Dritthaftung aus culpa in contrahendo [1 ed.] 9783428445967, 9783428045969


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German Pages 185 Year 1980

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Dritthaftung aus culpa in contrahendo [1 ed.]
 9783428445967, 9783428045969

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ERICH SCHMITZ

Dritthaftung aus culpa in contrahendo

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 57

Dritthaftung aus culpa in contrahendo

Von

Dr. Erich Schmitz

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

© 1980 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1980 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berlin 61 Printed In Germany ISBN 342804596 3

Meinen Eltern und meiner Frau

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Sommersemester 1979 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde im Frühjahr 1979 abgeschlossen; Rechtsprechung und Literatur sind weitmöglichst bis Sommer 1979 berücksichtigt. Besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. Wiedemann, an dessen Institut ich bis zum Sommer 1979 als wissenschaftlicher Assistent tätig war. Er hat mir in großzügiger Weise die erforderliche Zeit zur Anfertigung der Arbeit gewährt und sie durch wertvolle Hinweise gefördert. Darüber hinaus hat er die Aufnahme in die Schriftenreihe des Verlages Duncker & Humblot angeregt, für die ich auch Herrn Prof. Dr. Broermann zu Dank verpflichtet bin. Bergisch-Gladbach, im Juli 1979

ETich Schmitz

Inhaltsverzeichnis Einleitung ............... . .......................................... .. I. Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c. 11. Erhaltungspflichten 1. Beispiele aus der Rechtsprechung .. . ...... . .. . ....... . . . .... . ..

15

17

25 25

2. Rechtsgrund der Haftung ..................................... . 29 a) Keine "echte" Vertrauenshaftung ........................... . 29 31 b) Früher vertretene Ansichten .......................... . 31 aa) Vorwirkung des Vertrages bb) Stillschweigend geschlossene Haftungsvereinbarung ..... . 32 cc) Einseitiges Rechtsgeschäft ............................. . 33

c) Gesetzliches Schuldverhältnis - Rechtfertigung ............. . aa) Keine Herleitung aus gesetzlichen Einzelbestimmungen .. bb) Keine Herleitung aus (besonderer) Vertrauensbeziehung .. (a) Analyse der Rechtsprechung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (b) überprüfung der Theorie von der besonderen Vertrauensbeziehung - Auseinandersetzung mit der Lehre vom "sozialen Kontakt" .............................. cc) Besonderheit des rechtsgeschäftlichen Kontakts .......... (a) Gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit .................. (b) Geschäftliches Interesse .............................. (c) Eigene Ansicht - besonderes Schutzbedürfnis des allgemeinen Rechtsverkehrs ............................

33

34 36 37 40 48 48 49 52

3. Verbleibende Einzelfragen ......................................

58

a) Konkretisierung des Merkmals: "Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr" .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

58

b) Subsidiarität des Rechtsinstituts c. i. c.

59

4. Dritthaftung

59

a) Darstellung der herrschenden Meinung ...................... aa) Wirtschaftliches Interesse ................................ bb) Besonderes persönliches Vertrauen ......................

60 61 63

b) Verantwortlichkeit für eigenen Geschäftskreis ................

66

10

Inhaltsverzeichnis c) Ansicht von Medicus ........................................

68

d) Eigene Ansicht - generelle Haftung des Drittbeteiligten .... 69 aa) Verhältnis der Haftung von Drittem und Geschäftsherrn 82 bb) Haftungsmaßstab ..... " . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 84 5. Zusammenfassung ........... . ................................. . 85 III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten 1. Beispiele aus der Rechtsprechung

..................... . ....... . 86

a) Aufklärungspflichten ........................................ aa) Inhalt der Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Umfang und Grenzen der Aufklärungspflicht ....... . . . .. b) Auskunftspflichten -

86

Beratungspflichten

86 86 97 100

2. Rechtsgrund der Haftung ............ . ................ . ....... . 105 a) Pflicht zur richtigen Aufklärung ........................... . 105 aa) Keine Herleitung aus besonderer Vertrauensbeziehung .. 105 bb) Eigene Ansicht - besonderes Schutzbedürfnis des allgemeinen Rechtsverkehrs .................................. 109 b) Mitwirkungspflichten 3. Dritthaftung

111 112

a) Einschränkung der Dritthaftung 113 aa) Begrenzung des Pflichtenkreises nach dem Inhalt der Pflichten ................................................ 113 bb) Begrenzung des Pflichtenkreises nach Sinn und Zweck des Rechtsinstituts c. i. c. . ................................... 113 b) Voraussetzung der Haftung - Handeln als "Eigenperson" .... aa) Falsche Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Unterlassene Aufklärung ........................ . ....... cc) Vertreter ohne Vertretungsmacht ........................ dd) Mitwirkungspflichten ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

115 115 125 129 132

c) Kreis der Verpflichteten - Vertiefung der Voraussetzungen .. 133 aa) Konkretisierung des Merkmals "Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr" .................................. (a) Unmittelbarer Kontakt .............................. (b) Mittelbarer Kontakt ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Sonstige Haftungsvoraussetzungen ......................

134 134 135 138

d) Verhältnis der Haftung des Dritten zu der Haftung der Partei - Charakter der Dritthaftung ............................ aa) Darstellung der Meinungen .............................. (a) Gesamtschuldverhältnis ................... . .......... (b) Ausfallhaftung ........................... . ..........

141 141 141 142

Inhaltsverzeichnis bb) Eigene Ansicht - Ausfallhaftung ....... " ............... (a) Funktion und Inhalt des Schadenersatzanspruches .... (aa) Vertragsabschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (bb) Vertragskorrektur .............................. (1) Erhöhung der Gegenleistung ......... . .. . ... (2) Herabsetzung der Geldleistung .............. (3) Modifizierung der "Hauptleistung" .. . . . . . . .. (ce) Vertragsaufhebung und Rückabwicklung ........ (1) C. i. c. als Wandlungsersatz .................. (2) C. i. c. als Anfechtungsersatz ............... , (3) Rückabwicklung .. , ......................... (dd) Anspruch aus c. i. c. als Surrogat des vertraglichen Erfüllungsanspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (ee) Eingriff in sonstige Rechtsgüter .... . ........... (b) Interessenlage der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) ... des Geschädigten ............................ (bb) ... des Geschäftsherrn ... . ............ . ......... (ce) ... des Dritten .................................. (c) Sinn und Zweck des Rechtsinstituts c. i. c. ............

11 142 143 145 146 146 147 148 148 149 149 150 150 152 153 153 154 154 155

e) Verbleibende Einzelfragen .................................. 155 aal Vorliegen einer Doppelverpflichtung .................... bb) Ausgestaltung der Haftung ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (a) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (b) Inhalt des Anspruchs ................................ ce) Fehlen eines ersatzfähigen Schadens bei Illiquidität des Geschäftsherrn ..........................................

155 156 156 156 156

IV. Scheitern der Vertragsverhandlungen .............................. 158 1. Darstellung der Meinungen

158

a) Unterfall der Verletzung von Mitteilungs- und Aufklärungspflichten .................................................... 158 b) Pflichtverletzung im Abbruch der Vertragsverhandlungen .... 158 c) Vertrauenshaftung .......................................... 159 2. Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansichten .......... 160 a) Vorbemerkungen ............................................ 160 b) Ablehnung der Ansicht von der reinen Vertrauenshaftung .... 161 c) Ablehnung der Ansicht, die die Pflichtverletzung im Abbruch der Vertragsverhandlungen sieht ............................ 162 d) Haftung bei Abbruch der Vertragsverhandlungen als Unterfall der Verletzung der Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht 164 3. Dritthaftung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 165

a) Ausfallhaftung .............................................. 165

12

Inhaltsverzeichnis b) Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens bei Illiquidität des Geschäftsherrn? ................................................ 166 aa) Keine Begrenzung des Schadenersatz anspruches .......... 167 bb) Keine Besserstellung, als wenn Auskunft richtig gewesen oder eingehalten worden wäre .......................... 170

Literaturverzeichnis

173

Ahkürzungsverzeichnis a.A.

a.a.O. Abs. AcP Allg. Anm. AP Auf!. BAG BAGE BB Bes. BGH BGHZ Bürger!. c. i. c. Diss. DJZ DNotZ Einf. FamRZ Fn. Ges. grdl. grds. Großk. GRUR. Int. Hans.OLG h.L. h.M. HRR HWR insb. i. d. R. i. d. S. i. w.S. Jh.Jb. JR Jur. Jahrb. JuS JW JZ KG LAG

anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemein Anmerkung Arbeitsrechtliche Praxis Auflage Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Betriebsberater Besonderer Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bürgerlich culpa in contrahendo Dissertation Deutsche Juristenzeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Einführung Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote Gesetz grundlegend grundsätzlich Großkommentar Internationaler Teil von: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Hanseatisches Oberlandesgericht herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung Rechtshandwörterbuch insbesondere in der Regel in diesem Sinne in weiterem Sinne Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristen Jahrbuch Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Landesarbeitsgericht

14 LG LM LK LZ MDR NJW m.E. m.w.N. OLG OJZ p.F.v. RabelsZ RAG Rspr. RdNr. RG RGZ S. Sp. Schuldr. SeuffA übb.

v.

VersR vgl. Warn. Rspr. WRP WM z.B. ZBR ZfRV ZGR ZHR zit. z.T.

Abkürzungsverzeichnis Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier I Möhring und anderen Leipziger Kommentar Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Monatszeitschrift für Deutsches Recht Neue Juristische Wochenschrift meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Oberlandesgericht Osterreichische Juristenzeitung positive Forderungsverletzung Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Reichsarbeitsgericht Rechtsprechung Randnummer Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Seite I Satz Spalte Schuldrecht Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten überblick vor I von Versicherungsrech t vergleiche Warneyer Rechtsprechung Wettbewerb in Recht und Praxis Wertpapiermitteilungen zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht zitiert zum Teil

Einleitung Problemstellung Im Rahmen unserer modernen arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung werden immer wieder und verstärkt neben den - zukünftigen - Partnern der Leistungsbeziehung dritte (Hilfs-)Personen in die Vertragsverhandlungen und die Vertragsanbahnung eingeschaltet. Kommt es auf Grund ihres Verhaltens zu Schädigungen des Geschäftspartners, so stellt sich die Frage, ob sie selbst lediglich nach deliktsrechtlichen ,oder auch nach vertragsrechtlichen Grundsätzen zum Schadenersatz verpflichtet sind und wie sich gegebenenfalls ihre Haftung zur Haftung des Geschäftsherrn verhält. Diese Frage ist von erheblicher Bedeutung, da zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung - bekanntermaßen - wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Gehilfenhaftung, der Verjährungsfrist, der Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden und schließlich der Statuierung "besonderer" Rechtspflichten bestehen1 • Wegen des Fehlens vertraglicher Beziehungen zwischen dem Dritten und dem Geschäftspartner kommt als Rechtsgrundlage einer vertraglichen Haftung lediglich ein vertragsähnliches Schuldverhältnis in Betracht. Als solches ist im Rahmen vorvertraglicher Beziehungen zwischen den zukünftigen Vertragsbeteiligten das Rechtsinstitut "culpa in contrahendo" (c. i. c.) allgemein anerkannt2• Seit seiner "Entdeckung"3 durch Jhering 3 im Jahre 1861 war dieses Rechtsinstitut Gegenstand lebhafter und ausführlicher wissenschaftlicher Dikussion und wurde im Grundsatz für richtig erkannt. Dennoch blieben Einzelprobleme, die bis heute noch nicht überzeugend gelöst sind. Hierzu gehört auch die soeben aufge1 Vgl. nur Canaris, Vertrauenshaftung, S.540 Fn. 79; Welser, Vertretung, S.73; Helm, AcP 166, S.389, 406; Deutsch, Festschrift Michaelis, S.26, 30 f.; K. Huber, Festschrift Caemmerer, S.359, 376 f.; Gerhardt, JuS 70, S.597, 599 Fn.29; Weimar, MDR 78, S.376; Diederichsen, NJW 78, S.1281; a. A. für die Verjährungsfrist bei c. i. c. Peters, VersR 79, S. 103 ff. Z Auch der Gesetzgeber hat die Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz ausdrücklich anerkannt. 3 Anwendungsfälle der c. i. c. fanden sich schon im römischen und gemeinen Recht, wofür Jhering, Jh. Jb. 4, S. 1 ff. selbst den Beweis lieferte. Schon in § 284 aus dem 5. Titel im I. Teil des Preuß. A.L.R. heißt es: "Was wegen des bei Erfüllung des Vertrages zu vertretenden Grades der Schuld Rechtens ist, gilt auch für den Fall, wenn einer der Contrahenten bei Abschließung des Vertrages, die ihm obliegenden Pflichten vernachlässigt hat".

16

Einleitung

worfene Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Grundsätze des Rechtsinstituts c. i. c. auf dritte Personen übertragen werden können4• Zu ihrer Beantwortung ist es zunächst erforderlich, Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c. zu bestimmen und alsdann die maßgebliche Haftungsgrundlage der einzelnen Pflichten herauszuarbeiten; denn die Frage der "Dritthaftung" ist abhängig von der grundlegenden Frage, worin der Rechtsgrund der vorvertraglichen Pflichten liegt5 • Da den verschiedenen Pflichten verschiedene Haftungsprinzipien zu Grunde liegen können und es sinnvoll sein kann, die Haftung je nach Art der verletzten Pflicht unterschiedlich auszugestalten, soll im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zwischen den einzelnen Pflichtkreisen aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis differenziert werden.

~ Vgl. z. B. Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 178; Stoll, Festschrift Caemmerer, S. 435,436. 5 So zutreffend Ballerstedt, AcP 151, S. 501, 503. Hierbei wird davon ausgegangen, daß die resignierende Feststellung von Flume, AcP 161, S.52, 63: "Die Haftung für c. i. c. ist meines Ermessens nicht anders zu begründen als daß man es für richtig hält, daß mit dem Eintritt in Vertragsverhandlungen von Rechts wegen ein Schuldverhältnis zwischen den Verhandlungspartnern entsteht", nicht zutreffend ist.

I. Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c. Nach heute übereinstimmender Ansicht versteht man unter der Haftung für c. i. c. eine Schadenersatzhaftung nach vertraglichen Grundsätzen für schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzungen bei der Anbahnung eines rechtsgeschäftlichen Kontakts 1 • Sinn und Zweck des Rechtsinstituts c. i. c. ist es vordringlich, die Rechtsgüter des anderen Teils über den deliktischen Bereich hinaus zu schützen und ihn vor Schäden zu bewahren, wozu auch das Verhindern des Abschlusses ungünstiger Verträge und des Erbringens nutzloser Aufwendungen gehört2 • Anders als die auf Veränderung gerichteten Leistungspflichten, die aus dem Vertrag entfließen, sind die sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergebenden Pflichten statischer Natur und dienen der Wahrung der übrigen, dem Vertragspartner bereits zugeordneten Rechtsgüter. Erst bei ihrer Verletzung entstehen Schadenersatzansprüche und damit sekundäre Leistungspflichten. Das vorvertragliche Schuldverhältnis ist somit ein Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht3• Man kann mit gutem Grund die aus ihm fließenden Pflichten in ihrer Gesamtheit in Gegenüberstellung zu den Leistungspflichten als "Schutzpflichten"4 be1 Grundlegend für die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs BGHZ 6, S.331, 333 - 20.6.52 - V ZR 34/51; beispielhaft aus der Literatur Palandt 1 HeinTichs, § 276 Anm. 6 a); ETman 1Battes, § 276 Rd Nr. 117; LaTenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.94; derselbe, Allg. Teil, § 30 UI, S.533; CanaTis, Großk. HGB, Anh. zu § 357 HGB Anm. 9; FTotZ, Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 164; den Gesichtspunkt der Haftung für Pflichtverletzung hat insbesondere Stall, LZ 23, Sp. 531, 543 herausgearbeitet. Z Zu eng Böhme, S.4, nach dem die Aufklärungspflichten im Gegensatz zu den "Schutzpflichten" lediglich die Freiheit des Willensentschlusses bezwecken sollen. Die bloße Beeinträchtigung der Willensfreiheit, ohne daß ein Vermögensschaden eintritt, vermag jedoch einen Ersatzanspruch aus c. i. c. nicht zu begründen. 3 Vgl. LaTenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 2 I, S. 11, 9 I, S.94; CanaTis, Großk. HGB, Anh. zu § 357 Anm. 9; WeimaT MDR 78, S. 376. 4 Terminologischer Hinweis: Der Begriff Schutzpflicht so wie er auch hier verstanden und gebraucht wird - umfaßt üblicherweise das Vermögen als Gegenstand mit. Vgl. SoeTgell Knopp, § 242 Rd Nr.105; NiTk, Festschrift Hauß, S.273, 278; CanaTis, JZ 65, S.475, 476; enger K. Schmidt, JuS 77, S.722 Fn. 11; StaudingeT 1KöhleT, § 433 Rd Nr. 49; BaumeTt, S. 42; Vgl. auch StaudingeT 1Löwisch, Vorb. zu §§ 275-283 Rd Nr. 39 ff, nach dem die ScllUtzpflichten zwar das Vermögen mitumfassen (Rd Nr.44), der aber neben der Schutzpflichtverletzung als eigenständige Fallgruppen die pflichtwidrige Veranlassung zum Vertragsschluß und das Enttäuschen des Vertrauens in das Zustandekommen des Vertrages ansieht. M. E. handelt es sich hierbei lediglich um Untergruppen einer Schutzpflichtverletzung.

2 Schmitz

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r.

Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c.

zeichnenS, wobei nicht zu übersehen ist, daß zwischen Schutz- und Leistungspflichten überschneidungen möglich sind6 • Unter Schutzpflichten in diesem Sinne sind sowohl die Erhaltungs- und Obhutspflichten, die den einen Teil zu sorgfältigem Verhalten gegenüber den seiner Einwirkungsmöglichkeit ausgesetzten Gütern des anderen Teils verpflichten (Schutzpflichten im engeren Sinne), als auch die sog. Loyalitätspflichten, insbesondere Aufklärungs-, Beratungs- und Mitwirkungspflichten zu verstehen1 • Eine gewisse Sonderstellung nehmen die Fälle des Scheiterns des Vertrages durch Abbruch der Vertragsverhandlungen ein, bei denen es sich nach teilweise vertretener AnsichtS nicht um Anwendungsfälle des Rechtsinstituts c. i. c. handelt. Gegenüber diesem Pflichtenkatalog wird z. T. eingewandt, daß insbesondere die Erhaltungspflichten wesensmäßig nicht in den Anwendungsbereich des Rechtsinstituts c. i. c. gehörten, sondern allein dem deliktischen Bereich zuzuordnen seien~. Bei ihnen handele es sich nicht 5 So z. B. Canaris, JZ 65, S.475, 476; derselbe, Großk. HGB, Anh. zu § 357 Anm. 9; derselbe, Vertrauenshaftung, S. 538 unter Berufung auf StoU, AcP 136, S.257, 288; Kramer, Münchner Kommentar, Bd. 2, Einleitung Rd Nr. 73 ff.; Roth, Münchner Kommentar, § 242 Rd Nr. 125, 192, vgl. aber auch Rd Nr. 128; Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 164; Strätz, Festschrift Bosch, S.999, 1003; Littbarski, JZ 78, S. 3,8; Gerhardt, JZ 70, S. 535; derselbe, JuS 70, S. 597, 598; Müller, NJW 69, S.2169, 2172 f.; Thiele, JZ 67, S.649, 650; vgl. schon Kreß, Schuldr. Allg. Teil, §§ I, 23, S. 1 ff., S. 578 ff., der zwischen Erwerb und Schutz ansprüchen unterschied. e Vgl. Thiele, JZ 67, S. 649,650; Gerhardt, JuS 70, S. 597,599; Nirk, Festschrift Hauß, S. 273, 279. 1 Vgl. Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S. 97; derselbe, Allg. Teil, § 30 IH, S.523; Esser / Schmidt, Schuldr. Allg. Teil, Teilbd. 2, § 29 H, S.96; Flume, Allg. Teil H, § 10/4, S. 128; Blomeyer, Allg. Schuldr., § 17 IH I, S. 72; Enneccerus / Lehmann, § 43 IH, S. 191 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 A IH, B, S.34 ff.; WeIser, Vertretung, S.57; derselbe ÖJZ 73, S.281; Nirk, Festschrift Möhring (1975), S.71, 73; Deutsch, Verhandlungen 51. DJT, E, S. 32 f.; Knütel, Festschrift Flume, S.559, 563; Canaris, JZ 65, S.475, 476; Gerhardt, JZ 70, S. 535; Küppersbusch, S. 1; Diers, S. 1; von Lackum, S.124; Sticht, S.27; speziell zur Pflicht, das Eigentum des Verhandlungspartners nicht zu verletzen: Canaris, NJW 74, S.521; WoUschläger, NJW 76, S.12, 13; Musielak, JuS 77, S. 531, 533. S Vgl. Larenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 417; Roth, Münchner Kommentar, § 242 Rd Nr. 127. 9 So schon Titze, DJZ 25, S. 490 f.; derselbe, HdwRW VI, S. 516 f.; derselbe, JW 31, S. 512 f.; von Godin, Großk. HGB, § 346 Anm. 20 a. E.; Berger, S. 48 f.; aus der neueren Literatur: Nirk, RabelsZ 18, S. 310 f., 350 ff.; von Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S. 452, 461 ff.; derselbe, Festschrift Wie acker, S. 311, 312; Erdsiek, Jur. Jahrb. 67/68, S.36, 49; Medicus, Festschrift Kern, S.313, 327 f.; Battes, JZ 69, S.683, 688; Larenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 402 f.; Kreuzer, JZ 76, S.788, 780; H. StoU, Festschrift Caemmerer, S.434, 437, 452 f.; differenzierend Deutsch, Festschrift Michaelis, S. 26, 32, der nach einer Angleichung der deliktischen Gehilfenhaftung den Schutz von Leben, Körper und Gesundheit dem Deliktsrecht und der Vertragshaftung den Schutz des Vermögens einschließlich Eigentum und sonstiger Rechte zuordnen will; vgl. auch Posch, ZfRV 74, S. 165 ff.; Kramer, Münchner Kommentar, Bd.2, Einleitung Rd Nr. 82, 83.

I. Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c.

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um besondere schuld rechtliche Pflichten gegenüber einer bestimmten Person, sondern im Grunde genommen seien diese Pflichten identisch mit der allgemeinen Pflicht, andere nicht an ihrer Gesundheit, ihrem Eigentum usw. zu schädigen10• Das allgemeine Interesse an der Integrität der Rechtsgüter, insbesondere an der Unversehrtheit von Person und Eigentum, werde vom Schutzzweck der schuldrechtlichen Sonderverbindung nicht gedeckt. Personen- und Sachschäden seien weder für das Vertragsverhältnis noch für das Verhandlungsverhältnis normrelevant. Das allgemeine Erhaltungsinteresse werde funktional durch die Gemeinordnung, in erster Linie das Deliktsrecht gewährleistet. Hinsichtlich der Rechtsfolgen führe die Vertragsordnung zu unangemessenen oder ungenügenden Ergebnissenll . Während Kreuzer ll hieraus die Unanwendbarkeit des Rechtsinstituts c. i. c. folgert, sieht sich der überwiegende Teil dieser Ansicht wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Gehilfenhaftung gezwungen, bis zur geplanten Neuregelung des § 831 BGB auch die Haftung wegen der Verletzung von Erhaltungs- und Obhutspflichten auf das Rechtsinstitut c. i. c. zu stützen12 • Man müsse sich jedoch darüber im klaren sein, "daß diese Fälle, eben weil sie eigentlich in das Gebiet des Deliktsrechts gehören, für die Erkenntnis des "inneren Grundes" der Haftung für culpa in contrahendo nichts hergeben'Cls. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Es ist nicht zu verkennen, daß die culpa in contrahendo ein Grenzgebiet zwischen Vertrag und Deliktsrecht darstelW\ so daß sich mit guten Gründen sowohl die Konstruktion der Delikts- wie der Vertragshaftung vertreten läße s. Auch 10 So v. Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S.452, 462; Larenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 402; zustimmend U. Huber, AcP 177, S.282, 318 ff.; derselbe, Festschrift Caemmerer, S.837, 862 f., der allerdings der "schuldrechtlichen Sonderverbindung" insoweit "Verstärkungsfunktion" beimißt, als die Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherheitspflicht innerhalb der Sonderverbindung Rechtsfolgen auslösen soll, die außerhalb nicht eintreten würden. M.E. führt diese Ansicht lediglich zu einer Problemverlagerung, da es ein rein begrifflicher Streit ist, ob man innerhalb der Sonderverbindung eine vertragliche oder vertragsähnliche Pflicht bejaht oder lediglich eine deliktische Pflicht, deren Verletzung jedoch vertragliche Rechtsfolgen auslöst; anders noch Larenz, MDR 54, S.515, 516. 11 So Kreuzer, JZ 76, S. 778, 780. 11 Von Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S.452, 463; derselbe, Festschrift Wieacker, S.311, 312; Larenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 403; vgl. auch Brox, Allg. Schuldr., Rd Nr. 55 "Wenn sich der Gesetzgeber entscheiden sollte die Entlastungsmöglichkeit in § 831 BGB zu beseitigen, wird das Rechtsinstitut der c. i. c. an Bedeutung verlieren". 13 Larenz, Festschrift Ballerstedt, S. 397, 403. U Vgl. Gerhardt, JuS 70, S.597, 599; derselbe JZ 70, S. 535, 536; E. Schmidt, Nachwort, S. 132; Hohloch, JuS 77, S.302, 303; Crezelius, JuS 77, S.796; Mühlich, S.20; vgl. auch Peters, VersR 79, S.103, 107 f.; Evans-v. Krbek, AcP 179, S. 85, 95. 15 KeUer, S. 386.



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1. Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c.

die Motive16 überließen die Frage, ob die Haftung für culpa in contrahendo auf einen Eingriff in den fremden Rechtskreis, mithin auf eine unerlaubte Handlung, oder auf die Verletzung einer rechtsgeschäftlichen Pflicht zurückzuführen ist, der Wissenschaft. So waren in Deutschland in den ersten zehn Jahren der Geltung des BGB die Deliktstheorien vorherrschend17• Für das schweizerische Recht vertritt heute insbesondere GuhP8 die Ansicht: "Mit Rücksicht darauf, daß der Hauptanwendungsbereich der culpa in contrahendo Fälle erfaßt, in denen es überhaupt nicht oder nicht zu einem vollgültigen Vertragsschluß gekommen ist und vor allem auch um einen klaren Begriff der Vertragshaftung nicht ohne Grund preiszugeben, ist die Einordnung in das Deliktsrecht vorzuziehen." Wenn man jedoch im deutschen Recht mit guten Gründen einhellig das Rechtsinstitut c. i. c. im Vertragsrecht einordnet, da die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen Verhandlungspartnern eher der Situation zwischen Vertragspartnern entsprechen und über die allgemeinen deliktischen Rechtsbeziehungen hinausgehen1V , da zwischen ihnen spezielle, auf die bestimmte Person gerichtete Sorgfaltspflichten im Gegensatz zu den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten anerkannt werden können und da sich letztlich nur so unbefriedigende Ergebnisse vermeiden lassen2o ; wenn die Konstruktion der Vertragshaftung geradezu zum Wesen des Rechtsinstituts gehört, dann ist es nicht angängig, einen Teil der Pflichten aus der vertraglichen Haftung auszuklammern und dem deliktischen Bereich zuzuweisen. So bezwecken keineswegs lediglich die Erhaltungspflichten den Schutz der Integrität der Rechtsgüter des Verhandlungspartners, sondern das Rechtsinstitut c. i. c. dient allgemein der Wahrung der dem Verhandlungspartner bereits zugeordneten Rechtsgüter21 • Ihre Verletzung ist immer Voraussetzung für einen Anspruch aus c. i. c .. Die Erhaltungspflichten und die sonstigen Schutzpflichten unterscheiden sich im wesentlichen lediglich dadurch, daß die Verletzung der Erhaltungspflicht als direkter Eingriff unmittelbar zu einer Schädigung des Verhandlungspartners führt, während sich ein Verstoß gegen die sonstigen Schutzpflichten lediglich mittelbar in seinem Vermögen auswirkt, indem der Verhandlungspartner zu selbstschädigenden Handlungen veranlaßt wird 22 • Dies vermag aber eine unterschiedliche Behandlung nicht zu Motive I, S. 195. Vgl. zu den Deliktstheorien: HiZdebrandt, S. 52 ff.; Geiß, S. 7 f. 18 Guhl, § 13, S. 112. 19 Gerhardt, JuS 70, S. 597,599. 20 Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S. 163, 164. 21 Dazu, daß auch die Aufklärungspflichten dem Schutz des Erhaltungsinteresses dienen, vgl. z. B. Larenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 409; Diers, S.50. 22 Sticht, S.27 und Diers, S. 50 halten eine Trennung der Pflichten letztlich für nicht durchführbar. 16

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1.

Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c.

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rechtfertigen, da nicht einzusehen ist, wieso nur der mittelbare Schädiger nach den strengeren Grundsätzen des Vertragsrechts haften soll. Die Abgrenzung kann auch nicht von dem verletzten Rechtsgut her in der Form vorgenommen werden, daß der Schutz absolut geschützter Rechtsgüter dem Deliktsrecht, der Schutz des übrigen Vermögens dem Vertragsrecht zugewiesen wird; denn aus welchem Grund sollte lediglich das Vermögen nicht aber Leben, Körper, Gesundheit den Schutz des Vertragsrechts genießen? Eine solche Einteilung entspräche keineswegs der Systematik des Gesetzes. Einerseits wird über §§ 823 Abs. 2, 824, 826 BGB das Vermögen allgemein deliktisch geschützt; andererseits finden sich im 2. Buch des BGB zahlreiche Vorschriften, die eindeutig auch den Schutz "absoluter Rechte" bezwecken (vgl. z. B. §§ 524, 548, 600, 602, 618, 694, 701 BGB; vgl. auch § 362 Abs. 2 HGB). Darüber hinaus läßt sich an Hand der Materialien23 nachweisen, daß die Normierung weiterer Pflichten zum Schutz auch "absoluter Rechte" im Vertragsrecht lediglich deshalb unterblieb, weil sie der Gesetzgeber zum Teil über Treu und Glauben als selbstverständlichen Bestandteil des Vertragsrechts voraussetzte. Auch kann der schuld rechtliche Vertrag als Hauptpflicht den Schutz und die Wahrung absolut geschützter Güter zum Inhalt haben (z. B. Verwahrung, Leihe, Transportverträge, Bewachungsverträge). Hieraus folgt zugleich, daß das Bestehen der allgemeinen Pflicht, andere nicht zu schädigen, es keineswegs ausschließt, eine spezielle schuldrechtliche Pflicht gleichen Inhalts, eine bestimmte andere Person nicht zu schädigen, anzunehmen. Vertrags- und Deliktshaftung sind nicht zwei sich ausschließende Bereiche, denen streng abgrenzbare unterschiedliche Aufgaben zugeordnet sind24 • Vielmehr bestehen mannigfaltige Berührungspunkte und Wechselbeziehungen. So kann sich aus der deliktischen Regelung des § 826 BGB der Zwang zum Abschluß eines Vertrages ergeben und eine Vertragsverletzung kann zugleich einen Verstoß gegen §§ 823, 826 BGB darstellen. Eine ganz andere Frage ist, unter welchen Voraussetzungen die Rechtsgüter des anderen Teils die "Sonderbehandlung"25 des obligationsmäßigen Schutzes verdienen. Wenig überzeugend ist auch der Einwand, daß sich nach einer gesetzlichen Änderung des Deliktsrechts26 oder auf Grund seiner Fortbildung27 innerhalb des Deliktsrechts gerechte und angemessene Ergebnisse erVgl. nur Motive II, S. 197 f., 450, 472, 485 f., 576. So schließt auch nach Larenz, Festschrift Ballerstedt, S. 397, 408 Fn.30, das Bestehen deliktischer Ansprüche Ansprüche aus c. i. c. nicht aus. 25 Dölle, ZStW 103, S. 67, 82. 26 So von Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S.452, 463; Larenz, Festschrift Ballerstedt, S. 397,403. 27 So Kreuzer, JZ 76, S.778, 780; für eine Ausdehnung des Deliktsrechts z. B. Mertens, AcP 178, S. 227 ff. 23

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I. Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c.

zielen lassen würden. Es liegt auf der Hand, daß bei der Angleichung von Vertrags- und Deliktshaftung die auf der Sonderbeziehung einzelner Personen beruhende besondere vertragliche Haftung in der allgemeinen deliktischen Haftung aufgeht und damit das Rechtsinstitut c. i. c. seine Bedeutung verliert28 • Aber abgesehen davon, daß eine solche Angleichung noch nicht erfolgt ist29 , sind die Gefahren und Konsequenzen, die sich bei einer so weiten Ausdehnung des Deliktsrechts ergeben würden, nicht abzusehen30 • Unterschiede bestehen ja nicht nur hinsichtlich der Gehilfenhaftung, sondern auch hinsichtlich der Umkehr der Beweislast, der Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden und der Statuierung besonderer Rechtspflichten. Die Warnung von Kessler s1 : "Natürlich ist das Deliktsrecht zur Ergänzung des Vertragsrechts unentbehrlich, aber sein überenthusiastischer Gebrauch bringt uns dem ,Death of Contract' einen Schritt näher", gilt keineswegs nur für das amerikanische Recht. Zu einer Angleichung des Deliktsrechts besteht solange kein Bedürfnis, wie sich gerechte und angemessene Ergebnisse 32 im Rahmen bestehender Gesetze und der herrschenden Lehre erzielen lassen. Die - soweit ersichtlich - lediglich von Kreuzer 33 vertretene Auffassung, die Anwendung der Vertragsordnung führe zu unangemessenen und ungenügenden Rechtsfolgen, vermag nicht zu überzeugen. Während Kreuzer die Unangemessenheit des Ergebnisses nicht näher begründet, nennt er zur Begründung, daß die Rechtsfolgen nicht ausreichend seien, lediglich schlagwortartig die Begriffe "Versorgerschaden" und "Schmerzensgeld". Es ist aber doch nicht so, als ob dem Geschädigten durch die Anwendung der Vertragsordnung diese - nach dem Deliktsrecht - zustehenden Rechte abgeschnitten würden. Vielmehr sind Delikts- und Vertragsrecht nebeneinander anwendbar; die allgemeine Pflicht, Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum Dritter zu schützen, wird durch die Vertragsordnung nicht verdrängt, sondern verstärkt 34 • Dem Verletzten sind somit alle Vorteile zuzuerkenVgl. Westermann, Schuldr. Allg. Teil, § 11 II, S.87. Mag auch bei der Behandlung einzelner Probleme - z. B. der Beweislast - eine Annäherung erfolgt sein: vgl. z. B. Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 306 ff. 3Q Vgl. Z. B. E. Schmidt, AcP 170, S.502, 525; v. Caemmerer, Festschrift Wieacker, S. 311, 312; kritisch zu einer Novellierung des § 831 BGB auch Helm, AcP 166, S.389, 405 ff.; Ballerstedt, AcP 151, S.501, 512 Fn.30; zustimmend zu den Erschwerungen im deliktischen Bereich z. B. Köpcke, S. 13. 31 Festschrift Caemmerer, S. 872, 889. 32 Die Angemessenheit der erzielten Ergebnisse wird auch von Larenz und von v. Caemmerer nicht bestritten, die sich, um dieses Ergebnis zu erreichen, zur Anwendung der Vertragsordnung "gezwungen " sehen - s. o. Fn.12. Das Bedürfnis nach überdeliktischer Haftung wird allgemein anerkannt - vgl. v. Lackum, S. 124. 33 JZ 76, S. 778, 780. 34 a. A. Bruns, JuS 71, S.221, 227, der annimmt, daß der reicher strukturierte Tatbestand des Vertrages oder der vertragsähnlichen Haftung die 28

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I. Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c.

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nen, die ihm entweder unter dem Gesichtspunkt der obligationsmäßigen oder der delikt ischen Haftung zustehen. Ihm ist es grundsätzlich freigestellt, auf welche Anspruchsgrundlage er seine Forderung stützen will. Hierfür ist es gleichgültig, ob man annimmt, zwischen dem Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung und dem aus unerlaubter Handlung bestehe eine echte Anspruchskonkurrenz 3s, oder ob man nur einen einzigen mehrfach begründeten Anspruch bejaht36 • Eine Schmälerung der Rechte des Geschädigten tritt durch die obligationsmäßige Haftung jedenfalls nicht ein. Nicht stichhaltig ist schließlich der Einwand, die Erhaltungspflichten hätten mit dem konkreten Inhalt des erstrebten Vertrages nichts zu tun und ständen mit dem ins Auge gefaßten Vertragsschluß lediglich in äußerem Zusammenhang37 . Denn zum einen kann auch die Verletzung einer Erhaltungspflicht unmittelbare Auswirkungen auf die geplante vertragliche Leistungsbeziehung haben, indem sie z. B. verhindert, daß es zum Vertragsabschluß kommt, zum anderen ist es gerade die besondere auf Grund der Vertragsverhandlungen bestehende "Nähebeziehung", die die Rechtsstellung des Verhandlungspartners aus der des "quivis ex populo"38 heraushebt. Die mit ihr verbundene Einwirkungsmöglichkeit stellt die "innere" Beziehung zwischen den Vertragsverhandlungen und den Erhaltungspflichten her. Im Unterschied zu den Verkehrssicherungspflichten ist es das Kennzeichen der schuldrechtlichen Erhaltungspflichten, daß die Einwirkungsmöglichkeit gerade auf der vertragsähnlichen Beziehung beruht3D • Das Rechtsinstitut c. i. c. umfaßt daher sowohl die Erhaltungs- und Obhutspflichten, als auch die sonstigen Loyalitätspflichten. Hingewiesen sei letztlich im Hinblick auf den Geltungsbereich des Rechtsinstituts darauf, daß die Grundsätze über die c. i. c. nur subsidiär anwendbar sind 40 • Sie kommen also dann nicht zum Zuge, wenn sie mit unerlaubte Handlung verdränge, aber zum gleichen Ergebnis kommt, da er die weitergehenden deliktsrechtlichen "Rechtsbehelfe" (§§ 842, 843, 844 Abs. 2, 847 BGB) im Vertragsrecht anwendet. 35 So die h.M.: BGH WM 78, S.1172, 1174 - 5.7.78 - VIII ZR 172/77; BGHZ 67, S.359 - 24.11. 76 - VIII ZR 137/75; BGHZ 66, S. 315 ff. - 24.5.76 - VIII ZR 10/74; BGHZ 55, S.392, 395 - 4.5.71 - VII ZR 40/70; BGHZ 24, S. 188, 191 - 9.5.57 - II ZR 327/55; BGHZ 9, S. 301 f. - 28.4.53 - I ZR 47/52; Hiddemann, WM 77, S. 1242, 1253; SoeTgel/ ZeuneT vor § 823 Rd Nr. 31; Deutsch, Festschrift Michaelis, S. 26 f.; Hohloch, JuS 77, S.302, 304; WeimaT, Vers. Praxis 78, S. 3. 3& So LaTenz, Schuldr. Bes. Teil II, § 75 VI, S.609 m.w.N.; ihm folgend Köpcke, S. 13 Fn. 18; vgl. auch Peters, VersR 79, S. 103, 111. 37 Vgl. z. B. NiTk, RabelsZ 18, S.310, 350; H. StoU, Festschrift Hippel, S.517, 526. 38 CTezelius, JuS 77, S. 796. 3D Vgl. z. B. CanaTis, JZ 68, S.494, 502; ETman, AcP 139, S. 273 f. 40 Vgl. z. B. Sack, WRP 74, S.445, 455.

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I. Inhalt und Umfang des Rechtsinstituts c. i. c.

einer gesetzlichen Sonderregelung unvereinbar sind oder sonst dem Sinn und Zweck gesetzlicher Vorschriften widersprechen·!. Die allgemeinen Regeln der c. i. c., die hier im folgenden näher untersucht werden sollen, müssen sich daher im Einzelfall an den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften messen lassen, wenn und soweit überschneidende Anwendungsbereiche bestehen4!.

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Littbarski, JZ 78, S. 3, 6. Lieb, JZ 77, S. 345 f.; Medicus, JuS 65, S. 209 ff.

11. Erhaltungspflichten Unter den "Erhaltungspflichten" ist die Verpflichtung zu verstehen, die dem Einflußbereich des einen Partners ausgesetzten Güter des anderen sorgsam zu behandeln und vor Schaden zu bewahreni. 1. Beispiele aus der Rechtsprechung Schulbeispiel für die Verletzung einer solchen Pflicht ist der berühmte Linoleumrollenfall, den das Reichsgericht 2 am 7. 12. 1911 zu entscheiden hatte. Der Vollständigkeit halber sei der Sachverhalt trotz des Bekanntheitsgrades kurz wiedergegeben: Die Klägerin wollte in einem Kaufhaus einen Linoleumteppich kaufen. Um an die von ihr gewünschte Rolle zu gelangen, setzte der sie bedienende Verkäufer zwei andere Rollen so unglücklich beiseite, daß sie umstürzten und die Klägerin verletzten. Zum Abschluß des Kaufvertrages kam es nicht. Nach Ansicht des erkennenden Senats war durch den Antrag auf Vorlegung der Ware und die Annahme dieses Antrages, der einen rechtsgeschäftlichen Erfolg bezweckte, ein den Kauf vorbereitendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien entstanden, das einen vertragsähnlichen Charakter trage und insofern rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten erzeugt habe, als dem Verkäufer wie dem Kauflustigen die Pflicht erwachsen sei, bei der Vorlegung und der Besichtigung der Ware die gebotene Sorgfalt für die Gesundheit und das Eigentum des anderen Teils zu beobachten. Der Inhaber des Kaufhauses hafte daher nach vertraglichen Grundsätzen. Die große Bedeutung dieser Entscheidung liegt darin, daß zur Begründung einer rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeit erstmals auf das Vorliegen eines Vertrages verzichtet wurde. Der Hilfskonstruktion eines das Hauptgeschäft vorbereitenden Vertrages hatte sich der gleiche Senat noch in der Entscheidung vom 13. 12. 19063 bedient; dort war der Kläger als Mitfahrer im Fahrzeug der Beklagten durch einen Unfall geschädigt 1 Begriff nach LaTenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 400. Die Erhaltungspflichten werden an den Anfang der Untersuchung gestellt, obwohl der Schwerpunkt von Rechtsprechung und Diskussion in der Literatur heute bei der Verletzung von Aufklärungspflichten liegt, da die Rechtsprechung zur c. i. c. von den Erhaltungspflichten ihren Ausgang genommen hat (Linoleumrollenfall). 2 RGZ 78, S. 239 ff. - 7. 12. 1911 - VI 240/11. 3 RGZ 65, S. 17, 18 f. - 13. 12. 1906 - VI 130/06.

