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German Pages 400 [401] Year 2022
Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 17
Ausländische einvernehmliche Privatscheidungen und hoheitliche Mitwirkung Zur Anerkennung und Wirksamkeitsprüfung von Scheidungen im autonomen IZVR und IPR
Von
Laura Möller
Duncker & Humblot · Berlin
LAURA MÖLLER
Ausländische einvernehmliche Privatscheidungen und hoheitliche Mitwirkung
Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 17
Ausländische einvernehmliche Privatscheidungen und hoheitliche Mitwirkung Zur Anerkennung und Wirksamkeitsprüfung von Scheidungen im autonomen IZVR und IPR
Von
Laura Möller
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany
ISSN 2567-5427 ISBN 978-3-428-18685-3 (Print) ISBN 978-3-428-58685-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2021 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis August 2021 berücksichtigt werden. Mein großer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Gruber, für die engagierte Betreuung meiner Arbeit und die interessanten Jahre, die ich insbesondere in meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl erleben durfte. Nicht unerwähnt bleiben soll zudem noch sein engagierter Einsatz im Rahmen der deutsch-französischen Studiengänge des Fachbereichs. Mein Interesse am internationalen Privatrecht wurde nicht zuletzt auch bereits im Rahmen des deutsch-französischen Studiengangs (Mainz/Dijon) geweckt. Herrn Prof. Dr. Huber danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Aufgrund der Höhen und Tiefen, die das Verfassen einer solchen Arbeit mit sich bringen kann, ist es besonders wertvoll, im privaten Bereich geduldige Unterstützung und auch Ablenkung zu erfahren. Daher möchte ich meinem Freund, Yohann, sowie meiner Schwester, Caroline, von ganzem Herzen danken. Der größte Dank gebührt schließlich meinen Eltern, Claudia und Jürgen, die mich nicht nur während dieser Zeit, sondern schon mein ganzes Leben lang mit rührendem Einsatz unterstützt haben und dies auch weiterhin tun. In liebevoller Erinnerung bleibt mir zudem die Unterstützung meines Opas Reinhold, meiner Omi Helga und Edda. Karlsruhe, im August 2022
Laura Möller
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Die einvernehmliche Scheidung in einzelnen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Unterschiedliche Behandlung von Entscheidungen und Rechtsgeschäften auf „Anerkennungsebene“ im internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht . . . . . 23 C. Einordnungsfragen auf kollisionsrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 § 2 (Methodische) Einordnung des Untersuchungsgegenstands und Gang der Arbeit 34 A. Die Problemkreise unter methodischem, internationalem Blickwinkel . . . . . . . . . 34 I. Anfängliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Die Qualifikation im internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht . . . . . . 35 1. Herausarbeitung der Qualifikation als Einordnungsproblem im internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Qualifikationsgegenstand und -vorgang im heutigen internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Qualifikationsfragen mit Blick auf das internationale Zivilverfahrensrecht 39 a) Abgrenzung der (verfahrensrechtlichen) lex fori-Verweisungsregel vom (materiellen) internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Abgrenzung von internationalem Zivilverfahrensrecht und internationalem Privatrecht auf „Anerkennungsebene“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Umformulierung der Fragestellungen als Qualifikationsproblem . . . . . . . . . . 43 B. Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 C. Terminologischer Hinweis zum Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 § 3 Grundlagen der Qualifikation im autonomen internationalen Privatrecht . . . . . 48 A. Verwurzelung im internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 B. Qualifikation lege fori und funktional-teleologische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Ablehnung der Qualifikation lege causae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
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Inhaltsverzeichnis
§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG) . . . . . . 55 A. (Methodischer) Überblick zum Entscheidungsbegriff (§ 109 FamFG) . . . . . . . . . . 55 I. Qualifikationsmethodik speziell im Anerkennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Methodische Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Berechtigung der funktionalen (teleologischen) Qualifikation lege fori . . . 58 II. Ausrichtung der anerkennungsrechtlichen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Abgrenzung zum besonderen Anerkennungsverfahren (§ 107 FamFG) . . . 59 2. Verbindung zu § 328 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 B. Prinzipielle Einbeziehungsmöglichkeit von Behörden bzw. Notaren . . . . . . . . . . . 62 I. Überblick zur weitgehend anerkannten Einbeziehungsmöglichkeit . . . . . . . . . 62 1. § 109 FamFG bzw. § 328 ZPO und (verwaltungs-)behördliche Scheidungen 62 2. Behörden in internationalen Adoptions- und sog. Leihmutterschaftsfällen (§§ 108, 109 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Untersuchung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte . . . . . . . . . . . 69 I. Überblick zum Meinungsstand zu den Entscheidungsbegriffen . . . . . . . . . . . . 69 1. Verfahrensrechtliche Anerkennung von Scheidungen (§ 109 FamFG) . . . . 69 a) Herrschender Entscheidungsbegriff des konstitutiven Hoheitsakts . . . . . 69 b) Weitere (mögliche) Entscheidungsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Erweiterte Entscheidungsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Kontrollkriterium bzw. Übertragung der Sahyouni II-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (2) Ähnlich offenes Verständnis des Konstitutivbegriffes bzw. der sog. konstitutiven Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (a) „Konstitutiv“ im Sinne eines zwingenden Wirksamkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (b) „Konstitutiv“ als – möglicherweise – kontrollfokussierter Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Extensivere Entscheidungsbegriffe (de lege ferenda) . . . . . . . . . . . . 76 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Verfahrensrechtliche Anerkennung in Adoptions- und sog. Leihmutterschaftsfällen (§§ 108, 109 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Internationales Adoptionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Unterschied von Vertrags- und Dekretsystem im Überblick . . . . . . . 78 bb) Verfahrensrechtliche Anerkennung von Dekretadoptionen . . . . . . . . 80 cc) Kollisionsrechtliche Überprüfung sog. reiner Vertragsadoptionen 81 dd) (Umstrittener) Umgang mit kontrollierten Vertragsadoptionen . . . . 82 (1) Vorherrschende Anerkennung bestätigter Vertragsadoptionen
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(2) Umstrittene Behandlung im Voraus bewilligter Vertragsadoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (3) Umstrittenes (älteres) Zusatzkriterium der Bestandskraft . . . . . . 84 b) Internationale sog. Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Überblick zur gerichtlichen oder behördlichen Tätigkeit . . . . . . . . . 85 bb) Verfahrensrechtliche Anerkennung von Konstitutiventscheidungen 87 cc) Explizite Erfassung überprüfender Feststellungsentscheidungen . . . 88 dd) Ausschluss bloßer Registrierungen und Beurkundungen . . . . . . . . . 89 ee) (Umstrittener) Umgang mit anderen Mitwirkungsakten . . . . . . . . . . 89 (1) Umstrittene Behandlung von Erlaubnisakten . . . . . . . . . . . . . . . 89 (2) Strittiger Ausschluss überprüfender Registrierungen . . . . . . . . . 89 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Untersuchung und Stellungnahme de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Anerkennung scheidender, konstitutiver Hoheitsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) (Praktische) Bedeutung des herrschenden Entscheidungsbegriffs . . . . . . 93 aa) Begriff des konstitutiven Hoheitsakts in Abgrenzung zum Privatakt 93 (1) Definition des konstitutiven Hoheitsakts und sog. konstitutives Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (2) Geringe Aussagekraft der weiteren gesetzlichen Ausgestaltung 97 (a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (b) Beständigkeit der Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (c) Differenzierung zwischen Kontrolle und Konstitutivwirkung 100 (d) Weitere Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Spitzfindigkeit des Konstitutivmerkmals bei der (praktischen) Abgrenzung zur Privatscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Unproblematische Scheidungen durch richterlichen Konstitutivakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (3) Unproblematische Scheidungen durch konstitutiven Behördenakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (4) Untersuchungsbedürftige Grenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (a) Französische Scheidung mittels notariell hinterlegter Privaturkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (b) Italienische Scheidung unter staatsanwaltlicher oder standesamtlicher Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (c) Rumänische Scheidung unter Mitwirkung des Zivilstandesbeamten oder öffentlichen Notars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
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Inhaltsverzeichnis (d) Spanische Scheidung unter Mitwirkung des Justizsekretärs oder Notars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (e) Brasilianische Scheidung mittels notarieller Urkunde . . . . . 128 (f) Zu registrierende Scheidung nach dem Recht der Volksrepublik China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (g) Japanische Scheidung mittels Anmeldung beim Familienregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (h) Bestätigte Scheidung nach dem Recht der Republik Korea (Südkorea) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (i) Thailändische Scheidung mit Registrierung . . . . . . . . . . . . . 136 (5) Praktisches Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Dogmatisch-methodische Anerkennung der Konstitutivwirkung . . . . . . 138 d) Schwächen des Konstitutivkriteriums unter funktional-teleologischen Qualifikationsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 aa) Unzulänglichkeit unter dem Blickwinkel des Nachprüfungsverzichts im Anerkennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) (Vertrauens-)Ausgangsüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Zu enge Begrenzung auf die Konstitutivität . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Gefahr hinkender Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (1) Sinn- und zweckbezogener Kritikpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) (Aktuelle) Entstehung sog. hinkender Scheidungen . . . . . . . . . . 151 (3) Folgeprobleme im Falle einer Wiederheirat . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 cc) Schwächen bei der Trennung zwischen dogmatischer und internationaler (Qualifikations-)Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Anerkennung von Feststellungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Zurückhaltung insbesondere des herrschenden Entscheidungsbegriffs in Scheidungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Anerkennung der Rechtskraftwirkung von Feststellungsentscheidungen 163 aa) Hervorhebung speziell im Kontext der Leihmutterschaftsfälle . . . . . 163 bb) Anerkennungsfähigkeit der materiellen Rechtskraft im Sinne einer Feststellungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Bedeutung für den Entscheidungsbegriff in (Privat-)Scheidungsfällen 167 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Anerkennung kontrollierter, beständiger Privatscheidungen . . . . . . . . . . . . 172 a) Kontrollkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Kontrollkriterium der erweiterten Entscheidungsbegriffe . . . . . . . . . 172 (1) Erweiterter Entscheidungsbegriff bei Privatscheidungen . . . . . . 172 (a) Kontrolle als zentrales Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
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(b) Begrenzung auf inhaltliche bzw. materielle Kontrolle . . . . . 173 (c) Irrelevanter Zeitpunkt der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (2) Vergleichbares Kontrollkriterium in Adoptions- und Leihmutterschaftsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Rechtfertigung des Kontrollkriteriums aus funktional-teleologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Argumentative Abgrenzung zu § 107 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Rechtfertigung aus funktionaler Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (3) Rechtfertigung vor dem (teleologischen) Hintergrund des § 109 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (4) Rechtfertigung des kontrollergänzenden Merkmals der Versagungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (5) Keine Rechtfertigung aus dem abgeschlossenen Charakter der Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) (Praktische) Handhabung des Kriteriums der Scheidungskontrolle
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(1) Überblick zur (strittigen) Bewertung der Kontrolltätigkeit . . . . . 185 (a) Ausgangslage und Blick auf das europäische Recht . . . . . . . 185 (b) Überblick zum Meinungsstand zu einzelnen Kontrolltätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (c) Praktisches Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Vorzugswürdiges Verständnis der überprüfenden Kontrolle . . . . 192 (a) Allgemeine Umschreibung und Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . 192 (b) Konkrete Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 dd) Unzulänglichkeit des Kontrollkriteriums vor dem Hintergrund der Beständigkeit gerichtlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (1) Beständigkeitsbezogene Unzulänglichkeitsargumentationen . . . 202 (2) Untersuchung der Beständigkeit als Entscheidungsmerkmal . . . 204 (a) Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (b) Untersuchung der Beständigkeit als Charakteristikum im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (aa) Abgrenzung zur materiellen Rechtskraft als Entscheidungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (bb) Besondere Beständigkeit unabhängig der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (c) Berücksichtigung vor dem (teleologischen) Hintergrund des § 109 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (d) Besondere Bedeutung bei Scheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (e) Berücksichtigung bei funktionaler (teleologischer) Qualifikation lege fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
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Inhaltsverzeichnis (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 ee) Fehlender dogmatischer Einklang mit der Wirkungserstreckungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (1) Wirkungs(erstreckungs)bezogene Argumentationen . . . . . . . . . . 215 (2) Untersuchung wirkungsbezogener allgemeiner Grundsätze . . . . 217 (a) Herrschende Wirkungserstreckungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (b) Herrschende Anerkennung ausschließlich prozessualer Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (c) Abgrenzung von Gestaltungswirkung und Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (3) Daraus resultierende Problematik bei Privatscheidungen . . . . . . 219 (a) Fehlende Gestaltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (b) Fehlende Feststellungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Beständigkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (1) Zur Kontrolle hinzutretendes Beständigkeitserfordernis . . . . . . . 223 (2) Einbeziehungsbedürftigkeit von Privatscheidungen . . . . . . . . . . 223 (3) Methodische (begrenzte) Möglichkeit eines offeneren Verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 bb) Methodischer Weg einer funktionalen „Gesamtqualifikation“ . . . . . 226 (1) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (2) Funktionale „Gesamtqualifikation“ als „gesamtgestaltender“ Scheidungsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (a) Ausgangsüberlegung einer funktionalen „Gesamtqualifikation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (b) Funktionale Betrachtung der „gesamtgestaltenden“ Wirkung 228 (c) Vereinbarkeit der funktionalen „Gesamtbetrachtung“ mit der Wirkungserstreckungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (3) Entsprechende (engere) funktionale „Gesamtqualifikation“ als verbindlich festgestellter Scheidungsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . 234 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Anforderungen an die Beständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (1) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) Bestimmungsvorschläge im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (3) An Privatscheidungen zu stellende Anforderungen . . . . . . . . . . . 237 (a) Keine pauschale Unwirksamkeit ipso iure oder rein private Angreifbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (b) Grundsätzliche Hinlänglichkeit eines Aufhebungsverfahrens 238 (aa) Fokus der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
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(bb) Funktionale Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (cc) Vereinbarkeit mit dem Verbot der révision au fond . . . 245 (dd) Keine Differenzierung nach speziellen und pauschalen Aufhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (ee) Unzulänglichkeit bei deklaratorischen Mitwirkungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 dd) Keine Einschränkungen bei vorangehenden Bewilligungen . . . . . . . 248 ee) (Praktisches) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Kein ergänzendes, verfahrensspezifisches Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . 252 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Keine weitere Ausdehnung des Entscheidungsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Extensive Entscheidungsbegriffe in Scheidungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Praktikabilitätsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) (Teleologischer) Hintergrund der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . 256 cc) Funktionale (teleologische) Qualifikation lege fori und Charakteristika von Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 dd) (Anerkennungs-)Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 III. Überblick zu relevanten Anerkennungshindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Spiegelbildliche Zuständigkeit (§ 109 I Nr. 1 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Anerkennungsrechtlicher ordre public (§ 109 I Nr. 4 FamFG) . . . . . . . . . . 260 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 § 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . 271 A. Unterschiedliche Fragestellungen als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae) mit hoheitlichem, namentlich gerichtlichem Gestaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I. Genaue Ausrichtung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 II. Materiell-rechtliche, in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation 272 1. Methodischer Überblick zur Abgrenzung der (verfahrensrechtlichen) lex fori-Verweisungsregel vom materiellen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Abgrenzung und Rolle des lex fori-Prinzips als Verweisungsregel . . . . . 272 b) Funktional-teleologische Qualifikation lege fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Herrschende, berechtigte Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Ablehnung (älterer) autonomer Abgrenzungsvorschläge . . . . . . . . . 274 cc) Abgrenzung im Sinne der funktionalen Qualifikation lege fori . . . . 276 c) Abgrenzung von materiellem Recht und Prozessrecht im internen Recht 278
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Inhaltsverzeichnis 2. Überblick zum Meinungsstand zur materiellen Qualifikation (in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Meinungsstand im Scheidungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 aa) Richterliches Gestaltungserfordernis des § 1564 S. 1 BGB . . . . . . . 280 (1) Herrschende materiell-rechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . 280 (2) Verbreitete (parallele) verfahrensrechtliche Qualifikation . . . . . 281 bb) Sog. Scheidungsmonopol deutscher Gerichte (Art. 17 III EGBGB) 282 (1) Hintergrund zur Einordnungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (2) Keine materiell-rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (3) Einordnung als verfahrensrechtliche Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Meinungsstand zu Gestaltungs(klage)rechten im Allgemeinen . . . . . . . . 286 aa) Materiell-rechtliche Qualifikation bzw. Nichtanwendung der lex fori-Verweisungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 bb) (Auch) Verfahrensrechtliche Qualifikation der Frage des „Ob“ eines gerichtlichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 c) Meinungsstand zu Gestaltungsakten im Adoptionsrecht . . . . . . . . . . . . . 288 aa) Herrschende materiell-rechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 bb) Umstrittene (parallele) verfahrensrechtliche Qualifikation . . . . . . . . 289 d) Meinungsstand zu Gestaltungsakten im allgemeinen Vertragsrecht . . . . 292 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3. Untersuchung und Stellungnahme (zu § 1564 S. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Zwiegespaltene, „pattähnliche“ Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Züge . . . . . . . . . . . . . 293 (1) Vorhandensein verfahrensrechtlicher Züge . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (2) Vorhandensein materiell-rechtlicher Züge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (3) Zwiespältiges Wortlautargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 bb) Konsequenzen der „Patt“-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) „Patt“-Situation unter Rechtsausübungs- und Praktikabilitätsaspekten 297 aa) Durchführbarkeit einer verfahrensrechtlichen Qualifikation unter Rechtsausübungsaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Durchführbarkeit einer materiell-rechtlichen Qualifikation unter Praktikabilitätsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 c) Materiell-rechtliche Qualifikation unter funktionaler Betrachtung . . . . . 302 aa) Ausgangsüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 bb) Bedingte Durchschlagskraft einer kontrollfokussierten Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 cc) Funktionaler Blick auf Gestaltungsantragsrecht und gerichtliche Konstitutivwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
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4. Weitere gerichtliche und behördliche konstitutive Scheidungsakte . . . . . . . 307 III. Materiell-rechtliche Qualifikation im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 1. Materiell-rechtliche Qualifikation in Abgrenzung zu Formfragen . . . . . . . . 308 a) Überblick zur Abgrenzung von Form und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 aa) Form als sog. abgespaltene Teilfrage und Qualifikationsproblem . . 308 bb) Analyse des allgemeinen Formbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (1) Ausgangsüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (2) Bestandsaufnahme zum allgemeinen Umriss des Formbegriffs
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(a) Grundlegendes BGH-Urteil zur sog. Handschuhehe . . . . . . . 312 (b) „Äußere Gestaltung“ als Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (c) Mitwirkung als Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (d) Formqualifikation aufgrund der Verfolgung von Formzwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (e) Teleologische Betrachtung der Ortsrechts-Regel . . . . . . . . . 317 (3) Qualifikationsrechtliche Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (a) Form als „äußere Gestaltung“ und „Art und Weise“ der Willensäußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (b) Eingrenzung der qualifikationsrechtlich relevanten Formzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (c) Unbeachtlichkeit des Telos der lex loci-Regel . . . . . . . . . . . 324 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 b) Überblick zum Meinungsstand in Gestaltungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . 329 aa) Scheidungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 (1) Sehr vereinzelte Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB als Formregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 (2) Teilweise Einordnung des Art. 17 III EGBGB als Formregelung 330 bb) Keine Befürwortung einer Formqualifikation bei Gestaltungsakten im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 cc) Vereinzelte Überlegungen einer Formqualifikation bei Gestaltungsakten im Adoptionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 dd) Keine Formqualifikationsüberlegungen bei Gestaltungsakten im allgemeinen Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 c) Untersuchung und Stellungnahme (zu § 1564 S. 1 BGB bzw. hoheitlichen Gestaltungsakten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 aa) Ausklammerung adoptionsspezifischer Argumente . . . . . . . . . . . . . 333 bb) Berücksichtigung der Abtrennung der Form als Teilfrage . . . . . . . . 334 cc) Materiell-rechtliche Einordnung unter dem Blickwinkel der Form als „äußere Gestaltung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 dd) Materiell-rechtliche Einordnung unter funktionalem, (form-)zweckbezogenen Blickwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 ee) Keine Ergebnisumkehr wegen erleichterter Vornahme des Gestaltungsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
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Inhaltsverzeichnis ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 2. Keine kontrollbezogene teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 a) Vereinzelt vorgeschlagene Einschränkungen der materiell-rechtlichen Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen unter Geltung eines anderen ausländischen Scheidungsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 II. Scheidungsstatut mit anderer, kontrollierender Ausgestaltung der Privatscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 1. Ausgangsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 a) Zu untersuchende Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 b) Geltung des Art. 11 I EGBGB für die Form von Privatscheidungen . . . . 345 2. Scheidungsstatut mit genehmigender behördlicher Mitwirkung . . . . . . . . . 345 a) Beispielhafter Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 b) Qualifikationsrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 3. Scheidungsstatut mit kontrollierender Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 a) Beispielhafter Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 b) Qualifikationsrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 III. Scheidungsstatut mit gerichtlicher Scheidung, aber großzügigerer Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 1. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Qualifikationsrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
§ 6 Privatscheidungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 A. „Anerkennung“ von Heimatstaatsprivatscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 I. Notwendigkeit einer Regelung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 II. Befürwortung einer Regelung auf Ebene des Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . 360 III. Alternative Anknüpfungsregel de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 B. Art der Verweisung des Art. 17 II EGBGB de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 § 7 Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
Abkürzungsverzeichnis a. A. abl. Abl. EU abw. a. E. AEUV allg. Bearb. Begr. BG BöhmsZ
anderer Ansicht ablehnend Amtsblatt der Europäischen Union abweichend am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union allgemein Bearbeiter/in Begründer/in Bundesgericht der Schweiz Zeitschrift für Internationales Privat- und Strafrecht, begründet und herausgegeben von Ferdinand Böhm bzw. beziehungsweise Einl. Einleitung ErwG Erwägungsgrund FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ggf. gegebenenfalls grds. grundsätzlich h. A. herrschende Ansicht h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber/in i. d. F. (v.) in der Fassung (vom) i. E. im Ergebnis i. S. d. im Sinne der/des i. S. v. im Sinne von IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht JbItalR Jahrbuch für Italienisches Recht JW Juristische Wochenschrift krit. kritisch Lit. Literatur m. w. N. mit weiteren Nachweisen Nachw. Nachweis/e/en NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht o. A. ohne Angabe Präs. Präsident Rev. crit. DIP Revue critique de droit international privé sog. sogenannt/e/er/es str. streitig
20 u. a. (un)umstr. Vorbem. ZPO
Abkürzungsverzeichnis unter anderem (un)umstritten Vorbemerkung Zivilprozessordnung
Siehe zu weiteren Abkürzungen Kirchner, Hildebert (Begr.)/Bötticher, Eike (Bearb.): Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, Berlin u. a. 2018; sowie noch Duden, Die deutsche Rechtsschreibung, Band 1, 28. Auflage, Berlin 2020.
§ 1 Einleitung A. Die einvernehmliche Scheidung in einzelnen Rechtsordnungen Insbesondere im asiatischen Rechtsraum sind außergerichtliche einvernehmliche Scheidungen seit langer Zeit in den Rechtsordnungen verankert,1 wie etwa die beim Familienregister anzumeldende einvernehmliche Scheidung im japanischen Zivilgesetz (japan. ZG)2 oder die zu registrierende Scheidung im gegenseitigen Einverständnis im thailändischen Zivil- und Handelsgesetzbuch (TZHGB)3 zeigen. In den letzten Jahren kam es auch in einigen europäischen Rechtsordnungen zu bemerkenswerten Reformen im Bereich des Scheidungsrechts. Es ist nunmehr unter anderem in Frankreich, Italien und Spanien prinzipiell möglich, den Weg einer außergerichtlichen einvernehmlichen Scheidung zu gehen. Der französische Code civil (frz. Code civil)4 sieht unter bestimmten Umständen eine einvernehmliche Scheidung mittels Privaturkunde vor,5 welche von den Anwälten gegengezeichnet und notariell hinterlegt6 wird.7 Das italienische Gesetzesdekret Nr. 132/2014 (ital. Gesetzesdekret)8 ermöglicht es, eine Scheidungsvereinbarung mit anwaltlicher Unterstützung und Mitwirkung seitens der Staatsanwaltschaft zu treffen oder eine 1
Siehe Gärtner, Privatscheidung, S. 23; noch Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431. Japanisches Zivilgesetz v. 17. 4. 1896 u. 21. 6. 1898, dort Art. 763 ff., 764 i. V. m. Art. 738 f.; siehe die Übersetzung und Zitierung des Zivilgesetzes bei Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 58 ff., zu den zitierten Normen S. 65 f., 63, zur Zitierweise noch S. 34 f. 3 Thailändisches Zivil- und Handelsgesetzbuch v. 11. 11. 1924, vgl. dort Sec. 1514, 1515, 1531 I; siehe die Übersetzung und Zitierung des Gesetzbuches bei Bergmann/Ferid/Henrich/ König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009), S. 36 ff., zu den zitierten Normen S. 48, 51, zur Zitierweise noch S. 25. 4 Code civil v. 1804; eine Übersetzung des frz. Code civil findet sich bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Brandhuber, Länderbericht Frankreich232. Lfg. (Juli 2019), S. 58 ff. 5 Siehe näher zur Privaturkunde Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 145 (172). 6 So auch die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Brandhuber, Länderbericht Frankreich232. Lfg. (Juli 2019), S. 85. 7 Siehe Artt. 229 I, 229-1 frz. Code civil; die entsprechende Übersetzung findet sich bei Bergmann/Ferid/Henrich/Brandhuber, Länderbericht Frankreich232. Lfg. (Juli 2019), S. 85 f. 8 Gesetzesdekret Nr. 132/2014 v. 12. 9. 2014 i. d. F. durch Umwandlungsgesetz Nr. 162/ 2014; siehe hierzu die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135 f.; sowie den allg. Hinweis auf durch das Umwandlungsgesetz erfolgte Änderungen bei Rieck/Enßlin, AuslFamR, Länderbericht Italien (Mai 2019) Rn. 13, S. 20. 2
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§ 1 Einleitung
Vereinbarung unter Mitwirkung des Zivilstandesbeamten.9 Der spanische Código Civil (span. Código Civil)10 gesteht eine Scheidung mittels Vereinbarung und Mitwirkung des Justizsekretärs oder mittels öffentlicher Urkunde und notarieller Mitwirkung zu.11 Im Gegensatz zu den vorstehenden Rechtsordnungen ist in Deutschland gemäß § 1564 S. 1 BGB nach wie vor eine richterliche Entscheidung erforderlich. Ein Einvernehmen führt nach § 1566 I BGB in Verbindung mit einem einjährigen Getrenntleben dazu, dass das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet wird (sog. einverständliche Scheidung).12 Das Scheitern ist nach § 1565 I 1 BGB die Voraussetzung dafür, dass die Ehe auf Antrag durch richterliche Entscheidung (§ 1564 S. 1 BGB) geschieden werden kann. Auch in anderen europäischen Staaten ist weiterhin ausschließlich eine gerichtliche Scheidung vorgesehen,13 wie etwa gemäß § 46 S. 1 des österreichischen Ehegesetzes (österr. EheG),14 wonach die Ehe durch gerichtliche Entscheidung geschieden wird. Ähnlich wie im deutschen Recht bedeutet ein Einvernehmen nach § 55a I EheG nur eine gemeinsam „begehrt[e]“ Scheidung, welche den Eheleuten unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht wird und bei der das Erfordernis einer gerichtlichen Entscheidung fortbesteht.15 Die zuvor angeführten Beispiele verdeutlichen, wie bei einer einvernehmlichen Scheidung Privatpersonen und staatliche bzw. öffentliche Stellen in der Regel jeweils – wenngleich in unterschiedlicher Art und Weise – zusammenwirken: Es bedarf dem Grunde nach nicht nur eines einvernehmlichen Handelns der Eheleute, sondern zumindest noch einer richterlichen, standesamtlichen, registerbehördlichen oder etwa notariellen16 Mitwirkung. 9 Dies sehen die Artt. 6 bzw. 12 des genannten Gesetzesdekrets vor; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135 f. 10 Código Civil v. 24. 7. 1889; siehe die Übersetzung des Código Civil bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 43 ff. 11 So Art. 87 S. 1 i. V. m. Art. 82 des span. Código Civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50d f., 50c. 12 Siehe an dieser Stelle zur sog. einverständlichen Scheidung nur BT-Drs. 7/4361, S. 11; noch MüKo-BGB/Weber, § 1566 Rn. 1. 13 Zur Auflistung weiterer europäischer Staaten mit ausschließlich gerichtlicher Scheidung etwa Mayer, StAZ 2018, 106 (107) m. w. N. 14 Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung v. 6. 7. 1938; siehe näher Schwimann/Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 46 EheG Rn. 1 f., zum Gesetz noch Vorbem. § 1 EheG. 15 Vgl. auch Bergmann/Ferid/Henrich/Lurger/Jesser-Huß, Länderbericht Österreich234. Lfg. (November 2019), S. 44; Schwimann/Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 46 EheG Rn. 1 f., § 55a EheG Rn. 1, 3; siehe auch Rieck/Nademleinsky, AuslFamR, Länderbericht Österreich (August 2017) Rn. 13, S. 12. 16 Der deutsche Notar ist öffentlicher Amtsträger, der Rechtsvorgänge beurkundet und anderweitig auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege tätig ist (§ 1 BNotO), Vergleichbares gilt für andere Rechtsordnungen, die das sog. lateinische Notariat kennen, wie etwa das französische oder spanische Recht; siehe hierzu rechtsvergleichend nur Staudinger/Hertel,
B. Behandlung von Entscheidungen u. Rechtsgeschäften auf „Anerkennungsebene“ 23
B. Unterschiedliche Behandlung von Entscheidungen und Rechtsgeschäften auf „Anerkennungsebene“ im internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht Dem obigen Überblick lassen sich zunächst zwei Scheidungsmodelle entnehmen: Die gerichtliche Scheidung nach beispielsweise deutschem Recht, bei welcher es trotz eines Einvernehmens der Eheleute einer richterlichen, die Ehe auflösenden Entscheidung bedarf (§ 1564 S. 1 BGB) und etwa die Scheidung nach thailändischem Recht „im gegenseitigen Einverständnis“, die lediglich zu registrieren ist.17 Bei der ersten Scheidungsart handelt es sich mithin um einen richterlichen Akt, der die Ehe auflöst, und bei letzterer – prima facie – um einen Akt privater, vertraglicher Natur.18 Aufgrund der jeweiligen eheauflösenden, rechtsändernden Natur lässt sich bei ersterer gleichsam von einem gerichtlichen, hoheitlichen19 Gestaltungsakt und bei letzterer von einer Privatscheidung als privatem Gestaltungsakt sprechen.20 Die dogmatische Einordnung im ersteren Fall als gerichtlicher Gestaltungsakt bzw. gerichtliche Entscheidung und im letzteren Fall als privater Gestaltungsakt bzw. vertragliches Rechtsgeschäft wirkt sich an sich grundlegend auf die methodische Vorgehensweise, auf den Beurteilungsmaßstab im internationalen Recht aus: Bei einer ausländischen Entscheidung bzw. einem ausländischen Hoheitsakt21 greifen nach herkömmlicher Methodologie die Anerkennungsregeln des internationalen Zivilverfahrensrechts22 (siehe im autonomen Recht § 328 ZPO und § 109 FamFG). BeurkG Rn. 725 ff., 729 ff. (mit Länderübersicht, Rn. 751); näher zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Erfüllung von Aufgaben aus dem staatlichen Bereich durch den deutschen Notar nur Schippel/Görk/Bracker, § 1 Rn. 13 ff., 17 ff. m. w. N., noch Rn. 1 f. 17 Sec. 1514 I, 1515 TZHGB; siehe an dieser Stelle zu dieser Scheidungsart mit Übersetzung der Normen nur Fuhrmann, IPRax 1983, 137. 18 Siehe hier zur vertraglichen Natur dieser Scheidung nach thailändischem Recht nur Fuhrmann, IPRax 1983, 137; noch MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Anh. Art. 17a EGBGB Rn. 113 („Rechtsgeschäft mit Registrierung“); näher zur Einordnung unten unter § 4 C.II.1.b) bb)(4)(i). 19 Siehe allg. zum Begriff des Hoheitsakts Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 19; zur Bedeutung „hoheitlich“ noch Creifelds, Rechtswörterbuch, „Hoheitliche Gewalt“, S. 736 f.; im Kontext der Anerkennung noch Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (712). 20 Vgl. an dieser Stelle anschaulich etwa Justizminister NRW, Entsch v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, 430 (431 f.); LJV BW, Entsch. v. 23. 5. 1986 – 346 E – 325/ 85, IPRax 1988, 170 (171); noch NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 76; dies., IntFamR, § 3 Rn. 119; Basedow, Anerkennung, S. 8, 14; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14); zum deutschen Scheidungsverfahren (vor Geltung des FamFG) als „Gestaltungsklage“ anschaulich noch BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (371, Rn. 26). 21 Explizit davon sprechend Palandt/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 2; siehe allg. zum Begriff des Hoheitsakts wiederum Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 19; im anerkennungsrechtlichen Kontext Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (712). 22 Zum Begriff des IZVR näher etwa v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 2 ff.; siehe noch Kropholler, IPR, § 56 I, S. 587.
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§ 1 Einleitung
Die Entscheidung wird hierbei nicht vollständig nachgeprüft (so explizit § 109 V FamFG), vielmehr bleibt die Überprüfung aus inhaltlicher Sicht im Wesentlichen auf eine ordre public-Kontrolle beschränkt (vgl. wiederum § 328 I Nr. 4 ZPO bzw. § 109 I Nr. 4 FamFG).23 Eine Anerkennung privater, rechtsgeschäftlicher Akte über die Regeln des internationalen Zivilverfahrensrechts ist demgegenüber grundsätzlich nicht vorgesehen. Für solche Akte stehen im autonomen Recht vielmehr die Regeln des internationalen Privatrechts im EGBGB bereit, anhand derer das anwendbare Recht zu ermitteln und dann nach diesem die Wirksamkeit des Akts zu überprüfen ist.24 Die verfahrensrechtliche Anerkennung ist folglich wesentlich liberaler25 ausgestaltet, es wird seltener zur Nichtanerkennung kommen als bei einer vollumfänglichen kollisionsrechtlichen sog. Wirksamkeitsprüfung.26 Das gilt prinzipiell auch mit Blick auf die ordre public-Kontrolle selbst.27 Eine als ausländische Entscheidung anzusehende Scheidung aus einem Drittstaat unterliegt nach diesen Grundsätzen nur den Anerkennungshindernissen des autonomen Rechts – ohne dass etwa eine Nachprüfung anhand des (aus deutscher Sicht) anwendbaren Scheidungsrechts erfolgen muss, weshalb auch eine Scheidung, die unter Anwendung des (aus deutscher Sicht) „falschen“ Rechts erfolgt, anerkannt 23 Siehe eingehend zum autonomen internationalen Familienrecht Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1622 f.); ders., FamRZ 2006, 744 (747); allg. noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 293, 296; zu Statusveränderungen Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (712); im adoptionsrechtlichen Kontext schon Hepting, StAZ 1986, 305 (307); Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73). 24 Siehe ausführlich zum autonomen internationalen Familienrecht Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1623); ders., FamRZ 2006, 744 (747); noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 294 f.; zu Statusveränderungen Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (712); schon Hepting, StAZ 1986, 305 (306) (begrifflich bereits zwischen „Anerkennung“ und „Wirksamkeitsprüfung“ einer ausländischen Adoption unterscheidend); noch Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73). 25 Von „sehr liberal“ sprechend Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624). 26 Allg. etwa Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 296; auch Kropholler, IPR, § 69 IV 7, S. 676 f.; noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 134; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); ders., FamRZ 2006, 744 (752); für (Privat)Scheidungen Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (342 f.); dies krit. sehend Wengler, in: IPR, S. 436 (441 f.) (Bevorzugung internationaler Verhältnisse, da etwa eine wirksame Scheidung leichter zu erreichen sei); anders hingegen noch die (ältere) Einschätzung bei Schwarz, Anerkennung, S. 12, die § 328 ZPO (a. F.) gegenüber den Kollisionsregeln als „eingeschränkt“ bewertet, da bei einer entsprechenden Verweisung auf das Ausland ein etwa dort erfolgter Scheidungsakt „ohne weiteres“ gültig sei („Anerkennung findet“) – bei einem Urteil „unter Umständen“ aber Gegenteiliges gelten könne, wenn es nämlich „die Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Urteile nicht erfüllt“. Siehe zum Begriff der Wirksamkeitsprüfung wiederum schon Hepting, StAZ 1986, 305 (306) (differenzierend zwischen „Anerkennung“ und „Wirksamkeitsprüfung“ einer ausländischen Adoption). 27 Siehe hier dazu, dass die bei der Anerkennung erfolgende ordre public-Kontrolle grds. weniger streng ist als die (autonome) kollisionsrechtliche nach Art. 6 EGBGB, etwa BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (357 f., Rn. 28) m. w. N.; Staudinger/ Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 296; zur Adoption MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 97 m. w. N.
