zuständigkeit unten: Teil E. II. 1. a) aa). 5 LG Hamburg IPRspr. 1976, Nr. 125, S. 366 (368). 6 Im Zusammenhang mit der Beurteilung von Auszahlungsansprüchen wegen grenzüberschreitender Gewinnzusagen wird von einigen Gerichten ebenfalls eine vertragliche Qualifikation von Ansprüchen aus vorvertraglicher Pflichtverletzung vertreten, vgl. OLG Hamm RIW 2003, 305 (306); LG Braunschweig IPRax 2002, 213 (215). 3 4

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

c) BGH – Urteil vom 26. 7. 2004 Schließlich ist noch auf einen jüngst vom BGH entschiedenen Fall hinzuweisen, bei dem die Parteien über den Ankauf einer Forderung verhandelt hatten. Zu einem Kaufvertragsabschluss vor dem hinzugezogenen Notar war es jedoch aufgrund staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen die potentielle Käuferin der Forderung, die Klägerin, wegen der Befürchtung einer „Geldwäsche-Operation“ nicht gekommen. Stattdessen hat die Beklagte die Forderung unmittelbar nach dem Scheitern des Vertragsabschlusses zu einem höheren Kaufpreis an einen Dritten abgetreten. Die Klägerin war der Ansicht, dass ihr nach französischem Recht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe, weil diese sich unberechtigt von einem wirksamen Vorvertrag losgesagt habe. Hilfsweise verlangte sie Aufwendungsersatz. Die Beklagte hielt hingegen deutsches Recht für anwendbar. Ein Vertrag sei nicht zustande gekommen und die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches wegen ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen lägen ebenfalls nicht vor.7 Nach Ansicht des BGH bestimmen die Artt. 27 ff. EGBGB die anwendbare Rechtsordnung für die geltend gemachten Ansprüche. Dies solle ebenfalls für die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus culpa in contrahendo gelten.8 Eine Differenzierung nach Fallgruppen nahm das Gericht nicht vor. Auch eine Begründung für die Anwendbarkeit der vertraglichen Kollisionsregeln auf „die“ culpa in contrahendo sucht man vergeblich. d) Fazit Die Analyse der genannten Urteile zeigt, dass sich die deutsche Rechtsprechung noch nicht eingehend mit der Qualifikationsproblematik vorvertraglicher Schuldverhältnisse auseinandergesetzt hat. Eine Differenzierung nach Fallgruppen findet nicht statt. Die jeweilige Zuordnung zum Vertrags- oder Deliktsstatut wird nicht näher begründet. Es scheint, dass die materiell-rechtlichen Vorstellungen hinsichtlich der Rechtsnatur der culpa in contrahendo einfach auf die international-privatrechtliche Ebene übertragen werden, ohne die Besonderheiten und Wertungen des Kollisionsrechts eingehend zu berücksichtigen. Wer das Verschulden bei Vertragsschluss als unerlaubte Handlung betrachtet, der nimmt eine entsprechende Qualifikation auf verweisungsrechtlicher Ebene vor, und wer die culpa in contrahendo als vertragsähnliches Schuldverhältnis begreift, der will die vertraglichen Anknüpfungsregeln angewendet wissen. Eine solche Gleichsetzung von Sach- und Internationalem Privatrecht ist jedoch, wie bereits angesprochen, nicht zulässig.9

7 8 9

BGH WM 2004, 2066 ff. Vgl. dazu auch: Dörner, WuB IV b. Art. 28 EGBGB 1.05, 38. BGH WM 2004, 2066 (2068). Siehe oben: Teil D. II. 1. a).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

101

2. Meinungsstand in der deutschen Literatur Wie eine vorvertragliche Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen international-privatrechtlich qualifiziert werden soll, wird auch in der deutschen Literatur nicht einheitlich beantwortet.

a) Vertragsstatut Die herrschende Meinung in der deutschen Literatur stellt für die Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen auf die vertraglichen Kollisionsregeln ab. Die Begründungsansätze für die Heranziehung des Vertragsstatuts unterscheiden sich jedoch.

aa) Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB analog Die überwiegende Zahl der Stimmen in der deutschen Rechtswissenschaft ordnet den „Kernbereich“ der culpa in contrahendo in seiner Gesamtheit den Artt. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB in analoger Anwendung zu.10 Bestimmt wird dieser Teilbereich des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Abgrenzung zu der Haftung für die Verletzung von Integritätsinteressen und der Dritthaftung.11 Damit folgen die Autoren der bereits von Bernstein geforderten unterschiedlichen kollisionsrechtlichen Behandlung der vorvertraglichen Obhutsund Erhaltungspflichten einerseits und den im inneren Zusammenhang12 mit dem Vertragsinhalt stehenden Pflichten andererseits.13 Die Haftung dritter Personen stelle ohnehin eine Besonderheit dar.14 10 Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 25; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 21; MüKo / Spellenberg (1998), Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 46; Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB, Rn. 8 (für „die Haftung aus culpa in contrahendo“ in ihrer Gesamtheit); Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 283; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 117; vgl. auch: LG Düsseldorf IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (81 f.); AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 25; IPG 2000 / 2001 (2004), Nr. 12, S. 204 (206, Rn. 3 ff.); von Bar, IPR, Bd. 2, § 4, Rn. 558; Rauscher, IPR, S. 270; Gruber, S. 213 f. (mit a.A. für das internationale Versicherungsvertragsrecht); Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (950 f.); Frank, SJZ 1956, 106 (108); Unberath, IPRax 2005, 308 (311 f.); a.A.: Scheffler, IPRax 1995, 20 (21), der die für eine Analogie notwendige Regelungslücke verneint. 11 Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 25; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 20; MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 59; IPG 2000 / 2001 (2004), Nr. 12, S. 204 (206, Rn. 4). Vgl. auch Unberath, IPRax 2005, 308 (311). 12 Siehe unten: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). 13 Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (285 ff.). Dieser Differenzierung folgen auch: Martiny, ZEuP 2003, 590 (610); Scheffler, IPRax 1995, 20 (21). 14 Dazu unten: Teil I. I.

102

E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Demnach wären die Fallgruppen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen, der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages und des Abschlusses eines nicht erwartungsgerechten Vertrages diesem „Kernbereich“ der vorvertraglichen Verschuldenshaftung zuzuordnen. In den letzten beiden Konstellationen würde sich die anwendbare Rechtsordnung nach dem Schuldstatut des zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertragsverhältnisses bestimmen. Bei der hier zu beleuchtenden Fallgruppe des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen liegt hingegen kein Vertragsschluss vor, so dass dann das Statut des präsumtiven Vertrags, also das hypothetische Vertragsstatut, entscheiden würde.15 In der verbleibenden Fallvariante des vorvertraglichen Verschuldens im Zweipersonenverhältnis, der Verletzung von Integritätsinteressen, bliebe es nach der dargestellten Ansicht beim Deliktsstatut. Die Dritthaftung müsse davon getrennt betrachtet werden. Demzufolge bleibt festzuhalten, dass nach dieser Ansicht das auf einen Schadensersatzanspruch wegen missbräuchlichen Verhandlungsabbruchs anzuwendende Recht von Art. 27 ff. EGBGB berufen wird, die gem. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1, Nr. 3, 5 EGBGB analog Geltung beanspruchen.

bb) Akzessorische Anknüpfung Für „die“ culpa in contrahendo, demnach auch für die hier in Rede stehende Fallgruppe des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen, wird insbesondere von Dörner die Geltung des Vertragsstatuts aufgrund einer vertragsakzessorischen Anknüpfung diskutiert.16 Allerdings erfolgt die Verwendung des Begriffs der akzessorischen Anknüpfung nicht immer einheitlich, weshalb eine Klarstellung der in dieser Arbeit verwendeten Terminologie notwendig erscheint. Teilweise wird die – soeben dargestellte – Zuordnung der culpa in contrahendo zum Vertragsstatut mittels der entsprechenden Heranziehung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB als akzessorische Anknüpfung bezeichnet.17 Dem ist jedoch nach vorliegend vertretener Ansicht nicht zu folgen, da es sich hierbei vielmehr um die Ausweitung des Geltungsbereichs des Vertragsstatuts durch eine Analogie handelt. Alle Rechtsbereiche, die zwar nicht dem Vertragsbegriff als solchem unterfallen, aber so eng mit dem vertraglichen Schuldverhältnis zusammenhängen, 15 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 25; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 21; Siehr, IPR, § 31, S. 220; Beitzke, AP 51 (Nr. 288), 545 (547). Das Deliktsstatut soll jedoch gelten, wenn die Vertragsverhandlungen gerade deshalb abgebrochen werden, weil es zu einer Verletzung des Integritätsinteresses in diesem Stadium gekommen ist, vgl. Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 11. 16 Dörner, JR 1987, 201 (202); ders., IPRax 2005, 26 (27). Vgl. auch Mankowski, IPRax 1991, 305 (313); die Qualifikationsfrage offen gelassen hat Pfeiffer, IPRax 2003, 233 (237 f.). 17 So wohl Vischer / Vischer / Oser, Int. Vertragsrecht, § 7, Rn. 1154. Ähnlich: MüKo / Spellenberg (1998), Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 113; von der Seipen, S. 47 f.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

103

dass sie für die Zwecke des Internationalen Privatrechts als in weitestem Sinne vertraglich einzustufen sind, werden einheitlich angeknüpft („einheitliche Anknüpfung“). Beispielhaft ist die Rückabwicklung nichtiger Verträge zu nennen, die einen Unterfall der Leistungskondiktion darstellt. Obwohl dieses gesetzliche Schuldverhältnis nicht unter den Begriff des Vertrages in Art. 27, 28 EGBGB subsumiert werden kann, erklärt Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB dennoch das Vertragsstatut für anwendbar und stuft dieses Rechtsinstitut somit als vertraglich auf der Ebene des Verweisungsrechts ein. Deshalb unterfallen diese Konstellationen auch nicht dem Art. 38 Abs. 1 EGBGB.18 Wendet man die Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB analog auf bestimmte Fallgruppen der culpa in contrahendo an, so gilt gleiches. Der Anwendungsbereich des Vertragsstatuts wird auf diese Konstellationen vorvertraglicher Schuldverhältnisse ausgedehnt, was bedeutet, dass sie international-privatrechtlich als genuines Vertragsrecht gelten. Einer akzessorischen Anknüpfung bedarf es – die Möglichkeit einer analogen Heranziehung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB für den ungerechtfertigten Abbruch von Vertragsverhandlungen unterstellt – also überhaupt nicht, so dass die Verwendung dieser Bezeichnung im vorliegenden Zusammenhang nicht zu empfehlen ist. Demgegenüber sollte man dann von einer vertragsakzessorischen Anknüpfung sprechen, wenn es sich bei dem zu qualifizierenden Rechtsverhältnis um ein solches handelt, das auf kollisionsrechtlicher Ebene nicht als vertraglich bezeichnet werden kann, jedoch aus besonderen Gründen dennoch den vertraglichen Kollisionsregeln unterworfen wird.19 Sowohl die einheitliche als auch die akzessorische Anknüpfung verfolgen mithin dasselbe Ziel, nämlich die Herrschaft eines Statuts über einen zusammengehörenden Lebenssachverhalt zu erreichen.20 Regelungen, die eine akzessorische Anknüpfung anordnen, treten in zwei verschiedenen Formen auf. Zum einen gibt es Verweisungsregeln, die von vornherein nur eine akzessorische Anknüpfung aussprechen. Als Beispiel sei Art. 38 Abs. 1 EGBGB genannt, wonach die Leistungskondiktion21 dem Recht unterliegt, „das auf das Rechtsverhältnis anzuwenden ist, auf das die Leistung bezogen ist“. Die akzessorische Anknüpfung stellt somit die allgemeine Regel dar, eine andere Anknüpfungsmöglichkeit ist nicht vorgesehen. In diesen Fällen wird unmittelbar akzessorisch angeknüpft, weshalb auch von einer „primären akzessorischen Anknüpfung“ gesprochen werden kann. Vgl. Eilinghoff, S. 124 ff. Dazu siehe sogleich. Vgl. auch die Definition bei Möllenhoff, S. 76. 20 Vgl. von der Seipen, S. 51: „Akzessorische Anknüpfung heißt, die im Rahmen eines Sachverhaltes entstehenden Anknüpfungsaufgaben nach einer Gesamtschau durch Anwendung eines Rechts einheitlich zu lösen, obwohl bei isolierter Anknüpfung zumindest möglicherweise verschiedene Rechte zur Anwendung kämen.“ 21 Die Fallgruppe der Rückabwicklung nichtiger Verträge unterliegt jedoch – wie gesehen – dem Vertragsstatut bereits aufgrund der vorrangigen Regelung in Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB. 18 19

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Im Gegensatz dazu kann man diejenigen Konstellationen, in denen die Rechtsfrage zunächst einem eigenen Statut zugewiesen, aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles dann jedoch akzessorisch an das Statut eines anderen Rechtsverhältnisses angeknüpft wird, als „sekundäre akzessorische Anknüpfung“ bezeichnen. Hier finden zwei Zuordnungsvorgänge22 statt: Weil die Qualifikation, d. h. die Subsumtion der Rechtsfrage unter den Anknüpfungsgegenstand der ersten Verweisungsnorm, nicht zu dem Recht führt, mit dem die engste Verbindung besteht, wird in einem weiteren Schritt das Verweisungsziel über eine Ausweichklausel korrigiert, die dem international-privatrechtlichen Prinzip der engsten Verbindung zur Geltung verhilft, indem die Zuordnung zu dem räumlich besseren Statut stattfindet. Zu denken ist beispielsweise an Art. 41 EGBGB, der beinhaltet, dass im Falle des Bestehens einer wesentlich engeren Verbindung mit dem Recht eines anderen Staates, dessen Recht anzuwenden ist, obwohl dieses nach den Artt. 38 bis 40 Abs. 2 EGBGB zugrunde liegenden Anknüpfungsregeln eigentlich nicht maßgeblich wäre. Insbesondere kann sich eine wesentlich engere Verbindung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB aus einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung der Beteiligten zueinander ergeben, wenn dieses Verhältnis im Zusammenhang mit dem außervertraglichen Schuldverhältnis steht, sich also auf dieses auswirkt.23 Demnach wird hier nachträglich an ein anderes als das ursprüngliche Statut für maßgeblich erklärt. Im Unterschied zur „primären akzessorischen Anknüpfung“ erfolgt also eine Korrektur des Verweisungsziels, wobei es sich um eine Auffangklausel handelt, die nur ausnahmsweise zur Anwendung kommt und deshalb grundsätzlich nicht als Regelanknüpfung geeignet ist.24 Eine akzessorische Anknüpfung der Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen an das Vertragsstatut könnte mithin durch die Schaffung einer Verweisungsregel mit dem Inhalt erfolgen, dass diese Konstellation (obwohl nicht vertraglich im international-privatrechtlichen Sinne!) dem Recht unterliege, das auf 22 Allerdings handelt es sich nur um einen Qualifikationsvorgang. Die Qualifikation der Rechtsfrage ändert sich durch die akzessorische Anknüpfung nicht, es wird nur der Anknüpfungspunkt ausgetauscht, um eine andere Rechtsfolge, nämlich die Berufung einer anderen Rechtsordnung, zu erzielen. Beispielweise bleibt ein Rechtsverhältnis, das unter Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB subsumiert wurde, eine unerlaubte Handlung. Wenn jedoch die Voraussetzungen des Art. 41 Abs. 1, 2 Nr. 1 EGBGB vorliegen, so ändert sich das Verweisungsziel, weil der Anknüpfungspunkt nicht mehr der Handlungsort ist, sondern die anwendbare Rechtsordnung möglicherweise durch eine Rechtswahl i.S.v. Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB bestimmt wird, wenn ein bestehender Vertrag als besondere rechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten in Betracht kommt. Die akzessorische Anknüpfung an den Vertrag ändert aber nichts daran, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis um eine unerlaubte Handlung gem. Art. 40 EGBGB handelt. 23 Vgl. zu den Voraussetzungen einer solchen akzessorischen Anknüpfung: Staudinger / von Hoffmann, Art. 41 EGBGB, Rn. 10 – 13 m. w. N. 24 Palandt / Heldrich, Art. 41 EGBGB, Rn. 3; Mankowski, GRURInt. 1999, 909 (910). Allerdings ist in Sonderfällen, in denen es an einer Spezialregelung fehlt, wie z. B. für Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb, eine Anknüpfung ganzer Rechtsgebiete möglich, vgl. unten: Teil: I. I. 2. b) cc) (3) (c).

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den intendierten Vertrag anzuwenden wäre. Es scheint, dass Dörner diese Methode, hier „primäre akzessorische Anknüpfung“ genannt, wenigstens für die vertragsbezogenen Fallgruppen der culpa in contrahendo, bevorzugt.25 Soweit ersichtlich, wird demgegenüber eine „sekundäre akzessorische Anknüpfung“ für den ungerechtfertigten Verhandlungsabbruch nicht vertreten.26 cc) Art. 32 Abs. 1 EGBGB Nickl zieht Art. 32 Abs. 1 EGBGB unmittelbar zur Begründung einer vertraglichen Qualifikation der Fallgruppe des Abbruchs der Vertragsverhandlungen heran. Diese könne als ein „unbenannter Anwendungsfall“ des Art. 32 Abs. 1 EGBGB angesehen werden.27 Die in dieser Norm aufgeführten Fälle seien nicht abschließend. Ähnliche Rechtsfragen könnten deshalb als unbenannte Anwendungsfälle ebenfalls unter diese Regelung zu subsumieren sein.28 Wie bei dem explizit geregelten Fall der Vertragsnichtigkeit in Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB stünden die Verhandlungsparteien in engem Kontakt zueinander und sich demnach nicht mehr wie zwei Fremde gegenüber. Diese Situation sei mit der eines nichtigen Vertrages vergleichbar, nur mit dem Unterschied, dass das Wirksamkeitshindernis beim Abbruch von Vertragsverhandlungen vor einem Vertragsabschluss eintrete, während dies im anderen Fall mit dem Abschluss des Vertrages geschehe. In beiden Fällen werde jedenfalls das Stadium der Vertragserfüllung nicht erreicht. Ob bereits ein Vertragsabschluss vorliege, hänge oft vom Zufall ab und die Übergänge von einem Stadium ins andere seien fließend. Des Weiteren sei in beiden Fällen als Rechtsfolge der Ersatz des Schadens vorgesehen, der aufgrund von getätigten Aufwendungen hinsichtlich des in Aussicht genommenen oder nichtigen Vertrages entstanden sei.29 Auch hier könne also eine Ähnlichkeit festgestellt werden. Aufgrund der vergleichbaren Situation, in der diese beiden Fallgruppen entstehen, als auch aufgrund ihrer ähnlichen Funktion, das Vertrauen auf das wirksame Zustandekommen des Vertrages zu schützen, seien Ansprüche wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen in Anlehnung an diejenigen wegen der schuldhaften Herbeiführung eines nichtigen Vertrages (Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB) direkt unter Art. 32 Abs. 1 EGBGB zu subsumieren. 25 Explizit hat sich Dörner jedoch nur im Hinblick auf vorvertragliche Informations- und Aufklärungspflichten geäußert, vgl. IPRax 2005, 26 (27). Damit hat sich auch Dörner nunmehr einer differenzierten Qualifikation der culpa in contrahendo nach Fallgruppen angeschlossen (vgl. zur früheren pauschalen Betrachtungsweise: JR 1987, 201 ff.). 26 Ob eine „sekundäre akzessorische Anknüpfung“ für die Fallgruppen der culpa in contrahendo überhaupt in Betracht kommt, erscheint ohnehin fraglich, siehe unten: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (b) (bb). 27 Nickl, S. 163. 28 Nickl, S. 159. 29 Nickl, S. 159 – 161.

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Ebenso sieht Frick den Fall des Abbruchs von Vertragsverhandlungen bereits vom Wortlaut der Artt. 31 und 32 EGBGB erfasst.30 Das maßgebliche Kriterium für die Unterscheidung der culpa in contrahendo in vertraglich und deliktisch geprägte Fallgruppen findet er in der Qualität des jeweils in Rede stehenden Pflichtenprogramms. Die einzelnen Verhaltensanforderungen seien daraufhin zu untersuchen, ob es sich um allgemeine oder relative Pflichten handele.31 Diese materiell-rechtliche Zuordnung solle dann auch die Ausgangslage für die kollisionsrechtliche Qualifikation sein.32 Die Fallgruppe des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs sei als Vertragsabschlussförderungspflicht den Aufklärungspflichtverletzungen zuzuordnen.33 Bei diesen handele es sich um relative Pflichten, womit eine vertragsähnliche Natur einhergehe.34 Demnach dränge sich eine Einordnung in das Internationale Vertragsrecht auf.35 dd) Pauschale Zuordnungsversuche Andere Autoren vermeiden eine Festlegung auf die Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB und argumentieren pauschaler für die Maßgeblichkeit des Vertragsstatuts bei allen Ansprüchen aus culpa in contrahendo, also auch bei solchen wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen. So wird – ohne Differenzierung nach Fallgruppen – vertreten, dass die international-privatrechtliche Behandlung des Vertrages auch für dessen Vorwirkungen gelten müsse.36 Das Vertragsstatut beherrsche nämlich das Geschäft „von der Wiege bis zum Grabe“37, also von der culpa in contrahendo über das Recht der Leistungsstörungen bis zur Erfüllung.38 Ähnlich bildhaft formuliert Sandrock: weil das ganze „Leben“ des Vertrages vom Einheitsstatut39 erfasst sei, sollen auch die Vertragsverhandlungen, „und zwar von ihrem Anbeginn an“, einschließlich einer möglichen Haftung aus culpa in contrahendo, dem Art. 31 Abs. 1 EGBGB zugeordnet werden.40 Ein Schadensersatzanspruch wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen wäre also vom Vertragsstatut erfasst. Frick, S. 175. Frick, S. 121. 32 Frick, S. 121, 170 ff. 33 Frick, S. 37 ff. 34 Frick, S. 133. 35 Frick, S. 170 ff.. 36 Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 612 f. Junker, IPR, § 15, Rn. 390, bezieht zu der vertraglichen Qualifikation aller c.i.c.-Fallgruppen nicht klar Stellung, bezeichnet diese Ansicht aber als herrschend. 37 Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 611. 38 Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 612; vgl. auch Beitzke, AP 51 (Nr. 288), 545 (546 f.). 39 Zur Lehre vom Einheitsstatut vgl. unten: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). 40 Sandrock, RIW 1986, 841 (849; 851). 30 31

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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ee) Ausdrückliche Regelung de lege ferenda? Das Max Planck Institut nimmt das Grünbuch zur Umwandlung des EVÜ in eine Verordnung zum Anlass, die Einfügung einer ausdrücklichen Regelung für die Fallgruppe des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs in eine zukünftige Rom I-VO zu fordern. Aus international-privatrechtlicher Sicht sei diese Fallgruppe enger mit dem Recht verbunden, das auf den in Aussicht genommenen Vertrag anwendbar wäre, als mit derjenigen Rechtsordnung, die für außervertragliche Ansprüche gelte.41 Deshalb solle in Art. 8 EVÜ (Art. 31 EGBGB) bei der Übernahme des Artikels in die geplante Verordnung ein neuer Absatz 2 eingefügt werden, wonach explizit klargestellt würde, das die rechtlichen Konsequenzen eines ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen von dem Recht bestimmt würden, dem auch der beabsichtigte Vertrag unterlegen hätte.42 Außerdem solle die Schutzbestimmung des Art. 8 Abs. 2 EVÜ (Art. 31 Abs. 2 EGBGB), der nach dem Vorschlag des Max Planck Instituts zu Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO würde, auf die vorvertragliche Ebene ausgedehnt werden. Demnach könne sich eine Partei auf das Recht ihres gewöhnlichen Aufenthaltsortes für die Behauptung berufen, dass sie keine vorvertraglichen Verpflichtungen aus den Vertragsverhandlungen gehabt habe, wenn sich aus den Umständen ergebe, dass es nicht gerechtfertigt sei, die Wirkung des Parteiverhaltens dem Vertragsstatut zu unterstellen.43 Dem Vorschlag des Max Planck Instituts lässt sich demnach entnehmen, dass es die hier in Rede stehende Fallgruppe der culpa in contrahendo schon im jetzigen Zeitpunkt zu den von den vertraglichen Kollisionsregeln erfassten Sachverhalten zugehörig zählt und deshalb aus Gründen der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für die Zukunft eine ausdrückliche Klarstellung im Verordnungstext für notwendig erachtet. b) Deliktsstatut Zu einer deliktischen Einordnung des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen neigt Hermes.44 Zur Begründung seiner Ansicht führt er an, dass diese Fallgruppe der culpa in contrahendo im europäischen Zivilprozessrecht deliktsähnlich einzuordnen sei,45 weil keine Vertragsbeziehungen zwischen den Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (88). Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (89, 109). 43 Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (90, 109). 44 Hermes, RIW 1999, 933 (938). Für eine deliktische Qualifikation „der“ culpa in contrahendo auch: Ferid, IPR (1975), § 6, Rn. 6 – 64. 45 Nämlich gem. Art. 5 Nr. 3, 2. Alt. EuGVÜ / EuGVO: eine der unerlaubten Handlung gleichgestellte Handlung. 41 42

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Parteien entstanden sind.46 Dementsprechend müsse auch im Internationalen Privatrecht gem. Art. 40 EGBGB deliktisch qualifiziert werden, um die bei einem Auseinanderfallen von Gerichtsbarkeit und anwendbarem Recht möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten zu vermeiden.47 c) Verhandlungsstatut Eine dritte Ansicht48 lehnt sowohl eine vertragliche als auch eine deliktische Qualifikation der Schadensersatzansprüche wegen Vertragsverhinderung ab. Da es in diesem Fall am Faktum des Vertragsschlusses fehle, rechneten die Parteien nicht mit den Verhaltensanforderungen und Sanktionen, die die aufgrund des Vertragsstatuts geltende Rechtsordnung an sie stelle.49 Die Qualifikation für das vorvertragliche Schuldverhältnis im Verhandlungsstadium müsse deshalb unabhängig von dem angestrebten Vertrag erfolgen. Es könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass das präsumtive Vertragsstatut auch geeignet sei, den Schwerpunkt der vorvertraglichen Beziehung zwischen den Parteien zufriedenstellend zu beschreiben. Zur Verdeutlichung führt Fischer an, dass beispielsweise bei der Abwerbung eines deutschen Arbeitnehmers im Inland durch einen ausländischen Arbeitgeber für eine Stelle im Ausland nicht davon gesprochen werden könne, dass der Schwerpunkt der Beziehungen zwischen den Verhandelnden am späteren Arbeitsort, also dem Ort des Vertragsabschlusses, liege. Die Verhandlungspartner würden sich vielmehr nach dem Recht des Ortes ausrichten, an dem die Verhandlungen stattfinden. Hier entstehe das Vertrauensverhältnis zwischen den Verhandelnden, aus dem sich die Haftung bei einer vorvertraglichen Pflichtverletzung herleite. Deshalb sei selbständig an das Verhandlungsstatut anzuknüpfen.50 Lüderitz begründet das Abstellen auf den Verhandlungsschwerpunkt damit, dass es sich hierbei um die engste Verbindung handele, wie sie auch in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zum Ausdruck komme, weshalb eine analoge Anwendung dieser Norm gerechtfertigt sei.51 Ausnahmen von diesem Grundsatz sollen sich in den Fällen einer Rechtswahl durch die Parteien oder beim Vorliegen einer anderen gemeinsamen Rechtsordnung52 ergeben. Ist einer der Verhandelnden Verbraucher, so müsse in Anlehnung Hermes, RIW 1999, 933 (937) mit Verweis auf die niederländische Rechtsprechung. Vgl. Hermes, RIW 1999, 933 (938). 48 Lüderitz, IPR, Rn. 286, S. 131; G. Fischer, JZ 1991, 168 (172 f.). 49 G. Fischer, JZ 1991, 168 (172). 50 G. Fischer, JZ 1991, 168 (172); siehe auch: Soergel / Lüderitz, Bd. 8, 11. Aufl. (1983), Vor. Art. 7 EGBGB, Rn. 287; Lüderitz, IPR, Rn. 286, S. 131. 51 Lüderitz, IPR, Rn. 286, S. 131. 52 Also wie im Internationalen Deliktsrecht gem. Art. 40 Abs. 2 S. 1 EGBGB, z. B. beim Autounfall zweier Deutscher im Ausland (vgl. Palandt / Heldrich, Art. 40 EGBGB, Rn. 6). Fraglich nur, ob bei zwei Deutschen, die im Ausland Verhandlungen führen, die Anwendbar46 47

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an Art. 29 EGBGB mangels einer gültigen Rechtswahl das Recht des Verbraucherstaates Anwendung finden. Bei Distanzgeschäften bestimme die charakteristische Leistung – wie bei Art. 28 Abs. 2 EGBGB – das anwendbare Recht, weil dann dort der Verhandlungsschwerpunkt gegeben sei. Diese Anknüpfungsvermutung finde ihre Grenze aber in den Wertungen des Art. 31 Abs. 2 EGBGB. Beim internationalen Warenkauf schließlich richte sich die Haftung für jede Partei nur nach deren jeweiligem Niederlassungsrecht.53

3. Rechtsvergleichende Hinweise zum ausländischen Kollisionsrecht In Österreich folgt die h. M. der überwiegend in der deutschen Literatur vertretenen Ansicht, dass nach Aufnahme von Vertragsverhandlungen das präsumtive Schuldstatut über die Qualifikation der vorvertraglichen Pflichtverletzung entscheidet, einerlei, ob es zum Vertragsschluss gekommen ist oder nicht. Eine Ausnahme sei nur für die Verletzung von nicht mit den Verhandlungen zusammenhängenden Integritätsinteressen zu machen, die deliktisch zu qualifizieren seien.54 Die Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen ist demnach den vertraglichen Verweisungsnormen zu unterwerfen. Auch in der Schweiz55 wollen einige Autoren in solchen Fällen grundsätzlich das Vertragsstatut angewendet wissen.56 Wenn aus dem Verhandlungsstand aber noch nicht auf das präsumtive Vertragsstatut geschlossen werden kann, so soll hilfsweise nach Art. 123 IPRG analog das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der haftenden Partei zur Anwendung kommen.57 Diejenigen Länder hingegen, die im materiellen Recht Schadensersatzansprüche wegen des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs über das Deliktsrecht lösen, ziehen zumeist auch auf international-privatrechtlicher Ebene das Deliktskollisionsrecht zur Bestimmung des anwendbaren Rechts heran.58 keit des gemeinsamen Heimatrechts im Parteiinteresse liegt. Möglicherweise wurde bewusst im Ausland verhandelt, um das dortige Recht zur Anwendung zu bringen. 53 G. Fischer, JZ 1991, 168 (172 f.). 54 Rummel / Schwimann, Bd. 2, Vor § 35 IPRG, Rn. 4; Schwimann, IPR, S. 66 f. 55 Zwar ist die Schweiz nicht am Schuldrechtsübereinkommen beteiligt, so dass hinsichtlich der Qualifikation vorvertraglicher Schuldverhältnisse im Rahmen des EVÜ nicht auf die schweizerische Rechtslage verwiesen werden kann. Dennoch ist ein Blick auf diese dem deutschen Recht verwandte Rechtsordnung geboten, weil dort angeführte Argumente auch im EVÜ Überzeugungskraft entfalten können. 56 Siehr, schweiz. IPR, § 14, S. 253; Vischer / Vischer / Oser, Int. Vertragsrecht, § 7, Rn. 1154. Vgl. auch: Kues, S. 190 f. 57 ZüKo / Keller / Kren Kostkiewicz, Art. 117 IPRG, Rn. 207; Vischer / Vischer / Oser, Int. Vertragsrecht, § 7, Rn. 1156 58 Vgl. Ausführungen bei Kadner Graziano, Europ. Int. Deliktsrecht, S. 115; Reder, S. 136 f. m. w. N. Siehe aber auch Nickl, S. 140 ff.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

4. Eigene Stellungnahme Zunächst ist zu untersuchen, ob die Art. 27 ff. EGBGB die Qualifikation vorvertraglicher Schuldverhältnisse, hier in Form des Abbruchs von Vertragsverhandlungen, überhaupt regeln oder ob diese nicht mehr vom Anwendungsbereich des „staatsvertraglichen Kollisionsrechts“59 erfasst sind. Trifft letzteres zu, dann wäre eine vertragliche Qualifikation von vornherein ausgeschlossen. In Betracht käme nur noch die Subsumtion unter die deliktischen Anknüpfungsregeln des autonomen deutschen Verweisungsrechts, mithin unter die Art. 40 ff. EGBGB, oder – falls diese ebenfalls nicht „passen“ sollten – die Entwicklung einer eigenständigen, ungeschriebenen Anknüpfungsregel.

a) Anwendbarkeit der Art. 27 ff. EGBGB bzw. des EVÜ Die Nichterwähnung60 der vorvertraglichen Haftung in den Art. 27 ff. EGBGB bzw. in den Vorschriften des EVÜ könnte zu der Annahme verleiten, dass die Regelungen keine Geltung für das Qualifikationsproblem der Haftung aus culpa in contrahendo beanspruchen, die Beantwortung dieser Rechtsanwendungsfrage mit Hilfe des Internationalen Vertragskollisionsrechts also von vornherein ausscheidet, weil keine expliziten Regelungen hierzu existieren. Nach der amtlichen Überschrift des ersten Unterabschnitts regeln die Art. 27 ff. EGBGB das Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse. Ebenso begrenzt Art. 1 Abs. 1 EVÜ den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens auf vertragliche Sonderverbindungen. Daraus könnte man schließen, dass das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen nicht von diesen Normen erfasst wird, weil es gesetzlicher Natur ist. Auf der anderen Seite ist die Haftung für vorvertragliche Pflichtverletzungen nicht explizit vom Anwendungsbereich der Art. 27 ff. EGBGB bzw. des Übereinkommens ausgeschlossen. Die Art. 37 EGBGB sowie Art. 1 Abs. 2 und 3 EVÜ enthalten keine dahingehende Aussage. Zudem erweitern die Artt. 31, 32 EGBGB bzw. Artt. 8, 10 EVÜ den Geltungsbereich der vertraglichen Kollisionsregeln. Das Vertragsstatut entscheidet demnach über den gesamten Bereich vom Zustandekommen des Vertrages über dessen Erfüllung bis zu seiner Rückabwicklung. Auch die Folgen der Vertragsnichtigkeit sind erfasst, obwohl ein nichtiger Vertrag von Anfang an keine (vertraglichen) Rechtswirkungen entfaltet. Die den Geltungsbereich des Vertragsstatuts absteckenden Normen zählen dabei nur Beispielsfälle auf, regeln den Anwendungsbereich somit nicht abschließend. Dies lässt sich der Formulierung „insbesondere“ in Art. 32 Abs. 1 EGBGB (Art. 10 Abs. 1 EVÜ) entnehmen.61 Folglich bliebe hier noch Spielraum für nicht explizit erwähnte 59 60

Zum staatsvertraglichen Ursprung der Art. 27 ff. EGBGB: Teil C. I. 1. Vgl. Teil C. I. 2.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Rechtsfragen, die eine den vertraglichen Schuldverhältnissen vergleichbare international-privatrechtliche Beurteilung erfordern. Diese relativ weite Grenzziehung spricht dafür, Schadensersatzansprüche wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen nicht aufgrund der bloßen Nichterwähnung in den genannten Regelungen generell von deren Anwendungsbereich auszuschließen. Vielmehr ist zunächst grundsätzlich davon auszugehen, dass alles, was bei funktionaler Betrachtungsweise in engem Zusammenhang mit der Abwicklung und Entstehung von vertraglichen Schuldverhältnissen steht, auch dem Geltungsbereich des Vertragsstatuts unterfallen kann.62 Obwohl die Haftung aus culpa in contrahendo keinen ausdrücklichen Niederschlag in den Art. 27 ff. EGBGB bzw. dem Schuldrechtsübereinkommen gefunden hat, bleibt die Anwendbarkeit dieser Verweisungsnormen möglich.

b) Vertragliche Qualifikation Zunächst soll die Möglichkeit einer vertraglichen Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen untersucht werden.

aa) Der Vertragsbegriff des EGBGB (EVÜ) Das auf ein vertragliches Schuldverhältnis anzuwendende Recht richtet sich mangels Rechtswahl63 zunächst64 nach den objektiven Anknüpfungskriterien des Art. 28 EGBGB (Art. 4 EVÜ). Diese Norm erfasst alle Arten von Schuldverträgen.65 Zwar ist der Vertragsbegriff des EGBGB (EVÜ) im Gesetz nicht ausdrücklich definiert worden. Er setzt aber jedenfalls eine Willenseinigung der Beteiligten voraus.66 In europäisch-autonomer Terminologie spricht man vom Vorliegen einer „freiwillig eingegangenen Verpflichtung“. Mit diesen Worten hat der EuGH den Begriff des Vertrages in der EuGVO beschrieben.67 Es liegt nahe, diese Definition für das EVÜ – und damit auch für das EGBGB gem. Art. 36 – zu übernehmen, da sich beide Regelwerke ergänzen.68 Gleichlautenden Begrifflichkeiten in komple61 Vgl. auch: Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (64); BT-Drucks. 10 / 504, S. 82; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 2, 21. 62 Siehe auch unten: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). 63 Dazu: Teil E. I. 4. c). 64 Vgl. die Sonderanknüpfungen für Verbraucher- und Arbeitsverträge gem. Art. 29, 30 EGBGB (Art. 5, 6 EVÜ). 65 Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 14. 66 Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 8. Vgl. zu diesem Kriterium im Rahmen der EuGVO nächste FN. 67 Vgl. unten: Teil E. II. 1. d) aa).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

mentären Kodifikationen sollte nämlich im Interesse der Rechtsicherheit möglichst ein gleicher Inhalt zugemessen werden. Demnach beruht eine schuldvertragliche Sonderbeziehung auf einer privatautonomen Selbstbindung.69 Die Reichweite dieses Vertragsverständnisses ist damit jedoch nicht randscharf abgegrenzt und bedarf einer weiteren Präzisierung. So können einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte möglicherweise ebenfalls als „vertraglich“ i. S. d. Art. 28 EGBGB (Art. 4 EVÜ) eingestuft werden, denn der international-privatrechtliche Vertragsbe-griff ist von national-rechtlicher Dogmatik weitgehend unabhängig. Dass im deutschen Sachrecht zur Begründung eines Vertrages übereinstimmende Willenserklärungen zweier Personen notwendig sind,70 hat nicht zwingend ein ebensolches Verständnis im Kollisionsrecht zur Folge. Die Grenzen der dort verwendeten Begrifflichkeit des Vertrages mögen weiter gesteckt sein. Ob es einer zweiseitigen freiwilligen Selbstverpflichtung bedarf, lässt sich aus der genannten Vertragsdefinition nicht entnehmen. Eine Situation, in der eine „von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung“71 besteht, muss nicht immer ein mehrseitiges Rechtsgeschäft betreffen, sondern kann genauso gut die verbindliche Willenserklärung von nur einer Person meinen. Andererseits scheint aber das EGBGB (EVÜ), das sich in der amtlichen Überschrift zum ersten Unterabschnitt des fünften Abschnitts (Art. 1 Abs. 1 EVÜ) auf vertragliche Schuldverhältnisse beschränkt, eine beidseitige Bindung vorauszusetzen. Zwar ergibt sich aus der Regelung zur Bestimmung des Formstatuts in Art. 9 Abs. 4 EVÜ, dem der Art. 11 Abs. 1 EGBGB inhaltlich entspricht72, dass ein einseitiges Rechtsgeschäft nicht vollständig dem Geltungsbereich des EGBGB (EVÜ) entzogen sein muss. Es muss sich jedoch dann um ein solches handeln, „das sich auf einen geschlossenen oder zu schließenden Vertrag bezieht“, beispielsweise um einen Schulderlass oder eine Kündigung. In allen anderen Fällen, in denen eine einseitige Verpflichtung unabhängig von einem Vertrag entstanden ist, soll nach dem Giuliano / LagardeBericht zum EVÜ eine Subsumtion unter Art. 9 Abs. 4 EVÜ (Art. 11 Abs. 1 EGBGB) und auch unter jeden anderen Artikel des Übereinkommens mangels vertraglichen Charakters ausscheiden.73 Demnach fallen einseitige Rechtsgeschäfte nur ausnahmsweise unter die Regelungen des EVÜ. Eine Erweiterung des Vertragsbegriffs findet nicht statt. Dennoch werden die vertraglichen Verweisungsregeln von der deutschen Literatur und Rechtsprechung teils in direkter74, teils – was auf68 Allerdings ist damit noch nicht ausgesagt, dass die Vertragsbegriffe von EGBGB / EVÜ und EuGVO völllig deckungsgleich sind (siehe unten: Teil E. II. 1. d) aa) (3)). Vgl. dazu außerdem: Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (651 f.). 69 Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 8. 70 Vgl. statt vieler: Brox, BGB AT, § 4, Rn. 77. 71 EuGH 17. 06. 1992 – 26 / 91, Handte / TMCS, Slg. 1992, I-3967 (I-3994, Nr. 15); 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7393, Nr. 23). 72 Palandt / Heldrich, Art. 11 EGBGB, Rn. 1. 73 Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, 33 (61). Vgl. auch: Wolf, IPRax 2000, 477 (479).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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grund des eben Gesagten vorzugswürdig erscheint – in analoger75 Anwendung für die Anknüpfung einseitiger Leistungsversprechen fruchtbar gemacht. Die vorstehenden Ausführungen zeigen die Abgrenzungsschwierigkeiten auf, die bei der Beantwortung der Qualifikationsfrage, welche Rechtsverhältnisse noch unter den Begriff des Schuldvertrags im international-privatrechtlichen Sinne subsumiert werden können und welche nicht, entstehen können. Selbst wenn man den Vertragsbegriff auf einseitige Rechtsgeschäfte ausdehnt, so bleibt als Voraussetzung jedenfalls das Erfordernis zumindest einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung, nach deutscher Rechtsterminologie also des Vorliegens einer Verpflichtung aufgrund einer Willenserklärung, bestehen. Im deutschen Sachrecht setzt die Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen jedoch nur die Aufnahme von Vertragsverhandlungen i. S. v. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB voraus. Dafür bedarf es keiner Willenserklärung, denn bei dem Eintritt in die Verhandlungen handelt es sich nur um einen Realakt.76 Nach kollisionsrechtlichem Verständnis reicht ein Realakt ebenfalls nicht für die Begründung einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung aus, so dass die vorvertragliche Sonderverbindung der culpa in contrahendo nicht direkt vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst wird. Ein Vertrag i. S. d. Internationalen Privatrechts liegt nicht vor. Auch wenn der Begriff des Vertragsverhältnisses im EGBGB (EVÜ) nicht so weit ausgelegt werden kann, dass ihm die vorvertragliche Haftung aus culpa in contrahendo ebenfalls unterfällt, so bedeutet dies noch nicht, dass die Anwendbarkeit des Vertragsstatuts von vornherein ausgeschlossen ist. Zwar kann die Geltung der vertraglichen Verweisungsnormen nicht mit einem Vorwirken des Vertrages begründet werden, weil die Ansprüche aus culpa in contrahendo aufgrund der Verletzung von Pflichten aus einem selbständigen vorvertraglichen Schuldverhältnis entstehen, das kein Teil des Schuldvertrages ist. Dies gilt auch für das Kollisionsrecht.77 Wenn Sandrock also – bildlich gesprochen – das ganze „Leben“ des Vertrages den vertraglichen Verweisungsregeln unterstellen will,78 so beginnt dieses folgerichtig erst mit dessen „Geburt“, also der Willenseinigung der Parteien. In dem vorhergehenden Stadium der Vertragsverhandlungen „lebt“ dagegen das vorvertragliche Schuldverhältnis. Es gilt aber zu beachten, dass Rechtsbereiche, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis stehen, nach Art. 31, 32 EGBGB dennoch von 74 Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 8; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 28 EGBGB, Rn. 521 f.; Staudinger / Magnus, Einl. zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. A 62, Art. 28 EGBGB, Rn. 598; S. Lorenz, IPRax 2002, 192 (195). 75 OLG Nürnberg NJW 2002, 3637 (3639); Palandt / Heldrich, Vorb. v. Art. 27 EGBGB, Rn. 2; Dörner, in: FS Kollhosser, Bd. II, S. 75 (85); Wolf, IPRax 2000, 477 (478, 481). 76 Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 45. Vgl. auch: Flume, Rechtsgeschäft, § 10, S. 129, § 33, S. 617. 77 Dörner, JR 1987, 201 (202). 78 Oben: Teil E. I. 2. a) dd).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht beherrscht werden können. Die genannten Vorschriften sind mithin keine selbständigen Kollisionsnormen.79 Sie erweitern auch nicht den Vertragsbegriff, sondern präzisieren lediglich den Umfang, d. h. die Reichweite, des Vertragsstatuts.80 Dieses gilt demnach nicht nur für das vertragliche Schuldverhältnis als solches, sondern für alle damit in untrennbarer Beziehung stehenden Rechtsfragen, beispielsweise für die Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen im Wege der Leistungskondiktion gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB.81 Im Gegensatz zum weiten Vertragsbegriff der EuGVO82, der deshalb erforderlich ist, weil es an Konkretisierungsregelungen wie Art. 31, 32 EGBGB fehlt, ist der des EGBGB (EVÜ) aufgrund eben dieser Regelungstechnik enger gefasst. Ein zu weites Verständnis des kollisionsrechtlichen Vertragsbegriffs würde diese Vorschriften aushöhlen, denn was schon durch Auslegung unter den Terminus des Schuldvertrages fällt, das muss nicht noch einmal explizit geregelt werden. Daraus folgt für die Ansprüche aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis, dass sie zwar nicht direkt unter den Begriff des Vertrages i.S.v. Art. 28 EGBGB zu subsumieren sind, die Geltung des Vertragsstatuts möglicherweise gleichwohl über die Art. 31, 32 EGBGB erreicht werden kann. Begreift man diejenigen Rechtsverhältnisse, die dem Vertragsstatut unterliegen, als „vertragliche“, und nicht nur diejenigen, die unter den Vertragsbegriff selbst subsumiert werden können, dann kann insofern auch von einer vertraglichen Qualifikation gesprochen werden.83 bb) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB Das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Vertrages beurteilen sich gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB (Art. 8 Abs. 1 EVÜ) nach dem hypothetischen Vertragsstatut. Die Norm betrifft das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der erforderlichen Willenseinigung als Voraussetzung für einen Vertragsabschluss. Während das Zustandekommen den äußeren Tatbestand des Vertragsschlusses beschreibt, also das zum Vertragsabschluss führende Handeln der Parteien, geht es bei der Wirksamkeit um den inneren Vertragsabschlusstatbestand.84 Im ersten Fall sind insbesondere die Einigung durch Angebot und Annahme, im zweiten Fall AnwKo / Leible, Bd. 1, Art 32 EGBGB, Rn. 2. Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 31 EGBGB, Rn. 1. 81 Vgl. Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB, Rn. 7 m. w. N. 82 Vgl. unten: Teil E. II. 1. d) aa) (3). 83 Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff „vertragliche Qualifikation“ in diesem Sinne verstanden. 84 MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 6 f.; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 15 ff., 18 f.; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 13. 79 80

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Willensmängel, Nichtigkeit aufgrund eines Gesetzes- oder Sittenverstoßes usw. zu nennen.85 Bei wortlautgenauer Auslegung ist es deshalb nicht möglich, die Entstehung eines rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses unter diese Vorschrift zu subsumieren. Sein Zustandekommen richtet sich ja nicht nach den Willenserklärungen der Parteien, sondern wird im deutschen Sachrecht vom Gesetz in den von § 311 Abs. 2 und 3 BGB vorgesehenen Konstellationen angeordnet. Vom internationalprivatrechtlichen Vertragsbegriff sind solche Schuldverhältnisse nicht mehr erfasst. Es fehlt am Vorliegen der vertraglichen Tatbestandsvoraussetzungen. Gesetzliche Sonderverbindungen können nicht direkt unter Art. 31 Abs. 1 EGBGB subsumiert werden, da diese Norm sich nur unmittelbar auf den Vertrag als solchen bezieht. Werden die aus der vorvertraglichen Sonderverbindung resultierenden Pflichten verletzt, so ergibt sich als Rechtsfolge86 ein Schadensersatzanspruch. In der vorliegenden Fallgruppe oblag es der einen Seite, die bis zu einem bestimmten Punkt gediehenen Vertragsverhandlungen nicht ohne triftigen Grund abzubrechen. Fraglich ist, ob Art. 31 Abs. 1 EGBGB die aus diesem Verhalten resultierenden Schadensersatzansprüche erfasst. Das ist aber ebenfalls abzulehnen, da die Norm nur die Rechtsordnung bestimmt, die das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrages feststellen soll. Die Folgen, die aus dem Nichtzustandekommen des Rechtsgeschäfts resultieren können, werden gerade nicht von Art. 31 mit abgedeckt.87 Weder die Voraussetzungen noch die Rechtsfolgen der culpa in contrahendo in der Konstellation des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen können aufgrund einer direkten Subsumtion unter Art. 31 Abs. 1 EGBGB den Kollisionsnormen des Vertragsrechts zugeordnet werden. cc) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB Die Geltung des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts für die hier zu behandelnde Fallgruppe der vorvertraglichen Haftung könnte sich aber aus Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 5 EGBGB ergeben. 85 Palandt / Heldrich, Art. 31 EGBGB, Rn. 3; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 14 ff.; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 243, 247; Kropholler, IPR, § 52, S. 449; Lando, RabelsZ 38 (1974), 6 (39). 86 Trotz der getrennten Untersuchung von Entstehungstatbestand des vorvertraglichen Schuldverhältnisses und der Rechtsfolge des vorvertraglichen Fehlverhaltens, dem Schadensersatzanspruch, ist darauf zu achten, dass beide Aspekte nur einer Rechtsordnung unterliegen sollen. Es besteht jedoch für den Fall einer vertraglichen Qualifikation die Möglichkeit, das Vertragsstatut entweder über Art. 31 oder Art. 32 EGBGB zu berufen, weshalb diese Vorschriften für beide Aspekte jeweils zu untersuchen sind. Ebenso richtet sich ja das Zustandekommen eines Vertrages nach Art. 31 EGBGB, während die vertraglichen Rechtsfolgen in Art. 32 EGBGB geregelt sind. 87 Vgl. Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 28; Kues, S. 185; Nickl, S. 157.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

(1) Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB Das Vertragsstatut ist gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB auch maßgebend für die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung einschließlich der Schadensbemessung. Als „Folgen der Nichterfüllung“ sind die Voraussetzungen – die vom engen Wortlaut der Norm eigentlich nicht erfasst sind – und die Rechtsfolgen der Leistungsstörungen bzw. -hindernisse sowie sonstiger Pflichtverletzungen anzusehen.88 Ob bei einer Vertragsverletzung beispielsweise ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht besteht oder ob Schadensersatz zu leisten ist, richtet sich mithin nach dem Vertragsstatut. Zur Schadensbemessung gehören der Inhalt der Schadensersatzpflicht und die Berechnungsmethoden des Schadensersatzes.89 Nach einer Ansicht sollen neben den Leistungsstörungen auch diejenigen Ansprüche aus culpa in contrahendo, die man als „vertraglich“ bezeichnen könne, von Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erfasst sein.90 Als Beispiel wird die missbräuchliche Verhinderung eines formgültigen Vertragsabschlusses genannt. Versteht man unter den „vertraglichen“ Fallgruppen der culpa in contrahendo in Abgrenzung zu der Verletzung von Schutz- und Erhaltungspflichten alle anderen unter dieses Rechtsinstitut zu subsumierenden Fallgestaltungen, so wäre auch der ungerechtfertigte Abbruch von Vertragsverhandlungen davon erfasst. Fraglich ist allerdings, ob dieses Verständnis noch vom Anwendungsbereich der Norm gedeckt ist. Nach dem Wortlaut der Nr. 3 geht es um die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung „dieser“ Verpflichtungen, womit der Bezug zu der vorhergehenden Nr. 2 der Norm klargestellt wird. Diese handelt von der Erfüllung der Verpflichtungen, die „durch ihn“, den Vertrag, begründet worden sind. Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB regelt also nur vertragliche Verpflichtungen. Solche Leistungsstörungen können aber nur nach Vertragsschluss entstehen. Für Verpflichtungen, die in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis entstehen, fehlt es also bereits an einer phänotypischen Vergleichbarkeit der Tatbestände. Außerdem ist der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo, der sich als Rechtsfolge aus der vorvertraglichen Pflichtverletzung des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen ergibt, nicht darauf gerichtet, eine Leistungsstörung auszugleichen. Vielmehr gilt es, der geschädigten Partei ihren Vertrauensschaden zu ersetzen, der durch das Ausbleiben des in Aussicht gestellten Vertragsschlusses entstanden ist. 88 Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB, Rn. 5; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 31 f.; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 44; Junker, IPR, § 15, Rn 391. 89 Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 38; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 56. 90 Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 32. Für eine entsprechende Heranziehung des Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB jedenfalls für die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten auch: Rauscher, IPR, S. 270.

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Somit scheidet eine Heranziehung des Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB für die Ausdehnung des Vertragsstatuts auf die Fallgruppe der missbräuchlichen Verhinderung des Vertragsschlusses aus. (2) Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB Nach Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB entscheidet das Vertragsstatut auch über die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages. Davon ist auch die Rückabwicklung unwirksamer Verträge, insbesondere die Rückgewähr bereits ausgetauschter Leistungen, erfasst.91 Darauf, ob die Rechtsfolgen, die aufgrund der Nichtigkeit eintreten, vertraglicher oder außervertraglicher Natur sind, kommt es nicht an.92 Geregelt werden somit nur die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages. Die Frage, welche Gründe zur Unwirksamkeit geführt haben, fällt in den Anwendungsbereich des Art. 31 Abs. 1 EGBGB bzw. wird durch Sonderanknüpfungen93 bestimmt. Für die Anknüpfung der Entstehung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses gibt die Vorschrift demnach nichts her. Die Anbahnung eines Vertrages aufgrund von vorvertraglichen Verhandlungen wird nicht erfasst.94 Doch auch die Rechtsfolge des Verhandlungsabbruchs, der Anspruch auf Schadensersatz, fällt nicht in den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB. Die Norm spricht explizit von der Nichtigkeit „des Vertrages“, geht also demnach vom Vorliegen eines solchen aus, auch wenn er nicht wirksam zustande gekommen ist und die bestimmungsgemäßen Rechtswirkungen von Anfang an nicht eintreten. Wie gerade erläutert, fehlt es aber beim Abbruch der Vertragsverhandlungen schon an einem Verhalten, das als Vertragsschluss gewertet werden könnte. Ein Subsumtion dieser Fallgruppe unter Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB ist folglich nicht möglich. (3) „Unbenannter Anwendungsfall“ des Art. 32 Abs. 1 EGBGB Nickl prüft, ob ein Schadensersatzanspruch wegen des unredlichen Abbruchs von Vertragsverhandlungen als „unbenannter Anwendungsfall“ des Art. 32 Abs. 1 EGBGB angesehen werden kann. Die Aufzählung in dieser Norm ist unstreitig nur beispielhaft und nicht abschließend.95 Dies eröffnet Freiräume, die es ermöglichen, nicht ausdrücklich genannte Fallgestaltungen ebenfalls dem Vertragsstatut der Art. 27 ff. EGBGB zuzuordnen. BT-Drucks. 10 / 504, S. 82; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 76. Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB, Rn. 7; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 249; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 28. 93 Beispielsweise die Vertragsnichtigkeit wegen Formmangels nach Art. 11 EGBGB, vgl. MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 131 f. m. w. N. 94 Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 77. 95 Vgl. Gesetzeswortlaut: „insbesondere“. 91 92

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Zuzustimmen ist Nickl insoweit, als unter einem „unbenannten Anwendungsfall“ Fälle von eher untergeordneter Bedeutung, also Randprobleme, subsumiert werden können.96 Die wichtigsten Fragen sind bereits explizit in Art. 32 Abs. 1 EGBGB berücksichtigt worden. Um eine ausufernde Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Vertragsstatuts zu vermeiden, dürfen nur weniger wichtige, aber sehr ähnliche Fallgestaltungen, die im engen Zusammenhang mit der (geplanten) Vertragsbeziehung stehen, als nichtgenannte Anwendungsfälle begriffen werden.97 Aufgrund der Feststellung von Ähnlichkeiten situativer und funktionaler Art zwischen der hier in Rede stehenden Fallgruppe der culpa in contrahendo mit den in Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB geregelten Folgen der Vertragsnichtigkeit kommt Nickl zu dem Schluss, dass ein unbenannter Anwendungsfall des Art. 32 Abs. 1 EGBGB gegeben ist.98 Dieses Ergebnis ist jedoch fragwürdig, weil der Tatsache des fehlenden Vertragsschlusses nicht genügend Bedeutung beigemessen wird. Sämtliche in Art. 32 Abs. 1 EGBGB genannten Beispielsfälle setzen zunächst das Zustandekommen eines Vertrages voraus. Wie Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB zeigt, kommt es nicht auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts, sondern lediglich auf das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale an. Eine vertragliche Beziehung setzt aber jedenfalls formal einen Vertragsschluss voraus.99 Von dem Erfordernis eines Vertragsabschlusstatbestandes für eine direkte Subsumtion unter Art. 32 Abs. 1 EGBGB ist nicht abzurücken. Gleiches muss für einen unbenannten „Anwendungsfall“ gelten. Dieser wird zwar nicht direkt unter eine explizit in der Norm genannte Konstellation subsumiert. Es findet aber aufgrund seiner Ähnlichkeit eine direkte Zuordnung zu der Vorschrift statt. Eine enge Beziehung zu den geregelten Fällen, die lediglich auf eine situative und funktionale Ähnlichkeit gestützt ist, reicht dafür nicht aus. Für die Bejahung einer nicht genannten, aber direkt unter Art. 32 Abs. 1 EGBGB zu subsumierenden Fallsituation ist eine phänotypische Vergleichbarkeit unabdingbar. Alle in dieser Norm ausdrücklich geregelten Beispielsfälle weisen aber das Vorliegen eines Vertragsschlusstatbestandes auf. Bei Schadensersatzansprüchen wegen des missbräuchlichen Abbruchs von Vertragsverhandlungen ist die Haftung gerade in dem Ausbleiben des Vertragsabschlusses begründet. Aufgrund der mangelnden Ähnlichkeit scheidet eine Subsumtion dieser Fallgruppe als „unbenannter Anwendungsfall“ des Art. 32 Abs. 1 EGBGB demzufolge aus. (4) Zwischenergebnis Die Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche wegen unredlichen Vertragsabbruchs können 96 97 98 99

Nickl, S. 57. Vgl. Nickl, S. 58, 159. Nickl, S. 163, 166; siehe oben: Teil E. I. 2. a) cc). Siehe oben: Teil E. I. 4. b) aa).

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weder direkt noch als „unbenannter Anwendungsfall“ unter Art. 31 Abs. 1 oder Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 5 EGBGB subsumiert werden. dd) Anwendbarkeit des Vertragstatuts gem. Art. 31, 32 EGBGB analog Fraglich ist aber, ob nicht über eine analoge Anwendung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB die Geltung des Vertragsstatuts für die Fallgruppe des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen herbeigeführt werden kann, wie es die weit überwiegende Anzahl der deutschen Autoren befürwortet.100 Analogie bedeutet die Übertragung der Rechtsfolge eines bereits gesetzlich geregelten Tatbestands auf einen anderen, wertmäßig aber gleichen, weil rechtsähnlichen Tatbestand unter Überschreitung der Wortlautgrenze zur Füllung einer planwidrigen Regelungslücke.101 Neben dem Vorliegen dieser Voraussetzungen für die hier in Rede stehende Konstellation der vorvertraglichen Haftung muss jedoch auf der Ebene des Kollisionsrechts eine Analogiebildung zunächst überhaupt zulässig sein. (1) Zulässigkeit der Analogiebildung Eine entsprechende Heranziehung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB für die Qualifikation des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs begegnet Bedenken, die sich aus der staatsvertraglichen Herkunft der Art. 27 ff. EGBGB speisen. Der deutsche Gesetzgeber hat die unmittelbare Geltung des EVÜ ausgeschlossen und stattdessen die Normen fast wortgleich ins EGBGB transformiert.102 Zwar sind die Kollisionsregeln für vertragliche Schuldverhältnisse demnach deutsches Recht und als solches grundsätzlich der Rechtsfortbildung durch Analogie zugänglich.103 Das Argument, es handelt sich hierbei um nationales (Verweisungs-)Recht, greift aber zu kurz, weil eine solche Sichtweise das Schuldvertragsübereinkommen als staatsvertragliche Ursprungsquelle dieser Normen nicht genügend berücksichtigt. Der Hinweis auf das EVÜ in Art. 36 EGBGB verbunden mit der Anordnung, die entsprechenden Vorschriften einheitlich auszulegen und anzuwenden, liefe sonst leer. Die analoge Anwendung von aus dem Schuldvertragsübereinkommen stammenden Vorschriften durch einzelstaatliche Gerichte birgt nämlich die Gefahr der „Zersplitterung des Kollisionsrechts“ in sich.104 Zu erörtern ist deshalb, ob eine AnalogieVgl. oben: Teil E. I. 2. a) aa). Palandt / Heinrichs, Einleitung, Rn. 48; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 202. 102 Siehe oben: Teil C. I.1. 103 So für die Haftung eines Dritten aus culpa in contrahendo für eine falsche Bankauskunft gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EGBGB analog: Dörner / Meyer-Sparenberg, JA 1991, Übungsblätter, 5 (8). 104 Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (686). Ähnlich auch: Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 24. 100 101

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bildung durch das Gebot der einheitlichen Auslegung in Art. 36 EGBGB ausgeschlossen ist, weil sie mit dem Harmonisierungsziel des Staatsvertrages kollidieren würde. Teilweise wird die Möglichkeit einer analogen Heranziehung der Art. 27 ff. EGBGB rigoros verneint. Eine solche Rechtsfortbildung vertrage sich nicht mit dem Postulat einer einheitlichen Geltung des EVÜ. Die analoge Anwendung innerstaatlicher Kollisionsnormen sei zwar grundsätzlich möglich, im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse aber nicht mit der Direktive des Art. 36 EGBGB vereinbar. Eine entsprechende Heranziehung dieser Vorschriften staatsvertraglichen Ursprungs auf die vorvertragliche Haftung wegen culpa in contrahendo würde dann nämlich eine Übereinstimmung mit dem Staatsvertrag suggerieren, obwohl es sich bei dieser Rechtsfortbildung nur um innerstaatliches Recht handele.105 Andererseits wird argumentiert, dass die Befugnis nationaler Gerichte zur Lückenschließung mit Hilfe der Bildung von Analogien nicht aufgrund völkerrechtlicher oder nationaler Rechtssätze verboten werden dürfe. Art. 36 EGBGB schränke die nationalen Auslegungsmethoden nicht ein, so dass auch ein Analogieschluss möglich bleibe. Im Rahmen des EVÜ müsse der Richter allerdings die Akzeptanz seiner gefundenen Lösung in den anderen Vertragsstaaten prüfen und berücksichtigen.106 Zunächst ist festzustellen, dass nach der Ratifikation des zweiten Auslegungsprotokolls durch Belgien107 mit dem EuGH nunmehr eine gemeinsame Auslegungsinstanz für das EVÜ zur Verfügung steht. Die dargestellten Ansichten sind jedoch zu einer Zeit geäußert worden, zu der die Protokolle, die dem EuGH die Auslegungskompetenz zubilligen, noch nicht in Kraft getreten waren. Die Kompetenz zur Auslegung des Schuldvertragsübereinkommens lag also einzig in den Händen der jeweils mit einem konkreten Rechtsstreit befassten einzelstaatlichen Gerichte, die grundsätzlich ihren nationalen Interpretationskanon anwandten. Dass auf diesen aber im Rahmen staatsvertraglicher Vorschriften nicht uneingeschränkt zurückgegriffen werden konnte, ergab sich neben der expliziten Vereinbarung einer einheitlichen Auslegung108 auch aus dem Sinn und Zweck des Schuldvertragsübereinkommens. Diese Grundsätze sind mit der Übertragung der Auslegungskompetenz auf den EuGH bestätigt worden. Um eine Rechtsvereinheitlichung erzielen zu können, sind nationale Sonderwege – insbesondere infolge einer Analogie – möglichst zu vermeiden, weshalb Staatsverträge grundsätzlich autonom, d. h. aus sich selbst heraus, auszulegen sind.109 Dieser Maßstab gilt gem. Art. 36 EGBGB auch im deutschen Kollisions105 106 107 108 109

Nickl, S. 62. Reinhart, RIW 1994, 445 (450). Siehe oben: Teil D. II. 1. b). Art. 36 EGBGB entspricht Art. 18 EVÜ. Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (677); vgl. Teil D. II.1. b).

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recht der vertraglichen Schuldverhältnisse.110 Die Verfolgung rein nationaler „policies“ wird damit gestoppt.111 Demzufolge müssen die deutschen Gerichte bei der Auslegung, insbesondere aber bei der Analogiebildung, zunächst die Wertungen des EVÜ112 beachten und zudem Rücksicht auf die Rechtsprechung sowie die Literatur der anderen Vertragsstaaten nehmen, also rechtsvergleichende Überlegungen mit einbeziehen.113 Vor dem Inkrafttreten des Zweiten Brüsseler Auslegungsprotokolls wurde vertreten, dass die Anforderungen an die Rechtsvergleichung nicht zu hoch sein dürften. Sie wäre sonst nur mit Hilfe der Wissenschaft zu leisten und würde zu nicht unerheblichen Verfahrensverzögerungen führen.114 Dies obliegt jetzt – eine Vorlage115 unterstellt – dem EuGH, der insoweit auch die besten Erkenntnismöglichkeiten besitzt. Nach Ansicht des BGH ist eine Analogie im Rahmen der Art. 27 ff. EGBGB dann möglich, „wenn übereinstimmende rechtspolitische Wertungen in den anderen Vertragsstaaten festzustellen sind“.116 Ein generelles Rechtsfortbildungsverbot besteht somit nicht,117 zumal die analoge Anwendung staatsvertraglicher Kollisionsnormen eher zulässig ist als ein Analogieschluss zu Bestimmungen aus „politischen“ Übereinkommen.118 Eine Analogie ist nur insoweit unzulässig, wie es der Schutz und die Erreichbarkeit des angestrebten Harmonisierungsziels erfordern. Entscheidend ist, dass nicht der einheitliche Wille der anderen Vertragsstaaten einer Analogiebildung entgegensteht. Unter dieser Prämisse ist der „europäische Auslegungsimperativ“ von Lorenz zu übernehmen: „Lege die Kollisionsnormen so aus, dass das Ergebnis in Europa akzeptiert werden kann“.119 Vgl. Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (689; 694); vgl. Teil D. II.1. b). Mankowski, IPRax 1991, 305 (308). 112 Dass zunächst auf die ratio der jeweiligen Konvention abzustellen ist, ist ein allgemeiner Grundsatz. Im UN-Kaufrecht findet sich sogar in Art. 7 Abs. 2 eine explizite Regelung: „Fragen, die in diesem Übereinkommen geregelte Gegenstände betreffen, aber in diesem Übereinkommen nicht ausdrücklich entschieden werden, sind nach den allgemeinen Grundsätzen, die diesem Übereinkommen zugrunde liegen, [ . . . ] zu entscheiden, [ . . . ].“ 113 MüKo / Martiny, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 29 f.; Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 24; Mankowski, IPRax 1991, 305 (308; 310); Reinhart, RIW 1994, 445 (447; 450). 114 Vgl. Däubler, RIW 1987, 249 (249 f.), der daraus den Schluss zieht, dass die Berücksichtigung allein des Übereinkommens und seiner Entstehungsgeschichte genüge, solange der EuGH keine Auslegungskompetenz besitze. 115 Dazu siehe sogleich. 116 BGHZ 135, 124 (134); im Anschluss an diese Entscheidung auch: AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 36 EGBGB, Rn 13; Looschelders, Art. 36 EGBGB, Rn. 12; Staudinger / Magnus, Art. 36 EGBGB, Rn. 24. 117 Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 36 EGBGB, Rn. 11; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 24; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 14. 118 Dieser würde einen schweren Eingriff in die nationale Entscheidungsfreiheit der an dem Übereinkommen beteiligten anderen Staaten darstellen, vgl. Mankowski, IPRax 1991, 305 (308 f.). 119 Siehe Mansel, IPRax 1990, 344 (344); vgl. auch: Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (679); ähnlich: Lüderitz, IPRax 1990, 216 (219); kritisch: Mankowski, IPRax 1991, 305 (309). 110 111

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Nunmehr hat der EuGH bei Auslegungszweifeln das letzte Wort, womit die Beantwortung von Fragen der Analogiebildung allein diesem Gericht obliegen könnte, da es sich bei einer solchen gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung immer um nicht im Abkommen ausdrücklich geregelte Fälle handelt, sich mithin jedenfalls Auslegungsfragen stellen. Vorabentscheidungen des EuGH entfalten jedoch Bindungswirkung120 nur gegenüber dem vorlegenden staatlichen Spruchkörper, während sie für alle übrigen Gerichte nur ein Präjudiz darstellen und nicht formell binden.121 Es gilt außerdem zu beachten, dass nach Art. 2 des Ersten Brüsseler Auslegungsprotokolls122 entsprechende Fragen von den obersten Gerichtshöfen des Bundes und den Rechtsmittelinstanzen zur Vorabentscheidung vorgelegt werden „können“. Eine Vorlagepflicht wie in Art. 234 EGV explizit vorgeschrieben und in Art. 68 Abs. 1 EGV für die EuGVO von der h. M.123 hineininterpretiert besteht bereits dem Wortlaut nach nicht. Dies könnte sich zwar ändern, wenn das EVÜ in eine Verordnung umgewandelt wird.124 Zum jetzigen Zeitpunkt steht die Entscheidung der nationalen Gerichte zur Vorlage von Auslegungsfragen aber in deren Ermessen.125 Demnach können die nationalen Gerichte der Vertragsstaaten weiterhin über die analoge Anwendung von Kollisionsnormen im Bereich vertraglicher Schuldverhältnisse befinden. Aufgrund der einheitlichen Auslegung staatsvertraglicher Regelungen ergibt sich aber wohl eine faktische Pflicht zur Klärung von Auslegungsfragen vor dem EuGH und eine Verpflichtung zur Beachtung von dessen höchstrichterlichen Urteilen. Ansonsten bliebe es bei der unbefriedigenden Lage vor der 120 Eine Bindungswirkung der Entscheidungen des EuGH für deutsche Gerichte ist fraglich, da es sich beim EGBGB um nationales Recht handelt, über dessen Auslegung der EuGH nicht entscheiden darf. Wenn ein deutsches Gericht eine Vorlage hinsichtlich der Auslegung von Normen des EGBGB macht, so nur mittelbar mit Hilfe der jeweiligen Parallelvorschrift des EVÜ. Der Gerichtshof legt dann die entsprechende Norm des EVÜ aus. Die Bindungswirkung, auch für das EGBGB, ergibt sich entgegen Art. 1 Abs. 2 ZustimmungsG aus der Ratifikation der Auslegungsprotokolle durch Deutschland und aus Art. 36 EGBGB, vgl. MüKo / Martiny, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 35 f.; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 36 EGBGB, Rn. 22 f.; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (695); vgl. auch: Kohler, EuR 1984, 155 (169). 121 Kropholler, EuZPR, Einl., Rn. 38; Rauscher / Staudinger, EuZPR, Einl. Brüssel I-VO, Rn. 62. 122 Erstes Brüsseler Protokoll betreffend die Auslegung des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, BGBl. 1995 II, S. 916 ff. 123 Vgl. Rauscher / Staudinger, EuZPR, Einl. Brüssel I-VO, Rn. 43 m. w. N. 124 Dann würde Art. 68 Abs. 1 EGV ebenfalls gelten, da die Verordnung Art. 61 lit. c), 65 lit. b) EGV zur Ermächtigungsgrundlage hätte, vgl. Magnus / Mankowski, ZvglRWiss 103 (2004), 131 (131); Mankowski, ZEuP 2003, 483 (483); Martiny, ZEuP 2003, 590 (595 f.) m. w. N. 125 Art. 2 des Ersten Brüsseler Auslegungsprotokolls spricht davon, dass die Gerichte dem EuGH Auslegungsfragen vorlegen können, „wenn sie eine Entscheidung darüber zum Erlass ihres Urteils für erforderlich halten“.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Ratifikation der Auslegungsprotokolle. Bildet ein einzelstaatliches Gericht unter Beachtung der genannten Grundsätze eine Analogie, so kann dies der Rechtsvereinheitlichung schaden, denn ein Gebot für andere Gerichte, zwingend einen vergleichbaren Sachverhalt ebenso zu beurteilen wie das zuerst entscheidende nationale Forum, folgt daraus nicht.126 Auf der anderen Seite werden sich u. U. Gerichte anderer Mitgliedsländer bei Bedarf ebenso für eine solche Rechtsfortbildung entscheiden und damit die Rechtseinheit stärken.127 Allerdings bestünde aufgrund des Gebots zur Rechtsvergleichung auch die Gefahr eines Wettlaufs der Gerichte dergestalt, dass die Richter, die unter Beachtung der oben aufgestellten Analogieregeln zuerst entscheiden, die „Pflöcke ein[schlagen], an denen die anderen sich zunächst orientieren müssen“.128 Die Auslegungskompetenz des EuGH schafft hier somit Abhilfe. Steht der Gerichtshof vor der Frage einer Lückenschließung im EVÜ durch eine Analogiebildung, so richtet er sich ebenfalls nach den soeben beschriebenen Grundsätzen. Um dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung genüge zu tun, ist zu erwarten, dass der EuGH konsequenterweise seine zur EuGVO entwickelten Auslegungsgrundsätze auf das EVÜ übertragen wird.129 Die Kodifikationen ergänzen sich,130 weshalb deren Wertungen größtenteils konform gehen und eine Lösung der bestehenden Verbindungen vermieden werden sollte.131 Mithin ist auch die Rechtsprechung des EuGH zu EuGVÜ und EuGVO relevant für die Zulässigkeit einer Analogie. Nach dem Gesagten ist zu prüfen, ob die Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB (Art. 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 EVÜ) im konkreten Fall entsprechend herangezogen werden können, um die Fallgruppe des missbräuchlichen Abbruchs von Vertragsverhandlungen dem Vertragsstatut zu unterstellen. Eine Analogie ist jedenfalls unzulässig, wenn eine abschließende Regelung vorliegt. Dies ist der Fall, wenn genau bestimmte Tatbestände enumerativ aufgezählt werden.132 Aus diesem Gunde wird von großen Teilen der Rechtsprechung und der Literatur die Ausdehnung des in Art. 29 EGBGB normierten Verbraucherschutzes im Wege einer analogen Anwendung abgelehnt.133 Dieses Argument spricht aber 126 Vgl. Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694); Magnus, RabelsZ 53 (1989), 116 (123); Reinhart, RIW 1994, 445 (449). 127 Mansel, IPRax 1990, 344 (345). 128 Vgl. Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694) unter Bezugnahme auf die Formulierung von Däubler, RIW 1987, 249 (250). 129 Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 20. 130 Siehe oben: Teil E. I. 4. b) aa). 131 Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (682 f.: „substantielle Verknüpfung der beiden Übereinkommen“; 686). 132 Mankowski, IPRax 1991, 305 (309). 133 BGHZ 135, 124 (133 ff.); OLG Hamm NJW-RR 1989, 496; OLG Celle EuZW 1990, 550 (551); AG Wuppertal VuR 1993, 55 (58); Palandt / Heldrich, Art. 29 EGBGB, Rn. 5; Kropholler, IPR, § 52, S. 475 f.; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (685); Mankowski, IPRax

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

nicht gegen einen Analogieschluss zu Art. 32 Abs. 1 EGBGB, der sich nicht ausschließlich auf die ausdrücklich genannten Fallkonstellationen beschränkt. Hier handelt es sich nämlich gerade im Gegenteil nur um eine beispielhafte Aufzählung. Aus dem Wortlaut des Art. 31 EGBGB ergibt sich dies hingegen nicht. Allerdings ist er nach seinem Sinn und Zweck nicht als Sonderanknüpfung, wie Art. 29 EGBGB, zu verstehen. Vielmehr kommt hier das Bestreben zum Ausdruck, alle mit dem Vertragsabschluss zusammenhängenden Fragen einem einzigen Statut, nämlich dem des Vertrages, zu unterstellen.134 Dieser Grundgedanke des einheitlichen Vertragsstatuts soll die getrennte Anknüpfung miteinander verbundener Lebenssachverhalte verhindern. Eine solche Zielsetzung ist nicht auf Ausnahmetatbestände beschränkt, sondern auf rechtsähnliche Konstellationen übertragbar, die eine Anknüpfung an das Vertragsstatut rechtfertigen. Die Analogie zu den Art. 31, 32 EGBGB könnte aber dann mit dem Gebot der einheitlichen Auslegung unvereinbar und folglich unzulässig sein, wenn in allen übrigen Vertragsstaaten diese Haftungskonstellation kollisionsrechtlich anders beurteilt würde. Zwar steht zu vermuten, dass die Mehrzahl der Vertragsstaaten der deliktischen Zuordnung dieser Fallgruppe im Sachrecht auch auf internationalprivatrechtlicher Ebene folgen wird.135 Denn die Notwendigkeit einer vertraglichen Qualifikation drängt sich dort nicht auf, da auf Sachrechtsebene deliktische Generalklauseln greifen und die culpa in contrahendo als rechtsgeschäftsähnliche Konstruktion, wie im deutschen Sachrecht, nicht bekannt ist. Dennoch wird auch außerhalb Deutschlands der Nähe dieser vorvertraglichen Haftung zum schuldvertraglichen Rechtsverhältnis Tribut gezollt. Ein gefestigter einheitlicher Wille aller anderen Mitgliedsländer gegen die Anwendbarkeit des Vertragsstatuts ist nicht auszumachen. Zum einen steht Deutschland nicht allein, sondern in Österreich wird ebenfalls die vertragliche Qualifikation des Abbruchs von Vertragsverhandlungen vertreten.136 Doch auch in den Ländern romanischer Rechtstradition wird zumindest von Seiten der Literatur, die ebenfalls rechtsvergleichend zu berücksichtigen ist, die Geltung vertraglicher Kollisionsnormen für die vorliegende Haftungskonstellation erwogen.137 Wenn nach Ansicht des BGH eine entsprechende Anwendung der dem Art. 36 EGBGB unterliegenden Normen am Fehlen übereinstimmender rechtspolitischer Wertungen bzw. eines einheitlichen Willens der übrigen Vertragsstaaten des EVÜ scheitert,138 dann ist zu konstatieren, dass der missbräuchliche Verhandlungsabbruch in allen Vertragsstaaten unter ähnlichen Voraussetzungen, trotz unterschiedlicher Mittel, jedenfalls vom Sachrecht sanktioniert 1991, 305 (310 ff.); Taupitz, BB 1990, 642 (649); a.A.: OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 1081 (1083); Staudinger / Magnus, Art. 29 EGBGB, Rn. 94; Lüderitz, IPRax 1990, 216 (219). 134 Dazu unten: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). 135 Da das internationale Deliktsrecht noch nicht vereinheitlicht ist, besteht hier auch keine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Anknüpfung in den anderen Mitgliedstaaten der EU. 136 Siehe oben: Teil E. I. 3. 137 Vgl. Nickl, S. 140 ff. mit Beispielen aus der italienischen und belgischen Literatur. 138 BGHZ 135, 124 (134 f.).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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wird, die nationalen „policies“ insoweit also übereinstimmen, während sich auf international-privatrechtlicher Ebene noch keine gefestigte Meinung gebildet hat, wie in solchen Fällen anzuknüpfen ist. Eine unterschiedliche Behandlung dieser Fallgruppe auf Sachrechtsebene als deliktisch und auf international-privatrechtlicher Ebene als vertraglich ist aufgrund europäisch-autonomer Auslegung und funktioneller Qualifikation jedenfalls kein Widerspruch, der entscheidend gegen eine analoge Anwendung der Art. 31, 32 EGBGB sprechen würde. Die Einordnung von Rechtsfragen im nationalen Sachrecht ist gerade nicht maßgeblich für ihre Subsumtion unter das vereinheitlichte Verweisungsrecht.139 Einer Rechtsfortbildung im genannten Sinn könnte jedoch das Urteil des EuGH in der Sache Tacconi / HWS entgegenstehen.140 Der Gerichtshof hat die hier in Rede stehende Fallgruppe dem Deliktsklagengerichtsstand des EuGVÜ zugeordnet und sich somit auf prozessrechtlicher Ebene gegen eine vertragliche Qualifikation ausgesprochen. Aufgrund des engen Zusammenhangs von EuGVÜ und EVÜ würde diese Entscheidung eine analoge Anwendung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB sperren. Nach hier vertretener Ansicht ist – wie unten noch zu zeigen sein wird – die Entscheidung des EuGH abzulehnen. Die Klage hätte am Vertragsklagengerichtsstand anhängig gemacht werden können.141 Demnach soll diese Entscheidung auch nicht der vertraglichen Qualifikation im Internationalen Privatrecht entgegenstehen. Eine analoge Anwendung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB ist grundsätzlich also nicht ausgeschlossen.142 (2) Planwidrige Regelungslücke oder deliktische Qualifikation Erste Voraussetzung einer Analogiebildung ist das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke. Diese kann nur angenommen werden, wenn die Kodifikation einen bestimmten Bereich vollständig regeln will, hinsichtlich einer Fallgestaltung jedoch „schweigt“.143 Ob eine solche Lücke vorliegt, ist aus dem Telos des Regelwerkes selbst zu entnehmen.144 Sie ist gegeben, wenn eine Bestimmung fehlt, die nach Sinn und Zweck der Regelung eigentlich vorhanden sein müsste.145 139 Im Übrigen wird de lege ferenda nach dem Inkrafttreten der Rom II-VO bei deliktischer Qualifikation dieser Fallgruppe möglicherweise eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut in Betracht kommen, siehe unten: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (b). 140 Vgl. dazu unten: Teil E. II. 1. a) cc). 141 Siehe unten: Teil E. II. 1. d) ee). 142 Trotz ihrer staatsvertraglichen Herkunft erfolgt beispielsweise auch eine analoge Heranziehung der Art. 27 ff. EGBGB durch Literatur und Rechtsprechung in Deutschland für einseitige Leistungsversprechen, vgl. OLG Nürnberg NJW 2002, 3637 (3639); Palandt / Heldrich, Vorb. Art. 27 EGBGB, Rn. 2; vgl. außerdem oben: Teil E. I. 4. b) aa). 143 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 191 f. 144 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 194. 145 Larenz / Wolf, Bürgerliches Recht AT, Rn. 78 (S. 93).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Hinsichtlich des EGBGB ist davon auszugehen, dass die Verfasser von einer vollständigen Regelung aller vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse ausgegangen sind. Alle diesem Spektrum zuzuordnenden Rechtsinstitute sollen von den Kollisionsregeln erfasst sein. Auch das EVÜ will die auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechtsordnungen abschließend regeln.146 Wie gesehen, kann die Fallgruppe des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen weder direkt unter die Artt. 27 ff. EGBGB noch unter das EVÜ qualifiziert werden, so dass eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke bestehen könnte.147 Allerdings wäre eine solche zu verneinen, wenn das Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse eine adäquate Regelung für die Entstehung rechtsgeschäftsähnlicher Sonderverbindungen und Schadensersatzansprüche wegen des unredlichen Vertragsverhandlungsabbruchs bereithalten würde, mithin eine Subsumtion unter eine dieser Verweisungsvorschriften gelänge. (a) Deliktische Qualifikation gem. Art. 40 EGBGB Würde man die hier in Rede stehende Fallgruppe der culpa in contrahendo als außervertragliche Haftung begreifen, so wären die Art. 38 ff. EGBGB einschlägig. In Betracht käme dann allerdings nur eine Qualifikation unter Art. 40 EGBGB, der die Voraussetzungen und Folgen unerlaubter Handlungen i. w. S. erfasst, d. h. beispielsweise auch die Gefährdungshaftung.148 (aa) „Weites“ Vertragsstatut Für das Delikts- und gegen das Vertragsstatut würde eine rein durch formale Gesichtspunkte geprägte Sichtweise sprechen. Bei der vorliegenden Fallgruppe ist es eindeutig nicht zu einem Vertragsabschluss gekommen, weshalb auch teilweise das Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse von vornherein für nicht anwendbar erklärt wird.149 Allerdings beurteilt sich die Frage, ob überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist, gem. Mankowski, IPRax 1991, 305 (310). Nimmt man mit Nickl das Vorliegen eines unbenannten Anwendungsfalles an, so bleibt konsequenterweise kein Raum für eine analoge Heranziehung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB. Aufgrund der direkten Anwendung des Art. 32 Abs. 1 EGBGB durch die Subsumtion unter einen nicht explizit in der Norm geregelten aber gleichwohl von ihr erfassten Fall würde es an einer ausfüllungsbedürftigen Lücke fehlen. Sie würde ebenfalls fehlen, wenn man eine „primäre akzessorische Anknüpfung“ oder die Anwendbarkeit des Verhandlungsstatuts bejahen würde. Diese beiden Ansätze beruhen jedoch auf der Schaffung zweier komplett neuer Kollisionsregeln. Bevor ein solcher Weg beschritten wird, ist vorrangig zu überprüfen, ob eine sinnvolle Anknüpfung nicht bereits über eine entsprechende Heranziehung schon vorhandener Regelungen erreicht werden kann. 148 Looschelders, Art. 40 EGBGB, Rn. 15; Palandt / Heldrich, Art. 40 EGBGB, Rn. 3; Kropholler, IPR, § 53, S. 522. 149 Vgl. LAG Frankfurt a.M., IPRspr. 1950 / 51, Nr. 20, 50 (54); Hermes, RIW 1999, 933 (937 f.). 146 147

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Art. 31 Abs. 1 EGBGB nach dem hypothetischen Vertragsstatut. Deshalb kommt es auf das Vorliegen eines Vertragsabschlusses für die Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gar nicht entscheidend an.150 Vielmehr liegt den vertraglichen Kollisionsregeln diesbezüglich ein weites Verständnis zugrunde. Maßgeblich ist der Gedanke der einheitlichen Anknüpfung eines zusammengehörenden Lebenssachverhalts.151 Die vorvertragliche Sonderverbindung bleibt, dogmatisch betrachtet, trotz ihrer Rechtsgeschäftsähnlichkeit gesetzlicher Natur. Das könnte wiederum als Argument für die Anwendung der deliktischen Anknüpfungsregeln vorgebracht werden. Eine solche Meinung lässt sich jedoch nicht vertreten. Auf die Rechtsnatur des Haftungsinstituts im nationalen Sachrecht ist nicht entscheidend abzustellen.152 Vielmehr ist von einem funktionalen Verständnis der international-privatrechtlichen Normen auszugehen. Dies zeigt ja gerade das EGBGB in Art. 32. Hier werden auch Rechtsinstitute dem Vertragsstatut zugeordnet, die mit diesem in funktionalem Zusammenhang stehen, aber sachrechtlich gesehen nicht vertraglicher Natur sind, wie z. B. die in Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB geregelten Fälle der Leistungskondiktion.153 Dass ein vorvertragliches Schuldverhältnis im deutschen materiellen Recht aufgrund gesetzlicher Anordnung entsteht, hat somit nicht zwangsläufig die Anwendbarkeit des Deliktsstatuts zur Folge. Zwar liegt auch kein Vertrag im international-privatrechtlichen Sinne vor, weil es an einer freiwillig eingegangenen Selbstverpflichtung fehlt. Aufgrund der großen Reichweite des Vertragsstatuts bleibt bei ausreichend engem Zusammenhang aber eine Erstreckung der vertraglichen Vorschriften auch auf die in Rede stehende Fallgruppe möglich. (bb) Äußerer Entscheidungseinklang Ferner würde eine deliktische Qualifikation möglicherweise den äußeren Entscheidungseinklang fördern, da die meisten anderen europäischen Staaten in ihren Sachrechten die Haftung im Vorfeld eines Vertrages mit Hilfe des Deliktsrechts lösen und deshalb auch eine deliktische Anknüpfung im Internationalen Privatrecht nahe liegen könnte.154 Die Rechtslage stellt sich jedoch keineswegs so einheitlich dar, dass eine Einordnung dieser Fallgruppe zum Vertragsrecht als völlig ausgeschlossen angesehen werden müsste. Nicht alle Staaten sanktionieren den schuldhaften Verhandlungsabbruch mit Hilfe des Deliktsrechts. Auf kollisionsrechtlicher Ebene wird die von Deutschland und Österreich favorisierte vertragliche Anknüpfung zumindest auch in der italienischen und belgischen Literatur diskutiert. Von Siehe auch oben: Teil E. I. 4. b) bb). Dazu unten: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). 152 Kropholler, IPR, § 17, S. 128. 153 Vgl. BGH IPRspr. 1976, Nr. 16, S. 61 (62); Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB, Rn. 7; Art. 38 EGBGB, Rn. 2; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 66; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 28; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 76. 154 Vgl. oben: Teil B. II. 1., Teil E. I. 3. 150 151

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

einer gefestigten Rechtslage zugunsten des Deliktsstatuts in allen anderen Staaten der Europäischen Union kann somit nicht gesprochen werden.155 Dem äußeren Entscheidungseinklang ist außerdem auch nicht ein so bedeutendes Gewicht zuzumessen, dass er als „Hauptfaktor der internationalen Gerechtigkeit“ angesehen werden kann.156 Als ausschlaggebendes Argument für eine deliktische Qualifikation der Haftung wegen des unredlichen Abbruchs der Vertragsverhandlungen taugt der alleinige Hinweis auf den äußeren Entscheidungseinklang jedenfalls nicht. (cc) Besonderes Näheverhältnis Gegen eine deliktische Qualifikation spricht das durch die Vertragsverhandlungen geschaffene besondere Vertrauens- und Näheverhältnis. Während die Pflicht, andere nicht deliktisch zu schädigen, gegenüber jedermann, also einem offenen Personenkreis gegenüber, besteht,157 werden die vorvertraglichen Loyalitätspflichten dieser Fallgruppe in ihrer Entstehung erst durch die Vertragsverhandlungsbeziehung begründet. Der enge Zusammenhang zu dem geplanten Vertrag, der durch die fortgeschrittenen Verhandlungen entstanden ist, prägt das Verhältnis der Parteien zueinander.158 Sie stehen sich schon wie „Quasi-Vertragspartner“ gegenüber und nicht mehr wie Fremde.159 Demnach sind die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen für jede Seite auch anderer Natur als die allgemeinen deliktischen Verpflichtungen. Frick spricht deshalb treffend von „relativen Pflichten“.160 Ihre Entstehung und ihre konkrete Ausgestaltung sind mit der geschaffenen Verhandlungssituation aufs engste verknüpft. Deshalb bestehen sie auch nur gegenüber dem Personenkreis, der durch die Zugehörigkeit zu diesem vorvertraglichen Schuldverhältnis individualisiert wird. Natürlich ist auch in diesem Rahmen die Begehung von Delikten möglich. Die Nähebeziehung stellt dafür aber keine Voraussetzung dar. Anders jedoch im Rahmen der Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen, wo das Vertrauensverhältnis notwendigerweise vorliegen muss. Es ist demnach keine typische Deliktssituation gegeben. Diese zeichnet sich grundsätzlich dadurch aus, dass beliebige Personen erst aufgrund des Schadensereignisses miteinander rechtlich verbunden werden. (dd) Geeignetheit der deliktischen Anknüpfung Stellt man auf die Funktion der vorvertraglichen Haftung im deutschen Sachrecht ab, dann geht es in erster Linie um den Ausgleich der Schwächen des DeZum EuGH-Urteil in der Sache Tacconi / HWS, vgl. Teil E. II. 1. d). Kegel / Schurig / Schurig, IPR, § 2, S. 140. 157 Reder, S. 138; Firsching, in: Vorschläge und Gutachten, S. 181 (183). Vgl. auch: Köstlin, S. 127; Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1023). 158 Siehe dazu unten: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (a) (aa). 159 Nickl, S. 160. 160 Siehe oben: Teil E. I. 2. a) cc). 155 156

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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liktsrechts.161 Dies könnte für eine deliktische Qualifikation im Internationalen Privatrecht sprechen, weil es dann dem Grunde nach um eine deliktische Haftung ginge.162 Hier bleibt es jedoch grundsätzlich beim oben Gesagten. Losgelöst von der rein nationalen Zuordnung ist das jeweilige Rechtsinstitut nach internationalprivatrechtlichen Kriterien zu qualifizieren. Seinem Sinn und Zweck im materiellen Recht kann allerdings Indizwirkung für die Behandlung im Internationalen Privatrecht zukommen. Handelt es sich nämlich bei den Fallgruppen der culpa in contrahendo eigentlich um Deliktsrecht, so werden die Wertungen der deliktischen Anknüpfung des EGBGB auf diese Rechtsfragen am besten „passen“ und würden demzufolge die Anwendung des Deliktsstatuts erfordern. Auf den ersten Blick nicht ohne Reiz ist eine deliktische Qualifikation aus dem Grunde, dass sie der geschädigten Partei bei anderen als Platzdelikten163 ein Wahlrecht bietet. Gem. Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem Recht des Handlungsortes. Im zweiten Satz dieser Norm wird dem Geschädigten die Möglichkeit eingeräumt, für die Rechtsordnung des Erfolgsortes zu optieren. Das ist Ausdruck eines abgeschwächten Ubiquitätsprinzips.164 Auch der Geschädigte im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses könnte demnach eine für ihn günstige Rechtsordnung wählen. Ob der hier zum Ausdruck kommende besondere Schutz der geschädigten Partei im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhandlungsverhältnisses überhaupt zu rechtfertigen ist, erscheint jedoch bereits fraglich, denn beide Seiten stehen in einer Näheverbindung, die deliktsuntypisch ist.165 Unterstellt man jedoch die Anwendbarkeit der deliktischen Kollisionsnormen, so zeigt sich, dass die Anknüpfungsalternativen des Art. 40 Abs. 1 EGBGB bei Haftungsfragen wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen zu zufälligen Ergebnissen führen. Abzustellen ist auf das vorvertragliche Fehlverhalten der Schädigerpartei.166 Bereits die Bestimmung des Handlungsortes bei einem ungerechtfertigten Abbruch von Vertragsverhandlungen kann Schwierigkeiten aufwerfen. Insbesondere bei Distanzverhandlungen via Telekommunikation ist die Maßgeblichkeit eines bestimmten Ortes nicht einfach zu erklären. Auch fragt sich, auf welchen Ort abzustellen ist, wenn die Verhandlungen an mehreren Stellen stattgefunden haben. Ist die Bestimmung des Handlungsortes möglich, so bedarf es einer Antwort auf die Frage, warum gerade dieser Ort entscheidend sein soll. Der Ort des VerhandSiehe oben: Teil B. I. 3. Vgl. Schlosser, IPRax 1984, 65 (67) zur Auslegung des Vertragsbegriffs in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. 163 Bei diesen fallen Handlungs- und Erfolgsort zusammen. 164 Vgl. von Hoffmann, IPRax 1996, 1 (4); Staudinger, DB 1999, 1589 (1591). 165 Soeben dargelegt: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (a) (cc). 166 Vgl. OLG München WM 1983, 1093 (1097). 161 162

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

lungsabbruchs kann völlig zufällig sein und mit den vorhergehenden Vertragsverhandlungen oder dem intendierten Vertrag überhaupt nichts zu tun haben. Die Anknüpfung an dieses punktuelle Ereignis für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung vernachlässigt, dass sich die Vertragsverhandlungen zumeist als längerer Prozess eines gegenseitigen Annäherns darstellen. Die dafür geltenden Verhaltensmaßstäbe dem Handlungsortrecht zu entnehmen, hieße, sie dem Zufall zu überlassen. Erst im Nachhinein, nämlich wenn es zur Pflichtverletzung bereits gekommen ist, stünde das anwendbare Recht fest. Das widerspricht aber dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit und führt zu Rechtsunsicherheit. Die Standards, nach denen sich die vorvertragliche Beziehung der Beteiligten bestimmt, müssen im Interesse aller bekannt bzw. jedenfalls ermittelbar sein, damit die Parteien ihr Verhalten entsprechend ausrichten können. Eine berechenbare Anknüpfung liegt also nicht nur im Ordnungs-, sondern auch im Parteiinteresse. Außerdem kann die die Verhandlungen abbrechende Partei durch geschickte Wahl des „Tatortes“ ein ihr vorteilhaftes Recht zur Anwendung bringen. Diese Möglichkeit der Einflussnahme auf den internationalen Rechtsstreit zugunsten eines Beteiligten kann maßgebliche Auswirkungen auf das rechtliche Ergebnis haben, da die einzelstaatlichen Deliktsregeln des Sachrechts nicht vereinheitlicht sind. Weiterhin leidet durch diese Wahlmöglichkeit die Vorhersehbarkeit und damit auch die Rechtssicherheit. Diese Konsequenzen mögen im Bereich der unerlaubten Handlung aus „Sympathie mit dem Opfer“167 hinnehmbar sein. Bei einer Deliktsbegehung wird sich jedenfalls das Opfer, das durch die Schädigung überraschend getroffen wird, regelmäßig noch keine konkreten Vorstellungen über ein eventuell anwendbares Recht gemacht haben168, während der Schädiger nicht in besonderer Weise schutzwürdig ist, so dass es hier auf die Vorhersehbarkeit nicht maßgeblich ankommt. Haben aber bereits Vertragsverhandlungen stattgefunden, dann stellt sich die Lage anders dar. Welche Rechtsordnung über die mit dem geplanten Vertrag zusammenhängenden Fragen entscheiden soll, spielt für die Parteien eine große Rolle, weshalb davon auszugehen ist, dass sie sich damit zumindest gedanklich beschäftigt haben. Dass in einer vereinbarten Rechtsbeziehung Probleme entstehen können, die einer rechtlichen Lösung zugeführt werden müssen, ist nicht fernliegend. Es entspricht deshalb rationalen Überlegungen, diese Eventualitäten in die Planungen mit einzubeziehen bzw. insoweit Vorsorge zu treffen. Möglicherweise ist deshalb hinsichtlich der anwendbaren Rechtsordnung bereits eine Abrede erfolgt. Nicht selten wird – zumal bei komplexeren Vertragswerken – schon das Verhandlungsstadium explizit vereinbarten Regelungen unterworfen sein. Auch 167 Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 18, S. 725. Vgl. auch: Köstlin, S. 126, 128; Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (328); Leible / Engel, EuZW 2004, 7 (10). 168 Davon scheint der Gesetzgeber ebenfalls auszugehen, weil er gem. Art. 42 EGBGB nur die nachträgliche Rechtswahl zulässt. Die Notwendigkeit einer antizipierten Wahl des anwendbaren Rechts für zukünftige unerlaubte Handlungen wird anscheinend nicht gesehen, da ansonsten wohl eine entsprechende gesetzliche Regelung erfolgt wäre. Vgl. aber auch Leible / Engel, EuZW 2004, 7 (15).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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wenn dies nicht der Fall sein sollte, so ist zumindest daran zu denken, dass die Parteien den Gesamtprozess von der Kontaktaufnahme bis zum Vertragsabschluss als einen einheitlichen Lebenssachverhalt begreifen werden und es demnach gekünstelt erschiene, wenn unterschiedliche Statute auf die einzelnen Abschnitte Anwendung fänden.169 Vielmehr erscheint es plausibler, dass die Parteien sich in einer solchen Konstellation Vorstellungen über das anwendbare Recht gemacht haben, somit also dessen Berechenbarkeit und die damit verbundene Rechtssicherheit hier eine größere Rolle spielen als im Deliktsrecht. Dem ist durch eine Anknüpfung, die Vorhersehbarkeit schafft, Rechnung zu tragen. Das Vertragsstatut entfaltet mit der Betonung der Parteiautonomie in Form einer vorherigen Rechtswahlmöglichkeit170 deshalb eine große Anziehungskraft auf Schadensersatzansprüche wegen des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs. Gleiches gilt beim Abstellen auf den Erfolgsort. Bei culpa in contrahendo wegen des missbräuchlichen Abbruchs der Vertragsverhandlungen kommt nur der Ersatz reiner Vermögensschäden in Betracht. In diesem Fall ist der Lageort des unmittelbar geschmälerten Vermögens entscheidend, nicht jedoch der Eintrittsort weiterer Schäden.171 Bei verschiedenen Lageorten aufgrund von mehreren Vermögensstücken ist zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten die „Vermögenszentrale“ des Geschädigten maßgeblich, also grundsätzlich sein Wohn- oder Geschäftssitz.172 Auch das Erfolgsortrecht kann damit zu unvorhersehbaren und zufälligen Ergebnissen führen. Der Lageort des geschmälerten Vermögens ist nicht ohne weiteres ersichtlich und auch, wann auf die „Vermögenszentrale“ abgestellt werden muss, weil mehrere Vermögensteile vorliegen, entzieht sich regelmäßig der Kenntnis der anderen Seite. Im Rahmen von bereits laufenden Vertragsverhandlungen ist jedoch die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts, wie gesehen, wichtiger einzuschätzen als im Internationalen Deliktsrecht. Folglich ist eine Anknüpfung der vorliegenden Haftungsfallgruppe wegen vorvertraglichen Verschuldens an den Erfolgsort nicht geeignet. Bei der Anwendung des Deliktsstatuts kommt es zudem immer darauf an, welche Partei konkret von der vorvertraglichen Pflichtverletzung betroffen ist. Eine solche Anknüpfung führt dazu, dass im vorvertraglichen Bereich unterschiedliche Verhaltensstandards gesetzt werden, die sich nach dem jeweiligen Handlungsort und möglicherweise nach dem jeweiligen Erfolgsort richten. Das erscheint im Hinblick auf die Rechtssicherheit und den Grundsatz der einheitlichen Anknüpfung zusammengehöriger Lebenssachverhalte wenig sinnvoll. Zudem wird man dem ungerechtfertigten Verhandlungsabbruch, der die vertrauende Seite zwar überraschend trifft, regelmäßig nicht einen solchen Unwert beiDazu siehe auch unten: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa) . Vgl. dazu noch ausführlicher unten: Teil E. I. 4. c). 171 MüKo / Junker, Ergbd., Art. 40 EGBGB, Rn. 28; Palandt / Heldrich, Art. 40 EGBGB, Rn. 4; Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 96 f. 172 Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 282. 169 170

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

messen können, wie dies bei einer deliktischen Schädigung der Fall ist, was die generelle Bevorzugung des „Opfers“ aufgrund des Ubiquitätsprinzips in einem anderen Licht erscheinen lässt. Jedenfalls ist zweifelhaft, ob der im Internationalen Privatrecht geltende Grundsatz der engsten Verbindung durch eine deliktische Anknüpfung gewahrt bliebe. Ein angemessenes Ergebnis hinsichtlich der für anwendbar erklärten Rechtsordnungen, das auch regelmäßig den Parteierwartungen entsprechen wird, ergibt sich im Fall des Art. 40 Abs. 2 EGBGB, wenn die Beteiligten zur Zeit des Haftungsereignisses in demselben Staat ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Wenn jedoch schon die Regelanknüpfungen für den vorliegenden Fall der culpa in contrahendo unpassend sind, so kann nicht aufgrund eines wertungsmäßig geeigneten Ausnahmetatbestands eine generell deliktische Anknüpfung befürwortet werden. Eine akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 EGBGB kommt schließlich ebenfalls nicht in Betracht. Ob das Bestehen einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung i. S. v. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, an die akzessorisch angeknüpft werden könnte, überhaupt im Rahmen der culpa in contrahendo angenommen werden kann, ist bereits sehr fraglich.173 Selbst wenn ein solcher Kunstgriff gelänge, so scheitert eine „sekundäre akzessorische Anknüpfung“174 aufgrund dieser Norm jedenfalls deshalb, weil Voraussetzung zunächst eine deliktische Qualifikation dieser vorvertraglichen Fallgruppe gem. Art. 40 EGBGB ist, die mit den oben angeführten Argumenten jedoch abzulehnen ist. (ee) Fazit Der äußere Entscheidungseinklang kann nicht als entscheidendes Argument für eine Subsumtion des in Rede stehenden Haftungsanspruchs unter den kollisionsrechtlichen Begriff der unerlaubten Handlung angeführt werden. Das weite Vertragsstatut und das zwischen den Beteiligten bestehende besondere Näheverhältnis sprechen sogar gegen die Anwendung des Art. 40 EGBGB. Die Anknüpfungsregeln des Deliktsstatuts passen zudem nicht auf den vorliegenden Fall. Folglich ist eine deliktische Qualifikation i. S. d. EGBGB abzulehnen. Dieses Ergebnis entspricht darüber hinaus der Zuordnung der culpa in contrahendo im deutschen Sachrecht, wonach es sich zwar um ein gesetzliches, aber vertragsähnliches Schuldverhältnis handelt. Im Bereich der Art. 38 ff. EGBGB kommt der Wertung im materiellen deutschen Recht eine gewisse Indizfunktion zu, die bestätigend herangezogen werden kann, denn die genannten Artikel sind nicht staatsvertraglichen, sondern nationalen Ursprungs, so dass eine funktionale lege fori-Qualifikation – unter Beachtung der Autonomie international-privatrechtlicher Begrifflichkeiten – vorzunehmen ist. Im Gegensatz zur autonomen Qualifikation 173 174

