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German Pages 179 Year 2001
ULRICH GEBHARDT
Herabsetzung der Gegenleistung nach culpa in contrahendo
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 240
Herabsetzung der Gegenleistung nach culpa in contrahendo
Von Ulrich Gebhardt
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gebhardt, Ulrich: Herabsetzung der Gegenleistung nach culpa in contrahendo / von Ulrich Gebhardt. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 240) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10167-7
Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-10167-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1999 von der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten noch bis Oktober 1999 berücksichtigt werden. Ich danke meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Winfried Mummenhoff, für zahlreiche Anregungen und die großzügig gewährte Unterstützung während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsrecht. Weiter danke ich Herrn Prof. Dr. Ralph Backhaus für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Mein Dank gilt ferner den damaligen Mitarbeitern des Instituts für Arbeitsrecht, allen voran meinen Kolleginnen Frau Dr. Claudia Gellings und Frau Dr. DorisMaria Schuster, deren moralischer Beistand mir eine unentbehrliche Hilfe war. Wuppertal, im Februar 2000
Ulrich Gebhardt
Inhaltsverzeichnis I. Problembeschreibung 1. Beispiele
11 11
a) Der Ausgangsfall - Unternehmenskauf
11
b) Flugzeugfall
12
c) Klärwerksfall
13
d) Einfuhrsteuerfall
13
e) Ladeneinrichtungsfall
14
2. Charakteristika
15
a) Vertragstyp
15
b) Pflichtverletzung
15
3. Rahmen der rechtlichen Behandlung a) Anwendung der culpa in contrahendo
16 16
aa) Abgrenzung zu gesetzlichen Sonderregelungen
16
bb) Andere Anspruchsgrundlagen
18
b) Rechtsfolge
19
aa) Rückgängigmachung des Vertrags
19
bb) Herabsetzung der Gegenleistung
20
4. Themenstellung Π . Problembehandlung in früherer Zeit 1. Die Zeit vor dem BGB a) Tatbestände aa) Gesetzliche Grundlagen
20 22 22 23 23
bb) Bestimmung von dolus incidens und dolus causam dans b) Rechtsfolgen aa) Dolus causam dans bb) Dolus incidens c) Ergebnis und Übergang zum BGB 2. Die Zeit des BGB a) Entwicklung der culpa in contrahendo
24 25 26 27 28 29 29
8
Inhaltsverzeichnis b) Behandlung der Herabsetzung der Gegenleistung
30
aa) Dolus causam dans und dolus incidens im BGB bb) Lösung über § 249 S. 1 BGB Ι Π . Interessenlage 1. Das Behaltensinteresse des Käufers
30 32 34 34
a) Tatsächliches Interesse des Käufers
34
aa) Eingliederung in das Vermögen
35
bb) Aufwand auf den Gegenstand
36
cc) Abhängigkeit von dem Gegenstand
38
dd) Schlichter Wunsch des Behaltens
38
ee) Zusammenfassung
39
b) Bewertung des Interesses durch die Rechtsordnung
40
aa) Grundlegende Überlegungen: Funktion des Vertrags
40
bb) Konkrete Untersuchung: Umsetzung im positiven Recht
43
cc) Ergebnis
50
2. Die Verkäuferinteressen a) Der Verlust des Gegenstands aa) Vertrauen
50 51 51
bb) Problem der Rückabwicklung
51
cc) Ergebnis
52
b) Die Gegenleistung
53
aa) Erhalt von Geld an sich
53
bb) Erhalt von möglichst viel Geld
53
c) Ergebnis
53
3. Bewertung des Verkäuferinteresses im Hinblick auf das Käuferinteresse
54
4. Zwischenergebnis
55
5. Belange der Rechtsordnung als solcher
55
a) Haftungswegfall und Präventionsfunktion des Haftungsrechts aa) Präventionsfunktion
56 56
bb) Einwände gegen die Präventionsfunktion b) Durchsetzbarkeit
57 57
c) Das Problem der Rückabwicklung
58
aa) Vergleichbare Konstellationen
58
bb) Wandlung bei schwer rückabzuwickelnden Kaufverträgen
59
6. Ergebnis
61
Inhaltsverzeichnis
IV. Gesetzliche Vorgaben 1. Eingrenzung a) Einordnung der Rechtsfigur
62 62 63
aa) Verschiedene Umschreibungen
63
bb) Untersuchung der Umschreibungen
64
b) Rechtsfolge der culpa in contrahendo
66
aa) Schadensersatz als hier „passende" Rechtsfolge
66
bb) Möglichkeit der Lösung über Schadensersatzrecht
67
2. Die herkömmliche Konstruktion a) Möglichkeiten der Schadensbestimmung, insbesondere Alternativgeschäft
67 68
aa) Art des Schadensersatzes
68
bb) Fiktiver Kausalverlauf
69
b) Fiktiver anderer Vertragsinhalt (1): Nichtabschluß des bestehenden Vertrages
76
aa) Beweislastverteilung für die Folgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
76
bb) Übertragung auf die untersuchte Konstellation
81
c) Fiktiver anderer Vertragsinhalt (2): Zustandekommen des hypothetischen Vertrags
82
aa) Beweislast
83
bb) Beweiserleichterungen
86
cc) Ansatz des BGH: Verzicht auf Beweis
92
V. Der Ansatz über § 251 Abs. 12. Alt BGB 1. § 251 Abs. 11. Alt BGB: Unmöglichkeit der Herstellung
97 98
a) Direkte Anwendung
99
b) Analoge Anwendung
102
2. § 251 Abs. 12. Alt BGB: Herstellung „nicht genügend"
102
a) Anwendungsbereich und Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB ... 102 aa) Zwei Tatbestände des § 251 Abs. 1 BGB
103
bb) Norminhalt von § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB
105
cc) Anwendbarkeit von § 253 BGB
114
dd) Inhalt des Bereichs des „weniger Zumutbaren"
116
b) Anwendung von § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB auf die untersuchte Konstellation
117
c) Behaltensinteresse im konkreten Fall
118
aa) Bisher vertretene Auffassungen bb) Pauschaler Schutz des Behaltensinteresses d) Ergebnis
118 119 121
10
Inhaltsverzeichnis
V I . Der Umfang des Anspruchs 1. Einteilung der Konstellationen a) Kaufpreis ist betroffen b) Kaufgegenstand ist betroffen
122 122 122 123
aa) Gegenstand als solcher oder Umstände
123
bb) Verhältnis zu nachvertraglichen Schäden
123
cc) Untersuchungsprogramm
126
2. Die Grundkonstellation: Problem mit dem erworbenen Gegenstand als solchem 126 a) Möglichkeiten der Berechnung des Umfangs des zu ersetzenden Schadens 126 aa) Definition der Parameter
126
bb) Anzutreffende Methoden
128
b) Bestimmung der Berechnung des Umfangs des zu ersetzenden Schadens ... 133 aa) „freie Herabsetzung"
133
bb) Preis - subjWert
135
cc) Preis - tatsWert, fiktWert - tatsWert und Herabsetzung entsprechend der Minderung 135 dd)fiktWert - tatsWert und Herabsetzung entsprechend der Minderung ... 147 ee) Präzisierung
150
ff) Ergebnis
152
3. Sonderkonstellationen: Probleme außerhalb des Gegenstands a) Grundsätzliche Überlegungen zur Behandlung
152 153
aa) Problembestimmung
153
bb) Modifikation der Minderungsformel
154
b) Praktische Umsetzung des Konzepts vom Geschäftswert
155
aa) Störung auf der Leistungsseite
155
bb) Störung auf der Gegenleistungsseite
156
V E . Zusammenfassung
159
Literaturverzeichnis
160
Sachwortverzeichnis
175
Ι . Problembeschreibung 1. Beispiele a) Der Ausgangsfall - Unternehmenskauf Im Jahre 1977 wurde ein altes Problem für die Rechtswissenschaft neu entdeckt. Der B G H hatte folgenden Sachverhalt zu entscheiden:1 Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf - : V bot Κ seine Anteile an einer GmbH & Co. KG zum Kauf an. Im Verlauf der Vertragsverhandlungen stellte er Κ einen „konsolidierten Status" zur Verfügung, der für die KG einen Gewinn von ca. 10 000 DM auswies. Κ kaufte daraufhin die Anteile zu einem Preis von etwa 1,1 Millionen DM. Später stellte sich heraus, daß der Status durch die Angestellten des V in wesentlichen Punkten unter Verstoß gegen die Regeln einer ordnungsgemäßen Bilanzierung erstellt worden war und nicht den Tatsachen entsprach. Richtigerweise wäre ein Verlust von etwa 470 000 DM auszuweisen gewesen. Κ konnte das Unternehmen nur durch Einsatz von beträchtlichen Summen vor dem Zusammenbruch bewahren. Hätte er den wirtschaftlichen Zustand der KG vorher gekannt, so hätte er das Geschäft nicht abgeschlossen. Κ verlangte Schadensersatz. V hatte für die fehlerhaft arbeitenden Angestellten èinzustehen. Eine arglistige Täuschung wurde zwar nicht als erwiesen angesehen. Jedoch bestand ein Anspruch aus culpa in contrahendo. Die Frage war, worin der Κ zu ersetzende Schaden bestand. Eine Rückabwicklung des Geschäfts lehnte Κ ab. Er hatte das erworbene Unternehmen bereits seinem Unternehmensverband eingegliedert, so daß eine Herauslösung „nur noch unter sehr erschwerten Bedingungen"2 möglich war. Der B G H akzeptierte dies und führte aus:3 „In einem solchen Fall muß der am Vertrag festhaltende Käufer, soll der Schaden überhaupt sinnvoll erfaßbar sein, so behandelt werden, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Kaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis abzuschließen . . . , ohne daß es auf den - hypothetischen und ohnehin kaum zu führenden - Nachweis ankommt, ob auch der Verkäufer sich damals mit einem Vertragsschluß unter diesen Bedingungen einverstanden erklärt hätte. Schaden ist also hier der Betrag, um den die Klägerin im enttäuschten Vertrauen auf die Richtigkeit der Bilanzangaben des Beklagten dessen Anteile an der KG überhöht gekauft hat." Zur summenmäßigen Bestimmung des Betrags führte der B G H aus, er sei durch Schätzung nach § 287 ZPO zu ermitteln. Dabei sei davon auszugehen, daß Κ unter ι BGHZ 69,53. 2 BGHZ 69,53 (57). 3 BGHZ 69,53 (58).
12
I. Problembeschreibung
Berücksichtigung des ihm vorgelegten Status 1,1 Millionen D M für angemessen hielt, und daran anknüpfend festzustellen, welcher Kaufpreis bei der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens „angemessen wäre"4. Dies hatte das Berufungsgericht nachzuholen. Fälle dieser Art häuften sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bis zum Beginn der neunziger Jahre, wonach eine gewisse Beruhigung eintrat. Es seien einige besonders markante und typische Entscheidungen herausgegriffen.
b) Flugzeugfall Heftige Diskussionen löste der folgende Fall aus:5 Beispielsfall 2 - Flugzeug Κ kaufte von V ein fabrikneues zweimotoriges Flugzeug. Bei den Vertragsverhandlungen war „in Aussicht genommen" worden, daß Κ als Kaufpreis denjenigen Preis bezahlen sollte, den V seinem Vorlieferanten, einem Großhändler, zu zahlen haben würde. Als Gewinn des V bei diesem Geschäft waren gewisse Vergünstigungen beim Kauf von Wohnungen, anscheinend ein zinsloses Darlehen, vorgesehen, die auch gewährt wurden. Κ zahlte für das Flugzeug 280 000 $, im Glauben, dies sei auch der Einkaufspreis des V gewesen. Wäre ihm der tatsächliche Einkaufspreis von 238 000 $ berechnet worden, so hätte er von dem Kauf Abstand genommen, da er bei einem solch niedrigen Preis mißtrauisch geworden wäre und an der Seriosität des Geschäfts gezweifelt hätte. Dies hinderte Κ freilich nicht daran, als er später von dem niedrigeren Großhändlerpreis erfuhr, die Differenz von 42 000 $, nach damaligem Kurs ca. 110 000 DM, als Schadensersatz zu verlangen.
Das OLG Düsseldorf konnte sich nicht dazu durchringen, den Vertrag dahingehend auszulegen, es sei von vornherein als Kauf]preis der Einkaufspreis des V vereinbart worden. Eine arglistige Täuschung durch V wurde nicht als erwiesen angesehen. Jedoch, so führte der BGH aus, bestehe ein Anspruch aus culpa in contrahendo. V sei gemäß § 242 BGB verpflichtet gewesen, darauf aufmerksam zu machen, daß er gedenke, von der avisierten Preisberechnung abzuweichen. Gegen diese Pflicht habe er durch sein Schweigen verstoßen. Unter Verweis auf die oben referierte Entscheidung (Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf - ) legte der BGH weiter dar, es sei belanglos, ob Κ das Geschäft bei Kenntnis der Umstände abgeschlossen hätte. Ohne nähere Begründung über die Herleitung der Summe wurden Κ die 110 000 DM als Schadensersatz zugesprochen. Auf den tatsächlichen Wert des Flugzeugs oder die Wertvorstellungen der Vertragspartner komme es nicht an.
4 BGHZ 69,53 (59). 5 BGH NJW 1981,2050.
1. Beispiele
13
c) Klärwerksfall In einem weiteren Fall ging es um einen Hauskauf.6 Beispielsfall 3 - Klärwerk - : Κ kaufte fur 300 000 DM von Vein Hausgrundstück. In dem Vertrag wurde eine Gewährleistung des V „wegen ... etwaiger Mängel des Grundstücks sowie der Beschaffenheit des Baugrundes" ausgeschlossen. In der Nähe des Grundstücks befand sich ein Klärwerk. Dies war Κ zwar bekannt. Er fühlte sich trotzdem durch angeblich mehrmals in der Woche auftretenden Gestank von V getäuscht, da dieser erklärt hatte, es stinke „zwei- bis dreimal im Jahr". Bei Kenntnis dieses Umstandes hätte er das Grundstück nicht zu diesem Preis gekauft.
Hier war zunächst zu berücksichtigen, daß es sich um einen Fehler gemäß § 459 Abs. 1 BGB handeln konnte. Gewährleistungsansprüche waren aber abbedungen worden. Trotz dieses Ausschlusses wären bei Vorliegen eines Fehlers nach ständiger Rechtsprechung aufgrund der Sperrwirkung des Gewährleistungsrechts Ansprüche aus culpa in contrahendo nicht in Betracht gekommen. Der BGH ließ dies jedoch dahingestellt sein. Möglicherweise hatte V arglistig gehandelt. Dies bedeutete, daß im Falle des Vorliegens eines Fehlers nach § 459 Abs. 1 BGB der Haftungsausschluß gemäß § 476 BGB keine Wirkung entfaltet hätte und ein Anspruch entstanden wäre. Falls kein Fehler vorlag, würde aber die Haftung aus culpa in contrahendo eingreifen, da diese im Falle von Arglist nicht mehr ausgeschlossen wäre. Da der Umfang der Haftung nach § 459 Abs. 1 BGB und nach culpa in contrahendo gleich sei, komme es auch insoweit nicht darauf an, ob ein Fehler vorliege.7 Der Fall wurde zurückverwiesen, um den Umfang der Geruchsbelästigung und die Frage der Arglist zu klären.
d) Einfuhrsteuerfall Viel diskutiert wurde auch der folgende Fall.8 Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer V beabsichtigte, eine Motoryacht zu verkaufen. Er beauftragte den Yachtmakler M, den Verkauf der in den Niederlanden befindlichen Yacht in die Wege zu leiten. M verhandelte mit Κ und versicherte ihm dabei, bei der Einfuhr in die Bundesrepublik fielen keinerlei Steuern oder Zoll an. Das Schiff wurde für 87 000 hfl verkauft. Κ mußte bei der Einfuhr der Yacht zu seiner Überraschung etwa 11 000 DM Einfuhrumsatzsteuer entrichten. Diesen Betrag verlangte er von V zurück.
Eine selbständige Garantieübernahme über die Steuerfreiheit wurde nicht als gegeben angesehen, auch Aiglist lag nicht vor. Die Frage war dann, ob in den Erklärungen des M die Zusicherung einer Eigenschaft nach §§ 459 Abs. 2, 463 S. 1 6 BGH NJW-RR 1988, 10. 7
Der Leitsatz der NJW-Redaktion gibt den Inhalt der Entscheidung hier nicht richtig wieder. 8 BGHZ 111,75.
14
I. Problembeschreibung
BGB gesehen werden konnte. Der BGH lehnte dies ab, da die Umsatzsteuerpflicht - anders als bestimmte Abschreibungsmöglichkeiten - nicht an die Beschaffenheit des Kaufgegenstands anknüpfe. Damit lag keine zusicherungsfähige Eigenschaft vor. Der BGH nahm jedoch einen Anspruch aus culpa in contrahendo an. M hatte sich bei seiner falschen Versicherung auf Erklärungen des V verlassen. Nach Ansicht des BGH hätte er diese in einem für den Kaufentschluß des Käufers derart wichtigen Punkt nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Sein diesbezügliches Verschulden mußte sich V gemäß § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen. Was die Höhe des Schadensersatzanspruchs betraf, so führte der BGH aus, Κ habe darauf vertraut, daß er insgesamt nicht mehr als den Kaufpreis würde zahlen müssen. In diesem Vertrauen sei er enttäuscht worden, mithin könne er die fraglichen 11 000 D M an zusätzlichen Steuern als Schadensersatz verlangen.
e) Ladeneinrichtungsfall Sehr instruktiv ist schließlich noch Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung - : 9 Κ plante, eine Filiale des von ihm geführten Geschäfts zu eröffnen. Zu diesem Zweck ließ er sich von V, der sich unter anderem mit dem Vertrieb von Ladeneinrichtungen befaßte, eine Standortanalyse für den geplanten Sitz der Filiale erstellen. Diese Analyse prophezeite Κ beste Aussichten für den geplanten Standort. Daraufhin bestellte Κ bei Veine Ladeneinrichtung. Allerdings war die Standortanalyse schuldhaft falsch erstellt worden, die tatsächlichen Möglichkeiten für das Geschäft des Κ waren weit bescheidener. Demzufolge war die von Κ erworbene Ladeneinrichtung für seine Bedürfnisse weit überzogen und aus den tatsächlichen Geschäftserlösen nicht zu finanzieren. Κ betrieb das Geschäft mit der Ladeneinrichtung dennoch weiter, da bei einer Einstellung des Betriebes noch höhere Verluste entstanden wären. V verlangte nun von Κ Zahlung. Κ machte dagegen im Wege der Aufrechnung Schadensersatzansprüche geltend.
Das OLG München hatte Κ einen Schadensersatzanspruch zwecks Aufrechnung gegen den Zahlungsanspruch verweigert, da er keinen Schaden dargelegt habe, er könne allenfalls den Vertrag rückabwickeln. Der BGH führte dazu aus, zwar könne Κ keinen Ersatz dergestalt verlangen, daß die von V geweckten Gewinnerwartungen zu befriedigen seien. Jedoch sei durch das fehlerhafte Gutachten Κ zum überflüssigen Kauf der teuren Ladeneinrichtung veranlaßt worden, dadurch sei ihm ein Mehraufwand entstanden, der als Schaden ersatzfähig sei. Irrelevant sei dabei, ob der Wert der gelieferten Einrichtung dem gezahlten Preis entspreche. Anspruchsgrundlage sei entweder ein eigenständiger Vertrag über die Erstellung der Standortanalyse, ein Gesamtvertrag, der Standortanalyse und Lieferung der Einrichtung umfasste, oder schließlich culpa in contrahendo in Bezug auf den Lieferungsvertrag. Der Schadensumfang sei gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Als Anhaltspunkte 9 BGH NJW 1994,663.
2. Charakteristika
15
dafür kamen nach Ansicht des BGH einerseits die möglichen Vorteile durch den Erwerb der Einrichtung, andererseits nutzlose Aufwendungen gegenüber Dritten, wie die für das Geschäft zu zahlende Miete, in Betracht, ferner die erwarteten und die tatsächlich erzielten Umsätze, die von V angebotenen anderen Ladeneinrichtungen, schließlich die Kosten einer angemessenen Ladeneinrichtung. Selbst konnte der BGH diese Schätzung nicht vornehmen, deshalb wurde das Urteil aufgehoben und zurückverwiesen.
2. Charakteristika Aus den obigen Beispielen lassen sich bereits die typischen Merkmale der in dieser Arbeit untersuchten Fälle herausarbeiten. Zwei Parteien schließen einen Vertrag.
a) Vertragstyp Ausgehend von der unklaren Formulierung durch den BGH („in einem solchen Fall") 10 meinte man anfangs, es handle sich um eine spezielle Rechtsfigur auf dem Gebiet des Unternehmenskaufs. 11 In der Folgezeit wurde der Anwendungsbereich stetig erweitert. 12 Heute kann gesagt werden, daß es sich typischerweise um einen Kaufvertrag handelt, aber grundsätzlich ist der Vertragstyp nicht festgelegt. Wesentlich ist nur, daß eine mehr oder minder verkörperte Leistung gegen Geld erbracht wird. Um der größeren Anschaulichkeit willen wird hier gleichwohl die kaufrechtliche Terminologie („Käufer", „Verkäufer") verwendet werden.
b) Pflichtverletzung Im Vorfeld des Vertragsschlusses verletzt der Verkäufe!? vorvertragliche Pflichten. In den oben referierten Entscheidungen ging es um die Vorlage falscher Bilanzen (Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf - ) , die Nichtnennung des Abweichens von einer vereinbarten Preiskalkulation (Beispielsfall 2 - Flugzeug - ) , fehlerhafte Information über die Geruchsbelästigung eines Grundstücks (Beispielsfall 3 10 BGHZ 69, 53 (58). Was unter „einem solchen Fall" zu verstehen sein sollte, sagte der BGH freilich nicht. u Vgl. etwa die Einbettung der Problematik bei Canaris, ZGR 1982,420 ff.; Hiddemann, ZGR 1982,448 ff.; Westermann, ZGR 1982,57 ff.; Willemsen, AcP 182 (1982), 551 ff. 12 BGH NJW 1980, 2408 (2410) stellt die Anwendbarkeit auch außerhalb des Unternehmenskaufs fest; BGHZ 114, 87 (94) die Ausdehnung vom Kaufvertrag auf Werkverträge.
16
I. Problembeschreibung
Klärwerk - ) , falsche Aussagen über steuerliche Begleitumstände des Geschäfts (Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer -) und falsche Informationen über die wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Geschäfts an einem bestimmten Standort (Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung -). Allgemein gesprochen handelt es sich um die Verletzung von Informations-, Aufklärungs- oder Beratungspflichten. Die vorvertragliche Pflichtverletzung ruft beim Käufer eine falsche Vorstellung über die Umstände des Geschäfts hervor. Diese falsche Vorstellung wirkt sich auf die Willensbildung des Käufers aus. Da aufgrund dieser Willensbildung der Vertragsschluß zustande kommt, ist dann auch dieser beeinflußt, und zwar zu Ungunsten des Käufers.
3. Rahmen der rechtlichen Behandlung Um den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung zu verdeutlichen, ist es zunächst erforderlich, auf die rechtliche Grobstruktur der Lösung dieser Fälle als Rahmen für die nachfolgende Darstellung einzugehen.
a) Anwendung der culpa in contrahendo Die vorvertragliche Pflichtverletzung erfüllt, wenn verschuldet, grundsätzlich den Tatbestand der culpa in contrahendo.13 In der neueren Dogmatik der culpa in contrahendo werden diese Konstellationen unter der Fallgruppe „nicht erwartungsgerechter Vertrag" 14 zusammengefaßt. aa) Daraus folgt aber noch nicht, daß zwangsläufig auch ein Anspruch aus culpa in contrahendo besteht. Vielmehr bedarf es einer Abgrenzung zu gesetzlichen Sonderregelungen. Die Vorschriften der §§ 459 ff. BGB 15 stellen eine Spezialregelung dar, die in ihrem Bereich Ansprüche aus culpa in contrahendo ausschließt.16 Soweit also Feh13
Zu den Voraussetzungen der c. i. c. allgemein etwa Jauernig/ Vollkommer
§ 276 Rdn.
80 ff. 14 Bezeichnung nach Soergei-Wiedemann v. § 275 Rdn. 153 ff.; Hans Stoll, Festschr. v. Caemmerer, S. 460 ff. Es ist nicht einfach, einen neutralen Begriff zufinden, der die rechtliche Behandlung nicht vorwegnimmt, die Terminologie ist dementsprechend uneinheitlich. Andere Bezeichnungen: »Abschluß nachteiligen oder unangemessenen Vertrages" (Erman/ Battes § 276 Rdn. 125 ff.); „inhaltlich nachteilige Verträge" (P^hndt-Heinrichs § 276 Rdn. 78 ff.); „pflichtwidrige Herbeiführung des Vertragsschlusses" (Staudinger/ Löwisch v. § 275 Rdn. 78 ff.); „Enttäuschung der Vertragserwartungen einer Partei" (Schlechtriem, SAT, Rdn. 24 f.); „unlautere Bestimmung zum Vertragsschluß" (Jauernig / Vollkommer § 276 Rdn. 76). 15 Zur parallelen Problematik bei §§ 537 f. BGB BGHZ 136,102 (106 ff.). •6 So die h. M. und st. Rspr.: BGHZ 60, 319 (320 ff.); BGHZ 88, 130 (134); BGH NJWRR 1988, 10 (11); BGH NJW-RR 1988, 348 (349); BGH NJW 1989, 1793 (1794); BGHZ
3. Rahmen der rechtlichen Behandlung
17
1er oder Eigenschaften im Sinne dieser Vorschriften betroffen sind,richtetsich deren Behandlung nur nach Gewährleistungsrecht, auch dann, wenn eine Eigenschaft im konkreten Fall nicht zugesichert wurde. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß für die sonstigen Umstände eines Kaufvertrags die Haftung aus culpa in contrahendo eingreifen kann.17 Ausnahmsweise können aber auch Fehler und Eigenschaften im Sinn der §§ 459 ff. BGB für die Anwendung der culpa in contrahendo relevant werden. Dies gilt für die Haftung im Drei-Personen-Verhältnis. Bei diesen Fällen ist ein Dritter, ohne selbst Vertragspartei zu sein, in irgendeiner Form in die Durchführung des Geschäfts eingeschaltet. Dieser Dritte begeht im Vorfeld des Geschäfts eine Pflichtverletzung, durch die auf den Vertrag bezogene Pflichten verletzt werden. Beispiele sind etwa das Fehlverhalten einer Bank, die ein Geschäft finanzieren soll,18 oder die Haftung des bei einem Geschäft vom Käufer beratend hinzugezogenen Steuerberaters. 19 Die Haftung des Dritten ergibt sich dann aus den Grundsätzen über die Eigenhaftung des Vertreters oder Vermittlers aus culpa in contrahendo20 oder auch aus einem gesonderten Vertrag, beispielsweise einem Beratungsvertrag. Grundsätzlich sind diese Fälle genauso zu behandeln wie die normale Zwei-Personen-Konstellation.21 Gegenüber dem Dritten bestehen keine Gewährleistungsansprüche. Deswegen kommt es zu keinem Konkurrenzverhältnis, so daß die Haftung aus culpa in contrahendo uneingeschränkt eingreift. 22 Da bei culpa in contrahendo wie in einem bestehenden Schuldverhältnis gehaftet wird, ergibt sich aus § 276 Abs. 1 S. 1 BGB, daß auch bei vorsätzlichem Handeln
114, 263 (266); BGH NJW 1992, 2564 (2565 f.); BGH NJW 1995,45 (46); BGH NJW 1999, 638 (639); Erman/ Grunewald v. § 459 Rdn. 29 ff.; Staudinger ! Honseil v. § 459 Rdn. 56 f.; ders., JR 1976, 361 ff. (im Grundsatz); Soergel-Huber v. § 459 Rdn. 213; Gerd Müller, ZIP 1993, 1045; Palandt-Putzo v. § 459 Rdn. 7. Anders für Mangelfolgeschäden BGH WM 1976, 791 (792); BGH WM 1976, 740 (740); Larenz, SchR II/1, § 41 II e (S. 75 f.); Reinicke / Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 701 ff. Für „freie Konkurrenz" Diederichsen, BB 1965, 402 f.; Emmerich, Festschr. Jahr, S. 274 f.; Schaumburg, MDR 1975, 107 ff.; Esser/ Weyers, Π/1, § 6 II 3 b. Ausführlich zum Ganzen Soergd-Huber v. § 459 Rdn. 211 ff.; Knöpfle, Fehler; Kohlhepp, Sachmängelhaftung. " Vgl. Palandt-tfewric/w § 276 Rdn. 68,80 ff. is Vgl. den Sachverhalt von OLG Koblenz, WM 1993, 1241. Die Entscheidung läuft allerdings auf anderen Bahnen. 19 Wie im Fall BGH NJW-RR 1990,918. Ähnlich BGH NJW-RR 1991,599 (Steuerberater als Treuhänder für Bauvertrag). 20 Zu den Voraussetzungen der Eigenhaftung des Vertreters oder Vermittlers aus c. i. c. Palandt-Heinrichs § 276 Rdn. 93 ff. 21 BGH NJW-RR 1989,150 (151) zur Haftung aus gesondertem Vertrag. 22 BGHZ 63, 382 (387 f.). 2 Gebhardt
18
I. Problembeschreibung
eine Haftung aus culpa in contrahendo möglich ist. 23 Hierfür gilt dann ebenfalls die Ausnahme, daß das Vorliegens eines Fehlers oder einer Eigenschaft keine Sperrwirkung entfaltet. 24 Es dürfen also keine Fehler oder Eigenschaften im Sinne der §§ 459 ff. BGB in Rede stehen, oder es muß eine Ausnahme vorliegen, die gleichwohl zur Anwendbarkeit der culpa in contrahendo führt. bb) Die typische Konfliktsituation kann aber auch im Gewand anderer Anspruchsgrundlagen auftreten. Vergleichbar der culpa in contrahendo und aus ihr abgeleitet ist die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung, 25 deren Rechtsfolgenproblematik identisch ist. Abweichende Sonderbestimmungen gelten dagegen für die Börsenprospekthaftung (§§ 45, 46 BörsG) und für Verkaufsprospekte (§§ 1, 13 VerkProspG). Wenn Vorsatz gegeben ist, können auch Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB oder aus § 826 BGB in Betracht kommen. Regelmäßig wird dann zugleich eine vorsätzlich verwirklichte culpa in contrahendo erfüllt sein.26 Selbständige Bedeutung haben diese Anspruchsgrundlagen nur, wenn es um Fälle der Haftung Dritter geht und die besonderen Voraussetzungen für die Eigenhaftung des Vertreters oder Vermittlers aus culpa in contrahendo27 nicht vorliegen.28 Daneben können auch noch ganz andere Anspruchsgrundlagen einschlägig sein, nämlich dann, wenn sich die Haftung eines Dritten aus einem separaten Vertrag herleitet.29. Die Haftung wird sich dann gewöhnlich auf positive Vertragsverletzung stützen. Was die Behandlung dieser Konstellationen betrifft, so ergibt sich aus der „vor die Klammer" gezogenen Regelung in den §§ 249 ff. BGB, daß grundsätzlich Art und Umfang der Ersatzleistung unabhängig von der zugrunde liegenden Anspruchsgrundlage sind.30 Da hier eine Rechtsfolgenproblematik untersucht werden wird, treffen die folgenden Ausführungen zum Normalfall der culpa in contrahendo-Haftung ebenso für diese Fälle zu. 23 Patendt-Heinrichs § 276 Rdn. 70. 24 St. Rspr.: BGH NJW-RR 1988, 10 (11); BGH NJW-RR 1990, 78 (79); BGH NJW-RR 1990, 970 (971); BGH NJW 1992, 2564 (2565); BGH NJW 1995, 45 (46); BGH NJW 1995, 2159 (2160); BGH NJW 1999, 1404 (1405); a.A. Soergel-Huber § 459 Rdn. 228. 25 Dazu MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 143 ff. 26 So etwa in BGHZ 57,137; einem „klassischen" c. i. c.-Fall, der über § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB entschieden wurde. 27 Siehe Fn. 20. 28 BGH W M 1985, 384 (entschieden über § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB); BGH NJW-RR 1991,1312 (entschieden über § 826 BGB). » Oben S. 17. 30 MiinchKomm-Grunsky v. § 249 Rdn. 1; Soergel-Mertens v. § 249 Rdn. 17; Staudinger/ Schiemann v. § 249 Rdn. 4. Vgl. aber auch die Hinweise von F. Baur, Festschr. Raiser, S. 125 f.
3. Rahmen der rechtlichen Behandlung
19
b) Rechtsfolge Als Rechtsfolge gewährt der BGH dem Käufer die Wahl zwischen zwei Alternativen.31 aa) Zum einen kann der Käufer als Schadensersatz die Rückgängigmachung des Vertrags verlangen.32 Konstruktiv handelt es sich bei der Rückgängigmachung des Vertrags um Naturalrestitution nach § 249 S. 1 BGB. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß bei ordnungsgemäßer Aufklärung des Käufers der Vertrag nicht geschlossen worden wäre. Der Käufer hätte den Kaufpreis in dieser Höhe nicht akzeptiert, oder er hätte an dem Kaufgegenstand schlechthin kein Interesse gehabt. Dieser vertragslose Zustand ist gemäß § 249 S. 1 BGB herzustellen. Dem Käufer steht also ein Anspruch auf Rückgängigmachung beziehungsweise Aufhebung des Vertrags zu. Aus dem Vertrag dürfen dann keine Rechtsfolgen hergeleitet werden.33 In der praktischen Umsetzung ergibt sich für den Geschädigten ein Leistungsverweigerungsrecht,34 bei bereits abgewickeltem Vertrag sind die Vertragsfolgen rückgängig zu machen.35 Hat er bereits bezahlt, kann er mithin Rückzahlung des Kaufpreises verlangen.36 Wenn ein nicht unmittelbar am Vertrag beteiligter Dritter haftet, funktioniert das System prinzipiell genauso. In diesem Fall bietet der Käufer den Kaufgegenstand dem Dritten Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises an. 37
Im Schrifttum werden zur Möglichkeit der Rückgängigmachung verbreitet andere Ansichten vertreten, siehe dazu etwa Erman IBrox § 123 Rdn. 8; Soergél-Hefermehl § 124 Rdn. 10; Lieb, Festschr. Uni Köln, S. 263 ff.; Medicus, JuS 1965, 209, 212 f. Ausdrücklich gegen den BGH auch OLG Hamm NJW-RR 1995,205. 32 Grundlegend BGH NJW 1962, 1196 (1198); BGH NJW 1979, 1983 (1983 f.). Im übrigen st. Rspr., ζ. B. BGH NJW 1968, 986 (987); BGH NJW 1969, 1625 (1626); BGH NJW 1974, 849 (852); BGH NJW 1985, 1769 (1771); BGH NJW 1990, 1661 (1662); BGHZ 111, 75 (82); BGHZ 115, 214 (220 f.); BGH NJW 1991, 1673 (1675); BGH NJW 1993, 1703 (1704); BGH NJW 1993, 2107; BGH NJW 1993, 2865 (2866); BGH NJW 1995, 2159 (2160). Neuerdings wird als weitere Voraussetzung der Rückabwicklung ein von der Rückabwicklung unabhängiger, gesonderter „Vermögensschaden" verlangt: BGH NJW 1998, 302 (303 f.); ablehnend Grigoleit, NJW 1999,901 f.; St. Lorenz, ZIP 1998,1053 ff. 33 BGH NJW 1969, 1625 (1626); BGH NJW 1979,1983 (1983). 34 Soergd-Hefermehl § 124 Rdn. 9; Jauernig / Vollkommer § 276 Rdn. 89. 35 Soergel-Hefermehl § 124 Rdn. 9. 36 BGH NJW 1985, 1769 (1771); BGH NJW 1995, 2159 (2160). 37 Beispiel in BGHZ 116,209: (angebliche) Haftung der das Geschäft abwickelnden Bank, von der der Käufer (Rück-)Zahlung des Kaufpreises gegen (Rück-)Übereignung des Grundstücks verlangt, obwohl diese nicht Verkäuferin des Grundstücks war. Vgl. ferner BGH NJWRR 1991, 599 (600) (Treuhänder bekommt aus betreutem Geschäft Erlangtes zur Verfügung gestellt gegen Aufwendungen aus der Geschäftsbesorgung); OLG Hamm NJW-RR 1996, 736. Ob der Dritte auf diese Weise gewissermaßen in den Vertrag hineingezwungen werden kann, ist im Schrifttum umstritten. Ohne Problematisierung bejahend Tiedtke, Festschr. 2*
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I. Problembeschreibung
bb) Die andere Möglichkeit, die die neuere Rechtsprechung des B G H als Schadensersatz gewährt, ist die Herabsetzung der Gegenleistung.38 Dabei „hält der Käufer am Vertrag fest", wie der B G H formuliert. Anders als in der eben geschilderten Alternative erfolgt also keine Rückabwicklung. Der Käufer behält den Kaufgegenstand, kann aber Herabsetzung des Kaufpreises verlangen. Auf diesem Wege wurden die obigen Beispielsfälle gelöst. Dabei sind die dogmatischen und konstruktiven Grundlagen jedoch bisher im dunkeln geblieben.
4. Themenstellung Diese zuletzt angesprochene Rechtsfigur der Herabsetzung der Gegenleistung bildet den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Das Thema harrt trotz einiger mehr oder weniger ausführlicher und ergiebiger Beiträge 39 noch einer befriedigenden Lösung. 40
Felix, S. 492; kritisch Lieb, Festschr. Uni Köln, S. 268 f.; ablehnend Schmitz, Dritthaftung, S. 149 ff.; Toussaint, Naturalherstellung, S. 90 f. 38 Neuere Entscheidungen: BGHZ 69, 53 (die klassische Leitentscheidung); BGH NJW 1980, 2408; BGH NJW 1981, 1035; BGH NJW 1981, 2050; BGH NJW 1987, 2511; BGH NJW-RR 1988, 10; BGH NJW-RR 1988, 328; BGH NJW-RR 1989, 150; BGH NJW-RR 1989, 306; BGH NJW 1989, 1793; BGHZ 111, 75; BGHZ 111, 117; BGH WM 1990, 681; BGHZ 114, 87; BGH NJW-RR 1991, 599; BGH NJW-RR 1992, 91; BGH NJW 1993, 1323; BGH NJW-RR 1994, 76; BGH NJW 1994, 663; BGH NJW 1999, 2032. 39 Darunter zwei speziell einschlägige Dissertationen: Sonnabend, Typen der c. i. c.; Tutmann, Minderung. In einem Kapitel miterörtert von Grigoleit, Informationshaftung (S. 181 ff.). 40
Charakteristisch die Bewertung von Georg Müller, Informationspflichten, S. 200: „ungeklärt und in der Entwicklung begriffen". Welch kontroverse Bewertungen die Rechtsfigur in der Literatur bislang erfährt, mögen einige Beispiele verdeutlichen. Die Spannweite reicht von eindeutiger Zustimmung bis zu schroffer Ablehnung. Es soll sich um eine „überzeugende" (Gernhuber, Schuldverhältnis, § 8 ΠΙ 4 c; allerdings beschränkt auf die Konstellation, daß eine Rückgabe des Kaufgegenstands aus ökonomischen Gründen ausscheidet) oder jedenfalls „interessengerechte" (Hiddemann, ZGR 1982, 449) Lösung handeln; sie sei „zu begrüßen" (Hölters ! Semler VI Rdn. 134), und ihr sei „zuzustimmen" (Tiedtke, JZ 1990, 1077, 1078; dessen „Kritik" erachtet als zutreffend Esser/£. Schmidt, 1/2, § 29 II 6 Fn. 113, der aber wohl auch das Ergebnis ablehnt, Fn. 112), jedenfalls „im Ergebnis" (Larenz, SchR I, § 91 a 3; Prölss, 7SP 1981, 337, 346). Die Lösung nach klassischer Dogmatik könne „[nicht] befriedigen" (Cohn, JW 1913, 1013), auch die Begründung des BGH sei „ k a u m haltbar" (Larenz, SchR I, § 9 I a 3). Andere Stimmen sind zurückhaltender: das Ergebnis sei „recht gewagt" (Willemsen, AcP 182 [1982], 552), zwar „mit dem Grundansatz der culpa in contrahendo ... nur schwer vereinbar", aber „anzuerkennen" (Gottwald, JuS 1982, 884); es sei zwar mit § 249 BGB oder dessen Wertung „nicht zu vereinbaren" (so Reinicke / Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 698; Tiedtke, JZ 1989, 571), weil es eine „Durchbrechung ... [des] Prinzips der Naturalrestitution" darstelle (Zimmer, NJW 1997, 2350; ähnlich St. Lorenz, NJW 1999, 1002), „aber vielleicht... hinnehmbar" (Palandt-Z/einric/w § 276 Rdn. 102). Wieder andere „vermag [die Rechtsfigur] nicht zu überzeugen" (Willemsen, AcP 182 [1982], 552); sie soll ,glicht bedenkenfrei" (Gerd Müller, BB 1980, 1394 Fn. 13) sein oder auch „bedenk-
4. Themenstellung
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Im folgenden soll versucht werden, der alten Vorgabe von Krauße aus dem Jahre 1929, die nichts an Aktualität verloren hat, nachzueifern: „Es bleibt eine lohnende Aufgabe, alle hier auftauchenden Fragen bis auf ihre Urgründe weiter zu verfolgen und ihnen die theoretische Grundlage und praktische Ausgestaltung zu geben, die sie bisher noch nicht gefunden haben."41
Dabei wird es darum gehen, zunächst eine Grundlage für die bislang „schwer faßbare" 42 Rechtsprechung des BGH herauszuarbeiten. Die von der Rechtsprechung gefundene Problemlösung ist an die Dogmatik rückzukoppeln.43 Es wird zu ermitteln sein, worauf der Käufer seinen Anspruch auf Herabsetzung des Kaufpreises stützen kann. Angesichts der für die vorliegende Konstellation fundamentalen Bedeutung der Interessen der Beteiligten wird zu diesem Zweck zunächst die tatsächliche Interessenlage der Betroffenen analysiert werden. Anschließend erfolgt auf dieser Grundlage eine Untersuchung der maßgeblichen Normen. Im Ergebnis wird ein neuer Vorschlag für die dogmatische Fundierung unterbreitet werden. Auf der Basis dieser theoretischen Überlegungen können dann die bislang erkennbaren Linien der Rechtsprechung auf ihre Stimmigkeit überprüft werden. In der Konsequenz wird es möglich sein, die speziellen Voraussetzungen und vor allem die Rechtsfolgen des Anspruchs auf Herabsetzung im Rahmen der culpa in contrahendo präziser und fundierter zu umschreiben, als dies bislang geschehen ist.
lieh" (Medicus, SchR I, Rdn. 109); für manche ist sie „zweifelhaft" (Medicus, Festschr. Herrn. Lange, S. 539, 557); schließlich wird sie als ,»fragwürdig" {Lange, Schadensersatz, § 5 III 2) oder ,/raglich" (Baumbach fHopt v. § 1 Rdn. 47) bezeichnet; sie sei gar „schlechte Konstruktionsjurisprudenz" und „vollends unzutreffend" (Canaris , Handelsrecht, § 8 II 3 b). Krauße, JW 1929,562. 42 Hiddemann, ZGR 1982,449. 43 Zum derzeitigen Stand der Bemühungen vgl. Canaris, Handelsrecht, § 8 II 3 b: „keinerlei methodologische Legitimation".
I I . Problembehandlung in früherer Zeit Das im vorigen Kapitel beschriebene Problem der Einwirkung auf Vertragsschlüsse durch rechtlich mißbilligte vorvertragliche Beeinflussung des Vertragspartners dürfte so alt sein wie das Prinzip der Privatautonomie. Die Betrachtung älterer Lösungsmodelle ermöglicht dabei neben der Herausarbeitung der einschlägigen deutschen Rechtstradition eine von heutiger Dogmatik gelöste Betrachtung des Sachproblems. Dabei beschränken wir uns hier auf die Zeit ab dem 19. Jahrhundert.
1. Die Zeit vor dem BGB Das Gegenstück zur heutigen Haftung aus culpa in contrahendo für vorvertragliches Verschulden bildete im (gemeinen) Recht des 19. Jahrhunderts die Haftung für dolus, also vorsätzliches Verhalten.1 Eine Haftung für culpa, also fahrlässiges Verhalten, was der heutigen culpa in contrahendo entsprechen würde, wurde in diesem Zusammenhang nicht anerkannt,2 auch nicht bei culpa lata. 3 Strukturell handelt es sich bei der dolus-Haftung jedoch um dieselbe Problematik.4 Die Rechtslage basierte auf der Unterscheidung zwischen einerseits dolus causam dans (auch als dolus causam dans contractui 5 oder dolus dans causam5 bezeichnet), zu deutsch Hauptbetrug7, und andererseits dolus incidens (auch als dolus mere incidens bezeichnet)8, zu deutsch Nebenbetrug9.
1 Überblick zu den Begriffen dolus und culpa bei Ebel, Rechtsgeschichte II, Rdn. 535 f., 573; Wesenberg / Wesener, Privatrechtsgeschichte, §§ 5 III 3,18 III 2. Vgl. zur systematischen Einordnung auch Würthwein, Schadensersatzpflicht, S. 210 ff. 2 Eine merkwürdige Zwitterstellung nimmt die Regelung in I 11 § 540 ALR ein, wo für „gewagte Geschäfte" (Überschrift I 11 ALR) eine Rücktrittsmöglichkeit bei zwar vorsätzlicher, aber nicht doloser Täuschung eingeräumt wurde. Schadensersatz setzte nach I 11 § 541 ALR freilich doloses Verschweigen voraus; vgl. PreußOTr StrietArch 79,215. 3 OG Wolfenbüttel SeuffArch 35 (1880) Nr. 107. 4 Vgl. zur vorsätzlichen c. i. c. oben S.. 5 BayObLG SeuffArch 36 (1881) Nr. 177; Siebenhaar /Pöschmann § 833 Anm. 6 OAG Dresden SeuffArch 2 (1849) Nr. 167; Seuffert, Pandektenrecht II, § 261.
ι Wening-Ingenheim, Civilrecht, § 228. β BayObLG SeuffArch 36 (1881) Nr. 177. 9 Wening-Ingenheim, Civilrecht, § 228.
1. Die Zeit vor dem BGB
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a) Tatbestände Zunächst sind die Begriffe dolus causam dans und dolus incidens zu bestimmen. aa) Unter dolus causam dans verstand man einen dolus, durch den der Betrogene zum Abschluß des Vertrags bzw. zur Eingehung des Geschäfts als solchem veranlaßt oder bestimmt wurde. 1 0 15 § 349 A L R formulierte: 11 »Jeder Betrug, wodurch jemand zur Errichtung eines Contrakts verleitet worden, berechtigt den Betrognen, davon wieder abzugehen." Dazu ergänzend 15 § 358 ALR: „Ist der Vertrag zwar nicht durch Betrug veranlaßt, aber doch der eine Theil dabey von dem anderen zu einem solchen Irrthum, welcher die Willenserklärung gänzlich entkräftet (Tit. IV § 75 sqq) betriiglich verleitet worden, so finden die obigen Vorschriften (§ 349356) ebenfalls Anwendung." U n d I 4 § 7 5 ALR: „Irrthum in dem Wesentlichen des Geschäftes, oder in dem Hauptgegenstande der Willenserklärung macht dieselbe ungültig." Dazu korrespondierend 14 § 83 ALR: „Durch Irrthum in anderen Eigenschaften oder Umständen wird die Willenserklärung niemals vereitelt." In Sachsen formulierte das Gesetz (§ 833 S. 1 SächsBGB): 12 „Wird eine der vertragschließenden Personen von der anderen zur Eingehung des Vertrages durch Betrug veranlaßt, so kann sie bei dem Vertrage stehen bleiben oder denselben anfechten." Der dolus incidens dagegen sollte ein Betrug sein, der nur Modalitäten des Kaufvertrags betraf, also Teile des Vertrags, einzelne Bestimmungen oder Bedingungen. 13
10 RG SeuffArch 36 (1881) Nr. 6; OAG Dresden SeuffArch 2 (1849) Nr. 167; Seuffert, Pandektenrecht II, § 261; Sintenis, Civilrecht II, § 98 Π b; Wening-Ingenheim, Civilrecht, §228. 11 Zum preußischen Recht Demburg, PreußPrivR I, § 110; O. Fischen PreußPrivR, § 17 S. 89; Förster/Eccius, PreußPrivR I, § 31; Koch/Johow 15 § 359 Anm. 12 Zum sächsischen Recht Siebenhaar /Pöschmanrt Anm. § 833. 13 RG SeuffArch 36 (1881) Nr. 6; OAG BayRR SeuffBl ErgBd zu 30/31 (1869), 404 (405); OAG BayRR SeuffBl 34 (1869), 92 (95); OAG Oldenburg SeuffArch 27 (1873) Nr. 111; OG Wolfenbüttel SeuffArch 35 (1880) Nr. 107; BayObLG SeuffArch 36 (1881) Nr. 177; Arndts Ritter v. Arnesberg/P/aff /Hofmann, Pandekten, § 237; Glück, Pandecten I V / 1 , S. 122; v. Holzschuher, Civilrecht III, AT V § 2 d; Mommsen, Haftung der Contrahenten, S. 162; Seuffert, Pandektenrecht II, § 261; Sintenis, Civilrecht I, § 98 Π b; ders., Civil-
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II. Problembehandlung in früherer Zeit
Das ALR grenzte in I 5 § 359 nur negativ zum dolus causam dans (I 5 § 358 ALR, siehe oben) ab: 14 „Ist hingegen der Irrthum, wozu der Betrogene verleitet worden, nicht so beschaffen, daß dadurch die Willenserklärung wegen des Hauptgeschäftes entkräftet werden kann, so ist dennoch der Betrüger zur vollständigen Schadloshaltung verpflichtet. (§ 286,287)"
In § 834 SächsBGB schlug sich das wie folgt nieder:15 ,3ezieht sich ... der Betrug auf Nebenpunkte, welche für die Eingehung des Vertrags unwesentlich sind, so findet nur ein Recht auf Schadensersatz statt."
bb) Dolus incidens sollte vorliegen, wenn (nur) der „Meßgehalt" des Kaufobjekts betroffen war, 16 vor allem, wenn die Größe des Kaufpreises betroffen war. 17 Als Beispiel wurde etwa genannt der Verkauf eines Wertpapiers unter Täuschung über dessen Kurs. 18 Dolus causam dans meinte also den Fall, daß der Betrug das gesamte Geschäft betraf, dolus incidens, daß nur ein Teil davon in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dies führt auf das Problem, wie festgestellt werden sollte, in welchem Umfang das Geschäft betroffen war. Hierfür galt als maßgeblich, ob das Geschäft auch ohne die Täuschung geschlossen worden wäre. Wenn nein, dann sollte das ganze Geschäft als betroffen gelten, wenn doch - aber mit anderem Inhalt - nur der geänderte Teil. 19 Daraus ergibt sich die weitere Frage, wie festzustellen ist, ob das Geschäft ohne die Täuschung geschlossen worden wäre. Verlangt wird damit ein Urteil über einen fiktiven Kausalverlauf. An dieser Stelle brachen die eben Genannten20 die Überlegungen ab, indem sie sich damit begnügten, daß, wie auch immer, eben ermittelt werden müsse, was geschehen wäre. Neben dem Versuch, „tatsächlich" festzustellen, was geschehen wäre, wurde aber auch nach normativen Kriterien gesucht. In diesem Sinne wurde gefragt, ob recht II, § 22 II 3; v. Vangerow, Pandekten III, § 605 Anm. 1 II; Wening-Ingenheim, Civilrecht II, § 228; v. Ziegler, Betrug, S. 47. 14 Zum preußischen Recht Dernburg, PreußPrivatR I, § 110; Förster lEccius, PreußPrivR I, § 31. 15 Zum sächsischen Recht Siebenhaar/Pöschmann § 833 Anm. 16 RG SeuffArch 43 (1888) Nr. 184. π OAG Dresden SeuffArch 2 (1849) Nr. 167; BayObLG SeuffArch 36 (1881) Nr. 177; Mommsen, Haftung der Contrahenten, S. 162. 18
Siebenhaar ! Pöschmann Anm. § 834. 19 OAG Dresden SeuffArch 2 (1849) Nr. 167; BayObLG SeuffArch 36 (1881) Nr. 177; Arndts Ritter v. ArnesbergiPfaff /Hofmann, Pandekten, § 237; Glück, Pandecten IV/1, S. 122; Hanausek, Haftung des Verkäufers, S. 159; v. Holzschuher, Civilrecht III, AT V § 2 d; Mommsen, Haftung der Contrahenten, S. 154; Sintenis, Civilrecht I, § 22 II 3; v. Vangerow, Pandekten III, § 605 Anm. 1 II; v. Ziegler, Betrug, S. 45. 20 Siehe Fn. 19.