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H. Erhaltungspflichten

worden, wobei die Mitfahrt im Zusammenhang von Vorbesprechungen über den möglichen Ankauf eines PKW's aus der Fabrik der Beklagten erfolgte. Das Reichsgericht vermied es allerdings in dem "Linoleumrollenfall", die Haftung des Inhabers des Kaufhauses ausdrücklich auf das Rechtsinstitut c. i. c. zu stützen. Dies ist leicht erklärlich, da es zuvor in mehreren Entscheidungen4 eine Haftung für "Verschulden bei Abschließung des Vertrages (culpa in contrahendo)" ausdrücklich mit der Begründung abgelehnt hatte: "Eine Bestimmung, die ein solches Verschulden dem Verschulden bei Erfüllung des Vertrages gleichstellt, wie sie das preußische ALR. aufgestellt hat, enthält das BGB nicht. Der § 276 BGB setzt insbesondere ebenso wie die folgenden Paragraphen ein fertiges Schuldverhältnis voraus." Ähnlich gelagert wie der Linoleumrollenfall sind der Bananenschalen- 5 und der Gemüseblattfall6 , die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte. In dem ersten Fall glitt die Klägerin in der Textilabteilung eines Kaufhauses auf einer am Boden liegenden Bananenschale aus und zog sich beim Sturz einen Oberschenkelhalsbruch zu. Entscheidungserheblich war, ob die Klägerin die Beweislast hinsichtlich der Frage des Verschuldens zu tragen hatte oder ob in solchen Fällen eine Umkehrung der Beweislast zu Gunsten der Geschädigten Platz greift. Der BGH fuhrt zunächst aus, daß im vertraglichen Bereich auf Grund des erhöhten Vertrauens- und Verkehrsschutzes der Geschädigte von einer Beweisführung freizustellen sei, die für ihn grundsätzlich an dem fehlenden Einblick in den Organisationsbereich des Unternehmens scheitere. Diese Umkehrung der Beweislast sei aber auch dann gerechtfertigt, wenn noch kein Vertrag geschlossen, sondern der Raum zum Zweck des Vertragsabschlusses betreten worden sei. Der Kunde, der sich mit dem Ziel des Vertragsabschlusses in die vom Warenhaus beherrschte Sphäre begeben habe, habe schon von dem Augenblick an, in dem er das Warenhaus betrete, Anspruch auf Schutz seiner persönlichen Sicherheit. Für die zweite Entscheidung war erheblich, ob die dreijährige deliktische Verjährungsfrist (§ 852 BGB) oder die dreißigjährige (§ 195 BGB) zur Anwendung kam, die nach h. M. bei der Verletzung einer obligatorischen Pflicht eingreift. In diesem Fall war die die Mutter zum Einkauf 4 RG JW 08, S. 657 - 23.9.1908 - V 531/07; RG JW 10, S. 748 f. - 27.5.1910II 409/09. 5 BGH NJW 62, S. 31 f. - 26.9. 1961 - VI ZR 92/61. 6 BGHZ 66, S. 51 ff. - 28.1. 76 - VIII ZR 246/74; die Besonderheit der Schutzwirkung zu Gunsten Dritter kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben. Vgl. im einzelnen die Urteilsbesprechungen von Hiddemann, BGH LM Nr.52 zu § 328 BGB; Kreuzer, JZ 76, S. 778 ff.; Strätz, JR 76, S. 458 f.; Hohloch, JuS 77, S. 302 ff.

1.

Beispiele aus der Rechtsprechung

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begleitende Tochter in einem Selbstbedienungsladen auf einem Gemüseblatt ausgerutscht und hatte sich beim Sturz verletzt. Der BGH bejahte die Haftung aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis c. i. c. und führte zur Begründung aus: "Die aus diesem Schuldverhältnis hergeleitete Haftung für die Verletzung von Schutz- und Obhutspflichten findet bei Fällen der vorliegenden Art ihre Rechtfertigung darin, daß der Geschädigte sich zum Zwecke der Vertragsverhandlungen in den Einflußbereich des anderen Teils begeben hat und damit redlicherweise auf eine gesteigerte Sorgfalt seines Verhandlungspartners vertrauen kann." Ebenfalls in den Bereich der Verletzung von Erhaltungspflichten konkret von Obhutspflichten - gehören die folgenden beiden Fälle: In dem Urteil vom 14.10.53 hatte der BGH7 darüber zu entscheiden, ob ein Werkstattinhaber für die Beschädigung eines zur Reparatur gegebenen Fahrzeuges nach Vertragsgrundsätzen einstehen mußte, obwohl der von einem Fahrer des Fahrzeugeigentümers abgeschlossene Werkvertrag wegen fehlender Vollmacht nichtig war. Diese Frage bejahte er, da sich nach ständiger Rechtsprechung aus der Inobhutnahme von anläßlich der Vertragsverhandlungen über den Abschluß von Reparaturverträgen übergebenen Sachen eine Verpflichtung zur sorglichen Behandlung dieser Sachen ergebe, für deren Verletzung nach den Grundsätzen des Vertragsrechts gehaftet werde. Eingehender begründet der BGH seine Auffassung in der vergleichbaren Entscheidung vom 2.12.768 • Der Kläger hatte seine Jacht, die an der Schraubenwelle leck war, in die Werft des Beklagten bringen lassen. Dort wurde sie zunächst auf Wunsch des Klägers auf das Werftgelände aufgeslipt. Nachdem der Kläger der Beklagten mitgeteilt hatte, er wolle das Boot verkaufen, nahmen zwei bei dieser beschäftigte Bootsbauer das Boot aus dem Slipwagen und stellten es durch Unterklotzen und seitliches Abstützen des Rumpfes auf dem Werftgelände auf. Einige Tage später kippte die Jacht um und wurde dabei erheblich beschädigt. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, da weder ein Werkvertrag noch ein entgeltlicher Verwahrungsvertrag abgeschlossen worden sei. Eine Haftung aus unentgeltlicher Verwahrung scheide aus, da die Leute der Beklagten diejenige Sorgfalt angewandt hätten, die sie auch in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegten. Demgegenüber nahm der BGH eine Haftung aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen an. Aus dem vertragsähnlichen Vertrauensverhältnis, das durch den bloßen Eintritt in Verhandlungen über den Abschluß eines Vertrages begründet werde und das zu verkehrsüblicher 7 BGH BB 53, S. 956 f. - 14. 10.53 - II ZR 198/52. Der BGH bejahte allerdings trotz des "vertragslosen Zustandes" eine Haftung nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung. 8 BGH NJW 77, S. 376 - 2. 12. 76 - VII ZR 302/75.

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11. Erhaltungspflichten

Sorgfalt gegenüber dem Geschäftsgegner verpflichte, ergebe sich für den Werkunternehmer zumindest solange die Pflicht, mit dem Eigentum des Bestellers, das in seinen Gewahrsam gelangt sei oder seiner Einwirkung unmittelbar ausgesetzt sei, pfleglich umzugehen und es vor Schaden zu bewahren, wie noch in der Schwebe sei, ob es zum Abschluß eines Werkvertrages komme. "Enttäuschtes Vertrauen ist in solchen Fällen die Grundlage eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsabschluß auch und gerade dann, wenn es nicht zum Vertragsabschluß kommtD." Ebenfalls dem Bereich der Erhaltungspflichten ist die BGH-Entscheidung vom 12. 6. 77 10 zuzurechnen. Dort hatte sich der Leiter einer Zweigstelle einer Berliner Geschäftsbank, ohne dazu von der Bank bevollmächtigt zu sein, erhebliche Beträge zur Anlage bei der Bank aushändigen lassen und unterschlagen. Nach Ansicht des BGH liegt in diesem Fall eine Haftung der Bank über § 278 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluß nahe, da, wenn die Kläger mit der Beklagten über den Leiter der Zweigstelle wegen einer Geldanlage in Verhandlungen getreten waren, Betreuungs- und Sorgfaltspflichten für die Beklagte begründet wurden. "Denn dann hatte diese, auch ohne daß es hierzu eines Vertrages zwischen den Parteien bedurft hätte, ... , der von ihr veranlaßten und in Anspruch genommenen Erwartung ihrer Bankkunden in korrekte Behandlung Rechnung zu tragen.... " Letztlich sei in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des BGH vom 17.3.1961 11 hingewiesen, deren zugrundeliegender Sachverhalt insoweit von den bisher mitgeteilten abweicht, als in diesem Fall keine Verletzung des Eigentums oder der körperlichen Integrität des anderen Teils erfolgt war, sondern die Schädigung in der Abwerbung von Mitarbeitern des Verhandlungspartners und einem damit verbundenen Wettbewerbsvorsprung bestand. Anläßlich von Vertragsverhandlungen über die Zusammenarbeit bei der Herstellung von Spritzgußmaschinen traten als maßgebende Spezialkräfte der Klägerin zwei Ingenieure auf. Als die Beklagte erfuhr, daß diese die Absicht hatten, von der Klägerin wegzugehen, erklärte sie sich in Besprechungen mit ihnen bereit, beide bei sich anzustellen. Einer der Ingenieure ging auf dieses Angebot ein. Nach Ansicht des BGH war die Beklagte zum Ersatz des der Klägerin daraus entstandenen Schadens verpflichtet, da ihr auf Grund des durch die Vertragsverhandlungen begründeten gegenseitigen Vertrauensverhältnisses die Pflicht oblegen habe, solche Abwerbungen zu unterlassen und ihr Verhalten in diesem Fall gegen § 1 UWG verstoßen D

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Vgl. zu dieser Entscheidung auch H. W. Schmidt, WM 77, S. 1102, 1104. BGH WM 77, S. 994 ff. - 12.6.77 - VI ZR 159/75. BGH NJW 61, S. 1308 f. - 17.3.61 - I ZR 26/60.

2. Rechtsgrund der Haftung

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habe12 • Die Vertragsverhandlungen setzten, jedenfalls soweit sie - wie hier - auf den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages gerichtet seien, ein hohes Maß gegenseitigen Vertrauens voraus. Die gedeihliche Führung solcher Vertragsverhandlungen hänge entscheidend von dem Vertrauen in Anstand und wettbewerbliche Lauterkeit des anderen Teils ab; deshalb stelle nach dem Urteil des redlich denkenden Durchschnittsgewerbetreibenden ein Bruch dieses Vertrauens neben der Verletzung der aus § 276 BGB folgenden Pflicht zugleich auch eine Verletzung des § 1 UWGdar. 2. Rechtsgrund der Haftung a) Keine "ecllte" Vertrauenshaftung

Da beide Gesichtspunkte nicht immer genügend auseinander gehalten werden, sei zunächst darauf hingewiesen, daß trotz der Betonung des Vertrauens keine "Vertrauens- oder Anscheinshaftung"l in dem Sinne vorliegt, daß der Schädiger für die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes einzustehen hat, auf den sich der Geschädigte eingerichtet und im Hinblick dessen er Vertrauensdispositionen getroffen hat2 • Dies betont auch Canaris3 , der im übrigen die c. i. c. als Unterfall der Vertrauenshaftung (Erklärungshaftung) ansieht, in seiner umfassenden Monographie zur "Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht". In dem Verhalten der Warenhausbesitzer, der Bank oder der Inhaber von Reparaturwerkstätten eine konkludente Erklärung des Inhaltes zu sehen, daß der Betrieb ordnungsgemäß organisiert sei und in ihm die erforderliche Sorgfalt walte, würde nicht nur eine reine Fiktion darstellen" sondern hätte auch mit dem Begriff des Vertrauenstatbestandes 12 Grundsätzlich ist die auf ordnungsgemäße Lösung des Dienstverhältnisses gerichtete Abwerbung auch bei Schlüsselkräften dann noch nicht sittenwidrig und verstößt daher nicht gegen § 1 UWG, wenn dabei für das künftige Arbeitsverhältnis besonders günstige Bedingungen in Aussicht gestellt werden. Vgl. v. Godin, Wettbewerbsrecht, U § 1 Anm. 167; Baumbach / He!eTmehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rd Nr. 513. 1 Vgl. LaTenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.95. Die Frage, ob diese Haftung zwingend verschuldensunabhängig ist oder ob sich das Verschuldensprinzip mit der Vertrauenshaftung verbinden läßt, sei dahingestellt. Vgl. CanaTis, Vertrauenshaftung, S. 476 ff. 2 Vgl. zu den allgemeinen Merkmalen der Vertrauenshaftung CanaTis, Vertrauenshaftung, S. 491 ff.; unzutreffend Flume, Allg. Teil II, § 10/5, S.132, der ein eigenständiges Rechtsinstitut "Vertrauenshaftung" gänzlich ablehnt. 3 Vertrauenshaftung, S. 539 fi.; a. A. Al!!, RGRK, § 276 Rn Nr.96, der ohne Differenzierung nach den einzelnen Pflichten bei Fehlen eines Vertrauenstatbestandes Schadenersatzansprüche aus c. i. c. verneint; Lehmann / HübneT, § 24 I, S. 142, der auch bei der Verletzung von Erhaltungspflichten einen Fall der Erklärungshaftung annimmt. 4 So CanaTis, Vertrauenshaftung, S. 540 Fn.78; vgl. auch Dölle, ZStW 103, S. 67,71.

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11. Erhaltungspflichten

im üblichen Sinne nichts mehr gemeinsam. Selbst wenn man außer Betracht läßt, daß das geltende Recht eine Einstandspflicht nur für die Schaffung des Scheins einer bestimmten Rechtslage (z. B. § 122 BGB Wirksamkeit einer Willenserklärung; § 179 BGB - Bestehen einer wirksamen Vollmacht; auch § 932 BGB - Eigentum des Verfügenden) anerkennt, während vorliegend allenfalls der Schein bestimmter Tatsachen (ordnungsgemäße Organisation, Versprechen ordnungsgemäßen Verhaltens) erweckt worden wäre, so ist nicht zu verkennen, daß man sinnvollerweise nur von einem Vertrauenstatbestand sprechen kann, wenn nach der Rechtsordnung mehrere Rechts- oder auch Sachlagen erlaubterweise bestehen können. Auf Grund des Vertrauenstatbestandes erscheint alsdann die eine Möglichkeit wahrscheinlicher als die andere. Von einem Vertrauenstatbestand zu sprechen ist aber dann nicht sinnvoll, wenn nach der Rechtsordnung nur eine Möglichkeit und nicht mehrere erlaubterweise in Betracht kommen. Bezogen auf die Situation der Vertragsverhandlungen bedeutet dies, daß die Rechtsordnung sowohl ein redliches, die Interessen des Vertragspartners achtendes, als auch ein unredliches, die Rechtsgüter des Vertragspartners schädigendes Verhalten als gleichwertige Alternative billigen müßte, damit sinnvollerweise von einem Vertrauenstatbestand für das eine oder andere gesprochen werden könnte. Dies ist aber nicht der Fall; die Rechtsordnung setzt vielmehr als allein erwünscht und als Regelfall ein redliches Verhalten voraus6 • Es bedarf somit keiner besonderer Anhaltspunkte, d. h. eines Vertrauenstatbestandes, damit der am Rechtsverkehr beteiligte ein redliches Verhalten seines Geschäftspartners erwarten darf6 • Auch funktional besteht zwischen der Vertrauenshaftung im dargestellten Sinne und der Schadenersatzverpflichtung für die Verletzung von Verhaltenspflichten ein wesentlicher Unterschied; die Ersatzverpflichtung dient dazu, Schäden, die durch Eingriffe in fremde Rechtsgüter entstanden sind, auszugleichen, während der Vertrauensschutz typischerweise an bestimmte Dispositionen des Vertrauenden anknüpft, d. h. an die von ihm selbst vorgenommenen Maßnahmen und nicht an die von dem anderen zugefügten Verletzungen7 • Dementsprechend setzt die 5 Insoweit enthält § 242 BGB einen das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz - vgl. nur Palandt I Heinrichs, § 242 Anm. 1 a) aa). 6 Ähnlich Mielke, S. 43 f.: Die Haftung für c. i. c. kann nicht als Erscheinungsform des Rechtsscheins gewertet werden. Bei ihr geht es nicht darum im Verkehrsinteresse einen Tatbestand durch einen Scheintatbestand zu ersetzen, also Vertrauen auf einen äußeren Tatbestand zu schützen. Es werden an die Verhandelnden Gebote gerichtet, die sie zu einem Treu und Glauben entsprechenden gegenseitigen Verhalten verpflichten. Diese Prinzipien sind grundverschieden. 7 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S.540.

2. Rechtsgrund der Haftung

Vertrauenshaftung eine "Vertrauensinvestition" Vertrauenden vorausB•

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"Disposition" des

Die Schadenersatzverpflichtung aus c. i. c. läßt sich somit bei der Verletzung von Erhaltungspflichten nicht aus einer "echten" Vertrauenshaftung in dem Sinn erklären, daß der Schädiger für die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes einzustehen hat. Es bleibt daher zu prüfen, worin diese "besonderen" über die allgemeinen deliktischen Pflichten hinausgehenden Pflichten, bei deren Verletzung nach vertraglichen Grundsätzen gehaftet wird, ihre Rechtsgrundlage haben. b) Früher vertretene Ansichten

Zum Verständnis der Entwicklung des Rechtsinstituts c. i. c. und der Vollständigkeit halber sollen an dieser Stelle auch die früher vertretenen, inzwischen überholten Ansichten, die die Entstehung der Pflichten rechtsgeschäftlich (durch übereinstimmende Willenserklärungen9 ) zu begründen versuchten, kurz mitgeteilt werden10 • Jhering selbst hatte sich um eine tiefere Begründung nicht bemüht. Für ihn war das evidente Bedürfnis nach einer Schadenersatzklage "unabweisbare Forderung"11.

aal Vorwirkung des Vertrages Nach einer Ansicht sollen die vorvertraglichen Pflichten eine Vorwirkung des später geschlossenen Vertrages sein12 (Zielvertragstheorie). Dieser Ansicht schloß sich auch die Rechtsprechung zunächst an13 , nachCanaris, Vertrauenshaftung, S.51O. Diese KlarsteIlung erfolgt im Hinblick auf Ballerstedt, AcP 151, S. 503, 509, der dem Tatbestand der Verpflichtung durch Willenserklärung eine zweite Grundform des Rechtsgeschäfts durch Inanspruchnahme gewährten Vertrauens gegenüberstellt. Seine Ansicht hat in Literatur und Rechtsprechung keine Gefolgschaft gefunden. Durch sie wird der Begriff des Rechtsgeschäfts denaturiert, da dieses nur als Instrument zur Verwirklichung der Privatautonomie, also der finalen Gestaltung von Rechtsfolgen verstanden werden kann - vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 428 ff.; Mielke, S. 46 ff. Vgl. auch Flume, Allg. Teil II, § 10/4, S. 128 f: die Ansicht von Ballerstedt liege in der Linie der These Sibers vom vorbereitenden Vertrag. 10 Zur geschichtlichen Entwicklung der c. i. c. vgl. im einzelnen Hildebrandt, Erklärungshaftung; von Lackum, S. 63 ff.; Baumert, S.17 ff. 11 JhJb 4, S. 1, 7. 12 So insbesondere Leonhard, Verschulden, S.42, 58; vgl. in neuerer Zeit Fikentscher, Schuldrecht, § 20 I, S.64: "Kommt Vertrag trotz vorvertraglicher Pflichtverletzung zustande, so liegt in der "vorvertraglichen Pflichtverletzung" eine Vertragsverletzung, denn die vor- und nachvertraglichen Sorgfaltspflichten entsprechen sich so sehr, daß die Zusammenziehung zu einem einheitlichen Begriff der vertraglichen Sorgfaltspflicht geboten ist. In diesem Fall bestehen keine rechtlichen Schwierigkeiten". 18 Vgl. RG JW 12, S. 743 f. - 26.4.1912 - III 342/343/11 (Luinsinlicht); RGZ 95, S.58, 60 - 24.9.1918 - VII 95/18; der Linoleumrollenfall RGZ 78, S. 239 ff. - 7.12.1911 - VI 240/11 nimmt insoweit eine Sonderstellung ein, als das Reichsgericht in diesem Fall die Haftung nicht ausdrücklich auf das Rechtsinstitut c. i. c. zurückgeführt hat. B

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Ir. Erhaltungspflichten

dem sie zuvor eine Haftung aus c. i. c. ausdrücklich abgelehnt hatte14 • Erstmals in dem sogenannten Weinsteinsäureurteil15 gab das Reichsgericht diese Theorie für die c. i. c. unter Anlehnung an die §§ 122, 179, 307, 309 BGB, die bis dato als Ausnahmevorschriften angesehen worden waren, in allgemeiner Form auf und erkannte allgemein eine Haftung aus c. i. c. auch ohne gültigen Vertragsschluß an. In seiner Anmerkung zu diesem Urteil betont Levy l6: "Erkennt man einmal an, daß schon im Stadium der Vertragsverhandlungen dem anderen Teil gegenüber gewisse Pflichten zur Aufklärung und zur Verhütung von Schaden an Leib und Gut bestehen, so ist es ein "hysteron proteron", die Begründung dieser Pflichten dann doch wieder von dem etwaigen Abschluß des Hauptvertrages abhängig zu machen, der selbst da, wo er wirklich nachfolgt, höchstens die eine Bedeutung haben kann, daß er den aus der Verletzung jener Pflicht erwachsenen Schaden besiegelt", oder, so ist hinzuzufügen, beseitigt. Insbesondere Heinrich StolP 7 hielt der Zielvertragstheorie entgegen: "Entweder gibt es besondere Rechtspflichten gegenüber dem anderen Teil schon vor Vertragsabschluß - dann müssen sie auch ohne ihn gelten, oder aber entstehen diese Rechtspflichten erst durch den Vertragsabschluß - dann können sie nicht vor, sondern erst mit diesem wirksam werden." Zudem ist der Weg der Vorwirkung des später geschlossenen Vertrages nicht gangbar bei ungültigen Verträgen oder wenn es nicht zum Vertragsabschluß kommt. Heute entspricht es ganz herrschender Ansicht, daß sich die Rechte und Pflichten aus dem Rechtsinstitut c. i. c. nicht auf den später geschlossenen Vertrag gründen, sondern unabhängig davon entstehen, ob es überhaupt zu einem Vertragsabschluß kommtl8 •

bb) Stillschweigend geschlossene Haftungsvereinbarung Eine andere Ansicht behalf sich mit der Konstruktion einer stillschweigend geschlossenen besonderen Haftungsvereinbarung19 • Ihr 14 RG JW 08, S.657 - 23.9.1908 - V 531/07; RG JW 10, S. 748 f. - 27.5. 1910II 409/09. 15 RGZ 104, S.265, 267 - 5.4.1922 - I 307/21; angedeutet wurde dieser Umschwung schon in der Entscheidung RGZ 97, S. 336 ff. - 3. 1. 1920 - I 228/19, ohne daß er dort allgemein und ausdrücklich ausgesprochen wurde. 16 JW 22, S. 1313. 17 LZ 23, Sp. 532, 543; ihm folgend Raiser, AcP 127, S. 1, 20. 18 Vgl. nur BaUerstedt, AcP 151, S.501, 504 f.; Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S. 96; derselbe, MDR 54, S. 515 f.; Blomeyer, Allg. Schuldrecht, § 17 III, S.73; Thiele, JZ 67, S.652; Medicus, Bürg. Recht, Rd Nr.199; Alff, RGRK, § 276 Rd Nr. 96. n So Planck / Siber, Bd. II 1, Vorbem. I 4 C vor §§ 275 ff.; Siber, JhJb 70, S.223, 228; vgl. auch Hildebrandt, S. 225 ff., nach dem das Verhandlungsverhältnis lediglich Erklärungspflichten deckt, die Erhaltungspflichten aber aus stillschweigend geschlossenen Erhaltungsverträgen folgen.

2. Rechtsgrund der Haftung

aa

wurde immer wieder der Einwand der Fiktion entgegengesetzt, den ihre Verfechter trotz aller Bemühungen nie überzeugend widerlegen konnten, "da, wer noch verhandelt, sich gerade nicht rechtsgeschäftlich binden will "20. Auch ist insoweit an die Ausführungen zur Verneinung eines Vertrauenstatbestandes anzuknüpfen und dieser Lehre vorzuwerfen, daß sie hier, wo jeder "anständige Mensch" ohne weiteres die Verpflichtung "wollen muß", wo also der konkrete Wille von vorneherein nicht beachtlich sein darf, mit einer auf den konkreten Willenserklärungen fußenden Konstruktion arbeitet21 • cc) Einseitiges Rechtsgeschäft

Stoll!! schließlich nahm ein gegenseitiges Schuldverhältnis an, das durch einseitiges Rechtsgeschäft - durch das Vertragsangebot oder durch die Aufforderung zum Eintritt in die Vertragsverhandlungen zustandekomme. Dieser Theorie muß aber ebenfalls der Vorwurf der Fiktion gemacht werden, wenn dem Erklärenden der Wille, ein Rechtsverhältnis mit besonderen Sorgfaltspflichten zu begründen, unterstellt werden so1l23. Erfordert man keinen solchen Willen, so erspart diese Theorie nicht die Begründung, wieso dann aus dem einseitigen Rechtsgeschäft besondere Sorgfaltspflichten folgen 2'. Zudem bleibt ungeklärt, wieso das einseitige Rechtsgeschäft - entgegen der Regel des § 305 BGB - das gegenseitige Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen begründen können so1l25, und unberücksichtigt, daß das Vertragsangebot und die Aufforderung zum Eintritt in Vertragsverhandlungen ohne Wirkung bleiben, wenn der andere nicht darauf eingeht26. Zusammenfassend müssen alle Versuche, die Entstehung der Erhaltungspflichten rechtsgeschäftlich zu begründen, als gescheitert bezeichnet werden. ~~iii

c) Gesetzliches Schuldverhältnis - Rechtfertigung

Soweit der Bundesgerichtshof27 überhaupt Ausführungen zum zugrundeliegenden Schuldverhältnis macht, verzichtet er folgerichtig auf eine ZO Ballerstedt, AcP 151, S.501, 505; Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.97 Fn. 4; Dölle, ZStW 103, S.67, 70; kritisch auch Baumert, S. 20 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 413. 21 Erman, AcP 139, S. 273, 323. 22 LZ 23, Sp. 532, 544; derselbe JW 33, S.34, 36; ebenso Heck, Grundriß, § 41/4, S. 124. 23 Vgl. ausführlich Dölle, zstw 103, S.67, 71; Mielke, S. 31 f. Vgl. Hildebrandt, S. 90 ff. 25 Vgl. Hildebrandt, S. 91 m.w.N. 26 So Ballerstedt, AcP 151, S. 503, 506. 27 Vgl. Z. B. BGH NJW 76, S. 712 - 28.1. 76 - VIII ZR Z46/74.

z,

3 Schmitz

II. Erhaltungspflichten

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rechtsgeschäftliche Begründung und nimmt in Übereinstimmung mit der h. L. 28 ein "in Ergänzung des geschriebenen Rechts geschaffenes gesetzliches Schuldverhältnis" an. Dieser Ansicht gegenüber vermag der Einwand von Siber 29 nicht durchzugreifen, die Zahl der nicht vertraglichen Schuldverhältnisse sei im Gesetz abschließend geregelt, denn für einen formalen numerus clausus gesetzlicher Schuldverhältnisse findet sich weder in § 305 BGB noch sonst im Gesetz ein AnhaWo. Jedoch ist mit der Feststellung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses allein für die Frage nach dem Entstehungstatbestand dieses Rechtsverhältnisses und hier insbesondere nach dem Kreis der an ihm beteiligten Personen nichts gewonnen. Zum einen beruht - worauf BaHerstedt 31 hinweist auch die Verpflichtungswirkung von Willenserklärungen auf Gesetz und ist die Erklärung als gesetzliches Schuldverhältnis rein positivistisch; zum anderen erklärt der Begriff gesetzliches Schuldverhältnis nichts, sondern formuliert nur negativ, daß die Kontraktsebene verlassen wurde s2 • Ebensowenig hilft - ihre Richtigkeit unterstellt - die These weiter, daß Rechtsinstitut c. i. c. sei gewohnheitsrechtlich anerkannt33 • Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen bedarf es vielmehr der Klärung, was diese objektiv rechtlich angeordnete Verpflichtung innerlich rechtfertigt und welche Tatbestandsvoraussetzungen somit vorliegen müssen, um die Haftung aus c. i. c. bejahen zu können.

aal Keine Herleitung aus gesetzlichen Einzelbestimmungen Der Rechtsgrund der Haftung kann zunächst nicht unmittelbar bestimmten gesetzlichen Einzelvorschriften entnommen werden. Das BGB enthält keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, daß schon durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen den Parteien erhöhte Schutz28 Vgl. nur Alff, RGRK vor § 241, Rd. Nr. 11; Staudinger 1Löwisch, Vorb. §§ 275-283, Rd Nr. 38; Soergell R. Schmidt Vor § 275 Rd Nr. 3; Erman 1Battes, § 276 Rd Nr. 107; Kram er, Münchner Kommentar, Bd. 2, Einleitung Rd Nr. 74; Roth, Münchner Kommentar, § 242 Rd Nr. 193; Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.94; derselbe, MDR 54, S.515, 516; Flume, Allg. Teil II, § 10/4, S.128, § 33/8, S. 616 f.; Blomeyer, Allg. Schuldr., § 17 III, S.72; Nirk, Festschrift Möhring (1975), S.71, 73; Strätz, Festschrift Bosch, S.999, 1003; Gerhardt, JZ 70, S.535, 536 f.; a. A. neuerdings Evans-von Krbek, AcP 179, S. 85, 96 ff., die eine analoge Anwendung der Rechtsgeschäftsvorschriften vor-

schlägt. 29

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Planck 1Siber, Bd. II 1, Vorbem. I 4 c vor § 275 ff., S. 194. Baumert, S. 30; von Lackum, S. 82; Karassis, S.5.

AcP 151, S. 501, 505. E. Schmidt, Nachwort, S. 143 f. 33 Vgl. z. B. Stoll, JW 33, S.34, 35; Staudinger 1Löwisch, Vorb. §§ 275-283 Rd Nr. 38; Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I 1, S.96; Fikentscher, Schuldrecht, § 20 III 3, S. 66; Littbarski, JZ 78, S.3, 6; Crezelius, JuS 77, S,796; Sack, WRP 74, S. 445, 454. 31

32

2. Rechtsgrund der Haftung

35

pflichten auferlegt werden. Das Gesetz enthält lediglich elmge verstreute Einzelbestimmungen, die für bestimmte Verhaltensweisen vor und bei Vertragsabschluß eine Ersatzpflicht begründen (vgl. §§ 122, 179, 307, 309, 523 Abs.1, 524 Abs.1, 600, 694 BGB). Fraglich ist schon, ob diese Bestimmungen überhaupt als gesetzlich geregelte Fälle der c. i. c. angesehen werden können34• Jedenfalls sind sie im BGB so verstreut und hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Rechtsfolgen so verschieden, daß sich ihnen der Rechtsgrund der Haftung aus c. i. c. nicht mittels einer "Gesamtanalogie" entnehmen läßt35 • Das Rechtsinstitut c. i. c. ist, wie auch der Bundesgerichtshof36 betont, im BGB nicht ausdrücklich geregelt, sondern erst später von Rechtsprechung und Lehre entwickelt worden37 • Die einzelnen Vorschriften wurden hierbei lediglich als Bestätigung im Gesetz gesucht und gefunden. Dies läßt sich historisch leicht erklären: Jhering ging in seinem grundlegenden Aufsatz38 zur c. i. c. allein von Mißverständnissen im rechts geschäftlichen Bereich aus. Da der Gesetzgeber in das BGB zwar nicht den Grundgedanken des Rechtsinstituts c. i. c. aufnahm, aber fallweise in einzelnen Vorschriften von den Anregungen Jherings Gebrauch machte, lag es nahe, das Rechtsinstitut c. i. c. zunächst sehr eng an diese gesetzlichen Vorschriften anzulehnenSg • 34 Bejahend: z. B. Altt, RGRK, § 276 Rd Nr. 96; Stau dinger / Löwisch, Vorb. §§ 275-283 Rd Nr.38 mit gewissen Einschränkungen für § 122 BGB; Blomeyer, Allg. Schuldr., § 17 III, S.71 Fn.l0; Stoll, LZ 23, Sp. 532 Fn.3; Oertmann, LZ 14, Sp. 513, 520; bejahend für § 694 BGB: Palandt / Thomas, § 694; Erman, AcP 139, S.273, 322; verneinend für § 122 BGB: z. B. Larenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 418; zweifelnd auch Weimar, MDR 78, S.376; verneinend für §§ 122, 307 BGB: Flume, Allg. Teil II, § 10/4, S. 129; verneinend für § 179 BGB: H. Stoll, Festschrift Caemmerer, S.435, 439; Canaris, NJW 64, S.1987, 1988; insgesamt verneinend: Nirk, Festschrift Möhring (1975), S.78, 82; Esser, Schuldr. Bd. 1, § 52 II 3, S. 373 f. 35 Vgl. Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.95; derselbe, Methodenlehre, S. 412 f.; Esser, Schuldr. Bd. 1, § 52 II 3, S. 373 f.; Herholz, AcP 130, S.257, 294; Stoll, JW 27, S.1086; Crezelius, JuS 77, S.796; Berger, S. 23 f.; v. Lackum, S. 78 f.; Küppersbusch, S.31; Diers, S.25, 28; Mielke, S.34 Fn.l; a. A. Staudinger / Löwisch, Vorb. §§ 275-283, Rd Nr.38; Palandt / Heinrichs, § 276 Anm. 6 a; Fikentscher, Schuldrecht, § 20 III 2, S. 66; Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 118 ff.; Weimar, MDR 78, S.376; derselbe, Vers. Praxis 78, S.3;

auch das Reichsgericht hatte zunächst eine Rechtsanalogie vorgenommen: vgl. nur RGZ 107, S.357, 362 - 28.11. 1923 - V 802/22; RGZ 120, S.249, 251 - 1. 3. 1928 - VI 258/27. 36 BGHZ 57, S.191, 195 - 28.10.1971 - VII ZR 15/70; die Entwicklung aus den §§ 122, 179 BGB betont allerdings BGH BB 79, S.493, 494 - 8.2.1979 VII ZR 141/78. 37 Vgl. Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.96: "Das Institut der Haftung für schuldhaftes Verhalten bei den Vertragsverhandlungen (... ) gründet sich demnach nicht so sehr auf das BGB, als auf eine durch Lehre und Rechtsprechung vorgenommene schöpferische Rechtsfortbildung". 38 Jh. Jb. 4, S. 1 ff. 3g Vgl. Nirk, Festschrift Möhring (1975), S. 78, 85 f.



'II. ErhaltungspfliChten

bb) Keine Herleitung aus (besonderer) Vertrauensbezie'hung Die h. M.40 erblickt einheitlich die innere Rechtfertigung des Rechtsinstituts c. i. c. - und damit auch der Erhaltungspflichten - in dem (besonderen) Vertrauen, das die eine Seite der anderen entgegenbringe, wobei - wie gezeigt - von einer Vertrauenshaftung im strengen Sinne nicht gesprochen werden kann. Im Unterschied zur Vertrauenshaftung im eigentlichen Sinne, deren Kennzeichen die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes und die darauf beruhende Disposition des Vertrauenden ist, soll hier die Gewährung in Anspruch genommenen Vertrauens 41 oder das Aussetzen der eigenen Rechtsgüter der Einwirkungsmöglichkeit des anderen und damit ein "Anvertrauen" dieser Rechtsgüter'2 entscheidend sein. Zwar versteht Ballerstedt43 unter Verpflichtung durch Gewährung in Anspruch genommenen Vertrauens einen zweiseitigen Tatbestand: "auf der Seite des einen Partners ein Verhalten, das nach den Grundsätzen der Redlichkeit und nach seiner sozialen Erscheinungsform geeignet ist, Vertrauen zu erwecken und auf der Seite des anderen Partners die Gewährung von Vertrauen in eben dieses Verhalten." Andererseits soll aber nicht der Inhalt der Erklärung, mit der die Verhandlung eröffnet worden ist, für sich genommen der die Verpflichtung des Anbietenden rechtlich begründende Tatbestand sein, sondern die Inanspruchnahme des Vertrauens des anderen Teils. Entscheidend für den Umfang der Pflichten sei nicht, ob ein starker Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, sondern der Grad des Verhandlungsvertrauens, d. h. der Nachdruck, mit dem die Verhandlungen trotz des möglicherweise gleichen Erklärungsinhalts fortgeführt werden. 40 Vgl. aus der Rspr. BGHZ 60, S.221, 223 - 22.2.1973 - VII ZR 119/71; aus der Literatur: grdl. Ballerstedt, AcP 151, S.501 506; Palandt 1 Heinrichs, § 276 Anm. 6 a; Al!!, RGRK, § 276 Rd Nr.96; Soergell R. Schmidt Vor § 275, Rd Nr. 5; Kmmer, Münchner Kommentar, Bd. 2, Einleitung Rd Nr. 78; Fikentscher, Schuldrecht, § 20 I, S. 65; § 27 II, S. 125; Küppersbusch, S. 10; Diers, S. 49 ff.; Dölle, ZStW 103, S.67; Medicus, JuS 65, S.209, 213; Canaris, VersR 65, S.114, 116; derselbe, Vertrauenshaftung, S. 539 f., spricht bei den Erhaltungspflichten von einer "Anvertrauenshaftung"; E. Schmidt, Nachwort S. 144 f.; Müller, NJW 69, S. 2169 Fn. 11, 2171; Sack, WRP 74, S.445, 454; Nirk, Festschrift Möhring (1975), S.71, 73, 75; Musielak, JuS 77, S.51, 53; so auch noch Larenz, Schuldr. Allg. Teil (10. Aufl.), § 9 I, S. 90; derselbe, Methodenlehre, S.413; einschränkend jetzt Larenz, Schuldr. Allg. Teil, (11. Aufl.) , § 9 I, S.94 - Schutz allgemeiner Redlichkeitserwartung zur Ermöglichung reibungslosen Geschäftsverkehrs; ausdrücklich offengelassen noch in RGZ 143, S.219, 223 - 19.1.34 - VII 276/33; uneinheitlich Stau dinger 1Löwisch, Vorb. §§ 275-283, der in Rd Nr. 38 auf das unabweisbare Bedürfnis des Verkehrs, entgegengebrachtes Vertrauen zu schützen, und in Rd Nr. 42 für die Schutzpflichten auf die Eröffnung der Einwirkungsmöglichkeit abstellt. 41 So grdl. Ballerstedt, AcP 151, S.501, 507. 42 So Dölle, zstw 103, S.67, 74, 84; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 540; derselbe, JZ 68, S. 494, 502. 43 Vgl. AcP 151, S. 501,507 Fn. 17.