Vgl. unten: Teil E. I. 4. b) dd) (b) (bb). Zu diesem Begriff siehe oben: Teil E. I. 2. a) bb).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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spielt die sachrechtliche Zuordnung somit bei der Auslegung der Anknüpfungsgegenstände ebenfalls eine Rolle.175 Da mithin weder eine Subsumtion des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs unter die vertraglichen noch unter die außervertraglichen Verweisungsregeln gelingt, handelt es sich im EGBGB demnach um eine „offene“176 Lücke, die dem Gesetzgeber nicht bewusst gewesen, also planwidrig, ist. (b) Deliktische Qualifikation aufgrund des „Rom-II“-Entwurfs Eine andere Beurteilung der Qualifikationsfrage könnte sich zukünftig aus dem Verordnungsentwurf der Kommission für das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VOE) ergeben. Wenn diese Verordnung in Kraft tritt, ersetzt sie als unmittelbar geltendes Rechtsinstrument die Regelungen der Art. 38 ff. EGBGB in der Europäischen Union. Bei der Bestimmung des Geltungsbereichs der Rom II-VO ist zu berücksichtigen, dass die Verordnung zur Vervollständigung der Harmonisierung des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts auf europäischer Ebene gedacht ist.177 Sie ergänzt die EuGVO und das EVÜ. Neben dem EVÜ, das die auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechtsordnungen bestimmt, tritt dann die Rom II-VO, um das auf die außervertraglichen Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zu kodifizieren. Damit soll das Internationale Privatrecht hinsichtlich des Rechts der Schuldverhältnisse abschließend geregelt sein. Nur die in dem Übereinkommen bzw. der Verordnung explizit genannten Ausnahmen fallen dann noch aus dem Anwendungsbereich heraus. Konsequenz des Konzepts einer abschließenden Regelung wäre somit, dass mangels ausdrücklicher Erwähnung als nicht erfasster Ausnahmebereich auch die Fallgruppen der culpa in contrahendo entweder von dem einen oder von dem anderen Regelwerk erfasst sein müssten. Was nicht unter das EVÜ fällt, müsste nach Inkrafttreten der Rom II-VO zwangsläufig von dieser geregelt sein. Die Fallgruppe des missbräuchlichen Verhandlungsabbruchs könnte de lege ferenda dem Anwendungsbereich der Verordnung unterfallen. Dieser erstreckt sich auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung und anderer als unerlaubter Handlung.178 Da es sich um einen sekundären Gemeinschaftsakt handelt, sind die Begrifflichkeiten autonom auszulegen und zu qualifizieren.179 Während die erste Gruppe deliktische Sonderverbindungen umfasst, handelt es sich bei der zweiten um „quasi-deliktische“ oder „quasi-vertragliche“ Schuldverhältnisse. Siehe oben: Teil D. II. 1. a). Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 198. 177 Rom II-VOE, KOM (2003) 427 endg., Begründung, S. 5. 178 Vgl. Überschriften Abschnitt 1 und 2 in Kaptiel II, Rom II-VOE, KOM (2003) 427 endg., Begründung, S. 37, 39. 179 Siehe oben: Teil D. II. 1. b). 175 176

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Diese zweite Gruppe ist in Art. 9 Rom II-VOE geregelt. Explizite Erwähnung finden die außervertraglichen Schuldverhältnisse der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 9 Nr. 3 Rom II-VOE) und der Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 9 Nr. 4 Rom II-VOE). Zur culpa in contrahendo schweigt der Verordnungsentwurf. In der Vorschlagsbegründung werden aber die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von vertraglichen und deliktischen Sonderverbindungen angesprochen. Die Einordnung der culpa in contrahendo wird explizit offen gehalten und der Auslegung durch den EuGH überlassen.180 Da der ungerechtfertigte Verhandlungsabbruch nicht direkt unter eine Verweisungsnorm der Art. 27 ff. EGBGB (Art. 3 ff. EVÜ) subsumiert werden kann, käme demnach eine außervertragliche Qualifikation i. S. d. Rom II-VO in Betracht. Dies ist nunmehr auch in Art. 1 Nr. 2 i) des Verordnungsvorschlags Rom I vorgesehen.181 (aa) Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung Der Annahme eines Schuldverhältnisses aus unerlaubter Handlung stehen jedoch teilweise die bereits im Rahmen einer deliktischen Qualifikation gem. Art. 40 EGBGB geäußerten Bedenken gegenüber. Allerdings stellt der Entwurf in Art. 3 Nr. 1 Rom II-VOE aus Gründen der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts für die Parteien, mithin zur Förderung der Rechtssicherheit, nur noch auf den Ort des direkten Schadenseintritts ab182, der dem Erfolgsort in Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB entspricht.183 Der Handlungsort scheidet als Anknüpfungspunkt aus. Dem Ubiquitätsprinzip ist eine Absage erteilt. Würde ein Schadensersatzanspruch wegen missbräuchlichen Verhandlungsabbruchs in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, dann entfiele der in diesem Bezug zu kritisierende Anknüpfungspunkt. Dennoch bleibt es dabei, dass ein besonderes Näheverhältnis zwischen den Beteiligten besteht, das keinen deliktischen Charakter hat. Im Interesse der Beteiligten dieses vorvertraglichen Schuldverhältnisses liegt es, das anwendbare Recht im vorhinein bereits zu kennen, um die Verhaltensanforderungen im Rahmen von Vertragsverhandlungen abschätzen zu können. Die für unerlaubte Handlungen geltende Anknüpfung an den Ort des direkten Schadenseintritts trägt dem genauso wenig Rechnung wie die eingeschränkte Rechtswahlmöglichkeit, die gem. Art. 10 Nr. 1 Rom II-VOE erst nach Eintritt des schädigenden Ereignisses besteht. (bb) Schuldverhältnis aus anderer als unerlaubter Handlung Würde man die Haftung aus culpa in contrahendo wegen des ungerechtfertigten Abbruchs der Vertragsverhandlungen als ein außervertragliches Schuldverhältnis 180 181 182 183

Rom II-VOE, KOM (2003) 427 endg., Begründung, S. 9. Rom I-VOE, KOM (2005), 650 endg., S. 15. Vgl. Rom II-VOE, KOM (2003) 427 endg., Begründung, S. 12 f., 37. Vgl. Leible / Engel, EuZW 2004, 7 (10).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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aus anderer als unerlaubter Handlung begreifen, so wäre grundsätzlich gem. Art. 9 Nr. 1 Rom II-VOE akzessorisch an ein bestehendes Rechtsverhältnis anzuknüpfen. Legt man die in dieser Arbeit verwendete Terminologie zugrunde, so handelt es sich um eine „primäre akzessorische Anknüpfung“.184 Demnach gilt für das außervertragliche Schuldverhältnis dasjenige Recht, das auf ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis anzuwenden ist, wenn zwischen diesem und dem außervertraglichen Schuldverhältnis eine ausreichend enge Verbindung vorliegt. Erste Voraussetzung für eine akzessorische Anknüpfung ist also das Bestehen eines Rechtsverhältnisses185 zwischen den Parteien, an das die außervertragliche Sonderverbindung anknüpft. Als Beispiel nennt Art. 9 Nr. 1 Rom II-VOE einen zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag. Nicht nur für den ungerechtfertigten Abbruch der Vertragsverhandlungen, sondern für alle Fallgruppen der culpa in contrahendo gilt jedoch, dass die vertragsähnliche Sonderverbindung bereits im Vorfeld eines Vertrages entsteht. Im Zeitpunkt der vorvertraglichen Pflichtverletzung besteht gerade noch kein besonderes Rechtsverhältnis, an das die vorvertragliche Beziehung akzessorisch angeknüpft werden kann.186 Der Vertrag ist zwar geplant, kommt zeitlich aber erst nach den Verhandlungen zustande. Mit der Aufnahme geschäftlicher Kontakte im Hinblick auf den späteren Vertragsabschluss treten die Beteiligten in ein besonderes Näheverhältnis ein. Dieses kann nur selbständig angeknüpft werden, da ein vorbestehendes, anderweitiges Rechtsverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert. Teilweise wird jedoch vertreten, dass der Wortlaut des Art. 9 Rom II-VOE nur von einem „bestehenden Rechtsverhältnis“ und nicht von einem „vorbestehenden Rechtsverhältnis“ spricht, weshalb wenigstens diejenigen Fallgruppen der culpa in contrahendo grundsätzlich einer akzessorischen Anknüpfung zugänglich seien, bei denen es trotz der Pflichtverletzung noch zu einem Vertragsabschluss gekommen ist. Dass bereits eine Sonderbeziehung vorgelegen haben muss, sei weder dem Wortlaut der Norm noch der Begründung zwingend zu entnehmen.187 Man könnte sich zudem auf den Standpunkt stellen, dass sich der aufgrund des vorvertraglichen Fehlverhaltens entstandene Schaden in diesen Fällen erst im Vertragsschluss maniSiehe oben: Teil E. I. 2. a) bb). Insoweit ist Art. 9 Nr. 1 Rom II-VOE strenger als Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, wonach auch an eine besondere tatsächliche Beziehung zwischen den Beteiligten akzessorisch angeknüpft werden kann. Neben einem Vertrag sollen als Rechtsverhältnis i.S.v. Art. 9 Nr. 1 Rom II-VOE auch nichtige Verträge und vorvertragliche Beziehungen in Betracht kommen, vgl. Rom II-VOE, KOM (2003) 427 endg., Begründung, S. 24. 186 Frick, S. 207 ff. will – allerdings für die Fälle der Integritätspflichtverletzungen (dazu unten Teil H. I.) – akzessorisch an das „Vertragsverhandlungsverhältnis“ anknüpfen. Das ist bei der vorliegenden Fallgruppe jedenfalls nicht möglich, denn es geht ja gerade um die Anknüpfung dieser Sonderverbindung. Aus dieser Beziehung entstehen ja gerade die vorvertraglichen Pflichten. Sowohl der Entstehungstatbestand als auch die Schadensersatzfolge müssen qualifiziert werden. Das „Vertragsverhandlungsverhältnis“ kann davon nicht getrennt werden. 187 Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (89, FN 226). 184 185

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

festiert und realisiert. Damit entstünde dann zumindest zeitgleich ein Sonderverhältnis, an das akzessorisch angeknüpft werden könnte. Gegen eine solche Sichtweise spricht aber schon die Wortlautauslegung. Die Verordnung ist autonom auszulegen, mithin sind auch die anderen Sprachfassungen hinsichtlich der Formulierung in Art. 9 Nr. 1 Rom II-VOE zu berücksichtigen.188 Sowohl die französische als auch die englische Textversion sprechen von einem vorbestehenden Rechtsverhältnis.189 Auch die Mehrzahl der Autoren in der deutschen Literatur geht bei der akzessorischen Anknüpfung an eine rechtliche Sonderbeziehung im Rahmen von Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB davon aus, dass diese bereits im Zeitpunkt der unerlaubten Handlung bestand,190 obwohl dort auch nicht explizit von einem vorbestehenden Rechtsverhältnis die Rede ist. Gestützt wird diese Ansicht durch Sinn und Zweck der akzessorischen Anknüpfung. Vorrangig soll zwar die einheitliche Anknüpfung zusammengehöriger Lebenssachverhalte erreicht werden, wie dies in aller Regel den Parteiinteressen entspricht.191 Die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit sollen davon jedoch möglichst unbeeinträchtigt bleiben. Wenn die vorbestehende Rechtsbeziehung zwischen den Parteien prägend für das außervertragliche Schuldverhältnis ist, dann rechnen die Beteiligten regelmäßig mit der Anwendbarkeit des das Gesamtverhältnis beherrschenden Statuts, so dass die akzessorische Anknüpfung insofern sogar die Rechtssicherheit fördert. Die Maxime der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts spricht aber gegen die Berücksichtigung eines später zustande gekommenen Vertrages für die kollisionsrechtliche Verweisungsentscheidung. Es hängt nämlich vom Zufall ab, ob es nach der vorvertraglichen Pflichtverletzung überhaupt noch zum Abschluss eines Schuldverhältnisses kommt oder nicht. Eine solche Einzelfallentscheidung führt zu Rechtsunsicherheit. Die Beteiligten müssen bereits vorher wissen, welcher Rechtsordnung sie diejenigen Regelungen entnehmen können, an denen sie ihr Verhalten auszurichten haben. Dieses Argument spricht auch gegen die Zugrundelegung der Annahme eines zeitgleichen Entstehens von Ansprüchen aus culpa in contrahendo und dem späteren Abschluss des Vertrages, auf den dann abzustellen wäre. Zwar ist es richtig, dass sich die vorvertragliche Pflichtverletzung in dem Rechtsgeschäft auswirkt. Maßgeblich für die Berechenbarkeit des anwendbaren Rechts bleibt aber die Nähebeziehung vor dem Vertragsabschluss, weil sich aus ihr die jedem Beteiligten obliegenden VerpflichVgl. die Ausführungen oben: Teil D. II. 1. b). „pre-existing relationship“ bzw. „relationship previously existing between the parties“; „relation préexistante“; die italienische Fassung spricht von einer „relazione preesistente“. 190 Vgl. MüKo / Kreuzer (1998), Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 65 (a.A. nunmehr: MüKo / Junker, Bd. 10, Art. 41 EGBGB, Rn. 15); Palandt / Heldrich, Art. 41 EGBGB, Rn. 4; Staudinger / von Hoffmann, Art. 41 EGBGB, Rn. 1, 11; von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 1 (12 f.); P. Fischer, S. 149, 167, 187; Kropholler, RabelsZ 33 (1969), 601 (626); Leible / Engel, EuZW 2004, 7 (11). Siehe auch: BGHZ 132, 105 (116). Vgl. zum schweizerischen IPRG: ZüKo / Heini, Art. 133 IPRG, Rn. 13, 16; Siehr, in: FS Firsching, S. 269 (283). 191 W. Lorenz, Vorschläge und Gutachten, S. 97 (158). 188 189

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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tungen ergeben. Welche Rechtsordnung diese Standards festlegt, kann nicht nachträglich entschieden werden, denn dies würde dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung widersprechen. Klare und verlässliche Anknüpfungsregeln helfen bei der Einschätzung rechtlicher Risiken und fördern so die Rechtssicherheit sowie – damit verbunden – wirtschaftliche Aktivitäten. Zudem wäre durch die akzessorische Anknüpfung in Art. 9 Nr. 1 Rom II-VOE im Hinblick auf die Qualifikationsfrage der vorvertraglichen Haftung auch nicht viel gewonnen. Zwar können schwierige Abgrenzungen grundsätzlich mittels akzessorischer Anknüpfung abgeschwächt werden.192 Vorliegend würde die Zuordnungsproblematik der einzelnen Fallgruppen der culpa in contrahendo jedoch nur auf eine andere Ebene verschoben. Zunächst müsste entschieden werden, ob es sich um ein Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung oder aus anderer als unerlaubter Handlung handelt. Wenn letzteres bejaht wird, dann käme es maßgeblich darauf an, ob die entsprechende Konstellation vorvertraglicher Haftung eine Verbindung mit dem bestehenden Rechtsverhältnis hat, die eng genug ist, dass eine akzessorische Anknüpfung gerechtfertigt erscheint. Diejenigen Staaten, die in ihrem Sachrecht vorvertragliche Haftungskonstellationen, die im deutschen Recht unter den Begriff der culpa in contrahendo subsumiert werden, mit Hilfe des Deliktsrechts lösen und auf international-privatrechtlicher Ebene deshalb die Anwendung des Deliktsstatuts befürworten, würden nunmehr möglicherweise einen engen Zusammenhang mit einem vorbestehenden Rechtsverhältnis verneinen, damit nicht – quasi durch die Hintertür – doch noch dessen Statut Anwendung fände. Schließlich ist fraglich, ob es sich bei der culpa in contrahendo in der hier in Rede stehenden Fallkonstellation überhaupt um ein außervertragliches Schuldverhältnis aus anderer als unerlaubter Handlung i. S. d. Rom II-VOE handelt. Die zukünftige Rom II-VO ist gegenüber dem EVÜ subsidiär193, so dass sich bei der Subsumtion unter eine vertragliche Verweisungsnorm eine weitere Prüfung erübrigt. Wie gesehen, lässt die Verordnung ausweislich der Begründung ihre Anwendbarkeit auf die culpa in contrahendo offen. Obwohl dieses Rechtsinstitut nicht dem Vertragsbegriff des EVÜ entspricht, weil keine freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliegt, ist also nicht davon auszugehen, dass alle Fallgruppen des vorvertraglichen Verschuldens automatisch als außervertragliche Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung i.S.v. Art. 9 Rom II-VOE anzusehen sind.194 (cc) Fazit Die geplanten Verweisungsregeln der Rom II-VO erfassen die Fallgruppe des Abbruchs der Vertragsverhandlungen nicht adäquat. Mittelbar wird dies auch vom Kodifikationsgeber zugestanden, wenn er trotz des offensichtlichen Qualifikations192 193 194

Vgl. Staudinger / von Hoffmann, Art. 41 EGBGB, Rn. 10; P. Fischer, S. 173 ff. Vgl. Rom II-VOE, KOM (2003) 427 endg., Begründung, S. 9. Anders aber jetzt Art. 1 Nr. 2 i) Rom I-VOE, KOM (2005), 650 endg., S. 15.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

problems keine Anknüpfungsentscheidung fällt, sondern diese dem EuGH überlässt. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass im Entwurf der Rom I-VO nunmehr alle Verpflichtungen aus einem vorvertraglichen Rechtsverhältnis der zukünftigen Rom II-VO zugewiesen werden. Das schlichte Argument, die außervertragliche Qualifikation erfolge in der Mehrheit der Rechtsordnungen in der Europäischen Union, stellt dafür keine ausreichende Begründung dar. Die mehrheitliche Befürwortung einer deliktischen Qualifikation kann nicht ausschlaggebend sein, wo eine unabhängig vom nationalen Sachrecht nach internationalprivatrechtlichen Grundsätzen orientierte Zuordnung erforderlich ist. Die in der Rom II-VO vorgesehene akzessorische Anknüpfung an ein (möglicherweise) später noch zustande gekommenes Rechtsverhältnis führt zu Einzelfallentscheidungen, die nicht geeignet sind, die Ziele der Verordnung, d. h. Vorhersehbarkeit und Bestimmbarkeit der anwendbaren Rechts, zu erreichen. Demnach ist keine direkte Qualifikation unter die Kollisionsnormen der geplanten Rom II-VO möglich. Obwohl sich das EVÜ und die beabsichtigte Rom II-VO ergänzen sollen, bleibt insofern eine Lücke, die mittels Analogie gefüllt werden kann. (c) Ergebnis Weder das Internationale Deliktsrecht im EGBGB noch im Entwurf der Rom II-VO halten adäquate Lösungen für das Qualifikationsproblem der missbräuchlichen Vertragsverhinderung bereit. Diese Konstellation ist einer deliktischen Einordnung nicht zugänglich. Demnach enthalten weder das EGBGB noch die geplante Rom II-VO die erforderlichen Anknüpfungsregeln. Es besteht diesbezüglich eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke. (3) Vergleichbare Interessenlage Die analoge Anwendung einer Gesetzesvorschrift, vorliegend also der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB, kommt nur in Betracht, wenn der zu beurteilende Sachverhalt mit dem gesetzlich geregelten vergleichbar ist, d. h. der Gesetzgeber muss bei einer Interessenabwägung mit den in der Norm niedergelegten Grundsätzen zum gleichen Abwägungsergebnis kommen.195 Die beiden Sachverhalte müssen sich folglich so sehr ähneln, dass sie in ihren rechtlichen Wertungen übereinstimmen.196 Dann ist nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung des Gleichartigen197 eine Ausdehnung der Rechtsfolge auf den nicht geregelten Tatbestand geboten. Maßgeblich für die Frage, ob die gesetzliche Rechtsfolge auf den nicht geregelten Tatbestand „passt“, sind Sinn und Zweck der jeweiligen Norm, also die deren ratio legis.198 195 196 197 198

BGHZ 105, 140 (143). Larenz / Wolf, Bürgerliches Recht AT, Rn. 80 (S. 94). Vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 195. Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 203.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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(a) Vergleichbarkeit der Sachverhalte Zunächst müssten die Entstehung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses und die bei einer Pflichtverletzung daraus resultierenden Rechtsfolgen mit den in Art. 31, 32 EGBGB (Art. 8, 10 EVÜ) geregelten Sachverhalten vergleichbar sein. Es sei darauf hingewiesen, dass es nicht auf die Vergleichbarkeit mit einem Vertrag international-privatrechtlicher Art ankommt, die aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtungen nicht gegeben ist. So stellt die vertragliche Bindung eine freiwillig vereinbarte Möglichkeit zum Rechtsgüteraustausch dar, während die culpa in contrahendo, als gesetzlich angeordnetes Haftungsinstitut, den Rechtsgüter- und Vermögensschutz bezweckt.199 Da eine „vertragliche“200 Qualifikation aber auch über die das Vertragsstatut ausdehnenden Vorschriften der Art. 31, 32 EGBGB erreicht werden kann, ist vielmehr entscheidend, ob sich eine Ähnlichkeit mit den dort niedergeschriebenen Konstellationen feststellen lässt. (aa) Parallele zum Vertragsabschlusstatbestand, Art. 31 Abs. 1 EGBGB In Art. 31 Abs. 1 EGBGB werden der äußere Vornahmetatbestand und der innere Tatbestand des Vertragsabschlusses geregelt.201 Aus Art. 31 Abs. 1 EGBGB lässt sich mithin die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, auch den vorkonsensualen Bereich dem Vertragsstatut zu unterstellen.202 Es geht um die Entstehungsvoraussetzungen des abzuschließenden Rechtsgeschäfts. Diese Situation im Vorfeld des eigentlichen Vertrages ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien sich mit dem Ziel, sich freiwillig rechtlich zu binden, aufeinander zu bewegen und die Schwelle ins Vertragsrecht überschritten haben. Zwar ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Vertrag zustande gekommen, weil es beispielsweise an einer wirksamen Annahmeerklärung fehlt, dennoch stehen die Beteiligten in einem Verhältnis zueinander, das die Erstreckung des Vertragsstatuts darauf rechtfertigt. Auch wenn sie noch nicht Vertragspartner geworden sind, so stellen sich die Fragen der Einigung und der materiellen Wirksamkeit als vertragliche dar. Vergleicht man diesen Sachverhalt mit den Entstehungsvoraussetzungen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses, das der Aufnahme von Vertragsverhandlungen i.S.v. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB entspringt, so ergeben sich Parallelen. Haftungsgrundlage ist – nach h. M. im deutschen Sachrecht – ein zwischen den Parteien entstandener Vertrauenstatbestand.203 Dieses vertragsähnliche Näheverhältnis ermöglicht es, die daran Beteiligten wie Vertragspartner zu behandeln.204 Vgl. Dörner / Meyer-Sparenberg, JA 1991, Übungsblätter, 5 (7). Eine vertragliche Qualifikation setzt nicht voraus, dass ein Vertrag i. S. d. Art. 27, 28 EGBGB vorliegt, vgl. oben: Teil E. I. 4. b) aa). 201 MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 6 f. 202 Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 30; Rauscher, IPR, S. 267. 203 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 163; vgl. auch die obigen Ausführungen: Teil B. 204 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 162. 199 200

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Eine vertragliche Qualifikation würde daher zu einem Gleichlauf von Kollisionsrecht und deutschem Sachrecht führen. Diesem für den deutschen Rechtsanwender erfreulichen Ergebnis kann jedoch auf der autonomen Ebene des vertraglichen Verweisungsrechts keine entscheidende Argumentationskraft beigemessen werden. Abgesehen von der sachrechtlichen Zuordnung lässt sich aber eine phänotypische Ähnlichkeit zu den in Art. 31 Abs. 1 EGBGB geregelten Konstellationen feststellen. Durch längere Verhandlungen ist bereits ein enges Band zwischen den Beteiligten geknüpft worden. Dabei wurde schon ein Großteil der Verhandlungsstrecke zurückgelegt, denn das Zustandekommen einer vertraglichen Sonderverbindung steht unmittelbar bevor. Auch wenn der Hauptvertrag noch nicht geschlossen wurde und keine vertragliche Verbindung i. S. e. Vorvertrages existiert, so stehen sich die Parteien nicht mehr wie Fremde gegenüber.205 Ihre Begegnung hat nichts Zufälliges. Man verhandelt im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel, nämlich den Vertragsabschluss. Dieses Zusammentreffen mit dem Zweck, eine vertragliche Bindung einzugehen, lässt die Beteiligten aus der Anonymität heraustreten, die für das Deliktsrecht typisch ist. Dort werden die Parteien regelmäßig erst durch das Schadensereignis miteinander verbunden, also durch eine ungeplante Begegnung. Das Stadium der Vertragsverhandlungen wird hingegen bewusst und freiwillig betreten. Die Entstehung einer rechtlichen Sonderverbindung hängt zwar nicht vom Parteiwillen, sondern vom rein faktischen Geschehen der geschäftlichen Kontaktaufnahme ab. Diese erfolgt aber aufgrund parteiautonomen Verhaltens. Ein solches Näheverhältnis im Hinblick auf einen zu schließenden Vertrag ist trotz des Fehlens einer rechtsverbindlichen Willensübereinkunft auf abstrakter, von den Kategorien des Sachrechts gelöster Ebene der Situation des Vertragsabschlusses schon sehr nahe. Auch aus ökonomischer Perspektive206 gehört die Haftung wegen des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs aufgrund der ihr zugrundeliegenden rechtsgeschäftsähnlichen Situation eher zum Bereich des Vertrages als zu dem des Delikts.207 Die ökonomische Analyse des Vertragsrechts geht davon aus, dass die Parteien zur Senkung von Transaktionskosten208 die ihnen eingeräumte Privatautonomie nutzen werden. Aus Effizienzgründen würden die Parteien versuchen, eine alle mit dem beabsichtigten Vertrag verbundenen Risiken abdeckende vertrag205 Nickl, S. 160; Moura Vicente, RabelsZ, 699 (711). Vgl. auch: Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1023): „[ . . . ] wirft der Vertrag dergestalt seine Schatten voraus, dass sich die Parteien in einer Sondersituation befinden.“ 206 Zur ökonomischen Analyse des Rechts im Internationalen Privatrecht und in der Rechtsvergleichung siehe: Siehr, in: FS Firsching, S. 269 ff.; Krimphove, ZfRV 1998, 185 ff. 207 Vgl. Mankowski, IPRax 2003, 127 (133). 208 Es muss zwischen primären und sekundären Transaktionskosten unterschieden werden. Erstere betreffen das Zustandekommen und die Durchführung des jeweiligen Vertrages, also beispielsweise auch Rechtsdurchsetzungskosten. Letztere beziehen sich auf Kosten eines alternativen Vertragsabschlusses, insbesondere sog. Abwanderungskosten. Vgl. hierzu: Kittner, Schuldrecht, Rn. 141 ff.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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liche Vereinbarung, einen „vollständigen Vertrag“, zu schließen.209 Sind die Parteien also miteinander bekannt und stehen sie in gezieltem Kontakt zueinander, so ergibt sich die Möglichkeit einer freiwilligen Regelung ihrer Verhältnisse mittels Vertragsschluss. Es findet eine bewusste Vertrauensinvestition statt.210 Im Gegensatz dazu sieht die ökonomische Analyse das Charakteristikum des Deliktsrechts in einer zufälligen Begegnung, die keine sozialen Kontakte oder Verhandlungen voraussetzt, so dass eine vorherige Planung und Absprache über mögliche Schäden ausscheidet.211 Überträgt man diese Abgrenzungsmerkmale auf die vorliegende Fallgruppe, dann ist festzustellen, dass es sich aufgrund der freiwillig eingegangenen Verhandlungssituation nicht mehr um einander fremde Parteien handelt. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, eventuelle Risiken mittels vertraglicher Absprache zu treffen. Demnach wäre aus ökonomischer Sicht das Vertragsrecht betroffen. Zwar können auch zwischen einander bekannten Verhandlungspartnern Delikte verübt werden. Eine vorherige Absprache über zu begehende unerlaubte Handlungen wird es allerdings wohl kaum geben oder es fehlt am Selbstbindungselement.212 Folglich bestätigt die ökonomische Analyse des Rechts die Vertragsähnlichkeit des vorvertraglichen Schuldverhältnisses der hier in Rede stehenden Fallgruppe. Ist das Vertragsverhandlungsverhältnis entstanden, dann ergeben sich für jede Seite Loyalitätspflichten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie nur gegenüber dem jeweiligen Verhandlungspartner bestehen, also relativer Natur sind.213 Der Sonderverbindung kommt gerade deshalb spezielle Bedeutung zu, weil sie Pflichten nur in dem durch diese Beziehung verbundenen Personenkreis entstehen lässt. Das ist vergleichbar mit einem Vertrag, aus dem sich Rechte und Pflichten ergeben, die nur die Vertragspartner berechtigen oder binden (sog. Relativität der Schuldverhältnisse214). Verpflichtungen, die nicht gegenüber jedermann bestehen, verleihen dem Rechtsverhältnis, aus dem sie entstehen, einen vertragsähnlichen Charakter. Die zwischen den Beteiligten eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses bestehende Nähebeziehung ist mit der in Art. 31 Abs. 1 EGBGB geregelten Vertragsabschlusssituation demnach in abstrakter Weise, die für das von sachrechtlichen Kategorien losgelöste Kollisionsrecht ausreichend ist, durchaus vergleichbar.

Kittner, Schuldrecht, Rn. 138 ff.; 147. Mankowski, IPRax 2003, 127 (131). 211 Kittner, Schuldrecht, Rn. 166. 212 Mankowski, IPRax 2003, 127 (131). 213 Frick, S. 170. 214 Erman / Westermann, Bd. I, Einl. § 241 BGB, Rn. 6; Palandt / Heinrichs, Einl. v. § 241 BGB, Rn. 5; Laumann, S. 135. 209 210

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

(bb) Parallele zu den Folgen der Vertragsnichtigkeit, Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB Eine weitere Parallele ergibt sich zu den in Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB geregelten Folgen der Nichtigkeit eines Vertrages. Auch wenn kein Vertragsschluss vorliegt, gleichen sich die Situationen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen und der Vertragsnichtigkeit. Es liegt zwar im ersten Fall keine Willenseinigung und damit kein Vertragstatbestand vor. Die Haftung wird an ein rein faktisches Geschehen geknüpft. In beiden Fällen ist aber Zweck der Verhandlungen die Eingehung einer rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeit, die es zu erfüllen gilt. In beiden Fällen kommt es sodann nicht mehr zum Erfüllungsstadium, da einerseits bereits kein Vertrag zustande gekommen ist oder im anderen Fall der Vertrag nichtig ist, so dass er nicht zur Ausführung gelangt. Ein Unterschied besteht nur in dem Zeitpunkt, in den das die Vertragserfüllung hindernde Ereignis fällt.215 Es hängt damit vom reinen Zufall ab, ob dieses vor oder nach Vertragsabschluss auftritt. Als Resultat steht jedenfalls die fehlende Erfüllung. Im deutschen Sachrecht ergibt sich zudem eine Vergleichbarkeit auf Rechtsfolgenseite. Neben Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812 ff. BGB kann ein nichtiger Vertrag auch Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, z. B. gem. § 122 BGB. Es ist dann das negative Interesse zu ersetzen.216 Beim Schadensersatzanspruch wegen unredlicher Vertragsverhinderung wird ebenfalls nur das Vertrauensinteresse ersetzt, da der Ersatz des positiven Interesses auf einen Kontrahierungszwang hinausliefe.217 Beide Ansprüche schützen den jeweils vertrauenden Teil und damit den Rechtsverkehr. Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB regelt neben der Rückabwicklung unwirksamer Verträge auch Schadensersatzansprüche gegen die die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts verursachende Partei.218 Insbesondere fallen auch Haftungsansprüche wegen der durch Anfechtung hervorgerufenen Nichtigkeit eines Vertrages hierunter.219 Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 122 Abs. 1 BGB würde dementsprechend dem Vertragsstatut unterstehen. Gleiches sollte dann aber für den Anspruch aus culpa in contrahendo gelten, wenn die Vertragsverhandlungen in ungerechtfertigter Weise abgebrochen worden sind. Vgl. auch Nickl, S. 159 f. Palandt / Heinrichs, § 122 BGB, Rn. 4. 217 Siehe oben: Teil B. II. 1. 218 MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 130. Allerdings nicht unstreitig: nach Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (91), sollen Schadensersatzansprüche nicht von Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB erfasst sein. Zwar bezweckt diese Regelung „hauptsächlich“ die Erstreckung des Vertragsstatuts auf Erstattungsansprüche, „die die Parteien einander nach Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages zu gewähren haben“ (so: Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (65). Aus dieser Formulierung folgt aber nicht zwangsläufig der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen als Folge der verursachten Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. 219 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 39; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 78. 215 216

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Demzufolge liegt auch eine Parallele zu der in Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB getroffenen Regelung vor. (b) Geeignetheit der vertraglichen Anknüpfungsregeln Nach ihrem Sinn und Zweck müssten die Art. 31, 32 EGBGB geeignet sein, auf die vorvertragliche Haftung angewendet zu werden. Die Rechtsfolge dieser den Geltungsbereich des Vertragsstatuts absteckenden Vorschriften, nämlich die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach den für Verträge geltenden Anknüpfungsregeln, „passt“ nur dann auf die vorliegende Fallgruppe der culpa in contrahendo, wenn diese den kollisionsrechtlichen Wertungen und Interessen entspricht, die den Verweisungsvorschriften zugrunde liegen. (aa) Einheitsstatut Kollisionsrechtliche Grundwertung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB ist die sog. Einheitstheorie.220 Diese Theorie bringt das Bestreben zum Ausdruck, möglichst die gesamte rechtsgeschäftliche Verbindung einem einheitlichen Statut und demnach einer einzigen Rechtsordnung zu unterstellen.221 Eine getrennte Behandlung von Vornahme- und Wirkungsstatut findet nicht statt, so dass die Nachteile einer Vertragsspaltung entfallen. Die Entstehungsvoraussetzungen und die Wirkungen des Rechtsgeschäfts unterliegen dem gleichen Statut, um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden und die Rechtssicherheit zu fördern.222 Hinzu kommt die Wahrung des inneren Entscheidungseinklangs.223 Außerdem bringen diese Vorschriften zum Ausdruck, dass bei natürlicher Betrachtungsweise Zusammengehöriges auch international-privatrechtlich gleich angeknüpft werden soll.224 Diese Wertung des Gesetzgebers führt dazu, dass das Prinzip der engsten Verbindung, wonach bei der Entscheidung eines internationalen Rechtsstreits für jede Rechtsfrage diejenige Rechtsordnung anzuwenden ist, die am engsten mit ihr verbunden ist und sie deshalb vermutlich am 220 Vgl. MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Vor Art. 11 EGBGB, Rn. 6; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 1; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 2, 21. 221 Vgl. BT-Drucks. 10 / 503, S. 29; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 12; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 10; Kost, S. 76 f.; Kropholler, IPR, § 52, S. 449; Lando, RabelsZ 38 (1974), 6 (39). 222 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 3; MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Vor Art. 11 EGBGB, Rn. 11; ders., Art. 31 EGBGB, Rn. 1; Rauscher, IPR, S. 267; Sandrock, RIW 1986, 841 (848). 223 Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 226; Reder, S. 135. 224 Vgl.: von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (512 ff.); Linke, ZVR 79 (1980), 1 (5 ff.); beide sprechen insoweit von der „formalen Maxime“, während das Prinzip der engsten Verbindung als „materielle Maxime“ bezeichnet wird. Siehe auch: Heldrich, S. 119 f.; ders., in: Vorschläge und Gutachten, S. 361 (372).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

besten regeln kann,225 zurücktreten muss, wenn es in Widerstreit mit dem Einheitsstatut gerät. Der Grundsatz, einen einheitlichen Lebenssachverhalt nicht durch getrennte Anknüpfungen auseinander zu reißen, findet sich auch in einer Reihe anderer Kollisionsnormen, wie beispielsweise in Art. 9 Abs. 4 EVÜ (Art. 11 Abs. 1 EGBGB), der die Einbeziehung einseitiger Rechtsgeschäfte unter das Formstatut des zugrundeliegenden Vertrages regelt226, in Art. 38 Abs. 1 EGBGB, der die Bereicherungsansprüche wegen rechtsgrundloser Leistung dem Vertragsstatut unterstellt, oder in Art. 41 EGBGB, wonach eine wesentlich engere Verbindung deliktischer Ansprüche mit einem anderen Recht zu einer akzessorischen Anknüpfung führt. In all diesen Fällen gilt es, das international-privatrechtliche Prinzip der gemeinsamen Anknüpfung zusammengehöriger Fragen zu verwirklichen. Voraussetzung ist jeweils eine ausreichend enge Verbindung227 zu einem anderen Rechtsverhältnis.228 Diese wird mit Formulierungen wie „[ . . . ], das sich auf einen geschlossenen oder zu schließenden Vertrag bezieht, [ . . . ]“, „[ . . . ] unterliegen dem Recht, das auf das Rechtsverhältnis anzuwenden ist, auf das die Leistung bezogen ist.“ oder „[ . . . ] aus einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung [ . . . ]“ umschrieben. Die Erstreckung des Vertragsstatuts auf die Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen gem. Art. 31, 32 EGBGB analog erscheint mithin dann möglich, wenn ein Vertragsbezug besteht. Fraglich ist jedoch, wie eng dieser Zusammenhang sein muss, damit der Grundsatz der einheitlichen Anknüpfung auf den jeweiligen Sachverhalt angewendet werden kann. Betrachtet man die genannten Vorschriften, so ergibt sich folgendes Bild: Die in Art. 9 Abs. 4 EVÜ dargestellten, sich auf den Vertrag beziehenden einseitigen Rechtsgeschäfte wirken sich direkt auf diesen aus. Die im Giuliano / Lagarde-Bericht genannten Fälle, wie eine Kündigung oder eine Auflösungserklärung229, beeinflussen den Bestand des Vertragsverhältnisses als solches unmittelbar. Es liegt ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen den Rechtsverhältnissen vor. Das gilt ebenso für den Fall des Art. 38 Abs. 1 EGBGB. Die Anknüpfung der Leistungskondiktion an das Schuldstatut erfolgt deshalb, weil sie „nur einen Ausschnitt aus den Rechtsfolgen gescheiterter Schuldbeziehungen“ darstellt.230 Maßgeblich ist also wiederum die enge inhaltliche Verbundenheit mit dem vertraglichen Schuldverhältnis. Am klarsten kommt dieser Gedanke in der Regelung des Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB zum Ausdruck, der die Rückabwicklung eines nich225 Vgl. Staudinger / Magnus, Vorbem. zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 34; Kropholler, IPR, § 4, S. 25 f.; Linke ZVR 79 (1980), 1 (5). 226 Dazu auch schon oben: Teil E. I. 4. b) aa). 227 Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB lässt auch eine tatsächliche Beziehung genügen. 228 Das wird oftmals auch bei einem Vorvertrag zu bejahen sein, der regelmäßig dem Statut des intendierten Hauptvertrages unterliegt, vgl. Geisler, S. 260 f.; Kues, S. 195. 229 Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (61). 230 Vgl. BT-Drucks. 14 / 343, S. 8.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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tigen Vertrages von vornherein dem Vertragsstatut unterstellt und diese mithin als genuin231 vertraglich qualifiziert. Obwohl es sich bei den bereicherungsrechtlichen Ansprüchen i. S. v. Art. 38 Abs. 1 EGBGB um solche gesetzlicher Art handelt, wird das Recht der vertraglichen Ansprüche auf sie angewandt.232 Der Gesetzgeber hat die sich aus einer einheitlichen Anknüpfung ergebende sachgerechte Lösung demnach höher bewertet als den damit einhergehenden Systembruch233, der sich aus der Ausdehnung vertraglicher Kollisionsnormen auf gesetzliche Schuldverhältnisse ergibt. Schließlich wird auch im Rahmen der akzessorischen Anknüpfung über Art. 41 EGBGB das Erfordernis eines sachlichen Zusammenhangs mit einer bestehenden Sonderbeziehung betont.234 Somit ist dann ein für die Anwendung des Schuldstatuts ausreichender enger Bezug der jeweiligen vorvertraglichen Haftungsfallgruppe zu bejahen, wenn ein innerer sachlicher Zusammenhang mit dem abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Vertrag besteht. Nach natürlicher Anschauung ergäbe sich ein zusammenhängender Lebenssachverhalt, der gemäß dem Grundgedanken des Einheitsstatuts in entsprechender Anwendung der Art. 31, 32 EGBGB gleich, d. h. vertraglich, anzuknüpfen wäre. Die Konstellation des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Vertragsverhandlungen bereits dermaßen verdichtet haben, dass zwischen den Parteien ein Vertrauenstatbestand mit Sonderverbindungscharakter geschaffen worden ist. In den meisten Fällen werden die essentialia negotii jedenfalls in ihren Grundzügen schon bestimmbar sein.235 Denn nur wenn der Vertragsschluss als sicher hingestellt worden ist und die andere Partei bereits auf das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts vertraut hat, entsteht im deutschen Sachrecht die Haftung beim Ausbleiben des Vertragsschlusses für die verhandlungsabbrechende Partei. Auf das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts vertraut eine Seite aber regelmäßig nur, wenn man sich über den wesentlichen Vertragsinhalt bereits einig geworden ist und keine bedeutenden Hindernisse, nämlich insbesondere Streitfragen die essentialia negotii betreffend, einem Vertragsabschluss mehr im Wege stehen.236 Aufgrund dieser fortgeschrittenen Verhandlungslage fühlt sich eine Partei sodann möglicherweise schon vertraglich gebunden, weil sie irrtümlich von dem Zustandekommen eines Vertrages ausgeht. Sie wird deshalb eventuell zunächst versuchen, Schadensersatz wegen Nichtleistung Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) aa). AnwKo / Leible, Bd. 1 Art. 32 EGBGB, Rn. 39; Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 76; Mankowski, RIW 1995, 1034 (1035). 233 Vgl. AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 38. 234 Vgl. Staudinger / von Hoffmann, Art. 41 EGBGB, Rn. 11 m. w. H. auf den Meinungsstand, da das Erfordernis eines sachlichen Zusammenhangs nicht unstreitig ist, vgl. Rn. 10. 235 So auch: Nickl, S. 160; Reder, S. 133, 139. Vgl. ebenfalls: OLG Düsseldorf ZMR 2000, 23. 236 Ebenso: Gebauer, Jhb. Ital. Recht 15 / 16 (2002 / 2003), 155 (161). 231 232

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

zu verlangen, was als Nichterfüllungsfolge gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB dem Vertragsstatut unterfallen würde. Die dafür vorrangig zu beantwortende Frage, ob überhaupt ein Vertragsabschluss aufgrund zweier korrespondierender Willenserklärungen gegeben ist, beurteilt sich ebenfalls nach dem auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Recht.237 Ist das Ergebnis negativ, so kommt bei Vorliegen einer Pflichtverletzung aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis stattdessen ein Schadensersatzanspruch wegen culpa in contrahendo in Betracht. Die Haftung ist also bedingt durch das Ausbleiben des Vertrages, auf dessen Abschluss von der geschädigten Partei vertraut worden ist. Es wäre schwerlich einzusehen, warum hier trotz dieses engen Zusammenhangs mit der Vertragsschlussfrage der Grundsatz der einheitlichen Anknüpfung nicht gelten sollte. Die Lehre vom Einheitsstatut will ja gerade den gesamten, bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bildenden Lebenssachverhalt einem einzigen Recht unterstellen. Zwischen dem vorvertraglichen gesetzlichen Schuldverhältnis und der geplanten rechtsgeschäftlichen Sonderverbindung besteht trotz der dogmatischen Selbständigkeit dieser Rechtsfiguren eine innere sachliche Beziehung. Ein Anspruch wird nur gewährt, wenn der in Aussicht genommene Vertragsabschluss in letzter Sekunde scheitert. Eine Seite hat im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages Aufwendungen getätigt, die sich nunmehr aufgrund der vorvertraglichen Pflichtverletzung als Schadensposten darstellen. Dieser Schaden wird nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo ersetzt. Ohne dass ein Vertrag in Rede stünde, gäbe es also keinen Schadensersatz. Es würde sonst an einer Tatbestandsvoraussetzung für die Haftung fehlen. Die Pflichtverletzung und der Schaden stehen demnach im untrennbaren Zusammenhang mit dem Nichtzustandekommen des Vertrages. Das vorvertragliche Fehlverhalten hat sich unmittelbar im Scheitern des anvisierten Vertragsabschlusses ausgewirkt. Für diesen inneren Zusammenhang spricht zusätzlich, dass der vertragliche Haftungsmaßstab die vorvertragliche Haftung beeinflussen kann und deshalb eine einheitliche Beurteilung geboten ist.238 Wenn aber die dem Rechtsgeschäft vorgelagerte Frage des Zustandekommens bereits dem Geschäftsstatut untersteht, so sollten auch die damit eng verbundenen Fragen der dem Zustandekommen des Vertrages vorgeschalteten Verhandlungsphase diesem Statut unterliegen. Für diese Nähe zum Vertrag kann zusätzlich angeführt werden, dass teilweise sogar die Notwendigkeit der culpa in contrahendo beim Abbruch der Vertragsverhandlungen zur Begründung einer Schadensersatzhaftung verneint wird, weil sich durch Auslegung bereits in diesem Stadium vertragliche Ansprüche ermitteln ließen.239 Ob eine rechtsgeschäftliche Absprache angenommen werden kann oder nicht, hängt dabei vom Zufall ab. Die Phase der Verhandlungen im Vorfeld des Vertrages ist einer privat- und parteiautonomen Regelung zugänglich, was für 237 238 239

Nämlich gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB; siehe auch oben: Teil E. I. 4. b) bb). Vgl. LG Düsseldorf IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (82). Vgl. Medicus, Gutachten, S. 479 (502) u. H. a. BGH WM 1976, 923 f.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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einen vertragsähnlichen und gegen einen deliktischen Charakter spricht. Jedenfalls wäre im Fall einer Vertragsabrede naturgemäß das Vertragsstatut betroffen. Wenn es aber teilweise nur eine Frage der Auslegung darstellt, ob bereits eine schuldvertragliche Bindung oder nur ein vertragsähnliches Schuldverhältnis gegeben ist, dann ist ein starker Vertragsbezug zu bejahen. Schließlich bestätigt ein Blick auf die „UNIDROIT-“ und die „Lando-Prinzipien“, dass zwischen der vorliegenden Fallgruppe und dem angestrebten Vertrag ein sachlicher Zusammenhang besteht, der eine vertragliche Qualifikation rechtfertigt. So regeln die „UNIDROIT-Prinzipien“ in Art. 2. 1. 15 Abs. 2 und 3240 u. a. den treuwidrigen Abbruch von Vertragsverhandlungen, obwohl diese Grundregeln ausweislich der Präambel241 nur allgemeine Regeln für Handelsverträge enthalten. Außervertragliche Schuldverhältnisse sind demnach nicht erfasst. Trotzdem hat die Normierung des treuwidrigen Verhandelns in Form des ungerechtfertigten Abbruchs der Vertragsverhandlungen Eingang in dieses Regelwerk gefunden. Art. 2. 1. 15 Abs. 2 und 3 ist als besondere Ausformung des Art. 1.7 Abs. 1 anzusehen, wonach „jede [ . . . ] Partei die Grundsätze von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs im internationalen Handel einhalten“ muss. Dieser Grundgedanke durchzieht das gesamte Vertragsstadium einschließlich der Verhandlungsphase. Durch die Normierung der Haftung für einen unredlichen Vertragsabbruch qualifizieren die „UNIDROIT-Prinzipien“ diesen Schadensersatzanspruch als vertraglich. Auf der Ebene des europäischen Vertragsrechts sind die sog. „Lando-Prinzipien“ zu nennen, deren Ziel es ist, ein gemeineuropäisches Vertragsrecht anzubieten. Art. 1:101 führt dazu aus, dass diese Grundregeln aufgestellt worden sind, um „als allgemeine Regeln des Vertragsrechts in der Europäischen Union angewendet zu werden.“ Mit dieser Formulierung legen die Prinzipien ihren Anwendungsbereich auf das Vertragsrecht fest, behandeln also nur das allgemeine Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse. Allerdings wurde bei diesem Regelwerk ein funktioneller Ansatz gewählt, der die Einbeziehung von Regelungen erlaubt, die in anderen Rechtsordnungen als außervertraglich angesehen werden, weil sie hier dem Delikts- oder Bereicherungsrecht unterstehen. Wenn ein enger Zusammenhang mit vertragsrechtlichen Problemen besteht, sind diese Regeln in den „Lando-Prinzipien“ enthalten.242 Abschnitt 3 normiert die Haftung bei Vertragsverhandlungen. Art. 2. 1. 15 Abs. 2 und 3 der „UNIDROIT-Prinzipien“ lauten: (1) . . . (2) Eine Partei jedoch, die treuwidrig verhandelt oder Verhandlungen abbricht, haftet für die Schäden, die der anderen Partei daraus entstanden sind. (3) Treuwidrigkeit liegt insbesondere vor, wenn eine Partei in der Absicht in Verhandlungen eintritt oder diese fortsetzt, keine Vereinbarung mit der anderen Partei zu erreichen. 241 Der erste Satz der Präambel lautet: „Diese Grundregeln enthalten allgemeine Regeln für internationale Handelsverträge.“ 242 Vgl. von Bar / Zimmermann, Grundregeln, Einführung S. XXVII. 240

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Art. 2:301 Abs. 2 und 3243 sanktioniert in ganz ähnlicher Weise wie die „UNIDROIT-Prinzipien“ neben der Haftung für Verhandlungen entgegen Treu und Glauben auch den unredlichen Vertragsabbruch. Folglich wird in diesem Regelwerk einem Schadensersatzanspruch wegen Abbruchs von Vertragsverhandlungen ebenfalls eine vertragliche Natur beigemessen. Zwar handelt es sich bei diesen Regelwerken um solche für das materielle Recht, denen zudem keine bindende Wirkung zukommt, weil sie nicht regierungsamtlich bestätigt sind. Dennoch ist zu beachten, dass die Prinzipien, ohne durch die Vorstellungen nationaler Rechtsordnungen gebunden zu sein, insofern ähnlich wie das Europäische Kollisionsrecht, allgemeine Grundregeln für das Recht der Handelsverträge und der vertraglichen Schuldverhältnisse aufstellen. Bei der Formulierung dieser Grundsätze haben auch Juristen aus romanischen Ländern mitgewirkt, in deren Sachrechten die Haftung für die ungerechtfertigte Verhinderung des Vertragsschlusses regelmäßig deliktisch eingeordnet wird.244 Dennoch ist der Vertragsbezug einer solchen Konstellation als so stark bewertet worden, dass sie bei funktioneller Betrachtungsweise eine Regelung im Vertragsrecht rechtfertigt. Den „UNIDROIT-“ und den „Lando-Prinzipien“ kommt somit zumindest eine Indizwirkung zu. Sie bestätigen das bereits gefundene Ergebnis, dass ein sachlicher Zusammenhang zu dem geplanten Vertrag besteht. Das Kriterium des Vertragsbezugs setzt nicht das Zustandekommen eines Vertrages voraus. Wie gesehen, ist diese Frage unabhängig von ihrem Ergebnis nach Art. 31 Abs. 1 EGBGB dem hypothetischen Vertragsstatut unterstellt. Für die Geltung der vertraglichen Kollisionsregeln kommt es deshalb gar nicht entscheidend darauf an, ob es im Nachhinein noch zu einem Vertragsschluss gekommen ist oder nicht. Ebenso wird ein einseitiges Rechtsgeschäft gem. § 9 Abs. 4 EVÜ nicht nur den Formerfordernissen eines bereits abgeschlossenen, sondern auch eines noch zu schließenden Vertrages unterworfen, wenn es sich auf diesen bezieht.245 Demzufolge ist es unerheblich, dass in der Konstellation des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs ein Vertragsschluss ausbleibt. Das Nichtzustandekommen des Vertrages wird gerade durch die vorvertragliche Pflichtverletzung herbeigeführt. Deren Auswirkung realisiert sich in dem Fehlen des als sicher in Aussicht gestellten Rechtsgeschäfts und macht damit den sachlichen Zusammenhang, den Vertragsbezug, deutlich. Art. 2:301 Abs. 2 und 3 der „Lando-Prinzipien“ lauten: (1) . . . (2) Wenn jedoch eine Partei entgegen den Geboten von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs verhandelt oder Verhandlungen abgebrochen hat, haftet sie für die Schäden, die sie der anderen Partei zugefügt hat. (3) Ein Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs liegt insbesondere dann vor, wenn eine Partei in Verhandlungen eintritt oder diese fortsetzt, ohne tatsächlich mit der anderen Partei eine Vereinbarung erzielen zu wollen. 244 Dazu bereits oben: Teil B. II. 245 Vgl. auch Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (61). 243

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Legt man somit den Gedanken des Einheitsstatuts zugrunde, wonach zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten und Qualifikationsproblemen ein zusammenhängender Lebenssachverhalt gleich anzuknüpfen ist, dann muss dies auch für Grenzfälle wie die vorliegende Fallgruppe des Verschuldens beim Vertragsschluss gelten. Ein sachlicher Bezug zu dem geplanten Vertrag ist gegeben. Stellt sich die Frage nach dem Zustandekommen des Schuldvertrages als eine vertragliche i. S. d. Internationalen Privatrechts dar, so ist die Haftung für das Erwecken des Vertrauens auf den Abschluss des Vertrages in der anderen Partei ebenfalls den vertraglichen Kollisionsnormen zu unterstellen, da sie die Kehrseite des Nichtzustandekommens des Vertrages bildet. Der Grundsatz der einheitlichen Anknüpfung eines zusammengehörenden Lebenssachverhalts spricht also für eine vertragliche Qualifikation des Abbruchs der Vertragsverhandlungen. (bb) Grundsatz der engsten Verbindung Neben dem Grundssatz der einheitlichen Anknüpfung zusammenhängender Lebenssachverhalte gilt im Internationalen Privatrecht das Prinzip der engsten Verbindung.246 Aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers für das Primat des Einheitsstatuts im Rahmen der vertraglichen Kollisionsregeln kommt diesem Prinzip jedoch nur eingeschränkte Bedeutung zu. Es kann nur bestätigend für die bereits gefundenen Ergebnisse herangezogen werden. Die engste Verbindung liegt vor, wenn die Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen mit dem durch das Vertragskollisionsrecht berufenen Recht grundsätzlich enger verbunden wäre als mit der Rechtsordnung, die durch eine andere Verweisungsregel zur Anwendung gebracht würde. Wie gesehen, ist das Deliktsstatut nicht einschlägig. Die festgestellte funktionale Vertragsähnlichkeit und der sachliche Zusammenhang mit dem Schuldvertrag sprechen für eine sehr enge Verbindung dieser Fallgruppe der culpa in contrahendo mit dem für das vertragliche Sonderverhältnis berufenen Recht. Die Rechtsordnung, die als geeignet angesehen wird, Fragen im Zusammenhang mit einem geschlossenen Vertrag am besten klären zu können, kann für einen vorvertraglichen Haftungsanspruch, der so eng mit einem Vertragsschluss verbunden ist, nicht viel ungeeigneter sein. Selbst wenn man aufgrund einer anderen Bewertung zu dem Ergebnis kommen sollte, dass das Prinzip der engsten Verbindung nicht gewahrt sei, so müsste dieses Resultat wegen des gesetzlich festgeschriebenen Vorrangs des Einheitsstatuts im Bereich der Art. 27 ff. EGBGB akzeptiert werden. An der Maßgeblichkeit des Vertragsstatuts für die vorliegende Fallgruppe ändert sich mithin nichts. (cc) Kollisionsrechtliche Interessenlage Die Anwendung des Vertragskollisionsrechts auf die vorvertragliche Haftung wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen gem. Art. 31, 246

Kropholler, IPR, § 4, S. 25 f. m. w. N.; siehe auch: von Bar, IPR, Bd. II, § 4, Rn. 488.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

32 EGBGB analog müsste auch der kollisionsrechtlichen Interessenlage entsprechen, die hinter der vertraglichen Anknüpfungssystematik steht. Dazu sind die Partei- und Ordnungsinteressen247 zu ermitteln. Die Parteiinteressen erfassen die Erwartungen der an dem internationalen Sachverhalt Beteiligten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Parteien daran interessiert sind, ihre eigene nationale Rechtsordnung zur Anwendung zu bringen, und zwar nicht, weil diese eventuell das für sie vorteilhafteste Recht bereithält, sondern vorrangig aufgrund der „Vertrautheit“ des Heimatrechts im Vergleich zum fremden Recht der anderen Partei.248 Hingegen wollen die Ordnungsinteressen insbesondere den reibungslosen Ablauf des Geschäftsverkehrs gewährleisten.249 Dieses Verkehrsinteresse wird durch Aspekte wie den inneren und äußeren Entscheidungseinklang und die Rechtssicherheit geprägt. Die genannten Interessen können miteinander konform gehen oder sich widersprechen. Im letzten Fall ist dann eine umfassende Einzelfallabwägung vorzunehmen, um zu entscheiden, welches Interesse zurücktreten muss. Ein generelles Überwiegen des einen Interesses gegenüber dem anderen gibt es nicht.250 Folglich ist zu prüfen, wie sich die Interessenlage beim ungerechtfertigten Abbruch von Vertragsverhandlungen darstellt. (α) Interessenlage bei objektiver Anknüpfung Wie oben erläutert, ist aufgrund der funktionalen Ähnlichkeit der vorliegenden Fallgruppe zu den in Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB geregelten Fällen und des sachlichen Zusammenhangs mit dem erst in „letzter Sekunde“ scheiternden Vertrag von einer engen Verbindung zu der Rechtsordnung auszugehen, die durch das hypothetische Vertragsstatut berufen ist. Deshalb unterliegt die vorvertragliche Haftung wegen Verhandlungsabbruchs grundsätzlich dem Anknüpfungssystem des Art. 28 EGBGB. Zunächst ist von der Regelvermutung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB auszugehen. Als Anknüpfungspunkt zur Verwirklichung des Grundsatzes der engsten Verbindung wird auf die den Vertrag typisierende Leistung abgestellt. Die anwendbare Rechtsordnung kann so aus dem Vertrag selbst bestimmt werden.251 Es kommt auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Partei an, die die nach dem geplanten Vertrag charakteristische Leistung erbringen sollte. Greift keine der Vermutungs247 Der Verfasser dieser Arbeit geht von zwei Interessenkategorien aus: dem Parteiinteresse auf der einen und dem Ordnungs- bzw. Verkehrsinteresse auf der anderen Seite. Der Dreiteilung von Kegel, IPR, § 2, S. 134 ff., der zwischen Ordnungs- und Verkehrsinteresse differenzieren will und diese Begriffe nicht als Synonyme ansieht, wird nicht gefolgt. 248 Kegel / Schurig / Schurig, § 2, S. 132, 135. 249 Vgl. Kropholler, IPR, § 5, S. 33. 250 Vgl. Kegel / Schurig / Schurig, IPR, § 2, S. 135. 251 Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 4.

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regeln des Art. 28 Abs. 2 – 4 EGBGB, so beansprucht Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB Geltung. Um das Recht zu ermitteln, mit dem der (in Aussicht genommene) Vertrag am engsten verbunden ist, muss auf die Gesamtheit der Umstände abgestellt werden.252 Auf die Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen übertragen bedeutet das Folgendes: Handelt es sich bei dem geplanten Vertrag um einen solchen, bei dem eine vertragscharakteristische Leistung festgestellt werden kann, und sind zum Zeitpunkt der vorvertraglichen Pflichtverletzung die essentialia negotii schon erkennbar, so gilt das hypothetische Vertragsstatut nach Maßgabe des Art. 28 Abs. 2 EGBGB.253 Zu dessen Ermittlung ist der geplante Vertragsschluss zu unterstellen und dann gemäß der Anknüpfungstechnik zu verfahren. War jedoch ein Vertrag in Aussicht gestellt, dem keine vertragstypische Leistung zugeordnet werden kann, wie beispielsweise bei einem Tauschvertrag254, so bestimmt sich die anwendbare Rechtsordnung gem. Art. 28 Abs. 2 S. 1 EGBGB nach der Grundregel des Art. 28 Abs. 1 EGBGB. Gleiches gilt, wenn die Unbestimmbarkeit der charakteristischen Leistung auf eine fehlende Absprache hinsichtlich der essentialia negotii zurückgeht, so dass im Zeitpunkt des Verhandlungsabbruchs das Gepräge des Vertrages noch nicht erkennbar war. In den allermeisten Fällen wird die Anknüpfungsvermutung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB Geltung beanspruchen. Diese führt dann zu dem gewöhnlichen Aufenthaltsrecht der Partei, die die vertragstypische Leistung erbringen sollte.255 Die Anknüpfung zugunsten des Nichtgeldschuldners erfolgt im Rahmen des Vertragsrechts aufgrund seiner „regelungsintensiveren Pflichtenstellung“.256 Die charakteristische Leistungsverpflichtung wird wegen ihrer „größeren Kompliziertheit“ als gewichtiger bewertet.257 Weil diese Pflicht verwickelter sei, biete sie leichter Anlass zu Rechtsstreitigkeiten.258 Außerdem erbringe diese Partei die Leistung häufig wiederholt in Ausübung ihres Berufes und sei deshalb regelmäßig stärker vom anwendbaren Recht betroffen.259 Die genannten Vorteile können den Leistungsanbieter motivieren, geschäftlich aktiv zu werden.260 Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 35. War der Abschluss eines Verbrauchervertrages i.S.v. Art. 29 EGBGB bzw. eines Arbeitsvertrages i. S. v. Art. 30 EGBGB beabsichtigt, dann gelten für den Anspruch aus culpa in contrahendo diese Sonderanknüpfungen, siehe sogleich: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (cc) (β). 254 Vgl. Palandt / Heldrich, Art. 28 EGBGB Rn. 10. 255 So auch Moura Vicente, RabelsZ, 699 (713). 256 Vgl. dazu und zur Kritik an dem Konzept der charakteristischen Leistung: Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 64 ff. 257 G. Fischer, Verkehrsschutz, § 12, S. 287. 258 Vgl. dazu (allerdings kritisch): RGZ 81, 273 (275); BGH DB 1958, 162; NJW 1960, 1720 (1721). 259 Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 64; G. Fischer, Verkehrsschutz, § 12, S. 287; Kropholler, IPR, § 52, S. 461. 260 Ganssauge, S. 180. 252 253

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Zudem sorgt dieser Anknüpfungspunkt für die Kalkulierbarkeit der lex causae. Dem Geschäftsverkehr „ist gedient, wenn man leicht und sicher geht“.261 Deshalb soll die anwendbare Rechtsordnung für die am Verkehr beteiligten Kontrahenten eines internationalen Rechtsstreits aufgrund klarer Kriterien im Voraus berechnet werden können. Die berechtigten Erwartungen beider Seiten sollen nicht enttäuscht werden.262 Das Ziel der Berechenbarkeit wird mit Hilfe der Vermutungstatbestände des Art. 28 Abs. 2 – 4 EGBGB erreicht. Die für den reibungslosen Ablauf des Geschäftsverkehrs notwendige Rechtssicherheit ist demnach – allerdings auf Kosten des Geldschuldners – gewährleistet. Durch das Konzept der Maßgeblichkeit der charakteristischen Leistung wird also das Verkehrsinteresse verwirklicht. Fraglich ist, ob diese Gewichtung der kollisionsrechtlichen Interessen auf den ungerechtfertigten Abbruch der Vertragsverhandlungen „passt“. Indem man das hypothetische Vertragsstatut für die Qualifikation der vorliegenden vorvertraglichen Haftungsgruppe heranzieht, wird die Benachteiligung des Geldschuldners automatisch mit übertragen. Dörner gibt zu bedenken, dass dieser Automatismus nicht in jedem Fall mit den Parteiinteressen konform gehe. Schließlich träfen beide Parteien im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses wechselseitig spezifische Schutz- und Loyalitätspflichten, von denen keine für die Sonderverbindung charakteristisch sei.263 Beide Seiten seien in dieser Situation gleichermaßen daran interessiert, ihre eigene Rechtsordnung zur Anwendung zu bringen.264 Demnach entspräche die das Verkehrsinteresse berücksichtigende vertragliche Qualifikation nicht dem Interesse des Schuldners der geplanten nicht-charakteristischen Leistung. Allerdings ist schon zweifelhaft, ob davon gesprochen werden kann, dass die Anwendung einer anderen als der eigenen Rechtsordnung zwangsläufig dem Parteiinteresse widerspricht. Es mag sein, dass das Heimatrecht für den Beteiligten gar nicht die für ihn günstigste Lösung bereithält und er deshalb ein Interesse daran hat, ein anderes Recht zur Geltung zu bringen.265 Auch die Fremdheit einer ausländischen Rechtsordnung muss kein durchschlagendes Argument für die Anwendung des inländischen Rechts sein. Ob der Partei ihr Heimatrecht wirklich so vertraut ist, wie üblicherweise behauptet wird, mag dahinstehen. Sie kann sich jedenfalls auf die Geltung eines anderen Rechts einstellen, wenn die Berechenbarkeit der lex causae gewährleistet ist. Das Abstellen auf das Aufenthaltsrecht des Nichtgeldschuldners im Zeitpunkt des Vertragsschlusses genügt dieser Anforderung. Da zu Beginn der Verhandlungen der Vertragstyp grundsätzlich feststeht, ist die Identifizierung des Teils, der durch seinen gewöhnlichen Aufenthalt die maßgebliche Rechtsordnung bestimmt, ohne große Schwie261 262 263 264 265

Kegel / Schurig / Schurig, IPR, § 2, S. 137. Vgl. Kropholler, IPR, § 5, S. 33. Dörner, JR 1987, 201 (202). Dörner, JR 1987, 201 (202); G. Fischer, JZ 1991, 168 (169). Siehe: Heldrich, in: Vorschläge und Gutachten, S. 361 (370).

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rigkeiten möglich. Die Vorhersehbarkeit der anzuwendenden Rechtsordnung aufgrund der klaren vertraglichen Anknüpfungsregeln ist gegeben. Indem das Recht eines Beteiligten die vertragsähnliche Sonderverbindung insgesamt beherrscht, wird außerdem gewährleistet, dass die vorvertraglichen Verhaltensstandards für jeden Verhandlungspartner gleich angeknüpft werden. Eine unterschiedliche Behandlung der den beiden Parteien wechselseitig obliegenden Loyalitätspflichten entspricht regelmäßig nicht dem Parteiinteresse, denn dies würde zu unterschiedlich hohen Anforderungen an die zu beachtenden Sorgfaltsmaßstäbe führen, die je nach nationaler Rechtsordnung strenger oder geringer ausfallen können. Wo ein Sachrecht schon die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht annimmt, da sieht eine andere einzelstaatliche Rechtsordnung die Schwelle zu einem Schadensersatzansprüche auslösenden Verhalten möglicherweise noch nicht als überschritten an. Eine solche Ungewissheit, verbunden mit für die dem strengeren Recht unterworfene Partei nachteiligen Folgen, kann nicht im Parteiinteresse liegen, wenn im Hinblick auf einen Vertragsabschluss verhandelt wird. Bezweckt ist eine vertragliche Bindung, also ein geplanter Güter- oder Leistungsaustausch, der die Berechenbarkeit von Rechten und Pflichten erfordert. Es ist davon auszugehen, dass eine vorhersehbare Anknüpfungsregelung bereits im Vorfeld des Schuldvertrages im Parteiinteresse liegt. Deshalb besteht für vertragliche Schuldverhältnisse auch die Möglichkeit einer vorherigen Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB. Im Gegensatz dazu stellt das Kollisionsrecht der unerlaubten Handlung gem. Art. 40 EGBGB entweder auf den Handlungsort oder den Erfolgsort ab. Für jeden Beteiligten, der eine unerlaubte Handlung begeht, wird grundsätzlich getrennt angeknüpft, so dass unterschiedliche nationale Verhaltensmaßstäbe einschlägig sein können. Demnach handelt es sich hier um eine eher der Einzelfallgerechtigkeit genügenden Anknüpfungsmethodik. Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass die Parteien durch das Schadensereignis regelmäßig zufällig verbunden sind, es sich also nicht um eine freiwillig und geplant eingegangene Beziehung handelt. Wie gesehen, scheidet deshalb eine deliktische Qualifikation des Abbruchs von Vertragsverhandlungen aus.266 Es bleibt mithin dabei, dass die durch die vertragliche Anknüpfung gewährleistete Maßgeblichkeit einer Rechtsordnung für die Verhaltensstandards beider Parteien regelmäßig auch dem Parteiinteresse entspricht. Selbst wenn man die vertragliche Anknüpfung als nicht vereinbar mit den kollisionsrechtlichen Parteiinteressen, die in einer vorvertraglichen Haftungssituation bestehen, ansehen würde, könnte die Anwendung des Vertragskollisionsrechts aber noch aufgrund eines Überwiegens der Ordnungsinteressen gerechtfertigt sein. Für Letzteres streiten gewichtige Argumente: Zum einen wurde bereits festgestellt, dass ein vertragsähnliches Näheverhältnis vorliegt.267 Die Vergleichbarkeit mit einer vertraglichen Bindung führt dazu, dass 266 267

Dazu oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2). Oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (a) (aa).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

die vom Gesetzgeber festgeschriebene Interessenrangfolge auch auf die vorliegende Fallgruppe der culpa in contrahendo zu übertragen ist. Fehlt es an einer parteiautonomen Absprache über die anzuwendende Rechtsordnung nach Art. 27 EGBGB, so greift grundsätzlich die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB, die nicht der Einzelfallgerechtigkeit dient, sondern mittels klarer Anknüpfungskriterien Rechtssicherheit erzeugen will. Das Verkehrsinteresse wird damit höher bewertet als ein anderweitiges Parteiinteresse. Letzteres spielt vielmehr im Kollisionsrecht der unerlaubten Handlung eine gewichtige Rolle, wo Art. 40 EGBGB aus Sympathie mit dem Opfer diesem sogar ein „Wahlrecht“ zwischen verschiedenen Anknüpfungspunkten einräumt. Die gesetzliche Wertung zugunsten des Ordnungsinteresses entspricht hingegen der Interessenlage, die für ein vertragsähnliches Schuldverhältnis charakteristisch ist. Der bezweckte Vertragsabschluss kann den Parteien dabei als Orientierungspunkt dienen. Es handelt sich bei der vorvertraglichen Nähebeziehung um ein gewolltes, weil geplantes, Durchgangsstadium zur Erreichung eines Vertragsabschlusses. Ohne die Aufnahme von Verhandlungen ist ein solches Ergebnis nicht zu erzielen. Die Voraussehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung und die damit einhergehende Rechtssicherheit ist förderlich für geschäftliche Aktivitäten. Dies gilt aber nicht nur ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auch für die vorausgehende Verhandlungsphase. Wenn die Parteien auf dem Weg zu einer rechtsgeschäftlichen Bindung zunächst ein Stadium rechtlicher Unsicherheit zu durchlaufen hätten, dann würde das den Wirtschaftsverkehr behindern. Eine eindeutige Anknüpfungsentscheidung überwiegt demnach das Interesse an einer jedem Einzelfall gerecht werdenden Lösung. Außerdem ist das vertragliche Verweisungsrecht aufgrund von Art. 28 Abs. 5 EGBGB auch flexibel genug, in begründeten Ausnahmefällen eine andere, mit dem Sachverhalt enger verbundene Rechtsordnung zu berufen. So kann einer Härte im Einzelfall begegnet werden. Schließlich hält auch Dörner ein Überwiegen des Verkehrsinteresses bei den Zweipersonenverhältnissen der culpa in contrahendo für möglich. Die Anknüpfung an das hypothetische Vertragsstatut sorge für eine nahtlose Abstimmung der vorvertraglichen Verhandlungshaftung in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen mit den potentiellen Rechtswirkungen des intendierten Vertrages. Dies sei wichtiger zu bewerten als das Parteiinteresse an der Anwendung des Heimatrechts.268 Die Anknüpfung der vorvertraglichen Haftung an ein einziges Recht, nämlich an das gewöhnliche Aufenthaltsrecht des die geplante vertragstypische Leistung erbringenden Teils, gewährleistet mithin den inneren Entscheidungseinklang. So werden Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden, und Normwidersprüchen wird vorgebeugt.269 Die Geltung des Rechts einer Partei für das gesamte vorvertragliche Schuldverhältnis der vorliegenden Fallgruppe ist zumindest aufgrund des Überwiegens der Ordnungsinteressen hinzunehmen. 268 269

So Dörner, JR 1987, 201 (202). Vgl. G. Fischer, Verkehrsschutz, § 13, S. 333.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Grundsätzlich setzt sich beim ungerechtfertigten Abbruch von Vertragsverhandlungen das Verkehrsinteresse durch, was die vertragliche Qualifikation bestätigt. Die hinter der vertraglichen Anknüpfung stehende kollisionsrechtliche Interessenlage stimmt mit derjenigen, die in der vorliegenden Fallgestaltung der culpa in contrahendo besteht, überein. Nur in begründeten Ausnahmefällen wird das Verkehrsinteresse einer Sonderanknüpfung wegen eines entgegenstehenden Parteiinteresses geopfert. (β) Sonderanknüpfungen im Parteiinteresse Das EGBGB sieht im internationalen Vertragsrecht explizit geregelte Ausnahmen von der Maßgeblichkeit der vertragscharakteristischen Leistung und gleichzeitig eine Entscheidung für das Umweltrechts einer Partei vor. Damit wird die aus Art. 28 Abs. 2 EGBGB folgende Benachteiligung der Partei, die nicht die charakteristische Leistung erbringt, in besonders wichtigen Fallgestaltungen aufgehoben und insgesamt etwas abgeschwächt. Im hier interessierenden Zusammenhang sind insbesondere die Art. 29 und 30 EGBGB zu nennen. Über die analoge Anwendung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB ist auch deren Anwendung möglich, wenn der Abschluss eines Verbraucher- oder ein Arbeitsvertrages geplant war. Macht ein Verbraucher Schadensersatzansprüche wegen unredlichen Verhandlungsabbruchs geltend oder richten sich diese gegen ihn, so unterliegen sie gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB mangels Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die objektive Anknüpfung bei Arbeitsverträgen und -verhältnissen sieht in Art. 30 Abs. 2 EGBGB das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes („lex loci laboris“) bzw. das Recht der Einstellungsniederlassung vor. Durch die Gewährung dieser „Waffengleichheit“ soll die strukturell unterlegene Partei geschützt werden.270 Wendet man das präsumtive Vertragsstatut an, dann müssen sich Arbeitnehmer und Verbraucher hinsichtlich ihrer vorvertraglichen Pflichten nur nach dem ihnen bekannten Recht richten. Insoweit wird gerade durch die vertragliche Qualifikation dem Parteiinteresse an der Anwendung des Heimatrechts mit Hilfe der gesetzlich vorgesehenen Sonderanknüpfungen der Vorzug eingeräumt. Handelt es sich bei den verhandelnden Parteien um Kaufleute, so kann das Interesse an der Geltung des jeweiligen Umweltrechts regelmäßig nicht das international-privatrechtliche Ordnungsinteresse an der Maßgeblichkeit der vertragscharakteristischen Leistung überwiegen. Den verkehrserfahrenen Beteiligten kann es nämlich zugemutet werden, sich selbst durch entsprechende Rechtswahlvereinbarungen vor der Anwendung fremder Rechtsordnungen zu schützen oder aber sich über das möglicherweise anwendbare Recht vorher zu informieren. Wer in seiner Eigenschaft als Kaufmann über Landesgrenzen hinweg handelt, kann nicht 270 Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 30 EGBGB, Rn. 1; Palandt / Heldrich, Art. 30 EGBGB, Rn. 1; Kropholler, IPR, § 52, S. 479.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

ohne weiteres von der Geltung seines Heimatrechts ausgehen. Er ist aufgrund seiner geschäftlichen Erfahrung weniger schutzwürdig als ein Privatmann und kann einer vom ausländischen Recht angeordneten Haftung aus culpa in contrahendo nicht entgehen.271 (γ) Entsprechende Anwendung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB Fraglich ist, ob der Berufung des wegen Verhandlungsverschuldens Haftenden auf sein eigenes Recht stattzugeben ist, wenn er nicht zu den gerade genannten Personengruppen gehört. Zu denken ist hier insbesondere an grenzüberschreitende Geschäfte zwischen Privatleuten. Aufgrund der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB gilt das Recht des Staates, in dem sich der gewöhnliche Aufenthalt der Partei befindet, die die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat. Bricht die andere Seite die Vertragsverhandlungen ab, weil sie glaubt, nach ihrem Heimatrecht noch sanktionslos dazu berechtigt zu sein, dann ergibt sich wegen der Geltung des Vertragsstatuts eine überraschende Haftung. Möglicherweise ist diese Partei aber schutzwürdig und ein Schadensersatzanspruch gegen sie unbillig. Teilweise wird für diese Situation deshalb eine analoge Anwendung von Art. 31 Abs. 2 EGBGB erwogen.272 So vertritt Dörner die Ansicht, dass bloße Vertragsverhandlungen einen so unverbindlichen Charakter aufweisen, dass es nicht gerechtfertigt sei, eine Verhandlungspartei, die sich regelmäßig an ihren heimatlichen Verhaltensstandards orientiere, mit einer für sie möglicherweise völlig überraschenden, unbekannten Haftung aus culpa in contrahendo zu überziehen. Als Mindestschutz solle nach den Umständen des Einzelfalles deshalb Art. 31 Abs. 2 EGBGB entsprechend herangezogen werden, also das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Haftenden. Diese Umstände lägen regelmäßig bei Distanzverhandlungen vor.273 Der Regelung in Art. 31 Abs. 2 EGBGB kommt in bestimmten Konstellationen eine Vetofunktion gegenüber der Geltung des Vertragsstatuts zu.274 Ihr AnwenVgl. dazu auch die folgenden Ausführungen: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (cc) (γ). Vgl. Dörner, JR 1987, 201 (203). Dörner differenziert allerdings nicht zwischen Kaufleuten und Privaten. Der Mindestschutz soll demnach allen aus culpa in contrahendo Haftenden zu Gute kommen. Für Verbraucher und Arbeitnehmer bedarf es aber keines Schutzes über Art. 31 Abs. 2 EGBGB analog, da das Gesetz bereits Sonderanknüpfungen vorsieht. Die Schutzwürdigkeit von Unternehmern erscheint ohnehin fraglich. Wie Dörner auch G. Fischer, JZ 1991, 168 (172 f.), der die Vorschrift jedenfalls beim Abbruch von Distanzverhandlungen „erst recht bei der vorvertraglichen Haftung“ angewendet wissen will. Das Max Planck Institut schlägt in der geplanten Rom I-VO eine explizite Regelung in Art. 8 Abs. 2 EVÜ vor, wonach das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts für die Partei gelten soll, die nicht gewusst hat, dass sie einer vorvertraglichen Verpflichtung unterliegt (RabelsZ 68 (2004), 1 (90, 109). A.A.: Mankowski, IPRax 1991, 305 (312): Art. 31 Abs. 2 EGBGB sei nicht analogiefähig. 273 So explizit Dörner, JR 1987, 201 (203); G. Fischer, JZ 1991, 168 (172 f.). 274 Vgl. Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 26; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 51; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 215; G. Fischer, Verkehrsschutz, § 13, S. 328; vgl. auch Linke, ZVR 70 (1980), 1 (8). 271 272

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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dungsbereich ist begrenzt auf die Frage des Zustandekommens des Vertrages, d. h. ob überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung vorliegt, und umfasst nicht mehr die Überprüfung seiner Wirksamkeit.275 Hauptsächlich geht es um die Beurteilung des Schweigens eines Beteiligten, doch ist auch das aktive Parteiverhalten mit abgedeckt.276 Vorliegend steht hingegen nicht ein irgendwie geartetes rechtgeschäftliches Verhalten zur Beurteilung an. Das vorvertragliche Schuldverhältnis entsteht ja gerade unabhängig vom Willen der Verhandelnden. Aufgrund dieses „strukturellen Unterschieds“ wird die Ausdehnung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB auf vorvertragliche Haftungskonstellationen von einem Teil des deutschen Schrifttums abgelehnt.277 Das Parteiinteresse an der Anwendung des Wohnsitzrechts wegen der Einordnung der culpa in contrahendo als gesetzliche Sonderverbindung sei kollisionsrechtlich irrelevant. Nimmt man von der rein formal geprägten Betrachtungsweise Abstand und legt einen funktionalen, sich am Telos der Vorschrift orientierenden Maßstab an, so scheint eine Übertragung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift mit Hilfe einer Analogie nicht von vornherein unmöglich.278 Die Situation muss aber eine so große Ähnlichkeit mit der in Art. 31 Abs. 2 EGBGB genannten aufweisen, dass die Heranziehung von dessen Wertungen für den nicht direkt erfassten Fall ebenfalls gerechtfertigt erscheint. Zweck der Sonderanknüpfung ist es, eine Partei vor der überraschenden Bindung nach fremdem Recht aufgrund ihres eigenen Verhaltens zu schützen, wenn sie dessen Erklärungswert nicht zu kennen braucht.279 Für den die Vertragsverhandlungen abbrechenden Beteiligten kann es gleichermaßen zu einer überraschenden rechtlichen Haftung aus culpa in contrahendo kommen. Problematisch 275 Bericht Guiliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (60); Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 31 EGBGB, Rn. 10; MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 65; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 245; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 30. 276 Bericht Guiliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (60); Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 42 f. 277 Reder, S. 140 f.; ihm folgend: Scheffler, IPRax 1995, 20 (21); vgl. auch: Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (284 f.). 278 Vgl. Bericht Guiliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (60); Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 31 EGBGB, Rn. 17; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 40; a.A.: MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 64; Mankowski, IPRax 1991, 305 (312). 279 Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 39. Linke (ZVR 79 (1980), 1 (26 ff.)) kritisiert, dass die „Fremdheit“ des Vertragsstatuts keineswegs so pauschal als Grund für eine Sonderanknüpfung nach dem „vertrauten“ Heimatrecht angeführt werden kann. Schließlich führe das Geschäftsstatut in der Regel zu einem der beiden Umweltrechte der Parteien. Ansonsten seien die in Betracht kommenden Rechtsordnungen jedenfalls überschaubar und somit kalkulierbar. Linke hält deshalb eine Lösung des Problems auf Kollisionsrechtsebene für unangebracht und will stattdessen mit Modifikationen im durch das Vertragsstatut berufenen Sachrecht Abhilfe schaffen (S. 38 f.).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

ist hier, dass diese nicht aufgrund von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen eintritt, sondern aufgrund eines tatsächlichen Verhaltens. Zudem fehlt es bei der vorliegenden Fallgruppe an einem Vertragsschluss, der Voraussetzung für das Eingreifen von Art. 31 Abs. 2 EGBGB ist.280 Gleichwohl ist bereits oben auf die sachliche Verbindung des Verhandlungsstadiums mit dem Vertrag hingewiesen worden, die zu einer vertraglichen Qualifikation der Verhandlungshaftung führt. Funktionell betrachtet ist die Partei, die sich plötzlich einer rechtsgeschäftsähnlichen Haftung ausgesetzt sieht, unter den in der Norm genannten Voraussetzungen ebenfalls schutzwürdig. Dies gilt insbesondere für die vorvertragliche Haftung, die in den einzelnen Staaten unterschiedlich ausgestaltet ist und deshalb die besondere Schutzbedürftigkeit des potentiell Haftenden erhöht.281 Des Weiteren wird mit Art. 31 Abs. 2 EGBGB primär das Verhalten vor Vertragsschluss erfasst, das darüber entscheidet, ob ein Vertrag zustande gekommen ist. Es geht um den rechtsgeschäftlichen Erklärungswert dieses vorkonsensualen Parteiverhaltens.282 Das Verhandlungsstadium dehnt sich ebenfalls bis in die Phase aus, in der die Willenserklärungen abgegeben werden und durch die dann der Vertrag geschlossen wird. Die Übergänge sind fließend, oft ist zwischen den Beteiligten die Frage, ob bereits ein Rechtsgeschäft vorliegt, streitig. Die vorvertragliche Haftung berührt insofern auch das Vertragsabschlussverhalten der Beteiligten. Demnach liegt eine phänotypische Vergleichbarkeit beider Konstellationen vor. Als weiteres Argument gegen eine analoge Heranziehung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB wird die mangelnde Schutzbedürftigkeit des Haftenden angeführt. Schutzwürdig sei vielmehr der Geschädigte, dessen Vertrauen enttäuscht wird und nicht der Schädiger.283 Abgesehen vom Fall der vorsätzlichen Schadenszufügung ist dieser Argumentation jedoch zu widersprechen. Wer von vornherein mit dem Vorsatz verhandelt, den Vertrag nicht abschließen zu wollen, der ist nicht schutzwürdig. Liegt eine solche Motivation aber nicht vor, dann richten beide Parteien ihren zivilrechtlichen Selbstschutz zumeist am jeweiligen Heimatrecht aus. Bricht eine Seite die Vertragsverhandlungen ab und wird mit einer ihr unbekannten Haftung aus culpa in contrahendo überzogen, so ist nicht einzusehen, warum sie völlig schutzlos dastehen soll. Denn auch sie unterliegt einer Fehlvorstellung über die rechtliche Bedeutung ihres Verhaltens. Art. 31 Abs. 2 EGBGB will gerade die Partei schützen, die hinsichtlich der rechtlichen Bewertung ihrer Verhaltensweise im Irrtum ist. Bei gleicher Vertrauensgrundlage („in pari situatione“) sollte das Interesse des potentiell Haftenden das Interesse des Vertrauenden überwiegen.284 Glei280 Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 31 EGBGB, Rn. 11; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 51; Reder, S. 140 f. 281 Zur Ausgestaltung der vorvertraglichen Haftung in einem Großteil der europäischen Länder vergleiche die obigen Ausführungen: Teil B. II. 282 Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 31; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 48. 283 Reder, S. 140. 284 G. Fischer, Verkehrsschutz, § 2, S. 25; ders., JZ 1991, 168 (169).

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ches gilt auch im deutschen materiellen Recht.285 Zudem kommt der Schädiger ohnehin nur in den Genuss der analogen Sonderanknüpfung, wenn dessen strenge Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind. Das ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Es muss ferner beachtet werden, dass es sich bei der Sonderanknüpfung um eine Ausnahme vom Grundsatz des vertraglichen Einheitsstatuts handelt, die entsprechend eng auszulegen ist. Die Annahme einer allgemeinen Ausweichklausel zur Korrektur des Vertragsstatuts wäre verfehlt.286 Bei Sonderanknüpfungen besteht immer die Gefahr von Normenwidersprüchen aufgrund des Verlustes des inneren Entscheidungseinklangs, indem systematisch zusammenhängende, aufeinander abgestimmte Regelungskomplexe im materiellen Recht auseinander gerissen werden.287 Außerdem kann die mangelnde Vorhersehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung zu Rechtsunsicherheit führen. Deshalb ist die entsprechende Anwendung des auf Billigkeitserwägungen288 beruhenden Art. 31 Abs. 2 EGBGB auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Dem wird Rechnung getragen, indem nur vorvertragliche Beziehungen zwischen Privaten in bestimmten Einzelfällen in den Schutzbereich mit einbezogen werden. Zwar erstreckt sich Art. 31 Abs. 2 EGBGB in seinem originären Anwendungsbereich auch auf Kaufleute.289 Oft werden diese aber wegen des Bestehens von Geschäftsbeziehungen oder der Geltung von internationalen Handelsbräuchen ohnehin nicht geschützt.290 Regelmäßig muss ein Kaufmann die internationalen Gepflogenheiten seines Handelsgewerbes kennen.291 Es gilt der Grundsatz, dass je unerfahrener die Partei ist, umso schutzwürdiger ist sie einzustufen.292 Gewerbetreibenden wird aber eine gewisse Erfahrung auch bei internationalen Geschäften zugemessen, weil sie sich berufsmäßig auf fremden Märkten bewegen. Eine Berufung auf das Heimatrecht muss regelmäßig scheitern, so dass Kaufleuten nur in Ausnahmefällen Schutz vor einer rechtsgeschäftlichen Bindung gewährt werden kann. Es ist dann nicht einzusehen, Canaris, S. 481 f. Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 45. 287 Vgl. Linke, ZVR 78 (1980), 1 (25 f.). Siehe auch: G. Fischer, Verkehrsschutz, § 12, S. 288. 288 BT-Drucks. 10 / 504, S. 82; vgl. auch: Müko / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 2; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 215. 289 Vgl. MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 110; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 38. 290 Vgl. Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 31 EGBGB, Rn. 16; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 37 ff.; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 66 f.; vgl. auch: Kost, S. 219 291 So muss z. B. ein italienischer Spediteur, der einem deutschen Spediteur einen Speditionsauftrag erteilt, damit rechnen, dass dieser den Auftrag gem. den Deutschen Spediteurbedingungen ausführen wird, auch wenn nach dem italienischen Heimatrecht die Geltung dieser Bedingungen einer schriftlichen Bestätigung bedurft hätte, vgl. BGH NJW 1973, 2154 f. Vgl. auch BGH NJW 1976, 2075; BGH IPRspr. 1971, Nr. 15, S. 50 ff. 292 Vgl. Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 31 EGBGB, Rn. 16; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 61. 285 286

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

warum über eine analoge Anwendung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB eine Ausdehnung auf die vorvertragliche Haftung stattfinden soll. Weiterhin ist nicht das positive, sondern nur das negative Interesse zu ersetzen. Eine Analogie kommt folglich nur zugunsten von Privatleuten in Betracht. Zudem müssen für eine entsprechende Heranziehung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB diejenigen Voraussetzungen vorliegen, die nach einer Abwägung mit der Geltung des Parteiinteresses, nämlich des Umweltrechts, diesem Vorrang vor dem Verkehrsinteresse einräumen. Die Rechtfertigung ergibt sich „aus den Umständen“. Für den Betroffenen muss die Ausrichtung seines vorkonsensualen Verhaltens an dem ausländischen Recht des Vertragsstatuts unzumutbar sein.293 Die Zumutbarkeit liegt jedoch vor, wenn die Partei sich – objektiv betrachtet – freiwillig und zurechenbar auf eine internationale Geschäftsanbahnung eingelassen hat und subjektiv auch die Anwendung einer ausländischen Rechtsordnung auf ihr Verhalten erkennen konnte oder fahrlässigerweise nicht erkannt hat.294 Dem Fehlen des subjektiven Elements kann sowohl ein Irrtum über das Kollisionsrecht als auch eine Fehlvorstellung über das ausländische Sachrecht vorangegangen sein.295 Die Einzelfallumstände entscheiden also darüber, ob Art. 31 Abs. 2 EGBGB seine Schutzfunktion entfaltet oder nicht. Grundsätzlich kann die Berufung auf das eigene Recht eher gerechtfertigt sein, wenn die Verhandlungen bis zu ihrem Abbruch im Inland stattgefunden haben, während bei ausländischem Verhandlungsort im Allgemeinen nicht von der Geltung des Heimatrechts ausgegangen werden kann. Der Hauptanwendungsfall der Vorschrift liegt aber bei internationalen Distanzgeschäften.296 Beide Parteien befinden sich hier in ihrem bekannten Rechtskreis. Richtet eine Partei ihr Verhalten nach den heimischen Standards aus, wird dann aber aufgrund der Geltung des Vertragsstatuts mit einer für sie überraschenden vorvertraglichen Haftung sanktioniert, so kann diese Partei im Einzelfall schutzwürdig sein, weil sie aufgrund ihres Aufenthalts im Inland nicht mit der Geltung einer fremden Rechtsordnung gerechnet hat. Demnach passen die Wertungen des Art. 31 Abs. 2 EGBGB auch für den Fall, dass eine Partei sich überraschenderweise aufgrund der Geltung des Vertragsstatuts in Abweichung von ihrem Heimatrecht mit einer Haftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo konfrontiert sieht. Eine analoge Heranziehung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB ist daher in Ausnahmefällen gerechtfertigt, wobei insbesondere an Distanzgeschäfte zu denken ist. 293 Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 36; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 55. Vgl. auch Darstellung bei Linke, ZVR 79 (1980), 1 (6). 294 MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 98 ff.; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 57 f. 295 MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 104 f.; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 59. 296 Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 63; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rn. 216; G. Fischer, JZ 1991, 168 (172 f.). Vgl. auch Linke, ZVR 70 (1980), 1 (27 f.).

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(4) Zwischenergebnis Nach dem Gesagten liegen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB auf die vorvertragliche Haftungsfallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen vor, so dass diese Konstellation auf international-privatrechtlicher Ebene vertraglich zu qualifizieren ist. Die anzuwendende Rechtsordnung bestimmt sich nach den Art. 27 ff. EGBGB. Eine Ausnahme vom Vertragsstatut kann aber im Einzelfall beim missbräuchlichen Verhandlungsabbruch zwischen Privaten zu machen sein. Insbesondere bei Distanzverhandlungen ist gem. Art. 31 Abs. 2 EGBGB analog die Geltung des Sitzrechts der haftenden Partei in Betracht zu ziehen. ee) Verhandlungsstatut Aufgrund der hier vertretenen vertraglichen Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen unredlichen Verhandlungsabbruchs scheidet das Verhandlungsstatut aus. Greift bereits das Vertragsstatut, so ist kein Platz für eine nicht geregelte, neu entwickelte Anknüpfungsregel. Diese ist gegenüber der analogen Anwendung einer bereits gesetzlich geregelten Qualifikationsnorm subsidiär und muss deshalb beim Eingreifen einer solchen Regelung zurücktreten.297 Das Recht des Verhandlungsortes könnte jedoch trotz Geltung der Art. 27 ff. EGBGB über die Ausnahmeklausel des Art. 28 Abs. 5 EGBGB zur Anwendung gelangen. Dann müsste sich aus der Gesamtheit der Umstände ergeben, dass eine engere Verbindung des Schadensersatzanspruchs wegen ungerechtfertigten Abbruchs der Vertragsverhandlungen mit einem anderen Staat besteht als mit dem, der durch die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ermittelt worden ist. Fraglich ist allerdings, ob der Staat, in dem die vorvertraglichen Verhandlungen stattfinden, eine engere Beziehung zu dem Schadensersatzanspruch hat als der Staat des präsumtiven Vertragsstatuts. Verhandeln beide Seiten im Geltungsbereich des Vertragsstatuts, so führt das Verhandlungsstatut zur gleichen Rechtsordnung. Unterschiede ergeben sich somit nur, wenn die vorvertraglichen Verhandlungen im Wohnsitzstaat der Partei stattfinden, die nicht die vertragscharakteristische Leistung erbringt, oder in einem Drittstaat. Bei der Beurteilung, ob eine die Absätze 2 – 4 verdrängende engere Beziehung zu einem anderen Staat besteht, ist zu beachten, dass es sich bei Art. 28 Abs. 5 EGBGB um eine eng auszulegende Ausnahmeklausel handelt, die Einzelfallhärten, welche aufgrund der statischen Anknüpfungsmethodik der vorhergehenden drei Absätze entstehen können, zugunsten des sachnächsten Rechts korrigieren soll.298 297 298

Siehe oben: Teil E. I. 4. AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 28 EGBGB, Rn. 75 f.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Um die Regelanknüpfungen der Absätze 2, 3 und 4 auszuhebeln, bedarf es somit einer wesentlich engeren Verbindung, die an Gewicht die Anknüpfungsmerkmale der genannten Vermutungsregeln eindeutig übertreffen muss.299 Den Gerichten wird insoweit ein erheblicher Ermessensspielraum eingeräumt.300 Als Indizien kommen insbesondere objektive Gegebenheiten in Betracht.301 Besonders starke Indizwirkung wird beispielsweise dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zugeschrieben. In diesem Fall führt jedoch auch die vertragliche Anknüpfung zur Geltung derselben Rechtsordnung, so dass es einer Korrektur über Art. 28 Abs. 5 EGBGB ohnehin nicht bedarf. Verhandeln die Parteien in einem „neutralen“ Drittstaat, so besteht zu diesem keine besonders enge Verbindung. Er kann vielmehr völlig zufällig gewählt und deshalb ohne Beziehung zu den Beteiligten oder dem Verhandlungsgegenstand sein. Außerdem ist unsicher, welche Rechtsordnung gelten soll, wenn die Verhandlungen in mehreren unterschiedlichen Staaten stattfinden. Der Vertragsverhandlungsort allein hat deshalb nur geringes Gewicht.302 Zudem kann grundsätzlich nur bei einer Kumulation mehrerer Elemente von einem eindeutigen Überwiegen der Anknüpfungsmerkmale der Vermutungsregeln ausgegangen werden.303 Soll das Recht eines „neutralen“ Drittlandes dennoch Anwendung finden, so ist dies durch eine entsprechende Rechtswahlvereinbarung möglich. Fallen Verhandlungsort und gewöhnlicher Aufenthalt des Geldschuldners zusammen, dann ist eine Verbindung zum Recht dieses Ortes ohne Frage gegeben. Auf der anderen Seite entfaltet jedoch auch die Rechtsordnung am gewöhnlichen Aufenthalt des die geplante vertragstypische Leistung erbringenden Teils eine gewisse Anziehungskraft. Ein deutliches Überwiegen der Anknüpfung an das Recht des Verhandlungsortes und des gewöhnlichen Aufenthalts des Geldschuldners gegenüber der durch das Vertragsstatut berufenen Rechtsordnung kann nicht festgestellt werden. Die Kumulation mit dem schwachen Indiz des Verhandlungsortes führt höchstens zu einem leichten Überwiegen, was im Rahmen von Art. 28 Abs. 1 EGBGB, nicht jedoch für Abs. 5 ausreichend ist.304 Nur wenn noch zusätzliche besondere Gegebenheiten hinzutreten, mag im Einzelfall über die Ausweichklausel eine Anknüpfung zugunsten des Verhandlungsstatuts möglich sein. Demzufolge wird das Recht des Verhandlungsortes regelmäßig auch nicht über den „Umweg“ des Art. 28 Abs. 5 EGBGB zur Anwendung gelangen.