B. Behandlung von Entscheidungen u. Rechtsgeschäften auf „Anerkennungsebene“ 25
werden kann.28 Eine als privat, als rechtsgeschäftlich anzusehende Scheidung wäre demgegenüber im Wege der kollisionsrechtlichen Nachprüfung als unwirksam anzusehen, wenn die Voraussetzungen des (aus deutscher Sicht) anwendbaren Rechts nicht erfüllt sind.29 Diese methodische Abgrenzung ist jedenfalls dem Grunde nach anerkannt. Zwar finden sich, nicht zuletzt angestoßen durch die EuGH-Rechtsprechung im Namensrecht,30 zahlreiche Diskussionen darüber, gewisse Rechtslagen ebenfalls anzuerkennen.31 Auch haben diese in neuerer Zeit durch das Coman-Urteil des EuGH32 erneut Aufwind erfahren,33 wenngleich die Bedeutung dieses Urteils im Einzelnen strittig ist.34 Jedoch betreffen die Diskussionen zum einen ein spezifisch europäisches, sich vor allem auf die Freizügigkeit (Art. 21 AEUV) stützendes „sog. Anerkennungsprinzip“.35 Zum anderen sind die Vorschläge unterschiedlich ausgestaltet, Einzelheiten und Methodik – gerade auch mit Blick auf eine Anerkennung von 28 Siehe allg. etwa Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 7; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 296; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 5 ff.; Geimer, IZPR, Rn. 41a i. V. m. Fn. 92; Kropholler, IPR, § 69 IV 7, S. 676; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 134, 139; zur Scheidung Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 342; Henrich, IntFamR, S. 155; allg. mit Blick auf den ordre public Martiny, IZVR III/1, Rn. 1030, 1036 (kein Verstoß); Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1623). 29 Eingehend zur Unterscheidung von Wirksamkeit und Anerkennung in Scheidungsfällen Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (339, 342 f.). 30 Etwa EuGH, Urt. v. 30. 3. 1993 – Rs. C-168/91 (Konstantinidis), ECLI:EU:C:1993:115 = IPRax 1994, 113; Urt. v. 2. 10. 2003 – Rs. C-148/02 (Garcia Avello), ECLI:EU:C:2003:539 = IPRax 2004, 339; Urt. v. 14. 10. 2008 – Rs. C-353/06 (Grunkin und Paul), ECLI:EU:C:2008: 559 = FamRZ 2008, 2089; Urt. v. 8. 6. 2017 – Rs. C-541/15 (Freitag), ECLI:EU:C:2017:432 = IPRax 2018, 416; vgl. hierzu näher etwa MüKo-BGB/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 126 f. (EuGH-Rspr. im Namensrecht als „Weichenstellungen […], die einem Anerkennungsprinzip im europäischen IPR den Weg bereiten.“); Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 68 f. 31 Eingehend etwa Funken, Anerkennungsprinzip, S. 24 f., 217 ff., 220 ff.; Leifeld, Anerkennungsprinzip, S. 174 ff.; Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392 ff.; Henrich, IPRax 2005, 422 ff.; Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501 ff.; Lagarde, RabelsZ 68 (2004), 225 (229 ff.); Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (711 ff.); Sonnenberger, in: FS Spellenberg, S. 371 ff.; weitere Nachw. bei Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 66. 32 EuGH, Urt. v. 5. 6. 2018 – Rs. C-673/16 (Coman u. a.), ECLI:EU:C:2018:385 = FamRZ 2018, 1063. 33 Siehe auch Wagner, IPRax 2019, 185 (195 f.) („wieder mehr in das Blickfeld gerückt“). 34 Zu einer engen, auf den aufenthaltsrechtlichen Bezug bzw. Art. 21 AEUV beschränkten Interpretation tendierend BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 32; Mansel/Thorn/ Wagner, IPRax 2019, 85 (89); zunächst offener von einer Ausdehnung sprechend, anschließend aber eine solche Beschränkung erwägend Dutta, FamRZ 2018, 1067 (1068); ähnlich zurückhaltend MüKo-BGB/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 137; Kohler/Pintens, FamRZ 2018, 1369 (1373 f.); Michl, FamRZ 2018, 1147 (1148); offen lassend Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 74; hingegen für ein weiteres Verständnis Wall, StAZ 2019, 225 (228) (Beschränkung auf Aufenthaltsrecht nicht zu erwarten); ähnlich de la Durantaye, IPRax 2019, 281 (286 f.) (Verankerung und Übertragung für Ehen). 35 MüKo-BGB/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 124; näher etwa Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (686 ff.); siehe noch Weller, RabelsZ 81 (2017), 747 (774) m. w. N.
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§ 1 Einleitung
Statusfragen36 – umstritten.37 Jedenfalls konnte sich bisher kein klares, einheitliches „Anerkennungsprinzip“ generell methodisch etablieren.38 Doch so klar, wie die Absteckung der jeweiligen methodischen Bereiche, d. h. eine Anerkennung nach § 109 FamFG oder eine Überprüfung nach den Regeln des internationalen Privatrechts, im Grundsatz ist, stellt sie sich gerade für einvernehmliche Scheidungen bei näherer Betrachtung nicht dar. Es finden sich in den einzelnen Rechtsordnungen, wie die einleitenden Beispiele verdeutlichen, nicht nur gerichtliche Scheidungsurteile bzw. -beschlüsse auf der einen und Scheidungen mit allein vertraglichen Erklärungen auf der anderen Seite. Vielmehr existieren unterschiedliche Spielarten einer Mitwirkung von (Register-)Behörden bzw. öffentlichen Amtsträgern wie Notaren.39 Insofern erscheint es durchaus fraglich, was noch als Scheidung im Sinne einer „Entscheidung“ nur den Anerkennungshindernissen des § 109 FamFG unterliegt und was bereits auf internationaler Ebene als ein Privatakt anzusehen ist, den es umfassend zu überprüfen gilt.40 Mit Blick auf die heutigen
36 Siehe näher (und dagegen) nur MüKo-BGB/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 129, 137 m. w. N. (gegen eine „undifferenzierte Ausdehnung“); noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 73 m. w. N. 37 Siehe eingehend Funken, Anerkennungsprinzip, S. 217 ff. m. w. N. („größtenteils konfus“); Leifeld, Anerkennungsprinzip, S. 135 ff. (zu den Methoden), S. 163 ff. (zu den Vorschlägen der Lit.) m. w. N.; vgl. noch Jayme/Kohler, IPRax 2004, 481 (483); Weller, RabelsZ 81 (2017), 747 (774 f.); dazu, dass aus der EuGH-Rspr. keine Methodenvorgabe folge, etwa de la Durantaye, IPRax 2019, 281 (287); Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (677 f.); vgl. zu anderen Möglichkeiten, die EuGH-Rspr. umzusetzen, etwa MüKo-BGB/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 144 f. m. w. N. Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 70 ff. m. w. N.; Sonnenberger, in: FS Spellenberg, S. 371 (388 ff.). 38 So zum autonomen IPR Heiderhoff, IPRax 2017, 160 (166 f.); vgl. zum europäischen IPR noch Weller/Weller, Europ. Kollisionsrecht, Rn. 141; de la Durantaye, IPRax 2019, 281 (287) („schillernd[er]“ Begriff); Jayme, IPRax 2017, 179 (183) („Versuche“; „Fragezeichen ist geblieben“); Wagner, IPRax 2014, 217 (222); gegen einen allgemeinen Übergang zur Anerkennungsmethode im europäischen IPR etwa MüKo-BGB/v. Hein, Art. 3 EGBGB Rn. 136, 146; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 81; Weller/Weller, Europ. Kollisionsrecht, Rn. 148; Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, 335 (339 f.); Sonnenberger, in: FS Spellenberg, S. 371 (387 ff.); zwar eine fortbestehende „Zurückhaltung“ sehend, aber von einer Anerkennung „als allgemeine[n] Teil im EU-IPR“ sprechend hingegen Gössl, IPRax 2018, 376 (377); eine Tendenz zur zukünftigen Verfestigung attestierend Basedow, FamRZ 2019, 1833 (1839); vgl. noch Weller, RabelsZ 81 (2017), 747 (774 f.). 39 Siehe noch die untenstehende Untersuchung zu verschiedenen Scheidungsrechten unten unter § 4 C.II.1.b)bb)(4). Siehe zum Notar als öffentlichen Amtsträger, der hoheitliche Befugnisse wahrnimmt, wiederum nur Schippel/Görk/Bracker, § 1 Rn. 13 ff., 17 ff. m. w. N., noch Rn. 1 f.; rechtsvergleichend Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 725 ff., 729 ff. (mit Länderübersicht, Rn. 751). 40 Vgl. an dieser Stelle nachdrücklich BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 27 („Die Abgrenzung von ,echten‘ Privatscheidungen und hoheitlichen Scheidungen macht dabei leider ganz erhebliche Schwierigkeiten.“); noch Dutta, FF 2018, 60 (63) („alles andere als klar umrissen“).
B. Behandlung von Entscheidungen u. Rechtsgeschäften auf „Anerkennungsebene“ 27
Voraussetzungen gerichtlicher Scheidungen stellen manche gar gänzlich in Frage, ob die beschriebene methodische Zweiteilung noch ihre Berechtigung hat.41 Ähnliche Probleme zeigen sich bei Scheidungen innerhalb der Europäischen Union. Hierfür steht aktuell zunächst – und gegenüber § 109 FamFG vorrangig42 – die Regelung des Art. 21 Brüssel IIa-VO43 zur Verfügung. Dieser sieht eine automatische Anerkennung einer Scheidung vor, die in einem (an der Verordnung teilnehmenden) EU-Mitgliedstaat44 ergangen ist, sofern es sich um eine „Entscheidung“ (vgl. Art. 2 Nr. 4 Brüssel IIa-VO) handelt. Auch dieser Begriff war, insbesondere im Hinblick auf die einleitend erwähnten Scheidungsbeispiele einiger europäischer Rechtsordnungen,45 lange nicht klar eingrenzbar.46 Nach dem Sahyouni II-Urteil des EuGH47 zum Anwendungsbereich der Rom III-VO48 erfasst diese nur Scheidungen, die „entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden“.49 Daraus ergibt sich „mittelbar“50, dass auch nur solche Scheidungen einer Anerkennung nach Art. 21 Brüssel IIa-VO zugänglich sind.51 Es bestehen jedoch weiterhin Unklarheiten und Rei-
41 So etwa eingehend Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (439 ff.); ders., in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (348 f.); im EU-rechtlichen Kontext Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (754 ff.). 42 Siehe klarstellend § 97 I 2 FamFG; zu §§ 107 ff. und den durch § 97 I 2 FamFG „in Erinnerung gerufene[n] ,Vorrang‘“ Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 4 ff., 9, näher § 97 FamFG Rn. 1 ff., 10 f.; siehe noch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 86 f.; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 1, 3; siehe allg. und näher zum sog. Anwendungsvorrang des EU-Rechts nur Calliess/Ruffert/Ruffert, Art. 1 AEUV Rn. 16 ff. m. w. N. 43 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, Abl. EU 2003 L 338, S. 1. 44 Ausgenommen ist Dänemark, vgl. Art. 2 Nr. 3 und ErwG 31 Brüssel IIa-VO. 45 Siehe noch näher zur Untersuchung verschiedener Scheidungsrechte unten unter § 4 C.II.1.b)bb)(4). 46 Siehe zum umstr. Begriffsverständnis an dieser Stelle zeitlich vor der sogleich zitierten EuGH-Entscheidung etwa NK-BGB3/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 f. m. w. N.; Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (347) m. w. N. 47 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988 = IPRax 2018, 261; näher zum Urteil etwa BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 1 Rn. 37 ff.; Antomo, NJW 2018, 435 ff. 48 Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, Abl. EU 2010 L 343, S. 10. 49 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 39, 48. = IPRax 2018, 261 (263). 50 So BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (121, Rn. 28). 51 Siehe zu dieser Verknüpfung der Sahyouni II-Entscheidung mit der Anwendbarkeit der Brüssel IIa-VO BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 31); siehe noch Hepting/Dutta, Familie, Rn. III-501 („indirekt“); Antomo, NZFam 2018, 243 (248)
28
§ 1 Einleitung
bungspunkte. Gerade aufgrund der zitierten Passage des EuGH-Urteils („unter deren Kontrolle“) und den unterschiedlich ausgestalteten Scheidungsregeln in den EUMitgliedstaaten bleibt durchaus umstritten, welche Scheidungen noch hierunter subsumiert werden können.52 Erst vor Kurzem hat der BGH dem EuGH daher eine entsprechende Frage vorgelegt.53 Für Scheidungen aus EU-Mitgliedstaaten, die nicht mehr unter die Brüssel IIaVO fallen, greifen allerdings auch nicht die (Kollisions-)Regeln der Rom III-VO, da auch deren Anwendungsbereich nach dem genannten Sahyouni II-Urteil ja gerade auf Scheidungen, die „von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden“,54 begrenzt ist.55 Vielmehr ist insofern auf das autonome Recht zurückzugreifen.56 Dort steht nun zunächst Art. 17 II EGBGB zur Verfügung, der für Scheidungen, die nicht dieser Verordnung unterliegen, eine modifizierte Anwendung der Kollisionsregeln der Rom III-VO vorsieht.57 In einzelnen Fällen könnte es aber fraglich sein, ob eine Scheidung, die nicht unter die EuGH-Formel und damit weder unter die Brüssel IIa-VO noch unter die Rom III-VO fällt, unter gewissen Voraussetzungen nicht dennoch dem autonomen Anerkennungsregime für „Entscheidungen“ (§ 109 FamFG) zu unterstellen sein sollte.58 Oder es könnte sich ganz allgemein für drittstaatliche Scheidungen auch die umgekehrte, grundsätzlichere Frage stellen, ob die autonome Anerkennungsregel mit ihrem Entscheidungsbegriff in § 109 I FamFG
(„übertragbar“); zurückhaltender zur Aussage des EuGH zum Entscheidungsbegriff der Brüssel IIa-VO Dutta, FamRZ 2020, 1217 (1218) („nur sehr mittelbar“). 52 Siehe etwa NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 93; Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20, § 3 Rn. 63, 122; Hepting/Dutta, Familie, Rn. III-502; Antomo, StAZ 2020, 33 (42); dies., StAZ 2019, 33 (35); Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (240); Dutta, FF 2018, 60 (63); ders., FamRZ 2020, 1217 (1218); Sonnentag, in: Familien- und Erbrecht, S. 61 (69 f.); noch Hammje, Rev. crit. DIP 2018, 899 (910) („critère flou“). 53 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119: „Handelt es sich bei einer Eheauflösung auf Grundlage von […] um eine Entscheidung im Sinne der Brüssel IIaVerordnung?“. 54 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 39, 48 f. = IPRax 2018, 261 (263). 55 Hierzu etwa NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 75, 87, 89; noch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 120, 122, 147, 157. Vor der EuGH-Entscheidung wurde von der h. L. eine (zumindest analoge) Anwendung der Rom III-VO befürwortet; siehe etwa (m. w. N. zum Streitstand) Althammer/Arnold, Art. 1 Rn. 7 Rom III-VO; Rauscher/Helms, Art. 1 Rom III-VO Rn. 20 ff.; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 77 (2013), 786 (804); aus der ausländischen Lit. Hammje, Rev. crit. DIP 100 (2011), 291 (299 f.); a. A. schon damals Gruber, IPRax 2012, 381 (383); Schurig, in: FS v. Hoffmann 2011, S. 405 (411 f.). 56 Siehe auch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 92; noch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 147, 157; Antomo, StAZ 2019, 33 (34). 57 Näher zu dieser Regelung etwa Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 157 ff.; Antomo, StAZ 2019, 33 (39 ff.). 58 Siehe – befürwortend („sollte“) – BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 34.
B. Behandlung von Entscheidungen u. Rechtsgeschäften auf „Anerkennungsebene“ 29
nicht ebenfalls entsprechend der EuGH-Formel („Kontrolle“) verstanden werden sollte.59 Für Scheidungen, die ab dem 1. 8. 2022 durchgeführt werden, wird schließlich die Brüssel IIb-VO60 greifen (siehe Art. 100 Brüssel IIb-VO). Diese ordnet wiederum die Anerkennung für Scheidungen aus den (teilnehmenden) EU-Mitgliedstaaten61 an, die als „Entscheidung“ anzusehen sind (siehe Artt. 30 I, 2 I Brüssel IIb-VO). Sie enthält sogar – und das ist eine bedeutende Neuerung62 – Anerkennungsregeln für Scheidungen, die im Wege einer öffentlichen Urkunde oder eingetragenen Vereinbarung erfolgen (siehe Artt. 64 ff., 2 II Nr. 2, 3 Brüssel IIb-VO). In absehbarer Zeit wird für Scheidungen aus den betroffenen EU-Mitgliedstaaten somit nur noch eine Anerkennung nach der Brüssel IIb-VO erfolgen.63 Der Entscheidungsbegriff dieser Verordnung ist insofern aber nicht ganz eindeutig, als die Definition des Art. 2 I Brüssel IIb-VO enger gefasst ist als der Begriff, den der 14. Erwägungsgrund der Brüssel IIb-VO präzisiert.64 Auch wenn es also über die Brüssel IIb-VO in jedem Fall zu einer Anerkennung kommen kann, kann es – gerade in der Praxis für die Frage der Anerkennungsbescheinigungen (Artt. 31, 36 oder Art. 66 Brüssel IIb-VO?)65 – durchaus weiterhin zu Abgrenzungsproblemen der beiden Anerkennungsregime innerhalb der Verordnung kommen (Artt. 30 ff. oder 64 ff. Brüssel IIb-VO?).66 An dieser Stelle lässt sich folglich festhalten, dass die Abgrenzung der „Anerkennungsmethoden“ und jeweilige Einordnung der Scheidungen unter eine der Methoden eine bedeutende, „weichenstellende“ Funktion hat67 und dass die Handhabung der Abgrenzung angesichts der unterschiedlichen Scheidungsarten in den einzelnen Rechtsordnungen Probleme aufwirft.
59 So Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 165; am Beispiel der Scheidung nach jüdischem Recht Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746). 60 Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung), Abl. EU 2019 L 178, S. 1. 61 Wiederum ausgenommen ist Dänemark; siehe ErwG 96 Brüssel IIb-VO. 62 Siehe etwa Antomo, StAZ 2020, 33 (42); Gruber/Möller, IPRax 2020, 393 („Systemwechsel“). 63 Siehe Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 147; Antomo, StAZ 2020, 33 (42 f.). Nicht anerkennungsfähig sind allein „reine“ Privatscheidungen, siehe ErwG 14 S. 4 Brüssel IIb-VO, die die Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten jedoch nicht kennen; hierzu Antomo, StAZ 2020, 33 (43). 64 Hierzu näher etwa Antomo, StAZ 2020, 33 (43); Gruber/Möller, IPRax 2020, 393 (401 f.). 65 Dies hervorhebend auch Antomo, StAZ 2020, 33 (43). 66 Näher etwa Antomo, StAZ 2020, 33 (43); Gruber/Möller, IPRax 2020, 393 (401 f.); siehe noch Dutta, FamRZ 2020, 1428 f. 67 Anschaulich – im adoptionsrechtlichen Kontext – auch Hepting, StAZ 1986, 305 (306) („Unterscheidung stellt die Weiche für den weiteren Gang der Prüfung“).
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§ 1 Einleitung
C. Einordnungsfragen auf kollisionsrechtlicher Ebene Einordnungsfragen stellen sich mit Blick auf die Mitwirkung öffentlicher Stellen bei der Durchführung der Scheidung nicht nur im zuvor beschriebenen Schritt der Wahl der richtigen „Anerkennungsmethode“ (verfahrensrechtliche Anerkennung oder Kollisionsrecht?). Auch in einem weiteren Schritt, wenn eine verfahrensrechtliche Anerkennung abzulehnen ist und die Wirksamkeit einer im Ausland durchgeführten Scheidung auf der Ebene des internationalen Privatrechts, d. h. kollisionsrechtlich zu überprüfen ist, kann es ebenfalls zu Einordnungsproblemen kommen. Das jetzige unionsrechtliche Kollisionsrecht für internationale Scheidungen, die Rom III-VO, ist nach der zuvor erwähnten Rechtsprechung des EuGH auf Scheidungen, die nicht „von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden“ gerade nicht anwendbar.68 Daher kommt es insoweit auf das deutsche, autonome internationale Privatrecht an, und zwar sowohl für drittstaatliche69 als auch für Scheidungen aus an die EU-Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten.70 Die Rom III-VO kann bei Letzteren selbst bei großzügigerer Auslegung der EuGH-Rechtsprechung nicht zum Zuge kommen: Selbst wenn man eine Scheidung als eine noch von der EuGH-Formel erfasste Scheidung „unter [behördlicher] Kontrolle“71 einstuft, wäre dann bei einer Scheidung aus einem (teilnehmenden) EUMitgliedstaat72, wie zuvor gesehen, eine Anerkennung nach der Brüssel IIa-VO vorzunehmen und es käme mithin nicht zur Anwendung der Rom III-VO.73 Entsprechendes wird auch in naher Zukunft für Scheidungen aus (teilnehmenden) EUMitgliedstaaten74 gelten, deren Anerkennung in Frage steht. Diese werden nämlich, wie ebenfalls zuvor gesehen, allesamt der Brüssel IIb-VO unterfallen,75 sodass die Kollisionsregeln der Rom III-VO insoweit wiederum keine Rolle spielen werden. Bei Scheidungen, die in einem Drittstaat erfolgt sind, scheitert eine direkte Anwendung der (an sich universell greifenden76) Kollisionsregeln der Rom III-VO von 68 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 48 f. = IPRax 2018, 261 (263). 69 Siehe auch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 76, 82, 84 f.; noch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 120, 157. 70 Siehe zu Letzterem wiederum auch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 92; noch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 147, 157. 71 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 39, 48 = IPRax 2018, 261 (263). 72 D. h. abermals ausgenommen Dänemark; siehe Art. 2 Nr. 3 und ErwG 31 Brüssel IIa-VO. 73 Siehe auch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 63, 165; noch Antomo, StAZ 2020, 33 (42). 74 D. h. wiederum mit Ausnahme Dänemarks; siehe ErwG 96 Brüssel IIb-VO. 75 Siehe wiederum Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 147; Antomo, StAZ 2020, 33 (42 f.). 76 Siehe Art. 4 Rom III-VO (sog. loi uniforme); hierzu nur MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 4 Rom III-VO Rn. 1 i. V. m. Vor Art. 1 Rom III-VO Rn. 7.
C. Einordnungsfragen auf kollisionsrechtlicher Ebene
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vornherein ebenfalls auch dann, wenn man die EuGH-Formel der „unter [behördlicher] Kontrolle ausgesprochen[en]“77 Scheidung großzügig verstehen möchte. Mit Blick auf das Sahyouni II-Urteil bzw. Formulierungen, die auf den Sahyouni I-Beschluss zurückgehen,78 ist der Anwendungsbereich der Rom III-VO nach verbreiteter Ansicht zu Recht dahingehend zu verstehen, dass die Rom III-Verordnung selbst nur das in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren anwendbare Scheidungsrecht bestimmt, nicht hingegen die „Anerkennungs-“Frage einer schon durchgeführten Scheidung regelt.79 Da das autonome internationale Privatrecht somit eine wichtige Rolle spielt, stellt sich die Frage nach dem dortigen genaueren Umgang mit Privatscheidungen. Auf der Ebene des autonomen Kollisionsrechts stehen sich prinzipiell mehrere, potenziell anwendbare Rechtsordnungen gegenüber, die in Betracht kommen, um die Wirksamkeit des „Durchführungsprozedere“ einer im Ausland vorgenommenen Privatscheidung zu beurteilen. Grundsätzlich denkbar wäre mit Blick auf die Mitwirkung von Gerichten, Behörden oder Notaren die Überprüfung anhand des Rechts des jeweiligen Gerichts- bzw. Behördenstaates, in welchem die Scheidung vorgenommen worden ist (lex fori80). In Betracht käme aber ebenso die Anwendung des Rechts, das auf die Scheidung nach Art. 17 II EGBGB i. V. m. den Regeln der Rom III-VO materiell anwendbar ist (lex causae81 bzw. Scheidungsstatut82). Denkbar wäre
77 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 39, 48 = IPRax 2018, 261 (263). 78 EuGH, Beschl. v. 12. 5. 2016 – Rs. C-281/15 (Sahyouni I), ECLI:EU:C:2016:343, Rn. 18 f. = IPRax 2017, 90 (91); vgl. EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 26 f. = IPRax 2018, 261 (262). 79 Mit Blick auf die EuGH-Rspr. NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 76; siehe noch Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (744); Mayer, FamRZ 2018, 171; vor der Sahyouni IIRspr. schon und sich insbesondere auf die Sahyouni I-Entscheidung stützend MüKo-BGB7/ W. v. Mohrenfels, Art. 1 Rom III-VO Rn. 13; ausführlich vor beiden Sahyouni-Entscheidungen bereits Gärtner, Privatscheidung, S. 358 ff.; dies nur als eine mögliche Interpretation der Sahyouni I-Entscheidung deutend hingegen BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 1 Rn. 37.1; näher und in die gegenteilige Richtung tendierend dies., StAZ 2016, 232 (234); den Aussagen der Sahyouni II-Entscheidung vorsichtig eine gegenteilige Richtung entnehmend Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (241); die EuGH-Rspr. kritisierend und für ein anderes Verständnis der Rom III-VO Sonnentag, in: Familien- und Erbrecht, S. 61 (65) (Bedarf an Kollisionsregeln für die „Frage, welches Recht auf eine Scheidung anwendbar ist oder ob die Ehegatten geschieden sind“); siehe näher und allg. zum umstr. Verständnis der Sahyouni I-Rspr. etwa Pika/Weller, IPRax 2017, 65 (67 f.). 80 Zum Begriff der lex fori Basedow/Rühl/Ferrari/Requejo Isidro, Encyclopedia, „Lex fori“ I., S. 1104 ff. („law of the jurisdiction or authority seized“); Kropholler, IPR, § 7 vor I, S. 42 (eigenes Recht der „mit einem internationalen Sachverhalt befaßten Stelle, auch wenn statt eines Gerichts im Einzelfall eine sonstige Behörde oder Amtsperson (z. B. ein Notar)“); siehe noch den etwas engeren Begriff (Recht des Gerichtsstaates) etwa bei v. Bar/Mankowski, IPR I, § 1 Rn. 21. 81 Siehe zum Begriff etwa Kropholler, IPR, § 15 II 3, S. 118; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 1 Rn. 21.
32
§ 1 Einleitung
schließlich – mit Blick auf Privatscheidungen als Rechtsgeschäfte83 – noch die (alternative) Anwendung des Rechts des Vornahmeorts (siehe Art. 11 I Var. 2 EGBGB), die sog. lex loci actus84. In concreto können diese Fragen folgendermaßen relevant werden: Es sind insbesondere Fälle denkbar, in denen im Ausland eine Privatscheidung vorgenommen wurde, obwohl das materiell anwendbare Scheidungsrecht, das Scheidungsstatut, einen hoheitlichen Gestaltungsakt, insbesondere eine gerichtliche Scheidung vorsieht. Von besonderer Relevanz ist dies gerade mit Blick auf das deutsche Scheidungsrecht. Als Beispiel wäre eine – auf den ersten Blick als vertraglich anzusehende85 – einvernehmliche, registrierte Scheidung in Thailand zu nennen, die von Eheleuten durchgeführt wird, die materiell dem deutschen Scheidungsrecht unterliegen und anschließend die Gültigkeit der Scheidung in Deutschland geltend machen.86 Sollte sich die Frage, ob eine gerichtliche Scheidung erforderlich ist, nach dem Scheidungsstatut richten, müsste die Wirksamkeit der Scheidung in diesem Beispiel an § 1564 S. 1 BGB scheitern.87 Stellte man hingegen auf das Recht des Staates der Registerbehörde als lex fori bzw. des Vornahmeorts als lex loci actus ab (Thailand), dürfte die vertragliche Scheidung in Thailand – die Einhaltung der deutschen materiellen Scheidungsvoraussetzungen unterstellt – als wirksam betrachtet werden. Darüber hinaus können sich Einordnungsfragen in „Drei-Staaten-Konstellationen“ stellen, d. h. wenn die Gültigkeit einer ausländischen Privatscheidung aus einem Drittstaat in Deutschland zur Debatte steht, aus deutscher Sicht aber ein anderes ausländisches Scheidungsrecht anwendbar ist. So kann vor allem die Einordnung kontrollierender Mitwirkungsakte an einer Privatscheidung in Frage stehen, selbst wenn nicht nur die Rechtsordnung des Drittstaates A, in dem die Privatscheidung durchgeführt wurde, sondern auch das aus deutscher Sicht anwendbare Scheidungsrecht des Staates B eine Privatscheidung vorsehen. Die Wirksamkeit einer ausländischen Privatscheidung wäre aus deutscher Sicht etwa fraglich, wenn sie in 82 Zum Begriff des Statuts näher etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 57; Kropholler, IPR, § 2 III 1, S. 14. 83 Siehe anschaulich wiederum etwa Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, 430 (431 f.); LJV BW, Entsch. v. 23. 5. 1986 – 346 E – 325/85, IPRax 1988, 170 (171); noch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 119; Basedow, Anerkennung, S. 8, 14; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14). 84 Siehe zum Begriff etwa v. Bar/Mankowski, IPR I, § 1 Rn. 21; vgl. MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 58. 85 Siehe hier wiederum nur Fuhrmann, IPRax 1983, 137; noch MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Anh. Art. 17a EGBGB Rn. 113; zur genauen Einordnung unten unter § 4 C.II.1.b) bb)(4)(i). 86 Vgl. den Fall (zur alten Rechtslage nach Art. 17 EGBGB a. F. bzw. § 328 ZPO) bei BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267. 87 Vgl. wiederum (zur alten Rechtslage nach Art. 17 EGBGB a. F. bzw. § 328 ZPO) BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (276 f.).
C. Einordnungsfragen auf kollisionsrechtlicher Ebene
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Thailand nach dortigem Recht durchgeführt und daher nur registriert wurde, nach dem aus deutscher Sicht anwendbaren Scheidungsrecht (lex causae) eines anderen Staates allerdings eine kontrollierende behördliche Mitwirkung, insbesondere eine Genehmigung der Privatscheidung vorgesehen ist.88 Derartige Fallkonstellationen könnten in Anbetracht der Scheidungsreformen in den EU-Mitgliedstaaten in Zukunft an Bedeutung gewinnen.89 Zuletzt kann sich noch die Frage stellen, ob eine Privatscheidung aus einem Drittstaat X wirksam ist, wenn aus deutscher Sicht das Scheidungsrecht des Staates Yanwendbar ist und dieser Staat Y nur eine gerichtliche Scheidung kennt, aber die ausländische Privatscheidung aus dem Staat X selbst nicht (kollisionsrechtlich) nachprüfen, sondern schlicht anerkennen würde.90
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Siehe den Beispielsfall bei MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 15a. Siehe MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 15a. Siehe den geschilderten Problemfall bei Krömer, StAZ 2020, 117.
§ 2 (Methodische) Einordnung des Untersuchungsgegenstands und Gang der Arbeit A. Die Problemkreise unter methodischem, internationalem Blickwinkel I. Anfängliche Fragestellungen Es stellt sich nun die Frage, unter welchem methodischen Gesichtspunkt an die einleitend genannten Problemkreise aus Sicht des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts heranzutreten ist. Den Schwerpunkt bilden dabei die beiden nachfolgenden Fragen: Welche Arten von einvernehmlichen Scheidungen sind dem Entscheidungsbegriff der verfahrensrechtlichen Anerkennung (§ 109 FamFG) zu unterwerfen und daher anerkennungsfähig? Nach welcher Rechtsordnung richtet sich auf kollisionsrechtlicher Ebene die Frage, ob ein hoheitlicher, insbesondere gerichtlicher Scheidungsakt wie im deutschen Recht erforderlich ist oder ob ein vertraglicher Privatakt (mit behördlicher Mitwirkung) genügt? Darüber hinaus stellen sich noch zwei weitere Fragen: Nach welcher Rechtsordnung richten sich auf kollisionsrechtlicher Ebene, wenn es um die Wirksamkeitsbeurteilung einer ausländischen einvernehmlichen Privatscheidung geht, gewisse kontrollierende „Mitwirkungsmodalitäten“? Sind auch die Regeln der aus deutscher Sicht anwendbaren ausländischen Rechtsordnung zur Anerkennung einer (Privat-)Scheidung zu berücksichtigen, wenn die Privatscheidung in einem anderen Staat erfolgte? Es geht folglich jeweils um Einordnungsfragen (insbesondere: Welche Scheidungen sind „Entscheidungen“? Welcher Rechtsordnung untersteht das Erfordernis einer hoheitlichen, gerichtlichen Scheidung?). Wenn man einen Blick auf die Methodik des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts wirft, wird man zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich dabei jeweils um Qualifikationsfragen handelt.1
1 Siehe die nachfolgenden Grundlagen sowie insbesondere die Umformulierung als Qualifikationsfragen unter § 2 A.III.
A. Die Problemkreise unter methodischem, internationalem Blickwinkel
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II. Die Qualifikation im internationalen Privatund Zivilverfahrensrecht 1. Herausarbeitung der Qualifikation als Einordnungsproblem im internationalen Privatrecht Die Qualifikation (bzw. ihre Problematik) wurde ursprünglich im internationalen Privatrecht herausgearbeitet.2 Bereits Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass ein unterschiedliches Verständnis von Rechten oder Rechtsverhältnissen sowie unter Umständen sogar ein unterschiedliches Systemverständnis zwischen den Rechtsordnungen zu Differenzen bei der Einordnung im Gefüge des Kollisionsrechts führen kann. Selbst im Falle identischer Kollisionsnormen in den Rechtsordnungen kann es so zur Anwendung unterschiedlicher Kollisionsregeln und zur Anwendung unterschiedlichen Rechts kommen.3 Kahn sprach in diesem Zusammenhang von der „territorial verschiedenen Natur der Rechtsverhältnisse“.4 Erst die Rechtsordnungen gäben den Rechtsverhältnissen ihre Bedeutung. Da die Rechtsverhältnisse Ausgangspunkt aller Kollisionsnormen seien, brächte deren in den Rechtsordnungen unterschiedliche Natur „[l]atente Gesetzeskollisionen“5 hervor.6 Bartin verdeutlichte dies am Beispiel eines Anspruches einer Witwe, der sich auf den Nachlass ihres verstorbenen Mannes richtet. Er nahm hierfür in den möglicherweise beteiligten Rechtsordnungen identische Kollisionsnormen an – unterstellte allerdings, dass der genannte Anspruch in dem Erbrecht des Erbstatuts nicht existiere, aber nach dem Güterrecht des Güterstatuts anerkannt sei. Bei einer solchen Annahme hinge mithin alles von der Einordnung der rechtlichen Natur des Anspruches ab.7 Diese Einordnungsfrage bezeichnete er als Qualifikation („question de qualifications“).8
2
Siehe etwa Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1081; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 1; noch Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (132). 3 Siehe Bartin, JDI 24 (1897), 225 ff.; der Sache nach bereits zuvor Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (107 ff.). Eingehend zur „Entdeckung“ dieser Problematik durch Kahn und Bartin etwa Weber, Qualifikation, S. 3 ff., 14 ff., 38 ff. Siehe zur Qualifikation als Begriff des internationalen Privatrechts etwa Neuhaus, Grundbegriffe, § 13 I, S. 113; noch Kropholler, IPR, § 15 I 1, S. 113 f. 4 Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (107). 5 So bereits die Überschrift bei Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (107). 6 Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (107 ff., 111 ff.). 7 Bartin, JDI 24 (1897), 225 (226 f.). 8 Bartin, JDI 24 (1897), 225 (227) („qualifie“ und „question de qualifications“).