2. Rechtsgrund der Haftung

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Diese Ansicht soll im folgenden zunächst an Hand der Rechtsprechung überprüft werden. (a) Analyse der Rechtsprechung Untersucht man die mitgeteilten Fälle aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung daraufhin, ob der Verletzte im Hinblick auf die im Einzelfall verletzte Pflicht dem anderen Teil ein besonderes Vertrauen entgegengebracht hat, so kann ein konkretes, subjektives besonderes Vertrauen mit Ausnahme möglicherweise des Abwerbungsfalles, auf den noch zurückzukommen ist, nicht festgestellt werden. Weder in den mitgeteilten Sachverhalten noch in den Entscheidungsgründen finden sich Anhaltspunkte, die sichere Rückschlüsse darauf zulassen, was sich die Geschädigten gedacht haben. Diese werden sich im Regelfall über eine mögliche Gefährdung überhaupt keine Gedanken gemacht haben. Die Rechtsprechung geht ersichtlich davon aus, daß es nicht darauf ankommen kann, welche Folgerungen eine Partei tatsächlich subjektiv gezogen hat, sondern darauf, welche sie .nach Treu und Glauben ziehen durfte44• Dieser Rechtsprechung ist insoweit zuzustimmen, da sinnvollerweise nur dann von Pflichten gesprochen werden kann, wenn der Pflichtige weiß oder zumindest erkennen kann, wie er sich zu verhalten hat. Das Rechtsgebot muß daher ex ante objektiv erkennbar sein und kann nicht davon abhängen, ob der Gefährdete subjektiv vertraute oder ob er bewußt die Gefährdung auf sich nahm45 • Das Abstellen auf die konkreten Vorstellungen einer Partei würde zudem zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und schwierigen Beweisfragen im Prozeß führen. Aber auch wenn man das Vertrauen in dieser Form objektiviert und wenn man darauf abstellt, welche Gedanken sich ein Durchschnittsmensch gemacht hätte, kann bei unvoreingenommener Betrachtung der Kaufhaus-, der Werkstattfälle und des Bankfalles nicht gesagt werden, daß dieser dem jeweiligen Inhaber hinsichtlich der verletzten Pflicht ein besonderes Vertrauen entgegengebracht hätte. Der Kunde eines Kaufhauses, einer Reparaturwerkstatt oder einer Bank vertraut allenfalls darauf, daß ihm gegenüber die verkehrsübliche Sorgfalt eingehalU Vgl. nur BGH NJW 76, S.712 - 28. 1. 76 - VIII ZR 246/74; BGH NJW 77, S. 376 f. - 2.12.76 - VII ZR 302/75; OLG Düsseldorf, NJW 77, S.1064 f. - 27. 1. 76 - 24 U 35/75. 45 So Thiele, JZ 67, S.649, 651 f.; Frotz, Vertreterhaftung, S.61; Wels er, Vertretung, S. 70 f.; Baumert, S.28; Battes, JZ 69, S.683, 689 spricht von "unzulässigem Psychologismus"; allein auf objektive Gesichtspunkte und nicht auf eine tatsächliche Vertrauensbeziehung stellen auch Eichler, S. 13 und Sticht, S. 42 f. ab; vgl. hierzu auch noch Ballerstedt, AcP 151, S.501, 531; Medicus, JuS 65, S.209, 213; noch weiter geht v. Lackum, S.102, der von einem "faktisch normativen" Vertrauenstatbestand spricht. Weder brauche durch eine objektive Vertrauenslage konkret Vertrauen erweckt worden zu sein, noch schade es, daß auf Grund der konkreten Umstände

38

II. Erhaltungspflichten

ten46 und er korrekt behandelt wird 41 • Dieses Vertrauen geht aber nicht über das allgemeine Vertrauen auf ordnungsgemäßes Verhalten und verkehrssicheren Zustand von Gebäuden und anderen Sachen hinaus und wird grundsätzlich nicht speziell dem Inhaber entgegengebracht48 • Kein Kunde wird z. B. davon ausgehen, in einem Warenhaus werde ihm - gerade in seiner Eigenschaft als Kunde - gesteigerte Sorgfalt seitens des Inhabers entgegengebracht49 • Von einem engen, über den normalen deliktsrechtlich gesicherten Bereich hinausgehenden Vertrauensband 50 kann meiner Meinung nach in diesen Fällen bezüglich der Erhaltungspflichten keine Rede sein. Man kann im Hinblick auf die Einhaltung der Erhaltungspflichten lediglich von einer allgemeinen Redlichkeitserwartung - wie sie der gesamten Rechts- und somit auch der Deliktsordnung zu Grunde liegt - und zusätzlich möglicherweise von einem (besonderen) Verhandlungsvertrauen in dem Sinne sprechen, daß darunter das Vertrauen in die Ernstlichkeit der Vertragsverhandlungen und die Erwartung des Vertragsschlusses zu sehen ist. Allein in diesem Sinne scheint z. B. Fikentscher 51 den Begriff des (besonderen) Vertrauens, das den obligatorischen Pflichten zu Grunde liegen soll, zu verstehen, wenn er schreibt: "Dieses enge über den normalen deliktsrechtlich gesicherten Bereich hinausgehende Vertrauensband zwischen Personen, die sich einen Vertragsschluß miteinander überlegen, fordert eine vertragsähnliche Haftung." Das Vertrauen in die Ernstlichkeit der Vertragsverhandlungen und die Erwartung des Vertragsabschlusses vermag aber die Erhaltungspflichten nicht zu begründen. Es fehlt schon der innere Zusammenhang zwischen einem so verstandenen Verhandlungsvertrauen und den Erhalauch objektiv keine Vertrauenslage gegeben war. Entscheidend sei, ob nach normativer Wertung ein solcher Rechtsgüterkontakt zustandegekommen sei, der nach redlicher Wertung bei bloßer Kenntnis der Fakten zwingend zur Annahme eines Vertrauensverhältnisses führe. Diese Betrachtungsweise erklärt aber die vorvertraglichen Pflichten nicht mehr aus dem Vertrauensgedanken, sondern bedarf selbst der Erklärung und der Herausarbeitung von Wertungskriterien. 46 So BGH NJW 77, S. 376 - 2. 12. 76 - VII ZR 302/75. 41 BGH WM 77, S.994 - 12.6.77 - VI ZR 159/75. 48 Vgl. LaTenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 402; Daum, NJW 68, S.372, 376; vgl. auch Hohloch, JuS 77, S.302, 306 - die Haftung im Bereich der Erhaltungspflichten beruhe nicht auf Treu und Glauben. 49 So aber BGH NJW 76, S.712 - 28.1.76 - VII ZR 246/74; Hiddemann, BGH LM Nr. 52 zu § 328 BGB. 50 So Fikentscher, Schuldrecht, § 20 I, S.65. 51 Schuldrecht, § 20 I, S.65; ähnlich Medicus, JuS 65, S.209, 213 Fn.37, der fordert, "das Vertrauen muß sich - im Gegensatz zur Verkehrs sicherungspflicht - gerade auf die künftige Möglichkeit eines Vertrags schlusses gründen". Nicht eindeutig zu Begriff und Inhalt des Verhandlungsvertrauens sind die Ausführungen von Ballerstedt selbst - vgl. AcP 151, S.501, 517, 519, 521,523.

2. Rechtsgrund der Haftung

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tungspflichten und es ist nicht einzusehen, wieso das eine vom anderen abhängen soll. Dies zeigt sich, wenn trotz des Verstoßes gegen eine Erhaltungspflicht der Vertrag zustandekommt. Es kann dann nicht gesagt werden, daß das Verhandlungsvertrauen enttäuscht worden ist. Beispiel: A beabsichtigt in dem Neubau des B eine Wohnung zu mieten. Bei Besichtigung der Wohnung kommt A, da das Treppengeländer noch nicht befestigt und die Treppe ungenügend beleuchtet ist, zu Fall und verletzt sich leicht. Dennoch mietet er die Wohnung, da sie ihm gut gefällt und der Zustand des Treppenhauses vorübergehend ist. Auch in diesem Fall muß A Schadenersatz nach den Grundsätzen der c. i. c. verlangen können. Umgekehrt ist ebenso kein Grund ersichtlich, wieso das Fehlen dieses Verhandlungsvertrauens das Entstehen der Erhaltungspflichten hindern sollte. Weiß z. B. K, daß B sein Auto an X verkauft hat und hofft er dennoch, B überreden zu können, das Fahrzeug an ihn zu veräußern, so ist nicht einzusehen, aus welchem Grund B nur deliktisch haften sollte, wenn Kauf der Probefahrt durch sein Verschulden zu Schaden kommt. Hierfür kann nicht entscheidend sein, daß K nicht darauf vertraute, sondern allenfalls hoffte, B werde mit ihm einen Kaufvertrag schließen. In den mitgeteilten Fällen läßt sich somit kein besonderes Vertrauen feststellen, das die obligatorischen Erhaltungspflichten rechtfertigen könnte. Das Fehlen dieses Vertrauens auf die Einhaltung der Erhaltungspflichten wird nun teilweise 52 als Bestätigung dafür herangezogen, daß die Erhaltungspflichten nichts anderes als die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten seien und eigentlich dem deliktischen Bereich zugeordnet werden müßten. Zu vertraglichen Pflichten seien sie nur wegen der Unzulänglichkeiten des Deliktsrechts geworden. Diese Aussage enthält aber weniger eine Begründung als eine resignierende Feststellung. Bei genauerem Hinsehen wird in ihr der Vorwurf der reinen Billigkeitsrechtsprechung contra legern erhoben. Sie setzt als Prämisse gerade voraus, was erst noch zu beweisen ist, daß nämlich die Statuierung besonderer schuldrechtlicher Pflichten ihre Rechtfertigung ausschließlich in einem besonderen Vertrauen finden könne. Umgekehrt kann man ebensogut aus der Anerkennung besonderer schuldrechtlicher Pflichten in der Rechtsprechung trotz Fehlens eines besonderen Vertrauens schließen, daß nicht in dem Vertrauen die Rechtfertigung für die Auferlegung der Pflichten zu sehen ist. Hierfür spricht zudem, daß die Herausnahme der Erhaltungspflichten aus dem Anwendungsbereich der c. i. c. - wie gezeigt 53 - nicht zulässig und praktikabel ist.

52

Vgl. LaTenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 402; Hohloch, JuS 77, S.302,

53

S. o. unter B. 1. nach Fn. 9.

306.

40

H. Erhaltungspflichten

(b) überprüfung der Theorie von der besonderen Vertrauensbeziehung -

Auseinandersetzung mit der Lehre vom "sozialen Kontakt"

Festzuhalten ist zunächst, daß, worauf auch Frotz 54 zu Recht hinweist, die These, die gesteigerte Verantwortung rechtfertige sich aus dem Vertrauensgedanken, nirgends näher begründet worden ist55• Ihr Aufkommen und ihre Verbreitung dürften sich zunächst historisch erklären. Als Grundstein der c. i. c. wird allgemein der Aufsatz von v. Jhering "Culpa in contrahendo oder Schadenersatz bei nichtigen oder nicht zur Perfection gelangten Verträgen"56 angesehen. Auch wenn v. Jhering lediglich von Mißverständnissen57 im rechtsgeschäftlichen Bereich ausging, kommt ihm das Verdienst zu, den Ansatz dafür geschaffen zu haben, neben den vertraglichen und deliktischen Pflichtenkreis den Pflichtenkreis der Vertragsverhandlungen zu stellen, und damit die Alternative Vertrag - Delikt aufzubrechen: "Wer contrahiert, tritt damit aus dem rein negativen Pflichtenkreis des außercontractlichen Verkehrs in den positiven der Contractssphäre, von dem Gebiete der bloßen culpa in faciendo auf das der culpa in non faciendo, der positiven diligentia, und die erste und allgemeine Verpflichtung, die er damit übernimmt, ist die: beim Contrahieren selbst bereits die nöthige diligentia aufzuwenden." Hierfür bestehe ein Bedürfnis, "wenn nicht der contractliche Verkehr nach dieser Seite in empfindlicher Weise bloßgestellt, jeder Contract der Gefahr Preis gegeben werden soll, das Opfer fremder Nachlässigkeit zu werden"58. Dieser Grundgedanke wurde in das BGB nicht aufgenommen. Der Gesetzgeber beschränkte sich vielmehr darauf, in bestimmten Einzelfällen, die von v. Jhering teilweise zur Herausarbeitung seines Grundsatzes behandelt worden waren, eine Haftung zu nonnieren (vgl. §§ 122, 179, 307, 309 BGB). Es lag daher nahe, daß Rechtsprechung und Lehre bei der Weiterentwicklung des Rechtsinstituts der c. i. c. mangels anderer Bestimmungen als gesetzliche Stütze auf die verschiedenen Einzelbestimmungen zurückgriffen50 und aus ihnen den Gedanken des Vertrauensschutzes als tragender Rechtsgrund54 Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 170 f.; ebenso Daum, NJW 68, S.372, 375. 55 Unzutreffend Larenz, Methodenlehre, S.413: Heinrich Stoll habe in LZ 23, Sp.532 den Gedanken der c. i. c. mit dem Vertrauensprinzip verbunden und ihn dadurch überzeugend zu formulieren verstanden. 56 Jh. Jb. 4, S. 1 ff. 57 Demgemäß wird auch in den Motiven (Motive I, S. 195) als Anwendungsfall des Rechtsinstituts c. i. c. lediglich die "übermittlung einer unzuverlässigen Willenserklärung" aufgeführt. 58 Von Jhering, Jh. Jb. 4, S. 1, 41 f. so Vgl. nur RGZ 120, S. 249 f. - 1. 3. 28 - VI 258/27; RGZ 107, S.357 - 28.11. 23 - V 802/22; heute noch Palandt / Heinrichs, § 276 Anm. 6 a; Staudinger / Löwisch, Vorb. §§ 275-283, Rd Nr. 38.

2. Rechtsgrund der Haftung

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lage (Rechtfertigung) entnahmen88• Wie aber schon ausgeführte1 , kann dieser Weg nicht beschritten werden. Weiterhin ist zu beachten, daß das der c. i. c. zugrundeliegende Rechtsverhältnis seit der Entscheidung des Reichsgerichts82 vom 1. 3. 28 allgemein als vertragsähnliches Vertrauensverhältnis63 bezeichnet wird. Dies legt die Assoziation nahe, das Vertrauen sei das die Haftung begründende Merkmal 64 • Richtig dürfte es aber sein, daß in der Rechtsprechung des Reichsgerichts mit der Bezeichnung "vertragsähnliches Vertrauensverhältnis" keine Aussage zur Begründung der Haftung gemacht wird, sondern lediglich eine Charakterisierung des Schuldverhältnisses stattfindet 65 oder wie Dölle 88 es formuliert, das Vertrauensverhältnis als Folge des Schuldverhältnisses nicht als sein Grund angenommen wird. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sollte man von einem Treueverhältnis anstatt von einem Vertrauensverhältnis sprechen61 • Ferner läßt sich nicht verkennen, daß der Vertrauensgedanke in gewisser Weise der gesamten Rechtsordnung und insbesondere der Rechtsgeschäftslehre zu Grunde liegt. Die Sicherungs- und Ordnungsfunktion des Rechts besteht ganz allgemein darin, das Vertrauen des einzelnen, z. B. in die Integrität seiner Rechtsgüter, die Verbindlichkeit von Verträgen, die Gewährung staatlichen Rechtsschutzes zur Durchsetzung eigener Ansprüche usw. zu schützen und zu erhalten. Unter diesem Gesichtspunkt kann man praktisch jede gesetzliche Regelung und jedes außerhalb des Gesetzes entwickelte Rechtsinstitut auf den Vertrauensgedanken zurückführen8s • Auch im Bereich der Schutzpflichten kann nicht zweifelhaft sein, daß sich jede Partei darauf verlassen können muß, daß ihre Rechtsgüter und Interessen bei Vertragsanbahnung nicht entgegen Treu und Glauben verletzt werden69 • Was lag daher näher, Vgl. z. B. Hildebrandt, S. 118 ff., 125, 131. u S. o. unter B. II. 2. c) aa) nach Fn. 33. M RGZ 120, S. 249 f. - 1. 3. 28 - VI 258/27. 83 Kritisch zu diesem Begriff Eichter, S. 9 ff. 64 So z. B. ausdrücklich Diers, S. 51 Fn. 131. 85 So Hildebrandt, S.109; zweifelhaft z. B. Canaris, JZ 65, S. 475 f. das Vertrauensverhältnis ergebe sich aus der besonderen Einwirkungsmöglichkeit. 68 ZStw 103, S.67, 74 Fn.1; vgl. auch StoH, Festschrift Lehmann, S.115, 133. 81 So für den Bereich der positiven Forderungsverletzung Köpcke, S. 12. 8S Dementsprechend vertreten z. B. nicht wenige Autoren die Ansicht, daß der Vertrauensgedanke den tragenden Geltungsgrund für die Verbindlichkeit von Rechtsgeschäften bilde - vgl. die zahlreichen Nachweise bei Canaris, Vertrauenshaftung, S.412 Fn.1; Battes, JZ 69, S.683, 688 Fn.73. Eine Ansicht die von Canaris mit überzeugender Begründung abgelehnt wird, indem er dem Vertrauensprinzip das Prinzip der Privatautonomie entgegenstellt. n Vgl. z. B. RGZ 95, S. 58, 61 - 24. 9. 18 - VII 95/18. 60

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11. Erhaltungspflichten

als auch das Rechtsinstitut c. i. c. auf das Vertrauensprinzip zurückzuführen? Wenn somit auch leicht erklärlich ist, wieso der Vertrauensgedanke als tragender Rechtfertigungsgrund des Rechtsinstituts c. i. c. - und damit auch der obligatorischen Erhaltungspflichten - herangezogen wurde und wird, so vermag diese Ansicht dennoch nicht voll zu überzeugen70 • Sie findet zunächst keine Stütze in dem Wortlaut71 des § 242 BGB72 , auch wenn man das Rechtsinstitut c. i. c. aus dieser Vorschrift ableitet 73 • Aus § 242 BGB kann nämlich nicht geschlossen werden, daß eine Vertrauensbeziehung Voraussetzung eines Schuldverhältnisses ist; vielmehr begründet nach dieser Vorschrift das Schuldverhältnis gerade eine "sinngemäß" zu verstehende Vertrauensbeziehung 74 • Ein erstes Bedenken liegt darin, daß der Begriff "Vertrauen" äußerst vielgestaltig und unbestimmt ist's. Darüber hinaus kann man - wie schon anklang - "Vertrauen" im Gemeinschaftsleben ohne weiteres als Konstante ansetzen". Es handelt sich bei ihm um ein allgemeines Prinzip mitmenschlichen Zusammenlebens77 , das für den Bestand einer 70 Kritisch insbesondere Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 168 ff.; derselbe, Verkehrsschutz, S. 61 ff.; Ftume, Allg. Teil Ir, § 10/4, S. 128 f., insbesondere Fn. 36 a; Welser, Vertretung, S. 70 ff.; derselbe, ÖJZ 73, S. 281 ff.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 B II 2, S.35; Baumert, S. 28 f.; Erdsiek, Jur. Jahrb. 67/68, S.36, 50; Daum, NJW 68, S.372, 375 ff.; Schütz, S. 78 ff.; vgl. jetzt auch Roth, Münchner Kommentar, § 242 Rd Nr. 195; Emmerich, Münchner Kommentar, Vor § 275 Rd Nr. 88; Evans-von Krbek, AcP 179, S.85, 87; ablehnend zum Vertrauensgedanken auch schon Stoll, Festschrift Lehmann, S. 115, 131: "Die Interessen des Geschäftsherrn werden nicht deshalb geschützt, weil er seinem Vertreter vertraut hat, sondern nur weil und soweit im rechtsgeschäftlichen Verkehr jeder auf die Interessen des anderen billige Rücksicht nehmen muß"; Erman, AcP 139, S.273, 311 ff. 71 Vgl. zur Wortbedeutung der Begriffe "Treu und Glauben" Staudinger j Weber, § 242 Rd Nr. A 124 Fn. 72 a. A. Sticht, S. 38 ff. 73 SO Z. B. Staudinger I Weber, § 242 Rd Nr. A 183, A 417, A 770; Larenz, Schuldr. Allg. Teil, § 10 II, S. 116; Sticht, S.38; a. A. v. Godin, Großk. HGB, § 346 Anm. 20. 74 Staudinger I Weber, § 242 Rd Nr. A. 191; vgl. auch § 2 des Entwurfs zur Abänderung des Schuldrechts - abgedruckt bei Staudinger I Weber, § 242 RdNr. A169. 75 Auch dies dürfte allerdings nicht zuletzt dazu beigetragen haben, daß sich die Ansicht, der Vertrauensgedanke enthalte den eigentlichen Rechtfertigungsgrund der c. i. c. ohne nähere Begründung durchzusetzen vermochte. Mit dem Vertrauensprinzip hat die Rspr. ein willfähriges Instrument in der Hand, "billige" Ergebnisse zu erzielen, indem je nach Bedarf die Anforderungen an das Merkmal "Vertrauen" variiert werden. 76 Vgl. Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 172; Eichler, S.110; Wels er, Vertretung, S. 71; Schütz, S. 78 f.; Erdsiek, Jur. Jahrbuch 67/68, S.36, 50. 77 Mielke, S. 36.

2. Rechtsgrund der Haftung

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Gemeinschaft unerläßlich ist und überall im Leben entgegengebracht wird. Hieraus folgt, daß der Vertrauensgedanke nicht schon um seiner selbst willen die Annahme einer haftungsrechtlichen Sonderbeziehung nahelegen kann 78. Das Vertrauensprinzip stellt, worauf Wiedemann 79 hinweist, eben kein "materiales Wertprinzip" dar, das aus sich heraus greifbare Elemente anbietet, wo Vertrauen schutzwürdig ist und wo nicht. Es vermag selbst keine Verbindlichkeiten zu erzeugen, vielmehr bedarf der Schutz etwaigen Vertrauens selbst wiederum der Begründung 80. Damit in Zusammenhang steht, daß der Vertrauensgedanke nicht zu erklären vermag, wieso - wie es ganz herrschender Meinung 81 entspricht - die obligatorische Haftung außerhalb einer vertraglichen Beziehung lediglich im rechtsgeschäftlichen Bereich, nicht aber bei sonstigem gesellschaftlichem Kontakt Anwendung findet 82 . So wird von den Vertretern der Lehre vom "sozialen Kontakt"83 zu Recht betont, daß die Konsequenzen aus der Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen nicht auf den rechtsgeschäftlichen Kontakt - insbesondere nicht auf den Güteraustausch - beschränkbar seien84 und das die h. L. nicht zu erklären vermöge, was denn die "Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Erhaltungs- und Schutzinteressen des Kontaktpartners damit zu tun hat, ob der Abschluß eines Rechtsgeschäfts das Ziel der Kontaktaufnahme oder doch deren möglicher Erfolg ist". Da auch für die h. L. nicht entscheidend sei, daß tatsächlich ein wirksamer Vertrag abgeschlossen wird, werde "eine bloß äußere Parallele zu den vertraglichen Haftungsgrundsätzen hergestellt, wenn man im außervertraglichen Kontaktbereich die Absicht oder die einseitige Tendenz zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts verlangt"85. Ausgehend vom "Vertrauen" als die Haftung aus c. i. c. tragendem und rechtfertigendem Grund läßt sich hiergegen kaum argumentieren88 , da 78 BGH BB 74, S. 998 f. - 14.5.74 - VI ZR 48J73. a Haftungsbeschränkung, S.8; derselbe, BB 75, S.1591, 1593. 80 Battes, JZ 69, S. 683, 688 f. 81 Vgl. nur Erman, AcP 139, S.273, 321; Nirk, Festschrift Möhring (1975), S. 71,78. 82 Vgl. zu diesem Einwand gegen den Vertrauensgedanken Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 171; derselbe, Verkehrsschutz, S.65; Larenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 399; Welser, ÖJZ 73, 5.281, 284. 83 Vgl. z. B. Dölle, ZStw 103, S. 67 ff., der allerdings diese Lehre nur bei den Erhaltungspflichten anwendet und den rein gesellschaftlichen Kontakt als nicht ausreichend ansieht, was allgemein (vgl. nur Larenz, MDR 54, S. 516, 517) als inkonsequent bezeichnet wird; Haupt, Festschrift Siber II, S. 1 ff., 9 ff., 14; E. Schmidt, Nachwort, S. 145 ff. 84 So Esser / Schmidt, Schuldr. Allg. Teil, Teilbd. 2, § 29 I, S. 91. 85 50 Thiele, JZ 67, S.649, 652; ähnlich Siebert / Knopp, § 242 Rd Nr. 156. 86 Die Argumentation, wie sie z. B. von Canaris, HGB-Großk., Anh. zu § 357 HGB, Anm.l0 vertreten wird, die Vertrauenshaftung führe zu denselben Rechtsfolgen wie die Vertragshaftung und das lasse sich nur recht-

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II. Erhaltungspflichten

"das Vertrauen" - wie schon erwähnt - dem Gemeinschaftsleben schlechthin zu Grunde liegt. Insoweit hilft es auch nicht weiter, wenn man für die Haftung aus c. i. c. ein besonderes Vertrauen fordert 87 • Zum einen lassen sich allgemeine Redlichkeitserwartung, Vertrauen und besonderes Vertrauen kaum voneinander abgrenzen88• Zum anderen gibt es auch im allgemeinen zwischenmenschlichen Bereich sehr starke Vertrauentatbestände (z. B. im Familienleben, im Kreis von Freunden, auf der Arbeitsstelle), so daß besonderes Vertrauen nicht als Spezifikum des rechtsgeschäftlichen Verkehrs angesehen werden kann. Vielmehr stehen sich gerade im rechtsgeschäftlichen Bereich häufig unbekannte Personen gegenüber, die keinen Anlaß haben, sich besonderes Vertrauen entgegenzubringen. Oftmals weiß der Partner sogar, daß sein Gegenüber ein "mit allen Wassern gewaschener" Geschäftsmann ist; ihm wird er in den seltensten Fällen besonderes Vertrauen entgegenbringen88 • Es muß vielmehr entgegen der Ansicht, die im Vertrauen die Grundlage des Rechtsinstituts c. i. c. sieht, ein auf den rechtsgeschäftlichen Bereich beschränktes und diesem eigentümliches "Kriterium" als Grundgedanke der Haftung aus c. i. c. zu Grunde liegen, wenn es richtig ist, daß das Rechtsinstitut c. i. c. lediglich bei rechtsgeschäftlichem Kontakt zur Anwendung kommt. Die über diese Einschränkung in einer ersten Stufe hinausgehende Lehre vom"sozialen Kontakt" sieht den tragenden Grund für die Haftung nach obligationsrechtlichen Regeln in der Tatsache, daß jemand zur Erreichung eines bestimmten Zwecks seine Güter dem Einfluß eines anderen aussetzt, indem er insbesondere in die von diesem beherrschte Rechtssphäre eintritt und ihm damit seine Güter anvertraut80 • Die Deliktsregeln seien auf den eher "zufälligen" Kontakt zugeschnitten und wollten das Entfaltungsrisiko bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr kanalisieren. Hiervon sei der qualitativ gesteigerte soziale Kontakt mit fertigen, wenn wenigstens ein Handeln innerhalb des rechtsgeschäftlichen Verkehrs und damit eine gewisse Verwandtschaft zu den Fällen echter Vertragsverletzung gegeben sei, vermag allenfalls zu begründen, wieso lediglich nicht aber wieso gerade im rechtsgeschäftlichen Bereich eine strengere Haftung gerechtfertigt ist. Sie bestätigt geradezu den Vorwurf der bloß äußerlichen Verknüpfung. 87 So auch WelseT, Vertretung, S.72. 88 Vgl. Sticht, S.89. 88 Vgl. auch LaTenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 399; Medicus, JuS 65, S.209,213. 80 Vgl. z. B. Dölle, ZStW 103, S.67, 74; SoeTgell Knopp, § 242 Rd Nr. 105, 156; Thiele, JZ 67, S.649, 652; EsseT I Schmidt, Schuldr. Allg. Teil, Teilbd. 2, § 29 I, S.90; teilweise wird die Lehre vom sozialen Kontakt allerdings auch unabhängig vom Vertrauensprinzip vertreten - vgl. BlomeyeT, § 17, S.72.

2. Rechtsgrund der Haftung

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seiner erhöhten und umfassenderen Gefahranfälligkeit zu unterscheiden. Bei ihm würden die beiderseitigen Interessen auf engerem Raum kollidieren und werde der Zugriff leichter als im "gängigen Sozialverkehr" ermöglicht. Schon dieser soziale und nicht nur der rechtsgeschäftliche Kontakt müsse geschützt werden, da es einer sozialstaatlich organisierten Gesellschaft versagt sei, die Beziehungen ihrer einzelnen Mitglieder zueinander lediglich oder auch nur vorrangig nach den Verhältnissen des Warenaustauschs abzubildeno1 • Zunächst ist dieser Lehre vorzuwerfen, daß sie die Grenze zwischen der Haftung nach Vertrags- und nach Deliktsgrundsätzen aufhebt und verwischt, da sie keine Abgrenzung zwischen "normalem" sozialem Kontakt (lediglich deliktische Haftung) und "gesteigertem" sozialem Kontakt (vertragliche Haftung) ermöglichte!. Nicht entscheidend kann für das Merkmal des gesteigerten sozialen Kontakts sein, daß sich jemand in dem Sinne in den Einflußbereich eines anderen begibt, daß er dessen räumlich beherrschte Sphäre betriW3• Denn es kann keinen Unterschied machen, ob die erhöhte und umfassendere Gefahranfälligkeit auf dem körperlichen Eintritt in die räumliche Rechtssphäre oder auf Grund eines Kontakts auf "neutralem" Gebiet entsteht04 • Beispiel: Herr Meier wird von dem Hund des Herrn Müller gebissen, als er a) Herrn Müller auf dessen Einladung hin besucht oder b) als er mit Herrn Müller nach dem Essen spazieren geht. Nach der Lehre vom sozialen Kontakt ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, die beiden Fälle unterschiedlich zu behandeln. Ob Herr Meier innerhalb oder außerhalb des von Herrn Müller beherrschten räumlichen Bereichs verletzt wird, ist rein zufällig. Hinzu kommt, daß es nur konsequent wäre, auch denjenigen, der sich in den Einflußbereich des anderen begibt, für die Verletzung von Sorgfaltspflichten nach vertraglichen Grundsätzen haften zu lassen, da auch ihm die Rechtsgüter des anderen anvertraut sind und ihm eine gegenüber Außenstehenden - gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit eröffnet ist. Weiterhin ist auch eine erhöhte und umfassendere Gefahranfälligkeit und das Anvertrauen von Rechtsgütern kein ausschließliches Merkmal eines gesteigerten sozialen Kontakts. Gerade das Abstellen auf die erhöhte und umfassendere Gefahranfälligkeit ist zur Abgrenzung denkbar ungeeignet, da sich kaum feststellen und beschreiben läßt, wann die allgemeine Gefährdung den Punkt zur besonderen Gefährdung übern So Esser I Schmidt, Schuldr. Allg. Teil, Teilbd. 2, § 29 I, S. 90 f. VgI. K. Schmidt, JuS 77, S.722, 724; Pasch, zmv 74, S.165, 171; Welser, ÖJZ 73, S.281, 284; derselbe, Vertretung, S.69; Schütz, S.77: Die Lehre vom sozialen Kontakt führe zu einer viel zu weiten Haftung . • 3 Diese räumliche Betrachtung wird durch die Ausführungen einiger Autoren nahegelegt - vgI. z. B. Esser J Schmidt, Schuldr. Allg. Teil, Teilbd.2, § 29 I, S. 91; Baumert, S. 26. " VgI. auch Diers, S. 42; Sticht, S.22. H

H. Erhaltungspflichten

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schreitet und da auch im deliktischen Bereich eine erhebliche Gefahranfälligkeit sowohl im Hinblick auf Qualität (Art des Schadens) als auch Quantität (Höhe des Schadens) besteht. Dies hat schon Larenz95 am Beispiel des allgemeinen Straßenverkehrs98 nachgewiesen. Jeder Verkehrsteilnehmer sei in erheblichem Maße gefährdet, wenn der andere die Verkehrsregeln nicht einhalte. Jeder lasse sich in seinem Verhalten durch die Erwartung bestimmen, daß sich der andere richtig verhalten werde, und vertraue sich und seine Rechtsgüter für den Augenblick des Zusammentreffens der Sorgfalt des anderen an. Dieser Argumentation hält Thiele 97 wenig überzeugend entgegen, daß allein das Abstellen auf den Vertrauensgedanken Dälle nicht gerecht werde, da dieser ja daneben den sozialen Kontakt nach Art einer Sonderverbindung fordere; denn bei Dälle wird gerade nicht deutlich, worin das Wesen dieser Sonderbeziehung liegen soll. Thiele selbst sieht es als Wesen der Sonderverbindung, die eine Pflicht zu erhöhter Rücksichtnahme auf den anderen und seine Güter auferlegt, an, daß ein gewollter und gezielter Kontakt besteht98 • Aber auch dieses Kriterium ist zur Abgrenzung nicht geeignet, da zum einen nicht einzusehen ist, wieso lediglich bei bewußtem und gewolltem Kontakt und andererseits gerade dann die vertragliche Haftung gerechtfertigt sein soll. Beispiel: A besucht B, mit dem er seit Jahren befreundet ist. Auf dem Gartenweg kommt er zu Fall, weil eine Platte fehlt. Soll die Haftung nach deliktischen oder vertraglichen Grundsätzen davon abhängen, ob A den B zu einem bestimmten Tag eingeladen hatte, ob er gesagt hatte, "komm' doch mal vorbei", oder ob A sich, weil er zufällig in der Nähe war, zu einem Besuch entschlossen hatte? Die gleichen Schwierigkeiten bestehen, wenn man mit anderen Leuten auf einer geselligen Veranstaltung zusammentrifft. Die gegenseitigen Rechtsbeziehungen können nicht davon abhängen, ob es sich um ein gewolltes oder ein rein zufälliges Zusammentreffen handelt. Durch die Lehre vom sozialen Kontakt wird daher, wie auch der BGH99 betont, die im geltenden Haftungssystem bewußt gezogene Grenze zwischen vertraglichem und deliktischem Bereich weitgehend aufgehoben, ohne sie durch einen rechtlich und wirtschaftlich praktikableren Maßstab zu ersetzen. Hinzu kommt, daß diese Lehre das vom Gesetzgeber gewollte Verhältnis von Delikts- und Vertragshaftung ins Gegenteil verkehrt, da ein unverMDR 54, S.516, 517; zustimmend Müller, NJW 69, S.2169 Fn.11. Für den sicherlich nur deliktische Regeln gelten. 97 JZ 67, S.649, 652; vgl. auch Kramer, Münchner Kommentar, Bd.2, Einleitung Rd Nr. 72. 98 JZ 67, S.649, 651; ebenso E. Schmidt, Nachwort, S. 145; ähnlich Baumert, S. 39 f.; vgl. auch Soergell Knopp, § 242 Rd Nr. 154: die Sonderverbindung setze voraus, daß der soziale Kontakt auf eine Aufforderung des Haftenden zustandegekommen sei. 99 BGH BB 74, S. 998, 999 - 14.5. 74 - VI ZR 48/73. 95

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2. Rechtsgrund der Haftung

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hältnismäßig großer Teil der Fälle der Vertragshaftung zugeschlagen würde10o . Zudem erscheint es nach der Entscheidung des Gesetzgebers, der lediglich die rechtsgeschäftlichen Beziehungen mit gegenüber dem Deliktsrecht gesteigerten Schutzpflichten belegte, nur gerechtfertigt, solche Beziehungen nach Vertragsgrundsätzen zu behandeln, die zu rechts geschäftlichen Zwecken herbeigeführt werden101 . Dem steht nicht das von E. Schmidt 102 bemühte Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG entgegen, noch ist hierin ein Ausdruck unzeitgemäßer kapitalistischer Betrachtungsweise zu sehen103 . E. Schmidt verkennt schon, daß Rechtsgeschäfte keineswegs notwendig auf Warenaustausch und Erstreben geschäftlichen Gewinns gerichtet sein müssen (vgl. Schenkung, Leihe, familienrechtliche Beziehungen). Darüber hinaus kann die Ausgestaltung der Rechtsgeschäfte im Bürgerlichen Gesetzbuch und ihr besonderer Schutz nicht als Widerspruch zum Sozialstaatsprinzip stehend bezeichnet werden. Das Sozialstaatsprinzip ist nach allgemeiner Ansicht104 auf Herstellung und Wahrung sozialer Gerechtigkeit und auf Abhilfe sozialer Bedürftigkeit gerichtet. Es enthält kein allgemeines Gebot der Rücksichtnahme der Menschen untereinanderlos. Daher ist nicht ersichtlich, wieso sich aus ihm heraus der besondere Schutz des Rechtsverkehrs in der Rechtsordnung verbieten soll. Sozialer Kontakt und Sozialstaatsprinzip haben nichts miteinander zu tun. Nach alledem kann der Lehre vom sozialen Kontakt nicht gefolgt werden. Abzulehnen ist damit zugleich die noch weitergehende Abwandlung von Blomeyer106 , der allein darauf abstellt, ob der Rechtsgüterkontakt zu sozial adäquaten Zwecken erfolgt, ohne auf das Vertrauensprinzip zurückzugreifen. Zusätzlich ist dieser Ansicht entgegenzuhalten, daß eine tatsächliche Situation allein eine vertragsähnliche Haftung nicht zu rechtfertigen vermag107 und daß sie zur völligen Auflösung des Schadenersatzsystems des BGB führen würdelOS. 100 Canaris, VersR 65, S. 114, 116; Kreuzer, JZ 76, S.778. 101 Vgl. BGH WM 78, S.425 - 19.12.77 - II ZR 164/76; Roth, Münchner Kommentar, § 242 Rd Nr. 200; Esser, Schuldr. Allg. Teil, Bd.l, § 52 III 2, S.377; Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.97 Fn.4; von Lackum, S. 107 f.; Erman, AcP 139, S. 273, 321. 102 Esser I Schmidt, Schuldr. Allg. Teil, Teilbd. 2, § 29 I, S. 91. 103 So E. Schmidt, Nachwort, S. 147. 104 Vgl. nur Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 20 GG, Anm.20. 105 Siebert / Knopp, § 242 Rd Nr. 31 m.w.N. 108 Allg. Schuldr., § 17 IH, S. 72 f.; ebenso Baumert, S. 31, allerdings beschränkt auf die Erhaltungspflichten - s. S. 48. Eine gesetzliche Stütze seiner Ansicht sieht Blomeyer a.a.O. in der Haftung des Geschäftsführers ohne Auftrag - hiergegen ausführlich Canaris, VersR 65, S. 114, 116 Fn. 16. 107 So Soergel! R. Schmidt, Vor § 275 Rd Nr. 5; Müller, NJW 69, S.2169 Fn.ll.

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Es bleibt somit festzuhalten, daß der Haftung aus c. i. c. nach vertragsrechtlichen Grundsätzen nur zugestimmt werden kann, wenn die Kontaktaufnahme im Hinblick auf ein Rechtsgeschäft - Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr - erfolgt und daher schon zu diesem Zeitpunkt ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem intendierten Rechtsgeschäft bejaht werden kann109 • Nur bei dieser Betrachtungsweise werden die Grenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung nicht völlig aufgehoben, bleibt eine Abgrenzung möglich und besteht der erforderliche innere Zusammenhang mit dem Rechtsgeschäft, der die Heranziehung der für das Rechtsgeschäft selbst geltenden Grundsätze zu rechtfertigen vermag. Allenfalls dann läßt sich sagen, daß die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen der Beteiligten der Situation zwischen Vertragspartnern entsprechenllO • Insoweit kann man mit Recht von einer "Vorwirkung"l11 des intendierten Vertrages sprechen, wobei es für diese Vorwirkung allerdings nicht entscheidend ist, ob es letztlich zu einem wirksamen Rechtsgeschäft kommt oder nicht. Es muß daher - will man den tragenden Grundgedanken der Haftung aus c. i. c. herausarbeiten - weiter untersucht werden, wieso es gerechtfertigt ist, gerade innerhalb des rechtsgeschäftlichen Verkehrs den Beteiligten besondere Pflichten aufzuerlegen, oder anders gefragt, worin das Spezifikum des Rechtsverkehrs liegt, das die gesteigerte Haftung fordert und rechtfertigt. ce) Besonderheit des rechtsgeschäftZichen Kontakts (a) Gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit

Stellt man für den Rechtsgrund der obligationsmäßigen Haftung auf die Besonderheiten des rechtsgeschäftlichen Verkehrs ab, so kann der tragende Grundgedanke für die gesteigerte Haftung allenfalls bedingt in der besonderen (?) Einwirkungsmöglichkeit l12 gesehen werden, die dadurch entstehen soll, daß sich zum Zweck des Vertragsabschlusses die eine Partei in die Rechtssphäre der anderen begibt oder umgekehrt den Zugang zu ihrer eigenen Rechtssphäre eröffnet. Wie schon bei der Auseinandersetzung mit der Lehre vom sozialen Kontakt an Hand des Straßenverkehrs erörtert, gibt es überall im Leben erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter anderer und sind diese einem So Canaris, VersR 65, S.114, 116 Fn.13. Vgl. auch Sticht, S.41 m.w.N. 110 Vgl. hierzu Gerhardt, JuS 70, S.597, 599. 111 So insbesondere Leonhard, Verschulden bei Vertragsschluß, S.42. 111 Vgl. z. B. Canaris, Vertrauenshaftung, S.540, insbesondere Fn.80; derselbe, HGB-Großk., Anh. zu § 357 HGB, Anm.9; Roth, Münchner Kommentar, § 242 Rd Nr. 195; Medicus, Bürgerl. Recht, Rd Nr. 199; Esser, Schuldr., Bd. 1, § 52 111 2, S. 377; Jakobs, Unmöglichkeit, S.40; StolZ, AcP 136, S.257, 288 ff., 298 ff.; Thiele, JZ 67, S. 649 f., 653. 108 108

2. Rechtsgrund der Haftung erheblichen Schadensrisiko ausgesetzt. Es ist keineswegs so, daß speziell im rechtsgeschäftlichen Verkehr gesteigerte Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter des anderen Teils bestehen. So hat jeder Besucher eines Warenhauses, einer Gaststätte oder eines Privathauses die gleiche Einwirkungsmöglichkeit, gleichgültig zu welchem Zweck der Besuch stattfindet. Die im allgemeinen Leben bestehende Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter eines anderen kann nach Art und Umfang über die im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Beziehung bestehende sogar weit hinausgehen. Diese Ansicht allein vermag somit nicht zu begründen, wieso gerade im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Kontakts eine gesteigerte Haftung gerechtfertigt ist. (b) Geschäftliches Interesse Eher gerechtfertigt erscheint es unter dem Blickwinkel der Besonderheiten des Rechtsverkehrs, den tragenden Rechtfertigungsgrund für die verschärfte Haftung nach Vertragsrecht in dem geschäftlichen Interesse der Beteiligten zu sehen113, welches regelmäßig auf den rechtsgeschäftlichen Bereich beschränkt ist. Unter geschäftlichem Interesse in diesem Sinne ist das Erstreben wirtschaftlicher Vorteile zu verstehen. Ausgangspunkt dieser Ansicht ist § 278 BGB, um dessen Anwendbarkeit es im Rahmen der c. i. c. praktisch nur gehe114 und in dem der hauptsächlichste Unterschied zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung zu sehen sei l15• Man brauche daher nur nach dem rechtslogischen Grund für § 278 BGB zu fragen, der dann "frei von allen axiomatischen Bezugspunkten, die Rechtfertigung für das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo" gebe l16• Rechtsgedanke des § 278 BGB sei es, daß derjenige, der sich die Vorteile der Arbeitsteilung zunutze mache auch ihre Nachteile - also mehr Verantwortung - tragen müsse. Hieraus folge für den Bereich der c. i. c., daß das Interesse an geschäftlichen Vorteilen das Kriterium sei, das den Beteiligten gesteigerte Pflichten auferlege. Dieser Ansicht ist zunächst entgegenzuhalten, daß § 278 BGB ein bestehendes Schuldverhältnis voraussetzt117• Aus seinem Rechtsgedanken können daher schwerlich die Grundsätze abgeleitet werden, die es rechtfertigen, die Entstehung eines solchen Schuldverhältnisses zu bejahen. Anders ausgedrückt, § 278 BGB ist erst auf der zweiten Stufe (innerhalb des Schuldverhältnisses) anwendbar, zuvor muß geprüft und 113 So Larenz, MDR 54, S.515, 518; Daum, NJW 68, S.372, 376; Sack, WRP 74, S. 445,454; ähnlich Schubert, AcP 168, S. 470,509 Fn. 125. 114 So Larenz, MDR 54, S. 515,517. 115 So Daum, NJW 68, S. 372, 376. 116 Daum, NJW 68, S. 372, 376. 117 Vgl. nur Palandt I Heinrichs, § 278 Anm. 1 b; Böhmer, MDR 61, S.566; kritisch auch Diers, S. 44 ff.; v. Lackum, S.97; Mielke, S.33.