299 Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 30, 37; Kropholler, IPR, § 52, S. 465 f.; Ganssauge, S. 184. 300 Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (55). 301 Vgl. AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 28 EGBGB, Rn. 78; Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 34. 302 Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 46. 303 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 28 EGBGB, Rn. 79. 304 Vgl. Staudinger / Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 37.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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c) Rechtswahl Wie soeben festgestellt, sind bei Schadensersatzansprüchen wegen der Verhinderung des Vertragsschlusses gem. Artt. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB die vertraglichen Anknüpfungsregeln der Artt. 27 ff. EGBGB für die Ermittlung des anzuwendenden Rechts maßgeblich. Damit einher geht eine Rechtswahlmöglichkeit der Parteien gem. Art. 27 EGBGB. Diese ist gegenüber der objektiven Anknüpfung gem. Art. 28 EGBGB vorrangig. Die für den anvisierten Vertrag vereinbarte Rechtsordnung determiniert folglich dasjenige Recht, welches über das vorvertragliche Schuldverhältnis herrscht.305 Das gilt nicht nur für eine Rechtswahl im Vorfeld des Vertragsschlusses, sondern konsequenterweise auch für eine nachträgliche Änderung des Vertragsstatuts gem. Art. 27 Abs. 2 S. 1 EGBGB.306 Einschränkungen der Rechtswahlfreiheit ergeben sich aus Art. 29, 30 EGBGB bei bestimmten Vertragstypen. Abweichend von einer Rechtswahl hinsichtlich des abzuschließenden Vertrages kann für das Verhandlungsstadium auch eine andere Rechtsordnung von den Parteien vereinbart werden oder aber es ist ohnehin nur isoliert für die Ansprüche aus culpa in contrahendo eine Abrede erfolgt, während das Vertragsverhältnis objektiv angeknüpft wird. Die Wahl einer Rechtsordnung nur für das vorvertragliche Schuldverhältnis ist unproblematisch möglich,307 denn trotz der Anlehnung an den Vertrag im Rahmen der objektiven Anknüpfung handelt es sich nämlich um ein eigenständiges308 gesetzliches Rechtsinstitut. Ein Rückgriff auf die Wertung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist deshalb nicht erforderlich309, da die culpa in contrahendo kein Teil des Vertrages ist und auch nicht – wie früher teilweise vertreten wurde310 – mit diesem ein einheitliches Rechtsverhältnis bildet. Eine Rechtswahlmöglichkeit der Parteien bereits im Stadium vor der Entstehung der rechtsgeschäftlichen Sonderverbindung rechtfertigt sich aus dem vertragsähnlichen Näheverhältnis der Parteien. Weil durch die Vertragsverhandlungen bereits ein engerer Kontakt entstanden ist, als er für eine deliktische Haftung notwendig 305 Vgl. BGH IPRspr. 1976, Nr. 16, 61 (62 f.): Hier dehnt das Gericht die für den Vertrag vereinbarte Rechtswahl auch auf Ersatzansprüche aus culpa in contrahendo aus. Ebenso: OLG Frankfurt, IPRax 1986, 373 (377). Vgl. auch den Begründungsansatz von Degner, RIW 1983, 825 (831): Gleichsam wie im Falle einer Kondiktion die Rechtswahl „nach hinten“ wirke, indem sie das Rückabwicklungsstatut bestimme, müsse hinsichtlich der culpa in contrahendo eine Wirkung „nach vorne“ angenommen werden. 306 Ebenso: Dörner, IPRax 2005, 26 (27). 307 So auch: RGZ 159, 33 (53 f.); Degner, S. 260; Patrzek, S. 153 f.; Vischer / Vischer / Oser, Int. Vertragsrecht, § 7, Rn. 1161 Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (284); Gunst, JZ 1991, 202 (205). 308 Vgl. MüKo / Spellenberg (1998), Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 44; Dörner, JR 1987, 201 (202). 309 So aber wohl für eine isolierte Rechtswahl hinsichtlich des vorvertraglichen Schuldverhältnisses: Patrzek, S. 154. 310 RGZ 95, 58 (60); vgl. auch oben: Teil B. II.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

wäre311, besteht ein legitimes Interesse der Beteiligten an der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts und damit verbunden an der Regelung von später möglicherweise in Betracht kommenden sachrechtlichen Haftungsgrundlagen.312

5. Gesamtergebnis Im Ergebnis überwiegen die Argumente einer vertragsrechtlichen Qualifikation für die Entstehung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses und den daraus folgenden Schadensersatzansprüchen wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen im Internationalen Privatrecht. Aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB313 wird das präsumtive Vertragsstatut auf diese Fallgruppe der culpa in contrahendo ausgedehnt. Für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist das Zustandekommen des geplanten Vertrages hypothetisch zu unterstellen. Mangels Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB bestimmt sich das anzuwendende Recht demzufolge nach Art. 28 EGBGB, wenn nicht ein besonderer Vertragstyp in Aussicht gestellt war, der eine Sonderanknüpfung nach Art. 29 ff. EGBGB fordert.314 Im Einzelfall kann bei Vertragsverhandlungen unter Privaten eine analoge Anwendung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB erwogen werden. Um eine bessere Vorhersehbarkeit der lex causae zu erreichen, empfiehlt es sich im Zuge der Umwandlung des EVÜ in eine Verordnung, die Geltung des Vertragsstatuts für die culpa in contrahendo wegen missbräuchlichen Verhandlungsabbruchs festzuschreiben.315

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht Vor welchem Gericht Schadensersatzansprüche wegen des unredlichen Abbruchs von Vertragsverhandlungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten geltend gemacht werden können, ist dem Internationalen Zivilverfahrensrecht zu entnehmen. Vorrangig muss die Anwendbarkeit der EuGVO geprüft werden, die dem autonomen Verfahrensrecht vorgeht.316 Ist die Verordnung nicht einschlägig, Siehe oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (a) (cc). Vgl. Vischer / Vischer / Oser, Int. Vertragsrecht, § 7, Rn. 1161. 313 Die analoge Anwendung von Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – wie von der h. M. in der deutschen Literatur zusätzlich zur Begründung der vertraglichen Qualifikation herangezogen (vgl. oben: Teil E. I. 2. a) aa)) – passt nicht auf die vorliegende Fallgestaltung der vorvertraglichen Haftung (siehe oben: Teil E. I. 4. b) cc) (1)). 314 Im Falle des vorsätzlichen Verhandlungsabbruchs sollten konkurrierende deliktische Ansprüche akzessorisch an das Vertragsstatut angeknüpft werden, vgl. hierzu: Nickl, S. 166. 315 So auch: Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (89, 109); vgl. den Vorschlag unten: Teil J. VII. 316 Zu den Anwendungsvoraussetzungen der EuGVO und dem Verhältnis zum EuGVÜ / LugÜ vgl. oben: Teil C. II. 2. Möglicherweise vorgehende Staatsverträge bleiben außer Betracht. 311 312

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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so bestimmt sich die internationale Zuständigkeit im deutschen Recht nach den Regeln der ZPO. 1. EuGVO / EuGVÜ Handelt es sich um einen internationalen Rechtsstreit, bei dem die Anwendungsvoraussetzungen der EuGVO (bzw. des EuGVÜ) erfüllt sind, so kann der Kläger seinen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo gem. Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ / EuGVO am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten, d. h. in dessen Wohnsitzstaat, geltend machen.317 Das konkret zuständige Gericht wird sodann vom nationalen Recht des Wohnsitzstaates bestimmt. Für den Kläger könnte es aber von Vorteil sein, wenn er einen der besonderen Gerichtsstände des Art. 5 EuGVÜ / EuGVO wählen könnte.318 Folglich stellt sich die Frage, wie die Fallgruppe der Verhinderung des Vertragsschlusses einzuordnen ist, d. h. ob eine entsprechende Schadensersatzklage im Vertragsgerichtsstand oder im Deliktsgerichtsstand erhoben werden kann. Andere besondere Gerichtsstände kommen nicht in Betracht, so dass entweder Art. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO einschlägig sein muss.319 a) Rechtsprechung Die international-zivilprozessrechtliche Qualifikation eines Anspruchs aus culpa in contrahendo wegen missbräuchlichen Verhandlungsabbruchs war bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. aa) LG Hamburg – Urteil vom 29. 10. 1975 / OLG Hamburg – Urteil vom 9. 7. 1976 Zunächst ist die Klage einer deutschen KG vor dem Landgericht Hamburg zu erwähnen, mit der die KG von einer italienischen AG Schadensersatz wegen unbegründeten Abbruchs von Vertragsverhandlungen geltend machte. Das Landgericht verneinte seine internationale Zuständigkeit, indem es auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO abstellte und die Klägerin an die italienischen Gerichte verwies. Eine Begründung für die Heranziehung dieser Vorschrift blieben die Richter indes schuldig. Aus den Überlegungen zum deutschen Internationalen Privatrecht, in denen das Gericht die Haftung wegen culpa in contrahendo als „Anspruch vertraglicher Natur im weitesten Sinne“ beschreibt320, kann aber geschlossen werden, dass es Siehe oben: Teil C. II. 2. a) cc). Vgl. oben: Teil C. II. 3. a). 319 Vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, EuZW 2002, 655 (656, Nr. 14); vgl. oben: Teil C. II. 2. a) bb). 320 LG Hamburg IPRspr. 1976, Nr. 125 a, S. 367 (368). 317 318

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

diese Rechtsauffassung auf das Internationale Zivilprozessrecht übertragen hat. Die vorvertragliche Sonderverbindung wird somit als vom zuständigkeitsrechtlichen Vertragsbegriff mit umfasst angesehen. Die Berufung lehnte das Oberlandesgericht in diesem Rechtsstreit als unzulässig ab. Es bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz, bejahte also die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands. Ohne nähere Ausführungen ging das Gericht auch hier davon aus, dass die internationale Zuständigkeit „nur gemäß Art. 5 Nr. 1 begründet sein“ könne.321 Augenscheinlich setzte die Berufungsinstanz ebenfalls vertragliche und vorvertragliche Ansprüche gleich. Somit bleibt festzuhalten, dass beide Instanzen die Einordnung der Haftung aus culpa in contrahendo im Falle des Abbruchs von Vertragsverhandlungen als „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO für unproblematisch erachteten.

bb) LG Dortmund – Urteil vom 19. 2. 1998 In einer anderen Sache hatte das Landgericht Dortmund über seine internationale Zuständigkeit im Rahmen einer Prozessaufrechnung zu entscheiden, wobei sich die Gegenforderung der deutschen Beklagten gegen die niederländische Klägerin als ein auf culpa in contrahendo gestützter Schadensersatzanspruch darstellte. Das Gericht nahm keine ausdrückliche Konkretisierung hinsichtlich einer bestimmten Fallgruppe des Verschuldens bei Vertragsschluss vor. Aus dem Sachverhalt ergibt sich aber, dass die den Schadensersatzanspruch auslösende vorvertragliche Pflichtverletzung im Zusammenhang mit Kooperationsverhandlungen zwischen den Parteien begangen wurde. In den Urteilsgründen wird sodann von einem „Vertrauensmissbrauch“ gesprochen.322 Demnach handelt es sich um die Haftungssituation des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen. Nach der Feststellung der Klagemöglichkeit am allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ / EuGVO, im vorliegenden Fall in den Niederlanden, bejahte das Gericht zudem den besonderen Gerichtsstand der Vertragsklage nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO und kam somit ebenfalls wieder zur internationalen Zuständigkeit eines niederländischen Gerichtes. Als Begründung führt es an, dass bei der Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten und bei einem „Vertrauensmissbrauch“, also der ungerechtfertigten Verhinderung eines Vertragsschlusses durch den Abbruch von Vertragsverhandlungen, eine vertragsrechtliche Einordnung vorzunehmen sei, während in Fällen der Verletzung deliktsähnlicher Obhuts- und Erhaltungspflichten der Deliktsgerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO Geltung beanspruche.323 Eine substantiierte Erklärung 321 322

OLG Hamburg IPRspr. 1976, Nr. 125 b, S. 368 (368). LG Dortmund IPRspr. 1998, Nr. 139, S. 253 (255).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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für diese Differenzierung und die sich daraus ergebenden Folgen blieb das Gericht indes schuldig. cc) EuGH (Tacconi / HWS) – Urteil vom 17. 9. 2002 In einem in Italien anhängig gewordenen Rechtsstreit zwischen einer Gesellschaft italienischen Rechts (Tacconi) und einer Gesellschaft deutschen Rechts (HWS) stellte sich ebenfalls die Frage nach dem Gerichtsstand der culpa in contrahendo. Tacconi verlangte Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, dass HWS gegen die bei den Vertragsverhandlungen bestehenden Verpflichtungen zum Handeln nach Treu und Glauben gem. Art. 1337 Codice civile verstoßen habe, indem sie die Verhandlungen unerwartet abbrach.324 Tacconi war der Ansicht, dass für die Entscheidung über die vorvertragliche Haftung von HWS nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO die Gerichte am Erfolgsort zuständig seien. Da sie den Schaden an ihrem Firmensitz in Perugia erlitten habe, sei das dortige Gericht zuständig. HWS erhob dagegen die Einrede der Unzuständigkeit italienischer Gerichte. Zunächst stützte sie sich auf das Bestehen einer Schiedsklausel, hilfsweise machte sie aber auch die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO geltend.325 Daraufhin legte die Corte Suprema di Cassazione dem EuGH die Frage vor, wie ein Anspruch, mit dem eine vorvertragliche Haftung geltend gemacht wird, international-zivilprozessrechtlich zu qualifizieren sei, mithin ob Art. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO diesen Fall erfasse. Zum ersten Mal hatte der EuGH somit über die Auslegung des Art. 5 EuGVÜ / EuGVO im Hinblick auf eine mögliche Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu entscheiden.326 Tacconi argumentierte, dass es vor Vertragsschluss keine vertraglichen Bindungen gebe, die zu gegenseitigen Verpflichtungen der Parteien führten.327 Somit sei der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO nicht erfüllt. Die Kommission teilte die Ansicht Tacconis. Es handele sich bei der Schadensersatzklage wegen vorvertraglichen Verschuldens um eine Klage auf Feststellung der Haftung des Beklagten, die ihren Haftungsgrund nicht in einer gegenüber dem Kläger freiwillig eingegangenen Verpflichtung finde. Die Haftung gründe sich vielmehr auf spezifische Verhaltenspflichten, die 323 LG Dortmund, IPRspr. 1998, Nr. 139, S. 253 (254 f.). So jetzt auch LG Braunschweig IPRax 2002, 213 (214). 324 Vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7362 f., Nr. 13). Vgl. auch die Sachverhaltsdarstellung bei Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1022 f.). 325 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7388 f., Nr. 7 f.). 326 Vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7359, Nr. 3). 327 EuGH 17. 09. 2002– 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7390, Nr. 13).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

den in Vertragsverhandlungen befindlichen Parteien „von außen“, d. h. durch Gesetz, auferlegt seien.328 HWS hielt dem entgegen, dass bei dieser konkret bestehenden vorvertraglichen Beziehung nicht mehr von einer bloßen deliktischen oder quasi-deliktischen Natur der Haftung gesprochen werden könne. Schließlich treffe eine Deliktshaftung nach dem Grundsatz „neminem laedere“ alle Personen, die absolute Rechte anderer verletzen. Im vorvertraglichen Verhandlungsstadium stünden sich die Parteien aber nicht mehr wie Fremde gegenüber. Aufgrund der Vertragsverhandlungen sei vielmehr eine besondere Beziehung zwischen den Beteiligten entstanden. Da nach Ansicht von HWS jedoch auch kein Vertrag zustande gekommen war, könne weder Art. 5 Nr. 1 noch Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO zur Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit herangezogen werden. Der Gerichtsstand ergebe sich im Falle der Geltendmachung einer vorvertraglichen Haftung deshalb allein aus Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ / EuGVO, womit es zu einem Beklagtengerichtsstand vor den deutschen Gerichten komme.329 Der EuGH hat zu Gunsten von Tacconi entschieden, dass im vorliegenden Fall die Gerichtszuständigkeit dem Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO zu entnehmen sei. In seiner Würdigung stellte das Gericht zunächst fest, dass Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO nicht notwendigerweise einen Vertragsschluss voraussetze. Jedoch sei das Vorliegen einer Verpflichtung unerlässlich. Schließlich werde diese zur Bestimmung des Erfüllungsortes benötigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH komme es zudem entscheidend darauf an, dass diese Verpflichtung freiwillig von der einen Seite gegenüber der anderen eingegangen worden ist.330 Eine freiwillig eingegangene Verpflichtung von HWS gegenüber Tacconi sei aber nicht festzustellen. Weil sich die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung im Gegenteil gerade aus einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften ergebe, könne diese nicht als vertraglich bezeichnet werden.331 Demnach bleibt festzuhalten, dass ein Schadensersatzanspruch, der sich auf culpa in contrahendo in der Fallvariante eines ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen stützt, nach Ansicht des EuGH international-zivilprozessrechtlich jedenfalls nicht als vertraglicher Anspruch zu qualifizieren ist, wenn er sich wie hier aus der Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift herleitet. Die Gerichtszuständigkeit soll sich in diesem Fall aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO ergeben, so dass ein ungerechtfertigter Vertragsabbruch entweder als „unerlaubte Handlung“ oder eine „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ zu qualifizieren ist. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7391, Nr. 15). EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7391 f., Nr. 16 ff.). 330 Vgl. EuGH 17. 06. 1992 – 26 / 91, Handte / TMCS, JZ 1995, 90 (90, Nr. 15); 27. 10. 1998 – 51 / 97, Reunion europeenne / Splietzhoff ’s Bevrachtingskantoor, EuZW 1999, 59 (60, Nr. 17); 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7393, Nr. 23). 331 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7393 f., Nr. 22 ff.). 328 329

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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dd) Fazit Die deutsche Judikatur hat bislang für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen des unredlichen Verhandlungsabbruchs die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands befürwortet. Nach der gegenteiligen Entscheidung des EuGH scheint sich der Trend in der deutschen Rechtsprechung nun umzukehren. So griff der BGH bei einer auf eine Gewinnmitteilung i. S. v. § 661a BGB gestützten Klage für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit des Gerichts auf Art. 5 Nr. 3 EuGVO zurück und erklärte, dass dieser Gerichtsstand selbst dann anwendbar sei, wenn man den Anspruch aus Gewinnzusage als einen „gesetzlichen Fall der culpa in contrahendo“ einstufe. Die deliktische Zuordnung wurde sodann mit einem Hinweis auf das Tacconi-Urteil untermauert.332 Das EuGHUrteil zeitigte somit bereits erste Auswirkungen. Inzwischen hat sich die Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit von Klagen aus Gewinnmitteilungen fortentwickelt.333 Die international-zivilprozessrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche aus culpa in contrahendo wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen bleibt aber weiterhin aktuell.334

b) Meinungsstand in der deutschen Literatur Die Meinungen über die Lösung des angesprochenen Qualifikationsproblems gehen in der deutschen Literatur ebenfalls auseinander.

aa) Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands Teilweise wird vertreten, dass alle Schadensersatzansprüche aus vorvertraglicher Pflichtverletzung gem. §§ 311 Abs. 2 bzw. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB dem Vertragsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVO zugeordnet werden sollen, also vertragsrechtlich zu qualifizieren seien. Ausschlaggebend für die Einordnung eines Anspruchs als Anspruch aus vorvertraglicher Haftung oder aus anderem Rechtsgrund müsse das nationale Recht sein, da bei autonomen Abgrenzungsversuchen sonst die Gefahr einer kaum zu überblickenden Einzelfallrechtsprechung bestünde, die sich je nach dem konkreten Lebenssachverhalt ergebe.335 BGH NJW 2003, 426 (428). Teil E. II. 1. e). 334 Vgl. OLG Köln WuB VII B. Art. 5 EuGVVO 2.05, 479 (480), das die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss unter Hinweis auf das Tacconi-Urteil pauschal dem Deliktsklagengerichtsstand unterstellt. Kritisch dazu Rauscher, WuB VII B. Art. 5 EuGVVO 2.05, 480 (481 f.). 335 Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 5. Hier kommen die Zweifel Schlossers an dem Gelingen einer euro-autonomen Abgrenzung von vertraglichen und deliktischen Ansprüchen im Rahmen der EuGVO zum Ausdruck, vgl. ders., Art. 5 EuGVVO, Rn. 3 a; ders., 332 333

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Andere differenzieren – wie im Internationalen Privatrecht – nach Fallgruppen. Deliktisch geprägte Pflichten, zu denen die Schutz- und Obhutspflichten gezählt werden, sollen entsprechend deliktisch, Verletzungen vorvertraglicher Pflichten, die sich auf das Zustandekommen oder Scheitern des Vertrages beziehen, sollen vertraglich qualifiziert werden.336 Schadensersatzansprüche wegen des missbräuchlichen Verhinderns eines Vertragsabschlusses könnten demnach am Gerichtsstand des Vertrages geltend gemacht werden.337 Eine weitere Ansicht will hingegen den Abbruch vorvertraglicher Kaufvertragsverhandlungen nur dann vertraglich i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO qualifizieren, wenn in einer vorvertraglichen Vereinbarung bereits Verpflichtungen übernommen worden sind.338 Zu fordern ist dafür ein Vorvertrag oder eine ähnlich bindende Vereinbarung zwischen den Verhandlungsparteien, beispielsweise heads of agreement oder ein letter of intent339. Ebenso handelt es sich um „vertragliche“ Verhandlungen, wenn diese einen Einzelvertrag innerhalb eines Rahmenvertrags betreffen.340 bb) Anwendbarkeit des Deliktsklagengerichtsstands Es finden sich jedoch auch Befürworter einer deliktischen Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen des ungerechtfertigten Abbruchs der Vertragsverhandlungen. An der Gegenansicht wird insbesondere kritisiert, dass der Versuch, diese Fallgruppe der culpa in contrahendo unter Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zu subsumieren, auf deutschen Rechtsansichten und Begrifflichkeiten basiere. Eine solche national geprägte Sichtweise sei im europäischen Recht aber nicht angebracht und könne dessen Ziel, eine möglichst einheitliche Rechtsanwendung in den Mitgliedstaaten zu erreichen, torpedieren. Die weite Formulierung in Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO sei einzig geeignet, den vorliegenden Fall zu erfassen, da Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ohnehin ausscheide, weil von einem „Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag“ mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Verhandelnden gerade nicht gesprochen werden könne.341 IPRax 1984, 65 (66 ff.). Vgl. auch: Geimer / Schütze / Geimer, Int. Urteilsanerkennung, Bd. I 1, § 83, S. 567 f. 336 Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 51; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 5; Nagel / Gottwald, IZPR, § 3, Rn. 39, 63; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (654); Rauscher, WuB VII B. Art. 5 EuGVVO 2.05, 480 (481). Ähnlich wohl auch Valloni, S. 197 ff. 337 So auch: Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR (1997), Art. 5 EuGVÜ, Rn. 51, nunmehr a.A. in 2. Aufl. 2004, vgl. Art. 5 EuGVVO, Rn. 67. 338 Kropholler, EuZPR (2002), Art. 5 EuGVO, Rn. 67. 339 Vgl. zu heads of agreement und letter of intent: Bonell, RIW 1990, 693 (696). 340 Vgl. Mankowski, IPRax 2003, 127 (134). 341 So Hermes, RIW 1999, 933 (937), mit Hinweis auf Teile der niederländischen Rechtsprechung. Für die Anwendbarkeit des Deliktsklagengerichtsstands im Fall der Geltendmachung von Ansprüchen aus c.i.c. auch: Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 3, 19.

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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Entscheidend für die Subsumtion von Ansprüchen aus vorvertraglichem Verschulden unter die Norm des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO sei das anschließende Zustandekommen eines Vertrages.342 Nur mit einem Vertrag zusammenhängende oder ihn voraussetzende Ansprüche seien vertraglicher Natur.343 Das vorvertragliche Pflichtenprogramm müsse vertragsgegenstandsbezogen sein.344 In der vorliegenden Konstellation fehlt es aber an einem späteren Vertragsabschluss, weshalb der Vertragsklagengerichtsstand nach dieser Ansicht ausscheiden würde. cc) Wahlrecht des Klägers zwischen Vertragsund Deliktsklagengerichtsstand Schließlich könnte man daran denken, die Abgrenzungsproblematik dadurch zu entschärfen, dass in Zweifelsfällen dem Kläger eingeräumt wird, nach seiner Wahl am Gerichtsstand des Vertrages oder der unerlaubten Handlung zu klagen. Ansprüche auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen scheinen sich gegen eine eindeutige Zuordnung zu sträuben. Da sie aber entweder als vertraglich oder als deliktisch zu qualifizieren sind, sollte jedenfalls einer der beiden Gerichtsstände Geltung entfalten. Die Entscheidung darüber würde dann allerdings der klagenden Partei obliegen.345

dd) Fazit Zutreffenderweise muss die Grenzziehung zwischen Vertrag und Delikt auf der Ebene des europäischen Zivilprozessrechts autonom erfolgen. Dabei spiegeln sich in der deutschen Literatur zwei große Strömungen wider. Wer für die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands strikt auf dem Vorliegen einer vertraglichen Bindung zwischen den Beteiligten beharrt, der lehnt die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen unredlichen Verhandlungsabbruchs ab. Derjenige, der einen nicht streng formalen, sondern weiten Vertragsbegriff annimmt, hat hingegen Spielraum, auch die vorliegende Fallgestaltung noch als vertraglich qualifizieren zu können. Abzulehnen ist hingegen die Einräumung eines Wahlrechts zwischen Vertrags- und Deliktsklagengerichtsstand. Neben einer nicht zu rechtfertigenden Klägerprivilegierung würde man zudem die Berechenbarkeit des euro342 Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 27. So wohl auch: B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 32, 132. 343 Schack, Erfüllungsort, Rn. 310, 314. 344 Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 27; ebenso: Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 41 f. 345 Vgl. dazu Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (585 f.), die den Vorschlag sodann zutreffenderweise verwirft, siehe sogleich: Teil E. II. 1. b) dd).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

päischen Zuständigkeitssystems und damit die Rechtssicherheit aufs Spiel setzen, deren Schaffung gerade das Ziel des vereinheitlichten europäischen Zivilprozessrechts ist.346 c) Rechtsvergleichende Hinweise Die Mehrzahl der niederländischen Gerichte hat Schadensersatzansprüche wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen im Internationalen Zivilprozessrecht dem Vertragsrecht zugeordnet. Auch Stimmen in der niederländischen, schweizerischen und italienischen Literatur sprechen sich für eine vertragliche Qualifikation aus.347 Mit der Befürwortung einer deliktischen Qualifikation dieses vorvertraglichen Haftungstatbestandes wird jedoch in der Mehrzahl der anderen Mitgliedstaaten zu rechnen sein, da dort auf materiell-rechtlicher Ebene meist ebenfalls eine deliktische Zuordnung stattfindet und anzunehmen ist, dass diese Vorstellungen auf die Ebene des europäischen Zivilprozessrechts übertragen werden.348

d) Eigene Stellungnahme Wie gesehen, können Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo wegen des unzulässigen Abbruchs von Vertragsverhandlungen am allgemeinen Beklagtengerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ / EuGVO geltend gemacht werden.349 Über den Grundsatz des actor sequitur forum rei hinaus wird dem Kläger die Möglichkeit der Wahl eines besonderen Klägergerichtsstand zugebilligt. Da die EuGVO für Schadensersatzansprüche aus vorvertraglichen Schuldverhältnissen keine „dritte Spur“ kennt350 und zudem die Kognitionsbefugnis der Gerichte beschränkt ist351, muss mittels gemeinschaftsrechtlich-autonomer Auslegung und Qualifikation eine eindeutige Zuweisung der vorliegenden Fallgruppe zu Art. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO vorgenommen werden. Vorrangig gegenüber einem Zuordnungsversuch unter Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO ist die Prüfung einer vertraglichen Qualifikation.352 Dem Deliktsklagengerichtsstand kommt nur eine Auffangfunktion zu.353 Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (585 f.). Vgl. Mankowski, IPRax 2003, 127 (128), m. w. N. 348 Zur materiell-rechtlichen Zuordnung in den verschiedenen Staaten vgl. oben (Teil B. II.) und Mankowski, IPRax 2003, 127 (132 f.) m. w. N.; ders., VuR 1999, 219 (223). 349 Vgl. oben: Teil C. II. 2. a) cc). 350 Siehe oben: Teil C. II. 2. a) bb). 351 Vgl. oben: Teil C. II. 3. b) dd). 352 EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5584, Nr. 17); 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (812, Nr. 30, 60); Mankowski, VuR 1999, 219 (222); ders., IPRax 2003, 127 (128). 346 347

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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aa) Der Vertragsbegriff im Europäischen Zivilprozessrecht Zum Inhalt des in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO verwendeten Vertragsbegriffs hat sich der EuGH erstmals in seiner Entscheidung Handte / TMCS geäußert.354 Demnach soll Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO nicht für eine Situation gelten, „in der keine von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliegt“.355 Dieser Definitionsversuch bildet die notwendige Ergänzung zu dem vier Jahre früher ergangenen Kalfelis-Urteil. Dort hatte der Gerichtshof in Abgrenzung zum Vertragsklagengerichtsstand festgestellt, dass Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO Klagen erfasse, „mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag i. S. v. Art. 5 Nr. 1 anknüpfen“.356 Unter einer unerlaubten Handlung ist also nur das zu verstehen, was über den Vertrag hinaus übrig bleibt.357 Für die Bestimmung des Vertragsbegriffs war damit nicht viel gewonnen, weshalb dieser negativen Abgrenzung zwangsläufig die konkretisierende Vertragsdefinition in Handte folgen musste. Eine explizite Erklärung, was unter der nunmehr zu fordernden „freiwillig eingegangenen Verpflichtung“ verstanden werden soll, blieben die Richter jedoch schuldig.

353 Zweifelhaft allerdings die Begründung der Kommission zur Subsidiarität des Deliktsklagengerichtsstands: Der in der Verordnung verwendete Vertragsbegriff sei einer wörtlichen Auslegung zugänglich, im Gegensatz zu dem Begriff der „unerlaubten Handlung oder Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“, vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7372, Nr. 52). 354 Dort verklagte der am Ende einer Erwerbskette stehende Käufer einer Sache wegen deren Mangelhaftigkeit den Hersteller auf Schadensersatz. Obwohl der spätere Käufer den Gegenstand von einem Zwischenhändler bezogen hatte, billigte ihm das französische Recht eine Direktklage gegen den Hersteller zu. Das zur Entscheidung berufene französische Gericht hatte die Direktklage als vertraglich qualifiziert, trotz des Fehlens einer unmittelbaren vertraglichen Bindung zwischen den beiden Beteiligten und der damit einhergehenden Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität von Verträgen. Der in dieser Sache angerufene EuGH lehnte jedoch bei Anwendung einer autonomen Begriffsinterpretation die Annahme einer vertraglichen Streitigkeit gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ab. Vgl. Anm. Peifer zu EuGH 17. 06. 1992 – 26 / 91, Handte / TMCS, JZ 1995, 91 (91 f.). Siehe zum europäischen Vertragsbegriff auch: Laumann, S. 43 ff. 355 EuGH 17. 06. 1992 – 26 / 91, Handte / TMCS, Slg. 1992, I-3967 (I-3994, Nr. 15). Im Anschluss daran: EuGH 27. 10. 1998 – 51 / 97, Reunion europeenne / Spliethoff’s Bevrachtingskantoor, EuZW 1999, 59 (60, Nr. 17); 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7393, Nr. 23). 356 EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5585, Rn. 17); im Anschluss daran: EuGH 26. 3. 1992 – 261 / 90, Reichert u. a. / Dresdner Bank AG, Slg. 1992, I-2149 (I-2180, Rn. 16); 27. 10. 1998 – 51 / 97, Reunion europeenne / Spliethoff ’s Bevrachtingskantoor, EuZW 1999, 59 (60, Nr. 22); 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick, IPRax 2003, 50 (52, Nr. 33); 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, NJW 2002, 3159 (3159, Nr. 21); 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (812, Nr. 29). 357 Vgl. Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (87); Michailidou, IPRax 2003, 223 (225).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

(1) Weiter Vertragsbegriff Zunächst könnte man davon ausgehen, dass der Vertragsdefinition nach Handte das klassische Verständnis einer freiwilligen rechtsgeschäftlichen Bindung i. S. e. Zweier-Konsens-Verhältnisses zugrunde liegt.358 Sicherlich ist von dem Grundkonzept einer Willenseinigung zweier Parteien auszugehen. Dieser „Normalfall“ eines Vertragsverhältnisses ist ohne Zweifel vom europäisch-prozessrechtlichen Begriff des Vertrages erfasst.359 Darüber hinaus sollen aber auch einseitige Rechtsgeschäfte mit verpflichtender Wirkung dem Vertragsbegriff des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO unterfallen.360 In diesem Sinne kann auch die Urteilsbegründung des Gerichtshofs in der Sache Tacconi / HWS verstanden werden, wonach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO nicht den Abschluss eines Vertrages voraussetzt, sondern die Feststellung einer Verpflichtung ausreichend ist, damit der Erfüllungsort, an dem das zuständige Gericht situiert ist, bestimmt werden kann.361 Einseitige Rechtsgeschäfte beruhen schließlich ebenfalls auf einer willensgetragenen Verpflichtung und rechtfertigen aus Gründen der Zuständigkeitsgerechtigkeit zwischen den Beteiligten ihre Geltendmachung in einem besonderen Gerichtsstand. Eine solche Ausdehnung führt auch nicht zu einem exorbitanten Klägergerichtsstand. Schließlich ist der Systembegriff „Vertrag“ hier europäisch-prozessual zu verstehen und deshalb autonom auszulegen, so dass ihm eine andere Bedeutung als im nationalen Sachrecht zukommen kann. Mit dem klassischen Vertragsbegriff im materiellen Recht der meisten europäischen Staaten muss er nicht identisch sein. Zwei korrespondierende Willenserklärungen werden demnach nicht notwendigerweise verlangt. Ein Akt autonomer Selbstbindung reicht aus.362 Maßgeblich ist, dass die Verpflichtung aus dem willensgetragenen Verhalten des Verpflichtenden, sich selbst binden zu wollen, resultiert.363 358 Jenard spricht in seinem Bericht zum EuGVÜ von „vertraglichen“ und nicht bloß von rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen, vgl. Bericht Jenard, BT-Drucks. VI / 1973, S. 52 (70); siehe auch Laumann, S. 86 ff. 359 B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 21; Valloni, S. 191 f.; Leible, NJW 2005, 796 (797). 360 OLG Nürnberg NJW 2002, 3637 (3639); LG Frankfurt a.M. IPRax 1997, 258 (259); Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 19, 28; Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 2; Zöller / Geimer, Anh. I, Art. 5 EG-VO, Rn. 11; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 42; Leible, IPRax 2003, 28 (30); ders., NJW 2005, 796 (797); S. Lorenz, IPRax 2002, 192 (193); Mankowski, NZI 1999, 56 (57); ders., IPRax 2003, 127 (129); Schlosser, IPRax 1984, 65 (66). 361 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7393, Nr. 22). Vgl. auch: EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (814, Nr. 37, 50 f.). 362 Schlosser, IPRax 1984, 65 (66); ihm folgend: OLG Bremen RIW 1998, 63 (64); Kulms, IPRax 2000, 488 (491); S. Lorenz, IPRax 2002, 192 (193); Mankowski, VuR 1999, 219 (222). 363 Mankowski, IPRax 2003, 127 (129). Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Sache Engler / Janus Versand (ausführlicher dazu unten: Teil E. II. 1. e)), ist nach Ansicht

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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Der Vertragsklagengerichtsstand setzt jedoch nicht zwingend die Existenz eines rechtsgeschäftlichen Verhältnisses zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits voraus. Auch Streitigkeiten über das Bestehen oder Fortbestehen eines Vertrages können vor dem gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zuständigen Gericht ausgefochten werden.364 Die klagende Partei muss allerdings die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Vertrages schlüssig behaupten.365 Trotz des Postulats des EuGH, die besonderen Gerichtsstände als Ausnahmen vom Beklagtengrundsatz restriktiv zu handhaben,366 wird der Vertragsbegriff mithin weit ausgelegt.367 Sein Inhalt geht über das aufgrund des Wortlauts suggerierte klassische Verständnis einer vertraglichen Sonderverbindung hinaus. Dieses ist für eine autonome Begriffsbestimmung zu eng. Schließlich stehen prozessuale Bedürfnisse auf europäisch-internationaler Ebene im Vordergrund und nicht die Übereinstimmung mit dogmatischen Feinheiten des nationalen Sachrechts. Es gilt vielmehr, im Spannungsverhältnis zwischen der Vermeidung exorbitanter Klägergerichtsstände auf der einen und einer sinnvollen Ausfüllung der die besonderen Zuständigkeiten determinierenden Begrifflichkeiten auf der anderen Seite das richtige Augenmaß zu behalten. So wird zwar die vom Gerichtshof postulierte enge Auslegung der besonderen Zuständigkeiten umgangen. Diese strenge Ausvon Leible (NJW 2005, 796 (797)) ein rechtsgeschäftlicher Bindungswille nicht notwendig. Ausreichend sei, dass dieser der Erklärung vom Empfänger vernünftigerweise zugemessen wurde und der Urheber das erkennen konnte. 364 EuGH 04. 03. 1982 – 38 / 81, Effer / Kantner, Slg. 1982, 825 (835, Rn. 8); EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (814, Nr. 45 f.); BGH NJW 1982, 2733 (2733); OLG Hamm RIW 1980, 662 (663). Vgl. auch: MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 106; Geimer, IZPR, Rn. 1487; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 42. 365 Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 22. 366 Aufgrund des Ausnahmecharakters der Sondergerichtsstände hinsichtlich des allgemeinen Beklagtengrundsatzes ist nach Ansicht des EuGH eine Auslegung zu vermeiden, die über die in dem Übereinkommen (bzw. nun der Richtlinie) vorgesehenen Fälle hinausgehe. EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5585, Nr. 19); 17. 06. 1992 – 26 / 91, Handte / TMCS, Slg. 1992, I-3967 (I-3994, Nr. 14); 19. 01. 1993 – 89 / 91, Shearson / TVB, Slg. 1993, I-139 (I-187, Nr. 16); 27. 10. 1998 – 51 / 97, Reunion europeenne / Spliethoff ’s Bevrachtingskantoor, EuZW 1999, 59 (60, Nr. 16); EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (814, Nr. 43). 367 EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (814, Nr. 48; OLG Oldenburg NJW 1976, 1043 (1044); OLG Jena RIW 1999, 703 (704); LG Braunschweig IPRax 2002, 213 (214); Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 1; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 4; Ganssauge, S. 18. Ein Grundsatz, dass die besonderen Gerichtsstände als Ausnahmen eng auszulegen seien, bestehe nicht, vgl. Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 3 m. w. N.; Schlosser, EuZPR, Vorbem. Art. 5 EuGVVO, Rn. 3; Gottwald, IPRax 1983, 13 (15). Zudem wird eine weite Auslegung jedenfalls im Verhältnis zu Art. 5 Nr. 3 EuGVO befürwortet: Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (588). Für einen weiten Vertragsbegriff, der die verschiedenen nationalen Rechtsfiguren adäquat erfassen kann, vgl. eingehend: Martiny, in: FS Geimer, S. 641 ff.; 646. Martiny kommt zu dem Schluss, dass in Anlehnung an das materielle Recht das Vertragsverhältnis von seiner Entstehung an bis zu seiner Abwicklung erfasst sein sollte, vgl. S. 667.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

legungsregel ist aber ohnehin nicht strikt durchzuhalten, will man praktikable Ergebnisse erzielen.368 (2) Gesetzlich normierter „Anspruch aus Vertrag“ Wird ein Schadensersatzanspruch auf das negative Vertragsinteresse wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen eingeklagt, so handelt es sich nicht um ein Verfahren, dass einen „Vertrag“ zum Gegenstand hat. In Betracht käme aber eine Subsumtion unter den Begriff „Ansprüche aus Vertrag“ gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO. In dem Rechtsstreit Tacconi / HWS hat der EuGH eine vertragliche Qualifikation der vorliegenden Fallgruppe mit der Begründung verneint, dass es an einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehle, weil sich eine mögliche Schadensersatzpflicht nur aus Art. 1337 Codice civile ergeben könne, mithin wegen der Nichtbeachtung einer Rechtsvorschrift.369 Diese knappe Feststellung ist zumindest missverständlich, erweckt sie doch den Anschein, als seien alle Ersatzansprüche, die unmittelbar aus einer gesetzlichen Regelungen folgen, automatisch außervertraglicher Natur. Führt man den Gedanken zu Ende, so wäre der Vertragsklagengerichtsstand nur bei Schadensersatzpflichten einschlägig, die im Vertrag selbst vereinbart worden sind. Eine Abgrenzung von vertraglichen und deliktischen Streitigkeiten, die danach differenziert, ob sich die Haftung aus dem Verstoß gegen eine gesetzlich verankerte Vorschrift oder aus einer rechtsgeschäftlichen Übereinkunft ergibt, ist aufgrund des rein formalen Ansatzes nicht sachgerecht und kann deshalb so nicht gewollt sein. Vielmehr hindert die Normierung eines Anspruchs im Gesetz seine Zuordnung zum Vertragbereich nicht, obwohl diesbezüglich keine vertragliche Abrede besteht.370 Sekundäransprüche, beispielsweise auf Schadensersatz oder Leistungserstattung wegen Nicht- oder Schlechterfüllung vertraglicher Pflichten, werden unproblematisch als „Ansprüche aus Vertrag“ aufgefasst, obwohl sie oftmals aus dem Gesetz folgen.371 Grund hierfür ist Sinn und Zweck des dispositiven Gesetzes368 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7368, Nr. 35); OLG Nürnberg NJW 2002, 3637 (3638); Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 3; Gottwald, IPRax 1983, 13 (15). 369 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7393 f., Nr. 25, 26). 370 OLG Bremen RIW 1998, 63 (64); OLG Jena RIW 1999, 703 (704); OLG Koblenz NZG 2001, 759 (760); Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 42; Bachmann, IPRax 1997, 237 (238); Kulms, IPRax 2000, 488 (491 f.); Mankowski, NZI 1999, 56 (57); Schröder, IPRax 1985, 145 (146); Tiefenthaler, ÖJZ 1998, 544 (546). 371 Vgl. EuGH 15. 01. 1987 – 266 / 85, Shenavai / Kreischer, Slg. 1987, 239 (254, Nr. 9); 08. 03. 1988 – 9 / 87, Arcado / Haviland, Slg. 1988, 1539 (1555, Nr. 13); OLG Koblenz IPRax 1991, 241 (243); Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 30; Schack, Erfüllungsort, Rn. 314; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (652 f.); von der Seipen, in: FS Jayme, Bd. 1, S. 859 (863); Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (580 f.); Bachmann, IPRax 1997, 237 (238); Kulms, IPRax 2000, 488 (491); Tiefenthaler, ÖJZ 1998, 544 (545).

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rechts, dessen Aufgabe darin besteht, das Vertragsrecht zu ergänzen und zu begrenzen. Durch die Rückgriffsmöglichkeit auf eine im Gesetz festgeschriebene Ersatzordnung wird auch das Funktionieren von nicht alle Eventualitäten berücksichtigenden Verträgen gewährleistet und somit die Vertragsfreiheit abgesichert.372 Mithin liegt vertragsergänzendes Gesetzesrecht vor, das vertraglich zu qualifizieren ist, denn verständige Parteien hätten darüber eine Vereinbarung geschlossen. Die gesetzliche Regelung gibt den Parteiwillen wieder, weshalb sie als „Vertragsnorm“ zwischen den Parteien anzusehen ist.373 Es darf aber nicht übersehen werden, dass diese „gesetzlichen“ Sekundäransprüche an einen geschlossenen Vertrag anknüpfen. Sie finden ihre Grundlage in einer Vertragspflichtverletzung. Demnach genügt es, wenn sich die Haftung nicht unmittelbar aus einer vertraglichen Vereinbarung ergibt, sondern aufgrund des Vertrages eintritt, d. h. auf diesen zurückzuführen ist.374 Ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen Vertragsverhinderung scheidet also nicht schon immer dann aus dem Anwendungsbereich des Vertragsklagengerichtsstands aus, wenn er im einzelstaatlichen Recht gesetzlich normiert ist, wie beispielsweise in Deutschland oder in Italien. Für eine Subsumtion der Haftung unter den Begriff „Anspruch aus Vertrag“ müsste diese aufgrund eines vertraglichen Verhältnisses zwischen den Verhandlungspartnern eingetreten sein. Ein Vertrag ist zum Zeitpunkt der vorvertraglichen Pflichtverletzung jedoch nicht vorhanden. Zwar kann das Vorliegen einer Verpflichtung im Hinblick auf die Existenz der vorvertraglichen Pflicht bejaht werden. Die Beteiligten an einer rechtsgeschäftsähnlichen Sonderverbindung sind einander aus Treu und Glauben zur Loyalität und Rücksichtnahme verpflichtet. Es fehlt jedoch an der freiwilligen Selbstbindung der Beteiligten, denn die Haftung folgt aus einem Verstoß gegen gesetzlich verankerte Vorschriften und ist damit nicht auf eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten zurückzuführen. Sie tritt ein, weil dies von der Rechtsordnung so bestimmt wird und nicht, weil es von den Parteien so gewollt ist.375 Während sich die oben dargestellten „gesetzlichen“ Sekundäransprüche aus der Verletzung einer willensgetragenen Verpflichtung ergeben und sie gerade deshalb – trotz der Regelung im dispositiven Gesetzesrecht – als freiwillig vereinbart angesehen werden, entsteht das vertragsähnliche Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen unabhängig vom Willen der Beteiligten. Um als „vertragsergänzende“ gesetzliche Regelung wirken zu können, bedarf es einer privatautonom entstandenen Grundlage, die ergänzungsbedürftig ist.376 Diese fehlt vorliegend, da die vorvertragliche Haftung bereits aufgrund eines Realakts eintritt. Auch eine konkludente Abrede der Beteiligten i. S. e. Vorvertrages über die Verhandlungen kann ohne hin372 373 374 375 376

Mankowski, IPRax 2003, 127 (131) m. H. a. Kittner, Schuldrecht, Rn. 470 f. So OLG Köln IPRax 1985, 145 (146). von der Seipen, in: FS Jayme, Bd. 1, S. 859 (863); Rauscher, IPRax 1992, 143 (146). Vgl. Leible, IPRax 2003, 28 (32); siehe auch: Flume, Rechtsgeschäft, § 10, S. 129. Kulms, IPRax 2000, 488 (492); Mankowski, IPRax 2003, 127 (132).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

reichende Anhaltspunkte im Einzelfall nicht angenommen werden. Auf diese Art die notwendige Willenserklärung „herbeizuzaubern“, wäre bloße Fiktion.377 Während es sich also bei Sekundäransprüchen einerseits um vertragliche bzw. rechtsgeschäftliche Verpflichtungen handelt, die eine gesetzlich geregelte Rechtsfolge nach sich ziehen, geht es bei der culpa in contrahendo andererseits um eine zwar rechtsgeschäftsähnliche, aber gesetzliche Verpflichtung, deren Rechtsfolge sich ausschließlich aus Gesetz ergibt. Eine Subsumtion unter den Begriff „Anspruch aus Vertrag“ kann demnach nicht unter Hinweis auf gesetzlich normierte Sekundäransprüche gerechtfertigt werden. Dennoch haben die vorstehenden Ausführungen gezeigt, dass nicht alle gesetzlich festgeschriebenen Ersatzansprüche zwangsläufig von einer vertraglichen Qualifikation i. S. d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ausgeschlossen sind. Die Begründung des EuGH in der Sache Tacconi / HWS, Schadensersatzansprüche wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen aufgrund ihrer Normierung im Gesetz von der Geltendmachung im Vertragsklagengerichtsstand auszuschließen, trägt mithin nicht. (3) Gesetzliche Schuldverhältnisse im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO Klagen auf Schadensersatz wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen stellen sich als Ansprüche aus einem gesetzlichen, jedenfalls außervertraglichen Schuldverhältnis dar, weil der Vertragsbegriff des Europäischen Zivilprozessrechts nicht die Situation einer vertragsähnlichen Sonderverbindung betrifft. Klagen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen sind grundsätzlich von der Geltendmachung im Gerichtsstand der Vertragsklage ausgeschlossen. Zu den von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO nicht erfassten Materien werden insbesondere Ansprüche aus GoA und selbständige Bereicherungsansprüche gezählt.378 Eine Ausnahme wird für „unselbständige“ bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche gemacht. Obwohl diese strenggenommen einem gesetzlichen Schuldverhältnis entstammen, werden sie im Europäischen Zivilprozessrecht als vertraglich eingeordnet, wenn sie ihren Grund in der Nichtigkeit eines Vertrages haben.379 Für die vertragliche Qualifikation im Rahmen des europäischen Prozess377 A.A.: Mankowski, IPRax 2003, 127 (134), der davon ausgeht, dass eine solche Vereinbarung implizit allen Vertragsverhandlungen zugrunde liege. 378 Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 46, 48; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 21. 379 Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 30; Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 5; Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 49; Eilinghoff, S. 337; Ganssauge, S. 18; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 42; Schack, Erfüllungsort, Rn. 311; Valloni, S. 192 f.; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (655); Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (581 f.); Holl, IPRax 1998, 120 (122); W. Lorenz, IPRax 1993, 44 (46); vgl. auch: EuGH 19. 01. 1993 – 89 / 91, Shearson / TVB, Schlussanträge von Generalanwalt Darmon, Slg. 1993, I-164 (I-179, Rn. 110); a.A.: BGH NJW 1996, 1411 (1412); LG

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rechts genügt es, dass die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zumindest das Vorliegen eines rückabzuwickelnden Vertragstatbestandes voraussetzt und zudem konkret auf diesen bezogen ist. Das Vorliegen dieses „inneren Zusammenhangs“ ist der entscheidende Grund für die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands.380 Insofern besteht eine Parallele zum Internationalen Privatrecht, wo Art. 32 Abs. 5 EGBGB (Art. 10 Abs. 1 e) EVÜ) den Anwendungsbereich des Vertragsstatuts aufgrund einer sachlichen Verbindung zum Vertrag ebenfalls auf die Leistungskondiktion ausdehnt.381 Bezweckt wird damit die gleiche Behandlung zusammengehörender Rechtsfragen, ohne dass es entscheidend auf die Rechtsnatur einzelner Ansprüche ankäme. Diese Grundregel, einen einheitlichen Lebenssachverhalt nicht künstlich aufzuspalten,382 ist für das europäische Zivilprozessrecht jüngst im Zuge der GabrielEntscheidung des EuGH bestätigt worden. In dem Fall ging es um die klageweise Durchsetzung eines Anspruchs aus Gewinnmitteilung gem. § 5 j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes (öKSG) seitens eines österreichischen Verbrauchers gegen eine deutsche GmbH. Die Auszahlung des versprochenen Gewinns war an eine Warenbestellung geknüpft, die vom Verbraucher auch getätigt wurde. Trotzdem wurde der Gewinn nicht ausgezahlt. Aus dem „Kleingedruckten“ in den an den Verbraucher gesandten Schriftstücken ergab sich die Unverbindlichkeit der Gewinnzusage. Daraufhin erhob der Verbraucher Klage gegen die Gesellschaft auf Auszahlung des gewonnenen Geldes gem. § 5 j öKSG. Die Frage nach dem zuständigen Gericht wurde dem EuGH vorgelegt. Dieser entschied, dass die Klage in den Anwendungsbereich des Verbrauchergerichtsstands gem. Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ (Art. 15 EuGVO) falle.383 Bemerkenswert ist dabei, dass der Gerichtshof zu diesem Ergebnis nicht etwa aufgrund einer direkten vertraglichen Qualifikation des Anspruchs aus Gewinnmitteilung gelangt. Die Rechtsnatur des Klagerechts wird nicht erörtert. Für maßgeblich wird vielmehr der enge Zusammenhang zwischen dem Anspruch und dem von den Parteien geschlossenen Vertrag gehalten. Es liege eine „untrennbare Verbindung zwischen der Gewinnzusage und der Warenbestellung“ vor384. Allein diese Beziehung zum Vertragsverhältnis rechtfertigt nach Ansicht des EuGH die Anwendbarkeit des Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ. Nur wenn dasselbe Gericht hinsichtlich aller Streitfragen, zu denen der Vertrag führen kann, entscheidungsbefugt sei, Frankfurt a.M. IPRax 1997, 258 (259); MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 7; Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 31, Rn. 37; Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 3; Zöller / Geimer, ZPO, Anh. I, Art. 5 EG-VO, Rn. 10 a. 380 Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (658); vgl. auch Eilinghoff, S. 338. 381 Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) aa). 382 Heldrich, S. 118. 383 EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick GmbH, IPRax 2003, 50 (51 f., Nr. 18 ff.; 54, Nr. 59). 384 EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick GmbH, IPRax 2003, 50 (54, Nr. 54).

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könne eine Häufung der Gerichtsstände, die insbesondere einen Verbraucher als regelmäßig schwächere Partei benachteiligen würde, vermieden werden.385 Letztendlich sollen also nicht formale Aspekte, sondern Zweckmäßigkeitserwägungen, nämlich die Prozessökonomie und der Schutz des Verbrauchers, für die Beantwortung der Qualifikationsfrage maßgeblich sein. Als Voraussetzung für die Geltendmachung im Verbraucherklagengerichtsstand – dies muss auch für den Vertragsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO gelten386 – ist mithin eine „enge“ Verbindung zu einer vertraglichen Sonderverbindung anzusehen.387 In anderen Bereichen des europäischen Zivilprozessrechts kann die enge Bindung von Ansprüchen an ein anderes Rechtsverhältnis ebenfalls dazu führen, dass Letzteres über die rechtliche Behandlung aller Ansprüche entscheidet. So sollen deliktische Ansprüche zwischen den Parteien eines Vertrages dann ebenso von der für die vertraglichen Ansprüche geltenden Gerichtsstandsklausel gem. Art. 17 EuGVÜ (Art. 23 EuGVO) erfasst sein, wenn ein enger innerer Zusammenhang zwischen Vertrag und Delikt besteht.388 Dass eine so enge sachliche Verbindung zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen bestehen kann, dass sie eine Geltendmachung vor ein und demselben Gericht rechtfertigt, wird nicht zuletzt in der Diskussion um einen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs deutlich.389 Auch für die Qualifikation von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo kommt es somit nicht entscheidend auf ihre Rechtsnatur an, wenn sie in einem ausreichend engen sachlichen Zusammenhang zu einem Vertragsverhältnis i. S. d. europäischen Zivilprozessrechts stehen. Wie im Internationalen Privatrecht steht das Fehlen einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung bei der Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses einer Subsumtion unter den Begriff „Anspruch aus Vertrag“ nicht von vornherein entgegen. Voraussetzung ist allerdings, dass die fehlende privatautonome Bindung der Parteien durch eine umso engere 385 EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick GmbH, IPRax 2003, 50 (54, Nr. 57 f.). 386 In seiner neusten Rechtsprechung hat der EuGH klargestellt, dass der Vertragsbegriff in Art. 13 EuGVÜ enger als der in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zu interpretieren ist, da ein synallagmatisches Verhältnis zwischen Verbraucher und Unternehmer vorausgesetzt wird, vgl. EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (812, Nr. 36, 49); Leible, NJW 2005, 796 (797). Das ändert aber nichts daran, dass die Wertung aus der Entscheidung Gabriel / Schlank & Schick GmbH auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO übertragen werden kann. Denn wenn schon ein enger Zusammenhang ausreicht, um den restriktiven Gerichtsstand des Art. 13 EuGVÜ zu begründen, so muss dies erst recht für den Vertragsklagengerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO gelten. 387 Vgl. auch: ArbG Wiesbaden NZA-RR 2000, 321 (323). 388 Vgl. OLG München RIW 1989, 901 (902); OLG Stuttgart IPRax 1992, 86 (88); Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rz. 3080; Zöller / Geimer, Art. 23 EuGVO, Rn. 39; Vischer, in: FS Jayme, Bd. 1, S. 993 (997, 1000) m. w. N. 389 Dazu oben: Teil C. II. 3. b) dd).

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Bindung des Haftungsinstituts mit dem intendierten Vertrag ausgeglichen wird, um eine willkürliche Ausdehnung des Klägergerichtsstands am Erfüllungsort zu vermeiden. Das entspricht auch der „Kalfelis-Formel“ für die Abgrenzung von vertraglichen und deliktischen Ansprüchen, wonach die Klagen nicht dem Deliktsklagengerichtsstand unterfallen, die an einen Vertrag „anknüpfen“.390 Demnach bestehen zwei Möglichkeiten, eine vertragliche Qualifikation i. S. d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zu erreichen. Grundsätzlich kommt es für eine direkte Zuordnung als „vertraglich“ auf eine freiwillig eingegangene Verpflichtung an. In Grenzfällen kann jedoch auch ein genügend enger Zusammenhang mit einem Vertrag ausreichen, vorausgesetzt, die ratio legis „passt“ auf das Rechtsinstitut391 und Systematik und Zielsetzung der Verordnung392 stehen nicht entgegen. Diese Kriterien müssen auf jede vorvertragliche Haftungsfallgruppe angelegt werden. Anders als im EGBGB / EVÜ bedarf es keiner analogen Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO. Abgesehen davon, dass eine entsprechende Anwendung der besonderen Zuständigkeitsvorschriften aufgrund ihres Ausnahmecharakters gegenüber dem allgemeinen Gerichtsstand abzulehnen ist393, zeigt die Entscheidung Gabriel, dass der Vertragsbegriff des Europäischen Zivilprozessrechts ohnehin weiter gefasst ist als der des EGBGB / EVÜ. In diesem Fall bildeten weder ein „Vertrag“ noch „Ansprüche aus einem Vertrag“ im eigentlichen Sinne den Gegenstand des Verfahrens, denn der Warenkauf war nicht streitbefangen und das Klagerecht auf Gewinnauskehr war nicht auf den Vertrag zurückzuführen.394 Die Gewinnzusage stuft der EuGH nicht als integralen Vertragsbestandteil ein, sondern als selbständiges Klagerecht.395 Um die „untrennbare Verbindung“ mit der Warenbestellung zu belegen, wird darauf abgestellt, dass der Vertragsschluss Vorbedingung für den Erhalt des Gewinns war. Diese Verbindung reicht aus, um eine „Klage aus Vertrag“ nach Art. 13 EuGVÜ (Art. 15 EuGVO) bejahen zu können.396 Im Schuldvertragskollisionsrecht hingegen beschränkt sich der Vertragsbegriff auf freiwillig eingegangene Verpflichtungen, während damit zusammenhängende Fragen über Art. 31, 32 EGBGB (Art. 8, 10 EVÜ) dem Vertragsstatut unterSiehe oben: Teil E. II. 1. d) aa). Sogleich: Teil E. II. 1. d) bb). 392 Sogleich: Teil E. II. 1. d) cc). 393 Vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7368, Nr. 33 – 35); LG Braunschweig IPRax 2002, 213 (214); Staudinger, ZEuP 2004, 762 (770). 394 Dennoch prüft der EuGH das Vorliegen eines Verbrauchervertrages, um den Anwendungsbereich des Art. 13 EuGVÜ zu „öffnen“, vgl. EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick GmbH, IPRax 2003, 50 (52 f., Nr. 36 ff.). 395 Staudinger, ZEuP 2004, 762 (769 f.). 396 EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick GmbH, IPRax 2003, 50 (54, Nr. 60). 390 391

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

stellt werden. Was nicht unter diese Konkretisierungsnormen fällt, aber dennoch einen sachlichen Zusammenhang zu einem (geplanten) Vertrag aufweist, kann nur in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften vertraglich angeknüpft werden.397 Im europäischen Zivilprozessrecht kommt es hingegen nur auf das Nähekriterium an.398 Eine Klage auf Schadensersatz wegen des unredlichen Verhandlungsabbruchs weist unbestreitbar eine große Nähe zu dem intendierten Vertrag auf. Dazu kann auf die zum Internationalen Privatrecht gemachten Ausführungen verwiesen werden.399 Die Entstehung des Schadens und sein Ersatz beruhen auf dem Ausbleiben des geplanten Vertragsabschlusses. Die Parteien haben sich zweckgerichtet und bewusst in Verhandlungen miteinander begeben, um eine freiwillige Selbstbindung einzugehen. Diese scheitert, obwohl sie schon als sicher in Aussicht gestellt war. Der Haftungsanspruch ist also untrennbar mit dem Ausbleiben der rechtsgeschäftlichen Beziehung verknüpft. Bestätigt wird das Vorliegen eines inneren Zusammenhangs durch die – wenngleich sachrechtliche – Einschätzung der „UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“, dass es beim Abbruch von Verhandlungen funktional bereits um Vertragsrecht gehe.400 Obwohl es sich um materiell-rechtliche Prinzipien handelt, die prozessuale Belange außer Acht lassen,401 sollte man diese überstaatlichen Rechtsgrundsätze bei der Bemühung um autonome Begriffsdefinitionen wenigstens insoweit berücksichtigen, als man sie bestätigend für gefundene Ergebnisse heranzieht. Dies hat auch Generalanwalt Geelhoed in seinen Schlussanträgen in der Sache Tacconi / HWS getan.402 Da die genannten Kodifikationen international anerkannte, allgemeine Rechtsgrundsätze ohne Rücksicht auf die Vorstellungen nationaler Rechtsordnungen schaffen wollen,403 können sie zumindest als Ausgangspunkt für die eigenständige Begriffsbildung im Europäischen Prozessrecht dienen. Schließlich würde eine vertragliche Qualifikation der vorliegenden Haftungskonstellation auf prozessrechtlicher Ebene im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO, wo der Erfüllungsort durch die lex causae festgelegt wird, zu einem Vgl. obige Ausführungen: Teil E. I. 4. b). Die Qualifikation als „vertraglich“ i. S. d. europäischen Zivilprozessrechts bedeutet die Subsumtion unter Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO und damit unter den Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“, während unter einer „vertraglichen“ Einordnung im Internationalen Privatrecht nicht zwangsläufig die Subsumtion unter den kollisionsrechtlichen Vertragsbegriff zu verstehen ist, sondern eine „vertragliche“ Qualifikation auch mit Hilfe der Art. 31, 32 EGBGB erfolgen kann. Weil es diese „Reichweite-Vorschriften“ im Internationalen Zivilprozessrecht nicht gibt, muss der dortige Vertragsbegriff weiter ausgelegt werden. 399 Dazu oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b). 400 Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). 401 Die Eignung für das Prozessrecht deshalb bezweifelnd: Magnus, IHR 2002, 45 (48). 402 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7372, Nr. 55); vgl. dazu: Meyer, ULR 2002 – 4, 1222 ff. 403 Magnus sieht diesen Status bereits erreicht, vgl. IHR 2002, 45 (48). 397 398

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erstrebenswerten404 Gleichlauf von europäischem Prozess- und Internationalem Privatrecht führen. In allen anderen Fällen wäre zumindest sichergestellt, dass vertragliche Ansprüche im Internationalen Privat- und europäischen Zivilprozessrecht gleich zu verstehen sind. Zwar darf nicht übersehen werden, dass prozessuale und materiell-rechtliche Begriffe nicht immer deckungsgleich sind.405 Mehrheitlich ist man sich jedoch darüber einig, dass den Vertragsbegriffen von EuGVO und EVÜ in weiten Teilen ein gleicher Inhalt beizumessen ist.406 Die mit der Rechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene angestrebte Rechtssicherheit wird nämlich am besten erreicht, wenn möglichst identische Begrifflichkeiten in den sich ergänzenden Verordnungen bzw. Übereinkommen verwendet werden. So hat der EuGH auch schon explizit auf Art. 10 EVÜ rekurriert, um den vertraglichen Charakter einer Klage i.S.v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zu untermauern.407 Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht ist die Fallgruppe des unredlichen Abbruchs von Vertragsverhandlungen im Internationalen Privatrecht bei funktionaler Betrachtungsweise in entsprechender Anwendung der Art. 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 lit. e) bzw. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB vertraglich einzustufen.408 Mithin wäre ein Gleichlauf erreicht. Dieses aufgrund eines Seitenblicks auf das vereinheitlichte Internationale Privatrecht gewonnene Ergebnis spricht demnach ebenso für eine vertragliche Qualifikation des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen im Internationalen Zivilprozessrecht. Ebenso wie im Kollisionsrecht scheitert eine vertragliche Qualifikation der vorvertraglichen Haftung im vorliegenden Fall auch nicht an dem Fehlen eines der Pflichtverletzung nachfolgenden Vertragsschlusses. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO setzt ja nicht zwingend das Vorliegen einer vertraglichen Sonderverbindung voraus, sondern entscheidet auch darüber, ob eine solche überhaupt vorliegt. Insofern ergibt sich eine Parallele zu Art. 31 EGBGB (Art. 8 EVÜ).409 Da Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO die Schadenshaftung aus Sekundäransprüchen erfasst, die an den Vertrag anknüpfen, sollte dieser Gerichtsstand auch die Schadenshaftung erfassen, die an das Ausbleiben des als sicher in Aussicht gestellten Vertrages anknüpfen, weil diese Haftung keine typisch deliktsrechtliche ist. Wenn also der später abzuschließende Vertrag bereits seiner Art nach bestimmt und über die Verteilung der 404 Vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7378, Nr. 69). 405 Siehe: Schack, Erfüllungsort, Rn. 336; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (667). 406 B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 21; Dörner, WuB IV B. Art. 28 EGBGB 1.05, 38; Mankowski, IPRax 2003, 127 (128); Rauscher / Schülke, EuLF 2000 / 01, 334 (335); Staudinger, JZ 2003, 852 (856). Vgl. aber auch: Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1031 f.). 407 Vgl. EuGH 08. 03. 1988 – 9 / 87, Arcado / Haviland, NJW 1989, 1424 (1424, Rn. 15). Siehe auch die Schlussanträge von Generalanwalt Mancini, EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Slg. 1983, 1005 (1011, Rn. 7). Umso erstaunlicher ist es, dass sich der Gerichtshof in der Sache Tacconi / HWS – soweit ersichtlich – nicht mit dem EVÜ auseinander gesetzt hat. 408 Siehe oben: Teil E. I. 5. 409 Vgl. obige Ausführungen: Teil E. I. 4. b) bb).

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Hauptleistungspflichten entschieden ist, was bei der vorliegenden Fallgruppe fast immer gegeben sein dürfte, da sonst nicht auf das Zustandekommen der Vertragsbeziehung vertraut werden kann, dann reicht dies zunächst410 aus, um den Vertragsklagengerichtsstand für anwendbar zu erklären. Ansprüche, die auf der Grenzlinie zwischen Vertrag und Delikt stehen, müssen dem einen oder dem anderen Bereich zugeordnet werden. Wenn ein enger innerer Bezug zu einer abgeschlossenen oder geplanten Sonderbeziehung besteht, dann muss man sich im Zweifel für den Gerichtsstand dieses Sonderverhältnisses entscheiden. (4) Fazit Der Vertragsbegriff des europäischen Zivilprozessrechts deckt sich im Kern mit dem des EGBGB / EVÜ, geht aber auch über ihn hinaus. So werden einseitige Rechtsgeschäfte direkt unter den Vertragsgerichtsstand subsumiert, während im Kollisionsrecht überwiegend eine analoge Heranziehung der vertraglichen Anknüpfungsregeln vertreten wird.411 Ebenso fallen die Bereiche des Zustandekommens eines Vertrages, der vertraglichen Sekundäransprüche und die Rückabwicklung nichtiger Verträge direkt unter Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO. Im Internationalen Privatrecht wird das Vertragsstatut erst mittels der Sondernormen der Art. 31, 32 EGBGB (Art. 8, 10 EVÜ) auf diese Rechtsfragen ausgedehnt.412 Insoweit ist der originäre Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO weiter als der des Art. 28 EGBGB (Art. 4 EVÜ), weshalb es keiner Analogiebildung für die Einbeziehung der Konstellation des Abbruchs von Vertragsverhandlungen bedarf. Diese Fallgruppe steht nämlich in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit dem beabsichtigten Vertrag, was eine vertragliche Qualifikation nahe legt. bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen Der bestehende Vertragsbezug von Schadensersatzansprüchen wegen Verhandlungsabbruchs reicht allein noch nicht für die Begründung der besonderen Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO aus. Hinzukommen muss eine Übereinstimmung mit der ratio legis dieser Norm. Nicht zuletzt wegen des in Art. 13 EuGVÜ (Art. 15 EuGVO) zum Ausdruck kommenden Verbraucherschutzgedankens ist der Anspruch aus Gewinnzusage in der Sache Gabriel als Anspruch aus Vertrag qualifiziert worden.413 Demnach ist in Abgrenzung zum Deliktsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO zu untersuchen, ob Sinn und 410 Zu den weiteren Voraussetzungen, die neben dem Kriterium des Vertragsbezugs für die Anwendbarkeit von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO vorliegen müssen, siehe sogleich: Teil E. II. 1. d) bb), cc), dd). 411 Zum IZVR: Teil E. II. 1. d) aa) (1). Zum IPR: Teil E. I. 4. b) aa). 412 Siehe oben: Teil E. I. 4. b) dd). 413 EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick GmbH, IPRax 2003, 50 (54, Nr. 58).

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Zweck der für „Ansprüche aus einem Vertrag“ entwickelten Zuständigkeitsnorm des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO in gleichem Maße auf die Geltendmachung der vorvertraglichen Haftung der vorliegenden Fallgruppe übertragen werden können. (1) Sach- und Beweisnähe des Forums Zur Rechtfertigung der besonderen Gerichtsstände der Vertragsklage und der unerlaubten Handlung als Ausnahmen vom Grundsatz des actor sequitur forum rei wird zumeist die Beweis-, Sach- und Rechtsnähe der jeweiligen Gerichte bemüht.414 In bestimmten Fällen bestehe eine „besonders enge Beziehung“ zwischen Streitigkeit und zuständigem Gericht, weshalb die Zulassung des Klägerwahlrechts zugunsten eines besonderen Gerichtsstands dem Interesse einer sachgerechten Prozessführung diene.415 Auf diese Weise soll eine sachnahe Entscheidungsgrundlage gewonnen werden.416 So ergebe sich die Beweis- und Sachnähe des Gerichts am Ort des Eintritts des schädigenden Ereignisses (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO) daraus, dass sich die Umstände der unerlaubten Handlung und der Eingriff in das geschützte Rechtsgut vor Ort besonders gut würdigen lassen.417 Das Sachnäheargument wird vom EuGH aber auch zur Rechtfertigung des Gerichtsstands am Erfüllungsort herangezogen. Dies sei der Ort, an dem zwischen der Streitigkeit und dem zur Entscheidung berufenen Gericht die engste Verbindung bestehe.418 Demnach wäre dasjenige Gericht für die Entscheidung über Klagen aus culpa in 414 Für den Vertragsklagengerichtsstand: EuGH 19. 02. 2002 – 256 / 00, Besix / Kretzschmar, NJW 2002, 1407 (1408, Nr. 31); siehe auch: Bericht Jenard, BT-Drucks. VI / 1973, S. 52 (69); U. Dörner, S. 62; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 38; Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (577). Hinsichtlich des Deliktsklagengerichtsstands vgl.: EuGH 27. 10. 1998 – 51 / 97, EuZW 1999, 59 (61, Nr. 27); Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 344; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 34; Schack, IZVR, Rn. 289; Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (328 f.). Siehe auch: Bericht Jenard, BTDrucks. VI / 1973, 52 (69); Rauscher, Verpflichtung, S. 149 ff., 218; Schwarz, S. 155; MüllerFeldhammer, EWS 1998, 162 (165). Vgl. zum Kriterium der Sachnähe die (kritischen) Ausführungen von Geimer in: Geimer / Schütze, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 6 ff., 202. 415 EuGH 30. 11. 1976 – 21 / 76, Bier / Mines de Potasse d’Alsace, NJW 1977, 493 (493); 22. 3. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1002, Nr. 11); 19. 09. 95 – 364 / 93, Marinari / Lloyds Bank, JZ 1995, 1107 (1107, Nr. 1); vgl. auch EuGH 26. 03. 1992 – 261 / 90, Reichert u. a. / Dresdner Bank AG, Schlussanträge, Generalanwalt Gulmann, Slg. 1992, I-2160 (I-2172). 416 Rauscher, Verpflichtung, S. 149. 417 EuGH 30. 11. 1976 – 21 / 76, Bier / Mines de Potasse d’Alsace, NJW 1977, 493 (493); dem folgend: B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 114; Kiethe, NJW 1994, 222 (224). 418 EuGH 06. 10. 1976 – 12 / 76, Tessili / Dunlop, Slg. 1976, 1473 (1486, Nr. 13); 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1002, Nr. 11); 15. 01. 1987 – 266 / 85, Shenavai / Kreischer, Slg. 1987, 239 (256, Nr. 18); 29. 06. 1994 – 288 / 92, Custom Made Commercial / Stawa, Slg. 1994, I-2913, (I-2955, Nr. 13); Bericht Jenard, BT-Drucks. VI / 1973, S. 52 (69); vgl. auch: OLG Bremen RIW 1998, 63 (64); OLG Jena RIW 1999, 703 (704); Kropholler / von Hinden, in: GS Lüderitz, S. 401 (407); Junker, RIW 2002, 569 (572).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

contrahendo wegen Verhandlungsabbruchs am besten geeignet, das dem Kriterium der Beweis- und Sachnähe genügt. Unterstellt man zunächst die Anwendbarkeit des Deliktsklagengerichtsstands, so kann das ungerechtfertigte Abbrechen von Vertragsverhandlungen am ehesten als eine „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ begriffen werden.419 Zuständig wäre dann nach Wahl des Klägers das Gericht am Handlungsoder am Erfolgsort.420 Unter dem Handlungsort ist der Ort des schadensursächlichen Geschehens zu verstehen.421 Als Erfolgsort wird die Lokalität bezeichnet, wo der Eingriff in das geschützte Rechtsgut stattgefunden hat, nicht jedoch der Schadensort, d. h. der Ort, an dem nur ein mittelbarer Schaden entstanden oder ein Folgeschaden eingetreten ist.422 Kommt es jedoch zu einem reinen Vermögensschaden, so ist das Gericht am Belegenheitsort des geschädigten Vermögens, d. h. am Sitz der Vermögenszentrale, zuständig.423 Im ersten Fall kommt es im Rahmen der vorliegenden Konstellation vorvertraglicher Haftung mithin auf den Ort an, an dem die schadensersatzpflichtige Partei die Verhandlungen ungerechtfertigt abgebrochen hat, weil dort die einer unerlaubten Handlung gleichgestellte Handlung begangen worden ist. Das Abstellen auf den Handlungsort erscheint jedoch ungerechtfertigt. Der Ort, an dem die unerlaubte Handlung stattgefunden hat, mag beispielsweise bei einem Verkehrsunfall424 besonders sachnah sein, weil vor Ort am besten Beweis erhoben werden kann. Warum aber bei einem Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo dieser Ort entscheidend sein soll, leuchtet nicht unbedingt ein. Hier greifen insbesondere die oben genannten Argumente, die sich gegen die Maßgeblichkeit des Verhandlungsstatuts bei der Qualifikation im Internationalen Privatrecht anführen lassen.425 Es So auch Hermes, RIW 1999, 933 (937). Vgl. EuGH 30. 11. 1976 – 21 / 76, Bier / Mines de Potasse d’Alsace, NJW 1977, 493 (493); B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 140; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 81; Zöller / Geimer, Anh. I, Art. 5 EG-VO, Rn. 26. 421 B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 142; Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 248; Rauscher / Leible, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 87; Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 19; Schwarz, S. 156. 422 B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 149, 154; Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 358 f.; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 81, 87; MüKo-ZPO / Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 43; Zöller / Geimer, Anh I Art. 5 EGVO, Rn. 26; Schwarz, S. 157 ff.; Müller-Feldhammer, EWS 1998, 162 (169). 423 B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 150; Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 361; Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 86; Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 282; Mankowski, VuR 1999, 219 (223); a.A.: Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 52: bei reinen Vermögensschäden ist nur der Handlungsort als besonderer Gerichtsstand zuzulassen. 424 Das forum delicti commissi wurde u. a. wegen der häufig vorkommenden Verkehrsunfälle in das EuGVÜ mit aufgenommen, siehe: Bericht Jenard, BT-Drucks. VI / 1973, S. 52 (72). 425 Siehe oben: Teil E. I. 4. b) ee). 419 420

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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mag Fälle geben, in denen der Ort des Verhandlungsabbruchs nicht eindeutig bestimmbar ist, weil es sich zum Beispiel um Distanzverhandlungen mittels moderner Kommunikationsmittel handelt oder an mehreren Plätzen Gespräche geführt worden sind. Hier ein sachnahes Gericht zu bestimmen, scheint fast unmöglich. Zudem entscheidet dann der Zufall über das zuständige Gericht und nicht die Sachnähe. Wo die Verhandlungen abgebrochen werden, da muss nicht zwangsläufig der Schwerpunkt der vorangegangenen Verhandlungen gelegen haben. Die Sach- und Beweisnähe des Gerichts am Ort der Pflichtverletzung aus dem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis ist somit fraglich. Gleiches gilt für das Gericht am Erfolgsort. Der Schaden besteht vorliegend in den Aufwendungen, die im Vertrauen auf den Vertragsabschluss bereits getätigt wurden. An dem Ort, an dem diese Aufwendungen das Vermögen geschmälert haben, ist der Erfolg eingetreten. Dies ist möglicherweise die Niederlassung des Geschädigten. Der Erfolgsort kann allerdings genauso gut an einem anderen Ort liegen. Ob dort am besten Beweis über eine vorvertragliche Pflichtverletzung erhoben werden kann, ist zweifelhaft. Das forum delicti commissi scheint demnach nicht besonders beweis- und sachnah zu sein, wenn auf Schadensersatz wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen geklagt wird. Der Erfüllungsort i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVO wird entweder von der konkret streitigen Verpflichtung (lit. a)) oder von der vertragscharakteristischen Verpflichtung (lit. b)) bestimmt.426 Für die hier in Rede stehenden Ersatzansprüche aus culpa in contrahendo bedeutet dies, dass entweder auf die vorvertragliche Pflicht selbst oder die geplante Vertragspflicht abzustellen ist.427 Kommt es auf die vorvertragliche Verpflichtung an, dann wäre das Gericht am Ort, an dem die Verhandlungen in einen Vertragsabschluss hätten münden sollen, international zuständig. Die Bestimmbarkeit dieses Ortes kann ebenfalls große Probleme aufwerfen, insbesondere wenn längere Verhandlungen in unterschiedlichen Ländern stattfinden. Fraglich ist, ob dem Gericht an diesem Ort eine besondere Sach- oder Beweisnähe zugesprochen werden kann. Das wird man nur im konkreten Einzelfall feststellen können. Werden die Verhandlungen beispielsweise in einem Drittstaat geführt, dann lässt sich eine besonders enge Verbindung zu dem dort gelegenen Gericht nicht unbedingt ausmachen. Bis zu welchem Stand die Verhandlungen bereits gediehen waren, ob ein haftungsbegründendes, rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis schon entstanden war und ob eine daraus resultierende Verpflichtung verletzt wurde, wird sich regelmäßig nur aus Zeugenaussagen und schriftlichen oder anderen Dokumenten ermitteln lassen. Weder die Beteiligten noch die Unterlagen verbleiben aber nach den Verhandlungen in diesem Drittland, so dass die Gerichte dort den Sachverhalt auch nicht besser ermit426 427

Dazu: Siehe unten: Teil E. II. 1. d) dd) (1). Dazu: Siehe unten. Teil E. II. 1. d) dd) (2), (3).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

teln können als andere. Die Gerichte am Wohnsitz bzw. der Niederlassung der Parteien wären regelmäßig sogar enger mit der Streitigkeit verbunden. Eine besondere Sachnähe lässt sich auch hier pauschal nicht feststellen. Ähnliches gilt, wenn man den hypothetischen Erfüllungsort der geplanten, jedoch nicht zur Entstehung gelangten, konkret streitigen oder vertragscharakteristischen Verpflichtung für maßgeblich hält. Auch hier mag im Einzelfall die Sachnähe gegeben sein oder auch nicht. Die Einführung eines einheitlichen Gerichtsstands im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO kann sogar als Absage an das Kriterium der Sachnähe verstanden werden, da nunmehr für alle Streitigkeiten der Erfüllungsort der vertragstypischen Verpflichtung maßgeblich ist. Die Kalkulierbarkeit des Forums steht klar im Vordergrund und verdrängt die Sachnähe. Auch bei der unterstellten Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO erscheint das alleinige Abstellen auf das Argument der Sach- und Beweisnähe nicht ausreichend für ein Abweichen vom allgemeinen Beklagtengrundsatz. Das Sachnäheargument kann somit nicht in allen Fällen restlos überzeugen und wird deshalb zu Recht kritisiert.428 Selbst der EuGH hält diesen Aspekt inzwischen nicht mehr für allein ausschlaggebend zur Rechtfertigung der besonderen Zuständigkeit am Erfüllungsort.429 Das Kriterium der engen Verbindung des Gerichts mit der Streitigkeit fällt für beide Gerichtsstände weder positiv noch besonders negativ ins Gewicht. Da das Vorliegen eines sachnahen Forums, wie gesehen, einzelfallabhängig ist, kann es für sich genommen kein taugliches Kriterium für die Entscheidung des vorliegenden Qualifikationsproblems sein. Ebenso wenig ist die Rechtsnähe, d. h. ein Gleichlauf von forum und ius, als allein entscheidungserheblich einzustufen. Zwar ist es erstrebenswert, wenn das angerufene Gericht den Sachverhalt nach seinem eigenen Recht beurteilen könnte, die Rechtswahlmöglichkeit im Deliktsrecht aufgrund des Ubiquitätsprinzips und die Möglichkeit der parteiautonomen Rechtsgestaltung hinsichtlich vertraglicher Schuldverhältnisse lassen einen Gleichlauf aber als eher selten erscheinen.430 (2) Kalkulierbarkeit des Forums oder Privilegierung des Geschädigten Für die Anwendbarkeit des Gerichtsstands am Erfüllungsort oder am Ort des Eintritts des Schadensereignisses gegenüber der Zuständigkeit des Gerichts am 428 Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 8, 74; Schack, IZVR, Rn. 194; Valloni, S. 158 ff.; Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (577 ff.). Siehe eingehend zum Vertragsklagengerichtsstand: Gsell, IPRax 2002, 484 (488 f.), die darauf hinweist, dass die Sachnähe des berufenen Gerichts jeweils von der konkreten Streitigkeit im Einzelfall abhängt. Vgl. auch: Schack, Erfüllungsort, Rn. 146; Müller-Feldhammer, ESW 1998, 162 (168). 429 EuGH 29. 06. 1994 – 288 / 92, Custom Made Commercial / Stawa, Slg. 1994, I-2913 (I-2956, Nr. 18 ff.). 430 Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 9, 202; Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (577 f.).

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Beklagtenwohnsitz sprechen andere Gründe als die Beweis-, Rechts- oder Sachnähe. Die besonderen Gerichtsstände sorgen für Rechtssicherheit, da der Beklagte diese nicht mehr nachträglich verändern kann, während das im Rahmen von Art. 2 EuGVÜ / EuGVO durch die Verlegung seines Wohnsitzes möglich ist. Sie dienen vor allem aber dem Ausgleich der Parteiinteressen. Die legitimen Interessen des Klägers würden aufgrund des ansonsten ohne Ausnahme geltenden Gerichtsstands am Wohnsitz des Beklagten zu sehr vernachlässigt.431 Normzweck des Deliktsklagengerichtsstands ist nicht zuletzt die Privilegierung des Geschädigten durch das Zurücktreten der favor defensoris.432 „Wo Unrecht getan wurde, darf Abhilfe begehrt werden.“433 Der Geschädigte soll nicht noch gezwungen sein, im Wohnsitzstaat des Schädigers, der für ihn regelmäßig nicht erkennbar ist, sein Recht zu suchen. Auf der anderen Seite stellt die Anknüpfung an den Eintrittsort des Schadensereignisses auch keinen reinen Klägergerichtsstand dar.434 Vorteilhaft ist der besondere Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO für den Kläger, weil er zwischen den Gerichten am Handlungsort und am Erfolgsort wählen kann, wenn beide Orte auseinander fallen. Es handelt sich dabei also um eine von der Verordnung vorgesehene Möglichkeit für den Geschädigten, „forum shopping“ zu betreiben. Die Wahl zwischen den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten ist insbesondere in Bereichen, in denen noch kein vereinheitlichtes Internationales Privatrecht existiert – wie gerade beim Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse –, den Interessen der klagenden Seite dienlich. So kann nicht nur unmittelbar das jeweilige nationale Prozessrecht bestimmt werden, sondern mittelbar auch das anwendbare Sachrecht, weil die angerufenen Gerichte ihre lex fori anwenden. Der Kläger beeinflusst mithin das materiell in der Sache anwendbare Recht. Er kann das Gericht wählen, das voraussichtlich die für ihn beste Entscheidung treffen wird. Die Wahlmöglichkeit des Klägers, am Erfüllungsort zu klagen, verfolgt das Ziel der Schaffung eines kalkulierbaren und vorhersehbaren Forums.435 Dies dient nicht nur dem Gläubigerschutz436, sondern den Interessen beider Parteien437, die eine 431 Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 344; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 2; Schack, IZVR, Rn. 256, 289. 432 Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 202; Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (328 f.); Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (578); Müller-Feldhammer, EWS 1998, 162 (165, 168). 433 Schröder, S. 269. Ebenso: OLG München NNJW-RR 1994, 190 (190). 434 Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 74. 435 Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 8; U. Dörner, S. 61; Schack, IZVR, Rn. 256. Das für die Rechtfertigung des Vertragsklagengerichtsstands teilweise vorgebrachte Argument des Zusammenfallens von materiellem Leistungsort und Gerichtsstand ist hingegen umstritten: dafür Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 5; kritisch: Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 8; Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (578 f.). 436 So Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 4. 437 Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (579).

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freiwillige Verpflichtung eingegangen sind. Sie sollen bereits bei Eingehung der Sonderverbindung die Möglichkeit einer späteren rechtlichen Auseinandersetzung in ihre Planungen mit einbeziehen können. Das schafft Rechtssicherheit und damit einen Anreiz zur wirtschaftlichen Betätigung. Weil es sich um eine streitgegenstandsbezogene Anknüpfung handelt, ist die Gefahr eines reinen Klägerforums hier ebenso gebannt.438 Geht man davon aus, dass jeder Beteiligte an einem internationalen Rechtsstreit diesen möglichst vor den Gerichten seines Heimatstaates austragen will, so ist das weder nach Art. 5 Nr. 1 noch nach Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO gewährleistet. Für den aufgrund einer vorvertraglichen Pflichtverletzung Geschädigten wäre das durch den Deliktsklagengerichtsstand eröffnete forum und law shopping jedoch sehr vorteilhaft. Zwar können die Parteien im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO die internationale Zuständigkeit der Gerichte ohne die Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 23 EuGVO beeinflussen, indem sie den Lieferort der Waren oder den Erbringungsort der Dienstleistung vereinbaren.439 Allerdings würde so nur das nationale Prozessrecht wählbar, da das Kollisionsrecht durch das EVÜ vereinheitlicht ist. Außerdem kommt es auf eine Vereinbarung beider Beteiligten an, während das Wahlrecht des Deliktsgeschädigten von diesem ohne Rücksicht auf den Beklagten ausgeübt werden kann und deshalb attraktiver ist. Dennoch „passen“ die hinter dem Vertragsklagengerichtsstand stehenden Wertungen besser als die des forum delicti commissi auf die Haftung aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis. Die Zuständigkeitsnorm des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO geht von dem Vorliegen einer typischen Deliktssituation aus: die Beteiligten werden unerwartet durch ein schadensstiftendes Ereignis miteinander verbunden.440 Es liegt eine Schadenshaftung vor, die nicht an einen Vertrag, also einen geplanten Kontakt zum Zwecke des Leistungsaustausches, anknüpft. Diese Wertungen können nur schlecht auf ein vertragsähnliches Näheverhältnis aus culpa in contrahendo übertragen werden. Einer so engen Beziehung der Beteiligten untereinander, wie sie zwischen den Verhandlungsparteien besteht, bedarf es nämlich für die Begründung des Deliktsklagengerichtsstands nicht.441 Vielmehr handelt es sich um eine zufällige Begegnung 438 Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 5; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 8; Schack, IZVR, Rn. 257. 439 Art. 5 Nr. 1 b) EuGVO formuliert: „[ . . . ] und sofern nichts anderes vereinbart worden ist [ . . . ]“. Eine Erfüllungsortvereinbarung ist auch im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 a) EuGVO möglich, vgl. Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 35; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 43 ff. Abstrakte Abreden zur Umgehung des Art. 23 EuGVO sind jedoch ausgeschlossen, vgl. MüKo-ZPO / Gottwald, Art. 5 EuGVÜ, Rn. 23; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 36 m. w. N.; Rauscher, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 43 f. 440 Schack, IZVR, Rn. 289; Schwarz, S. 152 f. 441 HWS trug genau dieses Argument in seinen zum Rechtsstreit mit Tacconi eingereichten Erklärungen vor. Die Verhandlungsbeteiligten stünden in einem besonderen Verhältnis zueinander, denn wer solchermaßen einen zukünftigen Vertrag erörtere, der wisse um die

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mit einem Fremden. Diese führt zu einem unvorhersehbaren Beklagtengerichtsstand an dessen unbekannten Wohnsitz oder nach Wahl des Klägers zur Zuständigkeit des Gerichts am Handlungs- oder Erfolgsort. Letztere sind erst nach Eintritt des Schadensereignisses bestimmbar und demnach schlecht vorhersehbar. Allerdings ist die Kalkulierbarkeit des Gerichtsstands nicht von großer Bedeutung, da zumindest der Geschädigte nicht damit rechnet, gegen seinen Willen in eine deliktische Sonderbeziehung mit einer unbekannten Person hineingezogen zu werden. Dagegen ist Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO darauf zugeschnitten, eine Konstellation zu erfassen, in der zwei Parteien eine gewollte rechtsgeschäftliche Bindung eingehen. Sie haben sich bewusst aufeinander zu bewegt und sich somit auch freiwillig der Möglichkeit ausgesetzt, durch das Verhalten der anderen Seite rechtliche Nachteile zu erleiden. Der Vertragsschluss lässt Rechte und Pflichten entstehen, die nur zwischen den Vertragsparteien rechtlich relevant sind. Die Beteiligten sind aus der für das Deliktsrecht typischen Anonymität herausgetreten. Da es bei der Übernahme und der Durchführung solcher relativer Verpflichtungen zu Problemen kommen kann, die einer rechtlichen Lösung zugeführt werden müssen, und dies den Parteien auch bewusst ist, stellt Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ein vorhersehbares und kalkulierbares Forum für einen Rechtsstreit zur Verfügung. Der für eine wirtschaftliche Betätigung notwendigen Rechtssicherheit wird so Rechnung getragen. Im Gegensatz zum Deliktsgerichtsstand setzt der Gerichtsstand für Vertragsklagen grundsätzlich eine bereits bestehende schuldvertragliche Sonderverbindung zwischen den Beteiligten eines potentiellen Rechtsstreits voraus, bei der die Zuständigkeit des Gerichts schon vor der klageweisen Durchsetzung einer Forderung eine große Rolle spielt. Vergleicht man die genannten prozessualen Anknüpfungspunkte mit der Situation eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses, dann wird diese von der ratio des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO besser erfasst. Denn hier stehen die Beteiligten in einer engen Beziehung zueinander, die relative Wirkungen zwischen ihnen entfaltet und deshalb keine typische Deliktssituation darstellt. Die Parteien sind sich aufgrund der entstandenen Vertrauensbeziehung nicht mehr fremd. Ähnlich wie bei einem Vertragsabschluss haben sie sich freiwillig in dieses Sonderverhältnis begeben, indem sie miteinander in Kontakt getreten sind, um über die Eingehung einer vertraglichen Bindung zu verhandeln. Es wird dann, allerdings unabhängig vom Parteiwillen, ein vertragsähnliches Näheverhältnis geschaffen. Vor Eintritt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung besteht notwendigerweise dieses besondere Schuldverhältnis, das erst das Pflichtenprogramm der gegenseitigen Rücksichtnahme entstehen lässt. Der prozessuale Anknüpfungspunkt des Art. 5 Nr. 1 Möglichkeit einer vorvertraglichen Haftung bei Verletzung der Verhaltenspflichten und akzeptiere dieses Risiko. Eine rechtsgeschäftsähnliche Haftung sei nur zwischen so verbundenen Parteien denkbar und deshalb liege eine andere Situation vor als bei einer deliktischen Haftung gegenüber jedermann. Vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7372, Nr. 49) und Urteil I-7383 (I-7391, Rn. 16, 17).

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EuGVÜ / EuGVO, eine Sonderbeziehung, die relative Pflichten entstehen lässt, liegt somit vor. Die Beteiligten an einem vorvertraglichen Schuldverhältnis stehen also bereits in ähnlicher Weise wie Vertragsparteien zueinander.442 Dafür, dass in einer solchen Situation die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands gerechtfertigt ist, spricht auch die Entscheidung des EuGH in der Sache Peters / ZNAV. Dort hatte der Gerichtshof entschieden, dass ein Vereinsbeitritt zwischen den Mitgliedern des Vereins „enge Bindungen gleicher Art schafft, wie sie zwischen Vertragsparteien bestehen“.443 Nach Ansicht des Gerichtshofs reichte diese pflichtenbegründende Sonderverbindung vertragsgleicher Art aus, um einen vertraglichen Anspruch und damit die Zuständigkeit des Gerichts gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zu bejahen. Eine solche Bindung besteht auch zwischen Personen, die bereits über das Zustandekommen eines Vertrages verhandelt haben und in diesen Verhandlungen soweit fortgeschritten sind, dass eine Partei davon ausgeht, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen. Es liegt somit nahe, eine vertragsgleiche Bindung i. S. d. Peters-Entscheidung anzunehmen.444 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Parteien die Verhandlungen mit dem Ziel beginnen, einen Vertrag abzuschließen. Wie gesehen, liegt der Zweck des Vertragsklagengerichtsstands insbesondere darin, den Parteien einer eventuell in Zukunft entstehenden Vertragsstreitigkeit bereits im Vorfeld, also bei Vertragsschluss, eine verlässliche Kalkulation hinsichtlich des zuständigen Gerichts zu ermög442 Dies gilt auch bei Zugrundelegung der Theorie von der ökonomischen Analyse des Rechts, vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (a) (aa). 443 EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1002, Rn. 13); vgl. zudem Mezger, IPRax 1989, 207 (209), der die Schwierigkeiten, die sich aus dieser „einfach und fast tautologisch“ erscheinenden Definition gerade auch im Hinblick auf die culpa in contrahendo ergeben können, erkennt. Siehe nunmehr auch: EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (814, Nr. 56), wonach das Zusenden einer Gewinnmitteilung an einen Verbraucher den Urheber „wie ein Vertrag“ bindet. 444 Dass für die Zuständigkeitsbegründung nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO auch vertragsähnliche Beziehungen ausreichen können, scheint das ArbG Wiesbaden (NZA-RR 2000, 321 (323)) anzunehmen: Das Gericht hat sich für eine Auskunfts- und Beitragsklage der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes aufgrund eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages u. a. im Hinblick auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO mit dem Argument für international unzuständig erklärt, dass die Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes nicht durch rechtsgeschäftliches Handeln begründet werde, sondern das Faktum der Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten durch das Unternehmen ausreichend sei. Im gleichen Absatz führt es aus, dass neben dem Fehlen eines rechtsgeschäftlichen Kontaktes auch ein rechtsgeschäftsähnlicher Kontakt als möglicher Anknüpfungspunkt für einen vertraglichen Anspruch i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO nicht vorhanden sei. Nach Meinung der Richter scheint also das Vorliegen eines rechtsgeschäftsähnlichen Kontaktes u. U. für die Begründung des Vertragsklagengerichtsstands ausreichend zu sein. Ähnlich auch OLG Bremen RIW 1998, 63 (64) und OLG Jena RIW 1999, 703 (704) wonach für die Zuständigkeit gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ „zumindest vertragsähnliche Beziehungen“ vorliegen müssen. Gegen die Einbeziehung vertragsähnlicher gesetzlicher Schuldverhältnisse: LG Frankfurt a.M. IPRax 1997, 258 (295). Das Gericht sieht sich am „klaren Wortlaut“ des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gehindert, eine solche Auslegung anzunehmen.

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lichen. Dies gilt auch schon für das Stadium der Vertragsverhandlungen. Bereits zu diesem Zeitpunkt mag es für die Verhandlungspartner von Interesse sein, wo über eine potentielle rechtliche Auseinandersetzung zu entscheiden ist, so dass möglicherweise auch schon unter diesem Aspekt über den Erfüllungsort verhandelt wird. Risiken und Chancen der freiwilligen Verpflichtung werden gegeneinander abgewogen, wozu auch die Gefahr einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung zählt. Das spricht für die Geltung von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO, denn zumindest der Geschädigte, der von dem Zustandekommen des Vertrages ausging, rechnet mit diesem Gerichtsstand. Somit sind die prozessualen Wertungen, die hinter dem Vertragsklagengerichtsstand stehen, besser geeignet, Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo wegen Verhandlungsabbruchs zu erfassen, als der Deliktsklagengerichtsstand. cc) Systematik und Zielsetzung der EuGVO Für die autonome teleologische Auslegung von Vorschriften der EuGVO spielt die Systematik und Zielsetzung der Verordnung eine entscheidende Rolle.445 Durch die Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregeln im europäischen Binnenraum soll der Rechtsschutz für die dort niedergelassenen Personen verbessert werden.446 Dazu gehört, dass das für eine Klage zuständige Gericht eindeutig bestimmt werden kann447 und dass eine Gerichtsstandshäufung vermieden wird448. (1) Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände Nur mit Hilfe klarer Zuständigkeitsregeln ist das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten.449 In Erwägungsgrund 11 der Verordnung wird festgelegt, dass die „Zuständigkeitsvorschriften [ . . . ] in hohem Maße vorhersehbar sein“ müssen. Der Gerichtshof hat hierzu formuliert, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten feststellen können soll, welches Gericht er anrufen kann. Auf der anderen Seite müsse es aber auch für einen verständigen Beklagten erkennbar sein, vor welchem Gericht er verklagt werden kann.450 Mit anderen Worten: die Gerichtsstände sollen für die Parteien vorhersehbar und kalkulierbar sein. Wie oben 445 EuGH, 19. 02. 2002 – 256 / 00, Besix / Kretzschmar, NJW 2002, 1407 (1409, Nr. 51); 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (812, Nr. 33); Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1025); siehe auch oben: Teil D. II. 2. a). 446 Vgl. oben: Teil C. II. 2. a). 447 Siehe sogleich: Teil E. II. 1. d) cc) (1). 448 Siehe unten: Teil E. II. 1. d) cc) (3). 449 EuGVO-Vorschlag der Kommission, KOM (1999) 348 endg., S. 3. 450 EuGH 17. 06. 1992 – Handte / TMCS, Slg. 1992, I-3967 (I-3995, Rn. 18); 19. 02. 2002 – 256 / 00, Besix / Kretzschmar, NJW 2002, 1407 (1408, Nr. 26); 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7392, Nr. 20).

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ausgeführt, ist die Zuständigkeit eines Gerichts bei internationalen Streitigkeiten von immenser Bedeutung.451 Auf Sachrechtsebene ordnet die Mehrzahl der Mitgliedstaaten Ansprüche auf Schadensersatz, die sich im vorvertraglichen Bereich ergeben, dem Deliktsrecht zu.452 Das lässt darauf schließen, dass Personen aus diesen Staaten im vorliegenden Fall mit dem Deliktsklagengerichtsstand rechnen werden, weil sie sich möglicherweise vom heimatlichen materiellen Sachrecht leiten lassen. Auch die Entscheidung im Fall Tacconi / HWS scheint nicht ganz unbeeinflusst davon zu sein, dass die Mehrheit der europäischen Staaten den haftungsrelevanten Abbruch von Vertragsverhandlungen sachrechtlich als deliktischen Tatbestand ansieht.453 Dies ist nicht verwunderlich, da eine autonome Auslegung der EuGVO durch Richter geschieht, die durch ihre nationale Vorbildung in rechtlicher Hinsicht vorgeprägt sind. Diese nationalen Einflüsse können sich in einer autonomen Begriffsbestimmung widerspiegeln. So ist es durchaus möglich, dass ein Begriff im europäischen Zivilprozessrecht u. a. seine konkrete Gestalt deshalb erhält, weil die Mehrzahl der Mitgliedstaaten dieses Rechtsinstitut ebenfalls so einordnet.454 Demnach scheint im Fall einer Schadensersatzklage wegen der Verhinderung des Vertragsschlusses die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands für die niedergelassenen Personen in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten nicht vorhersehbar zu sein. Andererseits muss sich die Partei eines internationalen Rechtsstreits auch bewusst machen, dass sie nicht ohne weiteres ihre nationalen Rechtsvorstellungen fürdie Beurteilung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts zugrunde legen kann. Wer sich über den Geltungsbereich der eigenen nationalen Rechtsordnung hinauswagt, kann deren rechtliche Zuordnungen und Wertungen außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets nicht automatisch voraussetzen. Dies gilt insbesondere für denjenigen, der eine vorvertragliche Pflichtverletzung begeht und sich somit freiwillig der dafür zuständigen Gerichtsbarkeit aussetzt.455 Aber auch der Kläger muss zunächst prüfen, wie der begehrte Schadensersatz auf europäisch-rechtlicher Vgl. oben: Teil C. II. 3. a). Siehe oben: Teil B. II. 1.; vgl. auch: Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 12; Mankowski, IPRax 2003, 127 (132 f.) m. w. N. 453 Mankowski, IPRax 2003, 127 (128): „Aus jeder Zeile scheint dabei romanische Tradition zu sprechen.“ Rauscher, WuB VII B. Art. 5 EuGVVO 2.05, 480 (481): „Die durch die Vorlagefrage der corte cassazione in eine romanische, wenig c.i.c.-freundliche Sicht gedrängte Entscheidung Tacconi / Wagner . . .“. Vgl. auch: Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1024). 454 Vgl. EuGH 30. 11. 1976 – 21 / 76 (Bier / Mines de Potasse d’Alsace), NJW 1977, 493 (494); 17. 06. 1992 – 26 / 91, Handte / TMCS, Slg. 1992, I-3967 (I-3995, Nr. 20); EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV,Schlussanträge, Generalanwalt Mancini, Slg. 1983, 1005 (1008 f., Nr. 5); Generalanwalt Geelhoed spricht davon, dass sich der Gerichtshof „bei der Beantwortung der ihm vorgelegten Frage vom nationalen Recht leiten lassen kann.“, vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7374, Nr. 58). Vgl. auch Peifer, JZ 1995, 91 (92). 455 LG Braunschweig IPRax 2002, 213 (215). 451 452

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Ebene qualifiziert wird. Es ist also ein Blick über den national-rechtlichen „Tellerrand“ zu fordern. Dabei stößt man fast zwangsläufig wieder auf das EVÜ. Dieses lässt – wie oben gesehen – eine vertragliche Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen des unredlichen Abbruchs der Vertragsverhandlungen zu.456 Auch die Heranziehung anderer, bewusst von nationalen Rechtsordnungen gelöster Regelwerke, wie die UNIDROIT- und die Lando-Prinzipien, vermögen diese Zuordnung zu stützen.457 Wer sich mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Prinzipienwerke auseinandersetzt, den wird eine vertragliche Qualifikation der in Rede stehenden Fallgruppe nicht besonders überraschen können. Schließlich verhandeln die Parteien im Hinblick auf einen abzuschließenden Vertrag, der, wenn er zustande gekommen ist, dem Vertragsklagengerichtsstand unterfällt. Es ist nicht fernliegend, dass die Verhandlungspartner bereits vor dem Abschluss des Vertrages mit der Geltung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO rechnen, wenn es um Streitigkeiten geht, die mit der bezweckten vertraglichen Bindung im engen Zusammenhang stehen. Beispielsweise können die Vertragsverhandlungen schon so weit gediehen sein, dass eine Seite bereits vom Vorliegen eines Vertrages ausgeht. In einem solchen Fall rechnet diese Partei unabhängig von der rechtlichen Einordnung der vorvertraglichen Haftung in den einzelnen Mitgliedstaaten regelmäßig mit der Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands. Die vorvertragliche Pflichtverletzung realisiert sich in dem Ausbleiben des geplanten Rechtsgeschäfts. Aufgrund dieses engen sachlichen Zusammenhangs käme ein anderer als der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVO viel überraschender für die auf den Vertragsschluss vertrauende Partei. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten einen einheitlichen Lebenssachverhalt nicht künstlich in unterschiedliche Rechtskomplexe aufspalten, sondern alle Fragen in Verbindung mit dem gescheiterten Rechtsgeschäft an einem Forum geklärt wissen wollen, nämlich dem der Vertragsklage. Folglich ist der Gerichtsstand der Vertragsklage für die Beteiligten eines Rechtsstreits über eine Schadensersatzforderung wegen ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs vorhersehbar.458 Vgl. oben: Teil E. I. 5. Dass eine Heranziehung der beiden Prinzipienwerke für die Beantwortung der streitigen Frage nicht abwegig ist, machen die Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Tacconi deutlich. Bevor er auf die Rechtslage in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen eingeht, wirft der Generalanwalt zunächst einen Blick auf Art. 2.15 der UNIDROIT-Prinzipien, um die vorvertragliche Haftung bei Abbruch von Vertragsverhandlungen zu untersuchen, vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7373, Nr. 55). 458 Der Leitgedanke aus der Entscheidung Handte / TMCS, wonach eine „freiwillig einer anderen Person gegenüber eingegangene Verpflichtung“ vorliegen muss, wird teilweise dahin ausgelegt, dass die besondere Zuständigkeit gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO nur für einen Beklagten vorhersehbar ist, wenn diese mit einem Vertragspartner in Verbindung gebracht werden kann. Vertragliche Verpflichtungen seien nur gegenüber einem bekannten Kontrahenten kontrollierbar. Deshalb sei bei der Direktklage französischen Rechts im Handte-Fall auf456 457

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(2) Erkennbarkeit der Zuständigkeit In ihrer Funktion als Abgrenzungskriterium soll die „freiwillig einer anderen Person gegenüber eingegangene Verpflichtung“ die schnelle und einfache Unterscheidung des Vertragsklagengerichtsstands von der Deliktszuständigkeit ermöglichen. Ziel ist es, dass der Richter ohne Berücksichtigung des materiellen Rechts seine internationale Zuständigkeit für den vorgetragenen Streit unkompliziert bejahen oder verneinen kann.459 Eine die Zuständigkeitsprüfung unverhältnismäßig erschwerende Berücksichtigung materiellen Rechts wird deshalb abgelehnt. Auf der anderen Seite schafft eine an rein formellen Kriterien orientierte Abgrenzung zwar Rechtssicherheit. Diese wird möglicherweise aber auf Kosten sachlich nicht gerechtfertigter Ergebnisse erreicht. Für die Frage, ob eine Haftung wegen vorvertraglichen Verschuldens sachlich ausreichend eng mit dem (geplanten) Vertrag verbunden ist, um einen vertraglichen Anspruch i. S .v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bejahen zu können, ist ein Blick auf das materielle Recht notwendig, damit Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Haftungsinstituts bestimmt werden können. Doch hält auch der EuGH den Grundsatz der autonomen Auslegung ohnehin nicht in allen Fällen durch, wie die Bestimmung des Erfüllungsortes nach der Tessili-Regel zeigt.460 Dieser Befund legt es nahe, in Grenzbereichen, in denen eine autonome Selbstbindung i. S. e. „freiwillig eingegangenen Verpflichtung“ nicht ohne weiteres festgestellt werden kann, nicht an diesem formalen Kriterium haften zu bleiben, wenn sonst sachfremde Ergebnisse die Folge wären. Zudem hätte der Gerichtshof in der Sache Tacconi / HWS im Bestreben einer autonomen Auslegung eine Auseinandersetzung mit dem EVÜ in Betracht ziehen sollen, um eine sachgerechte Lösung des Qualifikationsproblems zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung zu finden. Schließlich ist anerkannt, dass sich das EVÜ und die EuGVO ergänzen.461 Was im Europäischen Schuldvertragsübereinkommen als „vertraglich“ bezeichnet wird, sollte auch in der EuGVO grundsätzlich nicht seines vertraglichen Charakters beraubt werden.462 grund mangelnder Vorhersehbarkeit der Vertragsklagengerichtsstand für eine Klage des Endabnehmers gegen den Hersteller zu Recht verneint worden. Dieses Kriterium der Vorhersehbarkeit seines Gegenübers spricht nicht gegen die Subsumtion von Haftungsansprüchen wegen des unredlichen Abbruchs von Vertragsverhandlungen unter den Vertragsklagengerichtsstand. Hier haben die Parteien bereits über einen längeren Zeitraum miteinander verhandelt. Sie stehen sich nicht mehr wie Fremde gegenüber. Während die Deliktshaftung für jeden gilt, der gegen den Grundsatz „neminem laedere“ verstößt, tritt die vorvertragliche Haftung hier ein, weil die Parteien in einem besonderen Verhältnis, nämlich dem der Vertragsverhandlungen, zueinander stehen. Die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO scheitert also nicht an der mangelnden Erkennbarkeit des Klägers. Vgl. dazu: Peifer, JZ 1995, 91 (92). 459 EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1003, Nr. 17); Anm. Peifer zu EuGH 17. 06. 1992 – 26 / 91, Handte / TCMS, JZ 1995, 91 (92). 460 Dazu noch unten: Teil E. II. 1. d) dd) (1). 461 Vgl. die Präambel zum EWG-Schuldrechtsübereinkommen, wonach dieses die durch das EuGVÜ begonnene Rechtsvereinheitlichung fortsetzen soll, BT-Drucks. 10 / 503, S. 6.