36 § 2 (Methodische) Einordnung des Untersuchungsgegenstands und Gang der Arbeit
2. Qualifikationsgegenstand und -vorgang im heutigen internationalen Privatrecht Gemeinhin ist man sich weitestgehend einig, dass unter Qualifikation die Zuordnung zu einer Kollisionsnorm zu verstehen ist.9 Was Qualifikation im Einzelnen bedeutet, ist allerdings bis heute streitig.10 Für die vorliegende Untersuchung genügt es, die wesentlichen Schritte bei der Herangehensweise an und dem Umgang mit einer Kollisionsnorm darzustellen, um die Grundzüge zu verdeutlichen. Kollisionsnormen charakterisieren sich dadurch, dass sie keine Sachentscheidung treffen, sondern für einen Anknüpfungsgegenstand das – für die rechtliche Beurteilung maßgebliche – anzuwendende Recht bestimmen.11 Bei der Anwendung der Kollisionsnormen tauchen nun mehrere Fragen auf:12 Nach dem Verständnis Kahns sind Ausgangspunkt aller Kollisionsnormen die Rechtsverhältnisse und deren unterschiedliche Natur ist der Kern seines Problems der „,latenten‘ […] Gesetzeskollisionen“.13 Des Weiteren bezog er auch die Natur ausländischer Rechtsregeln in seine Prüfung mit ein.14 Bartin fragte nach der Qualifikation des in Frage stehenden Rechts, des möglichen Anspruches der Witwe aus seinem Beispiel, sowie nach der Qualifikation einer gegen eigenhändige Testamente gerichteten Verbotsnorm einer eventuell anwendbaren Rechtsordnung.15 Darüber hinaus sprach er allgemein von zu bestimmenden Rechtsverhältnissen.16 Noch heute ist der genaue Gegenstand der Qualifikation im Einzelnen fraglich.17 Vergegenwärtigt man sich, dass auch der Prüfung im internationalen Privatrecht zunächst ein Lebenssachverhalt zugrunde liegt, den es anhand des zu ermittelnden anwendbaren Rechts rechtlich zu beurteilen gilt, ist dieser zuallererst ins Auge zu fassen, aber als
9 Vgl. den „einheitlichen Nenner“ bei Nehne, Europäisches IPR, S. 170 f.; siehe etwa Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR, Rn. 1083; Finkelmeier, Qualifikation, S. 1 f., 7 ff.; noch BGH, Urt. v. 21. 9. 1995 – VII ZR 248/94, NJW 1996, 54; Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (132). 10 Vgl. auch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1081 f., 1085 ff.; Finkelmeier, Qualifikation, S. 16 ff., 24 ff.; Nehne, Europäisches IPR, S. 172 ff.; Weber, Qualifikation, S. 203 ff., 215; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 1; Dörner, StAZ 1988, 345. 11 Siehe etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 109; näher zur Struktur Finkelmeier, Qualifikation, S. 19 ff.; Dörner, StAZ 1988, 345 (346 f.); siehe noch Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (132); schon Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (252 f.). 12 Vgl. Weber, Qualifikation, S. 224 („Qualifikation als Prozeß, bestehend aus einer Mehrzahl spezifischer Operationen“), S. 227 („Mehrzahl an Gedankenoperationen“); noch Dörner, StAZ 1988, 345 (347 f.). 13 Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (107 ff., 111 ff.). 14 Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (130 f.). 15 Bartin, JDI 24 (1897), 225 (226 f., 229). 16 Bartin, JDI 24 (1897), 225 (235) („rapport de droit“). 17 Siehe für einen Überblick m. w. N. nur MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 115.
A. Die Problemkreise unter methodischem, internationalem Blickwinkel
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solcher für die Qualifikation noch sehr grobmaschig.18 Für eine griffige Zuordnung zu einer Kollisionsnorm ist es daher erforderlich, anhand des Lebenssachverhalts eine Rechtsfrage herauszuarbeiten,19 wobei es auch denkbar ist, dass dabei ein abstraktes Rechtsinstitut in Frage steht.20 An einer etwaigen Rechtsnorm oder einem Rechtsverhältnis anzusetzen, erscheint als Ausgangspunkt zu vorgreiflich.21 Es lässt sich aber mit dem zuvor Gesagten vereinbaren, sich auf eine Norm zu fokussieren, wenn man die in Betracht kommende Rechtsnorm im Sinne einer entsprechend aufgeworfenen Rechtsfrage versteht.22 Die sodann durchzuführende Zuordnung zur passenden Kollisionsnorm bedeutet, zu subsumieren, die Qualifikation wird weit verbreitet auch schlicht als Subsumtion unter den Anknüpfungsgegenstand der Kollisionsnorm bezeichnet.23 Hierfür bedarf 18 MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 115; Finkelmeier, Qualifikation, S. 28; ähnlich Weber, Qualifikation, S. 230; noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1085; Neuhaus, Grundbegriffe, § 14 I 2, S. 118 f.; ebenso Kropholler, IPR, § 15 II 2, S. 117 f.; v. Bar/ Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 179; Dörner, StAZ 1988, 345 (349); schon Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (108 f.); auf den „Sachverhalt[…]“ abstellend aber v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 1. 19 Eingehend Weber, Qualifikation, S. 227 ff.; siehe MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 116; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1085; Finkelmeier, Qualifikation, S. 26, 28 f.; Neuhaus, Grundbegriffe, § 14 I 4, S. 119 f.; ebenso Kropholler, IPR, § 15 II 3, S. 118; noch Dörner, StAZ 1988, 345 (349). 20 Bei gebündelten Fragen auf ein Rechtsinstitut abstellend MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 116; siehe noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1085. 21 Finkelmeier, Qualifikation, S. 27 f. („Zirkelschluss“, S. 28); schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 14 I 1, S. 118, § 14 I 3, S. 119; ebenso Kropholler, IPR, § 15 II 1, S. 117, § 15 II 4, S. 119; mit Blick auf „Sachnorm[en]“ MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 115; noch Dörner, StAZ 1988, 345 (349); mit Blick auf Rechtsverhältnisse v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 179; ähnlich bereits Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (243 f.); abw. aber auf den „fremde[n] Rechtssatz“ bzw. die „fremde Sachnorm“ abstellend schon Raape/Sturm, IPR I, § 15 I, S. 276, § 15 II 5, S. 279; noch Staudinger/F. Sturm/G. Sturm (2012), Einl. zum IPR Rn. 241. 22 Vgl. v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 180 („dem Sachproblem korrespondiert die Norm“); noch MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 116 (unter Hinweis auf die „[i]n der Praxis […] im Vordergrund [stehende] Bedeutung“ lediglich ein „dogmatisch zwar nicht ganz stimmig[es], aber üblich[es] und auch unschädliche[s]“ Vorgehen attestierend); siehe hierzu etwa die Qualifikation des § 1371 I BGB nach BGH, Beschl. v. 13. 5. 2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289 (294 ff., Rn. 20 ff.); vgl. zur Konzentration auf Sachnormen „im Einzelfall“ und zum Formulieren sich daraus ergebender Rechtsfragen Neuhaus, Grundbegriffe, § 14 II, S. 121; für solche Fälle stärker die Norm und ihren „Sinn und Zweck“ in den Fokus stellend Kropholler, IPR, § 15 II 4 a), S. 119, vgl. noch § 15 II 3, S. 118 f. (zugestehend, dass die Rechtsfrage „Spiegelbild dieser Normen“ ist und sich „[n]icht selten […] erst aus den Sachnormen“ ergibt); den Bogen von „Rechtsfragen“ ausgehend spannend und sogar „letztlich konkrete Rechtssätze“ als Gegenstand ansehend Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (132). 23 Siehe etwa BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 54; noch Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (132); so zur „Qualifikation ersten Grades oder primäre[n] Qualifikation“ etwas offener, als „Subsumtion unter eine Kollisionsnorm“ bezeichnend noch Neuhaus, Grundbegriffe, § 13 I, S. 113; ebenso Kropholler, IPR, § 15 I 1, S. 114; vgl. noch Dörner, StAZ 1988, 345 (349); siehe noch – wobei dabei auf den „Sachverhalt[…]“ abstellend – v. Hoffmann/ Thorn, IPR, § 6 Rn. 1; („genau genommen“) abw. Nehne, Europäisches IPR, S. 183 („Vorbereitung des zu beurteilenden Sachverhalts auf die Subsumtion“).
38 § 2 (Methodische) Einordnung des Untersuchungsgegenstands und Gang der Arbeit
es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Anwendungsbereiches der in Betracht kommenden Kollisionsnormen.24 Dies erfordert eine Auslegung des Anknüpfungsgegenstands auf der Tatbestandsseite der Kollisionsnorm, sodass die Auslegung als mit der Qualifikation notwendigerweise verbunden anzusehen ist.25 Der Qualifikationsvorgang endet jedoch nicht an dieser Stelle. Sind Kollisionsnorm und danach anwendbares Recht ermittelt, kann sich insbesondere bei divergierenden Begriffen und Systemen im verwiesenen Recht mit der Frage nach der Reichweite der Verweisung eine vergleichbare Qualifikationsfrage stellen, bei der es mithin um die Rechtsfolgenseite der Kollisionsnorm geht.26 Hierbei spielen nun auch Rechtsnormen im verwiesenen Recht eine zentrale Rolle, nämlich bei der Frage, wie die zugehörigen Normen beschaffen sind, um zu ermitteln, ob sie von der Verweisung der Kollisionsnorm erfasst werden.27 Zu erwähnen bleibt, dass teilweise nur dies als „Qualifikation im eigentlichen Sinne“ angesehen wird.28 Zusammenfassend ist aufgrund der Verwobenheit der dargestellten Schritte und Techniken daher festzuhalten, dass der Qualifikationsvorgang als ein aus mehreren Schritten bestehender Vorgang anzusehen ist, bei denen jeweils unterschiedliche Gegenstände und Techniken im Mittelpunkt stehen können.29 Kern des Vorgangs ist 24 Siehe v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 138; ähnlich Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, S. 355 („Geltungsbereich“); noch Neuhaus, Grundbegriffe, § 13 I, S. 114 („Abgrenzung“); ebenso Kropholler, IPR, § 15 I 2, S. 114. 25 Vgl. MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 113 („erster Schritt des Qualifikationsprozesses“); Finkelmeier, Qualifikation, S. 17 f.; schon Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (253, 263); die Qualifikation sogar als „Auslegungsproblem […] spezieller Art“ bzw. „der Sache nach“ bezeichnend Kegel/Schurig, IPR, § 7 III 1, S. 336, § 7 IV, S. 355; ähnlich v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 138; Mansel, in: FS Canaris, S. 739 (750 f.); siehe noch Palandt/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 27; trennend, aber wegen der „Wechselbeziehung“ von Auslegung und Qualifikation i. E. gegen eine strikte Abgrenzung Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1083; trotz begrifflicher Trennung ähnlich schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 13 I, S. 114 („korrelative Begriffe“); ebenso Kropholler, IPR, § 15 I 3, S. 114 f.; noch Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (132) („Hand in Hand“). Teilweise wird sich aber für eine strikte Abgrenzung von Auslegungs- und Qualifikationsfragen ausgesprochen; siehe Staudinger/F. Sturm/G. Sturm (2012), Einl. zum IPR Rn. 241 f.; Nehne, Europäisches IPR, S. 171, 183. 26 Näher Finkelmeier, Qualifikation, S. 22 ff.; als „,Qualifikation‘ (im weiteren Sinne) oder sekundäre[…] Qualifikation“ ansehend v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 138; siehe noch Dörner, StAZ 1988, 345 (349 f. i. V. m. 347). 27 MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 145; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1086; Neuhaus, Grundbegriffe, § 44 I, S. 335 f.; ebenso Kropholler, IPR, § 17 II, S. 129 f.; eingehend Finkelmeier, Qualifikation, S. 22 ff., 26 f., 29; siehe noch Dörner, StAZ 1988, 345 (349 f.). 28 Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 5, S. 280 (und auch den „fremde[n] Rechtssatz“ als Qualifikationsgegenstand ansehend, § 15 I, S. 276, § 15 II 5, S. 279 f.); noch Staudinger/F. Sturm/ G. Sturm (2012), Einl. zum IPR Rn. 243 (und ebenfalls die „fremde Sachnorm“ als Qualifikationsgegenstand betrachtend, Rn. 241). 29 Siehe näher wiederum Finkelmeier, Qualifikation, S. 17 f., 24 ff., 28 ff.; noch Staudinger/ Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1082 f., 1085 ff. (von einem „Prozess wechselseitiger Zu-
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nach dem Gesagten zum einen die Zuordnung einer Rechtsfrage zu einer Kollisionsnorm, zum anderen die Bestimmung und Einordnung der erfassten Sachnormen.30 Bei einer Gesamtverweisung stellt sich möglicherweise noch die Frage einer Rück- oder Weiterverweisung im Falle divergierender Qualifikation in der anderen Rechtsordnung.31 Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass die verschiedenen Standpunkte zum Qualifikationsbegriff einander nicht zwangsläufig entgegenstehen.32 Selbst wenn man dabei nicht insgesamt von einer Qualifikation sprechen sollte, sondern nur eine spezifische Etappe als Qualifikation bezeichnete, änderte dies nichts daran, dass im Umgang mit den Kollisionsnormen entsprechend dem Vorstehenden vorzugehen ist.33 3. Qualifikationsfragen mit Blick auf das internationale Zivilverfahrensrecht a) Abgrenzung der (verfahrensrechtlichen) lex fori-Verweisungsregel vom (materiellen) internationalen Privatrecht Die vorstehenden Ausführungen haben aufgezeigt, dass die Qualifikation klassischerweise in engem Zusammenhang mit den Kollisionsnormen steht und im internationalen Privatrecht angesiedelt ist.34 Vergleichbare Zuordnungsprobleme tauchen aber ebenfalls im internationalen Zivilverfahrensrecht auf, wobei der Blick an dieser Stelle auf das gerichtliche Verfahren als solches gerichtet ist. ordnung und Annäherung“ und zwar im Kern nur von Subsumtion, aber „Wechselbeziehung mit der Auslegung“ sprechend, Rn. 1083, sowie von „methodischen Gemeinsamkeiten“, Rn. 1086); Weber, Qualifikation, S. 224, 227 f.; Dörner, StAZ 1988, 345 (347 ff.). 30 Siehe näher wiederum Finkelmeier, Qualifikation, S. 24 ff. („beide Subsumtionsschritte als Teil der Qualifikation“ bzw. als „zwei Teile eines einheitlichen Qualifikationsprozesses“, S. 25) i. V. m. S. 28 ff. („Qualifikationsvorgänge in einem engen Zusammenhang“, S. 31); vgl. Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1085 f.; Dörner, StAZ 1988, 345 (349 f.); vgl. noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 138 (von einer „eigentlichen (oder primären) Qualifikation“ und „,Qualifikation‘ (im weiteren Sinne) oder sekundären Qualifikation“ sprechend). 31 Siehe näher hierzu nur MüKo-BGB/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 81 ff. m. w. N.; v. Bar/ Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 149 ff. 32 Vgl. die Untersuchung von Dörner, StAZ 1988, 345 ff.; noch Finkelmeier, Qualifikation, S. 18 f., 25 f. 33 Vgl. MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 115 („praktische Auswirkung der oftmals nur terminologischen Divergenzen […] nicht überschätzen“); Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1086 (bezüglich des str. Qualifikationsgegenstands von einer „terminologische[n] Frage […] ohne praktische Bedeutung“ sprechend); noch v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 1, Fn. 4; Dörner, StAZ 1988, 345 (348); ähnlich sogar noch Staudinger/F. Sturm/G. Sturm (2012), Einl. zum IPR Rn. 243 (trotz des engen Begriffes der Subsumtion einer „fremde[n] Sachnorm“ als „eigentliche[…] Qualifikation“ dennoch im Ausgangspunkt erwähnend, dass sich „Qualifikation […] in drei Schritten“ vollziehe). 34 Vgl. nur Geimer, IZPR, Rn. 312, mit Hinweis darauf, dass sich die Qualifikation im IZVR an den Methoden des IPR orientiere.
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Berücksichtigt man, dass das materielle Recht einer Rechtsordnung mit dem jeweiligen Verfahrensrecht häufig eng verwoben ist und beide aufeinander abgestimmt sind, könnte man zwar die Überlegung anstellen, nicht grundsätzlich das eigene Verfahrensrecht anzuwenden, sondern weitgehend das Verfahrensrecht der materiell anwendbaren Rechtsordnung zum Zuge kommen zu lassen.35 Vorherrschend ist (heute) jedoch allgemein das lex fori-Prinzip, wonach jedes Gericht grundsätzlich das Verfahrensrecht der eigenen Rechtsordnung anzuwenden hat.36 Die Gerichte selbst sind naturgemäß lediglich mit dem eigenen Verfahrensrecht vertraut und ihr Geschäftsablauf auf dieses ausgerichtet, weshalb eine weitreichende Anwendung ausländischen Verfahrensrechts für das Verfahren selbst Praktikabilitätsprobleme (sowie Rechtsunsicherheiten37) mit sich bringen und ein strukturiertes, reibungsloses und zügiges Verfahren erschweren würde.38 Aus diesem Grund39 ist 35 Vgl. Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (252 ff.), der das Verfahrensrecht der lex fori nur anwenden will, sofern es den Parteien zumutbar ist (254) und ansonsten das Verfahrensrecht der materiell anwendbaren Rechtsordnung gelten lassen will („unauflösliche Einheit“ (255)). 36 Siehe etwa BGH, Urt. v. 27. 6. 1984 – IVb ZR 2/83, NJW 1985, 552 (553); im Zusammenhang mit Gerichtsstandsvereinbarungen schon BGH, Urt. v. 17. 5. 1972 – VIII ZR 76/71, BGHZ 59, 23 (26); MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 429; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 290; Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 322; Kegel/Schurig, IPR, § 22 III, S. 1055; Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.9 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 1.42; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 2 f.; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 75; Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1046); siehe schon Nussbaum, IPR, § 56 I, S. 384; noch Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (257); ausführlich zu diesem Prinzip und seiner allg. Anerkennung etwa Jaeckel, Lex fori, S. 18 ff.; schon Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 14 ff.; Riezler, IZPR, § 11, S. 91 ff. 37 Zum hinter den Praktikabilitätserwägungen stehenden Rechtssicherheitsgedanken im Rahmen des lex fori-Prinzips als Verweisungsregel, wenngleich zurückhaltend, Jaeckel, Lex fori, S. 47 f.; noch Geimer, IZPR, Rn. 323; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 3; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 78. 38 Siehe Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 322, 324; Geimer, IZPR, Rn. 322; Kegel/Schurig, IPR, § 22 III, S. 1055; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 1.42; Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (138 f.); noch MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 429; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 3; ausführlich, wenngleich zurückhaltend noch Jaeckel, Lex fori, S. 47 ff; trotz kritischeren Umgangs mit dem lex fori-Prinzip diesen Zweck hervorhebend noch Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 20 f.; nur u. a. bzw. ergänzend hierauf abstellend Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.10.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 8; ebenfalls die „effiziente[…] Prozeßführung“ nennend, aber „bloße Praktikabilitäts- oder Bequemlichkeitserwägungen“ wegen dann leichterer Durchbrechungsmöglichkeiten krit. bewertend v. Bar/ Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 78. Den vorliegenden Punkt selbst sehend und daher nicht „insgesamt“ fremdes Verfahrensrecht, sondern im genannten Rahmen der Zumutbarkeit das Verfahrensrecht der lex fori anwenden wollend auch Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (253). Siehe noch die Kritik bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 253, die darauf hinweist, dass Grunskys Vorschlag auch nicht zwingend die materiell-rechtliche Verbundenheit einzelner Verfahrensvorschriften berücksichtigt, wenn auf die Zumutbarkeit für die Parteien als Kriterium für die Anwendung der lex fori abgestellt wird; krit. ebenfalls Schack, IZVR, Rn. 50 (zudem das Kriterium der Zumutbarkeit als „dubios“ beurteilend). 39 Ein anderer Begründungsansatz, nämlich vom öffentlich-rechtlichen Charakter des Prozessrechts ausgehend, wurde gerade früher vermehrt vertreten; siehe v. Craushaar, Pro-
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das lex fori-Prinzip als grundsätzliche Verweisungsregel für das Verfahrensrecht (heutzutage) somit berechtigterweise vorherrschend. Folglich ist insbesondere die Zuordnung einer Rechtsfrage oder Norm zum Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts, was sodann regelmäßig über die lex foriRegel zur Anwendung der Rechtsordnung des Forumstaates führt, von entscheidender Bedeutung. Andernfalls kämen nämlich über die Kollisionsregeln des internationalen Privatrechts gegebenenfalls andere Rechtsordnungen zur Anwendung. Somit stellt sich zunächst im Vorfeld der herkömmlichen Qualifikation ein vergleichbares Problem, das sowohl aus der Perspektive des internationalen Zivilverfahrensrecht als auch aus der des internationalen Privatrechts aufgeworfen werden kann: Die Frage der Zuordnung zum internationalen Privatrecht oder zum internationalen Zivilverfahrensrecht.40 Letztendlich richtet sich auch die Kritik derjenigen, die das lex fori-Prinzip kritischer untersuchen,41 „zu zaghaft[e]“ Korrekturen dieses Prinzips durch die herrschende Ansicht bemängeln42 oder dieses gar als „verfehlt“ bezeichnen,43 bei genauerer Betrachtung im Ergebnis nicht gegen dieses Prinzip, sondern gegen die in internationalen Fällen gezogene Trennlinie zwischen lex fori und lex causae.44 Ob man, vorzugszeßnormen, S. 21 ff.; so schon Riezler, IZPR, § 11 5, S. 94; ähnliche Argumente beim lex foriPrinzip anführend noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 75, 77 („Kernbereich staatlicher Souveränität“ bzw. „als öffentlichrechtlich einseitig anzuknüpfen“) – aber die Rechtfertigung dennoch abgrenzend zu einem etwaigen „Grundsatz der Nichtanwendung ausländischen öffentlichen Rechts“, da dieser „allein negativ“, das „lex-fori-Prinzip dagegen […] zuallererst positiv“ wirke, Rn. 78. Der öffentlich-rechtliche Charakter ist als Argument für die lex foriRegel jedoch abzulehnen; siehe Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 324 i. V. m. Rn. 118; Geimer, IZPR, Rn. 321; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 6. 40 Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 328, 32; Geimer, IZPR, Rn. 314, 319, 325; dies sogar als „klassische Qualifikationsfrage“ bezeichnend Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (136, noch 135, 144 f.); siehe schon Schoch, Klagbarkeit, S. 52, 155 („erste oder primäre Qualifikation“); Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1 (17 f.); Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1046); im Zusammenhang mit Zuständigkeitsfragen Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 149; trotz terminologischer „Unschärfe“ auch Herfarth, Scheidung, S. 86 f.; Schack, IZVR, Rn. 52; ähnlich, wenngleich begrifflich kritischer, Jaeckel, Lex fori, S. 74 f., 57 f. (der darauf hinweist, dass erst die Zuordnung zur lex-fori-Regel die eigentliche Qualifikation darstelle, S. 75). 41 Ein striktes lex fori-Prinzip als „unzulässige Vereinfachung“ bezeichnend und nach der engsten Verbindung suchend Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 18 f.; sehr vorsichtig von einem bloßen „Grundsatz“ sprechend Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 737 f. („kein unerschütterliches Dogma“). 42 Geimer, IZPR, Rn. 333. 43 Schack, IZVR, Rn. 49 (sogar von einer „Befreiung vom Dogma der lex fori“ sprechend, Rn. 50), der nach dem „,Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses‘ suchen“ möchte. 44 Vgl. die nähere Auseinandersetzung mit der Qualifikation bei Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 737 f.; auf die Frage der „Abgrenzungsformel“ eingehend Geimer, IZPR, Rn. 333; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 18 f. (letztendlich „weit häufiger“ die lex fori als die „nächstgelegene Rechtsordnung“ zum Zuge kommen lassen wollend und für die „Durchführung des Verfahrens“ als Verweisungsregel gelten lassend, S. 19); zumindest zugestehend, dass
42 § 2 (Methodische) Einordnung des Untersuchungsgegenstands und Gang der Arbeit
würdigerweise, dem lex fori-Prinzip als Verweisungsregel für verfahrensrechtliche Fragen folgt und sich zuvor bei der Ziehung der Trennlinie, der Qualifikation als verfahrensrechtlich, die einschränkende Frage stellt, ob nicht doch eine materiellrechtliche Qualifikation zu erfolgen habe, oder ob man weiterhin von Verfahrensrecht spricht und sodann jedoch erwägt, die Anwendung der lex fori auf gewisse Verfahrensfragen einzuschränken, macht jedenfalls im Ergebnis keinen Unterschied.45 Anzumerken bleibt noch, dass als Begründung für das lex fori-Prinzip teilweise neben der Praktikabilität zusätzlich auf das sog. „Neutralitätsargument“ (die Nichtbeeinflussung des Ergebnisses in der Sache durch Beachtung einer bestimmten Verfahrensordnung) und damit auf den „internationale[n] Entscheidungseinklang“ abgestellt wird.46 Eine solche Überlegung greift jedoch schon der Frage vor, was noch zum Verfahrensrecht gezählt werden kann, und betrifft daher die Frage der genauen Trennlinie bzw. Abgrenzung.47 b) Abgrenzung von internationalem Zivilverfahrensrecht und internationalem Privatrecht auf „Anerkennungsebene“ Schließlich stellen sich Abgrenzungsprobleme von internationalem Zivilverfahrensrecht und internationalem Privatrecht nicht nur mit Blick auf das anzuwendende (Verfahrens-)Recht. Auch auf Anerkennungsebene ist zu entscheiden, ob tatsächlich das verfahrensrechtliche Anerkennungsregime greifen kann oder eine sog. Wirksamkeitsprüfung48 anhand der Kollisionsregeln des internationalen Privatrechts durchzuführen ist.49 Den verfahrensrechtlichen Anerkennungsregeln wird nach heutigem Verständnis der Vorrang eingeräumt,50 die Anerkennungsversadie Abgrenzungsfrage sich unabhängig davon stelle, „ob man an dem lex fori-Prinzip festhält oder nicht“ und das IZVR bei Verfahrensfragen „regelmäßig“ zur lex fori führe, Schack, IZVR, Rn. 52. 45 Dies selbst hervorhebend Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 21 f.; vgl. noch Geimer, IZPR, Rn. 325 („Fraglich sind nur die Grenzen und die rechtstechnische Begründung.“). 46 Siehe Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.10.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 7 f.; ähnlich argumentierend („sachrechtsbezogen“) und dabei, wie gesehen, sogar zu dem Schluss kommend, dass das lex fori-Prinzip „verfehlt“ sei, Schack, IZVR, Rn. 49. 47 Letztendlich auch selbst bei der Qualifikation auf die „Entscheidungsneutralität“ zurückgreifend Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.20; i. E. ebenso v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 9 („Einfluss auf die Sachentscheidung“); vgl. zudem die weiter unten unter § 5 B.II.1.b)bb) dargestellten, autonomen Qualifikationsmethoden, die sich teilweise ebenfalls auf solche Kriterien stützen. 48 Siehe wiederum zu diesem Begriff bereits Hepting, StAZ 1986, 305 (306) („Anerkennung“ und „Wirksamkeitsprüfung“ einer ausländischen Adoption unterscheidend). 49 Einleitend oben unter § 1 B. 50 Siehe etwa BGH, Urt. v. 22. 9. 1982 – IVb ZR 304/81, BGHZ 85, 16 (26); Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.10; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 139; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1622) (zugleich näher zur genannten BGH-Entscheidung); ebenso ders., FamRZ 2006, 744 (746 f.).
A. Die Problemkreise unter methodischem, internationalem Blickwinkel
43
gungsgründe verlangen keine kollisionsrechtliche Nachprüfung.51 Die Zuordnung zum jeweiligen „Anerkennungsregime“ hängt somit maßgeblich von der genauen Absteckung des Anwendungsbereichs der Anerkennungsregeln ab, die es gleichsam auszulegen gilt.52 Entscheidend ist also, wie bereits einleitend angesprochen, ob ein ausländischer Akt noch als anerkennungsfähiges „Urteil“ (§ 328 I ZPO) bzw. anerkennungsfähige „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) angesehen werden kann. Folglich zeichnet sich auch hier ein Qualifikationsproblem ab.53
III. Umformulierung der Fragestellungen als Qualifikationsproblem Hält man sich die obigen scheidungsrechtlichen Fragestellungen unter dem Aspekt der soeben erläuterten Qualifikationsproblematiken vor Augen, kann man sie entsprechend umformulieren, um zu veranschaulichen, dass es sich tatsächlich um Qualifikationsprobleme (im weiteren Sinne) handelt. Bezogen auf die Abgrenzung der Anerkennungsregime käme es auf folgende Frage(n) an: Wie ist der Entscheidungsbegriff zu definieren und die Reichweite der Anerkennungsregeln abzustecken? Welche ausländischen Scheidungen können noch als „Entscheidung“ qualifiziert werden und werden noch von der verfahrensrechtlichen Anerkennungsregel erfasst?54 Im Hinblick auf die (etwaige) kollisionsrechtliche Wirksamkeitskontrolle einer ausländischen Privatscheidung stellt sich insbesondere die Qualifikationsfrage, ob das Erfordernis eines hoheitlichen, namentlich gerichtlichen Scheidungsakts (wie 51
Siehe hier nur Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 22; noch Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1622); im Einzelnen noch unten unter § 4 C.II.1.d)cc). 52 Anschaulich auch Geimer, in: FS Jayme I, S. 241 (254) („Abgrenzung zum ,Zuständigkeitsbereich‘ des IPR“). 53 Zur „Qualifikation des jeweiligen Behördenakts als Entscheidung“ BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 f. (Rn. 12); mit Blick auf die Scheidung Staudinger/ Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 101; noch Krzywon, StAZ 1989, 93 (103); allg. zu § 328 ZPO und § 108 FamFG Zöller/Geimer, § 328 Rn. 67; zum Urteils- bzw. Gerichtsbegriff des § 328 ZPO als Qualifikationsfrage Gärtner, Privatscheidung, S. 173; Martiny, IZVR III/1, Rn. 182, 463, 497; noch Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 140 („einzuordnen“); Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.23; Reinl, Anerkennung, S. 72 f. („Qualifizierung“); Riezler, IZPR, § 12 8, S. 116, § 51 3, S. 528; abw. Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (145 ff.) (keine Qualifikation, sondern „Vorfrage“ und „[p]rozeßrechtlich“, 146). Gleichwohl ist, wie die anderen Nachw. zeigen, davon auszugehen, dass sich insofern die Einordnung als Qualifikationsproblem „eingebürgert“ hat; so zum IZPR – mit Blick auf die abw. Einstufung Basedows – Gerasimchuk, Urteilsanerkennung, S. 60 f., Fn. 72. 54 Siehe zu dieser Frage als Qualifikationsproblem auch Gärtner, Privatscheidung, S. 173 (vor Geltung des § 109 FamFG, zu § 328 ZPO); Herfarth, Scheidung, S. 38; noch Krzywon, StAZ 1989, 93 (103); Scheftelowitz, FamRZ 1995, 593 (594) („Frage nach der rechtlichen Subsumierung des Scheidungsvorgangs“); zu internationalen Adoptionen entsprechend Griep, Anerkennung, S. 40; noch Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (74).
44 § 2 (Methodische) Einordnung des Untersuchungsgegenstands und Gang der Arbeit
§ 1564 S. 1 BGB) bzw. umgekehrt die Zulässigkeit eines privaten Scheidungsakts eine verfahrensrechtliche Frage ist, für die das lex fori-Prinzip als Verweisungsregel gilt, oder eine des materiellen Rechts.55 Im letzteren Falle stellt sich noch die Qualifikationsfrage, ob diese Frage (rein) materiell-rechtlich zu qualifizieren und allein nach der jeweiligen lex causae, d. h. nach dem über Art. 17 II EGBGB ermittelten Scheidungsstatut zu beurteilen ist oder nicht sogar als Formfrage, als abgespaltene Teilfrage,56 sodass über Art. 11 I Var. 2 EGBGB (alternativ) das Ortsrecht zur Anwendung gelangen kann.57 Schließlich kann für kontrollierende „Mitwirkungsmodalitäten“ an einer Privatscheidung wie vor allem einer Genehmigung gefragt werden, ob diese Fragen der Form der Privatscheidung oder des Scheidungsstatuts bzw. Inhalts sind.58 Mit Blick auf die am Ende der Einleitung angesprochene Konstellation wäre zuletzt Folgendes fraglich: Können auch die Regeln eines anderen Staates, die eine Anerkennung einer ausländischen Privatscheidung vorsehen, noch von der Verweisung des Art. 17 II EGBGB erfasst werden? Auch hierbei handelt es sich wiederum um ein Qualifikationsproblem.59
B. Gegenstand und Gang der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung befasst sich mit der Problematik, wie mit im Ausland erfolgten einvernehmlichen Privatscheidungen unter hoheitlicher Mitwirkung im autonomen internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht umzugehen ist. Das europäische Recht bleibt außer Betracht. Zum einen wird sich nämlich die Problematik der „Anerkennung“ mitgliedstaatlicher Privatscheidungen, wie einlei55 Zur Natur als Qualifikationsfrage auch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 50; Gärtner, Privatscheidung, S. 47; Herfarth, Scheidung, S. 86 f.; Henrich, IPRax 1995, 86 (88); allg. schon Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 303; siehe zur Frage der „Vollzugsform“ noch MüKo-BGB/ W. v. Mohrenfels, Vor Art. 1 Rom III-VO Rn. 14. 56 Siehe zu dieser (im einzelnen umstr.) Terminologie der Formfrage als Teilfrage etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 104 f.; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1195 ff.; Kropholler, IPR, § 18 I, S. 130 ff.; hierzu näher unten unter § 5 B.III.1.a)aa). 57 Vgl. – mit Blick auf sog. Privatscheidungen im Inland – Gärtner, Privatscheidung, S. 47; zur Abgrenzung von Inhalt und Form als (klassisches) Qualifikationsproblem etwa MüKoBGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 155; Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 94; siehe noch Kropholler, IPR, § 41 III 2, 3, S. 310 ff.; generell zur Abspaltung von Teilfragen als Qualifikationsproblem BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 69 i. V. m. Rn. 68, der insofern dem Begriff der Teilfrage sehr krit. („unnötige, weil verwirrende“ Begrifflichkeit, Rn. 69) gegenübersteht; näher Wengler, in: FS Wolff, S. 337 (359 ff.); zur Teilfrage als Qualifikationsproblem näher unten unter § 5 B.III.1.a)aa). 58 Siehe zu Privatscheidungen Martiny, IZVR III/1, Rn. 1745 („Abgrenzungsfragen zwischen Form und inhaltlicher Zulässigkeit“); zur Qualifikationsfrage im Bereich des Art. 11 EGBGB als eine Abgrenzungsfrage von Form und Inhalt etwa Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; MüKoBGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 155; Staudinger12/Firsching, Art. 11 EGBGB Rn. 3; Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 vor I, S. 142; nachfolgend Kropholler, IPR, § 41 III 2, S. 310. 59 So explizit speziell für die angeführte Fallkonstellation Krömer, StAZ 2020, 117 (119).