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II. Erhaltungspflichten

begründet werden, ob, wieso und unter welchen Voraussetzungen ein Schuldverhältnis ensteht. Weiterhin liegt § 278 BGB keineswegs als entscheidender Rechtsgedanke das Prinzip des geschäftlichen Interesses zu Grunde. Zwar beruht die verschärfte Gehilfenhaftung auf dem Gedanken, daß der Schuldner gegenüber dem Gläubiger für seinen Geschäfts- und Gefahrenbereich verantwortlich ist118 und daß er, wenn er die Vorteile der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, auch deren Nachteile tragen und sich nicht der Verantwortung entziehen können soll119. Dies gilt aber nicht nur dann, wenn der Schuldner, der sich eines Erfüllungsgehilfen bedient, wirtschaftliche Vorteile erstrebt, sondern auch im Rahmen unentgeltlicher Verträge wie Schenkung, Leihe, Auftrag, unentgeltliche Verwahrung und im Rahmen gesetzlicher Schuldverhältnisse. Die Voraussetzung "geschäftliches Interesse" kann § 278 BGB somit nicht entnommen werden. Letztlich stellt diese Ansicht zu einseitig auf § 278 BGB ab. Es ist Larenz zwar zuzugeben, daß das Bedürfnis nach der strengeren Gehilfenhaftung des Vertragsrechts gerade im Bereich der Erhaltungspflichten wesentliche Impulse zur Entwicklung des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo lieferte. Im allgemeinen wird jedoch die Problematik der Gehilfenhaftung für die Entwicklung des Rechtsinstituts der c. i. c. in hohem Maße überbewertet12o• So finden sich in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, dem im wesentlichen die Herausarbeitung dieses Rechtsinstituts oblag, nur selten Fälle, in denen es entscheidend auf die Anwendung des § 278 BGB ankam121 • Wesentlich häufiger sind Urteile zur Verletzung von Aufklärungs- und Offenbarungspflichten, ohne daß die Anwendung des § 278 BGB von Bedeutung gewesen wäre l22 , und zur Eigenhaftung Dritter123 • Auch die mitgeteilten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu den Erhaltungspflichten betrafen im wesentlichen keine Fälle, in denen dem Schädiger ohne die Heranziehung des Rechtsinstituts der c. i. c. die Exkulpation nach § 831 BGB gelungen wäre. So war für den Bananenschalenfall die Beweislast, für den Gemüseblattfall die Verjährungsfrist, für den Werkstattfall das Bestehen von 118 Vgl. nur Palandt 1Heinrichs, § 278 Anm. 1 a; Erman 1Battes, § 278 Rd Nr. 1; so auch Larenz, MDR 54, S. 515, 518. 119 Motive II, S. 30; Soergell R. Schmidt, § 278 Rd Nr. 1; Palandt 1Heinrichs, § 278 Anm.l a; Daum, NJW 68, S.372, 376. 120 Vgl. zusätzlich z. B. Erdsiek, Jur. Jahrb. 67/68, S. 36, 48; Weimar, MDR 78, S. 376 f.; Gerhardt, JuS 70, S. 597,599. 121 So RGZ 78, S.239 ff. - 7. 12. 11 - VI 240/11; RGZ 107, S.240, 243 - 12. 7. 23 - VI 5/23. 122 Vgl. z. B. RGZ 95, S.58, 60 - 24.9.18 - VII 95/18; RGZ 107, S.357, 362 - 28.11.23 - V 802/22; RGZ 108, S.408, 410 - 27.9.24 - I 537/23; RGZ 114, S.155, 159 - 23.6.26 - V 487/25; RGZ 120, S.249, 251 - 1. 3. 28 - VI 258/27. 123 Vgl. z. B. RGZ 120, S.249, 252 - 1. 3. 28 - VI 258/27; RGZ 132, S.76 _ 5.4. 31 - VI 526/30; RGZ 159, S.33, 55 - 29. 10.38 - II 178/37.

2. Rechtsgrund der Haftuni

51

Obhutspflichten, für den Bankfall das Bestehen von Betreuungspflichten und für den Abwerbungsfall das Bestehen eines Abwerbungsverbotes entscheidend. Die strengere Gehilfenhaftung kann weder grundsätzlich als der hauptsächlichste Unterschied zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung bezeichnet werden, noch gilt dies speziell für das vorvertragliche Haftungsverhältnis. Unterschiede bestehen darüber hinaus - wie gezeigthinsichtlich der Umkehr der Beweislast (vgl. Bananenschalenfall), der Verjährungsfrist (Gemüseblattfall), der Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden (Abwerbungsfall) und der Statuierung "besonderer" Rechtspflichten (Werkstattfall, Bankfall, Abwerbungsfall). Aus § 278 BGB kann daher der tragende Rechtsgedanke der Haftung aus c. i. c. nicht entnommen werden. Wenn sich somit in § 278 BGB auch nicht der positivrechtliche Ansatzpunkt für die These finden läßt, das geschäftliche Interesse eines Beteiligten rechtfertige die verschärfte Haftung nach vertragsrechtlichen Grundsätzen, so ist diese These damit noch nicht widerlegt. Es erscheint nicht abwegig, gerade demjenigen, der aus Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung geschäftlichen Nutzen ziehen will oder gezogen hat, deswegen verschärft - nach Vertragsrecht - haften zu lassen und ihm besondere über die allgemeinen Rechtspflichten hinausgehende Sorgfaltspflichten aufzuerlegen (Nutzen-Lastenprinzip). So wird nach der gesetzlichen Regelung des BGB innerhalb bestehender Schuldverhältnisse - jedenfalls soweit es sich um die Nichterfüllung der vertragsspezifischen Leistungspflicht handeltt2( - im Hinblick auf die an die Beteiligten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen in einigen Fällen danach differenziert, ob der Verpflichtete mit dem Geschäft einen eigenen Vorteil (Entgelt) erstrebt oder nicht (vgl. z. B. § 521 BGB, Schenkung; § 599 BGB, Leihe; § 690 BGB, unentgeltliche Verwahrung). Nach unserer Rechtsordnung kann jedoch kein Satz des Inhalts aufgestellt werden, daß lediglich die obligationsmäßige Haftung des am Geschäft wirtschaftlich Interessierten gerechtfertigt sei und nur ihm besondere Pflichten auferlegt werden könnten. So weist schon Ballerstedt125 zutreffend darauf hin, daß die §§ 179, 54 S. 2 BGB, § 41 Abs. 1 AktG und § 11 Abs. 2 GmbHG auch die Haftung derjenigen begründen, die im Regelfall im fremden Interesse handeln. Gleichfalls haftet bei fremdnütziger Treuhand und beim Strohmanngeschäft grundsätzlich 124 Vgl. zu dieser Einschränkung Larenz, Schuldr. Bes. Teil II, § 75 VI, S.61O; Schlechtriem, S. 332 ff., 346 ff., 389 f., der eine teleologische Reduktion der §§ 521, 599, 690 BGB des Inhalts vorschlägt, daß sie nur anzuwenden sind, soweit es sich um die Erfüllung der vertraglichen Hauptleistung handelt, nicht aber soweit im Vertragsverhältnis begründete Schutzpflichten betroffen sind. 125 AcP 151, S. 501, 523.

52

II. Erhaltungspflichten

nicht der wirtschaftlich interessierte Hintermann, sondern der Strohmann oder Treuhänder12G . Auch den §§ 521, 599, 690 BGB läßt sich ein solcher Grundsatz nicht entnehmen. Selbst wenn man der Ansicht124 , daß der Anwendungsbereich der genannten Vorschriften auf den Erfüllungsanspruch zu beschränken und nicht auf die im Vertragsverhältnis begründeten Schutzpflichten127 auszudehnen sei, nicht folgt 128 , so ergibt sich aus diesen Vorschriften lediglich eine Änderung des Haftungsmaßstabes gegenüber § 276 BGB für die Verletzung der schuldrechtlichen Schutzpflichten. Die Begründung der Pflichten selbst und die obligationsmäßige Haftung bei ihrer Verletzung bleiben hiervon jedoch unberührt. Darüber hinaus gilt die Minderung des Haftungsmaßstabes keineswegs für alle unentgeltlichen Verträge, wie insbesondere die gesetzliche Regelung des ebenfalls unentgeltlichen Auftrages zeigt12g. Nach unserer Rechtsordnung stellt somit das geschäftliche Interesse kein so wesentliches Kriterium dar, daß sich aus ihm allein die Haftung für c. i. c. herleiten ließe und daß es als Abgrenzungskriterium zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung dienen könnte. Abgesehen davon wäre das geschäftliche Interesse als Abgrenzungsmerkmal nur mit Einschränkungen geeignet, da die Interpretation des Begriffs "Interesse" mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Soll z. B. ein bloß mittelbares Interesse oder ein Provisionsinteresse genügen? Ist es ausreichend, wenn eine Partei einen ihr ungünstigen Vertrag abschließt, weil sie sich durch die Kontaktaufnahme spätere günstige Verträge erhofft? Weiter ist für den Vertragspartner häufig nicht erkennbar, welche Ziele die andere Partei mit dem Vertragsabschluß verfolgt und wer der eigentliche Geschäftspartner ist. Dann kann aus Gründen des Verkehrsschutzes hiervon auch nicht die Haftung der Beteiligten abhängen. (c) Eigene Ansicht -

besonderes Schutzbedürfnis des allgemeinen Rechtsverkehrs

Die Schwächen der bisher erörterten Ansichten zum Rechtsgrund der Haftung aus c. i. c. liegen darin begründet, daß sie zu einseitig allein auf die Interessen der Beteiligten und ihren Rechtskreis abstellen. Dies ist zum einen eine Auswirkung des betont individualistischen Rechtsdenkens, welches dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu Grunde liegt. 128 Vgl. nur U. Müller, NJW 69, S.2169, 2170; Sticht, S. 83 f. 121 Zum Haftungsmaßstab im vorvertraglichen Schuldverhältnis vgl. Gerhardt, JuS 70, S.599, 603; zustimmend Nirk, Festschrift Möhring (1975), S.71, 86. 128 a. A. für § 521 BGB z. B. Erman I Seiler, § 521 Rd Nr. 1; für § 599 BGB z. B. Palandt I Putzo, § 599 Anm. 1; Erman I Schapp, § 599 Rd Nr. l. 129 Vgl. Erman I Seiler, § 521 Rd Nr. 3.

2. Rechtsgrund der Haftung

53

Zum anderen dürfte die Verbindung des Gemeinschaftsgedankens mit dem Nationalsozialismus und seine überbetonung im IH. Reich130 nach dem 2. Weltkrieg zu dieser Entwicklung geführt haben. Der rechtsgeschäftliche Verkehr, aus dem heraus das Rechtsinstitut c. i. c. begründet werden muß, dient jedoch nicht nur den Individualinteressen der unmittelbar an Abschluß und Durchführung eines konkreten Rechtsgeschäfts Beteiligten, sondern das Rechtsgeschäft muß in seinem Gesamtzusammenhang als Glied in der Kette der Wirtschaftsvorgänge - als Tatbestand des allgemeinen Rechtsgüterverkehrs - gesehen werdenl3l • Auf Grund dieser Erkenntnis bemüht man sich heute verstärkt um das Verhältnis von der Privatrechtsordnung zum Allgemeininteresse und zieht zum Teil Gemeinwohlvorstellungen als limitierende Kontrollmaßstäbe zur Überprüfung von Einzelverträgen heranl32 • Die Erkenntnis, daß das Rechtsgeschäft nicht als reines Parteiinternum angesehen werden kann, wirkt sich aber über Vertragstheorien und Rechtsgeschäftslehren hinaus aus. Sie ist ebenso von Bedeutung für Existenz und Umfang von Schutzpflichten im vertraglichen wie im vorvertraglichen Bereich133• Es ist nicht zu verkennen, daß der Einzelne wie die Allgemeinheit auf einen reibungslosen, gefahrlosen und störungsfreien Geschäftsverkehr angewiesen sind134• Das Rechtsgeschäft ist das Mittel der Rechtsordnung, das menschliche Zusammenleben sachlich richtig zu ordnen und die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Funktion kann es aber nur wahrnehmen und die reibungslose Durchführung ist nur gewährleistet, wenn den am Rechtsgeschäft Beteiligten sowohl bei Vertragsanbahnung als auch bei Vertragsabwicklung bestimmte Wohlverhaltenspflichten auferlegt werden, die über die allgemeinen deliktischen Pflichten hinausgehen und deren Verletzung nach obligationsmäßigen Grundsätzen sanktioniert wird. Nur dann wird der rechtsgeschäftliche Verkehr nicht unerträglich behindert135 und ist eine ordentliche Verhandlungsführung gewährleistet, die ihrerseits wiederVgl. besonders kraß Kinze, S. 40 ff. Vgl. z. B. Martens, AcP 177, S.113, 114; Mielke, S. 55 ff.; zur Betonung des Gemeinschaftsgedankens innerhalb des rechtsgeschäftlichen Verkehrs vgl. auch schon Geiß, S. 21 ff.; Mühlich, S. 14; zur Berücksichtigung makroökonomischer und anderer weitreichender sozialer Folgen vgl. Esser I Weyers, Schuldr. Bes. Teil, Bd. H, Teilbd. 1, § 6 H 4, S. 76. 131 Vgl. z. B. Martens, AcP 177, S.113, 114 m.w.N. 133 Vgl. z. B. BGH, Betrieb 78, S. 1926 f. - 20.6.68 - VI ZR 66/77: In dieser Entscheidung verneinte der Bundesgerichtshof einen Schadenersatzanspruch mit der Begründung, seine Anerkennung würde nicht "den Notwendigkeiten des modernen Bank- und Kreditverkehrs" entsprechen; Staudinger I Weber, § 242 Rd Nr. A 268. 134 Zur Betonung des Gemeinschaftsgedankens und des Gemeinschaftsinteresses an Verkehrssicherung und Verkehrserleichterung vgl. schon Stoll, Festschrift Lehmann, S.115, 120, 128, 131; Eplinius, JW 36, S.3140. 135 Hierzu Frotz, Gedenkschrüt Gschnitzer, S. 163, 174. 130

131

54

11. Erhaltungspflichten

um Voraussetzung für sachlich richtige Verträge und damit für die Funktionstauglichkeit des Rechtsverkehrs selbst ist136 • Gerade im vorvertraglichen Bereich treffen erhebliche Interessengegensätze aufeinander, die eine gesteigerte Gefahr der Verletzung und Schädigung des Geschäftspartners bedingen. Aus diesen Gründen muß und darf daher das Rechtsgeschäft (seine Anbahnung, Durchführung und Abwicklung) unter den "besonderen" Schutz der Rechtsordnung gestellt werden137). Diese herausragende Bedeutung eines funktionierenden Rechtsverkehrs für das menschliche Zusammenleben rechtfertigt als sachlicher Grund die Differenzierung zwischen rechtsgeschäftlichem und gesellschaftlichem Kontakt. Ebenso, wie in Teilbereichen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs dem Institutionen- und Funktionenschutz über den Individualschutz hinaus weitreichende und entscheidende Bedeutung zukommt138 , muß dies für den Rechtsverkehr in seiner Gesamtheit gelten. Der Schutz des Einzelnen erfolgt nicht lediglich um seiner selbst willen, sondern weil sich Individual- und Funktionenschutz gegenseitig bedingen. Ohne ausreichenden Schutz würde sich der einzelne aus dem rechtsgeschäftlichen Bereich zurückziehen und der Rechtsverkehr würde zum Erliegen kommen, wie umgekehrt ein funktionierender Rechtsverkehr weitere Teilnehmer anzieht. Hopt 139 bezeichnet dies als ein "System kommunizierender Röhren". Zu Recht führt Frotz 140 insoweit aus: "müßte jeder Verkehrsteilnehmer damit rechnen, bis zur Grenze der deliktischen Verantwortung beherrsche die Rücksichtslosigkeit und Unbekümmertheit als legitimes Prinzip die Anbahnung rechtsgeschäftlicher Sonderverbindungen, so würde der rechtsgeschäftliche Verkehr untragbar durch ängstliche Vorsicht und Mißtrauen behindert". Nicht gefolgt werden kann allerdings seiner Schlußfolgerung, das Rechtsinstitut c. i. c. sei "daher" als "Kehrseite der eingeräumten privatautonomen Gestaltungsmöglichkeit" anzusehen140• Das Rechtsinstitut c. i. c. dient nicht zuletzt der Verwirklichung der Privatautonomie, da ohne seine Anerkennung der Rechtsverkehr, dem der Gedanke der Privatautonomie zu Grunde liegt, uner136 Ähnlich für das österreichische Recht WeIser, ÖJZ 73, S.281, 284, der allerdings zusätzlich auf das geschäftliche Interesse abstellt. 137 Vgl. auch Erman, AcP 139, S.274, 321, 331; Hiddemann, WM 77, S.1242; Kram er, Münchner Kommentar, Bd. 2, Einleitung Rd Nr. 78; Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, 11. Auflage, § 9 I, S. 94, der noch in der 10. Auflage § 9 I, S.90 ausschließlich das besondere Vertrauen als Haftungsgrundlage ansah; zur besonderen Schutz- und Förderungswürdigkeit des Rechtsgeschäfts, vgl. zusätzlich Bydlinski, S. 138. 138 Vgl. für den Kapitalanlegerschutz im Gesellschaftsrecht Wiedemann, BB 75, S.1591; Schneider, ZHR 142, S.228, 233; für das Bankrecht Hopt, S. 51 ff., 333 ff.; für das Börsenrecht G. Hueck, S. 9 ff. 130 S.52. 149 Gedenkschrift Gschnitzer, S. 163, 173 f.

2. Rechtsgrund der Haftung

65

träglich belastet würde. Es stellt aber nicht ihr Korrelat dar, was sich z. B. darin zeigt, daß besondere Schutzpflichten auch bei gesetzlichen und nicht auf freier Willensentschließung beruhenden Schuldverhältnissen anzuerkennen sind. So besteht nach zutreffender Ansicht in den Fällen gesetzlichen Abschlußzwanges ein dem durch Eintritt in Vertragsverhandlungen vergleichbares, dem schuldrechtlichen Vertrag ähnliches Rechtsverhältnis141 • Auch und gerade in diesen Fällen besteht eine gesteigerte Schutzbedürftigkeit, da sich die Beteiligten die jeweiligen Vertragspartner nicht aussuchen können, der Kunde vielmehr im Regelfall ohne Ausweichmöglichkeit auf ein einzelnes Monopolunternehmen angewiesen ist. Von einem Korrelat könnte man nur sprechen, wenn die Selbstgestaltungsmacht zum Ausgleich die Auferlegung besonderer Schutzpflichten bedingen würde 142• Wenn aber bei Vertragsanbahnung und Abwicklung in die Rechtsgüter des anderen Teils eingegriffen wird, so hat das mit der von der Rechtsordnung eingeräumten Privatautonomie direkt nichts zu tun. Die besonderen Schutzpflichten dienen nicht der Kompensierung des mit ihr verbundenen Risikos. Sie stellen vielmehr eine notwendige Ergänzung der aus dem Schuldverhältnis fließenden Hauptpflichten dar, um Sicherheit und Funktion des Rechtsverkehrs zu gewährleisten. Der Ansicht, das Rechtsinstitut c. i. c. finde seine Stütze und Rechtfertigung darin, daß die Gemeinschaft auf einen störungsfreien, ungehinderten und gefahrlosen Rechtsverkehr angewiesen ist, kann nicht entgegengehalten werden, sie greife in Wirklichkeit auf den Vertrauensgedanken zurück. Die Aussage, daß andernfalls der rechtsgeschäftliche Verkehr untragbar durch ängstliche Vorsicht und Mißtrauen behindert würde, stelle nicht anderes als eine negativ gefärbte Formulierung für die Notwendigkeit eines Vertrauensschutzes dar143 • Wie Canaris 144 selbst betont, sollte man sowohl in den Fällen "absoluten Verkehrsschutzes" als auch dann nicht von Vertrauenshaftung sprechen, wenn der Gedanke des Verkehrs- und Vertrauensschutzes zwar eine gewisse Rolle für die Schaffung des fraglichen Rechtsinstituts gespielt haben mag, wenn es aber in concreto nicht auf das Vorliegen eines entsprechenden Vertrauens ankommt. 141

Vgl. BGH NJW 74, S.1903, 1904 - 18.4.74 - K ZR 6/73; Erman / Hefer162 IV 2, S. 1000, Fn.40;

mehl, Vor § 145 Rd Nr. 71; Enneccerus / Nipperdey, § Nipperdey, Kontrahierungszwang, S. 131 f.

142 Zur Einschränkung der Vertragsfreiheit zur Verhinderung von Mißbräuchen vgl. z. B. Palandt / Heinrichs, Übb. vor § 104, Anm. 1 a, Einf. v. § 145, Anm. 3. 143 So Canaris, Vertrauenshaftung, § 35 I, S.442 Fn.16; vgl. auch Medicus, Festschrift Kern, S.313, 324 Fn.42; Kramer, Münchner Kommentar, Bd.2, RdNr.79. 1U Vertrauenshaftung, § 2 I, S. 1 f.

H. Erhaltungspflichten

56

Diese Situation ist vorliegend gegeben, da jede Seite innerhalb der rechtsgeschäftlichen Beziehung aus Gründen der Funktionstauglichkeit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs unabhängig davon zu besonderer Sorgfalt verpflichtet ist, ob sich die andere Partei Gedanken über die Einhaltung der Pflichten macht oder nicht. Gerade wenn man verlangen würde, daß sich eine der Parteien Gedanken über Bestand und Umfang der Pflichten machen müßte, würde es zu ängstlicher Vorsicht und Mißtrauen kommen; ein Ergebnis, welches gerade verhindert werden soll. Das Fehlen von Mißtrauen kann eben nicht dem Vorliegen von Vertrauen gleichgesetzt werden. Wie Thiele 145 in diesem Zusammenhang ausführt, kann zudem das Bestehen einer Schutzpflicht nicht davon abhängen, ob der Verhandlungspartner die Gefahren, denen er sich in der Sphäre des anderen Teils aussetzt, kennt oder nicht. Von Pflichten kann sinnvoll nur gesprochen werden, wenn der Pflichtige weiß oder wissen kann, wie er sich zu verhalten hat. Das Rechtsgebot muß ex ante objektiv erkennbar sein. Daran fehlt es, wenn es auf innere Merkmale des Partners ankommt, die der Gegenseite nicht erkennbar sind. Kannte der Verletzte die Gefahr oder mußte er sie kennen und hatte er sich dennoch in sie begeben, so ist dies im Rahmen des Mitverschuldens (Gedanke des HandeIns auf eigene Gefahr) zu berücksichtigen. Innerhalb des rechtsgeschäftlichen Kontakts hat sich jeder Beteiligte allein aus Gründen des Verkehrsschutzes, ohne daß es insoweit auf bestimmte Vorstellungen des Verhandlungspartners ankommt, so zu verhalten, wie es erforderlich ist, um einen reibungslosen Geschäftsverkehr zu gewährleisten, d. h. so, wie es "jeder Rechtsgenosse in dieser Partnerrolle und unter diesen Umständen erwarten darf"H5. Wie Thiele t45 ausführt, dürfte es kaum schaden, führt es aber auch nicht viel weiter, hier von einem objektiven typisierten Vertrauen zu sprechen. Denn damit würde ja nichts anderes ausgesagt, als daß die Partner einer Sonderbeziehung einander als redliche Geschäftspartner gegenüberzutreten haben und aufeinander besondere Rücksicht nehmen müssen. Dies bedeutet nun allerdings nicht, daß der Vertrauensgedanke im Bereich der c. i. c. völlig bedeutungslos wäre und gänzlich außer Acht gelassen werden könnte. Er kann vielmehr einen Maßstab für Umfang und Intensität der vorvertraglichen Pflichten bilden. über den Pflichtenkreis, der generell aus Gründen der Funktionstauglichkeit des Rechtsverkehrs unabhängig von der inneren Seite des Partners jedem auferlegt wird, der am Rechtsverkehr teilnimmt, (Grundpflichtenkreis) hinaus kann ein Beteiligter zu erhöhter Sorgfalt und Loyalität verpflichtet sein, wenn ihm auf Grund besonderer Umstände ein gesteigertes - über die allgemeine Redlichkeitserwartung hinausgehendes - Vertrauen ent145

JZ 67, S.648, 652.

2. Rechtsgrund der Haftung

57

gegengebracht wird, das er geweckt hat oder das er in Anspruch nimmtU'. Weitere Umstände, die Umfang und Intensität der Pflichten beinflußen können, sind z. B. eine besondere Gefahrenlage und die Höhe des drohenden Schadens. In diesen Fällen kommt alsdann dem Individualschutz eine verstärkte Bedeutung zu. Hiernach dürfte nicht zweifelhaft sein, daß die Erhaltungspflichten grundsätzlich, ohne daß weitere Voraussetzungen erfüllt sein müßten, jeden treffen, der am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilnimmt. Jedem Beteiligten bei Vertragsanbahnung ist die Verpflichtung aufzuerlegen, die seinem Einflußbereich ausgesetzten Güter des anderen Teils sorgsam zu behandeln und vor Schaden zu bewahren, will man erreichen, daß der Rechtsverkehr nicht durch ängstliche Vorsicht unerträglich belastet und behindert wird. Einer besonderen Vertrauensbeziehung bedarf es nicht und sie brauchte daher vom Bundesgerichtshof in den mitgeteilten Fällen zu den Erhaltungspflichten nicht untersucht zu werden. Eine gewisse Sonderstellung nimmt lediglich der AbwerbungsfallU7 ein. Dieser ist durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet: Zum einen hätte es, um einen Wettbewerbsverstoß (Verstoß gegen § 1 UWG) zu begründen, nicht ausgereicht, die bloße Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht zu bejahen, da der bloße Vertragsbruch - entsprechendes muß erst recht für die Verletzung vorvertraglicher Pflichten gelten - zwar unzulässig, aber sittlich indifferent ist und daher nicht gegen § 1 UWG verstößt. Wettbewerbswidrig wird er erst dann, wenn besondere Umstände - wie z. B. eine besondere Vertrauensbeziehung - hinzukommenus. Schon aus diesem Grunde mußte der BGH das Vorliegen einer besonderen Vertrauensbeziehung untersuchen, die er bei dem gegebenen Sachverhalt zu Recht bejahte. In dieser Differenzierung zwischen bloßer Pflichtverletzung und wettbewerbswidrigem Verhalten bestätigt sich, daß Vertrauensmißbrauch mehr als bloße Pflichtverletzung ist und daß ein Pflichtenverstoß in der Regel nicht von dem Vorliegen eines besonderen Vertrauens abhängig ist. Der Mißbrauch geschenkten Vertrauens führt vielmehr über die Rechtswidrigkeit hinaus zur Sittenwidrigkeit des Verhaltensl49 • Zum anderen stellt die Abwerbung mittels Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung, also unter Einhaltung gesetzlicher oder ver148 Vgl. Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S. 94; Staudinger / Köhler, § 433 Rd Nr. 49. 147 S. o. unter B II 1 bei Fn. 11: BGH NJW 61, S. 130 ff. - 17. 3. 61 - I ZR 26/60. 148 v. Godin, Wettbewerbs recht, U § 1 Anm.169; Baumbach / Hefermehl,

§ 1 Anm. 565. UD

Vgl. auch BGH WM 79, S. 428, 429 - 20. 2. 79 - VI Z R 189/78.

58

H.

Erhaltungspflichten

traglicher Kündigungsfristen, grundsätzlich keinen Pflichtverstoß dar l50 , da nicht in eine gesicherte, dem anderen Teil zustehende Rechtsposition eingegriffen wird, sondern der Abzuwerbende lediglich aufgefordert und bestimmt wird, von seinen ihm zustehenden Rechten Gebrauch zu machen. Zur Pflichtverletzung kann dieses Verhalten nur ausnahmsweise bei einer besonderen Vertrauensbeziehung, d. h. bei einer Steigerung der Sorgfaltsanforderungen, werden I51 • Anhand des Abwerbungsfalles bestätigt sich somit, daß eine besondere Vertrauensbeziehung nicht Voraussetzung für die regelmäßig einzuhaltenden Erhaltungspflichten ist, aber darüber hinaus Pflichten zu begründen vermag und auch für die Intensität des Pflichtenverstoßes von Bedeutung sein kann. Zusammenfassend läßt sich festhalten: Rechtsgrund der Haftung aus culpa in contrahendo ist im Bereich der Erhaltungspflichten dem Grundsatz nach das Interesse der Allgemeinheit wie des Einzelnen an einem funktionierenden Rechtsverkehr. Hieraus ergibt sich für jede Verhandlungspartei die Verpflichtung, diejenige Sorgfalt anzuwenden, die jeder Partner in dieser Rolle und unter diesen Umständen erwarten darf, d. h. die erforderlich ist, um einen reibungslosen Geschäftsverkehr zu gewährleisten. Kenntnis oder Kennenmüssen des Geschädigten von der Gefahr für seine Rechtsgüter ist über § 254 BGB zu berücksichtigen. Die Pflichtigkeit des anderen Beteiligten wird hiervon nicht berührt. Ein Pflichtenverstoß führt zum Schadenersatz, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem rechtsgeschäftlichen Kontakt besteht, da nur dann der Rechtsverkehr tangiert wird. Schädigungen außerhalb dieses Bereichs können Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs nicht gefährden. Weitere Umstände, wie Schaffung oder Inanspruchnahme einer besonderen Vertrauenslage, gesteigerte Gefährdung, besondere Gefahrenlage, Höhe des drohenden Schadens, können die Verhandlungsbeteiligten zu gesteigerter Sorgfalt und erhöhter Loyalität verpflichten. 3. Verbleibende Einzelfragen a) Konkretisierung des Merkmals: "Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr"

Von einer "Teilnahme" kann - schon sprachlich - nicht bei einem bloß zufälligen Kontakt gesprochen werden. Ansonsten könnte auch ein 150 Baumbach I Hefermehl, § 1 Anm. 505; U § 1 Anm.167.

v. Godin,

Wettbewerbsrecht,

151 Vgl. für den Bereich der positiven Forderungsverletzung auch Köpcke, S. 101: "Man wird solche Verstöße gegen die Geschäftsmoral (gemeint sind Schmiergeldzahlungen an Dritte) nur bei sehr engen Vertrauensverhältnissen als Vertragsverletzungen behandeln können".

4. Dritthaftung

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Unbeteiligter, der nicht in rechtsgeschäftlichen Kontakt eintreten will, gegen seinen Willen und ohne sein Wissen in ein besonderes Pflichtenverhältnis einbezogen werden. Erforderlich ist vielmehr, daß der "Pflichtige" bewußt aus der deliktischen Anonymität1 heraus und in den geschäftlichen Kontakt eintritt Nur dann kann von einer "Teilnahme" gesprochen werden. Ausreichend ist es allerdings, wenn aus der Sicht des anderen Teils eine Teilnahme in diesem Sinne vorliegt. Ein geheimer Vorbehalt, nicht teilnehmen zu wollen (z. B. zu stehlen anstatt zu kaufen), vermag die Pflichtenentstehung nicht zu verhindern 2 (Rechtsgedanke des § 116 BGB). Andererseits setzt der Begriff der Teilnahme nicht voraus, daß die Vertragsverhandlungen schon konkret begonnen haben müssen3 • Zum Beispiel kann die Haftung und der Schutz eines Warenhausbesuchers nicht von dem zufälligen Umstand abhängen, ob er in konkrete Vertragsverhandlungen eingetreten ist. Eine Teilnahme liegt schon vor, wenn eine rechtsgeschäftliche Beziehung angebahnt wird4 • Auch muß der erstrebte Vertragsabschluß nicht tatsächlich möglich sein, er muß nur als sinnvoll denkbare Zielgebung dem Kontakt zu Grunde liegen. Es ist daher z. B. nicht entscheidend, wenn der Kaufhausbesucher etwas kaufen wollte, was das Warensortiment nicht enthielt. b) Subsidiarität des Rechtsinstituts c. i. c.

Auf Grund der Ergänzungs- und Hilfsfunktion des Rechtsinstituts c. i. c., den Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zu gewährleisten, versteht es sich von selbst, daß die aus ihm fließenden Pflichten hinter die speziellen gesetzlichen Vorschriften zurücktreten müssen5 • Denn diesen Schutz zu verwirklichen und Umfang und Grenzen zu bestimmen, ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers.

4. Dritthaftung Es bleibt nunmehr zu prüfen, ob die so verstandene und begründete Haftung aus c. i. c. nur denjenigen trifft, der selbst Partner des intendierten Rechtsgeschäfts werden soll, oder ob auch Dritte, die an dem "fremden" rechtsgeschäftlichen Kontakt teilnehmen, in den vorvertraglichen Pflichtenkreis einzubeziehen sind1 • 1

von Lackum, S. 104.

Vgl. zu dieser Problematik Musielak, JuS 77, S. 531,532. So noch RG JW 13, S. 23 ff. - 29.9.12 - VI 45/12; RG JW 14, S. 759 ft. - 20.4.14 - VI 545/13; Erman, AcP 139, S.273, 287, 324; Stoll, JW 33, S.36; Mühlich, S. 23. 4 Vgl. ausführlich von Lackum, S. 114 f.; Roth, Münchner Kommentar, § 242 RdNr.194. 5 Vgl. BGH LM Nr. 1 zu § 3 VVG - 17. 3. 66 - II ZR 250/63. 2

3

60

II. Erhaltungspflichten

Rechtsprechung und h.L. behandeln dieses Problem vornehmlich bei der Stellvertreterhaftung, wobei - soweit ersichtlich - keine spezielle Rechtsprechung für die Fallgruppe der Erhaltungspflichten existiert. Es soll daher auch hier zunächst die Haftung des Stellvertreters aus c. i. c. untersucht werden. Die für ihn geltenden Grundsätze dürften auf andere Dritte entsprechend anzuwenden sein%. a) Darstellung der herrschenden Meinung Nach h. M. trifft den Vertreter grundsätzlich keine eigene Haftung für ein Verschulden bei den Vertragsverhandlungen, ohne daß zwischen den verschiedenen aus dem Rechtsinstitut c. i.c. fließenden Pflichten unterschieden wird. Vielmehr werde aus der vorvertraglichen Beziehung regelmäßig nur der Vertretene als Partei verpflichtet3 • Eine Eigenhaftung des Vertreters sei nur ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn der Vertreter besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt habe oder wenn er am Abschluß des Rechtsgeschäfts ein eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt habe4• 1 Unberücksichtigt und ungeprüft bleibt die deliktische Haftung, die selbstverständlich auch Drittbeteiligte trifft. 2 Vgl. BGH WM 77, S. 73, 76 - 3. 11. 76 - I ZR 156/74. 3 Vgl. aus der Rechtsprechung: BGHZ 14, S.313, 318 - 17.9.54 - V ZR 32/53; BGH Warn. Respr. 63 Nr.155 - 27.6.63 - VII ZR 7/62; BGH MDR 67, S.577 - 21. 3. 63 - VI ZR 164/65; BGH WM 67, S.121, 123 - 25.11. 66 - V ZR 9/66; BGH LM Nr.49 zu § 278 BGB - 15.11. 67 - VIII ZR 100/65; BGHZ 56, S. 81, 83 - 5.4.71 - VII ZR 163/69; BAG NJW 75, S.708, 709 - 24.9.74 - 3 A ZR 589/73; aus der Literatur: LaTenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.100 Fn.6; derselbe, Allg. Teil, § 30 III, S.353; Steifen, RGRK, § 164 Rd Nr. 4; Medicus, Bürgerl. Recht, § 10 II, Rd Nr. 200; CTezeZius, JuS 77, S. 746,797. • Vgl. aus der Rechtsprechung: BGHZ 14, S. 313,318 - 17.9.54 - V ZR 32/53 (wirtschaftliches Interesse); BGH LM Nr.4 zu § 276 (Fa) BGB - 4.12.58 II ZR 168/57; BGH LM Nr.14 zu § 276 (Fa) BGB - 19.12.62 - VIII ZR 216/61; BGH Warn. Respr. 63, Nr. 155 - 27. 6. 63 - VII ZR 7/62; BGH LM Nr.40 zu § 278 BGB - 10.6.64 - VIII ZR 294/62; BGH WM 65, S.1288 - 27.9.65 - VII ZR 210/63; BGH WM 67, S.121, 123 - 25.11. 66 - V ZR 9/66; BGH LM Nr.4 zu § 276 (Ha) BGB - 21. 3. 67 - VI ZR 164/65; BGH WM 68, S.5 - 15.11. 67 VIII ZR 100/65; BGH BB 71, S. 543 f. - 26.1.71 - VI ZR 152/69; BGHZ 56, S.81, 83 - 5.4.71 - VII ZR 163/69; BGH NJW 73, S. 1604 f. - 14.12.72 - II ZR 82/70; BAG NJW 75, S. 708 f. - 24.9.74 - 3 A ZR 589/73; BGH WM 75, S. 309 f. - 29.1.75 - VIII ZR 101/73; BGH WM 76, S.614 - 17.3.76 - VIII ZR 208/74; BGH WM 77, S.73, 76 - 3. 11. 76 - I ZR 156/74; BGH WM 77, S. 1048 - 29.6.77VIII ZR 43/76; BGH WM 77, S. 1451 f. - 27. 10. 77 - VII ZR 195/76 (besonderes Vertrauen); BGH WM 78, S. 425 f. - 19.11.77 - II ZR 164/76 (bei nachvertraglicher Haftung sei nur besonderes Vertrauen zur Haftungsbegründung ausreichend); BGH WM 78, S.611 - 10.4.78 - II ZR 103/76; BGH WM 78, S.705 - 24.4.78 - II ZR 172/76 (Inanspruchnahme von Vertrauen); BGH WM 79, S.530, 531 - 22. 3. 79 - VII ZR 259/77 (besonderes Vertrauen); BGH WM 79, S. 672 f. - 14.3.79 - VIII ZR 129/78 (wirtschaftliches Interesse); eingehender auch BGH NJW 79, S.871, 872 - 26. 10. 78 - II ZR 77/78 (besonderes Vertrauen). Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Frage der persönlichen Haftung des Vertreters ist schwankend und uneinheitlich - vgl. im einzelnen

4. Dritthaftung

61

Entgegen dieser Ansicht, die alternativ die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens oder das eigene wirtschaftliche Interesse am Abschluß des Vertrages zur Haftungsbegründung ausreichend sein läßt, wird teilweise in der Literatur entweder ausschließlich auf das eigene wirtschaftliche InteresseS oder auf die besondere persönliche Vertrauensbeziehung6 abgestellt. Ebensowenig wie beide Gesichtspunkte als tragende Rechtsgrundlage des Rechtsinstituts c. i. c. angesehen werden können, vermögen sie jedoch überzeugend die (ausnahmsweise eingreifende) Vertreterhaftung zu

begründen.

aa) Wirtschaftliches Interesse Insbesondere dem Kriterium "eigenes wirtschaftliches Interesse" kann - wie schon früher erwähnt - keine rechtsbegründende Wirkung beigemessen werden, da sich in unserer Rechtsordnung Rechtsansprüche nicht vornehmlich an wirtschaftlichen Gegebenheiten orientieren. Gerade bei der Stellvertretung vermag das wirtschaftliche Interesse nicht die Parteistellung zu begründen, wie ein Blick auf die mittelbare Stellvertretung, insbesondere das Strohmanngeschäft, zeigt, bei dem der "Vertreter" zwar im eigenen Namen, aber im Interesse und für Rechnung eines anderen handelt und dennoch nach ganz h. M. 7 sich selbst und nicht den wirtschaftlich interessierten Hintermann verpflichtet. Auch bei der offenen Stellvertretung wird der mit Vollmacht im fremden Namen Handelnde nicht selbst Vertragspartei, mag er auch selbst am Abschluß des Vertrages wirtschaftlich interessiert sein. Das Stellvertretungsrecht stellt nicht auf das "Interessenprinzip" , sondern auf das "Offenheitsprinzip" ab8 • Entscheidend ist allein, in wessen Namen die handelnde Person aufgetreten ist. Ist insoweit nun auch nicht im Wege Sticht, S. 73 ff.; WeIser, Vertretung, S. 80 f.; vgl. aus der Literatur: Alff, RGRK, § 276 Rd Nr. 108; Erman 1Westermann, § 164 Rd Nr. 16; Emmerich, Münchner Kommentar, Vor § 275 Rd Nr. 165; LaTenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S. 100 f.; Thiele, Münchner Kommentar, § 164 Rd Nr.12; EmmeTich, Leistungsstörungen, § 5 C II, S. 43; Nirk, Festschrift Möhring (1975), S. 71, 95; Steffen, RGRK, § 164 Rd Nr. 4, der zusätzlich ein Mindestmaß wirtschaftlicher Selbständigkeit und persönlicher Unabhängigkeit des Vertreters fordert. 6 Vgl. Blomeyer, Allg. Schuldr., § 17 VII 2 b, S.73; WeIser, Vertretung, S. 101; Mielke, S. 85; Böhme, S. 203 ff.; wohl auch Stoll, Festschrift Lehmann, S.115, 138; vgl. auch RGZ 132, S.77, 80 - 5.3.31 - VI 526/30; RGZ 159, S.33, 54 f. - 29. 10. 38 - II 178/37. 6 Vgl. Ballerstedt, AcP 151, S.501, 513, 523; EnnecceTus 1Nipperdey, § 182 3 a, b, S. 1119 f.; MiLller, NJW 69, S.2169, 2171; vgl. auch LaTenz, Allg. Teil, § 30 III, S. 533 f. 7 Vgl. schon Motive I, § 115, S. 223 f.; Palandt 1HeinTichs, Einf. v. § 164, Anm. 1 b; Erman 1Westermann, Vor § 164 Rd Nr. 2 ff.; Thiele, Münchner Kommentar, Vor § 164 Rd Nr. 28 f.; SoeTgell Schultze-v. Lasaulx, Vor § 164 Rd Nr. 44; StaudingeT 1Coing, Vor § 164 Rd Nr.39; Sticht, S. 83 ff.; MiLller, NJW 69, S. 2169 f.; und neuestens BGH WM 78, S. 785 ff. - 22.5.78 - III ZR 128/76. 8 Vgl. Müller, NJW 69, S. 2169 f.; Stoll, JW 28, S. 1285 f.; von Lackum, S.235.