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Dass eine Berücksichtigung des EVÜ die Zuständigkeitsprüfung nach der EuGVO für den angerufenen Richter in besonderem Maße verkomplizieren würde, ist als Gegenargument nicht stichhaltig. Die Heranziehung von Parallelkodifikationen des Internationalen Privatrechts zur Ergebnisfindung ist dem EuGH zumutbar. Zudem muss die Berücksichtigung materiellen Rechts nur in den Ausnahmekonstellationen erfolgen, in denen das Erfordernis einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt, sich die Möglichkeit einer vertraglichen Zuordnung des Sachverhalts aber nicht ohne weiteres leugnen lässt. Das Schuldvertragsübereinkommen gibt dem Richter in seinen Art. 8 und 10 einen Auslegungskatalog an die Hand, der es ihm an konkret genannten Beispielen ermöglichen soll, eine Zuordnung zu treffen. Eine Erschwerung gegenüber der formal-abstrakten Beurteilungsweise nach dem Handte-Kriterium ist darin nicht zu erblicken. Demnach ist die Erkennbarkeit der Zuständigkeit für die mit dem konkreten Verfahren betrauten Richter gegeben. Die Berücksichtigung materieller Aspekte ist zur Findung sachlich überzeugender Lösungen im Einzelfall zumutbar und vorrangig gegenüber rein formalen Kriterien. (3) Prozessökonomie Ein weiterer Grundsatz des Europäischen Zivilprozessrechts ist die möglichst ökonomische Gestaltung eines Verfahrens. So findet sich in mehreren Urteilen des EuGH die Forderung, eine Häufung der Gerichtsstände und somit die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu vermeiden.463 Damit einher geht der Gedanke, einen einheitlichen Lebenssachverhalt prozessual möglichst gleich zu behandeln, d. h. von demselben Gericht entscheiden zu lassen. Um die praktische Brauchbarkeit des Vertragsgerichtsstands nicht zu schmälern, sollte Zusammengehörendes nicht künstlich aufgespalten werden.464 Insbesondere kann es im Einzelfall sehr schwierig sein, die Grenze zwischen vorvertraglichem und rechtsgeschäftlichem Stadium zu ziehen, so dass eine gleichartige Anknüpfung dieser benachbarten Sachverhalte die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage vereinfachen würde.465 Eine solche Handhabung führt auch zu mehr Prozessökonomie. Wie bereits erwähnt, ist für die Frage, ob ein Vertragsabschluss 462 Für das EVÜ als Auslegungsrichtschnur: Martiny, in: FS Geimer, 641 (652); Mankowski, IPRax 1997, 173 (174, 176); Tiefenthaler, ÖJZ 1998, 544 (545). Gegen eine solche Parallelauslegung: Bachmann, IPRax 1997, 237 (239). Die Wertungen des EVÜ sollen aber wohl als zusätzliches, bestätigendes Argument herangezogen werden können. 463 EuGH 06. 10. 1976 – 14 / 76, de Bloos / Bouyer, Slg. 1976, 1497 (1508, Nr. 9 / 12); 15. 01. 1987 – 266 / 85, Shenavai / Kreischer, Slg. 1987, 239 (254, Nr. 8); 19. 02. 2002 – 256 / 00, Besix / Kretzschmar, NJW 2002, 1407 (1408, Nr. 27); 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick, IPRax 2003, 50 (54, Nr. 57); vgl. auch: Kropholler, in: Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 135. 464 Schack, Erfüllungsort, Rn. 310; Leible, IPRax 2003, 28 (32). 465 Vgl. Mankowski, IPRax 2003, 127 (133 f.), der in diesem Zusammenhang von einem „relativen Kontinuum“ des vorvertraglichen Bereichs spricht.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

wirksam zustande gekommen ist, das Gericht am Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zuständig. In der vorliegenden vorvertraglichen Haftungskonstellation sind die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss des Rechtsgeschäfts abgebrochen worden. Oftmals wird aber zunächst das Zustandekommen des Vertrages selbst zwischen den Parteien streitig sein. Die daran interessierte Seite wird zunächst einmal die Feststellung eines Vertragsschlusses vor Gericht begehren.466 Die Feststellung des Bestehens einer vertraglichen Sonderverbindung ist für diese Partei vorteilhaft, wenn sie Vertragserfüllung bzw. Schadensersatz wegen Nichterfüllung, d. h. Schadensersatz statt der Leistung, erlangen will. Erst im Anschluss daran – also subsidiär – wird sie bei negativem Ausgang des Verfahrens versuchen, Ersatz für die ihr aufgrund des Nichtzustandekommens des Vertrages entstandenen Schäden zu verlangen, also die nutzlos gewordenen Aufwendungen. Für die Schadensersatzansprüche nun aber das mit der Sache noch nicht vertraute Gericht am Deliktsklagengerichtsstand für zuständig zu erklären, leuchtet nicht ein. Die sinnvolle Stufung der Klagen im eben genannten Sinn würde so auseinandergerissen.467 Der Kläger – und ebenso der Beklagte – müsste sich für die Sekundäransprüche auf ein neues, in einem anderen Mitgliedstaat liegendes Forum einstellen. Das mit dem Streit bereits befasste Gericht wäre unzuständig. Eine Zuständigkeitskonzentration wäre aus Gründen der Prozessökonomie hingegen wünschenswert. So ließe sich eine nachteilige Häufung von Gerichtsständen vermeiden.468 Auch die Einbeziehung der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Vertrages in den Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVO wird nicht zuletzt aus Gründen der Verfahrenskonzentration befürwortet.469 Klagt eine Partei direkt auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo, ohne dass sie vorher auf Vertragsfeststellung geklagt hat, kann das Ergebnis nicht anders lauten. Schließlich ist das Nichtzustandekommen der vertraglichen Bindung eine Tatbestandsvoraussetzung der vorvertraglichen Haftung und muss deshalb ohnehin geprüft werden, wenn dies zwischen den Parteien streitig ist. In einem solchen Fall den Vertragsklagengerichtsstand zu verneinen, hieße die Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände zu erschweren und damit die Rechtsunsicherheit zu fördern. Der Gesichtspunkt der Prozessökonomie spricht folglich ebenfalls für die Zuordnung vorvertraglicher Haftungsfragen wegen Vertragsverhinderung zum Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO. 466 Vgl. EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Schlussanträge, Generalanwalt Geelhoed, Slg. 2002, I-7359 (I-7362, Nr. 12; 14): Zunächst haben die Parteien über das Zustandekommen eines Vertrages gestritten. Während Tacconi dies verneinte, war nach Auffassung von HWS ein Vertrag zustande gekommen, mit der Folge, dass die im Vertrag enthaltene Schiedsklausel zur Geltung komme. Die Klausel sah die Zuständigkeit eines ausländischen Schiedsgerichts vor. Im folgenden Verfahren hat HWS diesen Standpunkt dann aber nicht mehr aufrechterhalten, vgl. I-7372, Nr. 50. 467 Vgl. Mankowski, IPRax 2003, 127 (134). 468 OLG Nürnberg NJW 1992, 3637 (3638). 469 Siehe: Schack, Erfüllungsort, Rn. 311; Eilinghoff, S. 338.

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dd) Erfüllungsort von Schadensersatzansprüchen wegen Verhandlungsabbruchs In der Sache Tacconi / HWS hat der Gerichtshof eine vertragliche Qualifikation von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo wegen treuwidrigen Verhandlungsabbruchs u. a. mit dem Argument verneint, dass aufgrund des Fehlens einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung kein zuständiges Gericht i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ermittelt werden könne, weil sich der Gerichtsstand nach dem Erfüllungsort dieser Verpflichtung richte.470 Richtig daran ist die Feststellung, dass die Zuständigkeitsnorm auch für die in Rede stehenden Schadensersatzklagen „funktionieren“ muss. Wäre dies nicht der Fall, dann könnte die vorliegende Konstellation vorvertraglicher Haftung trotz ihres Vertragsbezuges nicht vom Anwendungsbereich des Vertragsklagengerichtsstands mit abgedeckt werden, da dann die Anknüpfungssystematik der Norm versagen würde und somit entgegenstünde. Ob die Anknüpfungssystematik für den in Rede stehenden Fall der culpa in contrahendo brauchbar ist, bleibt mithin zu überprüfen. (1) Methoden der Erfüllungsortbestimmung Als maßgebliche Verpflichtung für die Bestimmung des Erfüllungsortes kommt entweder die konkret in Streit befindliche oder die das Schuldverhältnis charakterisierende in Betracht. Nach der zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ entwickelten de Bloos-Formel ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes entscheidend auf die mit der Klage geltend gemachte Verpflichtung abzustellen.471 Ist ein Vertrag gegeben, so kommt es bei Schadensersatzklagen nicht auf den Erfüllungsort der Ersatzpflicht, sondern auf den Ort an, an dem die vertragliche Verpflichtung, deren Nichterfüllung zur Begründung des Antrags behauptet wird, zu erfüllen gewesen wäre.472 Die nicht erfüllte Primärpflicht ist also maßgeblich. Deren Erfüllungsort wird nach der TessiliRechtsprechung dem durch das Internationale Privatrecht des Forums berufenen Sachrecht entnommen.473 EuGH 17. 09. 2002 – 334 / 00, Tacconi / HWS, Slg. 2002, I-7357 (I-7393, Nr. 22). EuGH 06. 10. 1976 – 14 / 76, de Bloos / Bouyer, Slg. 1976, 1497 (1508, Nr. 13 / 14). So auch schon Mezger, RIW / AWD 1976, 345 (346). 472 EuGH 06. 10. 1976 – 14 / 76, de Bloos / Bouyer, Slg. 1976, 1497 (1509, Nr. 15 / 17); Piltz, NJW 1981, 1876 (1877). 473 EuGH 06. 10. 1976 – 12 / 76, Tessili / Dunlop, Slg. 1976, 1473 (1486, Nr. 13 ff.); vgl. auch: BGHZ 134, 201 (205 f.); B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 45; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 22; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 40; Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 3. Zur Kritik an der lex causae-Bestimmung des Erfüllungsortes vgl.: Kropholler / von Hinden, in: GS Lüderitz, S. 401 (402); Kadner, Jura 1997, 240 (245 ff.); Kubis, ZEuP 2001, 737 (744); Schack, ZEuP 1995, 655 (662 ff.). Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (437 f.), stellt fest, dass die Abhängigkeit des prozessualen Erfüllungsortes von dem anwendbaren Sachstatut dem Gesetzgeber des Sachstatuts damit auch die Zuständigkeitsregelung überlässt. 470 471

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Werden mehrere Verpflichtungen aus einem Vertrag geltend gemacht, kann es jedoch zu unterschiedlichen Gerichtsständen und somit zu einer „zuständigkeitsrechtlichen Zersplitterung von Streitigkeiten aus einem einheitlichen Vertragsverhältnis“ kommen.474 Um diesen Nachteil für die zwei wichtigsten Vertragsarten, nämlich den Kaufund den Dienstleistungsvertrag, zu vermeiden, ist in der Verordnung mit Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO eine prozessrechtlich autonome Bestimmung des Erfüllungsortes neu eingefügt worden, die auf einem rein faktischen Kriterium beruht und unabhängig von der Art der streitigen Verpflichtung ist.475 Demnach ist bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen der Ort maßgeblich, „an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen“, während bei der Erbringung von Dienstleistungen476 der Ort, „an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen“, entscheidet. Nunmehr kommt es im Geltungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. b) EUGVO auf die das gesamte Vertragsverhältnis prägende, charakteristische Verpflichtung an.477 Dadurch soll 474 Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 23; Junker, RIW 2002, 569 (571). Als Vorteil der Bestimmung des Erfüllungsortes nach der lex causae wird hingegen angeführt, dass eine Gerichtszuständigkeit dort begründet würde, wo der Vertrag auch materiell-rechtlich zu erfüllen wäre, so dass es bei den Mitgliedstaaten aufgrund der Geltung des EVÜ zu einer einheitlichen Qualifikation des Erfüllungsortes käme, vgl. Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 76 ff. Jedoch überwiegen die Nachteile. Neben der Gefahr der Gerichtsstandszersplitterung hat sich diese Bestimmung außerdem in den Fällen als nachteilig erwiesen, in denen das materielle Recht eine Geldschuld als Bringschuld ansieht, weil es dann zu einer nicht gerechtfertigten Gläubigerprivilegierung kommt, vgl. Kropholler, IPR, § 58, S. 600 f. Weiterhin soll die internationale Zuständigkeit der Gerichte möglichst schnell und einfach ohne Rückgriff auf das anwendbare materielle Recht bestimmt werden können, was nach der Tessili-Formel nicht möglich ist. Schließlich wird kritisiert, dass eine materiell-rechtliche Erfüllungsortbestimmung den prozessualen Bedürfnissen des Vertragsgerichtsstands nicht gerecht werde, vgl. Gsell, IPRax 2002, 484 (486). 475 Vgl. Begründung des Kommissionsentwurfs, BR-Drucks. 534 / 99, S. 14; Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 27; Gsell, IPRax 2002, 484 (486). 476 Sämtliche tätigkeitsbezogenen Leistungen sollen diesem Begriff unterfallen, Gsell, IPRax 2002, 484 (485). Vgl. auch Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (446). 477 Vgl. Kropholler, IPR, § 58, S. 601; Kropholler / von Hinden, in: GS Lüderitz, S. 401 (406); Junker, RIW 2002, 569 (572); Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (447). Für die Maßgeblichkeit der vertragstypischen Leistung bereits vor Einfügung des neuen lit. b): Rauscher, Verpflichtung, S. 224; Spellenberg, ZZP 78 (1979), 31 (58). Kritisch zu diesem Konzept hingegen: Schack, Erfüllungsort, Rn. 319; Geimer, NJW 1987, 1132 (1132 f.); Kadner, Jura 1997, 240 (242). Die objektiven Anknüpfungen des lit. b) kommen aber nur in Betracht, „sofern nichts anderes vereinbart worden ist“. Der Erfüllungsort und damit das anwendbare Recht stehen also zur Disposition der Parteien, die darüber eine vertragliche Vereinbarung treffen können. Dafür bedarf es nicht der für Gerichtsstandsvereinbarungen in Art. 23 EuGVO vorgesehenen Form. Allerdings gilt dies nicht für abstrakte Erfüllungsortvereinbarungen, die lediglich prozessual wirken sollen, d. h. nur zu dem Zweck getroffen werden, einen bestimmten Gerichtsstand zu wählen. Ansonsten könnte Art. 23 EuGVO umgangen werden, vgl. Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 35, 36; Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (448 f.); Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 3.

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erreicht werden, dass für sämtliche sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Streitigkeiten ein einheitlicher Gerichtsstand eröffnet ist.478 Die Neuregelung bricht also mit der de Bloos- und der Tessili-Rechtsprechung, indem nun bei den erfassten Vertragsarten nicht mehr die konkret streitige Verpflichtung maßgeblich ist und der Erfüllungsort auch nicht mehr nach der lex causae bestimmt wird. Da es sich bei der Erfüllungsortbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO jetzt gemäß lit. c) nur noch um eine Auffangregel für nicht von lit. b) erfasste Verträge handelt, soll zunächst geprüft werden, zu welchem Gericht die speziellere autonome Erfüllungsortbestimmung bei Ansprüchen aus culpa in contrahendo wegen missbräuchlichen Verhandlungsabbruchs führen würde. Danach wird der Erfüllungsort nach Maßgabe des Art. 5 Nr. 1 lit. a) bestimmt.479 (2) Erfüllungsortbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO Wird eine Klage auf Ersatz des Schadens, den der Kläger durch den ungerechtfertigten Abbruch von Vertragsverhandlungen erlitten hat, im Vertragsklagengerichtsstand zugelassen, so ist fraglich, ob und wie mit Hilfe von Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO das zuständige Gericht ermittelt werden kann. Ein Kaufvertrag bzw. ein Dienstleistungsvertrag i. S. d. Vorschrift ist nicht zustande gekommen, eine vertragscharakteristische Verpflichtung als Anknüpfungspunkt mithin ebenfalls nicht vorhanden. Man könnte deshalb versucht sein, gem. Art. 5 Nr. 1 c) EuGVO die de Bloos / Tessili-Formel des lit. a) für anwendbar zu erklären und somit auf den nach der lex causae zu bestimmenden Erfüllungsort der konkret streitigen vorvertraglichen Verpflichtung abzustellen. Die autonome Erfüllungsortbestimmung für die beiden wichtigsten Vertragsarten in lit. b) zeigt aber deutlich den Willen des Verordnungsgebers, dass die damit zusammenhängenden Fragen unabhängig von dem durch das Internationale Privatrecht des jeweiligen Forumstaates berufene Sachrecht geklärt werden sollen.480 Für den Bereich der in Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO genannten 478 Begründung des Kommissionsentwurfs, BR-Drucks. 534 / 99, S. 14: Die charakteristische Verpflichtung sei auch maßgebend, wenn mit einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht werden. 479 Zur Kritik an der nunmehr bestehenden Zweispurigkeit der Zuständigkeitsordnung vgl.: Kropholler / von Hinden, in: GS Lüderitz, S. 401 (408 f.); Kubis, ZeuP 2001, 742 (749 ff.); Magnus, IHR 2002, 45 (46). Wünschenswert wäre eine einheitliche autonome Regelung: Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 33, 36. Kropholler / von Hinden, in: GS Lüderitz, S. 401 (409) schlagen eine Auslegung des lit. a) „im Lichte“ des neuen lit b) vor, wenn keine legislative Änderung erfolgt. So wohl auch: Jayme / Kohler, IPRax 1999, 403 (405); Junker, RIW 2002, 569 (572). Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (451) will lit. a) komplett streichen, wenn keine autonome Regelung für die verbleibenden Vertragsarten aufgestellt wird. Der Vertragsklagengerichtsstand stünde in diesem Bereich dann nicht mehr zur Verfügung. 480 Vgl. die Begründung des EuGVO-Vorschlags der Kommission, KOM (1999) 348 endg., S. 15. Dort heißt es explizit, dass ein Rückgriff auf das IPR des Forumstaates und die damit einhergehenden Nachteile vermieden werden sollen.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

Vertragstypen ist die Rechtsvereinheitlichung vorrangig. Die de Bloos / Tessili-Formel muss in diesem Zusammenhang zugunsten eines einheitlichen Erfüllungsortes aufgegeben werden.481 Das gilt auch für den Fall, dass Verhandlungen hinsichtlich eines Warenkauf- oder Dienstleistungsvertrages abgebrochen werden, also für die vorvertragliche Haftung. Verhandeln die Beteiligten über das Zustandekommen einer der genannten Vertragsarten und kommt es dabei zu der vorvertraglichen Pflichtverletzung mit einem sich daraus begründenden Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo, so verlangt der sachliche, innere Zusammenhang zu dem geplanten Rechtsgeschäft kaufvertraglicher bzw. dienstleistungsvertraglicher Natur eine Bestimmung des Erfüllungsortes nach der dafür vorgesehenen speziellen gesetzlichen Regelung. Der neu eingefügte Art. 5 Nr. 1 b) EuGVO bringt zum Ausdruck, dass es auf eine Unterscheidung der einzelnen Pflichten, beispielsweise Haupt- oder Nebenpflichten, Primär- oder Sekundärpflichten, nun nicht mehr ankommen soll. Zwar entspringen die vorvertraglichen Verhaltenspflichten nicht dem Vertrag, sondern folgen aus einem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis. Wie gesehen, ist die Rechtsnatur der vorvertraglichen Haftung aber nicht maßgeblich, wenn ein ausreichend enger Vertragsbezug besteht.482 Die Neuregelung in lit. b) kommt dieser Sichtweise sogar entgegen, weil Art und Typ der Verpflichtung nunmehr keine entscheidende Rolle mehr spielen. Die mit dem intendierten Kaufvertrag bzw. Dienstleistungsvertrag zusammenhängenden Fragenkomplexe abzuspalten, macht wenig Sinn und wäre der erstrebten Rechtsvereinheitlichung in diesem Bereich nicht förderlich. Deshalb sollte das zuständige Gericht für Schadensersatzklagen wegen des Abbruchs von Verhandlungen im Hinblick auf die genannten Vertragsarten nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO beurteilt werden. Die Zuständigkeit für Schadensersatzforderungen der hier in Rede stehenden Fallgruppe folgt mithin dem geplanten Rechtsgeschäft und soll dessen Zuständigkeitsschicksal teilen.483 Durch die Anknüpfung an den intendierten Vertrag werden die Vorteile der autonomen Erfüllungsortbestimmung des Art. 5 Nr. 1 b) auf den vorvertraglichen Bereich ausgedehnt. Die neueingefügte Regelung schafft ein leicht kalkulierbares Forum. Der Lieferort der Waren oder der Erbringungsort der Dienstleistung steht von vornherein fest. Die Parteien können diesen durch Absprache im geplanten Vertrag selbst beeinflussen. Aufgrund der darüber im Vorfeld geführten Gespräche kommt der Gerichtstand dann auch für keinen der Beteiligten überraschend. Eine Änderung des Leistungsortes und damit des Gerichtsstandes ist auch nicht ohne weiteres möglich. Es bedarf zumindest einer stillschweigenden Parteiabrede über Vgl. Magnus, IHR 2002, 45 (49). Oben: Teil E. II. 1. d) aa) (3). 483 Dieser Gedanke findet sich auch in einigen Urteilen zur Gewinnmitteilung gem. § 661a BGB. So soll die Geltendmachung einer Klage aus Gewinnzusage im Verbrauchergerichtsstand des geplanten Vertrages gem. Art. 13 I EuGVÜ / 15 I EuGVO möglich sein: OLG Dresden IPRax 2002, 421 (423); LG Braunschweig IPRax 2002, 213 (214); a.A.: Leible, IPRax 2003, 28 (33). 481 482

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den neuen Erfüllungsort.484 Ansonsten ist der Gläubiger der Sachleistung nicht verpflichtet, die tatsächliche Leistungserbringung der anderen Seite als „nach dem Vertrag geliefert“ anzunehmen. Obwohl eine Gerichtsstandsvereinbarung fehlt, herrscht Planungssicherheit. Dies ist für die Beteiligten der Vertragsverhandlungen von besonderem Interesse. Dass trotz der rechtlichen Selbständigkeit eines Rechtsinstituts zur Erfüllungsortbestimmung auf die Verpflichtung der vertraglichen Sonderverbindung abgestellt wird, weil eine sachliche Beziehung zu dieser besteht, ist nur konsequent. So gelten auch bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche trotz ihrer Eigenständigkeit aufgrund des Zusammenhangs mit dem rückabzuwickelnden Vertragsverhältnis als „Ansprüche aus einem Vertrag“. Ihr Erfüllungsort richtet sich im Rahmen der de Bloos-Formel nach dem der verletzten Hauptpflicht des Vertrages.485 Überträgt man diese Wertung auf die autonome Erfüllungsortbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO, dann ist die vertragstypische Verpflichtung maßgeblich. Mithin richtet sich die Zuständigkeit des Gerichts auch in diesem Fall nach dem Erfüllungsort der vertraglichen Sonderverbindung. Generell lässt sich formulieren, dass sich der Erfüllungsort von Klagen, die aufgrund eines engen sachlichen Zusammenhangs unter den Vertragsklagengerichtsstand subsumiert werden, nach dem Erfüllungsort des rechtsgeschäftlichen Verhältnisses bestimmt, zu dem die besondere Beziehung besteht.486 Dies gilt auch für solche Ansprüche aus culpa in contrahendo, die vertraglich qualifiziert werden. Mit dem Abstellen auf den Lieferort der Waren und den Erbringungsort der Dienstleistung ist eine Entscheidung für die Maßgeblichkeit des Erfüllungsortes der vertragscharakteristischen Verpflichtung getroffen worden.487 Diese Verpflichtung muss zunächst bestimmt werden. Nach ihr richtet sich die Zuständigkeit des forum contractus für sämtliche Streitigkeiten aus den genannten Verträgen, unabhängig davon, welche Pflicht konkret streitig ist. Das rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis kennt jedoch nur Verhaltenspflichten, im deutschen Recht bestimmen sie sich nach § 241 Abs. 2 BGB, und die in Aussicht gestellten Hauptpflichten des späteren Vertrages sind aufgrund der Pflichtverletzung in ihrer Entstehung gehindert worden. Trotzdem ist es in aller Regel möglich, den Verhandelnden ihre jeweils zukünftig zu erbringenden Pflichten aus dem geplanten Vertrag Rauscher, Verpflichtung, S. 222. Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 68; Tiefenthaler, ÖJZ 1998, 544 (546). 486 Vgl. EuGH 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1982, 987 (1002, Nr. 15); 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick, IPRax 2003, 50 (54, Nr. 60). 487 Die Maßgeblichkeit der vertragsprägenden Verpflichtung gilt auch bei der objektiven Anknüpfungsvermutung der Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EVÜ. Fallen der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. der Hauptniederlassung der die vertragstypische Leistung erbringenden Partei mit dem Lieferort der Waren bzw. dem Erbringungsort der Dienstleistung zusammen, so wäre ein Gleichlauf von gerichtlicher Zuständigkeit und anwendbarem materiellen Recht erreicht, d. h. die angerufenen Richter könnten nach eigenem Recht entscheiden. 484 485

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

zuzuordnen.488 Wird beispielsweise der Abschluss eines Warenkaufvertrages erörtert, so steht von vornherein fest, wer Verkäufer und wer Käufer werden soll. Damit ist klar, wer die vertragstypische Leistung zu erbringen hat und wer Geldschuldner sein wird. Wäre der Vertrag ohne das Fehlverhalten der einen Seite geschlossen worden, so wäre die Pflicht zur Lieferung der Waren entstanden, nach deren Erfüllungsort sich die Gerichtszuständigkeit richtet. Für die hier in Rede stehende Konstellation des vorvertraglichen Verschuldens soll hypothetisch der Vertragsabschluss angenommen und auf die so gedachte vertragscharakteristische Verpflichtung abgestellt werden. Dieser gedankliche Vorgriff ist auch für den EuGH nicht neu. In dem Rechtsstreit Effer / Kantner urteilte er, dass der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO auch dann zur Verfügung steht, wenn über das Zustandekommen des Vertrages, aus dem sich der geltend gemachte Klageanspruch herleitet, gestritten wird.489 Bei einer engen Auslegung des Vertragsklagengerichtsstands hätte die besondere Zuständigkeit aber verneint werden müssen. Denn wo das Bestehen eines Vertrages fraglich ist, fehlt es auch an der sicheren Feststellung einer vertraglichen Verpflichtung, an deren Erfüllungsort die Zuständigkeit geknüpft werden könnte. Das Kriterium einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung ist hier möglicherweise nicht erfüllt und trotzdem ist der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO anwendbar.490 Wo der Erfüllungsort in einem solchen Fall liegt, ist problematisch.491 Hält man an dem Anknüpfungssystem des Vertragsklagengerichtsstands und damit an der Maßgeblichkeit des Erfüllungsortes der Verpflichtung fest, so ist jedenfalls hypothetisch von einem Vertragsschluss auszugehen. Es ist dann zu prüfen, welches Gericht im Falle des Bestehens des umstrittenen Vertrages über den Rechtsstreit entscheiden würde.492 Demnach wird das zuständige Forum ermittelt, indem die entscheidende Verpflichtung fingiert bzw. auf einen hypothetischen Vertragsschluss abgestellt wird. Der Erfüllungsort dieser hypothetisch angenommenen Verpflichtung soll sich nach der Parteivereinbarung in dem beabsichtigten Vertrag richten. Ist diese auslegungsbedürftig, so ist eine teleologische Vorgehensweise geboten, d. h. Sinn und Zweck der besonderen Zuständigkeiten und der Verordnung insgesamt sind aus488 Sollte es nach dem Stand der Verhandlungen noch nicht möglich sein, eine vertragscharakteristische Verpflichtung zuzuordnen, dann wird im Zweifel auf die Niederlassung des Sachschuldners abgestellt, siehe sogleich. 489 EuGH 04. 03. 1982 – 38 / 81, Effer / Kantner, Slg. 1982, 825 (835, Nr. 8). 490 Der Gerichtshof begründet seine Entscheidung damit, dass es ansonsten im Ermessen einer der Parteien liege, das Bestehen eines Vertrages zu bestreiten und so die besondere Zuständigkeit auszuhebeln. Damit wäre die Gefahr verbunden, dass diese Vorschrift rechtlich bedeutungslos würde (vgl. EuGH 04. 03. 1982 – 38 / 81, Effer / Kantner, Slg. 1982, 825 (834, Nr. 7)). 491 Vgl. zum Streitstand die Darstellung bei B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 74 ff. 492 So auch Gottwald, IPRax 1983, 13 (14).

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schlaggebend.493 Es wird also nicht etwa eine Auslegung lege causae vorgenommen, sondern eine europäisch-autonome Interpretation.494 Das entspricht der Vorgehensweise des EuGH auch bei anderen autonomen Begriffsbestimmungen.495 Wenn jedoch eine solche Erfüllungsortvereinbarung nach dem bisherigen Stand der Verhandlungen noch nicht vorgenommen worden ist oder aus den Abreden nicht eindeutig ermittelt werden kann, dann ist streitig, wie der Liefer- bzw. Dienstleistungsort zu bestimmen ist.496 Weil lit. b) in diesem Fall nicht passe und demzufolge leer laufe, ist nach einer Ansicht über den Verweis in lit. c) die Tessili-Formel, d. h. das nach der lex causae berufene materielle Recht, zur Entscheidung über den Erfüllungsort berufen.497 Dass die Verordnung für alle Fälle einen rein prozessualen, von materiell-rechtlichen Wertungen unabhängigen Erfüllungsort etablieren wolle, sei nicht ersichtlich.498 Andere wollen hingegen den verordnungsautonomen Ansatz nicht einfach aufgeben und plädieren trotz des Fehlens einer vertraglichen Abrede für die vom materiellen Recht gelöste Erfüllungsortbestimmung.499 Ein Rückgriff auf die lex causae laufe der Intention des Verordnungsgebers zuwider.500 Materiell-rechtliche Wertungen der Einzelstaaten sollen zugunsten eines europäisch-einheitlichen Prozessrechts möglichst ausgeblendet bleiben. Nur mittels autonomer Interpretation sei den prozessualen Zuständigkeitsinteressen ausreichend Rechnung getragen.501 Die Richter sollen zudem von einer komplizierten und mehrstufigen Zuständigkeitsprüfung über die lex causae befreit werden. Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Schließlich kommt die Bemühung um eine Rechtsvereinheitlichung im Bereich der Kauf- und Dienstleistungsverträge durch die Vermeidung von Rückgriffen auf nationales Sachrecht in besonderem Maße zum Ausdruck.502 Gerichtsstand und materieller Erfüllungsort müssen 493 Siehe: Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 53; Gsell, IPRax 2002, 484 (487). A.A.: Auslegung nach der lex causae: Magnus, IHR 2002, 45 (48). 494 Jayme / Kohler, IPRax 1999, 403 (405). 495 Vgl. oben: Teil D. II. 2. a). 496 Die folgenden Ausführungen gelten auch für den Fall, dass zum Zeitpunkt des Verhandlungsabbruchs die Parteirollen noch nicht festgelegt werden können, weil eine Zuordnung der vertragscharakteristischen Verpflichtung gescheitert ist. 497 Kropholler, EuZPR (2002), Art. 5 EuGVO, Rn. 41; Magnus, IHR 2002, 45 (48 f.); Piltz, NJW 2002, 789 (793). 498 Piltz, NJW 2002, 789 (793). Vgl. auch Geimer, IZPR, Rn. 1482; Schlosser, IPRax 1984, 65 (65), der einen Gleichlauf von materiell-rechtlichem Leistungsort und prozessualem Erfüllungsort fordert. 499 Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 54; Gsell, IPRax 2002, 484 (487). 500 Gsell, IPRax 2002, 484 (487). 501 Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (438). 502 Vgl. EuGVO-Vorschlag der Kommission, KOM (1999) 348 endg., S. 15.

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keinesfalls identisch sein.503 Zwar könnte man entgegnen, dass dieses Konzept der autonomen Bestimmung in lit. b) nicht gänzlich durchgehalten wird, weil bei genügendem Zusammenhang mit der „Vertragswirklichkeit“ eine sog. reale Erfüllungsortvereinbarung, im Gegensatz zu einer abstrakten Abrede, zugelassen ist,504 deren Wirksamkeit sich nach dem von der lex causae berufenen materiellen Recht richtet.505 Zum einen wird diese Abweichmöglichkeit von der „objektiven“506 Erfüllungsortbestimmung aus Gründen der Zuständigkeitsgerechtigkeit aber ohnehin kritisiert.507 Zum anderen geht es hier auch nur um einen Ausnahmefall zugunsten der Parteiautonomie. Haben die Parteien hingegen keine Erfüllungsortabsprache getroffen, dann greift das Konzept der autonomen Bestimmung. Bei Schwierigkeiten hinsichtlich der Ermittlung des Leistungsortes der Waren bzw. des Erbringungsortes der Dienstleistung wiederum eine Ausnahme zugunsten der lex causae zu machen, würde den Ansatz eines einheitlichen Erfüllungsortes weiter entwerten. Es bleibt aber die Frage, anhand welcher autonomer Kriterien der Erfüllungsort der charakteristischen Leistung dann zu bestimmen ist. Vorgeschlagen wird eine Orientierung an den überstaatlichen Rechtsprinzipien der „UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“.508 Nach Art. 6.1.6. der „UNIDROIT-Prinzipien“509 und Art. 7:101 der „Lando-Prinzipien“ 510 soll im Zweifel am Ort der Niederlassung Schack, Erfüllungsort, Rn. 336; Gsell, IPRax 2002, 484 (488). Die Möglichkeit, eine solche Abrede zu treffen, ergibt sich aus der Formulierung in Art. 5 Nr. 1 b) EuGVO: „[ . . . ] und sofern nichts anderes vereinbart worden ist [ . . . ].“ 505 Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 44; vgl. zu den Anforderungen an Erfüllungsortvereinbarungen im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO: Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 35 f., 51. Vgl. auch: Eltschig, IPRax 2002, 491 (493). 506 Es kommt zwar auch hier auf die Parteiabsprache, nämlich den vertragsmäßig bestimmten Erfüllungsort an. Bei der in Rede stehenden Erfüllungsortabrede geht es aber nicht um diese vertragliche Abrede, sondern um eine von der Grundkonzeption des Art. 5 Nr. 1 b) EuGVO abweichende Zuständigkeitsvereinbarung der Parteien, vgl. Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (447). 507 Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 51; Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (447 ff.); Eltschig, IPRax 2002, 491 (493). 508 Rauscher / Leible, EuZPR, Art 5 Brüssel I-VO, Rn. 54; Gsell, IPRax 2002, 484 (491); kritisch gegenüber dem Rückgriff auf materiell-rechtliche Prinzipien im Bereich des Prozessrechts: Magnus, IHR 2002, 45 (48). Den Erfüllungsort im Wege der autonomen Auslegung beim Schuldner der Sachleistung zu lokalisieren, fordern auch – allerdings ohne Begründung mittels allgemeiner Rechtsgedanken aus überstaatlichen Prinzipienwerken – Rauscher, Verpflichtung, S. 184 (jedoch nur für Gattungsschulden) und Schack, Erfüllungsort, Rn. 352. Vgl. hierzu auch: Kubis, ZEuP 2001, 742 (751). 509 Art. 6.1.6 der „UNIDROIT-Prinzipien“ lautet: (1) Wenn der Leistungsort weder durch den Vertrag festgelegt noch auf Grund des Vertrages bestimmbar ist, hat eine Partei zu erfüllen: (a) eine Zahlungsverpflichtung am Ort der Niederlassung des Gläubigers; (b) jede andere Verpflichtung am Ort ihrer eigenen Niederlassung. (2) [ . . . ] 503 504

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des Schuldners der charakteristischen Leistung der Lieferort der Ware situiert sein oder die Erbringung der Dienstleistung stattfinden. Ist eine Niederlassung nicht vorhanden, dann kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt, also den tatsächlichen Lebensmittelpunkt der Partei an, vgl. Art. 7:101 Abs. 3 der „Lando-Prinzipien“. Als Rechtfertigung für die Situierung des Leistungsortes beim Schuldner der Sachleistung wird angeführt, dass dieser sich mangels anderer Abrede nur auf die ihn am geringsten belastende Verpflichtung einlassen wollte und es sich dabei um einen allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz handele.511 Eine solche Privilegierung des Nichtgeldschuldners findet sich, wie gesehen, auch im EVÜ.512 Dass im Zweifel auf die Niederlassung des Sachschuldners abgestellt wird, scheint damit über nationale Rechtsordnungen hinweg grundsätzlich akzeptabel zu sein und würde sich demnach für eine autonome Lösung des vorliegenden Problems eignen. Jedoch wird die uneingeschränkte Heranziehung der Vorschriften über den Erfüllungsort aus den „UNIDROIT-“ bzw. „Lando-Prinzipien“ zu Recht kritisiert, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Einheitlichkeit des Gerichtsstands bei Zahlungsklagen nicht gewährleistet bleibe.513 Klammert man diese Sonderreglungen für Geldschulden jedoch aus, so bildet der Rückgriff auf die in den genannten Artikeln der Prinzipienwerke verankerten Wertungen einen brauchbaren Ansatzpunkt zur Bestimmung des Leistungsortes bei mangelnder vertraglicher Festlegung desselben. Die Begünstigung des Sachleistungsschuldners aufgrund des Holschuldprinzips findet sich im übrigen in den meisten Mitgliedstaaten der EU.514 Deshalb ist bei fehlender Erfüllungsortabrede das Gericht am Ort der Niederlassung des Schuldners berufen, den Rechtsstreit zu entscheiden. Übertragen auf das vorvertragliche Schuldverhältnis kommt man also zu einer Zuständigkeit des Gerichts am Erfüllungsort der in Aussicht gestellten charakteristischen Leistung, bei Zweifelsfällen zum Niederlassungsort des Sachschuldners zum Zeitpunkt des Verhandlungsabbruchs. 510 Art. 7:101 der „Lando-Prinzipien“ lautet: (1) Ist der Leistungsort für eine vertragliche Verbindlichkeit weder im Vertrag bestimmt noch aus ihm bestimmbar, so ist es (a) im Falle einer Geldschuld der Ort, an dem der Gläubiger zur Zeit des Vertragsschlusses seine Niederlassung hat; (b) bei einer anderen Verpflichtung als einer Geldschuld der Ort, an dem der Schuldner zur Zeit des Vertragsschlusses seine Niederlassung hat. (2) [ . . . ] (3) Falls eine Partei keine Niederlassung hat, gilt ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort als ihre Niederlassung. 511 von Bar / Zimmermann, Grundregeln, S. 398, 400. 512 Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (cc) (α). 513 Bei der Zahlungspflicht kommt es auf die Niederlassung des Gläubigers an, vgl. Art. 6.1.6. Abs. 1 lit. a) der „UNIDROIT-Prinzipien“ bzw. Art. 7:101 Abs. 1 lit. a) der „Lando-Prinzipien“ (in den vorherigen Fußnoten). 514 Vgl. Schack, Erfüllungsort, Rn. 352 m. w. N.; Kadner, Jura 1997, 240 (242); Spellenberg, ZZP 78 (1979), 38 (59).

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(3) Erfüllungsortbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO Für Klagen, die andere als Kaufverträge über bewegliche Sachen oder Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben, bleibt es hingegen gem. Art. 5 Nr. 1 lit. c), a) EuGVO bei der Maßgeblichkeit der konkret streitigen Verpflichtung nach der de Bloos-Formel.515 Für Sekundäransprüche ist die nicht ordnungsgemäß erfüllte Primärpflicht gerichtsstandsbestimmend. 516 Es kommt mithin nicht auf den Erfüllungsort der Schadensersatz- oder Rückabwicklungsklage an, sondern auf den Ort, an dem die diesem Anspruch zugrunde liegende verletzte Vertragspflicht hätte erbracht werden müssen. Legt man diese Bestimmungsmethode auch für die vorvertragliche Sonderverbindung zwischen den Parteien zugrunde, so fragt sich, ob auf die verletzte vorvertragliche „Primärpflicht“ abzustellen ist517 oder ob sich der Erfüllungsort nach der nicht erfüllten, geplanten vertraglichen Primärpflicht richtet. Gründe der Sachnähe könnten für die erste Möglichkeit sprechen, während die Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände und die Prozessökonomie eine Lösung in letzterem Sinne nahe legen. Für die Maßgeblichkeit des Erfüllungsortes der aufgrund der vorvertraglichen Pflichtverletzung nicht entstandenen Hauptpflicht des Beklagten aus dem geplanten Vertrag spricht der besondere sachliche Zusammenhang, der den Anspruch auf Schadensersatz wegen unredlichen Verhandlungsabbruchs erst zu einem „vertraglichen“ i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO werden lässt. Genauso wie bei einem bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch aufgrund der engen inneren Verbindung zum Vertrag an die vertragliche Hauptpflicht angeknüpft wird,518 muss man deshalb auch bei dem vorliegenden Anspruch aus culpa in contrahendo auf diese primäre Verpflichtung aus dem intendierten Rechtsgeschäft abstellen. Der Ort, an dem die streitige vertragliche Hauptpflicht des Beklagten zu erfüllen gewesen wäre, ist für die Parteien zudem leicht lokalisierbar und führt zur Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts. Wo eine vorvertragliche Verpflichtung hätte erfüllt werden müssen, ist hingegen nicht so einfach zu bestimmen. Gesucht wäre dann nach dem Ort, an dem die Verhandlungen in einen Vertragsabschluss hätten münden sollen. Dieser ist abhängig von den konkreten Einzelfallumständen, was die Berechenbarkeit des Forums erschwert. Auch der Ort der rechtsgeschäftlichen Kontaktaufnahme519 kann nicht überzeugen, weil er völlig zufällig sein kann und deshalb nicht einmal ein sachnahes Gericht beruft. Wie gesehen, misst die EuGVO dem Kriterium der Vorher515 Allgemeine Meinung: Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 29; ders., IPR, § 58, S. 576; Zöller / Vollkommer, ZPO, § 29, Rn. 3; Eltschig, IPRax 2002, 491 (492). Kritisch zu dieser Zweiteilung: Kropholler / von Hinden, in: GS Lüderitz, S. 401 (408 f.); Leipold, in: GS Lüderitz, S. 431 (451). 516 Siehe oben: Teil E. II. 1. d) dd) (1). 517 Dafür: S. Lorenz, NJW 2000, 3305 (3309). 518 Siehe oben: Teil E. II. 1. d) dd) (2). 519 So S. Lorenz, NJW 2000, 3305 (3309).

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sehbarkeit der Gerichtsstände im Zweifel mehr Gewicht bei als der Sachnähe, die im Bereich des Vertragsklagengerichtsstands ohnehin zweifelhaft ist.520 Schließlich spricht in vielen Fällen eine ökonomische Verfahrensgestaltung für die Zuständigkeit des Gerichts, das auch über vertragliche Sekundäransprüche entscheiden würde. Mithin ist bei Art. 5 Nr. 1 lit. a) – wie im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO – an die geplante vertragliche Hauptpflicht anzuknüpfen, allerdings nicht an die vertragstypische, sondern an die konkret streitige. Den Erfüllungsort der rechtsgeschäftsähnlichen Verpflichtung, der – wie soeben festgestellt – mit dem Leistungsort der beabsichtigten vertraglichen Hauptleistungspflicht des Beklagten identisch ist, bestimmt nach der Tessili-Formel die lex causae, also die vom Internationalen Privatrecht des Forumstaates berufene materielle Rechtsordnung.521 Gerichtsstandsbestimmender und materiell-rechtlicher Erfüllungsort sind dann deckungsgleich.522 Gelangt beispielsweise deutsches Recht zur Anwendung, so richtet sich die Bestimmung des Erfüllungsortes nach den Regeln des § 269 BGB, wenn keine Sondervorschriften eingreifen.523 Diese Norm bestimmt dann, wo sich der Leistungsort der geplanten vertraglichen Primärpflicht der Schädigerpartei, die aufgrund des Abbruchs von Vertragsverhandlungen nun nicht mehr zur Entstehung gelangt, befindet. Der Leistungsort bezeichnet den Ort, an dem die Leistungshandlung vom Schuldner erbracht werden muss.524 Gem. § 269 Abs. 1 BGB ist der „Ort für die Leistung“ bei mangelnder Parteiabsprache entweder aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Rechtsverhältnisses, zu entnehmen, oder er befindet sich am Wohnsitz des Schuldners zur Zeit der Entstehung des Rechtsverhältnisses. Anders als im Rahmen der autonomen Erfüllungsortbestimmung gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO kommt es nicht in jedem Fall auf das Gericht am Wohnsitz des Sachleistungsanbieters an. Vielmehr ist bei Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO auf die konkret streitige vertragliche Hauptpflicht abzustellen, und zwar auf diejenige, die dem vorvertraglichen Schädiger oblegen hätte, wenn er nicht die Vertragsverhandlungen abgebrochen hätte. Die Spaltung der Zuständigkeitsnorm wirkt sich somit aus. ee) Ergebnis Schadensersatzansprüche wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen sind unter den Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ zu sub520 521 522 523 524

Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) bb). Siehe oben: Siehe oben: Teil E. II. 1. d) dd) (1). Vgl. Gsell, IPRax 2002, 484 (485). Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 25. Vgl. Soergel / Wolf, Bd. 2, § 269 BGB, Rn. 2; Staudinger / Bittner, § 269 BGB, Rn. 2.

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sumieren und können deshalb am Gerichtsstand des Erfüllungsortes geltend gemacht werden. Dass die vorvertragliche Haftung als solche aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis anzusehen ist, hindert eine vertragliche Qualifikation i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO nicht, weil ein ausreichend enger sachlicher Zusammenhang zu dem beabsichtigten Vertrag besteht. Sinn und Zweck des Vertragsklagengerichtsstands ist insbesondere die Schaffung eines kalkulierbaren Forums für Vertragsparteien. Diese ratio legis trifft auch für die Beteiligten an Vertragsverhandlungen zu, die aufgrund freier Entscheidung miteinander in Kontakt getreten sind, um eine rechtsgeschäftliche Bindung einzugehen. Zudem werden Systematik und Zielsetzung der EuGVO durch die vertragliche Qualifikation der vorliegenden Fallgruppe gewahrt. Schließlich kann auch der Erfüllungsort einfach bestimmt werden, wenn man für die vorvertragliche Haftung an den geplanten Vertrag anknüpft. Im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO ist dann der Leistungsort der intendierten vertragstypischen Verpflichtung maßgeblich, im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. a) kommt es hingegen auf die konkret streitige Hauptpflicht des geplanten Vertrages an, nämlich die nicht entstandene vertragliche Leistungspflicht der Schädigerpartei, was zu einer Spaltung der Zuständigkeitsnorm führt. Im letzten Fall bleibt es außerdem wegen der Geltung der Grundsätze aus den Urteilen de Bloos und Tessili bei einer komplizierten mehrstufigen Prüfung, weshalb eine Erstreckung der autonomen Erfüllungsortbestimmung auf diesen Bereich aus Gründen der Vorhersehbarkeit dringend geboten ist.

e) Exkurs: Internationale Zuständigkeit bei isolierten Gewinnzusagen Ähnlich umstritten wie die Frage nach dem richtigen Gerichtsstand für Ansprüche aus culpa in contrahendo ist die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Klagen, die auf einer Gewinnzusage i. S. v. § 661a BGB basieren. Von dieser Norm werden insbesondere Situationen erfasst, in denen ein Unternehmer an einen Verbraucher die Mitteilung über den Gewinn eines Preises schickt, um diesen zu einer Warenbestellung aus einem beispielsweise beigefügten Katalog zu veranlassen. Dann stellt sich jedoch heraus, dass der angekündigte Gewinn entweder viel geringer ausfällt, als es nach der Mitteilung den Anschein machte, oder im „Kleingedruckten“ ohnehin ausgeschlossen ist. Es handelt sich also nur um besonders perfide und unseriöse Vertriebspraktiken.525 Die international-privatrechtliche Behandlung der Gewinnzusage reicht von der Annahme einer Vertrauens- bzw. Rechtsscheinshaftung526 über die Einordnung als einseitiges Rechtsgeschäft527 und die Bejahung des Vorliegens einer EingriffsVgl. BT-Drucks. 14 / 2658, S. 48 f. OLG Hamm RIW 2003, 305 (306); OLG Koblenz VersR 2003, 377 (378); OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 1632 (1633); LG Potsdam VersR 2003, 378 (379); S. Lorenz, NJW 2000, 3305 (3308); ihm folgend: Timme, Jus 2003, 638 (641). 525 526

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norm528 bis hin zu einer deliktischen Qualifikation529. Ferner wird vertreten, es handele sich bei § 661a BGB um einen gesetzlich normierten Fall der culpa in contrahendo.530 Diese Unsicherheiten setzen sich auf der Ebene des Internationalen Zivilprozessrechts fort. In Betracht kommen die besonderen Vertragsklagengerichtsstände des Art. 5 Nr. 1 EuGVO bzw. als lex specialis531 Art. 15 ff. EuGVO532 auf der einen und der Deliktsklagengerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVO533 auf der anderen Seite. § 661a BGB steht also in einem ähnlichen Spannungsverhältnis zu diesen Vorschriften wie die culpa in contrahendo.534 Die Behandlung dieses Qualifikationsproblems war in jüngster Zeit Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen.535 Dabei sind zwei unterschiedliche Arten von Gewinnmitteilungen zu unterscheiden. Zunächst geht es um Fälle, bei denen die Gewinnzusage mit dem Abschluss eines Kaufvertrages durch den Verbraucher gekoppelt ist und dieser sich dann auch tatsächlich, durch die Gewinnaussicht in seiner Entscheidungsfreudigkeit bestätigt, zu einer Warenbestellung hat hinreißen lassen.536 Des Weiteren sind Klagen auf Herausgabe des in Aussicht gestellten Gewinns denkbar, bei denen kein zusätzlicher Vertragsschluss vorliegt, sog. isolierte Gewinnzusage.537 Der erste Fall war Gegenstand des EuGH-Urteils in der Sache Gabriel / Schlank & Schick GmbH. In527 OLG Nürnberg NJW 2002, 3637 (3639); vgl. dazu Dörner, in: FS Kollhosser, Bd. II, S. 75 ff.; Leible, NJW 2005, 796 (797 f.). 528 So wohl jetzt S. Lorenz, IPRax 2002, 192 (196); ders. / Unberath, IPRax 2005, 219 (223); zustimmend: Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (962). Nun auch BGH NJW 2006, 230 (232 f.); dazu wiederum S. Lorenz, NJW 2006, 472 (474); Tamm / Gaedtke, VuR 2006, 169 (176). 529 Vgl. OLG Dresden IPRax 2002, 421 (423); Fetsch, RIW 2002, 936 (938 f.); Leible, IPRax 2003, 28 (33); Rauscher / Schülke, EuLF 2000 / 01, 334 (336 f.). 530 LG Braunschweig IPRax 2002, 213 (213 f.). 531 Vgl. (allerdings noch zu Art. 13 EuGVÜ) EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick. IPRax 2003, 50 (52, Nr. 36); BGH NJW 2003, 426 (427). 532 Dafür: S. Lorenz, NJW 2000, 3305 (3308 f.); ders., IPRax 2002, 192 (193 ff.); ders. / Unberath, IPRax 2005, 219 (221 ff.); Piekenbrock / Schulze, IPRax 2003, 328 (330 ff.); Timme, JuS 2003, 638 (641). 533 Dafür: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 347; Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 17; Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 41; Fetsch, RIW 2002, 936 (942); Leible, NJW 2003, 407 (407 f.); Rauscher / Schülke, EuLF 2000 / 01, 334 (337); Staudinger, JZ 2003, 852 (856). 534 Timme, JuS 2003, 638 (640). 535 Vgl. beispielsweise: BGH NJW 2003, 426 ff.; östOGH EuLF 2000 / 01, 338 f.; OLG Koblenz VersR 2003, 277 f.; OLG Hamm RIW 2003, 305 ff.; LG Potsdam VersR 2003, 378 ff.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 1632 ff.; OLG Dresden IPRax 2002, 421 ff.; OLG Nürnberg NJW 2002, 3637 ff.; LG Braunschweig IPRax 2002, 213 ff. 536 Vgl. EuGH 11. 07. 2002 – 96 / 00, Gabriel / Schlank & Schick GmbH, IPRax 2003, 50 ff. 537 Vgl. Leible, IPRax 2003, 28 (33); Piekenbrock / Schulze, IPRax 2003, 328 (329); Timme, Jus 2003, 638 (640 f.).

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

soweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.538 Deshalb soll im Folgenden nur in gebotener Kürze auf Klagen aus Gewinnzusage ohne Vertragsabschluss eingegangen werden. Der 3. Zivilsenat des BGH hat in seinem Urteil vom 28. 11. 2002 zu der internationalen Zuständigkeit für Klagen, die auf eine isolierte Gewinnzusage gestützt sind, Stellung genommen.539 Dabei lässt er die Rechtsnatur des Klagebegehrens offen, favorisiert aber aufgrund des Strafcharakters des § 661a BGB wohl das Vorliegen einer unerlaubten Handlung. Jedenfalls sei aber der Deliktsklagengerichtsstand eröffnet, auch wenn es sich bei der Gewinnzusage um einen spezialgesetzlichen Fall der culpa in contrahendo handeln sollte.540 Mit einem Satz und ohne nähere Ausführungen wird „die“ culpa in contrahendo unter den Begriff der „unerlaubten Handlung“ i. S. v. Art 5 Nr. 3 EuGVO subsumiert. Der Bundesgerichtshof stützt sich auf das Tacconi-Urteil des EuGH und widerspricht damit der hier vertretenen vertraglichen Qualifikation der Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen. Unabhängig davon, ob die Gewinnzusage überhaupt als Spezialfall eines rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses angesehen werden kann, stellt sich die Frage, inwieweit dieser Feststellung des BGH zu folgen ist. Sie stellt die erste höchstrichterliche Reaktion in Deutschland auf das Tacconi-Urteil dar. Stichhaltige Argumente gegen die Eröffnung des Vertragsklagengerichtsstands sucht man in den Urteilsgründen allerdings vergeblich. Im blinden Gehorsam folgt man dem Urteil des EuGH, ohne sich die Mühe einer eigenen Begründung zu machen. Dabei wird übersehen, dass im Fall Tacconi / HWS ohnehin nur die Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen Gegenstand der Entscheidung war. Eine pauschale Zuordnung „der“ culpa in contrahendo zu einem Gerichtsstand der EuGVO taugt, wie gesehen, nicht. Begreift man die isolierte Gewinnmitteilung als sondergesetzliche Fallgruppe eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses i. S. v. § 311 Abs. 2 BGB, so muss für diesen speziellen Fall entschieden werden, ob sie aufgrund ihrer Funktion und ihrer Zielsetzung eher dem besonderen Gerichtsstand der Vertragsklage oder der Deliktsklage zuzuordnen ist. Bei Klagen aufgrund einer isolierten Gewinnzusage ist keine Warenbestellung durch den Verbraucher vorgenommen worden, so dass es am Faktum eines Vertragsabschlusses fehlt. Es ist eine abstrakte Vergleichbarkeit zu Schadensersatzansprüchen wegen missbräuchlichen Verhandlungsabbruchs gegeben. Zwar gewährt § 661a BGB keinen Anspruch auf Schadensersatz, sondern auf Erfüllung, Vgl. oben: Siehe oben: Teil E. II. 1. d) aa) (3). BGH NJW 2003, 426 ff. (Die Entscheidung erging noch zum EuGVÜ, hat aber aufgrund der kaum geänderten Zuständigkeitsvorschriften in der EuGVO noch seine Bedeutung); vgl. auch BGH NJW 2004, 3039 (3040). 540 BGH NJW 2003, 426 (428). Eine eindeutige Absage erteilt das Gericht, allerdings ohne nähere Begründung, an die Einordnung der Gewinnmitteilung als einseitiges Rechtsgeschäft (S. 427) oder Rechtsscheinshaftung (S. 428). Die „Gabriel“-Entscheidung ist nicht einschlägig, da hier keine Warenbestellung erfolgt ist und es sich mithin um eine isolierte Gewinnmitteilung handelt (S. 427). 538 539

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und setzt auch kein Verschulden voraus,541 sanktioniert wird aber der Versuch des Unternehmers, in pflichtwidriger Weise den Verbraucher zum Abschluss eines Kaufvertrages zu verleiten.542 In beiden Fällen liegt demnach ein pflichtwidriges Verhalten im Vorfeld eines Vertragsabschlusses vor, zu dem es dann nicht mehr kommt. Bei der Gewinnmitteilung wird der Verbraucher in seiner Aussicht auf den Erhalt eines Preises enttäuscht, im anderen Fall wird die Erwartung des Zustandekommens eines Vertrages nicht erfüllt. Mithin käme aufgrund der Nähe zum intendierten Vertrag ebenfalls ein besonderer vertraglicher Gerichtsstand der EuGVO in Betracht.543 Nunmehr ist das Qualifikationsproblem isolierter Gewinnmitteilungen Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des EuGH geworden. Die Richter haben im Fall Engler / Janus Versand GmbH geurteilt, dass eine Klage, mit der ein Verbraucher die Auszahlung eines ihm im Rahmen einer Gewinnzusage versprochenen Gewinns geltend macht, als Klage aus Vertrag i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO einzustufen ist, obwohl – anders als in der Sache Gabriel / Schlank & Schick GmbH – keine Warenbestellung vorgenommen wurde.544 Da kein Vertragsschluss zwischen den Parteien zustande kam und deshalb eine synallagmatische Beziehung fehlte, war die Klage nicht als solche aus Vertrag i. S. v. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ anzusehen.545 Dass der gewerbsmäßige Verkäufer auf eigene Initiative an einen Verbraucher eine Gewinnzusage schickte, in der die Auszahlung des Gewinns nicht von einer Warenbestellung abhängig gemacht wurde, reichte nach Ansicht der Richter aber aus, um eine freiwillig eingegangene Verpflichtung i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bejahen zu können. Allerdings scheint nach Ansicht des EuGH zusätzlich noch eine „Annahme“ des Verbrauchers – nämlich das Auszahlungsverlangen des gewonnenen Preises – notwendig zu sein. „Zumindest ab diesem Zeitpunkt“ habe eine freiwillige Verpflichtung vorgelegen.546 Folglich waren die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO erfüllt. In ihrem neuesten Urteil zur internationalen Zuständigkeit bei Klagen aus grenzüberschreitenden Gewinnzusagen vollziehen die Bundesrichter des 3. Zivilsenats im Anschluss an die Engler-Entscheidung des EuGH eine bemerkenswerte Kehrt541 Dies sind auch die wesentlichen Gesichtspunkte, die gegen die Qualifikation der Gewinnmitteilung als gesetzlich geregelter Sonderfall der culpa in contrahendo vorgebracht werden, vgl. Fetsch, RIW 2002, 936 (937); S. Lorenz, NJW 2000, 3305 (3307). Trotzdem wird die Nähe zur culpa in contrahendo bejaht von: S. Lorenz, NJW 2000, 3305 (3307; 3309); Piekenbrock / Schulze, IPRax 2003, 328 (331); Timme, JuS 2003, 638 (640). 542 Vgl. BT-Drucks. 14 / 2658, S. 48 f. 543 So auch explizit: LG Braunschweig IPRax 2002, 213 (213). 544 EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (814, Nr. 58, 61). Es handelt sich um eine Klage einer Österreicherin gegen die Versandhandelsgesellschaft Janus mit Sitz in Deutschland auf Auszahlung einer Gewinnzusage gem. § 5 j östKSG, wobei keine Warenbestellung von Seiten der Klägerin bei der Beklagten erfolgt war. 545 EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (814, Nr. 34 ff.). 546 EuGH 20. 01. 2005 – 27 / 02, Engler / Janus Versand, NJW 2005, 811 (814, Nr. 52 – 56).

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wende. Klagen aus isolierten Gewinnzusagen seien solche aus Vertrag i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, da mit der „Annahme“ der Gewinnzusage – dem Verlangen nach der Auszahlung des angeblich gewonnenen Preises durch den Verbraucher – die für die Anwendbarkeit der Norm erforderliche freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliege.547 Damit könne dahinstehen, ob der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben sei. Das ist der Versuch des BGH, von der oben besprochenen Entscheidung aus dem Jahr 2002 möglichst ohne „Gesichtsverlust“ abzugehen und sich der neuen Rechtsprechung des EuGH anzuschließen. Eine vertiefende Untersuchung der Rechtsnatur und der Qualifikationsprobleme der Gewinnzusage kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Es sollte nur gezeigt werden, dass sich aus dem genannten Urteil des Bundesgerichtshofs und dem darin zugrunde gelegten Verständnis der Tacconi-Entscheidung nicht zwangsläufig eine andere international-prozessrechtliche Beurteilung der Fallgruppe des unredlichen Verhandlungsabbruchs ergeben muss. Vielmehr zeigt die Entscheidung des EuGH in der Sache Engler / Janus Versand GmbH, dass auf europäischer Ebene der in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO verwendete Vertragsbegriff eine immer weitere Ausdehnung erfährt. Dem hat sich der BGH nun ebenfalls angeschlossen. Trotz des Tacconi-Urteils spricht diese Tendenz eher dafür, die vertragsbezogenen Fallgruppen der vorvertraglichen Haftung aus culpa in contrahendo dem Vertragsklagengerichtsstand zu unterwerfen. 2. ZPO Ist die EuGVO auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, so bestimmt sich die Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach autonomem Prozessrecht, also nach den Vorschriften der ZPO. a) Rechtsprechung Einschlägige Entscheidungen der deutschen Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit der Gerichte im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen wegen des unredlichen Abbruchs von Vertragsverhandlungen sind nicht ersichtlich, soweit es um doppelfunktionales nationales Verfahrensrecht geht. Es finden sich aber Gerichtsurteile zu den besonderen Gerichtsständen der ZPO im rein inländischen Kontext, die die Subsumtion von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo zum Gegenstand haben. Obwohl die zivilprozessualen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit indizieren, sind beide Regelungskomplexe unabhängig voneinander, da ihnen unter547 BGH NJW 2006, 230 (231 f.). Der „Erfüllungsort“ i.S.v. Art. 5 Nr. 1 HS. 1 EuGVÜ soll am Wohnsitz des Adressaten der Gewinnzusage liegen (233); kritisch: S. Lorenz, NJW 2006, 472 (474 f.); vgl. auch Schäfer, JZ 2006, 522 ff.; Tamm / Gaedtke, VuR 2006, 169 (172 ff.).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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schiedliche Funktionen zukommen und andere Interessen bestehen.548 Dennoch kann ein Blick auf die nationale Einordnung von Schadensersatzansprüchen wegen vorvertraglichen Verschuldens lohnend sein, da die Tatbestandsmerkmale der §§ 29, 32 ZPO549 auch im internationalen Kontext nach der lex fori ausgelegt werden. Wenn beispielsweise der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit als eröffnet angesehen wird, so könnte demnach diese Zuordnung auch für die internationale Zuständigkeit gelten.550 Ein Oberlandesgerichtsurteil und verschiedene Landgerichtsentscheidungen befassen sich mit Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo, die auf dem Nichtzustandekommen des Vertrages beruhen. Während das OLG München die Zuständigkeit des Gerichtes am Erfüllungsort des geplanten Vertrages in analoger Anwendung des § 29 ZPO für eröffnet hielt,551 lehnten die Landgerichte das Eingreifen dieses besonderen Gerichtsstands durchweg ab.552 Das LG Essen begründete sein Urteil damit, dass die dem Vertrag zeitlich vorausgehenden vorvertraglichen Pflichtverletzungen nicht als Verstoß gegen die Vertragspflichten gewertet werden könnten, was aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 29 ZPO sei.553 Dahinter steht augenscheinlich eine formale, streng am Wortlaut orientierte Auslegung dieser Zuständigkeitsnorm. Ansprüche aus culpa in contrahendo wegen Scheiterns des Vertragsabschlusses seien eben keine „Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis“, weil ein solches gerade nicht zustande gekommen sei. Mit dem Argument, dass im Falle der Geltendmachung des schadensersatzpflichtigen Abbruchs von Vertragsverhandlungen wegen eines fehlenden Vertrages keine Erfüllungspflichten geltend gemacht werden und deshalb ein Gerichtsstand am Erfüllungsort nicht begründet sein könne, trat das LG Arnsberg der Auffassung des LG Essen bei. Es handele sich um einen gesetzlichen Anspruch, der unabhängig von vertraglichen Beziehungen sei, was auf prozessualer Ebene die Rechtskraftwirkung des Urteils einer vorausgegangenen, fehlgeschlagenen Erfüllungsklage zeige, die nichts mit dem Schicksal einer eventuell folgenden Klage auf das 548 BGHZ 44, 46 (47); BGH NJW 1981, 2642 (2643); Schack, IZVR, Rn. 188; 190; vgl. auch: Mankowski, IPRax 1997, 173 (174). 549 Dies gilt jedoch nicht für den Erfüllungsort im Rahmen des § 29 ZPO, vgl. unten: Teil E. II. 2. c) (3). 550 Vgl. Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (290). 551 OLG München NJW 1980, 1531 (1531). So wohl auch das BayObLG MDR 1995, 1261 (1261), wenn die Ansprüche aus culpa in contrahendo isoliert geltend gemacht worden wären. 552 LG Essen NJW 1973, 1703 (1704); LG Arnsberg NJW 1985, 1172 (1172); LG Kiel NJW 1989, 841 (841). 553 LG Essen NJW 1973, 1703 (1704). So wohl auch: LG Braunschweig BB 1974, 571 (571 f.).

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negative Interesse wegen Verschuldens bei Vertragsschluss gemein habe. Somit sei § 29 ZPO nicht anwendbar.554 Nach Ansicht des LG Kiel lasse der Wortlaut des Vertragsklagengerichtsstands auch keine den Anwendungsbereich erweiternde Analogie zu. Für eine Ausdehnung der Vorschrift auf vertragsähnliche Vertrauensverhältnisse im Wege einer entsprechenden Anwendung fehle es am Vorliegen der erforderlichen Analogievoraussetzungen. Obwohl dem Gesetzgeber die culpa in contrahendo bekannt gewesen sei, habe er sie nicht in § 29 ZPO geregelt. Dies lasse darauf schließen, dass isolierte, also nicht in Verbindung mit einem zustande gekommenen Vertrag geltend gemachte Klagen aus vorvertraglicher Verschuldenshaftung nicht von dieser Norm erfasst seien und es somit an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Zudem mangele es an einer vergleichbaren Interessenlage für eine Analogie, da der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegenüber dem allgemeinen Beklagtengerichtsstand nicht sachnäher sei. Vertragsverhandlungen ließen sich nämlich nur selten an einem einzigen, sachnahen Ort lokalisieren.555 Deshalb verbleibe es für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen unredlichen Verhandlungsabbruchs beim allgemeinen Beklagtengerichtsstand. Die deutsche Rechtsprechung ist mithin uneinheitlich. Auch hier kann wiederum zwischen einer formalen Sichtweise, die von den Landgerichten vertreten wird, und der funktionalen Betrachtungsweise, die das OLG München zugrundelegt, unterschieden werden. Bei Anlegung des formalen Maßstabs scheidet konsequenterweise eine vertragliche Qualifikation aus, während funktional eine Zuordnung zum Gerichtsstand des Erfüllungsorts aufgrund des sachlichen Bezuges zum intendierten Vertragsverhältnis möglich erscheint. b) Meinungsstand in der deutschen Literatur In der deutschen Literatur wird der Gerichtsstand für Klagen aus culpa in contrahendo ebenfalls zumeist nur im rein nationalen Kontext diskutiert, was für die internationale Zuständigkeit aber Indizwirkung hat.556 Die absolut herrschende Meinung in der deutschen Rechtswissenschaft ordnet alle Fallgruppen der culpa in contrahendo pauschal dem Gerichtsstand des § 29 ZPO zu.557 Von dieser Zuordnung zum Vertragsklagengerichtsstand wäre demnach auch die hier zu untersuchende Fallgruppe erfasst.558 LG Arnsberg NJW 1985, 1172 (1172). LG Kiel NJW 1989, 841 (841). 556 Bernstein zieht § 29 ZPO zwar explizit zur Begründung der internationalen Zuständigkeit des Vertragsklagengerichts für Ansprüche aus c.i.c. heran, beruft sich aber auch nur auf die Indizwirkung der örtlichen Zuständigkeit, vgl. RabelsZ 41 (1977), 281 (290). 557 Vgl. Geimer, IZPR, Rn. 1488; MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 3, 11; Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 4; Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 36, Rn. 12; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 18; Thomas / Putzo / Hüßtege, § 29 ZPO, Rn. 4; Zimmer554 555

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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Als Grund für die vertragliche Qualifikation wird teilweise die vertragsähnliche Behandlung dieser gesetzlichen Sonderverbindung im materiellen Recht angeführt.559 Nach der Schuldrechtsreform spricht selbst das BGB nun in der Überschrift des § 311 BGB ausdrücklich von einem „rechtsgeschäftsähnlichen“ Schuldverhältnis. Einer solchen materiell-rechtlichen Einordnung müsse durch die Gleichstellung dieses Haftungsinstituts mit den Verträgen und der daraus folgenden Anwendung von § 29 ZPO Rechnung getragen werden.560 Dafür sei außerdem anzuführen, dass Ansprüche aus der früher sog. positiven Vertragsverletzung, die prozessual dem § 29 ZPO unterfielen,561 nunmehr unter § 280 Abs. 1 BGB gefasst werden, der auch die Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo darstellt. Aufgrund der gebotenen materiellrechtsfreundlichen Auslegung sei diese Gleichbehandlung im deutschen Zivilprozessrecht zu berücksichtigen.562 Andere Autoren differenzieren bei der zivilprozessualen Qualifikation der Haftung aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis mit der hier vertretenen Methode nach Fallgruppen. Im Streit um den richtigen Gerichtsstand von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo wegen der missbräuchlichen Verhinderung des Vertragsabschlusses spiegeln sich dabei die in der Rechtsprechung gegenüberstehenden Positionen wider. Während auf der einen Seite formal auf das Fehlen eines vom Wortlaut geforderten Vertragsverhältnisses abgestellt und die Möglichkeit einer analogen Anwendung der Norm ausgeschlossen wird, kommen auf der anderen Seite die funktionalen Argumente zum Zuge.563 Nach Busche ist eine direkte Subsumtion unter den Vertragsklagengerichtsstand aufgrund des Wortlauts („Vertragsverhältnis“) nicht möglich. Es gehe nämlich nicht um ein vertragliches Schuldverhältnis, sondern nur um ein vorvertragliches. Er macht sich zudem die Argumentation des LG Kiel zu Eigen und verneint das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke für die analoge Heranziehung des § 29 ZPO. Trotz Kenntnis vom Haftungsinstitut der culpa in contrahendo sei eine mann, § 29 ZPO, Rn. 2; Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 6, 20; Ganssauge, S. 83; Pfeiffer, Hdb. der Handelsgeschäfte, § 22, Rn. 85; Schack, Erfüllungsort, Rn. 154; Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493 (509). Für eine zumindest analoge Anwendbarkeit: B / L / A / H / Hartmann, § 29 ZPO, Rn. 12. 558 Ausdrücklich für die Anwendung des § 29 ZPO auch beim Ausbleiben eines Vertragsabschlusses: Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 4. 559 MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 11. 560 Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 6; nach Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 4 folgt diese prozessuale Zuordnung aus der vertraglichen Natur des Haftungsgrundes im materiellen Recht. 561 Vgl. beispielsweise: BGH NJW 1974, 410 (411 f.); Musielak / Smid, 3. Aufl. 2002, § 29 ZPO, Rn. 8. 562 Siehe Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 18, der als zusätzliches Argument für die Einbeziehung der culpa in contrahendo noch den alten Gesetzeswortlaut des § 29 ZPO anführt, der durch die Neufassung keine inhaltliche Veränderung erfahren habe. 563 Gegen die Anwendung des § 29 ZPO: Busche, DRiZ 1989, 370 ff. Dafür aber: Küpper, DRiZ 1990, 445 ff.

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

explizite Regelung in den besonderen Gerichtsständen der ZPO unterblieben. Dies lasse auf eine planvolle Regelungslücke schließen. Außerdem fehle es an der Sachnähe des Gerichts am Erfüllungsort, da Vertragsverhandlungen meist an verschiedenen Orten stattfänden und deshalb eine sachliche Nähe zu einem bestimmten Gericht dann nicht festzustellen sei. Folglich bleibe es beim allgemeinen Gerichtsstand.564 Die mangelnde Regelung der culpa in contrahendo in der ZPO will Küpper jedoch nicht als bewusste Ausgrenzung der vorvertraglichen Haftung aus den besonderen Zuständigkeiten verstanden wissen. Da dieses Haftungsinstitut insbesondere für die Fälle des ausbleibenden Vertragsabschlusses damals noch nicht anerkannt war, habe es sich nicht um eine regelungsbedürftige Frage gehandelt. Dem Argument, dass der Gesetzgeber trotz Kenntnis der culpa in contrahendo keine ausdrückliche Festschreibung dieses Instituts in § 29 ZPO vorgenommen habe, sei demnach kein Gewicht beizumessen.565 Außerdem seien von § 29 ZPO auch Streitigkeiten über das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages erfasst, so dass das Vorliegen eines solchen keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands sein könne.566 Zudem streitet Küpper mit funktionalen Argumenten für die Anwendbarkeit des § 29 ZPO, indem er die große Ähnlichkeit und den engen sachlichen Zusammenhang von Verhandlungs- und Vertragshaftung herausstellt. Die Sachnähe des Gerichts am Erfüllungsort des in Aussicht genommenen Vertrages sei deshalb vorliegend ebenfalls gegeben.567

c) Eigene Stellungnahme Es bleibt demnach zu konstatieren, dass in der deutschen landgerichtlichen Rechtsprechung die besondere Zuständigkeit des Gerichts am Erfüllungsort für Schadensersatzansprüche wegen des missbräuchlichen Abbruchs von Vertragsverhandlungen verneint wird, während die Mehrheit der Literatur und das OLG München trotz Fehlens eines Vertrages § 29 ZPO für anwendbar halten. Das autonome deutsche Prozessrecht sieht für dieses vertragsähnliche Haftungsinstitut keine explizite Regelung vor. Wenn in Abkehr vom allgemeinen Beklagtenwohnsitz nach § 12 ZPO ein Sondergerichtsstand fruchtbar gemacht werden soll, dann kommt – wie auf der Verordnungsebene – regelmäßig nur eine Auswahl zwischen dem Gericht am Erfüllungsort gem. § 29 ZPO und der besonderen Zuständigkeit für Klagen aus unerlaubter Handlung nach § 32 ZPO in Betracht.568 Busche, DRiZ 1989, 370 (370 f.). Küpper, DRiZ 1990, 445 (445 f.). 566 Auch Spickhoff weist darauf hin, dass es auf einen wirksamen Vertragsschluss für die Anwendbarkeit des § 29 ZPO nicht ankomme, ZZP 109 (1996), 493 (509). 567 Küpper, DRiZ 1990, 445 (446). 568 Vgl. oben Teil C. II. 2. b) bb). 564 565

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Teilweise wird aber – anders als im Rahmen der EuGVO – das Bestehen jeglicher besonderen Zuständigkeit verneint.569 Auch ist der Deliktsklagengerichtsstand im deutschen Prozessrecht nicht als Auffangtatbestand anzusehen, so dass keine logisch zwingende Prüfungsreihenfolge einzuhalten ist. Dennoch soll zunächst eine Subsumtion unter den Vertragsgerichtstand des § 29 ZPO versucht werden.

aa) Der Vertragsbegriff im deutschen Zivilprozessrecht Im Gegensatz zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO spricht das deutsche Prozessrecht in § 29 ZPO nicht von „Ansprüchen aus einem Vertrag“, sondern von „Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis“. Die Vorschriften unterscheiden sich aber nicht nur in der Wortwahl. Viel wichtiger ist die Verschiedenheit der Qualifikationsmethoden. Während im Rahmen der EuGVO (bzw. des EuGVÜ) eine autonome Begriffsauslegung vorzunehmen ist, wird die Frage, ob ein Vertragsverhältnis i. S. v. § 29 ZPO vorliegt, nach Maßgabe der deutschen lex fori bestimmt.570 Es kommt mithin auf die Sichtweise an, die durch das nationale Verfahrensrecht vermittelt wird. Rein innerstaatliche Wertungen können deshalb zur Ausfüllung und Bestimmung der in den einschlägigen Paragraphen der ZPO verwendeten Begrifflichkeiten herangezogen werden. Um die internationale Dimension aber richtig erfassen zu können, sollte man in Zweifelsfällen, wenn es z. B. um die Zuordnung eines ausländischen, nicht mit den deutschen Kategorien zu fassenden Haftungsinstituts geht, auf die funktionelle Qualifikation zurückgreifen, die bei der Auslegung des Internationalen Privatrechts ebenfalls genutzt wird. (1) Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis Die Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 29 ZPO setzt also zunächst ein „Vertragsverhältnis“ voraus, aus dem die Klage resultiert. Darunter werden alle schuldrechtlichen 571 Verpflichtungsverträge verstanden, während verfügende Verträge und gesetzliche Schuldverhältnisse ausgeklammert bleiben.572 Neben Klagen auf die Primärleistung sind auch Klagen auf Schadensersatz573 und sonstige Sekundäransprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung erfasst.574 Siehe oben: Teil E. II. 2. b). Vgl. oben: Teil D. II. 2. b). 571 Gegen eine Beschränkung auf Verträge schuldrechtlicher Art: Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 8. 572 BGH NJW 1996, 1411 (1412). Vgl. auch: Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 6 f.; Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 36, Rn. 12; Thomas / Putzo / Putzo, § 29 ZPO, Rn. 3; Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 5 ff.; Schack, Erfüllungsort, Rn. 154. 573 OLG Saarbrücken NJW 2000, 670 (671). 574 B / L / A / H / Hartmann, § 29 ZPO, Rn. 12; MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 8; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 18; Zimmermann, § 29 ZPO, Rn. 2. 569 570

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Weil die culpa in contrahendo im deutschen Sachrecht als gesetzliches Haftungsinstitut eingestuft wird, wäre sie demnach nicht vom national-prozessrechtlichen Vertragsbegriff erfasst. Wie bereits auf Verordnungsebene gesehen, ist eine solche formal-pauschale Abgrenzung aber fehl am Platze, wenn es um die Zuordnung von Rechtsinstituten geht, die zwischen dem vertraglichen und deliktischen Bereich anzusiedeln sind. Nach der amtlichen Überschrift des § 311 BGB handelt es sich hier außerdem um ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis, somit zwar um ein Institut gesetzlicher Art, aber eben um einen atypischen Fall. Deshalb wird die culpa in contrahendo teilweise auch als „eigene Kategorie einer gesetzlichen Haftung“ bezeichnet.575 Die vorliegende Fallgruppe zeichnet sich gerade durch ihre Vertragsbezogenheit aus. Die Nähe zur vertraglichen Haftung zeigt sich im materiellen deutschen Sachrecht insbesondere dadurch, dass die Anspruchsgrundlage für eine Haftung wegen vorvertraglichen Verschuldens in § 280 BGB zu finden ist, der den neuen Generaltatbestand für sämtliche576 Schadensersatzansprüche aus Leistungsstörungen bildet. Die jedenfalls vertraglich einzuordnende positive Forderungsverletzung577 ist nun auch in dieser neuen zentralen Haftungsnorm aufgegangen. Die dieser Anspruchsgrundlage zugehörigen Haftungsinstitute sollten nicht nur auf materiell-rechtlicher Ebene gleich behandelt werden.578 Der Begriff des Vertragsverhältnisses ist vielmehr weit zu fassen,579 um auch auf prozessualer Ebene eine adäquate Zuordnung vertragsähnlicher Rechtsinstitute gewährleisten zu können. Dass eine großzügige, an funktionellen Kriterien orie tierte Auslegung geboten ist, zeigen auch die zunehmenden Forderungen aus der Literatur, bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsverhältnisse, die einen nichtigen Vertrag zum Gegenstand haben, unter § 29 ZPO zu subsumieren.580 Im Rahmen der EuGVO wird der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ von der h. M. ebenfalls in diesem Sinn verstanden.581 Grund für die Einbeziehung dieser gesetzlichen Bereicherungsansprüche ist der enge sachliche Zusammenhang mit dem rückabzuwickelnden Vertrag.582 Des Weiteren können nach dem Wortlaut der Norm auch Streitigkeiten über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses am Gericht des Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 18. Einzige Ausnahme: § 311a Absatz 2 BGB. 577 Für die „positive Vertragsverletzung“ ist der Vertragsgerichtsstand des § 29 ZPO eröffnet, vgl. OLG Düsseldorf MDR 1969, 930 (930). 578 So auch: Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 18. 579 Musielak / Smid, 3. Aufl. 2002, § 29 ZPO, Rn. 6; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 5; Zimmermann, § 29 ZPO, Rn. 2. 580 MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 5; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 5; Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 14; Eilinghoff, S. 338 f.; Schack, Erfüllungsort, Rn. 155; ders., IZVR, § 8, Rn. 263; Spickhoff, ZZP 109 (1996), 493 (509); anders die noch h. M.: BGH NJW 1962, 739 (739); NJW 1996, 1411 (1412); BayObLG DB 1990, 2587; B / L / A / H / Hartmann, § 29 ZPO, Rn. 3; Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 36, Rn. 12; Zimmermann, § 29 ZPO, Rn. 2. 581 Siehe oben: Teil E. II. 1. d) aa) (3). 582 Eilinghoff, S. 338 f.; Schack, IZVR, Rn. 263. 575 576

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Erfüllungsortes der streitigen Verpflichtung geltend gemacht werden. Das Eingreifen dieser Zuständigkeitsnorm hängt demnach nicht von der Existenz eines Vertrages ab. Maßgeblich ist der innere Zusammenhang zwischen dem Anspruch des Klägers und dem gescheiterten Vertrag, denn dieser reicht ja auch aus, wenn auf Feststellung des Nichtbestehens eines Vertrages geklagt wird.583 Festzuhalten bleibt also, dass zwar kein Vertragstatbestand vorliegt, die Haftung „wie aus Vertrag“584 aber eher eine vertragliche Qualifikation im deutschen Verfahrensrecht als eine Zuordnung zum Deliktsklagengerichtsstand nahe legt. Für eine Subsumtion der vorliegenden Fallgruppe unter den großzügig auszulegenden § 29 ZPO kommt es entscheidend darauf an, dass der innere sachliche Zusammenhang von Anspruch und zu schließendem Vertrag gegeben ist. Dann wäre eine analoge Anwendung der Norm nicht vonnöten. Dafür spricht die enge sachliche Verknüpfung von vorvertraglicher Haftung und dem in Aussicht gestellten Vertrag. In dem Maße wie die rechtsgeschäftliche Kontaktaufnahme durch das Entstehen der Verhaltenspflichten geschützt wird, kommen sie auch dem in Aussicht gestellten Vertragsverhältnis zugute, „dienen“ diesem also ebenfalls.585 Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den die Verhandlungen in haftungsbegründender Weise abbrechenden Beteiligten und das Ziel des Vertragsabschlusses bedingen sich bei dieser Konstellation der culpa in contrahendo gegenseitig: Ohne in Aussicht gestelltes Rechtsgeschäft – keine Haftung! In dem Moment, in dem die Vertragsverhandlungen ein Stadium erreicht haben, das nicht mehr einseitig von einem Beteiligten verlassen werden kann, ohne dass es zu einer vorvertraglichen Pflichtverletzung kommt, ist man näher am Vertrag und weiter entfernt vom Delikt.586 Das ist der vorliegenden Fallgruppe der rechtsgeschäftsähnlichen Haftung immanent. Was solchermaßen im materiellen Recht gilt, kann auch im Prozessrecht nicht ignoriert werden. Zwar sind Verfahrensrecht und materielles Recht unabhängig voneinander; sie stehen aber nicht beziehungslos nebeneinander. Demzufolge sind prozessuale Regelungen so weit materiellrechtsfreundlich auszulegen, wie es die eigenen Wertungen des Zivilprozessrechts zulassen. Die Einheit der Rechtsordnung soll trotz der Relativität von Rechtsbegriffen unterschiedlicher Rechtsgebiete möglichst gewahrt bleiben.587 Ein besonderer Vertragsbezug dieser Fallgruppe ist demnach zu bejahen.588

So Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (290). Canaris, S. 460, Fn. 36. 585 Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 18. 586 Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) bb) (2). 587 Stein / Jonas / Brehm, Bd. I, vor § 1 ZPO, Rn. 31, 92, 98. 588 Wie schon für die Gerichtsstandsbegründung im Rahmen der EuGVO festgestellt, stützt der Vergleich mit den überstaatlichen Kodifikationen der UNIDROIT- und Lando-Prinzipien ebenfalls die vertragliche Qualifikation der vorliegenden Fallgruppe der culpa in contrahendo [siehe oben: Teil E. II. 1. d) aa) (3)]. Dieses Argument entfaltet auch im nationalen Prozessrecht seine Überzeugungskraft. 583 584

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

(2) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen und Grundwertungen der ZPO Wie auf der Ebene des Europäischen Zivilprozessrechts ist die Vereinbarkeit der vertraglichen Qualifikation von Schadensersatzansprüchen der vorliegenden Fallgruppe des vorvertraglichen Verschuldens mit dem Sinn und Zweck der besonderen Gerichtsstände zu überprüfen. Zumindest für die örtliche Zuständigkeit wird die Sachnähe als maßgebliches Argument für die Existenz der besonderen Gerichtsstände angeführt.589 Den Vertretern der vertragsrechtlichen Qualifikation wird gerade das Fehlen dieser Sachnähe am Vertragsklagengerichtsstand vorgeworfen. Da die Vertragsverhandlungen oft an verschiedenen Orten stattfänden, sei kein sachnahes Gericht feststellbar, eine besondere Zuständigkeit also nicht gegeben. Weder § 29 ZPO noch § 32 ZPO seien einschlägig, so dass es beim allgemeinen Beklagtengerichtsstand verbleibe.590 Der ersten Feststellung ist insoweit beizutreten, als dass jedenfalls die Annahme eines besonders sachnahen Forums an dem oder den Verhandlungsort(en) zweifelhaft ist.591 Jeglichen besonderen Gerichtsstand aufgrund mangelnder Sachnähe des Gerichts zu verneinen, kommt im internationalen Kontext jedoch nicht in Betracht. Wie gesehen, kann dem Kriterium der Sachnähe nicht immer entscheidende Bedeutung zugemessen werden.592 Vielmehr rechtfertigen sich die Sondergerichtsstände auch aus Gründen der Zuständigkeitsgerechtigkeit. Der Beklagtengerichtsstand in einem anderen Staat belastet den Kläger in unverdienter Weise, wenn der vertragliche Anspruch nur geringe räumliche Beziehungen dorthin aufweist.593 Die Verknüpfung von Gerichtsort und Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung erleichtert die Rechtsverfolgung und sorgt so für die gerechte Verteilung der Prozesslast.594 Außerdem soll dem Gläubiger ein vorhersehbares und nicht vom Schuldner manipulierbares Forum geboten werden.595 Die Beklagtenprivilegierung des actor sequitur forum rei wird also durch diese Regelung zugunsten der klagenden Partei ausgeglichen.596 Allerdings ist die Kalkulierbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands auch im Interesse beider Parteien, die so Planungssicherheit im Hin589 B / L / A / H / Hartmann, § 29 ZPO, Rn. 2, § 32, Rn. 5; MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 1, § 32 ZPO, Rn. 1; Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 1, § 32, Rn. 1. 590 Busche, DRiZ 1989, 370 (371 f.). 591 Diese sind Zufallsabhängig, vgl. die Ausführungen zum IPR: Teil E. I. 4. dd) (2) (a) (dd), ee). 592 Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) bb) (1). 593 Vgl. Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 1 (für die örtliche Zuständigkeit). Eine unzumutbare Benachteiligung des Beklagten sei nicht gegeben, weil er sich dann dort verteidigt, wo er seine Verpflichtung erbringen muss. 594 MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 1. 595 Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 46. 596 Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 1; Schack, Erfüllungsort, Rn. 141. Vgl. für den Vertragsklagengerichtsstand der EuGVO: Kropholler / von Hinden, in: GS Lüderitz, S. 401 (414).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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blick auf eventuell aus ihrer vertraglichen Beziehung entstehende Streitigkeiten haben. Der Vertragsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ist für solche Konstellationen geschaffen worden, in denen die Planbarkeit des Forums schon mit der Kontaktaufnahme der Parteien eine gewisse Rolle spielt, wenn also eine rechtsgeschäftliche Bindung bezweckt ist. Das gilt auch für internationale Streitigkeiten im Rahmen der ZPO.597 Dass zwischen den Verhandlungsparteien aufgrund der entstandenen Vertrauensbeziehung eine vertragsähnliche Nähebeziehung besteht, ist mithin auch für § 29 ZPO von Bedeutung.598 Diese Norm „passt“ besser auf die vorliegende Fallgruppe als § 32 ZPO, da es dort keines vertragsähnlichen Verhältnisses bedarf, sondern die Handlung selbständig ein Klagerecht begründet.599 Ebenso geht die Theorie von der ökonomischen Analyse des Rechts davon aus, dass mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen bereits der vertragliche Bereich betreten wird,600 was für die Geltung des Vertragsklagengerichtsstands spricht. Des Weiteren sind die grundlegenden Wertungen des Internationalen Prozessrechts zu beachten, wonach das Forum für die Beteiligten vorhersehbar601 sein muss und eine möglichst prozessökonomische Gestaltung des Verfahrens602 zu fordern ist. Die Erkennbarkeit des zuständigen Gerichts ist bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten von besonderer Bedeutung. Für den Kläger muss ersichtlich sein, in welchem Gerichtsstand die Möglichkeit zur Klageerhebung besteht, während der Beklagte erkennen können muss, ob vor dem Gericht eines anderen Staates als dem seines Wohnsitzes gegen ihn geklagt werden kann. Um die Zuständigkeitsfrage beantworten zu können, ist es erforderlich, dass Ansprüche aus culpa in contrahendo dem ausschlaggebenden Tatbestandsmerkmal der in Betracht kommenden besonderen Gerichtsstandsvorschriften zugeordnet werden können, ob also „Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis“ (§ 29 ZPO) oder eine „Klage aus unerlaubter Handlung“ (§ 32 ZPO) vorliegen. Für die Nähe zum Vertrag sprechen die bereits oben genannten Argumente.603 Der Ersatzanspruch entsteht aus der Verletzung einer vertragsähnlichen Beziehung der Beteiligten zueinander und es liegt ein innerer sachlicher Zusammenhang zu dem in Aussicht gestellten Vertragsabschluss vor. Außerdem erscheint es in vielen Fällen möglich, dass eine Verhandlungspartei bereits von dem Bestehen eines Vertrages ausgeht. Sie wird sich dann zunächst mit Schack, Erfüllungsort, Rn. 142, 152. Vgl. MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 11; Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 4; Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 6. 599 Busche, DRiZ 1989, 370 (372). 600 Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (a) (aa), II. 1. d) bb) (2). 601 Schack, IZVR, Rn. 203. Vgl. auch B / L / A / H / Hartmann, Übers. § 12 ZPO, Rn. 2; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 27. 602 Stein / Jonas / Brehm, Bd. I, vor § 1 ZPO, Rn. 110 ff. 603 Siehe oben: Teil E. II. 1. d) bb) (2). 597 598

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

einem Feststellungsbegehren über das Bestehen des Schuldverhältnisses an das Gericht wenden. Streitigkeiten dieser Art sind aber gem. § 29 Abs. 1 ZPO dem Gerichtsstand am Erfüllungsort zugewiesen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum dieses Gericht dann im Falle der Verneinung des Zustandekommens des Vertrages nicht auch über etwaige dann entstandene Ansprüche aus culpa in contrahendo entscheiden soll. Die Beteiligten des ersten Verfahrens werden vielmehr damit rechnen, dass über die Streitigkeit in diesem Forum abschließend entschieden wird. Zudem ist die Prozessökonomie für eine vertragliche Qualifikation von Schadensersatzansprüchen aus vorvertraglichem Verschulden anzuführen. Bereits hingewiesen wurde auf die Konstellation, dass zunächst eine Vertragshaftung in Rede stehen könnte und vorvertragliche Ansprüche nur hilfsweise geltend gemacht werden.604 Dann sprechen nicht nur Gründe der Vorhersehbarkeit für den besonderen Vertragsgerichtsstand, sondern auch prozessökonomische Argumente. Da die entscheidungserheblichen Fragen im Wesentlichen gleich liegen, wäre die Annahme der Unzuständigkeit des Gerichts für vertragsbezogene Ansprüche aus culpa in contrahendo nicht sachgerecht. Es handelt sich um denselben Lebenssachverhalt, so dass regelmäßig eine einheitliche Beweisaufnahme erfolgen kann.605 Eine (noch) unzulässige606 Gerichtsstandsbegründung kraft Sachzusammenhangs ist darin auch nicht zu erblicken. Es kann nämlich nichts anderes gelten, wenn der Kläger sich direkt auf die Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo stützt, ohne zuvor eine Vertragshaftung geltend zu machen. Eine gleichzeitige Geltendmachung möglicher vertraglicher und vorvertraglicher Ansprüche ist nicht erforderlich. Sonst hinge es vom Zufall ab, ob die klagende Partei am Gericht des Erfüllungsortes klagen kann oder nicht. Der Ersatzanspruch wegen missbräuchlichen Verhandlungsabbruchs wird aufgrund einer weiten Auslegung des Begriffs der „Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis“ unter § 29 ZPO subsumiert. Der Anspruch an sich soll auf verfahrensrechtlicher Ebene vertraglich behandelt werden. Es geht nicht um einen deliktischen Anspruch, der kraft Sachzusammenhangs dem Vertragsgerichtsstand unterstellt wird. Folglich sprechen auch Gesichtspunkte der Verfahrensökonomie für die Zuordnung der vorliegenden Fallgruppe zum Vertragsklagengerichtsstand und gegen eine deliktische Qualifikation. Eine analoge Anwendung des § 29 ZPO bedarf es aufgrund seines weit auszulegenden Anwendungsbereichs im internationalen Kontext nicht. (3) Bestimmung des Erfüllungsortes Das Gericht am Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung ist international zuständig, über die Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis zu entscheiden. Im Ge604 Vgl. beispielsweise: BGHZ 57, 191 (197); BGH WM 1974, 754 (755); NJW 1987, 2004 (2006). 605 Küpper, DRiZ 1990, 445 (446). 606 Dazu vgl. die obigen Ausführungen: Teil C. II. 3. b) dd).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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gensatz zu der Regelung in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ergibt sich bei § 29 ZPO bereits aus dem Wortlaut des Tatbestandes, dass es auf die jeweils in Streit stehende konkrete Verpflichtung ankommt. Es ist dann auf den Ort, an dem die geltend gemachte Leistung zu erbringen ist, abzustellen.607 Bei Schadensersatzansprüchen ist dort zu leisten, wo die verletzte Hauptpflicht hätte erbracht werden müssen.608 Nur wenn dieser Ort im Inland liegt, ist somit ein deutsches Gericht zuständig. Der Erfüllungsort wird nach Ansicht der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur gemäß der lex causae bestimmt, d. h. er ergibt sich nach der Befragung des Kollisionsrechts des Forums aus dem zur Anwendung berufenen Sachrecht.609 Allerdings wurde bereits von Bernstein vertreten, dass sämtliche „Schlüsselbegriffe“ der ZPO, also auch der Erfüllungsort, nach der lex fori, mithin dem deutschen materiellen Recht, auszulegen seien. Ansonsten würde man den Vorrang der prozessualen Zuständigkeitsfrage aufgeben.610 Der hier zu Tage tretende Gedanke einer vom Internationalen Privatrecht losgelösten Erfüllungsortbestimmung611 hat sich jetzt auch in Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO niedergeschlagen, allerdings zugunsten einer autonomen Erfüllungsortbestimmung. Mögliche Konsequenz einer Qualifikation lege fori bzw. einer autonomen Auslegung im Rahmen der EuGVO ist das Auseinanderfallen von dem durch das Kollisionsrecht bestimmten materiell-rechtlichen Erfüllungsort und dem Vertragsklagengerichtsstand. Auf Verordnungsebene kann dies mit dem Vereinheitlichungszweck des europäischen Prozessrechts und dem Hinweis auf das vereinheitlichte Internationale Privatrecht im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse (EVÜ) gerechtfertigt werden. Im nationalen Prozessrecht liegen die Dinge jedoch anders. Divergierende kollisionsrechtliche Vorschriften erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass nicht an dem Ort geklagt werden kann, an dem nach materiellem Recht zu erfüllen ist. Diese Spaltung muss zudem nicht aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung in Kauf genommen werden, da es im Rahmen der ZPO gerade nicht um eine autonome Begriffsbestimmung geht. Der Grundsatz, dass Gerichtsstand und materiell-rechtlicher Erfüllungsort zusammenfallen sollen (sog. Identitätsdogma612),613 behält im nationalen VerfahrensEinsiedler, NJW 2001, 1549 (1549). RG JW 1896, Nr. 4, 202 (202); RGZ 40, 408 (410); BayObLG NJW 2002, 2888 (2888); Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 20; Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 23; Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 61; Schack, Erfüllungsort, Rn. 94; Küpper, DRiZ 1990, 445 (446). Vgl. auch, allerdings zum EuGVÜ: BGHZ 134, 201 (205). 609 BGH NJW 1981, 2642 (2643); BGHZ 120, 334 (347); OLG Hamburg IPRspr. 1976, Nr. 147, S. 421 (427 f.); Geimer, IZPR, Rn. 1482; MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 104; Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 69; Pfeiffer, Hdb. der Handelsgeschäfte, § 22, Rn. 84; Schröder, S. 325; a.A.: Schack, Erfüllungsort, Rn. 223 ff. 610 Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (291). 611 Vgl. Schack, Erfüllungsort, Rn. 225 ff.. 612 Vgl. Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 81. 607 608

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E. Abbruch von Vertragsverhandlungen

recht vielmehr seine Überzeugungskraft.614 Vorteil des Zusammenfallens von Erfüllungsort und Gerichtsstand ist bei internationalen Streitigkeiten, dass in zeitund kostensparender Weise Urteils- und Vollstreckungsverfahren konzentriert werden können, weil eine Urteilsanerkennung nicht notwendig ist.615 Auf europäischer Ebene ist hingegen im Geltungsbereich der EuGVO das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach den Art. 32 ff. EuGVO sehr stark erleichtert, so dass dieses Argument hier keine Rolle spielt. Für das deutsche Internationale Prozessrecht bleibt es somit bei der zweistufigen Ermittlung des Erfüllungsortes nach der maßgeblichen lex causae.616 Mithin bestimmt sich die internationale Zuständigkeit für Ersatzansprüche wegen ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs im deutschen Prozessrecht nach denselben Kriterien, wie sie nach der Tessili / de Bloos-Rechtsprechung im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO maßgeblich sind. Die obigen Ausführungen gelten demnach auch hier.617 Für Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo kommt es auf die nicht erbrachte vertragliche Primärpflicht des Schädigers an.618 Bei der Geltung deutschen Sachrechts ist das nach Maßgabe von § 269 BGB 613 Vgl. B / L / A / H / Hartmann, § 29 ZPO, Rn. 2; Geimer, IZPR, Rn. 1482; Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 46; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 25; Schröder, S. 325. Kritisch: Schack, Erfüllungsort, Rn. 223 ff.; ders., ZEuP 1995, 655 (660 f.). 614 Ein einheitlicher, rein prozessual bestimmter Erfüllungsortbegriff würde zwar die Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts verbessern. De lege lata ist ein solches Verständnis dem § 29 ZPO aber nicht zu entnehmen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Auch auf europäischer Ebene hat der EuGH eine Rechtsfortbildung abgelehnt und auf eine Regelung durch den Verordnungsgeber in der neuen EuGVO gewartet, siehe oben: Teil E. II. 1. d) dd) (1). Vgl. aber auch Roth in der übernächsten Fußnote. 615 Vgl. Schack, Erfüllungsort, Rn. 149. 616 Roth will für die Zwecke der internationalen Zuständigkeit das gespaltene Konzept des Art. 5 Nr. 1 EuGVO in § 29 ZPO übernehmen, in: Stein / Jonas, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 54. Für Streitigkeiten aus Kauf- und Dienstleistungsverträgen sei nach dem Vorbild des lit. b) dann ein einheitlicher Erfüllungsort zu bestimmen, für die anderen Fälle bliebe es bei der bisherigen Qualifikation lege causae. Die Einbeziehung der europäischen „Vorregelung“ sei im Rahmen der internationalen Zuständigkeit möglich, da diese nicht sklavisch den Wertungen der örtlichen Zuständigkeit folgen müsse. Rein technisch könne diese Interpretation des § 29 ZPO durch richterliche Rechtsfortbildung vorgenommen werden. Folgt man dieser Ansicht, dann ergibt sich der Gerichtsstand für die vorliegende c.i.c.-Fallgruppe für die betroffenen Vertragsarten aus einer Anknüpfung an den Erfüllungsort der geplanten vertragstypischen Verpflichtung [Teil E. II. 1. d) dd) (2)]. Ob die Einführung dieser europäischen Wertungen in § 29 ZPO de lege lata möglich ist, mag dahingestellt bleiben. Gegen die Einbeziehung spricht jedenfalls das aufgrund des Kompromisscharakters des Art. 5 Nr. 1 EuGVO unausgegorene Konzept dieser Vorschrift und die damit verbundene Übernahme von Unsicherheiten in das nationale Prozessrecht [vgl. zu Kritik bereits oben: Teil E. II. 1. d) dd) (1), ee)]. 617 Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) dd) (3). 618 So ist wohl auch die Aussage von Teilen der Rechtsprechung und der h. M. in der deutschen Literatur zu verstehen, dass der Erfüllungsort der (beabsichtigten) vertraglichen Leistungspflichten ebenfalls für die vorvertraglichen Pflichten, die als vertragsbezogen angesehen

III. Gesamtergebnis

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ermittelte Gericht am Erfüllungsort des geplanten Vertrages auch für die Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen berufen, d. h. dort, wo der Beklagte seine vertragliche Verpflichtung hätte erfüllen müssen, ist er auch wegen der vorvertraglichen Pflichtverletzung gerichtspflichtig. d) Fazit Auch im nationalen Verfahrensrecht können die in Rede stehenden Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten im besonderen Gerichtsstand der Vertragsklage gem. § 29 ZPO geltend gemacht werden. 3. Ergebnis Für Klagen auf Schadensersatz wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen besteht die Möglichkeit der Wahl eines besonderen Gerichtsstands. Während im europäischen Verfahrensrecht der Vertragsklagengerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO einschlägig ist, kommt im nationalen Kontext § 29 ZPO zum Zuge.

III. Gesamtergebnis Somit werden Schadensersatzansprüche, die sich aus der Verletzung von Pflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergeben und die einen ungerechtfertigten Abbruch von Vertragsverhandlungen zum Gegenstand haben, sowohl im Internationalen Privatrecht als auch im Internationalen Zivilprozessrecht vertraglich qualifiziert. Damit wird ein Gleichlauf von materiell-rechtlichem und prozessualem Vertragsbegriff erreicht, der für die Rechtsanwendung vorteilhaft ist.

werden können, heranzuziehen sei, vgl. OLG München NJW 1980, 1531; VersR 1985, 741 (743); Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (292); siehe auch: MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 38; Zimmermann, § 29 ZPO, Rn. 5 a); Zöller / Vollkommer, § 29 ZPO, Rn. 6, 25; Küpper, DRiZ 1990, 445 (446).