1. Die Zeit vor dem BGB
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das Geschäft für den konkreten (oder gar nur typischen21) Käufer noch von Interesse gewesen wäre, ob es seinen Absichten und Bedürfhissen entsprach.22 Zu einem wirklich praktisch handhabbaren Verfahren zur Bestimmung des fiktiven Kausalverlaufs gelangte dabei keine Auffassung. 23 Die Konsequenz, die gezogen wurde, war freilich nicht einheitlich. Teilweise wurden diese Probleme als bloße „faktische Schwierigkeiten" angesehen, die mit dem gewöhnlichen Instrumentarium aus Behauptung und Beweislast zu lösen seien.24 Andere zogen die schärfere Konsequenz, die Unterscheidung von dolus causam dans und dolus incidens schlechthin zu verwerfen. 25 Die Probleme, die sich aus der Schwierigkeit der Feststellung des fiktiven Kausalverlaufs ergeben, sind bis heute nicht befriedigend gelöst worden. Darauf wird noch einzugehen sein.26
b) Rechtsfolgen An die Einteilung in dolus causam dans und dolus incidens wurden die jeweiligen Rechtsfolgen geknüpft. 27 Dabei ist zunächst einleuchtend, daß, wer die Unterscheidung schlechthin ablehnte,28 auch eine einheitliche Rechtsfolge für den dolus vorsehen mußte. Unter
21 Auf den Maßstab des „vernünftigen Mannes" stellt OG Wolfenbüttel SeuffArch 35 (1880) Nr. 107 ab. 22 Vgl. OAG BayRR SeuffBl 34 (1869), 92 (95); OAG Oldenburg SeuffArch 27 (1873) Nr. 111; Rm, SeuffBl 33 (1868), 309. 23 Vgl. allgemein OAG Dresden SeuffArch 2 (1849) Nr. 167; Rm, SeuffBl 33 (1868), 309. 24 Sintenis, Civilrecht I, § 22 II 3. Vgl. auch Mommsen, Haftung der Contrahenten, S. 155 mit der Beweiserleichterung, es genüge darzulegen, daß der Betrogene wahrscheinlich nicht abgeschlossen hätte. 25
Burchardi, Wiedereinsetzung, S. 323 ff.; Dernburg, Pandekten I, § 104; Wening-Ingenheim, Civilrecht II, § 228. 26 Im 4. Kapitel, insb. S. 67 ff. 27 Die damalige Terminologie ist sehr uneinheitlich und wird durch dem Aktionendenken entstammende Bezeichnungen noch zusätzlich kompliziert. Hier soll für „Schadensersatzklage" (ζ. B. RG SeuffArch 43 [1868] Nr. 184), „Entschädigung" (ζ. B. OAG BayRR SeuffBl 34 [1869], 92 [96]), „Schadloshaltung" (ζ. B. BayObLG SeuffArch 36 [1881] Nr. 177), „Ersatz des Schadens" (ζ. B. OG Wolfenbüttel SeuffArch 35 [1880] Nr. 107) und dgl. einheitlich „Schadensersatz" benutzt werden; für „den Vertrag umstoßen" (ζ. B. Arndts Ritter v. Arnesbcrg/Pfaff /Hofmann, Pandekten, § 237), „Rescission" (ζ. Β. v. Holzschuher, Civilrecht III, AT V § 2 d), „Auflösung" (ζ. Β. Hanausek, Haftung des Verkäufers, S. 159), vom Vertrag „abgehen" (vgl. I 5 § 349 ALR), „Wiederaufhebung" (ζ. B. Windscheid, Pandekten7, § 78) und dgl. einheitlich von Rückabwicklung gesprochen werden. Damit soll nicht gesagt sein, daß jeweils genau das gleiche gemeint sei; für unsere Zwecke genügt jedoch diese Einteilung. 28 Siehe Fn. 25.
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II. Problembehandlung infrüherer Zeit
den Vertretern dieser Ansicht herrschte jedoch keine Einigkeit. Einerseits wurde als einheitliche Rechtsfolge die Rückabwicklung des Vertrages29 befürwortet. 30 Andere plädierten für ein Wahlrecht zwischen Rückabwicklung und Schadensersatz.31 Beim Schadensersatz blieb der Vertrag im übrigen grundsätzlich wirksam. Legt man die herrschende Auffassung zugrunde, so war für die Rechtsfolge zu differenzieren zwischen dolus causam dans und dolus incidens. aa) Bei dolus causam dans stellte sich zunächst die Frage, ob der Vertrag überhaupt als wirksam zu betrachten war. Im Falle der Nichtigkeit ex lege gelangt man ohne weiteres zur Rückabwicklung.32 Die neuere Auffassung nahm jedoch keine automatische Nichtigkeit an, vielmehr galt der Vertrag zunächst als wirksam.33 Weil dolus causam dans voraussetzte, daß der Vertrag ohne den Betrug nicht geschlossen worden wäre, 34 galt als naheliegende Rechtsfolge die Rückabwicklung.35 Darüber hinausgehend vertrat die herrschende Meinung den Standpunkt, der Betrogene sei nicht auf die Rückabwicklung beschränkt, sondern habe ein Wahlrecht zwischen der Rückabwicklung und dem Anspruch auf Schadensersatz.36 Für Preußen ergab sich dies unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung, wonach neben der Rückabwicklung nach 15 § 349 ALR 3 7 die Regelung des 15 § 350 ALR bestimmte:38
29 Vom wirtschaftlichen Ergebnis her ist es eher eine rechtstechnische Frage, ob dies durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts, das zur Nichtigkeit des Vertrags mit nachfolgender Rückabwicklung führt, realisiert wird (wie das BGB die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB konstruiert), oder eine schlichte Rückgängigmachung erfolgt (wie die Rückabwicklung bei c. i. c. nach § 249 S. 1 BGB vorgenommen wird). Auf die Einzelheiten der Konstruktion gehen wir daher nicht weiter ein. 30
Burchardi, Wiedereinsetzung, S. 333. 31 Dernburg, Pandekten I, § 104; Wening-Ingenheim, Civilrecht II, § 228. Mit eigentümlich nach dem Ermessen des Richters differenzierender Lösung Burchardi, Wiedereinsetzung, S. 333. 32 Für Nichtigkeit noch Glück, Pandecten I V / 1 , S. 122. 33 Burchardi, Wiedereinsetzung, S. 333; v. Vangerow, Pandekten III, § 605 Anm. 1 II; Wening-Ingenheim, Civilrecht Π, § 228. Mißverständlich Dernburg, PreußPrivatR I, § 110, der zwar von ,/elativer Nichtigkeit" sprach, aber gleichwohl eine Nichtigkeitserklärung des Betrogenen verlangte. 34 Oben S. 24. 35 RG SeuffArch 36 (1881) Nr. 6; Hanaus e Κ Haftung des Verkäufers, S. 159; v. Holzschuher, Civilrecht ΙΠ, AT V § 2 d; v. Vangerow, Pandekten III, § 605 Anm. 1 II; Windscheid, Pandekten71, § 78 Fn. 7. 36 BayObLG SeuffArch 36 (1881) Nr. 177; Arndts Ritter v. Arnesberg/P/fc/f I Hofmann, Pandekten, § 237; Hanausek, Haftung des Verkäufers, S. 162; Mommsen, Haftung der Contrahenten, S. 165; v. Ziegler, Betrug, S. 46. 37 Oben S. 23. 38 Dazu Dernburg, PreußPrivatR I, § 110; O. Fischer, PreußPrivatR, § 17 S. 90; Förster/ Eccius, PreußPrivatR I, § 31.
1. Die Zeit vor dem BGB
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„Er [der Betrogene] kann aber auch bey dem Vertrage stehen bleiben, und nur den Ersatz des durch den Betrug ihm verursachten Schadens fordern."
Ebenso galt in Sachsen § 851 S. 2 SächsBGB: ,Auch wenn ein anfechtbarer Vertrag nicht angefochten wird, kann, wenn Schaden verursacht worden, wegen ... Betruges Schadensersatz verlangt werden."
Zur Begründung wurde eine Interessenabwägung herangezogen. Im Falle des Schadensersatzes seien die Rechte des Verkäufers nicht verletzt, da die Rückabwicklung die weitergehende Rechtsfolge sei.39 bb) Im Falle des dolus incidens blieb der Vertrag als ganzer wirksam.40 Unter den Vertretern der herrschenden Ansicht41 war einhellige Meinung, daß keine Rückabwicklung, wohl aber Schadensersatz verlangt werden könne 4 2 In Preußen ergab sich das aus der Regelung der I 5 §§ 358, 359 ALR, 4 3 worin als Rechtsfolge für den dolus incidens (nur) Schadensersatz angeordnet wurde. 44 Für Sachsen galt § 834 SächsBGB.45 Der Grund für diese Regelung wurde darin gesehen, daß nur die - durch die Definition des dolus incidens 46 begrenzten - Folgen des Betruges aufgehoben werden sollten.47 Da von dem Betrug meistens der Kaufpreis betroffen war, wurde im Ergebnis auf dem Wege des Schadensersatzes durch Verrechnung eine Herabsetzung des Kaufpreises erreicht. Darüber, was dies konkret für die Höhe des Kaufpreises bedeutete, herrschte keine Einigkeit. Teilweise wurde darauf abgestellt, was der Käufer in Kenntnis der 39
Mommsen, Haftung der Contrahenten, S. 165.
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Glück, Pandecten I V / 1 , S. 122, der allerdings nicht ganz eindeutig davon spricht, die vom Betrug betroffene Modifikation des Vertrags sei nichtig (oder kann vernichtet werden?). Zum sächsischen Recht vgl. § 834 SächsBGB (oben S. 24) und dazu Siebenhaar IPöschmann § 834 Anm. 41 Diejenigen, die zwischen dolus causam dans und dolus incidens differenzierten; vgl. oben S. 25. 42 RG SeuffArch 36 (1881) Nr. 6; RG SeuffArch 43 (1888) Nr. 184; OAG Dresden SeuffArch 2 (1849) Nr. 167; OAG BayRR SeuffBl ErgBd zu 30/31 (1869), 404 (405); OAG BayRR SeuffBl 34 (1869), 92 (95 f.); OG Wolfenbüttel SeuffArch 35 (1880) Nr. 107; BayObLG SeuffArch 36 (1881) Nr. 177; Arndts Ritter v. Arnesberg/P/ûj^ /Hofmann, Pandekten, § 237; v. Holzschuher, Civilrecht III, AT V § 2 d; Seuffert, Pandekten, § 261; v. Vangerow, Pandekten III, § 605 Anm. 1 III.
43 Oben S. 24. 44 Dazu Dernburg, PreußPrivatR I, § 11O;0. Fischer, PreußPrivatR, § 17 S. 90; Förster/ Eccius, PreußPrivatR I, § 31. 45 Oben S.24; dazu Siebenhaar IPöschmann § 834 Anm. 46 Oben S. 24. 47 RG SeuffArch 36 (1881) Nr. 6; Windscheid, Pandekten7, § 78 Fn. 7. Vgl. auch Glück, Pandecten I V / l . S . 122.
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II. Problembehandlung infrüherer Zeit
wahren Umstände „vernünftiger und consequenter Weise" geboten hätte,48 teilweise eine Berechnung wie bei der Minderung - wie wir sie aus § 472 Abs. 1 BGB kennen - befürwortet, 49 teilweise ein Wahlrecht zwischen Minderung und dem, was der Käufer tatsächlich gegeben hätte, angenommen.50 Da der Schadensersatz im Ergebnis zu einer Herabsetzung des Kaufpreises führte, ergab sich das Problem, daß der Verkäufer im Ergebnis in ein vertragliches Austauschverhältnis hineingezwungen wurde, das er so nicht wollte. Dieses Problem hätte man lösen können, wenn man - für heutiges Verständnis ungewohnt - auch dem Betrüger ein Recht an die Hand gegeben hätte, nämlich seinerseits Rückabwicklung verlangen zu können.51 Diese Konsequenz wurde jedoch überwiegend abgelehnt.52 Der Betrüger sei nicht schutzwürdig, wenn er beim Wort genommen werde, also für den wahren Wert der Sache einstehen müsse.53 Zudem sei es unbillig, in dem Falle, daß der Betrogene am Vertrag festhalten wolle, der Betrüger aber von ihm abgehen wolle, die Interessen des Betrügers denen des Betrogenen vorzuziehen.54 Speziell für den dolus incidens hätte dies zudem die merkwürdige Konsequenz gehabt, daß der Betrüger Rückabwicklung hätte verlangen können, nicht aber der Betrogene.55
c) Ergebnis und Übergang zum BGB Im Ergebnis kann also festgehalten werden, daß nach der Position der herrschenden Meinung im 19. Jahrhundert für den Betrug zu unterscheiden war zwischen dolus causam dans und dolus incidens. Als Rechtsfolge bei dolus causam dans hatte der Betrogene die Wahl zwischen Rückabwicklung des Vertrages und Schadensersatz, als Rechtsfolge bei dolus incidens stand ihm nur ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Im Ergebnis bewirkte der Schadensersatz dabei eine Herabsetzung des Kaufpreises. Der schadensersatzrechtliche Ausgangspunkt geriet mit der Zeit zunehmend aus dem Blickwinkel. Für diesen Anspruch bürgerte sich - bis unter die Geltung des BGB - der dem Aktionendenken entstammende Begriff der Differenzklage ein. Der Begriff drückt aus, worum es im Ergebnis geht: um den Anspruch auf die Dif48 v. Ziegler, Betrug, S. 48. 49 Mommsen, Haftung der Contrahenten, S. 163. 50
Hanausek, Haftung des Verkäufers, S. 161. 51 So in der Tat v. Ziegler, Betrug, S. 50. 52 v. Ziegler, Betrug, S. 49 gab selbst zu, daß die h. M. anderer Ansicht war. 53 Hanausek, Haftung des Verkäufers, S. 162. 54 Glück, Pandecten I V / 1 , S. 128. 55 Glück, Pandecten I V / 1 , S. 128.
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ferenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und einem für angemessen erachteten Preis, der sich dann in einer Herabsetzung des Kaufpreises äußert.56 Hiernach läßt sich eine allgemeine Aussage für die Behandlung des vorliegend untersuchten Problems in der jüngeren deutschen Rechtstradition machen. Es entspricht dieser Tradition, unabhängig von der Möglichkeit der Rückabwicklung dem Käufer jedenfalls auch das Recht einzuräumen, den Kaufgegenstand bei einer Reduzierung des Preises zu behalten. Das Ergebnis wird noch dadurch unterstrichen, daß es unabhängig von der konkreten positiv-rechtlichen Ausgestaltung gilt. Die Bedeutung dieser Aussage liegt zum einen in der Erarbeitung eines inhaltlichen Lösungsvorschlags für das gestellte Problem, der von konkreten dogmatischen Grundlagen unabhängig ist. Zum anderen läßt sich feststellen, daß dieser Lösungsansatz von einer vergangenen Rechtsordnung als angemessen empfunden wurde. Auf den Grundlagen jener Ordnung wurzelt unsere heutige Ordnung. Deswegen kann diese Antwort einer früheren Zeit zumindest eine gewisse Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit auch für die Gegenwart beanspruchen.
2. Die Zeit des BGB Die Entwicklung im 20. Jahrhundert ist durch zwei Strömungen gekennzeichnet. Zum einen wird die culpa in contrahendo zu einer eigenen Anspruchsgrundlage ausgebildet und zum hauptsächlichen Träger der hier untersuchten Fallkonstellation. Zum anderen erfährt auch die rechtliche Behandlung der Figur selbst interessante Veränderungen.
a) Entwicklung der culpa in contrahendo57 Die culpa in contrahendo wurde nach ihrer sogenannten Entdeckung durch Rudolf v. Ihering im Jahre 1861 58 bei der Schaffung des BGB noch nicht als selbständige ungeschriebene Anspruchsgrundlage im heutigen Sinne verstanden, sondern als Prinzip, das in verschiedenen Einzelvorschriften des BGB (§§ 122, 59 179, 307, 309,463 S. 2, 6 0 663, 694 BGB) kodifiziert wurde. Deswegen mußten die einschlä56 Vgl.Geppert, JherJb 64 (1914), 447; Riehl, Gruchot 60, 811 f.; Heinr. Stoll, JW 1933, 35; Wezel, Dolus causam dans, S. 38. 57 Ausführlich zur historischen Entwicklung Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 25 ff. 58 Ihering, JherJb 4 (1861), 1. Allerdings findet sich schon in I 5 § 284 ALR eine Regelung der c. i. c. 59 Obwohl diese Vorschrift kein Verschulden voraussetzt und deshalb nicht ganz in die Reihe paßt. 60
Zur Frage, ob § 463 S. 2 BGB einen Sonderfall der c. i. c. im heutigen Sinne regelt, siehe unten S. 149.
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II. Problembehandlung in früherer Zeit
gigen Fälle zunächst über deliktische Anspruchsgrundlagen gelöst werden. Im berühmten „Linoleumrollenfall" 61 aus dem Jahre 1911 stützte das RG erstmals die Haftung auf ein „den Kauf vorbereitendes Rechtsverhältnis . . . , das einen vertragsähnlichen Charakter trägt und insofern rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten erzeugt"62.
Damit war die culpa in contrahendo im modernen Sinne geboren. Mit der aus § 276 BGB folgenden Ausweitung der Haftung auf bloße Fahrlässigkeit verloren die deliktischen Anspruchsgrundlagen rasch an Bedeutung. Seither ist die Geschichte der culpa in contrahendo vornehmlich die Geschichte der Ausprägung von Pflichtenkreisen - und auch, neben vielen weiteren Einzelproblemen, der Frage nach der Rechtsfolge der Herabsetzung der Gegenleistung.
b) Behandlung der Herabsetzung der Gegenleistung Notwendigerweise sind die im Laufe der Zeit erprobten Lösungsversuche für die Rechtsfolge der Herabsetzung der Gegenleistung zugleich Ansätze, die materiell einer genaueren Betrachtung unterzogen werden müssen. Deswegen sollen an dieser Stelle im historischen Zusammenhang nur einige grundlegende Schritte und Entwicklungen angerissen werden, während die nähere inhaltliche Darstellung den späteren Ausführungen vorbehalten bleibt. aa) Die oben angesprochene Lehre von dolus causam dans und dolus incidens ist interessant für die vorliegende Untersuchung, weil sie denselben Ausgangsfällen - läßt man die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit beiseite - die hier betrachtete Rechtsfolge zuordnet, nämlich einen Anspruch auf Herabsetzung des Kaufpreises. Dies rechtfertigt die weitere Verfolgung des Ansatzes in das BGB hinein. Bei der Einführung des BGB stellte sich die grundlegende Frage, ob das BGB dolus causam dans und dolus incidens überhaupt kannte und es sich deshalb weiterhin um geltendes Recht handelte. Eine ausdrückliche Normierung von dolus causam dans und dolus incidens im Text des BGB war nicht erfolgt. Die stiefmütterliche Behandlung erklärt sich aus der abstrakten Systematik des BGB. 63 Im Allgemeinen Teil (§ 123 BGB) wird ausschließlich die Wirksamkeit von Willenserklärungen behandelt, im Deliktsrecht (§§ 823, 826 BGB) finden sich nur die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs, schließlich ist im Allgemeinen 61 RGZ 78, 239. 62 RGZ 78, 239 (240). 63 Sehr bezeichnend Redaktorvorlagen, AT 2, S. 138, wo das Konzept skizziert wird, im Allgemeinen Teil bei den Willensmängeln nur die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts zu behandeln, während die Frage des Schadensersatzes davon zu trennen und anderswo zu regeln sei.
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Schuldrecht (§§ 249 ff. BGB) ganz allgemein die Rede von Umfang und Inhalt von Schadensersatzansprüchen. Die Problematik der vorliegenden Konstellation mit ihrem eigentümlichen Zusammenspiel der genannten Bereiche fiel dabei durch das Raster.64 In den Motiven hieß es zur im BGB gewählten Konstruktion:65 „... dem ... Betrogenen [verbleibt] selbstverständlich der Schadensersatzanspruch aus der unerlaubten Handlung. Es ist dies eine Gestaltung, welche im Ergebnisse von den Bestimmungen der neueren Gesetzgebungen über den sog. dolus incidens (preuß ALR 1,4 §§ 87, 88 ... ) nicht wesentlich verschieden ist."
Hieraus könnte man entnehmen, die Verfasser des BGB hätten den dolus incidens in das Gesetzbuch, wenn auch nicht ausdrücklich, so sinngemäß übernehmen wollen. Dagegen wandte sich jedoch das RG, das ohne weitere Begründung auch unter Erwähnung der genannten Motivstelle entschied, dem BGB seien die Figuren des dolus causam dans und dolus incidens fremd. 66 Gleichwohl verschwanden die Begriffe noch lange nicht aus der Rechtsterminologie.67 Mit der Erweiterung des Haftungsbereichs durch die culpa in contrahendo aus der reinen Vorsatzhaftung nur für Betrug in den Bereich der Fahrlässigkeit68 entstanden sogar folgerichtig auch noch die künstlichen Begriffe von der „culpa causam dans" und der „culpa incidens". 69 Im Jahre 1928 wurde ihnen sogar noch eine Dissertation gewidmet.70 Neuere Werke beziehen sich freilich so gut wie gar nicht mehr auf sie.71 Mangels einer einschlägigen Regelung im BGB besteht keine Möglichkeit, sie als dogmatische Figuren in die Gegenwart hinüberzuholen. Der Ansatz von Wezel in der genannten Arbeit, die Figur des dolus incidens auf eine „Gesamtschau" von §§ 123, 142,139 BGB zu stützen,72 wonach der Vertrag teilweise angefochten werden können sollte, ist nach heutiger Auffassung nicht haltbar. Eine Teilanfechtung setzt die Teilbarkeit des Vertrages im Sinne von § 139 BGB voraus.73 Die Teilung von quantitativen Posten, insbesondere dem Entgelt, scheidet grundsätzlich aus.74 64
Vgl. Grigoleit, Informationshaftung, S. 213. « Mot. I, S. 207. « RG JW 1910,799 Nr. 4. 67 Noch Heinr. Stoll, JW 1933, 35 benutzt sie ganz selbstverständlich. 68 Dazu oben S. 30. 69 Heinr. Stoll, JW 1933, 35. 70 Wezel, Dolus causam dans. 71 Ausnahmen: MünchKomm-Kramer § 123 Rdn. 30; St. Lorenz, Unerwünschter Vertrag, S. 79 f. 72 Wezel, Dolus causam dans, S. 29 ff., insb. S. 35. 73 Erman/tf/wjc § 123 Rdn. 47; Palandt-Heinrichs § 142 Rdn. 1. Vgl. auch BGH DNotZ 1984,684 (685). 74 MünchKomm-Mayer-Maly § 139 Rdn. 22; Medicus, BGB AT, Rdn. 505; schon damals Natter, Teilweise Nichtigkeit, S. 47 ff.; vgl. auch Zimmermann, Moderationsrecht, S. 75. Eine
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II. Problembehandlung in früherer Zeit
bb) Nachdem die Rechtsprechung dolus causam dans und dolus incidens verworfen hatte, konzentrierten sich die Lösungsansätze auf § 249 S. 1 BGB. Danach hat der Schuldner den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Fraglich ist, welcher Zustand damit gemeint ist. Anfangs stand das RG auf dem Standpunkt, der Getäuschte müsse so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn die vorgespiegelte Tatsache wahr wäre. 75 Der zum Ersatz verpflichtende Umstand war die Täuschung. Wenn die Täuschung nicht eingetreten wäre, so sollte dies nach Auffassung des RG bedeuten, daß die Angaben des Schädigers als wahr angesehen werden müßten, mithin habe er den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn seine Angaben wahr gewesen wären. 76 Später bürgerte sich für diese Art der Schadensberechnung der Begriff „positives Interesse" ein. 77 Schon bald ging die Rechtsprechung aber von dieser Position wieder ab und verneinte einen Anspruch auf das, was der Geschädigte hätte, wenn die Angaben wahr gewesen wären. 78 Denn der zum Ersatz verpflichtende Umstand sei zwar die Täuschung, jedoch werde durch diese die Eigenart des Kaufgegenstands nicht betroffen. Ohne die Täuschung wäre er derselbe geblieben. Folglich könne der herzustellende Zustand nicht der eines irgendwie verbesserten Kaufobjekts sein.79 Herzustellender Zustand sei vielmehr grundsätzlich derjenige Zustand, der bestehen würde, wenn die Täuschung nicht erfolgt wäre. Geht man mit dem RG davon aus, daß in diesem Fall der Käufer in Kenntnis der wahren Umstände den Vertrag nicht geschlossen hätte, so ist dieser Zustand - der Zustand ohne Vertrag herzustellen. Im Anschluß hieran wurde deshalb als geschuldet das sogenannte „negative Interesse" oder „Vertrauensinteresse" angesehen.80 Es war aber unklar, was unter dem negativen Interesse zu verstehen sei. Insbesondere war heftig umstritten, ob der Geschädigte als Schadensersatz nur Rückabwicklung verlangen könne oder auch den Kaufgegenstand behalten und im übrigen mögliche Ausnahme wird diskutiert in Fällen besonderer sozialer Schutzbedürftigkeit bei nach § 138 BGB sittenwidrigen Verträgen, monographisch dazu Zimmermann, Moderationsrecht, insb. S. 63 ff.; Rechtsprechungsnachweise bei MünchKomm-Mayer-Maly § 138 Rdn. 133 ff. 75 RGZ 59,155 (157); RG JW 1905,76 Nr. 11; RG Gruchot 49 (1905), 902 (905). So auch noch Cohn, JW 1911, 139. 76 RGZ 59, 155 (157). Vgl. auch Cohn, JW 1911, 139. 77 Das hier auch noch RG JW 1912, 743 gewähren will. Der Entscheidung mangelt es zwar an methodischer Klarheit, was angesichts der noch sehr jungen Figur der c. i. c. im modernen Sinne (vgl. oben S. 30) jedoch nicht weiter verwundert. 78 RG Recht 1908 Nr. 3797; RG WarnRspr. 1915 Nr. 7; RG WarnRspr. 1916 Nr. 274. 79 RG Recht 1908 Nr. 3797. 80 Ausdrücklich für die vorliegende Konstellation RG WarnRspr. 1913 Nr. 282. Vgl. ferner RGZ 120, 249 (251). Aus dem Schrifttum Levy, JW 1922, 1313; Oertmann, LZ 1914, 518 f. (mit eigentümlicher Begründung); Heinr. Stoll, LZ 1923,542.
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Ersatz in Geld verlangen könne. Die uneinheitliche Rechtsprechung wurde von einer lebhaften Diskussion im Schrifttum begleitet. Die Phase der Auseinandersetzungen wurde beendet durch eine sich nach 1910 langsam, aber bestimmt herausbildende ständige Rechtsprechung des RG, die sich strikt am Wortlaut des § 249 S. 1 BGB orientierte. 81 Danach konnte Ersatz in Geld nur verlangt werden, wenn der Käufer nachweisen konnte, daß ohne die Täuschung ein anderer, niedrigerer Kaufjpreis vereinbart worden wäre, also insbesondere sich auch der Verkäufer mit diesem anderen Kaufpreis einverstanden erklärt hätte (hypothetischer Kausalverlauf nach § 249 S. 1 BGB). Da dieser Nachweis gegen die Behauptung des Verkäufers, keinen anderen Kaufpreis akzeptiert haben zu wollen, kaum möglich ist, bedeutete dies das faktische Ende der Figur. Mit der sich mehr und mehr auf dieser Linie verfestigenden Rechtsprechung82 erstarb in den zwanziger Jahren auch allmählich die Diskussion im Schrifttum. 83 Es folgte eine lange Zwischenperiode, in der von Zeit zu Zeit die bisherige Rechtsprechung ohne weitere Auseinandersetzung bestätigt wurde. 84 Erst 1977 wurde die Figur durch die Entscheidung im Beispielsfall 1 - Unternehmenskaufwiederbelebt. Die in früherer Zeit erörterten Probleme decken sich genau mit der heutigen Fragestellung. Die vorliegende Arbeit wird deshalb in weitem Umfang Material aus der Zeit zu Beginn unseres Jahrhunderts verwerten. Damit sollen die trotz vielfältiger Fortschritte und veränderter Perspektiven der Rechtswissenschaft weiterhin ergiebigen Erkenntnisse jener Zeit für die heutige Diskussion fruchtbar gemacht werden, was bisher nur in sehr bescheidenem Umfang geschah.
si Eingeleitet durch RG JW 1910, 934 Nr. 4; RG WarnRspr. 1912 Nr. 333; RGZ 83, 245 (246); RG WarnRspr. 1915 Nr. 230; RG WarnRspr. 1917 Nr. 100. Vgl. auch RG WarnRspr. 1915 Nr. 74. 82 Den Übergangspunkt dürfte RGZ 103, 47 (51 f.) darstellen, wo alle abweichenden früheren Entscheidungen damit erklärt wurden, sie seien jeweils nur zu besonderen Einzelkonstellationen ergangen. 83 Letzte umfangreichere Darstellungen von Hildebrandt, Erklärungshaftung; Krauße, JW 1929,557. 84 RGZ 103, 154 (159); RG LZ 1921, 373; RG Gruchot 67, 180 (186); RG Recht 1927 Nr. 1396; RGZ 132, 76 (80); BGH NJW 1960, 237 (238); BGH WM 1969, 496 (498); BGH WM 1970, 819 (822). Schließlich BGH NJW 1977, 1538 (1539) zwei Monate vor der bahnbrechenden Entscheidung BGHZ 69,53. 3 Gebhardt
I I I . Interessenlage Oben wurden die Charakteristika der vorliegenden Fallkonstellation herausgearbeitet.1 Die Rechtsprechung reagiert auf die vorliegende Konstellation mit den grundsätzlichen Rechtsfolgen von Rückabwicklung und Herabsetzung der Gegenleistung. Vergleicht man die beiden Rechtsfolgen, so liegt der wesentliche und charakteristische Unterschied darin, daß im Falle der Rückabwicklung der Käufer den Kaufgegenstand zurückgibt, während er ihn bei der Herabsetzung der Gegenleistung behält. Im ersteren Fall führt dies in der Konsequenz dazu, daß ein Leistungsaustausch nicht stattfindet, es wird der vertragslose Zustand wiederhergestellt. Im letzteren Fall findet im Ergebnis ein - gegenüber den ursprünglichen vertraglichen Vorgaben inhaltlich modifizierter - Leistungsaustausch statt. Der Käufer behält den Kaufgegenstand und erbringt dafür eine Gegenleistung. Dieses Behaltenkönnen des Kaufgegenstands ist mithin das kennzeichnende Element der Figur der Herabsetzung der Gegenleistung. Hinter diesem Behaltenkönnen stehen Interessen, die historisch zur Ausprägung der Rechtsfigur geführt haben. Zugleich sind diese Interessen Maßstab der Untersuchung der Rechtfertigung der Figur. Es lassen sich unterscheiden die subjektiven Interessen des Käufers, die subjektiven Interessen des Verkäufers und die objektiven Bedürfnisse der Rechtsordnung.
1. Das Behaltensinteresse des Käufers Es ist zu unterscheiden zwischen dem tatsächlichen Interesse des Käufers einerseits und der Bewertung dieses Interesses durch die Rechtsordnung andererseits.
a) Tatsächliches Interesse des Käufers Der Käufer wird vielfach ein Interesse2 haben, den Kaufgegenstand zu behalten, obwohl dieser oder die Umstände des Geschäfts nicht so sind, wie er sich das bei Vertragsschluß vorgestellt hat.3 ι Oben S. 15 ff. Das auch zu einem Zwang erstarken kann; vgl. Titze, Verschulden bei Vertragsschluß, in: HdRVI, S. 519. 2
1. Das Behaltensinteresse des Käufers
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Betrachten wir die Beispielsfalle. Im Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf wollte der Käufer das gekaufte Unternehmen nicht mehr seinem Unternehmensverband ausgliedern, weil dies nur noch sehr schwer möglich gewesen wäre. In ähnlicher Form wollte der Käufer im Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung - sein Geschäft fortführen, da eine Stillegung noch größere Schäden verursacht hätte. Selbst wenn er die Einrichtung gegen eine passende hätte austauschen können, muß man davon ausgehen, daß dies eine vorübergehende Einstellung des Geschäftsbetriebs erfordert hätte, die sich der Käufer wirtschaftlich und vom Ansehen seines Geschäfts her nicht leisten konnte. Im Beispielsfall 3 - Klärwerk - mag der Käufer auf das Haus angewiesen gewesen sein, da er keine andere Unterkunft hatte oder jedenfalls in der fraglichen Gegend keine finden konnte. Was die Motoryacht im Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer - anging, so hatte der Käufer vielleicht einen Urlaub auf dem Schiff geplant, den er zeitlich nicht mehr umdisponieren konnte, oder das Schiff könnte ihm aus persönlichen Gründen so gut gefallen haben, daß er es gleichwohl behalten wollte. Vor der näheren Betrachtung der möglichen Gesichtspunkte sind zunächst die Konstellationen auszuscheiden, in denen Unmöglichkeit der Rückgabe anzunehmen ist.4 Bei Unmöglichkeit kann die Rechtsordnung ohnehin keine Rückabwicklung mehr anordnen {impossibilium nulla est obligatio). Diesem Umstand trägt § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB Rechnung. Die Herstellung ist auch dann nicht möglich, wenn der dem Gläubiger obliegende Teil des zweiseitigen Gesamtvorgangs Rückabwicklung - hier die Rückgabe des Kaufgegenstands - unmöglich ist. Im folgenden wird daher vorausgesetzt werden, daß die Rückabwicklung jeweils nicht als unmöglich im technischen Sinne anzusehen ist. Die verbleibenden Konstellationen weisen eine beträchtliche Vielfalt auf. Eine grobe Systematisierung erleichtert deshalb die Klärung der jeweiligen Interessenlage.5 aa) Zum einen handelt es sich um Fälle, in denen der Käufer den Kaufgegenstand auf besondere Weise in sein Vermögen eingegliedert hat und ihn deshalb nur schwer wieder aus diesem aussondern kann.6
3
Etwa Grigoleit, Informationshaftung, S. 181; H. Werner IMachunsky, Rechte geschädigter Kapitalanleger, 14 G ΠΙ 2 b; vgl. Tiedtke, JZ 1989,570. 4 Nicht beachtet von Locher /Koeble, Baubetreuungsrecht, Rdn. 158; Sonnabend, Typen derc. i. c., S. 107; Tiedtke, JZ 1990,1078. 5 Die folgenden Fälle und Stellungnahmen entstammen zum großen Teil der Diskussion um die Rückgabepflicht im Zusammenhang mit der Frage nach der Reichweite des § 818 Abs. 2 BGB. Zwar sind diese Fälle nach einer anderen normativen Vorgabe zu entscheiden (vgl. speziell dazu etwa MünchKomm-L/efc § 818 Rdn. 31). Dies ändert aber nichts daran, daß die tatsächliche Interessenlage in der Ausgangssituation vergleichbar ist; nur diese wird hier betrachtet. 6 M. Lehmann, NJW 1981, 1241; Reinicke /Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 691; Tiedtke, WM 1993,1230. 3»
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III. Interessenlage
Zu denken ist dabei insbesondere an Fälle des Unternehmenskaufs wie im Beispielsfall 1, aber auch Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung - gehört in diese Kategorie. Wenn der Käufer das gekaufte Unternehmen seinem Konzernverbund eingegliedert hat und die entsprechenden Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen hat, sind diese nur schwer wieder rückgängig zu machen. Die dann notwendige erneute Zerschlagung dieser Struktur hat unmittelbare wirtschaftliche Konsequenzen. Sie bedeutet die Zerstörung wirtschaftlicher Werte beim Käufer. 7 Nicht nur die organisatorische und gestalterische Tätigkeit ist sinnlos verloren,8 auch die Konsequenzen für das Restunternehmen können verheerend sein,9 weil Strukturen, Arbeitsabläufe, Geschäftskonzepte erst wieder an die neue Situation angepaßt werden müssen. Eine zweimalige Umstrukturierung aller Abläufe bleibt nicht ohne Folgen. Es ist zwar richtig, daß der Käufer die Kosten einer solchen Umgestaltung mit allen durch sie anfallenden Vermögensnachteilen im Prinzip nach § 249 S. 1 BGB vom Verkäufer ersetzt verlangen könnte. Praktisch wird dies freilich auf große Hindernisse stoßen. Oftmals wird der entsprechende Betrag kaum zu bemessen sein, auch werden langfristige Konsequenzen wie etwa beim Unternehmenskauf die Verschlechterung des Betriebsklimas oder eine Verunsicherung des Kundenstammes kaum zu erfassen sein. Neben den individuellen Konsequenzen für den Käufer hat diese Situation speziell beim Unternehmenskauf 10 noch eine weitere, volkswirtschaftliche Dimension. Auf diese wird unten im Zusammenhang eingegangen werden.11 Über den Bereich des Unternehmenskaufs hinaus kann der Käufer ganz allgemein unter Einbeziehung des erworbenen Gegenstands sein Vermögen in bestimmter Weise strukturiert haben, so daß ihn die Herausgabe des Gegenstands zwingen würde, diese Struktur zu zerschlagen.12 bb) Der Käufer wird oft auch einen nicht unbeträchtlichen Aufwand an Mühe, Zeit, Arbeit und Kosten auf den Gegenstand verwendet haben.13 Beispielsfalle sind zum einen Unternehmenskäufe. Neben dem eben besprochenen Aspekt der Eingliederung in einen Konzern oder ein anderes Unternehmen kommt auch in Betracht, daß der Käufer das Unternehmen nach seinen Vorstellun-
7 Unke, JR 1982,94; Schwintowski, JZ 1987,588. 8 Zu diesem Aspekt sogleich S. 36 ff. 9 Hiddemann, ZGR 1982, 437/442 sieht dabei den Fortbestand des Unternehmens gefährdet. 10
Ausführlich zur Problematik der Rückabwicklung beim Unternehmenskauf Keil, Fehlerhafte Unternehmenskäufe. » Unten S. 59. 12 Vgl. noch Hiddemann, ZGR 1982,448. 13 Krauße, JW 1929,562.
1. Das Behaltensinteresse des Käufers
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gen umgebaut oder vergrößert hat (oder beides).14 Er könnte auch den Wert des Unternehmens durch betriebliche Innovationen oder die Einbringung von gewerblichen Schutzrechten wie etwa Patenten gesteigert haben.15 Eine ähnliche Bedeutung hat der darüber hinaus zwangsläufig stattfindende Wissenstransfer, der, für den Käufer verloren, dem Veräußerer zugute käme.16 Zu erwähnen sind ferner erfolgreiche oder auch erfolglose Sanierungsversuche,17 die erhebliche Veränderungen sowohl im Unternehmen als auch im Vermögen des Käufers nach sich ziehen können. Die Rechtsprechung mußte sich daneben häufig mit brachliegenden Grundstükken beschäftigen, die der Käufer mittlerweile bebaut hatte.18 Schließlich mag man den Schulfall vom durch den Käufer nach Erwerb übermalten Bild 19 hierher rechnen. Zwar gilt auch hier, daß solche Kosten grundsätzlich abgewälzt werden können. Trotzdem ergeben sich ähnlich wie oben20 beträchtliche Schwierigkeiten bei der Quantifizierung, zum Beispiel, was die aufgewandte Arbeitszeit des malenden Künstlers betrifft. Noch problematischer sind die Fälle gelagert, in denen nicht mehr, wie oben, isolierbare Maßnahmen des Käufers zugrunde liegen. So ist ein Unternehmen seinem Wesen nach beständiger Veränderung unterworfen. 21 Sie ergibt sich aus Faktoren wie dem permanenten Wechsel des Warenbestandes durch Produktion, Verarbeitung, Einkauf und Verkauf, der Belegschaft durch Einstellungen und Abgänge oder der Positionen der Firma im Rechtsverkehr durch geschlossene und erfüllte Verträge. Die globale Lage des Unternehmens ist dabei immer zugleich Ausdruck und Konsequenz der wirtschaftlichen Leitung durch den Inhaber als Unternehmer. Diese Leitungstätigkeit durch den Unternehmer wird im Falle der Rückabwicklung sinnlos. Aufgrund der unübersehbaren Vielzahl von Einzelakten, die oft auch - wie etwa die unternehmerische Denktätigkeit - per se kaum quantifizierbar sind, scheidet hier ein Ersatz durch den Verkäufer im Falle der Rückabwicklung praktisch aus. 14 RGZ 117, 112 (113); RG LZ 1932, 1481 (1482 f.); Schwintowski, Emmerich, Leistungsstörungen, § 4 V 2. 15 Schwintowski, JZ 1987,589. 16 Grunewald, ZGR 1982,452. 17 Zu den daraus entstehenden Problemen Canaris, ZGR 1982,424.
JZ 1987, 589. Vgl.
ι» RGZ 133, 293 (294 f.); RGZ 169, 65 (76); BGH NJW 1980, 1789 (1790); BGH NJW 1981, 2687 (2688); BGH W M 1987, 1533 (1534) (Umbau eines Stalls zu einem Wohnhaus); BVerwG NJW 1980,2538 (2540). Zum Ganzen Schlechtriem, JZ 1984,557. 19 Planck-Landois § 818 Anm. 4 h; Staudinger /W. Lorenz § 818 Rdn. 22. 20 Oben S. 36. 21 K. Schmidt, Handelsrecht, § 6 I V 1; Schwintowski, JZ 1987,588 ff. (umfassend zur Problematik). Vgl. auch Ballerstedt, Festschr. Schilling, S. 290.
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III. Interessenlage
Finanziell überhaupt nicht mehr zu erfassen sind die mehr psychologischen Konsequenzen wie die Frustration, die trotz materieller Entschädigung mit einer Rückgabe verbunden sein kann.22 Dabei ist es mit der Verflüchtigung sinnlos gewordener Aktivitäten zugunsten des Kaufgegenstands noch nicht getan. Will der Käufer trotz Rückgabe eine annähernd gleichartige Position wieder erreichen, so muß er seine gesamten Anstrengungen erneut erbringen. 23 Er muß ein neues Unternehmen erwerben, ein neues Haus bauen, ein neues Bild malen usw. Auch diese Gesichtspunkte haben ähnlich oben zugleich eine volkswirtschaftliche Komponente.24 cc) Zu denken ist weiterhin an Fälle, in denen es sich bei dem gekauften Gegenstand um etwas handelt, auf das der Käufer wirtschaftlich 25 oder sonstwie angewiesen ist. 26 Diesen Gegenstand wieder herauszugeben, kann mit Problemen verbunden sein, da es unter Umständen schwierig sein kann, kurzfristig Ersatz zu beschaffen. In einer funktionierenden marktwirtschaftlichen Ordnung sind derartige Fälle aber eher selten.27 Man könnte an einen Haus- oder Wohnungskauf zum Zwecke der eigenen Nutzung in Zeiten eines angespannten Grundstücksmarkts denken der Käufer muß irgendwo wohnen.28 Freilich könnten dann Hotelkosten relativ problemlos abgewälzt werden. In Betracht kommen auch spezielle Maschinen, die für den wirtschaftlichen Betrieb des Käufers unbedingt benötigt werden, da anderenfalls die Produktion stillstehen würde. Im letzteren Fall ist auch finanzielle Entschädigung nicht ohne weiteres zu erreichen, da die Folgeschäden eines längeren Stillstandes kaum zu beziffern sind. dd) Neben dem bislang betrachteten mehr technisch-ökonomisch bedingten Interesse bedarf auch ein anderer Aspekt der Beachtung. Es mag sein, daß der Käufer den Kaufgegenstand schlicht behalten will, ohne daß dafür wirtschaftliche oder sonst besondere Gründe vorliegen müssen.29 Daran schließt sich das Problem an, ob die Rechtsordnung überhaupt hinterfragen darf, aus welchen Gründen der Käufer die Rückabwicklung ablehnt, oder ob sie sich nicht mit dessen Wunsch an sich 22
Auch hier soll die Frage, inwieweit diese Güter durch die Rechtsordnung geschützt werden, noch zurückgestellt werden. 23 Reuter IMartinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 16 III 2 (S. 565). 24 Vgl. oben S. 36. 25 Nicht näher spezifizierte „wirtschaftliche" bzw. „ökonomische" Gründe führen an Braschwitz, Schadensersatz, S. 2; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 8 ΠΙ 4 c (für die Rückgabe des Unternehmens); M. Lehmann, NJW 1981,1241; ders., Vertragsanbahnung, S. 392. 26 Η. A. Fischer, Festschr. Zitelmann, S. 24 f.; Unke, JR 1982,94. 27 Tutmann, Minderung, S. 4 f. bringt das Beispiel eines Autokaufs. Kraftfahrzeuge sind jedoch ohne Schwierigkeiten zu kaufen oder zu mieten. 28 Vgl. Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 262. » Vgl. Hiddemann, ZGR 1982,448.
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zu begnügen hat. Aber die Frage der Bewertung durch die Rechtsordnung und insbesondere die Frage nach der erforderlichen Qualität der Gründe soll uns hier noch nicht interessieren.30 ee) Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß vielfach ein tatsächliches Interesse des Käufers besteht, den erworbenen Gegenstand trotz des haftungsbegründenden Tatbestands behalten zu können. Dieses Interesse basiert auf einem Konglomerat heterogener Gründe.31 Teilweise sind diese Gründe in Geld bezifferbar, weswegen sie grundsätzlich ersatzfähig wären, auch ohne daß der Käufer die Leistung behält, teilweise ist die Bezifferung schwierig, teilweise nicht möglich. Formuliert man diese Erkenntnis unter Bezugnahme auf die rechtliche Situation, so kann man sagen, daß der Käufer ein Interesse daran hat, daß seiner Leistungserwartung32 in Bezug auf den gekauften Gegenstand entsprochen wird. Er rechnet damit, den gekauften Gegenstand zu bekommen und behalten zu können. Der Käufer möchte also die vom Vertrag intendierte Situation des dauerhaften Leistungsaustauschs33 trotz der Störung durch den die Haftung aus culpa in contrahendo auslösenden Umstand weiterhin realisieren. 34 Es soll der Vertrag trotz der Störung grundsätzlich durchgeführt werden. Für die Umschreibung dieses Zustandes wurde die Formel vom „Festhalten am Vertrag" geprägt, die sich bereits in 15 § 350 ALR findet. 35 In der Rechtsprechung wird sie regelmäßig verwendet.36 Das Interesse, am Vertrag festzuhalten und die versprochene Leistung behalten zu können, soll im folgenden als Behaltensinteresse bezeichnet werden.37 30 Dazu unten S. 118 ff. 31 Tiedtke, Festschr. Felix, S. 494 spricht allgemein davon, es könne „wirtschaftlich sinnvoll sein, die Sache zu behalten". Vgl. auch BGH NJW 1980, 2408 (2410): „wirtschaftliche Überlegungen". 32 Begriff von Schmitz, Dritthaftung, S. 146. 33 Zur Funktion des Vertrags ausführlich unten S. 40 ff. 34 Vgl. Cohn, JW 1913, 1014. 35 Siehe oben S. 27. 36 BGH NJW 1960, 237; BGHZ 69, 53 (58 f.); BGH NJW 1980, 2408 (2409); BGH NJW 1981, 2050 (2051); BGH NJW 1987, 2511 (2512); BGH NJW-RR 1988, 10 (11); BGH NJWRR 1988, 328 (329); BGH NJW-RR 1989, 306 (307); BGH NJW 1989, 1793 (1794); BGHZ 111, 75 (82); BGH NJW-RR 1991, 599 (600); BGHZ 114, 87 (94); BGH NJW-RR 1992, 91 (92); BGH NJW 1992, 1223 (1224); BGH NJW 1993, 1323 (1325); BGH NJW-RR 1994, 76 (77); BGH NJW 1996, 1204; OLG Karlsruhe OLGZ 1980, 225 (227); OLG Hamburg W M 1986, 13. Aus der frühen Periode RGZ 63, 110 (112); RGZ 66, 335 (337); RGZ 83, 245 (247); RG LZ 1921, 373; vgl. auch RG Recht 1907 Nr. 1034. Grundsätzlich anders aber RG WarnRspr. 1912 Nr. 333.
37 Es kann in einem größeren Zusammenhang als Bestandteil eines allgemeinen Interesses, den Vertrag wie ursprünglich vorgesehen durchführen zu können, verstanden werden. Darauf werden wir unten S. 138 ff. noch zurückkommen.