62

Ir. Erhaltungspflichten

des "argumentum a maiore" der Schluß gerechtfertigt, da der "procurator in rem suam" nicht aus dem abgeschlossenen Vertrag verpflichtet sei, so könne er es aus der den Vertrag vorbereitenden Verhandlungsbeziehung erst recht nicht sein9 - denn das Verhandlungsverhältnis ist gegenüber dem Vertrag kein minus sondern ein aliud 10 -, so zeigt sich hierin doch, daß die wirtschaftliche Interessenlage nach unserer Rechtsordnung nicht pflichten- und parteibegründend ist. Zudem läßt sich auch nicht umgekehrt, obwohl dies konsequenterweise der Fall sein müßte, der Satz aufstellen, nur der haftet, der wirtschaftlich Herr des abzuschließenden Geschäfts ist. Denn das würde bedeuten, daß man im fremden Interesse Pflichtverletzungen begehen dürfte, ohne sich im Außenverhältnis selbst schadenersatzpflichtig zu machen. Ein Ergebnis, das mit dem Grundgedanken der §§ 179, 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 AktG und 11 Abs. 2 GmbHG nicht vereinbar istl1 • Weiterhin ist zu beachten, daß die Anknüpfung an das wirtschaftliche Interesse sowohl nach der hier vertretenen als auch nach der herrschenden Ansicht, die die innere Rechtfertigung der c. i. c. in der Inanspruchnahme und Gewährung von Vertrauen sieht, ohne dogmatischen Bezug auf die innere Rechtfertigung der Haftung ist12 . Zudem dürften für den Geschäftspartner die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Vertreter und Vertretenem in den seltensten Fällen erkennbar sein; es ist demnach bedenklich, "daß der Dritte aus dem ihm erst später offenbar gewordenen Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem die sich für ihn daraus zufällig ergebenden Vorteile geltend machen darf und damit das Innenverhältnis für das Außenverhältnis entscheidend wird"13. Letztlich bereitet die Bestimmung des Begriffs "eigenes wirtschaftliches Interesse" nicht unerhebliche Schwierigkeiten und führt somit zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit14 • Rechtsprechung und herrschende Lehre lassen keineswegs ein "mehr oder weniger starkes Eigeninteresse am Zustandekommen bestimmter Verträge" ausreichen, da ansonsten "in unerträglich weitgehendem Maße der Grundsatz aufgegeben" würde, daß für Handlungen des Vertreters der Vertretene hafte. Der Vertreter müsse vielmehr wirtschaftlich betrachtet "gleichsam in eigener Sache tätig geworden" sein15. Es bleibt aber offen, wie diese Abgrenzung zu 9

So Hildebrandt, § 17 B I c, S. 299.

10 Vgl. Sticht, S. 85.

Vgl. Ballerstedt, AcP 151, S. 501, 523. Vgl. Ballerstedt, FamRZ 55, S.200, 202; Canaris, VersR 65, S.114, 118. 13 Sticht, S.86; aus dem gleichen Grund lehnt Esser / E. Schmidt, Schuldr. Allg. Teil, Teilbd. 1, § 29 I! 2. 3. 1., S. 100 das Eigeninteresse als maßgebliches Kriterium der Vertreterhaftung ab. 14 von Lackum, S. 235; kritisch auch Schanze, S. 107 f. 15 Vgl. nur BAG NJW 75, S.708, 710 - 24.9.74 - 3 A ZR 589/73; BGHZ 56, S. 81,84 - 5.4.71 - VI! ZR 163/69; BGH BB 71, S. 543 - 26.1. 71 - VI ZR 152/69; BGH WM 65, S. 1288 - 27.9.65 - VII ZR 210/63. 11

12

4. Dritthaftung

63

vollziehen ist. Die Rechtsprechung hat ein eigenes wirtschaftliches Interesse in diesem Sinne keineswegs nur bejaht, wenn den Vertretenen letztlich die gesamten Rechtsfolgen des intendierten Vertrages treffen, sondern schon dann, wenn der Vertreter befürchten muß, von seinem Auftraggeber im Regreßwege in Anspruch genommen zu werden16 , wenn er am Abschluß des Vertrages interessiert ist, um Deckung für eigene Forderungen gegen den Vertretenen zu erhalten 17 , wenn zwischen den Beteiligten eine enge wirtschaftliche Beziehung besteht18 , wenn ihm die Forderungen des Vertretenen im voraus zur Sicherheit abgetreten worden sind 19 , wenn er selbst Nutzen aus den abzuschließenden Verträgen erstrebt20 , wenn er allein oder mit Familienangehörigen sämtliche Anteile an der vertretenen juristischen Person hält 21 oder wenn er aus dem Geschäft einen erheblichen Gewinn erzielfl 2 • Demgegenüber soll das "Provisionsinteresse" nicht ausreichen23 • Die Unsicherheiten zeigen sich z. B. darin, daß der BGH24 ein starkes eigenes Interesse am Vertragsabschluß seitens des Geschäftsführers einer GmbH mit der Begründung bejahte, die GmbH sei ersichtlich nicht sehr bedeutsam und der Geschäftsführer ziehe die Pachtzinsen persönlich ein, während das BAG25 das Interesse eines GmbH-Geschäftsführers, der zugleich Mitgesellschafter der GmbH war, verneinte, obwohl jeder Geschäftsführer und Gesellschafter natürlich am Erfolg der Gesellschaft interessiert sei.

bb) Besonderes persönliches Vertrauen Aber auch der Gesichtspunkt der "Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens" vermag nicht die Eigenhaftung des Vertreters zu begründen. Auf das Merkmal besonderes persönliches Vertrauen abzustellen, ist allenfalls dann zwingend und konsequent, wenn man den Haftungsgrund der c. i. c. in dem von den Verhandlungspartnern einander entgegengebrachten Vertrauen sieht. "Kommt es aber darauf an, wem das Vertrauen des Dritten gilt, dann muß dies auch rechtliche Konsequenzen haben. Wenn Haftungsgrund der culpa in contrahendo das von den Verhandlungspartnern einander entgegengebrachte Vertrauen ist, BGH Warn. Respr. 63, Nr. 155 - 27. 6. 63 - VII ZR 7/62. BGH LM Nr. 4 zu § 276 (Fa) BGB - 4. 12.58 - II ZR 168/57. 18 BGH LM Nr.49 zu § 278 BGB - 15.11. 67 - VIII ZR 100/65; BGHZ 14, S.313, 318 - 17.9.54 - V ZR 32/53 - kritisch zu dieser Entscheidung Sticht, S. 78 m.w.N. in Fn. 1. 19 BGH WM 67, S. 121, 123 - 25. 11. 66 - V ZR 9/66. 20 Hans. OLG Hamburg, MDR 67, S. 491 f. - 23. 12. 66 - 11 U 122/66. 21 BGH LM Nr. 21 zu § 276 (Fa) BGB - 5.4. 67 - VIII ZR 82/64. 22 BGH BB 77, S. 1624 - 29. 6. 77 - VIII ZR 43/76 - im konkreten Fall 2000,-DM. 23 Vgl. nur BGHZ 56, S. 81, 84 - 5.4.71 - VII ZR 163/69. 24 BGH WM 63, S. 160 f. - 19. 12. 62 - VIII ZR 216/61. 25 BAG NJW 75, S. 708 ff. - 24.9. 74 - 3 A ZR 589/73. 18 17

H. Erhaltungspflichtert

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muß die besondere Vertrauensentfaltung des Vertreters, sein persönliches Engagement auch zu einer persönlichen Haftung führen"26. Diese Verknüpfung wird auch von der Rechtsprechung27 betont: "Wenn die Rechtsprechung in den erwähnten Ausnahmefällen unter bestimmten nicht einheitlichen- Voraussetzungen den Vertreter auch persönlich haften läßt, so knüpft sie dabei an den der Haftung aus Verschulden bei Vertragsabschluß zugrundeliegenden Grundgedanken an. Danach wird für Verschulden bei Vertragsabschluß deshalb gehaftet, weil mit der Eröffnung von Vertragsverhandlungen das Vertrauen des Verhandlungsgegners in Anspruch genommen wird und dieses redlicherweise nicht enttäuscht werden darf. Deshalb kann es, wenn der Vertreter gerade für seine eigene Person ein solches Vertrauen in Anspruch genommen hat, oder er dem Verhandlungsgegenstand besonders nahesteht, also, wirtschaftlich gesehen, in eigener Sache gehandelt hat, geboten sein, ihn auch persönlich für Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftbar zu machen". Für den Bereich der "Erhaltungspflichten" wurde aber abgelehnt, daß Rechtsgrund der Haftung das einander entgegengebrachte Vertrauen ist. Hiernach ist es keineswegs zwingend, auf dieses Merkmal im Bereich der Vertreterhaftung erneut abzustellen. Ihm fehlt vielmehr der dogmatische Bezug zum tragenden Grundgedanken des Rechtsinstituts c. i. c., wie er in dieser Arbeit zugrundgelegt wird. Darüber hinaus ist dieses Merkmal aber auch ungeeignet, die Eigenhaftung des Vertreters zu begründen. Zunächst bereitet die Abgrenzung des "besonderen persönlichen Vertrauens" von dem allgemeinen Verhandlungsvertrauen im Sinne einer allgemeinen Redlichkeitserwartung, das regelmäßig dem Vertreter als der eigentlichen Kontaktperson entgegengebracht wird28, das aber zur Begründung der Eigenhaftung nicht ausreichen soll, erhebliche Schwiergkeiten und führt ebenso wie das Merkmal "wirtschaftliches Interesse" zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit. Wenn jemand mit einem Vertreter verhandelt, so vertraut er in erster Linie dem Vertreter und nicht dem Vertretenen, daß dieser die im Verkehr erforderliche Sorgfalt wird walten lassen. Dies gilt insbesondere im Bereich der Erhaltungspflichten, da derjenige, der sich von einem Vertreter eine Sache vorführen läßt, der dem Vertreter eine eigene Sache in Verwahrung gibt, ihn selbst aufsucht oder ihn in seine Wohnung aufnimmt, allenfalls darauf vertraut, daß der Vertreter ihn selbst und seine Rechtsgüter nicht schädigt. Die Ansicht von Ballerstedt 29 , in dem Linoleumrollenfa1l30 habe die Geschädigte dem InVgl. Müller, NJW 69, S. 2169,2171 f. BGHZ 63, S. 382 ff. - 29.1.75 - VIII ZR 101/73; vgl. auch BGH NJW 64, S.2009 - 10.6.64 - VIII ZR 294/62. 28 Vgl. Sticht, S. 47 f. !I AcP 151, S. 501, 512. 30 RGZ 78, S. 239 ff. - 7. 12. 11 - VI 240/11. 28

17

4. Dritthaftung

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haber des Warenhauses, nicht aber dessen Angestellten vertraut, ist lebensfremd. Als der Angestellte die Rollen zur Seite setzte, hat die Geschädigte, falls sie sich überhaupt Gedanken machte, allenfalls darauf vertraut, dieser werde hierbei ordnungsgemäß verfahren, aber sicherlich nicht hat sie ihr Vertrauen, nicht an ihren Rechtsgütern geschädigt zu werden, dem Inhaber des Warenhauses, der ihr möglicherweise völlig unbekannt oder eine anonyme juristische Person war, entgegengebracht. Es läßt sich nicht generell sagen, daß dem Vertreter, der in ein wirtschaftliches Unternehmen oder in einen privat- oder öffentlich-rechtlichen Verband derart eingegliedert ist, daß er als Persönlichkeit in ihm gleichsam aufgeht 31 , nicht vertraut werde. Es mag zwar zutreffen, daß der Geschäftspartner dem Vertreter in diesen Fällen nicht sein Interesse am Abschluß des Vertrages anvertraut, sehr wohl vertraut er ihm und nicht dem Vertretenen - falls er sich überhaupt Gedanken macht - sich und seine Rechtsgüter an. Eine Begründung, wieso das Vertrauen in den Vertreter "nur eine Bekräftigung des Vertrauens zu dem Firmeninhaber selbst sein kann"3!, fehlt. Wann und unter welchen Voraussetzungen aber in diesen Fällen von einer "besonderen Vertrauenbeziehung" gesprochen werden kann, d. h. nach welchen Maßstäben das regelmäßig dem Vertreter entgegengebrachte allgemeine Vertrauen im Sinne einer allgemeinen Redlichkeitserwartung von dem erforderlichen besonderen Vertrauen abzugrenzen ist, dafür finden sich weder in Rechtsprechung noch Literatur klare Anhaltspunkte. Dieses Merkmal eröffnet vielmehr in seiner Unbestimmtheit einer bloßen Billigkeitsrechtsprechung Tür und Tor33• Hinzu kommt, daß das Merkmal besonderes persönliches Vertrauen im Hinblick auf die Vielzahl und Verschiedenartigkeit der aus einem Verhandlungsverhältnis fließenden Pflichten und im Hinblick auf die verschiedenen Funktionen des Rechtsinstituts c. i. c., auf die im folgenden noch näher einzugehen sein wird, nicht für alle Pflichten gleichmäßig pflichtenbegründend sein kann. So ist nicht einzusehen, inwiefern z. B. die besondere Sachkunde eines Gebrauchtwagenhändlers, die nach der Rechtsprechung34 geeignet sein soll, eine besondere Vertrauensbeziehung zu begründen, dazu führen können soll, daß ihn alle Pflichten 31 32

BalZerstedt, AcP 151, S. 501,517. BalZerstedt, AcP 151, S.501, 508. Interessanterweise ist nach seiner

Ansicht der Bevollmächtigte verpflichtet, für eine gefahrlose Verhandlungsgelegenheit zu sorgen, auch wenn keine besondere Situation gegeben ist, die ein besonderes Vertrauen rechtfertigen könnte, S. 520 Fn. 43. 33 Zu dieser Gefahr vgl. allg. Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 A III 1, S. 35; § 2 IV, S. 13 m.w.N. 34 Vgl. z. B. BGH WM 76, S.614 - 17.3.76 - VIII ZR 208/74; BGHZ 63, S. 382 ff. - 29. 1. 75 - VIII ZR 101/73. Demgegenüber dürfte die besondere Sachkunde eines fachlich geschulten Verkäufers in einem Geschäft nach der Rechtsprechung wohl kaum geeignet sein, eine besondere Vertrauensbeziehung zum Käufer zu begründen. 5 Schmitz

II. Erhaltungspflichten

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aus dem vorvertraglichen Verhandlungsverhältnis treffen. Was hat z. B. die besondere Sachkunde mit Erhaltungspflichten zu tun, wieso soll aus ihr eine Verpflichtung zur Aufklärung über die Eigentumsverhältnisse am Fahrzeug oder über die Liquidität des Verkäufers folgen? Die Sachkunde könnte allenfalls die Haftung hinsichtlich solcher Umstände rechtfertigen, hinsichtlich derer sie gegeben ist. Schließlich zeigt das Beispiel des vollmachtlosen Vertreters, daß es für die Haftung des Vertreters nicht auf die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens oder ein besonderes wirtschaftliches Interesse ankommen kann. Der Vertreter ohne Vertretungsmacht ist nach § 179 Abs. 1 BGB bei Kenntnis vom Mangel seiner Vertretungsmacht dem anderen Teil wahlweise zur Erfüllung oder zum Schadenersatz (positives Interesse) verpflichtet, ohne daß es auf die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens oder das Vorliegen eigener wirtschaftlicher Interessen ankommt. Hat er daneben gegen eine Erhaltungspflicht verstoßen, so ist nicht einsichtig, wieso er zwar zur Erfüllung des ohne Vollmacht geschlossenen Vertrages verpflichtet ist, für die Verletzung der Erhaltungspflicht aber nur unter besonderen zusätzlichen Voraussetzungen haften solp5. Auch im Bereich der Dritthaftung kommt dem Vertrauensgedanken somit nicht die Bedeutung zu, die ihm nach h. M. beigemessen wird36 • b) Verantwortlichkeit für eigenen Geschäftskreis

Nach Sticht soll das Merkmal der Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftskreis zur "Einschränkung" (?) der persönlichen Haftung des Vertreters verwendet werden. Fraglich ist schon, wieso Sticht den Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftskreis glaubt zur "Einschränkung" der Vertreterhaftung heranziehen zu können und zu müssen, da er die Eigenhaftung des Vertreters bis zu dieser Stelle nicht bejaht hat. Vielmehr soll doch wohl dieser Gesichtspunkt der Umstand sein, der ausnahmsweise zur Eigenhaftung des Vertreters führt 38• Wieso aber aus der "Verantwortlichkeit für den eigenen Ge37

35 So aber Crezelius, JuS 77, S.796, 797, 799; Thiele, Münchner Kommentar, § 177 Rd Nr. 55; Soergel/ Leptien, § 177 Rd Nr. 23; zutreffend aber inkonsequent bejahen die grundsätzliche Eigenhaftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, § 179 Rd Nr. 20; FZume, Allg. Teil Bd. II, § 47/3 a, S. 805. 36 Vgl. Frotz, Verkehrsschutz, S.71 Fn.169 a. E.; derselbe, Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 179; WeZser, Vertretung, S.102; kritisch auch Medicus, Bürgerl. Recht, Rd Nr. 200. 37 S.92; vgl. auch Larenz, Allg. Teil, § 30 III, S.534; SoergeZ / Schultzev. LasauZx, § 164 Rd Nr. 4; Müller, NJW 69, S. 2169, 2171. 38 Vgl. Sticht, S. 60. Die Möglichkeit der generellen Eigenhaftung wird zwar erwähnt (S. 89 ff.); sie wird aber nicht näher untersucht und im Ergebnis abgelehnt.

4. Dritthaftung

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schäftsbereich" bei Handeln im fremden Namen besondere schuld rechtliche Sorgfaltspflichten des Vertreters folgen, wird nicht näher ausgeführt. Das Merkmal der "Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftskreis" wurde zunächst von Larenz39 , auf den sich Sticht ausdrücklich beruft, zur Abgrenzung der Haftung aus culpa in contrahendo gegenüber der Haftung aus sozialem Kontakt herangezogen. Wie Larenz aber nachweist, beruht die "Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftsbereich" letztlich selbst auf dem geschäftlichen Interesse des Inhabers dieses Geschäftskreises: Wem die Vorteile eines Geschäfts, der Einschaltung Dritter etc. zu Gute kommen, der soll auch die Lasten tragen. Schon oben - bei der Frage des Rechtsgrundes der Haftung aus c. i. c. wurde aber ausgeführt, daß allein das geschäftliche Interesse nicht ausreichend ist, schuldrechtliche Pflichten zu begründen. Auch Sticht 40 hat überzeugend dargelegt, daß das wirtschaftliche Interesse des Vertreters ein unzureichendes Kriterium für seine Haftung ist. Dann kann aber konsequenterweise für das Merkmal "der Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftsbereich" nichts anderes gelten. Auch ein Vertreter mit eigenem Geschäftsbereich hält sich im Rahmen seiner Vertretungsmacht. Der Gesichtspunkt "der Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftskreis" ist ein allgemeiner Grundsatz, der sowohl im schuldrechtlichen (§ 278 BGB), als auch im deliktischen Bereich (z. B. §§ 831, 836 BGB) zur Anwendung kommt. Aus ihm kann nicht die schuldrechtliche Haftung des Geschäftsinhabers geschlossen werden. Diese folgt vielmehr aus der vertraglichen oder der vertragsähnlichen Beziehung, die nicht durch die Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftskreis herbeigeführt wird. Der Verweis auf BGHZ 21, S. 102 ff. ist insoweit nicht zwingend, da der BGH in diesem Fall ein "Vertrauensverhältnis" annahm, aus dem sich nach seiner Ansicht konsequent die schuldrechtlichen Pflichten ergaben. Ebenfalls vermag der Hinweis auf § 98 HGB, nach dem der Handelsmäkler jeder der beiden Parteien für den durch sein Verschulden entstehenden Schaden haftet, nicht die Ansicht von Sticht zu rechtfertigen, die Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftskreis begründe die Vertreterhaftung. Entgegen der Meinung von Sticht beruht die Haftung nach § 98 HGB nämlich nicht darauf, daß der Handelsmäkler "als selbständiger und für seinen Geschäftskreis verantwortlicher Kaufmann auftritt"41, sondern auf der Vorstellung des Gesetzgebers, daß der Handelsmäkler für heide Seiten tätig wird, mag er auch nur von einer Seite beauftragt worden sein42 • Dies zeigt sich in der Verpflichtung des Hanu 40 41

42

MDR 54, S. 515, 518. S. 82 ff. So Sticht, S. 94.

Vgl. nur Schlegelberger I Schröder, § 98 Rd Nr. 2.

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"Ir. Erhaltungspfiichten

delsmäklers, beiden Parteien eine Schlußnote zu übersenden (§ 94 HGB), in der beiden Parteien gegenüber bestehenden Verpflichtung zur Aufbewahrung von Warenproben (§ 96 HGB) und schließlich in § 99 HGB, nach dem der Mäklerlohn bei fehlender Vereinbarung von beiden Parteien je zur Hälfte zu entrichten ist. Konsequenterweise entfällt die Haftung des Handelsmäklers nach § 91 HGB gegenüber der Gegenpartei, wenn diese sich nicht der Tätigkeit des Handelsmäklers bedient oder wenn der Handelsmäkler in klar erkennbarer Weise lediglich als Interessenvertreter des Auftraggebers auftritt43 • Dies läßt sich nicht mit der These vereinbaren, die Haftung aus § 98 HGB sei damit zu erklären, daß der Handelsmäkler als selbständiger und für seinen Geschäftskreis verantwortlicher Kaufmann auftrete. Denn dieses Merkmal ist auch in den beiden letztgenannten Fällen gegeben. Letztlich sei darauf hingewiesen, daß Sticht das fallbezogene Merkmal der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens durch das personenbezogene Merkmal der Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftsbereich ersetzt44 , obwohl er mit der h. M. in der Inanspruchnahme von Vertrauen den tragenden Haftungsgrund der vorvertraglichen Pflichten sieht. Er verläßt somit mit diesem Merkmal die eigene dogmatische Basis. Notwendigerweise läßt er das Verhältnis des Haftungsgrundes der c. i. c. zu dem Merkmal der Verantwortlichkeit für den eigenen Geschäftsbereich ungeklärt45 • c) Ansicht von Medicus

Ausgehend von der h. M., nach der die Haftung aus c. i. c. regelmäßig nur denjenigen trifft, der Partner des intendierten Vertrages werden soll, bejaht Medicus 48 eine Eigenhaftung von Hilfspersonen aus c. i. c. nur, wenn diese im eigenen Namen aufgetreten sind oder wenn die Vertreterrolle nur aus steuerlichen Gründen gewählt wurde, um - wie etwa im Gebrauchtwagenhandel - die Mehrwertsteuer zu vermeiden. Im ersten Fall geriere sich die Hilfsperson so, als würde sie selbst Gläubigerin und müsse sich daher auch so behandeln lassen. Dieser Ansicht könnte mangels geeigneter Kriterien, eine ("ausnahmsweise") Eigenhaftung des Vertreters zu begründen, zuzustimmen sein, wenn solche Kriterien überhaupt erforderlich sind, d. h. wenn nicht im Grundsatz die Haftung der Vertreter und sonstiger Drittbeteiligter allein aus ihrer Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr folgt. 43 Vgl. nur Schlegelberger I Schröder, § 98 Rd Nr. 2; Brüggemann, Großk. HGB, § 98 Anm. 3. 44 Vgl. Müller, NJW 69, S. 2169, 2171. 45 Vgl. Sticht, S. 44, 92. 48 Bürgerl. Recht, Rd Nr. 200.

4. Dritthaftung

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d) Eigene Ansidlt - generelle Haftung des Drittbeteiligten

Zu prüfen ist somit, ob ausgehend von der hier vertretenen Auffassung (Rechtsgrund der Haftung aus c. i. c. sei im Kern das Interesse der Allgemeinheit wie des Einzelnen an einem funktionierenden und sicheren Rechtsverkehr, das es rechtfertige, jeder Verhandlungspartei die Verpflichtung zu derjenigen, besonderen Sorgfalt aufzuerlegen, die jeder Rechtsgenosse in dieser Partnerrolle und unter diesen Umständen erwarten darf und die erforderlich ist, um einen reibungslosen Geschäftsverkehr zu gewährleisten) dem Ausgangspunkt der h.M. zuzustimmen ist, daß die Rechte47 und Pflichten aus dem vorvertraglichen Verhältnis im Grundsatz lediglich den zukünftigen Vertragspartner (den Vertretenen) und nur ausnahmsweise Drittbeteiligte, insbesondere den Vertreter, treffen. Nicht gefolgt werden kann zunächst der Argumentation, der Vertreter schulde persönlich nicht die Vertragsleistung, so daß auch die Verpflichtung aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis der c. i. c. grundsätzlich nur den Vertretenen treffe48 • In dieser Argumentation zeigt sich, daß die h. M. im Kern auf der überholten Auffassung beruht, der Grund der Haftung aus c. i. c. liege in dem später geschlossenen Vertrag, und läßt sich somit historisch leicht erklären. Dieser Aufassung kann jedoch, wie schon ausgeführt, nicht gefolgt werden. Die Rechte und Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis entstehen vielmehr unabhängig von Zustandekommen oder Nichtzustandekommen des Vertrages. Es kann daher auch nicht entscheidend sein, ob überhaupt jemand und gegebenenfalls wer zur Vertragsleistung verpflichtet ist4D • Gerade die Erhaltungspflichten haben sowohl von ihrer Schutzrichtung als auch von ihrer Ausgestaltung her keine direkte Beziehung zu dem konkreten intendierten Rechtsgeschäft. "Es ist nicht abzusehen, warum der Stellvertreter, der doch auch im Einverständnis mit dem Tertius ein Rechtsverhältnis feststellt, aller dieser Obliegenheiten, welche die bona fides des Verkehrs nothwendig mit sich bringt, entbunden sein sollte, blos weil er sich nicht auf die Erfüllung des Hauptvertrages verpflichten wollte"50. Allein aus dem späteren Vertrag können somit keine Rückschlüsse gezogen werden, wer aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis verpflichtet ist. Vielmehr legt die Unabhängigkeit des vorvertraglichen Vgl. zur Haftung gegenüber dem Vertreter schon Weimar, MDR 60, S. 994. So Crezelius, JuS 77, S. 796 f.; Müller, NJW 69, S. 2169. 4D Vgl. Ballerstedt, AcP 151, S.501, 505; Jakobs, Unmöglichkeit, S.38; K. Schmidt, JuS 77, S.722, 723 f.; Weimar, MDR 78, S. 376 f.; Canaris, NJW 64, S.1987, 1989, der zutreffend die Berechtigung des Geschäftsunfähigen aus c. i. c. bejaht, obwohl dieser sich vertraglich nicht verpflichten kann. 50 So schon Mitteis, S. 159. 47

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II. Erhaltungspflichten

Schuldverhältnisses vom Vertragsschluß eine Anwendung der Regeln des Rechtsinstituts c. i. c. auch auf Drittbeteiligte nahe 51 • Ebenfalls spricht die Entstehungsgeschichte des Rechtsinstituts c. i. c. nicht zwingend für eine ausschließliche Vertretenenhaftung52 • Der Gesetzgeber überließ die Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts ausdrücklich Rechtsprechung und Lehre 53• Mag im Bereich der Erhaltungspflichten auch das Bestreben, eine schuldrechtliche Beziehung zwischen Vertretenem und Geschäftspartner zu begründen, um die Exculpationsmöglichkeit des § 831 BGB auszuschalten, mitbestimmend für die Entwicklung des Rechtsinstituts c. i. c. gewesen sein, so folgt hieraus nicht, daß die Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis nicht auch den Vertreter neben dem Vertretenen treffen können. So ließ es das Reichsgericht54 ausdrücklich offen, ob der Vertreter für Pflichtverletzungen unter allen Umständen selbst aufkommen muß oder ob er nur seinen Machtgeber haftbar macht. Der grundsätzliche Ausschluß der Vertreterhaftung kann schließlich nicht damit begründet werden, daß der Geschäftspartner in der Regel dem Vertretenen, nicht aber dem Vertreter vertraue 55 • Denn abgesehen von der Fragwürdigketi dieser These58 kann die Haftungsgrundlage wie gezeigt - für die Erhaltungspflichten nicht in einer "Vertrauensbeziehung" gesehen werden. Weiterhin wird unter Hinweis auf § 164 BGB ausgeführt, daß ausgehend von dieser Norm die Rechtswirkungen des Vertreterhandelns ausschließlich und unmittelbar nur in der Person des Vertretenen eintreten können, so daß das vorvertragliche Schuldverhältnis allein zwischen dem Geschäftspartner und dem Vertretenen zustandekomme, sobald und soweit der Vertreter zu erkennen gebe, daß er im fremden Namen handele und der Gegner, ohne das zu beanstanden, die Verhandlungen fortsetze 57 • Hierbei handele es sich um einen "Fundamentalsatz der Stellvertretung"s8. Fraglich ist aber schon, ob § 164 Abs.1 BGB, nach dem eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar und ausschließSo RGZ 159, S. 33,54 - 29.10.38 - II 178/37. So aber Crezelius, JuS 77, S. 796 f. 53 Vgl. Motive I, S. 195. M RGZ 120, S. 249, 252 - 1. 3. 28 - VI 258/27. 55 So Crezelius, JuS 77, S. 796 f. 50 S. o. unter B II 4 a) bb) bei Fn. 28 ff. 57 Vgl. Stall, JW 28, S. 1285 f.; derselbe einschränkend für den eigennützig handelnden Vertreter, Festschrift Lehmann, S.117, 138; Erman / Westermann, § 164 Rd Nr. 4; Crezelius, JuS 77, S. 796 f.; RGZ 132, S.76, 80 - 5.3.31 - VI 526/30; BAG NJW 75, S. 708 ff. - 24. 9. 74 - 3 A ZR 589/73. G8 Stoll, JW 28, S. 1285 f. 51

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4. Dritthaftung

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lich für und gegen den Vertretenen wirkt, der durch den die Willenserklärung abgebenden Vertreter repräsentiert wird (sog. Repräsentationstheorie), auf das vorvertragliche Schuldverhältnis, d. h. auf die Kontaktaufnahme im rechtsgeschäftlichen Bereich, übertragen werden kann. Zur KlarsteIlung sei darauf hingewiesen, daß an dieser Stelle nicht in Zweifel gezogen werden soll, daß im Regelfall59 die Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis, auch wenn die Verhandlungen von einem Vertreter (mit Vertretungsmacht) geführt werden, den Vertretenen treffen60 , für deren Verletzung er im Rahmen des § 278 BGB einzustehen hat; wobei der allgemeinen Frage, wann und wielange sich der Vertreter innerhalb dieses Rahmens bewegt und wann er lediglich "bei Gelegenheit" handelt, in diesem Zusammenhang nicht weiter nachgegangen werden soll. Nach einer Ansicht61 folgt die Entstehung der vorvertraglichen Schuldverhältnisses zwischen Vertretenem und Geschäftspartner aus einer entsprechenden62 Anwendung der Stellvertretungsregeln (§§ 164 ff. BGB). Schon während der Vertragsverhandlungen sei eine Vertretung zugelassen, da zu diesem Zeitpunkt ein vertragsähnliches Verhältnis entstehe; die hier eintretende rechtliche Beziehung stehe in ihrer Begründung, da sie der Vorbereitung eines Rechtsgeschäfts diene, der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung wesentlich näher als etwa Realakten. Nach anderer Ansicht63 ist § 278 BGB schon zur Begründung des Rechtsverhältnisses heranzuziehen oder folgt die Haftung unmittelbar allein aus § 278 BGB, ohne daß es einer zweistufigen Begründung (Entstehung des vorver59 Zu möglichen Ausnahmefällen bei einer Publikums-KG: vgl. BGH NJW 73, S. 1604 ff. - 14.12.72 - II ZR 82/70; BGH WM 78, S. 705 ff. - 24.4.78 II ZR 172/76; BGH WM 79, S. 141, 142 - 16.11.78 - I! ZR 94/77. 00 Vgl. BGH NJW 74, S. 1505 f. _ 21. 6. 74 - V ZR 15/73; Larenz, Allg. Teil, § 30 II!, S.553; derselbe, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.100 Fn.6; Thiele, Münchner Kommentar, § 164 Rd Nr. 12; Frotz, Verkehrs schutz, S. 100 f.; a. A. Hofjmann, JuS 70, S.179, 180 f. und in den Fällen gesetzlicher Vertretung Ballerstedt, AcP 151, S.501, 525 ff.; Soergel / Leptien, § 177 Rd Nr. 35; zu dem Sonderproblem, ob der Vertretene für ein Überschreiten der Vertretungsmacht haftet - vgl. Peters, Festschrift Reinhardt, S.127 ff.; Coing, Festschrift Fischer, S. 65, 74 f. n Vgl. Staudinger / Coing, § 164 Rd Nr. 17 c; Erman / Westermann, § 164 Rd Nr. 4; Stoll, JW 28, S. 1285; Müller, NJW 69, S.2169 Fn. 1; Sticht, S. 49 ff.; inkonsequent v. Lackum, S. 242. 02 Eine direkte Anwendung der §§ 164 ff. BGB scheidet aus, da diese Vorschriften nach ihrem Wortlaut nur die Stellvertretung bei der Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen betreffen. In der Aufnahme des geschäftlichen Kontaktes und in den Vertragsverhandlungen können aber keine Willenserklärungen gesehen werden - vgl. Sticht, S. 50; Küppersbusch, S. 41 ff. 03 Vgl. BGH MDR 54, S. 346 ff. - 16.3.54 - I ZR 255/52; BGHZ 15, S.205 - 20.11.54 - I! ZR 53/53; BGH NJW 64, S.2009 - 10.6.64 - VIII ZR 294/62; BGH NJW 73, S. 1604 f. - 14.12.72 - I! ZR 82/70; BGH WM 78, S.1038, 1040 - 8.6.78 - I! ZR 136/76; Thiele, Münchner Kommentar, § 164 Rd Nr. 11; Soergel / R. Schmidt, Vor § 275 Rd Nr. 12; Enneccerus / Lehmann, § 41 II!, S.191 Fn.8; E. Schmidt, AcP 170, S.502, 509 ff.; Ballerstedt, AcP 151, S.501, 511; Dälle, zstw 103, S.67, 78; Raiser, JW 28, S. 2636 f.; vgl. auch Frotz, Verkehrsschutz, S. 84 ff.; Geiß. S. 41 f.

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H. ErhaItungspflichten

traglichen Schuldverhältnisses, Zurechnung des Vertreterverschuldens) bedarf. Welcher dogmatischen Begründung zu folgen ist, kann im Rahmen dieser Untersuchung, die vordringlich den Fragen der Dritthaftung gewidmet ist, dahinstehen. Sie ist zudem ohne jede praktische Bedeutung84 • Das Ergebnis der Haftung des Vertretenen kann jedenfalls nicht zweifelhaft sein, da sich derjenige, der Partei des intendierten Vertrages werden soll, nicht durch Einschaltung eines Dritten seiner vorvertraglichen Pflichten entledigen kann, die ihn unzweifelhaft bei eigener Verhandlungsführung treffen würden. Hinzu kommt, daß das Handeln des Vertreters final auf das Zustandebringen eines Geschäfts für den Vertretenen bezogen ist und der Dritte in aller Regel über den Vertreter eine Beziehung mit dem Vertretenen anknüpfen will85 • Der Dritte kann sich zwar seine Geschäftspartner, nicht aber deren Vertreter aussuchen8B • Zudem folgt die Verpflichtung des Vertretenen aus Sinn und Zweck des Rechtsinstituts c. i. c., einen reibungslosen Geschäftsverkehr zu gewährleisten. Dies setzt voraus, bei Vertragsverhandlungen durch Stellvertreter den Vertretenen selbst zu verpflichten, damit dessen Vermögen als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Niemand würde mehr mit einem Vertreter verhandeln, wenn er damit rechnen müßte, der Vertretene brauche für eigene Pflichtverletzungen und Pflichtverletzungen seines Vertreters nicht einzustehen. Tritt jemand in Vertragsverhandlungen mit einem Vertreter ein, so ist es für ihn entscheidend, daß der in der Regel zahlungskräftigere Vertretene haftet, falls er selbst bei den Vertragsverhandlungen zu Schaden kommt. Könnte er die Haftung des Geschäftsherrn nur bei einem unmittelbaren Kontakt zu diesem erreichen, käme die Stellvertretung selbst, auf die der moderne Geschäftsverkehr nicht verzichten kann67 , zum Erliegen. Diese grundsätzliche Haftung des Vertretenen besteht auch in den Fällen gesetzlicher Vertretung lS • Die gegenteilige Ansicht von Ballerstedt8U hat sich nicht durchzusetzen vermocht. Sie beruht zum einem auf der verfehlten Annahme, die Pflichten aus c. i. c. fänden ihre Rechtsgrundlage in einer besonderen Vertrauensbeziehung und führt zum anderen zu dem unhaltbaren Ergebnis, daß der Vertretene für alle Schadenshandlungen, die in den Vertrag einfließen oder bei Vertragsabwicklung begangen werden, einstehen müßte, nicht aber für die bei Vertragsanbahnung erfolgten. Aber auch diese gehören grundsätzlich zum Risikobereich des Vertretenen. Fraglich ist jedoch, ob aus der prinzipiellen Haftung des Vertretenen unter Berücksichtigung der Lehre zur und dem Wesen der Stellvertretung folgt, daß grundsätzlich die Eigenhaftung des Vertreters ausgeschlossen ist, d. h. ob die Rechte und Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis lediglich den Vertretenen und nicht auch den Vertreter treffen. 84 Vgl. Frotz, Verkehrsschutz, S.86; WeIser, Vertretung, S.103 f.; Coing, Festschrift Fischer, S. 65, 74 Fn. 13. 65 So Larenz, Allg. Teil, § 30 HI, S. 533. 88 So Raiser, JW 28, S. 2636. 87 Vgl. schon Motive I, S. 115; Larenz, Allg. Teil, § 30 I, S. 508. 8S Ganz h. M. vgl. nur Frotz, Verkehrsschutz, S.83; Sticht, S. 60 ff. mit umfassenden weiteren Nachweisen. 61 AcP 151, S.501, 525 ff.; ihm folgend E. Schmidt, Nachwort, S.152; derselbe, AcP 170, S.502, 517 ff.; SoergeII Leptien, § 177 Rd Nr. 35 - allerdings ohne nähere Begründung; Nirk, Festschrift Hauß, S. 267,284 Fn. 80.

4. Dritthaftung

i3

Eine solche Doppelhaftung70 scheint zunächst mit dem Wesen der Stellvertretung, nach der die Rechtswirkungen des Vertreterhandelns grundsätzlich unmittelbar und ausschließlich in der Person des Vertretenen eintreten, sofern der Vertreter die Vertretungsmacht einhäJt11, unvereinbar zu sein 7!. Diese unmittelbare und ausschließliche Wirkung des Vertreterhandelns ist aber keineswegs von der "Natur der Sache" her geboten 73 , wie insbesondere die geschichtliche Entwicklung des Stellvertretungsrechts74 zeigt. Das Unmittelbarkeits- und Ausschließlichkeitsprinzip innerhalb des Stellvertretungsrechts wurde erst durch die Dogmatik des 19. Jahrhunderts herausgearbeitet, nachdem zuvor das System der Doppelhaftung allgemeine Geltung hatte75 • Auch zeigen sowohl § 1357 Abs. 1 BGB, nach dem beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet werden, als auch die Vorschrift des § 54 S. 2 BGB78 - nach dieser Vorschrift haftet derjenige, der im Namen und mit Vollmacht eines nichtrechtsfähigen Vereins rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten eingeht, neben dem Verein auch persönlich -, daß das Bürgerliche Gesetzbuch das Unmittelbarkeitsprinzip nicht zu den Wesensmerkmalen des Stellvertretungsrechts zählt 77 • Dem kann man nicht entgegenhalten, sowohl § 1357 BGB als auch § 54 BGB seien keine echten Anwendungsfälle der Stellvertretung i. S. d. §§ 164 ff. BGB, da sie zumindest als Beispiele für eine Stellvertretung i. w. S. anzusehen sind 78 • Darüber hinaus wird jeder Vertreter neben dem Vertretenen selbst berechtigt und verpflichtet, wenn er zugleich im fremden und eigenen Namen handelt, was auch stillschweigend geschehen kann 7e • Noch weitergehend hat die RechtsprechungB° angenommen, daß unter Umständen der Vertreter neben dem Vertretenen sogar zusätzlich vertraglich gebunden sein kann, 70 Der Begriff "Doppelhaftung" wird hier im untechnischen Sinne gebraucht, ohne daß eine Aussage über Art und Ausgestaltung der Haftung gemacht werden soll. 71 Vgl. zu den Rechtswirkungen des durch einen Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäfts - Motive I, S.225; Larenz, Allg. Teil, § 30 III, S. 532. 72 So z. B. Stoll, JW 28, S. 1285 f.; Mielke, S. 97. 71 Ballerstedt, AcP 151, S. 501, 513. 74 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung im einzelnen Müller, NJW 69, S. 2169,2172; Ballerstedt, AcP 151, S. 501,513. 75 Vgl. Staudinger / Coing, Vorb. § 164, Rd Nr. 7. 78 Zur Haftung aus § 54 S.2 BGB für vorvertragliches Verschulden vgl. ausführlich BGH LM Nr. 11 zu § 31 BGB - 21. 5. 57 - VIII ZR 202/56. 77 Zu diesen Beispielen vgl. Larenz, Allg. Teil, § 30 III, S.532; Müller, NJW 69, S. 2169, 2172. 78 Müller, NJW 69, S. 2169, 2172 Fn. 54. 7e Vgl. nur RGZ 127, S.103, 105 - 17.1. 30 - 111 160/29. 80 Vgl. beispielhaft BGH LM Nr.26 zu § 164 BGB - 1. 12. 65 - I b ZR 148/63; RG JW 31, S. 1028 f. - 2.10.30 - VI 620/29; RG SeuffA 81, Nr.85, S. 135 - 15.1. 27 - V 255/26 -; zum Problem der vertraglichen Eigenhaftung des Vertreters vgl. aus der Literatur Craushaar, Festschrift Caemmerer, S. 87 ff.