B. Gegenstand und Gang der Untersuchung
45
tend aufgezeigt,60 mit Einführung der Brüssel IIb-VO alsbald insofern abschwächen, als diese in jedem Fall einem der beiden Anerkennungsregime dieser neuen Verordnung unterliegen. Es wird also nicht mehr um die bedeutende Frage der Abgrenzung von verfahrensrechtlicher Anerkennung und kollisionsrechtlicher Wirksamkeitsprüfung gehen. Zum anderen bestimmt aktuell die Rom III-VO in direkter Anwendung das in einem Scheidungsverfahren anwendbare Recht und regelt (nach ebenfalls einleitend dargelegter, auch hier vertretener Ansicht61) keine „Anerkennung“ im Ausland erfolgter Scheidungen. Nicht näher untersucht werden soll daher auch die Frage, inwiefern aus speziell europäischen Gesichtspunkten die „Anerkennung“ einer Privatscheidung erforderlich wäre.62 Untersuchungsgegenstand sind demnach der Umgang mit Privatscheidungen zum einen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG) und zum anderen im autonomen internationalen Privatrecht (Art. 17 II EGBGB i. V. m. den in leicht modifizierter Form anwendbaren Regeln der Rom III-VO). Aspekte und Überlegungen aus dem EU-Recht werden aber an einigen Stellen ergänzend herangezogen, da sich dort bisher, wie zu Art. 21 Brüssel IIa-VO einleitend aufgezeigt, ähnliche Fragen stellen, die teilweise zudem auch zu entsprechenden Überlegungen auf autonomer Ebene anregen.63 Da es sich bei den oben herausgearbeiteten Fragestellungen, wie zuvor erörtert, im Kern jeweils um Qualifikationsprobleme handelt, werden zunächst Grundlagen zur Qualifikation dargelegt. Daran anschließend widmet sich die Untersuchung dem Anerkennungsrecht und der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ausländische Scheidungen, insbesondere kontrollierte Privatscheidungen nach § 109 FamFG de lege lata als „Entscheidung“ anerkennungsfähig sind und dazu führen, dass die Ehe auch im Inland als aufgelöst gilt. Hierfür wird zunächst erörtert, ob die verfahrensrechtliche Anerkennung nur bei gerichtlichen oder prinzipiell auch bei behördlichen und notariellen Akten greifen kann, und anschließend eingehend untersucht, ob eine Anerkennung der Scheidung nur bei hoheitlichen oder auch bei privaten gestaltenden, scheidenden Akten möglich ist. Dem nachfolgend werden die Fragen auf der Ebene des internationalen Privatrechts untersucht. Insbesondere geht die Untersuchung der Frage nach, ob (und warum) eine ausländische Privatscheidung zwingend als unwirksam anzusehen ist, wenn deutsches Scheidungsrecht anwendbar ist oder ein anderes Scheidungsrecht mit gerichtlicher (oder auch behördlicher) Scheidung. Danach wird noch ein Blick 60
Oben unter § 1 B. Oben unter § 1 C. 62 Hierzu mit Blick auf die neueren Scheidungsreformen innerhalb der EU BeckOK-BGB/ Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 32; ein mögliches „Hindernis für die Personenfreizügigkeit“ sehend noch NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 11; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 147; ausführlich bereits Gärtner, Privatscheidung, S. 364 ff. 63 Siehe einleitend oben unter § 1 B. 61
46 § 2 (Methodische) Einordnung des Untersuchungsgegenstands und Gang der Arbeit
auf die Frage geworfen, ob (und warum) die Wirksamkeit einer ausländischen Privatscheidung zu verneinen ist, wenn ein anderes als das dortige Scheidungsrecht anwendbar ist, das zwar ebenfalls eine Privatscheidung kennt, aber unter dem Aspekt der Kontrolle andere „Mitwirkungsmodalitäten“ vorsieht. Schließlich ist noch auf die sehr spezielle Frage einzugehen, ob eine ausländische Privatscheidung als gültig betrachtet werden kann, wenn das auf diese Scheidung anwendbare Recht eines anderen Staates zwar keine Privatscheidung kennt, dieser andere Staat eine ausländische Privatscheidung aber schlicht anerkennen würde. Abschließend folgt im Hinblick auf die „Anerkennung“ ausländischer Privatscheidungen und den zuvor angesprochenen Sonderfall noch ein de lege ferendaVorschlag.
C. Terminologischer Hinweis zum Untersuchungsgegenstand Wie einleitend angeführt, handelt es sich beim Scheidungsakt wegen seiner eheauflösenden Natur um einen Gestaltungsakt.64 Insoweit lässt sich auch von einem konstitutiven Akt sprechen.65 Ist der Scheidungsakt, wie insbesondere bei der gerichtlichen Scheidung, hoheitlicher Natur, kann dementsprechend auf den Begriff des konstitutiven Hoheitsakts verwiesen werden.66 Dem (fehlenden) konstitutiven Gerichts- oder Behördenakt wird regelmäßig die sog. deklaratorische Mitwirkung an einer Privatscheidung gegenübergestellt.67 Da deklaratorisch als lediglich klarstellend, bezeugend oder feststellend zu verstehen ist,68 soll im Folgenden auf eine begrifflich genaue Differenzierung geachtet werden. Von deklaratorischer Mitwirkung ist nur zu sprechen, wenn die Privatscheidung nachträglich schlicht von hoheitlicher Seite (etwa in registrierender Weise) bezeugt wird, ohne dass sich dies unmittelbar auf die Wirksamkeit auswirkt, d. h. ohne dass
64
Siehe einleitend oben unter § 1 B. Siehe zum Begriff der Konstitutivwirkung Creifelds, Rechtswörterbuch, „Konstitutivwirkung“, S. 856, „Deklaratorische Wirkung“, S. 324. 66 So etwa BayObLG, Beschl. v. 12. 9.2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382); vgl. noch BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272); Prütting/Helms/Hau, § 109 FamFG, Rn. 55; siehe allg. zum Begriff des Hoheitsakts wiederum Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 19; im anerkennungsrechtlichen Kontext Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (712). 67 Vgl. auch Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344); siehe etwa die begriffliche Gegenüberstellung bei MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 1 Rom III-VO, Rn. 10; Prütting/ Helms/Hau, § 98 FamFG Rn. 7; Gärtner, Privatscheidung, S. 4. 68 Zur Bedeutung des Begriffes Creifelds, Rechtswörterbuch, „Deklaratorische Wirkung“, S. 324. 65
C. Terminologischer Hinweis zum Untersuchungsgegenstand
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die hoheitliche Mitwirkung ein für die Wirksamkeit der Privatscheidung notwendiges, zwingendes Tatbestandsmerkmal ist.69
69 Zur begrifflichen Differenzierung von Wirksamkeitsvoraussetzung und deklaratorisch – wenngleich im Kontext des heutigen § 107 FamFG – BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (42) (zur Vorgängernorm des Art. 7 § 1 I FamRÄndG); jurisPK-BGB/ Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 64.
§ 3 Grundlagen der Qualifikation im autonomen internationalen Privatrecht A. Verwurzelung im internationalen Privatrecht Wie oben erwähnt, handelt es sich bei der Qualifikation um eine Problematik, die ihre ursprünglichen Wurzeln im internationalen Privatrecht hat.1 Nachdem dort bereits dargelegt wurde, was der Vorgang der Qualifikation bedeutet, ist im Folgenden ein Abriss zu den Fragen des Qualifikationsstatuts und der Qualifikationsmethodik im internationalen Privatrecht angebracht. Um zu ermitteln, welche Rechtsfragen unter welche Kollisionsnormen fallen bzw. wie umfassend deren Verweisung reicht und welche Normen erfasst werden, sind nämlich verschiedene Vorgehensweisen denkbar.
B. Qualifikation lege fori und funktional-teleologische Methode Eine Qualifikation lege fori ergibt sich bereits aus dem Beitrag Kahns zu den Gesetzeskollisionen und wurde schon von Bartin vertreten.2 Für eine Qualifikation lege fori, d. h. vom eigenen Begriffs- und Systemverständnis auszugehen, lässt sich anführen, dass die Kollisionsnormen in die eigene Rechtsordnung eingebettet sind.3 Diese Qualifikation ist weit verbreitet4 und wird (auch heute noch) als herrschende 1
Siehe oben unter § 2 A.II.1. Kahn, JherJb 30 (1891), 107 (130 f.); Bartin, JDI 24 (1897), 466 ff. (für die Einordnung einer Sache als beweglich oder unbeweglich die lex rei sitae gelten lassend). 3 BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 59; Erman/Stürner, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 48; Staudinger/F. Sturm/G. Sturm (2012), Einl. zum IPR Rn. 244; Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 1, S. 277 f.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 13; Dörner, StAZ 1988, 345 (350); noch Neuhaus, Grundbegriffe, § 15 I, S. 123; ebenso Kropholler, IPR, § 16 I, S. 121; zumindest als mögliches Argument nennend noch MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 118 („Einheit der Rechtsordnung“). 4 Siehe etwa BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139); BGH, Beschl. v. 13. 5. 2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289 (298, Rn. 32); BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 59; noch Palandt/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 27; Staudinger/F. Sturm/G. Sturm (2012), Einl. zum IPR Rn. 244; Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 1, S. 278; Dörner, StAZ 1988, 345 (350); siehe noch Neuhaus, Grundbegriffe, § 15 vor I, I, S. 123 („[g]rundsätzlich“); nachfolgend als „Grundsatz“ Kropholler, IPR, § 16 I, S. 121. 2
B. Qualifikation lege fori und funktional-teleologische Methode
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Meinung bezeichnet.5 Gleichwohl greifen, wie nachfolgend zu sehen ist, heute überwiegend gewisse Modifikationen bzw. weitere Elemente, die über die bloße lex fori hinausgehen.6 Da im internationalen Privatrecht ausländische Rechtsordnungen berührt werden, könnte zwar fraglich sein, ob man sich nicht eher Rabels Methode der rechtsvergleichenden Qualifikation anzuschließen hätte.7 Idealerweise könnte diese Methode, so bereits der Gedanke Rabels, zu einer international einheitlichen Qualifikation führen.8 Dies konnte sich allerdings nicht als eigenständige Methode etablieren.9 Eine umfassende Rechtsvergleichung und sich daran anlehnende Herausarbeitung eigener Begriffe der Kollisionsnormen würden eine sehr umfangreiche, komplexe Aufgabe mit umständlicher Handhabung bedeuten.10 Darüber hinaus könnte eine rechtsvergleichende Zusammenstellung und sich daran orientierende Qualifikation dazu führen, dass die unterschiedlichen Interessen und Wertungen, die hinter den Kollisionsnormen der eigenen Rechtsordnung stehen, nicht hinreichend Berücksichtigung finden, die Methode also in gewisser Hinsicht zu neutral wirkte.11 Umgekehrt ist aber auch zu beachten, dass eine Qualifikation lege fori im Falle divergierender oder dem deutschen Recht gar unbekannter Rechtsinstitute gezwungenermaßen an ihre Grenzen stößt, was der rechtsvergleichenden Methode nicht passieren würde.12 Zudem haben die Kollisionsnormen klassischerweise die 5
Siehe BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139) („h. M.“); BeckOKBGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 59; Erman/Stürner, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 48; Staudinger/ F. Sturm/G. Sturm (2012), Einl. zum IPR Rn. 244 („anerkannt“); Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 1, S. 277; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 12; siehe noch MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 118 m. w. N. aus der Rspr. 6 Vgl. hier etwa Erman15/Hohloch, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 48; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1091 („kombiniert“); v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 27 („ergänzt“). 7 Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (267 f., 287) – mit entsprechender Kritik an einer lex foriBetrachtung wegen der internationalen Dimension (262 f., 282). 8 Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (267, 287). 9 Siehe näher nur MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 120; noch Finkelmeier, Qualifikation, S. 41. 10 Diese Schwierigkeit bereits selbst erkennend Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (283, 287); siehe die Kritik bei Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1090; Finkelmeier, Qualifikation, S. 40; Raape/Sturm, IPR I, § 15II 1, S. 277; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 162, 165; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 23 – 26. 11 Zur fehlenden Berücksichtigung der rechtspolitischen Interessen nachdrücklich Kegel/ Schurig, IPR, § 7 III 3 a), S. 345 f.; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 163, 165 f.; siehe noch Dörner, StAZ 1988, 345 (350); ähnlich Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1090 (fraglich seien die „normativen Kriterien“). Näher zu den kollisionsrechtlichen Wertungen im Allgemeinen etwa Kropholler, IPR, § 5 II, S. 33 f.; zu den Interessen des IPR näher Kegel/ Schurig, IPR, § 2 II, S. 134 ff.; siehe noch Kropholler, IPR, § 5 I, S. 31 ff. 12 Vgl. bereits Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (246, 256 f., 263); diese Schwierigkeit der lex fori-Qualifikation erwähnend etwa v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 15. Ähnliche Kritik an der Qualifikation lege fori äußern schon die Vertreter der sog. Qualifikation lege causae (zu dieser sogleich nachfolgend); siehe Despagnet, JDI 25 (1898), 253 (260); Wolff, IPR, S. 50.
50
§ 3 Grundlagen der Qualifikation im autonomen internationalen Privatrecht
Aufgabe, unter den einzelnen Rechtsordnungen diejenige auszuwählen, die für die Regelung des Sachverhalts am geeignetsten, am sachnächsten erscheint.13 Sie haben also zwangsläufig auch ausländische Rechtsordnungen im Blick. Bereits insofern unterscheiden sie sich mithin von der eigenen materiellen Rechtsordnung, was sich teilweise auch an den einzelnen Systembegriffen des EGBGB selbst ablesen lässt.14 Über die zuletzt genannten Kritikpunkte besteht im Wesentlichen Einigkeit. Es ist weitestgehend anerkannt, dass das bloße Sachrecht der eigenen Rechtsordnung nicht der alleinige Maßstab sein kann.15 Insofern wirkt sich die Methode bzw. Kritik Rabels16 dennoch weiterhin aus.17 Da sich eine Qualifikation allein nach der lex fori somit als unbefriedigend herausstellt, bietet sich eine Auslegung der Kollisionsnormen und ihrer Systembegriffe sowie der in Betracht kommenden Sachnormen nach dem jeweiligen Sinn und Zweck, eine funktionale Würdigung an.18 Heute ist man sich im Ergebnis in Rechtsprechung und Schrifttum grundsätzlich einig darüber, dass anhand eines
13 Es schlägt sich der durch von Savigny geprägte Gedanke der engsten Verbindung (v. Savigny, System VIII, S. 27 f., 108, 118 ff.) nieder; näher hierzu MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 19, 29 ff.; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 54 ff.; Kropholler, IPR, § 3 I, S. 16 f., § 4 II, S 25 ff.; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 6 Rn. 55, § 7 Rn. 92; näher zum Anknüpfungspunkt als „juristische[n] (oder rechtspolitische[n]) Schwerpunkt“ des IPR v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 7 ff.; näher zur kollisionsrechtlichen Methode von Savignys und ihrer Bedeutung Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), 364 ff. („kopernikanische[…] Wende“ (366)). 14 Eingehend v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 167 ff.; hierauf hinweisend bereits Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (287); die Unterschiede unmittelbar an den sich vom Sachrecht unterscheidenden Systembegriffen verdeutlichend MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 118; siehe noch v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 4. 15 Siehe BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 59 f.; noch Palandt/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 27; Neuhaus, Grundbegriffe, § 15 II 2, S. 126 ff.; noch Kropholler, IPR, § 16 II 2, S. 124 f.; Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 2, S. 278; siehe noch zur Rolle der lex fori im Rahmen der sog. funktionalen Qualifikation MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 118 i. V. m. Rn. 121; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1091; sowie die Kritik an einer lex fori-Qualifikation bei Kegel/Schurig, IPR, § 7 III 2 a), S. 338; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 167 ff.; jedenfalls „grundsätzlich“ die eigenen materiellen Systembegriffe zugrunde legend Mansel, in: FS Canaris, S. 739 (750 f.) – anschließend aber das Verständnis anschaulich öffnend (752) („Die Systembegriffe des deutschen materiellen Privatrechts sind nur Kristallisationspunkte für ihre Auslegung, wenn sie von deutschen Kollisionsnormen verwendet werden. Der Begriffshof der Systembegriffe ist im Rahmen der kollisionsrechtsautonomen Qualifikation eigenständig zu bestimmen“). 16 Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (249 f., 253 f., 282 f.). 17 Siehe zum Einfluss Rabels etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 120; Staudinger/ Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1090; Finkelmeier, Qualifikation, S. 41; Neuhaus, Grundbegriffe, § 15 II 2, S. 126 f.; noch Kropholler, IPR, § 16 II 2, S. 124. 18 Näher zur sog. funktionalen Qualifikation als autonome Qualifikation Finkelmeier, Qualifikation, S. 41 ff.; siehe zur sog. funktionellen Qualifikation als ein die „lex-fori-Theorie […] ergänz[endes]“ Vorgehen noch v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 27 ff.; siehe noch Palandt/ Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 27 (der mit Blick auf die BGH-Rspr. zur Beurteilung der Funktion von einer „insow[eit] autonom[en] Qualifikation“ spricht).
B. Qualifikation lege fori und funktional-teleologische Methode
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solchen Vorgehens über die jeweilige Zuordnung zu entscheiden ist.19 Steht eine ausländische Rechtsfigur bzw. Norm in Frage, ist dabei denklogisch zunächst auch das Verständnis und die Systematik der ausländischen Rechtsordnung – ohne sie als Qualifikation zu übernehmen – zu berücksichtigen, damit eine funktionale Beurteilung möglich ist.20 Bei der Beurteilung spielt die lex fori weiterhin gleichwohl eine Rolle. Es verbietet sich zwar, wie gerade gesehen, strikt an dem Systemverständnis des eigenen materiellen Rechts festzuhalten.21 Die Vorstellungen der lex fori bilden heute aber weitgehend unbestritten – und nach dem anfangs zur lex fori Gesagten zu Recht – weiterhin den Ausgangs- bzw. zumindest Anhalts- und Vergleichspunkt, der durch das dargestellte funktionale, teleologische Vorgehen überprüft und gewissermaßen aufgeweicht oder erweitert wird.22 19 Grundlegend BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139); noch BGH, Urt. v. 22. 3. 1967 – IV ZR 148/65, BGHZ 47, 324 (332); BGH, Beschl. v. 13. 5. 2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289 (295 ff., Rn. 24 ff.); aus der Lit. etwa Erman15/Hohloch, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 49; MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 121; Palandt/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 27; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1091; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 30; siehe noch Kropholler, IPR, § 17, S. 126 ff.; bereits Neuhaus, Grundbegriffe, § 15 III, S. 129 ff., § 15 IV, S. 132; Mansel, in: FS Canaris, S. 739 (753 f.); vgl. Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, S. 355 f. (mit besonderem Fokus auf die Interessen); Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 2, S. 278, § 15 II 4, S. 278 f. Zahlreiche weitere Nachw. zur „modernen lex fori-Theorie“ der Rspr. finden sich bei Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1096 ff.; siehe noch für einen Überblick zur vergleichbaren Qualifikation in anderen Rechtsordnungen Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1099. Erwähnenswert ist, dass diese funktionale Auslegung bereits bei Kahn als frühen Vertreter der Qualifikation lege fori anklingt, Kahn, JherJb 30 (1891), 107 (115, 139) („Identität der funktionellen Bedeutung“ bzw. abstellend auf „die Funktion und den Kern […] eines Rechtsverhältnisses“); siehe hierzu Finkelmeier, Qualifikation, S. 36; noch v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 27. 20 Grundlegend BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139): Bei ausländischen Rechtsnormen ist auch – „insbesondere“ im Falle einer „unbekannte[n] Rechtsfigur“ – „ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen“; dem BGH i. E. folgend v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 30; vgl. etwa BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 59 („Analyse des fremden Rechtsinstituts“ und zwar „zunächst vom Standpunkt des ausländischen Rechts“); siehe noch Palandt/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 27; Kropholler, IPR, § 15 II 4 a), S. 119; offener Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, S. 356 (schlicht eine „genaue Analyse“ der ausländischen Rechtsordnung fordernd), aber die Bedeutung des fremden Rechts im Rahmen der lex causae-Theorie anerkennend, § 7 III 3 b), S. 342 („genauere[r] Blick“ auf die lex causae ermögliche die notwendige Interessensbeurteilung). 21 Die so verstandene lex fori-Theorie daher als autonom verstehend Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, S. 356. 22 Grundlegend zu dieser Vorgehensweise wiederum BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/ 58, BGHZ 29, 137 (139): Vom deutschen Gericht „grundsätzlich nach deutschem Recht zu entscheiden“, wobei „die Vorschriften des ausländischen Rechts […] nach ihrem Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung […] zu würdigen und sie mit Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen [sind].“; vgl. BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 59 f.; Erman15/Hohloch, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 49; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1091 f.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 30; Mansel, in: FS Canaris, S. 739 (750 f. bzw. 752); siehe noch die weiterhin als „Grundsatz“ erwähnte lex fori bei Kropholler, IPR, § 16 I, S. 121 f. – trotz des anschließenden Plädoyers für die „funktionelle[…] oder teleologische[…]
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§ 3 Grundlagen der Qualifikation im autonomen internationalen Privatrecht
C. Ablehnung der Qualifikation lege causae Ein anderer Ansatzpunkt23 wäre eine Qualifikation entsprechend dem Systemverständnis und -begriffen des jeweils anwendbaren Rechts. Diese sog. Qualifikation lege causae wurde von Despagnet24 herausgearbeitet und in Deutschland insbesondere durch Wolff25 bestimmt.26 Gegen diese Methodik könnte schon der Gesichtspunkt sprechen, dass man zu Beginn der Qualifikation noch gar nicht in die Anwendungsebene einer bestimmten anderen Rechtsordnung gelangt ist.27 Jedenfalls wäre aber fraglich, wie vorzugehen ist, wenn aufgrund des Verständnisses der in Betracht kommenden Rechtsordnungen keine Zuordnung zur eigenen Kollisionsordnung und daher kein anwendbares Recht ermittelbar ist oder sogar eine Zuordnung zu mehreren Kollisionsnormen mit verschiedenen anwendbaren Rechten möglich ist, mithin ein sog. Normenmangel oder eine sog. Normenhäufung besteht.28 Letzteres erkannte schon Despagnet selbst und schlug vor, entsprechend seinen Grundsätzen zur Qualifikation lege causae zu verfahren. Der Richter müsse sich im Falle der Normenhäufung jeweils an die Stelle der ausländischen Richter setzen, um sodann den Konflikt so nach den Prinzipien seines internationalen Privatrechtes zu lösen, als ob seine lex fori mit der lex causae kollidiere. Hierbei sei wiederum der lex causae Vorrang zu gewähren.29 Auch Wolff widmete sich dieser Thematik und plädierte daher in Fällen des Normenmangels für Anpassungen bzw. in solchen der Normenhäufung für eine parallele Anwendung oder Einschränkung einer RechtsQualifikation“, § 17 I, S. 126 ff.; dahingehend schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 15 I, S. 123, § 15 III, S. 129 ff., § 15 IV, S. 132. Die lex fori findet selbst bei Vertretern einer sog. autonomen Qualifikation Berücksichtigung; siehe Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, S. 356 (die lex fori zwar „nur“, aber immerhin als „ersten Einstieg“ betrachtend); siehe noch zur „autonome[n] Qualifikation nach dem IPR der lex fori“ v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 173, 175; abw., in seiner Darstellung die funktionale Qualifikation zur lex fori klar abgrenzend Finkelmeier, Qualifikation, S. 43 f. 23 Von einem „diametral entgegengesetzten Gegenpol“ sprechend MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 119. 24 Despagnet, JDI 25 (1898), 253 (257 ff.). 25 Wolff, IPR, S. 54 ff. 26 Siehe zur Rolle Despagnets und Wolffs näher Weber, Qualifikation, S. 53 ff., 126 ff.; zu deren Bedeutung knapp noch Finkelmeier, Qualifikation, S. 37; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 145. 27 Siehe Finkelmeier, Qualifikation, S. 38; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 19 – 22; zurückhaltend auf dieses Argument hinweisend MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 119; sich gegen dieses „circulus vitiosus“-Argument aussprechend Kegel/Schurig, IPR, § 7 III 2 b), S. 342; Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 1, S. 277; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 147; knapp noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1089; ausführlich Weber, Qualifikation, S. 127 f. m. w. N. zu diesem (Gegen-)Argumentationsstrang. 28 Siehe die Kritik bei MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 119; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1089; Finkelmeier, Qualifikation, S. 38; Kegel/Schurig, IPR, § 7 III 2 b), S. 342; Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 1, S. 277; noch Neuhaus, Grundbegriffe, § 15 II 1, S. 125; ebenso Kropholler, IPR, § 16 II 1, S. 123; siehe noch Weber, Qualifikation, S. 129. 29 Despagnet, JDI 25 (1898), 253 (265 ff.).
D. Zusammenfassung
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ordnung, soweit dies nach den jeweiligen Rechtsordnungen möglich ist.30 Daneben solle es ebenfalls bei Zuordnungen, die denen der eigenen Rechtsordnung fundamental widersprechen, zu Einschränkungen kommen, und das Ergebnis fremder Rechtsordnung sei gegebenenfalls sogar durch die Methodik der eigenen Rechtsordnung zu korrigieren.31 Diese Überlegungen zeigen, dass einer Qualifikation lege causae Praktikabilitätserwägungen im Wege stehen.32 Sie wird allgemein – zu Recht – nicht mehr vertreten.33
D. Zusammenfassung Ob man die heutzutage vorherrschende Qualifikation nach der oben aufgezeigten Verzahnung letztendlich als eine erweiterte, modifizierte Qualifikation lege fori oder als (autonome) funktional-teleologische Qualifikation ansieht, ist nach dem Gesagten eher terminologischer denn substantiell unterscheidender Natur.34 Die Be30
Wolff, IPR, S. 58 ff. Wolff, IPR, S. 55 ff. 32 Raape/Sturm, IPR I, § 15 II 1, S. 277 („unpraktikabel“); noch Finkelmeier, Qualifikation, S. 38 („Anpassungsprobleme“); Weber, Qualifikation, S. 129 („umständlicher“). 33 Siehe etwa näher zur „Ablehnung“ MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 119; noch BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 59; Finkelmeier, Qualifikation, S. 39; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 19 – 22 („kaum Anhänger“); gegen eine Beachtung der fremden Rechtsordnung bei der Anwendung der eigenen Kollisionsnormen bereits Kahn, JherJb 30 (1891), 1 (130 f.). Außer Betracht bleibt an dieser Stelle die Frage der Rück- oder Weiterverweisung aufgrund anderer Qualifikation im fremden Kollisionsecht im Falle der Gesamtverweisung, bei welcher es letztendlich „ausnahmsweise“ zu einer Qualifikation lege causae kommt; näher hierzu nur MüKo-BGB/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 81 ff. m. w. N.; siehe noch Palandt/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 28. Siehe aber die methodisch andere Einordnung bei v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 152, wonach es darum gehe, den „Rechtsinhalt“ der verwiesenen Rechtsordnung „zu befolgen“, wie es „das Gebot des Art. 4 I 1 EGBGB“ verlange, weshalb die Bezeichnung als „Qualifikation lege causae“ und der „Ausdruck der ,abweichenden Qualifikation‘“ jeweils „mißverständlich“ seien. 34 Vgl. auch Erman15/Hohloch, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 49; Staudinger/F. Sturm/ G. Sturm (2012), Einl. zum IPR Rn. 245 (den Streit zwischen den unterschiedlichen Qualifikationsansätzen als „überholt“ betrachtend); vgl. noch MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 121 („funktional-teleologische[…] Qualifikation […] im weiteren Sinne auch als eine aufgeklärte lex-fori Theorie“); Herfarth, Scheidung, S. 179 („funktionelle[…] Qualifikation“ als „Modifikation der strengen lex fori-Theorie“); ähnlich Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1091 f. (Kombination bzw. „moderne lex fori-Qualifikation“); siehe noch Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, S. 356 (eine solche Theorie als autonom einstufend, aber gleichfalls von keinem „schroffe[n] Gegensatz“ ausgehend), § 7 III 2 a), S. 337 (der lex fori-Qualifikation wegen der „fast immer“ erfolgenden „,rechtsvergleichende[n]‘ oder ,teleologische[n]‘ Betrachtung“ eine „(oft uneingestandene) Abkehr vom Bewertungsstandard der materiellen lex fori“ attestierend); ähnlich Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 149 f. (beiden Methoden – sowie der Qualifikation lege causae nach Wolff – eine „gewisse Autonomie“ attestierend); a. A. – nämlich strikt danach trennend, ob erster Ansatzpunkt die Begriffe des eigenen Sachrechts sind – Finkelmeier, Qualifikation, S. 43 f.; obgleich auf beide Qualifikationen eingehend zwischen 31
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§ 3 Grundlagen der Qualifikation im autonomen internationalen Privatrecht
achtung der lex fori unter Verwendung einer funktional-teleologisch Methode überzeugt jedenfalls aus den genannten logischen bzw. praktischen Kritikpunkten an anderen Qualifikationen und den aufgezeigten Schwächen einer reinen Qualifikation lege fori. Ein Vorgehen, bei der die Einbettung der Kollisionsnormen in die Rechtsordnung der lex fori und gleichzeitig internationale Abweichungen, Besonderheiten und Interessen berücksichtigt werden, ermöglicht eine griffige einzelfallbezogene und sachgerechte Einordnung.35 Zusammenfassend steht daher fest, dass die Qualifikation ausgehend von dem lex fori-Verständnis mithilfe einer funktional-teleologischen Methode durchzuführen ist, oder anders gesagt, um auf die grundlegende und griffig formulierte BGH-Rechtsprechung zu verweisen: Die Qualifikationsfrage ist „grundsätzlich nach deutschem Recht zu entscheiden“, wobei „die Vorschriften des ausländischen Rechts, insbesondere wenn sie eine dem deutschen Recht unbekannte Rechtsfigur enthält, nach ihrem Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen und sie mit Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen [sind]“.36
„rechtskonstruktive[r] Qualifikation“ und „funktionelle[r] oder teleologische[r] Qualifikation“ unterscheidend Kropholler, IPR, § 16 II 3 a. E., S. 126; dahingehend bereits Neuhaus, Grundbegriffe, § 15 III, S. 129, § 15 IV, S. 132. 35 Vgl. die Argumentation bei Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1091 (Kombination der Ansätze, „um eine sachgerechte und praxistaugliche Qualifikation zu ermöglichen“); sowie die Betonung der Einzelfallentscheidung bei Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, S. 356 (gegen eine „schematische Lösung“ und die einzelnen Theorien nicht als „schroff[…]“ gegensätzlich betrachtend). 36 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139).
§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG) A. (Methodischer) Überblick zum Entscheidungsbegriff (§ 109 FamFG) I. Qualifikationsmethodik speziell im Anerkennungsrecht 1. Ausgangslage Wie weiter oben erwähnt, finden sich einige explizite Hinweise darauf, dass es sich bei der Abgrenzung der (materiellen) Wirksamkeitskontrolle nach den Regeln des internationalen Privatrechts und der (verfahrensrechtlichen) Anerkennung nach den Regeln des internationalen Zivilverfahrensrechts um ein Problem handelt, das qualifikationsrechtlicher Natur ist.1 Die einzelnen Untersuchungen legen ihren Fokus regelmäßig auf die Definition und Umschreibung des Begriffes der „Entscheidung“2 in § 109 FamFG (bzw. „Urteil“3 und „Gericht“4 der prozessrechtlichen 1 Siehe schon oben unter § 2 A.II.3.b); zur „Qualifikation des jeweiligen Behördenakts als Entscheidung“ bei der entsprechenden verfahrensrechtlichen Anerkennung im internationalen Abstammungsrecht nach § 108 FamFG wiederum BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 f. (Rn. 12); ebenso die Vorinstanz OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16, BeckRS 2017, 155899 (dort Rn. 47); mit Blick auf die Scheidung Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 101; zu § 328 ZPO und § 108 FamFG Zöller/Geimer, § 328 Rn. 67; zum Begriff des Urteils bzw. Gerichts des § 328 ZPO als Qualifikationsfrage Gärtner, Privatscheidung, S. 173; Martiny, IZVR III/1, Rn. 463, 497; noch Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.23; Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 140; Reinl, Anerkennung, S. 72 f.; Riezler, IZPR, § 12 8, S. 116, § 51 3, S. 528; zu internationalen Adoptionen entsprechend Griep, Anerkennung, S. 40; noch Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (74). 2 Siehe etwa BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 f. (Rn. 11 ff.); Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 238 f.; Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 11; Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 6; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1625). 3 Hierzu etwa MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 60; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Völzmann-Stickelbrock, § 328 Rn. 2 f.; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 54; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 68; noch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 36. 4 Hierzu etwa BGH, Urt. v. 9. 5. 1956 – IV ZR 201/55, BGHZ 20, 323 (329); Prütting/ Gehrlein/Völzmann-Stickelbrock, § 328 Rn. 4; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 61; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 68; Geimer, IZPR, Rn. 2851; noch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 36.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Parallelnorm des § 328 ZPO) sowie auf die Entwicklung von Abgrenzungskriterien oder Gegenüberstellung verschiedener Akte.5 Mit Blick auf die qualifikationsrechtliche Natur der Fragestellung wurden oben die Grundlagen der Qualifikation im autonomen internationalen Privatrecht dargelegt, wo sie ihre Wurzeln hat. Vorherrschend und berechtigt ist, wie dort aufgezeigt, eine funktional-teleologische Qualifikation lege fori.6 An dieser Stelle stellt sich nun die Frage nach der Qualifikationsmethode speziell im Anerkennungsrecht, bei der Bestimmung der „Entscheidung“ (§ 109 FamFG). 2. Methodische Bestandsaufnahme Im Schrifttum finden sich einzelne ausführlichere und allgemeine methodische Auseinandersetzungen mit der Qualifikation speziell im Hinblick auf das Anerkennungsrecht und „Entscheidungen“.7 Was die Frage der Scheidungen anbelangt, betont das Schrifttum vor allem, dass die lex fori zu bestimmen habe, was als Entscheidung anerkennungsfähig ist,8 oder rekurriert auf den Sinn und Zweck der Anerkennungsregeln, um über deren Reichweite zu entscheiden.9 Gerade bei der Abgrenzung von Scheidungsurteilen und Privatscheidungen verweisen Vertreter des herrschenden Verständnisses etwa auf die „Funktion, in der das Gericht tätig geworden ist“.10 In vergleichbarer Weise heben einzelne Stimmen im internationalen Adoptionsrecht oder bei internationalen sog. Leihmutterschaftsfällen11 hervor, dass für die Qualifikation als „Entscheidung“ die lex fori maßgeblich12 oder kein formales, sondern ein funktionales Vorgehen er5 Siehe an dieser Stelle etwa BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13 f.); Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 5 ff.; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); ders., FamRZ 2006, 744 (748). 6 Hierzu oben unter § 3 B. 7 Eine nähere Auseinandersetzung, die auch den Entscheidungs- bzw. Urteilsbegriff betrifft, findet sich bei Martiny, IZVR III/1, Rn. 182 ff.; siehe etwa noch Reinl, Anerkennung, S. 72 ff.; vgl. schon in einem allgemeineren Kontext, zur Qualifikation bei der „Subsumtion der fremden Staatsakte unter die inländischen Regeln“ Schwarz, Anerkennung, S. 32 ff. 8 Im Zusammenhang mit § 328 ZPO Gärtner, Privatscheidung, S. 173; Martiny, IZVR III/ 1, Rn. 463, 497; noch Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 140; Habscheid, FamRZ 1981, 1142 (1145) (zu Urteilen und Akten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit). 9 Zu § 109 FamFG Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745); zu § 108 FamFG OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1498); zu § 328 ZPO Haecker, Anerkennung2, S. 29; Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 160. 10 BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382); jurisPKBGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 62; näher zur h. M. im Scheidungsanerkennungsrecht unten unter § 4 C.I.1.a). 11 Siehe zum Begriff und dem Begriff der „Ersatzmutter“ (§ 13a AdVermiG) etwa Benicke, StAZ 2013, 101 (102). 12 So im internationalen Adoptionsrecht Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (74).