F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages Bei den Vertragsverhandlungen i. S. v. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB kann es zu einer Pflichtverletzung kommen, die sich zwar nicht auf das Zustandekommen des Vertrages auswirkt, wohl aber auf dessen Wirksamkeit. Diese Fallgruppe unterscheidet sich von der vorherigen also dadurch, dass ein Vertragsabschlusstatbestand vorliegt. Ähnlich wie beim Abbruch von Vertragverhandlungen kommt es aber gar nicht erst zum Erfüllungsstadium, da das Rechtsgeschäft nichtig ist und somit von Anfang an keine Rechtswirkungen entfaltet. Die Partei, die die Nichtigkeit zu vertreten hat, macht sich gegenüber der anderen Seite wegen culpa in contrahendo schadensersatzpflichtig.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht 1. Rechtsprechung Rechtsprechung zur Anknüpfung dieser Fallgruppe des vorvertraglichen Verschuldens findet man in Deutschland kaum. Das OLG München hatte in seinem Urteil vom 15. Juli 19541 über die auf den Schadensersatzanspruch eines ausländischen Lieferanten gegen einen deutschen Importeur anzuwendende Rechtsordnung zu entscheiden. Der zwischen den Beteiligten geschlossene Vertrag war unwirksam, weil es an der notwendigen devisenrechtlichen Einfuhrgenehmigung mangelte. Der Kläger beabsichtigte, den Importeur aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in Anspruch zu nehmen, weil die fehlende Genehmigung in Form einer Einkaufsermächtigung nicht vom Beklagten beantragt worden war, obwohl er dazu verpflichtet gewesen sei. Das Oberlandesgericht spezifizierte die vorliegende Fallgruppe nicht näher. Nach der hier vertretenen Fallgruppendifferenzierung handelt es sich aber um ein vorvertragliches Verschulden i. S. v. §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB wegen zu vertretender Vertragsnichtigkeit. In seiner Entscheidung unterstellte das Gericht den Anspruch aus culpa in contrahendo dem Vertragsstatut. Zur Begründung führte es an, dass die Wirksamkeitsfragen hinsichtlich des Rechtsgeschäfts den vertraglichen Kollisionsregeln unterlägen und diese dann ebenso für die Frage nach der anwendbaren Rechtsordnung für die vorvertragliche Haftung gelten müssten. Die Schadensersatzpflicht sei nämlich vertragsähnlich, denn sie erhalte durch den intendierten Vertrag ihr rechtliches Gepräge.2 1 2

OLG München IPRspr. 1954 / 55, Nr. 18, S. 57 ff. OLG München IPRspr. 1954 / 55, Nr. 18, S. 57 (57).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Die Geltung der Anknüpfungsregeln für Schuldverträge bejahte auch das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 29. Mai 1967. Gegenstand des Rechtsstreits war die Haftung aus culpa in contrahendo in der Konstellation der schuldhaft mangelhaften rechtsgeschäftlichen Vertretung. Unter Hinweis auf Kegel begründete das Gericht seine Auffassung damit, dass das Schuldstatut alle Vertragsbeziehungen vom vorvertraglichen Verschulden bis zu den Leistungsstörungen erfasse.3 Ein weiteres Judikat des OLG München vom 24. Februar 1983 beschäftigte sich mit der vorvertraglichen Haftung einer deutschen Raiffeisenkasse für von ihrem Geschäftsführer im Namen der Bank unrechtmäßig eingegangene Verpflichtungserklärungen. Diesmal sprach sich das Gericht jedoch für eine deliktische Anknüpfung der Schadensersatzansprüche aus. Sie seien „entsprechend ihrer Rechtsnatur wie deliktsrechtliche Ansprüche zu behandeln“ und deshalb dem Handlungsort zu unterstellen.4 Die Urteile zeigen, dass jeweils eine pauschale Zuordnung des Haftungsinstituts der culpa in contrahendo ohne Fallgruppenunterscheidung erfolgte. Zudem fehlen fundierte Begründungen. Festzustellen bleibt, dass die Rechtsprechung in Deutschland uneinheitlich ist.

2. Meinungsstand in der deutschen Literatur Auch in der Literatur werden unterschiedliche Positionen und Qualifikationsvorschläge vertreten. a) Vertragsstatut Wie bei der Konstellation des Verhandlungsabbruchs gelangen diejenigen Autoren, die das vorvertragliche Schuldverhältnis in ihrer Gesamtheit als vertraglich ansehen, konsequenterweise für die vorliegende Fallgruppe der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages ebenfalls zur Anwendbarkeit des Geschäftsstatuts, sei es aufgrund direkter Subsumtion oder aufgrund akzessorischer Anknüpfung.5 Zu diesem Ergebnis kommt auch, wer der auf Bernstein zurückgehenden Differenzierung zwischen deliktisch zu qualifizierenden Obhuts- bzw. Erhaltungspflichten auf der einen und den vertraglich einzuordnenden Pflichten zur Beratung oder Aufklärung auf der anderen Seite folgt.6 Die Unwirksamkeit des Vertrages aufgrund einer vorgelagerten Pflichtverletzung ist der zweiten Kategorie zuzurechnen, 3 4 5 6

OLG Köln IPRspr. 1966 / 67, Nr. 25, S. 78 (80). OLG München WM 1983, 1093 (1095). Vgl. oben: Teil E. I. 2. a) bb), cc), dd). Vgl. oben: Teil E. I. 2. a) aa). Siehe auch: Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (948 f.).

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

da keine Schädigung an bereits bestehenden Rechtsgütern eintritt, wie es für die Obhuts- und Erhaltungspflichten kennzeichnend ist.7 Zwar handelt es sich strenggenommen nicht um Aufklärungs- und Beratungspflichten, denn das Spektrum vorvertraglichen Fehlverhaltens reicht vom verschuldeten Dissens bis zur Nichtbeachtung gesetzlicher Formvorschriften. Verletzt wird jedoch nicht das Integritätsinteresse, so dass in Abgrenzung zu den Erhaltungspflichtverletzungen ein vertraglicher Charakter gegeben ist. Das neuere Schrifttum will dafür die schuldvertraglichen Anknüpfungsregeln mittels analoger Heranziehung der Art. 31, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB fruchtbar machen. Unabhängig von der Art der konkreten Pflichtverletzung wird demgegenüber die vorliegende Fallgruppe teilweise direkt unter Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB subsumiert. Auch wenn der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nur eine mittelbare Folge der Vertragsnichtigkeit darstelle, sei er noch vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst. Eine Differenzierung nach den einzelnen Unterfällen sei nicht von Nöten, da das Gesetz nicht nach dem Grund der Vertragsnichtigkeit frage.8 Eventuell konkurrierende Deliktsansprüche sollen im Wege einer akzessorischen Anknüpfung ebenfalls dem Vertragsstatut unterstellt werden.9

b) Vertragsstatut oder Wirksamkeitsstatut Andererseits wird die Anwendung des Vertragsstatuts nur befürwortet, wenn dieses ebenfalls über das der Vertragswirksamkeit entgegenstehende Hindernis herrscht. Ist das nicht der Fall, dann soll nach dieser Ansicht bei Distanzgeschäften keine vorvertragliche Haftung angenommen werden können, wenn sie nur das Vertragsstatut, nicht jedoch das jeweilige Wirkungsstatut vorsieht. Nur so seien Wertungswidersprüche zu vermeiden, die daraus resultieren können, dass der Schutzzweck des Wirksamkeitshindernisses und die vorvertragliche Haftung nicht aufeinander abgestimmt sind, weil sie unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen. Bei Platzgeschäften im Staat des Vertragsstatuts bedürfe es einer Ausnahme zugunsten des Vornahmerechts des Vertrages analog Art. 12 S. 1 EGBGB hingegen nicht, weil der die Vertragswirksamkeit voraussetzende Geschädigte nicht auf die Haftung einer ihm fremden Rechtsordnung vertraue.10

c) Deliktsstatut Eine deliktische Qualifikation von Ansprüchen aus Schutzpflichtverletzungen wird hingegen von Canaris vertreten. Dabei stehen für ihn insbesondere SchadensBernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (285). Nickl, S. 88 ff. 9 Nickl, S. 94 ff. 10 G. Fischer, JZ 1991, 168 (171 f.). 7 8

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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ersatzforderungen aufgrund der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages im Vordergrund.11 Die deliktischen Anknüpfungsregeln seien sachnäher, da es nicht um das Vertrags-, sondern um das Integritätsinteresse gehe.12 Die Geltung deliktischer Verweisungsregeln wird auch im Hinblick auf die geplante Rom II-VO bejaht. Auf europäisch-autonomer Ebene könne so der in den meisten Mitgliedstaaten vorherrschenden Ansicht Rechnung getragen werden, ohne auf eine flexible Lösung verzichten zu müssen, die aufgrund der in der Verordnung vorgesehenen Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung an einen abgeschlossenen Vertrag bestehe.13 Es wird deshalb vorgeschlagen, in der zukünftigen Rom I-VO über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht eine explizite Regelung dergestalt aufzunehmen, dass alle Fallgruppen der culpa in contrahendo, mit Ausnahme des Abbruchs von Vertragsverhandlungen, in den Anwendungsbereich der neuen Rom II-VO fallen sollen.14

d) Fazit Die deutsche Literatur schwankt demnach zwischen der Geltung des Vertragsstatuts und einer Zuordnung unter die deliktischen Anknüpfungsregeln. Die Befürworter der vertraglichen Lösung streiten wiederum darüber, auf welchem Wege man zur Geltung des Schuldstatuts gelangt, insbesondere ob eine direkte Subsumtion unter die einschlägigen Vorschriften des EGBGB möglich ist oder ob es einer analogen Heranziehung bedarf. Des Weiteren wird in manchen Konstellationen die alleinige Maßgeblichkeit des vertraglichen Kollisionsrechts für die Ermittlung der anwendbaren Rechtsordnung in Frage gestellt und das Recht des Wirksamkeitshindernisses für maßgeblich erachtet.

3. Rechtsvergleichende Hinweise zum ausländischen Kollisionsrecht In Abgrenzung zu den reinen Schutz- und Obhutspflichtverletzungen wird in Österreich und der Schweiz zumeist das vertragliche Kollisionsrecht herangezogen, während im romanischen Rechtskreis und den Ländern des common law in Anlehnung an die sachrechtliche Zuordnung eine deliktische Qualifikation zu erwarten ist.15 Jedoch wird teilweise auch in der portugiesischen Literatur vertreten, Canaris, in: FS Larenz, S. 27 (90 f.). Canaris, in: FS Larenz, S. 27 (109). 13 Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (89). 14 Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (98). Der neue Verordnungsentwurf entspricht dem jedoch nicht, vgl. Rom I-VOE, KOM (2005), 650 endg., S. 15. 15 Vgl. oben: Teil E. I. 3. Für das belgische Recht wird teilweise in der Literatur jedoch auch die Heranziehung des Vertragsstatuts erwogen, siehe Nickl, S. 83 m. w. N. 11 12

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

dass funktionell mit dem Vertragsschluss zusammenhängende Verhaltenspflichten dem Vertragsstatut unterfallen sollen.16

4. Eigene Stellungnahme Wie gesehen, hindert die Nichterwähnung der verschiedenen Fallgruppen vorvertraglichen Verschuldens im EVÜ und EGBGB eine Subsumtion unter die in den Kodifikationen erwähnten Anknüpfungsregeln grundsätzlich nicht.17 a) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog, Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB Die auf die vorvertragliche Haftung wegen der schuldhaft herbeigeführten Vertragsnichtigkeit anzuwendende Rechtsordnung könnte sich nach den vertraglichen Kollisionsregeln bestimmen. aa) Qualifikation des Entstehungstatbestands gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog Die Entstehung des rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses in der Fallvariante der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages könnte sich gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog nach dem Recht richten, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre. Eine unmittelbare Anwendung der Norm scheitert daran, dass die vorvertragliche Sonderverbindung unabhängig vom Parteiwillen durch Gesetz entsteht. Wie gesehen, ist eine Analogie zu den Verweisungsvorschriften staatsvertraglichen Ursprungs aber nicht von vornherein ausgeschlossen.18 Das vertragsähnliche Vertrauensverhältnis mit seinen relativen Loyalitätspflichten nur gegenüber den an dieser Beziehung beteiligten Personen wird zudem nicht vom Begriff der unerlaubten Handlung i. S. d. Art. 40 EGBGB erfasst. Legt man nämlich eine funktionale Qualifikation nach der lex fori zugrunde, so zeigt sich, dass eine typische Deliktssituation i. S. d. Internationalen Privatrechts nicht durch ein bereits bestehendes Näheverhältnis gekennzeichnet ist, sondern dieses erst durch die unerlaubte Handlung eine Verbindung zwischen Schädiger und Geschädigtem schafft. Deshalb ist die deliktische Anknüpfungsmethodik auch nicht geeignet, die Besonderheiten einer vorvertraglichen Haftung zu erfassen. Die Anknüpfung an den Handlungs- oder Erfolgsort führt zu zufälligen Ergebnissen. Das 16 17 18

Moura Vicente, RabelsZ, 699 (710 f.). Teil E. III. Teil E. I. 4. b) dd).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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aufgrund des Ubiquitätsprinzips bestehende Wahlrecht zugunsten des Opfers der unerlaubten Handlung widerspricht dem Interesse der Beteiligten einer vorvertraglichen Sonderbeziehung an der Vorhersehbarkeit der dafür geltenden Rechtsordnung.19 Im Rahmen der geplanten Rom II-VO, also auf europäisch-autonomer Ebene käme nur eine Subsumtion unter den Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses aus „anderer als unerlaubter Handlung“ in Betracht. Art. 9 Nr. 1 Rom II-VOE sieht in diesem Fall eine primäre akzessorische Anknüpfung an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis vor, wenn das außervertragliche Schuldverhältnis damit in einem engen Zusammenhang steht. In Betracht käme hier eine akzessorische Anknüpfung an den unwirksamen Vertrag. Jedoch ist zu beachten, dass nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung nur an ein vorbestehendes Rechtsverhältnis akzessorisch angeknüpft werden kann,20 der Vertragsabschluss sich aber erst nach der Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses ereignet. Die anwendbare Rechtsordnung kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob im Nachhinein ein Vertrag zwischen den Parteien abgeschlossen wird oder nicht. Vielmehr erfordert die Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts und damit die Rechtssicherheit eine klare Anknüpfung im Zeitpunkt der Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses. Demzufolge bietet auch die zukünftige Rom II-VO keine adäquate Lösung für die Anknüpfung der culpa in contrahendo in der vorliegenden Fallgruppe. Mithin liegt die für eine Analogie notwendige Regelungslücke vor.21 Das Vertragsverhandlungsverhältnis müsste schließlich noch mit dem in Art. 31 Abs. 1 EGBGB geregelten Sachverhalt vergleichbar sein. In beiden Fällen stehen sich zwei durch Vertragsverhandlungen miteinander verbundene Parteien gegenüber, deren Ziel die Eingehung einer vertraglichen Bindung ist. Aufgrund des bewusst eingegangenen freiwilligen geschäftlichen Kontakts entsteht eine Sonderbeziehung, die dem Zustandekommen des Vertrages unmittelbar vorgelagert ist. Die Vertragsanbahnungsphase, in der es zu dem vorvertraglichen Verschulden gekommen ist, endet mit dem Abschluss des Rechtsgeschäfts, reicht also unmittelbar in den Bereich, der noch vom Vertragsstatut umfasst wird. Dies führt dazu, dass sich die Grenzen zwischen den beiden Stadien nicht immer trennscharf ziehen lassen. So kann es durchaus streitig sein, ob bereits eine Willensübereinkunft erzielt und damit der vorvertragliche Bereich verlassen worden ist. Weiterhin lässt die rechtsgeschäftsähnliche Beziehung ein nur zwischen den Beteiligten relevantes Pflichtenprogramm entstehen. Diese Relativität der Verpflichtungen entspricht der einer vertraglichen Verbindung. Schließlich stützt auch die ökonomische Analyse des Rechts die Annahme einer Parallele zum Vertragsabschlusstatbestand in Art. 31 Abs. 1 EGBGB, da die einander bekannten Parteien eine Vereinbarung hinsichtlich der Haftungsrisiken auch schon für den vorvertrag19 20 21

Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (a). Teil E. I. 4. b) dd) (2) (b). Siehe: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (c).

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

lichen Bereich hätten treffen können.22 Diese Ausführungen zeigen, dass eine für die analoge Anwendung der Norm ausreichende Vergleichbarkeit der Sachverhalte gegeben ist. Die Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses richtet sich in der vorliegenden Konstellation nach dem auf den abgeschlossenen, jedoch unwirksamen Vertrag anzuwendenden Recht gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog.

bb) Qualifikation der Rechtsfolgen gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB Im Gegensatz zu der Fallgruppe des Verhandlungsabbruchs, bei der infolge mangelnder Tatbestandsverwirklichung überhaupt kein Rechtsgeschäft zur Entstehung gelangt, ist es bei der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages zu einem Vertragsabschluss gekommen, dem jedoch aufgrund seiner Unwirksamkeit von Anfang an keine Rechtswirkungen zukommen. Einer unmittelbaren Anwendung von Art. 32 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 5 EGBGB steht also nicht das Fehlen einer rechtsgeschäftlichen Sonderverbindung zwischen den Parteien entgegen, denn trotz der Nichtigkeit liegt ein Rechtsgeschäft vor.23 Ob die auf den nichtigen Vertrag anzuwendende Rechtsordnung auch für die Rechtsfolge der vorvertraglichen Haftung gilt, richtet sich nach der Möglichkeit, diese unter einen Fall des Art. 32 Abs. 1 EGBGB zu subsumieren. Zwar fallen in den Regelungsbereich des Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB auch Ansprüche auf Schadensersatz. Dabei handelt es sich aber um solche aufgrund vertraglicher Pflichtverletzungen.24 Die genannte Vorschrift regelt nur die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Leistungsstörungen nach Vertragsschluss. Haftungsansprüche aus culpa in contrahendo finden ihre Grundlage aber in einem bereits vor dem Vertragsabschluss liegenden Fehlverhalten. Eine direkte Subsumtion vorvertraglicher Schadensersatzansprüche wegen der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages unter Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB ist folglich nicht möglich. In Betracht kommt aber die Anwendung der Regelung in Nr. 5 desselben Artikels. Dort werden die „Folgen der Nichtigkeit des Vertrages“ dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht unterstellt. Alle Konstellationen der Vertragsnichtigkeit sind erfasst, unabhängig vom Unwirksamkeitsgrund.25 Vgl. Teil E. I. 4. b) dd) (3) (a) (aa). Palandt / Heinrichs, Überbl. v. § 104 BGB, Rn. 3 m. w. N. 24 Vgl. BGH VersR 1976, 832 (833); OLG Hamm FamRZ 1994, 1259; AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 16, 19; Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 6 f.; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 11; MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 41 ff.; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 44, 50. 25 Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 128. 22 23

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Insbesondere fällt hierunter die bereicherungsrechtliche Rückgewähr bereits ausgetauschter Leistungen.26 Die Vorschrift geht in diesem Teilbereich den Kollisionsregeln für die ungerechtfertigte Bereicherung in Art. 38 EGBGB vor.27 Da in manchen Vertragsstaaten die Rückabwicklung gescheiterter Verträge dem außervertraglichen Schuldrecht zugeordnet wird, besteht gem. Art. 22 Abs. 1 lit. b) EVÜ die Möglichkeit der Einlegung eines Vorbehalts gegen die vertragliche Qualifikation. Davon haben aber nur Großbritannien und Italien Gebrauch gemacht.28 Aus der Sicht der anderen Vertragsstaaten ändert diese abweichende Anknüpfung aber nichts, da gem. Art. 15 EVÜ (Art. 35 Abs. 1 EGBGB) Rück- und Weiterverweisungen ausgeschlossen sind. Fraglich ist, ob auch weitergehende Schadensersatzansprüche gegen den Beteiligten, der die Unwirksamkeit zu verantworten hat, unter Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB fallen. Nach dem Giuliano / Lagarde-Bericht zum EVÜ wird mit dieser Bestimmung, „hauptsächlich das Ziel [verfolgt], dass das auf den Vertrag anwendbare Recht auch für Erstattungen gilt, die die Parteien einander nach Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages zu gewähren haben“.29 Was unter „Erstattungen“ zu verstehen ist, wird nicht näher erläutert. Die Formulierung macht mit der Verwendung des Begriffs „hauptsächlich“ aber deutlich, dass neben der Rückabwicklung der vertraglichen Verbindung auch andere Ansprüche, die aus der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts resultieren, nicht von vornherein ausgeschlossen sind. In der Literatur wird deshalb vertreten, dass Haftungsansprüche, beispielsweise nach erfolgter Anfechtung, ebenfalls dieser Vorschrift unterliegen.30 Diese Schadensersatzansprüche ergeben sich aber vielfach nicht direkt aus der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Vielmehr handelt es sich dann um mittelbare Folgen, die vom Gesetz angeordnet werden.31 Ob die Folgen der Vertragsnichtigkeit nach der durch das Vertragsstatut bestimmten Rechtsordnung vertraglicher oder außervertraglicher Art sind, ist jedenfalls nicht erheblich.32 Dies gilt ja auch für die Kondiktionsansprüche, die sich ebenfalls nur mittelbar aus der Vertragsunwirksamkeit aber unmittelbar aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben. Vergleicht man diese Anwendungsfälle mit der hier in Rede stehenden Fallgruppe der culpa in contrahendo, so scheint eine direkte Subsumtion unter Art. 32 26 OLG Hamm IPRspr. 1985, Nr. 28, S. 71 (72); FamRZ 1994, 1259 (1260); Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; Looschelders, Art. 32 EGBGB, Rn. 26; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 66; Junker, IPR, § 15, Rn. 391; 433; G. Fischer, IPRax 2002, 1 (3). 27 Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 76. 28 Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 76. 29 BT-Drucks. 10 / 503, 33 (65). 30 Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 78; Siehr, IPR, § 31, S. 220. 31 Im deutschen Sachrecht ergibt sich die Schadensersatzpflicht des Anfechtenden aus § 122 BGB. 32 BT-Drucks. 10 / 504, S. 82.

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Abs. 1 Nr. 5 EGBGB möglich. Die erste Voraussetzung, das Vorliegen eines nichtigen Vertrages, ist gegeben. Der Schadensersatzanspruch resultiert zwar aus einer Pflichtverletzung in der vorvertraglichen Phase, er wirkt sich aber erst nach Feststellung der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts aus. Die Unwirksamkeit ist eine Tatbestandvoraussetzung der hier in Rede stehenden vorvertraglichen Haftung. Demnach handelt es sich im weitesten Sinne um eine Nichtigkeitsfolge. Allerdings resuliert diese nicht aus der Norm, die das Wirksamkeitshindernis zum Inhalt hat, sondern wird vom Gesetz, im deutschen Sachrecht von den §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, angeordnet. Der Subsumtion unter Art. 32 Abs. 1 EGBGB steht die Mittelbarkeit des Schadensersatzanspruchs nicht entgegen.33 Auch die gesetzliche Natur des vorvertraglichen Schuldverhältnisses ist nicht maßgebend. Schließlich treffen diese Eigenschaften ja auch für den allgemein anerkannten Fall der Rückabwicklung bereits getätigter Leistungen über das gesetzliche Schuldverhältnis der ungerechtfertigten Bereicherung zu. Ein gravierender Unterschied zu Haftungsansprüchen aus culpa in contrahendo wegen der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages, der eine andere Beurteilung dieses Lebenssachverhalts rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Folglich ist eine direkte Subsumtion unter Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB möglich. Der Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung richtet sich somit auch nach dem Vertragsstatut der Art. 27 ff. EGBGB. cc) Berücksichtigung der Sonderanknüpfungsstatute von Wirksamkeitshindernissen Folgt man der Ansicht Fischers, so ist das Geschäftsstatut bei Distanzgeschäften34 möglicherweise nicht uneingeschränkt anwendbar. Werden die Wirksamkeitshindernisse nicht von Art. 31 Abs. 1 EGBGB erfasst, sondern bestimmt sich das maßgebende Recht im Wege einer Sonderanknüpfung, dann soll dem so ermittelten Statut eine Vetofunktion zukommen, wenn die entsprechende Rechtsordnung im Gegensatz zum Schuldstatut keine Haftung des Schädigers aus culpa in contrahendo vorsieht.35 Die Wirksamkeitshindernisse des schuldhaft verursachten Dissenses, der schuldhaft herbeigeführten Vertragsnichtigkeit und der Verwendung sittenwidriger oder anderer zur Nichtigkeit führender Vertragsklauseln fallen gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB unter das vertragliche Verweisungsrecht.36 Die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages bestimmen sich nach Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB. Nickl, S. 91. Bei Platzgeschäften besteht nach der Meinung von Fischer kein schutzwürdiges Interesse an der Anwendung des Vornahmerechts, wenn es nicht das Vertragsstatut ist, vgl. JZ 1991, 168 (171). 35 G. Fischer, JZ 1991, 168 (171). 36 Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 31 EGBGB, Rn. 7 f.; MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 6 ff. 33 34

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Diese Vorschrift gilt auch für Ersatzansprüche wegen schuldhaft mangelhafter Vertretung. Zwar beurteilen sich die Fragen der Wirksamkeit der Vertretung beim Abschluss des Vertrages und die Auswirkungen mangelnder Vertretungsmacht nach dem Vollmachtsstatut.37 Inwieweit der Vertretene auf Schadensersatz wegen culpa in contrahendo haftet, wird hingegen von dem dafür maßgebenden Recht bestimmt,38 nach hier vertretener Ansicht gilt mithin das Vertragsstatut. Das Vertragskollisionsrecht regelt auch die Formgültigkeit eines Vertragsschlusses vorbehaltlich des Art. 11 Abs. 1, 2. Alternative EGBGB.39 In diesem Fall entscheidet neben dem Geschäftsstatut alternativ das Recht des Vornahmeortes über die Einhaltung der Formerfordernisse und mögliche Folgen des Formverstoßes.40 Ist sowohl nach dem Geschäfts- als auch nach dem Ortsstatut die Verletzung einer Formvorschrift gegeben, dann ist die Rechtsordnung mit der mildesten Sanktion anzuwenden.41 Unter den Folgen der Nichteinhaltung von Formvorschriften versteht man Fragen betreffend die teilweise oder vollständige Nichtigkeit sowie die Möglichkeit einer Heilung von Wirksamkeitsmängeln.42 Weitergehende Folgeansprüche, die sich an die Unwirksamkeit des Vertrages anschließen, unterfallen dann jedoch wieder dem Vertragsstatut gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB.43 Als ein solcher Anspruch ist auch derjenige aus culpa in contrahendo anzusehen. Die Wertung des Gesetzgebers für das Internationale Vertragsrecht lässt also erkennen, dass Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB die aus der Nichtigkeit des Vertrages resultierenden Ansprüche dem Vertragsstatut unterstellen will, weil es sich um einen zusammengehörenden Lebenssachverhalt handelt, der einem einheitlichen Statut unterliegen soll. Gleiches gilt dann für Schadensersatzansprüche wegen der schuldhaften Herbeiführung eines nichtigen Vertrages, die sich ebenfalls nach der genannten Vorschrift richten. Zuzugeben ist allerdings, dass durch die Außerachtlassung des Statuts des Unwirksamkeitsgrundes Wertungswidersprüche entstehen können, wenn das Vertragsstatut eine Haftung aus vorvertraglichem Verschulden anordnet, während das Wirksamkeitsstatut keine Einstandspflicht vorsieht. Indem zwei verschiedene Rechte über die Nichtigkeit und die anschließenden Folgeansprüche bestimmen, 37 Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 38; vgl. zum Anwendungsbereich des Vollmachtsstatuts auch MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Vor. Art. 11 EGBGB, Rn. 262 ff. Derselbe aber kritisch zur Sonderanknüpfung der Stellvertretung: Vor. Art. 11 EGBGB, Rn. 272 ff. 38 Vgl. RGZ 159, 33 (53 ff.); Staudinger / Magnus, Einl. zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. A 50; Braga, RabelsZ 24 (1959), 337 (338); von Caemmerer, RabelsZ 24 (1959), 201 (217). 39 Vgl. zur Anknüpfung der Form bei Verbraucherverträgen Art. 29 Abs. 3 EGBGB. 40 Vgl. MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 11 EGBGB, Rn. 42. 41 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 41; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 11 EGBGB, Rn. 10; Looschelders, Art. 11 EGBGB, Rn. 16. 42 Looschelders, Art. 11 EGBGB, Rn. 15. 43 Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; MüKo / Spellenberg (1998), Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 113.

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

kann folglich das aufeinander abgestimmte Konzept einer Rechtsordnung auseinandergerissen werden. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die Haftung für die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht mit dem Schutzzweck des Wirksamkeitshindernisses konform geht und diesen unterläuft.44 Dennoch ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine Vetofunktion des Nichtigkeitsstatuts gegenüber dem Vertragsstatut abzulehnen. Die in einem inneren, sachlichen Zusammenhang mit dem unwirksamen Vertrag stehenden Folgeansprüche sind einheitlich nach Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB zu beurteilen. Eine andere Sichtweise würde zur Unvorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts führen, da eine diffizile mehrstufige Prüfung durchzuführen wäre, die je nach Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Das liegt aber weder im Verkehrsnoch im Parteiinteresse. Grundsätzlich soll nach der Lehre von der Vetofunktion des Wirksamkeitsstatuts ja auch das Recht des nichtigen Vertrages gelten, das nur abzulehnen ist, wenn nach dem Recht des Nichtigkeitsgrundes nicht gehaftet wird. Somit wäre ein Vergleich beider Rechtsordnungen notwendig. Es müsste nämlich sowohl nach dem Geschäftsstatut als auch nach dem Wirksamkeitsstatut ermittelt werden, ob und wenn ja, welche Konsequenzen die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich zieht und nur in dem Fall, dass das Recht des Wirksamkeitshindernisses keine Ersatzansprüche bereithält, wäre dieses maßgeblich. Ein solches am Einzelfall orientiertes Vorgehen führt zu Rechtsunsicherheit und ist deshalb abzulehnen. Gestützt wird dieses Ergebnis, wie gesehen, durch die Vorschrift des Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB, die nicht nach dem Grund der festgestellten Nichtigkeit fragt und sich nur mit den weiteren Folgen befasst.45 Außerdem kann aufgrund der flexiblen Anknüpfungsmöglichkeiten, die das vertragliche Verweisungsrecht bietet, auch besonders gelagerten Fällen Rechnung getragen werden. Nach dem Gesagten, ist deshalb die vorgeschlagene Vetofunktion abzulehnen. Einer Sonderanknüpfung bedarf es nicht, so dass die alleinige Maßgeblichkeit des Vertragsstatuts gilt.

b) Geeignetheit der vertraglichen Anknüpfungsregeln Die aufgrund der Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog, Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB für die Entstehung und Rechtsfolgen der vorvertraglicher Haftung wegen schuldhafter Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages zur Anwendung gebrachten vertraglichen Anknüpfungsregeln müssten für die kollisionsrechtliche Behandlung dieser Fallgruppe auch geeignet sein, d. h. die diesen Verweisungsnormen zugrunde liegenden Wertungen und Interessen müssten darauf „passen“.

44 45

G. Fischer, JZ 1991, 168 (171). MüKo / Spellenberg (1998), Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 113; Nickl, S. 79, 93.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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aa) Einheitsstatut Die Grundwertung der Art. 31, 32 EGBGB ist die Verwirklichung einer einheitlichen Anknüpfung zusammengehörender Sachverhalte, sog. Einheitsstatut.46 Das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Vertrages beurteilen sich nach dem gleichen Recht wie die Folgen, die sich beispielsweise aus der Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen ergeben können. Das Vertragsstatut gilt bis hin zur Rückabwicklung gescheiterter Leistungsbeziehungen über das Bereicherungsrecht. Präkonsensualer und postkonsensualer Bereich unterstehen also derselben Rechtsordnung. Was in ausreichend enger Verbindung zum Rechtsgeschäft steht, das soll gleich, nämlich vertraglich, qualifiziert werden. Wie bei der Fallgruppe des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs herausgearbeitet, ist dafür ein sachlicher, innerer Zusammenhang mit dem geschlossenen Vertrag von Nöten.47 Vorliegend sind die Verhandlungen in eine vertragliche Sonderbeziehung der Parteien gemündet. Aufgrund der vorvertraglichen Pflichtverletzung der einen Seite ist das Rechtsgeschäft jedoch von Anfang an unwirksam, und die andere Seite, die auf das wirksame Zustandekommen des Schuldverhältnisses vertraut hat, erleidet deshalb einen Schaden. Zwar beruht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nicht allein auf der Pflichtverletzung, sondern wird vom Gesetz angeordnet. Die Nichteinhaltung der vorvertraglichen Loyalitätsverpflichtung seitens einer Partei führt aber erst dazu, dass ein Wirksamkeitshindernis mit seinen entsprechenden Folgen Platz greift. Durch sie wird es ermöglicht, dass Unwirksamkeitsgründe ihre Wirkung entfalten. Sie löst die die Nichtigkeit anordnende Sanktion aus. Hätte der Schädiger seiner vorvertraglichen Pflicht genüge getan, dann wäre der Vertrag erwartungsgemäß wirksam zustande gekommen. Ohne das vorvertragliche Fehlverhalten würde das Schuldverhältnis nämlich nicht an mangelnder Wirksamkeit leiden. Die Folgen der bereits im Verhandlungsstadium begangenen Pflichtverletzung realisieren sich demnach unmittelbar in dem unwirksam zustande gekommenen Vertrag.48 Das illustriert deutlich die Vertragsbezogenheit der vorliegenden Fallgruppe vorvertraglicher Haftung. Zudem hängt der vorvertragliche Schadensersatzanspruch von der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ab, denn diese stellt dafür eine notwendige Tatbestandsvoraussetzung dar. Es lässt sich demnach ein untrennbarer, innerer Zusammenhang zwischen dem abgeschlossenen, aber unwirksamen Vertrag und dem Anspruch auf Schadensersatz wegen der schuldhaften Herbeiführung der Vertragsnichtigkeit feststellen. Nach der Wertung des Einheitsstatuts ist in einem solchen Fall die Anwendung der vertraglichen Anknüpfungsregeln gerechtfertigt.

46 47 48

Dazu: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). So auch Nickl, S. 89 ff.

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

bb) „UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“ Schadensersatzansprüche wegen der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages werden auch von nichtstaatlichen internationalen Kodifikationen als vertraglich qualifiziert. Sowohl die für Handelsverträge geltenden „UNIDROIT-Prinzipien“ als auch die das Vertragsrecht in der EU betreffenden „Lando-Prinzipien“ sanktionieren treuwidrige Verhandlungen mit einem Schadensersatzanspruch zugunsten der geschädigten Partei.49 Wer schuldhaft die Nichtigkeit des abzuschließenden Rechtsgeschäfts herbeiführt, der handelt wider Treu und Glauben, so dass diese Konstellation von den Prinzipienwerken erfasst ist. Losgelöst von den dogmatischen Einteilungen in den nationalen Rechtsordnungen wird hier einem funktionalen Ansatz gefolgt, wobei Sachverhalte aufgrund ihrer Nähe zu vertragsrechtlichen Problemen in den Prinzipien mitgeregelt und somit als vertraglich qualifiziert werden. Zwar handelt es sich nicht um kollisionsrechtliche Vorschriften, sondern um überstaatliches Sachrecht. Auf der anderen Seite zeigt diese Zuordnung aber, dass bei einer funktionalen Betrachtungsweise, die ja auch bei der international-privatrechtlichen Qualifikation als Maßstab anzulegen ist, für die hier in Rede stehende Fallgruppe der culpa in contrahendo durchaus eine vertragliche Einordnung in Frage kommt, so dass die Prinzipien eine gewisse Indizwirkung haben können. Schließlich geht es auch hier um eine Vereinheitlichung, die von möglichst vielen Rechtsanwendern auf internationaler Ebene akzeptiert werden kann. Nichtstaatliches „vereinheitlichtes“ Sachrecht soll ja eine von den nationalen Besonderheiten unabhängige, möglichst praktikable Rechtsordnung darstellen. Die Regelungen in den genannten vertragsrechtlichen Grundprinzipien bestätigen somit das oben gefundene Ergebnis der Geltung des Vertragsstatuts.

cc) Kollisionsrechtliche Interessenlage Schließlich führt die Anknüpfung nach den vertraglichen Verweisungsvorschriften zu vorhersehbaren Ergebnissen. Grundsätzlich gilt nach der Regelvermutung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 EGBGB das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der die vertragstypische Leistung erbringenden Partei. Wem bei Wirksamkeit des Vertrages die charakteristische Verpflichtung oblegen hätte und wer Geldschuldner gewesen wäre, ist leicht zu ermitteln, und die anwendbare Rechtsordnung ist somit kalkulierbar. Diese Vorhersehbarkeit spielt insbesondere für Parteien einer zukünftigen vertraglichen Verbindung eine große Rolle, da Risiken, die sich aus dieser Beziehung ergeben, so berechenbar gemacht werden. Rechtssicherheit ist für wirtschaftliche Betätigungen unabdingbare Voraussetzung. Diese Interessenlage besteht bereits im vorvertraglichen Verhandlungsstadium, das mit dem Ziel der Eingehung einer vertraglichen Bindung, also eines freiwilligen Leistungsaustausches, 49 Vgl. Art. 2. 1. 15 Abs. 2 der „UNIDROIT-Prinzipien“ bzw. Art. 2:301 Abs. 2 der „Lando-Prinzipien“, dazu siehe oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (a) (aa).

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begonnen wird. Während die Parteien bei einer Schädigung durch unerlaubte Handlung zufällig aufgrund des schädigenden Ereignisses verbunden werden, liegt hier ein geplanter geschäftlicher Kontakt vor. Dazu gehört regelmäßig, dass sich die Beteiligten auch über eventuelle Streitigkeiten und die dann anwendbare Rechtsordnung Gedanken machen. Die Vorhersehbarkeit aufgrund klarer Anknüpfungsregeln entspricht deshalb nicht nur dem Ordnungsinteresse, sondern grundsätzlich auch dem Parteiinteresse. Den Parteien wird allerdings unterstellt, bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ein Interesse an der Geltung ihres Heimatrechts zu haben, weil dieses ihnen angeblich besser bekannt ist und sie ihr Verhalten somit leichter an den rechtlichen Anforderungen ihres Heimatlandes ausrichten können. Das muss jedoch nicht zwangsläufig der Fall sein, zumal eine ausländische Rechtsordnung auch günstigere Wertungen für die Parteien enthalten kann. Außerdem ist die Geltung des Vertragsstatuts für die verhandelnden Parteien nicht überraschend. Sie streben den Abschluss eines wirksamen Vertrages an. Es liegt nicht fern, wenn das notwendige Durchgangsstadium, das vorliegend in einem inneren, sachlichen Zusammenhang mit dem abzuschließenden Rechtsgeschäft steht, ebenfalls der darauf anwendbaren Rechtsordnung unterliegt. Es handelt sich aus Sicht der Beteiligten nämlich um einen zusammengehörenden Lebenssachverhalt. Dem Parteiinteresse an der Maßgeblichkeit des Umweltrechts kann zudem im Einzelfall nachgegeben werden, wenn Sonderanknüpfungen, beispielsweise für schutzwürdige Personengruppen wie Verbraucher und Arbeitnehmer, bestehen oder die Haftung nach dem fremden Recht überraschend und unzumutbar ist. Im letzten Fall ist eine entsprechende Anwendung von Art. 31 Abs. 2 EGBGB in Betracht zu ziehen.50 Schließlich ermöglicht auch die Auffangregel in Art. 28 Abs. 5 EGBGB, dass das Recht der engsten Verbindung zur Geltung kommt. Folglich „passt“ die hinter der vertraglichen Anknüpfungssystematik stehende Interessenlage ebenfalls auf die vorliegende Fallgruppe der vorvertraglichen Haftung.

dd) Fazit Die vertraglichen Anknüpfungsregeln sind geeignet, um auf die vorvertragliche Haftung aus culpa in contrahendo wegen der schuldhaften Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages angewandt zu werden.

5. Ergebnis Sowohl die Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses als auch die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche wegen der schuldhaften Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages werden nach den Regeln des Vertragsstatuts der Art. 27 ff. EGBGB angeknüpft. Für die Entstehung ergibt sich die vertragliche 50

Siehe oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (cc).

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

Qualifikation aus der analogen Heranziehung des Art. 31 Abs. 1 EGBGB. Die Rechtsfolgen der vorvertraglichen Pflichtverletzung können als Folgen der Vertragsnichtigkeit direkt unter Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB susbsumiert werden. Im Einzelfall ist jedoch zugunsten der nach dem Vertragsstatut haftenden Partei eine Berufung auf ihr jeweiliges Heimatrecht gem. Art. 31 Abs. 2 EGBGB analog denkbar. Lässt eine Rechtsordnung Anspruchskonkurrenz zu, dann sind Sachverhaltskonstellationen möglich, in denen neben dem Anspruch aus culpa in contrahendo auch deliktische Ansprüche bestehen. In einem solchen Fall sollte eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut erfolgen.51 Im EGBGB ergibt sich diese Möglichkeit aus Art. 41 und auf europäischer Ebene de lege ferenda gem. Art. 3 Nr. 3 Rom II-VOE.

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht Für den Kläger in einem internationalen Rechtsstreit ist es vorteilhaft, wenn er Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo wegen der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages auch an einem besonderen Gerichtsstand geltend machen kann. Möglicherweise ergibt die besondere Zuständigkeit des Gerichts als Ausnahme vom Grundsatz des Beklagtengerichtsstands einen für den Kläger günstigen Gerichtsstand, der ihm dann wahlweise zur Verfügung steht.

1. EuGVO / EuGVÜ Im Geltungsbereich der EuGVO (bzw. des EuGVÜ) kommen die in Art. 5 genannten besonderen Zuständigkeiten in Betracht. Nach der EuGH-Rechtsprechung ist in Grenzfällen zwischen vertraglichen und deliktischen Klagen zunächst eine Zuordnung unter Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zu versuchen. a) Meinungsstand Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Sache Tacconi / HWS hat der BGH in einem Urteil zu Ansprüchen aus Gewinnmitteilung ausgeführt, dass diese selbst dann dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung zuzuordnen seien, „wenn es sich um einen gesetzlichen Fall der culpa in contrahendo handele.“52 Da keine Fallgruppendifferenzierung vorgenommen wird, wäre also auch der Schadensersatzanspruch wegen der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages am Deliktsklagengerichtsstand einzuklagen. 51 52

So auch: Nickl, S. 94 ff. BGH NJW 2003, 426 (428).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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Teile der deutschen Literatur wollen hingegen Ersatzansprüche aus culpa in contrahendo dann dem Vertragsklagengerichtsstand zuordnen, wenn es im Nachhinein noch zu einem Vertragsabschluss gekommen ist.53 Vorliegend ist diese Voraussetzung erfüllt. Zwar ist das Rechtsgeschäft von Anfang an nichtig und bringt deshalb keine der damit bezweckten Rechtswirkungen hervor. Das ändert aber nichts daran, dass der Tatbestand eines Vertrages gegeben ist. Ein unwirksames Rechtsgeschäft ist deshalb vom nicht zustande gekommenen zu unterscheiden.54 Bei der Fallgruppe der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages ist nach dieser Ansicht also eine vertragliche Zuordnung vorzunehmen, weil tatbestandlich ein Vertrag vorliegt. Auch die nach Fallgruppen differenzierende Ansicht würde vorliegend in Abgrenzung zu den Schutz- und Obhutspflichtverletzungen eine vertragliche Qualifikation vornehmen.55 b) Eigene Stellungnahme Die vorliegende Konstellation vorvertraglicher Haftung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Verhandlungen zu einem, wenn auch unwirksamen, Vertrag geführt haben. Ein freiwillig eingegangener Verpflichtungstatbestand kann mithin bejaht werden, obwohl dieser von Anfang an keine Wirkung entfaltet. Trotzdem ist in diesem Fall die besondere Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO eröffnet, da diese auch Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines Vertrages erfasst.56 Fraglich ist, welche Auswirkungen diese Feststellung auf die Qualifikationsentscheidung der vorliegenden Fallgruppe vorvertraglicher Haftung hat. Das Zustandekommen eines Vertragstatbestandes ändert nichts daran, dass das rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis im Vorfeld des Rechtsgeschäfts nicht aufgrund einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung, sondern ohne Berücksichtigung des Parteiwillens aufgrund Gesetzes entsteht. Für eine vertragliche Qualifikation der vorvertraglichen Haftung kann nicht auf den später tatsächlich abgeschlossenen Vertrag rekurriert werden, da beide Schuldverhältnisse voneinander unabhängig sind. Mithin scheidet eine direkte Subsumtion unter den Vertragsbegriff des Europäischen Zivilprozessrechts aus. Jedoch kann auch ein enger, sachlicher Zusammenhang mit einem vertraglichen Schuldverhältnis genügen, um „Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bejahen zu können. Insoweit bedarf es im Gegensatz zur Konstellation des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen keiner 53 Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 41 f.; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 27; Schack, IZVR, Rn. 263; ders., Erfüllungsort, Rn. 310. 54 Vgl. Palandt / Heinrichs, Überbl. v. § 104, Rn. 27 f. 55 Vgl. oben: Teil E. II. 1. b) aa). 56 EuGH 04. 03. 1982 – Effer / Kantner, Slg. 1982, 825 (834, Nr. 7); Geimer / Schütze /Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 27.

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

hypothetischen Annahme eines späteren Vertragsschlusses, denn der vorliegende Tatbestand eines Rechtsgeschäfts ist ausreichend, um den Vertragsklagengerichtsstand für die im inneren Zusammenhang mit dem unwirksamen Vertrag stehenden Ansprüche aus culpa in contrahendo öffnen zu können. aa) Enger, sachlicher Zusammenhang mit dem Vertrag Dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der vorvertraglichen Verpflichtung und dem unwirksamen Vertrag besteht, haben bereits die Ausführungen zum Internationalen Privatrecht gezeigt.57 Im Internationalen Zivilprozessrecht kann diesbezüglich nichts anderes gelten. Das Fehlverhalten im Vorfeld des Vertrages führt zur gesetzlich angeordneten Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, wirkt sich also in diesem aus. Die untrennbare Verbindung zwischen der vorliegenden Haftungsfallgruppe und dem entstandenen Schuldverhältnis ist demnach evident, was durch die Aufnahme solcher Schadensersatzansprüche in die „UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“ bestätigt wird. bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen und Grundwertungen der EuGVO Maßgebliche ratio legis des Gerichtsstands am Erfüllungsort ist es, den Beteiligten an einem vertraglichen Sonderverhältnis ein kalkulierbares Forum zu bieten, während der Deliktklagengerichtsstand den durch eine unerlaubte Handlung Geschädigten begünstigt.58 Bei der Fallgruppe der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages sind zwischen den Parteien der vorvertraglichen Sonderverbindung bereits Vertragsverhandlungen geführt worden, die dann schließlich im Abschluss des unwirksamen Vertrages ihr Ende gefunden haben. Die Beteiligten stehen aufgrund des fortgeschrittenen rechtsgeschäftlichen Kontakts bereits in einem besonderen Näheverhältnis zueinander, das sich aufgrund seiner Intensität deutlich von einer deliktischen Sonderverbindung unterscheidet, die jedermann treffen kann. Die besonderen Verhaltenspflichten entstehen erst aufgrund der engen Verbindung zwischen den Parteien des vorvertraglichen Schuldverhältnisses, weil diese sich dem jeweils anderen geöffnet haben und deshalb ein Risiko eingegangen sind, das sich von dem allgemeinen Verkehrsrisiko, das durch das Deliktsrecht erfasst wird, deutlich abhebt. Mithin liegt keine typische Deliktssituation vor, die eine Privilegierung des Geschädigten durch die Geltung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung rechtfertigen würde. Entscheidend für die besondere Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO spricht hingegen, dass die rechtsgeschäftsähnliche Kontaktauf57 58

Siehe oben: Teil F. I. 4. b) aa). Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) bb).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

245

nahme mit dem Ziel der Eingehung einer vertraglichen Verbindlichkeit erfolgt. Die Parteien stehen schon wie Vertragspartner zueinander. Da der Vertragsklagengerichtsstand auf Konstellationen zugeschnitten ist, bei denen eine freiwillig eingegangene, rechtliche Bindung vorliegt, sollte er auch auf das vorhergehende Verhandlungsstadium ausgedehnt werden. Das Interesse an einem möglichst berechenbaren Forum besteht nämlich bereits in diesem Stadium.59 Zudem können systematische Argumente für eine vertragliche Qualifikation der vorliegenden Fallgruppe der culpa in contrahendo angeführt werden. Aufgrund des inneren Zusammenhangs zum unwirksamen Vertrag wird auch die Geltendmachung bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsansprüche am Gerichtsstand der Vertragsklage erlaubt. Dieser Anspruch findet seine Grundlage nämlich in dem nichtigen Rechtsgeschäft. Ein Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages setzt ebenfalls einen unwirksamen Vertragsschluss voraus. Zwar tritt die Haftung nicht aufgrund des nichtigen Vertrages ein, sondern findet ihre Ursache in der vorvertraglichen Sonderverbindung, also zeitlich vor dem Abschluss des Rechtsgeschäfts. Doch erst mit dem Zutagetreten der Nichtigkeit erkennt der Geschädigte, dass im Vorfeld eine Pflichtverletzung der anderen Seite vorgelegen hat und deshalb Haftungsansprüche geltend gemacht werden können. In beiden Fällen ist die Vertragsnichtigkeit also Voraussetzung der jeweiligen Ansprüche. Diese Feststellung verlangt mithin eine gleiche Behandlung solcher ähnlich gelagerten Konstellationen. Folglich sind auch die Ansprüche aus culpa in contrahendo vor dem Gericht des Erfüllungsortes geltend zu machen. Die besondere Zuständigkeit des Gerichts muss für einen normal informierten Beklagten im Voraus erkennbar sein. Die Vorhersehbarkeit und Kalkulierbarkeit der Gerichtsstände ist ein wesentliches Ziel der europäischen Vereinheitlichung des Internationalen Zivilverfahrensrechts. In der vorliegenden Konstellation ist es zwischen den Beteiligten des vorvertraglichen Schuldverhältnisses im weiteren Verlauf zu einem Vertragsabschluss gekommen. Streitigkeiten aus diesem Rechtsgeschäft unterliegen unstreitig dem Gericht am Erfüllungsort i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO. Kommt es im Vorfeld des Vertragsschlusses zu einer Pflichtverletzung aus dem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis mit der Folge der Vertragsnichtigkeit, so ist es nicht fern liegend, dass daraus resultierende Schadensersatzansprüche ebenfalls in die Zuständigkeit des Vertragsklagengerichts fallen. Schließlich führt die Nichtbeachtung der vorvertraglichen Pflichten zum Eingreifen der Nichtigkeitsgründe, die dem Vertrag seiner Rechtswirkungen berauben. Dass der Beklagte hier eine Trennung der Rechtsinstitute vornehmen wird und den Deliktsklagengerichtsstand für einschlägig hält, ist eher unwahrscheinlich. Zu stark ist das bereits geknüpfte vertragliche Band zwischen den Parteien, als dass die im Vorfeld des Vertrages liegende Pflichtverletzung von einem juristischen Laien 59

Vgl. Teil E. II. 1. d) bb) (2).

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

noch losgelöst vom Rechtsgeschäft betrachtet werden würde. Daran ändert auch die deliktsrechtliche Qualifikation in vielen anderen europäischen Staaten nichts. Mithin ist die Vorhersehbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands für Schadensersatzansprüche wegen der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages gegeben. Schließlich sprechen prozessökonomische Gründe für die Befugnis des Vertragsklagengerichts, über die hier in Rede stehenden Schadensersatzklagen zu urteilen. Erster Schritt für die Geltendmachung von Ansprüchen aus culpa in contrahendo ist zunächst die Feststellung der Vertragsnichtigkeit. Über die Wirksamkeit des Vertrages entscheidet das nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zuständige Gericht, weil dann „ein Vertrag [ . . . ] Gegenstand des Verfahrens“ ist.60 Erst nachdem die Unwirksamkeit des Vertrages feststeht, werden Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo relevant. Diese unmittelbare Verknüpfung des vorvertraglichen Fehlverhaltens mit dem nichtigen Rechtsgeschäft gebietet eine Entscheidung vor dem Gericht, das die Wirksamkeit des Vertrages beurteilt hat. Da es sich hier um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelt, könnte so leicht eine Verfahrenskonzentration herbeigeführt werden. Der Vertragsklagengerichtsstand ist darüber hinaus für bereicherungsrechtliche Rückgewähransprüche infolge der Vertragsnichtigkeit gegeben. Auch dafür ist nicht zuletzt eine prozessökonomische Gestaltung des Verfahrens maßgeblich. Dem Grundsatz eines ökonomischen Prozessablaufs würde die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der vorliegenden Fallgruppe vorvertraglicher Haftung im Vertragsklagengerichtsstand also entsprechen. c) Erfüllungsort Für die Bestimmung des Erfüllungsortes ergibt sich ein gespaltenes Konzept. Ist von den Parteien ein Kaufvertrag über bewegliche Sachen oder ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen geschlossen worden und stellt sich heraus, dass dieser infolge der vorvertraglichen Pflichtverletzung nichtig ist, so liegt das für die Schadensersatzklage zuständige Gericht an dem Erfüllungsort, der sich aus Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO ergibt. Für alle anderen Vertragsarten bleibt es bei der Erfüllungsortbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO.61

aa) Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO Gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO liegt das Gericht am vertraglich vereinbarten Lieferort der Ware bzw. am Erbringungsort der Dienstleistung. Nach der hier ver60 Außerdem wird die Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages über die ungerechtfertigte Bereicherung ebenfalls dem Vertragsklagengerichtsstand zugeordnet (vgl. Kropholler, IZVR, Art. 5, Rn. 12), so dass die Feststellung der Vertragswirksamkeit ebenfalls diesem Gericht obliegen muss. 61 Vgl. auch Teil E. II. 1. d) dd) (1).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

247

tretenen Ansicht ist der entsprechende Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo trotz seiner dogmatischen Selbständigkeit wie ein Sekundäranspruch am Erfüllungsort der charakteristischen Hauptleistungspflicht zu erbringen.62 Dort, wo der Nichtgeldschuldner leisten muss, ist auch der Erfüllungsort der vorvertraglichen Schadensersatzpflicht. Für die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird also hypothetisch gefragt, an welchem Ort die charakteristische Vertragspflicht bei einem wirksamen Vertrag zu erfüllen gewesen wäre. Im Zweifel ist auf den Niederlassungsort des Sachschuldners als Erfüllungsort abzustellen. Für die Anwendung des lit. b) auch für Schadensersatzansprüche wegen der schuldhaften Herbeiführung eines nichtigen Kauf- bzw. Dienstleistungvertrages spricht, dass die EuGVO für alle mit diesen Vertragstypen zusammenhängende Streitigkeiten eine autonome Erfüllungsortbestimmung vornehmen will. Das entspricht zwar nicht dem Sachnähegedanken, führt aber zu leichter kalkulierbaren Foren und dient somit der Rechtssicherheit. Außerdem bringt diese Zuständigkeitskonzentration prozessökonomische Vorteile mit sich.63 Dem inneren, sachlichen Zusammenhang der vorliegenden Haftungsfallgruppe mit dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft ist dadurch Rechnung zu tragen, dass das Gericht, das über die vertraglichen Sekundäransprüche aus einer kaufvertraglichen oder dienstvertraglichen Sonderverbindung international zuständig ist, auch über vorvertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Herbeiführung der Vertragsnichtigkeit aus einer rechtsgeschäftsähnlichen Sonderverbindung entscheiden soll. bb) Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO Findet die Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO Anwendung, so ist der Erfüllungsort nach Maßgabe der Tessili / de Bloos-Formel zu bestimmen, d. h. es kommt auf die konkret streitige Verpflichtung an, deren Erfüllungsort sich aus dem vom Internationalen Privatrecht des Forums berufenen Sachrecht ergibt. Gerichtsstandsbestimmend ist die nicht ordnungsgemäß erbrachte Primärpflicht. Wie gesehen, misst die EuGVO den Kriterien der Vorhersehbarkeit und auch der Prozessökonomie im Zweifel mehr Gewicht bei als der Sachnähe, die im Bereich des Vertragsklagengerichtsstands ohnehin in vielen Bereichen zweifelhaft ist.64 Folglich ist auch im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO der Erfüllungsort der nicht ordnungsgemäß erbrachten vertraglichen Hauptpflicht des vorvertraglichen Schädigers zu bestimmen. Der Schadenersatzanspruch wegen der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages folgt dann dieser Zuständigkeit an dasselbe Gericht. Als Unterschied zu lit. b) bleibt, dass es nicht auf die charakteristische Primärpflicht ankommt und der Erfüllungsort nach dem nationalen Sachrecht bestimmt wird.

62 63 64

Siehe oben: Teil E. II. 1. d) dd) (2). Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) cc) (3). Siehe obige Ausführungen: Teil E. II. 1. d) bb) (1).

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F. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages

2. ZPO Ist die EuGVO (bzw. das EuGVÜ) nicht einschlägig, so bestimmt das autonome deutsche Prozessrecht über die internationale Zuständigkeit der Gerichte.

a) Meinungsstand In einem rein deutschen Verfahren hat das Bayerische Oberste Landesgericht den Vertragsklagengerichtsstand des § 29 ZPO für Ansprüche aus culpa in contrahendo aus einem unwirksamen Pachtvertrag für anwendbar erklärt.65 Für die internationale Zuständigkeit kann dieser Entscheidung aufgrund der im deutschen Internationalen Zuständigkeitsrecht geltenden lex fori Qualifikation aber Indizwirkung zukommen. Eine vertragliche Qualifikation wird auch von der Mehrheit der Literaturstimmen befürwortet. Allerdings findet keine Differenzierung nach Fallgruppen statt, sondern Klagen aus culpa in contrahendo sollen pauschal dem Gericht am Erfüllungsort zuzuordnen sein.66 b) Eigene Stellungnahme Ob es sich bei einem Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages um eine Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis i.S.v. § 29 ZPO handelt, bestimmt sich nach Maßgabe der lex fori. Aus deutscher Sicht ist die vorvertragliche Haftung als rechtsgeschäftsähnliche Sonderverbindung einzustufen, was für eine vertragliche Qualifikation spricht. Der bereits festgestellte innere, sachliche Zusammenhang zu dem abgeschlossenen Vertrag rechtfertigt zusätzlich die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands.67 Schließlich „passt“ die ratio legis auf die vorliegende Konstellation eines vertragsähnlichen Näheverhältnisses besser, als der Gerichtsstand des § 32 ZPO, da keine typische Deliktssituation gegeben ist. Der Erfüllungsort wird nach der lex causae bestimmt. Er ist dort gelegen, wo die aufgrund der vorvertraglichen Pflichtverletzung nicht mehr erbrachte vertragliche Primärpflicht vom Schädiger hätte erbracht werden müssen. Auf den Erfüllungsort der Schadensersatzverpflichtung kommt es hingegen nicht an.68

65 66 67 68

BayObLG VersR 1985, 741 (743). Vgl. oben: Teil E. II. 2. b). Siehe oben: Teil F. II. 1. b) aa) Vgl. oben: Teil E. II. 2. c) (3).

III. Gesamtergebnis

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3. Ergebnis Im Rahmen der internationalen Zuständigkeit der Gerichte steht dem Kläger neben dem allgemeinen Beklagtengerichtsstand wahlweise der Sondergerichtsstand für Vertragsklagen zur Verfügung, um seine Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo wegen der schuldhaften Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages geltend zu machen. Im europäischen Vertragsrecht ist dafür auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zurückzugreifen, im autonomen Prozessrecht gilt § 29 Abs. 1 ZPO.

III. Gesamtergebnis Wird schuldhaft ein nichtiger Vertrag herbeigeführt, so entscheidet das Vertragsstatut gem. Art. 27 ff. EGBGB (Art. 3 ff. EVÜ), ob hierin eine vorvertragliche Pflichtverletzung aus einem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis zu erblicken ist und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. Die vertraglichen Verweisungsnormen werden über Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog, Art. 32 Nr. 5 EGBGB zur Anwendung gebracht. In Ausnahmefällen besteht eine Sonderanknüpfung mittels analoger Anwendung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB. Der Geschädigte ist für die gerichtliche Geltendmachung nicht auf den Beklagtengerichtsstand beschränkt, sondern kann in Abweichung vom Grundsatz actor sequitur forum rei die Sonderzuständigkeit des Vertragsklagengerichts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 29 Abs. 1 ZPO nutzen.

G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages – Aufklärungspflichtverletzung Wesentliches Charakteristikum der Fallgruppe der Aufklärungspflichtverletzungen ist das Vorhandensein eines wirksam zustande gekommenen Vertrages. Der Sanktionierung vorvertraglicher Pflichtverletzungen durch die culpa in contrahendo kommt hier die Funktion zu, das speziellgesetzlich geregelte Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrecht zu ergänzen.1

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht Fraglich ist, wie das international-privatrechtliche Qualifikationsproblem der vorvertraglichen Haftung in dieser Fallkonstellation zu lösen ist.

1. Rechtsprechung Das OLG Hamburg hatte im Jahre 1965 einen Rechtsstreit zu entscheiden, bei dem die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in Hamburg, einen Hamburger Kaufmann auf Schadensersatz in Anspruch nahm, weil dieser gekaufte Waren aus Übersee nicht abgenommen und auch nicht bezahlt hatte. In Betracht kam u. a. auch eine vorvertragliche Haftung des Beklagten, der bei Abschluss des Kaufvertrages falsche Angaben über die Person seines Abnehmers gemacht haben soll.2 Nach Ansicht des Gerichts richtet sich die Beurteilung eines solchen Anspruchs nach dem Geschäftsstatut, was im vorliegenden Fall die Anwendbarkeit englischen Rechts bedeutete, welches aufgrund einer Rechtswahl für den Vertrag galt.3 Eine Begründung dieses Ergebnisses sucht man jedoch vergeblich. Gleiches gilt für ein Urteil des BGH aus dem Jahre 1975. Der schweizerische Kläger warf dem beklagten Kaufmann aus Deutschland eine Aufklärungspflichtverletzung vor. Die zusammen mit einem weiteren Deutschen vereinbarte Gründung einer Aktiengesellschaft scheiterte, weil die Kapitaleinlagen nicht gezahlt wurden. Grund hierfür war die Insolvenz des zuletzt genannten deutschen Kauf1 2 3

Vgl. oben: Teil B. II. 3. OLG Hamburg IPRspr. 1964 / 65, Nr. 46, S. 153 (153 f.). OLG Hamburg IPRspr. 1964 / 65, Nr. 46, S. 153 (158).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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manns, die nach der Behauptung des Klägers schon bei Vertragsabschluss bestand, was der Beklagte gewusst, ihm aber verschwiegen habe.4 Die Richter entschieden, dass möglich Ansprüche aus culpa in contrahendo dem schweizerischen Recht unterstünden.5 Damit wendete das Gericht die für den Gründungsvertrag geltende Rechtsordnung auch auf die vorvertragliche Haftung an. Wiederum fehlen jegliche Ausführungen zur Rechtfertigung dieser vertraglichen Qualifikation der culpa in contrahendo. In einem anderen Fall erstreckte der BGH die für den Vertrag geltende Rechtswahl ebenfalls auf einen eventuell bestehenden vorvertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung. Der deutsche Kläger kaufte bei der Beklagten, einer deutschen Gesellschaft, die Immobilien in Spanien veräußerte, ein dort gelegenes Grundstück. Die Inanspruchnahme erfolgte, weil die Beklagten den Kläger nach dessen Angaben bei diesem Geschäft getäuscht und in strafbare Vorgänge verwickelt habe.6 Rückgriffsansprüche aus vertraglichen und vorvertraglichen Verpflichtungen diskutierte das Berufungsgericht in seiner Entscheidung, ohne eine getrennte international-privatrechtliche Beurteilung nach dem jeweiligen Rechtsgrund vorzunehmen. Es dehnte die für die Vertragsbeziehung vereinbarte Geltung spanischen Rechts ebenfalls auf die Haftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss aus. Eine revisionsrechtliche Beanstandung seitens des BGH erfolgte nicht.7 Die Revisionsinstanz hielt die Beurteilung des Berufungsgerichts insoweit also für zutreffend. In einem vierten Fall klagte eine schweizerische Bank gegen eine deutsche Sparkasse auf Rückzahlung eines hohen Geldbetrages, den sie an die Beklagte zum Zwecke der Einlösung eines auf sie gezogenen, aber nicht gedeckten Schecks gezahlt hatte. Der scheckausstellende Kaufmann, Kunde bei beiden Geldinstituten, wollte damit bei der Beklagten sein Konto ausgleichen. Die Sparkasse ließ sich von der Klägerin eine Einlösezusage erteilen, um ihr ungesichertes Engagement gegenüber dem Kaufmann abzulösen. Die Klägerin machte geltend, dass die Verwertung des Scheckbetrages zur Befriedigung eigener Ansprüche der Beklagten von der gegebenen Garantie nicht gedeckt gewesen sei.8 Der BGH verneinte einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin, weil die gegebene Garantiezusage einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der Schecksumme gebe. Jedoch sei ein Anspruch aus culpa in contrahendo nicht ausgeschlossen, da die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Bestimmungszweck des Schecks bei Einholung der Einlösungsgarantie mitzuteilen, weil diese Tatsachen für den Willensentschluss der Klägerin von wesentlicher Bedeutung waren und nach Treu und Glauben eine Aufklärungspflicht bestand. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung wäre die Scheckeinlösung näm4 5 6 7 8

BGH IPRspr. 1975, Nr. 6, S. 9 (9 f.). BGH IPRspr. 1975, Nr. 6, S. 9 (10). BGH IPRspr. 1976, Nr. 16, S. 61 (61). BGH IPRspr. 1976, Nr. 16, S. 61 (62 f.). BGH WM 1978, 873 (873 f.).

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

lich möglicherweise unterblieben.9 Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss gegeben war, legte das Gericht deutsches Recht zugrunde, da die Parteien die Geltung dieser Rechtsordnung stillschweigend vereinbart hätten.10 Diese Aussage bezieht sich zunächst nur auf den Garantievertrag, wird aber ebenfalls auf die vorvertragliche Haftung ausgedehnt. Die dargestellten Urteile belegen, dass die Rechtsprechung übereinstimmend, jedoch ohne sich die Mühe einer Begründung zu machen, von der vertraglichen Qualifikation einer Haftung aus culpa in contrahendo wegen Aufklärungspflichtverletzungen ausgeht.

2. Meinungsstand in der deutschen Literatur Die überwiegende Meinung in der deutschen Literatur knüpft die vorliegende Fallgruppe des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Abgrenzung zu den Verletzungen von Obhuts- und Erhaltungspflichten vertraglich an.11 Zumeist wird dieses Ergebnis über die entsprechende Heranziehung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3, 5 EGBGB erreicht. Teilweise wird noch weitergehend differenziert. Soweit der Ersatzanspruch aus culpa in contrahendo auf die Rückgängigmachung des Vertrages gerichtet sei, müsse der Anspruch als Folge eines Willensmangels eingestuft werden, so dass sich die vertragliche Qualifikation in direkter Anwendung des Art. 31 Abs. 1 EGBGB ergebe. Wird jedoch an der vertraglichen Sonderverbindung festgehalten und als Ausgleich für die enttäuschten Erwartungen Schadensersatz verlangt, dann handele es sich funktional um einen der Minderung vergleichbaren Sachverhalt, der Art. 32 Abs. 1 Nr. 2, 3 EGBGB unterliege.12 Eine deliktische Qualifikation wird hingegen im Hinblick auf die geplante Rom II-VO erwogen. Über den Umweg einer akzessorischen Anknüpfung an den abgeschlossenen Vertrag sei aber eine Behandlung nach den vertraglichen Verweisungsvorschriften möglich.13

BGH WM 1978, 873 (875). BGH WM 1978, 873 (874). 11 Siehe oben: Teil E. I. 2. a); vgl. auch: W. Lorenz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 97 (121); Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (947 f.); G. Fischer, JZ 1991, 168 (170); Unberath, IPRax 2005, 308 (311). Differenzierend: Triebel / Otte / Kimpel, BB 2005, 1233 (1236). 12 Nickl, S. 124 ff. 13 Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 (89). 9

10

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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3. Rechtsvergleichende Hinweise zum ausländischen Kollisionsrecht Kommt ein Vertrag aufgrund einer arglistigen Täuschung oder einer widerrechtlichen Drohung nicht wie erwartet zustande, so beurteilen die meisten europäischen Mitgliedstaaten diesen Sachverhalt auf Kollisionsrechtsebene vertraglich. Von Teilen der italienischen Literatur werden auch andere Fälle vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen dem Vertragsstatut unterworfen.14 In Österreich und auch in der Schweiz folgt man größtenteils der herrschenden Ansicht in der deutschen Literatur und stuft die Fälle der Beratungs- und Mitteilungspflichtverletzungen ebenfalls vertraglich ein.15 Die Geltung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts auch für die vorliegende Fallgruppe vorvertraglicher Haftung scheint demnach im Internationalen Privatrecht auch aus Sicht ausländischer Rechtsordnungen möglich. 4. Eigene Stellungnahme Auch für die Fallgruppe der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages gilt es zu prüfen, ob die Art. 27 ff. EGBGB eine geeignete internationalprivatrechtliche Anknüpfung für die Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses und die sich bei einer Pflichtverletzung daraus ergebenden Rechtsfolgen bieten. a) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB analog Die Anwendbarkeit der vertraglichen Verweisungsregeln für die vorliegende Konstellation der culpa in contrahendo könnte über eine entsprechende Heranziehung der die Reichweite des Vertragsstatuts absteckenden Art. 31, 32 EGBGB ermöglicht werden. aa) Qualifikation des Entstehungstatbestands gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog Mangels einer vertraglichen Sonderverbindung im Zeitpunkt der vorvertraglichen Pflichtverletzung scheidet die direkte Subsumtion unter den Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 EGBGB aus, so dass nur eine analoge Heranziehung dieser Vor14 Vgl. dazu Nickl, S. 112 f. m. w. N. Zum portugiesischen Recht vgl. Moura Vicente, RabelsZ, 699 (710 ff.). 15 Für Österreich vgl.: Rummel / Schwimann, Bd. 2, Vor § 35 IPRG, Rn. 4; Schwimann, IPR, S. 66 f. Für die Schweiz siehe: ZüKo / Keller / Kren Kostkiewicz, Art. 117 IPRG, Rn. 200; IPRG-Kommentar / Heini (1993), Vor. Art. 132 – 142 IPRG, Rn. 6 ff.; Siehr, schweiz. IPR, § 14, S. 253; Frick, S. 170 ff.

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

schrift in Betracht kommt. Neben der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Analogie in diesem Bereich fehlt es auch nicht an der Voraussetzung der Regelungslücke. Eine Zuordnung ins Internationale Deliktsrecht des EGBGB und der geplanten Rom II-VO passt hier nämlich ebenso wenig wie für die bereits besprochenen Fallvarianten des Abbruchs von Vertragsverhandlungen und der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages. Die dort genannten Argumente gegen eine außervertragliche Qualifikation, Vorliegen eines für Deliktssituationen untypischen Näheverhältnisses, Zufälligkeit der Anknüpfungsergebnisse und Inkongruenz mit der kollisionsrechtlichen Interessenlage der Beteiligten aufgrund fehlender Vorhersehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung,16 entfalten vorliegend gleichfalls ihre Überzeugungskraft. Die für eine analoge Anwendung des Art. 31 Abs. 1 EGBGB notwendige Vergleichbarkeit der Sachverhalte ergibt sich aus der Eigenart des vorvertraglichen Schuldverhältnisses, das sich durch eine vertragsähnliche Nähebeziehung, entstanden durch einen Vertrauenstatbestand im Verhandlungsstadium vor Vertragsabschluss, auszeichnet. Gleichsam wie ein Rechtsgeschäft, schafft es ein relatives Pflichtenprogramm zwischen den Beteiligten.17 Zudem geht dieses vertragsähnliche Schuldverhältnis als Durchgangsstation auf dem Weg zu einer schuldrechtlichen Bindung in diese nahtlos über, so dass nicht nur die soeben genannte Vertragsähnlichkeit der vorvertraglichen Sonderbeziehung, sondern auch das praktische Bedürfnis nach einer Gleichbehandlung voneinander schwer zu trennender Stadien der rechtlichen Verbindung zweier Parteien, die Geltung des Vertragsstatuts für die Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses in der vorliegenden Konstellation rechtfertigen. bb) Qualifikation der Rechtsfolgen gem. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB Ausgangspunkt der Qualifikation vorvertraglicher Haftungsinstitute ist für diese Arbeit die Haftung aus culpa in contrahendo in ihrer Ausprägung, wie sie sie im deutschen Sachrecht gefunden hat. Im Rahmen der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages wird der geschädigten Seite ein Schadensersatzanspruch zugebilligt, bei dem sie zwischen der Aufhebung des abgeschlossenen Vertrages oder der Anpassung desselben wählen kann.18 In Anbetracht der Unterschiedlichkeit dieser Rechtsfolgen soll auch auf international-privatrechtlicher Ebene eine getrennte Betrachtung erfolgen.

16 17 18

Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2). So schon oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (aa). Vgl. oben: Teil B. IV. 3. c).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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(1) Qualifikation der Rechtsfolge bei Vertragsaufhebung Wählt der Geschädigte die Aufhebung des aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung im Verhandlungsstadium nicht seinen Erwartungen entsprechend zustande gekommenen Vertrages, dann könnte er mit dem entsprechenden Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo also ein Ergebnis erzielen, das im deutschen Sachrecht auch auf dem Wege der Anfechtung oder infolge eines Rücktritts erreicht werden könnte, nämlich die Rückgängigmachung des eingegangenen Vertragsschuldverhältnisses.19 Im materiellen Recht wird dieser Zusammenhang durch die Diskussion über die Konkurrenzproblematik der culpa in contrahendo zum Anfechtungs- und Gewährleistungsrecht besonders deutlich.20 Beide Gestaltungsrechte unterfallen dem Vertragsstatut, die Anfechtung als Rechtsfolge eines Willensmangels gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB,21 der Rücktritt nach Art. 32 Abs. 3 EGBGB als Folge der Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung.22 Eine unmittelbare Subsumtion unter die genannten Artikel ist nicht möglich. Die vorvertragliche Haftung ist weder als Rechtsfolge eines Willensmangels noch als vertragliche Leistungsstörung zu bewerten. Vielmehr handelt es sich um die Folge einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Es kommt aber bei ausreichender Vergleichbarkeit der Sachverhalte eine analoge Heranziehung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB in Betracht.23 Die vorliegende Fallgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass aufgrund einer Drohung, einer arglistigen Täuschung oder einer fahrlässigen Aufklärungspflichtverletzung der geplante Vertrag für eine Partei nicht vorstellungsgemäß abgeschlossen wird. Das jeweilige Fehlverhalten im Vorfeld des Rechtsgeschäfts wirkt sich somit auf die Meinungsbildung hinsichtlich des Eingehens einer vertraglichen Verbindung für den einen Teil nachteilig aus. Die Wirksamkeit des Vertrages ist betroffen, denn Drohung und Irrtumserregung führen zu Willensmängeln. Dennoch ist die Haftung aus culpa in contrahendo nicht die Folge des fehlerhaft gebildeten Willens, sondern der Pflichtverletzung durch mangelnde Aufklärung. Allerdings findet das Fehlverhalten seinen Niederschlag in dem Willensmangel der anderen Seite, was für die Tatbestandsverwirklichung der Haftung notwendig ist. Das dem Geschädigten eingeräumte Recht, den Vertrag aufzuheben, stellt für diesen eine Mög19 Zur Vergleichbarkeit mit einer Anfechtung siehe: Fleischer, in: Schuldrechtsreform, S. 243 (262 ff.); Rieble, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 (155); Schubert, AcP 68 (1968), 470 (505). Hingegen wird teilweise auch der Vergleich mit dem Rücktrittsrecht bemüht: MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 242. Siehe auch: Reder, S. 133; G. Fischer, JZ 1991, 168 (170). 20 Siehe oben: Teil B. II. 3. 21 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 31 EGBGB, Rn. 17; Soergel / von Hoffmann, Bd. 10, Art. 31 EGBGB, Rn. 19; Staudinger / Hausmann, Art. 31 EGBGB, Rn. 22. 22 Looschelders, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB, Rn. 5; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 50. 23 Zur Zulässigkeit einer Analogie im Vertragskollisionsrecht und zum Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (1), (2).

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

lichkeit dar, sich von dem ihn belastenden Schuldverhältnis zu lösen und seine Vertragsabschlussfreiheit wiederzugewinnen. Insofern besteht eine funktionale Vergleichbarkeit mit der Anfechtung, wie sie dem deutschen Recht bekannt ist.24 Dies spricht für eine vertragliche Qualifikation gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB analog, denn die Rechtsfolge der culpa in contrahendo ist mit der Rechtsfolge eines Rechtsinstituts vergleichbar, das dem Vertragsstatut unterfällt. Doch selbst wenn man keine Beeinträchtigung der Vertragswirksamkeit annehmen sollte, so führt die Aufklärungspflichtverletzung im Resultat jedenfalls zu einer Sonderbeziehung, dessen Leistungen nicht im versprochenen Gleichgewicht stehen, weshalb die Vereinbarung bei pflichtgemäßer Information überhaupt nicht oder nicht in der konkreten Gestalt getroffen worden wäre. Diese Situation ähnelt dann einer Äquivalenzstörung, die aufgrund vertraglicher Pflichtverletzungen eintreten kann. Eine solche wird unter Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB subsumiert, der das Leistungsstörungsrecht nahezu in seiner Gesamtheit erfasst.25 Dazu gehört auch der Rücktritt vom Vertrag.26 Unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung in den einzelstaatlichen Rechtsordnungen sind zudem noch andere Formen der Vertragsaufhebung erfasst.27 Damit stellt sich zumindest der Rechtsgedanke des Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB als weit genug dar, um jegliche Form der Aufhebung eines Vertrages, bei dem die erbrachte Leistung von der vertraglich geschuldeten negativ abweicht, hierunter zu fassen. Der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo auf Rückgängigmachung des geschlossenen Schuldverhältnisses ist also jedenfalls gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB analog den vertraglichen Verweisungsregeln unterworfen. Im deutschen Recht ist der Schadensersatzanspruch des Geschädigten aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen so ausgestaltet, dass dieser neben der Vertragsaufhebung zusätzlich den Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen verlangen kann.28 Je nachdem, ob man die Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts eher dem Art. 31 Abs. 1 EGBGB oder dem Art. 32 Abs. 3 EGBGB in analoger Anwendung zuordnet, wäre dieser Schadensersatz entsprechend Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB oder in Analogie zu Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB vertraglich zu qualifizieren, denn im ersten Fall würde er sich funktional als weitere Folge einer Anfechtung darstellen,29 im zweiten Fall als Äquivalent eines neben dem Rücktritt bestehenden vertraglichen Schadensersatzanspruchs. Einer Entscheidung bedarf es nicht, da in jedem Falle das Vertragskollisionsrecht berufen ist. So schon: Nickl, 126 f. Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art, 32 EGBGB, Rn. 7; Looschelders, Art. 32 EGBGB, Rn. 14. 26 MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 41. 27 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 19; Looschelders, Art. 32 EGBGB, Rn. 15; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 50. 28 Siehe oben: Teil B. II. 3. Vgl. auch: BGHZ 115, 213 (220 f.); 126, 166 (173). 29 Vgl. AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 39; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 78. 24 25

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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(2) Qualifikation der Rechtsfolge bei Vertragsanpassung Will der Anspruchsinhaber am nicht erwartungsgerechten Vertrag festhalten, dann kann er Schadensersatz in Form der Anpassung der zu erbringenden vertraglichen Leistungen verlangen. Die enttäuschte Leistungserwartung soll ausgeglichen werden.30 Das kann entweder durch die verhältnismäßige Herabsetzung der überhöhten Gegenleistung oder mittels einer Vergütungssteigerung für den Geschädigten, der aufgrund der vorvertraglichen Pflichtverletzung erhöhte Aufwendungen hatte, geschehen.31 Mit anderen Worten geht es um die Korrektur der vereinbarten Vertragspflichten. Diese werden so abgeändert, wie sie bestehen würden, wenn es kein Fehlverhalten im Vorfeld des Rechtsgeschäfts gegeben hätte. Auf kollisionsrechtlicher Ebene ist für die Beurteilung eines solchen Sachverhalts Art. 32 Abs. 1 Nr. 2, 3 EGBGB in Betracht zu ziehen. Eine direkte Subsumtion scheitert hier jedoch ebenfalls daran, dass die Aufklärungs- und Mitteilungspflichten keine vertraglichen (Neben-)Pflichten sind, sondern vor Vertragsschluss entstehen, und dass entsprechend kein vertragliches Fehlverhalten vorliegt.32 Wiederum kommt es also auf die Ähnlichkeit der vorvertraglichen Haftung mit den explizit im EGBGB geregelten Sachverhalten an. Es zeigt sich einmal mehr, dass die im Vorfeld des Vertragsabschlusses fehlerhaft oder gar nicht erfolgte Auskunftsgabe über die vertragswesentlichen Umstände zu dem nicht erwartungsgerechten Zustandekommen des Rechtsgeschäfts führt, sich also in einem vertraglichen Pflichtenprogramm realisiert, das in unausgeglichenem Verhältnis zu einander steht und ohne die vorvertragliche Pflichtverletzung nicht zur Entstehung gelangt wäre. Rechtsfolge ist Schadensersatz mit der Maßgabe, die vereinbarten Vertragspflichten so anzupassen, wie sie ohne die Beeinflussung durch den Schädiger ausgehandelt worden wären. Betroffen ist somit der Inhalt der vertraglichen Hauptpflichten und der korrigierende Eingriff diesbezüglich. Der Einfluss auf diese Elemente des Vertrages rechtfertigt eine analoge Anwendung der Art. 32 Abs. 1 Nr. 2, 3 EGBGB,33 die über Ausgestaltung der Vertragspflichten und deren Verletzung entscheiden.34 Insbesondere die Herabsetzung der Gegenleistung weist funktionale Parallelen zur Minderung auf, die jedenfalls unter Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB zu subsumieren ist.35

Staudinger / Löwisch, Vorbem. zu §§ 275 ff. BGB, Rn. 95. Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 43; Jauernig / Stadler, § 311 BGB, Rn. 57, 59. 32 A.A.: Nickl, S. 129. 33 Vgl. auch: Nickl, S. 128. 34 Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 5 ff.; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 7, 9; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 33, 44 ff. 35 AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 19; Staudinger / Magnus, Art. 32 EGBGB, Rn. 50. 30 31

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

b) Geeignetheit der vertraglichen Anknüpfungsregeln Die kollisionsrechtlichen Wertungen und Interessen, die zu der Ausformung des vertraglichen Verweisungsrechts in seiner konkreten Form geführt haben, müssten außerdem mit denen der vorliegenden Fallgestaltung vorvertraglicher Haftung übereinstimmen. Nur so ist gewährleistet, dass das Vertragskollisionsrecht diese Konstellation international-privatrechtlich adäquat erfassen kann. aa) Einheitsstatut Das geltende Einheitsstatut erfordert einen ausreichend engen, sachlichen Zusammenhang von vorvertraglicher Haftung und abgeschlossenem Rechtsgeschäft, um die Erstreckung des Vertragsstatuts auf die vorliegende Fallgruppe der culpa in contrahendo zu rechtfertigen. Diese Vertragsbezogenheit zeigt sich darin, dass der nicht erwartungsgerechte Vertrag in seiner konkreten Gestalt die Folge der vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung darstellt. Das Fehlverhalten wirkt sich in einem Rechtsgeschäft aus, das ansonsten gar nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen worden wäre. Ohne die Pflichtverletzung im Vorfeld der vertraglichen Sonderbeziehung hätte die Partei keinen Schaden in Form des nachteiligen Vertrages erlitten, den es mit einem Anspruch aus culpa in contrahendo abzuhelfen gälte. Die sachliche Verbindung36 zwischen mangelnder Mitteilung und nicht erwartungsgerechtem Vertrag stellt mithin eine Tatbestandsvoraussetzung der vorvertraglichen Haftung dar und demonstriert anschaulich, dass der Gedanke des Einheitsstatuts, einen einheitlichen Lebenssachverhalt gleich anzuknüpfen, hier ebenfalls greift. Wenn man außerdem schon den Abbruch von Vertragsverhandlungen vertraglich qualifiziert, wie es in dieser Arbeit geschieht, dann sollte man erst recht die Fallgruppe der Herbeiführung eines nicht vorstellungsgemäßen Vertrages vertraglich qualifizieren, bei dem die Verhandlungen in den Abschluss eines wirksamen Rechtsgeschäfts gemündet sind. Schließlich werden für diejenigen Rechtsordnungen, in denen es möglicherweise zu einer Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglichen und vorvertraglichen Ansprüchen kommen kann, schwierige Qualifikationsfragen vermieden, wenn eine einheitliche Anknüpfung erfolgt. So ist gewährleistet, dass aufeinander abgestimmte Systeme innerhalb einer einzelstaatlichen Rechtsordnung nicht auseinander gerissen werden.37 Das dient dem inneren Entscheidungseinklang, der in den Regelungen der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB zum Ausdruck gebracht wird.

36 Dörner spricht anschaulich von einer „Verzahnung“ des vorvertraglichen Verschuldens mit dem abgeschlossenen Vertrag und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, vgl. IPRax 2005, 26 (27). 37 Vgl. G. Fischer, JZ 1991, 168 (170).

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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bb) „UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“ Wiederum lohnt ein Blick auf die nichtstaatlichen Sachrechtskodifikationen der „UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“. Wie im Kollisionsrecht erfolgt hier eine an funktionalen Kriterien orientierte Betrachtungsweise, die international gelten soll. Da es sich um Prinzipienwerke des Vertragsrechts handelt, könnte dies für eine vertragliche Qualifikation der vorliegenden Fallgruppe im Internationalen Privatrecht sprechen, wenn diesbezüglich eine Regelung in den genannten Kodifikationen besteht. Sowohl in Art. 2.15 Abs. 2 der „UNIDROIT-Prinzipien“ als auch in Art. 2:301 Abs. 2 der „Lando-Prinzipien“ wird eine Schadensersatzhaftung für treuwidriges Verhandeln angeordnet.38 Die Haftung beruht auf der Irreführung der anderen Partei.39 Als Beispiele werden in der Kommentierung zu Art. 2.15 Abs. 2 der „UNIDROIT-Prinzipien“ die Fälle genannt, „wenn eine Partei absichtlich oder fahrlässig die andere Partei bezüglich der Beschaffenheit oder der Bedingungen des vorgeschlagenen Vertrages irregeführt hat, entweder durch falsche Darstellung der Tatsachen oder durch Verschweigen von Tatsachen, die angesichts der Eigenschaften der Parteien und / oder des Vertrages hätten mitgeteilt werden sollen.“40 Damit sind die typischen Aufklärungs- und Mitteilungspflichten im vorvertraglichen Stadium angesprochen. Die Prinzipien ordnen folglich diese Konstellation der culpa in contrahendo dem Bereich des Vertragsrechts zu, was die Anwendung des Vertragskollisionsrechts auf diese Fallgruppe bestätigt.

cc) Kollisionsrechtliche Interessenlage Die Geltung der Art. 27 ff. EGBGB für die vorvertragliche Haftung wegen der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages entspricht schlussendlich auch der kollisionsrechtlichen Interessenlage. Diese Anknüpfungsregeln stellen die Vorhersehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung in den Vordergrund, sind über Art. 28 Abs. 1 und Abs. 5 EGBGB aber trotzdem nicht statisch, sondern ausreichend flexibel, um den Grundsatz der engsten Verbindung zu verwirklichen. Zwar ist das Verweisungsrecht für solche Situationen geschaffen worden, in denen zwischen den Parteien ein vertragliches Band geknüpft ist.41 Das vorliegende vorvertragliche Schuldverhältnis stellt jedoch ebenfalls eine Sonderverbindung zwischen den Parteien dar, die einem Vertrag ähnlich ist. Sie ist bewusst eingegangen Siehe dazu oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (a) (aa). „UNIDROIT-Prinzipien“, Kommentar 2. zu Art. 2.15; von Bar / Zimmermann, Grundregeln, S. 215, Kommentar F. zu Art. 2:301. 40 „UNIDROIT-Prinzipien“, Kommentar 2. zu Art. 2.15. 41 Auf den vorliegend abgeschlossenen Vertrag kann nicht abgestellt werden, da dieser vom vorvertraglichen Schuldverhältnis zu trennen ist und eine akzessorische Anknüpfung nicht in Betracht kommt, vgl. dazu die obigen Ausführungen: Teil E. I. 4. b) dd) (b) (bb). 38 39

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

worden, um einen Vertrag abzuschließen, was nicht mit der typischen Deliktssituation vergleichbar ist, die zuvor einander fremde Personen erst durch das schädigende Ereignis miteinander verbindet. Zudem entspringen der rechtgeschäftsähnlichen Beziehung relative Pflichten, während deliktische Schutzpflichten gegenüber jedermann bestehen.42 Folglich sind die Interessenlagen hier vergleichbar. Die Vorhersehbarkeit der anzuwendenden Rechtsordnung liegt sowohl im Ordnungs- als auch im Parteiinteresse. Regelmäßig rechnen die Beteiligten mit der Geltung des Vertragsstatuts, da die enttäuschten Erwartungen auf das wirksam zustande gekommene Rechtsgeschäft bezogen sind.43 Dass nach der Regelvermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB diejenige Partei, die die vertragstypische Leistung erbringen muss, besser gestellt wird, ist hinzunehmen. Schließlich besteht ausreichender Schutz über die verschiedenen Sonderanknüpfungen für Verbraucher und Arbeitnehmer sowie im Einzelfall die Möglichkeit einer analogen Heranziehung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB.44 dd) Fazit Sowohl das in den Art. 31, 32 EGBGB verankerte Prinzip des Einheitsstatuts als auch die kollisionsrechtliche Interessenlage sprechen für eine vertragliche Anknüpfung der vorvertraglichen Haftung wegen der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages. Gestützt wird diese Einschätzung durch einen Seitenblick auf die „UNIDROIT-“ und „Lando-Prinzipien“.

5. Ergebnis Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist die Anwendung des Vertragskollisionsrechts auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Haftung aus culpa in contrahendo in der vorliegenden Konstellation zu befürworten. Möglich wird die vertragliche Qualifikation aufgrund einer Analogie zu den Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1, Nr. 2, 3 EGBGB. Die berufenen vertraglichen Verweisungsvorschriften stehen mit der Rechtswahlmöglichkeit gem. Art. 27 EGBGB und all ihren Sonderanknüpfungen in Art. 29 ff. EGBGB zur Verfügung. In Ausnahmefällen kann zudem korrigierend mit Art. 31 Abs. 2 EGBGB geholfen werden, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Sollten konkurrierende Deliktsansprüche bestehen, so ist bei einem sachlichen Zusammenhang zum vorvertraglichen Schuldverhältnis an eine akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 EGBGB bzw. Art. 3 Nr. 3 Rom II-VOE zu denken.

42 43 44

Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (a) (cc), (3) (a) (aa). G. Fischer, JZ 1991, 168 (170). Siehe oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (cc).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht Für die Fallgruppe der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages kann im Internationalen Zivilverfahrensrecht ein besonderer Gerichtsstand gegeben sein, den der Kläger zur Geltendmachung seines Anspruchs erwählen kann.

1. EuGVO / EuGVÜ Zunächst ist zu prüfen, welche besondere Zuständigkeitsnorm der EuGVO für die vorliegende Konstellation in Betracht kommen könnte. Es ist wieder eine Entscheidung zwischen den Wahlgerichtsständen des Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3 EuGVO zu treffen. a) Meinungsstand Wenn in der deutschen Rechtsprechung die Zuständigkeit des Erfüllungsortgerichtes für Ansprüche aus culpa in contrahendo bejaht wird, ohne dabei eine Fallgruppendifferenzierung vorzunehmen,45 so sind die in Rede stehenden vorvertraglichen Haftungsansprüche zwangsläufig mit erfasst. Soweit die neuere Rechtsprechung hingegen die in der Literatur vertretene Unterscheidung zwischen deliktisch zu qualifizierenden Obhuts- und Erhaltungspflichten und der vertraglichen Einordnung aller anderen im Zweipersonenverhältnis möglichen Konstellationen aufgreift, folgt sie dieser auch für das Internationale Zivilprozessrecht.46 Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die zu einem nicht den Parteierwartungen entsprechenden Vertrag führen, sind folglich für die Zwecke des europäischen Prozessrechts vertraglich einzustufen. Ebenso hat das House of Lords entschieden. Im Gegensatz zu den Fällen, in denen der Vertrag von Beginn an unwirksam ist, soll bei vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzungen, die ein Recht zur Auflösung des abgeschlossenen Vertragsverhältnisses nach sich ziehen, Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO eingreifen.47 Das Meinungsspektrum in der deutschen Literatur kann dahin zusammengefasst werden, dass die Mehrzahl der Autoren die Fallgruppen der culpa in contrahendo, bei denen es im Anschluss an die vorvertragliche Pflichtverletzung noch zum Abschluss eines Vertrages gekommen ist, dem Vertragsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVO zuordnet, während im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in der Vgl. LG und OLG Hamburg IPRspr.1976, Nr. 125 a) und b), S. 366 ff. LG Dortmund IPRspr. 1998, Nr. 139, S. 253 (255); LG Düsseldorf WM 2000, 1191 (1195). 47 House of Lords, Agnew / Lansförsäkringsbolagens AB, [2000] 1 All ER (H.L.), 737 (738). 45 46

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

Sache Tacconi / HWS eine deliktische Qualifikation befürwortet wird. Die Vertreter der erstgenannten Ansicht verweisen darauf, dass Aufklärungs- und Beratungspflichten „vertragsähnlich i. S. v. Art. 5 Nr. 1“ EuGVÜ / EuGVO und deshalb entsprechende Schadensersatzansprüche aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs „Ansprüche aus einem Vertrag“ vom Vertragsklagengerichtsstand erfasst seien.48 Maßgeblich komme es auf die Vertragsgegenstandsbezogenheit an, die in der vorliegenden Fallgruppe gegeben sei.49 Andere sehen hingegen eine vertragliche Qualifikation „der“ culpa in contrahendo, also sämtlicher Fallgruppen, durch das Tacconi-Urteil gesperrt.50

b) Eigene Stellungnahme Zwar besteht zwischen den Parteien ein wirksam abgeschlossenes Rechtsgeschäft, das dem Vertragsbegriff des Europäischen Zivilprozessrechts entspricht, nämlich eine Sonderverbindung aufgrund freiwillig eingegangener Verpflichtungen.51 Für das davon unabhängige vorvertragliche Schuldverhältnis kann darauf jedoch nicht zurückgegriffen werden, um eine Subsumtion unter Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO zu begründen, denn im Zeitpunkt der Aufklärungspflichtverletzung bestand das vertragliche Band noch nicht zwischen den Parteien. Die vorvertragliche Beziehung entsteht aufgrund faktischer Momente unabhängig von einer autonomen Selbstbindung der Beteiligten. Vielmehr bedarf es deshalb auch hier wieder eines engen, sachlichen Zusammenhangs mit dieser Vertragsbeziehung, damit die Erstreckung des Vertragsklagengerichtsstands auch auf Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo wegen der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages gerechtfertigt werden kann.52 aa) Enger, sachlicher Zusammenhang mit dem Vertrag Ein ausreichend enger, sachlicher Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Vertrag zeigt sich darin, dass sich die vorvertragliche Pflichtverletzung in dem später abgeschlossenen Rechtsgeschäft realisiert. Wie bereits auf international-privatrechtlicher Ebene gesehen, ist diese Verbindung untrennbar, denn ohne die mangelhafte Aufklärung im Verhandlungsstadium wäre die vertragliche Sonderbeziehung zwischen beiden Seiten nicht in der konkreten, fehlerhaften Form zustande gekom48 Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 51; vgl. auch: Mankowski, VuR 1999, 219 (222). 49 Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 42; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 27; vgl. auch: U. Schmidt, S. 32. 50 Geimer / Schütze / Geimer, EuZVR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 18, 25, 67; Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 3. 51 Zum Vertragsbegriff des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO: Teil E. II. 1. d) aa). 52 Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) aa) (3).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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men. Weil es sich mithin nur um die „zwei Seiten einer Medaille“ handelt, ist in beiden Fällen der Gerichtsstand der Vertragsklage eröffnet. bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen und Grundwertungen der EuGVO Das aufgrund des geschäftlichen Kontakts und der Verhandlungen im Hinblick auf den abzuschließenden Vertrag entstandene Vertrauensverhältnis ähnelt einer vertraglichen Beziehung der Parteien, denn es bestehen besondere Pflichten aus diesem besonderen Verhältnis. Eine solche Pflichtenrelativität ist grundsätzlich kennzeichnend für eine vertragliche Sonderbeziehung wohingegen „Jedermanns“Pflichten bei ihrer Verletzung nur deliktsrechtliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Dieses Bild vor Augen, liegt eine Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO für Klagen aus einem solchen Verhältnis nahe, denn ratio legis des Vertragsklagengerichtsstands ist die Schaffung eines vorhersehbaren Forums, um den Parteien einer freiwilligen rechtlichen Bindung Planungssicherheit für eventuell entstehende rechtliche Auseinandersetzungen zu geben.53 Die Kalkulierbarkeit des Risikos einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist für die wirtschaftliche Betätigung im europäischen Binnenmarkt von erheblicher Bedeutung. Solche Überlegungen spielen bereits für die Beteiligten an dem Vertragsverhandlungsverhältnis eine nicht unwichtige Rolle, da gerade im Vorfeld des Vertrages die Vor- und Nachteile des Eingehens dieser rechtlichen Bindung gegeneinander abgewogen werden müssen. Insofern gleichen sich die Interessenlagen von Vertragsparteien und den Beteiligten an einem rechtsgeschäftsähnlichen Näheverhältnis. Sinn und Zweck des Gerichtsstands am Erfüllungsort „passen“ besser auf Schadensersatzklagen wegen der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages als die ratio legis des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO, der die Vorstellung von erst durch die unerlaubte Handlung verbundenen Personen zugrunde liegt. Diese Situation besteht vorliegend nämlich nicht, denn die Beteiligten haben sich in der Absicht, später einen Vertragsschluss zu erzielen, aufeinander zu bewegt und stehen sich nicht mehr als Fremde gegenüber, womit sich der Deliktsklagengerichtsstand für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo in der vorliegenden Konstellation als nicht geeignet erweist. Des Weiteren ist eine vertragliche Qualifikation der Aufklärungspflichtverletzungen für die Parteien auch nicht überraschend. Regelmäßig werden sie sogar aufgrund des „vertraglichen Charakters“ des Fehlverhaltens positiv mit dem Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO rechnen, denn aufgrund der Auswirkungen der fehlenden Mitteilung vertragswesentlicher Informationen ist der Vertrag für die eine Seite nachteilig zustande gekommen, so dass diese von einer „vertraglichen“ Schlechtleistung ausgehen wird. Als Rechtsfolgen steht ihr die Wahl zwischen Aufhebung des Rechtsgeschäfts oder „Minderung“ der eigenen 53

Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) bb) (2).

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

Leistung zu.54 Abgesehen von der konkreten Ausgestaltung dieser Rechtsbehelfe in den einzelstaatlichen Rechtsordnungen ist diese Einflussnahme auf ein bestehendes Vertragsrechtsverhältnis vertraglich zu qualifizieren. Der Bestand des Vertrages selbst und seine Rückabwicklung stehen in Frage, so dass ein normal informierter Beklagter die Zuständigkeit des Gerichts am Erfüllungsort erkennen kann. Die Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands, als ein Ziel des Europäischen Zivilprozessrechts, ist demnach gewährleistet. Außerdem ist in Fällen von Anspruchskonkurrenz mit vertraglichen Ansprüchen eine Verfahrenskonzentration möglich, indem ein und dasselbe Gericht über den einheitlichen Lebenssachverhalt entscheidet.55 Insbesondere könnte eine einheitliche Beweisaufnahme vor dem zuständigen Richter durchgeführt werden. Zusätzlich würden schwierige Abgrenzungsprobleme zwischen vertraglichen und vertragsähnlichen Ansprüchen abgeschwächt. Ob es sich um eine vertraglich geschuldete Leistung oder um ein Fehlverhalten vor Abschluss des Vertrages handelt, würde für die Zuständigkeitsbestimmung des Gerichtes keine Rolle spielen. Ausreichend ist, dass der eingegangene Vertrag selbst betroffen ist, weil er entweder aufgehoben oder die vereinbarten Leistungen angeglichen werden sollen. Diese Feststellung ist leicht zu treffen und vereinfacht die Bestimmung des zuständigen Forums. Somit ist festzuhalten, dass die ratio legis des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ebenfalls für die vertragliche Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages spricht, genauso wie die prozessualen Grundprinzipien der Vorhersehbarkeit des Forums und der Prozessökonomie. c) Erfüllungsort Handelt es sich bei dem nicht erwartungsgerecht zustande gekommenen Vertrag um einen Kaufvertrag über bewegliche Sachen oder um einen Dienstleistungsvertrag, so wird der Erfüllungsort nach Maßgabe des Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO bestimmt, während für alle anderen Vertragsarten Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO gilt. Für die hier in Rede stehenden Schadensersatzansprüche bleibt es ebenfalls bei dieser Spaltung, da sie in einem inneren Zusammenhang zum später abgeschlossenen Vertrag stehen und dessen Zuständigkeitsschicksal teilen sollen. Somit kommt es maßgeblich darauf an, welcher Art das Rechtsgeschäft ist, in dem sich die vorvertragliche Pflichtverletzung realisiert hat. Vgl. oben: Teil B. II. 3. Jedoch besteht nicht in allen europäischen Rechtsordnungen die Möglichkeit von Anspruchskonkurrenz. In Frankreich gilt das Prinzip des non-cumul, das deliktische Ansprüche im Bereich des Vertragsrechts grundsätzlich ausschließt, vgl. Kadner Graziano, Europ. Int. Deliktsrecht, S. 117; Lohse, S. 86 ff.; Landfermann, RabelsZ 45 (1981), 124 (138). Siehe auch: Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1024). Inwieweit im deutschen Sachrecht noch eine Anspruchskonkurrenz bestehen kann, siehe oben: Teil B. II. 3. 54 55

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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aa) Erfüllungsortbestimmung gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO Obwohl der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen einer Aufklärungspflichtverletzung kein vertraglicher Sekundäranspruch ist, wird er wie ein solcher behandelt. Er ist somit an dem Ort zu erfüllen, an dem die vertragstypische Leistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen, wenn der abgeschlossene Vertrag als Kaufvertrag über bewegliche Sachen oder als Dienstleistungsvertrag i. S. v. Art. 5 Nr. 1 lit. b) anzusehen ist.56 Auch wenn man die funktionale Vergleichbarkeit des Schadensersatzes mit einer Anfechtung oder einem Rücktritt betont, ändert sich an dieser Feststellung nichts. Für Gestaltungsklagen, die den Bestand des Vertrages betreffen, ist aufgrund der autonomen Erfüllungsortbestimmung ebenfalls der Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Verpflichtung maßgeblich. bb) Erfüllungsortbestimmung gem. Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO Im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO bleibt es bei der Tessili / de BloosFormel, wonach die konkret streitige vertragliche Primärpflicht maßgeblich für die Erfüllungsortbestimmung ist, die sich nach der lex causae richtet. Ein Schadensersatzanspruch hat danach keinen eigenen Erfüllungsort, sondern es kommt auf die vertragliche Primärverpflichtung an, deren Verletzung der Kläger behauptet.57 Das gilt auch für vertraglich zu qualifizierende Schadensersatzansprüche aus einem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis, die zur Ermittlung der gerichtsstandsbestimmenden Verpflichtung an den später geschlossenen Vertrag angelehnt werden.58 Auf die vorliegende Fallgruppe der culpa in contrahendo übertragen, ist also auf die Verpflichtung des Haftenden abzustellen, die aufgrund der vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung nicht ordnungsgemäß erbracht worden ist, d. h. diejenige vertragliche Pflicht, die vom Geschädigten, hätte er von dem Fehlverhalten der anderen Seite gewusst, so nicht akzeptiert worden wäre, weil er entweder den Vertrag dann überhaupt nicht abgeschlossen oder sich jedenfalls nicht zu einer Gegenleistung in der konkreten Gestalt verpflichtet hätte. Hingegen ist nicht die Aufklärungspflicht als maßgeblich anzusehen. Grund hierfür ist – wie bei den beiden zuvor behandelten Fallgruppen der culpa in contrahendo – der enge, sachliche Zusammenhang mit dem Vertrag und die Kalkulierbarkeit des zuständigen Gerichts.59 Allerdings ist auf die Besonderheit zu verweisen, dass als „Schadensersatz“ in der vorliegenden Fallkonstellation die Aufhebung des Vertrages bzw. dessen Anpassung verlangt werden kann. Funktional betrachtet ist für den Geschädigten 56 57 58 59

Vgl. oben: E. II. 1. d) dd) (2). Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) dd) (1). So schon oben: Teil E. II. 1. d) dd) (3). Dazu oben: Teil G. II. 1. b) aa), bb).