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III. Interessenlage
Eine andere Frage ist, ob das Behaltensinteresse gerechtfertigt ist. Darauf wird im nächsten Abschnitt einzugehen sein.
b) Bewertung des Interesses durch die Rechtsordnung Das Vorliegen eines tatsächlichen Interesses hat für sich genommen noch keine entscheidende rechtliche Bedeutung. Maßgeblich ist die Bewertung dieses Interesses durch die Rechtsordnung.38 Es ist also zu prüfen, ob und inwieweit die Rechtsordnung das Behaltensinteresse des Käufers als schützenswert ansieht. aa) Dazu bedarf es zunächst einiger allgemeiner Überlegungen. Grundlage unserer Privatrechtsordnung ist das Prinzip der Privatautonomie. Es geht davon aus, daß der Einzelne seine Lebensverhältnisse durch die eigenverantwortliche Gestaltung von Rechtsverhältnissen nach seinem Willen ordnen können soll.39 Als Mittel dazu dient das Rechtsgeschäft, insbesondere der Vertrag. 40 Ein wesentlicher Teil der Gestaltung der Lebensverhältnisse des Menschen liegt in der Befriedigung von Bedürfnissen. Bedürfnisse werden befriedigt durch wirtschaftliche Betätigung.41 Diese wirtschaftliche Betätigung erfolgt gemäß dem Prinzip der Privatautonomie durch den Abschluß von Verträgen mit anderen Rechtssubjekten. Von diesen erhofft der Mensch, sich diejenigen Güter zu verschaffen, mit denen er seine Bedürfnisse befriedigen kann. Der Vertrag - speziell der Austauschvertrag42 - ist damit das wesentliche Mittel zur Verteilung von Wirtschaftsgütern. 43 Der Vertrag - genauer: die aus ihm entspringende Forderung44 - dient also dem Zweck, dem Gläubiger die Leistung des Schuldners in der Gestalt eines vom Gläubiger benötigten oder auch nur gewünschten Wirtschaftsgutes zu verschaffen. 45
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Zu der Bewertung von Interessen durch die Rechtsordnung und der „Wertungsjurisprudenz" Bydlinski, Methodenlehre, 1/2 III (insb. S. 124 ff.); Fikentscher, Methoden III, S. 405 ff.; Larenz, Methodenlehre6, S. 119 ff.; Pawlowski, Methodenlehre, Rdn. 481 ff. 39 Flume, Rechtsgeschäft, § 1, 1; P&hndt-Heinrichs Überbl. v. § 104 Rdn. 1; Jauernig, BGB, v. § 145 Rdn. 8; Medicus, BGB AT, Rdn. 174 ff. 40 Flume, Rechtsgeschäft, §1,2; Jauernig, BGB, v. § 145 Rdn. 8. 41 H. Müller, Staatslexikon I, Sp. 606. 42
Koller, Risikozurechnung, S. 1. AK-Dubischar § 241 Rdn. 4; AK-Hart v. § 116 Rdn. 8 ff.; Köhler, BGB AT, § 12 Rdn. 1; Medicus, SchR I, Rdn. 72; Raiser, Festschr. 100 Jahre Dt. Juristentag, S. 104 f.; Rüthers, AT, Rdn. 42; Schlechtriem, SAT, Rdn. 2; Esser/£. Schmidt, 1/1, § 1 I; Schünemann, NJW 1982, 2027; Jauernig/ Vollkommer v. § 241 Rdn. 2; Erman/0. Werner v. § 241 Rdn. 2; Soergel-Af. Wolf ν . § 145 Rdn. 24. 44 Darauf macht Gernhuber, Schuldverhältnis, § 214 a aufmerksam. 45 Koller, Risikozurechnung, S. 2. 43
1. Das Behaltensinteresse des Käufers
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In diesem Sinne kann von einer „finalen Struktur" des Vertrages gesprochen werden.46 Durch den Vertragsabschluß bekommt der Gläubiger einen Anspruch auf die Leistung47 des Schuldners (§§ 305, 241 BGB). Gerade zu diesem Zweck, um die Leistung zur Befriedigung seiner Bedürfnisse zu erlangen, hat der Gläubiger den Vertrag geschlossen. Folglich rechnet er damit, durch das Mittel des Vertrages die Leistung auch zu erhalten. Er befindet sich in einem Zustand der „Erwartung" 48 auf diese Leistung. Dieser Erwartungszustand kann auch als Vertrauen darauf, daß der Vertragspartner die Leistung erbringen werde, beschrieben werden. Wie bei der Frage nach den Interessen49 muß jedoch auch hier unterschieden werden zwischen dem Vertrauen als psychischem Tatbestand und der rechtlichen Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens, einem normativen Vertrauendürfen. 50 Das rechtlich geschützte „enttäuschte Vertrauen" kann dabei hinter dem tatsächlichen Vertrauen zurückbleiben.51 Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens bestimmt sich nach dem zugrundeliegenden Vertrauenstatbestand.52 Darunter versteht man einen Sachverhalt, der geeignet ist, in bestimmter Hinsicht Vertrauen zu erwecken.53 Beim Gläubiger wird die Erwartung der Leistung durch den Vertrag hervorgerufen. 54 Als Vertrauenstatbestand steht also vorliegend der Vertragsschluß in Rede. Den Vertragsschluß als Vertrauenstatbestand anzusehen, ist zunächst eine ungewohnte Betrachtungsweise. Canaris sieht den Vertrag gar als das Gegenstück zum Vertrauenstatbestand.55 Dahinter steht der Gedanke, daß es da, wo eine vertragliche Bindung besteht, keines gesonderten Schutzes des Vertrauens mehr bedürfe. 56 Wenn diesrichtigsein sollte, so deshalb, weil der Vertrag das Vertrauen der Vertragspartner zueinander über das Prinzip pacta sunt servanda durch eine rechtliche 46
Köhler, Zweckstörungen, S. 1. Im folgenden wird unter der „Leistung" die jeweilige primäre vertragliche Hauptleistungspflicht verstanden. Auf diese sind die Begriffe „Gläubiger" und „Schuldner" bezogen. 48 Esser IE. Schmidt, 1/1, § 1 III 1. 49 Oben S. 40. 47
so Fikentscher, SchuldR, Rdn. 163; Medicus, SchR I, Rdn. 112; Oechsler, RabelsZ 60 (1996), 122. Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 504. 51 Bohrer, Haftung des Dispositionsgaranten, S. 78 f. 52 Begriff nach Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491 ff. Zu den Thesen und Ergebnissen von Canaris s. auch die Kurzzusammenfassung in Canaris, Handelsrecht, § 6 VII, VIII. 53 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491. 54 Nach Larenz, Richtiges Recht, S. 80 begründet der Vertragsschluß Vertrauen sogar „in besonderem Maße". 55 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 495. Kritisch dazu Köndgen, Selbstbindung, S. 102. 56 Zu begreifen vom Untersuchungsprogramm Canaris ' her, das sich nur mit der Vertrauenshaftung beschäftigt, nicht aber mit der Funktion von Vertrauen im allgemeinen.
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Bindung institutionalisiert.57 Er schafft damit ein „Höchstmaß an Verläßlichkeit". 58 Gleichzeitig überwindet der Vertrag die Bindung an das Vertrauen, indem er seine Rechtswirkungen von dem beim Abschluß gewöhnlich zugrundeliegenden Vertrauen ablöst. Seine Konsequenzen treten auch dann ein, wenn im Einzelfall kein Vertrauen vorliegen sollte.59 Besonders deutlich wird dies beim echten Vertrag zugunsten Dritter, bei dem der Dritte einen Anspruch erwirbt, ohne daß er davon überhaupt etwas zu wissen braucht,60 folglich ohne irgendwie vertraut haben zu können. Diese „Verselbständigung"61 könnte im Umkehrschluß zu der Annahme führen, im Vertrag dürfe Vertrauen - jedenfalls soweit die Erbringung der einwandfreien Hauptleistung in Rede steht62 - keine Rolle mehr spielen. Damit würde dem tatsächlich vorhandenen Vertrauen jede Bedeutung abgesprochen. Die Rechtsordnung würde sich aber selbst in Frage stellen, wenn sie das (tatsächliche) Vertrauen auf normkonformes Verhalten anderer, hier die Vertragserfüllung, nicht schützen würde. Denn damit würde die normative Wirkung solcher Vorschriften untergraben.63 Weil der Vertrag die rechtliche Verkörperung 64 und damit Absicherung des Vertrauens der Parteien darstellt, ergibt sich vielmehr, daß gerade auf ihn wegen dieser ihm innewohnenden Funktion vertraut werden kann. Der abstrakte Vertrauensschutz verbindet sich mit dem Schutz des real vorhandenen Vertrauens, es handelt sich nicht um Gegensätze. Der Vertrag schützt also auch das konkrete, tatsächlich vorhandene Vertrauen. Aufgrund seiner Verselbständigung bedarf es dieses Vertrauens aber nicht notwendig, um die Wirkungen des Vertrages auszulösen. Der Vertragsschluß als solcher genügt.65 Das im Vertragsschluß geschützte Vertrauen führt dazu, daß die Erwartung des Gläubigers, der Schuldner werde sich vertragsgerecht verhalten, als gerechtfertigt anzuerkennen ist. 66 Diese Wirkung des Vertrags kann man als die „Verlaßfunktion" des Vertrags 67 kennzeichnen. Der Vertrag ist gewissermaßen der fundamentale Ver57
Näher Luhmarm, Vertrauen, S. 36. Vgl. auch Larenz, Richtiges Recht, S. 80. 58 Willoweit, JuS 1988, 833. 59 Larenz. Richtiges Recht, S. 80. öo Staudinger/ Jagmann v. §§ 328 ff. Rdn. 56; Medicus, SchR I, Rdn. 767; Esser/£. Schmidt, 1/2, §36 I I I . 61
Luhmann, Vertrauen, S. 36. Zu der Diskussion um ein auf Vertrauen gestütztes gesetzliches Schutzpflichtverhältnis als Grundlage der pVV Soergel-Wiedemann v. § 275 Rdn. 362 f. m. w. N. « Köndgen, Selbstbindung, S. 100. 62
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Man könnte deswegen auch daran denken, den Vertrag als „künstlichen äußeren Tatbestand" im Sinne von Canaris, Vertrauenshaftung, S. 492 zu betrachten. « Vgl. Keuk, Vermögensschaden, S. 112 f. « Larenz ! Canaris, Methodenlehre, 5 / 2 a (S. 194). 67 Ausdruck von Soergel-Af. Wolf ν . § 145 Rdn. 28.
1. Das Behaltensinteresse des Käufers
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trauenstatbestand schlechthin,68 was nur durch die ihn flankierenden gesetzlichen Regelungen gewöhnlich verdeckt wird. Auf ihn darf also normativ vertraut werden.69 Das Vertrauen auf den Vertrag ist aber zunächst noch abstrakt. Wegen der Funktion des Vertrags, dem Gläubiger die von ihm erwünschte oder benötigte Leistung zukommen zu lassen,70 bedeutet Vertrauen auf den Vertrag aus der Perspektive des Gläubigers Vertrauen auf die Erbringung der geschuldeten (Haupt-)Leistung. Damit der Schutz des Vertrauens rechtliche Konsequenzen zeitigen kann, bedarf es neben dem geschützten Vertrauen als solchem noch einer sogenannten Vertrauensinvestition, in der sich das Vertrauen objektiviert hat.71 Oben wurde die Parallele zur Rechtsscheinhaftung im Sinne Canaris' gezogen.72 Bei der Rechtsscheinhaftung genügt aus Verkehrsschutzgründen die Vornahme des jeweiligen Geschäfts selbst als Vertrauensinvestition.73 Hier findet sich demnach im Abschluß des Vertrages bereits die Vertrauensinvestition des Gläubigers. Es kann also festgehalten werden, daß die Rechtsordnung unter dem abstrakten Aspekt des Vertrauensschutzes den Vertragsabschluß als einen schützenswertes Vertrauen auf die Erbringung der vereinbarten Leistung auslösenden Tatbestand ansieht. bb) Dieses abstrakte Ergebnis muß durch konkrete Untersuchungen untermauert werden. Es ist zu prüfen, ob und wie die positive Rechtsordnung diesen Gedanken umsetzt.74 Wenn der Vertragsschluß schützenswertes Vertrauen auf die Leistung begründet, müßte sich zeigen lassen, daß die Rechtsordnung bemüht ist, dem Gläubiger die Leistung, auf deren Erbringung er vertraut, so weit als möglich zukommen zu lassen. Kritisch wird dies in den Fällen der Leistungsstörungen, zu denen auch die culpa in contrahendo gehört.75 Daher bietet sich als Untersuchungsgegenstand die Analyse der der culpa in contrahendo systematisch und sachlich nahestehenden vertraglichen Gewährleistungs- und Haftungssysteme an.
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Vgl. SocTgd-Wiedemann
v. § 275 Rdn. 64: Vertragserfüllungshaftung als Vertrauenshaf-
tung. 69
Im Ergebnis ebenso Eichler, Rechtslehre vom Vertrauen, S. 8; Hanau/Wackerbarth, Festschr. Kim, S. 208; Köndgen, Selbstbindung, S. 105; Larenz, AT 7 , § 2 IV; Oechsler, RabelsZ 60 (1996), 122 f.; Esser/E Schmidt, 1/1, § 8 II 2. 70 Oben S. 41. 71
Canaris, Vertrauenshaftung, S. 510. 72 Oben S. 40. 73 Vgl. Canaris , Vertrauenshaftung, S. 511. 74 Methodisch das umgekehrte Vorgehen wie bei Canaris, Vertrauenshaftung, vgl. S. 4, nämlich vom Allgemeinen zum Besonderen. Der Kritik am Konzept von Canaris (etwa Köndgen, Selbstbindung, S. 102; Hans Stoll, Festschr. Flume, S. 752), die Besonderheiten der einzelnen Konstellationen würden eingeebnet, wird durch die Untersuchung der konkreten Gesetzeslage Rechnung getragen. 75 Vgl. nur Palandt-Heinrichs v. § 275 Rdn. 4; Jauernig / Vollkommer v. § 275 Rdn. 1.
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III. Interessenlage
Im Falle der Unmöglichkeit der Leistung erlischt die Pflicht zur Leistung, mag man dies nun aus § 275 Abs. 1 BGB oder § 280 Abs. 1 BGB folgern. In diesem Fall verweigert die Rechtsordnung dem Gläubiger die Leistung. Sie stützt sich dabei jedoch auf den zwingenden Grund, daß eine unmöglich gewordene Leistung keinen sinnvollen Leistungsgegenstand mehr darstellt: impossibilium nulla est obligatio; ultra posse nemo obligator? 6 Versteht man die Befreiung aus der Perspektive der „Opfergrenze", 77 so enthält dies die Wertung, daß die Leistung dann nicht mehr erbracht zu werden braucht, wenn sie dem Schuldner nicht mehr zumutbar ist. In diesem Zusammenhang ist noch § 283 BGB zu erwähnen. Im Fall des § 283 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Anspruch auf Erfüllung ausgeschlossen, damit wird dem Gläubiger auch hier die Leistung verweigert. Der Grund liegt jedoch in dem Quasi· Verzicht des Gläubigers durch die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 283 Abs. 1 S. 1 BGB. Damit enthüllt die Betrachtung des Unmöglichkeitsrechts erste Strukturen. Dem Gläubiger wird die erwartete Leistung in drei Konstellationen verweigert: • wenn sie nicht mehr sinnvollerweise erbracht werden kann (Unmöglichkeit), • wenn sie aus Zumutbarkeitserwägungen zugunsten des Schuldners nicht mehr erbracht werden soll (Unzumutbarkeit), oder schließlich, • wenn der Gläubiger selbst darauf verzichtet (Verzicht). Im Falle des Schuldnerverzugs bleibt es selbstverständlich zunächst bei dem Leistungsanspruch des Gläubigers. Er erlischt in den Fällen des § 286 Abs. 2 BGB 7 8 und § 326 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Konstellation gehört zu der Fallgruppe „Verzicht". Auch der Gläubigerverzug tangiert zunächst die Leistungspflicht nicht. Bei Hinzutreten weiterer Umstände verweigert die Rechtsordnung dem Gläubiger die Leistung jedoch. Dies geschieht im Fall des § 300 Abs. 2 BGB, da diese Vorschrift die Leistungsgefahr regelt 79 und der Schuldner demzufolge nicht mehr zur Nachleistung verpflichtet ist, ferner bei Versteigerung und Hinterlegung des Erlöses gemäß § 383 Abs. 1 BGB, wobei der Gläubiger nur noch einenfinanziellen Ausgleich, aber nicht mehr die ursprüngliche Leistung erhält. Diese Konsequenzen des Gläubigerverzugs finden ihre Rechtfertigung darin, daß der Schuldner, wenn auch kein Anspruch auf die Mitwirkung des Gläubigers besteht, doch ein legitimes und berechtigtes Interesse an der Abwicklung des 76 Fikentscher, SchuldR, Rdn. 337; Kohler, JuS 1991, 945; Staudinger/Löwisch § 275 Rdn. 56; Esser IE. Schmidt, 1/2, § 22 (S. 1); Jauernig/Vollkommer § 275 Rdn. 1. Kritisch Jakobs, Unmöglichkeit, S. 74 f. 77 Esser/E. Schmidt, 1/2, § 221. 78 Staudinger / Löwisch § 286 Rdn. 66. 79 Soergel-Wiedemann § 300 Rdn. 12 m. w. N.
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Schuldverhältnisses hat. 80 Es geht hier also um Zumutbarkeitserwägungen. Wenn im vorliegenden Zusammenhang auch nicht die Zumutbarkeit der Leistung an sich in Frage steht, so kann die Konstellation daher doch in einem weiteren Sinne in die Rubrik „Unzumutbarkeit" des obigen Fallgruppenschemas eingeordnet werden. Betrachten wir die positive Vertragsverletzung. Ihr Vorliegen ändert gleichfalls zunächst nichts an der fortbestehenden Erfüllungspflicht des Schuldners.81 Der Gläubiger kann jedoch unter gewissen weiteren Voraussetzungen zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit verlangen.82 In diesem Fall ist dann die Erfüllung ausgeschlossen.83 Auch hier stellen wir fest, daß der Gläubiger nur dann die Leistung nicht erhält, wenn er sie nicht mehr will, nämlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt oder zurücktritt. Es liegt die Fallgruppe des „Verzichts" vor. Besonderes Interesse verdient die Konstellation des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Zwar besteht in diesem Bereich über viele Punkte keine Einigkeit, aber gewisse Grundlinien lassen sich gleichwohl skizzieren. Nach der insbesondere in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung 84 zieht der (unzumutbare) Wegfall der Geschäftsgrundlage als gewöhnliche Rechtsfolge die Anpassung des Vertrags nach sich.85 Damit soll die Fortsetzung des Vertrags für beide Parteien wieder zumutbar gemacht werden.86 Zuweilen wird außerdem ein Rücktrittsrecht für die durch die Anpassung schlechter gestellte Partei angenommen.87 Der Vertrag wird nur dann aufgelöst, 88 wenn eine Anpassung nicht
so Kreuzer ! Stehle, JA 1984,70; Larenz, SchR I, § 25 I; Esser/E Schmidt, 1/2, § 23 I. 81 Soergel-Wiedemann v. § 275 Rdn. 491. 82 Überblick bei Jauernig/ Vollkommer § 276 Rdn. 64 ff.; Soergd-Wiedemann v. § 275 Rdn. 491. 83 BGHZ 11, 80 (84). 84 Zur Kritik und zu anderen Ansichten Haarmann, Wegfall der Geschäftsgrundlage, S. 91 ff.; Larenz, SchR I, § 21 II 3 (S. 329 f.); MünchKomm-/to/Ä § 242 Rdn. 84 ff., 572 f. Vgl. auch BGHZ 40, 334 (337); Koller, NJW 1996, 301 und die Lehre von den Neuverhandlungspflichten, dazu Eidenmüller, ZIP 1995,1063 ff. 85 BGHZ 47, 48 (51 f.); BGH W M 1971, 276 (277); BGH NJW 1972, 152 (153); BGH NJW 1976, 565 (567); BGH NJW 1984, 1746 (1747); BGH NJW 1990, 314 (315); BGHZ 131, 209 (216); BGHZ 132, 328 (332); BGHZ 133, 281 (292 ff.); Emmerich, Leistungsstörungen, § 29 II; Koller, Risikozurechnung, S. 242 f. (bei grundsätzlicher Ablehnung des gängigen Konzepts der Geschäftsgrundlage); MünchKomm-/tor/i § 242 Rdn. 544; Esser IE. Schmidt, 1/2, § 24 III. Allgemeiner Überblick bei Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 130 f. 86 BGHZ 133, 281 (297); Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung bei Geschäftsgrundlagenstörungen, S. 56; Emmerich, Leistungsstörungen, § 29 II 2. 87 Koller, Risikozurechnung, S. 242 f.; MünchKomm-/tor/z § 242 Rdn. 511. 88 Wie dies technisch geschieht, durch Rücktritt/Kündigung, durchrichterlichen Gestaltungsakt oder automatisch, und ob dies zur Nichtigkeit führt, interessiert hier nicht weiter. Siehe dazu Emmerich, Leistungsstörungen, § 29 III; Esser IE. Schmidt, II 2, § 24 III; Soergel- Teichmann § 242 Rdn. 270 ff.
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mehr möglich ist. Es besteht also ein Subsidiaritätsverhältnis, wobei die Vertragsauflösung die ultima ratio darstellt.89 Wie schon der Begriff ultima ratio besagt, wird versucht, möglichst eng am Vertrag zu bleiben und nur die unumgänglichen Eingriffe vorzunehmen.90 Dies wird mit der vertraglichen Bindung91 oder auch unmittelbar mit dem Prinzip der Vertragstreue92 begründet. Daneben beruft sich der BGH auf die Verkehrssicherheit. 93 Für die vorstehend untersuchte Hypothese läßt sich die Rechtslage beim Wegfall der Geschäftsgrundlage dann wie folgt aufschlüsseln: Grundsätzlich erhält der Gläubiger die Leistung. Das Argument, das sich auf die Bindungsfunktion des Vertrags stützt, kann im Sinne der obigen Ausführungen mit dem Vertrauensschutz des Gläubigers erklärt werden. Unter diesem Blickwinkel ist auch der Aspekt der Verkehrssicherheit zu sehen. Die Verkehrserfordernisse verlangen, daß das Vertrauen auf die Leistung nicht enttäuscht wird. Der Gläubiger erhält die Leistung dann nicht, wenn der Vertrag nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn seine Durchführung in jeder denkbaren angepaßten Form für eine Partei unzumutbar wäre. Die Unzumutbarkeit kann den Schuldner oder den Gläubiger betreffen. Wenn die Durchführung für den Schuldner unzumutbar ist, so gehört dies zur obigen Fallgruppe „Unzumutbarkeit". Ist sie für den Gläubiger unzumutbar, so kann davon ausgegangen werden, daß er den Vertrag nicht mehr durchführen will. Deutlich wird dies im Falle der Konstruktion der Anpassung mit anschließendem Rücktrittsrecht für den anderen Teil (hier dann den Gläubiger).94 Aber auch ohne ausdrückliche Erklärung des Gläubigers gilt nichts anderes, denn gegen den Willen der Parteien ist eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht denkbar,95 und daß der dann notwendig begünstigte Schuldner vom Vertrag Abstand nehmen möchte, ist nicht anzunehmen. Hier ist mithin die Fallgruppe „Verzicht" einschlägig.
89 BGH NJW 1951, 836 (837); BGHZ 47, 48 (51 f.); BGH WM 1971, 276 (277); BGH NJW 1976, 565 (567); BGH NJW 1984, 1746 (1747); BGH NJW 1990, 314 (315); BGHZ 120, 10 (26); Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung bei Geschäftsgrundlagenstörungen, S. 56; Emmerich, Leistungsstörungen, § 29 ΠΙ; Medicus, Festschr. Flume, S. 641; MünchKommRoth § 242 Rdn. 544; Esser/£. Schmidt, 1/2, § 24 III; Soergel-Teichmann § 242 Rdn. 266, 270. 90 Vgl. OGHZ 1,62 (69). 91 MünchKomm-/tofÄ § 242 Rdn. 544; Soergel-Te ichmann § 242 Rdn. 266. Ähnlich auch Haarmann, Wegfall der Geschäftsgrundlage, S. 88, was sich freilich mit seinem Ergebnis wenig verträgt. 92 BGHZ 47,48 (52); Koller, Risikozurechnung, S. 242 f. 93 BGHZ 47,48 (52). 94 Oben S. 45. 95 MünchKomm-/toiA § 242 Rdn. 517.
1. Das Behaltensinteresse des Käufers
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Es zeigt sich also, daß auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage die Hypothese stützen, es werde dem Gläubiger nur in den drei genannten Fallgruppen die Leistung versagt. Betrachten wir nun die Gewährleistungsregeln des Besonderen Schuldrechts. Das BGB kennt solche für Kauf, Miete, Werk- und Reisevertrag. Allgemein ist dabei zu berücksichtigen, daß sich hier die Leistung - wegen des die Gewährleistung auslösenden Umstands - nicht (mehr) in dem ursprünglich vom Gläubiger angestrebten Zustand befindet. Gleichwohl handelt es sich noch um „die" Leistung, an der der Gläubiger freilich jetzt sein Interesse verloren haben mag. Die kaufrechtliche Gewährleistung unterscheidet zwischen Rechtsmangel und Sachmangel. Für Rechtsmängel gelten nach § 440 Abs. 1 BGB die allgemeinen Regeln (§§ 320-327 BGB), die bereits oben für Unmöglichkeit und Verzug besprochen wurden.96 Der Gläubiger behält also zunächst seinen Erfüllungsanspruch. Er kann nach § 325 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn der Mangel nicht behebbar ist. Nach Wahl kann er dabei den Gegenstand behalten und nur Ersatz für den Mangel verlangen oder aber den Gegenstand zurückgeben und den Schadensersatz für die gesamte Leistung geltend machen.97 Ist der Mangel behebbar, bleiben ihm die schon besprochenen Rechte aus Verzug. Der Gläubiger erhält also auch hier die Leistung, sofern er sie nicht über das Verlangen von Schadensersatz für die gesamte Verbindlichkeit oder Rücktritt ablehnt. Im Falle eines Sachmangels hat der Käufer nach § 462 BGB die Wahl zwischen Wandelung und Minderung. Im Falle der Wandelung erhält er die Leistung nicht, weil er sie nicht will. Wenn auch ein Schadensersatzanspruch nach § 463 BGB besteht, so gilt dasselbe wie oben: Der Käufer kann nach Wahl den „kleinen" oder „großen" Schadensersatzanspruch verlangen, das heißt, die Leistung behalten oder zurückgeben.98 Für den Gattungskauf gibt § 480 BGB zusätzlich einen Anspruch auf Nachlieferung, also auch auf die Leistung. Damit findet sich auch für das Kaufrecht die Hypothese bestätigt. Dem Gläubiger bleibt die Leistung erhalten, es sei denn, sie ist unmöglich oder er möchte sie nicht mehr. Das Problem, daß die subjektive Leistungsäquivalenz durch den Mangel des Kaufgegenstands gestört ist, versucht die Rechtsordnung durch die Figur der Minderung zu lösen. Eine ähnliche Funktion nimmt der „kleine" Schadensersatz wahr. Diese Instrumente sollen sicherstellen, daß der Leistungsaustausch trotz der Störung weiterhin durchgeführt werden kann. Ähnlich verhält es sich im Mietrecht. Ein Mangel der Mietsache beeinträchtigt grundsätzlich nicht den Erfüllungsanspruch (§ 536 BGB). Auch hier bemüht sich das Gesetz um die Aufrechterhaltung der Vertragsäquivalenz durch die Minderung bzw. im Extremfall Aufhebung der Mietzahlungspflicht (§ 537 BGB). Einer 96 Oben S. 44. 97 Staudinger / Köhler § 440 Rdn. 37 ff. 98 Palandt-Putzo § 463 Rdn. 18 f. m. w. N.
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III. Interessenlage
Förderung des Leistungsaustauschs dient auch das Selbsthilferecht nach § 538 Abs. 2 BGB. Der Mieter erhält die Leistung nicht, wenn er von den Kündigungsrechten in §§ 542, 544 BGB Gebrauch macht. Daneben sind für den Fall der Unmöglichkeit die oben" besprochenen allgemeinen Regeln anzuwenden.100 Somit finden sich auch hier die Fallgruppen des Verzichts und der Unmöglichkeit. Ebenso läßt sich auch die Fallgruppe der Unzumutbarkeit nachweisen. Im Mietrecht ist dieser Begriff unmittelbar mit der Unmöglichkeit verknüpft. In der Abgrenzung zum Mangel nach § 537 BGB gilt, daß bei völliger Zerstörung der Mietsache kein Mangel, sondern Unmöglichkeit gegeben ist, was zur Anwendung der allgemeinen Vorschriften führt. 101 Diese Regel muß mit der Herstellungspflicht des Vermieters nach § 536 BGB koordiniert werden. Wenn Unmöglichkeit vorliegt, besteht keine Wiederherstellungspflicht mehr. Praktisch läuft die Bestimmung der Unmöglichkeit deshalb auf die Frage hinaus, wie weit die Herstellungspflicht reicht. Hierzu wurde in ständiger Rechtsprechung das Konzept der Opfergrenze entwikkelt. Wenn diese Grenze überschritten wird, ist die Wiederherstellung als unzumutbar anzusehen und braucht vom Vermieter nicht mehr geleistet zu werden. 102 Es liegt dann ein Fall der mietrechtlichen Unmöglichkeit vor. 103 Die Konsequenz ist, daß der Gläubiger, hier der Mieter, die Leistung nicht erhält. Diese Konstellation fügt sich in das bereits entwickelte Schema ein. Wenn dem Schuldner, hier dem Vermieter, die Leistung wegen der Überschreitung der Opfergrenze nicht mehr abverlangt wird, was mietrechtlich als Unmöglichkeit bezeichnet wird, so liegt ein Fall der Unzumutbarkeit im Sinne der untersuchten Hypothese vor. Auch im Mietrecht findet sich mithin die bereits mehrfach demonstrierte Trias von Unmöglichkeit, Unzumutbarkeit und Verzicht. Im Werkvertragsrecht bleibt dem Besteller der Anspruch auf die Leistung zunächst bis zur Abnahme (§ 640 BGB) 1 0 4 erhalten, da ihm so lange der normale Erfüllungsanspruch nach § 631 BGB zusteht. 99 Oben S. 44. 100 Überblick über die Konstellationen bei Erman Uendrek v. § 537 Rdn. 9 ff. ιοί Staudinger/Emmerich v. § 537 Rdn. 8; Erman/Jendrek v. § 537 Rdn. 9; E. Wolf !Ekkert, Handbuch, Rdn. 229. 102 Näher zum Begriff und zur Bestimmung der Opfergrenze BGH NJW 1959,2300; BGH NJW-RR 1991, 204 (205); OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 849 (850); Staudinger ! Emmerich v. § 537 Rdn. 10; UünchYiomm-Voelskow §§ 535 f. Rdn. 65; Esser ! Weyers, II/1, § 16 II 1 a. 103 BGH NJW 1957,826; BGH NJW-RR 1991,204 (205) m. w. N. aus derRspr.; Staudinger/ Emmerich v. § 537 Rdn. 10; Erman Uendrek v. § 537 Rdn. 9; Palandt-Pwizo § 536 Rdn. 23. 104 Auf die Diskussion über die dogmatischen Wirkungen der Abnahme im Hinblick auf den Erfüllungsanspruch wird hier nicht eingegangen. Siehe Erman/Seiler § 633 Rdn. 23 ff. m. w. N.
1. Das Behaltensinteresse des Käufers
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Die Ausnahmen sind bereits bekannt. Der Besteller bekommt die Leistung nicht im Falle der Unmöglichkeit, was hier freilich voraussetzt, daß auch die Neuherstellung des Werkes nicht möglich ist. 105 Ferner gilt auch vor Abnahme § 633 Abs. 2 S. 3 BGB analog106 (Fall der Unzumutbarkeit). Schließlich kann der Besteller auch schon vor Abnahme zum Mittel der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 634 Abs. 1 S. 1 BGB greifen, 107 wie sich aus § 634 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt. In diese Gruppe (Verzicht) gehört auch der Rücktritt nach §§ 636 Abs. 1, 327 BGB. Schließlich ist hier auch die Kündigung nach § 649 BGB einzuordnen. Nach der Abnahme versucht die Rechtsordnung dem Besteller die Leistung durch den Anspruch auf Mängelbeseitigung (§ 633 Abs. 2 S. 1 BGB) zu erhalten. Ausnahme ist die Unzumutbarkeit gemäß § 633 Abs. 2 S. 3 BGB. Wenn dieses Instrument versagt, weil der Unternehmer nicht (rechtzeitig, § 634 Abs. 1 S. 1 BGB) nachbessert, wird versucht, den gestörten Leistungsaustausch durch das bereits bekannte108 Instrument der Minderung (§ 634 Abs. 1 S. 3 BGB) aufrechtzuerhalten. Entscheidet sich der Besteller für Wandlung (§ 634 Abs. 1 S. 3 BGB) oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 635 BGB), so erhält er die Leistung nicht, es liegt ein Fall des Verzichts vor. Es lassen sich also auch im Werkvertragsrecht dieselben Grundstrukturen zeigen: grundsätzlich Erhalt der Leistung für den Gläubiger, Ausnahmen Unmöglichkeit, Unzumutbarkeit und Verzicht. Betrachten wir noch das Reisevertragsrecht. Auch hier finden sich die bekannten Strukturen. Der Anspruch auf Abhilfe nach § 651c Abs. 2 BGB, entsprechend der werkvertraglichen Nachbesserung, dient auch hier ebenso wie der Anspruch auf Minderung nach § 65 ld BGB dem Ziel, den Leistungsaustausch trotz Störung weiter zu ermöglichen.109 Hierher gehört wohl auch die Regelung des § 651a Abs. 3 BGB, die gleichfalls durch eine elastische Anpassungsmöglichkeit den Fortbestand des Vertrages trotz störender äußerer Einflüsse sichern soll. Der Reisende erhält die Leistung nicht im Falle des Verzichts, als solcher sind hier die Kündigungsmöglichkeiten der §§ 65le, 65lj BGB anzusprechen. In die gleiche Kategorie fallen auch die Rücktrittsmöglichkeiten nach §§ 651a Abs. 4 S. 2, 65Ii BGB. Gleichwohl bemüht sich das Gesetz selbst hier im ersten Fall noch um eine Aufrechterhaltung des Leistungsaustauschs, wenn nicht in der ursprünglichen, so wenigstens in äquivalenter Form, indem es dem Reisenden die Möglichkeit der Teilnahme an einer gleichwertigen anderen Reise nach § 651a Abs. 4 S. 3 BGB einräumt.
105 106 107 los
Erman/Seiler § 633 Rdn. 45; Palandt-77wmm / Dönne we g § 826 Rdn. 82a; Hübner, BGB AT, Rdn. 851; St. Lorenz, NJW 1999, 1002; Medicus, EWiR § 249 BGB 1/89, 20; MünchKomm-Mertens § 826 Rdn. 68; Willemsen, AcP 182 (1982), 553; wohl auch Messer, Festschr. Steindorff, S. 754. 137 Bruschwitz, Schadensersatz, S. 45; Geppert, JherJb 64 (1914), 454; Lieb, Festschr. Uni Köln, S. 266; Matthiessen, JW 1908,63 („praktisch nicht zu führen"); Oertmann, BGB, § 463 Anm. 5 b ß; Tiedtke, Festschr. Felix, S. 491 (bezogen auf das untersuchte Mietkaufmodell); ders., DB 1989, 1322. 138 RG Gruchot 67, 180 (186); BGHZ 69, 53 (58); BGH NJW 1989, 1793 (1794); BGHZ 114, 87 (94); OLG Karlsruhe OLGZ 1980, 225 (227); J. Baur, BB 1979, 386 („läßt sich ... nicht exakt feststellen"; geht aber offenbar doch von der Möglichkeit eines Beweises aus); MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 202 („in Ausnahmefällen ... vorstellbar"); Fuchs, DJZ 1914, 915 („schwierig"); Grigoleit, Informationshaftung, S. 201 („schwerwiegende ... Probleme"); Hiddemann, ZGR 1982, 448; Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 262; Kiethe, DStR 1995, 1762; Krauße, JW 1929, 557 („äußerst seltene Fälle"); Lange, Schadensersatz, § 5 III 2 („sicherlich nicht leicht zu führen"); ders., WM-Sonderbeil. 7/1990, S. 14 („nicht gerade leicht zu führen"); St. Lorenz, Unerwünschter Vertrag, S. 80; ders., NJW 1999, 1002 („schwierig"); Gerd Müller, ZIP 1993, 1047; Oertmann, BGB, § 123 Anm. Β 4 a α („steht in der Regel dahin"; etwas anders aber oben Fn. 137); Riehl, Gruchot 60, 809 („regelmäßig nicht leicht nachzuweisen") - vgl. auch unten Fn. 141; Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 302 („scheitert [vielfach]"); Hölters /Semler VI Rdn. 134 („nur schwer zu erbringen"); Heinr. Stoll, JW 1933, 35 („wohl kaum je zu erbringen"); Wezel, Dolus causam dans, S. 39 f.; Willemsen, AcP 182 (1982), 553 („wird sich häufig nicht erbringen lassen"). 139 BGHZ 69,53 (58); BGH NJW 1989,1793 (1794); BGHZ 114, 87 (94); OLG Karlsruhe OLGZ 1980, 225 (227). Auch v. Heymann, Bankenhaftung, ΧΠ 4 d; Hiddemann, ZGR 1982,448. 140 Dazu gleich mehr.
2. Die herkömmliche Konstruktion
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Das Problem wurzelt darin, daß es sich bei der Bereitschaft des Verkäufers, einen anderen Preis zu akzeptieren, um einen Ausschnitt aus dem „menschlichen Seelenleben", also eine innere Tatsache142 handelt. Bei diesen ergeben sich Beweisschwierigkeiten. Ein Beweis von inneren Tatsachen ist nur möglich entweder indirekt durch Rückschlüsse aus dem zutage getretenen Verhalten der Parteien 143 oder direkt durch Partei Vernehmung144. Normalerweise werden keine Anhaltspunkte im Verhalten des Verkäufers vorliegen. Eher wird man davon ausgehen müssen, daß der Verkäufer zu einem anderen Preis nicht verkauft hätte.145 Aber auch wenn der Verkäufer tatsächlich bereit gewesen sein sollte, zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen, ist selbst im Falle einer Parteivernehmung sein Risiko, überführt zu werden, falls er die Unwahrheit sagt, nur sehr gering. Mit der Erklärung des Verkäufers, er hätte das Geschäft nicht zu einem niedrigeren Preis abgeschlossen, gelangen die Erkenntnismöglichkeiten an einen Endpunkt.146 Deshalb wird man die Aussichten, einen solchen Beweis fuhren zu können, als jedenfalls nicht sehr groß einzuschätzen haben. Zwar wird im Schrifttum behauptet, es gebe einige Entscheidungen, in denen ein solcher Nachweis geführt wurde. 147 Bei näherer Prüfung erweist sich diese Aussage aber als zweifelhaft. Eine der erwähnten Entscheidungen betrifft die vorliegende Problematik überhaupt nicht. 148 Zwei befassen sich mit der Figur des Alternativgeschäfts, 149 für das aber, wie oben gezeigt wurde, 150 besondere Regeln gelten. Die übrigen betreffen Fälle, in denen der BGH als Revisionsgericht die Annahme für naheliegend hielt, daß ein entsprechender Vertrag zustande gekommen wäre. 151 Die Fälle wurden je141 Nach Riehl, DJZ 1913, 383 kann der Nachweis „bei Sachen mit Markt- oder Börsenpreis ab und an gelingen". Dann allerdings wird meist schon die Figur vom Alternativgeschäft helfen, siehe oben S. 72 ff. Hagen, WM-Sonderbeil. 5/1993, S. 26 sieht immerhin nur „Beweisschwierigkeiten". 1 42 Vgl. die gängige Definition der „inneren Tatsache" bei Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einf § 284 Rdn. 20; Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 49 VI; MünchKomm-ZPO-Prütting § 284 Rdn. 40. 143 BVerfG NJW 1993,2165 (2165 f.). 144 Rosenberg / Schwab / Gottwald § 11311. 145 Sojedenfalls RGZ 103,47 (51) (,/egelmäßig"); RG Gruchot 67, 180 (185 f.); Braschwitz, Schadensersatz, S. 48; Locher/ Koeble, Baubetreuung, Rdn. 158; Georg Müller, Informationspflichten, S. 201; ähnlich Kiethe, DStR 1995, 1762; H. WernerIMachunsky, Rechte geschädigter Kapitalanleger, 14 G ΠΙ 2 b aa. Vgl. ferner BGH NJW 1998,2900 (2901); Tiedtke, JZ 1990,1078. 146 Vgl. RGZ 103,47 (52). 147 MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 202 Fn. 506. 148 RGZ 151, 357. 149 BGH W M 1983, 1385; BGH NJW 1988,2234. 150 Siehe oben S. 72 ff. 151 BGH NJW 1965, 812 (814 f.); BGH W M 1965,674 (675); BGH NJW 1972,822 (824).
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IV. Gesetzliche Vorgaben
doch zur konkreten Prüfung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, so daß eine endgültige Aussage über das Gelingen des Beweises auf der Grundlage der Revisionsentscheidung nicht möglich ist. In jedem Fall handelt es sich um seltene Ausnahmen. Als Fazit kann damit festgehalten werden, daß der Beweis eines hypothetischen Kaufvertrages zu einem anderen Preis allenfalls in Ausnahmefällen zu führen ist. Wenn der Versuch der Durchsetzung eines Anspruchs auf kaum überwindliche Beweisschwierigkeiten stößt, so bedeutet dies, daß der Anspruch leerläuft und bedeutungslos wird. Das gilt auch in der vorliegenden Konstellation.152 Angesichts der oben getroffenen Feststellung, daß das Bestehen des Anspruchs von dem System der Schuldrechtsordnung aber gefordert wird, 153 ist dieses Ergebnis inakzeptabel. 154 Damit stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus diesem Befund zu ziehen sind. bb) Wenn ein Anspruch, der materiell-rechtlich in der Rechtsordnung vorgesehen ist, regelmäßig aufgrund von Beweisschwierigkeiten nicht durchgesetzt werden kann, entsteht eine Konfliktsituation zwischen materiellem Recht und Beweisrecht. 155 Sie muß aufgelöst werden, weil sonst die Gefahr besteht, daß das Beweisrecht das materielle Recht faktisch derogiert. Das Erfordernis eines Vollbeweises erweist sich in solchen Situationen als problematisch.156 Die Rechtsprechung behilft sich des öfteren mit einer Beweislastumkehr, insbesondere in den Fällen der Arzthaftung und der Produkthaftung. 157 Diese Fälle unterscheiden sich von der vorliegenden Konstellation aber in einem wesentlichen Aspekt. Dort geht es um die Verantwortung für einen feststehenden Schaden. Hier dagegen steht die Verantwortung fest, fraglich ist hingegen der Schaden. Die Konsequenz einer Beweislastumkehr wäre hier, daß der Käufer nahezu beliebig einen Preis vortragen könnte, zu dem der Kaufvertrag angeblich abgeschlossen worden wäre. 158 Der Verkäufer müßte dann beweisen, daß er zu diesem Preis nicht abgeschlossen haben würde. Zwar dürfte ihm dieser Beweis etwas leichter 152 Sonnabend, Typen der c. i. c., S. 99; Wezel, Dolus causam dans, S. 39 f. („leblose Figur"). 153 Siehe oben S. 61. iw Vgl. auch Hölters/S*m/er VI Rdn. 134. 155 Zum Zusammenhang von materiellem Recht und Beweislast grundlegend Hans Stoll, AcP 176 (1976), 146 f. u. passim. 156 Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 50 VII; Stein / Jonzs-Leipold § 286 Rdn. 48; MünchKomm-IPO-Prütting § 286 Rdn. 124; Schlosser, Zivilprozeßrecht I, Rdn. 366; aus früherer Zeit Titze, Verschulden beim Vertragsschluß, in: HdR VI, S. 519. 157 Dazu allgemein Rosenberg / Schwab / Gottwald § 117 II 6; Münch Komm-ZPO-PrwYting § 286 Rdn. 119 ff.
158 Vgl. zum Problem bereits oben S. 79.
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fallen als dem Käufer der entsprechende positive Beweis, gleichwohl wäre es dadurch dem Käufer oft möglich, einseitig den Umfang des zu ersetzenden Schadens zu bestimmen.159 Dies führt dazu, daß in der vorliegenden Konstellation eine Beweislastumkehr schon vom Ergebnis her ausscheidet.160 Vorgeschlagen wurde stattdessen eine Herabsetzung der Anforderungen an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs. 161 Dies könnte geschehen durch Heranziehung der Figur des Anscheinsbeweises,162 durch eine allgemeine Herabsetzung des Beweismaßes für die Kausalität, schließlich durch Anwendung von § 287 ZPO 1 6 3 oder von § 252 BGB 1 6 4 . Die Heranziehung des Anscheinsbeweises setzt einen entsprechenden Erfahrungssatz voraus. 165 Es müßte hier also einen Erfahrungssatz geben, der eine Aussage darüber trifft, ob, und wenn ja, zu welchem Preis ein Vertrag über einen Kaufgegenstand zustande gekommen wäre, wenn der Verkäufer pflichtgemäß aufgeklärt hätte. Auf diese Frage wurde in etwas anderem Gewände bereits oben eingegangen im Zusammenhang mit dem Abschluß des tatsächlichen Vertrages. 166 Dort wurde festgestellt, daß ein Erfahrungssatz dahingehend begründet ist, daß der Käufer den Vertrag so nicht abgeschlossen haben würde. Es wurde aber auch festgestellt, daß dies nur deshalb möglich ist, weil eine eindeutige Entweder-Oder-Konstellation besteht (Abschluß oder Nichtabschluß). Hier aber liegt der Fall anders. Es müssen zwei Anwendungen des Anscheinsbeweises unterschieden werden. Die eine Anwendung bezieht sich auf die Möglichkeiten Abschluß oder Nichtabschluß durch den Verkäufer. Hier liegt zwar noch eine Entweder-Oder-Situation vor. Eine Aussage darüber, ob der Verkäufer vermutlich auch zu einem niedrigeren Preis abgeschlossen hätte, läßt sich aber bereits nicht mehr treffen. Wenn über159 Willemsen, AcP 182 (1982), 553. 160 So im Ergebnis auch Grigoleit, Informationshaftung, S. 202. Messer, Festschr. Steindorff, S. 754 unterstellt in der vorliegenden Konstellation dem BGH eine derartige Beweislastumkehr. 161 Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 268; Riehl, Gruchot 60, 813. Vielleicht auch im Sinne einer Beweiserleichterung RG Recht 1927 Nr. 1396 („wenn die Annahme gerechtfertigt ist"). 162 Für einen Anscheinsbeweis jedenfalls der Sache nach wohl Heinr. Stoll, JW 1933, 35. 163 Dafür in diesem Zusammenhang Messer, Festschr. Steindorff, S. 754; anscheinend auch Baumbach /Hopt v. § 1 Rdn. 47; vielleicht auch Picot, Unternehmenskauf, I Rdn. 93. Dieser Einsatz von § 287 ZPO ist von der Heranziehung der Vorschrift durch den BGH zu unterscheiden, dazu unten S. 130. 164 So Wezel, Dolus causam dans, S. 44, allerdings in etwas anderem Begründungszusammenhang. Erwogen auch von Canaris, ZGR 1982,422. 165 Vgl. oben S. 78. 166 Siehe oben S. 80.
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IV. Gesetzliche Vorgaben
haupt, so wird man eher davon auszugehen haben, daß der Verkäufer nicht abgeschlossen hätte. 167 Selbst wenn empirisch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür begründet werden könnte, daß der Verkäufer vermutlich auch zu einem niedrigeren Preis abgeschlossen hätte, so würde dies nicht ausreichen. Denn es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß ein Anscheinsbeweis schon dann ausscheidet, wenn von zwei Möglichkeiten die eine als (nur) wahrscheinlicher anzusehen ist als die andere. 168 Dies folgt daraus, daß ein Erfahrungssatz von hinreichender Stärke bestehen muß. Mehr als eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit" dafür, daß der Verkäufer auch zu einem niedrigeren Preis abgeschlossen haben würde, läßt sich aber keinesfalls mehr annehmen. Selbst die Überwindung dieses Hindernisses würde angesichts der zweiten Anwendung des Anscheinsbeweises noch keinen entscheidenden Fortschritt bringen. Denn auch wenn man davon ausgeht, daß der Verkäufer auch zu einem niedrigeren Preis abgeschlossen hätte, so wäre immer noch keine Aussage darüber möglich, zu welchem Preis dies geschehen wäre. 169 Hier eröffnet sich eine nahezu unendliche Vielzahl von Möglichkeiten.170 Die Heranziehung des Anscheinsbeweises im vorliegenden Zusammenhang scheidet darum aus. Auf die gleichen Schwierigkeiten stößt man, wenn man eine generelle Herabsetzung des Beweismaßes für den Bereich der Kausalität bejaht.171 Denn auch wenn man die „überwiegende Wahrscheinlichkeit" als Beweismaß genügen läßt, 172 müßte man zum einen annehmen, es sei überwiegend wahrscheinlich, daß der Verkäufer auch zu einem niedrigeren Preis abgeschlossen hätte. Dies ist sehr zweifelhaft. 173 Fernerhin ist es, wie ebenfalls oben gezeigt, unmöglich, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Preis anzugeben, zu dem das Geschäft dann zustandegekommen sein sollte. Deshalb hilft auch eine derartige Beweismaßreduktion nicht weiter. Es bleibt zu untersuchen, ob sich aus § 287 ZPO hier weitergehende Möglichkeiten gewinnen lassen.
167 Siehe oben S. 85. 168 BGHZ 24, 308 (313); BGH NJW 1964, 1176; BGH NJW 1966, 1263 (1264) (danach soll sogar nicht genügen, daß eine Möglichkeit „erheblich wahrscheinlicher" als eine andere ist); BGH NJW-RR 1988,789 (790). 169 Bruschwitz, Schadensersatz, S. 45; Kiethe, DStR 1995,1762. Ablehnend auch Canaris, ZGR 1982,421; Grigoleit, Informationspflichten, S. 202. 170 Deswegen hilft auch der Ansatz von BGH NJW 1996, 312 (314), es sei von der für den Anspruchsteller ungünstigsten Möglichkeit auszugehen, nicht weiter. Eine sinnvolle Untergrenze läßt sich nicht angeben. 171 So MünchKomm-ZPO-Prüttwg § 286 Rdn. 46. 172 So MünchKomm-ZPO-Prwtfwg § 286 Rdn. 46. 173 Siehe oben S. 85.