A. (Methodischer) Überblick zum Entscheidungsbegriff (§ 109 FamFG)
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forderlich sei.13 Welche Qualifikation Rechtsprechung bzw. Schrifttum praktizieren, zeigen auch weitere, allgemeine Ausführungen zur Abgrenzungsproblematik: Bei § 328 I ZPO wird etwa betont, dass es sich um kein „Urteil im technischen Sinn“ handeln müsse,14 und im Zusammenhang mit § 109 (bzw. § 108) FamFG allgemein darauf geachtet, ob die ausländische Behörde einem deutschen Gericht funktional entspricht,15 bzw. angeführt, „Behördenentscheidungen“ selbst müssten „in ihrer Funktion deutschen Gerichtsentscheidungen entsprechen“.16 Bei weiteren, damit in Verbindung stehenden anerkennungsrechtlichen Fragen findet sich wiederum die Maßgeblichkeit des deutschen Verständnisses, der lex fori, hervorgehoben,17 insbesondere auch bei der Frage der Qualifikation von Urteilswirkungen.18 Hält man sich die angeführten methodischen Ausführungen vor Augen, spiegelt sich in den genannten Aussagen wider, dass Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegend letztendlich eine funktionale Qualifikation lege fori vornehmen.19 Aus 13
Im internationalen Adoptionsrecht nicht auf die „formelle Ausgestaltung“, sondern auf das Vorliegen einer „inhaltliche[n] Entscheidung“ abstellend Griep, Anerkennung, S. 40; im leihmutterschaftsrechtlichen Kontext die Maßgeblichkeit einer „funktionale[n] Betrachtung“ im Gegensatz zu „formalistischen Kriterien“ erwähnend Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (67 f.). 14 Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 54; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 66; ders., Anerkennung, S. 97; Geimer, IZPR, Rn. 2853 (zu § 328 ZPO und § 109 FamFG); siehe etwa noch MüKo-ZPO/ Gottwald, § 328 Rn. 60; Kropholler, IPR, § 60 III 1, S. 662; Martiny, IZVR III/1, Rn. 465 („inhaltlich zu bestimmen“); schon Riezler, IZPR, § 51 3, S. 529 (allerdings eine „doppelte Qualifikation“ befürwortend, § 12 8, S. 116 – hierzu sogleich). 15 Etwa BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (Rn. 12); KG, Beschl. v. 2. 12. 2008 – 1 W 100/08, FamRZ 2009, 1603 (1605); OLG Zweibrücken, Urt. v. 16. 3. 2004 – 5 UF 123/03, FamRZ 2004, 1516 (1517); Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, § 108 Rn. 1; Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 12; Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 5; vgl. noch („in ihrer Stellung“) Thomas/Putzo/Hüßtege, § 108 FamFG Rn. 1; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239; Klinck, FamRZ 2009, 741 (743); dem folgend Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1625); zum Gerichtsbegriff des § 328 ZPO Martiny, IZVR III/1, Rn. 498; näher zu dieser Frage noch unten unter § 4 B. 16 Zu Letzterem BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13); MüKo-BGB/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82. 17 Siehe etwa die h. M. bezüglich der Frage, ob die Entscheidung unter § 328 ZPO oder § 109 FamFG fällt, BGH, Urt. v. 5. 2. 1975 – IV ZR 90/73, BGHZ 64, 19 (21) (zur Einordnung als „Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ vor Geltung des FamFG); BayObLG, Beschl. v. 21. 6. 2000 – 1Z BR 186/99, BayObLGZ 2000, 180 (182) (zu § 16a FGG a. F.); Stein/Jonas/Roth, § 328 ZPO Rn. 63; MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 64; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 98; Geimer, IZPR, Rn. 2882; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1625) (gar davon sprechend, dass die Abgrenzung nach der lex fori und „funktional“ erfolge); schon ders., FamRZ 2006, 744 (748) (zu § 16a FGG a. F.); a. A. Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 109 (§ 16a FGG a. F. maßgeblich, wenn im Ausland im Verfahren der „freiwilligen Gerichtsbarkeit“ geschieden – zu einer Zeit, als die Scheidung in Deutschland durch Urteil erfolgte und § 328 ZPO im Scheidungsrecht griff, siehe Rn. 52, 81). 18 Siehe (zu Urteilswirkungen) MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 164; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 12; Geimer, IZPR, Rn. 2787; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628) m. w. N. 19 Vgl. auch die sich i. E. für eine solche Qualifikationsmethodik im Anerkennungsrecht aussprechende allg. Untersuchung bei Martiny, IZVR III/1, Rn. 186 („Recht des Forums“;
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
dem Obenstehenden lässt sich zudem umgekehrt ableiten, dass sich eine Qualifikation, die demgegenüber darauf abstellt, ob der Akt zugleich im ausländischen Staat eine „Entscheidung“ darstellt,20 mithin gerade nicht (mehr) verbreitet wiederfindet. 3. Berechtigung der funktionalen (teleologischen) Qualifikation lege fori Dass die aufgezeigte funktionale Qualifikation lege fori ihre Berechtigung hat, kann mithilfe von allgemeinen (methodischen) Grundsätzen belegt werden. Zu berücksichtigen ist nämlich zunächst, dass es sich bei den Anerkennungsvorschriften des internationalen Zivilverfahrensrechts wiederum um nationale Vorschriften handelt,21 die sich aber denknotwendig auf ausländische Akte beziehen, ihren Anwendungsbereich also ausschließlich in ausländischen Fallkonstellationen haben.22 Daher empfiehlt es sich auch hier, der herrschenden Qualifikation und Methodik aus dem internationalen Privatrecht zu folgen.23 D. h. im Ausgangspunkt ist von der lex fori auszugehen.24 Gerade auf Ebene der Anerkennung ist zu beachten, dass es der Grundkonzeption nach um eine ausländische Entscheidung, einen ausländischen Hoheitsakt geht, der an sich nur innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebietes Wirkung entfaltet, und dass erst das Recht des Anerkennungsstaates darüber entscheidet, ob und inwiefern diesem auch hier Geltung zu verleihen ist.25 Hierdurch kann der lex fori-Grundsatz dogmatisch zusätzlich untermauert werden.26 Jedoch darf dies wie„nach Zweck und Funktion […] fragen“); methodisch abw. hingegen für den Urteilsbegriff des § 328 ZPO wiederum Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (148) („der materiellrechtliche Weg der Substitution“ als „richtige[r] Lösungsweg“) – der aber ohnehin nicht von einer Natur als Qualifikationsproblem ausgeht (145 f.). 20 Für eine solche „doppelte Qualifikation“ Riezler, IZPR, § 12 8, S. 116; siehe (i. E. abl.) zur „Lehre von der Doppelqualifikation“ noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 184 (mit Nachw. zu den Vertretern dieser Lehre). 21 Siehe auch Martiny, IZVR III/1, Rn. 130 („lex fori“). 22 Vgl. zu Letzterem auch Riezler, IZPR, § 12 8, S. 116 – der jedoch sodann einer „doppelte[n] Qualifikation“ folgt; vgl. noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 184 (zumindest „im Kern“ auf die Notwendigkeit der „Berücksichtigung ausländischen Rechts“ hinweisend); ebenso Gerasimchuk, Urteilsanerkennung, S. 61. 23 Zu dieser oben unter § 3 B. 24 So auch die allg. methodische Untersuchung zum Entscheidungs- bzw. Urteilsbegriff bei Martiny, IZVR III/1, Rn. 186 („Qualifikation nach dem Recht des Forums, das die Anerkennungsfrage entscheiden muß“); noch Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.29 (allg. formuliert, bezüglich „autonome[r] deutsche[r] Vorschriften“); Reinl, Anerkennung, S. 73. 25 Siehe etwa BGH, Urt. v. 1. 6. 1983 – IVb ZR 386/81, NJW 1983, 1976 (1977) („Anerkennung, die kraft inländischer Staatsgewalt erfolgt“); Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 1 („deutscher Rechtsanwendungsbefehl“); Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 59; Kropholler, IPR, § 60 II, S. 659; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.1; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.119; Schack, IZVR, Rn. 923; Beule, StAZ 1979, 29 f.; Matscher, ZZP 103 (1990), 294 (307); schon Riezler, IZPR, § 50 1, S. 509 f.; vgl. noch Geimer, Anerkennung, S. 85 f.; Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 160; vgl. bereits Schwarz, Anerkennung, S. 3 f. 26 Siehe auch Habscheid, FamRZ 1981, 1142 (1145); noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 184 a. E.; Reinl, Anerkennung, S. 73.
A. (Methodischer) Überblick zum Entscheidungsbegriff (§ 109 FamFG)
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derum nicht zu einer starren Beurteilung führen,27 sondern es ist durch eine funktional-teleologische Betrachtungsweise und eine Untersuchung der Funktionen der in Frage stehenden Akte eine jeweils sachgerechte Beurteilung vorzunehmen.28 Folglich muss zum einen die Anerkennungsnorm – mit Blick auf die Abgrenzung zum internationalen Privatrecht29 – ausgelegt und auf ihren Sinn und Zweck hin genauer untersucht werden und zum anderen ist zu untersuchen, ob der in Frage stehende ausländische Akt funktional diesen Voraussetzungen entspricht.30 Hierfür kann außerdem darauf verwiesen werden, dass funktionale Überlegungen bei der Abgrenzung von Verfahrensrecht und materiellem Recht in internationalen Fällen eine Rolle spielen.31 Dies gilt vor allem, wenn man von der qualifikationsrechtlichen Bedeutung des lex fori-Prinzips für eine effektive Verfahrensdurchführung,32 worauf es im Anerkennungsrecht nicht ankommt, absieht. Auch bei der hier zu untersuchenden „anerkennungsrechtlichen“ Abgrenzungsproblematik („Entscheidung“ oder kollisionsrechtlich nachzuprüfender Akt?) geht es um eine Problematik an der Schnittstelle von internationalem Privatrecht und Zivilverfahrensrecht.33
II. Ausrichtung der anerkennungsrechtlichen Untersuchung 1. Abgrenzung zum besonderen Anerkennungsverfahren (§ 107 FamFG) Nach § 107 I 1 FamFG bedarf es eines besonderen Verfahrens, damit eine ausländische Entscheidung, durch die eine Ehe geschieden wird, überhaupt anerkannt werden kann. Eine Ausnahme gilt gemäß § 107 I 2 FamFG für sog. Heimatstaatsscheidungen. Grundsätzlich ist demnach eine in einem Drittstaat erfolgte Scheidung nicht automatisch anzuerkennen.34 27 Speziell mit Blick auf die Anerkennung auch Martiny, IZVR III/1, Rn. 186 („Begriffe des Rechts des Anerkennungsstaats weit […] fassen“, damit keine „Gefahr der Engstirnigkeit“); vgl. die Qualifikation im IPR oben unter § 3 B. 28 Ebenfalls bei der Qualifikation im Anerkennungsrecht auf „Zweck und Funktion“ abstellend wiederum Martiny, IZVR III/1, Rn. 186; ähnlich Reinl, Anerkennung, S. 74; vgl. die Qualifikation im IPR oben unter § 3 B. 29 Siehe oben unter § 2 A.II.3.b). 30 Vgl. wiederum die Qualifikation im IPR oben unter § 3 B. 31 Siehe hier nur MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 432; Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.20; näher unten unter § 5 B.II.1.b)cc). 32 Siehe mit Blick auf die qualifikationsrechtlichen Auswirkungen vor allem die Befürwortung einer großzügigen prozessrechtlichen Qualifikation bei Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (138 ff.); näher wiederum unten unter § 5 B.II.1.b)cc). 33 Siehe explizit Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 293 („Enge Zusammenhänge“). 34 Da Art. 21 I Brüssel IIa-VO (bzw. Artt. 30 I, 65 I Brüssel IIb-VO) eine automatische Anerkennung für Entscheidungen (bzw. öffentliche Urkunden und eingetragene Vereinbarungen) vorsieht, kann das Verfahren des § 107 I 1 FamFG aufgrund des vorrangigen Unionsrechts nur für Scheidungen aus Drittstaaten und nicht an den genannten Verordnungen
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Allerdings ist das Anerkennungsverfahren nach § 107 I 1 FamFG nicht ohne Weiteres durchzuführen, sondern nur, wenn es sich um eine „Entscheidung“ handelt. Daher stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Scheidungen hierunter fallen. Nach herrschender Meinung werden auch Privatscheidungen erfasst, wenn zumindest eine Behörde in irgendeiner Form mitgewirkt hat, also etwa auch durch bloßen (deklaratorischen) Registrierungsakt.35 Dabei greift wiederum, wobei dies nicht unumstritten ist, die Ausnahme der sog. Heimatstaatsklausel (§ 107 I 2 FamFG).36 Hintergrund des nach herrschender Meinung weiten Verständnisses des Entscheidungsbegriffs ist der Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens des § 107 I 1 FamFG, nämlich für das Inland die sichere, einheitlich bindende Feststellung (§ 107 IX FamFG) der (Nicht-)Anerkennung der ausländischen Scheidung zu ermöglichen.37 Aus diesem Grund möchte eine weit verbreitete Ansicht sogar jegliche teilnehmenden Mitgliedstaaten greifen (siehe auch § 97 I 2 FamFG); siehe eingehend etwa Hau, in: FS Spellenberg, S. 435 (443); noch BeckOK-FamFG/Sieghörtner, § 107 Rn. 2, 4; Johannsen/Henrich/Althammer/Henrich, § 107 FamFG Rn. 4; Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 4 f.; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 73. 35 Siehe etwa BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3594, Rn. 17); Beschl. v. 28. 11. 2018 – XII ZB 217/17, NJW 2019, 931 (932, Rn. 15); OLG München, Beschl. v. 13. 3. 2018 – 34 Wx 146/14, FamRZ 2018, 817 (818); Beschl. v. 1. 4. 2015 – 34 Wx 15/13, FamRZ 2015, 1611 (1612); zur Vorgängernorm Art. 7 § 1 FamRÄndG (siehe zur Nachfolge durch § 107 FamFG BT-Drs. 16/6308, S. 222) schon grundlegend BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (41 f.); noch BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (270 f.); Präs. OLG Celle, Bescheid v. 10. 11. 1997 – 3465 I 301/97, StAZ 1999, 146; aus der Lit. etwa BeckOK-FamFG/Sieghörtner, § 107 Rn. 8, 10; Johannsen/Henrich/ Althammer/Henrich, § 107 FamFG Rn. 10 f.; Keidel/Dimmler, § 107 Rn. 13, 15; MüKo-BGB/ W. v. Mohrenfels, Anh. Art. 17a EGBGB Rn. 92, 94; Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 107 Rn. 2; Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 58 (m. w. N. zur Rspr.), 61 f., 68; Thomas/ Putzo/Hüßtege, § 107 FamFG Rn. 6, 16; Zöller/Geimer, § 107 FamFG Rn. 22 ff.; Gärtner, Privatscheidung, S. 162 ff. (zur Vorgängernorm); Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 39; Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (338); Lorbacher, FamRZ 1979, 771 (772) (zur Vorgängernorm); noch Prütting/Helms/Hau, § 107 Rn. 24, 26 (wenngleich ein noch etwas weitergehendes Verständnis vertretend). 36 Grundlegend für eine Anwendung des § 107 I 2 FamFG auf die erfassten Privatscheidungen nunmehr BGH, Beschl. v. 28. 11. 2018 – XII ZB 217/17, NJW 2019, 931 (932, Rn. 17 ff.); ebenso NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 59; Prütting/Helms/Hau, § 107 Rn. 34; Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 98 (mit Hinweis auf den offeneren Wortlaut im Vergleich zur Vorgängernorm des Art. 7 § 1 I 3 FamRÄndG („Gericht“)); Thomas/Putzo/ Hüßtege, § 107 FamFG Rn. 6; Majer, NZFam 2019, 140; a. A. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 26. 10. 2004 – 4 WF 97/04, FamRZ 2005, 989 (zur etwas anderslautenden Vorgängernorm (Art. 7 § 1 I 3 FamRÄndG)); Keidel/Dimmler, § 107 Rn. 22; NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 16; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 211; bereits Beule, StAZ 1979, 29 (31) (unter Berufung auf den abweichenden Wortlaut der Vorgängernorm („Gericht“ in Art. 7 § 1 I 3 FamRÄndG)); einschränkend noch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 150. 37 Siehe zur Vorgängernorm BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (42 f.); Gärtner, Privatscheidung, S. 162 f.; zu diesem Hintergrund des weiten Verständnisses in der Praxis Schack, IZVR, Rn. 1051, 1046 (wobei von einer „sehr freie[n] Analogie“ des BGH sprechend, Rn. 1051); siehe noch MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Anh. Art. 17a EGBGB Rn. 92; schon Lorbacher, FamRZ 1979, 771 (772) (zur Vorgängernorm); vgl. noch Hau, in: FS
A. (Methodischer) Überblick zum Entscheidungsbegriff (§ 109 FamFG)
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Privatscheidungen, also auch solche ohne behördliche bzw. registrierende Mitwirkung, sog. reine Privatscheidungen dem Anerkennungsverfahren unterwerfen.38 Das weite Verständnis des Entscheidungsbegriffs beruht mithin auf den Spezifika des förmlichen Anerkennungsverfahrens des § 107 I 1 FamFG. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage nach dem Anerkennungsmaßstab, also die vorliegende Problematik, ob § 109 FamFG greift oder eine Wirksamkeitsprüfung anhand des anwendbaren Rechts vorzunehmen ist, sodass die Reichweite des Entscheidungsbegriffs des § 107 FamFG noch nichts über den vorliegend zu untersuchenden Entscheidungsbegriff des § 109 FamFG aussagt.39 2. Verbindung zu § 328 ZPO Bezüglich der Anerkennung von Scheidungen nach § 109 FamFG ist schließlich noch festzuhalten, dass diese Vorschrift an die Stelle des § 328 I ZPO getreten ist.40 Daher kann prinzipiell auch auf die Grundsätze und Ausführungen zu § 328 ZPO
Spellenberg, S. 435 (441); näher zum Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens etwa Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 1 f. m. w. N.; Geimer, IZPR, Rn. 3015; Hau, in: FS Spellenberg, S. 435 f. 38 Präs. OLG Frankfurt, Bescheid v. 19. 11. 2001 – 346/3-I/4 – 89/99, StAZ 2003, 137 (zur Vorgängernorm Art. 7 § 1 FamRÄndG); MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 28; NK-BGB/ Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 14; NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 59; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 149; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 205; ebenso zur Vorgängernorm Martiny, IZVR III/1, Rn. 1753; Andrae/Heidrich, FamRZ 2004, 1622 (1626); Beule, StAZ 1979, 29 (33); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (11); noch Kropholler, IPR, § 46 IV 4 b), S. 375 (analoge Anwendung der Vorgängernorm); siehe aber zur Kritik dagegen etwa Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 69; MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 17a EGBGB Rn. 94; schon Lorbacher, FamRZ 1979, 771 (772) (zur Vorgängernorm); krit. auch Prütting/Helms/Hau, § 107 Rn. 26 (jedoch bei fakultativer, aber unterbliebener behördlicher Mitwirkung dennoch § 107 FamFG anwenden wollend); dagegen noch Schack, IZVR, Rn. 1050. Schließlich stellt sich noch die Frage, ob bei reinen Privatscheidungen das Anerkennungsverfahren wenigstens fakultativ durchgeführt werden kann; siehe nur (bejahend) BGH, Beschl. v. 28. 11. 2018 – XII ZB 217/17, NJW 2019, 931 (932, Rn. 20); (bejahend) Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 70 m. w. N. 39 Nachdrücklich zur vorherigen Rechtslage (Art. 7 § 1 FamRÄndG und § 328 ZPO) Gärtner, Privatscheidung, S. 182 f.; noch Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 159; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 f., 14; siehe zur Differenzierung von Anerkennungsverfahren und -maßstab noch MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 26; NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 59; Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 19, § 108 FamFG Rn. 101; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 40 f.; Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (338 f.); Krömer, StAZ 2019, 309 (310 f.); anders Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746) (für ein paralleles Verständnis – obgleich die unterschiedlichen Hintergründe sehend); hierzu tendierend bereits Siehr, IPRax 2009, 332 (334); siehe hierzu noch unten unter § 4 C.I.1.b)aa)(1) bzw. § 4 C.I.1.b)bb). 40 Vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 222 („übernimmt den Regelungsgehalt des § 328 ZPO und des § 16a FGG“).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
zurückgegriffen werden41 – sofern sich nicht gerade ein Unterschied aus der spezifischen Ausgestaltung des § 109 FamFG im Vergleich zu § 328 ZPO ergibt.42
B. Prinzipielle Einbeziehungsmöglichkeit von Behörden bzw. Notaren I. Überblick zur weitgehend anerkannten Einbeziehungsmöglichkeit 1. § 109 FamFG bzw. § 328 ZPO und (verwaltungs-)behördliche Scheidungen Vor Einführung des § 109 FamFG, unter Geltung des § 328 ZPO war insbesondere aufgrund des dieser Norm zu entnehmenden Merkmals des „Urteils eines ausländischen Gerichts“ fraglich, ob hierunter nicht nur gerichtliche, sondern auch verwaltungsbehördliche Scheidungen fallen konnten.43 Einzelne Stimmen beriefen bei solchen Scheidungen anstelle der Anerkennungsregel des § 328 ZPO etwa die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung,44 oder stellten schlicht auf das internationale Verwaltungsrecht ab.45 Schon unter Geltung des § 328 ZPO wendeten aber verbreitet sowohl Rechtsprechung als auch das Schrifttum diese Vorschrift ausdrücklich auf verwaltungsbehördliche Scheidungen an,46 vereinzelt zumindest analog.47 41
Siehe allg. NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 48. 42 So spricht § 109 FamFG etwa von „Entscheidung“ und nicht von „Urteil“, sodass sich offenere Interpretationen ergeben können; siehe speziell mit Blick auf Scheidungen Siehr, IPRax 2009, 332 (334); näher mit Blick auf Behörden nachfolgend unter § 4 B.II. 43 Siehe etwa Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 217; eingehend zu „administrative[n] Ehescheidungen“ Gärtner, Privatscheidung, S. 179 f.; Martiny, IZVR III/1, Rn. 519. 44 Gegen die Einbeziehung „administrative[r] Ehescheidungen“ bei § 328 ZPO ausführlich Gärtner, Privatscheidung, S. 179 ff., 183 f.; i. E. schon Lewald, IPR, Nr. 171, S. 125; Nussbaum, IPR, S. 165. 45 Zu Letzterem Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 109, 112; so bei Akten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit für den Fall fehlender Unabhängigkeit Habscheid, FamRZ 1981, 1142 (1145); siehe noch Geimer, IPRax 2005, 325 (326) („Rechtslogisch richtig wäre es, das internationale Verwaltungsrecht heranzuziehen“, jedoch auf die dortige „Normendürre“ hinweisend, die eine Ableitung „aus allgemeinen Rechtsprinzipien“ erfordere). 46 OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610) (norwegische Fylkesmann-Scheidung); Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 219; Henrich, IntFamR, S. 153 f.; Herfarth, Scheidung, S. 439; Martiny, IZVR III/1, Rn. 520 (beispielhafte Nennung der „Scheidung durch königliche Bewilligung in Dänemark“ m. w. N.). 47 Haecker, Anerkennung2, S. 29 („nach allgemeiner Meinung auf alle Arten von Behördenentscheidungen entsprechend anzuwenden“); Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 141 f.,
B. Prinzipielle Einbeziehungsmöglichkeit von Behörden bzw. Notaren
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Heutzutage unterstellt das überwiegende Schrifttum eine Scheidung wie die norwegische Fylkesmann-Scheidung, eine verwaltungsbehördliche,48 explizit der verfahrensrechtlichen Anerkennung nach § 109 FamFG,49 wiederum vereinzelt aber nur bzw. immerhin analog.50 Auch in der Rechtsprechung finden bei der (möglichen) Anerkennungsfähigkeit von Scheidungen nach § 109 FamFG bisweilen nicht nur Gerichte, sondern ausdrücklich auch Behörden Erwähnung.51 Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle somit festhalten, dass die behördliche Natur einer Scheidung als solche weitgehend nicht als Problem angesehen wird.52 2. Behörden in internationalen Adoptionsund sog. Leihmutterschaftsfällen (§§ 108, 109 FamFG) Bei §§ 108, 109 FamFG – die an die Stelle des § 16a FGG a. F. getreten sind53 – geht es um die verfahrensrechtliche Anerkennung in anderen Bereichen des FamFG als dem Scheidungsrecht. § 108 FamFG stellt klar, dass es im Gegensatz zu den Ehesachen bzw. Scheidungen (§ 107 FamFG) für ausländische Entscheidungen grundsätzlich keines besonderen Verfahrens bedarf. Eine Ausnahme gilt nach der Neuregelung aber für (Adoptions-)Entscheidungen nach § 1 II AdWirkG, die gemäß letzterer Norm eines Anerkennungsfeststellungsverfahrens bedürfen.54 Der entsprechende Maßstab für die Anerkennung ist sodann wiederum § 109 FamFG zu
144 („entsprechende[ ]“ bzw. „analoge Anwendung“) – und ohnehin engere Merkmale bei § 328 I ZPO nennend, S. 64, 100. 48 Siehe an dieser Stelle näher zum norwegischen Fylkesmann als Verwaltungsbehörde nur Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (270 i. V. m. Fn. 12). 49 Siehe speziell hierzu Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 5; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG, Rn. 110, 113; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239 (Verweis auf die entsprechende Rspr. zu § 328 ZPO); Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.37; noch Schack, IZVR, Rn. 963 (jedoch ohne § 109 FamFG zu nennen). 50 Von einer analogen Anwendung des § 109 FamFG bei „Entscheidungen von Verwaltungsbehörden“ und „z. B. für Standesamtsscheidungen“ ausgehend Geimer, IZPR, Rn. 2873. 51 KG, Beschl. v. 1. 12. 2020 – 1 VA 1001/20, MDR 2021, 299. 52 Siehe Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 113 (für „Scheidungen durch ausländischen Verwaltungsakt […] heute anerkannt“); ebenso die Analyse der h. M. von Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (343) („Unstreitig“). Gänzlich unbestritten sind die allgemeinen Merkmale zu § 328 I ZPO im Einzelnen jedoch nicht; siehe hierzu weiter unten unter § 4 B.II. 53 Siehe BT-Drs. 16/6308, S. 222. 54 Siehe zur Neuregelung sowohl des § 108 FamFG als auch des § 1 AdWirkG die Änderung durch Art. 3 Nr. 1 bzw. Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption (Adoptionshilfe-Gesetz) v. 12. 2. 2021, BGBl. 2021 I, S. 226. Diese Neuregelung ist nach Art. 6 des Adoptionshilfe-Gesetzes v. 12. 2. 2021 am 1. 4. 2021 in Kraft getreten.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
entnehmen.55 Somit entscheidet also auch hier der Entscheidungsbegriff darüber, ob eine verfahrensrechtliche Anerkennung möglich ist. Blickt man auf die in Rechtsprechung und Schrifttum angeführten internationalen Adoptions- oder sog. Leihmutterschaftsfälle56, so findet man zahlreiche Formulierungen, die bei Behörden oder auch Notaren explizit von einer (grundsätzlich möglichen) Anerkennungsfähigkeit ausgehen.57 Es wird bisweilen sogar ausdrücklich hervorgehoben, der behördlichen Natur als solcher komme regelmäßig keine allzu große Bedeutung zu.58 Deutlich zeigt sich dies zuletzt auch in einem neueren BGH-Beschluss zu einer Leihmutterschaft nach ukrainischem Recht, in dem zwar zuerst von einer funktionalen Entsprechung der Behörde mit einem Gericht,59 sodann aber von einer funktionalen Entsprechung der Entscheidung selbst die Rede ist.60 Demnach kommt es im Ergebnis also auf den jeweiligen Akt, die konkrete Tätigkeit im Einzelnen und nicht auf die Vergleichbarkeit der Institution als solche an.61
55
Siehe etwa Johannsen/Henrich/Althammer/Henrich, § 108 FamFG Rn. 17; Keidel/ Dimmler, § 108 Rn. 5; HK-ZPO/Kemper, § 108 FamFG Rn. 7, 12; noch Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1627). 56 Siehe zum Begriff etwa wiederum Benicke, StAZ 2013, 101 (102). 57 Im adoptionsrechtlichen Kontext zu § 16a FGG a. F. und Behörden und Notaren etwa KG, Beschl. v. 2. 12. 2008 – 1 W 100/08, FamRZ 2009, 1603 (1605); LG Potsdam, Beschl. v. 1. 11. 2010 – 5 T 447/10, BeckRS 2011, 12676; aus der Lit. zu Behörden und Notaren Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 105; zu Behörden etwa MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 73 f.; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 79; zu § 16a FGG a. F. Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB; Looschelders, Art. 22 EGBGB Rn. 33; Henrich, IntFamR, S. 326 f.; im abstammungsrechtlichen Kontext zu Behörden BGH, Beschl. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (allg. formuliert); inklusive Notaren Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 7; analog für Behörden OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (Rn. 2) (allg. formuliert). 58 Vgl. zur Leihmutterschaft Duden, StAZ 2014, 164 (166) („Meist stellt die institutionelle Herkunft der Entscheidung […] kein Hindernis dar.“). 59 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (Rn. 12). 60 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13). 61 Vgl. auch Duden, Leihmutterschaft, S. 115 („Entscheidend sind die Art der Entscheidung und die Funktion des handelnden Organs, nicht dessen Rechtsnatur.“). Der Ausschluss bestimmter behördlicher Akte beruht letztendlich auf weiteren (umstrittenen) Merkmalen; vgl. dazu den noch nachfolgenden Meinungsstand zu den erfassten Akten unten unter § 4 C.; siehe auch die im abstammungsrechtlichen Kontext erfolgende allg. Analyse zu § 108 FamFG bei Frie, NZFam 2018, 97 (98) (Wann eine Behörde in ihrer Stellung funktional bzw. dem Verfahren nach einem Gericht entspreche, „bleibt allerdings offen, sofern nicht auf die weiteren genannten Kriterien zurückgegriffen wird“.). Ohnehin gegen das Kriterium der funktionalen Vergleichbarkeit der Behörde mit einem Gericht aber – wobei mit anderer Begründung – OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1497) (in einem Leihmutterschaftsfall; „[k]ein taugliches Kriterium zur Abgrenzung“) – wobei dieser Beschluss aufgehoben wurde durch BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608; unter Bezugnahme auf das OLG Celle gegen dieses Kriterium noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 8 (für Abstammungssachen).