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11. Erhaltungspflichten

auch wenn er den Vertrag ausschließlich und ausdrücklich im fremden und nicht im eigenen Namen abgeschlossen hat. Das "Wesen der Stellvertretung" schließt somit eine Eigenhaftung des Vertreters neben dem Vertretenen nicht aus81 . Aber auch die konkrete Ausgestaltung des Stellvertretungsrechts in den §§ 164 ff. BGB steht einer Eigenhaftung des Vertreters aus c. i. c. nicht entgegen. Die Repräsentationstheorie 82 , die der Regelung des BGB zu Grunde liegt8a, spricht vielmehr für eine Eigenhaftung des Vertreters. Nach ihr ist nämlich der juristisch allein Handelnde der Stellvertreter. Er ist insbesondere bei Verträgen der Kontrahent84 • Schon Jhering 85 schloß in seinem grundlegenden Aufsatz hieraus, daß, wenn man der Repräsentationstheorie folgt, für den Vertreter die "Grundsätze über contractliche culpa" zu gelten haben. Die ausschließliche Verpflichtung des Vertretenen aus dem Rechtsgeschäft beruht im Rahmen der gesetzlichen Regelung der §§ 164 ff. BGB einzig und allein auf dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Willen der handelnden Personen und auf dem Gesetz, das diesen Willen anerkennt 86. Das Stellvertretungsrecht geht von der Vorstellung aus, der im fremden Namen Handelnde entäußere sich gleichsam kraft eines Willensaktes aller ihn persönlich treffenden Rechtswirkungen des Geschäfts, sofern er nur in den Grenzen seiner Vertretungsmacht bleibt87 . Nach Mitteis 88 liegt dem ganzen Recht der Stellvertretung der Satz zugrunde: "Der Stellvertreter will durch das Rechtsgeschäft für sich selbst keine Rechtswirkungen erzeugen und diesen Willen erkennt das Gesetz insofern an, als es die Rechtswirkungen sofort und ohne Durchgang in der Person des Prinzipals entstehen läßt." Kurz gesagt: Da der Stellvertreter sich nicht berechtigen und verpflichten will, tritt für ihn keine Berechtigung und Verpflichtung ein. Hieraus folgt aber geradezu zwangsläufig, daß in der Person des Vertreters nur diejenigen Wirkungen nicht eintreten, 81 Vgl. auch Enneccerus 1Nipperdey, § 182 III 3, S.1119 Fn.21: "Dogmatische Bedenken gegen diese Doppelhaftung sowohl des Vertretenen als auch des Vertreters bestehen nicht". 82 Zu den verschiedenen Stellvertretungstheorien vgl. im einzelnen Flume, Allg. Teil H, § 43/2, S. 751 f. 83 VgI. Thiele, Münchner Kommentar, Vor § 164 Rd Nr.72; Staudinger 1 Coing, § 164 Rd Nr. 3. 84 VgI. Mitteis, S. 97; Staudinger 1Coing, § 164 Rd Nr. 13; Soergell Schultzev. Lasaulx, Vor § 164 Rd Nr. 10; Erman 1Westermann, § 164 Rd Nr. 2; Flume, Allg. Teil H, § 43/2, 3, S. 752. 85 Jh. Jb. 4, S. 1,54 f.; kritisch Wels er, Vertretung, S. 90. 86 Soergell Schulzte-v. Lasaulx, § 164 Rd Nr. 24; Enneccerus 1 Nipperdey, § 182 H, S. 1115. 87 So Ballerstedt, AcP 151, S. 501, 513. 88 S.154.

4. Dritthaftung

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die aus dem Willen der Parteien abzuleiten sind. Soweit "mit dem Rechtsgeschäft" aber Wirkungen verbunden sind, die nicht auf dem Willen der handelnden Personen beruhen, sondern unabhängig von diesem eintreten, ist kein Grund ersichtlich, wieso diese Wirkungen nicht auch in der Person des Vertreters eintreten sollen89 • Wie oben schon festgestellt, ist das vorvertragliche Schuldverhältnis kein rechtsgeschäftliches, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis, welches unabhängig vom Willen der Parteien zustandekommt90 • Die vorvertraglichen Pflichten entstehen nicht kraft rechtsgeschäftlichen Willens sondern kraft Gesetzes. Der Parteiwille ist für die Haftung ohne jede Bedeutung91 • Dann kann aber auch nicht der Wille des Vertreters (im Gegensatz zur vertraglichen) die ausschließliche vorvertragliche Verpflichtung des Vertretenen herbeiführen. Vertretungsrechtlich besteht somit kein Grund, eine eigene Verpflichtung des Vertreters aus dem Rechtsinstitut c. i. c. neben der des Vertretenen abzulehnen02 , eine Eigenhaftung des Vertreters wird vielmehr nahegelegt. Auch bestehen keine rechtsgrundsätzlichen Bedenken, daß jemand zugleich Erfüllungsgehilfe eines anderen und Schuldner einer inhaltlich gleichen Verbindlichkeit gegenüber demselben Gläubiger ist93 • Es ist in der Rechtsprechung 94 anerkannt, daß für die Stellung als Erfüllungsgehilfe allein maßgeblich ist, ob der Handelnde nach den tatsächlichen Verhältnissen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeiten tätig wird. Unerheblich ist demgegebenüber, in welcher rechtlichen Beziehung er selbst zu dem Schuldner oder dessen Gläubigern steht, ob er gleichzeitig eigene Verpflichtungen erfüllt. 89 Mitteis, S.156; konsequenterweise hat der BGH im vertraglichen Bereich die Möglichkeit der Haftung eines Dritten für die Fallgruppe der eigentlichen Leistungsstörungen ausdrücklich abgelehnt (vgl. BGH LM Nr. 4 zu § 276 (Ha) BGB - 21. 3. 67 - VI ZR 164/65; vgl. auch Steffen, RGRK, § 164 Rd Nr. 4), denn die Leistungsverpflichtung beruht ausschließlich auf dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten, aber für die Verletzung solcher "Schutzpflichten" anerkannt, die mit dem eigentlichen Leistungsgegenstand nichts zu tun haben. Diesen Unterschied ausdrücklich hervorhebend BGH WM 78, S.425 - 19.12.77 - II ZR 164/76; (besprochen von Nirk, Festschrift Hauß, S. 273 ff., 278 f.); vgl. auch BGH WM 77, S. 73,76 - 3.11. 76 - I ZR 156/74. 90 Vgl. auch Canaris, NJW 64, S. 1987 f.; derselbe, JZ 65, S. 475 f.; Weimar, MDR 78, S. 376 f. 91 Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I, S.97; derselbe, MDR 54, S. 515 f.; Ballerstedt, AcP 151, S.501, 505; Thiele, JZ 67, S.649, 652; Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S. 163 f.; Nirk, Festschrift Hauß, S.267, 279; Littbarski, JZ 78, S. 3,8; Küppersbusch, S. 42. 92 So auch Mitteis, S.159; Evans-von Krbek, AcP 179, S. 85,108. 03 Vgl. schon Ballerstedt, AcP 151, S. 501, 522. 94 Vgl. BGHZ 13, S.l11, 113 - 21.4.54 - VI ZR 55/53; BGH WM 78, S. 245 f. - 26. 10. 77 - IV ZR 177/76.

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11. Erhaltungspflichten

Gegen eine Doppelhaftung läßt sich allerdings möglicherweise einwenden, daß sie für den Gläubiger eine ungerechtfertigte Besserstellung bedeute, da ihm bei einer Pflichtverletzung des Vertreters zwei Schuldner haften würden. Eine solche Besserstellung sei nicht einsichtig, da der Geschäftspartner zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser zu stellen sei, als wenn er mit dem Geschäftsherrn selbst in Vertragsverhandlungen getreten seiD5 • Ballerstedt95 versucht, diesen von ihm selbst aufgeworfenen Einwand mit dem Hinweis auf das gesteigerte Verhandlungsrisiko, wenn auf der Gegenseite zwei oder mehrere Personen beteiligt sind, zu entkräften. Daß das Risiko der Schädigung von Rechtsgütern des anderen Teils umso größer ist, je mehr Personen in die Verhandlungen eingeschaltet sind, läßt sich im Regelfall kaum bestreitenD6 • Zu Recht bemerkt aber Frotz 97 , daß die Ablehnung der Doppelhaftung keineswegs eine überwälzung dieses erhöhten Verhandlungsrisikos auf den Verhandlungspartner bedeuten würde. Es gehe nur um das Problem, ob der Geschäftsherr im Außenverhältnis für das erhöhte Risiko, das sich zu einem Schaden verdichtet hat, allein aufkommen muß oder ob noch ein Schuldner hinter oder neben ihm stehe, der ebenfalls aus c. i. c. hafte. In dieser Argumentation zeigt sich allerdings umgekehrt zugleich, daß die Haftung mehrerer, bei denen der Haftungsgrund verwirklicht ist, allein noch keine (ungerechtfertigte) Besserstellung darstelltG8 • Allein die Tatsache der Schuldnermehrheit ist, wie die gesetzliche Regelung in §§ 420 ff., 830, 840 BGB beweist, noch keine (echte) Besserstellung, die einer besonderen Begründung bedarf oder auf die der Gläubiger Einfluß nehmen könnte. Entscheidend hierfür ist allein, daß mehrere Personen mittelbar oder unmittelbar die Schädigung verursacht haben. Dies zeigt sich deutlich in der Haftung des Geschäftsherrn für den Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB und dessen gleichzeitiger möglicher Eigenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB99• Ein Grund, warum im deliktischen Bereich bei einem Verstoß gegen gegenüber jedermann bestehenden Pflichten eine Doppelhaftung eher als im vertraglichen Bereich bei einem Verstoß gegen Erhaltungspflichten gerechtfertigt sein 85 Ballerstedt, AcP 151, S.501, 522; Frotz, Verkehrsschutz, S.80; auf die Problematik, ob und inwieweit der Verhandlungspartner dem Vertreter aus dem Rechtsinstitut c. i. c. selbst verpflichtet ist, kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. 81 a. A. Welser, Vertretung, S.99, der die Risikosteigerung mit dem Hinweis verneint, auch der Geschäftsherr hätte die schädigende Handlung begehen können. Die Steigerung liegt jedoch gerade darin, daß sowohl Vertreter als auch Vertretener die Pflichtverletzung begehen können. 87 Verkehrsschutz, S. 81. 88 So auch WeIser, Vertretung, S. 107. 88 Vgl. nur PaZandt I Thomas, § 831 Anm.2 C.

4. Dritthaftung

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sollte, ist nicht ersichtlich. Die Doppelhaftung folgt aus der Doppelverpflichtung, die sich wiederum zwanglos daraus erklärt, daß "in das Rechtsgeschäft auf Seiten des Vertretenen zwei Personen handelnd eingeführt sind" und dadurch beide die Verantwortung tragenlOO • Auch läßt sich nicht generell sagen, die Zusatzhaftung sei nicht notwendiglOl , denn es sind ohne weiteres Fälle denkbar, in denen es für den Geschäftspartner von entscheidender Bedeutung ist, ob er nur den Geschäftsherrn oder auch den Vertreter in Anspruch nehmen kann. Man denke nur an Insolvenz und Unerreichbarkeit des Geschäftsherrn oder an die tatsächliche Unsicherheit, ob überhaupt im fremden Namen und gegebenenfalls in welchem, ob mit oder ob ohne Vollmacht der "Vertreter" aufgetreten ist. Der Geschäftspartner kann in diesen Fällen, wenn der "Vertreter" gegen eine Erhaltungspflicht verstoßen hat, ein berechtigtes Interesse haben, sogleich gegen die Person des unmittelbar handelnden Schädigers, die für ihn unzweifelhaft feststeht, vorzugehen, ohne sich an einen Dritten "Hintermann" verweisen lassen zu müssen. Zudem ist die Schadloshaltung des Geschädigten nicht alleiniger und primärer Zweck des Rechtsinstituts c. i. c. Ballerstedtt02 erörtert als möglichen Einwand, die Eigenhaftung des Vertreters sei für diesen eine unbillige Härte, "da er wirtschaftlich nicht Träger des Geschäfts sei". Schon oben wurde aber dargelegt, daß es nach unserer Rechtsordnung für eine Haftung nicht entscheidend ist, ob der Handelnde eigene wirtschaftliche Vorteile erlangt oder nicht. BallerstedtlOI weist insoweit auf die §§ 179, 54 S. 2 BGB und 11 GmbHG hin. Es ist darüber hinaus ein Gebot des Rechts, daß niemand bei Vertragsverhandlungen den anderen schädigen darf, auch wenn er aus dem schädigenden Verhalten oder der Kontaktaufnahme für sich selbst keinen wirtschaftlichen Vorteil erstrebt. Zudem führt die Eigenhaftung des Vertreters in aller Regel nicht zu einer unbilligen SchlechtersteIlung. Regelmäßig wird nämlich die Verletzung der Verhaltenspflicht gegenüber dem Verhandlungspartner gleichzeitig eine Verletzung des zwischen Vertreter und Vertretenem bestehenden Geschäftsbesorgungsoder Dienstvertrages oder Auftragsverhältnisses seinl03 • Der Vertreter ist alsdann dem Vertretenen zum Ersatz des diesem entstandenen Schadens verpflichtet, der darin besteht, daß der Vertretene dem Verhandlungspartner Schadenersatz zu leisten hat. Der Vertreter muß also So Mitteis, S. 161. So aber Frotz, Verkehrsschutz, S.80; ähnlich Welser, Vertretung, 5.101, der übersieht, daß der Geschädigte nicht schon dann hinreichend geschützt ist, wenn er einen Anspruch gegen den Geschäftsherren erhält, sondern allenfalls erst dann, wenn dieser Anspruch ohne größere Schwierigkeiten durchsetzbar ist. 102 AcP 151, S. 501, 522 f. 103 Vgl. Sticht, S. 91. 100

lot

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11. Erhaltungspflichten

letztlich so oder so den gesamten Schaden tragen. Bei einer unmittelbaren Haftung wird lediglich (z. B. in den Fällen der Insolvenz des Vertretenen) der Umweg über den Anspruch des Vertretenen gegen den Vertreter vermieden. Soweit im Verhältnis Geschäftsherr - Vertreter besondere Haftungsbeschränkungen kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung bestehen (beachte z. B. den Gesichtspunkt der gefahrgeneigten Arbeit), so können diese beim Ausgleich im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem oder im Wege des Freistellungsanspruchs berücksichtigt werden. Die generelle Eigenhaftung des Stellvertreters bei der Verletzung einer Erhaltungspflicht erscheint auch nicht als für das Rechtsgefühl zu weitgehend und unangemessen104 • Abgesehen davon, daß eine Argumentation, die allein auf dem Gefühl aufbaut, wenig überzeugend ist, widerspricht die obligationsmäßige Haftung desjenigen, der im Rechtsverkehr selbst und unmittelbar - wenn auch nur als Vertreter - unter Nichtbeachtung verkehrsüblicher Sorgfalt Rechtsgüter des anderen Teils beeinträchtigt, m. E. keineswegs dem Rechtsgefühl. Die rein tatsächliche Verletzungshandlung ist zunächst ausschließlich eine Handlung des Vertreters. Er erscheint bei der Verletzung einer Erhaltungspflicht nicht etwa nur als verlängerter Arm oder Sprachrohr des Vertretenen, als derjenige, der Bedeutungsgehalt und Auswirkung seines Verhaltens nicht überschauen kann. Bei der Verletzung einer Erhaltungspflicht handelt der Vertreter vielmehr immer zugleich und in erster Linie als "Eigenperson"105. Man denke nur an den Makler, in dessen Büroraum ein Kaufinteressent wegen fehlender Verkehrssicherheit zu Fall kommt oder an den Abschlußvertreter, der bei der Vorführung eines Gerätes in der Wohnung eines Interessenten wegen schuldhaft falscher Bedienung einen Zimmerbrand verursacht. Es erscheint keineswegs unbillig und unangemessen, daß der Vertreter in diesen Fällen selbst und unmittelbar nach vertraglichen Grundsätzen haftet. Aus den genannten Gründen bedarf es bei der Verletzung einer Erhaltungspflicht auch nicht der Einschränkung von Mitteis100 , daß zwar bei "dolus in contrahendo" der Stellvertreter immer nach Vertragsgrundsätzen hafte, daß jedoch bei "culpa in contrahendo" ein stillschweigender Haftungsausschluß ("pactum ne culpa praestetur (a procuratore)") anzunehmen sei, wenn der Vertreter mit wirklich vorhandener Vollmacht kontrahiere. Denn bei der Verletzung einer Erhaltungspflicht kann nicht gesagt werden, daß sich der Vertreter "auf die Ordre seines Principals verließ und es nicht für nöthig hielt, diesen noch zu controliren". Darüber hinaus ist die Annahme eines stillschweigenden Haf104 105 108

So jedoch Sticht, S. 91. Begriff nach Flume, Allg. Teil II,

S. 162 f.

§ 46/5,

S. 797.

4. Dritthaftung

79

tungsausschlusses eine reine Fiktion. Ein Haftungsausschluß kann auch nicht etwa in einem möglicherweise trotz der Pflichtverletzung erfolgten späteren Vertragsabschluß gesehen werden, da der vertragliche Erfüllungsanspruch den vorvertraglichen Schadenersatzanspruch gegen Vertreter und Geschäftsherrn wegen Verletzung einer Erhaltungspflicht nicht berührt. Beide Ansprüche betreffen verschiedene Regelungsbereiche und die Erfüllung beider führt nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Geschäftspartners. Schließlich entspricht es dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts c. i. c., die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zu gewährleisten, möglichst alle am Rechtsverkehr Teilnehmenden, gleichgültig ob sie als Geschäftsherr oder als Vertreter beteiligt sind, in den vorvertraglichen, gesteigerten Pflichtenkreis einzubeziehen. Gerade im heutigen Wirtschaftsleben werden in großem Umfang Hilfspersonen eingeschaltet, wodurch - wie erwähnt - das Schädigungsrisiko erhöht wird. Nur und gerade wenn auch diese Hilfspersonen die Pflichten aus dem vorvertraglichen Verhandlungsverhältnis treffen, wird eine von ängstlichem Mißtrauen befreite Atmosphäre geschaffen, wie sie zum Funktionieren des Rechtsverkehrs erforderlich ist. Auf diese Art und Weise läßt sich der Rechtsverkehr am wirkungsvollsten schützen. Erst in zweiter Linie ist entscheidend, ob der Geschäftspartner auch ohne die Eigenhaftung des Vertreters seine Schadloshaltung erreichen kann. Vordringliche Aufgabe des Rechtsinstituts c. i. c. ist es, eine ordnungsgemäße Verhandlungsführung aller Beteiligten zu gewährleisten. Insbesondere das Beispiel des vollmachtlosen Vertreters zeigt, daß lediglich die generelle Eigenhaftung des Stellvertreters bei der Verletzung von Erhaltungspflichten dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs genügt. Mitteis l07 bringt hierzu folgendes Beispiel: "Man setze den Fall, A als stellvertretender Negotorium Gestor des B verkauft dem C eine Partie Waare und lieferte dieselbe sofort. C nimmt dieselbe bis zur weiteren Entschließung des B in Verwahrung, und als B darauf seine Genehmigung verweigert, will er dieselbe zurückstellen, entdeckt aber nunmehr, daß diese Waare theilweise feucht gewesen, so daß sein ganzes Waarenlager hierdurch verdorben worden ist. An B kann er sich dieserhalb nicht halten, weil B ihm die Waare nicht verkauft hat108 , nach der h. L. würde er sich aber auch an A nicht S.158. Dieses Ergebnis entspricht auch heute der h. L., wenn A ohne Verhandlungsvollmacht gehandelt hat - vgl. Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I 4, S.100; StaudingerJ Coing, §§ 177, 178, 179 Rd Nr.12; Soergel! Leptien, § 177 Rd Nr. 35; Frotz, Verkehrsschutz, S.56; Peters, Festschrift Reinhardt, S.127 Fn.5; Sticht, S.57; unzutreffend Canaris, JZ 65, S.475, 482, der allein auf das Vorliegen einer tatsächlichen Vertrauensbeziehung abstellt. 107

108

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II. Erhaltungspfiichteti

halten können, weil diese, wollte sie irgendwie consequent109 bleiben, ihm erwidern müßte: A hat für sich keinen Vertrag geschlossen, muß also von aller Haftung freibleiben. Die vollständige Unmöglichkeit dieses Resultats liegt auf der Hand110." Solchen Beispielen, in denen ein vollmachtloser Vertreter die Rechtsgüter des Vertragspartners schädigt, kann nicht § 179 BGB entgegengehalten werden, der zudem einen Vertragsabschluß voraussetzt. Man kann nämlich nicht einfach sagenl11 : "Handelt jemand als Vertreter ohne Vertretungsmacht und wird die Genehmigung verweigert, so ist der Handelnde selbständiger Partner des anderen hinsichtlich des Geschäftsabschlusses. über § 179 BGB hinaus haftet deshalb der Vertreter ohne Vertretungsmacht allgemein nach den Grundsätzen der Lehre von der Haftung für culpa in contrahendo". Aus § 179 BGB läßt sich diese Partnerstellung nicht begründentn • § 179 BGB ist lediglich eine Störungslösung für den Fall fehlender Vertretungsmacht113 und regelt nur die Schäden, die sich aus dem Nichteintritt der Vertretungswirkung ergeben114 • Die Frage der Schutzpflichtentstehung in der Person des Vertreters regelt § 179 BGB nicht115 • Dies zeigt sich auch darin, daß die Haftung des Vertreters für die Verletzung von Erhaltungspflichten nicht davon abhängen kann, ob der Geschäftspartner die fehlende Vollmacht kannte oder kennen mußte (§ 179 Abs. 3 BGB). Weiterhin sei in diesem Zusammenhang auf die Schwierigkeit der nachträglichen Genehmigung durch den Vertretenen hingewiesen. Geht man davon aus, daß zwar den Vertreter ohne Vertretungsmacht, nicht aber den Vertreter mit Vertretungsmacht die Pflichten aus dem vorvertraglichen Verhandlungsverhältnis treffen, so würde mit Genehmigung der Vertreter rückwirkend von seinen Pflichten entbunden und seine Ersatzpflicht gegenüber dem Geschädigten würde ohne dessen Zutun entfallen. 108 Inkonsequent Soergell Schultze-v. Lasaulx, § 177 Rd Nr. 55; Flume, Allg. Teil II, § 47/3 a, S.805; konsequent Thiele, Münchner Kommentar, § 177 Rd Nr. 55; Soergell Leptien, § 179 Rd Nr. 23. 110 Vgl. zur weiteren Begründung auch die Ausführungen unter B. Ir. 4. a) bb) vor Fn. 35. 111 So aber Flume, Allg. Teil II, § 47/3 a, S. 805; ähnlich Sticht, S.57. 11Z Vgl. Crezelius, JuS 77, S.796, 798; BGH NJW 70, S.240 - 14. 11. 69 V ZR 97/66: "Der Beklagten bleibt es freilich unbenommen, den Kläger aus § 179 I BGB und soweit er im eigenen Namen gehandelt hat wegen Verschuldens bei Vertragsabschluß in Anspruch zu nehmen". UJ Frotz, Verkehrsschutz, S. 69, Fn.169. 114 Vgl. Frotz, Verkehrsschutz, S.63, 53, Fn.113; derselbe, Gedenkschrift Gschnitzer, S.163, 178; Welser, Vertretung, S. 93; Steffen, RGRK, § 179 RdNr. 18; Crezelius, JuS 77, S. 796 f. Der Vertreter wird auf Grund der Regelung des § 179 niemals selbst Vertragspartei - vgl. Soegell Leptien, § 179 Rd Nr. 16. 115 Frotz, Verkehrsschutz, S. 70, Fn. 169.

4. Dritthaftung

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Diese Probleme ergeben sich nicht, wenn man die grundsätzliche Eigenhaftung des Vertreters bejaht. Nicht ausreichend und nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang die Ansicht von Welser 118 , daß zwar den Vertreter die Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis treffen würden, daß er aber nach dem Schutzzweck der Pflichten nur dann hafte, wenn sein Verschulden dem Geschäftsherrn nicht zurechenbar sei. Schutzzweck der Erhaltungspflichten ist es nämlich nicht, "den Dritten vor dem Mangel eines pflichtigen und damit eventuell haftpflichtigen Kontraktssubjekts" zu "schützen". Weiterhin ist auch bei der Einschaltung von Hilfspersonen durch den Vertreter die Anwendung des § 278 BGB allein sachgerecht. § 831 BGB mit seiner Exculpationsmöglichkeit würde die Rechte des Geschädigten, der dem Vertreter nicht wie ein beliebiger Dritter im allgemeinen Rechtsleben, sondern im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs gegenübertritt, zu sehr beschneiden. Schließlich steht der die Vertragsverhandlungen führende Vertreter zu dem Geschäftspartner in einer tatsächlichen und rechtlichen Beziehung, die hinsichtlich der Intensität des Kontakts, seiner Zielrichtung und Zweckbestimmung wertungsmäßig eher dem engeren Kontakt der schuldrechtlichen Sonderbeziehung als der allgemeinen deliktischen Beziehung ("quivis ex populo") gleichgesetzt werden kann. Muß man ihre Beziehung einem der beiden Pole Vertrag oder Delikt zuordnen, so entspricht sie mehr der Situation zwischen Vertragspartnern (bewußter und gewollter Kontakt im Hinblick auf ein Rechtsgeschäft, besondere Nähebeziehung, gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit). Nach alle dem ist - jedenfalls für den Bereich der Erhaltungspflichten - im Grundsatz von der generellen Eigenhaftung des Vertreters auszugehen. Des Vorliegens besonderer Voraussetzungen bedarf es nicht117 • Vertretung, S. 100. Ähnlich im Ergebnis Palandt I Heinrichs, § 164 Anm.3. "Der Vertreter haftet auch sonst: wer am Verkehr, wenn auch für andere, teilnimmt, schuldet dem Partner Redlichkeit, wer diese verletzt, haftet". Enneccerus I Nipperdev, § 182 11 3 b, S.1120: "Wer aber am Rechtsverkehr teilnimmt, hat sich stets Treu und Glauben entsprechend zu verhalten und muß, wenn er hiergegen verstößt, für die Folgen einstehen, gleichgültig, ob er für sich selbst oder für einen Dritten handelt"; vgl. auch Roth, Münchner Kommentar, § 242 Rd Nr. 196; Mühlich, S. 41 f.; Raiser, JW 28, S.2636; Sticht, S. 89 ff.; Müller, NJW 69, S.2169, 2172: "Die rechtshistorische Entwicklung beweist, daß das Prinzip der alleinigen Haftung des Vertreters Schiffbruch erlitten hat. Vielleicht kristallisiert sich bei uns im Augenblick die Erkenntnis heraus, daß auch eine alleinige Haftung des Vertretenen nicht die endgültige Lösung sein kann, weil nur eine Doppelhaftung in irgendeiner Form den Anforderungen und Gepflogenheiten unseres modernen wirtschaftlichen Lebens am ehesten gerecht wird." 118

117

6 Sctunltz

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11. Erhaltungspflichten

Dieser an Hand des Stellvertreters entwickelte Grundsatz ist aber nicht auf den Vertreter zu beschränken, sondern kann und muß nach Sinn und Zweck der Pflichten auf sonstige Drittbeteiligte ausgedehnt werden, die ebenso wie der Stellvertreter in die Vertragsverhandlungen eingeschaltet sind (z. B. Boten, Gehilfen, Sachverständige) und daher wie dieser am Rechtsverkehr teilnehmen118 • Diese Ausdehnung ist nur konsequent, wenn man auch diejenigen in den vorvertraglichen Pflichtenkreis einbezieht, die sich nicht vertraglich verpflichten wollen, und wenn man die Pflichtenbegründung lediglich auf die Teilnahme llD am Rechtsverkehr stützt. Ihr kann auch nicht der "Standardeinwand" gegenüber dem Rechtsinstitut c. i. c. entgegengehalten werden, daß die durch den Vertrag gezogene Grenze des schuldrechtlichen Haftungsbereichs durchbrochen würde und die Gefahr der völligen Ausuferung bestehe120• Einschränkung und Begrenzung des Anwendungsbereichs des Rechtsinstituts c. i. c. liegen darin, daß sich die Beteiligten nicht in einer "beliebigen Sonderbeziehung" befinden dürfen, die den Regeln des Deliktsrechts vorbehalten ist, sondern in einer Beziehung innerhalb des "rechtsgeschäftlichen Verkehrs"121. Hier liegt die klare und eindeutige Grenze.

aa) Verhältnis der Haftung von Drittem und Geschäftsherrn Soweit für die Verletzung der Erhaltungspflicht sowohl der Dritte als auch der Geschäftsherr haften, stellt sich die weitere Frage, in welcher Form diese Haftung konkret ausgestaltet ist. Naheliegend ist es, eine gesamtschuldnerische Haftung anzunehmen122 , da die Verpflichtungen inhaltsgleich sind123 und der Geschädigte seinen Schaden nur einmal ersetzt verlangen kann. Sowohl die Forderung gegen den Dritten als auch die Forderung gegen den Geschäftsherrn dienen dem selben Zweck, der Sicherung und Befriedigung des Gläubigers124 • Im Bereich 118 Für eine Gleichbehandlung von Vertretern, Verhandlungsgehilfen und Boten Welser, Vertretung, S. 108 ff.; Dölle, ZStW 103, S.67, 78; auch die Rechtsprechung wendet die Grundsätze der Vertreterhaftung auf andere Drittbeteiligte an - vgl. nur BGH WM 77, S.73, 76 - 3.11. 76 - I ZR 156/74; OLG Oldenburg, WM 78, S. 1189 f. - 19. 1. 78 - 1 U 88/77. m Zum Begriff der Teilnahme s. o. unter B. 11. 3. a) bei Fn. 1. 120 Vgl. Honsell, JR 76, S. 361, 366; Medicus, JuS 65, S. 218. 121 Vgl. BGH WM 78, S. 425 ff. - 19.12.77 - 11 ZR 164/76; Nirk, Festschrift Hauß, S. 267 f. 122 So Müller, NJW 69, S. 2169,2172; Sticht, S. 98. 123 Der Geschädigte ist ohne jede Einschränkung von beiden Verpflichteten so zu stellen, wie er ohne die Verletzungshandlung stehen würde. Eine Begrenzung auf das Erfüllungsinteresse kommt hier nicht in Betracht - vgl. Larenz, Schuldr. Allg. Teil I, § 9 I 3, S.99; Esser, Schuldr. Bd.1, § 52 IV 2, S.379. 124 Vgl. zu Begriff und Voraussetzungen der Gesamtschuld Medicus, Bür· gerl. Recht, Rd Nr. 916 ff.

4. Dritthaftung

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der Erhaltungspflichten drängt sich geradezu die Parallele zu § 840 BGB im deliktischen Bereich auf, der anzuwenden ist, wenn sowohl der Geschäftsherr als auch der Verrichtungsgehilfe selbst für eine unerlaubte Handlung einzustehen haben. In beiden Fällen verletzt ein "Gehilfe" unmittelbar die Rechtsgüter eines Dritten und der "Geschäftsherr" muß für diese Verletzungshandlung einstehen. Der Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den Haftenden bestimmt sich nach den dort getroffenen Vereinbarungen. In der Regel wird der Vertreter im Innenverhältnis den Schaden allein zu tragen haben, da seine Pflichtverletzung zugleich eine Vertragsverletzung des Innenverhältnisses (Dienstvertrag, Geschäftsbesorgungsvertrag, Auftrag) sein wird, die ihn gegenüber dem Geschäftsherrn verpflichtet, diesen von jeder Haftung freizustellen, und da er den Schaden unmittelbar und schuldhaft verursacht hat125 • Ausnahmen bestehen jedoch z. B., wenn die Grundsätze der gefahrgeneigten Arbeit eingreifen126 oder wenn der Geschäftsherr ausdrücklich oder stillschweigend versprochen hat, den Vertreter freizustellen. Demgegenüber lehnt Ballerstedt127 in den Fällen der Doppelhaftung eine gesamtschuldnerische Haftung ab, da der Sachverhalt weder mit der Mittäterschaft i. S. d. § 830 BGB noch mit einem Schuld beitritt noch mit einer gemeinschaftlichen Vertragsverpflichtung vergleichbar sei. Nach seiner Ansicht haftet der Dritte lediglich wie ein Bürge. Die Haftung beruhe nicht darauf, daß Dritter und Geschäftsherr gemeinschaftlich das Vertrauen des Geschäftspartners in Anspruch genommen hätten; vielmehr sei neben die eine Vertrauensbeziehung selbständig ein neuer Verpflichtungstatbestand getreten, indem der Dritte die Erfüllung der Verhandlungspflichten mit einer erfolgreichen Vertrauenswerbung für sich persönlich verbunden habe. Hierbei habe er "in fremder Sache" seine Vertrauensfähigkeit zur Geltung gebracht und mithin wie ein Bürge gehandelt. Der Dritte bleibe in "der Rolle eines Gewährsmannes" für seinen Geschäftsherrn, was eine Parallele zum Kreditauftrag (§ 778 BGB) nahelege. Dieser Argumentation kann - jedenfalls für den Bereich der Erhaltungspflichten - nicht gefolgt werden. Wie schon gezeigt, beruhen die Erhaltungspflichten nicht auf einer besonderen Vertrauensbeziehung, sondern auf der Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr, um dessen Sicherheit und Leichtigkeit zu fördern. Sie entstehen somit unVgl. auch insoweit die Parallele zu § 840 II BGB. Zur gefahrgeneigten Arbeit vgl. Palandt! Putzo, § 611 Anm. 14 b; zur Berücksichtigung im Rahmen des § 840 Abs.2 BGB vgl. Palandt! Thomas, § 840 Anm. B a. 127 AcP 151, S.501, 523; zustimmend Soergel! Schultze-v. Lasaulx, 10. Auflage, § 164 Rd Nr. 4; Staudinger ! Coing, § 164 Rd Nr. 17 c. 1!5 126

6'

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II. Erhaltungspflichten

mittelbar und selbständig sowohl in der Person des Dritten als auch des Geschäftsherrn. Von einer Gewährträgerschaft des Dritten, daß der Geschäftsherr durch ihn selbst seinen Pflichten nachkommen wird, kann keine Rede sein. Vergleichbar ist der Sachverhalt - wie schon erwähnt - vielmehr der Situation des § 840 BGB. Dritter und Geschäftsherr haften daher als Gesamtschuldner. bb) Haftungsmaßstab

In Betracht kommt, als Haftungsmaßstab in jedem Fall den Maßstab des § 276 BGB oder in Einzelfällen den geringeren des intendierten Schuldverhältnisses zu Grunde zu legen. Ob insoweit zwischen dem Dritten und dem Geschäftsherrn zu unterscheiden ist, da der Dritte nicht Partei des intendierten Vertrages werden soll, braucht erst geprüft zu werden, wenn im vorvertraglichen Bereich die Haftungsmilderung überhaupt eingreift. Insbesondere die ältere Literatur128 war ohne Differenzierung nach den verschiedenen vorvertraglichen Pflichten der Ansicht, daß eine Haftungsmilderung, die für den Vertrag vorgeschrieben sei, auch für die c. i. c. zu gelten habe. Dieser Ansicht kann für den Bereich der Erhaltungspflichten nicht gefolgt werden. Diese Pflichten entstehen - wie schon ausgeführt - völlig unabhängig vom Vertrag und stehen in keinerlei Beziehung zu dem mit dem Vertrag verbundenen Geschäftsrisiko 129 • Die Haftungsmilderung kann nach ihrem Schutzzweck dem Begünstigten nur in seiner Rolle als Schenker, Verleiher, unentgeltlicher Verwahrer oder Gesellschafter zu Gute kommen. Sie beschränkt also die Leistungspflicht selbst, wirkt sich aber nicht auf die Erhaltungspflichten ausUD. Darüber hinaus erspart die hier vertretene Ansicht die häufig schwierige und praktisch nicht selten undurchführbare Feststellung des Kontaktziels. Wie sollte zudem entschieden werden, wenn die Parteien selbst nicht der gleichen Auffassung waren: die eine wollte einen unentgeltlichen, die andere einen entgeltlichen Vertrag abschließen? Letztlich entspricht die Anwendung des allgemeinen Haftungsmaßstabes schon der in den Motiven131 vertretenen Ansicht: "Jedenfalls kann, 128 So schon Jhering, Jh. Jb. 4, S.l, 52; Erman, AcP 139, S.273, 328; Enneccerus I Lehmann, § 43 III, S.192; Nirk, Festschrift Möhring (1965), S. 396 f.; anders jetzt Festschrift Möhring (1975), S.71, 86; vgl. auch Medicus, Bürgerl. Recht, Rd Nr. 199; Canaris, JZ 65, S. 475, 481. 120 Zum Gesichtspunkt "Geschäftsrisiko", vgl. Esser, Schuldr. Bd.2, § 112

V 3, S. 460. 130 So jetzt Larenz, Schuldr. Bes. Teil II, § 47 II a, S. 158; § 50, S. 223; Erman I Battes, § 276 Rd Nr. 123; Strätz, Festschrift Bosch, S.999, 1008 f.; Gerhardt, JuS 70, S.599, 601 ff.; Thiele, JZ 67, S.648, 654; vgl. auch schon Baumert, S. 59 ff.; Raiser, AcP 127, S. 123 f. 1St Motive I, S. 195.

5. Zusammenfassung

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soviel die anzuwendende Sorgfalt anbelangt, der Grad der Sorgfalt, der auf Grund des Schuldverhältnisses, wenn dasselbe zu Stande gekommen wäre, zu beobachten sein würde, nicht für die bei dem Nichtzustandekommen desselben zu vertretende Sorgfalt maßgebend sein (vgl. preuß. A. L. R. I. 5 § 284); insbesondere hat der Umstand, daß das beabsichtigte Rechtsgeschäft nur zur Vertretung grober Fahrlässigkeit verpflichten würde, nicht zur Folge, daß auch die Haftung bei dessen Nichtzustandekommen sich auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt." 5. Zusammenfassung

Die Erhaltungspflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis treffen jeden, der zur Vorbereitung, Förderung und Vermittlung eines Rechtsgeschäfts am Rechtsverkehr teilnimmt, gleichgültig, ob er selbst Partner dieses Rechtsgeschäfts werden soll oder nicht. Dritter und Geschäftsherr haften i. d. R. als Gesamtschuldner.

III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten Fraglich bleibt, ob die soeben entwickelten Grundsätze zur Haftung Drittbeteiligter nur für den Bereich der Erhaltungspflichten oder auch für die anderen Fallgruppen des Rechtsinstituts c. i. c. gelten. Dieser Frage sei an dieser Stelle allgemein für den weiten Bereich der Aufklärungs-, Beratungs-, und Mitwirkungspflichten nachgegangen. Ausgeklammert soll zunächst lediglich die Sondergruppe "Abbruch der Vertragsverhandlungen" werden, bei der strittig ist, ob es sich um einen Anwendungsfall des Rechtsinstituts c. i. c. in der Form der Verletzung einer Aufklärungspflicht handeltt. Da eine abschließende Aufzählung der einzelnen Pflichten in ihrer konkreten Ausgestaltung wegen der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte nicht möglich ist, sollen beispielhaft einige wesentliche Entscheidungen aus der Rechtsprechung mitgeteilt werden, wobei das Schwergewicht zur Begrenzung des Umfangs auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gelegt wird. Im Anschluß hieran wird alsdann untersucht, ob in diesen Fällen von einer "Vertrauenshaftung" gesprochen werden kann.