2. Die herkömmliche Konstruktion
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Nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Gericht über Entstehung und Umfang eines Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheiden. Die Vorschrift bietet die Möglichkeit, den hypothetischen Kausalverlauf nach der Lebenswahrscheinlichkeit abzuschätzen.174 Insofern erscheint sie als für die vorliegende Konstellation einschlägig. Die genaue Reichweite ihrer Anwendbarkeit ist allerdings heftig umstritten. Fest steht jedenfalls, daß die Tatbestandsverwirklichung der Anspruchsnorm vollständig, also nach § 286 ZPO, zu beweisen ist. 175 Dies wäre hier die Verletzung der Aufklärungspflicht. Weitgehende Einigkeit besteht auch darüber, daß die haftungsbegründende Kausalität ebenfalls vollständig zu beweisen ist. 176 Fraglich ist aber, welche Bedeutung dies für vertragliche Pflichtverletzungen hat, zu denen typologisch hier auch die culpa in contrahendo als quasivertragliche Anspruchsgrundlage zu zählen ist. Die Schwierigkeit rührt daher, daß die Terminologie der „haftungsbegründenden" und „haftungsausfüllenden" Kausalität aus dem Bereich des Deliktsrechts stammt. Eine haftungsbegründende Kausalität ist bei vertraglichen Pflichtverletzungen, vor allem bei Verhaltenspflichten, nicht ohne weiteres zu identifizieren. Es wird gleichwohl auch für den vertraglichen Bereich angenommen, daß eine Beeinträchtigung des jeweiligen Rechtsguts vollständig bewiesen werden müsse.177 In dieselbe Richtung geht die Rechtsprechung des BGH, die ein ,3etroffensein" verlangt. 178 Dies führt zu der Frage, auf welches Rechtsgut abzustellen ist, wenn die Anspruchsnorm keine spezielle Rechtsgutsverletzung voraussetzt. Man mag dieses Problem lösen, indem man annimmt, jede Anspruchsnorm schütze irgendein Einzelinteresse, im Falle der Aufklärungspflicht sei dies die Vereitelung der Erwerbschance. 179 Teilweise wird auch der umgekehrte Weg gegangen, wonach mangels ausdrücklich geschützten Rechtsgutes bloß auf die Pflichtverletzung an sich abzustellen sei. 180
174 Rosenberg / Schwab / Gottwald § 1161. 175 Stein/Jonas-Leipold § 287 Rdn. 11; MünchKomm-ZPO-Prwttwg § 287 Rdn. 8. 176 BGH NJW-RR 1987, 1019 (1020); BGH NVwZ-RR 1989, 600 (602); BGH NJW-RR 1989, 1401 (1403). Vgl. Rosenberg/Schwab ! Gottwald § 116 II 3; MünchKomm-ZPO-PrwYting § 287 Rdn. 10 m. w. N. 177 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 116 II 3; Stein f Joms-Leipold § 287 Rdn. 15; MünchKomm-TPO'Prütting § 287 Rdn. 10. 178 BGH VersR 1965, 91 (92). Vgl. auch BGH NJW 1987,705 (706). 179 So Hans Stoll, AcP 176 (1976), 188 ff. 180 BGH VersR 1975, 540 (541). Im Ergebnis auch BGH NJW 1993, 734; Arens, ZZP 88 (1975), 25 f.; Hanau, Kausalität, S. 121 (gegen diesen Hans Stoll, RabelsZ 36 [1972], 582); zurückhaltend Stodolkowitz, VersR 1994, 14. Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man von vornherein annimmt, daß die Kausalität schlechthin unter § 287 ZPO falle, so Maassen, Beweismaßprobleme, S. 97 ff.
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IV. Gesetzliche Vorgaben
Das Problem bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Stellt man auf die bloße Pflichtverletzung ab, so ist offensichtlich, daß der hypothetische Kausalverlauf unter §287 ZPO fällt. Verlangt man eine Rechtsgutsverletzung oder ein „Betroffensein", so muß man auf die Willensbildung des Käufers abstellen, die durch die falsche Information beeinträchtigt wurde. Deren Beeinträchtigung mag nach § 286 ZPO zu beweisen sein, was dadurch zu zeigen wäre, daß der Käufer den Vertrag zu diesem Preis nicht abgeschlossen haben würde. Ein derartiger Beweis wird durchaus möglich sein, wie gezeigt wurde. 181 Problematisch ist hier weniger das Verhalten des „betroffenen" Käufers, sondern das des Verkäufers. Dieses „betrifft" dann den Käufer nicht unmittelbar, sondern liegt außerhalb dessen Sphäre. Folglich wird das Verhalten des Verkäufers nicht erfaßt. Auch bei dieser Sichtweise gelangt man daher zur Anwendbarkeit von § 287 ZPO auf den hypothetischen Kausalverlauf, jedenfalls soweit er das Verkäuferverhalten betrifft. 182 Zu untersuchen ist dann, welche Folgerungen sich aus der grundsätzlichen Anwendbarkeit183 von § 287 ZPO für die vorliegende Fallkonstellation ergeben. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO ermöglicht eine richterliche Schadensschätzung. Diese Schätzung tritt an die Stelle der tatsächlichen Ermittlung (§ 286 ZPO, notfalls unter Zuhilfenahme der Beweislast) des fiktiven Kausalverlaufs. Zwar braucht dieser Kausalverlauf nicht notwendig exakt ermittelt werden, das liegt in der Natur der Schätzung, jedoch ergibt sich aus dieser Funktion, daß das Ergebnis der richterlichen Schätzung dem tatsächlichen Verlauf so nahe wie möglich kommen soll. 184 Daraus folgt weiterhin, daß das Vorgehen nach § 287 ZPO keine Ermächtigung zu beliebiger Festsetzung eines Schadens bedeutet.185 Um die Gefahr der Beliebigkeit zu vermeiden, müssen deswegen tatsächliche Grundlagen vorhanden sein, auf denen die Schätzung aufbauen kann. Auf Basis dieser Grundlagen ist durch Anwendungrichterlichen Ermessens zu schätzen, wie sich die Dinge weiterentwickelt hätten. Damit dies möglich ist, müssen „greifbare Anhaltspunkte" vorliegen, die eine hinreichend tragfähige Grundlage abgeben, da-
181 Siehe oben S. 76 ff. 182 Im Ergebnis für den hypothetischen Kausalverlauf bejahend auch BGH NJW-RR 1995, 248 (249). Speziell für die Herabsetzung der Gegenleistung Grigoleit, Informationshaftung, S. 202 f. 183 Der Anwendbarkeit steht nicht entgegen, daß BGH NJW 1977,1538 (1539) das vorliegende Problem dem Bereich des Grundurteils nach § 304 ZPO zuweist. Die Abgrenzung zwischen Grund und Betrag ist nicht identisch mit der für § 287 ZPO maßgeblichen. Zu diesem ebenfalls unklaren Problem MünchKomm-ZPO-Musielak § 304 Rdn. 15 ff. 184 BGH NJW 1964, 589; BGHZ 91, 243 (256); BGH NVwZ-RR 1989, 600 (602); BGH NJW-RR 1993, 795 (796); Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 287 Rdn. 26,30. 185 Esser IE. Schmidt, 1/2, § 33 VI 1 b. Vgl. BGH NJW 1995,1023 (1024).
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mit die Schätzung nicht „in der Luft hängt".186 Sind diese nicht gegeben, so muß die Schätzung abgelehnt und die Klage abgewiesen werden. 187 Um zu einer Verbindung von der Ausgangssituation zu einem Endzustand zu gelangen, bedarf es für die Ermittlung des hypothetischen Kausalverlaufs ferner gewisser typischer Verläufe, auf die bei der Schätzung zurückgegriffen werden kann. 188 Auch das Vorliegen solcher TVpizitäten gehört daher zu den notwendigen Anhaltspunkten. Genau daran fehlt es jedoch in der vorliegenden Fallkonstellation. Wie bereits oben ausgeführt, 189 kann hier kein typischer Verlauf festgestellt werden. Schon gar nicht ist dies ein Verlauf, bei dem angenommen werden müßte, daß ein Vertrag zustande gekommen wäre, denn sofern man überhaupt eine Aussage treffen kann, so ist als wahrscheinlicher anzusehen, daß der Verkäufer sich nicht auf einen Vertrag zu einem anderen Preis eingelassen hätte. 190 Da sich die Schätzung aber an der wahrscheinlichsten Konstellation zu orientieren hat, 191 müßte sie dann eine Rückabwicklung zugrunde legen. Günstigstenfalls ist die Aussage möglich, daß keine Aussagen über den hypothetischen Verlauf gemacht werden können. Nähme man dennoch eine Schätzung vor, so wäre dies gerade eine „ins Blaue" hinein, die nicht zulässig wäre. Selbst wenn sich aus irgendwelchen Anhaltspunkten entnehmen ließe, daß im konkreten Fall doch ein Geschäft zustandegekommen wäre, so würde es auch für die Bestimmung des Preises an greifbaren Anhaltspunkten fehlen, denn ein Marktpreis wird typischerweise nicht vorhanden sein, da ansonsten bereits die Figur vom Alternativgeschäft eingreifen wird. 192 § 287 ZPO hilft darum in der vorliegenden Konstellation nicht weiter. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch eine Entscheidung des BGH, in der darum gestritten wurde, ob im hypothetischen Kausalverlauf eine Bank einen bestimmten 186 BGH NJW 1964, 589; BGHZ 54,45 (55); BGHZ 91,243 (257); BGH NJW 1987,909 (910); BGH NJW 1988, 3016 (3017); BGH NJW-RR 1992,997 (998); BGH NJW 1993,734; BGH NJW 1994, 663 (665); BGH NJW-RR 1995, 248 (250) („gewisse gesicherte Grundlagen"); BGH NJW 1995,1023 (1024); BGH NJW 1995, 2227 (2228); BGH NJW 1997, 1640 (1641); Rosenberg/ Schwab /Gottwald § 116 II 2; Hartmann, in: Baumbach /Lauterbach /Albers/Hartmann, § 287 Rdn. 27, 30; MünchKomm-ZPO-Pritomg § 287 Rdn. 14. 187 BGHZ 54, 45 (55); MünchKomm-ZPO-Prwm'ng § 287 Rdn. 28 (formuliert allerdings: „kann" abgelehnt werden). Nach Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 287 Rdn. 28 soll die allgemeine Überzeugung des Gerichts genügen, daß ein Schaden entstanden sei. Freilich ist dann zu fragen, wie dieser Schaden bestimmt werden soll. Anders auch Rdn. 27, wonach eine Schätzung nicht möglich ist, wenn die Höhe des Schadens völlig unklar ist. 188 Esser/£. Schmidt, 1/2, § 33 V I I b. 189 Siehe oben S. 87. 190 Ebenfalls bereits oben S. 85. 191 Siehe oben S. 90. Vgl. auch BGH NJW 1995,1023. 192 So im Ergebnis auch Grigoleit, Informationshaftung, S. 203.
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IV. Gesetzliche Vorgaben
Kredit gewährt haben würde oder nicht. 193 Der BGH erklärte lakonisch, für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Dritter einen bestimmten Willensentschluß getroffen hätte, gewähre § 287 ZPO keine Beweiserleichterung.194 Dies ist insofern bemerkenswert, als in dieser Entscheidung nur zwei mögliche Folgen zur Auswahl standen: der Kredit wäre gewährt worden oder nicht. In der hier untersuchten Konstellation hingegen steht zusätzlich noch eine unbegrenzte Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten eines eventuell zustande gekommenen Vertrages im Raum. § 252 S. 2 BGB sieht ebenfalls eine Beweiserleichterung vor. 195 Sie steht jedoch in engem Zusammenhang mit § 287 ZPO. 1 9 6 Dierichterliche „freie Überzeugung" nach § 287 ZPO wird kaum zu einem anderen Ergebnis als zu dem „mit Wahrscheinlichkeit" zu erwartenden Kausalverlauf gelangen. Der Maßstab für beide Vorschriften ist gleich. 197 Deshalb kann § 252 S. 2 BGB unabhängig davon, ob sich der erhoffte fiktive Vertragsschluß als „entgangener Gewinn" ansehen läßt, aus den gleichen Erwägungen wie bei § 287 ZPO nicht eingreifen. 198 Die Probleme bei der Beweisführung sind mithin in der vorliegenden Fallkonstellation, da auch § 287 ZPO und § 252 BGB nicht weiterführen, mit herkömmlichen dogmatischen Mitteln nicht zu lösen. Da der Ansatz über den hypothetischen Kausalverlauf sich damit als ungeeignet erweist, erübrigt sich auch die oben offengelassene Frage, wie vorzugehen wäre, wenn der Käufer selbst diesen hypothetischen Kausalverlauf leugnet, indem er vorträgt, in Kenntnis der Umstände das Geschäft überhaupt nicht geschlossen zu haben. cc) Angesichts dieser Hindernisse beschreitet der BGH denn auch an dieser Stelle einen anderen Weg. 199 Er versucht gar nicht erst, über die Beweisschwierigkeiten durch Änderungen der Beweislast oder des Beweismaßes hinwegzukommen. Stattdessen greift er zu einer radikalen Lösung: Er verzichtet vollständig auf den 193 BGH NJW 1985, 3080. 194 BGH NJW 1985, 3080 (3082). Zwar ist bei dieser Entscheidungfraglich, ob überhaupt der Anwendungsbereich von § 287 ZPO eröffnet war, da nicht unmittelbar die haftungsausfüllende Kausalität in Streit stand, sondern das Vorliegen tatsächlicher Voraussetzungen des Betroffenseins des Normzwecks zweifelhaft war. Der BGH geht jedoch ersichtlich von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Vorschrift aus. 195 Um eine solche handelt es sich trotz des mißverständlichen Wortlauts; BGHZ 29, 393 (397 f.); BGH NJW 1983, 758; Brox, AllgSR, Rdn. 341; MünchKomm-Grunsky § 252 Rdn. 9; Palandt-Heinrichs § 252 Rdn. 2. 196 Der BGH formuliert, sie bestehe ,4m Rahmen" von § 287 ZPO; BGHZ 29, 393 (398); BGH JZ 1961, 27 (28). 197 MünchKomm-GrwjwAy § 252 Rdn. 8; Erman /Kuckuk § 252 Rdn. 10; Lange, Schadensersatz, § 6 X 1; Staudinger/Schiemann § 252 Rdn. 18; Steffen, VersR 1985, 608. Vgl. auch BAG NJW 1972, 1437; BGH NJW 1995, 1023; BGH NJW 1997, 941, wo die beiden Vorschriften ständig in einem Atemzug genannt werden. 198 Canaris , ZGR 1982,422. 199 Vgl. hierzu zunächst bereits oben S. 19 ff.
2. Die herkömmliche Konstruktion
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Beweis und damit auf die Feststellung des hypothetischen Kausalverlaufs als Anspruchsvoraussetzung. 200 Konsequenz dieser Sichtweise ist, daß es schon gar keiner Behauptung des Klägers bedarf, ein solcher Vertrag wäre zustande gekommen. 201 Deswegen wäre es auch irrelevant, wenn der Verkäufer beweisen könnte, daß er nicht zu dem niedrigeren Preis abgeschlossen hätte. Selbst wenn ausnahmsweise auch der Käufer den Vertrag zu dem niedrigeren Preis nicht akzeptiert hätte, spielt das konsequenterweise keine Rolle. Bleibt man im Bild des fiktiven Kausalverlaufs, so geht es, prozessual formuliert, zunächst darum, dem Verkäufer den Einwand abzuschneiden, er hätte zu dem avisierten Preis nicht abgeschlossen. Der Käufer wird, wie der B G H formuliert, „so behandelt, als wäre es ihm gelungen, den Vertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen". 202 Es handelt es sich dabei um eine Fiktion, 2 0 3 nämlich um die Konstruktion eines fiktiven Vertrags als Ergebnis eines nur vorgestellten, aber nicht „realen" fiktiven Kausalverlaufs. 204 M i t dieser Fiktion wird von der herkömmlichen, sich aus § 249 S. 1 BGB ergebenden Methode, den Umfang des zu ersetzenden Schadens zu ermitteln, abgewichen. 205
200 st. Rspr.: BGHZ 69, 53 (58); BGH NJW 1980, 2408 (2409); BGH NJW-RR 1989, 150 (151); BGH NJW-RR 1989, 306 (307); BGH NJW 1989, 1793 (1794); BGHZ 114, 87 (94); BGH NJW-RR 1992,91 (92); BGH NJW 1993,1323 (1325); BGH NJW-RR 1996,690; auch OLG Karlsruhe OLGZ 1980,225 (227); LAG Hessen NZA 1994,884 (886). Damit wird eine alte Rechtsprechung des Reichsgerichts wieder aufgenommen: RG JW 1905, 76 (77); RGZ 63, 110 (112); RG BayZ 1906, 188; RG Recht 1907 Nr. 1034. Im Schrifttum hat diese Konzeption teilweise Zustimmung erfahren: Siehe etwa MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 203; Emmerich, WuB IV A § 459 BGB - 1.89; Geppert, JherJb 64 (1914), 452 ff.; v. Heymann, WuB I G 7-1.89; ders., Bankenhaftung, XII 4 d; Reinicke I Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 691, 693 (anders aber Rdn. 698); Tiedtke, W M 1993, 1228, 1230. Einschränkend PalandtHeinrichs § 276 Rdn. 102. Scharf ablehnend Canaris, Handelsrecht, § 8 II 3 b. 201 BGH NJW 1980,2408 (2410). 202 BGH NJW 1989, 1793 (1794); BGH NJW 1999, 2032 (2034); AK-Dubischar v. §§ 275 ff. Rdn. 59; v. Heymann, DStR 1993, 1150; ders., NJW 1999,1586. Vgl. LAG Hessen NZA 1994, 884 (886). 203 Larenz, SchR I, § 91 a 3. Die Begriffe „fiktiv" und „Fiktion" unterscheiden sich hier in ihrer Bedeutung. Mit dem „fiktiven" Kausalverlauf ist das Ergebnis bzw. der Vorgang gemeint, dessen Ermittlung § 249 S. 1 BGB verlangt. Dieser Verlauf ist jedoch in dem Sinne „real", daß er tatsächlich stattgefunden hätte, wenn das Schadensereignis nicht eingetreten wäre. „Fiktion" bezieht sich dagegen auf ein „nicht-reales" Ergebnis, das sich nicht als Konsequenz eines „realen" fiktiven Kausalverlaufs darstellt, sondern mehr oder weniger frei konstruiert ist. In diesem letzteren Sinne ist die Bedeutung vergleichbar deijenigen der sogenannten „gesetzlichen Fiktionen" wie in §§ 108 Abs. 2 S. 2, 119 Abs. 2, 177 Abs. 2 S. 2, 812 Abs. 2,1923 Abs. 2 BGB, zu diesen Larenz/Canaris, Methodenlehre, 2 / 2 d. 204 Vgl. ablehnend Tiedtke, JZ 1989, 572. Gegen dieses Denkmodell Krauße, JW 1929, 561; aber seine Annahme, es gehe nur um Schadensersatz, nicht um irgendwelche Verträge, vermag noch nicht zu erklären, woher dieser Schadensersatz kommen soll. Eine solche Erklärung werden wir erst unten S. 102 ff. geben. Kritisch auch Hans Stoll, Festschr. Riesenfeld, S. 284 („irreführend").
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IV. Gesetzliche Vorgaben
Damit entsteht ein Begründungszwang für ein derartiges Vorgehen.206 Die Rechtsprechung läßt Begründungen allerdings vermissen.207 Wenn der BGH erklärt, es müsse so vorgegangen werden, „soll der Schaden überhaupt sinnvoll erfaßbar sein", 208 so enthält dies als einzige Rechtfertigung die Behauptung, daß sonst ein Schaden nicht festgestellt werden könnte. Damit ergibt sich ein Zirkel. Als Begründung auf den ersten Blick naheliegend ist der Hinweis auf die Möglichkeit der Minderung nach §§ 459 ff. BGB. Es könnte argumentiert werden, wenn der Käufer dort verschuldensunabhängig die Möglichkeit habe, Minderung zu verlangen, dürfe er bei der verschuldensabhängigen culpa in contrahendo nicht schlechter gestellt werden. Geht man allerdings so vor, werden die Grenzen von culpa in contrahendo und Gewährleistung vollends aufgelöst. 209 Für die Rechtfertigung eines solchen Schritts wäre schon eine sehr zwingende Begründung erforderlieh. 210 Eine andere Erklärung versuchte, bei dem vor allem im Zusammenhang mit § 325 BGB diskutierten Phänomen der Differenz- und Austauschtheorie anzusetzen. 211 Nach der heute herrschenden sogenannten abgeschwächten oder gemäßigten Differenztheorie hat der Gläubiger im gegenseitigen Vertrag bei Unmöglichkeit der Leistung des Schuldners grundsätzlich die Wahl zwischen einem Vorgehen nach der Differenztheorie und der Austausch- oder Surrogationstheorie. Austauschtheorie bedeutet dabei die Erbringung der Leistung des Gläubigers, während an die Stelle der Schuldnerleistung Schadensersatz tritt, typischerweise in Geld. Differenztheorie bedeutet eine Saldierung der Leistungen in Geld, sofern dabei ein Überschuß zugunsten des Gläubigers entsteht, erhält er diesen als Schadensersatz. Es wurde behauptet, eine Analogie zur Differenztheorie könne die Herabsetzung der Gegenleistung begründen. In beiden Fällen gehe es darum, den Herstellungsgrundsatz (§ 249 S. 1 BGB) durch eine Verrechnung auf Geldansprüche zu verdrängen. 212 Schon der Ausgangspunkt dieser Erklärung ist fraglich. Sie geht davon aus, daß die Austauschtheorie die „eigentlich" richtige sei, die durch die Differenztheorie 205 Messer, Festschr. Steindorff, S. 750 f. formuliert drastischer, der Ausgangspunkt, wonach Ersatz des Vertrauensschadens zu gewähren sei, werde „vollends verlassen" (S. 751). 206 Vgl. Messer, Festschr. Steindorff, S. 752; Tiedtke, Festschr. Felix, S. 497; ders., JZ 1989, 572. Schlichtes Urteil von Bruschwitz, Schadensersatz, S. 47 aus früherer Zeit: „unzulässig". 207 Vgl. etwa Canaris, ZGR 1982, 421, der die Auseinandersetzung mit dem BGH durch das Fehlen einer Begründung „sehr erschwert" sieht. 208 BGHZ 69,53 (58). Ebenso OLG Karlsruhe OLGZ 1980, 225 (227). 209 So mit Recht Canaris, ZGR 1982,422. 210 Näher zum Problem der Ähnlichkeit von Gewährleistung und c. i. c. unten S. 144 ff. 211
Überblick über den Inhalt der Theorien und weiterführendes Schrifttum bei MünchKomm-Emmerich § 325 Rdn. 67 ff. 212 So die Begründung bei Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 263 ff.
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aufgrund anderer Erwägungen verdrängt werde. Dies trifft nur insoweit zu, als man § 249 S. 1 BGB hier isoliert betrachtet. Dann ist in der Tat der Endzustand des fiktiven Kausalverlaufs derjenige, in dem der Gläubiger seine Leistung erbracht haben würde. Zieht man allerdings das Prinzip des Synallagmas zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB) mit heran, so erscheint es auch als völlig normal, daß der Gläubiger seine Leistung ebenfalls nicht mehr erbringen muß. Von einer „Verdrängung" kann dann keine Rede sein. Auch wenn man diesen Ansatz akzeptiert, ergeben sich aus der weiteren Gedankenfolge zusätzliche Bedenken. Der Grund dafür, daß die Differenztheorie vom Gläubiger nicht mehr verlangt, seine Leistung zu erbringen, ergibt sich nicht nur aus dem dogmatischen Ansatz vom gestörten Synallagma. Wesentlich ist auch, daß die Leistung als nicht mehr zumutbar angesehen wird. Der Gläubiger soll nicht gezwungen werden, seine Leistung für die vertragsuntreue Partei weiter bereithalten zu müssen oder gar zu erbringen, zumal er - hier berührt sich der Interessenansatz mit dem dogmatischen - für seine Leistung ja auch nicht die erhoffte Gegenleistung, sondern nur Geld bekommen wird. 213 Eine Umrechnung in Geld findet bei der Differenztheorie also statt, um dem Gläubiger zu ersparen, seine Leistung erbringen zu müssen. Dagegen dient der Geldersatz bei der Herabsetzung der Gegenleistung dazu, dem Gläubiger die versprochene Leistung des Schuldners zu erhalten. Die Begründungen sind mithin ganz verschieden. Einzige Gemeinsamkeit beider Figuren ist die Abweichung vom fiktiven Kausalverlauf. Diese Parallele ist zu vage, um eine Analogie tragen zu können. Daher ist dieser Begründungsansatz zu verwerfen. Es finden sich einige weitere Begründungsversuche in Rechtsprechung und Schrifttum. Im Kern sind sie einander ähnlich. Ihr Ziel ist es, das geschilderte Vorbringen des Verkäufers, er hätte den Vertrag so nicht abgeschlossen, dadurch auszuschalten, daß dieser Vortrag als Treu und Glauben widersprechend eingestuft wird. 214 Der Verkäufer sei insoweit nicht schutzwürdig, wie der BGH formuliert. 215 Dieser Gedanke ist uns bereits oben im Zusammenhang mit der Beweislastumkehr bei Aufklärungspflichtverletzungen begegnet.216 Er wurde dort als Rechtfertigung für die für den Verkäufer ungünstigen Beweiserfordernisse herangezogen. Dort auf dem Gebiet des Beweisrechts hat er auch seine Berechtigung. Hier liegt jedoch eine andere Situation vor. Die prozessuale Einkleidung des Gedankens (Abschneiden von Vorbringen) darf nicht über die wahre Einordnung des Problems hinwegtäuschen. Mit dem vollständigen Verzicht auf einen Beweis und der damit 213 Keuk, Vermögensschaden, S. 145; Kipp, Gutachten, S. 273 f.; Enneccerus/H. Lehmann § 53 IV 2; Staudinger/Otto § 325 Rdn. 38; Esser/£. Schmidt, 1/2, § 28 III 3 a; Soergel-Medemann § 325 Rdn. 31. 214 Wezel, Dolus causam dans, S. 42. 215 BGH NJW-RR 1989, 306 (307); Hiddemann, ZGR 1982,448. 2
16 Siehe oben S. 77.
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IV. Gesetzliche Vorgaben
verbundenen Unzulässigkeit des Beweises des Gegenteils wird das prozessuale Gebiet des Beweisrechts verlassen. Wir befinden uns im materiell-rechtlichen Bereich der Fiktion oder jedenfalls der unwiderleglichen Vermutung.217 Hier einen Eingriff in die Rechtslage nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu begründen, fallt bereits wesentlich schwerer. Als Begründung einer Treuwidrigkeit kommt allenfalls das Prinzip des venire contra factum proprium in Betracht. Wenn man dieses Prinzip hier zur Geltung bringen will, so müßte man sich darauf stützen, daß der Verkäufer durch sein rechtswidriges Verhalten die Situation geschaffen hat, die jetzt entstanden ist. Der Verkäufer ist aber jedenfalls grundsätzlich bereits einem Schadensersatzanspruch ausgesetzt. Durch diesen wird sein rechtswidriges Verhalten sanktioniert. Es ist damit abgegolten. Für die zusätzliche Berücksichtigung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ist damit kein Raum mehr. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens kann nicht noch zusätzlich zur Begründung einer Ausweitung eben dieses Schadensersatzanspruchs benutzt werden. 218 Als Zwischenergebnis läßt sich hier festhalten, daß sich das Ergebnis, wie es die Rechtsprechung formuliert hat und wie es im Großen und Ganzen im Einklang mit den oben gefundenen Anforderungen steht, mit dem herkömmlichen dogmatischen Instrumentarium 219 nicht begründen läßt. 220 Eine Begründung könnte nur pauschal aus dem Bedürfnis für ein solches Ergebnis unter Berufung auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) versucht werden. Die Anwendung von § 242 BGB zur Herleitung eines bestimmten Ergebnisses ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn sich nicht schon aus der gegebenen Gesetzeslage eine befriedigende Lösung entwickeln läßt. 221 Es gibt jedoch eine Möglichkeit, relativ zwanglos die vorstehenden Fälle in Übereinstimmung mit dem Gesetz einer Lösung zuzuführen, die den oben formulierten Anforderungen aus dem System des Haftungsrechts bei Verträgen entspricht. Deshalb bedarf es keiner weiteren Erörterungen, ob im übrigen die Voraussetzungen einer Anwendung von § 242 BGB gegeben wären. 222
217 Zur unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung MünchKomm-ZPO-Pri/tfwg § 292 Rdn. 4 m. w. N. 218 Vgl. Medicus, EWiR § 249 BGB 1/89, 20. Gegen die Annahme treuwidrigen Verhaltens auch Gerd Müller, BB 1980, 1394 Fn. 13, dessen Berufung auf BGH NJW 1977, 1538 allerdings nur vom Ergebnis her zutrifft. 219 Basedow, NJW 1982, 1031 bemüht die „traditionellen Denkmuster der Dogmatik". 22 0 Vgl. Tiedtke, W M 1993, 1231. Im Ergebnis vorsichtiger Georg Müller, Informationspflichten, S. 201 : „nicht allein" mit dem traditionellen Instrumentarium erklärbar. 22 1 Gernhuber, JuS 1983, 767; Larenz, SchR I, § 10 I (S. 129); MünchKomm-/tofÄ § 242 Rdn. 87; Wieacker, Präzisierung, in: Kleine Schriften, S. 74. 222 Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 262 meint, das Bedürfnis für diese Lösung alleine sei ohne gesetzlichen Anhaltspunkt nicht ausreichend, um sie zu rechtfertigen.
V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB Es hat sich gezeigt, daß eine befriedigende Lösung der Problematik auf dem herkömmlichen Weg über § 249 S. 1 BGB kaum möglich ist. Will man sich nicht auf Begründungen einlassen, die ausschließlich auf Treu und Glauben basieren und damit dogmatisch nur schwach fundiert sind, so muß nach anderen Wegen gesucht werden. Den Anforderungen an die Lösung, die oben aus der gesetzlichen Interessenbewertung und Systematik entwickelt wurden, würde ein Schadensersatzanspruch in Geld Genüge tun. Ersatz in Geld würde dem Gläubiger den Kaufgegenstand erhalten, ohne ihm den Anspruch auf Schadensersatz vollständig abzuschneiden. Deshalb verdienen Vorschriften, die anstelle der Naturalrestitution nach § 249 S. 1 BGB Ersatz in Geld gewähren, intensivere Betrachtung. Solche Vorschriften sind §§ 249 S. 2, 250, 251 BGB. § 249 S. 2 BGB kann ausgeschieden werden, es geht nicht um Verletzungen einer Person oder Beschädigungen einer Sache. Ebenso hat § 250 BGB mit dem Problem nichts zu tun. Es bleibt § 251 BGB. § 251 BGB enthält nach seinem Wortlaut wiederum drei Tatbestände: die Unmöglichkeit der Herstellung in § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB, die „nicht genügende" Herstellung in § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB und die Herstellung mit unverhältnismäßigen Aufwendungen in § 251 Abs. 2 BGB. Von diesen Tatbeständen ist wiederum § 251 Abs. 2 BGB nicht geeignet, etwas zur Lösung des Problems beizutragen. Die Anwendung dieser Vorschrift führt bei der Herabsetzung der Gegenleistung schon deshalb nicht weiter, weil sie nur dem Schuldner, also dem Verkäufer, eine Ersetzungsbefugnis gewährt („kann", § 251 Abs. 2 S. 1 BGB).1 Ihm bietet sich damit die Möglichkeit, von Naturalrestitution auf Geldersatz umzusteigen. Dem Käufer, der auf Geldersatz hinauswill, ist damit nicht gedient, weil er auf diese Entscheidung des Verkäufers keinen Einfluß hat. Damit bleibt die Untersuchung der beiden Alternativen von § 251 Abs. 1 BGB. Ihre Anwendbarkeit auf die vorliegende Fallgruppe ist zu klären. „Herstellung" bezieht sich dabei auf die Formulierung in § 249 S. 1 BGB, wonach der Schuldner den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Da hier davon auszugehen ist, daß bei korrekter Aufklärung der Käufer das Geschäft nicht zum glei1 Palandt-Z/ewr/c/w § 251 Rdn. 6; Erman/Kuckuk § 251 Rdn. 17; Socrgei-Mertens Rdn. 7. 7 Gebhardt
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB
chen Preis und der Verkäufer das Geschäft nicht zu einem geringeren Preis abgeschlossen hätte, wäre dieser Zustand der, in dem das Geschäft nicht zustande gekommen wäre.2 Unter der „Herstellung" ist hier mithin die Rückabwicklung zu verstehen.
1. § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB: Unmöglichkeit der Herstellung Zunächst ist § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB zu untersuchen. Die Vorschrift setzt voraus, daß die Naturalrestitution unmöglich ist. Damit greift das Gesetz einen Begriff auf, der aus der Dogmatik des Allgemeinen Schuldrechts (§ 275 BGB) bekannt ist. Aufgrund der Gleichheit der Begriffe ist zunächst davon auszugehen, daß für § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB derselbe Unmöglichkeitsbegriff wie in den sonstigen Vorschriften des Schuldrechts gilt.3 Dies kann allerdings nicht uneingeschränkt gelten. So kann der Gläubiger bei Unvermögen des Schuldners, das vom allgemeinen Begriff der Unmöglichkeit eingeschlossen wird (§ 275 Abs. 2 BGB), entgegen der Vorschrift des § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB gleichwohl nach § 249 S. 2 BGB vorgehen und Ersatz der Herstellungskosten verlangen.4 Teilweise wird vertreten, gleiches gelte auch für den Fall der nachträglichen Unmöglichkeit.5 Diese Rechtslage kann so gedeutet werden, daß durch § 249 S. 2 BGB die Anwendungsfälle dieser Vorschrift aus dem Bereich der allgemeinen Unmöglichkeit des § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB herausgetrennt werden. § 251 Abs. 1 BGB greift nur noch subsidiär ein, wenn sich der Gläubiger gegen § 249 S. 2 BGB entscheidet, was praktisch keine große Bedeutung haben wird, weil, wie § 251 Abs. 2 BGB andeutet, der nach § 249 S. 2 BGB geschuldete Betrag in der Regel höher sein wird als der nach § 251 BGB geschuldete.6 Ein ähnliches Phänomen zeigt sich bei der sogenannten wirtschaftlichen Unmöglichkeit. Darunter werden Fallkonstellationen verstanden, in denen trotz physikalisch noch möglicher Leistungserbringung die Opfergrenze 7 für den Schuldner
2 Siehe oben S. 67 ff. 3 So auch MünchKomm-Gru/uty § 251 Rdn. 3; P&tendt-Heinrichs § 251 Rdn. 3. 4 MünchKomm-Gnmjty § 251 Rdn. 3 Fn. 2; P&landi-Heinrichs § 251 Rdn. 3; Erman/ Kuckuk § 251 Rdn. 3; Lange, Schadensersatz, § 5 VI 1; Soergel-Mertens § 251 Rdn. 4; Staudinger / Sc hiemann § 251 Rdn. 9. 5 So Erman I Kuckuk § 251 Rdn. 3; Staudinger /Schiemann § 251 Rdn. 10. Dies ist allerdings fraglich, ausführlich zur Problematik MünchKomm-Grunsky § 249 Rdn. 14 ff. m. w. N. 6
Eine Ausnahme bilden die Fälle des Erwerbs einer neuen Sache, die alsbald beschädigt wird. Wie unten zu zeigen sein wird, handelt es sich dabei aber um Fälle des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB. 7 Zum Konzept der Opfergrenze bereits oben S. 44.
1. § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB: Unmöglichkeit der Herstellung
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überschritten ist.8 Diese Fälle regelt das Gesetz in § 251 Abs. 2 BGB.9 Sie sind damit gleichfalls dem Anwendungsbereich des Abs. 1 entzogen.10 Zwar könnte Abs. 2 als Unterfall des Abs. 1 verstanden werden. Da aber die Rechtsfolge des Geldersatzes in beiden Fällen dieselbe ist und der Fall, daß der Schuldner freiwillig „unverhältnismäßige Aufwendungen" erbringen möchte, vernachlässigt werden kann, verbliebe der Vorschrift dann kein eigener Anwendungsbereich.11 Es ergibt sich also, daß der grundsätzlich von § 275 BGB übernommene Unmöglichkeitsbegriff in § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB in verschiedener Hinsicht durch Sonderregelungen eingeschränkt wird. Die Konstellation, in der es zur Herabsetzung der Gegenleistung kommt, müßte dann als Fall der so eingegrenzten Unmöglichkeit der Rückabwicklung einzustufen sein.
a) Direkte Anwendung Oben wurde gezeigt, daß die Rückabwicklung in der untersuchten Fallkonstellation auf Schwierigkeiten stoßen kann, die auf einem Konglomerat von Gründen basieren können, teils mehr ideeller, teils tatsächlich-materieller Art. 12 Die Schwierigkeiten können den Bereich der wirtschaftlichen Unmöglichkeit im Sinne des § 251 Abs. 2 BGB erreichen, wenn ein Mißverhältnis besteht zwischen erforderlichen Aufwendungen und erreichtem Erfolg, gemessen am Wert des Rechtsguts.13 Diese Situation könnte etwa eintreten, wenn, wie im Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf - , zahllose Einzelakte eines Unternehmensverkaufs rückgängig gemacht werden müßten, oder wenn, wie im Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung - , beträchtliche Schäden durch die vorübergehend erforderliche Stillegung des Geschäftsbetriebs entstehen würden. Wie soeben gezeigt, werden derartige Schadenskonstellationen aber grundsätzlich nicht von § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB erfaßt. 8 Der Begriff der wirtschaftlichen Unmöglichkeit wird derzeit im allgemeinen Unmöglichkeitsrecht meist vermieden, vgl. BGH NJW 1994, 515 (516) („hat... an Bedeutung eingebüßt44); Päisindt-Heinrichs § 275 Rdn. 12 (anders aber bezeichnenderweise § 251 Rdn. 3 im Schadensersatzrecht); Koller, NJW 1996, 301; Larenz. SchR I, § 21 I e; Medicus, SchR I, Rdn. 370; Jauernig/ Vollkommer v. §§ 275 ff. Rdn. 7 (für eine Beibehaltung aber MünchKomm-Emmerich § 275 Rdn. 33, v. § 275 Rdn. 26). Allerdings paßt die vorgeschlagene Lösung über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (nach BGH NJW 1994, 515 [516] kann diese Lösung „als gesichert... gelten44) nicht für das außervertragliche Schadensersatzrecht, dem eine Geschäftsgrundlage fehlt.
9 Palandt-//emnc/w § 251 Rdn. 3; Staudinger/ Schiemann § 251 Rdn. 6. 10 Oetker, NJW 1985, 345. 11
Im Ergebnis gegen die Vorstellung von § 251 Abs. 2 BGB als Unterfall des Abs. 1 auch MiinchKomm-Grunsky § 251 Rdn. 3,15. 12 Siehe S. 35 ff. 13 MünchKomm-Gru/wfcy § 251 Rdn. 15; Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 7. 7*
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB
In den anderen Beispielsfällen 2 - 4 (Flugzeug; Klärwerk; Einfuhrsteuer) stehen einer Rückabwicklung vom Tatsächlichen her keine entscheidenden Hindernisse entgegen. Unüberwindliche Schwierigkeiten im tatsächlichen Bereich dürften eher selten sein. Die Zahl der Fälle, in denen eine Rückabwicklung wirklich unmöglich ist, spielt mithin eine untergeordnete Rolle, erst recht, wenn man die Fälle des § 251 Abs. 2 BGB ausscheidet. Wie oben gezeigt wurde, sind zwar die tatsächlichen Probleme der Rückabwicklung von Bedeutung für die gefundene Bewertung, der Käufer müsse den Kaufgegenstand behalten können.14 Sie stellen jedoch nicht den allein entscheidenden Grund hierfür dar. Dieser ist vielmehr in dem rechtlich geschützten Interesse des Käufers zu sehen, den Kaufgegenstand behalten zu können. Deswegen wäre es inkonsequent, jetzt die tatsächliche Unmöglichkeit zum alleinigen Maßstab der Rückabwicklungsmöglichkeit zu erheben.15 Die Fälle, in denen die Grenze zur Unmöglichkeit nicht überschritten ist, könnten dann nicht erfaßt werden. Zum Ziel einer den obigen Erkenntnissen entsprechenden systemgerechten Anwendung des § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB käme man nur dann, wenn all die verschiedenen Gründe, die gegen eine Rückabwicklung sprechen, unter den Begriff der Unmöglichkeit subsumiert werden könnten. Da es an einer tatsächlichen Unmöglichkeit im engeren Sinn fehlt, müßte aus den genannten Faktoren eine Unmöglichkeit in einem weiteren Sinn hergeleitet werden. Im Bereich der Unmöglichkeit nach § 275 BGB wird unterschieden zwischen Unmöglichkeit im engeren Sinn, der sogenannten physischen, logischen oder absoluten Unmöglichkeit, zu welcher auch noch die rechtliche Unmöglichkeit gezählt werden kann, und weiteren Bereichen im Umfeld der Unmöglichkeit.16 Während bei der Unmöglichkeit im engeren Sinn, im Kernbereich des Unmöglichkeitsbegriffs, eine relativ eindeutige Feststellung möglich ist, erfordern die weiteren Bereiche eine Entscheidung, die sich in der Regel an Zumutbarkeitserwägungen im jeweiligen Einzelfall orientiert. In diesen Zusammenhang gehören vor allem die Fälle aus dem Bereich der wirtschaftlichen Unmöglichkeit, die bereits angesprochen wurden.17 Im Umfeld der Unmöglichkeit angesiedelt sind ferner die Konstellationen der Undurchführbarkeit, insbesondere durch Zeitablauf (absolute Fixgeschäfte). Ferner ist der Bereich der Zweckstörungen zu nennen, also Zweckfortfall, Zweckerreichung und Zweckvereitelung. Erwähnt wird auch Unzumutbarkeit im engeren Sinne, die sogenannte sittliche Unmöglichkeit. Schließlich werden auch Gestaltungen, in denen Unge-
M Siehe oben S. 40. 15 InsoweitrichtigBGH NJW 1980,2408 (2410). 16 Zum folgenden ausführlich Soergel-Wiedemann § 275 Rdn. 20 ff. Vgl. ferner Erman/ Battes v. §§ 275 ff. Rdn. 11 ff.; MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 18 ff.; Esser/£. Schmidt, 1/2, § 22. " Siehe oben S. 98.
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wißheit über die Leistungserbringung herrscht, von Fall zu Fall der Unmöglichkeit eingegliedert.18 Im folgenden soll nur der Kernbereich der Unmöglichkeit im Sinne der obigen Ausführungen als Unmöglichkeit bezeichnet werden, die Randbereiche der Unmöglichkeit dagegen als Unzumutbarkeit. Will man jetzt also, wie oben angedeutet, die Fälle, die zur Herabsetzung der Gegenleistung führen, unter § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB fassen, so müßten sie als Fälle der Unzumutbarkeit im Sinne der Begriffsbestimmung aufzufassen sein. Dieses Vorgehen führt zu einer auf den ersten Blick schlüssigen Lösung: Die Rückabwicklung wäre als unzumutbar anzusehen. Da Unzumutbarkeit zugleich Unmöglichkeit bedeuten würde, wäre die Rückabwicklung unmöglich, mithin würde § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB eingreifen. Fraglich ist aber, ob dieses Vorgehen mit der Systematik von § 251 BGB vereinbar ist. In § 251 Abs. 2 BGB wird, wie bereits erwähnt, ein besonderer Fall der Unzumutbarkeit geregelt, der dem Schuldnerschutz Rechnung trägt. Der Schuldner soll nicht gezwungen werden, unter „unverhältnismäßigen Aufwendungen" herzustellen. Diese Konstellation der Unzumutbarkeit hat damit eine Sonderregelung gefunden. Sie wird folglich dem Anwendungsbereich des Abs. 1 entzogen. In § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB wird der Gläubiger davor geschützt, sich mit einer Herstellung zufrieden geben zu müssen, die „nicht genügend" ist. Was nicht genügt, ist nicht zumutbar. Folglich findet sich auch hier eine Sonderregelung eines Teilbereichs der Unzumutbarkeit. Auch damit wird aus dem Anwendungsbereich von § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB ein Stück herausgenommen.19 Wenn sich aber solche Sonderregelungen der Unzumutbarkeit finden lassen, spricht dies gegen die Annahme, alle Fälle der Unzumutbarkeit seien § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB zuzuordnen. Danach bietet sich folgende systematische Konstruktion an: § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB regelt nur die Fälle des Kernbereichs der Unmöglichkeit. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB erfaßt die Konstellationen der Unzumutbarkeit - im obigen Sinne - , die im Gläubigerinteresse bestehen. § 251 Abs. 2 BGB betrifft die Unzumutbarkeit im Schuldnerinteresse. Folgt man dieser Konstruktion, so bedeutet dies für die Ausgangsfrage, daß die untersuchte Fallgestaltung nicht § 251 Abs. 11 Alt. BGB zuzuweisen ist, da es sich nicht um einen Fall der Unmöglichkeit im engeren Sinne handelt. Vielmehr liegt eine Anwendung von § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB nahe.
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Vgl. zu den jeweiligen Fallgruppen zusammenfassend bereits die Fn. 16 Genannten. Die Argumentation setzt stillschweigend die nach dem Wortlaut selbstverständliche Annahme voraus, § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB regele einen eigenen Tatbestand. Dies wird allerdings bestritten. Aus Gründen des Zusammenhangs wird diese Frage unten S. 103 ff. untersucht (und bejaht) werden. 19
V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB
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Ob diese Einordnung des Anwendungsbereichs der Tatbestände und damit das skizzierte Ergebnis haltbar ist, kann endgültig aber erst eine Untersuchung des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB zeigen, die unten vorgenommen werden wird. 20 Zuerst ist aber noch eine weitere Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB anzusprechen.
b) Analoge Anwendung Vorgeschlagen wurde auch eine analoge Anwendung von „§ 251 Abs. 1 BGB". 21 Nicht klar ist dabei schon, auf welche Alternative sich die Analogie beziehen soll. Aus der Begründung, es müsse eine Analogie vorgenommen werden, weil die Rückabwicklung an sich möglich sei,22 läßt sich aber schließen, daß § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB gemeint ist. Das Problem der Anwendung dieser Vorschrift liegt jedoch nicht in Schwierigkeiten mit dem Wortlaut, wie sie durch eine Analogie überwunden werden könnten, sondern in systematischen Bedenken, wie sie oben bereits formuliert wurden. Gegen eine Analogie sprechen dieselben Bedenken, wie sie soeben zum Ansatz ausgeführt wurden, in der vorliegenden Fallkonstellation von Unzumutbarkeit auszugehen und diese unter den Begriff der Unmöglichkeit zu fassen. 23 Ob es sich dabei um Auslegung oder Analogie handelt, macht für die systematischen Schwierigkeiten keinen Unterschied. Auf die obigen Darlegungen kann verwiesen werden. Eine analoge Anwendung von § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB auf die vorliegende Fallkonstellation ist damit gleichfalls abzulehnen.
2. § 251 Abs. 12.Alt BGB: Herstellung „nicht genügend" Nach den obigen Ausführungen muß § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB intensiverer Betrachtung unterzogen werden. Dabei wird es im Kern um die Frage gehen, ob für die vorliegende Fallkonstellation gilt, daß die Rückabwicklung als „nicht genügend" anzusehen ist.
a) Anwendungsbereich und Voraussetzungen des §251 Abs.12.Alt BGB Vor einer Anwendung auf das Problem der Herabsetzung der Gegenleistung muß zunächst geklärt werden, welchen Anwendungsbereich die Norm hat. Im Zu20 Siehe S. 102 ff. 21 Tutmann, Minderung, S. 77. 22 Tutmann, Minderung, S. 77 Fn. 1. 23 Siehe oben S. 101.
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellung,»nicht genügend"
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sammenhang damit lassen sich auch die tatbestandlichen Voraussetzungen präzisieren. aa) Die Vorschrift führt bislang in Rechtsprechung und Schrifttum ein ziemliches Schattendasein. Der Grund für die stiefmütterliche Behandlungsweise dürfte vor allem darin zu suchen sein, daß § 251 Abs. 1 BGB bisher weitgehend als einheitliche Norm verstanden worden ist. 24 Man unterscheidet nicht zwischen den im Wortlaut vorgegebenen Alternativen, sondern setzt, wenigstens gedanklich, „nicht genügend" gleich unmöglich. Dem Befund, die Bedeutung der 2.Alt. sei gering,25 kann daher in Bezug auf die gegenwärtige Praxis nur zugestimmt werden. Es wurde oben bereits gezeigt, daß die Systematik der §§ 249 ff. BGB und insbesondere des § 251 BGB eine Betrachtungsweise nahelegt, die eine Unterscheidung der beiden Alternativen erforderlich macht.26 Zudem spricht der eindeutig zwei Alternativen benennende Gesetzeswortlaut für eine eigenständige Behandlung. Für die einheitliche Behandlung des § 251 Abs. 1 BGB wird dagegen eine anscheinend logisch zwingende Begründung angeführt, warum die Unmöglichkeit als übergreifender Begriff anzusehen sei, der den Unterfall der „nicht genügenden" Herstellung einschließe. Wenn nämlich die Herstellung nicht genügend sei, könne man sie auch als im Rechtssinne unmöglich betrachten.27 Geht man für § 251 Abs. 1 BGB von einer funktionalen Betrachtung aus, so soll die Herstellung als Grundbehelf des Schadensersatzrechts, wie sich aus § 249 S. 1 BGB ergibt, eine vollständige Befriedigung des Gläubigers erreichen. Bezieht man diese Funktion, auf die die Formulierung „zur Entschädigung des Gläubigers" in § 251 Abs. 1 BGB verweist, in den Begriff ein, so gelangt man in der Tat zum Ergebnis, daß alles, was diese Befriedigung nicht gewährleisten kann, als unmöglich im Sinne der Vorschrift („im Rechtssinne" der obigen Formulierung) anzusehen ist. So gesehen würde es in der Tat zutreffen, daß auch die 2.Alt. als Unterfall der Unmöglichkeit anzusehen wäre. Bei diesem Vorgehen wird freilich verkannt, daß mit dem durch den Bezug auf § 249 S. 1 BGB eingeführten „funktionalen" Unmöglichkeitsbegriff von dem Ausgangspunkt der grundsätzlichen Identität des schadensersatzrechtlichen Unmöglichkeitsbegriffs mit dem allgemeinen des § 275 BGB abgewichen wird.