B. Prinzipielle Einbeziehungsmöglichkeit von Behörden bzw. Notaren
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II. Untersuchung und Stellungnahme Als Gericht im Sinne des § 328 I ZPO ist, ganz generell, nach grundlegender BGH-Rechtsprechung jede „mit staatlicher Autorität bekleidete Stelle“ zu verstehen, „die nach den in Frage kommenden ausländischen Gesetzen auf Grund eines prozessualen Verfahrens zur Entscheidung von privatrechtlichen Streitigkeiten berufen ist“. Eine Anerkennung nach § 328 ZPO dürfe nicht nur bei Urteilen aus Staaten erfolgen, „die im Aufbau ihrer Gerichtsbarkeit die rechtsstaatlichen Grundsätze beachten, wie sie der Gerichtsverfassung der Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegen“.62 Insbesondere im Schrifttum ist für einige aber relevant, dass das Verfahren rechtliches Gehör gewährt,63 und teilweise, dass der Entscheidungsträger nicht weisungsgebunden, sondern unabhängig ist.64 Letzteres diente bisweilen gerade als Begründung dafür, verwaltungsbehördliche Scheidungen von § 328 ZPO auszuschließen.65 Den Gerichtsbegriff mit den zuvor genannten Merkmalen des rechtlichen Gehörs und der Unabhängigkeit einzugrenzen, lehnen jedoch weite Teile des Schrifttums zu Recht generell explizit ab. Das Fehlen dieser Merkmale schlägt sich vielmehr in den Anerkennungshindernissen (§ 328 I Nr. 2 bzw. Nr. 4 ZPO) nieder, weshalb der Gerichtsbegriff offener zu verstehen ist.66 Im Anschluss an das zitierte BGH-Urteil betonen das Schrifttum verbreitet und bisweilen auch die Rechtsprechung, dass für § 328 ZPO nicht alle Gerichtsmerkmale des deutschen Rechts erfüllt sein müssten und die mit staatlicher Autorität versehene
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BGH, Urt. v. 9. 5. 1956 – IV ZR 201/55, BGHZ 20, 323 (329). So Gärtner, Privatscheidung, S. 174 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.160; siehe schon dies., IZPR6, § 11 Rn. 141; siehe noch RG, Urt. v. 30. 6. 1886 – I 183/83, RGZ 16, 427 (428) (zum Urteilsbegriff der damaligen Vollstreckungsnorm für ausländische Urteile, § 661 ZPO); ebenso zum Urteilsbegriff des § 328 ZPO Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 54; Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 64, 100; Schack, IZVR, Rn. 960; schon Riezler, IZPR, § 51 3, S. 529. 64 So Gärtner, Privatscheidung, S. 174 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.160; siehe schon dies., IZPR6, § 11 Rn. 141. 65 Siehe wiederum eingehend und mit weiteren Argumenten Gärtner, Privatscheidung, S. 179 ff.; vgl. aber bereits Nagel/Gottwald, IZPR6, § 11 Rn. 227 (Urteilsbegriff des § 328 ZPO „[sollte] extensiv ausgelegt werden“, i. E. eine Anwendbarkeit des § 328 ZPO etwa bei „Entscheidungen durch den norwegischen ,Fylkesman‘“ annehmend) – trotz des dort eingeschränkten Gerichtsbegriffs, § 11 Rn. 141. 66 Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 189 (bezüglich rechtlichen Gehörs, unter dem Begriff des Urteils erörternd), i. E. Rn. 217, 219 (bezüglich Unabhängigkeit); Martiny, IZVR III/1, Rn. 468 (bezüglich rechtlichen Gehörs, unter dem Begriff des Urteils erörternd), 498 (Gerichtsbegriff „weit zu fassen“), 499 (bezüglich Unabhängigkeit); noch Geimer, Anerkennung, S. 97 (bezüglich rechtlichen Gehörs – aber Entscheidungen von Verwaltungsbehörden nicht unter § 328 ZPO fallen lassend, S. 102); Geimer, IZPR, Rn. 2852 (bezüglich rechtlichen Gehörs); ebenso zum Gerichtsbegriff – wenngleich unter § 108 FamFG erörternd – Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 102 f. 63
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Entscheidungsbefugnis ausreiche.67 Andere gehen ebenfalls von dieser Definition aus, beziehen aber das Merkmal des prozessualen Verfahrens mit ein.68 Dass das prozessuale Verfahrensmerkmal nach ersterer Definition ausgelassen wird, dürfte sich wiederum gerade dadurch erklären lassen, dass ein solches Merkmal bei Verwaltungsbehörden problematisch werden könnte.69 Zum Teil wird bei Verwaltungsbehörden schließlich auch ausdrücklich eine allgemeine Anwendung des § 328 ZPO verworfen.70 Vorzugswürdig ist aber, auch hier der offeneren Definition und nicht dem Verfahrensmerkmal zu folgen, da man sich wiederum vor Augen halten muss, dass Verfahrensaspekte erst bei den Anerkennungshindernissen Berücksichtigung finden.71 Das Schrifttum nennt daher bei § 328 ZPO zu Recht verbreitet Behörden als taugliche Stellen,72 Vertreter engerer Definitionen bisweilen ebenfalls, aber nur unter analoger Anwendung.73
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OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008–12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610) (allg. formulierend im Kontext der norwegischen Fylkesmann-Scheidung); Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 210; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 68 (trotz des Ausschlusses von Verwaltungsbehörden, Rn. 67); ebenso zum Begriff des Gerichts – obgleich im Zusammenhang mit § 108 FamFG – Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 102 f. 68 Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 61 (Hervorhebung des „prozessförmigen Verfahren[s]“ – und zudem, wie gesehen, den Urteilsbegriff auch anhand des rechtlichen Gehörs einschränkend, Rn. 54); Geimer, Anerkennung, S. 100 („justizförmige[s] Verfahren“ – und zugleich, wie zuvor erwähnt, Entscheidungen von Verwaltungsbehörden nicht unter § 328 ZPO fallen lassend, S. 102); Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 64 – wobei ebenfalls, wie gezeigt, den Urteilsbegriff mit Blick auf das rechtliche Gehör enger bestimmend, S. 64, 100; ähnlich Geimer, IZPR, Rn. 2870 („geregelte[s] Verfahren[ ]“); Martiny, IZVR III/1, Rn. 498 („förmliche[s] Verfahren“). 69 Anmerkend, dass dann nämlich ein Verwaltungsakt nicht anerkannt werden kann, Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 218. 70 OLG Koblenz, Urt. v. 2. 3. 2004 – 11 UF 250/03, IPRax 2005, 354 (355) („Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde [von § 328 ZPO] ausgenommen“); Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 5; siehe noch Zöller/Geimer, § 328 Rn. 67 – trotz der offeneren Definition in Rn. 68; ders., Anerkennung, S. 102; hingegen nur gegen eine „unmittelbar[e]“, aber (in gewissen Fällen) für eine „analoge Anwendung“ Geimer, IZPR, Rn. 2873 – trotz der engeren, das Verfahrensmerkmal nennenden Definition, Rn. 2870; i. E. sogar schon für eine Anwendung des § 328 ZPO bei „Entscheidungen durch Verwaltungsbehörden“ Nagel/Gottwald, IZPR6, § 11 Rn. 227 – obwohl einen eingeschränkteren Gerichtsbegriff vertretend, § 11 Rn. 141. 71 Vgl. zum FamFG Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 114. 72 Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 210, 219; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 157 Rn. 36; Beule, StAZ 1979, 29 (32) („Urteile[ ] und vergleichbare[ ] Hoheitsakte[ ]“); siehe noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 519 f. (Behörden bei Ausübung „gerichtlicher Funktionen in Zivilsachen“ – trotz des bei der Definition genannten Verfahrensmerkmals, Rn. 498); Nagel/Gottwald, IZPR6, § 11 Rn. 227 – trotz Befürwortung eines engeren Gerichtsbegriffs, § 11 Rn. 141; abl. wiederum OLG Koblenz, Urt. v. 2. 3. 2004 – 11 UF 250/03, IPRax 2005, 354 (355) („Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde [von § 328 ZPO] ausgenommen“). 73 Geimer, IZPR, Rn. 2873 (bei „Entscheidungen von Verwaltungsbehörden“ nur analog) – und, wie gerade gesehen, ohnehin auch das Verfahren als Merkmal bei § 328 I ZPO nennend, Rn. 2870; für eine direkte Anwendung – trotz der zuvor erwähnten Betonung des „prozess-
B. Prinzipielle Einbeziehungsmöglichkeit von Behörden bzw. Notaren
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Beim heutzutage in Scheidungsfällen anwendbaren § 109 FamFG ist folglich gleichermaßen zu beachten, dass etwaige einschränkende Verfahrens- oder Unabhängigkeitsmerkmale erst in den Anerkennungshindernissen des § 109 I FamFG Niederschlag finden.74 Dafür, behördliche Scheidungen einzubeziehen, lässt sich insbesondere der Wortlaut des § 109 I FamFG anführen, der nicht wie § 328 I ZPO vom „Urteil[ ] eines ausländischen Gerichts“ spricht, sondern von vornherein wesentlich offener lediglich von „einer ausländischen Entscheidung“.75 Wirft man einen ganz generellen Blick auf §§ 108, 109 FamFG, so stößt man auch überwiegend auf die allgemeine Aussage, die Entscheidung müsse nicht eine gerichtliche sein, sondern könne auch einer Behörde entstammen, wenn diese „mit staatlicher Autorität ausgestattet ist“.76 Sogar Notare finden sich unter bestimmten Umständen als taugliche Stelle genannt.77 Behördliche Entscheidungen werden nach herrschender allgemeiner Formulierung aber nur erfasst, wenn die Behörde einem deutschen Gericht „funktional“78 bzw. „in ihrer Stellung“ entspricht,79 teilweise wird gesagt, auch ihrem Verfahren nach.80 förmigen Verfahren[s]“ – Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 61 (staatlich anerkannte Stelle, sofern „rechtsprechender Hoheitsakt“). 74 Zu Letzterem Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 102 f., 110 ff. 75 Siehe die Hervorhebung bei der Darstellung der h. M. und Behördenscheidungen bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (343, Fn. 16) (Verweis auf §§ 107 ff. FamFG); mit Blick auf Privatscheidungen Siehr, IPRax 2009, 332 (334); zu § 108 FamFG im Kontext der sog. Leihmutterschaftsfälle Duden, Leihmutterschaft, S. 112 f.; für eine entsprechende Reform des § 328 ZPO („Entscheidung statt Urteil“) schon Martiny, IZVR III/1, Rn. 550. 76 So die allg. Formulierung in einem Leihmutterschaftsfall BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (Rn. 12); siehe Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 5; Staudinger/ Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 102; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.37; Klinck, FamRZ 2009, 741 (743); dem folgend Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1625); siehe noch HK-ZPO/Kemper, § 108 FamFG Rn. 8 (schlicht von „Entscheidungen staatlicher Stellen“, von „Gerichte[n] oder Behörden“ sprechend). 77 MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 10; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239, O 7; von einer „analoge[n] Anwendung“ ausgehend wiederum OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (Rn. 2) – wobei dies allg. formulierend und nicht nur auf Leihmutterschaftsfälle beziehend; siehe noch Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 6; „Notariate“ ebenfalls noch erwähnend Johannsen/Henrich6/Henrich, § 108 FamFG Rn. 17, Fn. 13; enger nunmehr Johannsen/Henrich/Althammer/Henrich, § 108 FamFG Rn. 17, Fn. 16 (nur noch Behörden nennend). 78 So wiederum im Fall zur Leihmutterschaft, aber allg. formulierend BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (Rn. 12); siehe Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 5; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.37; noch Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, § 108 Rn. 1; Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 12; MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 10; a. A. wiederum im abstammungsrechtlichen Kontext, aber allg. zu § 108 FamFG OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1497) („[k]ein taugliches Kriterium zur Abgrenzung“) – jedoch aufgehoben durch den hier zitierten BGH-Beschluss; ebenso wie das OLG Celle Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 8; dem OLG Celle zustimmend noch Biermann, NZFam 2017, 662 (663). 79 Klinck, FamRZ 2009, 741 (743); dem folgend Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1625); unter Bezugnahme auf § 328 ZPO Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 108 FamFG Rn. 2; siehe noch in
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Ein Verfahrensmerkmal könnte je nach Strenge des Merkmals zwar wiederum gerade bei Verwaltungsakten problematisch werden.81 Gleiches könnte für das Merkmal der vergleichbaren „Stellung“ bei einem engen Verständnis gelten.82 Die einschränkende Wirkung solcher Merkmale findet sich aber dort im Prinzip bereits dadurch nivelliert, dass schon explizit nicht das Organ, sondern die Entscheidung vergleichbar sein solle,83 oder sich ein solches Verständnis aus der Gegenüberstellung „lediglich ausführende[r] Akte“ wie Registrierungen84 ergibt. Nach dem gerade zuvor Gesagten ist es ohnehin nicht überzeugend, bereits den Entscheidungsbegriff selbst durch ein spezifisches Verfahrensmerkmal einzuschränken, spezifische Verfahrensfragen spielen vielmehr erst auf Ebene der Anerkennungshindernisse eine Rolle.85 Es ist daher lediglich das Merkmal der allgemeinen Ansicht zu beachten, welches fordert, dass die fragliche Stelle „mit staatlicher Autorität ausgestattet ist“.86 Gleichzeitig ist es aber gerechtfertigt und erforderlich, mit der erwähnten herrschenden Formulierung die funktionale Vergleichbarkeit des Behördenakts in den Fokus zu nehmen. Wie weiter oben dargelegt, ist bei dem Begriff der „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) eine funktional-teleologische Qualifikation lege fori vorzunehmen.87 Die abstrakte, pauschale Vergleichbarkeit mit (Funktionen oder Verfahren von) Gerichten ist folglich richtigerweise nicht als entscheidungsträchtiges Kriterium anzusehen, sondern die konkrete Natur des Akts und Funktion der handelnden Stelle im Einzelfall.88 Ehesachen Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239 – nicht darauf abstellend aber in Abstammungssachen, Rn. O 8. 80 Zu Letzterem Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, § 108 Rn. 1; Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 12; siehe noch Klinck, FamRZ 2009, 741 (744) („geordnetes Verfahren“); im leihmutterschaftsrechtlichen Kontext zu § 108 FamFG, aber allg. formulierend Duden, Leihmutterschaft, S. 114 („in einem förmlichen Verfahren“). 81 Vgl. wiederum die kritische Auseinandersetzung mit dem rechtlichen Gehör im scheidungsrechtlichen Kontext bei Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 110 f., noch Rn. 102 (wobei dort jedoch vor allem auf den Gerichtsbegriff und Ansichten zu § 328 ZPO eingegangen wird). 82 Vgl. Klinck, FamRZ 2009, 741 (743), der eine „deutschen Gerichten entsprechen[de]“ Stellung verlangt und hierbei offenbar Verwaltungsbehörden ausnehmen möchte (743, Fn. 16). 83 Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, § 108 Rn. 1. 84 Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 12; ähnlich Klinck, FamRZ 2009, 741 (743). 85 Siehe wiederum Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 114, Rn. 102 f., 111 (Argumentation speziell zum Merkmal des rechtlichen Gehörs und der richterlichen Unabhängigkeit). 86 Siehe wiederum die Formulierung bei BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (Rn. 12); Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 5; noch Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 102; Duden, Leihmutterschaft, S. 114; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.37; Klinck, FamRZ 2009, 741 (743); dem folgend Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1625); siehe noch HKZPO/Kemper, § 108 FamFG Rn. 8 (von „Entscheidungen staatlicher Stellen“ sprechend). 87 Siehe oben unter § 4 A.I.3. 88 Vgl. abermals auch Duden, Leihmutterschaft, S. 115 („Entscheidend sind die Art der Entscheidung und die Funktion des handelnden Organs, nicht dessen Rechtsnatur.“).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Zuletzt ist hierbei zu § 109 FamFG noch zu klären, ob der erwähnten vereinzelten Ansicht zu behördlichen Scheidungen folgen ist, nach der diese Norm lediglich analoge Anwendung finden soll,89 eine Überlegung die teilweise ganz generell für behördliche Entscheidungen geäußert wird.90 Einer Analogie bedarf es nach der dargelegten Offenheit des Wortlauts allerdings gerade nicht. Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle folglich festhalten, dass die Natur der tätig werdenden Stelle als solche bei den vorliegend zu untersuchenden (Privat-) Scheidungen mit gerichtlichem, (register-)behördlichem oder notariellem91 Akt nicht problematisch ist.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte I. Überblick zum Meinungsstand zu den Entscheidungsbegriffen 1. Verfahrensrechtliche Anerkennung von Scheidungen (§ 109 FamFG) a) Herrschender Entscheidungsbegriff des konstitutiven Hoheitsakts Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine im Ausland erfolgte Scheidung einer verfahrensrechtlichen Anerkennung als „Entscheidung“ zugänglich, wenn ein konstitutiver Hoheitsakt gegeben ist.92 Privatscheidungen seien demgegenüber nicht anzuerkennen, für diese verweist die Rechtsprechung vielmehr auf das internationale 89
Geimer, IZPR, Rn. 2873 (Beispiel einer Standesamtsscheidung für verwaltungsbehördliche Entscheidungen). 90 Nur von einer „analoge[n] Anwendung“ ausgehend die Gesetzesbegründung zur Vorgängernorm (§ 16a FGG a. F.) BT-Drs. 10/504, S. 93; ebenso OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (Rn. 2); Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 6; wiederum auch allg. für „Verwaltungsbehörden“ noch Geimer, IZPR, Rn. 2873. 91 Siehe wiederum rechtsvergleichend zur verbreiteten Stellung des Notars als öffentlichen Amtsträger nur Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 725 ff., 729 ff. (mit Länderübersicht in Rn. 751). 92 Zu § 328 ZPO BGH, Urt. v. 25. 8. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 36) (Scheidung nach jüdischem Recht); Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272) (thailändische Scheidung); zum FamFG KG, Beschl. v. 1. 12. 2020 – 1 VA 1001/20, MDR 2021, 299 (Scheidung nach nicaraguanischem Recht); zu § 328 ZPO OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610); vgl. noch BGH, Urt. v. 2. 2. 1994 – XII ZR 148/ 92, IPRax 1995, 111 (112 f.) (Scheidung nach jüdischem Recht); noch BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382) (jordanische „sog. Al-Mukhalaa“Scheidung vor dem Scharia-Gericht); Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, 430 (431 f., 434) (jordanische Verstoßung, sog. talaq); LJV BW, Entsch. v. 23. 5. 1986 – 346 E – 325/85, IPRax 1988, 170 (171) (pakistanischer talaq); so i. E. – wenngleich schlicht von fehlendem Hoheitsakt sprechend – noch OLG Stuttgart, Beschl. v. 3. 12. 1998 – 17 VA 6/98, IPRax 2000, 427 (jordanischer talaq).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Privatrecht.93 Der Begriff der Privatscheidung wird also im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Scheidung94 und der Begriff des konstitutiven Hoheitsakts im Sinne eines rechtsgestaltenden, eheauflösenden Hoheitsakts verstanden,95 was der oben erläuterten Bedeutung des Begriffes „konstitutiv“ im strengen Sinn entspricht.96 Das überwiegende Schrifttum vertritt im internationalen Scheidungsrecht ebenfalls einen solchen Entscheidungsbegriff und unterstellt Privatscheidungen gleichermaßen den Regeln des internationalen Privatrechts.97 Es ist nach herrschender Meinung mithin gleichgültig, ob ein Gericht (oder eine Behörde98) mitwirkt, solange es sich nur um eine (gegebenenfalls überprüfende) Beteiligung an einer Privatscheidung handelt und kein konstitutiver Hoheitsakt 93 Zum FamFG aus neuerer Zeit BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3594 f., Rn. 23 i. V. m. 3593 f., Rn. 14 ff.); vgl. Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 15) (in einem Fall zur fehlenden Anerkennungsfähigkeit einer abstammungsrechtlichen Registereintragung); zu § 328 ZPO BGH, Urt. v. 25. 8. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 36); Urt. v. 2. 2. 1994 – XII ZR 148/92, IPRax 1995, 111 (113); Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272); zum FamFG KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302; zu § 328 ZPO etwa noch OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610); BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/ 02, FamRZ 2003, 381 (382); OLG Stuttgart, Beschl. v. 3. 12. 1998 – 17 VA 6/98, IPRax 2000, 427; Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, 430 (434). 94 Zu § 328 ZPO BGH, Urt. v. 25. 8. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 36); Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272); OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610); BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382). 95 Vgl. gerade BGH, Urt. v. 25. 8. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 36, i. V. m. 371, Rn. 26); BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382); Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, 430 (431 f.); LJV BW, Entsch. v. 23. 5. 1986 – 346 E – 325/85, IPRax 1988, 170 (171). 96 Siehe dazu oben unter § 2 C. 97 Etwa jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 62, 65; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 101, 123, § 109 FamFG Rn. 333, 339, 342, 349 (wenngleich die Frage einer analogen Anwendung des § 109 FamFG für gewisse Privatscheidungen aufwerfend, Rn. 342); ebenso zu § 328 ZPO schon Gärtner, Privatscheidung, S. 175, 178 f.; Herfarth, Scheidung, S. 438 f.; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1744; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14); siehe noch Erman/ Stürner, Art. 2 Rom III-VO Rn. 14; knapp MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Anh. Art. 17a EGBGB Rn. 113; siehe noch Palandt/Thorn, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239; Krömer, StAZ 2020, 117 (119); vgl. noch Beule, StAZ 1979, 29 (35); Krzywon, StAZ 1989, 93 (102 f.). Auch wenn dort bisweilen eine Umschreibung auftaucht, die eine sog. konstitutive Mitwirkung nicht für eine Anerkennung genügen lassen will (Herfarth, Scheidung, S. 439), verdeutlicht die dortige Abgrenzung, dass damit eine abweichende Begriffsverwendung des Worts „konstitutiv“ erfolgt, es wird im Sinne eines Wirksamkeitserfordernis benutzt und für die Anerkennung sehr wohl ein konstitutiver Hoheitsakt im Sinne eines hoheitlichen Gestaltungs- bzw. Scheidungsakts gefordert; vgl. Herfarth, Scheidung, S. 439 („der staatliche Akt [muss] die eheauflösende Wirkung haben“); vgl. zu diesem Begriffsunterschied auch die feine begriffliche Unterscheidung – als Vertreter der h. M. – bei Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 329 („konstitutives Wirksamkeitserfordernis“), 333 („konstitutiv ieS“). 98 Siehe dazu schon oben unter § 4 B.I.1.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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gegeben ist.99 Insbesondere stellt die herrschende Meinung klar, dass bloße Registrierungs- oder Beurkundungsakte nicht ausreichten, um die Scheidung nicht mehr als Privatscheidung anzusehen.100 Einverständlich erklärte Scheidungen oder Verstoßungen nach islamischem Recht mittels einseitiger Willenserklärung (sog. talaq101), die einer gerichtlichen Registrierung bedürfen, sind nach der herrschenden Meinung nicht anerkennungsfähig.102
99 Zu § 328 ZPO grundlegend BGH, Urt. v. 25. 8. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (374 f., Rn. 34, 36) (Scheidung nach jüdischem Recht als nicht anerkennungsfähige Privatscheidung, „auch wenn diese in ein […] gerichtsförmiges Verfahren eingebettet ist“.); ebenso aus neuerer Zeit zu § 109 FamFG etwa BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3594 f., Rn. 23 i. V. m. 3594, Rn. 16); vgl schon BGH, Urt. v. 2. 2. 1994 – XII ZR 148/92, IPRax 1995, 111 (112) („das Rabbinatsgericht überwacht lediglich“); siehe zu § 109 FamFG KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302 (Einordnung der einvernehmlichen Scheidung nach japanischem Recht als Privatscheidung trotz „Prüfung“ durch Registerbehörde); vgl. noch Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, 430 (432, 434); LJV BW, Entsch. v. 23. 5. 1986 – 346 E – 325/85, IPRax 1988, 170 (171); aus der Lit. etwa jurisPK/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 62, 65; Staudinger/ Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 101 f., 127, § 109 FamFG Rn. 333 f., 339, 342; zu § 328 ZPO Gärtner, Privatscheidung, S. 178 f.; Herfarth, Scheidung, S. 441 (für die Scheidung nach jüdischem Recht). 100 BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3 Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382); etwa Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, 430 (432); siehe noch KG, Beschl. v. 19. 3. 2013 – 1 VA 12/12, FamRZ 2013, 1484 (1485); Gärtner, Privatscheidung, S. 5 (Privatscheidung auch bei „Erfordernis eines formalen Aktes“), 10 („lediglich registrierend tätig“); bei der Abgrenzung die bloße Beurkundung bzw. Registrierung einer Privatscheidung der konstitutiven Hoheitstätigkeit gegenüberstellend jurisPK-BGB/ Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 50; Gärtner, Privatscheidung, S. 179; noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 469; zu Privatscheidungen im Falle von Registrierungen Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 127, § 109 FamFG Rn. 333 f.; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239; Kleinrahm/ Partikel, Anerkennung, S. 145; zu Beurkundungen Geimer, Anerkennung, S. 99; Geimer, IZPR, Rn. 2860. 101 Siehe zum Begriff des talaq allg. nur Yassari, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 315 f. 102 Zu § 328 ZPO BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (270, 272) (registrierte thailändische Scheidung mittels „vertragsähnlichen rechtsgeschäftlichen Konsens“ als Privatscheidung, kein konstitutiver Hoheitsakt); unter Geltung des FamFG OLG München, Beschl. v. 31. 1. 2012 – 34 Wx 80/10, FamRZ 2012, 1142 f. (kollisionsrechtliche Überprüfung einer Verstoßung nach ägyptischen Recht als Privatscheidung trotz gerichtlicher Registrierung und etwaiger Bestätigung); zu § 328 ZPO BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382) (registrierte, einverständlich erklärte „sog. Al-Mukhalaa“-Scheidung nach jordanischem Recht); OLG Stuttgart, Beschl. v. 3. 12. 1998 – 17 VA 6/98, IPRax 2000, 427 (jordanischer talaq trotz Registrierung eine Privatscheidung); siehe noch BayObLG, Beschl. v. 13. 1. 1994 – 3Z BR 66/93, FamRZ 1994, 1263 (1264) (einseitig erklärte und gerichtlich bestätigt und registrierte Scheidung nach syrischem Recht).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
b) Weitere (mögliche) Entscheidungsbegriffe aa) Erweiterte Entscheidungsbegriffe (1) Kontrollkriterium bzw. Übertragung der Sahyouni II-Rechtsprechung Ungeachtet oder bereits vor der Sahyouni II-Formel des EuGH zum EU-Recht103 finden sich mehrere Stimmen im Schrifttum, die dafür plädieren, den Entscheidungsbegriff im autonomen Recht weiter zu verstehen. So solle etwa auch bei Vorliegen eines privaten, die Scheidung vollziehenden Rechtsgeschäfts auf § 109 FamFG zurückgegriffen werden, wenn von staatlicher Seite eine Nachprüfung der Scheidungsvoraussetzungen und Bewilligung oder Genehmigung erfolgt.104 Andere halten § 109 FamFG in den genannten Fällen im Ergebnis ebenfalls für (möglicherweise) anwendbar, äußern sich jedoch etwas vorsichtiger. Sie sprechen lediglich von einer „Alternative“ bzw. möglichen Gleichstellung105 oder erwähnen trotz Festhaltens am herrschenden Entscheidungsbegriff zumindest die Möglichkeit einer analogen Anwendung.106 Teilweise findet sich bei den Vertretern dieses erweiterten Verständnisses noch eine – nicht näher erläuterte – einschränkende Voraussetzung erwähnt, die die Wirksamkeit der Scheidung in den Blick nimmt.107 Als Beispiel dient den genannten Ansichten regelmäßig die Scheidung nach jüdischem Recht mittels Übergabe des Scheidebriefs und Überwachung durch das Rabbinatsgericht.108 Eine vereinzelte Ansicht lehnt es gerade für diese Scheidung wegen der umfassenden gerichtlichen Überwachungsprozedur schlicht ab, sie als Privatschei103 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 39, 48 = IPRax 2018, 261 (263) („von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen“); siehe zur (im Einzelnen unklaren) Bedeutung oben unter § 1 B. 104 So und dabei weiterhin unabhängig von der Sahyouni II-Rspr. argumentierend NKBGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; vor dieser Rspr. bereits NK-BGB3/dies., §§ 107 – 109 FamFG Rn. 84; dies., IntFamR3, § 4 Rn. 183; für eine Anerkennung gerichtlicher Bestätigungen – aber ohne Kontrollbezug oder Begründung – noch Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 3 („[W]enn ein ausländisches Gericht zumindest eine Bestätigung aussprechen muß, um die Privatscheidung wirksam zu machen“, sei eine „potentiell anerkennungsfähige ausländische Gerichtsentscheidung“ gegeben.). 105 Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43 f. (Dann „könnte […] nach §§ 107 ff. FamFG verfahren werden“.); zurückhaltender für Drittstaatenfälle jedoch offenbar ders., in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (368) („Jedenfalls innerhalb Europas […]“). 106 Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 342. 107 „Voraussetzung ist natürlich, dass nach der Rechtsordnung des Entscheidungsstaats überhaupt eine endgültig wirksame, die Ehe auflösende Scheidung vorliegt.“; siehe NK-BGB/ Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; dies., IntFamR3, § 4 Rn. 183. 108 NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84 i. V. m. Fn. 242; dies., IntFamR3, § 4 Rn. 183, Fn. 435; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43 (im Rahmen der dort präsentierten „Alternative“ zum bisherigen Entscheidungsbegriff). Eine nähere Darstellung dieser Scheidung nach jüdischem Recht findet sich etwa bei Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 71 ff.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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dung einzuordnen, und fordert, sie auf internationaler Ebene mit der gerichtlichen Scheidung gleichzustellen.109 Gleichermaßen verweisen einzelne Stimmen bei Verstoßungen nach marokkanischem Recht auf das begleitende gerichtliche „Versöhnungs- und Genehmigungsverfahren[ ]“, weshalb „nicht mehr nur von einer lediglich beurkundeten und registrierten – nicht anerkennungsfähigen – Privatscheidung auszugehen sein [dürfte]“.110 Wie einleitend gesehen, nennt der EuGH in seinem Sahyouni II-Urteil zur Rom III-VO Scheidungen, die „entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden“,111 was die Anerkennung solcher Scheidungen über Art. 21 Brüssel IIa-VO ermöglichen dürfte.112 In Anlehnung an das genannte Kontrollkriterium finden sich auch im Schrifttum zum autonomen Recht (§ 109 FamFG) Vertreter eines entsprechend offeneren Verständnisses. Diese möchten den Entscheidungsbegriff – speziell mit Blick auf die Scheidung nach jüdischem Recht – unter Heranziehung der Sahyouni II-Formel in gleicher Weise „liberalisieren“, nämlich für „Privatscheidungen, zumindest für solche mit staatlicher Verfahrenseinkleidung“,113 bei denen eine Kontrolle durch staatliche Behörden vorgenommen wird.114 Weitere, einzelne Stimmen halten es im Nachgang der Sahyouni II-Rechtsprechung zumindest für „denkbar“, § 109 FamFG „bei einer staatlich kontrollierten Privatscheidung“ anzuwenden.115 Auch einzelne Vertreter des zuerst erwähnten, erweiterten Verständnisses, das sich bereits vor dem EuGH-Urteil am Merkmal der Überprüfung ausrichtet,116 halten an diesem Verständnis, aber gerade unter Hinweis auf die Übertragbarkeit des Sahyouni II-Urteils in leicht angepasster Form fest.117 § 109 FamFG greife demnach, wenn die Scheidung „durch ein Gericht […] nach [einer] Prüfung […] durch Entscheidung ermöglicht wird“.118 Wiederum findet sich dabei noch eine knappe, wirksamkeitsbezogene und einschränkende Voraussetzung erwähnt.119 109
So Scheftelowitz, FamRZ 1995, 593 (594). Wohlgemuth, FamRZ 2005, 1949 (1956) (auch näher zur Verstoßung nach marokkanischem Recht); ähnlich im Rahmen der dort vorgeschlagenen „Alternative“ Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43 (zum talaq nach pakistanischem Recht mit Hinweis auf die dortige Benachrichtigung des Schiedsgerichts und vorzunehmenden Versöhnungsversuch). Ein Überblick zur einseitigen Scheidungserklärung nach marokkanischem Recht findet sich bei Rieck/El Akrat, AuslFamR, Länderbericht Marokko (Februar 2014) Rn. 13, S. 17 ff. 111 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 39, 48 = IPRax 2018, 261 (263). 112 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (121 f., Rn. 28, 31); siehe hierzu einleitend oben unter § 1 B. 113 Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746). 114 Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745 f.). 115 Dutta, FF 2018, 60 (64). 116 Andrae, IntFamR3, § 4 Rn. 183. 117 So nunmehr Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 165. 118 So nunmehr Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 165. 110
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
(2) Ähnlich offenes Verständnis des Konstitutivbegriffes bzw. der sog. konstitutiven Mitwirkung (a) „Konstitutiv“ im Sinne eines zwingenden Wirksamkeitserfordernisses Nach einer weiteren Ansicht sollen „Privatscheidungen […] der verfahrensrechtlichen Anerkennung zugänglich“ sein, „wenn ein vom ausländischen Sachrecht als konstitutiv betrachteter Hoheitsakt hinzutreten muss“,120 bzw. „Privatscheidungen, die erst infolge eines konstitutiven Hoheitsakts Wirkung erlangen“.121 Trotz der Begrifflichkeit („konstitutiv“) ist damit also kein konstitutiver Hoheitsakt im Sinne des vorliegenden Begriffsverständnis (rechtsgestaltender Hoheitsakt)122 gemeint, sondern ein für die Privatscheidung zwingend erforderlicher Hoheitsakt und somit wiederum ein offenerer Entscheidungsbegriff.123 Unklar bleibt, ob dies tatsächlich ähnlich des zuvor genannten, kontrollierenden Entscheidungsbegriffs zu verstehen ist124 oder nicht möglicherweise auch andere zwingende Akte ausreichen würden. (b) „Konstitutiv“ als – möglicherweise – kontrollfokussierter Begriff Erwähnenswert ist in diesem Kontext zuletzt eine neuere BGH-Entscheidung, in der es zwar um die Brüssel IIa-VO und die Sahyouni II-Rechtsprechung des EuGH geht – der BGH sich aber auch zumindest zum Privatscheidungsbegriff „zum deutschen internationalen Privatrecht“ äußert.125 In diesem Beschluss betont der BGH zunächst zwar wiederum die Abgrenzung einer „durch die konstitutive Entscheidung einer staatlichen Stelle bewirkt[en]“ von einer „im Wege eines […] Rechtsgeschäfts unter den Ehegatten herbeigeführt[en]“ 119
Siehe die (knappe) Erwähnung einer „nach der Rechtsordnung des Ursprungsstaats überhaupt […] endgültig wirksame[n]“ Scheidung bei Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 165 (dabei weiterhin das Beispiel der Scheidung nach jüdischem Recht nennend); entsprechend schon zuvor dies., IntFamR3, § 4 Rn. 183. 120 Prütting/Helms/Hau, § 109 FamFG Rn. 55. 121 Althammer/Mayer, Art. 5 Rom III-VO Rn. 34; ebenso Prütting/Helms/Hau, § 107 FamFG Rn. 43. 122 Siehe zu diesem Verständnis oben unter § 2 C. 123 Bei erstgenannter Formulierung zeigen bereits die dortige unmittelbare Verwendung des Terminus der Privatscheidung sowie Gegenüberstellung von Privatscheidungen und den „durch konstitutiven Hoheitsakt ausgesprochen[en]“ Scheidungen unter anschließender Nennung bloß „hinzutreten[der]“ konstitutiver Akte (Prütting/Helms/Hau, § 109 FamFG Rn. 55), dass ein solches Verständnis gemeint ist. Deutlicher wird dies an der Stelle der zweitgenannten Formulierung zu Privatscheidungen; siehe abermals Althammer/Mayer, Art. 5 Rom III-VO Rn. 34 („Wirkung erlangen“); Prütting/Helms/Hau, § 107 FamFG Rn. 43 („Wirkung erlangen“). Außerdem wird dort teilweise noch von „konstitutiver Mitwirkung“ gesprochen; siehe Althammer/Mayer, Art. 5 Rom III-VO Rn. 34. 124 Von einer solchen Schlussfolgerung für die Ansicht Haus ausgehend NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84 (diese Ansicht dort in Fn. 243 als Beleg für die Ausweitung des Entscheidungsbegriffs auf bewilligte bzw. überprüfte und bestätigte Scheidungen zitierend); dies., IntFamR, § 3 Rn. 165, Fn. 336. 125 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Scheidung.126 Entscheidend sei – so die Präzisierung des BGH –, „ob ein gerichtlicher oder behördlicher Hoheitsakt vorliegt, durch den die rechtliche Gestaltung bewirkt wird, also ob Rechtsgrund für die Eheauflösung der autoritative Ausspruch des Gerichts oder einer Behörde oder aber der privatautonome Wille der Ehegatten ist“.127 Dies entspricht also dem oben dargelegten herrschenden Verständnis,128 der BGH verweist selbst auch auf seine ständige Rechtsprechung.129 Anschließend stellt der BGH allerdings noch in seiner Passage zur deutschen Perspektive diesem „autoritative[n] Ausspruch“ (offensichtlich, wenngleich missverständlich formuliert130) solche „Tätigkeiten“ gegenüber, „die mit Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktionen umschrieben werden können“.131 Nachfolgend benutzt er nicht mehr den zuvor genannten Begriff der „konstitutive[n] Entscheidung“, sondern den der „konstitutive[n] Mitwirkung“.132 Sodann spricht er – zwar mit Blick auf die Brüssel IIa-VO, aber im Anschluss an seine Ausführungen zur deutschen Perspektive – von einer „Kontrollfunktion“.133 Schließlich weist der BGH noch darauf hin, dass die „Kontrollbefugnis des Staatsanwalts“ im italienischen Recht möglicherweise gegen die Einstufung einer solchen Scheidung als Privatscheidung sprechen „könnte“.134 Diese Aussagen geben im Kern ein Verständnis der sog. konstitutiven Mitwirkung wieder, das sich im europäischen Anerkennungsrecht findet135 und wonach bei einer bestimmten Kontrolltätigkeit von einer sog. konstitutiven Mitwirkung gesprochen wird136 – obgleich nach strengem, auch hier ver126
BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32). BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32). 128 Siehe zum herrschenden Entscheidungsbegriff oben unter § 4 C.I.1.a). 129 Siehe den Verweis bei BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32) auf seine ständige Rspr. zum Begriff der Privatscheidung. 130 Der BGH beginnt mit „Letzteres ist nicht der Fall bei Scheidungen […]“, womit der davor genannte „privatautonome rechtsgeschäftliche Wille der Ehegatten“ gemeint sein könnte – gerade wegen der dann zitierten Passage jedoch offensichtlich gezeigt werden soll, wann kein Hoheitsakt im Sinne einer Gestaltung gegeben ist; siehe hierzu BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32). 131 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32). 132 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 133 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 134 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 34). 135 Der genannte BGH-Beschluss zitiert mit der Passage zur „Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktion“ auch explizit Lit. zum europäischen Anerkennungsrecht; siehe nämlich Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20. 136 Siehe etwa NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 („konstitutiver Art mitgewirkt“); i. E. schon NK-BGB3/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a (eine „Genehmigung“ als „konstitutiv“ bezeichnend bzw. eine „Mitwirkung“ und zwar eine „konstitutiv[e] in der Art eines Plazet“ anführend) – anders aber Rn. 9 („konstitutiver Hoheitsakt“); im Rahmen der Rom III-VO noch BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 14, 16 – wobei auch beachtend, ob „das ,Gericht‘ […] bei negativem Ergebnis die Entscheidung nicht ausspricht“, Art. 3 Rn. 14; näher zum (europäischen) Begriffsverständnis der konstitutiven Mitwirkung unten unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). 127
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
tretenen Begriffsverständnis erst ein gestaltender, eheauflösender Akt als konstitutiv bezeichnet werden kann.137 Letzteres entspricht auch gerade wiederum der zitierten Formulierung des BGH („die rechtliche Gestaltung bewirk[end]“ bzw. „autoritativer Ausspruch“138), die er in der genannten Entscheidung zuerst heranzieht. Zudem ist nicht zu übersehen, dass der BGH dort mit Blick auf seine frühere Rechtsprechung zunächst hervorhebt, dass eine Privatscheidung ebenso gegeben sei, wenn „die Ordnungsmäßigkeit des rechtsgeschäftlichen Scheidungsakts in einem gerichtsförmigen Verfahren überwacht wird“.139 Auch beschäftigt sich der BGH-Beschluss, wie gesehen, nicht direkt mit § 109 FamFG, sondern nur mit dem Privatscheidungsbegriff und vor allem mit der Anerkennung nach Art. 21 Brüssel IIa-VO. Zusammenfassend gibt die BGH-Entscheidung einerseits mithin nicht nur die klassische Gegenüberstellung von Privatscheidung und konstitutivem Hoheitsakt wieder, lässt sich andererseits insgesamt aber nicht zweifelsfrei als eine Auflockerung des Entscheidungsbegriffs im Sinne des § 109 FamFG verstehen. bb) Extensivere Entscheidungsbegriffe (de lege ferenda) Eine bisweilen vertretene extensive Ansicht möchte (vorsichtig bzw. „zumindest de lege ferenda“) schließlich die Anerkennung über § 109 FamFG „großzügig[ ]“ ausweiten und § 107 FamFG annähern.140 Die Erweiterung beschränkt sich mithin nicht nur auf genehmigte, bewilligte oder in ähnlicher Weise kontrollierte Privatscheidungen. Die Vertreter dieser Ansicht möchten etwa bereits privat erklärte Scheidungen, zu denen zumindest noch ein behördlicher Registrierungsakt zwingend hinzutreten muss, erfassen141 oder sprechen sogar noch offener und pauschaler davon, Privatscheidungen wie bei §107 FamFG anzuerkennen,142 wobei sich dies jeweils auch auf § 109 FamFG bezieht. In diesem Zusammenhang kann noch auf andere Stimmen im Schrifttum verwiesen werden, die die Situation de lege lata, die herrschende Abgrenzung anhand des Konstitutivmerkmals kritisieren und de lege ferenda ausdrücklich für ein neues, offeneres Anerkennungsregime für Privatscheidungen plädieren. Vehemente Kritik findet sich in neuerer Zeit insbesondere bei 137
Siehe hierzu oben unter § 2 C. BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32). 139 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32). 140 So i. E. vorsichtig BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 31, 34 („nicht die Möglichkeit versperrt, zu §§ 107, 109 FamFG […] eine großzügige Sichtweise zu vertreten“ – wenngleich an anderer Stelle lediglich von „zumindest de lege ferenda“ sprechend, Rn. 141); für eine Angleichung bereits Siehr, IPRax 2009, 332 (334). 141 BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 34. 142 Siehr, IPRax 2009, 332 (334) (zwar mit besonderem Blick auf Scheidungen nach jüdischem Recht, allerdings für Privatscheidungen pauschal eine parallele Auslegung von § 107 und § 109 FamFG – obgleich die unterschiedliche Natur der Normen erwähnend – ins Feld führend). 138
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Helms, der eine Annäherung an die verfahrensrechtliche Anerkennung vorschlägt. Demnach sei eine im Ausland vorgenommene Privatscheidung anzuerkennen, wenn sie nach dem Recht des Staates gültig ist, „zu dem die Ehegatten eine substanzielle Verbindung“ aufweisen und wenigstens ein – auch nicht zwingender – gerichtlicher oder behördlicher Registrierungsakt gegeben ist.143 Dieser Vorschlag hat durchaus Zustimmung erfahren144 und die dort geäußerte Kritik ist keineswegs neu. Auch Basedow monierte bereits zu Zeiten der Geltung des § 328 ZPO das Abstellen auf „,konstitutive‘ hoheitliche Mitwirkungsakte“. Man werde sich „umbesinnen“ und davon losgelöst anerkennungsrechtliche „Minimalforderungen an ein die Privatscheidung begleitendes Verfahren präzisieren müssen“.145 c) Ergebnis Die verfahrensrechtliche Anerkennung (§ 109 FamFG) in Scheidungsfällen auf konstitutive Hoheitsakte zu begrenzen, ist nach dem Dargestellten weiterhin herrschend, jedoch nicht unangefochten.146 Diese Begrenzung wird zunehmend kritisiert. Es finden sich einige Stimmen, die (gerade mit Blick auf die Sahyouni II-Formel des EuGH) vorschlagen, den Fokus darauf zu legen, ob eine kontrollierende Mitwirkung durch Behörden oder Gerichte gegeben ist, die es rechtfertige, den Maßstab des § 109 FamFG anzulegen. Teilweise finden sich dabei noch einschränkende Merkmale oder ein derartiger Entscheidungsbegriff ist vorsichtig formuliert, als „Alternative“147 bzw. mögliche Analogie. Wiederum andere fordern zwar, vermeintlich eng, eine sog. konstitutive Mitwirkung bzw. einen konstitutiven Akt von Gerichten oder Behörden. Die näheren Ausführungen lassen diesbezüglich jedoch auf ein (möglicherweise) offeneres Begriffsverständnis schließen, das im Ergebnis – je nach genauer Interpretation der nicht durchgehend eindeutigen Umschreibungen – mit dem genannten kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff vergleichbar sein könnte. Weitere Stimmen denken (mit Blick auf den weiten Entscheidungsbegriff des § 107 FamFG) darüber nach, sogar noch extensiver vorzugehen und privat erklärte, (zwingend) registrierte Scheidungen miteinzubeziehen bzw. erörtern zumindest ein offeneres Anerkennungsregime als de lege ferenda-Vorschlag. Der dargestellte Meinungsstand veranschaulicht gerade zudem, warum die behördliche Natur als solche, wie oben dargelegt, nicht das Kernproblem des Entscheidungsbegriffes der verfahrensrechtlichen Anerkennung von Scheidungen ist.148 Maßgeblich ist nach der herrschenden Abgrenzung allein, ob die Ehe durch einen 143 Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (350); schon ders., in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (441 f.). 144 Antomo, NZFam 2018, 243 (246). 145 Basedow, Anerkennung, S. 12. 146 Siehe auch Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 41 („jedenfalls nach bisher h. M.“). 147 Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43. 148 Dazu oben unter § 4 B.II.