1. Beispiele aus der Rechtsprechung a) Aufklärungspflichten

aa) Inhalt der Aufklärungspflicht Die Pflicht zur Aufklärung wird in der Rechtsprechung dahin umschrieben, daß bei Verhandlungen über den Abschluß eines Vertrages jede Seite verpflichtet sei, den anderen Teil über die Umstände aufzuklären, die für die Entschließung des anderen Telis von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können2 • Zur weiteren Einteilung lassen 1 Vgl. hierzu und zu der vorgenommenen Unterteilung Larenz, Festschrift Ballerstedt, S. 397, 415 ff. 2 Ständige Rechtsprechung: grdl. RGZ 95, S.58, 60 - 24.9.18 - VII 95/18; RGZ 97, S.325, 327 - 2.1. 20 - II 271/19; RGZ 101, S.47, 50 - 19.10.21 - V 89/21; RGZ 114, S.155, 159 - 23.6.26 - V 487/25; BGH LM Nr. 1 zu § 276 (Fb) - 17.3. 54 - II ZR 298/53; BGH NJW 60, S. 720 f. - 5. 1. 60 - VIII ZR I/59; BGH WM 71, S. 1096 f. - 28.5.71 - V ZR 23/69; BGHZ 60, S.221, 224 - 22.7.73 - VII ZR 119/71; BGH NJW 74, S. 849,851 - 27.2.74 - V ZR 85/72; BGH WM 74, S. 687 ff. - 17.5.74 - V ZR 158/72; BAG NJW 75, S. 708 f. - 24.9.74 - 3 A ZR 589/73; BGH Betrieb 78, S.979 - 24.2.78 - V ZR 122/75; BGH WM 78, S. 723 f. - 2.3. 78 - VII ZR 104/77; BGH WM 78, S.873, 875 - 20.3.78 - II ZR 159/76; BGH WM 78, S. 1038, 1041 - 8. 6. 78 - III ZR 136/76; BGH BB 78, S. 1385 - 8.6. 78 III ZR 48/76.

1. Beispiele aus der Rechtsprechung

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sich folgende Fallgruppen bilden, die allerdings keineswegs immer eindeutig voneinander abgrenzbar sind, sondern teilweise ineinander übergehen: 1. Aufklärung über das mit dem Vertrag verbundene Risiko; 2. Aufklärung über Umstände, die für die Preisgestaltung wesentlich sind; 3. Aufklärung über Hindernisse, die die Vertragserfüllung und damit die Befreiung des Verhandlungspartners erschweren oder verhindern können; 4. Aufklärung über Hindernisse, die der vorgesehenen Verwendung der Leistung entgegenstehen oder zusätzliche Aufwendungen erforderlich machen; 5. Aufklärung über sonstige wesentliche "Eigenschaften" des Vertragsgegenstandes; 6. Aufklärung über Wirksamkeitsvoraussetzungen des vorgesehenen Vertrages. Für zu weitgehend hält neuerdings H. Stoll3 die Formulierung der Rechtsprechung, da sie auch die Fälle erfasse, in denen es zum Abschluß eines "erwartungsgerechten" Vertrages komme. In diesen Fällen sei aber für die Heranziehung der Lehre wegen falscher Angaben vor oder beim Vertragsschluß kein Raum. Die Haftung für c. i. c. gehe in der stärkeren, inhaltlich weitergehenden Vertragshaftung auf 4• Gerade dies ist aber fraglich und hätte begründet werden müssen. M. E. stehen die Verpflichtung aus Vertrag und die Haftung aus c. i. c. nicht im Verhältnis von plus und minus, sondern es liegt insoweit ein aliud vor (Verpflichtung aus dem gegebenen Wort, Haftung für PfliclltwidrigkeiW. Mag der Vertragspartner auch bei Nicht- oder nicht rechtzeitiger Erfüllung des Vertrages Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen können, so ist kein Grund ersichtlich, wieso er sich nicht bei schuldhafter vorvertraglicher Pflichtwidrigkeit seines Vertragsgegners auf dessen Haftung aus c. i. c. berufen können so1l6. Hierfür kann z. B. ein Bedürfnis bestehen, wenn der Vertragsinhalt höchst zweifelhaft oder nur schwierig beweisbar ist oder wenn das nach den Grundsätzen der c. i. c. zu ersetzende Interesse höher als der Schadenersatz wegen Nichterfüllung ist. Selbstverständlich ist, daß der Geschädigte in einem solchen Fall nicht Schadenersatz wegen Nichterfüllung und Schadenersatz wegen Verschuldens beim Vertragsschluß nebeneinander geltend machen kann, da die Haftung in beiden Fällen lediglich der SchadensFestschrift Caemmerer, S. 435,454 ff. Vgl. auch BaHerstedt, AcP 151, S.501, 529; Medicus, JuS 65, S. 209, 216. 5 Vgl. auch Sticht, S. 85 m.w.N. 6 Wird der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt, da es dem Schuldner gelingt, die Leistungshindernisse zu beseitigen, so fehlt es für den Anspruch aus c. i. c. an einem zu ersetzenden Schaden. 3 4

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III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

beseitigung dient und eine Summierung zu einer nicht gerechtfertigten Bereicherung führen würde. Hinzu kommt, daß der Umstand, der zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sein kann, keineswegs immer den Leistungsinhalt berühren muß: so, wenn die eine Partei die andere zu falschen Vorstellungen darüber veranlaßt, welche Risiken der Vertrag mit sich bringt oder welche Aufwendungen die Durchführung des Vertrages von ihr verlangt. In diesen Fällen muß es vielmehr bei der Haftung aus c. i. c. bleiben, will man den Getäuschten nicht rechtlos stellen. Insgesamt erscheint die von H. Stoll vorgenommene Differenzierung weder erforderlich noch sinnvoll. Der Bestimmung des vertraglich vereinbarten Leistungsinhalts bedarf es erst, wenn der Geschädigte Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt. Zur Fallgruppe "Aufklärung über das mit dem Vertrag verbundene Risiko" sind zunächst die Fälle zu rechnen, in denen der geschäftlich Erfahrenere den anderen Teil auf den Umfang der von ihm einzugehenden Verpflichtung hinweisen muß. Beispiele hierfür sind die Entscheidungen zum finanzierten Abzahlungskauf 7 • Die Rechtsprechung folgert bekanntlich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis eine Aufklärungspflicht des finanzierenden Kreditinstituts hinsichtlich der rechtlichen Folgen der Trennung von Kauf- und Darlehensvertrag, auch wenn das Kreditinstitut bei den Verhandlungen selbst nicht in Erscheinung tritt. Daneben ist es z. B. zur Aufklärung über die Gefahren verpflichtet, die sich ergeben können, wenn eine Empfangsbescheinigung im voraus abgegeben wird 8 • Ist das Kreditinstitut dieser Pflicht nicht ausreichend nachgekommen, so kann der Käufer und Darlehensnehmer im Fall der Nichterfüllung des Kaufvertrages im Wege des Schadenersatzes von dem Kreditinstitut verlangen, so gestellt zu werden, als sei die Darlehenssumme nicht an den Verkäufer ausgezahlt worden. Die gleichen Grundsätze wendet der Bundesgerichtshof9 an, wenn der Darlehensbetrag zum Erwerb einer Firmenbeteiligung durch die Arbeitnehmer dieser Firma verwandt werden soll: "Bei all diesen Geschäften besteht für den Leistungsemp1 Vgl. BGHZ 33, S. 293 ff. - 17.11. 60 - VII ZR 56/59; BGHZ 47, S. 207 ff. - 20.2.62 - 111 ZR 134/65; BGH WM 79, S. 489 ff. - 18.1.79 - III ZR 129/77; kritisch zur Konstruktion der Aufklärungspfiichten Palandt / Putzo, § 6 AbzG Anm. 2 b) cc); vgl. auch Medicus, JuS 65, S.209, 215: Die Haftung aus c. i. c. führe im Ergebnis zu einer Verbindung zwischen Kauf und Darlehen, die dem vertraglich erklärten Parteiwillen widerspreche. Nach der Rechtsprechung trifft das Finanzierungsinstitut nicht nur diese Aufklärungspfiicht; es haftet z. B. auch dafür, daß der Verkäufer die Vertragsformulare oder die EmpfangsbeScheinigung unrichtig ausfüllt. - Vgl. BGHZ 33, S. 302 ff. - 17.11. 60 - VII ZR 115/59. B Vgl. BGHZ 47, S. 217 ff. - 20.2.67 - III ZR 122/65. D BGH WM 78, S. 1038 ff. - 8. 6. 78 - III ZR 136176.

1.

Beispiele aus der Rechtsprechung

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fänger/Käufer/Darlehensnehmer das typische Risiko, daß er auf Grund der rechtlichen Selbständgikeit des Darlehensvertrags gegenüber dem Darlehensgeber unter Umständen auch dann zur Rückzahlung verpflichtet bleibt, wenn er die Leistung, zu deren Finanzierung das Darlehen dient, tatsächlich nicht oder nicht ordnungsgemäß erhalten hat. Es besteht deshalb weiter die Gefahr, daß er dieses Risiko, das sich durch die Einschaltung des Finanzierungsinstituts ergibt, nicht oder nicht hinreichend erfaßt. Dieser Gefahr darf das Finanzierungsinstitut den Darlehensnehmer in Fällen der vorliegenden Art ebenso wenig aussetzen wie beim finanzierten Abzahlungskauf beweglicher Sachen. Unterläßt der Darlehensgeber die gebotene Aufklärung, dann verletzt er die ihm bei der Anknüpfung der Vertragsbeziehungen obliegenden Pflichten gegenüber dem Kreditnehmer und macht sich jedenfalls insoweit schadensersatzpflichtig, als das negative Verhandlungsinteresse zu ersetzen ist. Bei den Vertragsverhandlungen haben wissentlich oder fahrlässig wahrheitswidrige Behauptungen zu unterbleiben; zum Inhalt des durch die Vertragsverhandlungen begründeten vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses gehört im Rahmen der nach Treu und Glauben im redlichen Verkehr zu stellenden Anforderungen darüber hinaus auch eine Offenbarungspflicht des Kreditgebers für solche Umstände, die für die Entschließung des anderen Teils erkennbar von Bedeutung sein können (Senatsurteil in BGHZ 47, 207, 210, 211; vgl. schon RGZ 120, 249, 252 f.)." Erforderlich ist allerdings immer, daß die beiden rechtlich selbständigen Verträge wirtschaftlich eine Einheit bilden. Aber auch wenn nur ein Automietvertrag abgeschlossen wird, so kann z. B. "aus der Minderjährigkeit" des Mieters die Verpflichtung des Vermieters folgen, den in vermögensrechtlichen, insbesondere versicherungsrechtlichen Fragen oft ungewandten Minderjährigen auf die Möglichkeit der Absicherung gegen Sachschäden hinzuweisen und ihm das Risiko der Benutzung eines nicht versicherten Fahrzeugs deutlich vor Augen zu führen. Die dem Minderjährigen typischerweise eigene Unerfahrenheit und Anfälligkeit zu Fehlbeurteilungen erfordere einen solchen Schutz10• Beim Abschluß eines Kaufvertrages, der die Verpflichtung zum Erwerb einer Eigentumswohnung zum Inhalt hat, muß das Wohnungsbauunternehmen die Interessenten bei Aufstellung des Finanzierungsplans über die monatliche Dauerbelastung aufklären. Eine solche Hinweispflicht gebiete die Redlichkeit vor allem gegenüber unerfahrenen Angehörigen der sozial schwächeren Bevölkerungsschicht, um der Gefahr ihrer finanziellen überforderung vorzubeugenl l • 10 Vgl. BGH NJW 73, S. 1790 ff. - 19.6.73 - VI ZR 95/71; zur Risikoverteilung bei einer Probefahrt und der Hinweispflicht des Händlers, wenn das Fahrzeug nicht kaskoversichert ist - vgl. BGH LM Nr.37 zu § 276 (Fa) BGB - 7.6. 62 - VIII ZR 35/71.

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III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

Das OLG Frankfurt12 schließlich hielt eine branchenkundige Automatenvertriebsgesellschaft für verpflichtet, die auf diesem Gebiet völlig unerfahrenen Interessenten vor Vertragsabschluß über alle mit dem Verkauf aus Automaten verbundenen Fragen und Risiken aufzuklären, insbesondere da ein finanzieller Erfolg keineswegs vorauszusehen war und die Gesellschaft selbst das Risiko auf die Interessenten abgewälzt hatte. Weiterhin kann das mit dem Vertrag verbundene Risiko in Gefahren für die anderen Rechtsgüter des Vertragspartners liegen: So hielt der Bundesgerichtshof13 eine Erdölfirma, die auf dem Gelände eines landwirtschaftlichen Betriebes Sickergruben anlegen wollte, für verpflichtet, den Verhandlungspartner bei den Vertragsverhandlungen über die Gefahren aufzuklären, die seinem landwirtschaftlichen Betrieb durch die geplante Abwasserversickerung drohten. Ein Schuldvorwurf hinsichtlich unbekannter Gefahren bliebe ihr in diesem Zusammenhang nur dann erspart, wenn sie die geologischen Verhältnisse sorgfältig überprüft hätte und diese überprüfung ergeben hätte, daß keine Gefahr bestand. Hierbei stellt der BGH maßgeblich darauf ab, daß die Vertragsverhandlungen auf die Initiative der Erdölfirma zurückgingen, daß die geplante Abwasserbeseitigung mit Hilfe eines neuen Verfahrens erfolgen sollte, daß das Vertragsangebot für den Vertragspartner nur eine verhältnismäßig sehr geringe Vergütung vorsah, die ersichtlich keinen Ausgleich für eventuell drohende Schäden darstellen sollte, daß die Erdölfirma keine vertragliche Garantie für den Nichteintritt von Schäden übernehmen sollte und daß letztlich der Landwirt von der Erdölfirma besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Beseitigung von Industrieabwässern erwarten konnte. Als Beispiel für die 2. Fallgruppe (Aufklärung über Umstände, die für die Preisgestaltung wesentlich sind) sei auf die Entscheidung des Reichsgerichts vom 24.9.1918 14 hingewiesen. In diesem Urteil bejahte das Reichsgericht die Haftung einer Stadtgemeinde aus c. i. c., da diese durch unrichtige Angaben über die Höhe der Straßenoberkante den mit der Rohrverlegung betrauten Unternehmer zur falschen Kalkulation seiner Kosten veranlaßt hatte. Der Bundesgerichtshof15 nahm eine Aufklärungspflicht des Bauherrn eines Kaufeigenheims über seine Selbstkosten an, wenn er kraft Gesetzes (§ 56 Abs.2 WobauG) verpflichtet sein konnte, einen Kaufvertrag mit einem auf die Selbstkosten beschränkten Kaufpreis abzuschließen. 11 So BGH NJW 74, S.849, 851 - 27.2.74 - V ZR 85/72; nur im Ergebnis anders BGH WM 79, S. 204, 205 - 17.11. 78 - V ZR 35/77. 12 NJW 64, S. 256 f. - 5.3. 63 - 5 U 232/62. 13 Betrieb 77, S. 2373 f. - 24.3.77 - 111 ZR 198/74. 14 RGZ 95, S. 58, 60 VII 95/18. 1~ BGH LM Nr. 23 zu § 242 (Be) BGB - 14. 11. 69 - V ZR 124/66.

1. Beispiele aus der Rechtsprechung

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Ansonsten würde der dem Abschlußzwang zugrundeliegende gesetzliche Schutzzweck vereitelt werden können. Zur 3. Fallgruppe (Aufklärung über Hindernisse, die die eigene Vertragserfüllung und damit die Befriedigung des Verhandlungspartners erschweren oder verhindern können [Verlustrisiko]) gehören alle Fälle, in denen die (rechtzeitige) Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung in Frage gestellt ist, sei es daß diese Unsicherheit auf fehlender Liquidität, mangelnder Sicherheit, überschuldung oder anderen Gründen beruht l6 • So besteht unter bestimmten Umständen - wie eigene überschuldung und Zahlungsunfähigkeit, wirtschaftliche Unsicherheit des geplanten Vorhabens, Bezug von Waren ohne jede Anzahlung - die Verpflichtung, den zukünftigen Vertragspartner bei der Aufnahme eines Kredits (auch Warenkredit) über die maßgebenden Umstände des Kreditbedürfnisses, d. h. im Kern über die eigene Vermögenslage aufzuklären17 • Mit dem (Verlust-)Risiko, das mit der Beteiligung an einem ausländischen Immobilienfond verbunden ist, begründete der Bundesgerichtshof 18 in jüngster Zeit ebenfalls die Verpflichtung einer Anlagegesellschaft, den Anleger auf die mit der Geldanlage verbundenen Risiken, insbesondere auf die außergewöhnliche hohe Belastung der FondsGrundstücke hinzuweisen. Auch kann nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Auffassung der kaufmännischen Kreise, insbesondere der Schiffahrtskreise, ein Zeitcharterer verpflichtet sein, einen Schiffsmakler, den er mit der Abfertigung des Schiffes beauftragt, darüber zu unterrichten, daß die einzuziehenden Frachten der Reise an den Reeder abgeführt, nicht aber zur Deckung der Auslagen und der Vergütung des Schiffsmaklers verwendet werden sollenl9 • Weiterhin hält der Bundesgerichtshof20 "nach den Grundsätzen des redlichen Bankverkehrs" eine Bank, die einem - illiquiden - Kunden in erheblichem Umfang ungesicherten Kredit eingeräumt und der der Kunde zur Deckung einen auf eine andere Bank gezogenen - ungedeck18 Vgl. allgemein zur Offenbarungspflicht hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, daß der Erfüllung oder der fristgerechten Erfüllung des in Aussicht genommenen Vertrages Hindernisse entgegenstehen BGHZ 56, S.81, 88 - 5.4. 71 - VII ZR 163/69; BGH WM 78, S. 425 ff. - 19.12.77 - II ZR 164/76. 17 Vgl. BGH LM Nr.21 zu § 276 (Fa) BGB - 5.4.67 - VIII ZR 82/64; BGH LM Nr.49 zu § 278 BGB - 15.11.67 - VIII ZR 100/65; kritisch zu einer so weitgehenden Aufklärungspflicht Schanze, S.107: Die Folgen wären ungezählte herbeigeredete Zusammenbrüche. 18 BGH WM 78, S. 611 f. - 10.4.78 - 11 ZR 103/76; Zur Hinweispflicht einer kreditgebenden Bank auf das mit dem geplanten Geschäft verbundene Verlustrisiko - vgl. BGH NJW 78, S. 2547 f. - 29. 5. 78 - II ZR 173/77; BGH WM 78, S. 1290 ff. - 29. 5. 78 - 11 ZR 34/77. 19 BGH LM Nr. 4 zu § 276 (Fa) BGB - 4. 12. 58 - 11 ZR 168/57. 20 BGH WM 78, S. 873 ff - 20. 3. 78 - II ZR 159/76.

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III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

ten Scheck ausgehändigt hat, für verpflichtet, die bezogene Bank bei Einholung der Scheckeinlösungszusage darauf hinzuweisen, daß die Schecksumme zur Deckung eines Debets bei ihr verwendet werden soll. Die anfragende Bank dürfe nicht auf diesem Wege die Folgen ihrer eigenen Fehler auf die andere Bank abwälzen, ohne den Bestimmungszweck des Scheckbetrages offenzulegen. "Denn die Einlösungszusage wird im Bankverkehr typischerweise zum Schutze der den Scheck hereinnehmenden Bank gegen Verluste durch vorzeitige Verfügung des Berechtigten über den Scheckbetrag verlangt und gegeben. Dagegen gibt, falls nicht ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, keine Bank zur Deckung eines Debets der anfragenden Bank eine Einlösungszusage. Deshalb muß in einem solchen Falle die anfragende Bank die bezogene Bank über den mit der Einlösungszusage verfolgten Zweck aufklären." - Umgekehrt wird im Bankenverkehr eine "nachvertragliche"!1 Aufklärungspflicht der bezogenen Bank, wenn nach erteilter Scheckauskunft Gründe eintreten, derentwegen sie den Scheck nicht einlösen wird, grundsätzlich verneint, da der Auskunftsvertrag mit Erteilung der Auskunft erfüllt sei und eine generelle Pflicht dieses Inhalts aus tatsächlichen Gründen eine überspannung dessen bedeute, was Banken untereinander billigerweise verlangen könnten. Unter ganz besonderen Umständen nimmt der Bundesgerichtshof!! allerdings eine Benachrichtigungspflicht der bezogenen Bank an. Solche besonderen Umstände sollen z. B. sein: die verhältnismäßig engen und überschaubaren ländlichen Verhältnisse, die Höhe der Schecksumme und die Tatsache, daß von der Scheckauskunft auch die Geschäftsleitung unterrichtet war. Im Arbeitsrecht besteht vor und bei Abschluß eines Ausbildungsverhältnisses die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Auszubildenden darauf hinzuweisen, daß die Ausbildungsverhältnisse wegen absehbarer wirtschaftlicher Schwierigkeiten möglicherweise nicht durchgeführt werden können23 • Er muß auch vor Abschluß anderer Arbeitsverhältnisse seine zukünftigen Arbeitnehmer bei Anlaß zu Zweifeln, ob er in der Lage sein werde, die in absehbarer Zeit fälligen Löhne und Gehälter auszuzahlen, auf diesen Umstand hinweisen, wenn er nicht seine Zahlungsschwierigkeiten als bekannt voraussetzen kann!4. - Umgekehrt hat der Arbeitnehmer seinen Gesundheitszustand zu offenbaren, wenn Entscheidend ist, daß nicht eine vertragliche Pflicht in Frage steht. Vgl. BGHZ 61, 8.176, 178 f. - 25. 6. 73 - II ZR 26/72. 23 BAG BB 77, 8.1705 - 8.3.77 - 4 A ZR 700/75; vgl. allgemein zur Pflicht, auf die besonderen Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen und ihn insbesondere über die künftigen Verhältnisse aufzuklären, die ersichtlich von besonderer Bedeutung sind, BAG AP Nr. 1 zu § 276 BGB (Verschulden bei Vertragsschluß) - 10.11.55 - 2 A ZR 282/54. :4 Vgl. BAG NJW 75,8.708 - 24.9.74 - 3 A ZR 589/73. !1

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Beispiele aus der Rechtsprechung

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er damit rechnen muß, iniolge einer bereits vorliegenden Krankheit seine Arbeit nicht aufnehmen zu können!5. Im Kaufrecht nahm der Bundesgerichtshof26 sogar eine Verpflichtung des Käufers an, den Verkäufer auf ihm bekannt gewordene Zweifel an dessen Eigentum am Kaufgegenstand hinzuweisen. Schließlich bejahte er die Haftung einer Bausparkasse aus c. i. c., da diese den Bausparer bei Abschluß des Vertrages nicht darüber belehrte, daß wegen ihrer wirtschaftlich schlechten Lage mit einer erheblichen Verlängerung der üblichen Frist bis zur Zuteilung des Bausparvertrages zu rechnen sei27 • Im Rahmen der 4. Fallgruppe soll auf die Umstände eingegangen werden, die der vorgesehenen Verwendung und Verwertbarkeit der Gegenleistung entgegenstehen. Sehr weitgehende Aufklärungspflichten werden in diesem Zusammenhang den Vertreibern von Fernlehrgängen gegenüber den zukünftigen Lehrgangsteilnehmern auferlegt28. Instruktiv ist insoweit das Urteil des Landgerichts Frankfurt20 : Die Klägerin vertrieb Fernlehrkurse auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung. Sie schloß mit dem Beklagten, der im Abschlußzeugnis der Volksschule in Rechnen die Note "mangelhaft" erhielt, anschließend als Konditorlehrling und im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als Kraftfahrer tätig war, einen Vertrag, in dem sich dieser verpflichtete, an einem Fernlehrkurs zur Ausbildung zum Operator teilzunehmen. Nach Ansicht des Landgerichts hat der Beklagte einen Freistellungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht. Dieser Aufklärungspflicht liege der Gedanke des "Ausbau(s) der sozialen Schutzfunktion des Privatrechts zugunsten des einzelnen isolierten Bürgers innerhalb einer modernen Leistungsgesellschaft" zu Grunde. Die Idee der Vertragsfreiheit funktioniere nicht mehr, wenn auf Seiten einer Partei Unkenntnis und Unerfahrenheit in Bezug auf den Vertragsgegenstand oder den Vertragsinhalt vorliege. Von einem einigermaßen gerechten Ausgleich der divergierenden Parteiinteressen durch den Vertragsschluß könne dann nicht mehr gesprochen werden. Erst eine fundierte Aufklärung hätte den Beklagten in die Lage versetzt, bewußt und eigenverantwortlich eine Entscheidung zu treffen. BAGE 15, S. 261 - 7.2. 64 - 1 A ZR 251/63. BGH NJW 60, S. 720 f. - 5.1.60 - VIII ZR I/59; sehr kritisch Medicus, JuS 65, S.209, 214, da durch die Anerkennung einer solchen Pflicht § 439 Abs.l BGB ausgehöhlt würde. !7 BGH NJW 76, S. 892 - 23. 10. 75 - III ZR 95/73. 28 Vgl. nunmehr das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht - insbes. § 3 Abs. 2 FernUSG; zu den Informations- und Beratungspflichten beim privaten Direktunterricht vgl. Dörner, NJW 79, S. 241 ff. n BB 70, S. 943 f. - 14. 7. 70 - 2/12 0 246/69. 25

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In. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

Häufig liegt der Umstand, der der vorgesehenen Verwendung entgegensteht, in einer "Eigenschaft"30 des Vertragsgegenstandes begründet. So trifft den Verkäufer eines Einzelhandelsgeschäfts die Verpflichtung, dem Käufer die vor der Veräußerung in dem Unternehmen erzielten Umsätze mitzuteilen, wenn der Käufer für den Verkäufer erkennbar seinen Kaufentschluß von einer bestimmten Größe des Umsatzes abhängig macht, da er das Geschäft kaufen will, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen, und der Verkäufer erkennen mußte, daß der erzielte Umsatz keinesfalls ausreichte, eine Existenzgrundlage zu bilden31 • Ein Grundstücksverkäufer muß den Käufer, der eine Umschuldung beabsichtigt, nach Treu und Glauben auf die zeitweilige Unkündbarkeit der Hypotheken aufklären und darf sich nicht darauf verlassen, daß dieser sich ja anderweit erkundigen könne und werde. - Andererseits trifft aber dennoch den Käufer eine entsprechende Erkundigungspflicht, deren Verletzung im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen ist. Beide Verpflichtungen ergeben sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs 32 aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der jeden Vertragspartner dazu verpflichte, im Rahmen des zumutbaren den ihm bekannten Interessen des anderen Rechnung zu tragen und mit ihm zwecks Verwirklichung der Vertragsziele zusammenzuwirken. Hieraus soll sich gleichfalls die Verpflichtung ergeben, die Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks als die vorgesehene Abwicklung erschwerender Umstand zu offenbaren, wenn das zu kaufende Grundstück gleichzeitig als Sicherheit für die Finanzierung dienen so1l33. Auch muß ein Grundstücksverkäufer den Käufer richtig, vollständig und eindeutig über die der vorgesehenen Bebauung entgegenstehenden Hindernisse informieren. Soweit die Aufwendungen des Käufers über das hinausgehen, was vernünftigerweise im Vertrauen auf die (unzulängliche) Information als gerechtfertigt erscheint, entfällt nicht etwa die Pflichtverletzung, sondern ist dies als Mitverschulden (§ 254 BGB) zu berücksichtigen3'. Ebenfalls ist ein Vermieter und Verpächter nicht nur verpflichtet, dem Mieter oder Pächter die ihm bekannten, diesem aber unbekannten Sacheigenschaften des Miet- oder Pachtgegenstandes zu offenbaren, die für die Entscheidung des Partners zum Abschluß des Vertrages von wesentlicher Bedeutung sind. Er muß ihn vielmehr auch auf entsprechende, den Vertragsgegenstand betreffende Rechtsverhältnisse hinweisen. So 30 Dieser Begriff wird hier im weitesten und untechnischen Sinne gebraucht. 31 BGH LM Nr.5 zu § 276 BGB - 12. 11. 69 - I ZR 93/67 = NJW 70, S. 653 mit ablehnender Anmerkung Putzo. 32 WM 71, S. 1096 f. - 28.5. 71 - V ZR 23/69. 33 BGH Betrieb 78, S. 979 - 24.2. 78 - V ZR 122/75. 3( BGH WM 74, S. 687 f. - 17.5.74 - V ZR 158/72.

1. Beispiele aus der Rechtsprechung

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hätte er im konkreten Fall mitteilen müssen, daß eine Bebauung des zu verpachtenden Grundstücks nur mit Zustimmung des Grundstückseigentümers zulässig warM. Bei der Prüfung, inwieweit im Handelsverkehr Offenbarungspflichten der Verhandlungspartner bestehen, sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die nach § 346 HGB im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche zu berücksichtigen. Hiernach soll beim Handelskauf in der Regel keine Aufklärungspflicht des Verkäufers gegenüber dem Käufer bestehen. Der Verkäufer muß den Käufer aber über die Ungeeignetheit des Kaufgegenstandes für den erkennbar vorgesehenen Verwendungszweck aufklären, wenn er sich sagen muß, daß für den Vertragspartner die uneingeschränkte Eignung Voraussetzung für den Vertragsschluß ist, und er selbst eine besondere Sachkunde besitzt. Dies gilt um so mehr, wenn der Kaufgegenstand bei vorgesehener Verwendung nicht verkehrssicher ist und schwere Gefährdungen auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer drohen36 • Aber auch wenn die "Eigenschaft" des Vertragsgegenstandes nicht direkt die geplante Verwendung hindert, kann eine Offenbarungspflicht der Beteiligten bestehen (Fallgruppe 5). So darf der Verkäufer eines Hauses, dessen Dachgebälk von Holzschädlingen befallen ist, dies zumindest dann nicht verschweigen, wenn die durch den Schädlingsbefall angerichteten Schäden einen erheblichen Umfang erreicht haben37 • Ebenso trifft ihn eine Hinweispflicht beim Nichtfunktionieren der Entwässerungsanlage38• Weiterhin kann er verpflichtet sein, die Verwendung fäulnisbefallener Bauhölzer und den späteren Fäulnisbefall zu offenbaren: "Beim Verkauf eines Gebäudegrundstückes kann eine Pflicht zur Offenbarung verborgener Mängel oder von Umständen, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, dann bestehen, wenn es sich um Umstände handelt, die für den Entschluß des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind. Treu und Glauben können eine Aufklärung insbesondere dann gebieten, wenn auf Grund der vorausgegangenen Tätigkeit des Verkäufers oder seines Vertreters ein Vertrauen des Käufers in deren Fachkunde und besonderen Kenntnisse bei der Herstellung des Kaufgegenstandes oder im Umgang mit diesem erweckt worden ist39 ." BGH WM 63, S. 160 f. - 19. 12. 62 - VIII ZR 216/71. So BGH NJW 71, S. 1795, 1799 - 28. 4. 71 - VIII ZR 258/69. 37 Vgl. BGH LM Nr.8 zu § 463 BGB - 10.7.63 - V ZR 66/62; BGH NJW 65, S.34 - 9. 10. 64 - V ZR 109/62. 38 BGH Betrieb 68, S. 1172 - 29. 11. 67 - V ZR 16/67. 39 BGH MDR 78, S. 1009 - 7. 6. 78 - V ZR 46/75. 35 36

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tI!. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

Auch im Gebrauchtwagenhandel erkennt die Rechtsprechung eine sehr weitgehende Offenbarungspflicht des Verkäufers für ihm bekannte Mängel an: "Diese Aufklärungspflicht jedenfalls über nicht ganz unbedeutende Unfälle oder über Schäden, die für den Käufer im Rahmen seiner Erkenntnismöglichkeiten nicht offensichtlich sind (BGHZ 63, 382 ff.; Senat Urt. v. 30.10.1956 - VIII ZR 77/56, insoweit in BGHZ 22, 123 und in NJW 1957, 20 nicht abgedruckt; NJW 1965, 35 = LM § 463 BGB Nr.1), geht über die allgemeinen Pflichten eines Verkäufers, der grundsätzlich Ungünstiges über die Kaufsache ungefragt nicht mitzuteilen braucht (Senat NJW 71, 1795 = LM § 123 BGB Nr.42 = WM 1971, 749), hinaus. Ihre Berechtigung findet diese Erweiterung in der typischen Interessen- und Risikoverteilung im Gebrauchtwagenhandel. Erfahrungsgemäß hat ein erheblicher Teil der angebotenen Fahrzeuge Unfälle erlitten, die nach der Instandsetzung selbst für einen Fachmann schwer erkennbar sind, andererseits den Verkehrswert des Wagens selbst dann mindern, wenn nicht sicher ist, ob noch Schäden verblieben sind oder in Zukunft wieder auftreten werden. Das Risiko des Kaufentschlusses ist für den über den Unfall nicht unterrichteten Käufer wesentlich schwieriger zu beurteilen als für den Verkäufer. Deshalb rechtfertigt es sich, nach Treu und Glauben von dem Verkäufer Aufklärung des Käufers zu verlangen, wenn er die Mängel oder früheren Unfälle kennt oder nach den Umständen des Falles für möglich häWo." Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß sehr streitig ist, ob und inwieweit das Rechtsinstitut c. i. c. neben den Gewährleistungsvorschriften anwendbar ist, wenn ein Beteiligter eine "Eigenschaft" des Vertragsgegenstandes verschweigt. Die Praxis41 lehnt mit Rücksicht auf das Arglisterfordernis in § 463 Satz 2 BGB grundsätzlich eine Ersatzpflicht aus c. i. c. - Besonderheiten gelten beim sog. Mangelfolgeschaden - ab. Die Gewährleistungsvorschriften würden eine abschließende Sonderregelung darstellen. Ihre Rechtfertigung finde diese Begrenzung z. B. im Kaufrecht in dem Umstand, daß die Gewährleistungsvorschriften, insoweit als sie den Verkäufer für die Brauchbarkeit der Sache und für die zugesicherten Eigenschaften auch ohne Verschulden haften lassen, den Käufer 40 BGH NJW 77, S. 1055 f. - 16.3.77 - VIII ZR 283/73; vgl. auch das zitierte Urteil BGHZ 63, S. 382 ff. - 29.1.75 - VIII ZR 101/73; BGH WM 79, S. 672 f. - 14.3.79 - VIII ZR 129/78 und OLG Düsseldorf, MDR 79, S.56 - 30. 6. 78 22 U 29/78. 41 Vgl. nur RGZ 161, S.330, 337 - 5. 10. 39 - V 87/39 m.w.N.; BGHZ 60, S.319, 321 ff. - 16.3.73 - V ZR 118/71; BGH WM 76, S.740 - 12.5.76 - VIII ZR 33/74; BGH NJW 77, S.1055 - 16.3.77 - VIII ZR 283/75; BGH WM 77, S. 999 f. - 25.5.77 - VIII ZR 186/75; Staudinger 1HonseH, Vor § 459 Rd Nr. 33; PaZandt 1Putzo, Vor § 459 Anm.2 c; Medicus, JuS 65, S. 209, 216 f., der allerdings nicht zwischen Mangel- und Mangelfolgeschaden differenziert; derselbe, Festschrift Kern, S. 313 ff.; differenzierend HonseH, JR 76, S. 361 ff.; a. A. Schaumburg, vorvertragliches Verschulden und Gewährleistung; dieselbe, MDR 75, S.105, jeweils mit umfassenden Nachweisen; Diederichsen, BB 65, S. 401 ff.; Nirk, Festschrift Möhring (1975), S.71, 93; Esser / Weyers, Schuldr. Bes. Teil, Bd. II, Teilbd. 1, § 6 H, S. 70 ff.; Littbarski, JZ 78, S. 3 ff.

1. Beispiele aus der Rechtsprechung

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im Interesse des Erwerbs einer seinen Vorstellungen entsprechenden Kaufsache besonders günstig stellen würden, und er es daher im Rahmen eines gerechten Interessenausgleichs hinnehmen müsse, wenn seine Rechte gegenüber dem seinerseits an einer sicheren und schnellen Abwicklung des Kaufs interessierten Verkäufer auf bestimmte Ansprüche begrenzt würden. Ob dieser Ansicht zu folgen ist, kann und braucht im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht weiter untersucht zu werden. Als Beispiel für die 6. Fallgruppe (Aufklärung über Wirksamkeitsvoraussetzungen des Vertrages) sei auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29. 1. 65 und 16. 2. 65 42 hingewiesen. In beiden Fällen hatte ein gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen mit den Kaufbewerbern von ihm entworfene Verträge abgeschlossen, ohne diese auf die Notwendigkeit notarieller Beurkundung hinzuweisen. Hierin liege eine Verletzung der aus der Aufnahme der Vertragsverhandlungen fließenden Sorgfaltspflichten. Die rechtsunkundigen Bewerber hätten auf das auch in rechtlicher Hinsicht ordnungsgemäße Arbeiten des Unternehmens vertrauen dürfen. bb) Umfang und Grenzen der AufklärungspfZicht

Die Pflicht, den anderen Teil über sämtliche Umstände aufzuklären, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind und die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, ist aber in dieser Ausgestaltung viel zu weit; denn selbstverständlich können die Parteien nicht verpflichtet sein, einander praktisch das gesamte Vertragsrisiko abzunehmen43 • Ein solcher Grundsatz wäre mit unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung nicht vereinbar. Inhaltlich bestimmt und begrenzt wird die Aufklärungspflicht vielmehr im Rahmen der Verhältnisse des Einzelfalles durch die "Erfordernisse des redlichen Geschäftsverkehrs"·" durch "Treu und Glauben"u, durch "die Grundsätze des redlichen45 und die Notwendigkeiten des modernen Bankund Kreditverkehrs"46, durch "die Verkehrsanschauung und Verkehrsauffassung"47, durch die "Handelsbräuche"48 und danach, welche Gefah42 BGH LM Nr.2 zu § 276 (Fc) BGB V ZR 53/64; BGH LM Nr.24 zu 313 BGB - V ZR 235/62. 43 Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 II 1, S.37. Vor einer überspannung der Haftung aus c. i. c. warnt auch Erman / Battes, § 276 Rd Nr. 123. 44 Vgl. RGZ 111, S. 233 ff. - 7. 7. 25 - II 494/24; BGH NJW 65, S. 35 - 21. 10. 64 - VIII ZR 151/63; BGH Betrieb 67, S.1758 - 8.2.67 - VIII ZR 205/64; BGH LM Nr. 5 zu § 276 (Fb) BGB - 12. 11. 69 - I ZR 93/67. 45 BGH WM 78, S. 873, 875 - 20. 3. 78 - II ZR 159/76. 48 BGH Betrieb 78, S. 1926 f. - 20.6.78 - VI ZR 66/77. 47 Vgl. BGH LM Nr.l zu § 276 (Fb) - 17.3.54 - 11 ZR 248/53; BGH LM Nr.23 zu § 242 (Be) BGB - 14.11. 69 - V ZR 124/66; BGH WM 71, S. 1096 f. - 28.5.71 - V ZR 23/69; BGH LM Nr.4 zu § 276 (Fc) BGB - 17.5.74 - V ZR 158/72; BGH WM 79, S.235, 236 - 17. 11. 78 - V ZR 210/74; BGH WM 79, S. 696 - 2. 3. 79 - V ZR 157/77. 48 BGH NJW 71, S.1795, 1797 - 28.4.71 - VIII ZR 258/69.