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Nachweise unten Fn. 27. 25 MünchKomm-Grunsky § 251 Rdn. 5. 26 Siehe oben S. 98 ff., insb. S. 101. 27 RGRK-A/J5p§ 251 Rdn. 15; Ptiandt-Heinrichs § 251 Rdn. 4; Medicus, SchR I, Rdn. 591; Staudinger /Schiemann § 251 Rdn. 12. In diese Richtung auch MünchKomm-Gruruty § 251 Rdn. 5. Differenzierend Lange, Schadensersatz, § 5 VI 2 (dazu sogleich). Ausdrücklich anders Staudinger 10 ' η /Λ. Werner § 251 Rdn. 9.
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Der so begründete funktionale Unmöglichkeitsbegriff hat dabei außer der Abgrenzung zu § 249 BGB keinen eigenen Aussagewert.28 Insbesondere lassen sich die Erkenntnisse der allgemeinen Unmöglichkeitslehre nicht verwerten. Der Begriff ist zwar nicht logisch verfehlt, da die Anbindung an § 275 BGB nicht zwingend ist. Seine Verwendung erweist sich aber mangels Aussagewert als nicht zweckmäßig. Damit muß auch das Hauptargument für eine angeblich logisch zwingende einheitliche Behandlung des § 251 Abs. 1 BGB verworfen werden. Als weitere Begründung für die fehlende Grenzziehung wird angeführt, eine solche sei nicht nötig, da die Rechtsfolge gleich ist. 29 In beiden Fällen wird nach demselben Prinzip zu ermittelnder Geldersatz gewährt. Aber auch in anderen Konstellationen, in denen sich an verschiedene Tatbestandsalternativen dieselbe Rechtsfolge knüpft, wird gewöhnlich gleichwohl eine präzise Unterscheidung der Alternativen vorgenommen. Denn belanglos ist die Abgrenzung nur an der sachlichen Berührungsstelle der beiden Alternativen. Erforderlich für die Ermittlung des Gesamtanwendungsbereichs des Tatbestands ist aber auch die Abgrenzung an den äußeren Rändern. Hierfür ist es angebracht, auf die einzelnen Alternativen zurückzugreifen, da diese enger sind als der Gesamttatbestand und deshalb in der Regel eine präzisere Abgrenzung erlauben. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn jedenfalls der Gesamtanwendungsbereich, etwa aufgrund eines übergreifenden Merkmals, unzweifelhaft in seinen Konturen feststeht und nur innerhalb dieses Bereichs die Unterteilung der einzelnen Alternativen fraglich ist. Es kommt also darauf an, ob der funktionale Begriff der Unmöglichkeit als Oberbegriff für den gesamten Tatbestand des § 251 Abs. 1 BGB eine schärfere Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Norm ermöglichen würde, als dies mit der Bestimmung des Inhalts der beiden Alternativen möglich ist. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, daß dieser funktionale Begriff praktisch inhaltsleer ist. Er erfordert einen Verzicht auf die Heranziehung der allgemeinen Unmöglichkeitslehre und eine originäre Ausformung eines neuen Unmöglichkeitsbegriffs. Damit erscheint es ziemlich ausgeschlossen, daß durch ihn eine leichtere Bestimmung des Anwendungsbereichs der Norm gewährleistet wird als durch die Heranziehung der spezielleren Tatbestände „nicht möglich" und „nicht genügend". Hiervon zu trennen ist die Frage, ob § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB im Verhältnis zur 1 - Alt. tatsächlich ein eigener Anwendungsbereich zukommt. Dies kann nur dadurch festgestellt werden, daß ermittelt wird, welchen Inhalt diese Norm hat. Deshalb ist im folgenden eine Umschreibung des Anwendungsbereichs der 2.A1ternative zu versuchen.30 Im Anschluß daran ist zu überprüfen, ob sich die oben 28 Vgl. dazu auch die Kritik von Jakobs, Unmöglichkeit, S. 71 Fn. 18 an einem parallelen Gedankengang im allgemeinen Unmöglichkeitsrecht. 29 Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 4; Staudinger / Schiemann § 251 Rdn. 12.
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellung,»nicht genügend"
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formulierte Hypothese31 über Systematik und Anwendungsbereich des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB bestätigt. bb) Zunächst soll also versucht werden, den Norminhalt von § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB zu bestimmen. Dazu findet sich die Aussage, es würden die Fälle erfaßt, in denen gerade wegen der persönlichen Verhältnisse des Gläubigers die Naturalrestitution nicht ausreiche.32 Was damit gemeint ist, bleibt unklar. Es ist ohnehin als Normalfall auf die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Gläubigers abzustellen, das ergibt sich bereits aus § 249 S. 1 BGB. Die abstrakte Schadensberechnung stellt demgegenüber die Ausnahme dar. Ein anderer Vorschlag besagt, in § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB eine § 280 Abs. 2 S. 1 BGB korrespondierende Norm zu sehen, die dem Gläubiger das Recht geben soll, eine teilweise Herstellung abzulehnen.33 Tatsächlich bestimmt das Gesetz hier genau das Gegenteil. Indem mit dem Wörtchen „soweit" klargestellt34 wird, daß die Herstellung eben „soweit" zu erfolgen hat, wie dies möglich ist, wird gleichzeitig die Möglichkeit der Teilung in einen herzustellenden Teil und einen in Geld zu ersetzenden Rest anerkannt35 - natürlich nur, wenn eine solche Teilung möglich ist; ist sie es nicht, greift die l.Alt. ein. Damit ist aber zugleich klargestellt, daß der Gläubiger eine solche Teilung jedenfalls im Regelfall hinzunehmen hat. Sie kann deswegen grundsätzlich nicht als „nicht genügend" angesehen werden. Für die Bestimmung ist vom Wortlaut auszugehen. Der Begriff „nicht genügend" suggeriert, daß eine Herstellung zwar stattfinden könne, aber trotzdem noch etwas fehle, weswegen diese Herstellung eben nicht genüge. Diese Vorstellung eines die Herstellung noch übersteigenden Bedürfnisses des Gläubigers kann allerdings in die Irre führen. Sie birgt die Gefahr, wieder zu der bereits oben36 als verfehlt nachgewiesenen Sichtweise zu verleiten, die Herstellung dieses überschießenden Bedürfnisses sei eben nicht möglich. Wenn sie nur 30 Für eine gesonderte Behandlung im Ergebnis auch Lange, Schadensersatz, § 5 VI 2, der aber, obwohl er die „nicht genügende" Herstellung grundsätzlich als Unterfall der Unmöglichkeit ansieht, wohl aus der gesetzlichen Vorgabe zweier Tatbestände die logische Notwendigkeit eines eigenen Anwendungsbereichs der 2.Alt. ableiten will. Dies ist nach den obigen Ausführungen jedoch nicht zwingend. 31 Siehe S. 101. 32 Lange, Schadensersatz, § 5 V I 2; ähnlich Staudinger 10 ' 11 /A. Werner § 251 Rdn. 9. Vgl. auch Staudinger12 / Medicus § 251 Rdn. 24. 33 So Toussaint, Naturalherstellung, S. 133 f. 34 Nach Toussaint, Naturalherstellung, S. 134 ist der Wortlaut dagegen (durchaus) mißverständlich. 35 Zur Teilunmöglichkeit MünchKomm-Gru/wty § 251 Rdn. 3; Soergel-Mertens § 251 Rdn. 2; Staudinger/Schiemann § 251 Rdn. 5. 36 Siehe S. 103 ff.
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„nicht genügend" wäre, weil mehr hergestellt werden müßte, als hergestellt werden kann, wäre eine Trennung nach der 1 .Alt. in einen herzustellenden Teil und einen wegen Unmöglichkeit in Geld zu ersetzenden Teil möglich. Es würde dann schlicht die eben erwähnte Teilunmöglichkeit vorliegen, und die 1 .Alt. wäre einschlägig. Deshalb muß die Herstellung wegen eines Umstandes ,»nicht genügend" sein, der die Herstellung selbst nicht übersteigt. Dieser Fall kann nur dann vorliegen, wenn der betreffende Umstand mit der Herstellung als ganzer untrennbar verbunden ist. In diesem Fall ist eine Teilung in einen herzustellenden und einen in Geld zu ersetzenden Teil ausgeschlossen. Die Frage ist dann, wie diese Umstände, die dazu führen, daß die Herstellung im gerade umrissenen Sinn „nicht genügend" ist, näher und möglichst abstrakt beschrieben werden können. Des öfteren findet sich der Hinweis auf „Unzumutbarkeit" für den Gläubiger.37 Diese Formulierung entspricht der oben38 formulierten Hypothese über die Systematik des § 251 BGB. Sie paßt auch zu dem Erfordernis einer untrennbaren Verbindung mit der Herstellung. Denn wenn die Herstellung als Ganze unzumutbar ist, kommt eine Aufteilung in einen möglichen und einen unmöglichen Teil der Herstellung nicht in Betracht. Damit ist der Begriff der „Unzumutbarkeit" in einer ersten Annäherung als geeignet zur Umschreibung des Inhalts von § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB anzusehen. Allerdings ist damit vorerst nicht viel gewonnen, denn der Begriff ist reichlich unscharf. Als Ausgangspunkt zur Präzisierung der Unzumutbarkeit können einige Fallgruppen dienen, die mehr oder weniger als Anwendungsfälle des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB anerkannt sind. Die Betrachtung der Merkmale dieser Fallgruppen ermöglicht eine Konkretisierung des Tatbestands. Mit Hilfe dieser Merkmale kann dann ein Typus der,glicht genügenden" Herstellung umrissen werden.39
37 RGRK-Alff § 251 Rdn. 15; Karakatsanes, AcP 189 (1989), 32; Lange, Schadensersatz, § 5 V I 2; Medicus, SchR I, Rdn. 591; SotxgtVMertens § 251 Rdn. 6; Schlechtriem, SAT, Rdn. 210; Jauernig/Teichmann § 251 Rdn. 4; Staudinger 10 ' 11 /A. Werner § 251 Rdn. 9; Bezugnahme bei Toussaint, Naturalherstellung, S. 133. Nach Erman/Kuckuk § 251 Rdn. 15 sollen die Fälle der Unzumutbarkeit per Analogie den Tatbeständen des § 251 Abs. 1 BGB gleichgestellt sein. Benicke, JuS 1994, 1005 und Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 3 benutzen den Begriff „Unzulänglichkeit". 38 Siehe S. 101. 39 Zum Typus Larenz I Canaris, Methodenlehre, 6/2. Es handelt sich bei dem im Text angesprochenen Typus der „nicht genügenden Herstellung" zwar nicht um den von Larenz I Canaris als Hauptfall des juristisch relevanten Typus angesehenen Fall einer der Rechtswirklichkeit entstammenden Figur, die der Gesetzgeber nur übernommen hat, sondern um ein rein legislatorisches Kunstprodukt, das der Gesetzgeber in § 251 Abs. 1 BGB neu geschaffen hat. Gleichwohl trifft das wesentliche Merkmal des Typus, die elastische Zusammensetzung aus mehreren kennzeichnenden Komponenten in jeweils unterschiedlicher Intensität anstelle von starren Tatbestandsmerkmalen, auch auf die vorliegende Norm zu.
2. § 251 Abs. 1 2 . A . BGB: Herstellungnicht genügend"
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Weitgehende Einigkeit40 darüber, daß es sich um einen Fall des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB handelt, besteht eigentlich nur bei einer Fallkonstellation, für die auf eine frühe RG-Entscheidung41 verwiesen wird. 42 Aus der Entscheidung wird abgeleitet, daß die Konstellation, in der die Herstellung unzumutbar lange dauert - in der Entscheidung des RG bis zu fünf Jahren ein Fall des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB sei. Hier drängt sich die Parallele zum oben dem Randbereich der Unmöglichkeit zugeordneten Fall des absoluten Fixgeschäfts auf. 43 Darunter wird der Fall verstanden, daß die Leistung nach dem Willen der Vertragsparteien oder nach der Art des Vertrages nur zu einer oder bis zu einer bestimmten Zeit erfolgen kann. Anderenfalls wäre die Leistung eine andere. Wird die Leistung nicht rechtzeitig erbracht, tritt Unmöglichkeit ein. 44 Eine unmittelbare Gleichsetzung beider Fälle verbietet sich, da das absolute Fixgeschäft an einen Vertrag geknüpft ist. 45 Im Hinblick auf diesen Vertrag kann entschieden werden, wie lange vom Gläubiger erwartet werden kann, die Leistung noch als solche zu akzeptieren. Im Bereich des Schadensersatzrechts muß diese Lösung durch Rückgriff auf allgemeine Kriterien, letzlich Treu und Glauben und allgemeine Zumutbarkeitserwägungen, ersetzt werden. Mit dieser Einschränkung läßt sich der Fallgruppe der verzögerten Naturalrestitution die aus dem allgemeinen Unmöglichkeitsrecht bekannte Fallgruppe des absoluten Fixgeschäfts zuordnen. Auf die oben angesprochene Entscheidung des RG stützen manche auch eine andere Fallgruppe, wonach die Herstellung auch dann „nicht genügend" sei, wenn die Dauerhaftigkeit des durch die Herstellung angestrebten Erfolgs zweifelhaft ist. 46 Auch hier drängt sich eine Parallele zu einer aus der allgemeinen Unmöglich40 MünchKomm-Grim.yJty § 251 Rdn. 5; Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 4; Lange, Schadensersatz, § 5 VI 2; Medicus, SchR I, Rdn. 591; Soergel-Mertens § 251 Rdn. 6; Staudinger/ Schiemann § 251 Rdn. 12. Anders konsequent Toussaint, Naturalherstellung, S. 135 f. 41 RGZ 76,146. 42 Dies ist ein wenig erstaunlich, denn das RG erwähnt § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB nicht einmal. Es wird nur in anderem Zusammenhang erwähnt, die Klägerin habe die Unmöglichkeit der Wiederherstellung „im Sinne des § 251 Abs. 1 BGB" vorgebracht (RGZ 76, 146 [149]). Zudem handelt es sich bei den in Bezug genommenen Ausführungen um ein obiter dictum, da der Fall letzlich nach §§ 249 S. 2,251 Abs. 2 BGB entschieden wurde. 43 Siehe oben S. 100. 44 BGHZ 99,182 (189); Lorenz, Sch£ I, § 211 a; Staudinger/Löwisch § 275 Rdn. 4; Soergel- Wiedemann § 275 Rdn. 28. 45 Ein ähnliches Phänomen konnte bereits oben bei der wirtschaftlichen Unmöglichkeit beobachtet werden, wo die Lösung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gleichfalls wegen ihrer Bindung an einen Vertrag nicht ohne weiteres ins Schadensersatzrecht übernommen werden konnte. Siehe Fn. 8. 46 Schlechtriem, SAT, Rdn. 210; Jauernig/Teichmann $ 251 Rdn. 4.
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB
keitslehre bekannten Fallgruppe auf, nämlich der Ungewißheit über die Leistungserbringung. Wenn eine Leistung zur Zeit nicht erbracht werden kann und nicht abzusehen ist, wann das Hindernis beseitigt werden kann, so kann dieser Zustand den Vertragszweck gefährden. Ist diese Situation nach Treu und Glauben einem Vertragspartner, meist dem Gläubiger, nicht zumutbar, so tritt Unmöglichkeit ein, zumindest ist dieser Zustand der Unmöglichkeit gleichzusetzen.47 Diese Situation entspricht derjenigen der hier genannten Fallgruppe: Auch hier besteht für den Gläubiger Ungewißheit, ob die Naturalrestitution dauerhaft gelingen wird. Diese Ungewißheit ist ihm nicht zumutbar. Maßstab kann hier freilich nicht der Vertragszweck sein, da es um Schadensersatzrecht geht, aber diese Schwierigkeit ist bereits bekannt. Abzustellen ist deswegen wieder auf allgemeine Zumutbarkeitserwägungen. Auch diese Fallgruppe findet mithin ihre Parallele im allgemeinen Unmöglichkeitsrecht. Mehrfach wird im Zusammenhang mit § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB die Figur des merkantilen Minderwerts angeführt. 48 Mit diesem Begriff bezeichnet man das Phänomen, daß eine erheblich beschädigte Sache, meist ein Kraftfahrzeug nach einem Unfall, trotz ordnungsgemäßer und vollständiger Behebung der technischen Schäden im Verkehr allgemein geringer bewertet wird. Diese Wertdifferenz stellt einen ersatzfähigen Schaden des Eigentümers dar. 49 Der BGH führt die geringere Bewertung einer solchen Sache auf den Verdacht verborgener Schäden und eine durch diese bedingte höhere Schadensanfälligkeit für die Zukunft zurück. 50 Es kommt aber nicht darauf an, ob das Mißtrauen im Einzelfall berechtigt ist. 51 Im Gegenteil, die Definition des merkantilen Minderwerts impliziert ja bereits, daß die Sache vollständig wiederhergestellt ist, daß also das Mißtrauen definitionsgemäß rein objektiv gesehen unberechtigt sein muß. Es handelt sich hier um ein „psychologisches Phänomen",52 auf das die Rechtsordnung 47 BGHZ 47, 48 (50 f.); BGHZ 83, 197 (200 f.). Weitere Rechtsprechungsnachweise bei Erman/Battes § 275 Rdn. 10; Soergcl-Wiedemann § 275 Rdn. 42 ff. Kritisch MünchKomm-Emmerich § 275 Rdn. 49 (Institut sei entbehrlich), Rdn. 50 ff. ebenfalls Rspr.-Nachweise. 48 Benicke, JuS 1994, 1006; Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 4; Larenz, SchR I, § 28 II (S. 473); AK-Rüßmann § 251 Rdn. 2; Esser/£. Schmidt, 1/2, § 32 II 2 a. Nach RGRK-Alff § 251 Rdn. 6; Staudinger /Schiemann § 251 Rdn. 12 sowohl unter die erste als auch die zweite Alternative von § 251 Abs. 1 BGB faßbar. Für eine Einordnung in der l.Alt. Erman/Kukkuk § 251 Rdn. 5, 7 ff.; Jauernig/Teichmann § 251 Rdn. 3. Der BGH hat sich zur Frage der gesetzlichen Einordnung nie eindeutig geäußert BGHZ 27, 181 (185 f.) erwähnt in beiläufigen, wenig klaren Ausführungen zunächst § 251 Ab& 1 2.Alt. BGB, meint dann aber, „meist" werde ein Fall des § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB vorliegen. 49 BGHZ 27, 181 (182); BGHZ 35, 396 (397); BGH VersR 1978, 328 (328 f.); BGH NJW 1981,1663; BGH NJW 1986,428 (429). 50 BGHZ 35, 396 (398); BGH VersR 1978, 328 (328 f.). 51 Lange, Schadensersatz, § 6 VI 1; Esser/E. Schmidt, 1/2, § 32 II 2 a.
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellung,»nicht genügend"
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Rücksicht nimmt, indem sie § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB zugunsten des Eigentümers anwendet und ihm somit zugesteht, im Hinblick auf dieses Phänomen durch die bloße Herstellung „nicht genügend" entschädigt zu sein. Sucht man auch für diese Fallgruppe nach Parallelen im Bereich des allgemeinen Unmöglichkeitsrechts, so kommt auch hier allenfalls die Fallgruppe der Ungewißheit in Betracht.53 Ungewißheit könnte hier im Hinblick auf die möglicherweise verbliebenen Schäden vorliegen. Trotzdem unterscheidet sich diese Konstellation wesentlich von der der allgemeinen Unmöglichkeit und derjenigen, die oben bei § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB zugeordnet wurde. Denn dort war die Konsequenz jeweils, die Herstellung eben wegen der Ungewißheit gar nicht erst zu versuchen und von vornherein auf Geldersatz auszugehen. Hier wird die Herstellung trotz Ungewißheit durchgeführt und versucht, den im Grunde irrationalen „Ungewißheitsfaktor" durch Geld auszugleichen. Eine echte Parallele besteht darum nicht. Es scheint mithin auch Fallgruppen des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB zu geben, für die sich keine Entsprechung im allgemeinen Unmöglichkeitsrecht findet. Eine für § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB beispielhaft gebildete Konstellation wurde angeführt von A. Werner: 54 Es sollen als Naturalrestitution Kleidungsstücke herausgegeben werden, die inzwischen von einer anderen Person getragen worden sind. Dies sei unter Heranziehung der Verkehrsanschauungen für den Geschädigten als unzumutbar anzusehen. An der Möglichkeit der Herausgabe ist hier nicht zu zweifeln. Trotzdem wird unter Heranziehung der Verkehrsanschauung Ersatz in Geld befürwortet, wobei diese - wie beim merkantilen Minderwert - dafür herangezogen wird, im Grunde irrationalen Auffassungen (hier: keine Kleidung zu tragen, die bereits ein anderer getragen hat) zu rechtlicher Relevanz zu verhelfen. Während angesichts des Marktes für gebrauchte Kraftfahrzeuge für den merkantilen Minderwert immerhin noch eine wenigstens theoretisch in Geld ausdrückbare objektive Wertminderung zur Stützung angeführt werden kann, versagt diese Möglichkeit für die getragenen Kleider weitgehend. Hier steht gerade der die Unzumutbarkeit begründende Faktor dem Rückgriff auf einen - auch praktisch kaum existenten - Markt entgegen. Der Naturalrestitution steht hier also eine Unzumutbarkeit entgegen, die sich anders als beim merkantilen Minderwert nicht wenigstens in einer marktmäßigen Bewertung des Gutes ausdrückt. Eine Parallele zum allgemeinen Unmöglichkeitsrecht besteht auch hier nicht. Vielmehr wird der Anwendungsbereich der Norm über die Parallelfälle im Randbereich der Unmöglichkeit hinaus ausgedehnt in den weiten Bereich der Unzumutbarkeit aufgrund von Verkehrsanschauungen.
52 Schlund, BB 1976, 908; ähnlich Erman IKuckuk § 275 Rdn. 7; Magnus, Schaden und Ersatz, S. 76 („irrationale Vorurteile"). 53 Vgl. oben S. 101. 54 Staudinger 10711 !A. Werner § 251 Rdn. 9.
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB
Weitere Fallgruppen wurden im Zusammenhang mit § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB genannt, sind jedochrichtigerweise nicht als unter diese Norm fallend anzusehen. Dazu gehört eine Konstellation, die wie der merkantile Minderwert hauptsächlich im Kraftfahrzeugschadensrecht Bedeutung gewonnen hat, nämlich der „unechte (oder uneigentliche) Totalschaden".55 Hierunter versteht man die erhebliche Beschädigung eines neuen Kraftfahrzeugs, die dazu führt, daß dem Eigentümer die Reparatur des Fahrzeugs nicht zuzumuten ist. Er darf dann auf „Neuwagenbasis" abrechnen, kann also als Schadensersatz in Geld die Kosten für die Beschaffung eines gleichwertigen Neuwagens verlangen.56 Entgegen den oben Genannten57 ist allerdings dem BGH zuzustimmen, wenn er diese Form des Schadensersatzes nicht auf § 251 Abs. 1 BGB, sondern auf § 249 BGB stützt. Denn durch die Stellung eines Ersatzfahrzeugs wird beim Gläubiger der Zustand herbeigeführt, der ohne den Unfall bestanden hätte. Für den Geschädigten handelt es sich also um Naturalrestitution.58 Jedenfalls bei neuen Fahrzeugen, und gerade für diese ist die Fallgruppe des unechten Totalschadens konzipiert, ist eine solche Naturalrestitution auch ohne weiteres möglich im Gegensatz zu gebrauchten Sachen, die normalerweise nicht gleichwertig zu beschaffen sind.59 Der Anspruch auf Geldersatz ergibt sich dann aus § 249 S. 2 BGB. Deshalb muß diese Fallgruppe aus der vorliegenden Untersuchung ausgeschieden werden. Genannt wurde bei § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB auch der Fall des technischen Minderwerts. 60 So wird manchmal die Situation bezeichnet, in der die Herstellung nicht den vollen Erfolg gebracht hat, in der also die Sache ihre Funktion nicht mehr komplett erfüllen kann. Dann ist der verbleibende Minderweit in Geld zu ersetzen.61 Es kann aber eigentlich kein Zweifel bestehen, daß diese Fälle nicht bei § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB anzusiedeln sind. Entweder wurde die Herstellung nicht ordnungsgemäß ausgeführt, dann ist dies nachzuholen, sofern der Geschädigte nicht den Weg über § 249 S. 2 BGB wählt. Oder die vollständige Herstellung war von Anfang an nicht möglich, dann liegt ein Fall der teilweisen Unmöglichkeit vor, der in § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB erfaßt wird. 55 Giesen, NJW 1979, 2067; Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 4, 28; Lange, Schadensersatz, § 5 V I 2; Medicus, SchR I, Rdn. 591; Soergel -Mertens § 251 Rdn. 6. Der Sache nach auch Schlechtriem, SAT, Rdn. 210; Jauernig I Teichmann § 251 Rdn. 4. 56 BGH NJW 1976, 1202 (1203); BGH NJW 1982, 433. Weitere Rspr.-Nachweise bei Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 28; Soergel-Mertens § 249 Rdn. 81. 57 Siehe Fn. 55. 58 BGH NJW 1976,1202 (1203); BGHZ 115, 364 (368); BGHZ 115, 375 (378). 59 Zum Problem vgl. MünchKomm-Grunsky § 251 Rdn. 4. 60 Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 4. 61 MünchKomm-Grmrty § 249 Rdn. 8; Erman/Kuckuk § 249 Rdn. 21; Lange, Schadensersatz, § 5 II 1 (S. 215).
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellungnicht genügend"
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Schließlich wurde gesagt, daß die Fälle, die manchmal als technischer Totalschaden bezeichnet werden, sowohl unter § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB wie unter die 2.Alt. gezogen werden könnten.62 Gemeint ist die Konstellation, in der eine Reparatur (Herstellung) aus technischen Gründen unmöglich ist.63 Diese Fälle sind aber offensichtlich Fälle der Unmöglichkeit. Unter § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB wären sie nur zu ziehen, wenn man annehmen würde, daß eine unmögliche Leistungserbringung auch niemals für den Gläubiger „genügend" sein kann, womit dann alle Fälle der 1 .Alt. zugleich auch solche der 2.Alt. wären. Auch diese Konstellation kann hier ausgeschieden werden. Aus der Nachkriegsgeschichte, der Zeit der Güterknappheit vor der Währungsreform, ist eine spezielle Konstellation von Fällen bekannt, in denen es um Schadensersatz bei unvertretbaren Sachen ging.64 An sich ist Naturalrestitution bei unvertretbaren Sachen unmöglich und deshalb gemäß § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB Geldersatz geschuldet. Unter den gegebenen Verhältnissen war jedoch nicht zu erwarten, daß sich der Gläubiger für Geld adäquaten Ersatz beschaffen können würde. Deshalb sprachen die Gerichte trotzdem Naturalrestitution zu mit dem Ziel, möglichst adäquaten Ersatz für den zu ersetzenden Gegenstand zu gewähren, um dem Ersatzinteresse des Gläubigers, das durch Geld nicht hinreichend befriedigt werden konnte, auf diese Weise zu genügen.65 Diese Konstellation wurde gleichfalls als eine solche des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB angesehen.66 Allerdings entspricht dies nicht der Sichtweise anderer Quellen, die eher auf § 251 BGB als Ganzes abstellen67 oder sich auf eine zeit- und umständegemäße Auslegung von § 249 BGB berufen. 68 In der Tat bezieht sich § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB nur auf die Fälle, in denen die Naturalrestitution nicht genügend ist, weswegen das Gesetz auf Geldersatz ausweicht. Hier aber geht es darum, daß der Ersatz in Geld sich als nicht genügend erweist und deshalb auf Naturalrestitution zurückgegriffen wird. Stützen läßt sich dies auf den allgemeinen Rechtsgedanken des Schadensersatzrechts, dem Gläubiger den bestmöglichen Ersatz zu gewähren. Dieses Prinzip ist aber nicht speziell in § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB ausgedrückt, sondern durchzieht das gesamte Schadensersatzrecht.
62 Medicus, SchR I, Rdn. 591. 63 Medicus, SchR I, Rdn. 618. 64 Nachweise von Entscheidungen und zeitgenössischer Literatur bei Duden, DRZ 1947, 287 Fn. 1. 65 OGHZ 1, 128 (130 f.); Enneccerus/tf. Lehmann § 18 III; Staudinger/Schiemann § 249 Rdn. 183. 66 Bei Staudinger12 / Medicus § 251 Rdn. 15. 67 OGHZ 1, 128 (130 f.); Enneccerus/tf. Lehmann § 18 III; Staudinger 10 ' 11 M. Werner § 251 Rdn. 20. 68 In diese Richtung OLG Hamm MDR 1947, 100 (101); LG Oldenburg SJZ 1946, 179; AG Hamburg-Wandsbek MDR 1947, 101; StaudingerISchiemann § 251 Rdn. 14. Auf § 242 BGB stützt sich AG Neustadt/Holstein MDR 1947, 102.
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB
Auch diese Konstellation ist deswegen aus der vorliegenden Betrachtung abzuscheiden. Faßt man jetzt unter Auslassung der als nicht einschlägig erkannten Konstellationen zusammen, was für die obigen Fallgruppen festgestellt wurde, so ergibt sich folgendes Bild: § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB erfaßt zum einen Randbereiche der Unmöglichkeit.69 Es handelt sich dabei um Konstellationen, die im Bereich der allgemeinen Unmöglichkeitslehre nur nach einer vorangegangenen Abwägung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und Zumutbarkeitserwägungen im jeweiligen Einzelfall der Unmöglichkeit zugeordnet werden können. Dabei sind gewisse Anpassungen erforderlich, die darauf beruhen, daß die allgemeine Unmöglichkeitslehre vornehmlich an Leistungen aus Verträgen entwickelt wurde, während im Schadensersatzrecht ein solcher Vertrag fehlt. Daneben gibt es aber auch Konstellationen, die nicht mehr diesen bekannten Randbereichen zugeordnet werden können. Es handelt sich dabei um Konstellationen, die allgemein durch den Begriff der Unzumutbarkeit geprägt sind. Da aber die Unzumutbarkeit auch in der allgemeinen Unmöglichkeitslehre eine Rolle spielt,70 würde dies bedeuten, daß über den oben gekennzeichneten Randbereich der Unmöglichkeit hinaus hier ein weiterer Bereich in Richtung des „weniger Zumutbaren" erfaßt werden würde. Für diese Abgrenzung zur Unzumutbarkeit spricht auch der Wortlaut der Vorschrift, die gerade nicht den Begriff „Unzumutbarkeit" gebraucht. Vielmehr wird eine Äquivalenz zwischen dem Ergebnis der Herstellung und dem nach § 249 S. 1 BGB zu erreichenden Zustand vorausgesetzt, bei deren Störung bereits ein Geldersatz gewährt wird. Diese Störung muß nicht die Schwelle der Unzumutbarkeit erreichen. Zur Überprüfung der Annahme, § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB regele einen weiteren Bereich als nur den der Unzumutbarkeit, kann noch eine Betrachtung der Gesamtsystematik von § 251 BGB vorgenommen werden.71 § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB stellt gewissermaßen den Ausgangstatbestand dar, der den Kernbereich der Unmöglichkeit erfaßt. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB beinhaltet eine (erweiternde) Abspaltung im Interesse des Gläubigers, während § 251 Abs. 2 BGB eine Abspaltung im Interesse des Schuldners hinzufügt. Die beiden Abspaltungen in Abs. 1 2.Alt. zugunsten des Gläubigers einerseits und Abs. 2 zugunsten des Schuldners andererseits sind damit spiegelbildlich um den Ausgangstatbestand in Abs. 1 l.Alt. gruppiert. Dies führt auf die Vermutung, daß sich aus der Auslegung des Abs. 2 auch Rückschlüsse auf Abs. 1 2.Alt. ziehen lassen könnten. Insbesondere müßte dies für das Verhältnis zwischen Abs. 2 und 69
Vgl. zum „Kernbereich" der Unmöglichkeit oben S. 101. 70 Vgl. oben S. 101.
71 Vgl. dazu bereits oben S. 101.
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellungnicht genügend"
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dem Ausgangstatbestand gelten, das dann auch Aussagen für das Verhältnis zwischen Abs. 1 2.Alt. und dem Ausgangstatbestand erlaubt. § 251 Abs. 2 BGB stellt auf eine „unverhältnismäßige" Aufwendung ab. Was „unverhältnismäßig" ist, ist aber noch nicht automatisch „unzumutbar" oder „unmöglich" im Sinne wirtschaftlicher Unmöglichkeit. § 251 Abs. 2 BGB greift vielmehr schon vorher ein. 72 Wenn die Vorschrift aber früher eingreift als der allgemeine Unmöglichkeitsbegriff, so bedeutet dies, daß in § 251 Abs. 2 BGB nicht nur Randbereiche der Unmöglichkeit geregelt sind, sondern auch Bereiche, die quantitativ über die Unmöglichkeit hinausgehen. Für § 251 Abs. 2 BGB läßt sich also feststellen, daß die Norm weiter reicht als der sonstige Randbereich der Unmöglichkeit. Es spricht aber nichts dafür, daß das in der Vorschrift geregelte wirtschaftliche Mißverhältnis eine Ausnahmestellung genießen sollte, während die anderen Tatbestände innerhalb des Begriffes bleiben sollten. Wesentlich naheliegender ist, daß dasselbe Verhältnis zum Unmöglichkeitsbegriff auch für § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB anzunehmen ist. Die Ausgangshypothese läßt sich also durch eine Anzahl von Argumenten unterstützen. Sie darf damit als bestätigt gelten. Zusammenfassend ergibt sich für die Systematik des § 251 BGB nach den bisherigen Feststellungen mithin: Abs. 1 l.Alt. regelt den hier als Kernbereich der Unmöglichkeit bezeichneten Bereich, der vor allem durch die naturgesetzliche Unmöglichkeit geprägt ist und sich dadurch auszeichnet, daß es für seine Feststellung keiner weiteren Abwägung bedarf. Abs. 1 2.Alt. regelt Randbereiche der Unmöglichkeit, die im Gegensatz zum Kernbereich nicht ohne weiteres feststellbar sind, sondern erst als Ergebnis eines Abwägungsvorgangs der Unmöglichkeit zugewiesen werden können. Diese Bereiche werden durch den Begriff der Unzumutbarkeit geprägt. Damit erschöpft sich aber der Anwendungsbereich der Norm nicht, vielmehr geht sie über den Bereich hinaus, der sonst der Unmöglichkeit zugewiesen werden könnte. Hierfür mag der Begriff des „weniger Zumutbaren" verwendet werden. Zu achten ist darauf, daß es sich um Fälle handelt, die keine Teilung in eine mögliche Herstellung und einen davon nicht gedeckten, „überschießenden" Bereich erlauben; diese Konstellationen sind über Abs. 1 l.Alt. zu lösen. Schließlich regelt Abs. 2 einen gesonderten Teil dieses Randbereichs der Unmöglichkeit, nämlich die sonst als „wirtschaftliche Unmöglichkeit" umschriebenen Fälle, wobei hier ebenfalls der Bereich der Unmöglichkeit zum „weniger Zumutbaren" hin überschritten wird. Die Einordnung dieser drei Fälle in die beiden Absätze erklärt sich daraus, daß Abs. 1 die Rechtsfolge der Herstellung im Interesse des Gläubigers abändert, Abs. 2 hingegen im Interesse des Schuldners. Dieses Gliederungsprinzip nach der geschützten Partei hat der Gesetzgeber in erster Linie befolgt, erst in zweiter Linie wurde die inhaltliche Systematik beachtet. Deswegen spricht das Gesetz den Grundtatbestand des Kernbereichs der Unmöglichkeit mit in Abs. 1 an, statt ihn 72 Staudinger / Schiemann § 251 Rdnr. 6. 8 Gebhardt
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB
den übrigen Regelungen in einem eigenen Absatz voranzustellen. Denn bei dem Grundprinzip geht es um Gläubigerschutz. Ohne diese Bestimmung ginge der Gläubiger nach der Regel impossibilium nulla est obligatio leer aus. cc) Zu untersuchen ist noch, ob § 253 BGB in diesem Zusammenhang Anwendung findet, ob also die Gründe, die zu der Bewertung führen, die Herstellung sei nicht genügend, auch immaterieller Natur sein können. Diese Frage ist vorliegend insoweit bedeutsam, als oben als Bestandteile des Behaltensinteresses auch einige immaterielle Gesichtspunkte angeführt wurden.73 Es finden sich zwei Stimmen, die für eine Anwendung des § 253 BGB plädieren, allerdings ohne Begründung.74 Widersprechende Auffassungen sind nicht ersichtlich. Zunächst ist selbstverständlich, daß immaterielle Schäden nach § 251 BGB nicht ersatzfähig sind.75 Sonst würde § 253 BGB leerlaufen. § 253 BGB ist hier dem Wortlaut nach jedoch nicht einschlägig. Denn die Schäden, um die es vorliegend geht, sind durchaus Vermögensschäden. Das Problem betrifft nicht den Schaden selbst. Vielmehr geht es hier darum, ob die Herstellung aus immateriellen Gründen „nicht genügend" im Rechtssinne sein kann. Es kann also nur darum gehen, ob hier die Wertung des § 253 BGB zu berücksichtigen ist. Ähnlich liegt die Problematik bei § 251 Abs. 2 BGB. Auch bei dieser Norm geht es im Zusammenhang mit § 253 BGB nicht um den Schaden selbst, sondern um die Verhältnismäßigkeit der Herstellung. Es entspricht der ganz herrschenden Ansicht, daß hier immaterielle Interessen des Geschädigten in die Abwägung einzubeziehen sind 7 6 Dies folgt spätestens aus der Einfügung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, womit offensichtlich immaterielle Interessen des Eigentümers berücksichtigt werden. Die Vorschrift dient nicht etwa nur dem Schutz des Tieres. 77 73 Siehe oben S. 37 ff. 74 Staudinger 10/11 /Λ. Werner § 251 Rdn. 9 und Lange, Schadensersatz, § 5 V I 2. Letzterer beruft sich (Fn. 117) zur Begründung auf BGH NJW 1976, 1202 (1203). Dies geht fehl, dort ist nicht mehr ausgesagt, als daß wegen § 253 BGB für „Unlustgefühle" keine „unmittelbare" Entschädigung gewährt wird (im Gegenteil: die Möglichkeit „mittelbarer" Entschädigung, als welche man das vorliegende Problem vielleicht bezeichnen könnte, wird damit anerkannt). Ferner zieht er OLG Hamm VersR 1972, 378 (379) heran, aber auch dies trifft nicht zu, denn dort geht es um die Problematik des unechten Totalschadens, die, wie oben S. 110 gezeigt, keine des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB ist (so auch Lange, Schadensersatz, § 5 VI 2 selbst), zwar erwähnt das Gericht die Vorschrift, jedoch nur referierend bei der Wiedergabe des Klägervorbringens. 75 BGHZ 63, 295 (298); Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 11; StaudingerI Schiemann § 251 Rdn. 3; Jauernig I Teichmann § 253 Rdn. 1. 76 Palandt-Heinrichs § 251 Rdn. 7; Erman /Kuckuk § 251 Rdn. 25; Lange, Schadensersatz, § 5 VII 1 (S. 236); Oetker, NJW 1985, 347 f.; Staudinger/Schiemann § 251 Rdn. 19. Differenzierend MünchKomm-Gru/wfcy § 251 Rdn. 37, wonach ideelle Werte berücksichtigt werden sollen, nicht aber das Affektionsinteresse. Das Problem stellt sich im übrigen nur, wenn § 251 Abs. 2 BGB nicht ohnehin schon auf immaterielle Schäden angewendet wird, zu dieser Frage MünchKomm-Grunsky § 251 Rdn. 17 ff. m. w. N.
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellung,»nicht genügend"
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Aufgrund der oben festgestellten systematischen Symmetrie von § 251 BGB 78 liegt mithin nahe, daß für § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB nichts anderes gilt. Es wurde vorgebracht, § 251 Abs. 2 BGB und § 251 Abs. 1 BGB unterschieden sich im Hinblick auf § 253 BGB in einem wesentlichen Punkt. Während bei Abs. 2 die Berücksichtigung immaterieller Interessen nicht zur Geldentschädigung wegen immaterieller Schäden führen könne, könne im Rahmen von Abs. 1 2.Alt. die Heranziehung immaterieller Aspekte ursächlich für eine Entschädigung in Geld werden.79 Wenn immaterielle Aspekte bei § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB zu berücksichtigen sind, dann kann dies dazu führen, daß in einem Fall, in dem sonst eine Herstellung erfolgen würde, dies nicht geschieht, weil die Herstellung dem Gläubiger nicht (oder „weniger") zumutbar ist. Stattdessen ist Geldersatz zu leisten. In diesem Sinne wird in der Tat das immaterielle Interesse kausal für einen Ersatz in Geld, der sonst nicht zu leisten wäre. Allerdings wird die rechtspolitische Berechtigung der Vorschrift des § 253 BGB weithin bezweifelt, auch unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.80 Im Hinblick darauf erscheint es inkonsequent, diese Norm über ihren vom Wortlaut vorgegebenen Anwendungsbereich hinaus noch auszudehnen, indem der in ihr enthaltene Rechtsgedanke in der vorliegenden Konstellation herangezogen wird. Fraglich ist ferner, ob die Berücksichtigung immaterieller Interessen bei der Ermittlung dessen, was als ,»nicht genügend" anzusehen ist, dem Rechtsgedanken von § 253 BGB überhaupt zuwider läuft. Nach heutiger Auffassung 81 können als Rechtsgedanke des § 253 BGB im wesentlichen zwei Aspekte angesehen werden.82 Zum einen fehle es bei ideellen Schäden an einer Bemessungsgrundlage für einen Ersatz in Geld. 83 Dieser Einwand trifft die vorliegende Frage nicht. Denn es
77 MünchKomm-Grw/w*y § 251 Rdn. 26 f.; Erman/Kuckuk § 251 Rdn. 26. 78 Siehe oben S. 112 f. 79 Lange, Schadensersatz, § 5 VII 1 (S. 236 f.). Zwar spricht er allgemein von ,Abs. 1", aber die l.Alt. kann schon begrifflich nicht gemeint sein, da dort im Kernbereich der Unmöglichkeit keine Abwägungen stattfinden. Sie wären aber erforderlich, um zu klären, wann aufgrund immaterieller Gründe etwas als „unmöglich" anzusehen ist. Daher bezieht sich das Argument nur auf die 2. Alt. 80 Siehe nur Diedrich, MDR 1994, 529; MünchKomm-Grunsky § 253 Rdn. 1; Hohloch, Gutachten, S. 426 ff., insb. 439 f.; Köndgen, AcP 177 (1977), 6 ff.; Lange, Schadensersatz, § 7 1 1 ; Staudinger / Schiemann § 253 Rdn. 2; Esser IE. Schmidt 1/2, § 31 II 2 d (S. 176); Wiese, Ersatz des immateriellen Schadens, S. 12 ff. (mit zahlr. ält. Nachweisen). 81 Nicht mehr akzeptabel dürfte die historische Begründung in Prot. I, S. 622 f. sein, wonach der Ersatz immaterieller Schäden dem „deutschen ... Sittlichkeitsbewußtsein" widersprechen sollte. 82 Generell ablehnend Staudinger / Schiemann § 253 Rdn. 2.
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB
bedarf keiner Bemessung der immateriellen Interessen in Geld, da sich der Ersatz in Geld nur nach dem (materiellen) Schaden richtet. Der zweite Aspekt betrifft die Furcht vor einer Kommerzialisierung immaterieller Interessen.84 Auch diese Gefahr besteht vorliegend nicht, da der Schaden als solcher vorhanden ist. Es geht nur um die Art seiner Kompensation - in Geld nach § 251 BGB oder durch Naturalrestitution. Es wird nicht das Interesse kommerzialisiert, sondern die Naturalrestitution durch eine andere Form des Schadensersatzes ersetzt. Anders als in den typischerweise hier angesprochenen Fällen85 ist es nicht so, daß der Geschädigte ansonsten leer ausgehen würde. Vielmehr müßte er sich „nur" mit einer für ihn an sich ,»nicht genügenden" (aber möglichen!) Naturalrestitution abfinden. Gegen die Anwendung des Rechtsgedankens des § 253 BGB in diesem Zusammenhang spricht schließlich auch die Unmöglichkeit der Abgrenzung. Zur Abgrenzung des Vermögensschadens vom Nichtvermögensschaden wird bei § 253 BGB allgemein, jedenfalls als notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Vermögensschadens, die Kommerzialisierbarkeit des in Rede stehenden Nachteils verlangt. Es muß also ein Markt bestehen.86 Märkte existieren jedoch nur für Güter, niemals aber für Interessen, um die es hier geht. Zwar gibt es Märkte für Güter, mit denen diese Interessen befriedigt werden können. Das ist jedoch nicht dasselbe, zumal Art, Form und Intensität einer Interessenbefriedigung durchaus sehr verschieden ausfallen können. Das Kriterium der Existenz eines Marktes, und damit das wichtigste Kriterium für die Anwendung des § 253 BGB, versagt mithin für die vorliegende Problematik. Auch dies spricht dafür, daß § 253 BGB nicht in diesen Zusammenhang gehört. Damit kann festgehalten werden, daß entgegen einer vereinzelt geäußerten Ansicht der Rechtsgedanke des § 253 BGB auf die Feststellung, wann eine Herstellung im Sinne von § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB nicht genügt, nicht anzuwenden ist. dd) Im vorangegangenen Abschnitt wurden einige Erkenntnisse über den Anwendungsbereich des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB zusammengetragen. Hieraus ist jetzt ein vorläufiges Ergebnis zu formen, unter dessen Heranziehung dann die vorliegend betrachtete Fallkonstellation beurteilt werden kann. Aus der Systematik des § 251 BGB konnte hergeleitet werden, daß unter § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB Umstände fallen, die mit der Herstellung untrennbar einhergehen und für den Geschädigten „weniger zumutbar" sind, das heißt, die Grenze ver83 BGHZ 98, 212 (222); Fikentscher, SchuldR, Rdn. 535; MünchKomm-G/wwty § 253 Rdn. 1; Staudinger12/Medicus § 253 Rdn. 2; Soergel -Mertens § 253 Rdn. 1; Esser/£. Schmidt, 1/2, § 311 3. 84 Vgl. MünchKomm-Grw/ιφ § 253 Rdn. 1; Staudinger12/Medicus § 253 Rdn. 2. 85 Drastisch Prot. I, S. 623, wo offenbar Beleidigungsklagen gemeint sind. Dazu ausführlich Kaufmann, AcP 162 (1963), 424 ff. 86 BGHZ 98,212 (222); BGHZ 106,28 (31); P&lsmdt-Heinrichs v. § 249 Rdn. 12; Medicus NJW 1,989,1891; Mertens, Vermögensschaden, S. 154; Jauernig/Teichmann v. § 249 Rdn. 5.
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellung,»nicht genügend"
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läuft vor derjenigen der Unzumutbarkeit. Eine Präzisierung dieser Umstände erweist sich als schwierig. Immerhin konnte festgestellt werden, daß der Rechtsgedanke des § 253 BGB hier keine Anwendung findet. Die unklare Abgrenzung birgt die Gefahr, daß der Kreis der zu berücksichtigenden Interessen uferlos wird. Vor allem gilt dies, wenn explizit formuliert wird, es genüge schlechthin, daß „die Herstellung nicht den Interessen des Gläubigers entspricht".87 Bei konsequenter Fortführung des Gedankens würde es dann allein vom subjektiven Empfinden des Geschädigten abhängen, ob er eine Herstellung für nicht genügend hält.88 Bei einer solchen Auslegung, die den Geldersatz ins Belieben des Gläubigers stellt, wäre § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB geradezu überflüssig. Da die beiden Alternativen hintereinander in einem Satz aufgezählt werden, ist davon auszugehen, daß zwischen ihnen eine gewisse Parallelität besteht. Es kann deshalb zwar die zweite Alternative die erste erweitern, aber nicht allzusehr, da sonst die Reihung unverständlich wäre. Deswegen müssen die zu berücksichtigenden Interessen sinnvoll eingeschränkt werden. Eine Begrenzung kann dadurch erreicht werden, daß nicht jedes tatsächlich vorhandene Interesse Berücksichtigung findet, sondern nur ein solches, das rechtlich geschützt ist. 89 Die Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses des Geschädigten durch die Herstellung führt dann dazu, daß die Herstellung als nicht genügend anzusehen ist.
b) Anwendung von § 251 Abs. 12.Alt BGB auf die untersuchte Konstellation Es kommt für die Anwendung des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB auf die Herabsetzung der Gegenleistung also darauf an, ob ein rechtlich geschütztes Interesse des Gläubigers betroffen ist. Oben konnte festgestellt werden, daß in der hier untersuchten Konstellation das Behaltensinteresse des Gläubigers verletzt wird. Dieses Interesse konnte nach den Wertungen der Rechtsordnung als ein rechtlich geschütztes identifiziert werden.90 Auch objektive Gründe der Rechtsordnung, die für ein Behaltenkönnen des Gläubigers sprachen, konnten ermittelt werden. Die Verletzung dieses Interesses ist untrennbar mit der Herstellung verbunden, da Herstellung in der vorliegenden Konstellation bedeutet, den erworbenen Gegen87 So bei Köhler, Festschr. Larenz (1983), S. 369. 88 So in der Tat Köhler, Festschr. Larenz (1983), S. 369; dagegen mit Recht Karakatsanes, AcP 189 (1989), 32; Toussaint, Naturalherstellung, S. 136 f. 89 Zu dieser Unterscheidung bereits oben S. 40. 90 Siehe die Ausführungen oben S. 40 ff.