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hoheitlichen Gestaltungsakt aufgelöst wird, sei er gerichtlicher oder behördlicher Natur.149 Dies lässt sich schon in der Rechtsprechung auch daran ablesen, dass deren Abgrenzung regelmäßig nur auf einen (konstitutiven) Hoheitsakt abstellt und auf eine nähere Bezeichnung verzichtet.150 Auch die Ansichten, die einen offeneren Entscheidungsbegriff vertreten, sprechen sich nicht gegen die Einbeziehung behördlicher Scheidungen aus – vielmehr untersuchen sie regelmäßig gerade eine Anerkennung weiterer behördlicher Akte.151 2. Verfahrensrechtliche Anerkennung in Adoptionsund sog. Leihmutterschaftsfällen (§§ 108, 109 FamFG) a) Internationales Adoptionsrecht aa) Unterschied von Vertrags- und Dekretsystem im Überblick Auch im Adoptionsrecht können sich grundsätzlich private Adoptionsverträge und hoheitliche Gestaltungsakte gegenüberstehen, was sich wiederum gleichermaßen auf die Anerkennungsfrage auswirkt. Früher ging das deutsche Recht vom sog. Vertragssystem aus, wonach ein notariell zu beurkundender Vertrag die Grundlage für die Adoption bildete, hierbei die Erklärung auf Seiten des Anzunehmenden regelmäßig vormundschaftsgerichtlich genehmigt und der Vertrag anschließend gerichtlich bestätigt werden musste. 1977
149 Siehe aus der Lit. explizit etwa Johannsen/Henrich/Althammer/Henrich, § 107 FamFG Rn. 10 f.; jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 61 f., 65; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 102, § 109 FamFG Rn. 328, 333; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239; zu § 328 ZPO schon Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 210 a. E.; noch Henrich, IntFamR, S. 153 f.; Herfarth, Scheidung, S. 439. 150 Zu § 328 ZPO BGH, Urt. v. 25. 8. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 36); Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272); zu § 109 FamFG noch KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302; siehe insbesondere noch die ausdrückliche Hervorhebung von Behörden bei KG, Beschl. v. 1. 12. 2020 – 1 VA 1001/20, MDR 2021, 299; sowie zu § 328 ZPO noch OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610) (explizit keinen gerichtlichen Akt fordernd). 151 BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 31, 34; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43 f. (als „Alternative“ zum bisherigen Entscheidungsbegriff); trotz Fokussierung auf die Scheidung nach jüdischem Recht letztendlich auch behördliche Akte erwähnend Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745 f.); ähnlich offen formulierend Dutta, FF 2018, 60 (64); Siehr, IPRax 2009, 332 (333 f.); sich hingegen nur mit gerichtlichen Akten auseinandersetzend – ohne behördliche Akte explizit auszuschließen – NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; dies., IntFamR, § 3 Rn. 165 (die auch auf Behörden bezogene Sahyouni II-Rspr. des EuGH erwähnend – sodann aber nur noch von gerichtlichen Akten sprechend); ohnehin nur die Scheidung nach jüdischem Recht unter Mitwirkung des Rabbinatsgerichts näher untersuchend Scheftelowitz, FamRZ 1995, 593 (594); lediglich den talaq mit gerichtlicher Mitwirkung prüfend Wohlgemuth, FamRZ 2005, 1949 (1956).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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wurde sodann das sog. Dekretsystem eingeführt.152 Demnach ist es nunmehr das Gericht, welches auf einen Antrag hin tätig wird, durch seinen Beschluss die Annahme als Kind ausspricht und damit die Adoptionswirkungen herbeiführt (§ 1752 I BGB, §§ 197 I, 116 I, 38 FamFG).153 Hieraus wird deutlich, dass es sich um einen konstitutiven Hoheitsakt bzw. richterlichen Gestaltungsakt handelt.154 Nach § 192 I 1 des österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (österr. ABGB)155 kommt die Adoption dadurch zustande, dass zwischen Annehmendem und Wahlkind schriftlich ein Vertrag geschlossen wird,156 welcher auf Antrag eines Teils hin gerichtlich bewilligt werden muss. Nach § 192 I 2 österr. ABGB führt die Bewilligung zu einer Wirksamkeit ex tunc der vertraglichen Willenseinigung. Das österreichische Adoptionsrecht wird vereinzelt als Vertragssystem157 und verbreitet als System mit gemischten Elementen158 bezeichnet. Im internationalen Adoptionsrecht ist vorrangig das Haager Übereinkommen vom 29. 5. 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (HAdoptÜ) zu beachten, welches in Artt. 23 ff. ein eigenes Anerkennungsregime für gemäß dem Übereinkommen durchgeführte Adoptionen vorsieht. Dieses unterscheidet nicht zwischen Dekret- oder Vertragsadoptionen, sondern stellt, wie Art. 23 I 1 HAdoptÜ zeigt, maßgeblich darauf ab, dass der Ad152
Siehe zum Vertrags- und Dekretsystem BT-Drs. 7/3061, S. 23 f., 41; ausführlich hierzu etwa Bosch, FamRZ 1984, 829 (834 ff.); ein tabellarischer, vergleichender Überblick zur Rechtslage bis 1976 und ab 1977 findet sich bei MüKo-BGB7/Maurer, Vor §§ 1741 ff. Rn. 18; siehe noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 4. 153 Auch im Falle der Volljährigenadoption, welche in der Regel nach § 1770 BGB begrenztere Wirkungen in Bezug auf die Familien- und Verwandtenverhältnisse hat, bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung auf der Grundlage eines Antrags des Annehmenden und Anzunehmenden, wie § 1768 I 1 BGB zeigt. 154 BGH, Beschl. v. 21. 6. 2017 – XII ZB 18/16, NJW-RR 2017, 1025 (Rn. 8); OLG Hamm, Beschl. v. 29. 9. 1978 – 15 W 148/78, NJW 1979, 49 (50); Jauernig/Budzikiewicz, § 1752 Rn. 1; Soergel/Liermann, § 1752 Rn. 1, 14, § 1768 Rn. 5; Staudinger/Helms, § 1752 Rn. 1, § 1759 Rn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 4, noch Rn. 87. 155 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch v. 1. 6. 1811; siehe zur Norm näher Schwimann/ Kodek/Höllwerth, § 192 ABGB Rn. 1; zum Gesetz noch Schwimann/Kodek/Posch, Vor § 1 ABGB Rn. 1. 156 Im Falle eines nicht entscheidungsfähigen Wahlkinds wird der Vertrag durch den gesetzlichen Vertreter geschlossen (§ 192 III 1 österr. ABGB) oder das Gericht ersetzt die Einwilligung des Vertreters auf Antrag des Annehmenden oder Wahlkinds (§ 192 III 2 österr. ABGB); siehe näher Schwimann/Kodek/Höllwerth, § 192 ABGB Rn. 5 ff. 157 Erwähnend, dass „Österreich am Vertragssystem festgehalten hat“, BT-Drs. 7/3061, S. 24. 158 Vgl. BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 51 („Mischform“); Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 95 („Mischsystem“); den Bewilligungsbeschluss mit dem deutschen Dekret vergleichend Lüderitz, RabelsZ 51 (1987), 261 (276); siehe noch Rieck/Nademleinsky, AuslFamR, Länderbericht Österreich (August 2017) Rn. 36, S. 33 („zwei Akte“); Schwimann/ Kodek/Höllwerth, § 192 ABGB Rn. 1 („zwei Akte erforderlich“); ähnlich noch Bosch, FamRZ 1984, 829 (838); Schwimann, FamRZ 1973, 345 (349).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
optionsvorgang nach den Regeln des HAdoptÜ erfolgt ist.159 Sollte das HAdoptÜ nicht anwendbar sein, kommen hingegen (weiterhin) die Regeln des autonomen Rechts zum Zuge.160 Es stellt sich dann also die Frage, welche Adoptionen noch als „Entscheidungen“ der verfahrensrechtlichen Anerkennung nach §§ 108, 109 FamFG zugänglich sind. bb) Verfahrensrechtliche Anerkennung von Dekretadoptionen Unstreitig erfolgt die Anerkennung klassischer sog. Dekretadoptionen,161 also von Adoptionen, bei denen ein Gericht oder eine Behörde die Adoption ausspricht, ein konstitutiver Hoheitsakt gegeben ist, über die Regeln der verfahrensrechtlichen Anerkennung nach §§ 108, 109 FamFG.162 Bei behördlichen Adoptionen betonen Rechtsprechung und Schrifttum in diesem Zusammenhang regelmäßig, die Behörde müsse nicht nur funktional, sondern auch nach ihrem „Verfahren einem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit vergleichbar“ sein.163 Bisweilen findet sich noch der 159 Näher hierzu etwa MüKo-FamFG/Botthof, Art. 23 HAdoptÜ Rn. 2 ff.; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 84; siehe noch BT-Drs. 14/8011, S. 26 (Art. 23 HAdoptÜ „dürfte […] jede Art der Adoption“ erfassen, „sofern die Regeln der Konvention eingehalten wurden“.). 160 BGH, Beschl. v. 17. 6. 2015 – XII ZB 730/12, BGHZ 206, 86 (95 f., Rn. 30); BeckOKFamFG/Sieghörtner, § 108 Rn. 35 i. V. m. Rn. 24; MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 87; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 86; Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 2, 101; vgl. Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 70, 78. Umstritten ist, ob und wann auf die autonomen Anerkennungsregeln auch zurückgegriffen werden kann (sog. Günstigkeitsprinzip), wenn eine Anerkennung nach dem HAdoptÜ an den Voraussetzungen der Artt. 23 ff. HAdoptÜ scheitert, weil bei der Adoption nicht nach dem HAdoptÜ verfahren wurde; siehe hierzu näher etwa OLG Celle, Beschl. v. 21. 2. 2017 – 17 UF 131/16, FamRZ 2017, 1503 (1504); MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 87 f.; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 85; Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 98 ff.; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 73 ff. 161 Siehe hierzu noch die begriffliche Gegenüberstellung von Dekretsystem und Vertragssystem zum deutschen Adoptionsrecht BT-Drs. 7/3061, S. 23 f., 41. 162 JurisPK-BGB/Behrentin, Art. 22 EGBGB Rn. 95; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 86; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 79; Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 101 f.; zu § 16a FGG a. F. etwa KG, Beschl. v. 2. 12. 2008 – 1 W 100/08, FamRZ 2009, 1603 (1605) (§ 16a FGG a. F. für „Ausspruch der Adoption durch eine ausländische Behörde“); OVG Hamburg, Urt. v. 19. 10. 2006 – 3 Bf 275/04, IPRax 2008, 261 (264) („Beruht die Adoption auf einem Hoheitsakt, […]“); noch OLG Zweibrücken, Urt. v. 16. 3. 2004 – 5 UF 123/03, FamRZ 2004, 1516 (1517) (§ 16a FGG a. F. für Adoptionsbeschluss durch kasachisches Exekutivkomitee); BayObLG, Beschl. v. 11. 11. 1999 – 1Z BR 155/98, BayObLGZ 1999, 352 (356) (Adoptionsbeschluss durch kasachisches Exekutivkomitee als hoheitlicher Akt); LG Potsdam, Beschl. v. 11. 11. 2010 – 5 T 447/ 10, BeckRS 2011, 12676 (§ 16a FGG a. F. für „Ausspruch der Adoption durch eine ausländische Behörde“); Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 51; Henrich, IntFamR, S. 326 f.; v. Bar, IPR II1, Rn. 317; noch Looschelders, Art. 22 EGBGB Rn. 33; siehe auch die Definition des Adoptionsdekrets nach Siehr, StAZ 1982, 61. 163 So zu § 16a FGG a. F. KG, Beschl. v. 2. 12. 2008 – 1 W 100/08, FamRZ 2009, 1603 (1605); OLG Zweibrücken, Urt. v. 16. 3. 2004 – 5 UF 123/03, FamRZ 2004, 1516 (1517); BayObLG, Beschl. v. 11. 11. 1999 – 1Z BR 155/98, BayObLGZ 1999, 352 (356); LG Potsdam, Beschl. v. 11. 11. 2010 – 5 T 447/10, BeckRS 2011, 12676; ebenso aus der Lit. jurisPK-BGB/ Behrentin, Art. 22 EGBGB Rn. 95; siehe noch MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 91,
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Hinweis, dass eine Anerkennung als Dekretadoption nur erfolgen könne, wenn der Hoheitsakt auf einer „Überprüfung der Adoption“ beruhe.164 cc) Kollisionsrechtliche Überprüfung sog. reiner Vertragsadoptionen Adoptionen, bei denen eine Behörde allenfalls schlicht registrierend oder beurkundend tätig wird, seien demgegenüber, so übereinstimmend Rechtsprechung und Schrifttum, nicht als „Entscheidung“ über §§ 108, 109 FamFG anerkennungsfähig.165 Solche sog. reinen Vertragsadoptionen seien der kollisionsrechtlichen Wirksamkeitskontrolle und somit einer Nachprüfung anhand des gemäß Art. 22 I EGBGB anwendbaren Rechts zu unterstellen.166 Hierzu werden etwa die Adoption Volljähriger nach japanischem Recht oder die Adoption nach myanmarischem Recht gezählt.167
Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 73; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 86; Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 102; zu § 16a FGG a. F. Benicke, Adoptionsrecht, S. 186 f.; Henrich, IntFamR, S. 327, Fn. 96. 164 OVG Hamburg, Urt. v. 19. 10. 2006 – 3 Bf 275/04, IPRax 2008, 261 (264); nachdrücklich schon Hepting, StAZ 1986, 305 (306 f.) (keine Entscheidung im Falle eines „gerichtliche[n] ,Dekret[s]‘“ mit bloß registrierender oder deklarierender Funktion). 165 Siehe zu § 16a FGG a. F. und fehlenden Anerkennungsfähigkeit solcher Akte OLG Zweibrücken, Urt. v. 16. 3. 2004 – 5 UF 123/03, FamRZ 2004, 1516 (1517); BayObLG, Beschl. v. 11. 11. 1999 – 1Z BR 155/98, BayObLGZ 1999, 352 (356); aus der Lit. zu §§ 108, 109 FamFG Erman/Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 24a; MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90; NKBGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 104; noch BeckOGKEGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 174; zu § 16a FGG a. F. Henrich, IntFamR, S. 330; König, Annahme, S. 19 f. 166 Eingehend AG Frankfurt a. M., Beschl. v. 2. 11. 2017 – 470 F 16032/17 AD, FamRZ 2018, 365 (366) (zur registrierten Adoption nach myanmarischem Recht als „reine[r] Vertragsadoption“); siehe noch KG, Beschl. v. 4. 4. 2006 – 1 W 369/05, FamRZ 2006, 1405 (1406) (Art. 22 EGBGB „nur bei einer ,reinen‘ Vertragsadoption“); ähnlich schon OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. 1. 1985 – 3 W 149/84, StAZ 1985, 132 (133) (bei „reine[r] Privatadoption“ Art. 22 EGBGB); aus der Lit. BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 173; Erman/ Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 24 f., 27; MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 90; Staudinger/ Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 98; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 92 f. (wenn Mitwirkung „nur formell“, Rn. 93); Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 101, 104; Henrich, IntFamR, S. 330; König, Annahme, S. 19 f.; v. Bar, IPR II1, Rn. 317; noch Henrich, IPRax 1983, 194 (bei Mitwirkung mit „nur formale[r] Bedeutung“). 167 Zur Adoption nach myanmarischem AG Frankfurt a. M., Beschl. v. 2. 11. 2017 – 470 F 16032/17 AD, FamRZ 2018, 365 (366); zur Adoption Volljähriger nach japanischem Recht Wedemann, FamRZ 2015, 2106 (2111 i. V. m. Fn. 60).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
dd) (Umstrittener) Umgang mit kontrollierten Vertragsadoptionen (1) Vorherrschende Anerkennung bestätigter Vertragsadoptionen Die (nicht höchstrichterliche) Rechtsprechung erkennt Adoptionsverträge, die erst infolge einer überprüfenden Bestätigung der Voraussetzungen und insbesondere des Kindeswohls wirksam werden, verfahrensrechtlich wie Dekretadoptionen an, wobei sie sich vor allem mit Fällen gerichtlicher Bestätigungen befasst,168 vereinzelt aber auch behördliche explizit erwähnt.169 Es finden sich sogar Beschlüsse, die bei einer Überprüfung einer vertraglichen Adoptionsurkunde durch einen Notar auf die Anerkennungsregeln zurückgreifen. Zwar ist dort zunächst von einem „Ausspruch der Adoption“ die Rede, anschließend aber eindeutig von einer Adoptionsurkunde, die selbst dann anerkennungsfähig sei, wenn „die Adoption letztlich durch einen (notariellen) Vertrag […] zustande gekommen ist“, bzw. davon, dass im Falle einer Überprüfung „[a]uch ein solcher Vertrag […] anerkannt werden [kann]“.170 Bisweilen nimmt die Rechtsprechung bei der Bestätigung nicht nur auf die Kontrolle des Adoptionsvertrags Bezug, sondern noch ausdrücklich auf eine im Zuge dessen erfolgte Anhörung.171 Auch das Schrifttum stellt für eine Anwendung der Anerkennungsregeln auf Vertragsadoptionen weitestgehend darauf ab, ob der Adoptionsvertrag im Rahmen einer gerichtlichen oder behördlichen Überprüfung bestätigt werden muss.172 Neben der Kontrolle finden teilweise ebenfalls noch explizit das 168 Nachdrücklich zur Anerkennung nach § 108 FamFG, wenngleich bei der ordre publicPrüfung nach § 109 I Nr. 4 FamFG erwähnend, OLG Celle, Beschl. v. 21. 2. 2017 – 17 UF 131/ 16, FamRZ 2017, 1503 (1505) (Die gerichtliche Mitwirkung an einer Adoption nach indischem Recht stelle eine „Bestätigung des Adoptionsvertrages dar, mit der Folge, dass eine Umwandlung von einer reinen Vertragsadoption in eine Dekretadoption“ vorliege.); siehe zur Anerkennungsfähigkeit nach § 16a FGG a. F., obgleich ebenfalls im Rahmen der ordre publicPrüfung noch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 1. 2011 – I-25 Wx 28/10, FamRZ 2011, 1522 (1523) („[…]gerichtliche ,Bestätigung‘ [steht] einer Adoptionsverfügung gleich und kann ebenso wie diese unter den Voraussetzungen des § 16a FGG anerkannt werden.“); siehe noch KG, Beschl. v. 4. 4. 2006 – 1 W 369/05, FamRZ 2006, 1405 (1406) (Eine überprüfende „gerichtliche Bestätigung [steht] einer Adoptionsverfügung gleich und kann anhand von § 16a FGG anerkannt werden.“); vgl. schon BayVGH, Urt. v. 30. 11. 1988 – 5 B 8603280, BayVBl 1989, 400 (401 f.) (gerichtlich bestätigter Adoptionsvertrag nach österreichischem Recht). 169 Vgl. zu Letzterem OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. 1. 1985 – 3 W 149/84, StAZ 1985, 132 (133) (in Abgrenzung zur „reine[n] Privatadoption“). 170 So zu § 16a FGG a. F. und einer durch den Notar überprüften und „bewilligt[en]“ Adoptionsurkunde nach damaligem Recht Guatemalas KG, Beschl. v. 2. 12. 2008 – 1 W 100/08, FamRZ 2009, 1603 (1605); diesem Beschluss folgend LG Potsdam, Beschl. v. 11. 11. 2010 – 5 T 447/10, BeckRS 2011, 12676. 171 Vgl. – zur Anerkennung nach der älteren Rechtslage – OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. 1. 1985 – 3 W 149/84, StAZ 1985, 132 (133) („keine reine Privatadoption“, da „vielmehr eine Anhörung der Beteiligten und Prüfung der Voraussetzungen“ erfolgte). 172 BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 174; BeckOK-FamFG/Sieghörtner, § 108 Rn. 35; Erman/Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 24 f.; MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21; MüKo-BGB5/Klinkhardt, Art. 22 EGBGB Rn. 92; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 103, 105; siehe noch Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 98 (nur Gerichte er-
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Merkmal der gerichtlichen oder behördlichen Anhörung173 sowie die Möglichkeit, die Zustimmung zu versagen,174 Erwähnung. Schließlich stößt man im Zusammenhang mit der Anerkennung bestätigter Vertragsadoptionen im Schrifttum vereinzelt noch darauf, dass die „gerichtliche Wirksamkeitsfeststellung von Vertragsadoptionen“ anerkennungsfähig sei.175 In der Rechtsprechung ist diesbezüglich Zurückhaltung erkennbar.176 (2) Umstrittene Behandlung im Voraus bewilligter Vertragsadoptionen Die verfahrensrechtliche Anerkennung von Vertragsadoptionen, bei denen der Vertrag einer vorangehenden kontrollierenden Bewilligung bedarf, ist umstritten. In der (nicht höchstrichterlichen) Rechtsprechung findet sich vereinzelt eine Auffassung, wonach die verfahrensrechtliche Anerkennung explizit greifen soll, wenn der Adoptionsvertrag einer Kontrolle unterzogen und auf Basis einer vorherigen Bewilligung abgeschlossen wird.177 Nach einer vereinzelt geäußerten Gegenauffassung soll in diesem Fall demgegenüber „ergänzend“ auf Art. 22 I EGBGB zurückgegriffen werden.178 Weitere Beschlüsse sprechen zwar (auch) von einem „bewillig[enden]“ Akt – treffen aber keine ausdrücklichen Aussagen zu vorangehende Bewilligung mit nachfolgendem Vertragsschluss, da es dort um notariell wähnend); zu § 16a FGG a. F. Looschelders, Art. 22 Rn. 33; Benicke, Adoptionsrecht, S. 189 – wobei offen von „Mitwirkungshandlung“ sprechend; noch Henrich, IntFamR, S. 330 (nur Gerichte erwähnend); zuvor schon König, Annahme, S. 19 f.; Hepting, StAZ 1986, 305 (306) (in diesem Fall „trotz der anderslautenden Bezeichnung“ von einer „gerichtliche[n] Adoption“ ausgehend); Magnus/Münzel, StAZ 1977, 65 (75); siehe noch MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 13, 25a (wenngleich von einer „konstitutiven gerichtlichen Genehmigung“ sprechend, Rn. 13, womit aber eine Wirksamkeitsvoraussetzung gemeint sein dürfte); Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 95 (zwar ebenfalls von einer Bestätigung mit „konstitutive[r] Wirkung“ sprechend, womit aber wiederum die Bestätigung als Wirksamkeitsvoraussetzung gemeint sein dürfte, vor allem, da zuvor bei Vertragsadoptionen zur „konstitutive[n] Mitwirkung“ abgegrenzt wird, Rn. 92). 173 BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 174; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; zu § 16a FGG a. F. und „Mitwirkungshandlung[en]“ Benicke, Adoptionsrecht, S. 189 („aufgrund eines formellen Verfahrens unter Anhörung“). 174 NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; so schon König, Annahme, S. 20. 175 MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21. 176 AG Düsseldorf, Beschl. v. 9. 3. 2018 – 252 F 45/17, FamRZ 2018, 1423 (1424 f.) („fraglich“ – dort aber i. E. nicht entscheidungsrelevant und daher nicht abschließend erörtert); siehe noch zu „rein deklaratorische[n] Entscheidunge[n]“ wegen fehlender „eigenständige[r]“ Prüfung OLG Stuttgart, Beschl. v. 21. 1. 2019 – 17 UF 25/18, FamRZ 2019, 1548 (1549) – wobei sich das Gericht dort speziell auf die gesetzliche Passage einer Adoption, die „auf einer ausländischen Entscheidung […] beruht“, des § 1 S. 1 AdWirkG (a. F. – nunmehr in § 1 I AdWirkG; siehe Art. 3 Nr. 1 lit. a) des Adoptionshilfe-Gesetzes v. 12. 2. 2021, BGBl. 2021 I, S. 226) stützt. 177 So zu § 16a FGG a. F. KG, Beschl. v. 4. 4. 2006 – 1 W 369/05, FamRZ 2006, 1405 (1406). 178 So zu § 16a FGG a. F. und einer vorangehenden „hoheitlichen Erlaubnis“ OVG Hamburg, Urt. v. 19. 10. 2006 – 3 Bf 275/04, IPRax 2008, 261 (264).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
„bewilligt[e]“ Beurkundungen des Adoptionsvertrags geht.179 Im Schrifttum ist ebenfalls strittig, wie die zuvor beschriebenen Fälle zu behandeln sind. Nach verbreiteter Ansicht genügt für eine Anerkennung auch eine überprüfende, dem Adoptionsvertrag vorausgehende Bewilligung,180 wobei bisweilen wiederum einschränkend das Merkmal der Anhörung bzw. Versagungsbefugnis greifen soll.181 Andere Stimmen schlagen hingegen bei vorangehenden, bewilligenden Akten ein Vorgehen vor, das von der bloßen verfahrensrechtlichen Anerkennung abweicht,182 oder differenzieren vereinzelt danach, wie sich die Bewilligung auf den Bestand der Adoption auswirkt.183 Nach der verbreiteten Ansicht, welche die Anerkennungsfähigkeit bejaht, ist der Zeitpunkt der Kontrolle, d. h. dass diese als Bewilligung dem Adoptionsvertragsschluss vorausgeht und nicht erst im Wege einer für die Wirksamkeit erforderlichen Bestätigung erfolgt, mithin nicht entscheidend.184 (3) Umstrittenes (älteres) Zusatzkriterium der Bestandskraft Nach einer – älteren, vor allem zu § 16a FGG a. F.185 vertretenen – engeren Ansicht im Schrifttum genügt die zuvor jeweils angesprochene (bestätigende oder bewilligende) Kontrolle allerdings noch nicht, um eine ausländische Adoption über die verfahrensrechtlichen Regeln anzuerkennen. Vielmehr müsse durch den jewei179
Siehe KG, Beschl. v. 2. 12. 2008 – 1 W 100/08, FamRZ 2009, 1603 (1605) („Der Notar hat mit Beschluss […] das Vorliegen der einschlägigen gesetzlichen Erfordernisse für die Adoption festgestellt und entschieden, es sei rechtens, dass die entsprechende Urkunde über die Adoption erteilt, d. h. der Vertrag zwischen dem Beschwerdeführer und der Kindesmutter beurkundet wird.“); diesem Beschluss folgend LG Potsdam, Beschl. v. 11. 11. 2010 – 5 T 447/ 10, BeckRS 2011, 12676 (ebenfalls zu einer Adoption in Guatemala). 180 Nachdrücklich MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 88; noch Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 98 (zu Gerichten); Hausmann, IntEuFamR, Rn. P 103, 105; zumindest verschiedene Fälle erwähnend BeckOK-FamFG/Sieghörtner, § 108 Rn. 35 („gerichtliche[ ] bzw. behördliche[ ] Bewilligung, Zustimmung oder sonstige[ ] Überprüfung“); Erman/Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 24a („bzw. ,bewilligte‘ Vertragsadoptionen“); zu § 16a FGG a. F. offenbar noch Looschelders, Art. 22 Rn. 33 („durch eine staatliche Instanz ,bestätigt‘ oder ,bewilligt‘“); Benicke, Adoptionsrecht, S. 189 (da schlicht von „Mitwirkungshandlung[en]“ sprechend); Henrich, IntFamR, S. 330 (gerichtliche „Bewilligung“). 181 Siehe wiederum NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 88 i. V. m. Rn. 87. 182 MüKo-BGB5/Klinkhardt, Art. 22 EGBGB Rn. 92 (nur Bewilligung verfahrensrechtlich anzuerkennen – ansonsten Wirksamkeitsüberprüfung nach dem gemäß Art. 22 I EGBGB anwendbaren Recht); ebenso Wandel, BWNotZ 1992, 17 (18); eng offenbar noch MüKo-FamFG/ Rauscher, § 108 Rn. 13 (in einem allgemeineren Kontext zur verfahrensrechtlichen Anerkennung nur von einer „nachfolgenden […] Genehmigung“ sprechend), 25a (nur die Bestätigung der Vertragsadoption erwähnend). 183 Differenzierend Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 95 (verfahrensrechtliche Anerkennung nur, wenn bei vorheriger Bewilligung die Adoption trotz etwaiger Vertragsmängel wirksam ist). 184 Dies nachdrücklich klarstellend MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90; NKBGB3/Benicke, Art. 22 EGBGB Rn. 83; noch NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 88. 185 Zur Ersetzung des § 16a FGG a. F. durch §§ 108/109 FamFG BT-Drs. 16/6308, S. 222.
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ligen Gerichts- oder Behördenakt auch eine erhöhte Bestandskraft der Adoption erzeugt werden; erst dann sei es gerechtfertigt, eine Vertragsadoption auf Anerkennungsebene mit einer Dekretadoption gleichzustellen186 oder bereits von einer anerkennungsfähigen, dort schon sog. Dekretadoption zu sprechen.187 b) Internationale sog. Leihmutterschaft aa) Überblick zur gerichtlichen oder behördlichen Tätigkeit Die sog. Leihmutterschaft188 ist in Deutschland untersagt189 – in anderen Staaten hingegen erlaubt.190 Dabei zeichnet sich wiederum ab, dass Privatpersonen und Gerichte bzw. Behörden in unterschiedlicher Art und Weise zusammenwirken. So ermöglicht etwa das griechische Recht eine Abstammung des Kindes von den Wunscheltern. Dort gilt (u. a.) die Vermutung, dass die Wunschmutter die rechtliche Mutter ist. Dies setzt jedoch voraus, dass die Leihmutterschaft vorab gerichtlich bewilligt wurde, wobei das Gericht überprüft, ob eine schriftliche Vereinbarung und weitere Voraussetzungen (medizinischer Natur) gegeben sind. Ohne bewilligte Leihmutterschaftsvereinbarung gilt die gebärende Frau als rechtliche Mutter.191 In Kalifornien ist (sofern die Leihmutter nicht die genetische Mutter ist192) ebenfalls eine rechtliche Elternschaft der Wunscheltern möglich. Nach kaliforni186
Zu § 16a FGG a. F. v. Bar, IPR II1, Rn. 317; vor Geltung des § 16a FGG a. F. schon Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73 f.); ähnlich Beitzke, in: Personenstandsrecht, S. 1 (6); explizit gegen das eingrenzende Kriterium der erhöhten „Bestandskraft“ aber Benicke, Adoptionsrecht, S. 189. 187 Zu § 16a FGG a. F. Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 51 (in diesem Fall schon einen „rechtsbegründenden Charakter“ attestierend); Griep, Anerkennung, S. 40 f. (für eine anerkennungsfähige Dekretadoption den bzw. Entscheidungsbegriff den „prozessuale[n] Schwerpunkt“ als entscheidendes „Qualifikationsmerkmal“ und hierfür „beispielsweise“ den „Bestandsschutz“ nennend); Lüderitz, IPR, Rn. 396 („rechtskraftähnliche[ ] Wirkung“, denn dann läge bereits ein „konstitutive[r] Akt“ vor); ebenso die Definition des Adoptionsdekrets nach Siehr, StAZ 1982, 61. 188 Siehe zur Begrifflichkeit wiederum etwa Benicke, StAZ 2013, 101 (102). 189 Hierzu ausführlich etwa Duden, Leihmutterschaft, S. 17 ff.; Helms, StAZ 2013, 114 f.; noch MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1591 Rn. 17; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551 (563 f.). 190 Siehe für einen rechtsvergleichenden Überblick zur Leihmutterschaft etwa MüKo-BGB/ Wellenhofer, § 1591 Rn. 35 ff.; Duden, Leihmutterschaft, S. 74 ff. 191 Siehe zur Leihmutterschaft nach griechischem Recht mit näherer Darstellung der Rechtslage Duden, Leihmutterschaft, S. 78 ff.; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551 (557 f.); siehe noch MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1591 Rn. 41; Diel, Leihmutterschaft, S. 161 f.; Helms, StAZ 2013, 114 (117); Henrich, in: FS Schwab, S. 1141 (1144); siehe hierzu die Übersetzung der Artt. 1464, 1463, 1465, 1458 des griechischen Zivilgesetzbuches bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Kastrissios, Länderbericht Griechenland216. Lfg. (Mai 2016), S. 71 f., bzw. Länderbericht Griechenland236. Lfg. (Mai 2020), S. 70a. 192 Hierzu und zur Stellung bei genetischer Verwandtschaft mit der Leihmutter näher Duden, Leihmutterschaft, S. 75 f.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
schem Recht bedarf es einer Vereinbarung mit gesetzlich näher bestimmtem Inhalt im Wege anwaltlicher Beratung und notarieller Beglaubigung.193 Es ist ein gerichtliches Verfahren vorgesehen, um das Eltern-Kind-Verhältnis festzustellen.194 In diesem Verfahren führt die notariell beglaubigte Vereinbarung über Vermutungsregeln dazu, dass die Wunscheltern unproblematisch als rechtliche Eltern angesehen werden können.195 Das Gericht erlässt eine Entscheidung, welche das Eltern-KindVerhältnis feststellt.196 Aus deutscher Sicht ist strittig, ob diese feststellender oder konstitutiver Natur ist.197 In der Ukraine sind die Wunscheltern – wobei die Leihmutterschaft nur zulässig ist, wenn das Kind zumindest von einem Elternteil genetisch abstammt – per Gesetz mit der Geburt des Kindes als dessen rechtliche Eltern anzusehen. Wenn sich die Wunscheltern anschließend noch im Zivilregister als rechtliche Eltern eintragen lassen – was keinesfalls zwingend für die Abstammung ist198 –, bedarf es einer notariellen Beurkundung der Zustimmung der Leihmutter.199
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Siehe § 7962 lit. a) – c) California Familiy Code (CFC); siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Lorenz, Länderbericht USA California225. Lfg. (Februar 2018), S. 71; zur Abkürzung BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 21). 194 § 7962 lit. e) CFC; mit „Feststellung“ übersetzt bei Bergmann/Ferid/Henrich/Lorenz, Länderbericht USA California225. Lfg. (Februar 2018), S. 71. 195 § 7962 lit. f) I, II CFC; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Lorenz, Länderbericht USA California225. Lfg. (Februar 2018), S. 71. 196 Siehe § 7962 lit. f) II S. 1 CFC; übersetzt mit „Beschluss zur Feststellung“ bei Bergmann/Ferid/Henrich/Lorenz, Länderbericht USA California225. Lfg. (Februar 2018), S. 71. Siehe insgesamt näher zum kalifornischen Recht Duden, Leihmutterschaft, S. 74 ff.; siehe noch Henrich, IPRax 2015, 229 (230); Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551 (556 f.); Thomale, IPRax 2016, 177 (178). 197 Offengelassen bei BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 21 f.); von einer konstitutiven Natur ausgehend die Vorinstanz KG, Beschl. v. 1. 8. 2013 – 1 W 413/13, IPRax 2014, 72 (74, Rn. 26); Thomale, IPRax 2016, 177 (178); vorsichtig ebenso Henrich, IPRax 2015, 229 (230) („dürfte“); i. E. noch Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551 (556 f.) (zwar zunächst lediglich davon sprechend, dass die Abstammung „determiniert“ werde, 556 – sodann jedoch von einer gerichtlichen Zuweisung des Kindes an die Wunscheltern, 557); für eine feststellende Wirkung Diel, Leihmutterschaft, S. 162 i. V. m. Fn. 996; Duden, Leihmutterschaft, S. 75 f., 119; ders., StAZ 2014, 164 (167); nachdrücklich noch Helms, StAZ 2013, 114 (118) („durch eine deklaratorische Feststellungsklage klarzustellen“). 198 Im Überblick zum ukrainischen Recht aufzeigend Duden, Leihmutterschaft, S. 77 („Bezüglich der Abstammung […] ist die Eintragung jedoch unerheblich […]“.). 199 Siehe zum ukrainischen Recht näher Duden, Leihmutterschaft, S. 77 f.; noch Bergmann/ Ferid/Henrich/Daschenko, Länderbericht Ukraine226. Lfg. (Mai 2018), S. 37 – mit Übersetzung des Art. 123 II ukrainisches FamGB, Länderbericht Ukraine214. Lfg. (November 2015), S. 81 („Im Falle der Übertragung eines Embryos, der von den Ehegatten […] unter der Anwendung von Reproduktionstechnologien gezeugt wurde, in den Organismus einer anderen Frau gelten die Ehegatten als Eltern des Kindes.“); Rieck/Debryckyi/Yunko, AuslFamR, Länderbericht Ukraine (Juli 2016) Rn. 29, S. 29 f.