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

somit eine „Anfechtung“ des Vertrages möglich, oder er kann ein „Minderungsrecht“ geltend machen, wenn er am Vertrag festhalten will. Fraglich ist, ob es insofern bei der Maßgeblichkeit der schlecht erfüllten Vertragshauptpflicht des Beklagten bleibt, denn der Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung ähnelt einer Gestaltungsklage, weil der Bestand des gesamten Vertrages betroffen ist. Welche Verpflichtung dann entscheiden soll, ist in der Literatur umstritten.60 Der EuGH tendiert jedenfalls für die Konstellation, dass eine Nicht- oder Schlechterfüllung Voraussetzung für die Vertragsaufhebung ist, dazu, zur Erfüllungsortbestimmung auf diese nach der Klägerbehauptung nicht bzw. schlecht erfüllte Verpflichtung abzustellen.61 In der Sache de Bloos / Bouyer führt er aus, dass nicht nur für die Geltendmachung von Schadensersatz, sondern auch dann, wenn der Kläger „die Auflösung des Vertrages aus Verschulden des Gegners“ beantragt, als Verpflichtung i. S. d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO diejenige Vertragspflicht anzusehen ist, „deren Nichterfüllung zur Begründung dieser Anträge behauptet wird“. Ein eigener Erfüllungsort besteht somit nicht. Legt man diese Ansicht auch für den funktional vergleichbaren Ersatzanspruch der hier in Rede stehenden vorvertraglichen Haftung zugrunde, so ergeben sich keine Unterschiede zu der oben vertretenen Auffassung, dass der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo der verletzten vertraglichen Primärpflicht folgt.62 Der Erfüllungsort der nicht ordnungsgemäß erbrachten vertraglichen Hauptpflicht des Schädigers richtet sich nach der vom Internationalen Privatrecht des Forums berufenen lex causae. Im deutschen Recht gilt dafür § 269 BGB. In Bezug auf die Erfüllungsortbestimmung ergeben sich gegenüber den bisher behandelten Fallgruppen vorvertraglicher Haftung also keine Änderungen.63

60 Teilweise wird gefordert, dass auf die vertragscharakteristische Verpflichtung abzustellen sei, teilweise wird diejenige Pflicht als maßgeblich angesehen, die der Beklagte zu erfüllen hätte. Andere wiederum wollen der klagenden Partei ein Wahlrecht zugunsten einer der vertraglichen Hauptverpflichtungen zugestehen, während nach weiterer Ansicht auf den Anspruch abgestellt werden soll, den der Kläger zu erbringen hätte. Schließlich wird noch ein differenzierender Ansatz vertreten, wonach an den Erfüllungsort der nicht erbrachten vertraglichen Primärpflicht anzuknüpfen ist, wenn das Bestehen des Vertrages von einer Vertragsverletzung abhängt, andererseits soll bei einer Streitigkeit über die Existenz des Vertrages aus anderen Gründen der Erfüllungsort einer der Hauptverpflichtungen aus dem Vertrag maßgeblich sein. Vgl. zum Meinungsstand: B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 74 ff.; Valloni, S. 235 ff. 61 EuGH 06. 10. 1976 – 14 / 76, de Bloos / Bouyer, Slg. 1976, 1497 (1508, Nr. 13 / 14); ebenso: Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 63; Kropholler, in: Hdb. des IZVR, Bd. I, Kap. III, Rn. 665; Schack, IZVR, Rn. 267; ders., Erfüllungsort, Rn. 321. 62 Gleiches gilt für die Rückgewähransprüche nach vollzogenem Rücktritt bzw. Anfechtung, vgl. Staudinger / Hausmann, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 62; Valloni, S. 229 f. 63 Vgl. Teil E. II. 1. d) ee), Teil F. II. 1. c).

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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2. ZPO Ist der Anwendungsbereich der gegenüber dem autonomen Prozessrecht vorrangigen EuGVO nicht eröffnet, so ergibt sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte aus der ZPO. a) Meinungsstand Die deutsche Rechtsprechung tendiert zu einer vertraglichen Qualifikation dieser Fallgruppe im nationalen Zivilprozessrecht. Im Rahmen der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit ist mehrfach der Vertragsklagengerichtsstand des § 29 ZPO bejaht worden.64 Diesen Entscheidungen ist Indizwirkung hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit beizumessen, wenn nicht besondere Gründe eine Übertragung auf die internationale Ebene hindern. Auch die weit überwiegende Mehrzahl der Stimmen in der Literatur spricht sich für die Zuständigkeit des Erfüllungsortgerichts aus.65 b) Eigene Stellungnahme Bereits auf Verordnungsebene sind Schadensersatzansprüche als „Ansprüche aus einem Vertrag“ qualifiziert worden, weil sie einem vertragsähnlichen Schuldverhältnis entspringen und vertragsbezogen sind.66 Gleiches spricht auf der Ebene der deutschen Zivilprozessordnung für eine Subsumtion unter § 29 ZPO. Der Begriff „Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis“ ist weit auszulegen und zwar nach den Vorstellungen der lex fori. Bei der Auslegung des Prozessrechts wird die materiell-rechtliche Behandlung der culpa in contrahendo mit in Betracht gezogen. Deshalb sind aus nationaler Sicht neben den bereits genannten und auch auf Verordnungsebene verwendeten Argumenten die systematische Einordnung als rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis sowie die „vertragliche“ Haftungsnorm des § 280 BGB als Anspruchsgrundlage der vorvertraglichen Ersatzansprüche für eine vertragliche Qualifikation zu berücksichtigen. Gem. § 29 ZPO ist „das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.“ Die Bestimmung des Gerichts im Falle der internatio64 So in einem bereits vom RG (JW 1896, 201 (202)) entschiedenen Fall. Der Kläger warf dem Beklagten vor, ihn in betrügerischer oder grob fahrlässiger Weise zu einem Tauschvertrag über Grundstücke verleitet zu haben, denen die versprochenen Eigenschaften fehlten. Er verlangte Entschädigung dafür, dass die von ihm vorausgesetzte Beschaffenheit der Grundstücke fehlte, wollte aber im Übrigen am Vertrag festhalten. Für diesen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen Aufklärungspflichtverletzung soll nach Auffassung des RG der Gerichtsstand des § 29 ZPO begründet sein und zwar entweder aufgrund der Ausdehnung vertraglicher Pflichten auf den vorvertraglichen Bereich oder aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Vgl. auch: BayObLG NZM 2002, 796 (796); NJW 1980, 1531; LG Düsseldorf WM 2000, 1191 (1193). 65 Siehe oben: Teil E. II. 2. b). 66 Soeben: Teil G. II. 1. b).

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G. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages

nalen Zuständigkeit erfolgt nach den Kriterien, die auch auf Verordnungsebene im Rahmen der Erfüllungsortbestimmung gem. Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO verwendet werden, d. h. es kommt auf die konkret streitige Primärverpflichtung an, deren Erfüllungsort nach der lex causae, also dem vom Internationalen Privatrecht des Forums berufenen Sachrecht, ermittelt wird. Nach deutschem autonomen Prozessrecht sind Schadensersatzansprüche nicht gerichtstandsbegründend, sondern der Erfüllungsort der fehlerhaft erbrachten vertraglichen Primärpflicht des Beklagten ist entscheidend, weil die Sekundärpflicht an dessen Stelle tritt.67 Deshalb werden ebenso wie auf europäischer Ebene die Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo wegen der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages an die vertragliche Primärpflicht des Haftenden angeknüpft, so dass dessen Erfüllungsort das zuständige Forum bestimmt.68 Auf die Beantwortung der Frage, ob sich aus den Besonderheiten der Rechtsfolgen von Aufklärungspflichtverletzungen eine andere Verpflichtung als maßgeblich ergibt,69 kommt es hier nicht an, denn im deutschen Prozessrecht herrschen die Vorstellungen der lex fori. Die Vergleichbarkeit des Schadensersatzanspruchs mit einem Rücktritt bzw. mit einer Anfechtung oder einer Minderung ändert aus dieser Sichtweise nichts daran, dass es sich um einen Schadensersatzanspruch aus einem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis handelt. Einer funktionalen Betrachtungsweise wie auf europäischer Ebene bedarf es nicht.

3. Ergebnis Klagen auf Schadensersatz wegen einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung können nicht nur am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagtenwohnsitzes, sondern auch an dem besonderen Gerichtsstand für Vertragsklagen gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 29 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden.

Vgl. oben: Teil E. II. 2. c) (3). Oben: Teil G. II. 1. c) bb). 69 Das ist nicht der Fall, denn die zur EuGVO gemachten Ausführungen gelten auch hier, vgl. Geimer, IZPR, Rn. 1486; Staudinger / Magnus, Anhang II zu Art. 27 – 37 EGBGB, Rn. 63; siehe aber: Schack, Erfüllungsort, Rn. 161 ff. Für die Ansprüche nach erfolgtem Rücktritt bzw. Anfechtung besteht nach h. M. in der deutschen Literatur – abweichend von der Beurteilung auf europäischer Ebene (vgl. B / B / G / S / Auer, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, Art. 5 EuGVO, Rn. 44) – die Zuständigkeit des Gerichts am Austauschort, jedenfalls wenn die Leistungen bereits erbracht wurden (str.), vgl. B / L / A / H / Hartmann, § 29 ZPO, Rn. 15; MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 29 ZPO, Rn. 62; Musielak / Heinrich, § 29 ZPO, Rn. 27; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 29 ZPO, Rn. 21; Zimmermann, § 29 ZPO, Rn. 5 b. 67 68

III. Gesamtergebnis

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III. Gesamtergebnis Wenn ein Vertrag zwar wirksam, aber anders als erwartet zustande kommt, weil in haftungsrelevanter Weise eine Aufklärungspflicht verletzt worden ist, so gelten im Internationalen Privatrecht gem. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5 EGBGB analog die vertraglichen Anknüpfungsvorschriften der Art. 27 ff. EGBGB. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte ist sowohl am Beklagtenwohnsitz als auch am Erfüllungsort des Vertrages nach Maßgabe der Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bzw. im deutschen Zivilprozessrecht gem. § 29 Abs. 1 ZPO gegeben.

H. Verletzung von Integritätsinteressen Im Zuge der Vertragsanbahnung kann es vor Abschluss des Rechtsgeschäfts zu der Schädigung von Rechtsgütern eines der Beteiligten kommen. Im deutschen Sachrecht hat der Geschädigte dann die Möglichkeit, für die Rechtsgutverletzung Ersatz aus culpa in contrahendo zu verlangen.1 Das ist durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nunmehr gesetzlich verankert worden, obwohl die Haftung nach vertraglichen Grundsätzen für diese Konstellationen stark kritisiert wird.2

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht 1. Meinungsstand in der deutschen Literatur Nach weit verbreiteter Auffassung in der deutschen Literatur sollen die Obhutsund Erhaltungspflichten aufgrund ihres deliktsähnlichen Charakters den Anknüpfungsregeln für unerlaubte Handlungen unterliegen.3 Zu einer deliktsrechtlichen Qualifikation gelangt auch Canaris, der allerdings unabhängig von der Art der Pflichtverletzung die Kriterien des Deliktsstatuts für „die“ culpa in contrahendo als sachnäher ansieht. Schließlich gehe es nicht um das Vertrags-, sondern um das Integritätsinteresse, auch wenn bloß ein Vermögensschaden in Rede stehe.4 Für eine pauschale deliktische Anknüpfung der gesamten vorvertraglichen Haftung hat sich auch das OLG München in einem Fall aus dem Jahre 1983 entschieden. Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss seien „entspreVgl. oben: Teil B. II. 4. Siehe: U. Huber, Gutachten, S. 737 f., 743; ders., in: FS von Caemmerer, S. 837 (866 f.); Medicus, Gutachten, S. 489 ff.; von Bar, JuS 1982, 637 (644 ff.); Brüggemeier / Reich, BB 2001, 213 (215); Dauner-Lieb, in: Zivilrechtswissenschaft, S. 305 (318); Köndgen, in: Schuldrechtsreform, S. 231 (237); Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (311). Vgl. dazu auch: Staudinger / Belling / Eberl-Borges, § 831 BGB, Rn. 25; Bonell, RIW 1990, 693 (700); Gastroph, JA 2000, 803 (806). 3 Soergel / Lüderitz, 11. Aufl. (1983), Bd. 8, Vor. Art. 7 EGBGB, Rn. 287; Kunz, IPR, 9.1.1, Rn. 462; Rauscher, IPR, S. 270; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 283; Siehr, IPR, § 31, S. 220; U. Huber, in: FS von Caemmerer, S. 837 (865); W. Lorenz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 97 (121); Stoll, in: FS Ferid, S. 495 (505); ders., in: FS Georgiades, S. 941 (945; 954 ff.); Kreuzer, IPRax 1988, 16 (17); Unberath, IPRax 2005, 308 (311); vgl. auch Nickl, S. 55 ff.; Bonell, RIW 1990, 693 (700); siehe außerdem die Nachweise oben: Teil E. I. 2. a) aa). 4 Canaris, in: FS Larenz, S. 27 (109). 1 2

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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chend ihrer Rechtsnatur wie deliktsrechtliche Ansprüche zu behandeln und daher dem Recht des Ortes zu unterstellen, wo die Handlung vorgenommen wurde“.5 Mittels einer akzessorischen Anknüpfung soll nach teilweise vertretener Ansicht bei einem ausreichend engen, sachlichen Zusammenhang mit dem „Vertragsverhandlungsverhältnis“ trotz der zunächst deliktischen Zuordnung einer vertraglichen Qualifikation der Weg geebnet werden können.6 Andere wiederum vertreten schließlich die Meinung, dass sämtliche Fallgruppen der culpa in contrahendo dem Vertragsstatut unterworfen sind. Die Sonderverbindung der Vertragsanbahnung schaffe eine Einstandspflicht, die über den allgemeinen Grundsatz des Deliktsrechts – neminem laedere – hinausgehe und dementsprechend nicht mit deliktischen Pflichten vergleichbar sei.7 Das Meinungsbild in der deutschen Literatur zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung von vorvertraglichen Obhuts- und Erhaltungspflichten stellt sich mithin nicht als einheitlich dar.

2. Rechtsvergleichende Hinweise zum ausländischen Kollisionsrecht In der österreichischen Literatur will man in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in Deutschland die Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten deliktisch qualifiziert wissen, weil es an einem Zusammenhang mit den konkreten Vertragsverhandlungen mangele, die für die Herrschaft des präsumtiven Vertragsstatuts über den vorvertraglichen Bereich maßgeblich seien. Deshalb unterliege diese Fallgruppe dem Deliktsstatut des § 48 Abs. 1 österr. IPRG.8 In der Schweiz wird von einigen Autoren die Auffassung vertreten, dass das Schuldstatut auch über vorvertragliche Obhutspflichten herrschen soll und über die sich daraus ergebenden Schadensersatzansprüche auf das Integritätsinteresse. Zwar werde im materiellen Recht zutreffend eine deliktische Zuordnung vorgenommen, weil es sich eigentlich um allgemeine Verkehrspflichten handele. Das im Vorfeld zwischen den Parteien entstandene „Anbahnungsverhältnis“ sei aber bei der international-privatrechtlichen Anknüpfung gegenüber dem allgemeinen Deliktsverhältnis vorrangig.9 Eine Ausnahme soll gelten, wenn eine Erwartung der BeteiligOLG München WM 1983, 1093 (1095). Frick, S. 194 ff.. 7 Looschelders, Art. 32 EGBGB, Rn. 29 f.; ebenso: Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 612 f., allerdings noch mit der mittlerweile veralteten und deshalb überholten Begründung der „Vorwirkung“ des Vertrages (vgl. dazu Teil B. I.). Siehe auch: Landfermann, RabelsZ 45 (1981), 124 (137). 8 Rummel / Schwimann, Bd. 2, Vor § 35 IPRG, Rn. 4; Schwimann, IPR, S. 66 f. 9 Vischer / Vischer / Oser, Int. Vertragsrecht, § 7, Rn. 1155; vgl. auch ZüKo / Keller / Kren Kostkiewicz, Art. 117 IPRG, Rn. 197 ff. m. w. N. 5 6

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H. Verletzung von Integritätsinteressen

ten auf die Geltung eines bestimmten Rechts nicht besteht, weil über die anzuwendende Rechtsordnung weder gesprochen worden ist, noch sich ein Hinweis auf das hypothetische Vertragstatut ergibt. Hilfsweise soll entsprechend dem Telos des Art. 123 schweiz. IPRG die Rechtsordnung „am gewöhnlichen Aufenthalt der ins Recht gefassten Partei“ zur Anwendung gelangen.10 Andere Autoren bevorzugen hingegen wegen der Nähe zum Deliktsrecht eine deliktische Qualifikation, wenn vorvertragliche Schutzpflichten verletzt worden sind.11 In den übrigen Mitgliedstaaten besteht kein Anlass für die Anwendung der vertraglichen Anknüpfungsregeln auf eine Haftung wegen Obhuts- und Erhaltungspflichtverletzungen. Bereits im materiellen Sachrecht ist in diesen Konstellationen unproblematisch das Deliktsrecht berufen, wie es in Deutschland und Österreich wohl auch der Fall sein würde, wenn der Vermögensschutz besser mit Hilfe der deliktischen Normen gewährleistet werden könnte.12 Eine andere Beurteilung auf kollisionsrechtlicher Ebene ist deshalb aus Sicht der nicht im deutschen Rechtskreis verwurzelten Rechtsordnungen keinesfalls erforderlich und wird soweit ersichtlich auch nicht vertreten.13 3. Eigene Stellungnahme Nach dem bisher Gesagten erscheint es zweifelhaft, ob die vorvertragliche Haftung wegen Integritätspflichtverletzungen in den Anwendungsbereich des EVÜ bzw. der Art. 27 ff. EGBGB fällt. Dennoch soll zunächst die Möglichkeit einer vertraglichen Qualifikation überprüft werden, um eine solche dann eventuell ausschließen zu können. a) Anwendbarkeit des Vertragsstatuts gem. Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB Eine direkte Subsumtion von Entstehung und Rechtsfolgen rechtsgeschäftsähnlicher Schuldverhältnisse unter die Art. 27 ff. EGBGB scheidet aus, da es an einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt. Die Haftung wird vielmehr unabhängig vom Parteiwillen durch Gesetz angeordnet. Während in den bereits besprochenen Fällen mittels einer analogen Heranziehung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB die Anwendbarkeit der vertraglichen Kollisionsregeln erreicht werden konnte,14 ist vorliegend jedoch fraglich, ob überhaupt eine planwidrige Vischer / Vischer / Oser, Int. Vertragsrecht, § 7, Rn. 1156. Vgl. Graziano, Europ. Int. Deliktsrecht, S. 116 m. w. N.; Siehr, schweiz. IPR, § 14, S. 253. 12 Siehe zu der materiell-rechtlichen Rechtslage anderer Staaten oben: Teil B. II. 4. Vgl. auch: Graziano, Europ. Int. Deliktsrecht, S. 115 f. 13 Vgl. Nickl, S. 43; Moura Vicente, RabelsZ, 699 (711). 14 Vgl. Teil E. I. 4. b) dd), Teil F. I. 4. a), Teil G. I. 4. a). 10 11

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Regelungslücke – als erste Voraussetzung einer Analogiebildung – angenommen werden kann. Das ist zu verneinen, wenn das Deliktsstatut eingreift. b) Anwendbarkeit des Deliktsstatuts Das Internationale Privatrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse ist auf europäischer Ebene noch nicht vereinheitlicht worden. Ein Staatsvertrag existiert nicht und die geplante Rom II-VO ist bisher nicht in Kraft getreten.15 Mithin ist zunächst eine deliktische Anknüpfung der vorliegenden Fallgruppe im Rahmen des EGBGB zu untersuchen. Da die Art. 38 ff. EGBGB nationales Recht darstellen und im Gegensatz zu den Art. 27 ff. EGBGB keinen staatsvertraglichen Ursprung haben, findet eine funktionale Qualifikation nach den Vorstellungen der lex fori statt und nicht etwa eine europäisch-autonome Beurteilung.16 In Anbetracht der bevorstehenden Rechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene sollte aber einer möglichst integrationsfreundlichen Auslegung der Vorzug gegeben werden. Weiterhin bleiben die Regelungen des Entwurfs einer Rom II-VO zu untersuchen. Weil es sich hierbei um einen europäischen Sekundärrechtsakt handelt, ist dort autonom zu qualifizieren. aa) EGBGB Das auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung anzuwendende Recht bestimmt sich zunächst17 nach Maßgabe des Art. 40 EGBGB. Erfasst wird nicht nur die Verschuldenshaftung, sondern ebenso die Gefährdungshaftung.18 (1) Vertragsähnliches Näheverhältnis Das deutsche Recht kennt eine vorvertragliche Haftung aus culpa in contrahendo nicht nur für die Verletzung der bereits dargestellten Pflichten, die sich durch ihre Vertragsbezogenheit auszeichnen, sondern auch für Pflichtverletzungen hinsichtlich vertragsfremder Rechtsgüter. Typisch hiefür sind die sog. Warenhausfälle, bei denen ein Kaufinteressent im Ladenlokal vor Vertragsabschluss verletzt wird.19 Zwar ist man sich darüber einig, dass damit der Bereich deliktischer Verkehrssicherungspflichten betroffen ist,20 dennoch sollen daneben Ansprüche auf Siehe oben: Teil C. I. 2. Vgl. oben: Teil D. II. 1. a). 17 Möglicherweise besteht nämlich eine wesentlich engere Verbindung i. S. v. Art. 41 EGBGB oder es wird nachträglich gem. Art. 42 EGBGB eine andere Rechtsordnung gewählt. 18 Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (a). 19 Siehe oben: Teil B. II. 4. 20 AnwKo / Krebs, Bd. 2, Teilbd. 1, § 311 BGB, Rn. 64; Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 47; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 89; Staudinger / Belling / Eberl-Borges, § 831 BGB, Rn. 25 ff.; von Bar, Verkehrspflichten, S. 248; U. Huber, 15 16

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Schadensersatz gem. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB bestehen. Als Grund hierfür wird angegeben, dass infolge der geschäftlichen Kontaktaufnahme ein rechtsgeschäftsähnliches Sonderverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, weil beide Seiten im Zuge der Vertragsanbahnung ihre Rechtsgüter der Schädigung durch den anderen Beteiligten in besonderer Weise aussetzen.21 Die aus der Vertrauensbeziehung entstehenden Pflichten zur Rücksichtnahme seien deshalb ebenfalls besonderer Art.22 Vielfach wird diese Ausdehnung der Vertragshaftung kritisiert, da es sich eigentlich um genuines Deliktsrecht handele.23 In der Tat werden mit Hilfe der vorliegenden Fallgruppe die spezifischen Schwächen des deutschen Deliktsrechts, insbesondere die Nachteile der deliktischen Gehilfenhaftung gegenüber § 278 BGB, ausgeglichen. Das geben auch die Befürworter der vertragsähnlichen Haftung bei Integritätspflichtverletzungen offen zu.24 Dennoch hat der deutsche Gesetzgeber von einer Verbesserung des deliktischen Schutzes abgesehen und im Zuge der Reform des Schuldrechts die Fallgruppe der vorvertraglichen Schutz- und Obhutspflichten als der culpa in contrahendo zugehörig eingestuft.25 Die Situation im deutschen Sachrecht würde daher eher gegen eine deliktische Qualifikation sprechen, da keine typische Deliktssituation vorliegt. Die Beteiligten haben bereits aufgrund der angebahnten Vertragsbeziehungen Kontakt zueinander aufgenommen und sind damit aus der Anonymität des Deliktsrechts herausgetreten. Sie werden nicht erst infolge des schädigenden Ereignisses miteinander rechtlich verbunden, wie es bei einem Schuldverhältnis wegen unerlaubter Handlung regelmäßig der Fall ist. Andererseits scheint es nicht ratsam, das Internationale Privatrecht mit den Feinheiten dieser bereits im materiellen Recht sehr umstrittenen Fallgruppe zu überfrachten. Bei der Auslegung der Anknüpfungsgegenstände des Kollisionsrechts ist Gutachten, S. 737 f.; ders., AcP 177 (1977), 281 (316 f.); Medicus, Gutachten, S. 489 ff.; Dauner-Lieb, in: Zivilrechtswissenschaft, S. 305 (318); Grunewald, in: FS Wiedemann, S. 75; Köndgen, in: Schuldrechtsreform, S. 231 (237). 21 Vgl. Wortlaut von § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB. 22 Das ergibt sich bereits daraus, dass die Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB ihrer Intensität nach über die allgemeinen deliktischen Verhaltenspflichten hinausgehen, so BT-Drucks. 14 / 6040; siehe auch: BGH JZ 1976, 776 (777); P. Fischer, S. 224. 23 Vgl. obige Ausführungen in Teil H. 24 Vgl. Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 15; HK-BGB / Schulze, § 311 BGB, Rn. 13; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 89; Staudinger / Löwisch, Vorbem. zu §§ 275 ff. BGB, Rn. 53; Degner, S. 215 f.; Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (286); Gottwald, JuS 1982, 877 (878); Unberath, IPRax 2005, 308 (311); vgl. auch: Staudinger / Belling / EberlBorges, § 831 BGB, Rn. 23 f., 30; a.A.: AnwKo / Krebs, Bd. 2, Teilbd. 1, § 311 BGB, Rn. 51 m. w. N., nach dessen Meinung nicht nur die besonderen Schwächen des deutschen Deliktsrechts Grund für die c.i.c.-Haftung sind. 25 Siehe oben: Teil B. I. 4.

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die Handhabung der Norm in grenzüberschreitenden Streitigkeiten zu berücksichtigen. Sachrechtsbe-riffe und gleichlautende Begrifflichkeiten in den Verweisungsvorschriften müssen nicht den gleichen Inhalt haben.26 Demnach könnten vorvertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Integritätspflichten trotz ihrer vertragsähnlichen Einordnung im deutschen Bürgerlichen Recht auf international-privatrechtlicher Ebene unter das Deliktsstatut fallen, wenn dies ausreichend begründet wird. Zunächst bleibt festzuhalten, dass keine so deutlichen Parallelen zu den in Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 EGBGB geregelten Sachverhalten bestehen, wie in den bereits untersuchten Fallgruppen der culpa in contrahendo. Im Rahmen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen, mag es auch einem ausländischen Beobachter möglich sein, zu akzeptieren, dass im Zuge der zumeist längeren Gespräche über den Abschluss eines Vertrages eine Vertrauensbeziehung mit besonderen Rechten und Pflichten entstehen kann und die Parteien sich nicht mehr anonym gegenüber stehen. Bei den Fallgruppen vorvertraglicher Haftung mit anschließendem Vertragsschluss ist dieses Stadium ebenfalls durchlaufen worden. In den Konstellationen der Erhaltungspflichtverletzungen reicht hingegen die Anbahnung des Vertrages oder auch schon die Aufnahme eines geschäftlichen Kontaktes aus, um eine vertragsähnliche Ersatzpflicht auszulösen. Betritt der Kunde ein Kaufhaus, dann ist bereits ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden, wenn er Kaufabsicht hat. Es genügt auch der Wille, sich über das Warensortiment informieren zu wollen, während der vor dem Regenschauer Schutzsuchende oder gar mit Diebstahlsvorsatz Eintretende diesem Näheverhältnis entzogen bleibt.27 Der Beginn des rechtsgeschäftsähnlichen Schutzes hängt mithin von einer subjektiven Voraussetzung ab und ist deshalb schwer zu bestimmen und zu beweisen.28 Abgrenzungsprobleme sind vorprogrammiert. Diese sollten aber keinesfalls auf das Internationale Privatrecht verschoben werden. Ohnehin mag es – nicht nur – dem außerhalb des deutschen Sachrechts Stehenden unverständlich erscheinen, wieso schon zu einem so frühen Zeitpunkt eine Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten vorliegen soll.29 In den meisten anderen europäischen Rechtsordnungen ist in solchen Konstellationen unstreitig der Anwendungsbereich des Deliktsrechts eröffnet.30 Das gilt ja auch für das deutsche Recht. Es besteht nämlich grundsätzlich parallel Siehe oben: Teil D. II. 1. a). Siehe oben: Teil B. II. 4. 28 Vgl. BGHZ 66, 51 (55); zur Kritik: oben Teil B. II. 4. 29 Allerdings sind auch Konstellationen denkbar, in denen bereits längere Vertragsverhandlungen stattgefunden haben, diese dann aber nach einer Integritätspflichtverletzung von der geschädigten Partei nicht weiter fortgesetzt werden. Dass aufgrund der Verhandlungen schon ein besonderes Näheverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, mag eher akzeptabel erscheinen, im Gegensatz zum bloßen Betreten eines Geschäftslokals. Gleiches gilt für die Verletzung von Obhutspflichten. 30 Siehe oben: Teil B. II. 4. Vgl. auch: Staudinger / Belling / Eberl-Borges, § 831 BGB, Rn. 30. 26 27

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H. Verletzung von Integritätsinteressen

eine Haftung wegen der Verletzung von deliktischen Verkehrssicherungspflichten. Das Hinzutreten der Haftung aus culpa in contrahendo dient nur zur Korrektur des unzureichenden Deliktsschutzes und ist deshalb nicht immer erforderlich. Die spezifischen Schwächen des deutschen Sachrechts sollten für die kollisionsrechtliche Qualifikationsentscheidung aber nicht maßgeblich sein.31 Während die bereits behandelten Fallgruppen des Verschuldens bei Vertragsschluss auch dem Ausgleich vertragsrechtlicher Mängel dienen, steht bei der vorliegenden Haftungskonstellation allein der Ausgleich des schwachen deliktischen Schutzes im Vordergrund. Da die Qualifikation nicht streng den Vorstellungen der lex fori folgt, sondern funktionale Gesichtspunkte ebenso zu berücksichtigen sind, liegt die Annahme der Geltung des Internationalen Deliktsrechts für Schadensersatzansprüche wegen Erhaltungspflichtverletzungen nahe. Diese Auffassung wird bestätigt durch die ökonomische Analyse des Rechts, wonach der Vertragsbereich dann betroffen sein soll, wenn aufgrund eines bereits bestehenden Kontaktes die Möglichkeit der Absprache hinsichtlich eventueller Schadensregulierungen bestanden hätte.32 Im Falle der Verletzung bereits bestehender Rechtsgüter scheint eine Planung der Parteien im Vorfeld des Vertragsschlusses eher lebensfern. Nicht nur, dass ein Minimum an Kontaktaufnahme bereits für die Entstehung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses ausreicht, was schwerlich Raum für eine Vereinbarung lassen würde. Auch ist nicht anzunehmen, dass eine Absprache hinsichtlich zu begehender Delikte im Rahmen der Sonderbeziehung vorgenommen wird. Ausgeschlossen ist es zwar nicht, dass die Beteiligten sämtliche im Vorfeld eines Vertragsabschlusses auftretenden Schäden und Risiken einer privatautonomen Regelung unterwerfen. Aufgrund der zuvor genannten Argumente wird das für die Fälle der Integritätsverletzungen jedoch die Ausnahme sein, was für eine deliktische Qualifikation aus ökonomischer Sicht spricht. Schließlich lässt sich an der für die Vergleichbarkeit mit einem vertraglichen Schuldverhältnis erforderlichen Relativität des Pflichtenprogramms zweifeln. Wie schon mehrfach angesprochen, ist die Gewährleistung der Integrität von absolut geschützten Rechtsgütern grundsätzlich Aufgabe des Deliktsrechts.33 Das Interesse, in seinen bereits vorhandenen Rechtspositionen nicht verletzt zu werden, besteht gegenüber jedermann,34 hat also deliktsrechtlichen Charakter. Im deutschen Sachrecht werden die deliktischen Verkehrssicherungspflichten durch die Annahme konkurrierender Schutzpflichten aus culpa in contrahendo zusätzlich verstärkt, um die angesprochenen Defizite und Einschränkungen des deutschen Deliktsrechts nicht hinnehmen zu müssen. Dennoch bleibt es dabei, dass es sich in 31 Ebenso: AnwKo / Leible, Bd. 1, Art. 32 EGBGB, Rn. 25; Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 25; MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 59; von Bar, IPR, Bd. II, § 4, Rn. 558. 32 Dazu oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (a) (aa). 33 von Bar, Verkehrspflichten, § 9, S. 247. 34 Vgl. Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 47; Reder, S. 145; Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310 (350).

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der Grundform um Pflichten handelt, die gegenüber einem unbegrenzten Personenkreis bestehen. Die Verpflichtung des Warenhausinhabers, darauf zu achten, dass beispielsweise keine Bananenschale auf dem Boden seines Kaufhauses liegt, auf der Kunden ausrutschen könnten, ist eine typische Verkehrssicherungspflicht, die dem Deliktsrecht zugehörig ist.35 Anlass für das Reichsgericht, in solchen Situationen eine rechtsgeschäftsähnliche Haftung zu konstruieren, war nicht zuletzt der Umstand, dass zum Zeitpunkt der „Linoleumrollen-Entscheidung“ und der anderen Warenhausfälle, die Haftung für Verkehrssicherungspflichten noch nicht entwickelt war.36 Dafür spricht auch die Beobachtung, dass in neuerer Zeit keine Gerichtsentscheidungen mehr bekannt geworden sind, die sich mit der Haftung aus culpa in contrahendo wegen Integritätspflichtverletzungen befassen. Nach alldem passt auf solche Fallgestaltungen der deliktische Grundsatz des neminem laedere besser als der vertragliche Grundsatz der Pflichtenrelativität. Festzuhalten bleibt somit, dass die Geltung des Deliktsstatus den Bedürfnissen des Internationalen Privatrechts eher entsprechen würde. Auf kollisionsrechtlicher Ebene ist kein Platz für eine rechtsgeschäftsähnliche Konstruktion zur Lösung der Probleme deliktischer Haftung im deutschen Sachrecht. Die gebotene funktionale Betrachtungsweise verlangt vielmehr die Anerkennung, dass es sich eigentlich um Deliktsrecht handelt. Die Anwendung der Verweisungsregeln für unerlaubte Handlungen würde auch die Rechtsanwendung für europäische Ausländer vereinfachen und dem äußeren Entscheidungseinklang dienen. Sie wäre im europäischen Binnenmarkt integrationsfreundlicher, denn Deutschland steht mit der vertragsrechtlichen Zuordnung dieser Fallgruppe weitgehend allein.37 (2) Geeignetheit der vertraglichen oder deliktischen Anknüpfungsregeln Bei den in Betracht kommenden Anknüpfungsvorschriften stehen sich die Art. 27 ff. EGBGB, denen gem. Art. 31, 32 EGBGB das Prinzip des Einheitsstatuts zugrunde liegt, und Art. 40 ff. EGBGB, die aufgrund des Ubiquitätsprinzips eine Besserstellung des Geschädigten ermöglichen, gegenüber. (a) Vertragliche Anknüpfungsregeln Wie gesehen, kann das Vertragsstatut, dem Gedanken des Einheitsstatuts folgend, auch für die vorvertragliche Haftung fruchtbar gemacht werden, wenn ein ausreichend enger, sachlicher Zusammenhang zwischen dem intendierten oder später abgeschlossenen Vertrag besteht.38 Vgl. von Bar, Verkerspflichten, § 9, S. 248; Horn, JuS 1995, 377 (380). Horn, JuS 1995, 377 (380). Siehe auch: Staudinger / Belling / Eberl-Borges, § 831 BGB, Rn. 37. 37 Oben: Teil H. I. 2. 38 Siehe oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa). 35 36

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H. Verletzung von Integritätsinteressen

Das konnte in den bisher behandelten Fallgruppen jeweils bejaht werden, da sich die vorvertraglichen Pflichtverletzungen jeweils unmittelbar auf den abzuschließenden Vertrag ausgewirkt haben: werden die Vertragsverhandlungen abgebrochen, so gelangt der in seinen groben Umrissen bereits existierende Vertrag nicht zur Entstehung; in der zweiten Fallgruppe kommt zwar ein Vertrag zustande, aufgrund der vorvertraglichen Pflichtverletzung ist dieser aber unwirksam; schließlich kann sich auch das Fehlverhalten hinsichtlich einer Aufklärungspflicht negativ im Vertrag niederschlagen, weil dieser dann nicht wie erwartet zustande gekommen ist.39 In allen diesen Konstellationen ersetzt die culpa in contrahendo den Schaden, der aufgrund der enttäuschten Leistungserwartung entstanden ist. Anders liegt es aber bei der Verletzung von Integritätsinteressen bei Gelegenheit der Vertragsanbahnung. Einen unmittelbaren Einfluss auf den bezweckten Vertragsschluss kann man hier nicht annehmen. Betroffen sind zunächst nur bereits vorhandene Rechtsgüter des Geschädigten. Zwar mag dieser aufgrund der Verletzung seiner Rechtspositionen von der geplanten rechtsgeschäftlichen Bindung Abstand nehmen,40 dies stellt dann aber nur eine mittelbare Folge der vorvertraglichen Pflichtverletzung dar. Zudem muss nicht zwingend der anvisierte Vertragsabschluss aufgegeben werden. Entscheidend ist jedenfalls, dass kein Ersatz für ein nicht erfülltes Leistungsinteresse, sondern für das verletzte Integritätsinteresse gewährt wird.41 Das Fehlverhalten im Vorfeld des Vertragsverhältnisses hat sich nicht in dem Vertrag realisiert, so dass es an einem engen, sachlichen Zusammenhang mit diesem fehlt.42 Dabei spielt es keine Rolle, dass eine vertragliche Bindung zwischen den Parteien gar nicht entstanden ist, denn Gleiches gilt für die Fallgruppe des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen. Allerdings muss vorliegend noch nicht einmal eine Konkretisierung im Hinblick auf den Vertragstyp und die essentialia negotii erfolgt sein. Die vertraglichen Kollisionsregeln, die in ihren Anknüpfungsvermutungen eine Unterscheidung zwischen der Partei, die die charakteristische Vertragsleistung erbringt, und dem Geldschuldner treffen, sind für diese Situation nicht geeignet. Der „Griff in die Zukunft“43, d. h. auf den intendierten Vertrag, ist hier oft zu vage. Ebenso „passt“ die hinter dem Vertragskollisionsrecht stehende Interessenlage nicht auf die Situation der Erhaltungspflichtverletzung. Sie ist darauf ausgerichtet, Siehe oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (aa), Teil F. I. 4. b) aa), Teil G. I. 4. b) aa). Vgl. RGZ 78, 239: Nachdem die Kundin und ihr Kind im Warenhaus von zwei umstürzenden Linoleumrollen zu Boden gerissen worden waren, sah die Kundin vom Kauf eines Linoleumteppichs ab, da sie „durch den Sturz in zu große Erregung geraten war“. 41 von Bar, IPR, Bd. II, Rn. 558; ähnlich auch: Staudinger / Belling / Eberl-Borges, § 831 BGB, Rn. 26 (Integritätsschutz als „Hilfsfunktion“ der c.i.c.); Stoll, in: FS Ferid, S. 495 (505); Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310. 42 Vgl. dazu auch: Nickl, S. 58 f., 66. 43 Vgl. zu dieser Terminologie: Degner, S. 198; ders., RIW 1983, 825 (830) u. H. a. Kegel, JuS 1968, 162. 39 40

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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den Interessenten an einer rechtsgeschäftlichen Bindung die Möglichkeit zur leichten Kalkulation der anwendbaren Rechtsordnung für zukünftig entstehende Streitigkeiten zu bieten. Die Parteien sollen schon im Vorfeld die möglichen Risiken eines vertraglich vereinbarten Leistungsaustausches abschätzen können, um entsprechend vorsorgen oder vom Vertragsabschluss Abstand nehmen zu können.44 Dabei ist insbesondere an Situationen zu denken, in denen die Verhandlungen schon fortgeschritten sind und sich der Abschluss eines Vertrages konkretisiert hat. Diese Interessenlage entspricht aber nicht derjenigen bei den typischen Integritätspflichtverletzungen. Diesbezüglich werden sich die Parteien kaum im Voraus Gedanken über die anwendbare Rechtsordnung machen. Die Möglichkeiten, die das vertragliche Kollisionsrecht bietet, wie beispielsweise eine vorherige Rechtswahl, entsprechen nicht dieser Konstellation. Des Weiteren findet sich in den nicht-staatlichen sachrechtlichen Prinzipienwerken von „UNIDROIT“ und „Lando“ keine Regelung hinsichtlich der Zahlung von Schadensersatz für bei den Verhandlungen verletzte Integritätsinteressen eines der Beteiligten. Das ist als weiterer Anhaltspunkt dafür zu werten, dass auf überstaatlicher Ebene die vorliegende Fallgruppe vorvertraglicher Haftung nicht dem Vertragsbereich zugeordnet wird. Denn die genannten Regelwerke verfolgen einen funktionalen Ansatz, wonach auch solche Rechtsinstitute, die in manchen nationalen Rechtsordnungen als deliktisch angesehen werden, dennoch den Vertragsprinzipien unterfallen können, wenn sie in einem engen Zusammenhang zu vertragsrechtlichen Problemkreisen stehen.45 Die Tatsache, dass der weder die Grundregeln der Internationalen Handelsverträge („UNIDROIT“) noch die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts in der Europäischen Union („Lando“) die vorvertragliche Haftung wegen Erhaltungspflichtverletzungen erwähnen, verdeutlicht deshalb den deliktischen Charakter der vorliegenden Fallgruppe. (b) Deliktische Anknüpfungsregeln Nicht nur die mangelnde Geeignetheit des Vertragskollisionsrechts wiegt schwer für die Anwendung der Art. 40 ff. EGBGB. Vielmehr sprechen die deliktischen Anknüpfungsregeln und die dahinter stehenden Interessen für eine Subsumtion der Haftung wegen Erhaltungspflichtverletzungen unter den Begriff der „Ansprüche aus unerlaubter Handlung“. Zwar fallen in den typischen Fällen einer Integritätsverletzung Handlungsund Erfolgsort zusammen, so dass sich die Begünstigung des Geschädigten aufgrund des durch das Ubiquitätsprinzip gewährten Bestimmungsrechts für die eine oder die andere Rechtsordnung regelmäßig nicht auswirkt. Dennoch „passt“ das Deliktskollisionsrecht grundsätzlich für die Konstellation der Erhaltungspflichtverletzungen. 44 45

Siehe oben: Teil E. I. 4. b) dd) (3) (b) (cc). Dazu bereits oben: Teil E. I. 4.b) dd) (3) (b) (aa).

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H. Verletzung von Integritätsinteressen

Die Bestimmung des Handlungs- oder Erfolgsortes ist bei der Verletzung klassischerweise durch das Deliktsrecht geschützter Rechtgüter wie Körper, Gesundheit und Eigentum unproblematisch. Das anzuwendende Recht zu bestimmen, bereitet keine Schwierigkeiten. Die Geltung der so ermittelten Rechtsordnung führt auch nicht zu zufälligen Ergebnissen, sondern ist aufgrund der lokalen Verknüpfung von Pflichtverletzung und Schadenseintritt sachgerecht. Kommt ein deutscher Kunde in einem ausländischen Kaufhaus bei der Vertragsanbahnung zu Schaden, dann kann er nicht erwarten, durch ein anderes als das ausländische Recht geschützt zu sein, weil sich hier der Handlungs- und Erfolgsort befindet. Der Kaufhausinhaber hat ebenso keine Veranlassung, mit der Geltung einer fremden Rechtsordnung zu rechnen. Ein anderes Ergebnis wäre aufgrund der vorhandenen örtlichen Verknüpfung zufällig und nicht vorhersehbar.46 Die für beide Parteien geltenden Standards hinsichtlich der ihnen obliegenden Loyalitäts- und Schutzpflichten legt ein und dasselbe Statut fest, nämlich die lex loci delicti commissi, so dass die Gefahr unterschiedlich hoher Anforderungen an die Beteiligten nicht vorhanden ist. Schließlich sind die deliktischen Anknüpfungsregeln auch flexibel genug, einer engeren Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung gem. Art. 41 EGBGB Rechnung zu tragen.47 Die Art. 40 ff. EGBGB sind demnach geeignet, die Fälle der Integritätspflichtverletzung bei einer Vertragsanbahnung adäquat zu erfassen. Die unterschiedliche Qualifikation auf kollisionsrechtlicher und sachrechtlicher Ebene ist unschädlich, da aufgrund der funktionalen Beurteilungsmethode bei der Anwendbarkeit deutschen Rechts trotz der deliktischen Zuordnung im Internationalen Privatrecht, die vertragsähnliche Haftung aus culpa in contrahendo berufen wird. Ein zwingender Gleichlauf der Begrifflichkeiten besteht nicht.48 (3) Akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 EGBGB Nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB besteht die Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung an eine besondere rechtliche oder tatsächliche Beziehung zwischen den Parteien, wenn sich daraus eine wesentlich engere Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung als der durch das deliktische Kollisionsrecht berufenen ergibt. Nach der in dieser Arbeit verwendeten Terminologie liegt somit eine sog. „sekundäre akzessorische Anknüpfung“ vor. In der deutschen Literatur ist man sich bereits vor der Einführung des Art. 41 EGBGB im Jahre 199949 mehrheitlich darüber einig gewesen, dass in bestimmten 46 Allerdings wird man bei der Geltung der vertraglichen Anknüpfungsvorschriften zumeist zu den gleichen Ergebnissen kommen, da der gewöhnliche Aufenthalt des Kaufhausinhabers als desjenigen, der bei Abschluss eines Vertrages die charakteristische Leistung erbringen würde, ebenfalls in dem Land sein wird, in dem das Kaufhaus steht. 47 Zur akzessorischen Anknüpfung siehe sogleich. 48 Vgl. Nickl, S. 68.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Konstellationen eine Auflockerung des Deliktsstatuts angezeigt ist.50 Neben der nachträglichen Rechtswahlmöglichkeit und der Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hat sich die Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung an eine andere Sonderverbindung durchgesetzt. Insbesondere wird die akzessorische Anknüpfung einer unerlaubten Handlung an ein zwischen den Parteien bestehendes Vertragsverhältnis diskutiert, wenn das Delikt zugleich ein vertragliches Schuldverhältnis verletzt.51 Doch auch die umgekehrte – sog. deliktsakzessorische – Bestimmung des Vertragsstatuts wird für bestimmte Fälle vertreten.52 Erste Voraussetzung dafür, dass ein Rechtsverhältnis nicht der aufgrund seiner ursprünglichen Anknüpfung anzuwendenden Rechtsordnung unterliegt, sondern das Schicksal einer anderen, vorbestehenden Rechtsbeziehung teilt, ist das Bestehen eines eben solchen Grundverhältnisses, an das sich die Verweisungsentscheidung anlehnen kann. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB lässt dafür nicht nur eine rechtliche, sondern bereits eine tatsächliche Beziehung zwischen den Beteiligten ausreichen. Die als deliktisch qualifizierte vorvertragliche Haftung wegen Obhutsund Erhaltungspflichtverletzungen könnte demnach nachträglich einem anderen Statut unterworfen werden, wenn diese Ansprüche in einem ausreichend engem Zusammenhang53 zu einem anderen zwischen denselben Parteien bestehenden Rechtsverhältnis stehen, das seinerseits nicht dem Internationalen Deliktrecht zuzuordnen ist. Jedoch ist die Feststellung einer bereits im Zeitpunkt der schädigenden Handlung bestehenden Sonderbeziehung zwischen den Parteien nicht unproblematisch. Ein eventuell trotz der Rechtsgutverletzung abgeschlossener Schuldvertrag kommt dafür nicht in Betracht, weil er erst nachträglich entstanden ist und deshalb für die schon im Vorfeld des Vertrages bestehenden Pflichten zum Schutze der Integrität des anderen Teils nicht prägend gewesen sein kann.54 Ebenso muss eine akzessorische Anknüpfung an den intendierten, bei Begehung der Pflichtverletzung noch hypothetischen Vertrag scheitern, da das Vorliegen einer wesentlich engeren Verbindung dann zur reinen Fiktion würde, mit der die Parteien zudem nicht rechnen. Das stellt keinen Widerspruch zur Anwendung des hypothetischen 49 Gesetz zum IPR für außervertragliche Schuldverhältnisse und Sachen vom 21. 5. 1999 (BGBl. I, S. 1026 ff.); vgl. auch: BT-Drucks. 14 / 343. 50 Zur akzessorischen Anknüpfung vgl. MüKo / Kreuzer (1998), Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 65 m. w. N. Siehe auch: von Hoffmann, IPRax 1996, 1 (5 f.); Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1 (2 ff.). 51 Vgl. BGHZ 132, 105 (116); Mankowski, TranspR 1996, 10 (11 f.); Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1 (9 f., 15 ff.); kritisch: von Bar, IPR, Bd. II, § 4, Rn. 560 f. Siehe auch oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (b) (bb). 52 MüKo / Kreuzer (1998), Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 66 ff.; kritisch: Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1 (16). 53 Siehe sogleich. 54 Vgl oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (b) (bb); ebenso Nickl, S. 71.

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H. Verletzung von Integritätsinteressen

Vertragsstatus auf die Fallgruppe des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen dar, denn diese ist von vornherein vertraglich zu qualifizieren, was aufgrund der besonderen Konstellation für die Beteiligten nicht überraschend ist. Das intendierte bzw. im Nachhinein vereinbarte Schuldverhältnis kann mithin keine Sonderbeziehung i. S. v. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB sein, weil es bei Begehung der Pflichtverletzung noch nicht existiert. Teilweise wird die akzessorische Anknüpfung der Erhaltungspflichtverletzungen an das „Vertragsverhandlungsverhältnis“ befürwortet.55 Gemeint ist damit das vertragsähnliche Näheverhältnis, das nach Maßgabe des deutschen Bürgerlichen Rechts aufgrund der Aufnahme geschäftlichen Kontakts entsteht.56 Richtig an dieser Auffassung ist, dass auch das rechtgeschäftsähnliche Schuldverhältnis als eine besondere Beziehung zwischen den Beteiligten angesehen werden kann, die die Geltung des Deliktsstatuts abändert.57 Der Begriff einer besonderen rechtlichen Beziehung i. S. v. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ist so weit auszulegen, dass er vertragsähnliche Sonderverbindungen erfassen kann, die relative Pflichten statuieren. Das bestätigt auch ein Blick in die Begründung zur geplanten Rom II-VO, wonach der Begriff des Rechtsverhältnisses i. S. v. Art. 3 Nr. 3 Rom II-VOE so flexibel ist, dass auch vorvertragliche Beziehungen erfasst werden können.58 Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass im EGBGB eine rein tatsächliche Beziehung ebenfalls ausreichen kann, um eine wesentlich engere Verbindung festzustellen. Dann muss aber eine vertragsähnliche Beziehung in jedem Fall als Sonderverbindung für eine akzessorische Anknüpfung genügen. Allerdings ist nicht immer klar, an welches vorvertragliche Schuldverhältnis die Vertreter der genannten Meinung akzessorisch anknüpfen wollen. Mitunter hat es den Anschein, als würden der Entstehungstatbestand, das „Vertragsverhandlungsverhältnis“, und die daraus folgenden Pflichten abstrakt getrennt und nur die Letzteren dem deliktischen Verweisungsrecht, Erstere dagegen dem Vertragsstatut unterworfen, weshalb sich dann die vertragliche Qualifikation durchsetzt.59 Dabei werden jedoch die Ebenen von Sach- und Internationalem Privatrecht in unzulässiger Weise vermischt. Zunächst ist es zwar nicht zu leugnen, dass das deutsche Sachrecht in der vorliegenden Fallkonstellation ein vertragsähnliches Schuldverhältnis i. S. v. § 311 Abs. 2 BGB annimmt, in dem die Obhuts- und Erhaltungspflichten ihre Grundlage haben, und das durch die Aufnahme geschäftlichen Kontakts entsteht, bei den Warenhausfällen also schon durch das Betreten des Kaufhauses in Kaufabsicht. Sonderverbindung und Pflichtenprogramm bilden mithin eine Einheit. Wenn diese Situation aber auf Kollisionsrechtsebene als unerlaubte 55 56 57 58 59

Frick, S. 207 ff.; Reder, S. 171 ff. Frick, S. 20 ff. Vgl. P. Fischer, S. 222; Kues, S. 188. Begründung zum Rom II-VOE, S. 14, 24. Frick, S. 207 ff.

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Handlung eingestuft wird, dann ist es nicht möglich, ein „Vertragsverhandlungsverhältnis“ davon abzutrennen und so die für dieses Verhältnis geltenden vertraglichen Verweisungsregeln für anwendbar zu erklären, denn das hieße, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen zu wollen. Das für eine akzessorische Anknüpfung notwendige Grundverhältnis wäre hier nämlich gerade kein „anderes“, sondern es wäre identisch mit dem die Erhaltungspflichten begründenden Rechtsverhältnis. Ohnehin ist aber eine vertragsähnliche Sonderverbindung in der Konstellation der Verletzung von Integritätsinteressen im Bereich des Internationalen Privatrechts abzulehnen, weil dort ja gerade das Deliktsstatut gilt. Ein Vertragsanbahnungsverhältnis kann nicht angenommen werden, denn dieses besteht nur im Sachrecht und kann keine wesentlich engere Verbindung im Verweisungsrecht darstellen. Als Anknüpfungspunkt kommt somit nur ein anderes, neben dieser unerlaubten Handlung bestehendes und davon unabhängiges Schuldverhältnis in Betracht. Zu denken ist an ein Szenario, bei dem parallel zu der Erhaltungspflichtverletzung – also einem Delikt auf international-privatrechtlicher Ebene – im Vorfeld des Vertrages, eine der bereits oben genannten, vertraglich einzustufenden Fallgruppen der culpa in contrahendo vorliegt. Daran könnte bei genügend engem Zusammenhang angeknüpft werden. Wenn beispielsweise Vertragsverhandlungen stattfinden, in deren Verlauf die eine Seite in ihrer Integrität von dem anderen Beteiligten verletzt wird und dieser gleichzeitig eine Aufklärungspflichtverletzung begeht, so dass trotz der Erhaltungspflichtverletzung noch ein nicht erwartungsgerechter Vertrag zustande kommt, dann könnte die vorvertragliche Haftung wegen der Integritätsverletzung möglicherweise akzessorisch an die vertraglich zu qualifizierende Fallgruppe der Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages angeknüpft werden. Ebenso könnten die Haftungskonstellationen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen und der Herbeiführung eines nichtigen Vertrages neben einer Erhaltungspflichtverletzung bestehen. Darin zeigt sich wiederum die Besonderheit der vorvertraglichen Haftung wegen Integritätsverletzung, die als einzige Fallgruppe parallel zu anderen Konstellationen der culpa in contrahendo gegeben sein kann, denn die anderen Haftungssituationen schließen sich gegenseitig aus. Allerdings ist ein solches Nebeneinander eher unwahrscheinlich. Auch wenn somit ein Grundverhältnis für die akzessorische Anknüpfung vorliegt, so muss noch eine ausreichend enge Verbindung der unerlaubten Handlung hiermit bejaht werden. Die genauen Voraussetzungen sind umstritten. Nach überwiegender Ansicht reicht ein sachlicher Zusammenhang aus, d. h. unerlaubte Handlungen, die sich nur bei Gelegenheit der Sonderbeziehung ereignen, werden nicht akzessorisch angeknüpft.60 Das zwischen den Beteiligten bestehende be60 Staudinger / von Hoffmann, Art. 41 EGBGB, Rn. 11; von Caemmerer, in: Vorschläge und Gutachten, S. 5 (12 f.); Staudinger, DB 1999, 1589 (1593).

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H. Verletzung von Integritätsinteressen

sondere Rechtsverhältnis muss prägend für das Delikt sein.61 Teilweise wird ein strengerer Maßstab gesetzt: das schädigende Ereignis muss zugleich auf einer Verletzung von aus dem Sonderrechtsverhältnis fließenden besonderen Pflichten beruhen und nicht lediglich auf einem Verstoß gegen allgemeine Pflichten.62 Selbst wenn man das (schwächere) Kriterium des sachlichen Zusammenhangs anwendet, wird dieses nur in den seltensten Fällen vorliegen, da die Integritätspflichtverletzung regelmäßig nur bei Gelegenheit der Vertragsanbahnung geschieht. In den Warenhausfällen bleibt es jedenfalls beim Deliktsstatut.63 Eine andere Bewertung kann vorgenommen werden, wenn die Parteien das vorvertragliche Stadium einer Rechtswahl unterstellt haben und erkennbar alle dort begangenen Pflichtverletzungen damit abdecken wollten. Dann soll das auf das vorvertragliche Schuldverhältnis anwendbare Recht auch für die Erhaltungspflichtverletzungen Geltung beanspruchen. Eine akzessorische Anknüpfung ist demnach beschränkt auf besondere Einzelfälle, weshalb es grundsätzlich bei der deliktischen Qualifikation der Obhuts- und Erhaltungspflichten bleibt. bb) Rom II-VOE Die geplante Rom II-VO bietet zwei Anknüpfungsalternativen für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung. Zum einen kommt eine Subsumtion unter die Formulierung „außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung“ in Betracht, zum anderen kann es sich um ein „außervertragliches Schuldverhältnis aus anderer als unerlaubter Handlung“ handeln. Da es sich um eine europäische Verordnung handelt, sind die Begriffe autonom auszulegen. Damit kann die Subsumtion der Fallgruppe vorvertraglicher Obhuts- und Erhaltungspflichtverletzungen unter „Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ gem. Art. 40 EGBGB nicht automatisch auf den Rom II-VOE übertragen werden. Legt man die Ansicht zugrunde, wonach es sich bei diesen Konstellationen im deutschen Sachrecht eigentlich um Deliktsrecht handelt und demnach die Lösung über ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis abzulehnen ist, liegt eine Qualifikation als unerlaubte Handlung i. S. v. Art. 3 Rom II-VOE nahe. Grundsätzlich würde dann das Recht des Staates gelten, „in dem der Schaden eintritt oder einzutreten droht“. In Art. 3 Nr. 2, 3 Rom II-VOE bestehen ähnlich wie im deutschen Kollisionsrecht verschiedene Auflockerungsmöglichkeiten des Deliktsstatuts. Für die vorvertragliche Haftung wegen der Verletzung von Integritätsinteressen bildet diese Vorschrift aus den bereits zu Art. 40 ff. EGBGB ausgeführten Gründen eine geeignete Anknüpfung. Vgl. BGHZ 132, 105 (116). W. Lorenz, in: Vorschläge und Gutachten, S. 97 (155); so wohl auch: BGHZ 132, 105 (116). 63 Ebenso Reder, S. 171 f. 61 62

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Andererseits weist die Begründung zum Verordnungsentwurf darauf hin, dass „quasivertragliche“ Schuldverhältnisse eher den Bereich der außervertraglichen Haftung aus anderer als unerlaubter Handlung betreffen.64 Art. 9 Rom II-VOE betreffe gerade solche Schuldverhältnisse, die weder aus Vertrag noch aus unerlaubter Handlung entstehen. Unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung der Rechtsinstitute in den einzelnen Rechtsordnungen der verschiedenen Mitgliedstaaten sollen diese Sonderverbindungen getrennt von denen aus unerlaubter Handlung behandelt werden.65 Da die herrschende Ansicht im deutschen Sachrecht die culpa in contrahendo als rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis begreift, das weder aus Vertrag noch aus Delikt entsteht, könnte mithin einiges für eine Subsumtion unter Art. 9 Rom II-VOE sprechen. In dieser Norm finden sich gesonderte Anknüpfungen für Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag. Gem. Nr. 2 gilt bei gemeinsamem gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien zum Zeitpunkt des Schadenseintritts das Recht dieses Staates. Für alle anderen Konstellationen sieht Art. 9 Nr. 1 Rom II-VOE eine „primäre akzessorische Anknüpfung“ an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis – insbesondere auch Beziehungen im Vorfeld eines Vertrages66 – vor. Hier stellt sich für die Haftung wegen vorvertraglichen Erhaltungspflichtverletzungen das eben schon angesprochene Problem des Auffindens eines vorbestehenden Grundverhältnisses für eine akzessorische Anknüpfung. Der Anknüpfungspunkt ist deshalb für diese Fallgruppe der culpa in contrahendo grundsätzlich nicht geeignet.67 Eine klare und vorhersehbare Verweisungsentscheidung wird vielmehr über Art. 3 Rom II-VOE erreicht. Da die Subsumtion von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung von Integritätsinteressen unter den Begriff der unerlaubten Handlung i. S. d. Verordnungsentwurfs durchaus vertretbar erscheint und die Anknüpfungsmethodik den Parteiinteressen entspricht, sollte man Art. 3 Rom II-VOE auf die vorliegende Fallgruppe der culpa in contrahendo anwenden.

4. Ergebnis Die vorvertragliche Haftung wegen der Verletzung von Obhuts- und Erhaltungspflichten ist im Internationalen Privatrecht deliktisch zu qualifizieren. Im EGBGB gelten die Art. 40 ff. De lege ferenda findet Art. 3 Rom II-VO Anwendung. Eine akzessorische Anknüpfung an das für das „Vertragsverhandlungsverhältnis“ geltende Vertragsstatut ist nicht ausgeschlossen, aber auf sehr seltene Einzelfälle beschränkt. 64 65 66 67

Begründung zum Rom II-VOE, S. 9. Begründung zum Rom II-VOE, S. 23. Begründung zum Rom II-VOE, S. 24. Vgl. bereits oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (b) (bb).

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H. Verletzung von Integritätsinteressen

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht Die internationale Zuständigkeit der Gerichte bei Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung vorvertraglicher Obhuts- und Erhaltungspflichten richtet sich auf europäischer Ebene nach den Vorschriften der EuGVO (bzw. des EuGVÜ) und im deutschen autonomen Prozessrecht nach den Normen der ZPO.

1. EuGVO / EuGVÜ Möglicherweise steht dem Kläger einer der Wahlgerichtsstände des Art. 5 EuGVÜ / EuGVO zur Verfügung, um seine Ansprüche aus culpa in contrahendo wegen der Verletzung seiner Integrität geltend zu machen. a) Meinungsstand Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Sache Tacconi / HWS ist davon auszugehen, dass im Europäischen Zivilprozessrecht diejenigen Fallgruppen der culpa in contrahendo, in denen es im Anschluss an das Vertragsanbahnungsverhältnis nicht mehr zu einem Vertragsabschluss gekommen ist, deliktisch qualifiziert werden, denn es mangelt nach Feststellung des Gerichts an irgendeiner freiwillig eingegangenen Verpflichtung.68 Das gilt insbesondere für die Konstellation der Rechtsgutverletzung bei Gelegenheit der Vertragsverhandlungen, bei der im deutschen Sachrecht bereits zu einem sehr frühen Stadium, in dem der intendierte Vertrag noch nicht weiter konkretisiert sein muss, eine vertragsähnliche Sonderverbindung angenommen wird, rechtsvergleichend betrachtet aber eine typische Deliktssituation gegeben ist. Die im Vordringen befindliche Meinung hinsichtlich einer differenzierten Anknüpfung der culpa in contrahendo im Internationalen Privatrecht je nachdem, ob Verkehrspflichten – dann deliktische Qualifikation – oder Aufklärungs- und Beratungspflichten – dann vertragliche Qualifikation – verletzt worden sind, findet auch auf der Ebene des europäischen Verfahrensrechts ihren Niederschlag. Bloße Verletzungen von Verkehrs- und Schutzpflichten sollen dem Deliktsklagengerichtsstand zuzuordnen sein.69 Die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO auf die vorvertragliche Integritätsverletzung wird – soweit ersichtlich – nicht explizit vertreten, ergibt sich jedoch dann, wenn mit einer Mindermeinung die culpa in contrahendo in ihrer Gesamtheit dem Vertragsklagengerichtsstand unterworfen wird.70 Vgl. oben: Teil E. II. 1. a) cc). Gebauer / Wiedemann / Gebauer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 41 f.; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (654); siehe auch oben: Teil E. II. 1. b) aa). 70 Vgl. Schlosser, EuZPR, Art. 5 EuGVVO, Rn. 5. 68 69

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b) Eigene Stellungnahme Bei der Entscheidung, ob der Gerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO auf die in Rede stehende vorvertragliche Haftungskonstellation Anwendung finden soll, ist die Subsidiarität des Deliktsklagengerichtsstands zu beachten,71 so dass eine vertragliche Qualifikation nicht von vornherein außer Betracht gelassen werden kann, sondern vielmehr eine beide Zuständigkeitsnormen vergleichende Vorgehensweise geboten ist. aa) Kein enger, sachlicher Zusammenhang mit dem Vertrag Eine „direkte“ vertragliche Qualifikation scheidet für alle Konstellationen vorvertraglichen Verschuldens aus, weil die gesetzliche Sonderverbindung der culpa in contrahendo nicht auf freiwillig eingegangenen Verpflichtungen der Beteiligten beruht.72 Grund für die Subsumtion der bisher behandelten Fallgruppen unter die Formulierung „Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ist hingegen das Vorliegen eines ausreichend engen, sachlichen Zusammenhangs der vorvertraglichen Haftung mit einem abgeschlossenen oder nur intendierten, allerdings bereits weitgehend konkretisierten, Vertragsverhältnis. Demzufolge sind nur diejenigen Klagen deliktisch einzuordnen, „mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Artikel 5 Nr. 1 [EuGVÜ] anknüpfen“.73 Fehlt es an einer solchen „inneren Verbindung“ bei vorvertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen Integritätsverletzungen, so spricht das gegen den Vertragsklagen- und für den Deliktsklagengerichtsstand. Wie bereits auf international-privatrechtlicher Ebene festgestellt, beeinflusst eine Obhuts- oder Erhaltungspflichtverletzung den Abschluss eines intendierten Vertrages allenfalls mittelbar.74 Es geht vielmehr um den Ersatz des Integritätsinteresses, nicht des Leistungsinteresses. Ohnehin wird man oftmals daran zweifeln können, ob das beabsichtigte Vertragsverhältnis bereits soweit konkretisiert ist, dass man eine vertragliche Verpflichtung ausmachen könnte, deren Erfüllungsort das zuständige Gericht bestimmt. Nur in Ausnahmefällen besteht im Internationalen Privatrecht die Möglichkeit einer „Umetikettierung“ als vertraglich im Zuge einer akzessorischen Anknüpfung. Im europäischen Zivilprozessrecht existiert sie jedoch nicht. Zwar ist damit zu rechnen, dass de lege ferenda ein Sachzusammenhangsgerichtsstand zumindest für deliktische Ansprüche beim Vertragsklagengerichtsstand eingeführt wird.75 Bis es soweit ist, müssen Klagen aus unerlaubter Handlung jedoch trotz enger Verbindung zu vertraglichen Ansprüchen vor dem 71 72 73 74 75

Dazu bereits oben: Teil E. II. 1. d). Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) aa) (1), (2). EuGH 27. 09. 1988 – 189 / 87, Kalfelis / Schröder u. a., Slg. 1988, 5565 (5585, Nr. 17). Oben: Teil H. I. 3. b) aa) (2) (a). Vgl. dazu oben: Teil C. II. 3. b) dd).

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nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO zuständigen Gericht geltend gemacht werden. Demnach liegt die Annahme einer deliktischen Qualifikation für die vorliegende Fallgruppe nahe. bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen und Grundwertungen der EuGVO Zweite Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Deliktsklagengerichtsstands ist die Übereinstimmung mit der ratio legis des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO und den Grundwertungen des Europäischen Zivilprozessrechts. (1) Ratio legis Der Wahlgerichtsstand für Klagen aus unerlaubter Handlung wird insbesondere mit der Schaffung eines sach- und beweisnahen Forums gerechtfertigt.76 Zudem ist die Privilegierung des Geschädigten zu nennen, der nicht gezwungen sein soll, am Wohnsitz des Schädigers sein Recht zu suchen, und dem bei Distanzdelikten ein Wahlrecht zwischen Handlungs- und Erfolgsort eingeräumt wird. Gerade letzteres bietet den nicht zu unterschätzenden Vorteil mit dem Forum zugleich das anwendbare, im Internationalen Deliktsrecht nicht vereinheitlichte Kollisionsrecht und damit mittelbar das anwendbare Sachrecht zu wählen.77 Diesen Zwecken wird bei Anwendung auf Integritätsverletzungen grundsätzlich Rechnung getragen, was den eigentlich deliktischen Ursprung dieses vorvertraglichen Fehlverhaltens noch einmal verdeutlicht. Wird beispielsweise ein potentieller Kunde in einem Warenhaus durch ein umstürzendes Regal verletzt, so besteht eine „besonders enge Beziehung“78 zwischen der Streitigkeit und dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Die Umstände unter denen sich das schädigende Ereignis zugetragen hat, lassen sich nämlich vor Ort am besten würdigen. Es liegt ein lokaler Bezug bei den in Rede stehenden Haftungskonstellationen vor. Das Forum ist deshalb regelmäßig beweis- und auch sachnah. Außerdem wirkt sich die Begünstigung des Geschädigten durch die Einräumung des Wahlrechts zwischen Handlungs- und Erfolgsort nicht in besonderer Weise nachteilig für den Schädiger aus, da die typischen Konstellationen der vorvertraglichen Erhaltungspflichtverletzungen Platzdelikte darstellen. Zugleich verfangen die bei den anderen Fallgruppen angeführten Argumente gegen die Geltung des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO nicht. Sowohl der Erfolgsort Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) bb) (1). Siehe oben: Teil C. II. 3. a). 78 Bericht Jenard, BT-Drucks. VI / 1973, S. 52 (69); EuGH 30. 11. 1976 – 21 / 76, Bier / Mines de Potasse d’Alsace, NJW 1977, 493 (493); 22. 03. 1983 – 34 / 82, Peters / ZNAV, Slg. 1983, 987 (1002, Nr. 11); 19. 09. 95 – 364 / 93, Marinari / Lloyds Bank, JZ 1995, 1107 (1107, Nr. 1). 76 77

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als der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde, als auch der Handlungsort, als der Ort, an dem das schadensursächliche Geschehen stattgefunden hat,79 können für die Integritätsverletzungen aufgrund vorvertraglichen Fehlverhaltens ohne weiteres bestimmt werden. Die Schwierigkeiten der jeweiligen Ortsbestimmung bei der Verletzung von Aufklärungspflichten oder des ungerechtfertigten Verhandlungsabbruchs bestehen hier nicht.80 Außerdem sind viele Fälle der Erhaltungspflichtverletzungen einer typischen Deliktssituation nicht unähnlich. Zwar begeben sich auch in den Warenhausfällen die Beteiligten willentlich zueinander in Kontakt, doch nicht immer sind die Bindungen bereits so ausgeprägt, dass man von einem vertragsähnlichen Vertrauensverhältnis sprechen kann. Insbesondere dann, wenn ein potentieller Kunde beim Betreten eines Kaufhauses verletzt wird, ist es schwer einzusehen, dass die Parteien die Anonymität des Deliktsrechts bereits hinter sich gelassen haben sollen und sich nicht mehr wie Fremde einander gegenüber stehen sollen. Einziger Unterschied zu dem vor einem Unwetter Schutzsuchenden, der verletzt wird, ist der innere Wille, der möglicherweise im Sachrecht, nicht aber im Internationalen Privatrecht ausschlaggebend sein kann. Es ist letztlich eine schwierig zu klärende Beweisfrage, ob dem Verletzten auf sachrechtlicher Ebene ein verstärkter Schutz nach vertragsrechtlichen Grundsätzen gewährt wird oder nicht. Die Übertragung dieser Unsicherheiten auf die verweisungsrechtliche Ebene ist nicht sachgerecht. Zudem ist dies auch nicht erforderlich, denn wenn die deliktischen Anknüpfungsregeln deutsches Sachrecht für anwendbar erklären, dann ist nicht nur das deutsche Sachrecht der unerlaubten Handlung berufen, sondern aufgrund der funktionalen Vorgehensweise auch ein Anspruch aus culpa in contrahendo wegen Integritätsverletzung zu prüfen. Im Gegensatz zum Deliktsklagengerichtsstand will Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO den Parteien einer rechtsgeschäftlichen Bindung ein kalkulierbares Forum für alle mit dem freiwillig eingegangenen Sonderverhältnis in engem Zusammenhang stehenden Streitigkeiten bieten. Der Gerichtsstand als der Ort für potentielle rechtliche Auseinandersetzungen ist für die Risikoabwägung zukünftiger Vertragspartner von Interesse und fließt deshalb regelmäßig in die Überlegungen und Planungen der Verhandlungspartner mit ein.81 Anders liegt es grundsätzlich in den Konstellationen der Erhaltungspflichtverletzungen. Das zukünftige Vertragsklagengericht entfaltet für die Verletzung der durch das Deliktsrecht geschützten Rechtsgüter keine besondere Anziehungskraft, da diese nur gelegentlich der Verhandlungen erfolgt und nicht in einem inneren Zusammenhang zu dem abzuschließenden Vertrag steht. Weil das vorvertragliche Verhalten mithin nur wenig mit dem anvisierten Vertragsschluss „zu tun“ hat, kann davon ausgegangen werden, dass die vorherigen Überlegungen, die rechtsgeschäftliche Bindung betreffend, 79 80 81

Dazu bereits oben: Teil E. II. 1. d) bb) (1). Siehe oben: Teil E. II. 1. d) bb) (1), Teil G. II. 1. b) bb). Siehe oben: Teil E. II. 1. d) bb) (2).

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nicht die Geltung des Vertragsklagengerichtsstands für deliktische Verletzungen mit eingeschlossen haben. Hinzu kommt das bereits angesprochene Problem der Identifizierung einer vertraglichen Verpflichtung i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO, die für die Bestimmung des Erfolgsortes erforderlich ist. Das Auffinden des zuständigen Gerichts ist im Vergleich zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO erschwert. Alles in allem ist das Forum der unerlaubten Handlung für die vorvertragliche Haftung wegen der Verletzung von Obhuts- und Erhaltungspflichten geeigneter. (2) Systematik und Zielsetzung der EuGVO Schließlich sind Systematik und Zweck des Europäischen Zivilprozessrechts, also dessen Grundwertungen zu berücksichtigen. Mittels vorhersehbarer Gerichtsstände soll das Funktionieren des Rechtsverkehrs im europäischen Binnenraum gewährleistet werden. Die Beteiligten an einem internationalen Rechtsstreit sollen das dafür zuständige Gericht leicht ermitteln können.82 Für den Deliktsklagengerichtsstand ist anzuführen, dass aus Sicht der nationalen Sachrechtsordnungen in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten ein Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung vorliegt.83 Es ist zu erwarten, dass diese Zuordnung von den Parteien auf die EuGVO übertragen wird. Doch nicht nur die national-sachrechtliche Sicht führt zur Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO. Die bei einem Sachverhalt mit Auslandsberührung, insbesondere bei der zugrundeliegenden autonomen Qualifikationsmethode, zu fordernde Umschau auf europäischer Ebene führt zum EVÜ sowie den „UNIDROIT-“84 und „LandoPrinzipien“, die die vorliegende Fallgruppe vorvertraglicher Haftung nicht erfassen, was wiederum gegen eine Geltung des Gerichtsstands am Erfüllungsort spricht. Zwar ist das europäische Prozessrecht unabhängig vom Internationalen Privatrecht und den sachrechtlichen Prinzipienwerken. Dennoch stehen diese Kodifikationen nicht beziehungslos nebeneinander.85 Vor allem ergänzen sich das EVÜ und die EuGVO (bzw. das EuGVÜ), so dass der fehlenden Regelung von Schadensersatzansprüchen wegen vorvertraglichen Schutzpflichtverletzungen im staatsvertraglichen Übereinkommen zumindest eine Indizfunktion dergestalt zukommt, dass es sich funktional betrachtet bei derartigen Ansprüchen nicht um Vertragsrecht handelt. Des Weiteren kommt die Zuständigkeit des Gerichts für Klagen aus unerlaubter Handlung auch für vorvertragliche Integritätsverletzungen für die Beteiligten an dem Rechtsstreit nicht überraschend, da sie ohnehin in der Regel den Sachverhalt als deliktischen einstufen werden. Das deutsche Sachrecht nimmt schließlich parallel zu der vorvertraglichen Haftung aus culpa in contrahendo ebenfalls eine deliktische Verkehrspflichtverletzung an. Das Vorliegen eines ver82 83 84 85

Siehe oben: Teil E. II. 1. d) cc) (1). Vgl. oben: Teil B. II. 4. Dieses Prinzipienwerk ist allerdings nicht auf Europa beschränkt. Vgl. beispielsweise oben: Teil E. I. 4. b) aa), II. 1. d) aa) (3).

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tragsähnlichen Näheverhältnisses, das das deliktische Verhalten prägt und dieses deshalb als eher vertraglich erscheinen lässt, ist zumeist nicht anzunehmen. Zwar ist Zweck der Kontaktaufnahme der Abschluss eines Vertrages, doch ist dieser regelmäßig noch so weit entfernt, dass seine Ausstrahlungswirkung das vorvertragliche Fehlverhalten noch nicht erfasst. Da zudem nicht das Interesse an dem Zustandekommen des Rechtsgeschäfts, sondern das Interesse an der Integrität bereits vorhandener Rechtsgüter betroffen ist, steht nicht ohne weiteres zu erwarten, dass die Beteiligten mit der Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands rechnen werden. Folglich ist der Wahlgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO vorhersehbar. Für die mit dem Rechtsstreit befassten Richter wird die Bejahung oder Verneinung der internationalen Zuständigkeit vereinfacht, wenn die umstrittene Sachrechtslage nicht auf die Ebene des Europäischen Zivilprozessrechts übertragen wird. Die einfache Abgrenzung der Gerichtsstände ist bei einer Subsumtion unter den Begriff der „unerlaubten Handlung“ i. S. v. Art. 5 Nr. 3 EuGVO gewährleistet. Eine andere als die deliktische Qualifikation würde hingegen die Erkennbarkeit des zuständigen Forums erschweren. Ebenso spricht die Prozessökonomie für eine deliktische Qualifikation von Schadensersatzansprüchen wegen Obhuts- und Erhaltungspflichtverletzungen. Für die Mitgliedstaaten, deren Rechtsordnungen ohnehin nur deliktische Ansprüche vorsehen, ergeben sich keine Besonderheiten. Doch gerade für Deutschland und Österreich, die eine Haftung aus culpa in contrahendo wegen Integritätsverletzungen kennen, bietet sich die Zuständigkeit des Deliktsklagengerichtsstands aus Konzentrationsgründen an, weil neben den rechtsgeschäftsähnlichen Ansprüchen typischerweise solche aus unerlaubter Handlung gegeben sind. Mangels eines Gerichtsstands kraft Sachzusammenhangs de lege lata wird so eine erstrebenswerte Verfahrensökonomie erreicht. Das Gericht, das als kompetent angesehen wird, über die deliktischen Schadensersatzansprüche zu entscheiden, ist nicht weniger kompetent, die deliktische Fallgruppe der culpa in contrahendo zu beurteilen. Da es sich um einen zusammenhängenden Lebenssachverhalt handelt, reicht eine einheitliche Beweisaufnahme aus. Der Prozessökonomie käme die Anwendbarkeit des Deliktsklagengerichtsstands für vorvertragliche Erhaltungspflichtverletzungen zugute. cc) Ergebnis Demnach bleibt festzuhalten, dass weder ein ausreichend enger sachlicher Zusammenhang mit einem abgeschlossenen oder geplanten, schon hinreichend konkretisierten Vertrag besteht, um eine Subsumtion unter die Formulierung „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ rechtfertigen zu können, noch die ratio legis des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO auf die Konstellation der vorvertraglichen Haftung wegen der Verletzung von Obhuts- und Erhaltungspflichtverletzungen „passt“. Demnach ist der Weg frei für die Anwendung des subsidiären Gerichts-

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stands aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO. Aufgrund der Ähnlichkeit der vorliegenden Haftungsfallgruppe mit einer typischen Deliktssituation liegt eine Klage aus einer „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ vor. Zudem sprechen die ratio legis und die Grundwertungen der EuGVO (bzw. des EuGVÜ) für den Deliktsklagengerichtsstand. Der Geschädigte kann also in Abweichung zum allgemeinen Beklagtengerichtsstand das nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO zuständige Forum erwählen. 2. ZPO Außerhalb des Anwendungsbereichs des europäischen Zuständigkeitsrechts entscheidet das deutsche autonome Zivilprozessrecht über die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Schadensersatzklagen aus culpa in contrahendo.

a) Meinungsstand In der deutschen Literatur wird die culpa in contrahendo in ihrer Gesamtheit für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit mehrheitlich dem § 29 ZPO zugeordnet,86 was für die internationale Zuständigkeit Indizwirkung hat. Geprägt ist diese prozessrechtliche Qualifikation durch die materielle Rechtslage, wonach gem. § 311 Abs. 2, 3 BGB alle Fallgruppen der culpa in contrahendo als rechtsgeschäftsähnlich aufgefasst werden und die Anspruchsgrundlage in § 280 BGB, nicht im Deliktsrecht zu finden ist. Zwar wird teilweise die Einbeziehung des allgemeinen Integritätsinteresses unter den Mantel der culpa in contrahendo aufgrund der mangelnden Vertragsbezogenheit kritisiert. Wer dies im materiellen Recht aber dennoch tue, der müsse dann auf prozessualer Ebene die Konsequenz ziehen und § 29 ZPO anwenden.87 Doch auch diejenigen, die die Geltung des Vertragsklagengerichtsstands ablehnen, befürworten nicht den besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, sondern verneinen die Existenz einer Sonderzuständigkeit für diese Haftungskonstellationen und verweisen auf den allgemeinen Beklagtengerichtstand des § 12 ZPO.88

b) Eigene Stellungnahme Einerseits sprechen einige der im Rahmen der EuGVO (bzw. des EuGVÜ) angeführten Argumente ebenfalls für die deliktische Qualifikation von vorvertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen Obhuts- und Erhaltungspflichtverletzungen im Geltungsbereich der ZPO. Dies gilt insbesondere für die deliktsähnliche Situation 86 87 88

Siehe obige Ausführungen: Teil E. II. 2. b). Vgl. Küpper, DRiZ 1990, 445 (447). Busche, DRiZ 1989, 370 (372).

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und den mangelnden inneren Zusammenhang zu einem Vertrag sowie die ratio legis des Deliktsklagengerichtsstands. Die Ausdehnung der culpa in contrahendo auf den Bereich der deliktischen Verkehrssicherungspflichten wird von großen Teilen des Schrifttums im deutschen Sachrecht kritisiert.89 Zudem ist die hinter Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO stehende Interessenlage mit den Wertungen des Deliktsklagengerichtsstands im deutschen autonomen Zivilprozessrecht durchaus vergleichbar. Als Tatort i. S. d. § 32 ZPO kommen hier auch der Handlungs- oder der Erfolgsort in Betracht, wobei ersterer der Ort ist, an dem die für den Schaden kausale Handlung begangen wurde, während letzterer als der Ort definiert wird, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde.90 Maßgeblich für die Schaffung dieser Wahlgerichtsstände sind in beiden Fällen Gesichtspunkte der Sachnähe und der Zuständigkeitsgerechtigkeit gewesen.91 Folglich könnten die Ausführungen zum Europäischen Zivilprozessrecht auf das internationale Zuständigkeitsrecht übertragen werden. Andererseits sind die unterschiedlichen Qualifikationsmethoden auf europäischer Ebene einerseits und auf nationaler Ebene andererseits zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit aufgrund des autonomen deutschen Prozessrechts gilt die Qualifikation lege fori, die vom deutschen materiellen Recht gefärbt ist. Vielfach wird dies unter Hinweis auf den „dienenden“ Charakter des Prozessrechts gerechtfertigt.92 Aus Sicht der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung in Deutschland gehört die Fallgruppe vorvertraglicher Integritätsverletzungen zur Haftung aus culpa in contrahendo, also aus einem rechtsgeschäftsähnlichen Vertrauensverhältnis. Da sich laut der Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz durch die Normierung des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen an den bisher anerkannten Fallgruppen nichts ändern sollte, ist diese Auffassung nunmehr gesetzlich verankert worden.93 Durch die amtliche Überschrift des § 311 BGB, in dem das vorvertragliche Schuldverhältnis als „rechtsgeschäftsähnlich“ bezeichnet wird und durch den Standort im BGB betont der Gesetzgeber die Nähe der culpa in contrahendo zum Vertragsrecht. Zwar bleibt es ein zwischen Vertrag und Delikt stehendes Rechtsverhältnis. Trotzdem ist aus diesem materiell-rechtlichen Verständnis heraus gut vertretbar, auch für die internationale Zuständigkeit nach den Normen der ZPO eine vertragliche Qualifikation hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit zu befürworten. Bereits oben: Teil H. BGH NJW 1996, 1411 (1414); Geimer, IZPR, Rn. 1500 f.; MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 32 ZPO, Rn. 20; Musielak / Heinrich, § 32 ZPO, Rn. 14; Thomas / Putzo / Hüßtege, § 32 ZPO, Rn. 7; Zimmermann, § 32 ZPO, Rn. 4. 91 Vgl. zur EuGVO oben: Teil E. II. 1. d) bb) [1]; zur ZPO: MüKo-ZPO / Patzina, Bd. 1, § 32 ZPO, Rn. 1; Musielak / Heinrich, § 32 ZPO, Rn. 1; Stein / Jonas / Roth, Bd. I, § 32 ZPO, Rn. 1. 92 Vgl. Stein / Jonas / Brehm, Bd. I, vor § 1 ZPO, Rn. 92. 93 Vgl. oben: Teil B. I. 1. 89 90

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H. Verletzung von Integritätsinteressen

Es bleibt mithin abzuwägen, ob die Gründe, die für eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen vorvertraglicher Schutzpflichtverletzungen im Deliktsklagengerichtsstand sprechen, überwiegen oder den Argumenten für die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands mehr Gewicht zukommt. Für letzteres spricht, das soeben angesprochene materiell-rechtliche Verständnis der vorliegenden Fallgruppe. Eine Rücksichtnahme auf andere Rechtsordnungen, die – wie rechtsvergleichend festgestellt – eher dem Deliktsrecht zuneigen,94 bedarf es somit nicht in besonderem Maße. Auf europäischer Ebene schreitet die Rechtsvereinheitlichung mittels Verordnungen und Staatsverträgen ohnehin voran, so dass das autonome deutsche Recht hier nicht anwendbar ist. Im Hinblick auf die Staaten außerhalb des europäischen Binnenraumes ist aufgrund der Vielzahl divergierender Rechtsordnungen eine Rechtsvereinheitlichung utopisch, weshalb eine vertragliche Qualifikation nicht schon deshalb ausscheiden muss. Allerdings ist auch aufgezeigt worden, dass das materiell-rechtliche Verständnis der vorliegenden Fallgruppe nicht unumstritten ist. Es kommt hinzu, dass die zivilprozessualen Wertungen nicht mit denen des Sachrechts konform gehen müssen. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, bei denen die Entscheidung über das international zuständige Gericht besonders große Bedeutung hat, ist die automatische Übertragung materiell-rechtlicher Kategorien nicht geboten. Die Interessenlage des Deliktsklagengerichtsstands erfasst die Fallgruppe der Verletzung vorvertraglicher Erhaltungspflichten besser als § 29 ZPO,95 was maßgeblich für eine deliktische Qualifikation auf der Ebene des deutschen autonomen Zivilprozessrechts spricht. Weiterhin werden auch im Kollisionsrecht die vorvertraglichen Schutzpflichtverletzungen dem Internationalen Deliktsrecht zugeordnet. Es ist zu beachten, dass sich die Auslegung der Anknüpfungspunkte in § 32 ZPO an denen des deutschen Internationalen Privatrechts orientiert.96 Eine einheitliche Auslegung im Sinne einer erzwungenen Wertungskongruenz ist damit zwar nicht gemeint. Im konkreten Fall kann aber eine Vermutung für ein paralleles Begriffsverständnis sprechen.97 Sieht man § 32 ZPO als passende Gerichtsstandsnorm an, dann könnte auf internationaler Ebene ein erstrebenswerter Gleichlauf zwischen Internationalem Privat- und Zuständigkeitsrecht erreicht werden. Folglich überwiegen die Argumente dafür, dass der Deliktsklagengerichtsstand das international zuständige Forum für die Geltendmachung vorvertraglicher Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Integritätsinteressen bestimmt.

Vgl. oben: Teil B. II. 4. Vgl. oben: Teil H. II. 1. b) bb). 96 Weller, IPRax 2000, 202 (205 f.) m. w. N. Im Gegensatz zur Auslegung der Anknüpfungspunkte in Art. 5 Nr. 3 EuGVO, die autonom zu erfolgen hat, siehe oben: Teil D. II. 2. a). 97 Weller, IPRax 2000, 202 (206). 94 95

III. Gesamtergebnis

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3. Ergebnis Schadensersatzklagen wegen der Verletzung von Integritätsinteressen können nach Wahl des Klägers auch vor den besonderen Gerichtsständen des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO bzw. des § 32 ZPO geltend gemacht werden.

III. Gesamtergebnis Im Internationalen Privatrecht ist die Verletzung von Integritätsinteressen im Vorfeld des Vertragsabschlusses deliktsrechtlich zu qualifizieren. Ebenso liegt die Qualifikationsentscheidung für das Europäische Zivilprozessrecht, weshalb entsprechende Schadensersatzklagen nicht nur am allgemeinen Beklagtengerichtsstand erhoben werden können, sondern nach Wahl des Klägers auch im Deliktsklagengerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO. Das gilt auch, soweit das autonome deutsche Prozessrecht die internationale Zuständigkeit des Forums festlegt. In diesem Fall findet § 32 ZPO Anwendung.

I. Dritthaftung Im deutschen Sachrecht besteht gem. § 311 Abs. 3 BGB die Möglichkeit der Haftung Dritter aus einem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung. Anders als bei den oben angesprochenen Zweipersonenverhältnissen soll die dritte Person dabei von vornherein nicht selbst Vertragspartner werden. Trotzdem kann der Dritte wegen culpa in contrahendo haften, wenn er entweder besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt oder ein überragendes wirtschaftliches Eigeninteresse aufweist. Dabei werden folgende Fallgruppen gebildet: Man unterscheidet zwischen der Eigenhaftung des Vertreters und des Verhandlungsgehilfen, der Sachwalterhaftung sowie der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung.1 Allerdings wird diese Einteilung nicht immer strikt durchgehalten. Insbesondere die Bedeutung des Sachwalterbegriffs und seine Trennung von der Kategorie der Vertreterhaftung ist nicht immer einheitlich.2

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht Da die international-privatrechtliche Qualifikation nicht entscheidend von den dogmatischen Einordnungen im materiellen Recht abhängt, empfiehlt es sich, für die kollisionsrechtliche Anknüpfung funktional vergleichbare Fallgruppen zu bestimmen, die nicht notwendigerweise den sachrechtlichen entsprechen müssen. Zum einen kann den Drittschädiger die Haftung treffen, wenn er besonderes persönliches Vertrauen in seine Person in Anspruch nimmt. Andererseits reicht in manchen Konstellationen auch schon ein typisierter Vertrauenstatbestand aus. Schließlich soll aufgrund eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses gehaftet werden. Möglicherweise treffen mehrere dieser Haftungsgründe in manchen Fällen auch zusammen. Dann muss bei unterschiedlicher Anknüpfung der verschiedenen Fallgruppen entschieden werden, welche sich gegenüber der anderen durchsetzt. 1. Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens Als wichtigste Fallgruppe der Dritthaftung aus culpa in contrahendo ist die Konstellation zu nennen, in der die pflichtverletzende Partei in besonderem Maße das 1 2

Vgl. oben: Teil B. II. 5. Siehe oben: Teil B. II. 5.

I. Qualifikation im Internationalen Privatrecht

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Vertrauen der anderen Seite für sich persönlich in Anspruch nimmt. Das kann für einen Vertreter genauso gelten wie für einen Sachwalter sowie im Rahmen einer Prospekthaftungssituation.3 Eine explizite Anknüpfungsregelung dieser Haftungskategorie sucht man im deutschen Kollisionsrecht jedoch vergeblich. Auch auf europäischer Ebene wird man nicht fündig. Das Grünbuch zur Umwandlung des EVÜ in eine Verordnung sowie der neue Verordnungsentwurf Rom I sprechen die vorhandenen Qualifikationsschwierigkeiten nicht an, während im Verordnungsentwurf Rom II ausdrücklich auf eine Kodifzierung durch den Gesetzgeber verzichtet und die Lösung des Problems dem EuGH überlassen wird.

a) Meinungsstand Weder in der deutschen Rechtsprechung noch in der Literatur werden die Dritthaftungsfälle kollisionsrechtlich gleich behandelt. Es lassen sich drei größere Strömungen unterscheiden, für die wiederum unterschiedliche Modifikationsvorschläge gemacht werden. So wird teilweise das Statut des Vertrages herangezogen, an dessen Zustandekommen der Dritte mitgewirkt hat. Während manche Autoren das Zielvertragsstatut direkt für einschlägig halten,4 hat der BGH sich inzident und ohne nähere Begründung für eine vertragsakzessorische Anknüpfung entschieden.5 Andererseits wird eine deliktsrechtliche Qualifikation propagiert. Diese Ansicht findet ihren Niederschlag in der Mehrzahl der instanzgerichtlichen Urteile.6 Nach einer dritten Meinungsgruppe soll ein eigenes Sachwalterstatut gelten, dessen Ausformung aber im Einzelnen variiert und umstritten ist.7 Aufgrund des bereits für vertragliche Schuldverhältnisse bestehenden und zukünftig für außervertragliche Schuldverhältnisse zu berücksichtigenden Gebots der einheitlichen Auslegung bzw. de lege ferenda verordnungsautonomen Auslegung Vgl. oben: Teil B. IV. 5. a), b), c). Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (953 f.); weitere Autorennachweise: unten I. 1. b). 5 BGH JR 1987, 198 ff. Explizit offen gelassen hat der BGH aber die kollisionsrechtliche Einordnung der Sachwalterhaftung in einem Urteil aus dem Jahre 2003, vgl. NJW-RR 2004, 308 (309). 6 OLG Frankfurt IPRax 1986, 373 (377 f.); OLG Hamburg IPRspr. 1988, Nr. 33, S. 69 (70); LG Hamburg IPRspr. 1977, Nr. 28, S. 73 (74 f.); so wohl auch: OLG München WM 1983, 1093 (1097). 7 Dörner, JR 1987, 201 (202 f.); ebenso: Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor § 275 BGB, Rn. 209; Staudinger / Magnus, Einl. zu Art. 27 – 37 EGBGB, A 90; eingehend dazu unten: Teil I. I. 1. b) bb) (3). Vgl. auch Nickl, der noch weitere Unterfallgruppen bildet (S. 168 ff.). Er will Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB (nicht auch Abs. 2 !) analog anwenden (vgl. S. 190 ff.; 250). In den Fällen der Berufs- und Auskunftshaftung Dritter kommt nach seiner Ansicht entweder eine Subsumtion unter Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB, nämlich dann, wenn sich der Geschädigte selbst an den Gutachter gewandt hat, oder das Deliktsstatut, wenn der Vertragspartner zusätzlich Auskünfte eines Dritten in Bezug auf den Vertragsgegenstand vorlegt, in Betracht (vgl. S. 220 ff., 251). 3 4

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I. Dritthaftung

ist auch ein Blick auf die Rechtslage in den anderen europäischen Mitgliedstaaten zu werfen. Dort werden die genannten Sachverhalte überwiegend deliktisch eingeordnet.8 Im Folgenden soll näher auf die Vorschläge eingegangen und eine Entscheidung dieser strittigen Frage versucht werden.

b) Eigene Stellungnahme Im Rahmen der Prüfung hinsichtlich der verschiedenen Fallgruppen vorvertraglicher Pflichtverletzungen unter potentiellen Vertragspartnern sind die Haftung wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen und wegen der Herbeiführung eines nichtigen oder nicht erwartungsgerechten Vertrages dem präsumtiven Vertragsstatut, die Haftung wegen Verletzung des Integritätsinteresses hingegen dem Deliktsstatut zugeordnet worden.9 Die für das Zweipersonenverhältnis gefundenen Ergebnisse können allerdings nicht automatisch auf die Konstellation zwischen Drittem und Geschädigtem übertragen werden, da insoweit die Situation nicht ohne weiteres vergleichbar ist. Ohnehin ist fraglich, welche Arten von vorvertraglichen Pflichtverletzungen die dritte Person überhaupt begehen kann, da die Haftung aus culpa in contrahendo grundsätzlich nur zwischen potentiellen Vertragspartnern in Betracht kommt und der geplante Vertragsabschluss nicht mit dem Vertreter bzw. Sachwalter erfolgen soll. Dennoch stellt § 311 Abs. 3 BGB für das deutsche Sachrecht klar, dass eine rechtsgeschäftsähnliche Sonderverbindung zu Dritten ebenfalls mit dem Pflichtenprogramm aus § 241 Abs. 2 BGB entsteht, also grundsätzlich die Pflichten in Betracht kommen, die auch im Zweipersonenverhältnis gelten. In den meisten Fällen handelt es sich um Aufklärungspflichtverletzungen der vertragsfremden Partei, die zu einem unwirksamen oder nachteiligen Vertragsverhältnis führen.10 Denkbar ist aber auch ein Dritthaftungsfall wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund, wenn der abschlussbefugte Vertreter in besonderer Weise Vertrauen gerade im Hinblick auf das sichere Zustandekommen des in Aussicht gestellten Rechtsgeschäfts in Anspruch genommen hat. Er muss also gerade eine von ihm ausgehende persönliche Gewähr für den Vertragsschluss geboten haben.11 Mankowski, VuR 1999, 219 (224) m. w. N.; vgl. auch: Nickl, S. 195. Siehe oben: Teil E. I. 5., Teil F. I. 5., Teil G. I. 5., Teil H. I. 4. 10 Vgl. BGHZ 56, 81 (88); 88, 67 (68 f.); BGH DB 2002, 1878 (1879); LG Düsseldorf IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (82); WM 2000, 1191 (1193); OLG Hamburg IPRpr. 1988, Nr. 34, S. 69 (70). 11 Vgl. Grote, S. 176 f. So wohl auch Schmitz, S. 165, allerdings unter der Prämisse, dass der Abbruch von Vertragsverhandlungen nur als Unterfall von Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzungen anzusehen ist. 8 9

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Ob auch bei der Verletzung von Erhaltungspflichten durch den Dritten eine Haftung aus culpa in contrahendo angenommen werden kann, wird in der Literatur nicht explizit behandelt12 und war – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung.13 Die Möglichkeit einer solchen vorvertraglichen Haftung scheint zunächst nicht ausgeschlossen, in den meisten Fällen aber zweifelhaft. Wie bereits erwähnt, entsteht unter bestimmten Voraussetzungen auch zu dem Vertreter oder Sachwalter eine Sonderbeziehung ohne primäre Leistungspflichten aber mit bestimmten Verhaltenspflichten i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB. Diese umfassen grundsätzlich neben den Aufklärungs-, Beratungs- und Mitwirkungspflichten auch die allgemeinen Erhaltungspflichten.14 Der Verhandlungspartner begibt sich durch die Kontaktaufnahme mit dem Dritten in dessen Einwirkungssphäre und setzt sich so dem erhöhten Risiko von Beeinträchtigungen seiner sonstigen Rechtsgüter aus. Deshalb obliegt der anderen Seite gem. § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass diese keinen Schaden nehmen. Allerdings richtet sich der Inhalt der jeweiligen Schutzpflichten nach der konkreten Situation.15 Neben dem Schutz durch das Deliktsrecht kommt im Zweipersonenverhältnis eine Haftung aus culpa in contrahendo hinzu, weil die Schädigung im Zusammenhang mit dem geplanten Vertragsabschluss steht und insofern darauf vertraut werden kann, dass bei den Verhandlungen die sonstigen Rechtsgüter der Parteien nicht verletzt werden. Im Dreipersonenverhältnis tritt auf der einen Seite allerdings kein potentieller Vertragspartner dem anderen Teil gegenüber, sondern lediglich dessen Vertreter oder Verhandlungsgehilfe. Führt man sich den Grund der Haftung des Vermittlers vor Augen, so liegt dieser in der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens, welches dann möglicherweise dazu führt, dass zwischen den eigentlichen Parteien ein Vertrag geschlossen wird. Die dritte Person 12 Die meisten Autoren sprechen die Frage der Drittverantwortlichkeit für vorvertragliche Erhaltungspflichtverletzungen überhaupt nicht an, vgl. beispielsweise Bamberger / Roth / Grüneberg, Bd. 1, § 311 BGB, Rn. 114 ff.; Erman / Kindl, Bd. I, § 311 BGB, Rn. 47 ff.; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 195 ff.; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor. § 275 BGB, Rn. 209 („Aufklärungs-, Beratungs- oder Loyalitätspflichten“). Ahrens scheint eine Eigenhaftung Dritter nur für den Bereich der Aufklärungs- und Beratungspflichten anzunehmen, wenn er sagt, dass bei der Differenzierung „zwischen Aufklärungs- und Obhutspflichten, [ . . . ] die Sachwalterhaftung der ersten Pflichtengruppe zuzuordnen“ sei (IPRax 1986, 355 (360)). Schutzpflichten des Dritten für die persönliche Integrität und das Eigentum des anderen Teils verneint auch Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 14. Allerdings findet man auch Aussagen im international-privatrechtlichen Untersuchungen, die von der Möglichkeit einer c.i.c.-Eigenhaftung des Dritten für Erhaltungspflichtverletzungen ausgehen, ohne sie näher oder ausreichend zu begründen, vgl. Frick, S. 247 f. (mit Erklärungsansätzen); Reder, S. 164; Thorn, IPRax 2002, 349 (361). 13 Das zeigt, dass solche Konstellationen nur in wirklichen Sonderfällen eintreten und wenig praxisrelevant sind. 14 Vgl. Erman / Westermann, Bd. I, § 241 BGB, Rn. 10 ff.; Jauernig / Stadler, § 241, Rn. 10. 15 BT-Drucks. 14 / 6040, S. 126.

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I. Dritthaftung

beeinflusst die Vertragsverhandlungen, indem sie dem anderen Teil eine zusätzliche Gewähr im Hinblick auf Zustandekommen und Erfüllung des geplanten Vertrages bietet.16 Der Geschädigte vertraut regelmäßig in dieser besonderen Weise nur auf die Richtigkeit der Erklärungen des Dritten hinsichtlich des abzuschließenden Rechtsgeschäfts.17 Zwar mag er auch darauf vertrauen, dass er während der Verhandlungen mit diesem in dessen Einwirkungsbereich keine Einbuße an seinen sonstigen Rechtsgütern, z. B. seiner körperlichen Integrität, erleidet. Die Inanspruchnahme des besonderen Vertrauens erstreckt sich darauf in der Regel aber nicht, weil der Dritte diesbezüglich keine zusätzliche persönliche Gewähr geboten hat, sondern es nur um das allgemeine Verhandlungsvertrauen geht, das für eine Eigenhaftung des Dritten gem. § 311 Abs. 3 BGB nicht ausreicht. Vielmehr haftet der Vertretene aus culpa in contrahendo i.V. m. § 278 BGB. Die Dritthaftung ist der Ausnahmefall18 und muss auf Situationen beschränkt bleiben, in denen dessen strenge Kriterien gegeben sind. Eine Haftung nach vertraglichen Grundsätzen würde die Verantwortlichkeit des Dritten zu sehr ausdehnen. Es verbleibt hier also grundsätzlich bei der allgemeinen Haftung aus Delikt. Andererseits sind u. U. auch Situationen denkbar, in denen sich das dem Dritten entgegengebrachte besondere Vertrauen auch auf den Schutz vor Integritätsverletzungen bezieht, wenn z. B. der als Vermittler eingeschaltete Gebrauchtwagenhändler mit dem potentiellen Kunden eine Probefahrt unternimmt und sich aufgrund eines Defektes am Wagen ein Unfall ereignet, bei dem der Kaufinteressent verletzt wird. Dieser wird nämlich aufgrund der Sachkunde des Händlers darauf vertraut haben, dass der Wagen fahrttüchtig ist. Wenn eine derartige Eigenhaftung des Dritten aus culpa in contrahendo wegen der Verletzung von Erhaltungspflichten in Betracht kommt, dann sollte wie im Zweipersonenverhältnis eine deliktische Anknüpfung vorgenommen werden, denn die eigentlich deliktische Rechtsnatur dieser Pflichten tritt hier noch deutlicher zu Tage.19 Wie die übrigen Konstellationen vorvertraglicher Pflichtverletzungen im Internationalen Privatrecht anzuknüpfen sind, wird hingegen unterschiedlich beurteilt. aa) Zielvertragsstatut Zur Lösung des Problems der Qualifikation werden die Heranziehung des Zielvertragsstatuts oder zumindest eine akzessorische Anknüpfung an dieses vorgeschlagen.20 Die Verfechter dieser Ansicht führen die funktionale RechtsfolgenBGHZ 56, 81 (85); 126, 181 (189); siehe auch oben: Teil B. II. 5. Vgl. beispielsweise BGH JR 1987, 198 (200). 18 So explizit: BGHZ 126, 181 (183); BGH NJW 1997, 1233 (1234). 19 So auch: Staudinger / Kropholler, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 14; Frick, S. 248; Reder, S. 164; vgl. dazu auch oben: Teil H. I. 16 17

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vergleichbarkeit der Anfechtung wegen Irrtums bzw. Täuschung mit der Haftung des Dritten aus culpa in contrahendo ins Feld. In beiden Fällen gehe es schließlich um die Lösung des rechtsgeschäftlichen Bandes, das in dieser Gestalt nur durch die Einwirkung auf die Willensbildung des Vertragspartners zustande gekommen sei. Da sich das auf die Anfechtung anwendbare Recht nach dem Vertragsstatut richte, solle es auch im Falle der Eigenhaftung dritter Personen maßgebend sein.21 Dafür spreche auch die Tatsache, dass dann, wenn eine einzige Rechtsordnung über die Ausgestaltung des vorvertraglichen Pflichtenprogramms von Drittem und Geschäftsherr entscheidet, der innere Entscheidungseinklang gewahrt bleibe.22 Das auf den Zielvertrag anwendbare Recht sei dafür bestens geeignet, weil es für die Entscheidung möglicherweise gleichzeitig geltend gemachter Ansprüche zwischen den Vertragsparteien ohnehin ermittelt werden müsse.23 Allerdings ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass das zuletzt genannte prozessökonomische Argument immer greift. Womöglich werden nur Ansprüche gegen den Dritten geltend gemacht, weil sich beispielsweise ein Rückgriff auf dessen Geschäftsherrn wirtschaftlich nicht lohnen würde.24 Dann wäre die auf den Vertrag anwendbare Rechtsordnung nicht schon im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander zu ermitteln gewesen.25 In besonders gelagerten Einzelfällen könnte außerdem erwogen werden, den inneren Entscheidungseinklang durch eine akzessorische Anknüpfung der Ansprüche aus culpa in contrahendo an das Statut des Hauptvertrages herzustellen. Eine Grundregel, die immer von einer vertragsakzessorischen Anknüpfung ausgeht, ist jedenfalls zu starr und deshalb nicht sachgemäß. Des Weiteren wird die Möglichkeit der Manipulation des Vertragsstatuts durch den Dritten kritisiert. Zwar ist es denkbar, dass dieser auf die Geltung einer bestimmten Vertragsrechtsordnung zwischen den anderen Beteiligten hinwirken kann und sich somit sein eigenes Haftungsstatut aussucht.26 Allerdings scheint dieses Gegenargument eher theoretischer Natur zu sein, zumal Beeinflussungsversuche bei jeder Kollisionsregel denkbar sind. Hingegen kann der von den Vertretern der Zielvertragsanknüpfung angestrengte Vergleich mit einer Anfechtungssituation – im deutschen Sachrecht!27 – nicht 20 BGH JR 1987, 198 ff. (allerdings ohne explizite Besprechung dieses Qualifikationsproblems); LG Düsseldorf WM 2000, 1191 (1194); MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 60; Soergel / Lüderitz, Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 85; Ahrens, IPRax 1986, 355 (360). So wohl auch Bernstein, RabelsZ 41 (1977), 281 (293 f.). 21 Ahrens, IPRax 1986, 355 (360). 22 LG Düsseldorf WM 2000, 1191 (1194); IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (82); Ahrens, IPRax 1986, 355 (360). 23 So jedenfalls Ahrens, IPRax 1986, 355 (360). 24 von Bar, IPR, Bd. II, § 4, Rn. 559; Mankowski, VuR 1999, 219 (224). 25 Vgl. Kreuzer, IPRax 1988, 16 (19). So auch: Frick, S. 252; Reder, S. 156. 26 So wohl: von Bar, IPR, Bd. II, Rn. 559.