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB
stand zurückzugeben. Durch diese Rückgabe wird zwangsläufig das Interesse, den Gegenstand zu behalten, verletzt. Wenn aber ein derartiges rechtlich geschütztes Interesse des Gläubigers vorliegt, so ist nach dem soeben Gesagten der Tatbestand des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB erfüllt, die Herstellung ist als für den Gläubiger nicht genügend anzusehen.91 Damit läßt sich die vorliegend untersuchte Rechtsfigur am Gesetz festmachen.
c) Behaltensinteresse im konkreten Fall Bisher wurde das Behaltensinteresse abstrakt betrachtet und bejaht. Daneben läßt sich aber auch ein konkretes Behaltensinteresse des jeweiligen Gläubigers in Bezug auf das einzelne Geschäft feststellen. In vielen Fällen erscheint der Käufer schwer getroffen, wenn er gezwungen wird, den Kaufgegenstand zurückzugeben. Dies gilt etwa für Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf - , Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung - , vielleicht auch im Beispielsfall 3 - Klärwerk -. Aber im Beispielsfall 2 - Flugzeug - oder Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer - wäre eine Rückgabe der gekauften Güter möglich, ohne daß unmittelbare schwere Beeinträchtigungen ersichtlich wären. Die Intensität des jeweiligen Betroffenseins kann im konkreten Fall sehr unterschiedlich ausfallen, bis hin zu Fällen, in denen eine Beeinträchtigung kaum noch erkennbar ist. Daraus ergibt sich das Problem, ob die Herabsetzung der Gegenleistung eine Prüfung des Behaltensinteresses im jeweiligen Einzelfall erfordert oder ob grundsätzlich immer anzunehmen ist, daß ein rechtlich geschütztes Behaltensinteresse verletzt ist. Auf § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB übertragen, führt dies zu der Frage, ob die Herstellung in diesen Fällen pauschal ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Geschäfts als nicht genügend anzusehen ist. Diese Frage hat durchaus praktische Bedeutung. Zwar mag man annehmen, daß ein Käufer, bei dem die Rückgabe der Sache keine wesentlichen Interessen verletzen würde, auch von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde. Jedoch mögen ihn Motive außerhalb des vom Behaltensinteresse geschützten Bereichs leiten, das Geschäft nicht rückabwickeln zu wollen. aa) Die bisher zu dieser Frage vertretenen Auffassungen, die freilich nicht auf dem hier erarbeiteten dogmatischen Hintergrund fußen, sind verteilt. Eine ausdrückliche Stellungnahme der Rechtsprechung fehlt bislang. Allerdings läßt sich aus der Tatsache, daß bislang in dieser Hinsicht nicht problematisiert wurde, mittelbar schließen, daß der BGH hier keine Probleme sieht und den Anspruch 91
Anders von seinem Standpunkt aus konsequent Grigoleit, der ein solches geschütztes Interesse nicht anerkennt.
Informationshaftung, S. 206,
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellungnicht genügend"
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immer gewähren will. So zählte der BGH bereits im Ausgangsfall verschiedene hypothetische Gründe des Käufers auf, den Kaufgegenstand nicht zurückgeben zu wollen, ohne diese im einzelnen zu bewerten.92 Später führte er unter Hinweis auf die erste Entscheidung deutlich aus, daß dem Käufer unabhängig von seinen Motiven grundsätzlich die „freie Entschließung" zustehe, ob er rückabwickeln möchte.93 Mit einer sonst erforderlichen Prüfung der Motive des Käufers ist dies nicht zu vereinbaren. 94 In der Literatur wurde die pauschale Gewährung des Anspruchs von Tiedtke aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit befürwortet.95 Im Schrifttum finden sich allerdings auch Stimmen, die auf eine Einzelfallprüfung hinauslaufen. 96 Die angelegten Maßstäbe sind unterschiedlich. Danach soll die Rückabwicklung im Einzelfall „unvertretbar" 97 oder „unzumutbar"98 sein, oder es soll sich um „schwerwiegende Fakten" handeln müssen, die nach „objektivem Maßstab" zu beurteilen seien99. Nach anderer Ansicht soll darauf abzustellen sein, ob die Rückabwicklung „erschwert" ist. 100 Eine gewisse Pauschalierung führt ein, wer darauf abstellt, ob die Rückabwicklung dem Zweck des Vertrages zuwider läuft. 101 bb) Der Aspekt der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hat gewiß erhebliche Bedeutung, vor allem in praktischer Hinsicht. Eine präzise Darlegung der jeweiligen Motive des Käufers, weswegen er den Kaufgegenstand behalten möchte, und eine anschließende Untersuchung und Bewertung dieser Motive stellen den Käufer wie das Gericht vor schwer lösbare Aufgaben. Die Vorhersehbarkeit der Entscheidungen wäre stark beeinträchtigt. Auf der anderen Seite befriedigt es nicht ganz,
92 BGHZ 69, 53 (57). 93 BGH NJW 1980, 2408 (2410). 94 So im Ergebnis offenbar auch die Interpretation von Tiedtke,
Festschr. Felix, S. 493.
95 Tiedtke JZ 1990, 1078; ders., Festschr. Felix, S. 493; ders., JZ 1989, 570; jeweils unter Berufung auf BGH NJW 1980,2408. Dort findet sich allerdings kein Hinweis auf den Aspekt der Rechtssicherheit. 96 Um eine Einzelfallprüfung handelt es sich genaugenommen auch, wenn man darauf abstellt, ob die Rückabwicklung möglich ist, so z. B. Canaris, ZGR 1982, 420. Vgl. auch Messer, Festschr. Steindorff, S. 752; Sonnabend, Typen der c. i. c., S. 107. Allerdings wird damit zu Unrecht nur § 251 Abs. 1 l.Alt. BGB berücksichtigt. Unscharf MünchKomm-Afirri/u § 826 Rdn. 69, der davon spricht, die Kaufsache dürfe sich „praktisch nicht mehr zurückgeben" lassen. 97 Tutmann, Minderung, S. 79.
98 Tutmann, Minderung, S. 80. 99 Tutmann, Minderung, S. 88. 100 Messer, Festschr. Steindorff, S. 752. ιοί So Sonnabend, Typen der c. i. c., S. 106. Dieser Ansatz erscheint durchaus brauchbar, nur liegen die Dinge nach der hier vertretenen Auffassung so, daß eine Rückabwicklung nicht nur im (pauschalierten; Sonnabend, Typen der c. i. c., S. 107 nennt das Beispiel des Versicherungsvertrags) Einzelfall, sondern grundsätzlich dem Zweck eines Vertrages zuwider läuft.
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V. Der Ansatz über § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB
eine pauschale Gewähr des Behaltenkönnens allein auf den Aspekt der Rechtssicherheit zu stützen. Wünschenswert ist auch eine materiale Begründung. Die Rechtfertigung für das Behaltenkönnen durch den Käufer ergibt sich, wie oben gezeigt wurde, aus dem rechtlichen Schutz des Behaltensinteresses.102 Zur Klärung der Frage ist mithin das Behaltensinteresse genauer zu betrachten. Dabei kann auf die obigen Ausführungen zurückgegriffen werden. Das Behaltensinteresse rechtfertigte sich aus dem Vertrauensprinzip, nämlich dem Vertrauen, das der Käufer darauf setzt, den erworbenen Gegenstand behalten und verwenden zu können. Dieses Vertrauen leitet sich vom Vertragsschluß her, der das tatsächliche Vertrauen des Käufers institutionalisiert und zugleich von diesem abstrahiert. Der Vorgang der Abstrahierung vollzieht sich aber unabhängig von dem konkreten Vertrauen des Käufers. Er ist auch unabhängig davon, mit welcher Intensität der Käufer den erworbenen Gegenstand benötigt. Das Gesetz stattet alle Vertragsschlüsse mit der gleichen grundsätzlichen Rechtsschutzgarantie auf Erfüllung aus, 103 ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Vertragsschlusses zu nehmen. In der Situation nach Vertragsschluß, in der der Käufer den Kaufgegenstand entweder gar nicht erst bekommt oder wieder zurückgeben soll, wirkt das im Vertrag institutionalisierte Vertrauen des Käufers auf den Erhalt und nunmehr den Bestand der Leistung fort. Es gilt deswegen nichts anderes, das Vertrauen des Käufers wird geschützt ohne Rücksicht auf seine konkreten Umstände. Deutlich wurde dies auch bei der Untersuchung der Situationen, in denen das Gesetz dem Gläubiger die Leistung vorenthält. 104 Dies tritt ein - sofern nicht die Fallgruppe des Verzichts durch den Gläubiger gegeben ist - unabhängig von den Motiven des Käufers, wegen welcher er den Gegenstand vielleicht behalten möchte. Diese Abkoppelung der konkreten Motive für den Vertragsschluß von der rechtlichen Wirkung des Vertrages zeigt sich in umgekehrter Weise auch in anderen Rechtsfiguren, die den Bestandsschutz des Vertrages betreffen. Motive können insoweit nur relevant werden, wie sie beide Partner gemeinsam betreffen. So ist eine Irrtumsanfechtung wegen eines Motivirrtums grundsätzlich ausgeschlossen, was - wie hier - aus Verkehrsschutzerwägungen begründet wird. 105 Ebenso kommen als Geschäftsgrundlage nur gemeinsame Vorstellungen der Ver102 Siehe oben S. 43 ff. 103 Läßt man die sogenannten unvollkommenen Verbindlichkeiten (z. B. Heiratsvermittlung, § 656 BGB; Spiel/Wette, § 762 BGB) außer Betracht. 104 Siehe oben S. 44 ff. 105 Soergel-Hefermehl § 119 Rdn. 58; Jauernig, BGB, § 119 Rdn. 17; EnneccerusINipperdey § 168 I; Schock, AT, Rdn. 216; Larenz ! M.Wolf % 36 Rdn. 9. Eine (teilweise) Risikoabwälzung auf den anderen Teil kommt deshalb nicht in Frage: Staudinger /Dilcher § 119 Rdn. 69; Flume, Rechtsgeschäft, § 21, 8; Larenz IM. Wolf § 36 Rdn. 9.
2. § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB: Herstellungnicht genügend"
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tragspartner oder zumindest der einen Seite erkennbare und von ihr nicht beanstandete Vorstellungen der anderen Seite in Betracht. 106 Plakativ könnte formuliert werden: Vor dem Gesetz sind alle Verträge gleich, unabhängig, welche konkreten Bedürfhisse sich dahinter verbergen. Aufgrund dieses pauschalen Schutzes des Vertrages und seiner Inhalte muß dann aber auch das daraus abgeleitete Behaltensinteresse als pauschal geschützt angesehen werden. Es ist mithin nicht zu hinterfragen, ob der Käufer im konkreten Fall ein besonderes Interesse an dem Behalten des Kaufgegenstands hat. Es genügt das pauschalierte Vertrauen des Käufers auf den Erhalt und Bestand der Leistung, das sich im Vertragsschluß objektiv verkörpert. Deswegen ist der Rechtsprechung im Ergebnis darin zuzustimmen, daß § 251 Abs. 1 2. Alt. BGB in diesen Konstellationen immer eingreift. Es bedarf keiner Prüfung der Situation des Käufers im Einzelfall, inwieweit er durch eine Rückgabe des Kaufgegenstands betroffen wäre.
d) Ergebnis Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß sich die Möglichkeit des Behaltenkönnens durch den Käufer und damit die Figur der Herabsetzung der Gegenleistung aus § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB ergibt, und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Intensität im konkreten Fall ein Behaltensinteresse besteht. Es bedarf keiner vagen Begründungen über § 242 BGB, wie sie oben erwähnt wurden. 107
106 St. Rspr.; BGHZ 89, 226 (231); BGHZ 120,10 (23); BGHZ 121, 378 (391). 107 Vgl. S. 96.
V I . Der Umfang des Anspruchs Bislang wurde untersucht, auf welcher Grundlage ein Anspruch des Gläubigers in Geld begründet werden kann. Daran schließt sich nunmehr die praktisch bedeutsamere und zugleich noch völlig ungeklärte Frage an, welchen Umfang dieser Geldanspruch hat. Es geht also um die richtige Berechnungsweise zur Ermittlung des Betrages, den der Gläubiger als Schadensersatz erhält, wenn er nicht von der Möglichkeit der Rückabwicklung Gebrauch macht. Die Diskussion um den Umfang des Schadensersatzes dreht sich gewöhnlich um die Frage, ob das positive (Erfüllungs-) oder negative (Vertrauens-)Interesse geschuldet sei. Die Problematik der vorliegenden Konstellationen geht allerdings erheblich tiefer, sie reduziert sich nicht auf die Frage nach positivem oder negativem Interesse.1 Dies wird deutlich, wenn man die zahlreichen denkbaren und auch vertretenen Möglichkeiten der Schadensberechnung betrachtet.
1. Einteilung der Konstellationen An dieser Stelle bedarf es zunächst einer Differenzierung. Der die Haftung aus culpa in contrahendo auslösende Umstand kann sich bei der Leistung oder bei der Gegenleistung auswirken. Es kann entweder der Kaufpreis oder der Kaufgegenstand betroffen sein.
a) Kaufpreis ist betroffen Sofern es um den Kaufpreis geht, ist zu beachten, daß es sich nicht um ein Problem handeln darf, das sich aus einem Mißverhältnis zwischen Preis und Leistung ergibt. Da letzlich jeder unberücksichtigte Umstand auch als Fehlkalkulation bei der Preisberechnung aufgefaßt werden könnte, muß diese Fallgruppe eng gefaßt 1 Vgl. die Betrachtungen von Medicus, Festschr. Herrn. Lange, S. 557 f. und Gerd Müller, ZIP 1993, 1048 zur Frage, ob es sich hier um positives oder negatives Interesse handelt. Sonnabend, Typen der c. i. c., S. 109 nimmt einen „Mittelweg" zwischen beidem an. Womöglich geht der Ansatz als solcher schon fehl, weil positives und negatives Interesse Begriffe sind, die an den fiktiven Kausalverlauf und damit an § 249 BGB anknüpfen, vorliegend aber eine Haftung nach § 251 BGB in Rede steht. Näher zu diesen systematischen Zusammenhängen unten S. 143 ff.
1. Einteilung der Konstellationen
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werden, also auf solche Fälle beschränkt werden, in denen es nicht um die Relation von Leistung und Gegenleistung geht. Vielmehr darf nur der Preis als solcher betroffen sein, also insbesondere die Methode der Preisermittlung. Beispielsfall 2 Flugzeug - enthält eine derartige Konstellation, in der das Problem nichts mit dem Flugzeug zu tun hatte, sondern ausschließlich mit der Preisermittlung.
b) Kaufgegenstand ist betroffen aa) Betrachtet man den Kaufgegenstand, so läßt sich hier nochmals unterscheiden. Es kann entweder der Gegenstand als solcher betroffen sein (in einem weiteren Sinne, sonst wird es sich um einen Sachmangel nach § 459 BGB handeln). Dann ist diese Störung unabhängig von der konkreten Person des Käufers. Oder aber es geht um Umstände, die in der Person oder den Verhältnissen des Käufers begründet sind, die also mit dem konkreten Geschäft zusammenhängen. In Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf - lag das Problem in den Verhältnissen der Gesellschaft. Der Kaufgegenstand war also als solcher betroffen. Die Fehlerhaftigkeit der Bilanz war unabhängig vom konkreten Käufer. Ebenfalls in diese Kategorie fällt Beispielsfall 3 - Klärwerk - , in dem es um die Geruchsbelästigung auf dem Grundstück an sich ging. Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer - enthält dagegen eine Konstellation, in der sich das Problem nicht aus dem Zustand des Bootes, sondern aus den konkreten Umständen des Käufers ergab, der das Boot in die Bundesrepublik einführen wollte. Hierzu gehört auch Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung - , in dem die Ladeneinrichtung sicherlich als solche nicht zu beanstanden war, aber den konkreten Bedürfnissen des Käufers nicht entsprach. bb) Von dieser hier vorgenommenen Einteilung in Störungen, die den Kaufgegenstand betreffen, und Störungen, die im Umfeld des Vertrages begründet sind, ist eine andere, zuweilen anzutreffende Abgrenzung zu unterscheiden. Dabei geht es um die Behandlung von nachvertraglichen Schäden, Kosten oder Aufwendungen2, die jedenfalls äußerlich betrachtet außerhalb des eigentlichen Austauschvorgangs über den Kaufgegenstand angesiedelt sind. So hatte der Käufer im obigen Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf - nach Vertragsschluß erhebliche Summen in das erworbene Unternehmen investieren müssen, um den Konkurs zu verhindern. Im Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer - hatte der Käufer nachträglich die Einfuhrumsatzsteuer entrichten müssen. Im Beispielsfall 3 - Klärwerk - mag man sich vorstellen, daß der Käufer aufgrund der Geruchsbelästigungen ärztlicher Behandlung bedurfte, die Kosten verursachte.
2
Zuweilen wird hier auch von „Mehraufwendungen" gesprochen. Dieser Ausdruck ist allerdings gebräuchlicher im Zusammenhang mit der Kennzeichnung des Umfangs des zu ersetzenden Schadens; siehe dazu unten S. 129.
124
VI. Der Umfang des Anspruchs
Teilweise wird hier eine eigene Fallgruppe angenommen.3 Dann läge der Gedanke nahe, in diesen Fällen als Schadensersatz einfach die Aufwendungen summenmäßig zu ersetzen. Die Berechtigung einer separaten Behandlung solcher Einbußen ist jedoch zu bezweifeln. Ob in ein Unternehmen Gelder gesteckt werden müssen, die es vor der Insolvenz bewahren (Beispielsfall 1 - Unternehmenskauf -), hängt von dem Zustand des gekauften Unternehmens ab,4 ebenso die gegebenenfalls aufzuwendenden Arztkosten (Beispielsfall 3 - Klärwerk - ) von der Situation des Grundstücks. Die im Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer - zu zahlende Steuer ist Konsequenz des getätigten Kaufs im Hinblick auf den vom Käufer angestrebten Verwendungszweck, nämlich die Überführung des Bootes in die Bundesrepublik.5 Aus diesen Beispielen ergibt sich, daß sich die Konsequenzen, die das getätigte Geschäft nach sich zieht, immer als Bestandteil des Geschäfts selbst begreifen lassen. Sie sind Ausdruck des Zustandes des gekauften Gegenstands, gegebenenfalls unter Einbeziehung der gesamten relevanten Umstände des Geschäfts, insbesondere der Situation des Käufers. 6 Der Käufer erwirbt den Gegenstand nicht nur so, wie er zum Zeitpunkt des Kaufes existiert. In seine Erwägungen, ob er das Geschäft abschließen soll, fließen auch zukünftige Erwartungen der Verwendung des Gegenstands ein. Er bezahlt auch für die Lebensdauer des Gegenstands, für dessen Sicherheit, für die möglichst geringe Zahl anfallender Reparaturen. Mit anderen Worten, der Käufer kalkuliert zukünftige Aufwendungen von vornherein ein und beurteilt das Geschäft und den Kaufpreis auch unter diesem Aspekt. Anstatt die Störungen und deren Folgen isoliert und losgelöst von dem Vertrag zu betrachten und zu ersetzen, ist es daher gerechtfertigt, auch bei der Berechnung des Schadensersatzes für nachträgliche Verluste an den Kaufabschluß anzuknüpfen.
3 Eigene Fallgruppe bei MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 204; Jauernig / Vollkommer § 276 Rdn. 91. Die Fallgruppe bei Erman /Battes § 276 Rdn. 129 scheint zwar auch in diese Richtung zu gehen, das zitierte Material läßt aber keinen einheitlichen Gesichtspunkt erkennen, der eine eigene Fallgruppe ausmachen könnte. Eine Unterscheidung treffen auch BGHZ 111,75 (83); Grigoleit, Informationshaftung, S. 199 ff. Unklar Baumbach/Hopt v. § 1 Rdn. 47, wo dies mit der Rückabwicklung vermengt wird. 4
Siehe oben S. 11 die referierten Ausführungen; BGHZ 69, 53 (58 f.) weist ausdrücklich die Sichtweise der Vorinstanz zurück, daß die Differenz zu der korrekten Bilanzangabe als Schaden zu ersetzen sei. 5 BGHZ 111,75 (83) spricht vom Vertrauen des Käufers darauf, „daß sein Gesamtaufwand für die vorgesehene Verwendung des Schiffes in der Bundesrepublik den vereinbarten Kaufpreis nicht übersteigen werde" (Hervorhebung d. Verf.). 6 Vgl. MünchKomm-HGB-L/efc Anh § 25 Rdn. 129.
1. Einteilung der Konstellationen
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Der BGH erklärte in diesem Sinne, weitere Aufwendungen, die der Käufer nach Kenntnis des haftungsbegründenden Umstands tätigt, würden „nicht von der Haftung erfaßt". 7 Es soll damit ausgedrückt werden, daß die fraglichen Summen nicht als isolierte Schadensposten ersatzfähig sind. Vielmehr müssen sie im obigen Sinne als Bestandteile des Geschäftes selbst begriffen werden, also gewissermaßen verrechnet werden.8 Allerdings ist die Formulierung des BGH mißverständlich. Denn die Aufwendungen werden nur nicht unmittelbar ersetzt, was jedoch nicht ausschließt, daß die sie begründenden Umstände in die Bemessung des Schadensersatzes einfließen. Bei dem Problem der Berücksichtigung solcher nachvertraglicher Aufwendungen handelt es sich im übrigen nicht um ein von der Kenntnis des Käufers abhängiges Kausalitätsproblem.9 Es gilt nichts anderes, wenn der Käufer bei Tätigung der Aufwendung den haftungsauslösenden Umstand bereits kennt, weil eben nicht auf den Zeitpunkt der Geldausgabe abzustellen ist, sondern auf den Zustand des Kaufgegenstands beim Kauf. 10 Umgekehrte Folge der Rückbeziehung späterer Konsequenzen auf den Vertragsschluß ist, daß nachvertragliche Vorteile, die aus dem Kaufgegenstand fließen, genausowenig separat im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sind.11 Dies wird wieder vor allem beim Unternehmenskauf praktisch, wenn der Käufer nach dem Kauf Gewinne mit dem erworbenen Unternehmen erzielt. Gerade beim Unternehmenskauf wird die innere Logik der oben skizzierten Konzeption dadurch deutlich, daß kein sinnvoller Endzeitpunkt angegeben werden kann, bis zu dem Gewinne angerechnet werden sollten. Würde man auf die letzte mündliche Verhandlung abstellen, so wäre dem Käufer zu raten, seinen Anspruch in einer Konjunkturkrise geltend zu machen, wenn das Unternehmen gerade Verluste einfährt. 12
7 BGH NJW 1981, 1035 (1036); ebenso schon im Ergebnis BGH NJW 1980,2408 (2410); zustimmend MünchKomm-HGB-L/efc Anh § 25 Rdn. 129. So auch MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 195. 8 Canaris, ZGR 1982, 423 f. auf etwas anderer dogmatischer Grundlage (anders aber 425). Vgl. auch BGH NJW-RR 1989, 150 (151 f.): Mietausfälle aufgrund der ungünstigen Lage des Grundstücks sind nicht als eigener Schadensposten geltend zu machen, sondern über den Wert des Grundstücks zu berücksichtigen. Anders anscheinend BGH NJW-RR 1992, 91 (92), wo die „Reparatur"kosten als solche angesetzt wurden; dies erklärt sich vielleicht daraus, daß der Gegenstand als solcher überhaupt nicht nutzbar war. Freilich sollte auch dann als Bezugspunkt auf einen Wiederverkaufswert abgestellt werden; zu den einzelnen Berechnungsmethoden siehe unten S. 126 ff. Schließlich bleibt die Möglichkeit, daß die Reparaturkosten letzlich identisch mit dem als Ergebnis einer (anderweitigen) Berechnung gefundenen Wert sind.
9 So aber noch BGH NJW 1980,2408 (2410). 10 Ähnlich Canaris, ZGR 1982,423 f. h Hölters I Semler VI Rdn. 134 mit der allerdings irreführenden Begründung, wonach dies am fehlenden „inneren Zusammenhang" liege.
126
VI. Der Umfang des Anspruchs
Eine Sonderbehandlung nachvertraglicher Aufwendungen hat also keine Berechtigung. Diese Fälle sind wie alle anderen zu behandeln und hier nach Störungen im Kaufgegenstand und Störungen im Umfeld zu unterscheiden.13 cc) Wir werden uns zunächst nur mit der strukturell einfachsten Konstellation beschäftigen, nämlich derjenigen, in der sich das Problem aus dem Zustand der Sache selbst ergibt. Dies rechtfertigt sich insbesondere auch daraus, daß die im Schrifttum diskutierten Modelle eigentlich ausschließlich an dieser Konstellation ausgerichtet sind. Im Anschluß daran stellt sich die Frage, inwieweit die hier gewonnen Erkenntnisse auf die etwas schwieriger zu handhabenden anderen Konstellationen übertragen werden können.
2. Die Grundkonstellation: Problem mit dem erworbenen Gegenstand als solchem Zunächst ist festzustellen, welche Möglichkeiten überhaupt bestehen, den Umfang des zu ersetzenden Schadens zu berechnen. Im Anschluß daran sind diese zu untersuchen.
a) Möglichkeiten der Berechnung des Umfangs des zu ersetzenden Schadens Es lassen sich in Literatur und Rechtsprechung fünf grundsätzliche Modelle für die Berechnung des Schadensersatzes unterscheiden. Hinzu kommen unselbständige Varianten einzelner Modelle. aa) Die Modelle lassen sich durch die Verwendung bestimmter Parameter beschreiben. Vorab werden daher diese Größen definiert. Einfachste Bemessungsgrundlage ist der Kaufpreis (Preis). Darunter soll hier verstanden werden der zwischen den Parteien tatsächlich vereinbarte und gegebenenfalls auch gezahlte Kaufpreis. Seine Bestimmung bereitet weiter keine Schwierigkeiten. Es darf nur nicht zu Verwechslungen mit dem als Ergebnis der culpa in contrahendo durch Verrechnung des Schadensersatzanspruchs herabgesetzten endgültigen Preis kommen. Eine weitere, jedenfalls theoretisch einfach zu bestimmende Größe ist der subjektive tatsächliche Wert (subjWert). Darunter verstehen wir denjenigen Betrag, den der Käufer nach seiner subjektiven Vorstellung (höchstens) zu zahlen bereit 12 Hier zutreffend BGH NJW 1980, 2408 (2410), wonach mögliche künftige Gewinne aus dem erworbenen Unternehmen in die Berechnung des Schadensersatzes einzubeziehen sind. Unrichtig Willemsen, AcP 182 (1982), 553 f.; rechtspolitisch hält Willemsen seine Position selbst für verfehlt (556). 13 So im Ergebnis in anderem Zusammenhang auch Rengier, Abgrenzung, S. 83 f.
2. Grundkonstellation
127
gewesen wäre, wenn er die wahren Umstände des Geschäfts gekannt hätte, wenn er also korrekt aufgeklärt worden wäre. Die praktische Feststellung dieser Größe dürfte auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen. Davon wird aber unten bei der Erläuterung der Theorien die Rede sein. Von zentraler Bedeutung ist der tatsächliche Wert (tatsWert). Im Grundsatz handelt es sich dabei um den objektiven Wert des Kaufgegenstands. Sieht man von den Schwierigkeiten einmal ab, die notwendigerweise mit jeder Feststellung eines objektiven Wertes verbunden sind, so ist dies nicht weiter problematisch. Der Wertbegriff darf hier allerdings nicht voreilig allein im Hinblick auf den Materialwert bestimmt werden. Entsprechend den obigen Ausführungen 14 müssen diejenigen Konsequenzen einbezogen werden, die noch in Beziehung zu dem Vertrag stehen. Es muß also beispielsweise bestimmt werden, welchen Wert eine Maschine hat, die nach einer Weile beginnt, Ausschuß zu produzieren. Dabei handelt es sich Wesentlich ist schließlich auch der fiktive Wert (fiktWert). um den objektiven Wert, den der Kaufgegenstand haben würde, wenn die Sachlage so wäre, wie sie der Käufer nach den Umständen des Geschäfts erwarten durfte. Abgestellt wird also auf die Sachlage, die der Willensbildung des Käufers in Bezug auf das Geschäft zugrunde lag. Dies erfordert die Bestimmung eines fiktiven Zustands. Für die Ermittlung dieses Zustands kann allerdings nicht allein die tatsächliche Erwartung des Käufers zugrunde gelegt werden. Diese muß vielmehr einer normativen15 Kontrolle unterzogen werden, deren Maßstab sich aus der verletzten Norm ergibt. Es ist also auf den Verletzungstatbestand abzustellen, der die Haftung aus culpa in contrahendo ausgelöst hat. Im allgemeinen wird bei positiv falschen Angaben der Zustand zugrunde zu legen sein, der diesen Angaben entspricht. Bei Verschweigen kommt das normative Element zum Tragen. Aus der Reichweite der Aufklärungspflicht ist dann der fragliche Zustand abzuleiten. Die konkrete Bestimmung dieses Zustands wird gewöhnlich bereits aus dem Vorbringen des insoweit beweispflichtigen Käufers zum Tatbestand der culpa in contrahendo möglich sein. Die Bewertung unterscheidet sich dann nicht von derjenigen für den tatsächlichen Wert, nur daß hier nicht ein realer, sondern ein fiktiver Zustand zugrunde zu legen ist. Im übrigen können hier die aus der Ermittlung des „Sollwertes" bei § 472 BGB bekannten Grundsätze16 entsprechend angewendet werden. 14 Siehe oben S. 124 ff. 15 Die Rechtsprechung drückt diesen Gedanken nur unzureichend aus, wenn sie davon spricht, was „zu Recht" erwartet werden konnte, so BGH NJW-RR 1989,150 (151). Dasselbe besagt die Formulierung „erwarten darf" (bei Assmann, Festschr. Herrn. Lange, S. 358). 16
Siehe zu diesen Erman / Grunewald § 472 Rdn. 5 m. w. N.
128
VI. Der Umfang des Anspruchs
bb) Nach dieser Begriffsklärung lassen sich nunmehr die in Rechtsprechung und Schrifttum anzutreffenden Methoden der Berechnung des Umfangs des zu ersetzenden Schadens darlegen. Hier herrscht eine beträchtliche Vielfalt, weitere Möglichkeiten sind kaum sinnvoll denkbar. Im Anschluß daran erfolgt eine genauere Betrachtung zwecks Ermittlung der rechtlich zutreffenden Berechnungsweise. In der Rechtsprechung des BGH verbreitet ist eine Vorgehensweise, die als „freie Herabsetzung" bezeichnet werden könnte. Dieser Name drückt aus, worum es letzlich geht: Über die Bestimmung des Schadensersatzes wird ein angemessener Kaufpreis festgelegt, dessen Bestimmung sich nicht nach einer festen Regel richtet, sondern flexibel den jeweiligen Umständen angepaßt wird. 17 Die Rechtsprechung verwendet verschiedene Formeln, um diesen Sachverhalt zu umschreiben. Am verbreitetsten ist die Ausdrucksweise, wonach der Käufer denjenigen Betrag zurückverlangen könne, um den er den Kaufgegenstand „zu teuer" bezahlt habe.18 Auch im Schrifttum wurde diese Formel wiederholt aufgegriffen. 19 Ähnlichen Gehalt hat die Formel, zu erstatten sei derjenige Betrag, den der Käufer „zuviel" bezahlt habe,20 um den der Käufer „überhöht gekauft hat",21 oder derjenige, um den er „günstiger hätte erwerben können".22 Verwendet wurde auch die Aussage, der Kaufpreis sei auf ein „angemessenes" Maß zu reduzieren. 23
17 Vgl. dazu unten S. 130. 18 BGH NJW 1980, 2408 (2410); BGH NJW 1987, 2511 (2512); BGH NJW-RR 1988, 328 (329); BGH NJW-RR 1989, 306 (307); BGH NJW 1989, 1793 (1794); BGH NJW 1993, 1323 (1325); BGH NJW-RR 1994, 76 (77); BGH NJW 19%, 1204; OLG Hamburg WM 1986,13; offenbar auch OLG Karlsruhe OLGZ 1980,225 (227 f.) (Setzfehler an entscheidender Stelle). 19 Basedow, NJW 1982, 1030 (beschränkt auf Speziesschulden, aber diese Einschränkung dürfte keine große Bedeutung haben; vgl. oben S. 75); Buchwaldt, NJW 1994, 155; AK-Dwbischar v. §§ 275 ff. Rdn. 59 (vgl. aber auch unten Fn. 35); v. Heymann, NJW 1990, 1148 (vgl. aber auch unten Fn. 20); ders., Bankenhaftung, XII 4 d; Holzapfel /Pöllath, Unternehmenskauf, Rdn. 358; Baumbach IHopt v. § 1 Rdn. 47 (vgl. aber auch unten Fn. 20); Horn, JuS 1995, 383; Klein-Benkers, DStR 1998, 980; Michalski, Jura 1993, 22; Gerd Müller, ZIP 1993, 1048; H. Werner /Machunsky, Rechte geschädigter Kapitalanleger, 14 G III 2 b aa. Ähnlich auch Assmann, Prospekthaftung, S. 367; Tutmann, Minderung, S. 103 ff. Unklar v. Heymann, NJW 1999,1586, der diese Formel auf die Rückabwicklung bezieht. 20 BGH NJW 1981, 2050 (2051); BGH NJW-RR 1989, 150 (151); BGHZ 111, 75 (82); BGH NJW-RR 1996, 690; J. Baur, BB 1979, 386; v. Heymann, DStR 1993, 1150; ders., NJW 1999, 1586 (vgl. aber auch oben Fn. 19); Baumbach IHopt § 347 Rdn. 35 (vgl. aber auch oben Fn. 19); v. Stebut, ZIP 1992, 1705. 21 BGHZ 69,53 (58) (vgl. aber auch unten Fn. 23). 22 Zimmer, NJW 1997,2350. 23 BGHZ 69, 53 (59); BGH NJW 1998, 2900; BGH NJW 1999, 2032 (2034); LG Darmstadt NJW-RR 1997, 1277 (1278); Palandt-//ewric/w § 276 Rdn. 102; Hölters/Sem/er VI Rdn. 134; Sonnabend, Typen der c. i. c., S. 98; Jauernig/ Vollkommer § 276 Rdn. 90.
2. Grundkonstellation
129
Eine gewisse Verbreitung hat auch eine Formel gefunden, wonach „Mehraufwendungen" aufgrund des haftungsbegründenden Tatbestands zu ersetzen sein sollen. 24 Diese Formel meint gewöhnlich dasselbe wie die eben genannten. Sie ist allerdings etwas irreführend im Hinblick darauf, daß suggeriert werden könnte, einzelne nachvertragliche Schadensposten seien als solche zu ersetzen.25 Was sich hinter diesen Aussagen konkret verbirgt, ist schwer zu sagen 2 6 Es finden sich einige Umschreibungen, die bei der Ermittlung zu berücksichtigende Faktoren benennen. Danach kommt es auf die (falschen) Angaben des Verkäufers und den tatsächlich erfolgten Abschluß an. 27 Auch die subjektiven Motive des Käufers sollen berücksichtigt werden.28 Etwas objektiver ist der Rückgriff auf die von den Parteien getroffenen Bewertungen.29 Wenn dies so zu verstehen ist, daß darauf abgestellt werden soll, welche Bedeutung die Parteien den jeweiligen gestörten Umständen im Vertrag zugemessen haben, so stellt sich dabei das Problem, daß gewöhnlich die individuellen Bewertungen der Parteien im Vertrag nicht offengelegt werden. Deswegen ist es im nachhinein kaum feststellbar, wie sich der Umstand auf die Beurteilung der Parteien ausgewirkt hätte.30 Schließlich wird auch der Wert des Kaufgegenstands angeführt. 31 Zusammenfassend kann wohl gesagt werden, daß schlichtweg alle Umstände zu berücksichtigen sein sollen.32 Eine Konkretisierung des Inhalts einer solchen Aussage ist kaum möglich. Vergleiche wurden gezogen zu den Prinzipien der Anpassung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage und bei § 315 Abs. 3 S. 2 BGB. 33
24 BGH NJW 1980, 2408 (2410); BGHZ 111, 75 (83); BGH NJW-RR 1991, 599 (601); BGH BB 1992, 231; BGH NJW 1992, 1223 (1224); BGH NJW 1994, 663 (664) („zusätzlicher und unnötiger Aufwand"); BGH NJW 1999, 2032 (2034); MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 204; Gottwald, JuS 1982, 884; v. Heymann, Bankenhaftung, XII 4 d („nutzlose Aufwendungen"); Holzapfel /Pöllath, Unternehmenskauf, Rdn. 358; Georg Müller, Informationspflichten, S. 201; Reinicke I Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 691; Schellhammer, Zivilrecht, Rdn. 1693; v. Stebut, ZIP 1992, 1705; Jauernig/Vollkommer § 276 Rdn. 91 („zusätzliche Kosten"). 25 Siehe dazu die Erörterung oben S. 125. Schellhammer, Zivilrecht, Rdn. 1693 versteht den „überhöhten Preis" als Bestandteil des „Mehraufwands". 26 Kritisch MünchKomm-HGB-Liefc Anh § 25 Rdn. 127 f. 27 BGHZ 69,53 (58). 28 Tutmann, Minderung, S. 105 f. 29 Von Hölters / Semler V I Rdn. 134 angeführt. 30 Rellermeyer, ZGR 1982,472. 31 Tutmann, Minderung, S. 105. 32 So BGH NJW 1980, 2408 (2410). Ähnlich J. Baur, BB 1979, 386; Buchwaldt, 1994,155 (die „maßgebenden" Umstände); Wezel, Dolus causam dans, S. 43. 33 M. Lehmann, Vertragsanbahnung, S. 392. 9 Gebhardt
NJW
130
VI. Der Umfang des Anspruchs
Der konkret zu ersetzende Schaden soll nach § 287 ZPO zu ermitteln sein.34 Freilich verdeckt diese Aussage eher das Problem, als es zu erhellen. Denn allein aus § 287 ZPO läßt sich kein Schadensumfang ermitteln. Es bedarf der normativen Vorgabe, nach welchen Regeln grundsätzlich der Schadensumfang zu bestimmen ist, erst anschließend kann § 287 ZPO per Schätzung über verbliebene Unklarheiten hinweghelfen. Die hier als „freie Herabsetzung" bezeichnete Formel steht aufgrund ihrer Unschärfe nicht notwendig im Gegensatz zu den im folgenden beschriebenen Methoden. In der Rechtsprechung finden sich unter den hier beschriebenen Obersätzen durchaus auch ganz konkrete Berechnungsweisen, die hier unter den folgenden Fallgruppen aufgeführt werden.35 Von daher läßt sich dieser Ansatz auch als eine Art Rahmen verstehen, der je nach Sachlage mit der einen oder anderen Formel konkretisiert wird. In welcher Situation dann welche Formel angewendet werden soll, läßt sich der Rechtsprechung aber ebenfalls nicht entnehmen.36 Eine insbesondere im Schrifttum weit verbreitete Formel, die nur vereinzelt in der Rechtsprechung nachweisbar ist, berechnet den Schadensersatz als Preis tatsWert. Mit dieser sehr einfachen Methode wird der Kaufpreis also auf den objektiven Wert (Marktpreis) des gekauften Gegenstands herabgesetzt.37 Nach einer Variante dieser Auffassung soll dieser Betrag die Obergrenze eines ansonsten nach der „freien Herabsetzung" zu ermittelnden Anspruchs darstellen.38 Eine weitere Variante will diese Methode auf Gattungsschulden begrenzen.39 w BGHZ 69, 53 (59); BGH NJW 1980, 2408 (2410); BGH NJW 1994, 663 (664); Tutmann, Minderung, S. 105. Vgl. auch M. Lehmann, NJW 1981, 1241. 35 So etwa bei BGH NJW-RR 1989, 150 (151) („zuviel"-Formel, siehe aber unten bei Fn. 42). Vgl. ferner BGHZ 114, 87 (94) („zu teuer"-Formel, siehe aber unten bei Fn. 40); BGH NJW 1993, 1323 (1325) („zu teuer"-Formel, siehe aber unten bei Fn. 44); BGH NJW 1996, 1204 („zu teuer"-Formel wird mit „Erfüllungsinteresse" gleichgesetzt); OLG Frankfurt WM 1988, 632 (635) („zu teuer"-Formel, siehe aber unten bei Fn. 37); LG Darmstadt NJW-RR 1997, 1277 (1278) („angemessenes Maß", siehe aber unten bei Fn. 40); auch AK-Dubischar v. §§ 275 ff. Rdn. 59; Kiethe, DStR 1995, 1759 (jeweils „zu teuer"-Formel, siehe aber unten bei Fn. 37). 36 MünchKomm-HGB-Liefc Anh § 25 Rdn. 128 mutmaßt, daß die Rechtsprechung ganz bewußt unscharf bleibt, um einen „Beurteilungsspielraum" zu schaffen. 37 RGZ 61, 250 (253); BGH NJW 1981, 1035 (1036); BGH NJW 1985, 380 (381); OLG Frankfurt W M 1988, 632 (635); OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 848 (850); Basedow, NJW 1982, 1030; Bruschwitz, Schadensersatz, S. 50; Canaris, ZGR 1982, 422; ders., Handelsrecht, § 8 II 3 c; AK-Dubischar v. §§ 275 ff. Rdn. 59; Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 249 f.; Kiethe, DStR 1995,1759; Krauße, JW 1929,561; M Lehmann, Vertragsanbahnung, S. 392; Lieb, JZ 1972, 443; Matthiessen, JW 1908, 62 f.; Menard, in: Bergerfurth /Menard/ Fuchs, Β 18; Messer, Festschr. Steindorff, S. 750, 754; Remiche / Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 697; Rosenberger, ZfBR 1981, 256; Sonnabend, Typen der c. i. c., S. 102 (etwas anders aber S. 98); Tiedtke, W M 1993, 1230; ders., JZ 1990, 1079; ders., DB 1989, 1322 f.; ders., JZ 1989, 570 f. Wohl auch Willemsen, AcP 182 (1982), 553; ähnlich undeutlich Gerd Müller, ZIP 1993,1048. Ausdrücklich ablehnend BGH NJW-RR 1991,599 (600). 38 Medicus, EWiR § 676 BGB 2/88, 1192.
2. Grundkonstellation
131
Vom Inhalt her ist dieser Ansatz nicht weiter problematisch. Vor allem in der Rechtsprechung des RG findet sich die Formel Preis subjWert. Damit wird als Bezugspunkt nicht der objektive Wert des Kaufgegenstands, sondern der subjektive Wert der Sache gewählt.40 Auch diese Formel ist von der Aussage her eindeutig. Sie unterscheidet sich von der vorigen nur durch den Bezugspunkt des subjektiven Werts anstelle des objektiven. Da im Zweifel der subjektive Wert gleich dem objektiven zu setzen sein wird, mag man diese Formel als eine Erweiterung von Preis - tatsWert begreifen, die für einige Sonderfälle zu abweichenden Ergebnissen gelangt. Grundsätzlich anders strukturiert als die beiden zuletzt vorgestellten Formeln ist fiktWert - tatsWert. Wenn der fiktive Wert in Relation zum tatsächlichen Wert gesetzt wird, bedeutet dies die Ausblendung des Kaufpreises und damit der Frage nach der Angemessenheit dieses Preises. Im Ergebnis bedeutet diese Formel den Ersatz des vollen Erfüllungsinteresses. Die Verwendung dieses Begriffs ist zwar hier etwas problematisch, da es um den vorvertraglichen Bereich der culpa in contrahendo geht. Er hat sich jedoch in diesem Zusammenhang eingebürgert, und in der Tat ist die Parallele zum vertraglichen Erfüllungsinteresse offensichtlich. Der Käufer wird so gestellt, wie wenn seine (normativ gefilterten) 41 Vorstellungen über den Kaufgegenstand richtig wären, der Verkäufer hat die Differenz zwischen Realität und Vorstellung zu überbrücken. Es findet eine Art konkreter „Reparatur" der Störung statt, indem diese unter unveränderter Beibehaltung des Vertrages im übrigen beseitigt wird. Diese Formel findet sich für die vorliegend betrachtete Fallgruppe, die Störungen an der Sache selbst betrifft, nur vereinzelt.42 39 Basedow, NJW 1982, 1030. Allerdings ist dabei wohl eher an die Figur des Alternativgeschäfts gedacht. 40 RG JW 1905, 76 Nr. 11; RGZ 62, 384 (386); RGZ 66, 335 (337); RGZ 95, 58 (61); Gottwald, JuS 1982, 884; wohl auch RGZ 83, 334 (336); BGHZ 114, 87 (94 f.); LG Darmstadt NJW-RR 1997, 1277 (1278); J. Baur, BB 1979, 386. Die in der Rechtsprechung (z. B. BGH NJW 1993, 1323 [1325]) und dem folgend auch vereinzelt im Schrifttum (etwa v. Heymann, Bankenhaftung, X I I 4 d; ders., DStR 1993,1150) des öfteren zu findende Formel, nach der „entscheidend ist, wie sich der geschädigte Vertragspartner bei Kenntnis der ihm verschwiegenen Umstände verhalten hätte", ist nicht im Sinne dieser Berechnungsmethode zu verstehen, sondern bezieht sich nur auf den Versuch der Überbrückung der fehlenden Kausalität bei § 249 S. 1 BGB, wenngleich es dann konsequent wäre, im Sinne dieser Formel vorzugehen. Diese Konsequenz zieht die Rechtsprechung - abgesehen von BGHZ 114, 87 - aber nicht. Die Abgrenzung ist nicht immer klar, undeutlich etwa Michalski, Jura 1993,22. 41 Siehe oben S. 127. 42 BGH NJW-RR 1989, 150 (151); OLG München HRR 1940 Nr. 150; Cohn, JW 1911, 140 (allerdings widerspricht sein Beispiel 2 den übrigen, da es die Anwendung des Verfahrens der Minderung bedeutet); ders., JW 1913, 1015; Dernburg, Allgemeine Lehren, § 146 VIII; Eisenhardt, Festschr. Leser, S. 160 ff. (bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit); v. Heymann, WuB I G 7-6.91. Beiläufig Horn, JuS 1995, 383; wohl auch Wezel, Dolus causam dans, S. 43 f., dessen Ausführungen allerdings auch im Sinne der Herabsetzung entsprechend *
132
VI. Der Umfang des Anspruchs
Schließlich wird eine Reduzierung des Kaufpreises befürwortet, deren Berechnungsweise sich an die aus § 472 Abs. 1 BGB bekannte Minderungsformel anlehnt. Die Formel dafür lautet43 Preis (fiktWert
- tatsWert)
fiktWert
Stimmen dafür finden sich in vereinzelten Entscheidungen, aber auch in der LiteΛΛ
ratur. Vom Ansatz her ist diese Formel gleichfalls nicht weiter problematisch. Es darf dabei bloß nicht der Rechtsbehelf der Minderung mit der Minderungsformel, also der bei der Minderung verwendeten Berechnungsweise, verwechselt werden.45 Im juristischen Sprachgebrauch wird undifferenziert beides als Minderung bezeichnet. Der Unterschied zwischen der Minderungsformel und dem Rechtsbehelf der Minderung wird deutlich bei Betrachtung der verschiedenen Formen der Minderung, die im Recht auftreten. Der Rechtsbehelf der Minderung verändert seine Gestalt. Die kaufrechtliche Minderung (§ 462 BGB) ist als Anspruch ausgestaltet (vgl. auch § 477 Abs. 1 S. 1 BGB). Ihr entspricht kraft Verweisung (§ 634 Abs. 4 BGB) die werkvertragliche Minderung. Anders verhält es sich im Mietrecht, wo die Minderung nach § 537 BGB automatisch kraft Gesetzes eintritt. 46 Dem folgt die Regelung des Reisevertragsrechts in § 651 d BGB. 47 Wieder eine andere Rechtslage findet sich im UNKaufrecht. Art. 50 S. 1 CISG regelt die Minderung als Gestaltungsrecht.48
der Minderung verstanden werden könnten. Sich nicht festlegend Assmann, Festschr. Herrn. Lange, S. 358 f. 43 Nach § 472 Abs. 1 BGB berechnet sich die Minderung so, daß das Verhältnis des ursprünglichen Kaufpreises (entspricht hier Preis) zum herabgesetzten Kaufpreis dem Verhältnis des Werts der Sache in mangelfreiem Zustand (entspricht hierfiktWert) zum wirklichen Wert (entspricht hier tatsWert) zu gleichen hat. Der herabgesetzte Kaufpreis ist dann gleich Preis χ tatsWert/fiktWert. Der rückzuzahlende Betrag ist die Differenz zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis (Preis) und dem herabgesetzten Kaufpreis (Preis χ tatsWert/fiktWert, wie eben gezeigt), also Preis - Preis χ tatsWert/fiktWert. Durch einfache Äquivalenzumformung ergibt dies (Preis χfiktWert - Preis χ tatsWert) /fiktWert, und dies wiederum die Formel im Text. BGH NJW-RR 1988, 10 (11); MünchKomm-Emmerich v. § 275 Rdn. 204; Larenz, SchR I, § 9 I a 3 Fn. 26; MünchKomm-HGB-Lieb Anh § 25 Rdn. 128; Hans Stoll, Festschr. Riesenfeld, S. 285; Soergel-Wiedemann v. § 275 Rdn. 197. Wohl auch RGZ 63, 110 (112); BGH NJW 1993,1323 (1325); Assmann, Festschr. Herrn. Lange, S. 358; Emmerich, WuB IV A §459 BGB-1.89. 45 Nicht differenzierend Grigoleit, Informationshaftung, S. 194 ff., ausdrücklich S. 197. * BGH W M 1985, 1213 (1214); BGH NJW-RR 1991,779 (780); MünchKomm-Voelskow §537 Rdnr. 11. 4 ? Medicus, SchR II, Rdn. 398; Staudinger/Schwerdtner § 651d Rdn. 1; Erman/Seiler § 651dRdn. 1.