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7 Schm1tz

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III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

ren aus dem Vertragsverhältnis typischerweise drohen4g , wobei die widerstreitenden Interessen gegeneinander abgewogen werden müssenoo• So oder ähnlich lauten einzeln oder in mannigfaltigen Kombinationen die allgemeinen Formulierungen in der Rechtsprechung. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere, welche eigenen Erkenntnismöglichkeiten der Vertragspartner besitzt5 t, denn es ist grundsätzlich seine eigene Sache, sich zu informieren52• Keine Aufklärung braucht daher zunächst über Umstände zu erfolgen, die sich aus der Sachlage von selbst ergeben53 • Ferner kann ein Käufer wegen der widerstreitenden Interessen regelmäßig nicht erwarten, durch den Verkäufer über alle ungünstigen Eigenschaften des Kaufgegenstandes oder gar über für die Preisbildung in Betracht kommenden Umstände unterrichtet zu werden54• So wurde in der Rechtsprechung z. B. die Pflicht des Verkäufers eines Kraftfahrzeuges gegenüber dem Käufer verneint, diesen ungefragt auf geringfügige Konstruktionsänderungen hinzuweisen und ihn auf diese Weise vor dem Abschluß des von ihm als ungünstig angesehenen Vertrages zu warnen55• Gleichfalls verneint wurde die Aufklärungspflicht des Verkäufers eines fabrikneuen Wagens, den Käufer auf das bevorstehende Erscheinen eines verbesserten Modells desselben Wagentyps oder darauf hinzuweisen, daß das verkaufte Fahrzeug aus der Vorjahresproduktion stammte. Der Interessenwiderstreit des Käufers auf der einen - keinen Wagen der auslaufenden Serie zu erwerben - und des Verkäufers auf der anderen Seite - die Fahrzeuge der alten Serie abzusetzen, bevor neue auf den Markt kommen - sei allgemein bekannt. BGH WM 78, S. 873, 875 - 20.3.78 - II ZR 159/76. BGH Betrieb 67, S.1758 - 8.2.67 - VIII ZR 205/64; KG NJW 69, S. 2145 f. - 7.2. 69 - 5 U 1579/68. 51 Vgl. BGH NJW 65, S.35 - 21. 10. 64 - VIII ZR 151/63; BGH NJW 71, S. 1795, 1977 - 28.4. 71 - VIII ZR 258/69; BGHZ 63, S. 382, 386 - 29. 1. 75 - VIII ZR 101/73. 52 Staudinger / Köhler, § 433 Rd Nr. 50; Emmerich, Leistungsstörungen, § 5 111, S. 37; vgl. auch Hartwieg, JuS 73, S. 733 ff. 53 Vgl. BAG AP Nr.2 zu § 276 BGB (Verschulden bei Vertragsschluß) - 12. 12.57 - 2 A ZR 574/55 mit zustimmender Anmerkung Larenz - keine Aufklärungspflicht hinsichtlich der an den künftigen Arbeitnehmer zu stellenden Anforderungen, soweit sich diese im Rahmen des üblichen halten; BGH WM 78, S. 723 f. - 2. 3. 78 - VII ZR 104/77 - keine Aufklärungspflichtverletzung bei Abschluß eines Detekteivertrages, da es nach der Sachlage klar war, daß es bei Vertragsschluß noch völlig offen war, ob der erhoffte Erfolg rasch oder aber trotz längerer Beobachtung gar nicht eintreten würde. 54 Grdl. RGZ 111, S. 233, 234 f. - 7. 7. 25 - 11 494/24; BGH NJW 77, S. 1055 f. - 16.3.77 - VIII ZR 283/75; OLG München, NJW 67, S.158 - 26.10.66 - 7 U 1530/66; zustimmend Staudinger / Köhler, § 433 Rd Nr. 49 f. 55 Vgl. KG NJW 69, S. 2145 ff. - 7.2.69 - 5 U 1579/68 mit sehr ausführlicher und überzeugender Interessenabwägung. 49

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1. Beispiele aus der Rechtsprechung

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Der Käufer könne daher nach der Verkehrsauffassung und Treu und Glauben keine Aufklärung erwarten58• Der Käufer eines neuen Kraftfahrzeuges, der einen - reparierten Unfallwagen einem Kraftfahrzeughändler mit eigener Werkstatt in Zahlung gibt, genügt in der Regel den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs, wenn er den Händler auf die Tatsache hinweist, daß das KFZ einen Unfall gehabt hat, und es ihm zur Untersuchung überläßt. Eine weitere Aufklärung ist grundsätzlich nicht erforderlich57 • Auch der Gebrauchtwagenhändler als Zwischenhändler, der von Unfällen oder Mängeln nichts weiß und sie auch nicht für möglich hält, ist nicht verpflichtet, in jedem Fall den Gebrauchtwagen zu untersuchen oder den Käufer auf die nicht erfolgte Untersuchung hinzuweisen. Hierdurch würde die Grenze des Zumutbaren überschritten und das Risiko jedenfalls dann zu einseitig auf den Händler verlagert, wenn der Käufer nicht einmal nach dem Zustand des Wagens frage. Der Käufer wird durch die Verneinung einer solchen Pflicht nicht unzumutbar benachteiligt, da er das Fahrzeug selbst prüfen, prüfen lassen oder aber den Händler nach Unfällen und Schäden befragen kann 58• Im Bankrecht gilt der Grundsatz, daß die Bank nicht verpflichtet ist, einen Bankkunden, der mit einem anderen Bankkunden Geschäfte abschließen will, auf Grund der zwischen ihnen bestehenden vertraglichen Beziehungen (gleiches muß für vorvertragliche Beziehungen gelten) über die Vermögensverhältnisse des anderen Kunden zu unterrichten und auf Risiken des vorgesehenen Geschäftsabschlusses hinzuweisen59 • Dieser Geschäftsabschluß ist grundsätzlich allein eine Angelegenheit des Kunden und sein Risiko. Er muß sich daher selbst erkundigen und die Risiken abschätzen. Die Bank könne sich in ihrer Rolle als bloße Zahlungsmittlerin regelmäßig nicht um die vertraglichen Beziehungen ihrer Kunden und die Zweckmäßigkeit der erteilten Aufträge kümmern und brauche es deshalb auch nicht 60 • Etwas anderes gilt aber nach "Treu und Glauben" dann, wenn die Bank sich nicht lediglich auf die neutrale Rolle als bloße Zahlungsmittlerin beschränkt, d. h. wenn es nicht um die isolierten Beziehungen zweier Bankkunden zur Bank und untereinander geht. Dies ist z. B. der Fall, wenn das Vertragswerk 58 Vgl. OLG München, NJW 67, S. 158 - 26.10.66 - 7 U 1530/66; OLG Zweibrücken, MDR 70, S. 325 - 20. 11. 69 - 5 U 25/69. 57 BGH NJW 65, S. 35 - 21. 10. 64 - VIII ZR 151/63. 58 BGH NJW 77, S. 1055 ff. - 16.3.77 - VIII ZR 283/75; vgl. aber auch BGH WM 79, S. 672 f. - 14. 3. 79 - VIII ZR 129/78. 59 BGH WM 61, S. 510 f. - 9.3.61 - Ir ZR 105/60; BGH WM 63, S.475 - 10.1. 63 - Ir ZR 128/61; BGH WM 63, S.1093 - 18.9.63 - VIII ZR 46/62; BGH WM 78, S. 896 f. - 29.5.78 - II ZR 173/77; BGH WM 78, S.1290 f. - 29.5.78 II ZR 34/77; BGH WM 78, S.1038, 1041 - 8.6.78 - III ZR 136/76; vgl. auch Canaris, Großk. HGB, Anh. § 357, Anm. 55 m.w.N. 80 So BGH WM 78, S. 896 f. - 29.5.78 - II ZR 173/77.

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III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

von vorneherein als "wirtschaftliches Dreiecksverhältnis" geplant war81 oder wenn sich die Bank als Hauptgeldgeberin aktiv zu Gunsten eines Kunden einsetzt und für diesen wirbt62 • Die Pflicht zur Aufklärung folgt alsdann meiner Meinung nach - wie noch auszuführen sein wird - aus der Teilnahme an der fremden rechts geschäftlichen Beziehung zwischen den beiden Bankkunden, nicht aus der "eigenen" vorvertraglichen oder vertraglichen Beziehung zwischen Kunde und Bank; denn mit dem Bankvertrag steht die falsche oder unterlassene Auskunft in keinem direkten Zusammenhang. Schließlich kann der Umfang der Aufklärungspflichten auch noch von anderen (objektiven) Faktoren wie z. B. dem Umfang der Vorleistung abhängen; je mehr eine Partei vorleistet, desto stärker sind die sich aus Treu und Glauben für die andere Partei ergebenden Pflichten, den anderen Teil über in ihrem Verantwortungsbereich liegende Risiken umfassend aufzuklären63 • b) Auskunftspflicbten - Beratungspflicbten

Selbstverständlich ist der Verhandlungspartner aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis nicht nur zur Aufklärung, sondern auch zur richtigen Auskunft und Raterteilung über die Umstände verpflichtet, über die eine Aufklärung hätte erfolgen müssen. Hieraus ergibt sich (trotz § 676 BGB) seine Haftung aus dem Rechtsinstitut c. i. c., wenn er im Rahmen der Sonderverbindung des rechtsgeschäftlichen Verkehrs64 unrichtigen Rat und Auskunft über Umstände erteilt, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind und für die Entschließung des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können. Ein Verhandlungspartner darf den anderen Teil nicht über Umstände falsch unterrichten, von denen er weiß oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt wissen muß, daß sie für dessen Entschluß wesentlich sind oder sein können 65 • Ersichtlich wesentlich i. d. S. und für die Entschließung von besonderer Bedeutung sind - über die allgemeine Verkehrsanschauung hinaus diejenigen Umstände, nach denen eine Partei in innerem Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen und bezogen auf den Verhand81

Vgl. die Entscheidungen zum finanzierten Abzahlungskauf und BGH

WM 78, S.1038, 1041 - 8.6.78 - III ZR 136/76; ebenso BGH WM 78, S.459, 461 - 9. 2. 78 - III ZR 31/76 - bei schuldhaft falschen Angaben des Kredit-

instituts über Eigenschaften des von einem Dritten zu kaufenden Gegenstandes oder sonstige rein kaufvertragliche Umstände. 6t BGH WM 78, S. 896 f. - 29.5.78 - II ZR 173/77. 83 Vgl. BGH BB 78, S. 1385 f. - 8.6.78 - III ZR 48/76. G4 Vgl. BGHZ 13, S. 199 f. - 28.4. 54 - II ZR 279/53. 85 BGH WM 78, S. 946 f. - 6.4. 78 - III ZR 43/76; vgl. auch BGH Betrieb 78, S. 1977 - 22. 6. 78 - III ZR 135/76.

1. Beispiele aus der Rechtsprechung

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lungsgegenstandee ausdrücklich nachfragt. über sie muß der Befragte auch dann vollständig und wahr Auskunft geben, wenn er sie selbst für unerheblich und unwesentlich hält. "Denn es kann keinesfalls dem Ermessen des ausdrücklich um Aufklärung gebetenen Verkäufers oder seines Vertreters überlassen bleiben, den erlittenen Schaden für unerheblich, für den Käufer nicht wesentlich und deshalb nicht der Mitteilung für wert zu erachten67." Aber auch wenn eine Partei ungefragt falsche - objektiv nicht völlig bedeutungslose - Auskünfte in innerem Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen und im Hinblick auf den Vertragsgegenstand erteilt, so wird hierin regelmäßig die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht liegen, selbst wenn eine Aufklärung ohne Nachfrage der anderen Partei (nach der Verkehrsanschauung) nicht erforderlich gewesen wäre. So besteht keine Pflicht des Verkäufers eines fabrikneuen Fahrzeuges, den Käufer ungefragt auf das bevorstehende Erscheinen eines verbesserten Modells desselben Wagentyps hinzuweisen. Eine solche Pflicht ist aber zu bejahen, wenn der Käufer eine konkrete Auskunft über das Erscheinen des neuen Modells verlangt6S • Erklärt nun der Verkäufer ungefragt fälschlich, das zu verkaufende Fahrzeug sei das neueste Modell, Veränderungen würden in absehbarer Zeit nicht erfolgen, so liegt hierin meiner Meinung nach ebenfalls eine Pflichtverletzung. Zum einen wird ein Verkäufer eine solche Erklärung nur abgeben, wenn auch ohne konkrete Nachfrage das besondere Interesse des Verkäufers an diesem Punkt während der Vertragsverhandlungen deutlich geworden ist, zum anderen nimmt der Verkäufer häufig durch eine solche Auskunft die Nachfrage des Käufers lediglich vorweg. Trotz dieser Verschärfungen läßt sich nicht verkennen, daß es sich bei der Pflicht zur Aufklärung und bei der Pflicht, keine falsche Auskunft zu erteilen, im Kern nicht um zwei verschiedene Pflichten, sondern um die einheitliche vorvertragliche Pflicht zur richtigen Aufklärung handelt, gegen die sowohl durch täuschendes Verschweigen als auch durch unrichtige Erklärungen verstoßen werden kann69 • 68 Diese Einschränkung ist erforderlich, um die vorvertraglichen Auskunftspflichten nicht zu überspannen - vgl. z. B. Musielak, Haftung, S.19. 67 BGH WM 77, S. 1048 f. _ 29.6.77 - VIII ZR 43/76; vgl. auch BGH Betrieb 77, S. 2373 f. - 24.3.77 - III ZR 198/74; BGH WM 77, S. 999 f. - 25.5.77 VIII ZR 186/75; BGH LM Nr.32 zu § 652 BGB - 23.4.69 - IV ZR 780/68; BGH LM Nr. 35 zu § 123 BGB - 20.3.67 - VIII ZR 288/64. 68 Vgl. OLG München, NJW 67, S. 158 f - 26. 10. 66 - 7 U 1530/66; OLG Zweibrücken, MDR 70, S. 325 - 20. 11. 69 - 5 U 25/69. e9 Vgl. Erman, AcP 139, S. 273 ff.; Staudinger / Weber, § 242 Anm. A 418; Staudinger / Honse!!, Vor § 459 Rd Nr. 35; vgl. auch Hopt, Festschrift Fischer, S.237, 244; a. A. Böhme, S.3, der unzutreffend (s.o.) auf die unterschiedliche Intensität der Willensbeeinflussung abstellt. Zur praktischen Gleichsetzung - vgl. auch BGH WM 78, S. 1038, 1041 - 8.6.78 - III ZR 136/76.

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III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

Demgegenüber vermag die Differenzierung der Rechtsprechung 70 zwischen der durch schuldhaft falschen Rat oder Auskunft erfolgenden Verletzung der aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis folgenden allgemeinen Aufklärungspflicht und der sich aus dem Vertrag 71 als Nebenpflicht ergebenden besonderen Auskunfts- oder Beratungspflicht nicht zu überzeugen. Zum einen lassen sich die beiden Pflichten, sofern man sie überhaupt anerkennt, kaum voneinander abgrenzen. Stellt man als Abgrenzungskriterium auf die Intensität der Vertragsverhandlungen und die Bedeutung der Auskunft für den Empfänger ab 72, so sind die übergänge fließend und erscheint eine eindeutige Festlegung kaum möglich. Instruktiv ist insoweit die Entscheidung des BGH vom 12. 5. 76 70 , wo in der Erklärung eines Angestellten des Verkäufers, das Fahrzeug sei nicht als Taxi eingesetzt gewesen, trotz ausdrücklicher Frage nicht die Erteilung eines besonderen Rats oder einer besonderen Auskunft gesehen wurde. Wieso das aber dann der Fall sein sollte, wenn der Verkäufer selbst befragt, dieselbe Erklärung abgegeben hätte, ist insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen nicht einsichtig. Zum anderen ist auch die Begründung der Pflicht als einer im Rahmen des Vertrages übernommenen besonderen Nebenpflicht wenig überzeugend. Denn in den seltensten Fällen werden sich die Parteien Gedanken über die Begründung einer derartigen Pflicht machen und zudem folgt der Abschluß des Vertrages in aller Regel den Vertragsverhandlungen nach. Es ist dann nicht einzusehen, wie aus dem später abgeschlossenen Vertrag die während der Vertragsverhandlungen verletzte Pflicht fließen so1l73. Im übrigen sind auch die mit der Differenzierung verbundenen und mit der Anerkennung besonderer Auskunftsund Beratungspflichten gerade bezweckten unterschiedlichen Rechtsfolgen nicht gerechtfertigt. Ebensowenig vermag in vielen Fällen74 die Rechtsprechung zu überzeugen, wenn sie bei einer unrichtigen Auskunft kurzerhand die Verletzung eines - stillschweigend geschlossenen - Auskunftsvertrages bejaht75 . Hiermit soll nicht gesagt werden, daß die Verhandlungspartner 70 Vgl. besonders deutlich BGH WM 76, S. 740 f. - 12.5.76 - VIII ZR 33/74; aber auch BGH LM Nr.5 zu § 276 (H) BGB - 31. 1. 62 - VIII ZR 120/60; BGH NJW 67, S. 1805 - 5.4.67 - VIII ZR 32/65. 71 Gemeint ist der Vertrag, zu dessen Abschluß die Vertragsverhandlungen stattfinden, nicht etwa ein - stillschweigend geschlossener - Auskunftsvertrag. 72 So wohl die Rechtsprechung - vgl. Fn. 70. 73 Vgl. auch Larenz, Festschrift Ballerstedt, S.397, 410; Medicus, JuS 65, S. 209 f. 74 Vgl. Z. B. BGH LM Nr. 14 zu § 676 BGB - 6. 11. 74 - VIII ZR 207/72. 75 Kritisch auch Soergel/ Knopp, § 242 Rd Nr. 145; Larenz, Schuldr. Bes. Teil, Bd.II, § 56 I, S.299; Canaris, Vertrauenshaftung, S.533 Fn.41, 539; Larenz, Festschrift Larenz, S. 574,592,616; HUdebrandt, S. 88.

1. Beispiele aus der Rechtsprechung

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nicht wie beliebige Dritte ausdrücklich oder stillschweigend einen gesonderten Auskunfts- oder Beratungsvertrag schließen könnten76 • Das Vorliegen eines entsprechenden beiderseitigen Rechtsbindungswillens muß aber eindeutig feststellbar sein und kann im Regelfall nicht unterstellt werden77 • Durch die Anerkennung der allgemeinen Aufklärungspflicht im vorvertraglichen Bereich dürfte sich für die Verhandlungspartner der Abschluß eines gesonderten Auskunftsvertrages regelmäßig erübrigen. Diese Hinweise mögen an dieser Stelle genügen, denn Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind allein die aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis fließenden Pflichten, die durch die Existenz eines gesonderten Auskunftsvertrages nicht berührt werden. Ein stillschweigend geschlossener Auskunftsvertrag tritt lediglich neben eine etwaige Haftung aus c. i. C. 78 • Es kann daher in dieser Untersuchung dahinstehen, welche Voraussetzungen im einzelnen vorliegen müssen, um den stillschweigenden Abschluß eines Auskunftsvertrages bejahen zu können. Als Beispiele für die Verletzung der Aufklärungspflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis durch unrichtige Auskunft seien folgende Entscheidungen aus der Rechtsprechung mitgeteilt: Dem Bürgen wurde gegen den Gläubiger ein Befreiungsanspruch von der Bürgschaft nach den Grundsätzen des Rechtsinstituts c. i. c. zuerkannt, da er durch ein vom Gläubiger beigebrachtes unrichtiges Vertragsformular über die Rechtsnatur der zu sichernden Forderung und damit den Umfang seines Bürgschaftsrisikos getäuscht worden war 79 • Einen Vermieter trifft der Vorwurf des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, wenn sein Verwalter - ein sachkundiger Makler - einen sachunkundigen Mieter mit der wahrheitswidrigen Behauptung, andere Mieter hätten sich auf eine entsprechende Erklärung schon eingelassen, veranlaßt, einer über den angemessenen Mietzins hinausgehenden Mieterhöhung zuzustimmen. In dem Ausnutzen der intellektuellen überlegenheit liege der Pflichtenverstoß begründet. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit werde pervertiert, wenn auf Seiten einer Partei eine faktische Ausnutzung wirtschaftlicher Macht oder bei dem Vertragspartner Unkenntnis und Unerfahrenheit in Bezug auf den Vertragsgegenstand 76 Vgl. z. B. BGH LM Nr. 15 zu § 276 (Hb) BGB - 16.11. 70 - VIII ZR 227/68; BGH WM 77, S. 1027 f. - 29. 6. 77 - VIII ZR 309/75. 77 Zu den strengen Voraussetzungen eines Auskunftsvertrages vgl. BGH WM 78, S. 576 f. - 24. 1. 78 - VI ZR 105/76. 78 Vgl. z. B. BGH in Fn. 74; BGH WM 79, S. 530, 531 - 22.3. 79 - V ZR 259/77; Steifen, RGRK, § 676 Rd Nr. 14 H. 79 Vgl. BGH WM 68, S. 398 f. - 28.2.68 - VIII ZR 210/65; vgl. allgemein zu den sog. Diligenzpflichten des Gläubigers gegenüber dem Bürgen Knütel, Festschrift Flume, S. 559 ff.

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111. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

oder Vertragsinhalt vorliege. Bei einer solchen Verhandlungsführung werde gegen die Grundsätze redlichen Verhaltens verstoßen BO . Ebenfalls haftet der Vermieter bei falscher Auskunft über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse des Mietgegenstandes, die für die Entschließung der anderen Partei erkennbar von wesentlicher Bedeutung sindBi. So kann der Mieter einer Gastwirtschaft Schadenersatz aus c. i. c. verlangen oder den Mietvertrag aus wichtigem Grund kündigen, wenn er über den erzielbaren Umsatz getäuscht worden istB2 . Auch im Kaufrecht stellt die falsche Auskunft über den Wert des Kaufgegenstandes eine Verletzung der aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis fließenden Pflicht dar83 • Dem Käufer eines Unternehmens wird ein Schadenersatzanspruch aus c. i. c. zugebilligt, wenn er vom Verkäufer durch schuldhaft falsche Angaben über den bilanzmäßig ausgewiesenen Gewinn zum Vertragsschluß veranlaßt worden istB4 oder wenn er durch unrichtige Angaben über den Ertrag des Unternehmens getäuscht wurde 85• Schließlich hat ein (öffentlicher) Arbeitgeber nach den Grundsätzen des Rechtsinstituts c. i. c. für eine falsche, bei den Vertragsverhandlungen abgegebene Erklärung über die versorgungsrechtliche Lage des Arbeitnehmers einzustehenBo. Hinsichtlich der unterschiedlichen Sorgfaltsanforderungen, die an den Auskunftgebenden zu stellen sind, sei an dieser Stelle auf zwei Entscheidungen des BGH verwiesen. Sehr weitgehende Sorgfaltsanforderungen werden wiederum im Gebrauchtwagenhandel an den Verkäufer und an den in seinem Namen auftretenden Gebrauchtwagenhändler gestellt. Sichert der Verkäufer z. B. die Laufleistung eines Austauschmotors zu, den er von einem Dritten bezogen hat, so muß er - will er einem Schuldvorwurf entgehen - die Richtigkeit der von ihm zugesicherten Laufleistung selbst überprüfen, oder, sofern ihm dies mit zumutbaren Mitteln nicht möglich ist, den Kläger darauf hinweisen, daß die Zusicherung auf einer nicht 80 LG Hamburg, MDR 78, S. 493 f. - 12. 8. 77 - 11 S 65/77. 81 Vgl. BGHZ 7, S. 371 ff. - 29.10.52 - 11 ZR 283/51; zur entsprechenden Aufklärungspflicht vgl. BGH WM 63, S. 160 f. - 19. 12. 62 - VIII ZR 216/61. 82 BGH Betrieb 78, S. 1120 f. - 21. 12. 77 - VIII ZR 119/76. 83 Vgl. BGH WM 69, S. 36 f. - 14. 11. 68 - VII ZR 51/67 - falsche Auskunft hinsichtlich des Verkaufswertes von Gemälden. 84 Vgl. BGHZ 69, S. 53 ff. - 25.5.77 - VIII ZR 186/75; vgl. auch BGH WM 65, S.287 - 7.1.65 - VII ZR 28/63 - Vorlegung einer unrichtigen Bilanz als falsche Auskunft. 85 BGH NJW 77, S. 1538 f. - 18.3.77 - I ZR 132/75. 80 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 276 BGB (Verschulden bei Vertragsschluß) - 10. 11.55 - 2 A ZR 282/54; zur Anwendung der culpa in contrahendo im öffentlichen Recht - insbesondere im Beamtenrecht vgl. Battis, ZBR 71, S. 300 ff.

2. Rechtsgrund der Haftung

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nachprüfbaren Information eines Dritten beruht. Nur dann werde der Käufer in die Lage versetzt, den Umfang des übernommenen, bei Gebrauchtwagen mit Austauschmotor ohnehin erheblichen Risikos sachgerecht einzuschätzen87 • Andererseits darf sich ein Lieferant von Mastputen hinsichtlich des erzielbaren Lebendschlachtgewichts auf die Angaben seines Lieferanten verlassen und diese ungeprüft weitergeben, wenn er - für die andere Seite erkennbar - nicht über eigene Erfahrungen verfügt. Maßgebend sei, wieweit im konkreten Fall das schutzwürdige Vertrauen des Beratenen auf die Richtigkeit der Information reiche und welche Nachforschungen er daher redlicherweise von dem Beratenden verlangen könne88• 2. Rechtsgrund der Haftung a) Pflicht zur richtigen Aufklärung

aa) Keine Herleitung aus besonderer Vertrauensbeziehung Die vorstehende Rechtsprechungsübersicht zu den Aufklärungs- und Auskunftspflichten zeigt deutlich, daß - trotz der gelegentlichen Betonung des Vertrauensgesichtspunkts - auch die Haftung für unterlassene und falsche Aufklärung regelmäßig nicht auf "die Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen" gestützt wird1 • Ein besonderes an die Person des zukünftigen Vertragspartners gebundenes Vertrauen ist - wenn überhaupt - nur in den seltensten Fällen feststellbar. Hervorgehoben seien an dieser Stelle beispielhaft die Fälle zum finanzierten Abzahlungskaufz: Beim finanzierten Abzahlungskauf, bei dem der Verkäufer den Kredit vermittelt und bei dem der Käufer nicht in unmittelbaren Kontakt zu dem Darlehensgeber tritt, ist "Vertrauensperson" des Käufers im Regelfall allenfalls der Verkäufer. In ihm sieht er seinen maßgeblichen Vertragspartners. Dennoch wird eine Aufklärungspflicht der DarlehensSo BGH WM 76, S. 614 f. - 17.3.76 - VIII ZR 208/74. Vgl. BGH LM Nr. 14 zu § 676 BGB - 6.11.74 - VIII ZR 207/72. 1 Zu den grundsätzlichen Bedenken gegen den Vertrauensgesichtspunkt s. unter B. H. 2. c) bb) (b) nach Fn. 54; vgl. auch Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S. 163, 169 speziell in den Fällen der Aufklärungspflichtverletzung. Z Vgl. insbes. Daum, NJW 68, S.372, 375; ihm grds. zustimmend Medicus, Festschrift Kern, S.313, 325 Fn.46; die Kritik von Nirk, Festschrift Möhring (1975), S.71, 84, das von Daum vermißte Merkmal des Verschuldens (?) sei in den zitierten Urteilen mehrfach als haftungsbegründendes Merkmal deutlich angesprochen und bejaht worden, beruht m. E. auf einem Mißverständnis, da Nirk nicht zwischen dem Entstehungstatbestand der Pflichten und dem Pflichtenverstoß, der schuldhaft sein muß, unterscheidet. 8 Vgl. z. B. BGHZ 20, S. 37, 41, 43 - 8.2.56 - IV ZR 282/55. 87

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III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

geberin aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis bejaht, auch wenn der Käufer dieser keinerlei Vertrauen entgegengebracht hat. Denn wie kann der Käufer der Darlehensgeberin Vertrauen entgegenbringen, wenn er bei Vertragsabschluß überhaupt nicht wußte, daß eine Finanzierungsbank eingeschaltet wurde 4 , wenn das Kreditinstitut bei Unterschrift unter den Darlehensantrag noch gar nicht feststand und der Käufer lediglich mit der Möglichkeit rechnete, der Verkäufer werde eine Finanzierungsbank einschalten5 , wenn die Darlehensanträge lediglich interne Bedeutung haben und nicht an die Bank weitergegeben werden sollten6 oder wenn der Käufer bei Unterschreiben des Darlehensantrages der Versicherung des Verkäufers glaubte, die Unterschrift verpflichte zu nichts, das sei nur eine Formsache, er - der Käufer - habe mit der Finanzierungsbank nichts zu tun? Um Schreiben der Bank solle er sich nicht kümmern, sondern diese an ihn weiterleiten (wie es dann auch geschehen ist)1. In allen diesen Fällen hatte der Verkäufer Vertrauen allenfalls ausschließlich für sich persönlich in Anspruch genommen. Die Hilfskonstruktion des Bundesgerichtshofs8 in dem vergleichbaren Fall der Finanzierung einer Arbeitnehmerbeteiligung: die Bank, die dem Arbeitgeber Gelegenheit gegeben habe, bei den Arbeitnehmern als Person ihres Vertrauens aufzutreten, müsse sich das dem Arbeitgeber entgegengebrachte Vertrauen zurechnen lassen, zeigt - abgesehen von ihrer Fragwürdigkeit - deutlich, daß gerade nicht die tatsächliche Vertrauenslage und nicht ein besonderes persönliches Vertrauen maßgeblich ist. Fragwürdig ist diese Konstruktion unter anderem deshalb, weil das dem Arbeitgeber seitens seiner Arbeitnehmer entgegengebrachte Vertrauen diesem in seiner Stellung als Arbeitgeber, nicht aber in seiner Stellung als Verhandlungsvertreter der Bank entgegengebracht wird. Aber auch in den übrigen Fällen läßt sich, wie ein Blick auf die mitgeteilten Entscheidungen zeigt, eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen den Beteiligten regelmäßig nicht feststellen. Maßgebliche Gesichtspunkte sind vielmehr unter anderem der Schutz des geschäftlich unerfahrenen Verhandlungspartners und der sozial schwächeren Bevölkerungsschicht, die Ermöglichung "freier und unbeeinflußter" eigener Entscheidung, die Herbeiführung einer ausgewogenen VerhandlungsBGHZ 33, S. 293 f. - 17.11. 60 - VII ZR 56/59. BGHZ 33, S. 302 ff., 311 - 17. 11. 60 - VII ZR 115/59. • BGH WM 62, S. 1263 - 11. 10. 62 - VII ZR 156/61. 7 BGHZ 47, S. 224 ff. - 20. 2. 67 - III ZR 40/66. 8 BGH WM 78, S.1038, 1041 - 8.6.78 - !II ZR 136/76; bezeichnenderweise findet sich kein Hinweis auf diese Urteilspassage in der Urteilswiedergabe 4

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von Emmerich, JuS 79, S. 60 f.

2. Rechtsgrund der Haftung

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position, der gesetzliche Schutzzweck, die besonderen Vertragsrisiken, die Verwirklichung des Vertragsziels und der Vertragsfreiheit. Daß nicht "die besondere Vertrauensbeziehung" die tragende Grundlage für die aus dem Verhandlungsverhältnis fließenden Aufklärungspflichten ist, zeigt sich weiterhin in den Urteilen zu den Grenzen der Aufklärungspflicht. Würde die Aufklärungspflicht ihre Rechtfertigung in der "Gewährung in Anspruch genommenen Vertrauens" finden, so müßte konsequenterweise der Umfang der Pflicht von der Intensität des gewährten und in Anspruch genommenen Vertrauens abhängen. Hierauf wird aber in keinem der behandelten Fälle abgestelUS, entscheidend sind vielmehr nach der Rechtsprechung - wie schon erwähnt beispielsweise die "Erfordernisse des redlichen Geschäftsverkehrs", "Treu und Glauben", "Verkehrsanschauung" und "Verkehrsauffassung", "Handelsbräuche", die "Grundsätze des redlichen Bankverkehrs", die drohenden typischen Gefahren und die abzuwägenden Interessen. Darüber hinaus kämen, wie Frotz 10 und Welser 11 betonen, mit dem Vertrauens gedanken begründete Pflichten häufig zu spät. Es sei zwar denkbar, daß das Verhalten eines Teils Grundlage für das Vertrauen des Gegners werde. Dieses Verhalten könne aber dann nicht schon unter Pflichtanforderungen stehen, die erst durch ein nachfolgendes Vertrauen auf dieses Verhalten begründet würden. Diese Ablehnung des Vertrauensgesichtspunktes gilt konsequenterweise auch für den Fall falscher Beratung und Auskunft, auch wenn sich in diesen Fällen eine gewisse Parallelität zur Erklärungshaftung aufdrängt, wie sie in den §§ 122, 179 BGB normiert ist12• Diese Parallelität ist nur oberflächlich; anders als in den Fällen der Erklärungshaftung haftet der Erklärende auf Grund des Rechtsinstituts c. i. c. nämlich nicht "für das gegebene Wort", sondern für die Pflichtverletzung, die in der falschen Auskunft liegt. Der Unterschied zeigt sich bei der Berechnung des zu ersetzenden Schadens. Bei der "Erklärungshaftung" ist der Erklärungsempfänger grundsätzlich so zu stellen, als sei die Erklärung richtig ("Vertrauensentsprechung") - der Erklärende wird an seiner Erklärung festgehalten (vgl. z. B. §§ 179 Abs. 1, 463 Abs. 1 BGB). Beschränkt wird dieser Anspruch allerdings in einigen Fällen 9 Wenn eine Fehlvorstellung des Verhandlungspartners schon nach der gegebenen "Sachlage" ausscheidet, versteht es sich von selbst, daß es keiner Aufklärung mehr bedarf. Der Rückgriff auf das Fehlen "enttäuschten Vertrauens" in der Entscheidung BGH WM 78, S. 723 f. - 2.3.78 - VII ZR 104/77 war daher nicht erforderlich. 10 Gedenkschrift Gschnitzer, S. 163,170. 11 Vertretung, S. 71. 12 Vgl. z. B. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 532 ff.; Hildebrandt, S. 131 f.

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III. Aufklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

kraft Gesetzes (vgl. §§ 122, 307, 179 Abs. 2 BGB) aus Gründen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, auf das negative Interesse. Demgegenüber ist bei der Haftung für Pflichtverletzung wegen unrichtiger Information der Schaden zu ersetzen, der durch die unrichtige Information adäquat verursacht worden ist13 oder durch die richtige Information vermieden worden wäre. Ein solcher Anspruch ist nicht identisch mit einem Anspruch, so gestellt zu werden, als sei die Information richtig gewesen14 • Mit den Begriffen "positives" und "negatives" Interesse deckt sich dieser Gegensatz nicht15 • Wenn man im Rahmen des Rechtsinstituts c. i. c. überhaupt auf diese Terminologie zurückgreifen will, so bedeutet, bezogen auf die Auskunft, negatives Interesse, das Interesse so gestellt zu werden, als sei keine Auskunft erfolgt, und positives Interesse, so gestellt zu werden, als sei die richtige Auskunft erfolgt, nicht aber so, als sei die gegebene Auskunft selbst richtig gewesen. Auch kann nicht deshalb die Rechtsgrundlage der Pflicht zur richtigen Auskunft in der Inanspruchnahme und Gewährung von Vertrauen gesehen werden, weil zugegebenermaßen die Haftung entfällt, wenn der Geschädigte nicht der Erklärung vertraut hat oder sein Vertrauen nicht gerechtfertigt war. Dies setzt nämlich keineswegs voraus, daß wegen des fehlenden Vertrauens die vorvertragliche Pflicht entfällt, sondern beruht, wie schon das Reichsgericht" festgestellt hat, schlicht darauf, daß bei fehlendem oder ungerechtfertigtem Vertrauen der ursächliche Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden entfällt. So führt auch nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs17 die fehlende Berechtigung des Vertrauens im Hinblick auf die fehlerhafte Erklärung nicht zum Wegfall der Pflicht, sondern nur dazu, daß die im Vertrauen auf die Erklärung gemachten Aufwendungen trotz der Verletzung der vorvertraglichen Pflicht nicht ersetzt verlangt werden können. Zudem wurde schon ausgeführt, daß es sich bei der Pflicht zur Aufklärung und der Pflicht, keine falsche Auskunft zu erteilen, im Kern Vgl. nur Palandt 1Thomas, § 676 Anm. 2; Soergell Mühl, § 676, Rd Nr. 35; WM 66, S. 698, 704; vgl. auch BGH NJW 77, S. 1536 f. - 25. 5. 77 VIII ZR 186/75; BGH WM 79, S.530, 532 f. - 22.3.79 - VII ZR 259/77. 14 Die Einräumung dieser Stellung kann der Getäuschte gerade nicht verlangen - vgl. Soergell Mühl, § 676, Rd Nr. 35; Hopt, Festschrift Fischer, S. 237,254. 15 Vgl. Esser 1Weyers, Schuldr. Bes. Teil, Bd.lI, Teilbd. 1, § 6 11 5 b, S.78; a. A. wohl Palandt 1Heinrichs, Vor § 249, Anm. 2 g. 16 RGZ 131, S.343, 359 - 19.2.31 - VI 383/30; vgl. auch Frotz, Gedenkschrift Gschnitzer, S. 163, 169 ff.; WeIser, Vertretung, S. 71; Flume, Allg. Teil 11, § 10/4, S.129 Fn. 36 a; Erman, AcP 139, S.273, 311 ff.; Grunsky, Festschrift BAG, 153, 164. 17 WM 78, S.1092 f. - 17.3.78 - V ZR 226/75. 13

Pikart,

2. Rechtsgrund der Haftung

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um die einheitliche Pflicht zur richtigen Auskunft handelt. Für die Haftung müssen daher sowohl bei unterlassener als auch bei unrichtiger Aufklärung die gleichen Grundsätze gelten18 •

bb) Eigene Ansicht - besonderes Schutzbedürfnis des allgemeinen Rechtsverkehrs Herzuleiten sind die Aufklärungspflichten im Bereich der Vertragsverhandlungen ebenso wie die ErhaltungspflichtentV zwanglos aus dem Schutzbedürfnis und dem Erfordernis eines reibungslosen, gefahrlosen und störungsfreien Geschäftsverkehrs20 ; wobei auch hier wieder sowohl (und in erster Linie) die Interessen der Allgemeinheit an einer funktionstüchtigen, privaten Rechtsgeschäftsordnung als auch die Individualinteressen der Verhandlungspartner zu berücksichtigen sind. Wenn z. B. Reich21 "angesichts des durch modernes marketing und Produktgefahren potenzierten Verbraucherrisikos eine korrespondierende, aus Informationsobliegenheiten entwickelte Schutzpflicht" fordert, da sie einem sozialstaatlichen Verfassungsgebot entspreche, so ist ihm zuzustimmen, soweit er über den Individualschutz des einzelnen Verbrauchers hinausgeht. Noch weitergehend hätte er zur Begründung der Pflicht nicht lediglich auf das allgemeine Verbraucherrisiko abstellen, sondern hätte auch die Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit berücksichtigen können22 ; denn Verbraucherschutz ist lediglich ein Teilaspekt des Schutzes des allgemeinen Rechtsverkehrs. Voraussetzung für einen funktionierenden, reibungslosen, störungsfreien, nicht durch ständiges Mißtrauen gehemmten Geschäftsverkehr Vgl. auch H. Schaumbv:rg, Vorvertragliches Verschulden, S.31. Eine Differenzierung zwischen den Erhaltungspflichten und den sonstigen Pflichten (vgl. z. B. Dölle, ZStw 103, S.67, 72, 86; Baumert, S. 42 ff.; Hohloch, JuS 70, S. 302, 306) ist weder erforderlich noch sinnvoll. Der nicht näher begründeten Ansicht von Baumert, die Pflichten müßten verschiedene Grundlagen haben, da sie nicht auf die gleiche Art ausgeschlossen werden könnten, überzeugt nicht. Möglichkeit und Grenzen der Haftungsfreizeichnung sind vielmehr im Rahmen des Rechtsinstituts c. i. c. einheitlich festzulegen. Vgl. ausführlich zur Problematik der Haftungsfreizeichnung: Gerhard, JZ 70, S. 535, 537. !O Vgl. schon RGZ 95, S.58, 60 - 24.9.18 - VII 95/18; RGZ 107, S.357, 362 - 28. 11.23 - V 802/22 (Unentbehrlichkeit der Aufklärungspflichten für den redlichen Geschäftsverkehr); Welser, ÖJZ 73, S.281, 284; derselbe, Vertretung, S. 75 ff.; vgl. auch Staudinger / Köhler, § 433 Rd Nr. 48. !1 NJW 78, S. 513 ff. U Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, daß auch das von Reich als Beleg für eine normierte allgemeine schuldrechtliche Informationspflicht herangezogene dänische Gesetz über Marktverhalten vom 14.6.74 keineswegs lediglich auf den Schutz der Verbraucher abstellt, sondern auch die Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit berücksichtigt - vgl. Krüger-Andersen, GRUR Int. 76, S. 322 ff.; Text des Gesetzes a.a.O., S. 345 ff. 18

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III. AUfklärungs-, Beratungs-, Mitwirkungspflichten

ist, daß die Verhandlungspartner sich so verhalten, wie es unter redlichen und loyalen Partnern üblich ist23 und ohne Behinderung des Rechtsverkehrs gefordert werden kann und wie es erforderlich ist, sachlich richtige Verträge und ihre ordnungsgemäße Abwicklung zu gewährleisten. Dies bedingt die Schaffung einer "ausgewogenen" Verhandlungssituation und die weitgehende Information des unerfahrenen Partners. Hieraus ergibt sich zum einen zwanglos die Pflicht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind und für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, als auch andererseits die Einschränkung dieser Pflicht durch die Erfordernisse des redlichen Geschäftsverkehrs und der Verkehrsanschauung. Hiermit soll ebensowenig wie bei den Erhaltungspflichten gesagt werden, daß eine besondere Vertrauensbeziehung für die Aufklärungspflichten im vorvertraglichen Bereich irrelevant sei. Ein solches besonderes Vertrauen kann z. B. für den Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflichten von Bedeutung sein, es ist jedoch zur Begründung der Pflicht keineswegs unerläßlich23 • Es wird nicht verkannt, daß wenn Begründung, Umfang und Grenzen der Aufklärungspflichten aus dem Erfordernis und dem Schutzbedürfnis eines funktionierenden, reibungslosen und gefahrlosen Geschäftsverkehrs abgeleitet werden, es sich letztlich um eine Wertungsfrage U handelt, ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, und daß - anders als im Bereich der Erhaltungspflichten diese Frage keineswegs immer eindeutig und zweifelsfrei zu beantworten ist. Dieser Ansicht könnte somit der Einwand der fehlenden Rechtssicherheit und der Gefahr der bloßen Billigkeitsrechtsprechung und Ausuferung entgegengehalten werden25 • Ein solcher Einwand würde jedoch verkennen, daß sich - wie die bisherigen Ausführungen m. E. deutlich zeigen - das Rechtsinstitut c. i. c. schon längst zu einem allgemeinen Verbot, den Partner nicht zu schädigen, entwickelt hat. Der von Rechtsprechung und h. L. als tragende Rechtsgrundlage herangezogene Vertrauensgesichtspunkt - Inanspruchnahme gewährten Vertrauens - vermochte weder diese Entwicklung aufzuhalten noch sie in Rechtssicherheit gewährende Bahnen zu lenken. Gerade das Schlagwort von der "Inanspruchnahme gewährten Vertrauens" ermöglicht vielmehr "billige" Lösungen, ohne daß die wirklichen, die Entscheidung tragenden Motive offengelegt werden müssen. Der Weg zu einer Erörterung Vgl. Larenz, Festschrift Ballerstedt, S. 397,414 f. Vgl. auch Musielak, Haftung, S. 18. 25 Vgl. zu diesen immer wieder vorgetragenen Bedenken z. B. Nirk, Festschrift Möhring (1975), S.71, 74; Lieb, JZ 77, S. 345 f.; Medicus, JuS 65, S.209, 23 24

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2. Rechtsgrund der Haftung

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der wirklichen Zurechnungsgründe wird durch das Vorschieben solcher - scheinbar Rechtssicherheit gewährenden - Kriterien nur verdeckt. Demgegenüber ist m. E. schon viel gewonnen, wenn man den gemeinsamen - wenn auch mehr allgemeinen - Grundgedanken des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo aufzeigt und sich seiner Ergänzungsfunktion28 bewußt wird. Es ist dann sehr viel eher möglich und auch erforderlich, die inhaltlichen Kriterien zur Bestimmung von Umfang und Grenzen der vorvertraglichen Pflichten für die verschiedenen Vertragsgestaltungen und in Abstimmung mit den gesetzlichen Regelungen in Fallgruppen herauszuarbeiten und weiterzuentwickeln. Zutreffend hat schon Walter Wilburg am 22.10.50 in seiner Grazer Rektoratsrede über die "Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht" formuliert, ein Recht, "das elastisch die maßgebenden Gesichtspunkte bestimme, könne sogar eine festere Stütze sein, ebenso wie ein elastisches Band oft besser halte als ein starres Gefüge, das nicht die Fähigkeit besitze, den Bewegungen zu folgen'