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überzeugen. Dieses Gestaltungsrecht wird gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht. Der Vertreter ist jedenfalls nicht Anfechtungsgegner gem. § 143 Abs. 2 BGB.28 Auch wenn im Fall der Aufklärungspflichtverletzung dem Geschädigten in manchen Konstellationen ein Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages aus culpa in contrahendo zugebilligt wird, was funktional mit einer Rückabwicklung nach erfolgter Anfechtung vergleichbar wäre, so gilt dies zunächst nur gegenüber seinem Vertragspartner und nicht gegenüber dem an der rechtsgeschäftlichen Sonderverbindung unbeteiligten Dritten, der die Vertragsaufhebung als Naturalrestitution nicht erbringen kann. Die Erstattung bereits erbrachter vertraglicher Leistungen erfolgt ausschließlich zwischen den Vertragsparteien. Die Rückabwicklung kann der Geschädigte von seinem Vertragspartner regelmäßig aus culpa in contrahendo i.V. m. § 278 BGB verlangen. Ist die Naturalrestitution nicht möglich, so kann auch eine Haftung des Dritten auf Geldersatz geltend gemacht werden. Hält der Betroffene hingegen am Vertragsschluss fest, so muss ihm vom Vertreter bzw. Sachwalter als ersatzfähiger Schaden der Betrag erstattet werden, um den seine Leistung aufgrund der Pflichtverletzung des Vertreters bzw. Sachwalters zu hoch ausgefallen ist.29 Dementsprechend ergibt sich schon aus Sicht des deutschen Sachrechts keine funktionale Vergleichbarkeit dieses Schadensersatzanspruchs gegen den Dritten mit einer Anfechtungssituation. Ohnehin liegt in dem hier zu Tage tretenden Verständnis über den zu wählenden Ansatzpunkt der Dritthaftung die eigentliche Grundlage für Kritik. Zwar ist es richtig, dass die dritte Person in den Verhandlungen auf Seiten eines der beiden potentiellen Vertragspartner auftritt und durch ihr Verhalten auf das abzuschließende Vertragsverhältnis einwirkt, womit eine gewisse innere Verbindung zu diesem Rechtsgeschäft einhergeht.30 Außerdem geht diese Eigenhaftung im deutschen Sachrecht nicht weiter als die der am Rechtsgeschäft beteiligten Partei, so dass auch zwischen den Vertragspartnern vereinbarte Haftungsbeschränkungen Geltung beanspruchen.31 Wer allerdings nur auf diesen unbestreitbar engen Zusammenhang von vorvertraglicher Pflichtverletzung des Dritten und Vertragsabschluss abstellt, der verkennt aber, dass die Eigenhaftung von Vertretern und Sachwaltern auf 27 Die international-privatrechtliche Einordnung muss aber nicht so wie die des deutschen Sachrechts ausfallen, womit diesem Argument ohnehin nur begrenzte Überzeugungskraft zukommen kann. 28 Darauf weisen auch hin: Frick, S. 249 f.; Reder, S. 155. 29 BGH NJW 1987, 2511 (2512). 30 LG Düsseldorf IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (82); Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 284; G. Fischer, JZ 1991, 168 (173). Spellenberg bejaht aufgrund des Eintretens des Dritten auf Seiten einer der zukünftigen Vertragsparteien eine ausreichend enge Verbindung zu dem abzuschließenden Vertrag, die es rechtfertige, an dessen Statut anzuknüpfen, MüKo / Spellenberg, Bd. 10, Art. 32 EGBGB, Rn. 60. A.A.: OLG Frankfurt, IPRax 1986, 373 (377): eine innere Beziehung zum Vertrag fehlt, da eine vertragliche Bindung zwischen den Verhandelnden selbst nie in Frage kam; ähnlich: Frick, S. 250 f. 31 BGHZ 63, 382 (388); 79, 281 (287); BGH NJW 1987, 2511 (2512); LG Düsseldorf IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (82); Dörner, JR 1987, 201 (202).

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einem eigenständigen Haftungsgrund beruht, denn diese kommen von Anfang an überhaupt nicht als Partei der geplanten rechtsgeschäftlichen Beziehung in Betracht. Vielmehr muss auf das Sonderverhältnis zwischen dem Drittem und dem Verhandlungspartner abgestellt werden. Die Anknüpfung an das Vertragsstatut, direkt oder über Art. 31, 32 EGBGB analog, scheidet deshalb grundsätzlich aus.32 Im Zweipersonenverhältnis sind die Ansprüche aus der vorvertraglichen Sonderverbindung an das (präsumtive) Vertragsstatut angelehnt worden. Die Situation stellt sich im Dreipersonenverhältnis jedoch anders dar. Hier geht es nicht darum, Ansprüche aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt gegen eine Person einem einzigen Recht zu unterwerfen. Das Schadensersatzbegehren trifft einen Anderen, nicht den am Vertrag Beteiligten. Dessen Haftung ist unabhängig von der seines Geschäftsherrn, da sie ihre Wurzel in dem Verhalten des Vertreters bzw. Sachwalters selbst hat. Der geschäftliche Kontakt und die dadurch entstandene eigenständige Sonderverbindung zwischen Drittem und Geschädigtem sind deshalb für die international-privatrechtliche Anknüpfung maßgebend.33 Das Abstellen auf die jeweilig konkret in Frage stehende Beziehung der Beteiligten zueinander und die damit verbundene Ablehnung der einheitlichen Anknüpfung eines Mehrpersonenverhältnisses kann zu Normenwidersprüchen und mithin zu Anpassungsproblemen führen. Dennoch ist grundsätzlich jedes Schuldverhältnis gesondert anzuknüpfen, um dem Prinzip der engsten Verbindung Genüge zu tun. So ist beispielsweise auch die eigenständige, vom Hauptvertragsstatut unabhängige Anknüpfung der Bürgschaft trotz ihres akzessorischen Charakters anerkannt,34 es sei denn, es ergibt sich ausnahmsweise35 eine engere Verbindung i. S. v. Art. 28 Abs. 5 EGBGB. Ähnlich wie bei der Dritthaftung aus culpa in contrahendo ist also der innere Zusammenhang mit dem Grundgeschäft nicht allein 32 Bei einer „besonders engen Beziehung“ zum Vertragsverhältnis soll eine akzessorische Anknüpfung an dieses möglich sein, vgl. Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 284. So wohl auch: Staudinger / Magnus, Einl. zu Art. 27 – 37 EGBGB, A 91. In Ausnahmefällen wird jedoch auch von den Vertretern einer selbständigen Anknüpfung der Eigenhaftung Dritter wegen Inanspruchnahme von besonderem Vertrauen eine akzessorische Anknüpfung an das Zielvertragsstatut erwogen. Das soll dann der Fall sein, wenn sich der Hauptvertrag unter Durchbrechung des Relativitätsverhältnisses auch auf die Nichtvertragspartei bezieht, beispielsweise bei Haftungsausschlussklauseln (Mankowski, VuR 1999, 219 (224). 33 So schon Dörner, JR 1987, 201 (202); ihm folgend: Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor § 275 BGB, Rn. 209; Nickl, S. 195; G. Fischer, JZ 1991, 168 (173 f.), der darauf hinweist, dass diese Sonderbeziehung ihren „eigenen Schwerpunkt“ habe; Kreuzer, IPRax 1988, 16 (19). Ebenso: Thorn, IPRax 2002, 349 (361); Frick, S. 253; vgl. auch: LG Düsseldorf IPRspr. 2002, Nr. 31, S. 78 (82). 34 Bericht Giuliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 33 (53); BGHZ 121, 224 (228); OLG Hamburg IPRspr. 1976, Nr. 147, 422 (427 f.); OLG Frankfurt, RIW 1995, 1033 (1033); Palandt / Heldrich, Art. 28 EGBGB Rn. 21; Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 1183; Geisler, S. 263; Kropholler, IPR, § 52, S. 464. 35 Vgl. OLG Oldenburg IPRspr. 1975, Nr. 15, S. 26 (28); Mankowski, RIW 1995, 1034 (1035).

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ausschlaggebend für die Qualifikation.36 Schließlich wird die Beziehung des Dritten zum Geschädigten aufgrund einer unabhängigen Beurteilung dann nicht automatisch von dem zwischen den Vertragsbeteiligten bestehenden Verhältnis beeinflusst bzw. überlagert, wie es bei einer pauschalen akzessorischen Anknüpfung der Fall wäre. Eine solche Beherrschung des Mehrpersonenverhältnisses durch eine Rechtsbeziehung könnte für die an dem anderen Rechtsverhältnis Beteiligten nachteilige Folgen haben.37 Die zwangsläufige Anwendbarkeit einer Rechtsordnung wäre nicht sachgerecht, da sich die Beziehungen mangels Parteiidentität voneinander unterscheiden. Ein Ordnungsinteresse an der Geltung nur einer Rechtsordnung für das Dreipersonenverhältnis, dass diese Beeinträchtigungen aufwiegen würde, wird zu Recht verneint.38 Aus Rücksichtnahme auf die verschiedenen Interessen muss deshalb gesondert angeknüpft werden.39 Es stellt sich nunmehr also die Frage, welche Kollisionsregel sich für die Anknüpfung dieses Vertrauensverhältnisses am besten eignet. bb) Deliktsstatut oder eigenständiges Dritthaftungsstatut? Die Befürworter einer vom Zielvertragsstatut unabhängigen Behandlung der Eigenhaftung bejahen zum einen das Deliktsstatut, andererseits wird ein eigenständiges Statut favorisiert, das sich an den vertragsrechtlichen Kollisionsregeln der Art. 27, 28 EGBGB orientieren soll.40 Letzteres läuft also auf die Entwicklung einer neuen Kollisionsnorm durch Analogiebildung hinaus.

Vgl. G. Fischer, JZ 1991, 168 (174). Siehe: Reder, S. 155. 38 Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 14. 39 Reder, S. 156; Mankowski, VuR 1999, 219 (224). 40 Für das Deliktsstatut: Frick, S. 252 f.; Reder, S. 173 ff.; Kreuzer, IPRax 1988, 16 (20); Mankowski, VuR 1999, 219 (224); ders., RIW 1994, 421 (424). Für ein „Dritthaftungsstatut“: Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB, Rn. 8; Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor § 275 BGB, Rn. 209; Staudinger / Magnus, Einl. zu Art. 27 – 37 EGBGB, A 90; Wilken, in: Europ. Integration, S. 338 f.; Thorn, IPRax 2002, 349 (361), jedenfalls bei der Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten; Dörner, JR 1987, 201 (202 f.). Einen anderen, an den Pflichten des Vertreters bzw. Sachwalters orientierten Ansatz verfolgt von Hoffmann. Wird das bestehende Vermögen geschädigt, dann liege die Pflichtverletzung des Dritten in einem Unterlassen, was als Verkehrspflicht deliktisch zu qualifizieren sei. Eine vertragsrechtliche Qualifikation gem. Art. 28 Abs. 1, 2 Satz 1 EGBGB analog sei hingegen vorzunehmen, wenn Betreuungspflichten zur positiven Förderung einer Vermögensmehrung bestanden hätten, vgl. Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 14; Thorn, IPRax 2002, 349 (361). Anhand welcher Kriterien diese Vermögensschutzpflichten zu differenzieren sein sollen, bleibt offen und ist demnach mit großen Unsicherheiten behaftet. Möglicherweise können beide Arten von Pflichten nebeneinander bestehen. Es verbleibt auch bei Dreipersonenverhältnissen bei den oben genannten Fallgruppen, so dass diese Unterscheidung abzulehnen ist. 36 37

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(1) Anspruchskonkurrenz mit deliktischen Ansprüchen Für die Maßgeblichkeit des Deliktsstatuts wird angeführt, dass neben dem Anspruch aus culpa in contrahendo oftmals auch deliktische Anspruchsgrundlagen gegen die dritte Person bestehen können und dann bei der einheitlichen deliktischen Qualifikation eine einzige Rechtsordnung über diesen einheitlichen Lebenssachverhalt entscheiden würde.41 Diesem Ansatz ist zu entgegnen, dass eine solche generalisierende Anknüpfung der Eigenhaftung Dritter an das Statut der deliktischen Ansprüche nicht allein mit pragmatischen Argumenten gerechtfertigt werden kann. Ein kollisionsrechtlicher Gleichlauf konkurrierender Anspruchsgrundlagen könnte stattdessen im Einzelfall durch die Heranziehung der Ausweichklausel in Art. 28 Abs. 5 EGBGB analog erreicht werden, wenn dies notwendig erscheint und die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Demzufolge kann einer möglicherweise bestehende Anspruchsgrundlagenkonkurrenz mit Ansprüchen aus unerlaubter Handlung keine maßgebliche Bedeutung im Hinblick auf eine deliktische Qualifikation der vorliegenden Fallgruppe vorvertraglicher Haftung zugemessen werden. (2) Äußerer Entscheidungseinklang Außerhalb des deutschen Rechtskreises ist eine Dritthaftung aus culpa in contrahendo bereits im materiellen Recht der meisten anderen europäischen Staaten unbekannt. Diese Haftungskonstellationen sind zumeist deliktisch eingeordnet, was regelmäßig im internationalen Kontext die Heranziehung des Deliktsstatuts für diese Fälle bedeutet.42 Mithin spräche der äußere Entscheidungseinklang für eine Anwendung der außervertraglichen Kollisionsregeln.43 Dennoch muss beachtet werden, dass die internationale Entscheidungsharmonie gerade im Rahmen des europäischen Binnenmarktes zwar erstrebenswert ist, dieser aber nicht zum obersten, alle anderen Gesichtspunkte verdrängenden Prinzip erhoben werden kann. Solange das materielle Recht der Einzelstaaten nicht vereinheitlicht ist, wird es immer rechtliche Besonderheiten in den nationalen Rechtsordnungen geben, die sich auch in einem System vereinheitlichten Verweisungsrechts gegen eine eindeutige Zuordnung sträuben und dann dem anzuwendenden Recht Anpassungsprobleme bescheren, weil sie dort unbekannt sind. Deshalb ist die Wahrung des äußeren Entscheidungseinklangs nicht absolut zu setzen, vielmehr müssen auch das international-privatrechtliche Prinzip der engsten Verbindung und die kollisionsrechtliche Interessenlage Berücksichtigung finden. Folglich ist eine deliktische Qualifikation dieser Konstellationen vorvertraglicher Haftung, in denen der 41 Kreuzer, IPRax 1988, 16 (20); Mankowski, RIW 1994, 421 (424); ders., VuR 1999, 219 (224). So wohl auch: LG Hamburg IPRspr. 1977, Nr. 28, 73 (75); Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 25; von Bar, IPR, Bd. II, Rn. 559. 42 Vgl. Kreuzer, IPRax 1988, 16 (19 f.) m. w. N.; Frick, S. 238 f.; 252; Reder, S. 162. 43 Reder, S. 157; Mankowski, VuR 1999, 219 (224).

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Schädiger nicht am Rechtsgeschäft beteiligt ist, durch die Mehrzahl der anderen europäischen Staaten allein noch kein zwingendes Argument für eine ebensolche Einordnung im deutschen Kollisionsrecht. Vielmehr kann es nur verstärkend für und mit anderen guten Gründe wirken, die für die Anwendbarkeit des Deliktsstatuts sprechen könnten. (3) Art. 28 EGBGB analog Ausgehend vom materiell-rechtlichen Haftungsgrund wird vorgebracht, dass es sich bei der vorvertraglichen Haftung aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens um einen auf die Fahrlässigkeitshaftung erweiterten Vermögensschutz zum Ausgleich der Schwächen des deutschen Deliktsrechts handele und die Dritthaftung demnach eigentlich deliktischer Natur sei, weshalb sie wie eine unerlaubte Handlung angeknüpft werden solle.44 Auch einige Gerichte teilen diese Meinung. So ist nach Ansicht des OLG Frankfurt dem Deliktsstatut das auf die Dritthaftung anzuwendende Recht zu entnehmen, da sich dieses nach den Verkehrsinteressen richte.45 Damit kommt zum Ausdruck, dass das Gericht die Verantwortlichkeit des Dritten aus culpa in contrahendo als eine Haftung gegenüber beliebigen Personen, nämlich gegenüber dem Verkehr, versteht. Das LG Hamburg gelangt aufgrund der „quasi-deliktischen“ Natur dieser Fallgruppe zum selben Ergebnis. Eine Unterscheidung zwischen Ansprüchen aus unerlaubter Handlung und solchen wegen der vorvertraglichen Pflichtverletzung eines Vertreters „erscheint sachfremd und ist allein dadurch, dass die culpa in contrahendo vertragliche Schadensersatzansprüche auslöst, nicht zwingend geboten“.46 Dieser Standpunkt vernachlässigt aber die zwischen dem Vertreter bzw. Sachwalter und dem Verhandlungspartner bestehende Sonderbeziehung. Wie bereits im Rahmen der Pflichtenqualifikation im Zweipersonenverhältnis gesehen, kann dieses Verhältnis eine besondere Qualität haben, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, trotz des Fehlens einer freiwilligen Selbstverpflichtung das Vertragsstatut darauf anzuwenden. Allerdings ist im Dreipersonenverhältnis zu beachten, dass die vertraglichen Kollisionsregeln hier nicht direkt angewendet werden können, weil die Haftung den vertragsfremden Vertreter bzw. Sachwalter trifft, der keine eigene vertragliche Bindung anstrebt, und eine unbesehene Übernahme des Vertragsstatuts mithin nicht befürwortet werden kann.47 Eine entsprechende Heranziehung wäre aber denkbar, wenn eine gleichartige Interessenlage besteht, da die sonstigen Vor44 Bamberger / Roth / Spickhoff, Bd. 3, Art. 32 EGBGB, Rn. 25; Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 32 EGBGB, Rn. 21; von Bar, IPR, Bd. II, Rn. 559; Reder, S. 161 f.; zustimmend: Hohloch, RabelsZ 56 (1992), 344 (346); ähnlich: OLG Frankfurt IPRax 1986, 373 (378), wonach diese der „deliktsrechtlichen Haftung nahesteht“; Landfermann, RabelsZ 45 (1981), 124 (136 f.). 45 OLG Frankfurt IPRax 1986, 373 (378). 46 LG Hamburg IPRspr. 1977, Nr. 28, S. 73 (75). 47 Nickl, S. 174 ff., 193; Dörner, JR 1987, 201 (202).

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aussetzungen der Analogiebildung, eine Regelungslücke und deren Planwidrigkeit, gegeben sind.48 Auch die das Deliktsstatut vertretende Ansicht sieht den Grund der Haftung des Vertreters in dem zwischen ihm und dem Verhandlungspartner begründeten, vom Zielvertrag unabhängigen Rechtsverhältnis.49 Wie im Zweipersonenverhältnis kommt es nun darauf an, ob die Art dieser Sonderverbindung eine deliktische oder vertragliche Qualifikation erfordert. Das gefundene Anknüpfungsergebnis ist dann anhand einer Interessenabwägung zu überprüfen. Die Qualität der vorvertraglichen Beziehung von Drittem und dem anderen Teil ähnelt von Außen betrachtet mehr derjenigen zwischen zukünftigen Vertragsparteien als der typischen Situation einer Deliktshaftung. Letztere ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten erst durch das Schadensereignis zusammengeführt werden und dadurch die Haftung entsteht.50 Vorliegend sind die Personen aber durch die willentliche Kontaktaufnahme aus der anonymen Masse herausgetreten und haben sich aufeinander zu bewegt. Sie sind sich nicht mehr unbekannt und bereits aufgrund der Geschäftsanbahnung miteinander verbunden, so dass die Beziehung vertragsähnliche Qualität hat. Zudem weisen die wechselseitigen Loyalitätspflichten aus der vorvertraglichen Sonderverbindung zwischen Drittem und Verhandlungspartner relativen Charakter auf, denn sie bestehen nur zwischen den beiden Beteiligten. Weiterhin ist zu beachten, dass die Verhandlungen mit dem Ziel begonnen worden sind, einen Vertragsabschluss zu erreichen, auch wenn dieser nicht in dem konkreten Verhältnis der Verhandlungsparteien seine Wirkung entfalten sollte. Dieses Defizit wird im materiellen deutschen Recht dadurch ausgeglichen, dass eine Eigenhaftung des Vertreters bzw. Sachwalters nur in Betracht kommt, wenn er einen besonderen Vertrauenstatbestand setzt. Die Inanspruchnahme dieses Vertrauens und dessen Enttäuschung durch die Pflichtverletzung beziehen sich auf den intendierten Vertragsschluss. Diese Verhaltenspflichtverletzung wirkt sich auch unmittelbar auf den Vertrag aus, indem er entweder gar nicht abgeschlossen wird, weil der Vertreter die Verhandlungen abbricht, indem der Vertrag unwirksam ist oder indem er nicht erwartungsgerecht zustande kommt. Im Dritthaftungsfall eine enge Verbindung des Vertreters bzw. Sachwalters mit dem Zielvertrag abzustreiten, ist demnach nicht gerechtfertigt, wenn auch eine direkte Heranziehung des Hauptvertragsstatuts aus den oben benannten Gründen scheitert.51 Ausgehend vom Grundsatz der lex fori-Qualifikation würde die Anknüpfung dieses vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses im deutschen Kollisionsrecht daher eine Anlehnung an die Art. 27, 28 EGBGB nahe legen. Die analoge Heranziehung der Verweisungsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse sieht sich jedoch auch Kritik ausgesetzt. So wäre bei mangelnder Rechtswahl das anwendbare Recht regelmäßig nach der Anknüpfungsvermutung des 48 49 50 51

Vgl. Dörner / Meyer-Sparenberg, JA 1991, Übungsblätter, 5 (7) Mankowski, VuR 1999, 219 (224). G. Fischer, JZ 1991, 168 (174); ähnlich: Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 18, S. 720. Reithmann / Martiny / Martiny, Int. Vertragsrecht, Rz. 284.

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Art. 28 Abs. 1, 2 Satz 1 EGBGB analog zu bestimmen, d. h. man müsste auf den gewöhnlichen Aufenthalt derjenigen Partei abstellen, die die charakteristische Leistung in dem vorvertraglichen Schuldverhältnis erbringt.52 Im Zweipersonenverhältnis konnte man an die für den geplanten Vertrag typische Leistung anknüpfen.53 Bei der Dritthaftung versagt dieser Rückgriff auf das anvisierte Rechtsgeschäft jedoch. Im Verhältnis zwischen Drittem und Verhandlungspartner werden keine Leistungen erbracht. Es bestehen nur für jeden der Beteiligten Loyalitätsund Verhaltenspflichten. Insofern passe diese Anknüpfungstechnik nicht für die vorliegende Fallkonstellation und eine analoge Anwendung sei nicht möglich.54 Diese Kritik greift jedoch zu kurz. Richtigerweise werden keine Leistungen im Sinne vertraglicher Verpflichtungen erbracht, da ja auch keine rechtsgeschäftlichen Bindungen bestehen. Vorliegend geht es jedoch nur um eine entsprechende Anwendung dieser Regel. Demnach würde es ausreichen, wenn man in der Sonderbeziehung der Verhandelnden die Schutzpflichten eines Teils als spezifisch, d. h. charakteristisch für die bei der Verletzung dieser Pflicht entstehende vorvertragliche Haftungssituation, einstufen könnte. Verletzt der potentielle Vertragspartner eine ihm obliegende Verpflichtung, begeht er beispielsweise gegenüber dem Vertreter eine Aufklärungspflichtverletzung, so kommt der nicht erwartungsgerechte Vertrag mit dem Vertretenen zustande und nicht mit dessen Vertreter. In diesem Fall ergäbe sich also ein Anspruch aus culpa in contrahendo für den Geschäftsherrn, der auch den Schaden trägt. Es handelt sich haftungsrechtlich um ein Zweipersonenverhältnis. Fällt der Vorwurf einer Pflichtverletzung hingegen dem Dritten zur Last, so haftet er unter den genannten Voraussetzungen selbst. Nur diese Konstellationen sind hier von Interesse. In den Fällen trifft aber immer den Dritten die besondere, die typische Verpflichtung. Er hat besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und dann eine Aufklärungspflicht verletzt oder das sichere Zustandekommen des geplanten Vertrages vorgespiegelt. Durch sein Verhalten ist der Vertrauenstatbestand erst entstanden, nur ihm werden damit besondere Pflichten gegenüber dem anderen Teil auferlegt. Will man im Entgegenbringen des Vertrauens durch den potentiellen Vertragspartner die charakteristische „Leistung“ erblicken,55 so würde man das Pferd von hinten aufzäumen, denn dies ist nur die 52 Dafür: Dörner, JR 1987, 201 (202 f.); ihm folgend: Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB, Rn. 8; Staudinger / Magnus, Einl. zu Art. 27 – 37 EGBGB, A 90; Thorn, IPRax 2002, 349 (361). 53 Vgl. oben: E. I. 4. b) dd) (3) (b) (cc) (á). 54 Nickl, S. 206 f., der stattdessen auf Art. 28 Abs. 1 EGBGB analog zurückgreifen will (S. 208 ff.). Die Bestimmung des Rechts der engsten Verbindung erschwert die Vorhersehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung und dient nicht der Rechtssicherheit, wie Nickl selbst eingesteht. Ob der Schwerpunkt der Beziehungen im Einzelfall am Verhandlungsort oder am Ort des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts liegt, ist nur schwer zu ermitteln, vgl. S. 208 ff. Ob dies der Interessenlage der Parteien gerecht wird, muss bezweifelt werden. Deshalb ist der Vorschlag einer pauschalen Anknüpfung an Art. 28 Abs. 1 analog abzulehnen, wenn eine der Vermutungsregeln in Betracht kommt. Reder, S. 160 f. 55 So Reder, S. 161.

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Folge des Verhaltens des Dritten. Zwischen Inanspruchnahme und Entgegenbringen des Vertrauens kann nicht unterschieden werden, da das eine ohne das andere nicht denkbar ist. Abzustellen ist auf die vorausgehende Schaffung des Vertrauensverhältnisses durch den Vertreter bzw. Sachwalter.56 Somit steht der Leistungsbegriff und die Anknüpfungstechnik in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB einer analogen Anwendung nicht entgegen. Als weiterer Einwand wird allerdings vorgebracht, dass die hinter den vertraglichen Verweisungsregeln stehenden Wertungen der Interessenlage im Dreipersonenverhältnis widersprächen. Aufgrund der Wechselseitigkeit der Verhaltenspflichten sei davon auszugehen, dass jede der beteiligten Parteien gleichermaßen von der Anwendbarkeit ihrer eigenen, vertrauten Rechtsordnung ausgehe oder wenigstens deren Geltung wünsche, die Interessen also gegenläufig seien.57 Das wird auch von den Vertretern der analogen Heranziehung der Art. 27, 28 EGBGB nicht bestritten.58 Anlass zur Kritik ist jedoch die Feststellung, dass trotz dieser ausgeglichenen Interessenlage der Dritte privilegiert wird, weil gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts über seine Haftung bestimmt. Dies sei eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Schädigers.59 Mit Blick auf die Regelungen zum Schutze der schwächeren Partei wie beispielsweise in Art. 29 EGBGB könne von einer Wertung des Gesetzes gesprochen werden, dass bei nicht „gleichstarken“ Parteien eine Ausnahme von der grundsätzlichen Anknüpfungsentscheidung zugunsten des die charakteristische Leistung erbringenden Teils zu machen sei. Unterstellt man dem Vertreter bzw. Sachwalter einen Informationsvorteil, so müsste diesem Rechtsgedanken folgend an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten als der unterlegenen Partei angeknüpft werden.60 Schon diese Grundannahme kann jedoch nicht in allen Fällen überzeugen. Zwar wird dem Dritten das besondere Vertrauen zumeist im Hinblick auf seine besondere Sachkunde entgegengebracht, doch kann die persönliche Gewähr auch in einem anderen Grund, z. B. einer verwandtschaftlichen oder intimen Beziehung liegen, so dass nicht immer ein Informationsungleichgewicht bestehen muss.61 Außerdem kann der Vertrauende nicht erwarten, dass sich der Vertreter bzw. Sachwalter hinsichtlich seiner Auskünfte an anderen als seinen aufenthaltsrechtlichen 56 Dörner, JR 1987, 201 (202); G. Fischer, JZ 1991, 168 (174). Einer Hilfsüberlegung derart, dass dieses Ergebnis auch erreicht werden würde, wenn man einen Auskunftsvertrag fingieren würde, bedarf es nicht, so aber: Wilken, in: Europ. Integration, S. 339. Bei einem Auskunftsvertrag erbringt die Auskunft gebende Partei die charakteristische Leistung, vgl. Dörner, WM 1977, 962. 57 Reder, S. 158. 58 Dörner, JR 1987, 201 (202). 59 Reder, S. 158; ihm folgend Frick, S. 251. 60 So: Reder, S. 158 f. 61 Vgl. beispielsweise BGHZ 87, 27 (33). Dort ging es um Kreditverhandlungen mit dem Bruder des anderen Teils.

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Verhaltensstandards orientiert, die ihm vertraut sind.62 Die Auskunftserteilung erfolgt gegenüber dem Verhandlungspartner unentgeltlich, weshalb die Interessen des Dritten vorrangig sind.63 Für denjenigen, der sich freiwillig auf grenzüberschreitende Verhandlungen einlässt, ist das nicht überraschend. Auch der potentiell Haftende wird so vor einer für ihn aufgrund der Geltung fremden Rechts unvorhersehbaren Haftung geschützt. Anders liegen die Dinge möglicherweise, wenn der Vertreter bzw. Sachwalter im Inland oder einem Drittland mit dem anderen Teil die Verhandlungen führt oder bei Distanzverhandlungen. Für den ersten Fall wird jedenfalls eine Anknüpfung an den Marktort vertreten, wo der Dritte das Vertrauensverhältnis geschaffen hat.64 Ähnlich wie im Zweipersonenverhältnis beim Abstellen auf den Verhandlungsort ist dem entgegenzuhalten, dass die Festsstellung eines solchen Ortes Schwierigkeiten aufwerfen kann, insbesondere, wenn die Beteiligten in mehreren Ländern verhandelt haben.65 Außerdem ist eine solche Anknüpfung von Zufälligkeiten abhängig, die das anwendbare Recht wenig vorhersehbar machen. Rechtssicherheitsaspekte sprechen also gegen eine solche Regelung. Zwar wird es Konstellationen geben, in denen der Geschädigte ohne weiteres von der Geltung seiner Heimatrechtsordnung ausgeht und er insofern möglicherweise auch schutzwürdig ist. Dann kann im Einzelfall aber über die Ausweichklausel des Art. 28 Abs. 5 EGBGB analog geholfen werden. Wenn die Vertragsverhandlungen über Distanz geführt werden mittels Schriftverkehr oder via moderner Kommunikationsmittel, dann kann der Vertrauende nicht ohne weiteres mit der Geltung seines Aufenthaltsrechts rechnen.66 Auch hier sollte es deshalb bei der genannten Grundregel mitsamt ihrer Auflockerungsmöglichkeit bleiben. cc) Ergebnis Die Eigenhaftung des Vertreters und die Sachwalterhaftung aus culpa in contrahendo wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens sind in entsprechender Anwendung von Art. 27, 28 EGBGB unabhängig vom Zielvertragsstatut anzuknüpfen.

2. Inanspruchnahme typisierten Vertrauens Mit dem Stichwort der zivilrechtlichen Prospekthaftung werden im deutschen Sachrecht die Fälle der Haftung aus culpa in contrahendo wegen der Inanspruchnahme typisierten Vertrauens bezeichnet. Davon betroffen sind die Pro62 63 64 65 66

Dörner, JR 1987, 201 (203); Dörner / Meyer-Sparenberg, JA 1991, 5 (8). Vgl. Dörner, WM 1977, 962 (963); kritisch: Reder, S. 158. G. Fischer, JZ 1991 , 168 (174). Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) ee). G. Fischer, JZ 1991, 168 (175).

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spektgaranten, die nicht direkt an den Vertragsverhandlungen beteiligt waren, aber aufgrund ihrer Position in der Gesellschaft oder wegen ihrer Mitwirkung am Prospekt in Verbindung mit ihrer beruflichen Stellung als Schadensverantwortliche angesehen werden.67 Während erstere nicht in Erscheinung treten müssen, wirkt für letztere nur eine Erwähnung nach außen haftungsbegründend. Eine besondere persönliche Gewähr ist nicht erforderlich. Sollte diese im Einzelfall dennoch übernommen worden sein, ist für die Zwecke des Internationalen Privatrechts wie in den Konstellationen der Eigenhaftung des Vertreters bzw. Sachwalters anzuknüpfen.68 Fraglich ist aber, unter welchen Anknüpfungsgegenstand einer Kollisionsnorm die Haftung wegen typisierten Vertrauens subsumiert werden kann.

a) Meinungsstand Für diese Sachverhalte wird zum einen die Anwendung des Deliktsstatuts befürwortet.69 Grundmann will die deliktische Anknüpfung allerdings modifizieren und das Recht des betroffenen Marktes anwenden.70 Andere wollen wiederum dem Geschädigten ein Wahlrecht zwischen Gesellschafts- und Deliktsstatut einräumen, soweit es um Ansprüche gegen die Initiatoren und Gründer der Gesellschaft geht. Teilweise wird dies mit dem Anlegerschutz begründet.71 Andererseits wird zur Rechtfertigung des Wahlrechts nicht allein auf den Schutz des Anlagepublikums abgestellt, sondern eine Parallele zu der Qualifikation des Ehenamens vor der Reform des EGBGB gezogen. Hier konnten die Ehegatten ebenfalls unter zwei Anknüpfungsmöglichkeiten wählen. Auch dem übervorteilten Anleger stehe aufgrund einer Doppelqualifikation ein Wahlrecht zu, da weder das Gesellschaftsnoch das Deliktsstatut vorrangig seien.72 Die Haftung der nicht an der Gesellschaft beteiligten Prospektverantwortlichen unterliege aber dem Deliktsstatut.73 Vereinzelt wird auch die Heranziehung des präsumtiven Vertragsstatuts erwogen. Da der Beitritt zur Publikumsgesellschaft rechtsgeschäftlich erfolgt, wäre das Statut des Gesellschaftsvertrages maßgeblich, also eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation vorzunehmen.74 Siehe oben: Teil B. II. 5. Vgl. oben: Teil I. I. 1. b) cc) 69 Assmann / Schütze / Schütze, Hdb. des Kapitalanlagerechts (1990), § 10, Rn. 19; Köstlin, S. 126 ff. 70 Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283 (310 f.); ihm folgend: Hopt, in: FS W. Lorenz, S. 413 (420 ff.). 71 Reder, S. 263 f., der die Anknüpfungsmomente des Deliktsstatuts ebenfalls modifizieren will, vgl. S. 261 ff. 72 Nickl, S. 238 ff. Eine Modifzierung des Deliktsstatuts lehnt Nickl aber ab, S. 236 ff. 73 Nickl, S. 243 ff.; Reder, S. 264. 74 Soergel / Lüderitz, Bd. 8, 11. Aufl. (1983), Vor Art. 7 EGBGB, Rn. 287. Auch Ahrens will die typisierte Vertrauenshaftung dem Gesellschaftsstatut unterstellen, siehe IPRax 1986, 355 (361); vgl. auch G. Fischer, JZ 1991, 168 (174, Fn. 101). 67 68

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Im Ausland werden vergleichbare Fallgruppen im Rahmen des Internationalen Privatrechts oftmals dem Deliktsstatut zugeordnet.75

b) Eigene Stellungnahme Wie gesehen, ist die Anknüpfung von Schadensersatzansprüchen aus zivilrechtlicher Prospekthaftung sehr umstritten. Im Folgenden ist deshalb zu überprüfen, welche Kollisionsregeln diese Rechtsfrage am besten erfassen und welchem Statut diese Ansprüche dann unterliegen. aa) Zielvertragsstatut Da die allgemeine bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung in der Rechtsprechung und Teilen der Lehre als Fortentwicklung der culpa in contrahendo angesehen wird,76 stellt sich zunächst die Frage nach einer Anwendung der vertraglichen Kollisionsregeln gem. Art. 27 ff. EGBGB. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass ebenso wie bei der Eigenhaftung des Vertreters bzw. des Sachwalters ein eigenständiger Haftungsgrund besteht,77 der selbständig anzuknüpfen ist. Der Abschluss des Beitrittsvertrages zur Gesellschaft ist von Anfang an nicht mit den Prospekthaftpflichtigen geplant. Würde man das Zielvertragsstatut auch für Ansprüche aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung für anwendbar erklären, dann hieße dass, die Qualifikation der Schadensersatzansprüche aufgrund falscher Prospektangaben durch eine andere Sonderbeziehung zu determinieren. Dies wäre jedoch unsachgemäß und würde die Eigenständigkeit der Dritthaftung wegen der Inanspruchnahme typisierten Vertrauens vernachlässigen. Die rechtsdogmatische Zuordnung der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung zur culpa in contrahendo im materiellen deutschen Recht setzt nicht zwangsläufig eine ebensolche Qualifikation auf international-privatrechtlicher Ebene voraus, da funktional zu qualifizieren ist. Außerdem würde die Anwendung des Art. 28 EGBGB zumeist zur Rechtsordnung des Anbieters der Kapitalanlage führen, was im Hinblick auf die Interessen des Anlegers jedenfalls nicht unproblematisch wäre.78 Die vertraglichen Kollisionsregeln passen somit nicht auf die Dritthaftung der Prospektverantwortlichen. Eine vertragliche Qualifikation ist nicht möglich.

75 Köstlin, S. 126, m. w. N.; Hopt, in: FS W. Lorenz, S. 413 (420); W. Lorenz, JZ 1960, 108 (112 f.). 76 Vgl. oben: Teil B. II. 5. 77 Siehe oben: Teil I. I. 1. b) bb) (3). 78 Vgl. Zimmer, S. 63 f.; zu der Interessenlage in den Prospekthaftungsfällen siehe unten: Teil I. I. 2. b) cc) (4).

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bb) Eigenständiges Dritthaftungsstatut Besteht eine Sonderbeziehung zwischen Drittem und Geschädigtem, dann ist an eine analoge Anwendung der Art. 27 ff. EGBGB zu denken. Im Unterschied zu den anderen Konstellationen der Eigenhaftung vertragsfremder Dritter wegen vorvertraglichen Pflichtverletzungen kommt es bei der Prospekthaftung aber regelmäßig zu keinem persönlichen Kontakt mit dem Schädiger. Einzige Informationsquelle für die Anleger ist der Prospekt, dessen Angaben sie im Hinblick auf Richtigkeit und Vollständigkeit vertrauen und der deshalb allein maßgeblich für die Anlageentscheidung ist. Die Haftung der Prospektverantwortlichen knüpft also nicht an eine das vorvertragliche Näheverhältnis grundsätzlich kennzeichnende Verhandlungssituation zwischen zukünftigen Vertragspartnern an.79 Man kann nicht davon sprechen, dass es bereits zu einem solchen sozialen Kontakt gekommen ist, der zwar noch im Vorfeld eines Vertragsabschlusses liegt, aber aufgrund seiner Intensität bereits die Anwendung der für vertragliche Schuldverhältnisse geltenden Kollisionsnormen rechtfertigen würde. Das notwendige Aufeinanderzugehen zweier Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels, der Eingehung einer freiwilligen rechtsgeschäftlichen Selbstbindung, und das damit verbundene Heraustreten aus der die Deliktsfälle charakterisierenden Anonymität und die bloße Zufälligkeit der Begegnung, kann in den Prospekthaftungsfällen nicht festgestellt werden. Die Verantwortlichen halten sich vielmehr im Hintergrund. Einzig die nicht an der Gesellschaft beteiligten Prospektgaranten müssen in dem Prospekt genannt sein. Keiner muss persönlich mit dem Anleger in Kontakt treten. Eine enge Bindung zwischen den Parteien aufgrund von Verhandlungen, die durch das Ausloten der Vertragsbedingungen und eine gegenseitige Verhandlungsbereitschaft geprägt sind, liegt nicht vor. Damit fehlt es in den Fällen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung bereits an einem vertragsähnlichen Näheverhältnis zwischen den Parteien. Außerdem hat der schädigende Dritte auch kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, so dass diese Voraussetzung für eine analoge Heranziehung der Art. 27 ff. EGBGB ebenfalls nicht erfüllt ist. Ein eigenes Dritthaftungsstatut besteht somit nicht. cc) Anknüpfung bei Gründer-, Gestalter- und Initiatorenhaftung Für die Anknüpfung der Gründer-, Gestalter- und Initiatorenhaftung kommt nach den vorstehenden Ausführungen entweder das Delikts- oder das Gesellschaftsstatut in Betracht.

79 Wenn es nämlich zu solchen Vertragsverhandlungen kommt, dann geht es nicht um Fälle der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung, sondern um die „typischen“ Konstellationen der culpa in contrahendo.

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(1) Gesellschaftsstatut Durch den Beitritt zur Gesellschaft ist der Geschädigte selbst zum Anlagegesellschafter geworden. Nimmt er die Gründer, Gestalter und Initiatoren der Gesellschaft aus zivilrechtlicher Prospekthaftung in Anspruch, so geht es funktional betrachtet um die Haftung innerhalb der Gesellschaft, nämlich um Ausgleichsansprüche der an der Gesellschaft beteiligten Personen untereinander.80 Diese gesellschaftsinternen Beziehungen unterstehen dem auf die juristische Person anwendbaren Recht, denn das Gesellschaftsstatut bestimmt, nach welchen Regeln eine Gesellschaft „entsteht, lebt und vergeht“.81 In Anlehnung an Art. 155 schweiz. IPRG82 sind insbesondere Fragen nach der Rechtsfähigkeit, der Organisation, der Haftung und dem Untergang der Gesellschaft vom Anwendungsbereich mit umfasst. Gesellschaftsrechtliche Haftungsansprüche von Mitgliedern der juristischen Person gegeneinander betreffen das Innenverhältnis der Gesellschaft und sollen deshalb auch von der Rechtsordnung beurteilt werden, die das übrige „Leben“ der Gesellschaft bestimmt. Der Beitritt zur juristischen Person aufgrund falscher oder fehlender Prospektangaben wird durch die Schadensersatzansprüche ausgeglichen. Hierfür kommt es regelmäßig auch auf die Beurteilung der inneren Verhältnisse der Anlagegesellschaft an, also auf die Würdigung gesellschaftsrechtlicher Fragen.83 Dies spricht für eine einheitliche Haftung nach dem Gesellschaftsstatut. Die Anknüpfung gesellschaftsrechtlicher Rechtsverhältnisse ist allerdings umstritten. Zum einen kommt die Sitztheorie in Betracht, die auf das Recht des Staates abstellt, in dem sich der tatsächliche Verwaltungssitz befindet. Zum anderen könnte aber auch auf die Rechtsordnung abgestellt werden, nach dem die Gesellschaft gegründet worden ist, sog. Gründungstheorie.84 Die Bestimmung des GeSo auch: Nickl, S. 231 ff.; Reder, S. 257. BGHZ 25, 134 (144); vgl. auch: Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 577 ff.; Kropholler, § 55, S. 524. 82 Art. 155 schweiz.IPRG lautet: „Unter Vorbehalt der Artikel 156 – 161 bestimmt das auf die Gesellschaft anwendbare Recht insbesondere: a. die Rechtsnatur; b. die Entstehung und den Untergang; c. die Rechts- und Handlungsfähigkeit; d. den Namen oder die Firma; e. die Organisation; f. die internen Beziehungen, namentlich diejenigen zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern; g. die Haftung aus Verletzung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften; h. die Haftung für ihre Schulden; i. die Vertretung der aufgrund ihrer Organisation handelnden Personen.“ 83 Vgl. BGHZ 76, 231 (235). 84 Vgl. von Hoffmann / Thorn, IPR, § 7, Rn. 24; Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 573 ff.; Koch / Magnus / von Mohrenfels, IPR und Rvgl., § 8, S. 224 f.; Jenckel, S. 148; Ahrens, IPRax 1986, 355 (357); Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498 (500). 80 81

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sellschaftsstatuts nach der erstgenannten Methode findet sich beispielsweise im deutschen, belgischen, französischen und österreichischen Recht, während die Schweiz, die Niederlande und der anglo-amerikanische Rechtskreis die Gründungstheorie befürworten.85 Nach dem Urteil des EuGH in der Sache Überseering BV / NCCB GmbH,86 in dem ausgesprochen worden ist, dass es einen Verstoß gegen Art. 43, 48 EGV, also gegen die Niederlassungsfreiheit, darstellt, wenn eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat gegründet worden ist und dann aufgrund der Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat dort ihre Rechtsfähigkeit abgesprochen bekommt, hat sich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft nun allerdings auch die Anknüpfung an das Recht der Gesellschaftsgründung durchgesetzt. Jedenfalls gilt diese nach Rechtsprechung und h. M. in Deutschland für Fragen hinsichtlich der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft.87 Von diesem Ausgangspunkt ist eine Entwicklung weg vom Abstellen auf das Sitzrecht erfolgt. Das bestätigt auch die EuGH-Entscheidung „Inspire Art“, die Fragen hinsichtlich des Mindestkapitals einer Gesellschaft und die Geschäftsführerhaftung grundsätzlich dem Gründungsrecht unterstellt.88 Die Sitztheorie behält ihre Bedeutung jedoch weiterhin in den Fällen, in denen Gesellschaften in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaft gegründet werden.89 (2) Deliktsstatut Auf der anderen Seite entfaltet nicht nur das Gesellschaftsstatut eine gewisse Anziehungskraft für die hier interessierenden Sachverhalte, sondern auch das Internationale Deliktsrecht. Die Situationen, in denen Schadensersatzansprüche aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung entstehen können, sind mit deliktsrechtlich geprägten Fällen vergleichbar. Wie soeben ausgeführt, fehlt es gerade an einer vorvertraglichen Nähebeziehung, die eine Subsumtion unter die Art. 27 ff. EGBGB stützen könnte. Die Prospektverantwortlichen wenden sich nicht an einen bestimmten, ihnen bekannten Personenkreis, sondern an alle interessierten Anleger. Es geht bei den Angaben im Prospekt mithin um Informationen, die einem beliebigen, d. h. offenen Anlagepublikum gegenüber bestehen und nicht um spezifische Aufklärungspflichten im Rahmen von Vertragsverhandlungen zwischen zukünftigen, bereits individualisierten Vertragspartnern. Pflichten erga omnes sind aber typischerweise deliktisch zu qualifizieren.90 Demnach käme also auch die Anwendbarkeit des Deliktsstatuts in Betracht. von Hoffmann / Thorn, IPR, § 7, Rn. 24; Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 573. EuGH 05. 11. 2002 – 208 / 00, Überseering BV / NCCB GmbH, IPRax 2003, 65 ff. 87 Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 575 m. w. N. 88 EuGH 30. 09. 2003 – 167 / 01, Kamer / Inspire Art, NJW 2003, 3331 (3333 ff., Nr. 95 ff.); vgl. auch: Kropholler, IPR, § 55, S. 566. 89 Siehe zu der Beurteilung des Überseering-Urteils: Kropholler, IPR, § 55, S. 564 ff. m. w. N. 90 So bereits oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (a) (cc). 85 86

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(3) Modifikation des Deliktsstatuts Unter den Befürwortern der deliktischen Anknüpfung besteht allerdings keine Einigkeit hinsichtlich der maßgeblichen Anknüpfungsmomente. Teilweise wird vertreten, dass es auch für die bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftungsfälle beim gesetzlich vorgesehenen Handlungs- oder Erfolgsort bleiben soll. Andere wiederum wollen kapitalmarktrelevante Gesichtspunkte berücksichtigen und deshalb das Deliktstatut entsprechend modifizieren.91 Der Grund für diese Differenzen liegt in dem unterschiedlichen Verständnis der Schutzrichtung bzw. der Funktion der zivilrechtlichen Prospekthaftung. Wer dieses Haftungsinstitut ausschließlich als Instrument zur Wahrung der Interessen übervorteilter Anleger ansieht, damit also nur auf deren Individualinteressen abstellt, der mag es bei der Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Anknüpfungsmomente des Handlungs- oder Erfolgsortes belassen. Die Anknüpfungssystematik des Ubiquitätsprinzips in Art. 40 EGBGB ist nämlich auf die Abwägung der kollisionsrechtlichen Interessen im Verhältnis zweier Personen zueinander ausgelegt. Dies zeigt die Wahlmöglichkeit zwischen Erfolgs- und Handlungsortrecht, die zu Rechtsunsicherheiten führt, was für andere Personen als den Schädiger selbst nicht zumutbar ist. Außerdem ist in Art. 40 Abs. 2 S. 1 EGBGB eine Anknüpfung an das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts vorgesehen. Drittinteressen wird somit nicht Rechnung getragen.92 Sollen letztere hingegen ebenfalls Beachtung finden, weil man der bürgerlichrechtlichen Haftung für falsche Prospektangaben eine kapitalmarktrechtliche Relevanz zuschreibt, womit die Berührung von Interessen verschiedener Marktteilnehmer einherginge, dann wäre eine Modifikation der Tatortregel in Betracht zu ziehen. Je nachdem, welche Funktion man also der zivilrechtlichen Prospekthaftung zuerkennt, schlägt sich diese Einordnung auch auf kollisionsrechtlicher Ebene nieder. (a) Kapitalmarktrechtliche Relevanz des Anlegerschutzrechts Zu beantworten ist also zunächst die Frage, ob der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung eine nur individualschützende Funktion zukommt oder ob über die Gewährung eines konkreten Ersatzanspruches für den Geschädigten hinaus von einer dritte Interessen berührenden Marktrelevanz gesprochen werden kann. Die dogmatische Grundlage für die allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung ist im deutschen materiellen Recht allerdings sehr umstritten.93 Sie wird von der Vgl. oben: Teil I. I. 2. a). Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 11 ff., 31; Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 304, 326; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 11, Rn. 51; Jenckel, S. 156 ff. Vgl. aber auch Art. 10 Rom II-VOE wonach die Parteiautonomie, trotz der soeben dargestellten Kritik, auch für das Recht des unlauteren Wettbewerbs in Form einer nachträglichen Rechtswahl gelten soll. 91 92

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Rechtsprechung, die dieses Haftungsinstrument entwickelt hat, in der Schaffung eines besonderen Vertrauenstatbestandes gesehen, also als eine Weiterentwicklung der Grundsätze über die Haftung aus culpa in contrahendo gerechtfertigt.94 In erster Linie soll sie dem Kapitalanleger Schutz vor unzureichender Information im Hinblick auf seine Anlageentscheidung bieten. Die Prospektverantwortlichen müssen ihm bei Verletzung dieser Pflichten für seinen daraus entstandenen Schaden einstehen. Der BGH führt dazu aus, „dass im Interesse eines rechtlich gebotenen Kapitalanlegerschutzes auf eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung des Rechtsverkehrs über das Risiko möglicher Anlagen hingewirkt werden muss“.95 Grund hierfür ist die organisatorische und wirtschaftliche Überlegenheit der die Kapitalanlagen anbietenden Unternehmen gegenüber dem Kunden.96 Vertragsverhandlungen auf Augenhöhe finden in den meisten Fällen nicht statt. Der Kunde hat nur die Möglichkeit, zu standardisierten Bedingungen das Anlagegeschäft einzugehen, und ist aufgrund seines regelmäßig bestehenden Informationsdefizits schutzwürdig. Auch wenn die Prospekthaftung nach dem in der genannten Entscheidung verwendeten Wortlaut nur auf dem Schutz der Anlegerinteressen beruht, so wirkt sie doch ebenfalls auf den Markt als ganzen regelnd ein. Zwar wird sie nach wie vor von der Rechtsprechung als Fallgruppe der vorvertraglichen Haftung begriffen, doch hat sie sich von dieser Rechtsgrundlage zunehmend gelöst und zu einem eigenen Haftungsinstitut für den sog. grauen Kapitalmarkt97 entwickelt.98 Die Herausbildung eines solchen Rechtsinstituts für diesen ungeregelten Kapitalmarkt war notwendig geworden, nachdem eine große Anzahl von Investoren durch das Inaussichtstellen unrealistisch hoher Renditen und der aufgrund dieser besonderen Anlageform gestatteten Steuervorteile verleitet worden waren, ihr Kapital in meist als Publikumspersonengesellschaften organisierten Beteiligungsformen anzulegen und dieses dann aufgrund nicht seriös geplanter und durchgeführter Vorhaben verloren haben.99 Eine gesetzliche Regelung für diesen nicht organisierten Kapitalmarkt fehlte in der Vergangenheit und fehlt noch immer, da die Einführung eines Vermögensanlagegesetzes gescheitert ist.100 Die Entwicklung der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung durch Richterrecht dient somit der Schließung legislativer Lücken in diesem Bereich.101 Allerdings können diese Ansprüche auch neben 93 Ausführlich hierzu: Assmann / Schütze / Assmann, Hdb. des Kapitalanlagerechts (1990), § 7, Rn. 16 ff.; Assmann, S. 216 ff. Siehe auch: Köstlin, S. 123. 94 So explizit: BGHZ 79, 337 (341). 95 BGHZ 79, 337 (341); vgl. auch Grumann, BKR 2002, 310: Kapitalanlegerschutz als Ziel der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung. 96 Zimmer, S. 48 ff. 97 Siehe: Assmann, Einleitung, S. 1; Möllers, LMK 2003, 223. 98 Vgl. Ahrens, IPRax 1986, 355 (356). 99 Assmann, S. 1, 12 f.; Köstlin, S. 121; Ahrens, IPRax 1986, 355 (355); Möllers, LMK 2003, 223 (223). 100 Vgl. dazu ausführlich: Assmann, S. 13, 77 ff.

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spezialgesetzlich geregelten Haftungstatbeständen bestehen.102 Die Statuierung einer Haftung für Informationspflichtverletzungen seitens der Prospektgaranten unterstützt aufgrund seiner generalpräventiven Wirkung mithin die Schaffung eines funktionierenden Kapitalanlegermarktes. Die Prospekthaftung dient der Durchsetzung von Markttransparenz und der Verminderung von Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Anleger.103 Hier zeigt sich die kapitalmarktrechtliche Relevanz dieses Haftungsinstituts. Die Rechtsprechung hat verhaltenssteuernde Regelungen aufgestellt und konkretisiert, die es zur Vermeidung von Sanktionsfolgen einzuhalten gilt. Sorgt die Prospekthaftung so für das Funktionieren des Anlagemarktes, weil die Investoren dieser Investitionsmöglichkeit nun wieder vertrauen werden und es außerdem nur noch in geringerem Maße zu wettbewerbsverzerrenden Pflichtverletzungen kommen wird, dann entspricht das letztendlich auch den Interessen konkurrierender Kapitalanbieter und des Staates. Fraglich ist hingegen, ob die Bedeutung der allgemeinen Prospekthaftung für den Kapitalmarkt auf die Nähe zur im Börsengesetz spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung, der unabstreitbar eine Kapitalmarktrelevanz zukommt,104 gestützt werden kann. Während einige Autoren, insbesondere im Hinblick auf die an der spezialgesetzlichen Prospekthaftung orientierten Verjährungsfristen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung,105 von einer Anlehnung dieses richterrechtlichen Rechtsinstituts an das gesetzlich geregelte Haftungsinstrument ausgehen und damit die kapitalmarktrechtliche Ausrichtung begründen,106 stehen andere dieser Argumentationslinie kritisch gegenüber. Die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung sei völlig unabhängig von den Regelungen des Börsenrechts auf der Grundlage der culpa in contrahendo entwickelt worden, so dass eine Parallele zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung nicht überzeuge.107 Allerdings ist eine gewisse Loslösung von der Haftungsgrundlage des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu beobachten. Die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung stellt jedenfalls einen Sonderfall dar, der auf die Bedürfnisse des grauen Kapitalmarkts abstellt. Ob sie dadurch 101 In BGHZ 79, 337 (341) spricht das Gericht von „einem bestimmten vom Gesetzgeber als regelungsbedürftig nicht vorhergesehenen, aber ausfüllungsbedürftigen Bereich“. Vgl. auch: Zimmer, 37 f. 102 B / H / M / Hopt, Anh § 177a HGB, Rn. 62; Hopt, S. 48, Rn. 100. 103 Vgl. Zimmer, S. 41 ff. 104 Reder, S. 259. 105 Zur Verjährung siehe oben: Teil B. II. 5.Vgl. aber auch Holzborn / Foelsch, NJW 2003, 932 (935), die § 46 BörsG analog heranziehen wollen. 106 Eine Parallele zur spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung zieht heran: Reder, S. 259 f. Siehe zudem: Assmann / Schütze, Hdb. des Kapitalanlagerechts (1990), § 7, Rn. 22 m. w. N. Vgl. aber auch Siol, DRiZ 2003, 204, wonach die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung auf der c.i.c. basiert und zugleich an die spezialgesetzlichen Regelungen des Börsenrechts angelehnt wurde. 107 Dogmatischer Ausgangspunkt sei die culpa in contrahendo, vgl. insbesondere Hopt, S. 49, Rn. 100; siehe auch: Grumann, BKR 2002, 310; Kouba, VersR 2004, 570; vgl. ebenfalls oben: Teil B. II. 5.

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eher zur „typischen“ culpa in contrahendo zählt oder vielmehr mit der börsenrechtlichen Prospekthaftung vergleichbar ist, muss nicht entschieden werden, da andere Argumente jedenfalls für die Bejahung der Kapitalmarktrelevanz der richterrechtlich entwickelten Prospekthaftung streiten. Dass der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung nicht nur eine verbraucherschützende, sondern eine umfassende kapitalmarktrechtliche Relevanz zukommt, wird nämlich auch noch durch Bestrebungen des Gesetzgebers, Teile dieses Haftungsinstituts in gesetzliche Form zu gießen, untermauert. So hat das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes108 einen neuen § 8 f. VerkProspG geschaffen, wonach für einen Großteil der nicht in Wertpapieren verbrieften Vermögensanlagen eine Prospektpflicht vorgesehen wird. Bei der Verwendung fehlerhafter Prospekte kommt es über den Verweis in § 13 VerkProspG dann regelmäßig zu einer Haftung nach den §§ 44 – 47 BörsG. Vor der Änderung des Verkaufsprospektgesetzes wäre dieser Bereich nur durch die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung abgedeckt worden.109 Die Einführung einer gesetzlich normierten Prospektpflicht für nicht wertpapiermäßig verbriefte Anlageformen wird mit der Schließung von Regelungslücken auf dem sog. grauen Kapitalmarkt begründet, für die sich „in der Vergangenheit besonderer Handlungsbedarf gezeigt hat“. Es geht darum, das Anlegervertrauen in die Unternehmensintegrität wieder herzustellen, um Selbstregulierung der Marktteilnehmer und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als ganzen zu gewährleisten. Bezweckt ist mithin nicht nur eine Verbesserung des Anlegerschutzes, sondern auch der Markteffizienz, die letztendlich den Anbietern von Kapitalanlagen und ebenso dem Staat zu Gute kommt.110 Die gesetzliche Normierung von Sachbereichen – die ohne Sonderregelung von der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung erfasst werden – aufgrund der gerade genannten Gründe, verdeutlicht die kapitalmarktrechtliche Relevanz dieses Haftungsinstruments sehr anschaulich. Folglich kommt der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung als Teil des Anlegerschutzrechts eine Kapitalmarktrelevanz zu,111 die die zu berücksichtigenden Interessen bestimmt. Betroffen sind mithin sowohl Individual- als auch Allgemein-, d. h. Marktfunktionsinteressen.112 Es bedarf also einer Anknüpfung, die dieser Interessenlage gerecht wird.

BGBl. 2004 I, S. 2630 (2647). Vgl. hierzu: Assmann, AG 2004, 435 (445 ff.). 110 Siehe die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses zum AnSVG-E, BT-Drucks. 15 / 3493, S. 1, 48 f. 111 Reder, S. 258; vgl. auch: Köstlin, S. 124. Nickl hingegen leugnet die Kapitalmarktrelevanz der Prospekthaftung ohne eingehende Begründung, S. 237. Nur auf den Anlegerschutz stellt auch ab: Ahrens, IPRax 1986, 355 (361). 112 Zimmer, S. 40 ff., 60 ff., 121; Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283 (287 f.). 108 109

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(b) Anknüpfung nach dem Auswirkungsprinzip Teilweise wird eine einheitliche Anknüpfung des gesamten deutschen Anlegerschutzrechtes nach dem Auswirkungsprinzip vorgeschlagen.113 Jenckel und auch Köstlin wollen so der kollisionsrechtlichen Zersplitterung, die je nach materiellrechtlicher Einordnung des jeweiligen Anlegerschutzinstruments entstehen kann und der damit einhergehenden Statuierung unterschiedlicher Schutzniveaus vorbeugen. Gemeinsamer Zweck all dieser Regelungen sei der Individualschutz des Investors und der Funktionsschutz des Marktes, also sozial- und wirtschaftspolitische Ziele. Im Verweisungsrecht gelänge die Berücksichtigung beider Zwecke am besten durch die Heranziehung des Auswirkungsprinzips, d. h. bei Auswirkungen im Inland gelte inländisches Anlegerschutzrecht.114 Bestätigt sieht sich Köstlin durch einen Vergleich mit dem US-amerikanischen Recht und angebliche Entwicklungen in Parallelbereichen des Anlegerschutzrechts, namentlich im Kartellrecht, im Recht des unlauteren Wettbewerbs und im Konzernrecht.115 Kritisch zu betrachten sind aber die Probleme im Umgang mit dem Kriterium der Inlandsauswirkung. Dessen Bestimmbarkeit bereitet Schwierigkeiten, was zur Beeinträchtigung der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts führen kann und damit zu Lasten der Rechtssicherheit geht. Zwar wird zur Konkretisierung einer relevanten Auswirkung gefordert, dass diese „unmittelbar“, „vorhersehbar“ und „wesentlich“ sein müsse.116 Unsicherheiten bei der Abgrenzung sind für die Prüfung dieser Voraussetzungen aber nicht zu vermeiden.117 Als Marktauswirkung i. d. S. wäre bei der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung wohl der Ort anzusehen, an dem der Schaden eingetreten ist, also das Vermögen des Anlegers geschmälert wurde. Hier hat sich die Verwendung unrichtiger Prospekte unmittelbar realisiert, d. h. ausgewirkt. Die Anwendung des Auswirkungsprinzips kann damit aber zu zufälligen Ergebnissen führen.118 Außerdem hat Kreuzer darauf hingewiesen, dass sich eine wettbewerbliche Maßnahme trotz der Einwirkung auf nur einen nationalen Markt auf mehrere andere nationale Märkte auswirken kann. Aufgrund der Probleme, die sich in Folge der gleichzeitigen Berufung mehrer Rechtsordnungen ergeben, sei jedenfalls das Recht des unlauteren Wettbewerbs nicht dem Auswirkungsprinzip zu unterwerfen.119 Jenckel, S. 259 ff.; Köstlin, S. 187 ff. Kritisch hierzu: Zimmer, S. 50 ff., 122. Jenckel, S. 159 f.; Köstlin, S. 190. 115 Köstlin, S. 190 ff. 116 Jenckel, S. 160; Köstlin, S. 194; siehe auch: Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 356 ff. Vgl. zur „Spürbarkeit“ der Auswirkungen: Bechtold, GWB, § 130, Rn. 15; Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 23, S. 1130. 117 Vgl. Zimmer, S. 53 f.: das Auswirkungsprinzip sei „kein einfach zu handhabender, zu eindeutigen Ergebnissen führender Anknüpfungsgrundsatz“. 118 MüKo / Kreuzer (1998), Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 234. Siehe aber auch MüKo / Drexl, Bd. 11, IntUnlWettbR, Rn. 12 ff. 119 Kreuzer, in: Vorschläge und Gutachten, S. 232 (270 ff.). 113 114

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Durchgesetzt hat sich das Auswirkungsprinzip deshalb weder im Internationalen Recht des unlauteren Wettbewerbs120 noch im Internationalen Konzernrecht121, sondern nur im Internationalen Kartellrecht, wo es in § 130 Abs. 2 GWB eine explizite Regelung gefunden hat. Als einseitige Kollisionsnorm zwingender Natur will sie deutsches Kartellrecht im Inland durchsetzen. Im Vordergrund steht also das staatliche Interesse, Wettbewerbsbeschränkungen auf dem Inlandsmarkt zu verhindern.122 Die Institution Wettbewerb soll geschützt werden.123 Die Sicherung der Freiheit des Wettbewerbs berührt damit zwangsläufig auch die Individualinteressen konkurrierender Unternehmer unmittelbar, während dies beim Verbraucherschutz gerade nicht der Fall ist. Die Vorteile der Abnehmer, die aus einer freien Wettbewerbswirtschaft resultieren, sind eine gewollte mittelbare Folge, aber nicht unmittelbarer Schutzzweck des Kartellrechts.124 Das Auswirkungsprinzip stellt in erster Linie auf die Marktordnung insgesamt ab und nicht auf Individualinteressen.125 Eine Übertragung der Wertungen auf die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung drängt sich deshalb nicht auf. Neben den Marktinteressen steht hier gerade auch der Individualschutz der Anleger im Vordergrund. Die Anwendung des Auswirkungsprinzips wird dem nicht gerecht, da es sich in erster Linie auf den Markt als ganzen bezieht.126 Außerdem mangelt es diesem Kriterium an Flexibilität, da von vornherein die Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung oder nachträglichen Rechtswahl ausscheidet. Folglich ist der Vorschlag Köstlins nach einer einheitlichen Anknüpfung des gesamten deutschen Anlegerschutzrechtes nach Maßgabe des Auswirkungsprinzips abzulehnen.

120 Hier ist das Recht des Ortes der Interessenkollision maßgeblich, siehe sogleich: Teil I. I. 2. b) cc) (3) (c). Das Auswirkungsprinzip kommt allerdings oftmals zur Berufung derselben Rechtsordnung, vgl. Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 309 f.; Kreuzer, in: Vorschläge und Gutachten, S. 232 (272). Gegen eine Anlehnung des lauterkeitsrechtlichen Wettbewerbsstatuts an das Auswirkungsprinzip auch: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 25. 121 Hier wird an das Gesellschaftsstatut der (haupt)betroffenen Gesellschaft angeknüpft, vgl. Staudinger / Großfeld, IntGesR, Rn. 556; Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 584. Ausführlich zu den methodischen Begründungsversuchen und insbesondere auch zur Ablehnung der Ansicht Luchterhandts, der auf das Marktauswirkungsprinzip abstellen will, vgl. MüKo / Kindler, Bd. 11, IntGesR, Rn. 731 ff. 122 Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 23, S. 1126; vgl. auch Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 23; Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 353. 123 Bechtold, GWB, Einf., Rn. 46; Immenga / Mestmäker, GWB, § 1, Rn. 7 f. 124 Bechtold, GWB, Einf., Rn. 50. 125 Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 201 ff.; MüKo / Kreuzer (1998), Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 238; Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 308. 126 So auch Reder, S. 260 f.

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I. Dritthaftung

(c) Wettbewerbsspezifische Anknüpfung Vielmehr könnte eine Anknüpfung in Anlehnung an die kollisionsrechtliche Behandlung des internationalen Wettbewerbsrechts in Betracht kommen. Dieses regelt wettbewerbsrechtliche Sachverhalte mit Auslandsberührung. Das Recht des unlauteren Wettbewerbs will grundsätzlich den unfairen Wettkampf zwischen Marktkonkurrenten verhindern.127 Dabei geht es um verhaltenssteuernde Maßnahmen zum Schutze der par conditio concurrentium. Diese Chancengleichheit für alle Anbieter eines Marktes wird zumeist mit der Gewährung von Unterlassungsansprüchen durchgesetzt, da der Ausgleich von Vermögensschäden gegenüber dem Präventionsgedanken zurücktritt.128 Nach modernem Verständnis vom Lauterkeitsrecht sind aber nicht mehr nur die Interessen der Mitbewerber maßgeblich, sondern es werden auch die Auswirkungen eines funktionierenden Wettbewerbsmarktes auf die Interessen von Allgemeinheit und Verbrauchern berücksichtigt, diese also ebenfalls in den Schutzzweck miteinbezogen.129 In der Neufassung des UWG sind erstmals die Verbraucher als zu schützende Objekte explizit in Art. 1 UWG aufgenommen.130 Folglich schützt das internationale Wettbewerbsrecht neben den Individualinteressen der Wettbewerber und den Interessen der Allgemeinheit auch die Kunden.131 Dies wird mit dem Begriff der „Schutzzwecktrias“ umschrieben, der alle Marktteilnehmer 132 umfasst.133 Die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung stellt ein Schadensersatzinstrument des übervorteilten Anlegers dar. Es handelt sich zwar um einen Anspruch auf Schadensersatz und nicht wie im Wettbewerbsrecht typischerweise um einen Unterlassungsanspruch. Gemeinsame Zielrichtung ist aber der Schutz des Kunden vor unlauterem Verhalten des Anbieters. Es steht nicht allein der Verbraucher- bzw. Anlegerschutz im Vordergrund. Zugleich wirken die Prospekthaftungsansprüche nämlich aufgrund ihres Sanktionscharakters generalpräventiv auf die potentiell 127 BGHZ 35, 329 (333); Begründung „Rom II-Vorschlag“, KOM (2003) 427 endgültig, S. 17; vgl. auch: Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S. 2 („besondere Form des Deliktsrechts der Unternehmen“). 128 Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 304, 311; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 11, Rn. 51; von Caemmerer, in: Vorschläge und Gutachten, S. 5 (19). 129 Vgl. zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Lauterkeitsrechts: Fezer / Fezer, Bd. 1, § 1 UWG, Rn. 6 ff. 130 Vgl. dazu auch: Begründung UWG, BT-Drucks. 15 / 1487, S. 12. 131 Vgl. BGHZ 113, 11 (15); Begründung „Rom II-Vorschlag“, KOM (2003) 427 endgültig, S. 17; Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 304, 328; Staudinger / Fezer, IntWirtschR, Rn. 325, 351; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 11, Rn. 51; Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (324). Auf das Allgemeininteresse wird u. a. bereits in BGHZ 35, 329 (336) abgestellt. 132 Vgl. Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG: „(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet [ . . . ] Nr. 2 „Marktteilnehmer“ neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind; [ . . . ]“. 133 Begründung UWG, BT-Drucks. 15 / 1487, S. 15 f.; Fezer / Fezer, Bd. 1, § 1 UWG, Rn. 14 ff.

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Haftenden. Sie müssen den Informations- und Aufklärungspflichten genügen, um sich nicht haftbar zu machen. Das fördert redliches Verhalten gegenüber dem anlagewilligen Publikum und somit die Funktionsfähigkeit des Marktes. Beides entspricht sowohl dem staatlichen Allgemeininteresse als auch dem Interesse der konkurrierenden Wettbewerber auf dem Kapitalmarkt. Letztere müssen somit nicht befürchten, im Wettkampf um die Anleger infolge von Informationspflichtverletzungen seitens ihrer Marktgegner, die so versuchen könnten, ihr Anlagemodell für die Investoren vorteilhafter erscheinen zu lassen um die Konkurrenz auszustechen, zu unterliegen. Aufgrund der bereits oben herausgestellten Kapitalmarktrelevanz der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung steht fest, dass die Interessen von Marktkonkurrenten, Verbrauchern und des Staates mit diesem Haftungsinstitut berücksichtigt werden. Folglich besteht eine Parallele zum Recht des unlauteren Wettbewerbs, was eine gleiche Behandlung der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung auf kollisionsrechtlicher Ebene erfordert. Eine explizite Verweisungsnorm für die international-privatrechtliche Behandlung von Wettbewerbsverstößen findet sich jedoch nicht im EGBGB. Es verbleibt zwar grundsätzlich bei einer deliktsrechtlichen Einordnung, da unlauteres Wettbewerbsverhalten als unerlaubte Handlung anzusehen ist,134 doch fordert die kapitalmarktrechtliche Relevanz der Haftungsansprüche aufgrund fehlerhafter Prospekte eine Einbeziehung der Interessen Dritter. Wie bereits angemerkt, passt die Tatortregel aus Art. 40 EGBGB in diesen Fällen nicht.135 Insbesondere könnte die Statutenkumulierung bei Auseinanderfallen von Handlungs- und Erfolgsortrecht zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Anlageanbietern führen, je nachdem, in welchem Land die deliktische Handlung des jeweiligen Unternehmens vorgenommen worden ist, und der Grundsatz der Gleichbehandlung des Anlagepublikums würde ebenfalls verletzt.136 Rechtsprechung und h. M. in Deutschland haben deshalb die deliktischen Anknüpfungspunkte so modifiziert, dass sie der wettbewerbsrechtlichen Interessenlage entsprechen.137 Seit der „Kindersaugflaschen-Entscheidung“ des BGH aus dem Jahre 1961 wird deshalb an das Recht des Ortes angeknüpft, „wo wettbewerbliche Interessen [ . . . ] aufeinander stoßen“.138 Es kommt also darauf an, wo die 134 BGHZ 35, 329 (333); 113, 11 (14); BGH GRUR 1998, 419 (420). Vgl. auch: Staudinger / Fezer, IntWirtschR, Rn. 344; Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (325). Zurückhaltend: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 30. 135 Vgl. obige Ausführungen: Teil I. I. 2. b) cc) (3). Ausführlich dazu: Kreuzer, in: Vorschläge und Gutachten, S. 232 (267 f.). Siehe auch: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 57 f. 136 Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283 (307 f.); ihm folgend: Hopt, in: FS W. Lorenz, S. 413 (421). 137 Zur Entwicklung des Wettbewerbsstatuts vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 157 ff.; MüKo / Kreuzer, Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 231 ff. (vgl. jetzt: MüKo / Junker, Ergbd., Art. 40 EGBGB, Rn. 82 f.; MüKo / Drexl, Bd. 11, IntUnlWettbR, Rn. 1 ff.). 138 BGHZ 35, 329 (334); dieser Entscheidung folgend: BGHZ 40, 391 (395) („Stahlexport-Entscheidung“); 113, 11 (15); MüKo / Drexl, Bd. 11, IntUnlWettbR, Rn. 2; Jenckel,

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Kollision der Interessen der Wettbewerber an einer fairen Auseinandersetzung mit der Konkurrenz stattfindet und die Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit berührt werden, dem sog. Marktort. Das ist der Markt, auf den die wettbewerbliche Maßnahme einwirkt.139 Damit entspricht die deutsche Lösung im wesentlichen den Regelungen in vielen anderen europäischen Staaten140 und der vorgeschlagenen Formulierung in Art. 5 Abs. 1 des Rom II-Entwurfs.141 Nach der Reform des deutschen Internationalen Privatrechts von 1999 findet diese Modifikation in Art. 41 Abs. 1 EGBGB ihr rechtliches Fundament.142 Die Ausweichklausel bietet nicht nur in konkreten Einzelfällen die Möglichkeit einer Sonderanknüpfung, sondern bildet zudem die Anknüpfungsbasis ganzer Rechtsgebiete, für die damit auf die Einführung einer eigenen Spezialregel verzichtet werden kann.143 Das gilt insbesondere auch für das Recht des unlauteren Wettbewerbs.144 Aufgrund von dessen Besonderheiten ist nicht an der durch Art. 40 EGBGB berufenen Rechtsordnung festzuhalten, da eine engere Verbindung zu dem Recht des Ortes besteht, an dem die Interessen der Marktbeteiligten aufeinander treffen. S. 155; von Caemmerer, in: Vorschläge und Gutachten, S. 5 (20); Mankowski, GRURInt. 1999, 909; Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283 (306 f.). Zur Entwicklung der deutschen Rechtsprechung vgl. Staudinger / Fezer, IntWirtschR, Rn. 344 ff. 139 BGHZ 35, 329 (336 f.); MüKo / Kreuzer (1998), Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 240; Kreuzer, in: Vorschläge und Gutachten, S. 232 (274 f.); von Hoffmann / Thorn, IPR, § 11, Rn. 51; Schaub, RabelsZ 66 (2002), 18 (52 f.); Thünken, IPRax 2001, 15 (16). 140 Begründung „Rom II-Vorschlag“, KOM (2003) 427 endgültig, S. 17. 141 Art. 5 Abs. 1 Rom II-E lautet: „Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden sind, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden könnten“ (KOM (2003) 427 endgültig, S. 38). 142 Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 326; von Hein, RIW 2000, 820 (831); Schaub, RabelsZ 66 (2002), 18 (53); Thünken, IPRax 2001, 15 (16); zurückhaltend („im Zweifel“) auch: Staudinger / Fezer, IntWirtschR, Rn. 350. Ablehnend: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 195, 199. 143 So die explizite Begründung des Gesetzentwurfes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen in BT-Drucks. 14 / 343, S. 10, wonach im Deliktsrecht für spezielle Rechtsgebiete, insbesondere auch für Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb, auf Sondervorschriften verzichtet werden kann, weil die gesetzliche Regelung „sowohl bei der Tatortregel selbst als auch über die Ausweichklausel des Artikels 41 EGBGB-E allgemein ein hohes Maß an Flexibilität vorsieht“. Dem folgend: Looschelders, IPR, Art. 41 EGBGB, Rn. 8; Staudinger / von Hoffmann, Art. 41 EGBGB, Rn. 7, 30; so wohl auch: Erman / Hohloch, Bd. II, Art. 40 EGBGB, Rn. 51, Art. 41 EGBGB, Rn. 8; Martiny, ZEuP 2003, 590 (601). Für ein Eingreifen der Ausweichklauseln des EGBGB nur in konkreten Einzelfällen hingegen: Mankowski, GRUR Int 1999, 909 (910 f.), der für eine korrigierende Auslegung des Art. 40 Abs. 1 EGBGB eintritt. Vgl. auch: ders., ZEuP 2003, 483 (485): „[ . . . ] Ausnahme muss Ausnahme bleiben.“ 144 BT-Drucks. 14 / 343, S. 10. In der geplanten Rom-II-VO ist hingegen eine explizite Sonderregelung für infolge von unlauteren Wettbewerbsverhalten entstandene außervertragliche Schuldverhältnisse vorgesehen, siehe Art. 5 VO-Vorschlag, KOM (2003) 427 endgültig, S. 38.

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Etwas anderes gilt nur für betriebsbezogene Wettbewerbsverstöße, in denen die Interessen Dritter keine Rolle spielen. Es handelt sich dabei um Konstellationen, in denen sich ein Mitbewerber zielgerichtet und unmittelbar gegen einen Konkurrenten wendet. In diesen Fällen geht es um den Individualschutz des Verletzten, so dass es bei der Anknüpfung nach dem allgemeinen Deliktsstatut verbleibt.145 Diese Situation ist aber als Zwei-Personen-Verhältnis anzusehen und deshalb nicht mit den Fällen einer anlegerschützenden Prospekthaftung vergleichbar, bei der die Interessen aller Marktteilnehmer auf dem Spiel stehen. Somit richtet sich die Anknüpfung von Schadensersatzansprüchen aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung nach Art. 41 Abs. 1 EGBGB. Grundsätzlich sind damit auch eine nachträgliche Rechtswahl gem. Art. 42 EGBGB, die die Rechte Dritter unberührt lässt, und eine akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, allerdings ohne wirkliche Praxisrelevanz, möglich.146 Grundsätzlicher Anknüpfungspunkt bleibt, wie soeben festgestellt, der Marktort. Bei dem der zivilrechtlichen Prospekthaftung zugrunde liegenden Sachverhalt geht es um die Gewinnung von Investoren. In diesen Fällen ist der Marktort dort situiert, wo im Wettbewerb mit anderen Anbietern versucht wird, auf die Willenentschließung der potentiellen Kapitalanleger einzuwirken. Das steht im Einklang mit der Bestimmung des Marktortes bei den sog. „Gran Canaria-Fällen“147, wo vom BGH ebenfalls der Ort als maßgeblich angesehen worden ist, an dem die Wettbewerbshandlungen auf die Entschließungsfreiheit der Verbraucher einwirken sollen.148 Ähnlich wie in den Fällen unlauterer Werbung, wo als Ort der wettbewerblichen Interessenkollision der Werbemarkt angesehen wird,149 geht es bei der Prospekthaftung darum, neue „Kunden“, d. h. Anleger, zu gewinnen. Die Einflussnahme erfolgt mittels der Verbreitung von Prospekten, die in den meisten Fällen die einzige Informationsquelle für das Anlagepublikum darstellt und deshalb zum alleinigen Ausgangspunkt für die Entscheidung wird. Ort der Interessenkollision ist deshalb jeweils der Markt, auf den die Prospekte ausgelegt sind und auf dem sie zur Werbung von Neuanlegern gezielt verteilt werden. Auch Reder stellt auf diesen Ort der „finalen Prospektverbreitung“ als Anknüpfungsmoment für die Prospekthaftung ab.150 145 MüKo / Kreuzer (1998), Bd. 10, Art. 38 EGBGB, Rn. 236; Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 311, 319 ff.; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 11, Rn. 52; a.A.: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 11, 33; Staudinger / Fezer, IntWirtschR, Rn. 328. Die Differenzierung zwischen marktbezogenen und betriebsbezogenen Wettbewerbsstörungen sieht auch Art. 5 Rom II-VOE vor (KOM (2003) 427 endgültig, S. 38). 146 Vgl. hierzu für das Internationale Wettbewerbsrecht: Staudinger / von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 343 – 350; a.A.: Staudinger / Fezer, IntWirtschR, Rn. 343; 470 ff. 147 Abschluss von Warenkaufverträgen zwischen einem deutschen Unternehmen und deutschen Urlaubern bei Verkaufsveranstaltungen eines spanischen Unternehmens, vgl. BGHZ 113, 11 ff. 148 BGHZ 113, 11 (15). Vgl. auch: BGH GRUR 1998, 419 (420). 149 Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 241 ff. 150 Reder, S. 261 ff.; für eine marktorientierte Anknüpfung auch Zimmer, S. 56; Hopt, in: FS W. Lorenz, S. 413 (420 ff., 432).

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Dieses Kriterium ist für alle Beteiligten leicht vorhersehbar und sorgt mithin für Rechtssicherheit. Insbesondere für das Internationale Anlegerschutzrecht spielt diese Berechenbarkeit eine große Rolle. Die Anbieter von Kapitalanlagen können sich auf die Geltung der Marktrechtsordnung einstellen, und die Interessen des Staates sowie der Anleger finden infolge der Geltung inländischer Rechtsvorstellungen ausreichend Berücksichtigung. Gerade die Investoren werden mit der Anwendbarkeit heimatrechtlicher Verhaltensstandards rechnen, wenn sie auf dem heimischen Markt geworben werden. Zudem führt die Anknüpfung an den Ort der zielgerichteten Prospektverbreitung dazu, dass alle Konkurrenten auf demselben Markt nach demselben Recht behandelt werden und damit die par conditio concurrentium gewahrt bleibt.151 Die durch falsche Prospektangaben Geschädigten werden ebenfalls gleich behandelt, wenn sie demselben Prospektverbreitungsmarkt zugehörig sind. Folglich ist mit Reder auf den Markt der finalen Prospektverbreitung abzustellen, der sich aufgrund des in Anlehnung an das internationale Wettbewerbsrecht modifizierten Deliktsstatuts ergibt.152 (4) Stellungnahme Als anzuwendendes Recht kommen für Prospekthaftungsansprüche gegen die Gründer, Gestalter und Initiatoren der Anlagegesellschaft mithin das Gesellschaftsstatut und das wettbewerbsrechtlich modifizierte Deliktsstatut gleichermaßen in Betracht. Nunmehr bleibt zu prüfen, welchem Verweisungsrecht der Vorzug gebührt, oder ob dem Geschädigten ein Wahlrecht zwischen den beiden Anknüpfungsvorschriften zustehen soll. Zur Lösung dieses Qualifikationsproblems der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung ist ein Blick auf Sinn und Zweck der genannten Verweisungsregeln zu werfen. Das Gesellschaftsstatut regelt Ausgleichsansprüche von Gesellschaftern untereinander. Dies soll zur Wahrung der Normzusammenhänge im Bereich des Gesellschaftsrechts für sämtliche die juristische Person betreffenden Rechte und Pflichten gelten.153 Deshalb wäre unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Anknüpfung aller gesellschaftsrechtlichen Fragen zu fordern, die funktional ähnlich einzuordnenden Prospekthaftungsansprüche der Kapitalanleger gegen diejenigen Prospektgaranten, die mit der Gesellschaft verbunden sind, ebenfalls diesem Recht zu unterwerfen. Kreuzer, in: Vorschläge und Gutachten, S. 232 (266). Für die Geltung des Deliktsstatuts ohne Modifizierung der Anknüpfungspunkte hingegen: Assmann / Schütze / Schütze, Hdb. des Kapitalanlagerechts (1990), § 10, Rn. 19; Nickl, S. 235 ff. Grundmann hält ebenfalls das Recht des betroffenen Marktes für maßgeblich, lässt aber offen, ob das Ergebnis aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Anknüpfung oder mittels des Auswirkungsprinzips erzielt werden sollte, vgl. RabelsZ 54 (1990), 283 (308, 310 f.). 153 Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283 (294). 151 152

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Auf der anderen Seite würde man dann aber den Anlegerschutz vernachlässigen.154 Die Gesellschaft könnte nämlich ein für sie vorteilhaftes Statut wählen, nach dem sich dann die Haftungsgrundsätze richten würden. Bei Geltung der Sitztheorie würde sie nach ihrer Vorstellung den Verwaltungssitz dort situieren, wo das Anlegerschutzrecht ihr für die eigenen Zwecke vorteilhaft erscheint. Im Anwendungsbereich der Gründungstheorie könnte das Gründungsrecht der Gesellschaft dementsprechend ausgewählt werden. Damit hätte es die juristische Person in der Hand, die für sie geltenden Haftungsstandards für viele ihrer Rechtsverhältnisse im vorhinein festzulegen. Damit bliebe dann unberücksichtigt, dass die Gesellschaft durch die gezielte Verbreitung ihrer Prospekte auf ausländischen Märkten dort die Willensbildung der potentiellen Anleger beeinflusst. Diese werden sich aber auf die Geltung heimatlicher Pflichtenstandards verlassen. Die Interessen der Anleger blieben nicht gewahrt. Auch dem staatlichen Interesse, die Funktionsfähigkeit des Inlandsmarktes mittels eigener Rechtsnormen zu schützen, wäre eine Absage erteilt. Das wettbewerblich modifizierte Deliktsstatut sorgt hingegen für einen sachgerechten Interessenausgleich. Die Maßgeblichkeit des Marktes, als des Ortes, an dem die wettbewerblichen Interessen kollidieren, beruft diejenige Rechtsordnung, die dem Anleger vertraut ist oder die jedenfalls für ihn vorhersehbar ist. Anders als in den Fällen der Eigenhaftung Dritter wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens sind die Prospektgaranten hier auch nicht überwiegend schutzwürdig. Während der Vertreter bzw. Sachwalter im Rahmen von einzelfallbezogenen Vertragsverhandlungen die charakteristische „Leistung“ erbringt und deshalb in den Schutz der Rechtsordnung seines gewöhnlichen Aufenthalts kommt, liegt der Prospekthaftungsfall aufgrund seiner Relevanz für den Kapitalmarkt anders. Mangels eines Sonderverhältnisses zwischen den Parteien kommt das Vertragsstatut mit der Möglichkeit einer Anknüpfung zugunsten des Schädigers ohnehin nicht in Betracht. Das liegt an dem wettbewerblich-deliktsrechtlichen Charakter der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung. Der vorgefertigte Prospekt ist von vornherein für die massenhafte Verbreitung auf einem bestimmten Markt vorgesehen, um dort möglichst viele Anleger zu werben. Es obliegt den Anbietern der Kapitalanlage, sich über den auf diesem Markt geltenden Anlegerschutz zu unterrichten. Sie begeben sich bewusst über die Grenze, um dort Investoren zu werben. Wer sich somit zielgerichtet an ein anonymes Marktpublikum im Ausland wendet, der muss damit rechnen, dass seine Interessen nicht allein ausschlaggebend für die Anknüpfung sein können.155 Außerdem bringt die Anknüpfung an den umworbenen Kapitalmarkt auch dem Anbieter die Geltung einer vorhersehbaren und kalkulierbaren Rechtsordnung und entspricht zumindest in diesen Punkten seiner eigenen Interessenlage im Hinblick auf die Rechtssicherheit. Wie bereits erwähnt, kann so auch dem Interesse des jeweiligen Staates Rechnung getragen werden, in dem sicher gestellt ist, dass er „seine“ Märkte durch „sein“ nationales Recht regelt. 154 155

Vgl. Jenckel, S. 149. Vgl. auch Reder, S. 258; Zimmer, S. 68.

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Zudem fällt nicht ein möglicher Gleichlauf mit dem Internationalen Zivilverfahrensrecht entscheidend für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation ins Gewicht.156 Auch wenn Prospekthaftungsklagen am Gerichtsstand gem. § 22 ZPO analog geltend gemacht werden könnten157, würde dies nicht zwangsläufig für die Geltung des Gesellschaftsstatuts auf international-privatrechtlicher Ebene sprechen, da beide Regelungskomplexe unabhängig voneinander sind und sich die Wertungen des einen Rechtsgebiets nicht ohne weiteres auf das andere übertragen lassen.158 Schließlich kann auch die Herrschaft des Gesellschaftsstatuts über die juristische Person in „voller Breite“159 hier nicht für eine andere Beurteilung angeführt werden. Das Interesse an einer einheitlichen Anknüpfung aller gesellschaftsrechtlichen Fragen muss zugunsten des Anlegerschutzrechts weichen. Nur die Anknüpfung nach Maßgabe des modifizierten Deliktstatuts sorgt für einen sachgerechten Interessenausgleich. Eine rein formale Betrachtungsweise, die alle mit der Gesellschaft in Zusammenhang stehenden Probleme zwangsläufig gesellschaftsrechtlich qualifizieren will, überzeugt dagegen nicht.160 Ein Wahlrecht161 zwischen Gesellschafts- und Deliktsstatut zum Schutze des Anlagepublikums ist weder notwendig noch geboten.162 Damit würde das Interessengleichgewicht, das die Anknüpfung an den Ort der zielgerichteten Prospektverbreitung zwischen den Marktbeteiligten schafft, einseitig zu Gunsten der Investoren verschoben, indem diesen die Möglichkeit eröffnet würde, einseitig das anwendbare Recht zu bestimmen. Abgesehen davon, dass ein solches Wahlrecht der Vorhersehbarkeit der Anknüpfung und damit der Rechtssicherheit abträglich ist, findet sich für diese Verbraucherbegünstigung auch keine Rechtfertigung. Sie kann nur vertreten werden, wenn die kapitalmarktrechtliche Relevanz der Prospekthaftung und damit die erforderliche Berücksichtigung von Drittinteressen geleugnet wird. Das modifizierte Deliktsstatut lässt neben der objektiven Anknüpfung zudem in den Grenzen von Art. 42 EGBGB eine nachträgliche, einvernehmliche Rechtswahl der Parteien zu und ist deshalb ausreichend flexibel. Des Weiteren passt sich das Wahlrecht zugunsten der schwächeren Partei nicht in die Systematik des EGBGB ein, das den Schutz des Schwächeren, beispielsAls unterstützendes Argument von Reder herangezogen, S. 263 f. Vgl. zum IZPR unten: Teil I. II. 2. 158 Vgl. Breuleux, S. 159 ff.; Heldrich, S. 63. 159 Kegel / Schurig / Kegel, IPR, § 17, S. 577. 160 Für eine Sonderanknüpfung des Kapitalanlegerschutzes unabhängig vom Gesellschaftsstatut auch Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498 (514 f.). A.A. für die Prospekthaftung: Nickl, S. 232 f. 161 Das schweizerische IPRG sieht in seinem Art. 156 ein Wahlrecht des Klägers zwischen dem Gesellschaftsstatut und dem Recht des Prospektausgabestaates vor. 162 Dafür aber: Nickl, S. 238 ff.; Reder, S. 263 f.; vgl. oben: Teil I. I. 2. a). 156 157

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weise in Art. 29 Abs. 1, 30 Abs. 1 EGBGB, mittels Rechtswahlbeschränkungen oder durch die Ausgestaltung als zwingende Norm sicherstellt.163 dd) Anknüpfung bei Haftung von Prospektmitgestaltern Etwas anders liegt die Eigenhaftung der Prospektmitgestalter, die nach außen in Erscheinung treten und denen aufgrund ihrer besonderen beruflichen Stellung und Sachkunde vertraut wird, die aber nicht an der Gesellschaft selbst beteiligt sind. In diesen Fällen handelt es sich nicht um Haftungsfragen innerhalb der Gesellschaft, so dass eine gesellschaftsrechtliche Anknüpfung von vornherein verfehlt wäre und damit nicht in Betracht zu ziehen ist.164 Ansonsten stellt sich die Haftungssituation aber genauso dar wie bei den Gründern, Gestaltern und Initiatoren der Anlagegesellschaft, weshalb hier ebenfalls das Deliktsstatut in seiner modifizierten Form zur Anwendung gelangt.165 ee) Zusammentreffen von Prospekthaftungsansprüchen und Ansprüchen aus culpa in contrahendo Bei Anspruchsgrundlagenkonkurrenz von Schadensersatzforderungen aus culpa in contrahendo aufgrund eines besonderen persönlichen Vertrauenstatbestandes mit solchen aus allgemein-zivilrechtlicher Prospekthaftung stellt sich die Frage nach einer akzessorischen Anknüpfung letzterer.166 Man könnte vertreten, dass die vertragsähnliche Verbindung zwischen Drittem und Anleger, die infolge der Abgabe einer persönlichen Gewähr entsteht, die Prospekthaftungsansprüche ebenfalls an sich zieht, weil gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten besteht. Auf der anderen Seite käme so in der Regel das Recht des Dritten zur Anwendung, was den Anlegerschutzgedanken der Prospekthaftung unterlaufen könnte. Deshalb ist zu empfehlen, dem Geschädigten in diesem Fall ausnahmsweise ein Wahlrecht einzuräumen, ob er mittels akzessorischer Anknüpfung das Sachwalterstatut, und damit die Geltung einer einzigen Rechtsordnung für einen zusammengehörenden Lebenssachverhalt, oder das wettbewerbsrechtlich modifizierte Deliktsstatut, und damit das Marktortrecht, auf den Prospekthaftungsanspruch angewendet wissen will. Der Dritte wird durch die Möglichkeit der Rechtswahl für den Anleger nicht unzumutbar benachteiligt, da er für sein vorvertragliches Fehlverhalten grundsätzlich ohnehin nach den beiden Statuten haften würde und ihn die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens nicht in der Weise privilegieren darf, dass auf alle Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo zwangsläufig das für ihn in der Regel günstigere Sach163 164 165 166

Darauf weist Nickl (S. 238) hin. So auch: Nickl, S. 234. Für eine deliktische Anknüpfung ohne Modifikation: Nickl, S. 235 f. Dafür: Nickl, S. 242.

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I. Dritthaftung

walterstatut gilt. Die mit der Wahl zwischen zwei Rechtsordnungen immer einhergehende Rechtsunsicherheit muss vom Schädiger hingenommen werden. ff) Ergebnis Schadensersatzansprüche aus allgemeiner bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung sind nach dem wettbewerbsrechtlich modifizierten Deliktsstatut anzuknüpfen. Beim Zusammentreffen mit der Eigenhaftung Dritter wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens steht dem Geschädigten ein Wahlrecht zu, ob für die Prospekthaftungsansprüche ebenfalls das Sachwalterstatut gelten soll oder ob es bei der Anwendung des Marktortrechts bleibt.

3. Unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse Die Fallgruppe der Haftung Dritter aufgrund eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses ist bereits im deutschen materiellen Recht sehr umstritten. Insbesondere im Fall der Eigenhaftung des Geschäftsführers einer GmbH würde bei einer zu großzügigen Handhabung die Wertung § 13 Abs. 2 GmbHG unterlaufen.167 Auch die Rechtsprechung macht von dieser Rechtsfigur jetzt nur noch sehr zurückhaltend Gebrauch.168 Als Pflichtverletzungen kommt in diesen Konstellationen einzig die Verleitung zum Abschluss eines nachteiligen Vertragsverhältnisses in Betracht, da der Dritte aus dem zustande gekommenen Vertrag seinen Nutzen ziehen will. Beim Abbruch von Vertragsverhandlungen, der Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages oder der Verletzung von Integritätsinteressen des Verhandlungspartners wird schwerlich ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Vertreters bejaht werden können. a) Meinungsstand Die Haftung Dritter wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresse wird von den meisten Autoren kollisionsrechtlich nicht gesondert behandelt. Diejenigen Autoren, die eine akzessorische Anknüpfung an das Zielvertragsstatut für die Dritthaftung vertreten,169 werden dieses möglicherweise auch für die Konstellation der Haftung wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses für maßgeblich halten, um den inneren Entscheidungseinklang zu gewährleisten. 167 Erman / Kindl, Bd. I, § 311, Rn. 50; MüKo / Emmerich, Bd. 2 a, § 311 BGB, Rn. 219; Ahrens, IPRax 1986, 355 (356); kritisch zur Eigenhaftung der „Unternehmer-Gesellschafter“ auch: Wiedemann, NJW 1984, 2286 (2287). A. A.: BGH 1986, 586 (587). 168 BGHZ 126, 181 (183 ff.); vgl. auch schon bei BGH NJW 1986, 586 (587); siehe zudem oben: Teil B. II. 5. 169 Vgl. obige Ausführungen: Teil I. I. 1. b) aa).

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Fraglich ist, ob die Begründungsversuche, die entscheidend auf die Eigenständigkeit der Haftung des Dritten abstellen, aufrecht erhalten werden können. Insbesondere der entsprechenden Heranziehung der Art. 27, 28 Abs. 1, 2 Satz 1 EGBGB könnte mangels eines Vertrauenstatbestandes der Boden entzogen sein. Explizit geäußert hat sich Nickl zur Haftung des Gesellschafters wegen besonderen wirtschaftlichen Eigeninteresses. Funktional gesehen handele es sich um einen Fall der Durchgriffshaftung, d. h. der Gesellschafter müsse persönlich für sein Verhalten einstehen. Anwendbar sei somit das nicht im EGBGB geregelte Gesellschaftsstatut.170 Dieser gesellschaftsrechtlichen Qualifikation widerspricht Grabinski, der dann allerdings ohne Berücksichtigung der Differenzierung nach Unterfallgruppen innerhalb der Dritthaftung Art. 28 EGBGB analog heranziehen will.171 Schließlich schlägt Wiedemann in Ausnahmefällen eine akzessorische Anknüpfung an das (präsumtive) Vertragsstatut vor. Dies könne aber nur in Fällen „besonders enger Beziehung“ zum beabsichtigten Rechtsgeschäft angenommen werden, weil ansonsten die vorvertragliche Haftung dritter Personen in kollisionsrechtlicher Hinsicht möglichst gleich behandelt werden sollte.172 b) Eigene Stellungnahme Die Haftung des Dritten allein aus dem Grunde eines wirtschaftlichen Interesses eigener Art wird im deutschen Sachrecht nur noch äußerst zurückhaltend bejaht. Die meisten diesbezüglich ergangenen Gerichtsentscheidungen hatten die persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH zum Gegenstand.173 Darüber hinaus ist eine solche vorvertragliche Haftung beispielsweise bejaht worden im Falle eines Ehemannes, der als Vertreter seiner Ehefrau deren Geschäft quasi als eigenes geführt hat174 und bei Vermittlern von Time-Sharing-Verträgen175. Außerdem kann nach Ansicht des BGH möglicherweise auch ein Gebrauchtwagenhändler wegen seines eigenen Interesses aus culpa in contrahendo haften, wenn er trotz seiner Vermittlerstellung wirtschaftlich als Verkäufer anzusehen ist, weil er den Gegenwert des Fahrzeugs bereits an den Voreigentümer gezahlt hat.176 Für all diese KonstelNickl, S. 214 f. Grabinski, S. 117, 121 f. 172 Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor § 275 BGB, Rn. 209. 173 Vgl. beispelsweise: BGH MDR 1963, 301; NJW 1984, 2284 (2286); NJW 1995, 1544; NJW 2002, 208 (212). 174 BGHZ 14, 313 (318). Zunächst stützt das Gericht seine Argumentation auf das persönliche wirtschaftliche Interesse des Ehemanns, bejaht dann aber gleichzeitig noch eine Vertrauensverletzung durch dessen Verhalten. Welcher Haftungsgrund maßgeblich sein soll, wird nicht ganz deutlich. 175 KG Berlin MDR 1998, 760 (761), allerdings neben der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens; LG Dresden NZM 1998, 825 (827); AG Berlin-Lichtenberg VuR 1997, 22 (23). 176 BGHZ 79, 281 (285 f.); BGH WM 1976, 614; WM 1979, 672 (673). 170 171

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lationen wird als Haftungsgrund angeführt, dass es nicht mit Treu und Glauben zu vereinbaren sei, hier nur den Vertretenen die Folgen des Vertreterverhaltens tragen zu lassen.177 aa) Haftungsstatut des falsus procurator Fraglich ist, ob die Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo gegen den Vertreter dem Haftungsstatut des falsus procurator unterstellt werden können. Ob sich die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht nach dem Geschäftsstatut oder dem für die Vollmacht geltenden Recht bestimmt, ist streitig.178 Eine Entscheidung kann hier jedoch unterbleiben, da die Eigenhaftung des Vertreters wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen nicht mit derjenigen wegen fehlender Vollmacht zu vergleichen ist. Haftungsgrund für den ersten Fall ist nämlich nicht das vollmachtlose Handeln des Dritten; der Vertrag mit dem Geschäftsherrn kommt wirksam zustande. Der Vertreter haftet nicht statt des Vertretenen, sondern neben ihm. Folglich kommt das für den falsus procurator geltende Recht nicht für die Dritthaftungsfälle in Betracht.179 bb) Zielvertragsstatut Eine Anknüpfung an das Statut des Hauptvertrages gem. Art. 31, 32 EGBGB analog scheidet wie im Falle der Sachwalterhaftung aufgrund der mangelnden Parteiidentität von Vertreter und Geschäftsherrn aus.180 Zwar wirkt sich die Aufklärungspflichtverletzung des Dritten unmittelbar auf den später abgeschlossenen Vertrag aus, doch fehlt es zunächst an der für das Zwei-Personen-Verhältnis charakteristischen vertragsähnlichen Verbindung der Verhandlungspartner. Bei den Dritthaftungsfällen ist außerdem auf die zwischen Vertreter und zukünftigem Vertragspartner bestehende eigenständige Sonderbeziehung abzustellen. Die Anwendung der vertraglichen Kollisionsregeln scheidet aus. cc) Eigenständiges Dritthaftungsstatut Wie gesehen, kann ein vertragsähnliches Näheverhältnis auch zu vertragsfremden Personen gegeben sein. In diesen Fällen kann gem. Art. 27 ff. EGBGB analog angeknüpft werden.181 Im Unterschied zu den Konstellationen der Inanspruchnahme spezifischen persönlichen Vertrauens ist bei der vorliegenden Fallgruppe von Seiten des Verhandlungspartners jedoch kein besonderes Näheverhält177 178 179 180 181

BGH NJW 1986, 586 (587). Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rn. 2491 f. Vgl. Reithmann / Martiny / Hausmann, Int. Vertragsrecht, Rn. 2494; Nickl, S. 179. Siehe oben: Teil I. I. 1. b) aa). Vgl. oben: Teil I. I. 1. b) cc).