2. Grundkonstellation
133
Die Berechnungsmethode, die Minderungsformel, die außer in § 472 BGB auch in § 323 Abs. 1 2.HS, Abs. 2 2.HS BGB zur Anwendung kommt, bleibt dagegen in allen Fällen gleich. Nur um diese geht es hier, nicht um den Rechtsbehelf der Minderung.
b) Bestimmung der Berechnung des Umfangs des zu ersetzenden Schadens Nach der Vorstellung der verschiedenen möglichen Methoden zur Berechnung des Schadensersatzes muß nun geklärt werden, welche davon als rechtlich geboten anzusehen ist. aa) Die hier als „freie Herabsetzung" bezeichnete Formel läßt sich nur schwer diskutieren, da sie kaum faßbar ist, wie bereits oben deutlich wurde. 49 Die Formel „zu teuer" und ihre Spielarten sind mehrdeutig.50 Eine Auseinandersetzung mit der BGH-Rechtsprechung unter dieser Formel als solcher ist nicht möglich, weil das Bezugsobjekt nicht klar ist. 51 Als Vorgabe zur Lösung von Fällen ist die Formel nicht unmittelbar anwendbar, will man nicht einer freien, unkontrollierten und unkontrollierbaren „Treu und Glauben"-Rechtsprechung „unter Berücksichtigung aller Umstände" Vorschub leisten.52 Ein erkennbarer praktischer Vorzug der Methode besteht darin, daß sie im Gegensatz zu allen anderen Methoden notfalls ohne jede Wertbestimmung auszukommen vermag. Bei den anderen Methoden können sich vor allem bei Speziessachen Probleme ergeben, da eine eindeutige Wertbestimmung hier oft schwierig ist.53 Zwar sind derartige Quantifizierungen das tägliche Brot der Rechtsprechung.54 Die Notwendigkeit solchen Vorgehens wird gemeinhin auch klaglos hingenommen. 48 Soergci-Lüderitz Art. 50 UN-KaufAbk Rdnr. 5; Staudinger/Magnus Art. 50 CISG Rdnr. 15; Reinhart Art. 50 Rdnr. 2. Zweifelnd Honsell/Schnyder /Straub Art. 50 Rdnr. 30. Vgl. auch v. Caemmerer/Schlechtriem-//ufcer Art. 50 Rdnr. 16. 4
* Siehe oben S. 130. 50 So auch Grigoleit, Informationshaftung, S. 186 f.; Tiedtke, DB 1989, 1323; ders., JZ 1989, 571; ders., Festschr. Felix, S. 496. Canaris, ZGR 1982, 423 bezeichnet diese Umschreibung als „ziemlich dubios". 51
Vgl. etwa die Aussage von Sonnabend, Typen der c. i. c., S. 108, der BGH gewähre kein Erfüllungsinteresse, und die sich daran anschließende Diskussion - es kann so pauschal nicht gesagt werden, der BGH gewähre kein Erfüllungsinteresse, vgl. oben Fn. 42. Bezeichnend auch Canaris, ZGR 1982, 422, wonach Preis - tatsWert häufig „auf ein ähnliches Ergebnis hinauslaufen wird" wie das der Rechtsprechung. 52 Vgl. MünchKomm-HGB-Liefc Anh § 25 Rdn. 128 („erhebliche Rechtsunsicherheit"); Zimmer, NJW 1997, 2350 („Element der Willkür"). 53 Vgl. Basedow, NJW 1982,1030. & Zu den hohen Anforderungen, die dabei an die Tatsacheninstanzen nach Auffassung des BGH gestellt werden können, s. BGHZ 92,85 (91 ff.).
134
VI. Der Umfang des Anspruchs
Allerdings stellen sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Verfahren der Minderung derartige Probleme in besonderer Häufung. Hier ist gemäß § 472 BGB und auch für die vorliegende Konstellation erforderlich, daß sowohl der objektive Wert der Sache (tatsWert) als auch derfiktive Wert (fiktWert) bestimmt werden. De lege lata muß dies bei § 472 BGB durch zahlenmäßige Bestimmung der einzelnen Werte erfolgen. 55 Eine Schätzung ist jedenfalls nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht möglieh. 56 Diese Notwendigkeit der doppelten zahlenmäßigen Wertbestimmung, wobei ein Wert sich auch noch auf einen fiktiven Gegenstand bezieht, führt zu erheblichen Schwierigkeiten in der Gerichtspraxis. Rechtspolitisch ist die Minderung in ihrer derzeitigen Gestalt deshalb vielfacher Kritik ausgesetzt.57 Noch etwas problematischer kann sich die Situation in der vorliegenden Konstellation darstellen, da wegen der fehlenden Bindung an den relativ eng sachbezogenen58 Fehler- und Eigenschaftsbegriff des § 459 BGB die Störung auch „etwas weiter" außerhalb der Sache liegen kann. Dann stößt auch das Sachverständigengutachten an die Grenzen seiner Möglichkeiten.59 Andererseits entspricht es offenbar der Wertung des Gesetzes, daß eine derartige Bestimmung möglich sein soll. Hilfe kann auch von einer technischen Vereinfachung des Verfahrens kommen, wie sie § 440 Abs. 3 BGB-KE de lege ferenda vorsieht. Danach soll die Feststellung des Minderungsbetrags auch ohne absolute Zahlenbestimmung auf relativer Basis möglich sein.60 Mathematisch ist dieses Verfahren absolut gleichwertig,61 und es dürfte für die Praxis eine erhebliche Erleichterung darstellen. Für die vorliegende Fallgestaltung, die sich nicht unmittelbar auf § 472 BGB stützt, besteht kein Grund, nicht schon de lege lata so vorzugehen. Mit
55 Soergei-Huber § 472 Rdn. 8; Palandt-Putzo § 472 Rdn. 5; Jauernig/ Vollkommer § 472 Rdn. 4. 56 BGH W M 1971, 1382 (1383). Dort wird etwas undeutlich formuliert, daß „nicht nach § 287 ZPO geschätzt werden" dürfe. Ob damit auch § 287 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen werden sollte, ist nicht klar. Für eine Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO Palandt-Putzo § 472 Rdn. 5. Vermutlich liegt insoweit ein Mißverständnis vor, als zwar nicht der Minderungsbetrag als solcher geschätzt werden darf, wohl aber dürfte nichts gegen eine vielfach notwendige Schätzung der Einzelgrößen sprechen. Vgl. Walter, Kaufrecht, § 5 II 6 b. 57 Abschlußbericht Schuldrechtskommission, S. 218, 219; Soergd-Huber § 472 Rdn. 8; Peters, BB 1983,1952 f.; Walter, Kaufrecht, § 5 II 6 b; Esser/ Weyers, Π/1, § 5 Ι Π 2. 58 Vgl. die gängige Eigenschaftsdefinition in BGHZ 87, 302 (307). 59 Zu den diesbezüglichen parallelen Problemen im Reisevertragsrecht Tempel, NJW 1985,97 f. 60 Abschlußbericht Schuldrechtskommission, S. 219. 61 Gemeint ist, daß die RelationfiktWert/tatsWert abstrakt bestimmt werden kann, ohne fiktWert und tatsWert quantitativ festlegen zu müssen. Beispielsweise könnte gesagt werden, ein Auto, dessen elektrische Scheibenöffner nicht funktionieren, habe den Wert von 99% eines Autos mit funktionsfähigen Scheibenöffnern, dann kann 1% vom Kaufpreis als Minderung abgezogen werden, ohne den absoluten Wert des Autos bestimmen zu müssen.
2. Grundkonstellation
135
dieser Hilfe sollte es auch beim Verfahren entsprechend der Minderung möglich sein, die technischen Probleme in den Griff zu bekommen. Wenn hier auch gewisse Unscharfen verbleiben, so erweist sich die Bestimmung nach einer nachvollziehbaren Formel doch immer noch als exakter als eine bloße Treu-und-Glauben-Rechtsprechung. Allein die praktischen Vorteile bei der Bemessung des Betrags sind daher nicht geeignet, diesen pauschalen Ansatz zu rechtfertigen. Es müssen daher die einzelnen genaueren Methoden beleuchtet werden. bb) Was die Formel Preis - subjWert betrifft, so wurde oben bereits auf die Ähnlichkeit zu Preis - tatsWert hingewiesen.62 Nimmt man diesen Ansatz jedoch als eigenen ernst, so ergeben sich aus dem Bezugspunkt des subjektiven Werts für den Käufer schwerwiegende Bedenken. Sie rühren vor allem daher, daß sich dieser subjektive Wert einer objektivierbaren Bestimmung weitgehend entzieht. Da der Anspruch aber nicht daran scheitern darf, daß ein subjektiver Wert nicht bestimmbar ist, wird keine andere Möglichkeit bleiben, als die Angaben des Käufers selbst zugrunde zu legen. Dadurch bekommt dieser praktisch einseitig die Möglichkeit, die Anspruchshöhe zu bestimmen. Willkür ist zu befürchten, die das Gericht nur in Extremfällen unterbinden könnte. Es werden einseitig die Interessen des Käufers begünstigt.63 Ihm wird die Möglichkeit eröffnet, sich auf Kosten des Verkäufers zu bereichern.64 Freilich mag die Vorstellung zugrunde liegen, daß der Käufer einen „angemessenen" oder sonstwie normativ zu bestimmenden Preis gezahlt hätte 6 5 Allerdings wird der Ansatz dann im Ergebnis aufgegeben und eine „freie Herabsetzung" befürwortet. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich in den Fällen, in denen der Käufer den Kaufgegenstand überhaupt nicht erworben hätte.66 Dann fehlt es an einem sinnvollen Bezugspunkt. Soll der Käufer den Kaufgegenstand unter diesen Umständen umsonst behalten dürfen, weil der Betrag, den er gezahlt hätte, 0 ist?67 Es zeigt sich mithin, daß die auf den subjektiven Wert für den Käufer abstellende Formel aufgrund ihrer Einseitigkeit nicht geeignet ist, als Berechnungsgrundlage zu dienen. cc) Es verbleiben als mögliche Methoden mithin Preis - tatsWert, fiktWert tatsWert und die Herabsetzung entsprechend der Minderung. Im Verhältnis zu « Siehe oben S. 131. 63 Bruschwitz, DJZ 1907,455.
Schadensersatz, S. 46, 51; Hildebrandt,
Erklärungshaftung, S. 269; Lenel,
Bruschwitz, Schadensersatz, 51; Matthiessen, JW 1908,63. « So geht anscheinend BGHZ 114,87 (94 f.) vor. 66 Vgl. dazu oben S. 82. 67 Bruschwitz, Schadensersatz, S. 46.
136
VI. Der Umfang des Anspruchs
Preis - tatsWert lassen sichfiktWert - tatsWert sowie die Herabsetzung entsprechend der Minderung zusammenfassen, da beide wesentliches gemeinsam haben, während Preis - tatsWert anders funktioniert. 68 Preis - tatsWert stellt allein auf den objektiven Wert ab, währendfiktWert - tatsWert und Minderung das Aus- tatsWert) oder vertauschverhältnis aufrechterhalten, entweder absolut (fiktWert hältnismäßig (Minderung). 69 Die sich daraus ergebenden Konsequenzen können an Beispielen verdeutlicht werden. Wenn der Käufer einen Kaufgegenstand unbedingt haben will, mag es vorkommen, daß er bewußt einen überhöhten Preis bietet, zu dem der Vertrag dann abgeschlossen wird. Später stellt sich heraus, daß der Gegenstand nicht ganz so ist, wie er sein sollte, wodurch eine Haftung aus culpa in contrahendo begründet ist. Dies bedeutet bei Anwendung von Preis - tatsWert, daß der Käufer den gesamten Überschuß, den er freiwillig zu zahlen bereit war, nun zurückverlangen kann, auch wenn die eigentliche Wertminderung aufgrund der Störung vielleicht weit weniger ausmachte. Im Fall der Anwendung der Minderung bleibt das Äquivalenzverhältnis erhalten, der Käufer muß weiterhin einen hohen, nur entsprechend der Störung reduzierten Preis zahlen. Wenn der Käufer dagegen ein vermeintlich besonders gutes Geschäft gemacht hat, kann dies bei Anwendung vonPreis - tatsWert für den Fall, daß gilt Preis < tatsWert, dazu führen, daß ein Ersatzanspruch entfällt. Polemisch wurde formuliert, der andere Teil dürfe dann den „im Vertrage wohlbegründeten Gewinn abbetrügen".70 Dagegen bleibt dem Käufer bei Anwendung des Verfahrens der Minderung das günstige Austauschverhältnis erhalten. fiktWert - tatsWert und die Herabsetzung entsprechend der Minderung gewähren in der vorliegenden Fallkonstellation immer einen Anspruch (es sei denn, es gilt fiktWert = tatsWert, das heißt aber, daß der Käufer genau das erhalten hat, was er bekommen wollte). Dagegen kann es, wie im Beispiel, durchaus vorkommen, daß gilt Preis < tatsWert, was bedeutet, daß der Käufer dann keinen Ersatz bekommt, die falschen Angaben also folgenlos bleiben. Auch wenn man sich konsequenterweise auf den Standpunkt stellt, der Käufer sei in dieser Konstellation nicht geschädigt, so bedeutet dies doch im Ergebnis, 68 Man mag die Unterscheidung bei Tiedtke, JZ 1989,570 f. in „kleine Korrektur" (Preis tatsWert) und „große Korrektur" (fiktWert - tatsWert und Verfahren der Minderung) damit identifizieren. Die Bezeichnung als „klein" und „groß", die suggeriert, erstere Methode sei dem Gesetz näher, kann freilich so nicht akzeptiert werden (ähnliche Behauptung bei Medicus, Festschr. Herrn. Lange, 558). Vielmehr ist im Folgenden zu untersuchen, welche Lösung dem Gesetz entspricht. 69 Die übliche Einteilung in „relative" Methoden (Verfahren der Minderung) und „absolute" Methoden (in unserer Terminologie Preis - tatsWert undfiktWert - tatsWert) - etwa bei Soergel -Huber § 472 Rdn. 2 f.; Oertmann, BGB, § 472 Anm. 1; Kabel, Recht des Warenkaufs II, S. 232 - ist rein formaler Natur und trifft nicht die hier relevante Problematik. 70
Schneider, DJZ 1915, 271 (auf die umgekehrte Fallgestaltung bezogen, in der der Käufer den Verkäufer täuscht).
2. Grundkonstellation
137
daß das den Tatbestand auslösende Fehlverhalten des Verkäufers sanktionslos bleibt. Unter dem Aspekt des Präventionsinteresses71 ist diese Konsequenz bedenklich.72 Eine einfache Begründung, warum nur die objektive Wertdifferenz zu ersetzen sei, lautet, der Käufer vertraue nur darauf, einen Kaufgegenstand zu erhalten, der den Kaufpreis objektiv wert sei.73 Dies würde bedeuten, daß rein tatsächlich Ziel des Käufers nur ist, für sein Geld eine (überspitzt formuliert: irgendeine) gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Dem ist sicherlich nicht so. Ziel des Geschäftes ist, wie bereits oben gezeigt wurde, primär der Erhalt der erwarteten Gegenleistung.74 Der Käufer vertraut mithin auf die erwartete Gegenleistung und auf ein bestimmtes Preis-Leistungs-Verhältnis in Bezug auf diese Leistung und ihren Preis, nicht aber nur auf ein irgendwie objektiv angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Frage ist, ob dieses Vertrauen auf das konkrete Austauschverhältnis rechtlich geschützt wird. WennfiktWert - tatsWert und die Herabsetzung entsprechend der Minderung das Austauschverhältnis aufrechterhalten, dann geschieht dies dadurch, daß auf den ursprünglich geschlossenen Vertrag zurückgegriffen wird. Der Umfang des zu ersetzenden Schadens wird unter Einbeziehung des Vertragsschlusses bestimmt.75 Für die Berechnung des Schadensersatzes sind die vertraglichen Festsetzungen maßgebend.76 Preis - tatsWert stellt dagegen nur auf den objektiven Wert ab. Bei diesem Ansatz wird es irrelevant, welche vertraglichen Vereinbarungen getroffen wurden. Die Beziehung zum Vertrag wird vollständig gekappt. Stattdessen schafft diese Methode einen vertragslosen Zustand.77 Dies führt auf die Frage nach dem Verhältnis des vorliegenden Anspruchs zum geschlossenen Vertrag. An ihm entscheidet sich die Frage zwischen den beiden Ansätzen.78 Oben wurde dargelegt, daß die Rechtfertigung der hier untersuchten Figur, soweit das Behaltenkönnen in Rede steht, aus dem rechtlich geschützten Behaltensinteresse des Käufers folgt. Der rechtliche Schutz dieses Interesses folgt aus dem 71 Vgl. dazu oben S. 56. 72 Nach Tiedtke, W M 1993,1232 soll diese Konsequenz hinzunehmen sein. 73 So Menard, in: Bergerfurth /Menard/Fuchs, Β 18. 74 Vgl. dazu bereits grundsätzlich oben S. 41. 75 So RGZ 63, 110 (112); RG Recht 1907 Nr. 1034. Vgl. auch BGH NJW 1996, 1204, wo die Bedeutung des wirksamen Vertrags für den Ersatz des „Erfüllungsinteresses" betont wird, und Linckelmann, JW 1905, 226 (allerdings von verfehltem dogmatischem Ansatz). 76 So RGZ 63,110(112). 77 BGH NJW 1991, 599 (600 f.) verwirft mit dieser Begründung die Berechnung nach Preis - tatsWert ausdrücklich. 78 Insoweit zutreffend Grigoleit,
Informationshaftung, S. 195.
138
VI. Der Umfang des Anspruchs
rechtlich geschützten Vertrauen, das sich auf den Vertragsschluß gründet. Die letztendliche Rechtfertigung der Figur wurzelt darum im Vertragsschluß und darin, daß der Vertrag nicht rückabgewickelt wird, sondern der Käufer am Vertrag festhält. 79 Die Frage ist, ob aus der Rechtfertigung der Figur selbst auch auf ihre Ausgestaltung geschlossen werden kann. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß es darauf ankommt, ob das „Behaltensinteresse", von dem oben die Rede war, 80 zu einem allgemeinen „Relationsinteresse"81 erweitert werden kann. Ein solches Relationsinteresse würde über das Behalten des Kaufgegenstands hinaus die weiteren vertraglichen Festsetzungen, insbesondere also das Austauschverhältnis, mitumfassen. Die wesentliche Frage ist dann, ob es sich bei einem solchen Relationsinteresse um eine geschützte Rechtsposition handelt, die in für die culpa in contrahendo relevanter Weise verletzt werden kann.82 Dies leugnen die Vertreter der Gegenauffassung. Ein Schaden sei nur dann zu bejahen und zu ersetzen, wenn eine objektive Wertdifferenz bestehe. Ansonsten bekomme der Käufer einen „zusätzlichen" Vorteil, eine „Gewinnerwartung"83 sei nicht geschützt.84 Verwiesen wurde auch auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot.85 Es ist unschwer zu erkennen, daß mit diesen Umschreibungen gerade der Schutz dessen abgelehnt wird, was hier als Relationsinteresse bezeichnet wurde, wenngleich die Formulierung „Gewinnerwartung" zu eng ist: Bezugspunkt ist das gesamte Austauschverhältnis, nicht nur ein erwarteter „Gewinn".86 Für den Schutz des Relationsinteresses spricht, daß der Käufer aufgrund des Vertrages nicht nur darauf vertraut, daß er den Kaufgegenstand erhält und behalten kann. Er vertraut auch darauf, den Gegenstand zu den im Vertrag festgelegten Be79 Zum Ganzen siehe oben S. 40 ff. so Siehe S. 34 ff. 81 Begriffsbildung des Verfassers. 82 Bejahend Wezel, Dolus causam dans, S. 44 mit der plastischen Formulierung, der Käufer könne auch um einen vorteilhaften Abschluß betrogen werden; vgl. auch Nevian, Veräußerung, S. 138. Ein geschütztes Interesse bejaht interessanterweise auch Willemsen, AcP 182 (1982), 556, der nur deshalb für Preis - tatsWert plädiert, weil er - zu Unrecht, wie gezeigt werden wird - im Rahmen der c. i. c. keine Möglichkeit sieht, dies zu berücksichtigen. 83 Formulierung von Tiedtke, W M 1993, 1230. Ähnlich schon ders., Festschr. Felix, S. 494. 84 Dazu mit im einzelnen unterschiedlicher Nuancierung Assmann, Festschr. Herrn. Lange, S. 358 f.; Grigoleit, Informationshaftung, S. 194 f.; Lieb, JZ 1972, 443; Medicus, Festschr. Herrn. Lange, S. 558; Gerd Müller, ZIP 1993, 1048; Staudinger/Oechsler § 826 Rdn. 153; Reinickel Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 694; Tiedtke, DB 1989, 1322; ders., Festschr. Felix, S. 494 f., 497; ders., JZ 1990,1079; ders., WM 1993, 1230,1232. 85 Basedow, NJW 1982,1030. 86 Vgl. Staudinger I Löwisch v. §§ 275 ff. Rdn. 95: „Ausgleich für enttäuschte Leistungserwartung".
2. Grundkonstellation
139
dingungen erhalten zu können, also insbesondere zu dem im Vertrag festgelegten Preis.87 Dieses Interesse ist von dem Interesse, den Kaufgegenstand zu bekommen, auch gar nicht zu trennen. Die isolierte Betrachtung des Behaltensinteresses ist insoweit etwas ungenau und bedarf der Präzisierung. Denn ein isoliertes Vertrauen darauf, einen Gegenstand zu bekommen, macht bei einem Austauschvertrag keinen Sinn. Es ist notwendig gekoppelt mit der Vorstellung, für den Gegenstand (nur) einen bestimmten Preis zahlen zu müssen. Der Käufer will den Gegenstand nicht buchstäblich „um jeden Preis", sondern nur zu dem vertraglich vereinbarten. Auch hier stellt sich jedoch die Frage nach dem rechtlichen Schutz eines solchen, zunächst nur tatsächlichen Interesses. Das Prinzip der Bezugnahme auf das vertragliche Austauschverhältnis und damit der Schutz des Relationsinteresses läßt sich aber auch wieder in den Vorschriften nachweisen, die die Leistungsstörungen im Schuldrecht regeln.88 Wenn es, wie hier, trotz der Störung beim Leistungsaustausch bleibt, bedient sich das Gesetz der zwei Methoden, die bereits oben dem vertraglichen Bereich zugeordnet wurden.89 Dies sind das Verfahren, das vorliegend alsfiktWert tatsWert umschrieben wurde, und die Herabsetzung entsprechend der Minderung. fiktWert - tatsWert bedeutet der Ersatz des Verzugsschadens nach § 286 Abs. 1 BGB. Gleiches gilt für den im Falle der positiven Vertragsverletzung geschuldeten Schadensersatz. Im vertraglichen Bereich benutzt das Gesetz hierfür mehrfach die Formulierung „Schadensersatz wegen Nichterfüllung" (§§ 325 Abs. 1 S. 1, 326 Abs. 1 S. 2 [über § 440 Abs. 1 BGB auch für den Rechtsmangel im Kaufrecht maßgeblich], 463, 538 Abs. 1, 635, 65lf Abs. 1 BGB). Wenn der Gläubiger dabei den sogenannten „kleinen Schadensersatz" verlangt,90 also die Leistung behält und die Differenz geltend macht, bedeutet diesfiktWert - tatsWert. Anders dagegen behilft sich die Rechtsordnung beim Wegfall der Geschäftsgrundlage. Hier wird das Austauschverhältnis durch eine entsprechende Anpassung aufrechterhalten. 91 Für den Sachmangel im Kaufrecht sieht § 472 Abs. 1 BGB die Minderung vor. Auf diese Vorschrift verweisen für den Tausch mittelbar §515 BGB, 92 unmittelbar für das Mietrecht § 537 Abs. 1 S. 1 BGB, für das Werkvertragsrecht § 634 Abs. 4 BGB, schließlich für das Reisevertragsrecht § 65ld Abs. 1 BGB. 87 Vgl. BGHZ 111, 75 (83): der Käufer „konnte ... darauf vertrauen, daß sein Gesamtaufwand ... den vereinbarten Kaufpreis nicht übersteigen werde". 88 Siehe zu diesem methodischen Ansatz bereits oben S. 43. 89 Siehe oben S. 137. 90 Zum kleinen Schadensersatz bei Rechtsmängelhaftung Walter, Kaufrecht, § 4 III 2 b. Zu § 463 BGB Palandt-Pwtto § 463 Rdn. 18. Beim Werkvertrag Palandt-Spraw § 635 Rdn. 6. 91 Siehe oben S. 45 ff. 92 Zu den damit verbundenen Problemen Soergel -Huber § 515 Rdn. 15.
140
VI. Der Umfang des Anspruchs
Wenn das Gesetz also das Austauschverhältnis grundsätzlich aufrechterhält, indem es dem Gläubiger die Leistung zukommen läßt, dann bemüht es sich unter Heranziehung der genannten zwei Techniken auch, die Bedingungen des Austauschverhältnisses beizubehalten. Es bewertet das Relationsinteresse mithin als geschützt. Allerdings stellt sich die Frage, ob dieser Befund auch auf die vorliegende Fallkonstellation ohne weiteres übertragbar ist. Ein häufiges Mißverständnis nimmt dabei an, der Schutz des Relationsinteresses sei nur über die Gewährung des Erfüllungsinteresses möglich. Dies mag mit der zuweilen verwendeten ungenauen Terminologie zusammenhängen, wonach „Erfüllungsinteresse" synonym für jede Berücksichtigung der vertraglichen Bestimmungen bei der Ermittlung des Schadensersatzes gebraucht wird. 93 Da das Erfüllungsinteresse - jetzt im korrekten engen Sinne gebraucht - aber nicht zu ersetzen sei (was zutrifft 94), scheide eine Berücksichtigung schlechthin aus.95 Dabei wird aber übersehen, daß auch die Herabsetzung entsprechend der Minderung zum Schutz des Relationsinteresses in Betracht kommt. Recht verbreitet ist ferner die Annahme, die Berücksichtigung vertraglicher Festsetzungen sei für die Bemessung dieses Anspruchs nicht möglich, weil der Vertrag ja gerade der Ausgangspunkt des Übels sei. Deswegen sei im Gegenteil die vertragliche Festsetzung gerade zu beseitigen. Auf diese könne deshalb der Schadensersatz nicht gestützt werden.96 Man könnte dies plastisch dahingehend formulieren, der Käufer könne nicht gleichzeitig verlangen, daß der Vertrag gelten und daß er nicht gelten solle.97 Es wurde allerdings schon oben herausgearbeitet, daß sich als Schadensereignis nicht der Vertrag, sondern das die culpa in contrahendo auslösende Fehlverhalten des Verkäufers darstellt.98 Der Vertrag ist nur Symptom, nicht Ursache der Störung. Wer den Vertrag beseitigen will, löst zwar auch das Problem, aber auf einem anderen Weg, nämlich dem der Rückabwicklung. Wie sich schon aus der Formel vom „Festhalten am Vertrag" ergibt, will der den Kaufgegenstand behaltende Käufer gerade nicht den Vertrag beseitigen,99 denn dieser stellt die Grundlage seines 93
Ausdrücklich so definiert von Grigoleit, 94 Dazu näher unten S. 147 ff.
Informationshaftung, S. 189. Vgl. auch Fn. 95.
95 So etwa Basedow, NJW 1982, 1030; Grigoleit, Informationshaftung, S. 190 (für eine Berücksichtigung dann aber 207, 211); Messer, Festschr. Steindorff, S. 754; Reinicke / Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 694, 697; Tiedtke, DB 1989, 1322; ders., Festschr. Felix, S. 494, 496; ders., JZ 1989, 571; ders., JZ 1990, 1079. 96 RG WarnRspr. 1912 Nr. 333; Bruschwitz, Schadensersatz, S. 50; Tutmann, Minderung, S. 109. In diese Richtung auch Willemsen, AcP 182 (1982), 553. 97 Vgl. RGZ 56, 47 (51 f.) (mit etwas merkwürdiger Ausdrucksweise); G. Werner, Recht 1905, 304. 98 Siehe oben S. 70. 99 Vgl. Matthiessen, JW 1908,63.
2. Grundkonstellation
141
Anspruchs auf Behaltenkönnen des Gegenstands dar, wie bereits deutlich gemacht wurde. Es ist deswegen auch nicht richtig zu sagen, der Vertrag müsse beseitigt werden. Die Formulierung, der Käufer verlange gleichzeitig, daß „der Vertrag" gelten solle und daß er nicht gelten solle, vereinfacht allzu grob. Der Käufer verlangt, daß die ursprünglichen vertraglichen Festsetzungen, soweit sie das Äquivalenzverhältnis betreffen, erhalten bleiben. Dagegen sollen die absoluten Preisbestimmungen, die der Vertrag enthält, geändert werden. Dies sind zwar beides Aspekte des Vertrages. Sie können jedoch voneinander getrennt werden, wobei der eine erhalten bleibt, der andere dagegen eine Änderung erfährt. Dies wird übersehen, wenn von „dem Vertrag" an sich die Rede ist. Ein logischer Widerspruch liegt deswegen nicht vor. Es kann also nicht geltend gemacht werden, auf den Vertrag könne man sich nicht stützen, da dieser beseitigt werden müsse. Auch wurde argumentiert, bei Inbezugnahme des Vertrags werde der geschlossene Vertrag durch einen anderen ersetzt. Dies sei nicht zulässig, da gegen die Willensfreiheit verstoßend.100 Es wurde jedoch bereits oben dargetan, daß der Verkäufer, dessen Willensfreiheit hier insbesondere betroffen ist, diese Konsequenz hinzunehmen hat. 101 Schließlich wurde argumentiert, eine Berücksichtigung der vertraglichen Festsetzungen sei nicht möglich, weil die durch das Fehlverhalten des Verkäufers ausgelösten Fehlvorstellungen des Käufers sich nicht im Vertrag niederschlagen würden. Wenn der Käufer hierfür Ersatz wolle, könne er seine Vorstellungen ausdrücklich im Vertrag festschreiben lassen.102 Damit wird jedoch verkannt, daß sich die Vorstellungen des Käufers sehr wohl im Vertrag niedergeschlagen haben, indem sie die Vertragsbedingungen, insbesondere den Preis, oder schon die Bereitschaft zum Vertragsschluß an sich beeinflußt haben.103 Würde dies nur anerkannt, wenn eine ausdrückliche Festschreibung im Vertrag erfolgt, so würde damit die Existenzberechtigung (vor-)vertraglicher vertragsbezogener Nebenpflichten schlechthin in Frage gestellt. Denn natürlich könnten solche Pflichten oder die sich daraus ergebenden Konsequenzen immer ausdrücklich im Vertrag festgeschrieben werden. Mit dem tatsächlich erfolgten Vertragsschluß wird die „Grenze zum [vor-] 104 vertraglichen Schutz der Erwartung" 105
100 Krauße, JW 1929, 561. Vgl. Bruschwitz, Schadensersatz, S. 44 ff.; Grigoleit, tionshaftung, S. 190, St. Lorenz, NJW 1999, 1002. ιοί Siehe oben S. 54 f. i° 2 Grigoleit, Informationshaftung, S. 194 f. 103 Siehe oben S. 16. 104 Klammereinfügung des Verf. 105 Entgegen Grigoleit, Informationshaftung, S. 196.
Informa-
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VI. Der Umfang des Anspruchs
überschritten. Die Wirkungen des geschlossenen Vertrags können nicht einfach ignoriert werden. 106 Prinzipiell etwas anders als die bisher erörterten, auf den Vertrag bezogenen Einwände setzt das Argument an, der Käufer dürfe nicht besser stehen als im Falle der Rückabwicklung.107 Dem liegt der Gedanke zugrunde, die Rückabwicklung sei die „eigentlich" richtige Lösung, das Behaltenkönnen dagegen eine Ausnahme. Hierfür spricht immerhin, daß oben festgestellt wurde, daß für den fiktiven Kausalverlauf jedenfalls am ehesten davon auszugehen ist, ein Vertrag wäre nicht zustandegekommen.108 Es gebieten nur besondere Umstände außerhalb des fiktiven Kausalverlaufs, auch einen Schadensersatz ohne Rückabwicklung zuzulassen. Davon ausgehend könnte dann gefolgert werden, daß die grundsätzliche saldomäßige Vermögensverteilung, die die Rückabwicklung herbeiführt, möglichst wenig verändert werden dürfe. Die Rückabwicklung bedeutet, daß der Verkäufer den Kaufpreis zurückerstatten muß (Preis) und der Käufer den Kaufgegenstand zurückzugeben hat (vermögensmäßig tatsWert). Sie erzeugt also rein vermögensmäßig betrachtet den Stand Preis - tatsWert. Wenn dieser Zustand möglichst wenig verändert werden darf, bedeutet dies, daß Preis - tatsWert als die angemessene Berechnungsform anzusehen sein müßte. Ob dieser Ansatz zutreffend ist, hängt davon ab, ob tatsächlich die Rückabwicklung nach § 249 S. 1 BGB als normale, vorrangige Form der Abwicklung anzusehen ist, die hier nur in etwas anderem Gewände erfolgt 109 (vergleiche die Formulierung von der „kleinen Gesetzeskorrektur") 110. An dieser Stelle können die oben gewonnenen Erkenntnisse über die Herleitung des Anspruchs fruchtbar gemacht werden. Es wurde festgestellt, daß als gesetzliche Grundlage § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB anzusehen ist. 111 Hiervon ausgehend kann die Frage anders formuliert werden. Es geht dann darum, ob der die Rückabwicklung betreffende Anspruch aus § 249 S. 1 BGB auch für die Ansprüche aus § 251 i°6 Hierin liegt der wesentliche Unterschied zur ebenfalls der c. i. c. zugeordneten Fallgruppe der Verweigerung des in Aussicht gestellten Vertragsschlusses, bei der die Berücksichtigung der (in Aussicht gestellten) Vertragsinhalte problematisch ist, vgl. instruktiv Hanau/Wackerbarth, Festschr. Kim, S. 213. io? Reinicke/ Tiedtke, Kaufrecht, Rdn. 697; Tiedtke, WM 1993, 1232; ders., JZ 1990, 1079; ders., Festschr. Felix, S. 494; ders., JZ 1989, 570 u. passim; ders., DB 1989, 1322/ 1324; zustimmend StaudingerIHonsell v. §§ 459 ff. Rdn. 58. So wohl auch Messer, Festschr. Steindorff, S. 753 (mit etwas merkwürdiger Terminologie: „Erfüllungsinteresse" wird hier mit Behaltendürfen identifiziert). Ähnlich die Konstruktion bei Canaris, ZGR 1982, 422/ 420; ders., Handelsrecht, § 8 II 3 c (ihm angeblich folgend, aber nicht richtig verstehend Willemsen, AcP 182 [1982], 553 f.); Grigoleit, Informationshaftung, S. 206. io» Vgl. oben S. 85. 109 Ausdrücklich ablehnend unter Hinweis auf das „Festhalten am Vertrag" BGH NJW-RR 1991,599 (600 f.). 110 Siehe oben Fn. 68. m Siehe oben S. 102 ff.
2. Grundkonstellation
143
Abs. 1 BGB bestimmende Bedeutung besitzt. Die Frage betrifft also, allgemein formuliert, das Verhältnis von § 249 S. 1 BGB zu § 251 Abs. 1 BGB. Ein unmittelbarer Vergleich beider Normen ist nicht möglich, da § 249 S. 1 BGB Naturalrestitution regelt, also grundsätzlich keinen Geldersatz, während § 251 Abs. 1 BGB Anspruch auf Ersatz in Geld gewährt. Bezugspunkt ist deshalb § 249 S. 2 BGB, der eine Regelung „statt der Herstellung" trifft, den Herstellungsanspruch also in eine Geldzahlung vermittelt. 112 Dabei liegt dem Geldersatz nach § 249 S. 2 BGB das Restitutionsprinzip zugrunde. Befriedigt wird das Integritätsinteresse. Basis des Anspruchs nach § 251 Abs. 1 BGB ist dagegen das Kompensationsprinzip. Hier wird das Wert- oder Summeninteresse befriedigt. 113 Festzustellen ist mithin, in welchem Verhältnis Integritätsinteresse und Wertinteresse zueinander stehen. Anscheinend wird vereinzelt unter Berufung auf die Differenzhypothese vertreten, daß das Integritätsinteresse das Wertinteresse summenmäßig nach oben begrenze.114 Unter der Differenzhypothese versteht man die Schadensbestimmung nach dem Prinzip, daß ein Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen vorzunehmen ist, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte. Freilich ist dieser Ansatz heftig umstritten und wird auch von der Rechtsprechung nur als Grundsatz angesehen, von dem ausgehend dann die Schadensberechnung im Einzelfall zu erfolgen habe.115 Auch wenn man die Differenzhypothese zugrundelegt, so ist doch offensichtlich, daß eine unmittelbare Aussage über die Höhe des zu ersetzenden Schadens daraus nicht möglich ist. Denn sonst müßten die in Geld zu ersetzenden Beträge für das Integritäts- und das Wertinteresse immer identisch sein. Der Unterschied zwischen Restitutions- und Kompensationsprinzip würde eingeebnet. Weiterhin spricht gegen eine Anwendung, daß mit der Differenzhypothese der fiktive Kausalverlauf in Bezug genommen wird. Es ergibt sich aber bereits aus dem Wortlaut von § 251 BGB einerseits und § 249 S. 1 BGB andererseits und eben
112 BGHZ 5, 105 (109). Deswegen handelt es sich auch um eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, BGHZ 121,22 (26). "3 BGH NJW-RR 1990,1303 (1304); MünchKomm-Grwwty § 251 Rdn. 6; Palandt-tfewrichs § 249 Rdn. 5, § 251 Rdn. 10; Medicus, SchR I, Rdn. 586 ff.; Staudinger/Schiemann § 251 Rdn. 2 f. Anders anscheinend Keuk, Vermögensschaden, S. 23, nach der es keinen Unterschied zwischen Integritäts- und „Vermögensinteresse geben soll. Siehe Larenz, SchR I, § 29 I a (S. 480); Enneccerus///. Lehmann § 18 III; Esser IE. Schmidt, 1/2, § 32 II 1. Allerdings ist nicht ganz klar formuliert, ob die Konsequenz tatsächlich in der Schärfe gezogen werden soll, wie sie im Text formuliert ist. us Aus der Rechtsprechung BGHZ 27, 181 (183 f.); BGHZ 40, 345 (347); BGHZ 75, 366 (371); BGHZ 86, 128 (130); BGHZ 99, 182 (196). Siehe zur allgemeinen Diskussion um die Differenzhypothese MünchKomm-Grunsky ν § 249 Rdn. 6 ff. m. w. N.
144
VI. Der Umfang des Anspruchs
auch aus der Unterscheidung von Restitutions- und Kompensationsprinzip, daß der fiktive Kausalverlauf bei § 251 BGB keine Rolle spielen kann. 116 Unabhängig von der Berufung auf die Differenzhypothese spricht entscheidend gegen eine Begrenzung auf den nach § 249 S. 2 BGB geschuldeten Betrag, daß eine Bezugnahme im Fall des § 251 Abs. 1 1 .Alt. BGB begrifflich gar nicht möglich ist. Denn für eine unmögliche Herstellung gibt es keinen Preis. 117 Noch deutlicher wird es bei der hier eigentlich nur betroffenen Vorschrift des § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB. Wenn das Gesetz voraussetzt, daß die Herstellung „nicht genügend" ist, ist es widersinnig, eben diese Herstellung als Obergrenze in Bezug zu nehUS
men. Zwar lehrt die Erfahrung, daß der Wertersatz typischerweise niedriger als ein angeblich vergleichbarer Integritätsersatz ausfällt. 119 Diese Vorstellung liegt ersichtlich auch § 251 Abs. 2 S. 1 BGB zugrunde, wenn damit der sich aus § 249 S. 2 BGB ergebende Betrag 120 reduziert werden soll. Für § 251 Abs. 1 BGB ist diese Betrachtungsweise jedoch verfehlt, da es, wie eben ausgeführt, an einer konkreten Vergleichbarkeit mangelt. Gleiches gilt für eine abstrakte Betrachtungsweise, die für § 251 BGB konstatierte, es werde im Gegensatz zu § 249 BGB kein Integritätsinteresse, kein Affektionsinteresse und kein „Verwendungsplanungsinteresse" befriedigt. 121 Ein Vergleich ist nur dann möglich, wenn man entgegen den Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 BGB die Möglichkeit oder das „Genügen" der Herstellung unterstellt, und gerade damit werden die Bezugspunkte einschneidend verändert. Es kann also gefolgert werden, daß es keine Regel gibt, nach der der Wertersatz nach § 251 BGB durch das Integritätsinteresse, wie es sich in § 249 S. 2 BGB ausdrückt, bestimmt wird. Dies gilt schon deshalb, weil ein Vergleich bereits begrifflich nicht möglich ist. Damit hat sich auch das Argument erledigt, weil die Rückabwicklung die „eigentlich richtige" Form des Schadensersatzes sei, müsse sie dem Wertvergleich zugrunde gelegt werden. Diese Aussage ist unzutreffend, weil die Rückabwicklung, da „nicht genügend", nicht die richtige Form des Schadensersatzes ist. Sie kann deswegen auch nicht als Bezugspunkt dienen. Gegen die Berücksichtigung des Relationsinteresses werden weiterhin Argumente vorgebracht, die sich auf die angeblich grundsätzlich verschiedenen Eigenarten von Schadensersatz und Gewährleistung stützen. Wegen dieser Verschieden116 BGH NJW 1984, 2570 (2572). 117 Staudinger / Schiemann § 251 Rdn. 2; Schlechtriem, SAT, Rdn. 202. us Vgl. Staudinger/ Schiemann § 251 Rdn. 2. 119 Vgl. auch Jauernig / Teichmann § 251 Rdn. 1. 120 § 251 Abs. 2 BGB gilt auch für § 249 S. 2 BGB; BGHZ 63, 295 (297); BGHZ 102, 322 (330); MiinchKomm-Grunsky § 251 Rdn. 15. 121 Brinker, Rdn. 38.
Vermögensschadensersatz, S. 324. Zustimmend Soergel-Mertens v. § 249
2. Grundkonstellation
145
heit sei eine Vermischung nicht zulässig. Die culpa in contrahendo dürfe nicht zu einem Instrument der Sachmängelhaftung werden. Außerhalb von Gewährleistungsvorschriften sei deshalb das Verfahren der Minderung nicht anwendbar.122 Die Frage, inwieweit das Verfahren der Minderung als eine exklusiv den Gewährleistungsvorschriften zugeordnete Methode anzusehen ist, soll zunächst zurückgestellt werden. Da der Anspruch auf Herabsetzung der Gegenleistung oben aus § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB hergeleitet wurde, soll vorab die grundsätzliche Feststellung getroffen werden, worin das nach § 251 BGB zu ersetzende Wertinteresse, 123 vorläufig unabhängig von der konkreten Berechnungsweise, hier überhaupt besteht. Unter dem Wertinteresse wird verstanden die beim Geschädigten vorliegende Vermögensminderung.124 Fraglich ist aber, worin diese besteht, wenn es sich nicht einfach um beispielsweise eine zerstörte oder verlorengegangene Sache handelt.125 Um auch in weniger klar liegenden Fällen zu einer Bemessung zu gelangen, muß das verletzte Interesse festgestellt und bewertet werden. Die Entschädigung muß dem verletzten Interesse entsprechen.126 Es muß also festgestellt werden, worin in der vorliegenden Fallkonstellation das verletzte Interesse besteht. Die Frage nach dem verletzten Interesse in diesem Zusammenhang läßt sich in Verbindung bringen mit den gängigen Definitionen des Schadens. Schaden wird üblicherweise definiert 127 als Einbuße an rechtlich geschützten Positionen.128 Das gemeinte Interesse ist offenbar zu identifizieren mit der rechtlich geschützten Posi-
122 RGZ 61, 250 (253); Tiedtke, Festschr. Felix, S. 495; ders., DB 1993, 1323; Tutmann, Minderung, S. 108; Willemsen, AcP 182 (1982), 552/554; vgl. auch Canaris, Handelsrecht, § 8 Π 3 b; St. Lorenz, Unerwünschter Vertrag, S. 79. Zwar betrifft dieser Einwand nur die Herabsetzung entsprechend der Minderung, nichtfiktWert - tatsWert. Wegen der Parallelität vonfiktWert - tatsWert und der Herabsetzung entsprechend der Minderung einerseits und andererseits Preis - tatsWert ist er aber hier zu behandeln. 123 Zum Ersatz des Wertinteresses bei § 251 Abs. 1 BGB siehe bereits S. 143. 124 BGH NJW 1985, 2413 (2415); MünchKomm-Grunsky § 251 Rdn. 6; Palandt-tfemrichs § 251 Rdn. 10; Soerge\-Mertens § 251 Rdn. 1; Staudinger/Schiemann § 251 Rdn. 3; Esser/£. Schmidt, 1/2, § 32 II 2. 125 Dann ist der Wiederbeschaffungswert zu ersetzen; MünchKomm-Grunsky § 251 Rdn. 8 f. m. w. N. 126 BGH NJW 1984,2570 (2571). 127 Sofern solche Definitionen nicht grundsätzlich als unergiebig abgelehnt werden, etwa bei Staudinger / Schiemann v. § 249 Rdn. 41 f. 128 So oder ähnlich etwa MünchKomm-G/wwifcy v. § 249 Rdn. 6; Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401; Köndgen, AcP 177 (1977), 7 f.; Erman/Kuckuk v. § 249 Rdn. 15; Lange, Schadensersatz, § 1 III 1; Soergel -Mertens v. § 249 Rdn. 41; Neuwald, Schadensbegriff, S. 2. Weitere Nachweise und Formulierungen bei Staudinger12 ! Medicus v. § 249 Rdn. 33. 129 Vgl. Hans Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht, Nr. 210, der von vornherein vgl. die obige Definition des Schadens - vom rechtlich geschützten Interesse spricht. 10 Gebhardt
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VI. Der Umfang des Anspruchs
Rechtlich geschützte Position ist im vorliegenden Zusammenhang, wie sich aus den früheren Ausführungen ergibt, das rechtlich geschützte Vertrauen des Käufers in das Behaltenkönnen aufgrund des Vertrages. Rechtlich geschützt ist dabei auch, wie oben gezeigt wurde, 130 das Vertrauen auf ein bestimmtes Austauschverhältnis. Dieses Vertrauen auf ein bestimmtes Austauschverhältnis bedarf mithin der quantitativen Bewertung, um dem Käufer einen »Ausgleich für seine enttäuschte Leistungserwartung"131 bieten zu können. Eine Möglichkeit der Quantifizierung liegt darin, das Vertrauen bewertungsmäßig mit dem tatsächlichen Vollzug des entsprechenden Austauschverhältnisses zu identifizieren. Dies führt zu fiktWert - tatsWert, also dem Ersatz des positiven Interesses. Eine weitere Möglichkeit könnte in der Heranziehung der Methode der Minderung bestehen. Das Verfahren der Minderung dient zunächst dazu, den Vertrag durch Anpassung132 aufrechtzuerhalten. 133 Es erfüllt damit eine grundlegende Voraussetzung für die Heranziehung im vorliegenden Fall, da der Vertrag die wesentliche Grundlage des Vertrauens ist, wie oben deutlich wurde. 134 Die weitere grundlegende Funktion der Minderung ist darüber hinaus die Erhaltung der vertraglich festgesetzten Äquivalenz.135 Zusammenfassend gesagt führt das Verfahren der Minderung also dazu, trotz der Störung den Vertrag aufrechtzuerhalten und gleichzeitig das im Vertrag vorgesehene Äquivalenzverhältnis beizubehalten. Durch diese Funktionen wird mithin sowohl das Behaltensinteresse als auch das Relationsinteresse befriedigt. Damit rechtfertigt es sich auch, den Betrag, um den der Kaufpreis durch das Verfahren der Minderung herabgesetzt wird, als Quantifizierung des Vertrauens auf das Austauschverhältnis zu verstehen. Das Wertinteresse nach § 251 BGB kann also mit dem Ergebnis der entsprechenden Berechnung identifiziert werden. Mit dieser Erkenntnis kann die Ausgangsfrage nach dem Verhältnis des Verfahrens der Minderung zum „Wesen" des Schadensersatzes136 wieder aufgenommen werden. Es ist richtig, daß Minderung als solche keinen Schadensersatz bedeutet. 137 Darum geht es hier aber auch gar nicht. Vielmehr geht es um die Quantifizierung des betroffenen Interesses nach § 251 Abs. 1 BGB. Wenn dieses Interesse demjenigen entspricht, das das Verfahren der Minderung abdeckt, dann ist es ge130 Siehe oben S. 138 ff. 131 StaudingerILöwisch v. § 275 Rdn. 95. 132 Soergel -Huber § 472 Rdn. 2. 133 Erman ! Grunewald § 472 Rdn. 3; Medicus, SchR II, Rdn. 55; Palandt-Pwfcö § 472 Rdn. 1; Jauernig / Vollkommer § 472 Rdn. 3. 134 Siehe insbesondere oben S. 41 ff. 135 BGH NJW 1990, 2682 (2683); Peters, BB 1983, 1951; Palandt-Pwfzo § 472 Rdn. 1; Jauernig / Vollkommer § 472 Rdn. 2; Esser / Weyers, II /1, § 5 III 2. 136 Siehe oben S. 145. 137 Jauernig / Vollkommer § 472 Rdn. 3.