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nis zu dem Dritten aufgebaut worden, das sich äußerlich von dem zu einem Vertreter ohne maßgebliches Eigeninteresse bestehenden Verhältnisses unterscheidet. Es fehlt gerade an der persönlichen Gewähr der dritten Person, wodurch diese eine beherrschende Stellung im Hinblick auf die Verhandlungen einnehmen würde.182 Der Dritte ist gerade bemüht, im Rechtsverkehr als Vertreter und nicht als zukünftiger Vertragspartner aufzutreten, um daraus wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Selbst wenn der zukünftige Vertragspartner erkennt, dass er mit einem procurator in rem suam verhandelt, führt dies nicht zu einem Verhandlungsverhältnis, das durch die Schaffung von Vertrauen im Hinblick auf das abzuschließende Rechtsgeschäft charakterisiert würde. Im Gegenteil erzeuge das Eigeninteresse oftmals sogar Misstrauen in dem anderen Teil.183 Aufgrund eines fehlenden qualifizierten Vertrauenstatbestandes ist demnach nicht gem. Art. 27 ff. EGBGB analog anzuknüpfen. Entsprechende Ansichten in der Literatur sind insoweit also zu undifferenziert. An dem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass in diesen Konstellationen im deutschen Sachrecht ein vorvertragliches Schuldverhältnis bejaht wird. Zum einen ist die Anerkennung dieser Fallgruppe ohnehin umstritten. Die Übertragung der materiell-rechtlichen Feinheiten auf die Ebene des Internationalen Privatrechts sollte aber möglichst vermieden werden. Zum zweiten dient sie nur der Korrektur als unzureichend empfundener Deliktsansprüche gegen den Vertreter, so dass funktionell betrachtet eigentlich das Recht der unerlaubten Handlung anwendbar ist. dd) Deliktsstatut Zu erwägen bleibt deshalb eine deliktische Qualifikation, da eine Anknüpfung an das Zielvertragsstatut im Dreipersonenverhältnis von vornherein ausscheidet, weil das Verhältnis des Dritten zum Geschädigten – wie gesehen – selbständig zu bestimmen ist.184 Somit kommt nur noch die Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung mittels der deliktischen Kollisionsregeln in Betracht. Mit Blick auf die Haftungssituation im deutschen Sachrecht liegt diese Einschätzung nicht fern. Würde es dem Vertreter an einem unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresse fehlen, dann käme für ihn nur eine deliktische Haftung in Betracht, während der Geschäftsherr möglicherweise aus culpa in contrahendo i.V. m. § 278 BGB schadensersatzpflich182 Vorliegend wird davon ausgegangen, dass die vorvertragliche Haftung nur auf das unmittelbare wirtschaftliche Eigeninteresse des Dritten gestützt wir. Tatsächlich kann in den Fällen der Eigenhaftung Dritter oftmals auch der Haftungsgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens bejaht werden. Zur Anknüpfung beim Vorliegen beider Haftungsgründe siehe unten: Teil I. I. 3. b) gg). 183 Medicus, in: H / M / R / S / W, Das neue Schuldrecht, Rn. 170, 172 (S. 119); Rieble, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt, Neues Schuldrecht in der Praxis, S. 137 (144). 184 So schon oben: Teil I. I. 1. b) bb) (3).

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I. Dritthaftung

tig wäre. Das diese Wertung umstoßende Eigeninteresse-Kriterium muss für den Geschädigten nicht unbedingt erkennbar sein. Doch auch wenn er den Dritten als wirtschaftlichen Nutznießer des Geschäfts identifiziert hat, so bleibt es doch bei dessen rechtlicher Stellung als Stellvertreter. Ob eine Eigenhaftung aus culpa in contrahendo in Betracht kommt, kann der juristische Laie nicht beurteilen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass er mit einer deliktischen Haftung des Vertreters rechnet. Zwar stehen sich die Beteiligten als Verhandlungspartner gegenüber, doch ergibt sich die Eigenhaftung des Vertreters eher zufällig aus dessen Eigeninteresse, dass vom Gericht festgestellt werden muss. Die rechtliche Verbindung zwischen den Beteiligten, welche zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigt, ergibt sich mithin aus einem subjektiven Kriterium, das es nicht rechtfertigt, von einer vertragsähnlichen Beziehung der Verhandelnden zu sprechen. Ausgehend vom deutschen Sachrecht als der lex fori wäre auf international-privatrechtlicher Ebene somit das Deliktsstatut einschlägig.185 Legt man autonom-funktionale Maßstäbe an, so ist festzustellen, dass keine Sonderverbindung zwischen den direkt an den Verhandlungen beteiligten Parteien existiert. In den Fällen, in denen der Vertreter keinen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und sich seine Haftung nur aus dem wirtschaftlichen Eigeninteresse ergibt, fehlt es an einer rechtlichen Beziehung, die eng genug ist, dass sie dem Sachwalterstatut unterworfen werden könnte. Deshalb ist die Eigenhaftung des Dritten nur aus dem Grunde eines unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses bereits im deutschen Sachrecht sehr umstritten. Die Haftung wird deshalb nur noch in „Extremfällen“ bejaht.186 Im Kollisionsrecht sollte man deshalb, erkennt man diese Fallgruppe an, die Konsequenz ziehen und eine deliktische Qualifikation vornehmen. Folglich sind die Art. 40 – 42 EGBGB einschlägig. Der Kläger kann bei Distanzdelikten zwischen dem Recht am Handlungs- oder am Erfolgsort wählen. Ersterer ist dort gelegen, wo die Aufklärungspflicht verletzt worden ist, letzterer am Ort der Vermögenszentrale187. ee) Akzessorische Anknüpfung an das Zielvertragsstatut Obwohl ein vertragsähnliches Verhältnis somit nicht gegeben ist, lässt sich ein innerer Zusammenhang der Dritthaftung aus culpa in contrahendo mit dem geplanten bzw. abgeschlossenen Vertrag nicht leugnen, weshalb eine akzessorische Anknüpfung an das Zielvertragsstatut gem. Art. 41 EGBGB in Betracht kommen könnte. Die haftungsbegründende Stellung des Dritten ergibt sich aus dessen Beziehung zum Vertragsgegenstand, die so eng ist, dass er gleichsam als in eigener Sache 185 Im Rahmen des Internationalen Deliktsrecht ist aufgrund fehlender Kollisionsrechtsvereinheitlichung funktional nach der lex fori zu qualifizieren, vgl. oben: Teil D. II. 1. a). 186 Canaris, JZ 2001, 499 (520). 187 Vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (a) (dd).

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handelnd, also als wirtschaftlicher Herr des Geschäfts erscheint.188 Ihm kommt also eine Stellung als Quasi-Vertragspartner zu, weil sein Interesse an dem Geschäft gleich dem des Vertragspartners ist.189 Ein Vertragsschluss des Dritten wird von dessen Seite vermieden, damit er sich bestimmte Vorteile verschaffen kann, die ihm als Vertragspartner nicht zukämen. Beispielsweise tritt der Kraftfahrzeughändler einzig aus Gründen der Steuerersparnis als Vermittler auf.190 Gerade deshalb soll es dem Vertreter nicht möglich sein, nur den Nutzen haben zu können, sich aber einer Haftung möglicherweise erfolgreich zu entziehen. Dies verstößt gegen das Gebot von Treu und Glauben. Seine formale Position außerhalb des Rechtsgeschäfts schützt ihn im deutschen Recht zwar vor vertraglichen Ansprüchen, nicht aber vor seiner persönlichen Haftung aus dem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis. Aufgrund dieser Verbindungen zum auf den Vertrag anwendbaren Recht stellt sich die Frage nach einer akzessorischen Anknüpfung an das Zielvertragsstatut.191 Dagegen spricht aber der Grundsatz der selbständigen Anknüpfung jedes einzelnen Schuldverhältnisses bei Dreipersonenverhältnissen.192 Das Internationale Deliktsrecht sieht in Art. 41 EGBGB deswegen auch nur die akzessorische Anknüpfung bei Parteiidentität vor. Selbst wenn der Dritte als Quasi-Vertragspartner erscheint, so bleibt es rein rechtlich doch dabei, dass er nur Vertreter ist. Ein Vertrag wird mit ihm gerade nicht abgeschlossen und war auch nicht geplant. Hinzu kommt, dass für den Geschädigten die Maßgeblichkeit des Zielvertragsstatuts für die Vertretereigenhaftung nicht ersichtlich ist. Vielmehr muss das Verhältnis zum Vertreter gesondert betrachtet werden. Mit diesem besteht aber nur eine rein faktische Nähebeziehung und keine rechtlich relevante Sonderverbindung, die ein anderes als das Deliktsstatut berufen könnte. Folglich scheidet eine akzessorische Anknüpfung an das Zielvertragsstatut aus. ff) Ausnahmsweise Gesellschaftsstatut? Auch eine Ausnahme zugunsten des Gesellschaftsstatuts in den Konstellationen, in denen die Eigenhaftung eines Gesellschafters in Rede steht, ist abzulehnen.193 Dessen Verantwortlichkeit wegen culpa in contrahendo betrifft sein persönliches 188 BGHZ 56, 81 (84); BGH NJW 1984, 2284 (2286); NJW 1997, 1233 (1233 f.); DB 2002, 1878 (1879); vgl. oben: Teil B. II. 5. 189 BGHZ 56, 81 (84); B / H / M / Hopt, Überbl. v. § 48 HGB, Rn. 11. 190 Vgl. BGHZ 79, 281 (286); BGH WM 1976, 614 (614). 191 Dafür bei „besonders enger Beziehung“ zum Vertrag, Soergel / Wiedemann, Bd. 2, Vor § 275, Rn. 209. Allerdings ist nach der hier vertretenen Ansicht ohnehin die Möglichkeit der akzessorischen Anknüpfung des zeitlich vor dem Vertragsabschluss liegenden Fehlverhaltens an das erst später zustande gekommenen Vertragsverhältnisses zu verneinen, vgl. oben: Teil E. I. 4. b) dd) (2) (b) (bb). 192 Vgl. oben: Teil I. I. 1. b) bb) (3). 193 So aber: Nickl, S. 214 f.; Ahrens, IPRax 1986, 355 (360).

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Verschulden und wird deshalb bereits im materiellen deutschen Recht nicht als Fall des Durchgriffs194 behandelt.195 Zwar sind die Vorstellungen der materiellen lex fori nur Ausgangspunkt für die international-privatrechtliche Qualifikation und demnach nicht allein maßgeblich. Trotzdem kann Nickls Vorschlag einer pauschalen gesellschaftsrechtlichen Anknüpfung nicht gefolgt werden, weil der Anwendungsbereich des Gesellschaftsstatuts hinsichtlich der Haftungsfragen auf Schulden der Gesellschaft beschränkt ist,196 es sich bei der Dritthaftung aus culpa in contrahendo aber um eine davon unabhängige, persönliche Verantwortlichkeit des Gesellschafters handelt, die auf einem eigenständigen Haftungsgrund beruht. Der Inhaber des Schadensersatzanspruchs wegen vorvertraglichen Verschuldens ist im Falle der Eigenhaftung des Dritten nämlich gerade nicht Gläubiger der Gesellschaft, sondern des Dritten. gg) Akzessorische Anknüpfung an eigenständiges Dritthaftungsstatut oder Wahlrecht In vielen Fällen kommt die Eigenhaftung der dritten Person sowohl wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens als auch wegen eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses in Betracht.197 Dann sollte die Anknüpfung nach den Regeln für den ersten Haftungsgrund erfolgen, da die Existenz der zweiten Fallgruppe bereits im materiellen deutschen Recht umstritten ist, die vorvertragliche Verantwortlichkeit sich aber jedenfalls auf den besonderen Vertrauenstatbestand stützen lässt. Einer Differenzierung nach Haftungsgründen bedarf es also gar nicht, weshalb die anerkannte, gesetzlich normierte Fallgruppe maßgeblich ist. Der Schadensersatzanspruch gegen den Dritten wird nur auf die Abgabe der persönlichen Gewähr gestützt, so dass der Haftungsgrund des eigenen Interesses für die verweisungsrechtliche Anknüpfungsentscheidung keine Rolle mehr spielt.198 194 Als Durchgriff wird die Haftung einer hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Person unter Durchbrechung des Trennungssystems bezeichnet, vgl. Staudinger / Großfeld, IntGesR, Rn. 353. 195 BGHZ 31, 258 (271); BGH NJW 1984, 2284 (2285); NJW 1986, 586 (587); Brandner, in: FS Werner, S. 53 (59); Nirk, in: FS Stimpel, S. 443 (449 ff.); K. Schmidt, ZIP 1988, 1497 (1503). Außerdem kämen auch beim sachrechtlichen Vorliegen einer Durchgriffssituation für die kollisionsrechtliche Ebene nicht nur das Gesellschaftsstatut, sondern möglicherweise auch die allgemein zivilrechtlichen Kollisionsnormen in Betracht, weil aufgrund der unterschiedlichen Fallgestaltungen und Interessenlagen eine einheitliche Anknüpfung „des“ Durchgriffs nicht geboten erscheint, vgl. Staudinger / Großfeld, IntGesR, Rn. 353 ff. 196 Staudinger / Großfeld, IntGesR, Rn. 348 f.; Koch / Magnus / von Mohrenfels, IPR und Rvgl., § 8, S. 23; Kropholler, IPR, § 55, S. 567. 197 KG Berlin MDR 1998, 760 (761). 198 Will man dennoch nach Haftungsgründen trennen, so ergibt sich die Geltung des Sachwalterstatuts aus einer akzessorischen Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB aufgrund der besonderen rechtlichen Vertrauensbeziehung zwischen Vertreter und Verhandlungs-

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Es könnte allerdings auch daran gedacht werden, statt der Maßgeblichkeit des Sachwalterstatuts dem Geschädigten ein Wahlrecht einzuräumen, auf welchen Rechtsgrund er seinen Schadensersatzanspruch stützen will. Damit könnte er dann das für ihn vorteilhaftere Recht, entweder nach dem Sachwalter- oder nach dem Deliktsstatut, zur Geltung bringen. Es ist aber zu beachten, dass mit der Möglichkeit einer Rechtswahl immer ein Verlust an Vorhersehbarkeit, mithin an Rechtssicherheit einhergeht. Zudem bedarf der Verhandlungspartner keines weitergehenden Schutzes, der eine solche Beeinträchtigung der Vorhersehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung rechtfertigen würde. Auch systematische Gründen sprechen gegen die Privilegierung des Geschädigten durch die Schaffung einer Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Statuten.199 Folglich sollte beim Vorliegen beider Haftungsgründe nur die Eigenhaftung des Dritten wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens für die kollisionsrechtliche Entscheidung maßgeblich sein, also das Sachwalterstatut gelten. hh) Ergebnis Wenn der Dritte für vorvertragliche Pflichtverletzungen haftet, weil er ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse an dem Abschluss des Vertrages hat, dann ist die anzuwendende Rechtsordnung nach den deliktischen Verweisungsregeln zu ermitteln. Eine Anknüpfung an das Sachwalterstatut empfiehlt sich aber immer dann, wenn gleichzeitig aus dem Haftungsgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens gehaftet wird.

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht Die Qualifikation der Dritthaftungsfälle im Internationalen Zivilprozessrecht ist bislang kaum untersucht worden, obwohl der internationalen Zuständigkeit des Forums bei Rechtsstreitigkeiten mit Auslandberührung im Hinblick auf das in der Sache anzuwendende Recht große Bedeutung zukommen kann. Vorrangig ist zunächst die Behandlung der genannten Fallgruppen im Europäischen Zivilprozessrecht zu prüfen, bevor der Blick auf die autonome deutsche Zivilprozessordnung partner. Durch die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens ist bereits eine Sonderbeziehung zwischen den Verhandlungspartnern entstanden, an die angeknüpft werden kann. Zudem liegt Parteiidentität vor. Ein ausreichend enger Sachzusammenhang zwischen den dem Dritten aufgrund des persönlichen Sonderverhältnisses obliegenden vorvertraglichen Pflichten und denen aufgrund wirtschaftlichen Eigeninteresses kann ebenfalls bejaht werden, da sie identisch sind. Selbst nach der engen Akzessorietäts-Formel von W. Lorenz (Gutachten, S. 155), der verlangt, dass das schädigende Ereignis zugleich auf einer sich aus dem Sonderverhältnis ergebenden besonderen Pflichtverletzung beruht, wäre ein sachlicher Zusammenhang und demnach eine akzessorische Anknüpfung anzunehmen. 199 Siehe oben: Teil I. I. 2. b) cc) (4).

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zu lenken ist.200 Für die Entscheidung der Qualifikationsfrage ist wiederum nach den verschiedenen Konstellationen der Dritthaftung zu trennen.

1. Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens Vor welchem Gericht Schadensersatzklagen wegen des Fehlverhaltens eines Dritten aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens geltend gemacht werden können, ist im Internationalen Zivilprozessrecht nicht ausdrücklich geregelt. a) EuGVO Auf der Ebene des europäischen Prozessrechts ist für alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten eingeklagt wird, neben dem Beklagtengerichtsstand des Art. 2 EuGVO ein Sondergerichtsstand des Art. 5 EuGVO gegeben.201 Es finden sich zu dem Problemkreis der vorvertraglichen Haftung vertragsfremder Dritter jedoch nur wenige Aussagen. Vielfach wird nämlich gar nicht zwischen den Zweipersonen- und den Dreipersonenverhältnissen unterschieden, sondern entweder „die“ culpa in contrahendo in ihrer Gesamtheit oder jedenfalls die vertragsbezogenen Pflichtverletzungstatbestände, ohne Differenzierung nach der pflichtverletzenden Person, dem Vertragsklagengerichtsstand unterworfen.202 Zu denjenigen, die auch im Rahmen der EuGVO explizit eine Differenzierung nach Haftungsuntergruppen vornehmen, gehört Mankowski. Nach seiner Ansicht soll jedenfalls in den Sachwalterfällen eine Klage am besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO zulässig sein. Für die Beziehung von Geschädigtem und Drittem komme einem späteren Vertragsschluss keine „herrschende Rolle“ zu, was gegen eine vertragliche Qualifikation spreche. Außerdem ordne die Mehrzahl der Mitgliedstaaten eine solche Dritthaftungskonstellation dem Deliktsrecht zu.203 Überträgt man die für die Zweipersonenverhältnisse entwickelten Prüfungskriterien, die es für eine vertragliche Qualifikation der Haftung im europäischen Zivilprozessrecht zu erfüllen gilt, auf die Sachwalterhaftung, so ergibt sich möglicherweise aber ein anderes Bild. Das Vorliegen einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung i. S. d. europäischen Vertragsbegriffs gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO kann zwar nicht bejaht werden, da die Verhandlungsparteien keine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen sind noch eingehen wollten.204 Wenn jedoch ein ver200 201 202 203 204

Dazu siehe oben: Teil C. II. 2. b). Vgl. oben: Teil C. II. 2. a) bb). Vgl. oben: Teil E. II. 1. b) aa). Mankowski, VuR 1999, 219 (223). Vgl. auch Mankowski, VuR 1999, 219 (222).

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tragsähnliches Näheverhältnis im Vorfeld des Vertrages entstanden ist und der Schadensersatzanspruch aus dieser Beziehung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit einem anvisierten Vertrag steht, könnte der Vertragsklagengerichtsstand dennoch begründet sein. aa) Enger sachlicher Zusammenhang mit dem Vertrag Die mangelnde Parteiidentität von Vertreter und Geschäftsherr im Falle der Dritthaftung ändert nichts an dem engen, sachlichen Zusammenhang des vorvertraglichen Fehlverhaltens des Sachwalters mit dem in Aussicht genommenen Vertrag. Bricht der Dritte die Verhandlungen in haftungsbegründender Weise ab, so realisiert sich die Pflichtverletzung im Ausbleiben des Vertrages. Führt das vorvertragliche Verhalten des Vertreters zu einem unwirksamen oder nicht erwartungsgerechten Vertragsabschluss, so ist ebenfalls eine unmittelbare Auswirkung auf das Rechtsgeschäft gegeben.205 Insofern sind diese Fälle der Dritthaftung nicht anders zu behandeln als die Konstellationen, in denen der spätere Vertragspartner selbst, oder einer seiner Vertreter ohne die Voraussetzungen einer Eigenhaftung zu erfüllen, die Pflichtverletzung im Vorfeld des geplanten Vertragsverhältnisses begeht. Auch in letzterer Situation haftet der Geschäftsherr, denn er muss sich das Verhalten seines Vertreters zurechnen lassen.206 Mit dem Vertreter, der kein persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt, soll keine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden, so dass sich insofern zunächst kein Unterschied zum Sachwalter ergibt. Im Hinblick auf die Beeinflussung der vertraglichen Sonderverbindung bzw. seines Inhalts ändert sich nichts, egal ob dem Sachwalter oder – im Zwei-Personenverhältnis – der späteren Vertragspartei selbst die Nichteinhaltung des vorvertraglichen Pflichtenprogramms vorzuwerfen ist.207 Dass das vorvertragliche Fehlverhalten von dem Dritten ausgeht, mit dem der beabsichtigte Vertrag überhaupt nicht abgeschlossen werden soll, hebt nicht jegliche Beziehung zu diesem Rechtsgeschäft auf. Schließlich ist er vom Geschäftsherrn im Hinblick auf den Abschluss des Vertragsverhältnisses als Vertreter bestellt worden oder handelt als Sachwalter für diesen. Sein Verhandlungsgeschick bestimmt maßgeblich das Zustandekommen des Vertrages und dessen Inhalt. Der Vertreter bzw. Sachwalter ist zwar ein „vertragsfremder“ Dritter, aber nicht im deliktischen Sinne, d. h. dass er nicht nur zufällig und ohne den Willen der späteren Vertragsparteien die Verhandlungen beeinflusst. Die Pflichtverletzung geht von seiner Person aus und schlägt sich in dem 205 Dazu bereits oben: Teil E. II. 1. d) aa) (3), Teil F. II. 1. b) aa), Teil G. II. 1. b) aa). Bei der Verletzung von Obhuts- und Erhaltungspflichten liegt hingegen höchstens eine mittelbare Auswirkung auf das geplante Vertragsverhältnis vor, weshalb deliktisch zu qualifizieren ist, vgl. oben: Teil H. II. 1. b) aa), cc). 206 Im deutschen Sachrecht gem. § 278 BGB. 207 Jedoch muss die entsprechende Person jedenfalls die rechtliche Kompetenz zum Vertragsabschluss besitzen. Zu einem sonstigen Dritten besteht natürlich kein vorvertragliches Schuldverhältnis mit besonderen Pflichten.

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I. Dritthaftung

späteren Vertrag nieder, wirkt sich dort aus, so dass ein enger, sachlicher Zusammenhang jedenfalls vorliegt. bb) Ratio legis der Gerichtsstandsnormen Wie bereits auf der Ebene der Zweipersonenverhältnisse gesehen, passt die ratio legis des Vertragsklagengerichtsstands grundsätzlich nur für rechtsgeschäftliche Sonderverhältnisse zweier Parteien, denen ein kalkulierbares, leicht vorhersehbares Forum für potentielle Streitigkeiten aus einer freiwillig eingegangenen Selbstbindung geboten werden soll. Die damit geschaffene Rechtssicherheit ist notwendig, damit die Beteiligten hinsichtlich des Eingehens der Rechtsbeziehung eine Nutzenund Risikoabwägung treffen können. Im Gegensatz dazu bezweckt der Deliktsklagengerichtsstand mit seiner Wahlmöglichkeit für den Geschädigten insbesondere auch eine Privilegierung desjenigen, der durch eine unerlaubte Handlung „zufällig“ geschädigt worden ist. Ansprüche aus bestimmten vertragsähnlichen Nähebeziehungen sollen aber ebenso wie rechtsgeschäftliche Beziehungen vertraglich qualifiziert werden, da diese Konstellationen ebenfalls von der ratio legis des Vertragsklagengerichtsstands erfasst sind. Deshalb wird in dieser Arbeit vertreten, dass vorvertraglichen Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo, die den vertragsbezogenen Fallgruppen entspringen, am Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO eingeklagt werden können.208 Überträgt man diese Aussagen auf die Dritthaftungsfälle bei der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens, so kommt es für die Anwendung des vertraglichen Sondergerichtsstands auf das Bestehen einer vertragsähnlichen Beziehung zwischen dem potentiellen Vertragspartner und dem Vertreter des Geschäftsherrn bzw. dem Sachwalter an. Dafür ist nicht entscheidend, ob die Beteiligten untereinander einen Vertrag schließen wollten. Hier fällt die Bejahung einer besonderen Beziehung der Parteien zueinander allerdings leichter, da sie sich bewusst und freiwillig für den Abschluss des Vertrages aufeinander zu bewegt haben und dadurch in ein Sonderverhältnis eintreten. Ähnliches gilt aber auch, wenn statt des zukünftigen Vertragspartners ein Sachwalter bzw. Vertreter die Verhandlungen führt und dabei eine besondere persönliche Gewähr abgibt. Dann entsteht eine eigene Sonderverbindung, die möglicherweise als vertraglich qualifiziert werden kann. Gerade die Inanspruchnahme des Vertrauens in seine Person macht das Verhältnis zu einem speziellen und gipfelt in der Eigenhaftung des Dritten. In diesem Moment unterscheidet er sich von einem „normalen“ Erfüllungsgehilfen des Geschäftsherrn, bei dem nicht von einer vertragsähnlichen Nähebeziehung zum Verhandlungspartner gesprochen werden kann, weil die Sonderbeziehung in diesen Konstellationen vielmehr durch den Vertreter „hindurch“ mit dem Geschäftsherrn besteht, dessen verlängerten Arm er darstellt. Die haftungsbegründende Besonderheit in den Fällen der Eigenhaftung des Dritten liegt darin, dass er 208

Siehe Teil E. II. 3., Teil F. II. 3., Teil G. II. 3.

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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selbst besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, die andere Partei gerade deshalb vertraut und dadurch geschädigt wird. Hätte sich der Geschäftsherr nicht des Vertreters oder Sachalters bedient, dann wäre dieses Vertrauen nur ihm gegenüber entstanden und hätte zur Entstehung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses nur mit ihm geführt. So aber entsteht das vertragsähnliche Näheverhältnis mit dem Dritten, der die persönliche Gewähr abgibt, bezogen auf das mit dem Geschäftsherrn abzuschließende Rechtsgeschäft. Dieses Verhältnis lässt nunmehr ein Pflichtenprogramm zwischen den Verhandlungsparteien entstehen, woraus sich Pflichten mit relativem Charakter, nämlich nur zwischen den Verhandelnden ergeben. Sie stehen sich in ähnlicher Weise gegenüber wie Vertragspartner, so dass die Annahme eines vertragsähnlichen Sonderverhältnisses gerechtfertigt ist. Wenn Mankowski gegen eine vertragliche Qualifikation der Schadensersatzhaftung Dritter bei Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens die fehlende „Herrschaft“ des später (möglicherweise) abgeschlossenen Vertrages anführt, so ist dem zu entgegnen, dass an dieses Rechtsgeschäft nicht anzuknüpfen ist, sondern die vertragsähnliche Beziehung zwischen Vertreter bzw. Sachwalter und dessen Verhandlungspartner für die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ausreicht. Ebenso ist es kein durchschlagendes Gegenargument, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Mehrzahl der anderen Mitgliedstaaten solche Dritthaftungskonstellationen auf Sachrechtsebene mit den Mitteln des Deliktsrechts löst.209 Im Europäischen Zivilprozessrecht wird nach autonomen Maßstäben qualifiziert, weshalb es auf die Zuordnung auf nationaler Ebene nicht ankommt. Wenngleich eine möglichst integrationsfreundliche Auslegung sinnvoll ist, so führt dies jedoch nicht zwangsläufig zu einer Durchsetzung der Mehrheitsmeinung auf Kosten der Staaten, die einen Problemkreis rechtlich anders lösen. Unter Beachtung der soeben genannten Zuständigkeitsinteressen ist der Vertragsklagengerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO für die Geltendmachung der vorvertraglichen Schadenshaftung gegenüber Dritten am besten geeignet. Wie bereits festgestellt, kann die Wendung „Ansprüche aus einem Vertrag“ unter bestimmten Voraussetzungen auch vorvertragliche Sonderverbindungen im Grenzbereich zwischen Vertrag und Delikt erfassen. Der europäische Vertragsbegriff ist weit auszulegen. Deshalb bestehen auch keine Schwierigkeiten, das vertragsähnliche Verhältnis zwischen Vertreter bzw. Sachwalter und dem zukünftigen Vertragspartner des Geschäftsherrn hierunter zu subsumieren. Der Vertragsbegriff des Internationalen Privatrechts ist hingegen enger, so dass das Sachwalterstatut in entsprechender Anwendung der Art. 27, 28 EGBGB ermittelt wird.210

209 210

Vgl. dazu oben: Teil B. II. 5. Dazu oben: Teil I. I. 1. b) cc).

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I. Dritthaftung

cc) Systematik und Zielsetzung der EuGVO Mit Systematik und Zielsetzung der EuGVO wäre die Anwendbarkeit des Vertragsklagengerichtsstands auf die vorliegenden Fälle der Eigenhaftung Dritter aus culpa in contrahendo insbesondere dann vereinbar, wenn die Geltung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO für die Parteien vorhersehbar ist. In den genannten Konstellationen geht es darum, eine rechtsgeschäftliche Bindung zu erreichen. Das Handeln des Vertreters oder des Sachwalters ist auf den Abschluss dieser Sonderbeziehung ausgerichtet. Die Verhandlungen der Beteiligten stehen damit in einem engen Zusammenhang. Zudem liegt – wie gesehen – ein vertragsähnliches Näheverhältnis vor, das eine rechtsgeschäftliche Qualifikation rechtfertigt. Es ist für die Parteien deshalb vorhersehbar und nicht überraschend, dass die Schadensersatzklage aus culpa in contrahendo wegen einer Pflichtverletzung, die sich unmittelbar auf das abzuschließende Rechtsgeschäft auswirkt, am Vertragsklagengerichtsstand erhoben werden kann. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass ein Vertragsabschluss zwischen Drittem und Verhandlungsgegner nie beabsichtigt war. Ausreichend ist die bestehende Sonderbeziehung und das unmittelbar vertragsbezogene Fehlverhalten des Vertreters bzw. Sachwalters. Ein Hauptziel der EuGVO, die Schaffung klarer Gerichtsstandsregeln, ist in den Fällen der Schadenshaftung Dritter wegen Inanspruchnahme besonderen Vertrauens damit erreicht. dd) Erfüllungsort von Schadensersatzansprüchen bei Dritthaftung Die Erfüllungsortbestimmung im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO ist abhängig von Art des Vertrages. Bei Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen oder über die Erbringung von Dienstleistungen gilt die autonome Bestimmung des Erfüllungsortes gem. lit. b), während es für alle anderen Vertragstypen bei der Tessili / de Bloos-Formel des lit. a) verbleibt. Nach beiden der genannten Methoden für die Feststellung des international zuständigen Gerichts kommt für einen Schadensersatzanspruch kein eigenständiger Erfüllungsort in Betracht. Im ersten Fall entscheidet die charakteristische Verpflichtung, im zweiten Fall ist am Erfüllungsort der verletzten Primärpflicht zu klagen.211 Finden Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrages i. S. v. lit. b) statt und beeinflusst ein Vertreter bzw. Sachwalter die Willensbildung der einen Seite, indem er besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, dann könnte man überlegen, den Erfüllungsort für Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo hinsichtlich der Eigenhaftung des Dritten autonom gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO zu bestimmen.212 Nicht zu leugnen ist der enge Zusammenhang des Vgl. dazu oben: Teil E. II. 1. d) dd) (1). Vgl. dazu die Ausführungen zu den Zwei-Personen-Verhältnissen der Haftung wegen culpa in contrahendo: Teil E. II. 1. d) dd) (2), Teil F. II. 1. c) aa), Teil G. II. 1. c) aa). 211 212

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Fehlverhaltens des Dritten mit dem intendierten Vertrag. Als Vertreter oder Sachwalter nimmt er entscheidenden Einfluss auf das Vertragswerk, bietet eine zusätzliche, persönliche Gewähr für die Seriosität sowie die Erfüllung des Geschäfts, und erscheint somit als „Garant der Vertragsdurchführung“.213 Die so begründete Eigenhaftung ist untrennbar mit dem anvisierten Vertrag verknüpft, denn nur wenn sich das Fehlverhalten des Dritten darauf auswirkt, kommt ein Schadensersatzanspruch gegen ihn in Betracht. Voraussetzung ist ja, dass der Vertreter bzw. Sachwalter die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat.214 Die unmittelbare Verbindung von vorvertraglicher Pflichtverletzung und nicht erwartungsgerecht zustande gekommenen Vertrag reicht allein jedoch nicht aus, um zur Erfüllungsortbestimmung an das beabsichtigte Vertragsverhältnis anknüpfen zu können. Der Unterschied zu den Zwei-Personen-Verhältnissen der vertragsbezogenen Haftung aus culpa in contrahendo, bei denen im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO ebenfalls an die vertragstypische Verpflichtung angeknüpft wird,215 liegt ja gerade in der Personenverschiedenheit desjenigen, den die vorvertragliche Haftung trifft, mit demjenigen, der Vertragspartner des Geschädigten wird bzw. werden sollte. Wie bereits auf der Ebene des Internationalen Privatrechts gesehen, entspringen die vorvertraglichen Pflichten des Dritten aus seiner Beziehung zu dem Verhandlungspartner und sind insofern unabhängig von den Pflichten, die zwischen den zukünftigen Vertragsparteien bestehen. Deshalb ist die Qualifikation dieser Sonderverbindung unabhängig vom Vertrag zwischen dem Geschäftsherrn und dem Verhandlungspartner vorzunehmen. Eine andere Beurteilung würde die Relativität der Schuldverhältnisse durchbrechen. Grundsätzlich ist aber jede Sonderverbindung eigenständig anzuknüpfen, wenn nicht ein Ausnahmetatbestand bejaht werden kann, für den vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Würde man für die Erfüllungsortbestimmung der Schadensersatzklage gegen den Dritten auf den Ort abstellen, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen bzw. an dem die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen, dann würde man insoweit eine Fremdbestimmung der Sonderbeziehung zwischen Vertreter bzw. Sachwalter und seinem Gegenüber zulassen, die nicht zu rechtfertigen ist. Vielmehr muss ein selbständiger Erfüllungsort für die aus der vorvertraglichen Bindung resultierenden Loyalitätspflichten gefunden werden. Demzufolge passt Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVO nicht auf die vorliegende Fallgestaltung, da die Norm zur Gerichtsstandsfeststellung auf die sich aus dem Abschluss eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrages ergebenden Verpflichtungen abstellt. Gem. lit. c) ist somit das zuständige Forum allein nach Maßgabe des lit. a) zu bestimmen. 213 214 215

Siehe oben: Teil B. II. 5. Siehe Wortlaut des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB. Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) dd) (2), Teil F. II. 1. c) aa), Teil G. II. 1. c) aa).

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I. Dritthaftung

Im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO ist mithin das vorvertragliche Sonderverhältnis maßgeblich. Es bleibt zu konstatieren, dass gegenüber dem Dritten nur Pflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis bestehen, während der Vertrag, aus dem einzig die konkret streitige Verpflichtung stammen könnte, gerade nicht mit dem Vertreter bzw. Sachwalter abgeschlossen wird. Demnach ist der Erfüllungsort der verletzten vorvertraglichen Primärpflicht festzustellen. Zwar ist bei den vertragsbezogenen Fallgruppen der culpa in contrahendo im Zwei-PersonenVerhältnis aufgrund verschiedener Schwachpunkte eine Bestimmung des zuständigen Forums nach dem Erfüllungsort der verletzten vorvertraglichen Verpflichtung abgelehnt worden. Die dort geäußerte Kritik verfängt aber in der vorliegenden Konstellation nicht. Aus Gründen mangelnder Vorhersehbarkeit des Gerichts beim Abstellen auf den Erfüllungsort der vorvertraglichen Pflicht und aus prozessökonomischen Gründen ist dort zur Erfüllungsortbestimmung auf das Vertragsverhältnis abgestellt worden.216 Letztem Gesichtspunkt kommt im Drei-Personen-Verhältnis keine größere Bedeutung zu, da gegenüber dem Vertreter bzw. Sachwalter keine Ansprüche bestehen werden, die zusätzlich zum Schadensersatzbegehren aus culpa in contrahendo vor dem Vertragsklagengerichtsstand einzuklagen sind und demnach die Zuständigkeit des gleichen Forums für die Geltendmachung der vorvertraglichen Schadenshaftung aus Gesichtspunkten der Verfahrenskonzentration fordern würden. Zudem ist klar, dass es um die Anknüpfung des Sonderverhältnisses zwischen den direkt an den Vertragsverhandlungen beteiligten Personen geht und deshalb die Pflichten aus dieser Beziehung entscheidend sind. Dass auf den Ort der verletzten Primärpflicht aus der vorvertraglichen Sonderverbindung abgestellt wird, ist deshalb keineswegs überraschend oder unvorhersehbar. Auch der in manchen Konstellationen denkbare Einwand mangelnder Sachnähe des Gerichts rechtfertigt keine andere Beurteilung, da diesem Kriterium im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO keine vorrangige Bedeutung zukommt.217 Somit ist der Ort maßgeblich, an dem die verletzte Loyalitätspflicht hätte erbracht werden müssen, bei einer Aufklärungspflichtverletzung also dort, wo vollständige und richtige Information des Verhandlungsgegners geschuldet war. Dass hierbei in manchen Fällen zufällige Ergebnisse nicht zu verhindern sind, muss hingenommen werden. Die Heranziehung des abgeschlossenen Hauptvertrages würde insoweit keine Verbesserung bedeuten, da dies die Belange des Dritten vernachlässigen würde.

b) ZPO Auf der Ebene des deutschen autonomen Prozessrechts ist die pauschale Zuordnung sämtlicher Fallgruppen der culpa in contrahendo zum Vertragsklagengerichtsstand des § 29 ZPO weit verbreitet.218 Demzufolge wären auch die Kon216 217 218

Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) dd) (2), Teil F. II. 1. c) aa), Teil G. II. 1. c) aa). Siehe oben: Teil E. II. 1. d) bb) (1). Vgl. oben: Teil E. II. 2. b).

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stellationen, in denen ein Dritter aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens haftet, am Erfüllungsortgericht gem. § 29 ZPO einzuklagen.219 Explizit ausgesprochen hat dies das Landegericht Düsseldorf.220 Wie gesehen, wird dieses Ergebnis, die Geltung des Sondergerichtsstands für vertragliche Streitigkeiten, im Europäischen Zivilprozessrecht ebenfalls erzielt, wenn man die Kriterien des engen, sachlichen Zusammenhangs und des Vorliegens eines vertragsähnlichen Näheverhältnisses zum Maßstab nimmt. Dieselben Kriterien können ebenso für die Bestimmung der internationalen Gerichtszuständigkeit nach den Vorschriften der ZPO verwendet werden, um Grenzfälle zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung dem jeweiligen Wahlgerichtsstand zuzuordnen. Mithin steht § 29 ZPO nach Wahl des Klägers zur Bestimmung des maßgeblichen Forums zur Verfügung. Das wird auf nationaler Ebene, auf der es keiner autonomen Qualifikation bedarf, durch einen Blick ins materielle Sachrecht gestützt, in dem alle Fallkonstellationen der culpa in contrahendo in § 280 BGB eine einheitliche Anspruchsgrundlage haben, was als Indiz für eine vertragsrechtliche Einordnung gewertet wird.221 Die Bestimmung des Erfüllungsortes erfolgt wie im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO, so dass insoweit auf das oben Gesagte verwiesen werden kann.

2. Inanspruchnahme typisierten Vertrauens Prospekthaftungsansprüche aus culpa in contrahendo gegen die Gründer, Gestalter und Initiatoren der Anlagegesellschaft sowie gegen die Prospektmitgestalter sind im Kollisionsrecht dem wettbewerbsrechtlich modifizierten Deliktsstatut zugeordnet worden.222 Das könnte für eine ebensolche Qualifikation im Europäischen Zivilprozessrecht sowie im deutschen autonomen Zuständigkeitsrecht sprechen. Allerdings gilt es zu beachten, dass sich international-privatrechtliche und international-prozessrechtliche Wertungen in den Kernbereichen zwar grundsätzlich decken, dies aber kein Automatismus ist. Kollisionsrechtliche Interessen auf der einen und Zuständigkeitsinteressen auf der anderen Seite müssen nicht identisch sein, weshalb die Zuordnungsergebnisse des Verweisungsrechts nicht unbesehen für die EuGVO bzw. die ZPO übernommen werden können. Dennoch kommt der Qualifikationsentscheidung zugunsten des Internationalen Wettbewerbsrechts bei Ansprüchen aus zivilrechtlicher Prospekthaftung eine gewisse Indizfunktion zu. Demnach ist auf europäischer Ebene der besondere Wahlgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO in Betracht zu ziehen, der auch für 219 Explizit für die Geltung des § 29 ZPO auch für Klagen aus culpa in contrahendo gegen Vertreter und Sachwalter: Stein / Jonas / Roth, ZPO, Bd. I, § 29, Rn. 18; Zöller / Vollkommer, ZPO, § 29, Rn. 7. 220 LG Düsseldorf WM 2000, 1191 (1193 f.). 221 Siehe oben: Teil E. II. 2. C) aa) (1). 222 Vgl. oben: Teil I. I. 2. ff.

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I. Dritthaftung

Ansprüche aus unlauteren Wettbewerb gilt.223 Im deutschen autonomen Zivilprozessrecht sind neben den Gerichtsstandsnormen der ZPO auch an diejenigen des UWG zu denken. a) EuGVO Soweit ersichtlich, hat die Gerichtszuständigkeit bei Ansprüchen aus zivilrechtlicher Prospekthaftung im Rahmen der EuGVO noch keine Rolle gespielt. Es finden sich dazu weder Gerichtsentscheidungen noch vertiefende Ausführungen in der Literatur. Ein Fall der ausschließlichen Zuständigkeit gem. Art. 22 Nr. 2 EuGVO scheidet aus. Da es sich aber um die Geltendmachung einer Schadenshaftung handelt, ist jedenfalls ein besonderer Gerichtsstand des Art. 5 EuGVO gegeben.224 Der allgemeine Beklagtengerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVO besteht ohnehin für lauterkeitsrechtliche Streitigkeiten.225 aa) Art. 5 Nr. 1 EuGVO Aufgrund der Subsidiarität des Deliktsklagengerichtsstands gegenüber der Sonderzuständigkeit am Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVO muss zunächst geprüft werden, ob Schadensersatzansprüche aufgrund unrichtiger Prospektangaben als „Ansprüche aus einem Vertrag“ anzusehen sind. Wie bereits festgestellt, handelt es sich bei den hier interessierenden Konstellationen um Fälle der Dritthaftung, d. h. eine freiwillig eingegangene Verpflichtung i. S. d. europäischen Vertragsbegriffs ist hinsichtlich der Prospektverantwortlichen nicht gegeben. Trotzdem könnte der Vertragsklagengerichtsstand vom Kläger erwählt werden, wenn die rechtliche Beziehung zwischen ihm und dem Schädiger, d. h. die Quelle der den Parteien obliegenden besonderen Loyalitätspflichten, in einem engen, sachlichen Zusammenhang zu dem später abgeschlossenen Beitrittsvertrag des Anlegers zur Anlagegesellschaft steht und des Weiteren die ratio legis des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO für den Haftungsanspruch „passt“. Ersteres kann zwar mit dem Hinweis auf die verletzte Aufklärungspflicht, die die Anlegerentscheidung beeinflusst und sich damit auf den Abschluss des nachteiligen Aufnahmevertrages ausgewirkt hat, bejaht werden. Es liegt aber aufgrund des mangelnden persönlichen Kontakts zwischen Anleger und Prospektverantwortlichen jedenfalls keine vertragsähnliche Nähebeziehung zwischen den Beteiligten vor, der es für die Anwendung des Vertragsklagengerichtsstands bedarf. Die Prospekthaftung im engeren Sinne zeichnet sich gerade durch das Fehlen eines besonderen persönlichen Vertrauens- und Näheverhältnisses aus, denn der Geschädigte tritt der Publikums223 BGH IPRax 1989, 98 (99); OLG München NJW-RR 1994, 190 (190); KG NJW-RR 1995, 876 (878); IPRspr. 2001, Nr. 116, S. 241 (242); Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 346; Müller-Feldhammer, EWS 1998, 162 (165). 224 Vgl. oben: Teil C. II. 2. a) bb). 225 Vgl. auch: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 339.

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gesellschaft nur aufgrund des Prospektes bei, der für ihn die einzige Informationsquelle darstellt. Aus diesem Grunde ist bereits auf verweisungsrechtlicher Ebene die Ausdehnung des Vertragsstatuts auf Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Prospektangaben abgelehnt worden226 und dies gilt nunmehr auch für den Erfüllungsortgerichtsstand der EuGVO. bb) Art. 5 Nr. 5 EuGVO Ebenso würde es bei einer gesellschaftsrechtlichen Einordnung der Prospekthaftung227 an einem Sondergerichtsstand fehlen, wie ihn das autonome deutsche Prozessrecht in § 22 ZPO bereit hält. Dieser Gerichtsstand der Mitgliedschaft wird im Inlandsfall von Teilen der deutschen Rechtsprechung und Lehre in entsprechender Anwendung für die klageweise Durchsetzung von Ansprüchen aus Prospekthaftung herangezogen, die sich gegen die „Initiatoren, Gestalter und Gründer, die unmittelbar oder mittelbar das Leben der Anlagegesellschaft maßgeblich beeinflussen“ richten.228 Auf europäischer Ebene besteht jedoch kein entsprechender Wahlgerichtsstand. Art. 5 Nr. 5 EuGVO bezieht sich nur auf die Sonderfälle von (Zweig-)Niederlassungen, die der Aufsicht und Leitung durch das Stammhaus unterliegen.229 Des Weiteren ist die Betriebsbezogenheit einer Prospekthaftungsklage zweifelhaft.230 cc) Art. 5 Nr. 3 EuGVO Mithin bleibt zu prüfen, ob ein Anspruch aus culpa in contrahendo in der vorliegenden Konstellation als „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ i. S. d. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO zu verstehen ist. (1) Außervertragliche Schadenshaftung Dafür muss es sich um eine Schadenshaftung handeln, die nicht an eine vertragliche Sonderverbindung i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO anknüpft.231 Diese Voraussetzung ist durch die bereits erfolgte, negative Abgrenzung gegenüber dem Vertragsklagengerichtsstand erfüllt. Siehe oben: Teil I. I. 2. b) aa). Eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung wird in dieser Arbeit jedoch abgelehnt, siehe oben: Teil I. I. 2. b) cc) (4). 228 BGHZ 76, 231 (235); siehe unten: Teil I. II. 2. b). 229 EuGH 06. 10. 1976 – 14 / 76, de Bloos / Bouyer, Slg. 1976, 1497 (1509 f., Nr. 18 ff.); dem folgend: Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 378; Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 22. 230 Zu dieser Voraussetzung vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 381. 231 Siehe oben: Teil E. II. 1. d) aa). 226 227

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I. Dritthaftung

Zudem lässt sich nach europäischen Maßstäben ein deliktischer Charakter von Prospekthaftungsansprüchen feststellen. Obwohl diese – allerdings nicht unumstritten – im deutschen Sachrecht der culpa in contrahendo zugehörig sind und demnach gem. § 311 Abs. 2, 3 BGB vertragsähnlich eingeordnet werden, ist nicht abzustreiten, dass dieser Konstellation grundsätzlich ein Jedermann-Verhältnis zugrunde liegt, wie es einer typischen Deliktssituation entspricht. Der Prospekt als Zurechnungsgrund für die Haftung der Prospektverwender wird gegenüber einem unbekannten, jedenfalls nicht näher konkretisierten Personenkreis verbreitet. Mithin wird ein offenes Publikum, nämlich alle potentiellen Anleger, angesprochen. Ein vertragsähnliches Näheverhältnis als Anknüpfungsgrundlage für eine vertragliche Qualifikation besteht hingegen nicht. Das entspricht der ratio des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO, ein Forum für die Fälle zu bieten, in denen die Parteien erst durch das schädigende Ereignis, hier durch den Beitritt des Geschädigten zur Anlagegesellschaft aufgrund unrichtiger Prospektinformationen, miteinander verbunden werden. Ein bereits vor dem Schadenseintritt planbarer Gerichtsstand, wie ihn Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO vorsieht, entfaltet eher Anziehungskraft für die Parteien eines (zukünftigen) vertraglichen Sonderverhältnisses, bei dem rechtliche Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden können und die deshalb von den Beteiligten vor Eingehung einer freiwilligen Bindung regelmäßig in ihre Überlegungen hinsichtlich der möglichen Risiken in Abwägung mit dem erhofften Nutzen des Geschäfts einbezogen werden. Ein Vertragsschluss mit den Gründern und Gestaltern der Anlagegesellschaft ist jedoch nicht geplant, sie stellen vertragsfremde Dritte dar. Der Aufnahmevertrag wird vielmehr mit dem persönlich haftenden Gesellschafter, oftmals einer GmbH,232 geschlossen. Eine vertragsähnliche Sonderbeziehung zu den Prospektverwendern besteht nicht. Folglich „passt“ Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO besser auf diese Konstellationen als Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO. Für die Anwendbarkeit des Deliktsklagengerichtsstands ist zusätzlich die Funktion der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung anzuführen. Dieses Institut erschöpft sich nicht in dem reinen Schadensausgleich für den Geschädigten. Wie bereits in den Ausführungen zur international-privatrechtlichen Einordnung beschrieben,233 kommt der Prospekthaftung eine kapitalmarktrechtliche Relevanz zu, die sie in die Nähe eines Steuerungsmittels im Rahmen des unlauteren Wettbewerbs rückt, weshalb eine wettbewerbsrechtliche Modifikation auf Kollisionsrechtsebene vorgenommen wurde. Bei funktionaler Betrachtungsweise besteht folglich eine Ähnlichkeit mit Tatbeständen des unlauteren Wettbewerbs, die sämtlich von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO umfasst sind.234 Schließlich legen die Lando- bzw. die UNIDROIT-Prinzipien keine andere als eine deliktische Qualifikation nahe. Die Haftung Dritter aufgrund typisierten Ver232 233 234

Siehe oben: Teil B. II. 5. Vgl. oben: Teil I. I. 2. b) cc) (3) (a). Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 346.

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trauens ist in diesen überstaatlichen Kodifikationen nicht geregelt, weshalb keine davon ausgehende Indizwirkung zugunsten einer vertraglichen Einordnung festgestellt werden kann. Ebenso sprechen prozessökonomische Gründe für die Maßgeblichkeit des Deliktsklagengerichtsstands, da mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Gründern und Gestaltern der Gesellschaft und dem Anleger neben den Ansprüchen aus culpa in contrahendo nur noch deliktische Schadensersatzansprüche möglich sind, die mangels der Anerkennung eines Sachzusammenhanggerichtsstands durch den EuGH ohnehin nur vor dem Gericht am Ort des schädigenden Ereignisses geltend gemacht werden können. Eine deliktische Qualifikation der Prospekthaftungsansprüche sorgt damit für eine Zuständigkeitskonzentration vor dem für die deliktische Schadenshaftung zuständigen Forum und bannt damit die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen unterschiedlicher Gerichte. (2) Ort des schädigenden Ereignisses Grundsätzlich versteht man unter dem in Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO verwendeten Begriff des „Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, sowohl den Handlungs- als auch den Erfolgsort, wobei ersterer den Ort des ursächlichen Geschehens235 meint und letzterer die Örtlichkeit beschreibt, „an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zu Lasten den Betroffenen eintreten“236. Diese alternative Anknüpfung wird für Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs in Frage gestellt, indem die international-privatrechtliche Anknüpfung, die in Ablehnung des Ubiquitätsprinzips für diese Fälle ausschließlich auf den Marktort abstellt, auf die internationale Zuständigkeitsordnung übertragen wird.237 Richtigerweise ist dem aber nicht zuzustimmen. Die Unterschiede von Zuständigkeitsinteressen und Interessen des Verweisungsrechts sind zu beachten. Für die internationale Zuständigkeit spielt nicht die Lokalisierung des räumlichen Schwerpunkts der Wettbewerbsverletzung die entscheidende Rolle, sondern die Schaffung eines sach- und beweisnahen Forums nach Wahl des Klägers, der aufgrund des erlittenen deliktischen Schadens bewusst privilegiert wird.238 Zudem sollen auf kollisionsrechtlicher Ebene durch das alleinige Abstellen auf den Marktort Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden, die bei Zulassung des Handlungsortrechts dadurch entstehen könnten, dass dieses den jeweiligen Unternehmen unterschiedlich strenge Verhaltensanforderungen aufbürdet, je nachdem, in welchem Vgl. Rauscher, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 87; vgl. oben: Teil E. II. 1.d) bb) (1). EuGH 07. 03. 1995 – 68 / 93, Shevill / Presse Alliance, Slg. 1995, I-415 (I-461, Nr. 28). 237 BGH JZ 1971, 731; OLG München DB 1986, 1173; Zöller / Vollkommer, ZPO, § 32, Rn. 17; Schack, IZVR, Rn. 300; Kubis, S. 202. 238 Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 356. 235 236

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I. Dritthaftung

Land die Steuerungszentrale situiert ist. Auch dieses Argument verfängt für den Bereich des Zuständigkeitsrechts nicht.239 Explizite EuGH-Rechtsprechung zu dem Problemkreis ist zwar nicht vorhanden, doch ist der Gerichtshof in anderen Sonderfällen deliktischer Schadenshaftung ebenfalls nicht von der Alternativität zwischen Handlungs- und Erfolgsort abgerückt.240 Insbesondere bei Pressedelikten, bei denen aufgrund massenhafter Verbreitung des Druckerzeugnisses die Gefahr unzähliger Erfolgsorte besteht, hat der EuGH dennoch die Wahlmöglichkeit zwischen dem Forum am Handlungs- und am Erfolgsort aufrecht erhalten und lieber eine Einschränkung über die sog. Mosaiktheorie241 vorgenommen.242 Deshalb sollte auch für das Lauterkeitsrecht an dem den Kläger begünstigenden Wahlrecht zwischen dem Ort des ursächlichen Geschehens und dem Ort des Erstschadens festgehalten werden.243 Verweisungsrechtlicher und zuständigkeitsrechtlicher Begehungsort sind also nicht identisch.244 Der Erfolgsort liegt dort, wo die Verletzung des geschützten Rechtsguts stattfindet, also am Ort des Erstschadens, nicht des Folgeschadens.245 Bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht ist damit – insofern gleichlaufend mit der kollisionsrechtlichen Modifikation – regelmäßig die Zuständigkeit des Gerichts am Marktort als der Lokalität, an der die Wettbewerbsinteressen aufeinander treffen, gegeben.246 Auf die allgemeine bürgerlich-rechtliche Haftung wegen fehlerhafter Prospektangaben übertragen, wäre somit das Forum am Ort der finalen Prospektverbreitung247 international zuständig. Dieser ist für alle Beteiligten leicht vorhersehbar und somit kalkulierbar. Zudem bietet dieser Ansatz einen gerechten Interessenausgleich, da die Investoren, die auf dem Heimatmarkt von ausländischen Gesellschaften geworben werden, auf die Zuständigkeit der inländischen Gerichte und damit auf die Anwendbarkeit des eigenen Kollisionsrechts vertrauen können, Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (325 f.). Vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 356 m. w. N. 241 Zum Begriff vgl. Kropholler, EuZPR, Art. 5 EuGVO, Rn. 84; Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 92. 242 Nach der Mosaiktheorie darf das Gericht am jeweiligen Erfolgsort nur über den dort erlittenen Schaden urteilen, d. h. es hat nur eine beschränkte Kognitionsbefugnis, vgl. EuGH 07. 03. 1995 – 68 / 93, Shevill / Presse Alliance, Slg. 1995, I-415 (I-462, Nr. 30, 33). 243 Ebenso: BGH NJW 2003, 426 (428); KG IPRspr. 2001, Nr. 116, S. 241 (242); ZLR 2002, 759 (772); OLG Hamm, IPRspr. 1985, Nr. 141, S. 380 (382); OLG München NJW-RR 1994, 190 (190); Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 356; 409 ff.; Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 102; Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (327, 329, 336 f.); Müller-Feldhammer, EWS 1998, 162 (166). Vgl. auch: Bachmann, IPRax 1998, 179 (182). 244 Geimer, IZPR, Rn. 1517 a; Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (325, 328 f.); a.A.: Schack, IZVR, Rn. 300. 245 Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) bb) (1). 246 Vgl. OLG Hamm IPRspr. 1985, Nr. 141, S. 380 (383); Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 357. 247 Vgl. schon zum IPR: Teil I. I. 2. b) cc) (3) (c). 239 240

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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während den potentiell Haftenden zugemutet werden kann, sich der Gerichtsbarkeit am Marktort zu unterwerfen, auf dem man freiwillig mittels bewusster Grenzüberschreitung tätig geworden ist. Weiterhin ist so die Gleichbehandlung der jeweiligen nationalen Anlegergruppe sichergestellt: wird auf dem deutschen Markt mit Prospekten geworben, so sind die deutschen Gerichte zuständig, auf dem italienischen Markt die italienischen Gerichte etc. Das Marktortforum urteilt nur über den auf dem jeweiligen Markt entstandenen Schaden, d. h. die Mosaiktheorie gilt mithin auch im internationalen Wettbewerbsrecht.248 Indem der Ort der gezielten Verbreitung des Prospektmaterials für maßgeblich erklärt wird, sind die Prospektverantwortlichen vor Klagen in Ländern geschützt, in denen sie nicht bewusst Anleger werben wollten. Gelangt ein Prospekt durch „Umwege“ auf einen nationalen Markt, auf dem er nicht gezielt von der Anlagegesellschaft verbreitet wurde und sich auf die dortigen potentiellen Kunden also nicht bestimmungsgemäß auswirken sollte, so ist dies mit einem zufälligen „over spill“249 vergleichbar, der keine Erfolgsortzuständigkeit begründet.250 Auch der Anleger wird dadurch nicht über Gebühr benachteiligt, da er in einem solchen Fall nicht mit der Zuständigkeit heimatlicher Gerichte rechnen kann. Durch das Abstellen auf den Markt der finalen Prospektverbreitung wird ferner die nicht unproblematische Bestimmung der internationalen Zuständigkeit bei reinen Vermögensschäden251 vermieden, die für jeden Geschädigten individuell erfolgen müsste, was der Vorhersehbarkeit des Gerichtsstandes im vorliegenden Fall der massenweisen Verbreitung von Prospektmaterial abträglich wäre. Folglich ist das zuständige Gericht am Erfolgsort dort zu lokalisieren, wo sich der Marktort befindet, d. h. am Ort der finalen Prospektverbreitung. Wo das deliktische Verhalten ausgeführt wird, liegt der Handlungsort.252 Entscheidend ist der Ort des maßgeblichen Tatbeitrags.253 Im Wettbewerbsrecht kommt es mithin auf die Tathandlung an, die den Wettbewerbsverstoß verursacht.254 Bei der Prospekthaftung i. e. S. liegt das Fehlverhalten in der Herausgabe eines unrichtigen Prospektes, in dessen Folge die Anleger zu einer falschen Anlageentscheidung veranlasst und damit geschädigt werden. Ähnlich wie im Falle von Pressedelikten, bei denen als Ort des schadensbegründenden Verhaltens auf die Niederlassung des Herausgebers abgestellt wird,255 sollte im Rahmen der Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 370. Lindacher, in: FS Nakamura, S. 321 (335); vgl. auch zu Internetangeboten: Erfolgsort ist der Ort, an dem das Medium Internet „bestimmungsgemäß und nicht [allein] zufällig abrufbar ist“ (KG IPRspr. 2001, Nr. 116, 241 (242). Auf die bestimmungsgemäße Verbreitung kommt es auch bei Druckschriften an, vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 406 m. w. N.; Müller-Feldhammer, EWS 1998, 162 (167). 250 Vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 366. 251 Vgl. von Hein, IPRax 2005, 17 ff. 252 Vgl. oben: Teil E. II. 1. d) bb) (1). 253 Rauscher / Leible, EuZPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 88. 254 Vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 371. 248 249

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I. Dritthaftung

Prospekthaftung ebenfalls der Ort maßgeblich sein, an dem die Entscheidung über die Verbreitung des Prospektmaterials mit dem fehlerhaften Inhalt beschlossen wird, weil hier die Quelle des Schadensereignisses liegt. In der Regel wird das am Sitz der Anlagegesellschaft sein oder aber am Sitz des persönlich haftenden Gesellschafters der Anlagegesellschaft. Somit genügt auch der Handlungsort den Kriterien der Vorhersehbarkeit und Kalkulierbarkeit. Die so zu ermittelnden Erfolgs- und Handlungsorte für Prospekthaftungsansprüche sorgen für beweis- und sachnahe Foren, denn das Gericht am Marktort kann am besten die Auswirkungen des fehlerhaften Prospektes auf die Anleger beurteilen, während dem Gericht am Handlungsort beispielsweise die Akten des Unternehmens als Urkunden und mögliche Zeugen zur Aufklärung des Sachverhalts zur Verfügung stehen. (3) Ergebnis Schadensersatzansprüche aus allgemeiner bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung können gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO nach Wahl des Klägers am Erfolgs- oder am Handlungsort geltend gemacht werden, wobei ersterer durch den Ort der finalen Prospektverbreitung bestimmt wird und letzterer sich an dem Ort findet, an dem die Entscheidung über die Bekanntmachung des fehlerhaften Prospektes an eine breite Öffentlichkeit getroffen wurde.

b) ZPO Im deutschen Zivilprozessrecht gibt es, soweit ersichtlich, keine gerichtlichen Entscheidungen, die sich mit der internationalen Gerichtszuständigkeit bei Ansprüchen aus Prospekthaftung i. e. S. befassen. Jedoch liegt eine Entscheidung zur örtlichen Zuständigkeit vor, die aufgrund der Doppelfunktionalität zivilprozessualer Gerichtsstandsnormen Indizwirkung für die internationale Zuständigkeit haben könnte. So hat der BGH entschieden, dass vor dem Gericht am Sitz der Gesellschaft in entsprechender Anwendung des § 22 ZPO Ansprüche aus Prospekthaftung eingeklagt werden können, die sich gegen „Personen [richten], welche die Gesellschafter bei den Beitrittsverhandlungen vertreten haben oder der Anlagegesellschaft als Initiatoren, Gestalter oder Gründer nahe stehen.“256 Zwar konnte § 22 ZPO in dem 255 EuGH 07. 03. 1995 – 68 / 93, Shevill / Presse Alliance, Slg. 1995, I-415 (I-460 f., Nr. 24); Kropholler, EuZPO, Art. 5 EuGVO, Rn. 75 f.; Staudinger / von Hoffmann, Vorbem. zu Art. 40 EGBGB, Rn. 94; Thomas / Putzo / Hüßtege, Art. 5 EuGVVO, Rn. 19; Zöller / Geimer, Anh. I, Art. 5 EG-VO, Rn. 32; Müller-Feldhammer, EWS 1998, 162 (169); vgl. auch: Fezer / Büscher, Bd. 2, § 14 UWG, Rn. 24. 256 BGHZ 76, 231 (231, Leitsatz). Dem folgend: B / H / M / Hopt, § 347 HGB, Rn. 40; Assmann, S. 376; Reder, S. 263 f.; Vollkommer, IPRax 1992, 207 (211).

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vom Gericht beurteilten Sachverhalt nicht direkt angewandt werden, weil einige der Beklagten nicht Gesellschafter in der Kommanditgesellschaft waren, zu der die Klägerin aufgrund falscher Prospektangaben ihren Beitritt als Kommanditistin erklärt hatte, und deshalb keine Klage von den Gesellschaftsmitgliedern „in dieser Eigenschaft gegeneinander“ angenommen werden konnte. Dennoch sei eine analoge Heranziehung in der vorliegenden Konstellation geboten, da dies das Ziel der Vorschrift, Rechtsstreitigkeiten aus dem Innenleben einer Gesellschaft an dessen Sitz zu konzentrieren, verlange.257 Ein solcher Fall innerer Rechtsbeziehungen sei gegeben, da die Initiatoren, Gestalter und Gründer unmittelbar oder wenigstens mittelbar maßgeblichen Einfluss auf die Anlagegesellschaft ausüben und die damit untrennbar zusammenhängende Werbung von neuen Kommanditisten, als Akt der Beschaffung von Gesellschaftskapital, der Gesellschaft selbst zu Gute komme. Zudem müsse bei Klagen aus Prospekthaftung für eine sachgerechte Beurteilung die inneren Verhältnisse der Gesellschaft gewürdigt werden, was vom Forum am Sitz der Gesellschaft am besten durchzuführen sei. An diesem ortsnahen Gerichtsstand wären sämtliche Klagen aller Anleger zu verhandeln, was neben prozessökonomischen Vorteilen grundsätzlich auch im Interesse aller Beteiligten läge.258 Eine Erstreckung des § 22 ZPO auf Ansprüche aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung gegen selbständige Werbeunternehmen scheide hingegen aus.259 Wie bereits auf der Ebene des Kollisionsrechts festgestellt, besteht unabstreitbar eine enge Beziehung der Anleger, die sich aufgrund des Prospektes zu der Erbringung einer Einlage an die Anlagegesellschaft entschließen, zu denjenigen Prospektverantwortlichen, die auch an der Gesellschaft beteiligt sind bzw. deren „Leben“ maßgeblich beeinflussen. Die Investoren werden durch ihren Beitritt ebenfalls zu Gesellschaftern, so dass es sich bei Prospekthaftungsansprüchen eigentlich um Rechtsbeziehungen innerhalb einer Gesellschaft handelt. Dennoch wurde im Verweisungsrecht die Geltung des Gesellschaftsstatuts im Hinblick auf den mangelnden Anlegerschutz abgelehnt.260 Ähnlich kann man im Recht der internationalen Zuständigkeit argumentieren. Warum sollen die Prospektverantwortlichen, die sich zwecks Gesellschafterwerbung bewusst an potentielle Investoren im Ausland gewendet haben, mit einem Heimatgerichtsstand am Sitz der Anlagegesellschaft „belohnt“ werden? Im Rahmen internationaler Sachverhalte vernachlässigt man so die Interessen der ausländischen Anleger in unzumutbarer Weise. Sie werden aufgrund von Prospekten, die konkret auf den Auslandsmarkt abgestimmt sind – insbesondere ist an die sprachliche Gestaltung zu denken – zu einer Investition veranlasst. Es liegt nahe, dass in einem solchen Fall die Anleger mit der Geltung ihrer heimatlichen Standards rechnen und ebenso mit einem inländischen Gerichtsstand. Wie bereits zum Europäischen Zivilprozessrecht aus257 258 259 260

BGHZ 76, 231 (234 f.). BGHZ 76, 231 (235). BGHZ 76, 231 (236). Vgl. oben: Teil I. I. 2. b) cc) (4).

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I. Dritthaftung

geführt, müssen vielmehr die Prospektverantwortlichen, die bewusst und zielgerichtet auf einem ausländischen Markt Investoren werben wollen, mit einem ausländischen Gerichtsstand rechnen. Ein Forum am Sitz der Anlagegesellschaft entspricht deshalb nicht den Zuständigkeitsinteressen bei Sachverhalten mit Auslandsberührung. Zwar ist es richtig, dass dem Gericht am Sitz der Gesellschaft eine gewisse Sach- und Beweisnähe nicht abgesprochen werden kann, wenn es um die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Anlagegesellschaft geht. Werden Handlungs- und Erfolgsort nach wettbewerbsspezifischen Kriterien bestimmt, wie im Rahmen der EuGVO,261 so liegen aber auch hier die zu fordernden besonderen Bindungen zwischen Streitgegenstand und Gericht vor. Insbesondere stimmt der Handlungsort als Niederlassungsort des Prospektherausgebers oftmals mit dem Sitz der Anlagegesellschaft überein. Schließlich können für den Deliktsklagengerichtsstand ebenso die prozessökonomischen Vorteile einer Zuständigkeitskonzentration für alle Klagen getäuschter Anleger ins Feld geführt werden. Aufgrund der vorstehenden Argumente ist die zur örtlichen Zuständigkeit ergangene BGHEntscheidung nicht auf die Konstellationen des internationalen Zivilverfahrensrechts zu übertragen. § 22 ZPO in direkter oder entsprechender Anwendung scheidet zur Gerichtsstandsbestimmung aus. Nach dem Gesagten liegt es nunmehr nicht fern, die internationale Zuständigkeit im autonomen deutschen Zivilprozessrecht nach Maßgabe des § 32 ZPO zu bestimmen, wobei dieser ebenfalls – wie Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO – wettbewerbsspezifisch zu modifizieren ist. § 14 UWG, der als ausschließlicher Gerichtsstand auch die internationale Zuständigkeit regelt,262 kommt als vorrangige Spezialnorm jedoch nicht in Betracht, da er nur für „Klagen auf Grund dieses Gesetzes“ (des UWG) gilt und die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung ihre Grundlage im deutschen allgemeinen Zivilrecht hat.263 Demnach folgt die Gerichtszuständigkeit aus den §§ 12 ff. ZPO. Die bereits im Rahmen der EuGVO genannten Vorteile und Argumente für den Deliktsklagengerichtsstand passen auch für die internationale Zuständigkeitsordnung des deutschen Prozessrechts, so dass eine Sonderzuständigkeit nach § 32 ZPO besteht. Dagegen spricht nicht die Einordnung der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung im deutschen Sachrecht als Konstellation der culpa in contrahendo.264 Diese ist ohnehin umstritten, und es ist nicht ratsam, den Streit auf die prozessrechtliche Ebene zu verlagern. Wichtiger ist, dass die Wertungen des Prozessrechts nicht zwangsläufig mit denen des Sachrechts übereinstimmen müssen. Im vorliegenden Fall entfaltet der DeliktsklagenSiehe oben: Teil I. II. 2. a) cc) (2). Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 394; 407. 263 Siehe oben: Teil B. II. 5. 264 Teilweise wird – allerdings im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit – für Prospekthaftungsansprüche auf § 29 ZPO mit der Begründung rekurriert, dass es sich bei der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung um einen Fall der culpa in contrahendo handele, Ansprüche aus vorvertraglichem Verschulden aber am Vertragsklagengerichtsstand geltend zu machen seien (vgl. Assmann, S. 376). 261 262

II. Qualifikation im Internationalen Zivilprozessrecht

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gerichtsstand für die internationale Zuständigkeit jedenfalls die größte Anziehungskraft. Der Begehungsort ist wiederum wettbewerbsspezifisch zu modifizieren. Daran hat sich im Grundsatz durch die Einführung des § 32b ZPO nichts geändert. Der im August 2005 zunächst für die Dauer von 5 Jahren265 eingeführte ausschließliche Gerichtsstand für Klagen aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen umfasst zwar Ansprüche aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung.266 Zudem gilt die Regelung sowohl für die örtliche als auch für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.267 Voraussetzung für die Bejahung eines deutschen Forums ist allerdings, das der Sitz des Emittenten, des Anlagenanbieters oder der Zielgesellschaft in Deutschland liegt (§ 32b Abs. 1 Satz 2 ZPO). In einem solchen Fall besteht im Vergleich zum Wahlrecht aus § 32 ZPO eine dahingehende Einschränkung, dass der getäuschte Anleger kein ausländisches Marktortrecht wählen kann. In der vorliegenden Arbeit geht es hingegen gerade um die Konstellationen, in denen die Anlagegesellschaft ihren Sitz nicht im Inland, sondern im Ausland hat und auf den inländischen Markt einwirkt. Dann bleibt es aber bei der Geltung des Deliktsklagengerichtsstands. Folglich kann der Kläger gem. § 32 ZPO wählen, ob er am Handlungs- oder am Erfolgsort klagen will,268 mithin am Ort der Entscheidung über die Prospektverbreitung oder am Marktort, d. h. an dem Ort, an dem gezielt mit dem Prospekt neue Anleger geworben werden sollen.

3. Unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse Vor welchem Gericht Schadensersatzklagen gegen einen Dritten aus culpa in contrahendo wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses erhoben werden können, ist bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur untersucht worden. a) EuGVO Dass neben der Geltung des allgemeinen Gerichtsstands am Wohnsitz des Beklagten gem. Art. 2 EuGVÜ / EuGVO vom Kläger einer der Sondergerichtsstände des Art. 5 EuGVÜ / EuGVO gewählt werden kann, ergibt sich daraus, dass es um Vgl. B / L / A / H / Hartmann, § 32b ZPO, Vorbem. B / L / A / H / Hartmann, § 32b ZPO, Rn. 3; Schneider, BB 2005, 2249 (2250). 267 Schneider, BB 2005, 2249 (2251). 268 Ebenso wie im Europäischen Zivilprozessrecht [vgl. oben: Teil I. II. 2. a) cc) (2)] gilt das Wahlrecht des Geschädigten. Das ausschließliche Abstellen auf den Marktort wie im Internationalen Privatrecht, kann nicht auf das Internationale Zivilprozessrecht übertragen werden, vgl. Fezer / Hausmann / Obergfell, Bd. 1, Einleitung I, Rn. 405; 409 ff. m. w. N. 265 266

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I. Dritthaftung

eine Schadenshaftung geht, für die nach Ansicht des EuGH jedenfalls ein Wahlgerichtsstand besteht.269 Wie bei der Haftung des Vertreters für die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens bzw. bei der Sachwalterhaftung ist zunächst die Geltung des Vertragsklagengerichtsstands zu prüfen. Für die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bedarf es eines engen, sachlichen Zusammenhangs des Schadensersatzanspruchs mit einem anvisierten Rechtsgeschäft, das den Kriterien des europäischen Vertragsbegriffs genügt,270 sowie einer vertragsähnlichen Nähebeziehung zwischen Geschädigtem und Schädiger, auf die die ratio legis der Zuständigkeitsvorschrift passt. Hinsichtlich des Kriteriums eines ausreichend engen, sachlichen Zusammenhangs ist auf die Ausführungen zu verweisen, die im Rahmen der Dritthaftung bei der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens gemacht worden sind. Dort ist ebenso wie hier festzustellen, dass bei der Begehung einer vorvertraglichen Pflichtverletzung mit Vertragsbezug271 eine unmittelbare Auswirkung auf die mit dem Geschäftsherrn einzugehende Sonderverbindung vorliegt.272 Damit der Anspruch am Erfüllungsortgericht eingeklagt werden kann, bedarf es des soeben beschriebenen Näheverhältnisses zwischen den Verhandlungspartnern. Ein solches kann auch zu der Partei bestehen, mit der kein Vertragsabschluss beabsichtigt ist.273 Die Fallgestaltung der Eigenhaftung des Vertreters bei wirtschaftlichem Eigeninteresse wird nur dann bejaht, wenn der Dritte als procurator in rem suam, also als in eigener Sache tätig, anzusehen ist. So soll eine als unbillig empfundene Haftungslücke geschlossen werden, wobei das Kriterium des Eigeninteresses als Zurechnungsgrund fungiert. Würde ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nicht möglich sein, so könnte der Dritte, der im faktischen Sinn als Vertragspartner anzusehen ist, nur aufgrund dieser rechtlichen Konstruktion für seine Pflichtverletzung nicht haftbar gemacht werden. Der Vertreter ist also zugleich der eigentliche Geschäftsherr. Würde man ihn als solchen behandeln, so wäre bei vertragsbezogenem vorvertraglichen Fehlverhalten der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO gegeben. Auf der anderen Seite muss die Relativität der Schuldverhältnisse beachtet werden. Der Dritte tritt als Vertreter auf, so dass ihm gegenüber keine vertraglichen Verpflichtungen entstehen. Ebenso wie in den Sachwalterfällen kann deshalb nur ein möglicherweise zwischen Vertreter und Verhandlungspartner entstandenes Sonderverhältnis mit vertragsähnlichem Charakter den Vertragsklagengerichtsstand begründen. Eine solche Beziehung ist jedoch Vgl. oben: Teil C. II. 2. a) bb). Dazu oben: Teil E. II. 1. d) aa) (3). 271 Zur Verletzung von Integritätsinteressen vgl. oben: Teil I. I. 1. b). Diese Ausführungen betreffen das IPR, gelten aber auch für das IZPR. 272 Siehe oben: Teil I. II. 1. a) aa). Die möglichen Arten vorvertraglichen Fehlverhaltens sind bei beiden Fallgruppen gleich. 273 Vgl. oben: Teil I. II. 1. a) bb). 269 270

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schon für das Internationale Privatrecht abgelehnt worden,274 so dass für das Europäische Zivilprozessrecht nichts anderes gelten kann. Der Dritte bietet keine besondere persönliche Gewähr im Hinblick auf den abzuschließenden Vertrag. Er erscheint als „normaler“ Vertreter, dem gegenüber grundsätzlich nur deliktische Ansprüche geltend gemacht werden können, da die Pflichtverletzungen aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis gem. § 278 BGB den Geschäftsherrn treffen. Das bereits auf materiell-rechtlicher Ebene umstrittene Eigenhaftungskriterium des wirtschaftlichen Interesses reicht nicht aus, um ein vertragsähnliches Näheverhältnis zu schaffen, welches den Voraussetzungen des Vertragsklagengerichtsstands genügt. Die vorvertragliche Haftung des Vertreters mit eigenem wirtschaftlichen Interesse schließt im deutschen Sachrecht Haftungslücken, die aufgrund eines unzureichenden deliktischen Schutzes bestehen. Es geht einzig darum, eine vertragsähnliche Haftung im Vorfeld des Vertragsschlusses zu konstruieren, um ein als unbillig empfundenes Ergebnis zu korrigieren. Legt man eine funktionale Qualifikation zugrunde, so führt dies zu einer deliktischen Einordnung des Schadensersatzanspruches aus culpa in contrahendo in der vorliegenden Konstellation. Mithin ist der Regelung in Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO das international zuständige Gericht zu entnehmen, denn die Schadenshaftung konnte nicht unter den Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO subsumiert werden. Nach Wahl des Klägers entscheidet das Forum am Handlungs- oder Erfolgsort über die geltend gemachten Ansprüche, also entweder der Ort, an dem die Aufklärungspflicht verletzt worden ist,275 oder der Ort, an dem die Vermögenszentrale276 des Geschädigten liegt. b) ZPO Nach überwiegender Ansicht in der deutschen Literatur sind Schadensersatzansprüche gegen einen Dritten wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses vor dem Vertragsklagengericht gem. § 29 ZPO geltend zu machen. Allerdings ist dies die Konsequenz eines pauschalen Zuordnungsversuches für alle Konstellationen vorvertraglicher Haftung.277 Nach der in dieser Arbeit vertretenen fallgruppenspezifischen Differenzierung ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Aufgrund des eher deliktischen Charakters der vorliegenden Haftungskonstellation ist im Rahmen des Europäischen Zivilprozessrechts der Sondergerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben. Das autonome deutsche Zuständigkeitsrecht ist zwar von dieser Wertung unabhängig und kann vielmehr die Zuordnung im deutschen Sachrecht berücksichtigen. Jedoch ist die Eigenhaftung des Vertreters wegen un274 275 276 277

Siehe oben: Teil I. I. 3. b) cc). Vgl., allerdings zu den Sachwalterfällen: Mankowski, VuR 1999, 219 (223). Siehe: Teil E. II. 1. d) bb) (1). Vgl. oben: Teil E. II. 2. b).

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I. Dritthaftung

mittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses nicht unumstritten, so dass nicht von einer klaren vertraglichen Zuordnung dieser Fallgruppe gesprochen werden kann, die im neuen § 311 BGB nicht explizit geregelt worden ist.278 Folglich kann unter Berücksichtigung der Funktion des Schadensersatzanspruchs auch für das deutsche autonome Zivilprozessrecht eine deliktische Qualifikation vertreten werden. Die Schadenshaftung ist nach Wahl des Klägers vor dem nach § 32 ZPO zuständigen Gericht einzuklagen.

III. Gesamtergebnis Je nach Fallgruppe ergeben sich für die Dritthaftungskonstellationen aus culpa in contrahendo unterschiedliche Qualifikationslösungen. Die Eigenhaftung des Vertreters bzw. Sachwalters wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens wird im Internationalen Privatrecht nach einem eigenen Sachwalterstatut analog den Art 27, 28 EGBGB bestimmt und kann nach Wahl des Klägers am Vertragsklagengerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVO bzw. des § 29 Abs. 1 ZPO eingeklagt werden. Bestehen Schadensersatzansprüche gegen Dritte aufgrund bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung, ist nach dem modifizierten Deliktsstatut gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB das Marktortrecht anzuwenden, während sich das international zuständige Gericht gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 32 ZPO am Ort der finalen Prospektverbreitung oder an dem Ort, an dem die Entscheidung über die Bekanntmachung des fehlerhaften Prospektes gefallen ist, befindet. Im Falle der Dritthaftung wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses ist im Internationalen Privatrecht eine deliktische Qualifikation vorzunehmen. Ebenso gelten im Internationalen Zivilprozessrecht die Deliktsklagengerichtsstände der Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 32 ZPO.

278

Vgl. oben: Teil B. I. 1., II. 5.

J. Zusammenfassung der Ergebnisse Für die Qualifikation „der“ culpa in contrahendo im Internationalen Privat- und Zivilprozessrecht ist nach Fallgruppen getrennt vorzugehen, wobei in dieser Arbeit die im deutschen Sachrecht anerkannten Konstellationen zugrunde gelegt worden sind. Das Hauptproblem bei der Anknüpfung der vorvertraglichen Schadenshaftung liegt in dessen sachrechtlicher Zwitterstellung zwischen Vertrag und Delikt. Da sowohl das Verweisungs- als auch das Internationale Zuständigkeitsrecht keine „dritte Spur“ kennen, musste für jede Fallgruppe untersucht werden, ob eine vertragliche oder eine deliktische Qualifikation geboten ist. Zu berücksichtigen sind dabei die unterschiedlichen Qualifikationsmethoden. Im vereinheitlichten Kollisions- und Prozessrecht ist autonom, im nationalen Recht funktional nach den Vorstellungen der lex fori auszulegen. Für die Subsumtion unter die Vertragsbegriffe in EVÜ / EGBGB und EuGVÜ / EuGVO bzw. ZPO ist festgestellt worden, dass diese zwar im Kern gleichen Inhalts sind, im Prozessrecht aber weiter ausgelegt werden können. Das hat im Verweisungsrecht in manchen Fällen zur Bildung von Analogien geführt, während dies im Internationalen Zuständigkeitsrecht nicht notwendig war. Nach hier vertretener Ansicht kommt eine vertragliche Qualifikation von Schuldverhältnissen nicht nur dann in Betracht, wenn eine freiwillig eingegangene Selbstverpflichtung vorliegt. Geboten ist die Ausdehnung des Vertragsbegriffs ebenso auf gesetzliche, vorvertragliche Schuldverhältnisse, die in einem ausreichend engen sachlichen Zusammenhang mit dem (geplanten) Vertragsverhältnis stehen und selbst ein vertragsähnliches Näheverhältnis darstellen. Das erste Kriterium überwindet das Hindernis einer fehlenden freiwillig eingegangene Verpflichtung, denn die vorvertragliche Beziehung tritt unabhängig vom Parteiwillen ein. Es ist erfüllt, wenn sich das Verhalten im Vorfeld des Vertragsabschlusses unmittelbar auf das (beabsichtigte) Rechtsgeschäft ausgewirkt hat. Der zweiten Voraussetzung bedarf es, um festzustellen, ob die hinter den vertraglichen Kollisionsnormen bzw. dem Vertragsklagengerichtsstand stehenden Interessenbewertungen auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden können, denn diese Regelungen sind ja gerade in Abgrenzung zu den Schuldverhältnissen aus unerlaubter Handlung auf vertragliche Sonderverbindungen ausgerichtet und „passen“ nur auf diese. Ein vertragsähnliches Näheverhältnis ist immer dann bejaht worden, wenn es zu einer Schädigung unter bereits bekannten Parteien im Gegensatz zu einer Schadenshaftung erga omnes gekommen ist. Im Gegensatz zum Deliktsrecht sind die Beteiligten nämlich nicht erst aufgrund des Schadenseintritts miteinander verbunden. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhältnis zwischen ihnen eine Qualität erreicht hat, die sich durch das Entstehen relativer Pflichten der Verhandlungspartner

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J. Zusammenfassung der Ergebnisse

untereinander von den Verpflichtungen einem offenen Personenkreis gegenüber abgrenzt. Dieses Näheverhältnis entsteht mit Beginn der Vertragsanbahnung im Hinblick auf einen Vertragsabschluss, auf den die geschädigte Partei vertraut hat, der dann aber gar nicht, unwirksam oder nicht erwartungsgemäß zustande kommt. Die Fallgruppen hingegen, deren Zuordnung zur culpa in contrahendo bereits im Sachrecht streitig ist, weil sie einzig die Schwächen des Deliktsrechts ausgleichen, sind im Internationalen Privat- bzw. Zuständigkeitsrecht aufgrund der dort gegebenen besonderen Interessenlage deliktisch qualifiziert worden. Trotz der differierenden Qualifikationsmethoden und der Unterschiede zwischen Kollisionsund Prozessrecht ergibt sich bei Anwendung der genannten Kriterien ein wünschenswerter Gleichlauf dergestalt, dass bei einer vertraglichen Qualifikation der culpa in contrahendo im EVÜ / EGBGB eine ebensolche in der EuGVO bzw. ZPO vorzunehmen ist. Gleiches gilt für die deliktsrechtlichen Zuordnungen. Nach Ansicht des Verfassers sind die einzelnen Fallgruppen der culpa in contrahendo wie folgt anzuknüpfen:

I. Abbruch von Vertragsverhandlungen Die über Schadensersatzansprüche wegen des ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen herrschende Rechtsordnung ist nach dem hypothetischen Statut des intendierten Vertrages gem. Art. 31, 32 Nr. 5 EGBGB analog zu ermitteln. Es gelten mithin die Art. 27 ff. EGBGB. Im Ausnahmefällen kann eine Korrektur zugunsten des Aufenthaltsrechts der haftenden Partei in entsprechender Anwendung des Art. 31 Abs. 2 EGBGB vorgenommen werden, was insbesondere im Rahmen von Distanzverhandlungen unter Privaten in Betracht kommt.1 Für die Geltendmachung der Schadenshaftung steht dem Geschädigten neben dem allgemeinen Beklagtengerichtsstand wahlweise das Forum der Vertragsklage nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 29 Abs. 1 ZPO zur Verfügung. Der Erfüllungsort wird im Europäischen Zivilprozessrecht je nach anvisiertem Vertragstyp gem. Art. 5 Nr. 1 lit. a) oder lit. b) bestimmt, wobei es jeweils auf die nicht entstandenen Vertragspflichten ankommt. Im ersten Fall – dies gilt ebenfalls für das autonome deutsche Prozessrecht gem. § 29 ZPO – ist die nicht zur Entstehung gelangte, konkret streitige Verpflichtung des Beklagten maßgeblich, im zweiten Fall entscheidet die geplante vertragscharakteristische Verpflichtung.2

1 2

Vgl. oben: Teil E. I. 5. Vgl. oben: Teil E. II. 3.

IV. Verletzung von Integritätsinteressen

361

II. Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages Führt ein Verhandlungspartner schuldhaft die Unwirksamkeit eines Vertrages herbei, dann gilt für daraus resultierende Ersatzansprüche das nach Art. 31 EGBGB analog, 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB anwendbare Vertragsstatut, wenn nicht ausnahmsweise Art. 31 Abs. 2 EGBGB analog Geltung beansprucht.3 Das international zuständige Forum richtet sich nach den Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 29 Abs. 1 ZPO, wenn der Kläger einen Sondergerichtsstand wählt. Für die Erfüllungsortbestimmung sind die jeweiligen Vertragspflichten nach lit. a) bzw. b) entscheidend.4

III. Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages Die schuldhafte Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages ist vertraglich zu qualifizieren gem. Art. 31, 32 Abs. 1 Nr. 2, 3 EGBGB analog. Im Einzelfall ist die Anknüpfung über Art. 31 Abs. 2 EGBGB analog zu korrigieren.5 Dem Kläger steht der Vertragsklagengerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 29 Abs. 1 ZPO zur Geltendmachung der Schadensersatzklage zur Verfügung. Das Gericht am Erfüllungsort der jeweils maßgeblichen vertraglichen Verpflichtung nach Art. 5 Nr. 1 lit. a) oder lit. b) ist international zuständig.6

IV. Verletzung von Integritätsinteressen Werden Integritätsinteressen der anderen Seite durch vorvertragliches Fehlverhalten verletzt, so ist dies nach den Verweisungsnormen der Art. 40 ff. EGBGB zu beurteilen, mithin eine deliktische Qualifikation vorzunehmen.7 Ebenso gilt im Internationalen Zivilprozessrecht neben dem Grundsatz des actor sequitur forum rei der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 32 ZPO.8

3 4 5 6 7 8

Vgl. oben: Teil F. I. 5. Vgl. oben: Teil F. II. 3. Vgl. oben: Teil G. I. 5. Vgl. oben: Teil G. II. 3. Vgl. oben: Teil H. I. 4. Vgl. oben: Teil H. II. 3.

362

J. Zusammenfassung der Ergebnisse

V. Dritthaftung wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens Die Fallgruppe der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens betrifft sowohl Vertreter als auch Sachwalter. Im Internationalen Privatrecht wird für diese Konstellationen eine eigene Kollisionsnorm gem. Art. 27, 28 EGBGB analog entwickelt.9 Auf der Ebene des Zivilprozessrechts kann das Sachwalterverhältnis unter die prozessual weit verstandenen Vertragsbegriffe subsumiert werden, so dass das zuständige Gericht nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 29 Abs. 1 ZPO zu bestimmen ist.10

VI. Dritthaftung wegen Inanspruchnahme typisierten Vertrauens Prospekthaftungsansprüche aus culpa in contrahendo unterliegen dem wettbewerbsrechtlich modifizierten Deliktsstatut. Nach Art. 41 Abs. 1 EGBGB ist das Marktortrecht berufen.11 Der Kläger hat zudem die Möglichkeit, nicht nur am allgemeinen Beklagtengerichtsstand zu klagen, sondern nach seiner Wahl vor dem nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 32 ZPO zuständigen Gericht. Dabei ist zu beachten, dass der Erfolgsort der Ort der finalen Prospektverbreitung ist, während der Handlungsort dort liegt, wo die Entscheidung über die Bekanntmachung des fehlerhaften Prospekts getroffen wurde.12

VII. Dritthaftung wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses Die Haftung eines vertragsfremden Dritten aus culpa in contrahendo wegen eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses ist bereits im deutschen Sachrecht sehr umstritten und nur noch in Extremfällen möglich. Im Verweisungsrecht ist eine deliktische Qualifikation gem. Art. 40 ff. EGBGB vorzunehmen.13 Ein Sondergerichtsstand für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auch dieser Fallgruppe besteht gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ / EuGVO bzw. § 32 ZPO. In vielen Konstellationen besteht neben dem Haftungsgrund des wirtschaftlichen Vgl. oben: Teil I. I. 1. b). Vgl. oben: Teil I. II. 1. 11 Vgl. oben: Teil I. I. 2. b). 12 Vgl. oben: Teil I. II. 2. 13 Vgl. oben: Teil I. I. 3. b). 9

10

VIII. Kollisionsrechtliche Regelung der vorvertraglichen Haftung

363

Eigeninteresses eine Haftung wegen der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. Dann richtet sich die Qualifikationsentscheidung nur nach letzterem Haftungsgrund.14

VIII. Kollisionsrechtliche Regelung der vorvertraglichen Haftung de lege ferenda Hinsichtlich der jüngsten Bemühungen der Europäischen Kommission zur Vereinheitlichung des Kollisionsrechts (Rom I-VO, Rom II-VO), sollte die Chance genutzt werden, die Qualifikation der vorvertraglichen Haftung aus culpa in contrahendo gesetzlich festzuschreiben. In Anlehnung an den Bericht des Max Planck Instituts,15 sollte zunächst der Anwendungsbereich der geplanten Rom I-VO, die das EVÜ in ein Gemeinschaftsinstrument umwandeln soll, einen Hinweis auf die Regelung vorvertraglicher Schuldverhältnisse in dieser Verordnung enthalten. Zusätzlich ist die Vorschrift über den Anwendungsbereich des Vertragsstatuts zu erweitern. Die entsprechenden Vorschriften könnten auf der Grundlage des neuen Verordnungsvorschlags vom 15. 12. 2005 wie folgt lauten: Artikel 1 – Materieller Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für vertragliche zivil- und handelsrechtliche Schuldverhältnisse, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. (2) Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind: a) – h) [vgl. Verordnungsvorschlag] i) Schuldverhältnisse, die aus vorvertraglichen Beziehungen entstehen, vorbehaltlich der in Artikel 9 Abs. 2 geregelten Schuldverhältnisse; Artikel 9 – Einigung und materielle Wirksamkeit (1) Das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrages oder einer seiner Bestimmungen beurteilen sich nach dem Recht, das nach dieser Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre. (2) Die Haftung aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis wegen des schuldhaften Abbruchs von Vertragsverhandlungen oder der Herbeiführung eines unwirksamen oder nicht erwartungsgerechten Vertrages beurteilt sich nach dem Recht, das nach dieser Verordnung auf den abgeschlossenen Vertrag anzuwenden ist oder anzuwenden wäre, wenn der Vertrag zustande gekommen wäre. (3) Ergibt sich jedoch aus den Umständen, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Wirkung des Verhaltens einer Partei nach dem in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Recht zu bestimmen, so kann sich diese Partei für die Behauptung, a) sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt, oder 14 15

Vgl. oben: Teil I. II. 3. Max Planck Institut, RabelsZ 68 (2004), 1 ff.

364

J. Zusammenfassung der Ergebnisse b) sie habe keinen Verpflichtungen aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis unterlegen, auf das Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts berufen.

Eine explizite kollisionsrechtliche Anknüpfungsregelung für die Haftung aus culpa in contrahendo wäre im Hinblick auf den damit verbundenen Gewinn von Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts und die Rechtssicherheit wünschenswert. Während auf der Ebene der EuGVO (bzw. des EuGVÜ) und der ZPO keine ausdrückliche Regelung dieser Problematik zu erwarten ist, sondern die jeweiligen konkretisierenden Entscheidungen des EuGH und des BGH abzuwarten sind, bietet sich bei der Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts die Chance, einen problematischen Teilbereich des Rechts durch wenige Federstriche zugunsten des Rechtsanwenders zu klären. Im Rahmen des Internationalen Privatrechts liegt es nunmehr in den Händen der Europäischen Kommission, im Rahmen des Internationalen Prozessrechts in den Händen von EuGH und BGH, den „Dschungel des Qualifikationskonflikts um die culpa in contrahendo“16 zu lichten. Diese Arbeit soll hierzu einen kleinen Beitrag leisten.

16

Mankowski, IPRax 2003, 127 (128).

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Sachwortverzeichnis Abbruch von Vertragsverhandlungen 30 ff., 98 ff., 150, 227, 360 – im ausländischen Sachrecht 32 actor sequitur forum rei 58, 63, 73, 172, 185, 222, 249 Amtsprüfung 66 Analogie 119, 138, 157, 216, 232, 256 Anknüpfung – akzessorische 102 ff., 132, 136, 144, 231, 233, 260, 280 ff., 300, 325, 329, 334 ff., 336 – einheitliche 103 – primäre akzessorische 103, 135 – sekundäre akzessorische 104, 132, 280 – vertragsakzessorische 102 Anknüpfungsgegenstand 80 Annexkompetenz 72, 76 Anspruchsgrundlagenkonkurrenz 71, 76, 329 Auffangtatbestand 76 Aufklärungspflichtverletzung 36 Auslegungskanon 86 Auswirkungsprinzip 320 Beweisnähe 185, 187 caveat emptor 37, 39 charakteristische Leistungsverpflichtung 151 culpa in contrahendo 21, 27, 31, 51, 61, 63, 65, 70, 77, 133, 362 – dogmatische Herleitung 28 – Entwicklung und Funktion 25 – Fallgruppen 29 – materielles deutsches Recht 25 – Schutzbereich 29 – vertragsähnliches Vertrauensverhältnis 25 – vorvertragliches gesetzliches Schuldverhältnis 26 de Bloos-Formel 199, 208, 226, 247, 265, 342

Deliktsklagengerichtsstand 172, 181, 186, 189, 211, 219, 242, 245, 263, 287 ff., 346, 354 Dissens 33 Distanzgeschäft 236 Distanzgeschäfte 230 Distanzverhandlungen 156 Doppelfunktionalität 60, 352 Doppelqualifikation 311 doppelrelevante Tatsachen 67 Dritthaftung 296 Dritthaftungsstatut 304, 313, 332 Drohung, widerrechtliche 36 Eigenhaftung – des GmbH-Geschäftsführers 43 – des Verhandlungsgehilfen 42 – des Vertreters 42 – von Gebrauchtwagenhändlern 44 Einheitsstatut 106, 124, 146, 239, 258, 277 Einheitstheorie 143 Entscheidungseinklang – äußerer 127 – innerer 143 Erfolgsort 63, 186, 279, 288, 293, 316, 350 Erfüllungsort – EuGVO 187, 200 – EuGVÜ 199 Erhaltungspflichten 39, 229 essentialia negotii 151 EuGVO 53, 59, 78, 90, 133, 165 EuGVÜ 53, 78, 88, 125 europäischer Auslegungsimperativ 121 EVÜ 22, 50 f., 77, 87, 107, 125, 133, 195, 290, 297 falsus procurator 332 favor defensoris 72 Formstatut 144 Formvorschriften, Nichtbeachtung 34

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Sachwortverzeichnis

forum delicti commissi 187 forum shopping 65, 75, 189 Garant 42, 47 Gefährdungshaftung 273 Gerichtsstand – allgemeiner 58, 73 – ausschließlicher 57, 61 – besonderer 57, 61, 72 – kraft Sachzusammenhangs 70, 73, 224, 291 Gerichtsstandsvereinbarung 55, 77 – für culpa in contrahendo 55 – im deutschen Prozessrecht 60 Gesellschaftsstatut 314, 326, 331, 335 Gewährleistungsrecht 37 Gewinnmitteilung 23, 169, 179, 184, 210 ff., 242 Gleichlauf 96, 140, 183, 188, 305, 328 Gran Canaria-Fälle 325 grauer Kapitalmarkt 317 Gründungstheorie 314, 327

Kindersaugflaschen-Entscheidung 323 Kognitionsbefugnis 72, 74, 172 Kollisionsrecht 50, 65, 75, 87 Kompetenzkonflikt 93 Kontrahierungszwang 142 Lando-Prinzipien 147, 182, 195, 206, 240, 244, 259, 279, 290, 348 Leistungskondiktion 127, 144, 179 lex causae 52, 83, 92, 152, 182, 205, 225, 248 lex fori 55, 75, 83, 96, 189, 219, 232, 248, 267, 273, 334 lex loci delicti commissi 280 lex loci laboris 155 Marktort 324, 349 misrepresentation 36, 39 – fraudulent 39 – innocent 39 – negligent 39 Mosaiktheorie 350

Handlungsort 63, 186, 279, 288, 293, 316, 351 Heimatrecht 152, 154, 241 Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrages 36, 250ff., 361 – im ausländischen Sachrecht 38 Herbeiführung eines unwirksamen Vertrages 33 ff., 228 ff., 361 – im ausländischen Sachrecht 35 Holschuldprinzip 207

Näheverhältnis, vertragsähnliches 139 negativer Kompetenzkonflikt 70 negatives Interesse 31, 48, 142 neminem laedere 168, 277

Identitätsdogma 225 Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens 296, 362 Inanspruchnahme typisierten Vertrauens 310, 362 Initiatorenhaftung 47 innerer Zusammenhang 113 Internationales Privatrecht 21, 50, 51, 77, 81, 133 Internationales Zivilprozessrecht 21, 52, 78, 81

Parteiinteressen 150, 152, 238, 241 Pflichten – allgemeine 106 – relative 106, 128, 141, 260 phänotypische Vergleichbarkeit 116 positives Interesses 32, 142 Prinzip der engsten Verbindung 104, 149 procurator in rem suam 43, 356 promissory estoppel 36, 39 Prorogationsverbot 62 Prospekthaftung 45, 310, 312, 313 – bürgerlich-rechtliche 45, 47 – im engeren Sinn 45

Jhering, Rudolf von 26

Obhutsfälle 41 Offenbarungspflicht 37 ökonomische Analyse 140 Ordnungsinteressen 150 Ort der „finalen Prospektverbreitung“ 325

Sachwortverzeichnis – im weiteren Sinn 45 – spezialgesetzliche 45 Qualifikation 21, 50, 64, 79 ff., 84, 90, 94 – autonome 86, 93 – Begriff 79 – europäisch-autonome 88 – Gegenstand 80 – interessenorientierte 85 – international-privatrechtliche 82 – international-prozessrechtliche 82 – Methoden 82 Rechtsnähe 185, 188 Rechtswahl 163 Regelungslücke 125, 233, 273 Relativität der Schuldverhältnisse 141 Rom I 22, 51, 76, 107, 297 Rom II 22, 51, 76, 133, 231, 282, 284, 297 Sachnähe 185, 187, 218, 222 Sachwalterhaftung 44-45 Schadensort 186 Schlüssigkeitstheorie 67 Schmerzensgeld 41 Schuldrechtsreform 26, 217, 370 Schutzzwecktrias 322 Sitztheorie 314 Tacconi 23, 167 ff., 212, 242, 262, 286 Tatort 95, 130, 293 Täuschung, arglistige 36 Tessili-Formel 196, 205, 226, 247, 265, 342 Transaktionskosten 140 Ubiquitätsprinzip 132, 134, 188, 233, 277, 279, 316, 349 unbenannter Anwendungsfall 105, 117

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UNIDROIT-Prinzipien 147, 182, 195, 206, 240, 244, 259, 279, 290, 348 unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse 330, 362 Vergleichbarkeit, phänotypische 140 Verhandlungsstatut 161 Verkaufsprospektgesetz 319 Verkehrsinteressen 150, 238, 306 Verkehrssicherungspflichten 40, 48, 276, 293 Verletzung von Integritätsinteressen 39 ff., 270 ff., 361 Vermögenszentrale 131 Verschuldenshaftung 273 vertragsähnliches Vertrauensverhältnis siehe culpa in contrahendo Vertragsanpassung 35, 37 Vertragsbegriff – des EGBGB (EVÜ) 111, 137, 183 – im deutschen Zivilprozessrecht 219 – im europäischen Zivilprozessrecht 173 f., 183, 243 vertragscharakteristische Leistung 203 Vertragsklagengerichtsstand 91, 125, 169, 175, 184, 195, 211, 216, 222, 243, 248, 267, 287, 338, 341 Vertragsnichtigkeit, schuldhaft herbeigeführte 33 Vertrauen, typisiertes 45, 47 Vertretung, schuldhaft mangelhafte 33 Verweisungsziel 80 Vorvertrag 177 vorvertragliche Haftung 21, 36, 39, 46, 51 vorvertragliches gesetzliches Schuldverhältnis siehe culpa in contrahendo Warenhausfälle 40, 273, 277, 284