2. Grundkonstellation
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rechtfertigt, das Verfahren der Minderung auch zu dieser Quantifizierung heranzuziehen. Es widerspricht deshalb nicht dem „Wesen" des Schadensersatzes, so vorzugehen. Zugleich widerlegen diese Ausführungen die Behauptung, es sei eine Schwäche der culpa in contrahendo, daß sie auf Störungen der subjektiven Äquivalenz nicht angemessen reagieren könne.138 Mittels einer zutreffenden Heranziehung und Ausschöpfung des Schadensrechts ist durchaus eine hohe Flexibilität in der Rechtsfolge erreichbar, indem die Berechnungsweise der Minderung im Rahmen des § 251 BGB herangezogen werden kann. Der Vorwurf, die culpa in contrahendo werde dadurch ihrer ohnehin nur schwach ausgeprägten dogmatischen Konturen vollends entkleidet,139 dürfte durch die oben gegebenen Begründungen entkräftet sein. Hier wurden Konturen geschärft. Im Ergebnis der vorstehenden Ausführungen konnte festgestellt werden, daß ein rechtlich geschütztes „Relationsinteresse" des Käufers besteht. Es ergibt sich aus dem tatsächlichen Vertrauen des Käufers und dem System der Schuldrechtsordnung, das den Schutz eines solchen Vertrauens erkennen läßt. Kein Widerspruch liegt darin, daß die vertraglichen Festsetzungen Grundlage des Anspruchs sind, obwohl die konkreten Vertragsbestimmungen nicht aufrechterhalten bleiben. Der ursprüngliche Vertrag wird unter Aufrechterhaltung seiner Wertungen in ein neues Austauschverhältnis transformiert. Auch das Gegenargument, der Käufer dürfe nicht besser stehen als bei der Rückabwicklung, erwies sich als nicht tragfähig, da der damit verlangte Vergleich bei genauerer Betrachtung nicht durchführbar ist. Schließlich besteht auch keine exklusive Zuordnung des Verfahrens der Minderung zur Gewährleistung, vielmehr bietet das Verfahren eine Möglichkeit, in der untersuchten Fallkonstellation das verletzte Interesse bei § 251 Abs. 1 BGB zu quantifizieren. Es erweist sich mithin, daß die vertragsbezogenen Berechnungsmethoden fiktWert - tatsWert und Minderung der vom Vertrag gelösten Methode Preis tatsWert vorzuziehen sind. dd) Damit stellt sich die Frage nach der letzlich zutreffenden Methode nur noch zwischen fiktWert - tatsWert einerseits und der Berechnung entsprechend der Minderung andererseits. Es geht also um die Entscheidung zwischen Erfüllungsinteresse einerseits und relativer Anpassung andererseits. Eigentlich ergibt sich bereits aus den historischen Darlegungen zu § 249 S. 1 BGB, daß ein Ersatz des Erfüllungsinteresses nicht in Betracht kommt. Diese Erkenntnis steht am Anfang der modernen Behandlung des Problems. 140 Sie kann auch als allgemein akzeptiert gelten, wie sich schon daraus ergibt, daß vielfach als 138 So Willemsen, AcP 182 (1982), 554. 139 So Willemsen, AcP 182 (1982), 554. 140 Siehe dazu oben S. 32. 10*
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VI. Der Umfang des Anspruchs
Argument gegen eine konkrete Vorgehensweise auch nur einfach angeführt wird, damit werde das Erfüllungsinteresse ersetzt, was als Begründung der Ablehnung genügen soll. 141 Diesem Vorwurf versuchen Befürworter durch Änderung der Terminologie auszuweichen.142 Der Sache nach ändert dies nichts. Trotzdem wurde und wird diese Auffassung weiterhin vereinzelt vertreten. 143 Es erscheint deshalb geboten, hier nochmals vertieft darauf einzugehen. Wie bereits oben erwähnt wurde, 144 läßt sich aus § 251 Abs. 1 BGB keine unmittelbare Entscheidung zwischen der Herabsetzung entsprechend der Minderung undfiktWert - tatsWert treffen. Beide Berechnungsmethoden sind nach einem ersten Verständnis als Quantifizierungen des betroffenen Interesses denkbar. Zweifellos stellt die Gewährung des Erfüllungsinteresses die größtmögliche denkbare Befriedigung der Käuferinteressen dar. Es ergeben sich jedoch schwerwiegende Gesichtspunkte, die gegen ein derartiges Vorgehen sprechen. Einen Verdacht für die mangelnde Leistungsfähigkeit der Formel liefert die Tatsache, daß sie beifiktWert > Preis + tatsWert, also bei großen Versprechungen des Verkäufers, 145 dazu führt, daß der zu leistende Schadensersatz größer als Preis wird. Der Verkäufer müßte dann draufzahlen, der Käufer bekäme also den Kaufgegenstand nicht nur umsonst, sondern noch zusätzlich Geld. 146 Dieses Ergebnis ist schwer als angemessen nachvollziehbar. Freilich ließe sich das Problem noch durch eine Begrenzung des Betrages auf Preis in den Griff bekommen.147 Das wesentlichste Argument ergibt sich allerdings aus einem Vergleich mit einer vertraglichen Abrede. Der Ersatz des vollen Erfüllungsinteresses würde dazu führen, daß der Käufer einen Anspruch darauf bekommt, den Gegenstand so zu erhalten, wie er nach seiner (an Treu und Glauben gemessenen) Vorstellung sein sollte.148 Dies bedeutet, daß er genauso gestellt wird, wie wenn entsprechende vertragliche Vereinbarungen vorlägen. Denn dann stünde ihm ein vertraglicher An141 Vgl. dazu bereits oben Fn. 95. 142 Siehe die Verwendung des Begriffs vom „positiven Vertrauensschutz" in BGH NJWRR 1991, 599 (601). Er stammt von Canaris, Vertrauenshaftung, S. 5 und dient dort der Illustration verschiedener allgemeiner Funktionsweisen des Vertrauensschutzes. Assmann, Festschr. Herrn. Lange, S. 358 meint, es werde nur ein separater Schadensposten ersetzt, was der notwendigen Gesamtbetrachtung widerspricht, siehe dazu oben S. 125 ff. 143
Siehe die Nachweise oben Fn. 42. 1 44 Siehe oben S. 146. 14 5 Beispiel: Ein Unternehmen wird als hochgradig gewinnträchtig angepriesen, woraus sich ein Wert von 1 Mio DM ergeben würde (fikt Wert), als Preis wird scheinbar großzügig nur 500 000 DM vereinbart (Preis), der tatsächliche Wert beträgt aber nur 300 000 DM (tatsWert). Der Schadensersatz betrüge 700 000 DM, also mehr als der gezahlte Preis. Der Käufer bekäme das Unternehmen und noch 200 000 DM zusätzlich. 146
Bruschwitz, Schadensersatz, S. 45. Assmann, Festschr. Herrn. Lange, S. 360. "8 Vgl. oben S. 131.
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2. Grundkonstellation
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spruch auf Erfüllung zu. Wird dieser nicht erfüllt, da der Verkäufer dies nicht kann, so haftet er wegen anfänglichen Unvermögens, notfalls aus § 283 BGB oder § 326 BGB, auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, also auf das Erfüllungsinteresse. 149 Für das Kaufrecht ergibt sich dies aus § 440 Abs. 1 BGB mit dem Verweis auf § 325 BGB. 1 5 0 Die Rechtsfolge 151 entspricht also derjenigen, zu der man in der vorliegenden Konstellation für die culpa in contrahendo bei Anwendung der FormelfiktWert tatsWert gelangt.152 Denn auch dort wäre dann nach § 251 Abs. 1 BGB Schadensersatz in Geld in Höhe des Erfüllungsinteresses zu zahlen. Eine derartige Gleichschaltung der Rechtsfolgen bedeutet, daß im Ergebnis das vorvertragliche Erwecken eines Anscheins gleichgestellt wird mit einer gleichlautenden vertraglichen Vereinbarung. Umstände außerhalb des Vertrages können aber nicht den gleichen, vollständigen Schutz genießen wie vertragliche Vereinbarungen. 153 Deshalb geht auch der Verweis auf eine analoge Anwendung von § 179 Abs. 1 BGB 1 5 4 fehl, denn der Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet gerade für einen (vermeintlich) geschlossenen Vertrag, nicht für Umstände außerhalb des Vertrags. Das Gegenargument, die Gleichschaltung der Rechtsfolgen ergebe sich aus § 463 S. 2 BGB, der vertragliche und vorvertragliche Haftung verbindet, basiert auf der Annahme, § 463 S. 2 BGB regele einen Sonderfall der culpa in contrahendo. 155 Dies ist unzutreffend, es handelt sich um einen vertraglichen Gewährleistungsanspruch.156 Selbst wenn man der Gegenmeinung folgt, so muß doch zuge-
149 MünchKomm-Emme rie h v. § 275 Rdn. 11 ff.; Palandt-Heinrichs § 306 Rdn. 9 f. 150
Wobei es hier - gleiches gilt allgemein beim anfänglichen Unvermögen für die Frage nach der Verschuldenshaftung - gleichgültig ist, ob ein Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweis vorliegt, da Verschulden jedenfalls gegeben ist. Zum Problem siehe ausführlich SoergelHuber § 440 Rdn. 12 ff. 151 Entweder Erfüllung in Natur oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Geld, da dann wegen der Unmöglichkeit § 251 Abs. 1 BGB anzuwenden ist: RGZ 107, 15 (17 f.); BGH NJW 1984, 2570 (2571). Zu einigen Sonderkonstellationen MünchKomm-Emmerich §280 Rdn. 11 f. 152
Und zwar auch bezüglich der Möglichkeit der Erfüllung in Natur, siehe dazu unten S. 152. 153 So aber Georg Müller, Informationspflichten, S. 206. Wie hier Basedow, NJW 1982, 1030 f.; Medicus, Festschr. Herrn. Lange, S. 556; Tiedtke, Festschr. Felix, S. 499, 501; ders., DB 1989, 1324. Ebenso Grigoleit, Informationshaftung, S. 194 f., der dieses Argument aber (auch) unzutreffenderweise gegen das Verfahren der Minderung anführt. Siehe dazu oben S. 141 f. Vgl. auch Palandt-Heinrichs § 276 Rdn. 102, der mit dem Verweis auf § 463 S. 2 BGB wohl dasselbe zum Ausdruck bringen will, und St. Lorenz, NJW 1999,1002. 154 Eisenhardt, Festschr. Leser, S. 160 ff. 155 Georg Müller, Informationspflichten, S. 203, 206. 156 Ausdrücklich gegen c. i. c. MünchKomm-Westermann § 463 Rdn. 3. Ferner SoergelHuber § 463 Rdn. 3; Palandt-Pwfcö § 463 Rdn. 1; Walter, Kaufrecht, § 5 Π 4 a.
150
VI. Der Umfang des Anspruchs
standen werden, daß es sich um einen besonders verschärften Fall der culpa in contrahendo handelt.157 Zudem stellt § 463 S. 2 BGB eine kaufrechtliche Sonderbestimmung dar. 158 Aus § 463 S. 2 BGB können deswegen keine allgemeinen Schlüsse gezogen werden. Deswegen muß eine Berechnung nach der FormelfiktWert - tatsWert grundsätzlich abgelehnt werden. Richtig ist dagegen die Berechnung nach der Minderungsformel. Nur diese Formel erfüllt die Anforderungen, einerseits Bezug auf den Vertrag zu nehmen, ohne andererseits eine völlige Gleichstellung herbeizuführen. Die Berechnung nach der Minderungsformel geht davon aus, daß die vertragliche Vereinbarung den Rahmen für das gewollte Äquivalenzverhältnis bietet. An der Angemessenheit dieses Ansatzes könnten Zweifel entstehen, wenn der Verkäufer in Kenntnis des die Haftung auslösenden Umstands dem Käufer bereits einen gewissen Preisnachlaß bietet, um ihn zu dem Geschäft zu bewegen, allerdings ohne ihm den Grund mitzuteilen. Denn dann scheint bereits der Ausgangsvertrag kein Äquivalenzverhältnis wiederzugeben. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder erkennt der Käufer die Hintergründe des anscheinend geringen Preises, dann handelt er insoweit auf eigenes Risiko und ist weniger schutzwürdig, wenn tatsächlich der Kaufgegenstand nicht seinen Erwartungen entspricht. Für diesen Fall kommt eine Herabsetzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 254 BGB wegen Mitverschuldens in Betracht. Oder der Käufer erkennt die Hintergründe nicht. Dann aber ist er schutzwürdiger als der betrügerische Verkäufer, und es ist nicht zu beanstanden, wenn von dem von ihm vorgestellten Äquivalenzverhältnis für die Berechnung ausgegangen wird, auch wenn der Verkäufer dann noch etwas ungünstiger steht. Eine Korrektur der Minderungsformel unter diesem Aspekt ist daher nicht erforderlich. ee) Die Aussage, der Umfang des Schadensersatzanspruchs berechne sich nach der Minderungsformel, bedarf allerdings einer gewissen Präzisierung. Hierzu muß etwas weiter ausgeholt werden. Aus dem Recht der Anfechtung ist das Phänomen bekannt, daß derjenige, der eine Erklärung wegen Irrtums anfechten möchte, diese Erklärung jedenfalls dann gegen sich gelten lassen muß, wenn sein wahrer Wille feststeht und der Anfechtungsgegner bereit ist, die Erklärung so gelten zu lassen, wie sie irrtumsfrei gewollt war. 159 Begründet wird dies zumeist mit dem Hinweis auf Treu und Glauben, § 242 157 Jauernig / Vollkommer § 463 Rdn. 1. Ob BGHZ 60, 319 (321) wirklich zum Ausdruck bringen wollte, es handele sich um einen Fall der c. i. c., erscheint mir fraglich. 158 Vgl. Palandt-Heinrichs § 276 Rdn. 102, wo genau der umgekehrte Schluß gezogen wird, siehe Fn. 153. 159 Heute ganz h. M. Ausführlich Lobinger, AcP 195 (1995), 274 ff.; weiter ErmanIBrox § 119 Rdn. 7; Diesselhorst, Sympotica Wieacker, S. 210; Flume, Rechtsgeschäft, § 21, 6; Gradenwitz» Anfechtung, S. 64 ff., insb. S. 77 f., 93 f.; Palandt-Heinrichs § 119 Rdn. 2;
2. Grundkonstellation
151
BGB oder der Annahme eines venire contra factum proprium, wobei die Einzelheiten der Begründung hier nicht weiter interessieren. 160 Allgemeiner formuliert wird hier die Aussage getroffen, daß derjenige, der sich in einem Irrtum befindet, bei der Korrektur der Störung nicht besser gestellt werden darf, als hätte er die Wahrheit gekannt. Eine ähnliche Regelung enthält § 122 Abs. 1 BGB mit der Beschränkung des Umfangs des Schadensersatzanspruchs auf das positive Interesse. Sinn dieser Norm ist, daß der Erklärungsempfänger nicht besser stehen soll, als er bei der Gültigkeit der abgegebenen Erklärung und ordnungsgemäßer Durchführung des Geschäfts stünde.161 Genauso funktionieren § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und kraft Verweis §§ 307 Abs. 1 S. 1, 309 BGB. Auch in diesen Fällen befindet sich der Erklärungsempfänger in einem Irrtum, nämlich über die Wirksamkeit des Vertrages. Bei der Korrektur soll er deswegen nicht besser gestellt werden, als wenn seine Vorstellung der Wahrheit entsprochen hätte, wenn also der Vertrag bestehen würde. In beiden Fällen geht es also um eine Synchronisierung von Vorstellung und Realität als Obergrenze des Ersatzanspruchs. Es werden jedoch zwei unterschiedliche Techniken angewandt, um dieses Ergebnis zu erreichen. Im ersten Beispiel gelingt dies dadurch, daß die Realität an die Vorstellung angepaßt wird (der Erklärende wird behandelt, wie wenn er „richtig" erklärt hätte). Im zweiten Beispiel wird die Übereinstimmung von Realität und Vorstellung fingiert (die Situation des Erklärungsempfängers wird verglichen mit der fiktiven Situation bei Wirksamkeit des Vertrages). Hier wird also umgekehrt die Vorstellung (kraft Fiktion, da sich die tatsächliche Vorstellung nicht mehr rückwirkend beeinflussen läßt) an die Realität angepaßt. Dieses Prinzip läßt sich auf die Verletzung von Aufklärungspflichten übertragen. Auch hier befindet sich der unzureichend Aufgeklärte in einem Irrtum über den Kaufgegenstand oder die sonstigen Umstände des Geschäfts. Er darf dann also nicht besser behandelt werden, als wenn seine Vorstellung zutreffend wäre. Auch hier treffen wir wieder die beiden Formen der Gleichstellung. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als wenn seine Vorstellung den wirklichen Umständen entspräche (Fiktion). Daneben kann die Gleichschaltung aber auch dadurch herbeigeführt werden, daß derjenige Zustand, auf den der Geschädigte vertraut hat, tatsächlich herbeigeführt wird (Anpassung der Realität). Wenn dies geschieht, entfällt eine weitere Haftung. 162 Jauernig, BGB, § 119 Rdn. 4; Köhler/Fritzsche, JuS 1990, 19; MünchKomm-Kramer § 119 Rdn. 129; Krampe/Berg, Jura 1988,207; Larenz IM. Wolf § 36 Rdn. 126; Medicus, BGB AT, Rdn. 781; Pawlowski, AT, Rdn. 554; Titze, Festschr. Heymann II, S. 104; v. Tuhr, AT Π / 1 , S. 591 f. Differenzierend Enneccerus/Nipperdey § 170IV; offengelassen in BGH NJW 1988, 2597 (2599). Anders nur Spieß, JZ 1985, 593 ff. 160 Siehe dazu im einzelnen die soeben Genannten. Brox, BGB AT, Rdn. 398; Giesen, Rechtsgeschäftslehre, Rdn. 256; MünchKomm-Aramer § 122 Rdn. 8; Medicus, BGB AT, Rdn. 784.
152
VI. Der Umfang des Anspruchs
In der hier untersuchten Fallgestaltung führen diese Erkenntnisse zu verschiedenen Konsequenzen. Was die Konstellation »Anpassung der Realität" betrifft, wird man dem Schädiger anstelle des Ersatzes in Geld nach der Minderungsformel die Möglichkeit einräumen müssen, den vorgestellten Zustand in Natur herzustellen, obwohl dies dem Ansatz von § 251 Abs. 1 BGB widerspricht, wonach Ersatz in Geld zu gewähren ist. Dogmatische Grundlage hierfür ist der Schutzzweck der Norm, der hier zu einer entsprechenden Einschränkung des Anspruchs führt. 163 Freilich dürfte dies nicht besonders praktisch werden, da die Herstellung in Natur die Ausnahme sein wird. In der Konstellation „ F i k t i o n " muß danebenfiktWert - tatsWert als summenmäßige Obergrenze 164 des Anspruchs angesehen werden, da die Ersatzform fiktWert tatsWert Ausdruck der Herbeiführung der Vorstellung ist, die sich der Geschädigte gemacht hat. Der Vergleich der Minderungsformel mitfiktWert - tatsWert führt dazu, daß erstere immer dann ein summenmäßig höheres Ergebnis liefert, wenn gilt Preis >fiktWert. Praktische Bedeutung gewinnt diese Begrenzung also immer dann, wenn der Käufer ein auch nach seiner Vorstellung objektiv schlechtes Geschäft gemacht hätte. ff) Im Ergebnis gilt also für die hier untersuchte Fallgruppe der Störung in der Sache selbst, daß der Umfang des Schadensersatzes nach der Minderungsformel zu berechnen ist, mit der Einschränkung, daß der BetragfiktWert - tatsWert beziehungsweise die Beseitigung der Störung in Natur die Obergrenze darstellen.
3. Sonderkonstellationen: Probleme außerhalb des Gegenstands Oben wurde die Grundkonstellation behandelt, bei der die Störung im Kaufgegenstand selbst wurzelt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Störung auch außerhalb des Kaufgegenstands begründete Ursachen haben kann. Sie ergeben sich dann aus den besonderen Umständen des Geschäfts, also normalerweise der Person des Käufers. So lag es im Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung - , in dem das Problem in den Verhältnissen des Käufers lag. Schließlich kommt auch eine Störung in Betracht, die sich nur auf der Gegenleistungsseite, also beim Preis auswirkt. Hierfür steht Beispielsfall 2 - Flugzeug - , wo das Flugzeug in Ordnung war 162 So im Ergebnis BGH VersR 1962, 562 (563); BGHZ 116, 209 (213 f.); Tiedtke, Festschr. Felix, S. 501. Vgl. auch Grigoleit, Informationshaftung, S. 212. ι « Auf den Schutzzweck stützt sich auch BGHZ 116, 209 (212). Überblick zum Schutzzweck als Begrenzung von Schadensersatzansprüchen allgemein bei VdXanàt-Heinrichs ν. §249 Rdn. 62 ff. 164 Allenfalls mit der generellen Befürwortung der Haftung auf das Erfüllungsinteresse ist die abwegige Bemerkung von Horn, JuS 1995, 383, zu erklären, wonachfiktWert - tatsWert umgekehrt die Untergrenze der Haftung darstellen soll.
3. Sonderkonstellationen: Probleme außerhalb des Gegenstands
153
und den Bedürfnissen des Käufers entsprach, aber die Preisberechnung zu Problemen führte. 165
a) Grundsätzliche Überlegungen zur Behandlung Die Konstellationen mit Problemen außerhalb des Kaufgegenstands verlangen in gewisser Hinsicht eine gesonderte Behandlung. Denn die obigen Ausführungen zur Grundkonstellation sind nicht ohne weiteres übertragbar, da die dort untersuchten Formeln hier nicht in dem gleichen Sinne verwendet werden können. aa) Dies hängt damit zusammen, daß die verwendeten Größen tatsWert und fiktWert, im Prinzip auch subjWert, an den Wert der Sache anknüpfen. Wenn die Störung aber außerhalb der Sache liegt, läßt sie sich mit Werten, die sich notwendig auf die Sache selbst beziehen, nicht mehr erfassen. Die Formeln, die diese Werte benutzen, sind damit grundsätzlich nicht mehr brauchbar. Dies ist auch der innere Grund, warum die Sachmängelhaftung nach §§ 459 ff. BGB an einen eng an den Kaufgegenstand gebundenen Fehlerbegriff anknüpft. Die Berechnung nach § 472 BGB würde sonst versagen. Die Frage ist, welche Konsequenz aus dieser Erkenntnis zu ziehen ist. Eine Möglichkeit besteht darin, die für richtig gehaltene Formel trotzdem einfach anzuwenden. Das Ergebnis steht dann freilich von vornherein fest: Ein ersatzfähiger Schaden wäre nicht entstanden.166 Denn selbst wenn der Kaufgegenstand als solcher (im Beispiel der Anwendung von Preis - tatsWert, entsprechendes gilt für die anderen Berechnungsmethoden) zufällig weniger wert sein sollte als der gezahlte Preis, so wäre dieser „Schaden" im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm kaum ersatzfähig, da es am Zusammenhang mit der Pflichtverletzung, die sich auf andere Umstände bezog, fehlt. Zwar mag man sich auf denrigidenStandpunkt stellen, daß der Käufer in diesen Fällen eben keinen Schaden erlitten habe. Es macht dann aber wenig Sinn, hier Verhaltenspflichten zu statuieren, deren Verletzung von vornherein einer Ersatzpflicht nicht zugänglich ist. Überspitzt formuliert könnte der Verkäufer über Umstände außerhalb des Kaufgegenstands das ,31aue vom Himmel" erzählen. Das Schlimmste, das er zu befürchten hätte, solange er nicht in eine Garantiehaftung einwilligt, wäre die Rückabwicklung, die für den Käufer aus den oben genannten Gründen oftmals nicht in Betracht kommt. Hier kann auf die Ausführungen zum Präventions- und Sanktionsinteresse verwiesen werden. 167 165
Siehe zur Einteilung bereits oben S. 122 f. 166 So OLG Frankfurt W M 1988, 632 (635). Auch Tiedtke, Festschr. Felix, S. 498; ders., DB 1989, 1323; ders., JZ 1989, 571, bricht jeweils an dieser Stelle mit dem Ergebnis ab, ein Schaden sei nicht entstanden. OLG Hamm NJW-RR 1994, 211 erkennt das Problem nicht: Die im Urteil angestellten umfangreichen und komplizierten Wertberechnungen sind bei diesem Ansatz von vornherein überflüssig. 167 Siehe S. 56.
154
VI. Der Umfang des Anspruchs
Eine andere Möglichkeit liegt in der Anwendung vonfiktWert - tatsWert, wobei das Erfüllungsinteresse gewährt wird. Denn für fiktWert - tatsWert gilt im Hinblick auf die Berechnung168 eine Ausnahme. Zwar ist auch diese Formel an sich wegen der Verwendung des Wertbegriffs nicht mehr brauchbar. Man kannfiktWert tatsWert, wie oben gesagt wurde, aber auch als Synonym für den Ersatz des Erfüllungsinteresses verstehen. In diesem erweiterten Sinne ist die Formel theoretisch anwendbar: Der Verkäufer hätte danach den Käufer so zu stellen, wie wenn alles so wäre, wie dieser es sich vorgestellt hat. Zu dieser Lösung hat insbesondere der BGH wiederholt gegriffen. 169 Leitgedanke der richtigen Lösung muß sein, die für die Grundkonstellation als zutreffend erkannte Methode möglichst auch für diese Konstellation zur Geltung zu bringen. Deswegen kann es nichtrichtigsein, die oben verworfene Formel fiktWert - tatsWert nunmehr für zutreffend zu halten, nur weil diese auch hier in gleicher Weise wie oben angewendet werden kann. bb) Wenn an der für richtigerkannten Formel, also der Minderungsformel, festgehalten werden soll, diese allerdings nicht unmittelbar anwendbar ist, so muß untersucht werden, ob die Minderungsformel nicht entsprechend abgeändert werden kann, so daß auch die besonderen Konstellationen bewältigt werden können.170 Da es sich um Störungen außerhalb der Sache handelt, muß dazu konsequent auch der Wertbegriff über die Sache hinaus erweitert werden. Dies führt auf das Konzept eines „Geschäftswerts", der als Grundlage der Bestimmung sowohl von tatsWert wiefiktWert dient. tatsWert entspricht dann dem wahren Geschäftswert. fiktWert ist der Geschäftswert, den das Geschäft hätte, wenn die Umstände so wären, wie vom Käufer angenommen. Der Geschäftswert umfaßt dann über den Wert des eigentlichen Kaufgegenstands hinaus den (objektiven) Wert des gesamten Geschäfts für den Käufer. Bei seiner Ermittlung ist folglich zunächst der Wert des Kaufgegenstands zu berücksichtigen. Darüber hinaus müssen aber auch diejenigen Umstände außerhalb des Kaufgegenstands selbst berücksichtigt werden, deren tatsächliches Fehlen oder 168 Vgl. soeben S. 152. 169 BGH NJW 1981, 2050 (2051) (Beispielsfall 2 - Flugzeug -): Herabsetzung des Preises auf avisierten Großhändlerpreis; BGHZ 111, 75 (83) (Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer -): Ersatz der zusätzlichen Einfuhrumsatzsteuer; BGH NJW-RR 1991, 599 (601): Ersatz der zusätzlichen Aufwendungen aufgrund des nicht unabhängigen Treuhänders; BGHZ 114, 87 (95): Rückzahlung des verschwiegenen Betrags einer Provision; BGH NJW 1994, 76 (77): Ersatz der angeblich gezahlten Erschließungskosten; BGH NJW 1994, 663 (665) (Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung -): Ersatz der Kosten für überflüssige Einrichtung abzüglich Kompensation für Nutzung. Ferner OLG Karlsruhe OLGZ 1980,225 (228): Herabsetzung um Betrag für Grunderwerbsteuer. Vgl. auch die Konstellation in LAG Hessen NZA 1994, 884 (886): Heraufsetzung des Arbeitseinkommens auf in Stellenanzeige in Aussicht gestellte Höhe. no Ob auch eine entsprechende Umarbeitung der anderen Formeln möglich ist, ist angesichts der für richtigerkannten Minderungsformel nicht mehr zu prüfen.
3. Sonderkonstellationen: Probleme außerhalb des Gegenstands
155
Vorhandensein die Haftung aus culpa in contrahendo ausgelöst hat. Diese Umstände müssen quantitativ bewertet und mit dem Wert des Kaufgegenstands verrechnet werden. Es entsteht dann eine Zahl, die den Wert der gesamten Transaktion einschließlich der haftungsmäßig relevanten Umstände wiedergibt. An den unten folgenden Beispielen wird verdeutlicht werden, wie das Instrument des Geschäftswerts im konkreten Fall einzusetzen ist.
b) Praktische Umsetzung des Konzepts vom Geschäftswert Wie bereits oben gesagt wurde, 171 können für Störungen außerhalb des Kaufgegenstands zwei Fälle unterschieden werden: zum einen Störungen auf der Leistungsseite im weiteren Sinne, also Störungen in der Natur außerhalb des Kaufgegenstands, und zum anderen Störungen auf der Gegenleistungsseite, also bei der Preisbildung. Zweckmäßigerweise unterscheidet die Darstellung zwischen diesen beiden Gruppen. aa) Für die Fälle, in denen die Störung auf der Leistungsseite begründet liegt, muß also gefragt werden, welchen Wert das Geschäft als Ganzes für den Käufer gehabt hätte. Dies bestimmt sich danach, welches der objektiv angemessene Preis - unter Heranziehung der gängigen Kriterien der Wertbestimmung - für den Abschluß des gesamten Geschäfts unter Berücksichtigung aller Umstände gewesen wäre. Dieses Vorgehen läßt sich an den Beispielsfällen verdeutlichen. Im Beispielsfall 4 - Einfuhrsteuer - wäre also zu fragen gewesen, welchen objektiven Wert das Boot hatte. Dieser objektive Wert wurde im Hinblick auf das konkrete Geschäft durch die anfallende Steuer um den dafür zu entrichtenden Betrag reduziert. fiktWert entspricht hier also dem objektiven Wert des Bootes, denn so, ohne zusätzlich anfallende Steuer, sollte es nach der Vorstellung des Käufers sein. tatsWert ist dann der objektive Wert des Bootes abzüglich der anfallenden Steuer, denn diesen geminderten Wert hat das Geschäft für den Käufer. Etwas komplizierter ist die Bestimmung der Werte im Beispielsfall 5 - Ladeneinrichtung -.fiktWert bezeichnet die Vorstellung, die der Käufer von dem Kaufgegenstand hatte. Der Käufer stellte sich vor, eine seinen Bedürfnissen und Wünschen angemessene Ladeneinrichtung zu erwerben. Vermutlich stellte er sich ferner vor, dafür einen angemessenen Preis zu bezahlen. In diesem Fall kann fiktWert gleich Preis gesetzt werden, anderenfalls, etwa wenn der Käufer meinte, ein besonders günstiges Geschäft zu schließen, mußfiktWert etwas erhöht oder gegebenenfalls auch reduziert werden, wenn er von einem eher ungünstigen Geschäft ausging. Für tatsWert ist darauf abzustellen, welchen objektiven Wert die Ladeneinrichtung in der konkreten Situation tatsächlich für den Käufer hatte. Dies ist derje171 Siehe oben S. 122 f.
156
VI. Der Umfang des Anspruchs
nige Wert, den eine objektiv angemessene Ladeneinrichtung gehabt hätte, im Zweifel also deren Marktpreis. Eventuell ist von diesem Wert noch ein gewisser Abschlag zu machen, der sich daraus ergeben könnte, daß die zu große Ladeneinrichtung nicht nur überflüssig, sondern zum Teil auch hinderlich sein könnte. Zu fragen ist also jeweils, welchen objektiven Wert das Geschäft als Ganzes für den Käufer hat. Dabei sind einzubeziehen diejenigen Umstände außerhalb des Geschäfts, auf die sich die Haftung aus culpa in contrahendo stützt. Nicht gerechtfertigt ist die Einbeziehung aller sonstigen Umstände. Deren Berücksichtigung und Realisierung gehört zum alleinigen Risikobereich des Käufers. Hieraus erklärt sich auch, wieso bei Störungen im Kaufgegenstand selbst keine Gesamtbeurteilung stattfindet, sondern die Wertfeststellung sich auf den Gegenstand beschränkt. Diese Berechnung führt freilich in einem Fall wie dem zuletzt besprochenen zu Härten für den Verkäufer, da sie zu einer unter Umständen erheblichen Herabsetzung des Preises und damit zur Zerschlagung von Vermögenswerten führt (der Verkäufer erhält viel weniger, als dem objektiven Wert der Einrichtung angemessen wäre, der Käufer sitzt auf einer von ihm in dieser Größe nicht benötigten Einrichtung, für die er nur eingeschränkt Verwendung hat). Aus allgemeinen schuldrechtlichen Prinzipien ergibt sich hier eine gewisse Milderung. Ein vergleichbares Problem ist aus der Minderung bekannt, bei der sich der Kaufpreis im Falle der Wertlosigkeit des Kaufgegenstands bei Anwendung der Formel auf Null reduziert. 172 Dies würde bedeuten, daß der Käufer den Kaufgegenstand im Ergebnis ohne Gegenleistung bekäme. Zur Abmilderung dieser Konsequenz nimmt die ganz herrschende Meinung an, daß der Käufer in dieser Konstellation in Abweichung von der sonstigen Durchführung der Minderung den Kaufgegenstand zurückzugeben hat. 173 Dieser Gedanke läßt sich hier aufnehmen, so daß nach Treu und Glauben in Fällen eines krassen Mißverhältnisses die Herabsetzung des Kaufpreises etwas abgemildert werden kann. Es bedarf in diesen Fällen dann einer Abwägung zwischen dem jeweiligen Behaltensinteresse des Käufers im konkreten Fall und dem Interesse des Verkäufers, den Kaufgegenstand nicht weit unter dem objektiven Wert abgeben zu müssen. Wenn die Wertdifferenz im Verhältnis zum konkreten Behaltensinteresse überproportional groß ausfällt, ist der Käufer auf die Möglichkeit der Rückabwicklung beschränkt. bb) Für Fälle, in denen die Störung nur auf der Gegenleistungsseite, also beim Preis begründet liegt, ist eine adäquate systemgerechte Lösung zu entwickeln, die sich hier allerdings als noch etwas komplizierter erweist. Eine Störung auf der Ge172 BGHZ 42,232 (234). Siehe ferner die Nachweise in Fn. 173. 173 Aus früherer Zeit Schmidt-Rimpler, JW 1926, 1542 m. w. N. Heute Erman / Grunewald § 472 Rdn. 6; Staudinger I Honseil § 472 Rdn. 11; Palandt-Putzo § 472 Rdn. 9; Jauernig / Vollkommer § 472 Rdn. 3; Walter, Kaufrecht, § 5 II 6 b; MünchYLomm-Westermann § 472 Rdn. 2. Anders nur Soergel-Huber § 472 Rdn. 14; St. Lorenz, JuS 1993,730.
157
3. Sonderkonstellationen: Probleme außerhalb des Gegenstands
genleistungsseite bedeutet, daß der Preis aus irgendwelchen Gründen außerhalb des eigentlichen Preis-Leistungs-Verhältnisses entgegen der im Sinne der Voraussetzungen der culpa in contrahendo berechtigten Erwartung zu hoch angesetzt wurde. Musterbeispiel ist Beispielsfall 2 - Flugzeug -. Auch hier muß der Geschäftsweit ermittelt werden. 174 Es kommt also darauf an, was der Käufer erhält. Er erhält zunächst den Kaufgegenstand. Ferner „erhält" er einen (günstigen) Preis. Gemäß der obigen Regel, die von der culpa in contrahendo betroffenen Faktoren zu berücksichtigen,175 ist hier auf dieses Element „günstiger Preis" abzustellen. Die Günstigkeit des Preises läßt sich durch Vergleich mit dem objektiven Wert des Kaufgegenstands ermitteln. Daraus läßt sich die angemessene Berechnungsmethode ableiten. tatsWert ergibt sich dann aus dem objektiven Wert des Kaufgegenstands zuzüglich der Preisdifferenz zwischen dem Wert und dem tatsächlich gezahlten Preis. 176 Es gilt also: tatsWert
= tatsWerP
a gegenstan d
«
+ (tatsWerl
Kaufgegenstan d
- Preis)
Entsprechend bestimmt sichfiktWert, wobei statt des tatsächlich gezahlten Preises der im Sinne des haftungsbegründenden Tatbestands zu Recht erwartete einzusetzen ist. Das führt auf: fiktWert
= tatsWerf
aufgegen5ìan d
Setzt man diese Werte für fiktWert und tatsWert ergibt sich: 177 Preis (Preis 2 tatsWerl
Kaufgegenstan d
+ (tatsWerl
Preis
Kaufgegens,an d
-
Preis
envarte t
)
in die Minderungsformel ein, so envarte t
)
-
Preis
erwarte t
Auch hier gilt natürlich wie oben die Obergrenze fiktWert - tatsWert, also für diese Konstellation Preis - Preis erwarte t. Relevant wird dies, wenn Preis > 2 tatsWert Kaufgegenstan d - Preis envart€ t. Im Beispielsfall 2 - Flugzeug - sprach der BGH das Erfüllungsinteresse, also den hier als Obergrenze ermittelten Betrag von 42 000 $ (in D M umgerechnet) zu. Nach der hier hergeleiteten Formel ergäbe sich 280 000 $ (280 000 $ - 238 000 $) / (2 χ Wert des Flugzeugs - 238 000 $). Nimmt man als den im Urteil nicht mit174
Vgl. zum Verfahren grundsätzlich bereits oben S. 154. 175 Dazu oben S. 156.
176 Sollte der Preis höher sein als der Wert der Sache, ist die Preisdifferenz entsprechend abzuziehen. 177 Die Minderungsformel (oben S. 132) lautet Preis χ (fiktWerttatsWert)IfiktWert; setzt man für tatsWert undfiktWert die im Text genannten Größen ein, so ergibt sich Preis χ (UatsWer1 Kaufgegen5tan d + tatsWerf aufgegenstan d - Preis envarte t] - [tatsWert Kaufgegens tatsWert kaufgegenstan d - Preis]) / (tatsWer? aufgegenstan d + tatsWert Kaufgegenstan d - Preis aufgegenstan d also Preis χ (tatsWerf + tatsWerf aufgegen5tan d - Preis erwarte t - tatsWert K a«* eg - tatsWert Kaufgegenstan d + Preis) 1(2 χ tatsWert Kaufgegenstan d - Preis erwart e% und dies führt die Formel im Text.
158
VI. Der Umfang des Anspruchs
geteilten tatsächlichen Wert des Flugzeugs ζ. B. die geforderten 280 000 $ an, so kommt man auf einen Betrag von ca. 36 521 $, bei einem tatsächlichen Wert von 300 000 $ wären 32 486 $ als Schadensersatz zu leisten, bei einem Wert von 350 000 $ noch 25 454 $. Auf 42 000 $ käme man nur bei einem Wert des Flugzeugs bis maximal 259 000 $. Der Betrag verringert sich, desto wertvoller das Flugzeug war, da der Käufer mit zunehmendem Wert des Flugzeugs offenbar immer weniger geschädigt ist. Andererseits ist er auch bei einem objektiv angemessenen Preis geschädigt, da er eben auch rechtswidrig um das „gute Geschäft" gebracht werden kann.
VII. Zusammenfassung Vorliegend wurde eine besondere Fallkonstellation der culpa in contrahendo untersucht. Sie entsteht bei vorvertraglichem schuldhaften Fehlverhalten des Schuldners, der beim Gläubiger falsche Vorstellungen über den Leistungsgegenstand oder andere Umstände des Geschäfts erweckt. Gekennzeichnet wird die untersuchte Konstellation durch die Möglichkeit des Gläubigers, das Geschäft nicht rückabwickeln zu müssen, wie dies nach § 249 S. 1 BGB an sich nahe läge, sondern den Leistungsgegenstand behalten zu können und Schadensersatz in Geld zu verlangen. Diese Möglichkeit entspricht den legitimen Interessen des Gläubigers. Aus der Analyse des schuldrechtlichen Haftungssystems ergibt sich, daß das im Vertragsschluß verkörperte Interesse des Gläubigers, die Leistung behalten zu können, grundsätzlich durch die Rechtsordnung geschützt wird. Das Interesse des Schuldners, soweit überhaupt kollidierend, muß zurücktreten. Die sachliche Richtigkeit dieser Lösung wird gestützt durch den historischen Befund, wonach eine solche Lösung dem deutschen Recht vor dem BGB geläufig war. Die dogmatische Rechtfertigung für diese Lösung ergibt sich aus § 251 Abs. 1 2.Alt. BGB. Wegen der Verletzung geschützter Interessen des Gläubigers wäre eine Rückabwicklung (Naturalrestitution) als „nicht genügend" anzusehen, so daß stattdessen Ersatz in Geld geschuldet ist. Da die Rechtfertigung der Figur im Vertragsschluß wurzelt, ist dieser Ersatz in Geld nach der Minderungsformel zu berechnen, die das vertragliche Äquivalenzverhältnis konserviert. Ein Ersatz des positiven Interesses scheidet aus, da dadurch die Grenzen von vertraglicher Haftung und culpa in contrahendo überschritten würden. Entgegen bisheriger Auffassung ist es auch möglich, durch Modifikation der Minderungsformel diese Lösung auf Fälle anzuwenden, in denen die Störung außerhalb des Leistungsgegenstands wurzelt, so daß es nicht nötig ist, mangels anderer Erfassungsmöglichkeiten in diesen Fällen das positive Interesse zu ersetzen.
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arverzeichnis absolutes Fixgeschäft 100,107 abstrakte Schadensberechnung 74,75 Affektionsinteresse 144 ALR 23,24,26,27,31,39 Alternativgeschäft 68,72-76, 85,91 Anfechtung 150 Anpassung 45, 46, 65, 129, 139, 146, 147, 151,152 Anscheinsbeweis 74,78-82,87, 88 Anspruchsgrundlage 14,18,29, 89 Äquivalenzverhältnis 136, 141, 146, 150, 159 arglistige Täuschung 11,12 Arzthaftung 86 aufklärungsrichtiges Verhalten 78, 80,81 Aufwendungen 15,52,97,99,101 - nachvertragliche 123-126,129 Ausgleichsfünktion des Haftungsrechts 56 Austauschtheorie 94 Austauschverhältnis 28, 54, 136-140, 146, 147 Bedürfnis 25,40,123,153,155 Bedürfnisse der Rechtsordnung 34 Behaltenkönnen 34, 55, 61, 117, 120, 137, 141,142,146 Behaltensinteresse 34, 39, 40, 56, 114, 117, 118,120,121,137-139, 146,156 Beispielsfall 1 11, 12, 15, 33, 35, 36, 99, 118,123,124 Beispielsfall 2 12,15,118,123,152,157 Beispielsfall 3 13,15, 35,118,123,124 Beispielsfall 4 13, 16, 35, 118, 123, 124, 155 Beispielsfall 5 14, 16, 35, 36, 99, 118, 123, 152,155 Belange der Rechtsordnung 55 Beratungsvertrag 17 Beweiserleichterung 75,76, 80-82,92 Beweislast 25,73,76,77,79, 80,90,92
Beweislastumkehr 77 - 81,86,95 Beweismaß 87,88,92 Beweisschwierigkeiten 85, 86,92 Beweiswürdigung 78,79 Canaris 41,43 culpa causam dans 31 culpa in contrahendo - Abgrenzung 16-18,43,54, 89,145,159 - Anwendung 16,147 - bei Herabsetzung der Gegenleistung 63, 65-67 - Dritthaftung 17 - Durchsetzbarkeit 58 - Erfüllungsinteresse 131 - Geschichte 22,29-31 - Haftungstatbestand 70, 122, 127, 140, 156,157 - Rechtsfolge 64,66,68,149 - Schutzbereich 138 - Vorsatz 17,18 culpa incidens 31 Differenzhypothese 143,144 Differenzklage 28 Differenztheorie 94,95 dolus causam dans 22 - 26,28, 30 - 32,62 dolus incidens 22-28, 30-32,62 Drei-Personen-Verhältnis 17-19,67 Durchsetzbarkeit 57,58 Eigenhaftung des Vertreters 17,18 Eigenschaften 13,17,18 eigenverantwortliche Entscheidung 81 Entweder-Oder-Konstellation 87 Erfahrungssatz 78,79,87,88 Erfüllungsinteresse 68, 131, 140, 147-149, 154,157 Erhalt der Gegenleistung 51,53 Erhalt der Leistung 49,50
176 Erhalt des Gegenstands 51 Erhalt von Geld 53
arverzeichnis - Verhältnismäßigkeit 114 - weniger Zumutbare 112 herzustellender Zustand 32 hypothetischer anderer Vertrag 82 hypothetischer Kausalverlauf 33
Fahrlässigkeit 30,31 Fehler 13,16,18,134 fehlerhafte Gesellschaft 58 Biering 29 fehlerhaftes Arbeitsverhältnis 58 immaterielle Gesichtspunkte 114-116 Festhalten am Vertrag 39,138,140 impossibilium nulla est obligatio 35,44, 114 Fiktion 93,96,151,152 fiktiver Kausalverlauf 24,25,68-73,76,77, Inhaberwechsel 52,59 innere Tatsache 85 79,80,82,83,87,89-93,95,142-144 Insolvenzrecht 60 fiktiver Vertrag 83,93 fiktWert 127,132,134,148,153-155,157 Integritätsersatz 144 Integritätsinteresse 143,144 131, 132, 135-137, fiktWert - tatsWert Interesse 145-148 139,146-150,152,154,157 Interessen finale Struktur des Vertrages 40,41 - Bewertung 34,40 freie Herabsetzung 128,130,133,135 - der Allgemeinheit 60 freiwillige Auskunft 71 - der Arbeitslosenversicherung 60 Funktion des Vertrags 43,61 - der Beteiligten 21,34 Gegenbeweis 80 - des Betrügers 28 Geschäftswert 154,155,157 - des Käufers 34, 39, 53, 55-57, 61, 100, Gesetzeskorrektur, kleine 142 117,118,121,135,137,139,159 Gestaltung der Lebensverhältnisse 40 - des Staates und der Kommunen 60 Gewährleistung 63,94,144,147 - des Verkäufers 34,50-55,156,159 Gewährleistungsrecht 17,59,64,145 - gesamtwirtschaftliche 60 Gewährleistungsvorschriften 145 - rechtlich geschützte 117 Gewinnerwartung 138 - tatsächliche 117,139 Gläubigerverzug 44 - technisch-ökonomische 38 Güterknappheit 111 - zu berücksichtigende 117 Interessenabwägung 27,65 Haftungstatbestand 70 Irrtumsanfechtung 120 Haftungswegfall 56 Hauptbetrug 22 Kaufrecht 15,47,132,139,149,150 Hauptbeweis 80 kaufrechtliche Gewährleistung 47 Herabsetzung der Leistung 63 Kausalität 70, 82, 87-89 Herabsetzung entsprechend der Minderung Kausalkette 69 135-137,139,140,148 Kernbereich der Unmöglichkeit 100, 101, Herstellung 112,113 - Begriff 97 kleiner Schadensersatz 139 - Funktion 103 Kommissionsentwurf 66 Kompensationsprinzip 143,144 - in Natur 152 Konkurrenzverhältnis 17 - nicht genügende 97, 101-103, 105-107, Korrektur 66 109,110,114-118 Krauße 21 - teilweise 105,113 - unmögliche 35,97,111,144 Leistungsaustausch 34,39,47-55,139 - unverhältnismäßige 97 Leistungserwartung 39,146 - unzumutbare 106, 107
Sachwortverzeichnis Leistungsstörung 43,50, 139 Linoleumrollenfall 30 Mangel 47,48 marktgängiger Gegenstand 73-75 Massenaustauschverträge 81 Mehraufwand 14 merkantiler Minderwert 108 Mißverhältnis, wirtschaftliches 113 Mietrecht 47,48,132,139 Minderung 28, 47, 49, 54, 63, 64, 94, 132136,139,146,147,156 Minderungsformel 132, 133, 150, 152, 154, 157,159 Mischkonstruktion 64 Mitverschulden 57 Naturalrestitution 19, 69, 72, 77, 97, 98, 105,107-111,116,143,159 Nebenbetrug 22 negatives Interesse 32,68,69,122 Nichtvermögensschaden 1J6 non //^it-Situation 79 Notlage des Vertrags 64 Opfergrenze 44,48,98
177
- des Anspruchs auf Herabsetzung der Gegenleistung 21 - des Wegfalls der Geschäftsgrundlage 45 - des § 251 BGB 99,104,113 - historisch 25-28 - Vertragsanpassung 64 Rechtsgedanke des § 253 BGB 115-117 Rechtsgeschäft 40 Rechtsgutsverletzung 73,89,90 Rechtsmangel 47,139 Rechtsscheinhaftung 43 Rechtssicherheit 119 Reisevertragsrecht 49,50,132,139 Relationsinteresse 138-140,144,146,147 Relationstechnik 80 Restitutionsprinzip 143,144 Risikogedanken 65 Rückgängigmachung des Vertrags 19 Sachmangel 47,123,139 Sachmängelhaftung 145,153 SächsBGB 23,24,27 Sanktionsinteresse 153 Schäden, immaterielle 114 Schadensereignis 69,140 Schadensersatz wegen Nichterfüllung 45, 47,49,54,70,139,149 Schätzung 11,15,90,91,130,134 Schuldnerverzug 44 Sperrwirkung des Gewährleistungsrechts 13 subjWert 126,153
pacta sunt servanda 41,51 positive Vertragsverletzung 18,45,139 positives Interesse 32,68, 69,122,146,151, 159 Präventionsfunktion des Haftungsrechts 56 Präventionsinteresse 137,153 tatsWert 127,134,142,148,153-155,157 Preis-subjWert 131,135 Tauschrecht 139 Preis - tatsWert 130, 131, 135-137, 142,technischer Minderwert 110 technischer Totalschaden 111 147, 153 Teilanfechtung 31 Preisberechnung 12,122,153 Tiedtke 119 Preisermittlung 123 Privatautonomie 22,40,53-55 Treu und Glauben 95 - 97, 107, 108, 112, Produkthaftung 86 133,148,150,156 Prospekthaftung 18 Tutmann 59 typischer Kausalverlauf 91,92 Randbereiche der Unmöglichkeit 101, 113 typisierbares Verhalten 81 realer Kausalverlauf 72 Rechtsfolge überwiegende Wahrscheinlichkeit 88 - der c.i.c. allgemein 62,64,66,68,147 ultra posse nemo obligatur 44 Umstand, der zum Ersatz verpflichtende 32, - der c.i.c. in der hier behandelten Konstellation 19, 34,66, 67 69-71,73, 97 12 Gebhardt
178
arverzeichnis
UN-Kaufrecht 132 Undurchfiihrbarkeit 100 unechter Totalschaden 110 Ungewißheit 101,108,109 Unmöglichkeit 44, 48 - 50, 94, 100, 101, 105,107,109,111-113 - physische 100,113 - rechtliche 100 - sittliche 100 - teilweise 110 - wirtschaftliche 98 -100,113 Unmöglichkeit der Rückgabe 35 Unmöglichkeitsbegriff 98-100, 102-104, 109,113 Unmöglichkeitsrecht 44,47 Unmöglichkeitsrecht, allgemeines 100, 104, 107-109,112 Unternehmenskauf 36,52,59,69,125 Unzumutbarkeit 44 - 4 6 , 4 8 - 50, 52, 54, 55, 65,100-102,106,109,112,113,117
Vertrauensinteresse 32 Vertrauensinvestition 43 Vertrauensprinzip 54,120 Vertrauensschaden 68 Vertrauensschutz 41 -43,46,50 Vertrauenstatbestand 41,43,54 Verwendungsplanungsinteresse 144 Verzicht 44-46, 48-50, 58, 59, 95, 104,
120 Verzug 47 Verzugsschaden 139 Vorsatz 18,30 Vorteile, nachvertragliche 125 Vorteilsausgleichung 125 vorvertragliche Pflichtverletzung 16,71
Wandlung 49,59,60 Wegfall der Geschäftsgrundlage 45 - 47, 64, 65,129,139 weniger Zumutbares 112,113,115 Werkvertragsrecht 48,49,132,139 venire contra factum proprium 51,96,151 Werner, A. 109 Verfahren der Minderung 134,145,146 Wert Verkehrssicherheit 46 - fiktiver 127 Verlaßfunktion des Vertrags 42 - subjektiver 126,135 Verlust des Gegenstands 51 - tatsächlicher 127 Vermögensschaden 116 Wertersatz 144 Vermutung 29,74,78-82,96,112 Wertinteresse 143,145,146 Verselbständigung des Vertrauens 42 Wesen des Schadensersatzes 146,147 Vertragsanpassung 63,64 Wezel 31 Vertragsberichtigung 63 Wiedemann 64 Vertragsschluß 11,16,34,41 -43,53,61,70, Willensbildung 16,90,127 73,92,120,121,123,125,138,141,159 Willensfreiheit 141 Vertragstyp 15 Vertragszweck 108 Vertrauen 11, 14, 41- 43, 46, 50, 51, 55, 61, 120, 121,137,139, 146,147 Vertrauendürfen 41
Zweckerreichung 100 Zweckfortfall 100 Zweckstörung 100