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Im Vereinigten Königreich erwirbt zunächst jedenfalls die das Kind austragende Leihmutter die rechtliche Elternstellung.200 In Bezug auf die Wunschmutter (und je nach Familienstand der Leihmutter gegebenenfalls den anderen Wunschelternteil201) bedarf es einer gesonderten sog. parental order,202 wodurch das Gericht eine Statusänderung herbeiführt und die Elternschaft (nach deutschem Verständnis) konstitutiv203 auf die Wunscheltern überträgt.204 bb) Verfahrensrechtliche Anerkennung von Konstitutiventscheidungen Unstrittig erkennen Schrifttum und auch Rechtsprechung wiederum konstitutive Abstammungsentscheidungen von Gerichten oder Behörden verfahrensrechtlich über §§ 108, 109 FamFG an.205 Als Beispiel hierfür wäre etwa die Anerkennung der
200 Gemäß Sec. 33 I des Human Fertilisation and Embryology Act 2008 (HFEA); siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Vereinigtes Königreich (England und Wales)218. Lfg. (September 2016), S. 132. Ggf. erwirbt noch gemäß Sec. 35 I, 42 HFEA die Person, mit der die Leihmutter verheiratet oder verpartnert ist, die Elternschaft; siehe speziell hierzu Duden, Leihmutterschaft, S. 80, Fn. 266; Scherpe, FamRZ 2010, 1513 (1514 f.); siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Vereinigtes Königreich (England und Wales)218. Lfg. (September 2016), S. 132, 134 f. 201 Der Wunschvater kann bei einer alleinstehenden Leihmutter im Falle genetischer Verwandtschaft zu dem Kind unabhängig des HFEA – siehe Duden, Leihmutterschaft, S. 80; Scherpe, FamRZ 2010, 1513 (1514) – oder andernfalls nach Sec. 36 i. V. m. Sec. 37 HFEA bei entsprechender Vereinbarung mit der Leihmutter Vater werden. Entsprechendes gilt für die Partnerin der Wunschmutter (Sec. 43 i. V. m. Sec. 44 HFEA); siehe hierzu wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Vereinigtes Königreich (England und Wales)218. Lfg. (September 2016), S. 132 f., 135. 202 Gemäß Sec. 54 bzw. Sec. 54 A HFEA; Originaltext abrufbar auf der von „The National Archives“ verwalteten Internetseite der Regierung des Vereinigten Königreichs „Legislation.gov.uk“ unter https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2008/22#commentary-key-0f742cadd1 6b9731659cfac85a95ff6b (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe noch die Übersetzung zu Sec. 54 bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Vereinigtes Königreich (England und Wales)218. Lfg. (September 2016), S. 136 f. 203 Duden, Leihmutterschaft, S. 81, 113, 123; Benicke, StAZ 2013, 101 (104); Duden, StAZ 2014, 164 (167); i. E. auch Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551 (558 f.) (für England; zwar zunächst von einer Feststellung sprechend, 558 – anschließend aber von einer gerichtlichen Zuweisung, 559). 204 Näher zur Leihmutterschaft im Vereinigten Königreich insgesamt Duden, Leihmutterschaft, S. 80 f.; Scherpe, FamRZ 2010, 1513 (1514 f.); siehe noch MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1591 Rn. 42; Henrich, in: FS Schwab, S. 1141 (1143 f.); Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551 (558 f.) (England). 205 Explizit etwa Benicke, StAZ 2013, 101 (104); Gomille, StAZ 2017, 321 (322); Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (66); siehe noch BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 21); Diel, Leihmutterschaft, S. 161 ff. (dabei ausdrücklich nur „konstituieren[de]“ Entscheidungen, solche mit „Gestaltungswirkung“ erfassend); Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 7; Henrich, in: FS Schwab, S. 1141 (1146 f.); siehe noch die Formulierung bei Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 123a („Eine Entscheidung gestaltet die Rechtslage, hat also konstitutive Bedeutung.“), wobei diese enge Formulierung i. E. offenbar miss-
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
zuvor erwähnten sog. parental order in Leihmutterschaftsfällen im Vereinigten Königreich zu nennen.206 cc) Explizite Erfassung überprüfender Feststellungsentscheidungen In einer Entscheidung vor wenigen Jahren hat der BGH klargestellt, dass nicht nur „rechtsbegründend[ ]“207 wirkende Entscheidungen verfahrensrechtlich anerkannt werden könnten, sondern auch Entscheidungen, die eine „rechtliche Elternschaft“, die sich „bereits aus [einer] mit der Leihmutter getroffenen Vereinbarung ergibt“, feststellen.208 Anerkennungsfähig sei, so der BGH, „auch eine nur die Feststellung der bestehenden Rechtslage aussprechende Entscheidung“, wobei er erwähnt, dass die Feststellung im konkreten Fall nach einer „Sachprüfung“ erfolgt sei und die „Statusfolge zum Gegenstand“ gehabt habe.209 Dieser BGH-Rechtsprechung folgen die weitere Rechtsprechung und auch das Schrifttum übereinstimmend.210 Schon vor der genannten BGH-Entscheidung gingen manche Stimmen im Schrifttum nachdrücklich darauf ein, Feststellungsentscheidungen in Leihmutterschaftsfällen anzuerkennen.211 Diese stellten bei der Anerkennungsfähigkeit deklaratorischer Feststellungsentscheidungen bisweilen ebenfalls auf die gerichtliche oder behördliche Sachprüfung ab.212 Die Anerkennung solcher Entscheidungen war aber nicht unbestritten.213
verständlich ausgedrückt ist (denn zuvor wird auf die Anerkennung einer Feststellungsentscheidung eingegangen). 206 Duden, Leihmutterschaft, S. 123 (daneben noch auf die gerichtliche Entscheidung nach israelischem Recht verweisend, welche in Leihmutterschaftsfällen ebenfalls die Elternschaft der Wunscheltern herbeiführt, S. 124); Benicke, StAZ 2013, 101 (104); Henrich, in: FS Schwab, S. 1141 (1146 f.); siehe noch Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (68, Fn. 33). 207 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22) (Kalifornische Entscheidung in einem Leihmutterschaftsfall anerkennungsfähig). 208 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 21 f.) (Kalifornische Entscheidung in einem Leihmutterschaftsfall anerkennungsfähig). 209 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22) (Kalifornische Entscheidung in einem Leihmutterschaftsfall anerkennungsfähig). 210 OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 2); KG, Beschl. v. 4. 7. 2017 – 1 W 153/16, NJW 2017, 3241 f. (Rn. 9); noch OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1497); aus der Lit. Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 7 f.; siehe unter Berufung auf die BGH-Rspr. noch Gomille, StAZ 2017, 321 (323); allg. zu § 108 FamFG noch BeckOK-FamFG/Sieghörtner, § 108 Rn. 30; MüKo-FamFG/ Rauscher, § 108 Rn. 10 (jeweils ebenfalls auf die BGH-Rspr. Bezug nehmend). 211 Nachdrücklich bejahend Duden, Leihmutterschaft, S. 115 ff.; ders., StAZ 2014, 164 (166); noch Benicke, StAZ 2013, 101 (104). 212 Duden, StAZ 2014, 164 (166); noch ders., Leihmutterschaft, S. 115, 117, 119 f. 213 Siehe die abw. Ansicht bei Diel, Leihmutterschaft, S. 161 f. (fehlende Anerkennungsfähigkeit „lediglich deklaratorisch klarstellen[der]“ (S. 161) Entscheidungen).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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dd) Ausschluss bloßer Registrierungen und Beurkundungen Nicht der Anerkennung nach §§ 108, 109 FamFG zugänglich sind demgegenüber nach ganz herrschender Meinung auch im internationalen Abstammungsrecht schlichte Registrierungs- oder Beurkundungsakte, da diese wiederum nicht als anerkennungsfähige Entscheidung eingestuft werden.214 ee) (Umstrittener) Umgang mit anderen Mitwirkungsakten (1) Umstrittene Behandlung von Erlaubnisakten Insbesondere das Schrifttum legt den Fokus noch auf Gerichts- oder Behördenakte, die lediglich die Leihmutterschaftsvereinbarung (und gegebenenfalls weitere Voraussetzungen) überprüfen und sodann die Leihmutterschaft erlauben. Nach einer Ansicht ist die Abstammung in einem solchen Fall nicht verfahrensrechtlich anzuerkennen.215 Die Gegenansicht plädiert demgegenüber für eine Anerkennung, wenn eine Überprüfung der Voraussetzungen erfolgt ist,216 wobei vereinzelt eine Überprüfung „in einem formalen Verfahren“ und die „Kompetenz“ verlangt werden, „die Genehmigung zu verweigern“.217 (2) Strittiger Ausschluss überprüfender Registrierungen Gerade in der Rechtsprechung neuerer Zeit finden sich Fälle zu Registrierungen und Eintragungen, wie sie das ukrainische Recht vorsieht.218 Nach einer Ansicht in 214 Im abstammungsrechtlichen Kontext, wenngleich generell formuliert, BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13); Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22); OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1497); aus der Lit. etwa Prütting/Helms/Hau, § 109 Rn. 60; Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 8; noch Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 123a. 215 Nachdrücklich Duden, Leihmutterschaft, S. 124 ff. (zum griechischen Recht, S. 125); ders., StAZ 2014, 164 (168 f.) (zum griechischen Recht, 169); Henrich, in: FS Schwab, S. 1141 (1146); ebenso Diel, Leihmutterschaft, S. 161 f. – der aber ohnehin nur Gestaltungsentscheidungen und nicht deklaratorische Feststellungsentscheidungen anerkennen möchte. 216 Nachdrücklich Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (67 f.); ebenso – wobei nur gerichtliche Mitwirkungsakte erwähnend – Benicke, StAZ 2013, 101 (105); i. E. MüKo-BGB7/ Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 69 (auf die Abgrenzung bei Adoptionen verweisend, wobei auch im Voraus bewilligte Vertragsadoptionen anerkennungsfähig seien (MüKo-BGB7/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 85), und daher nur auf die „inhaltliche Prüfung der […] Zulässigkeitsvoraussetzungen“ abstellend); noch Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551 (569 f.) (zwar enger formuliert nur von anerkennungsfähigen „gerichtliche[n] Genehmigungen mit Gestaltungswirkung“ sprechend – aber sodann u. a. auf das griechische Recht verweisend). 217 Dies bezogen auf gerichtliche Überprüfungen hervorhebend Benicke, StAZ 2013, 101 (105). 218 Etwa BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608; Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 530/17, BGHZ 221, 300; in der jeweiligen Vorinstanz OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496; sowie OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16; siehe etwa noch OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16,
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Rechtsprechung und Schrifttum soll in solchen Fällen eine verfahrensrechtliche Anerkennung erfolgen, wenn eine Überprüfung vorgenommen wird und sich hieran der Beurkundungs- oder Registrierungsakt anschließt.219 Diese Anerkennung überprüfender Registerakte stößt jedoch auf vehemente Kritik220 und wird von der herrschenden Meinung abgelehnt.221 Bereits in seinem Beschluss zur Anerkennungsfähigkeit feststellender Entscheidungen,222 stellt der BGH diese Entscheidungen Registrierungen gegenüber. Den Beschluss des OLG Celle, der die Anerkennungsfähigkeit für eine Registrierung der Abstammung nach ukrainischem Recht bejaht, hat der BGH in einem anderen Beschluss schließlich aufgehoben.223 c) Ergebnis Was die Natur der verfahrensrechtlich anerkennungsfähigen Akte betrifft, zeichnet sich ein eher offenes Verständnis und eine bisweilen bunte Meinungsvielfalt ab. Im autonomen internationalen Adoptionsrecht bleibt die Anerkennung nach überwiegender Ansicht nicht auf konstitutive Hoheitsakte (Dekretadoptionen) beschränkt. Zwar fallen registrierende oder beurkundende Tätigkeiten nach allgemeiner, unumstrittener Ansicht nicht darunter. Vorherrschend ist aber die Anerkennung von Vertragsadoptionen, die nach einer Kontrolle durch ein Gericht, eine Behörde oder sogar einen Notar bestätigt werden. Hierbei finden teilweise ergänzend noch die Kriterien einer Versagungsmacht sowie Anhörung Erwähnung. Nach verbreiteter Ansicht ist nicht auf den Zeitpunkt der Kontrolle abzustellen, sodass auch eine vorangehende Bewilligung genügen soll. Andere verlangen für die Anerkennung hingegen eine besondere Wirkung der Bewilligung auf den Adoptionsvertrag oder wollen (zusätzlich) daneben den Adoptionsvertrag der kollisionsrechtlichen NZFam 2018, 36; siehe zum ukrainischen Recht hier wiederum näher Duden, Leihmutterschaft, S. 77 f. 219 OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1497); Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 9; Biermann, NZFam 2017, 662 (663); Löhnig, NZFam 2018, 38; Unger, FamRZ 2017, 1499. 220 Explizit nachdrücklich in Bezug auf das OLG Celle Gomille, StAZ 2017, 321 (322) („weder in der Begründung noch im Ergebnis dogmatisch tragfähig“). 221 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 f. (Rn. 11 ff.); Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 530/17, BGHZ 221, 300 (303, Rn. 14); in der Vorinstanz OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16, Rn. 42 ff.; OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 3 f.); BeckOK-FamFG/Sieghörtner, § 108 Rn. 30; speziell zur Entscheidung des OLG Celle Frie, NZFam 2018, 97 (98); Gomille, StAZ 2017, 321 (322 ff.); v. Bary, FamRZ 2019, 895; etwa noch Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn. 123a; siehe schon Duden, Leihmutterschaft, S. 116 f.; Benicke, StAZ 2013, 101 (104); Duden, StAZ 2014, 164 (166). 222 Siehe zur nunmehr auch in der Rspr. ausdrücklich festgehaltenen Anerkennungsfähigkeit von Feststellungsentscheidungen in Leihmutterschaftsfällen oben unter § 4 C.I.2.b)cc). 223 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (Aufhebung des Beschlusses der Vorinstanz OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Wirksamkeitskontrolle unterstellen. Schließlich findet sich eine generell engere (ältere) Ansicht, die für die verfahrensrechtliche Anerkennung einer Vertragsadoption ohnehin zusätzlich stets eine mit der gerichtlichen oder behördlichen Mitwirkung verbundene erhöhte Bestandskraft der Adoption fordert. Auch in Leihmutterschaftsfällen bleibt die verfahrensrechtliche Anerkennung nicht auf konstitutive Hoheitsakte beschränkt. Vielmehr werden nach (fast ganz) herrschender Ansicht und nunmehr höchstrichterlicher Rechtsprechung auch Feststellungsentscheidungen anerkannt, welche die Leihmutterschaftsvereinbarung und damit zusammenhängende Abstammung überprüfen. Schlichte Beurkundungs- oder Registrierungsakte reichen allerdings wiederum nicht aus. Ist eine Prüfung und Bewilligung insbesondere der Leihmutterschaftsvereinbarung vorgesehen, scheitert nach einer Ansicht die Anerkennung der Abstammung, wohingegen die Gegenansicht auch bei einem solchen Kontrollakt die Anerkennung zulässt, vereinzelt aber nur, wenn gleichzeitig eine Versagungsmacht besteht. Zuletzt zieht eine Ansicht das Kontrollkriterium bei Registrierungsakten heran und geht bejahendenfalls von einem der Anerkennung zugänglichen Akt aus. Die herrschende, insbesondere vom BGH vertretene Gegenansicht spricht sich in solchen Fällen hingegen gegen die verfahrensrechtliche Anerkennung aus. Schließlich zeigen auch diese Adoptions- und Leihmutterschaftsfälle anschaulich abermals auf, dass die Natur des Akts selbst – und nicht bereits die behördliche oder notarielle Natur – das entscheidende Problem bei der Frage darstellt, ob eine anerkennungsfähige Entscheidung gegeben ist.224 3. Ergebnis Nach wie vor vorherrschend im internationalen Scheidungsrecht ist eine verfahrensrechtliche Anerkennung konstitutiver Hoheitsakte und die Anwendung des internationalen Privatrechts auf Privatscheidungen. Insbesondere die – auch höchstrichterliche – Rechtsprechung praktiziert diese Grenze nachdrücklich. Im Schrifttum finden sich jedoch, gerade in neuerer Zeit,225 Stimmen, die auch Privatscheidungen mit gerichtlichem oder behördlichem Überprüfungsakt anerkennen möchten. Teilweise zeichnet sich, wenngleich nicht ganz eindeutig, ein ähnlich offenes Verständnis auch bei anderen ab, selbst wenn dort von einem konstitutiven Akt die Rede ist; eine neuere BGH-Rechtsprechung, die sich im Zusammenhang mit dem EU-Recht auch zum deutschen Verständnis äußert, lässt diesbezüglich Fragezeichen offen. Nach einzelnen Stimmen soll eine verfahrensrechtliche Anerkennung schließlich sogar im Falle weiterer, insbesondere registrierender Mitwirkungsakte an 224 Zur grds. Erfassung von Behörden bzw. Notaren oben unter § 4 B.II.; siehe wiederum auch Frie, NZFam 2018, 97 (98). 225 Insbesondere auch mit Blick auf das EU-Recht und die Sahyouni II-Rspr. (EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 39, 48 = IPRax 2018, 261 (263)).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Privatscheidungen erfolgen, wobei solche Vorschläge teilweise nur vorsichtig oder de lege ferenda formuliert sind. Im internationalen Adoptionsrecht oder in internationalen Leihmutterschaftsfällen zeichnet sich ein gemischteres Bild mit tendenziell großzügigerer Erfassung verschiedener Mischsituationen mit privatem und gerichtlich, behördlich oder gar notariell kontrollierendem Handeln ab. So erfolgt insbesondere – in (wenngleich nicht höchstrichterlicher) Rechtsprechung und Schrifttum – bei Vertragsadoptionen mit im Wesentlichen kontrollierendem Bestätigungsakt eine verfahrensrechtliche Anerkennung. In Leihmutterschaftsfällen ist mittlerweile nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass nicht nur die Abstammung herbeiführende, d. h. konstitutive Entscheidungen, sondern auch die Abstammung überprüfende Feststellungsentscheidungen der Anerkennung zugänglich sind. Das Schrifttum diskutiert zudem die Anerkennung bei leihmutterschaftsrechtlichen Bewilligungen, was aber sehr strittig ist. Auch bei Bewilligungen, die Adoptionsverträgen vorangehen, ist die Anwendung der Anerkennungsregeln umstritten. Eine (ältere) Ansicht im internationalen Adoptionsrecht verlangt für eine Anerkennung ohnehin generell, dass zur Kontrolle der Adoption noch eine gewisse Bestandskraft hinzutritt. Jedenfalls reichen demgegenüber nach einhelliger Ansicht schlichte Registrierungsakte und Beurkundungen nicht für eine Anerkennung aus, und zwar sowohl bei Vertragsadoptionen als auch in Leihmutterschaftsfällen. Zu Letzteren finden sich aber abweichende Stimmen, wenn bei einem registrierenden Eintragungsakt eine Prüfung erfolgt. Dem erteilt jedoch die herrschende, auch vom BGH vertretene Gegenansicht eine Absage. Kernproblem ist in den jeweiligen (Streit-)Fällen somit zugleich grundsätzlich, wie weiter oben ganz allgemein herausgearbeitet, nicht die behördliche Natur als solche. Im internationalen Scheidungsrecht kommt es nach herrschender Meinung gerade auf die konstitutive, gestaltende Natur des Gerichts- oder Behördenakts an, nach den anderen Entscheidungsbegriffen auch auf die (weitere) Natur der Mitwirkung, die behördliche Natur ist nicht das Problem.226 Die adoptions- und leihmutterschaftsrechtlichen Streitstände haben ebenfalls anschaulich vorgeführt, dass der Akteur als solches (Gericht, Behörde oder gar Notar) weniger relevant ist und vielmehr wiederum das genaue Tätigwerden im Rahmen des Adoptions- oder Abstammungsvorgangs die entscheidende Rolle spielt.227
226 Siehe hierzu an dieser Stelle wiederum Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 113 (für „Scheidungen durch ausländischen Verwaltungsakt […] heute anerkannt“); sowie bei der Analyse der h. M. Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (343) („Unstreitig“). 227 Siehe hier abermals auch die Analyse zu § 108 FamFG in einer Anmerkung zu einem Leihmutterschaftsfall von Frie, NZFam 2018, 97 (98).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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II. Untersuchung und Stellungnahme de lege lata 1. Anerkennung scheidender, konstitutiver Hoheitsakte a) Ausgangslage Indem die herrschende Meinung betont, Privatscheidungen seien nicht anerkennungsfähig und es bedürfe eines konstitutiven Hoheitsakts,228 stellt sie den Begriff des konstitutiven Hoheitsakts in den Mittelpunkt, um den Entscheidungsbegriff zu bestimmen. Daher soll im Folgenden dieser Kernbegriff der herrschenden Meinung näher untersucht werden. Es geht also zunächst um die Frage, was im Einzelnen aus scheidungsrechtlicher Perspektive unter einem konstitutiven Hoheitsakt zu verstehen ist, und zwar auch in konkreter, in praktischer Hinsicht. Erst anschließend geht es darum, ob es gerechtfertigt ist, solche Akte anzuerkennen und diesen Begriff als Kernmerkmal bzw. Dreh- und Angelpunkt für den Begriff der „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) zu nutzen. b) (Praktische) Bedeutung des herrschenden Entscheidungsbegriffs aa) Begriff des konstitutiven Hoheitsakts in Abgrenzung zum Privatakt (1) Definition des konstitutiven Hoheitsakts und sog. konstitutives Urteil Weiter oben wurde bereits begrifflich dargelegt, dass sich bei einem eheauflösenden, gestaltenden Akt von einem konstitutiven Akt sprechen lässt.229 Allgemein kann ein konstitutiver Hoheitsakt dementsprechend nur angenommen werden, wenn die jeweilige Gestaltung gerade durch das hoheitliche Handeln erfolgt, insbesondere durch das Gericht oder auch eine Behörde, und nicht lediglich in einvernehmlichem Handeln vor der entsprechenden hoheitlichen Stelle.230 Diese Unterscheidung erfolgt in nachdrücklicher Abgrenzung zu dem bisweilen auftauchenden, abweichenden Begriffsverständnis des Merkmals „konstitutiv“ im Sinne einer zwingenden Wirksamkeitsvoraussetzung, eines für die Entstehung zwingend zu erfüllenden Tatbestandsmerkmals.231 Es muss also mehr gegeben sein als eine 228
Oben unter § 4 C.I.1.a). Siehe oben unter § 2 C. 230 Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344); vgl. (als Vertreterin der klassischen, herrschenden Abgrenzungsformel) Gärtner, Privatscheidung, S. 6 f. („durch […] vollzogen“). 231 Siehe zu dieser abweichenden Begriffsverwendung LG Stuttgart, Beschl. v. 28. 1. 1992 – 2 T 175/91, StAZ 1992, 379 (380); BeckOGK-Rom I-VO/Köhler (1. 2. 2021), Art. 4 Rn. 208 („für den Vertragsschluss konstitutiv“); Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 329 („konstitutives Wirksamkeitserfordernis“), § 108 FamFG Rn. 101; Dölle, RabelsZ 27 (1962), 201 (238) („Charakter eines konstitutiven Tatbestandsmerkmals“); ebenso i. E. wohl Herfarth, Scheidung, S. 439. Ein etwas anderes, abw. Verständnis zeichnet sich teilweise noch im europäischen Kontext, insbesondere in Folge der Sahyouni II-Rspr. des EuGH (Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988 = IPRax 2018, 261) für kontrollierende Mitwirkungsakte ab; siehe hierzu unten unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). 229
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
zwingende gerichtliche oder behördliche Mitwirkung.232 Dies ergibt sich daraus, dass auch bei (Scheidungs-)Verträgen solche Mitwirkungsakte vorkommen können.233 Der Begriff „konstitutiv“ ist vorliegend ausschließlich im ersteren Sinne, d. h. in seiner Bedeutung als selbst rechtsändernd, rechtsgestaltend zu verstehen.234 Auf den Begriff der Privatscheidung ist daher zurückzugreifen, wenn der Privatakt, der Vertrag den rechtsgestaltenden Akt darstellt und eine etwaige behördliche Mitwirkung selbst nicht gestaltender, konstitutiver Natur ist.235 Um die Definition und Bedeutung des konstitutiven Hoheitsakts genauer zu umreißen, kann im Ausgangspunkt auch auf die wesentliche Wirkung des Gestaltungsurteils bzw. sog. konstitutiven Urteils nach deutschem Verständnis verwiesen werden: Dieses charakterisiert sich durch das Bewirken einer Änderung der Rechtslage, wobei es gerade der Ausspruch des Gerichts ist, der die Änderung herbeiführt; für die Konstitutivwirkung prägend ist, dass die Umgestaltung der Rechtslage direkt, unmittelbar durch den gerichtlichen Ausspruch, das Urteil selbst erfolgt.236 Das Handeln der Privatpersonen ist in diesen Fällen darauf beschränkt, die entsprechende richterliche Gestaltung zu begehren, es handelt sich um eine Gestaltungsklage.237 Eine Gestaltungsklage zu erheben, bedeutet nach heute herrschender Meinung zwar, dass ein privates materielles Gestaltungs(klage)recht aus232 Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344); vgl. (als Vertreterin der klassischen, herrschenden Abgrenzungsformel) Gärtner, Privatscheidung, S. 4 ff. 233 Siehe allg. zu Rechtsgeschäften und behördlicher Mitwirkung näher Flume, BGB AT II, § 2 3 c), S. 26 f. (mit genauer Differenzierung von Behördenakten als „Teil[ ] eines einheitlichen Rechtsgeschäfts“ oder „Wirksamkeitsvoraussetzung des als Rechtsgeschäft selbstständig gedachten privatautonomen Akts“, S. 27). Vgl. speziell mit Blick auf Privatscheidungen und hinzutretende Wirksamkeitserfordernisse staatlicher Mitwirkung Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 333; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 60; noch jurisPK-BGB/ Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 62. 234 Eingehend hierzu auch Gärtner, Privatscheidung, S. 4 (dort in Fn. 17 auf die anderen Verwendungen hinweisend); noch Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344); siehe zu dieser Begriffsverwendung auch BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14) (Sorgerechtsentscheidung „mit konstitutiver (rechtsgestaltender) Wirkung“); in einem Scheidungsfall und in Abgrenzung zu einem zwingenden Wirksamkeitserfordernis noch KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302. 235 Vgl. zum Begriff der Privatscheidung im dargestellten Sinne BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272) („Da es sich bei der Privatscheidung nicht um einen konstitutiven Hoheitsakt, sondern um ein Rechtsgeschäft handelt“.); näher Gärtner, Privatscheidung, S. 4 f. i. V. m. Fn. 18 (dort auf andere Verwendungen eingehend); siehe etwa noch Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 123, 125; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 119. 236 Siehe insbesondere die frühen ausführlichen Untersuchungen zum konstitutiven Urteil bei Hellwig, Klagerecht, S. 120 f., 443 f., 459 f., 466 ff., 473 ff.; ders., Rechtskraft, S. 1 ff.; Kisch, Urteilslehre, S. 45 ff.; zur Definition des Gestaltungsurteils Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 37; zur Gestaltungsklage etwa Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88, 89; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 1. Ganz früher wurde etwa auch noch von sog. Bewirkungsklagen bzw. Bewirkungsurteilen gesprochen; siehe Langheineken, Urteilsanspruch, § 12, S. 220 ff. bzw. § 12 IV, S. 227 ff. 237 Zum Begriff Creifelds, Rechtswörterbuch, „Gestaltungsklage“, S. 634.
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geübt wird,238 und zwar auch bei der Scheidung nach deutschem Recht,239 inklusive der sog. einverständlichen gerichtlichen Scheidung.240 Nichtsdestotrotz handelt es sich bei der Ausübung eines Gestaltungs(klage)rechts im Wege der Gestaltungsklageerhebung nach heute herrschendem Verständnis ganz allgemein um eine Verfahrenshandlung und nicht um ein aus einer materiell-rechtlichen Willenserklärung bestehendes Rechtsgeschäft; denn die Rechtsänderung ist ja gerade nicht an das Handeln auf privater Seite, sondern den richterlichen Ausspruch, das Gestaltungsurteil geknüpft.241 Die (ältere) sog. Lehre vom Doppeltatbestand, die in der Gestaltungsklageerhebung ein formalisiertes Rechtsgeschäft sieht, das in Verbindung mit dem Gestaltungsurteil die angestrebte Gestaltung herbeiführt,242 konnte sich 238 BGH, Urt. v. 29. 4. 1958 – IV ZR 265/58, BGHZ 30, 140 (149); Urt. v. 09. 4. 1986 – IVb ZR 32/85, BGHZ 97, 304 (308); MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, Vor § 253 Rn. 30; Stein/Jonas/ Roth, vor § 253 Rn. 103 f.; Thomas/Putzo/Seiler, Vorb. § 253 Rn. 5; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 38 III, S. 224; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 31 ff.; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 84; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 2 f.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 192; noch Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 43 („kann zu den Gestaltungsrechten im weiteren Sinn gezählt werden“); so auch Braun, Zivilprozeßrecht, § 26 III 3, S. 415 (obwohl die Gestaltungsklage als eigene Kategorie ablehnend, § 27 I, S. 416 ff.); a. A. (nur subjektiv-öffentliches, gegen den Staat gerichtetes Recht auf Gestaltung) HK-ZPO/Saenger, Vor §§ 253 – 494a Rn. 6; ebenso aus der älteren Lit. nachdrücklich Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 366 ff., 373, 381 f.; noch Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 15, S. 60; Henckel, Parteilehre, S. 31 ff., 34; Schlosser, Zivilprozeßrecht I, Rn. 209; Dölle, in: FS Bötticher, S. 93 (96 ff.) (öffentliches Gestaltungsklagerecht); so auch noch Stein/Jonas21/Schumann, vor § 253 Rn. 43; Blomeyer, Zivilprozessrecht1, § 38 II, S. 190. 239 BGH, Urt. v. 09. 4. 1986 – IVb ZR 32/85, BGHZ 97, 304 (308); aus der Lit. etwa BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 26 f.; Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 31; NK-BGB/Bisping, § 1564 Rn. 1 („bürgerlich-rechtliche[s] Gestaltungsrecht“); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 25 Rn. 1; ebenfalls von einem privaten materiellen Gestaltungsrecht ausgehend, dafür aber noch die materiellen Wirkungen des rechtshängigen Scheidungsantrags (etwa § 1361 I 2 BGB) anführend MüKoBGB/Weber, § 1564 Rn. 20; ebenso Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 38 (näher zum Streitstand Rn. 37 ff.); sich vor allem auf diese Wirkungen stützend BeckOK-BGB/Neumann, § 1564 Rn. 14 f.; a. A., wegen der Einführung des Zerrüttungsprinzips, des Scheiterns der Ehe, kein solches Recht annehmend Diederichsen, NJW 1977, 273; ders., ZZP 91 (1978), 396 (439). 240 Speziell zum Gestaltungsrecht im Falle der sog. einverständlichen Scheidung bei beiderseitigem Scheidungsantrag BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 26.1; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 25 Rn. 1, § 27 Rn. 33; ausführlich schon Gernhuber, Familienrecht3, § 25 1, S. 272 f., § 25 4, S. 275; siehe noch Lüke, AcP 178 (1978), 1 (22) (gerade wegen der sog. einverständlichen Scheidung ein solches annehmend). 241 Eingehend Lakkis, Gestaltungsakte, S. 45 f. (genauere Einordung als prozessuale Erwirkungshandlung); vgl. MüKo-ZPO/Becker-Eberhardt, Vor § 253 Rn. 30; nachdrücklich noch Larenz/Wolf, BGB AT9, Rn. 71 („Prozeßhandlung vergleichbar einer Willenserklärung“); schon v. Tuhr, BGB AT II 1, S. 156 f.; sich auf diesen berufend Helmreich, Selbsthilfeverbot, S. 34; Gaul, FamRZ 1963, 630 (634); diesem folgend Staab, Gestaltungsklage, S. 93 f.; so (im Zuge der Verneinung eines privaten materiellen Gestaltungsklagerechts) auch Dölle, in: FS Bötticher, S. 91 (94 f.). 242 Grundlegend Seckel, in: FG Koch, S. 205 (236 ff., zum Begriff 248 f.); dem folgend etwa noch Enneccerus/Nipperdey, BGB AT I 1, § 73 I 3., S. 441; später Henke, JA 1987, 589 (595 ff.); ähnlich noch Stein/Jonas18/Schönke, vor § 128 VI 2., S. 23 f.; ähnliche Überlegungen
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ganz allgemein nicht durchsetzen. Kernkritikpunkt ist, dass Fehler und Mängel des nach dieser Lehre anzunehmenden formalisierten Rechtsgeschäfts als gleichwertiger Teil des Doppeltatbestands auf die Gestaltungsebene durchschlagen und die eigentlich eingetretene Gestaltung trotz Vorliegens eines wirksamen Staatsakts, eines wirksamen Urteils, zu Fall bringen könnten.243 Die vorstehenden Grundsätze gelten also auch für den Scheidungsantrag, er ist Verfahrenshandlung und die Ehe ist nach erlassenem Scheidungsbeschluss geschieden, „materielle“ Mängel schlagen nicht automatisch durch.244 Dass daneben zwar bis heute teilweise zugleich eine „materiell-rechtliche Wirkung“ des Scheidungsantrags attestiert245 oder gar aufgrund des materiellen Gestaltungs(antrags)rechts eine Natur als materiell-rechtliche Willenserklärung erwähnt werden,246 stellt die Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses nicht in Frage.247 Solche Aussagen beziehen sich zum einen auf andere Wirkungen des rechtshängigen Scheidungsantrags (etwa § 1361 I 2 BGB),248 zum anderen steht auch dort die Natur als Verfahrenshandlung im Vordergrund;249 und/oder es tauchen deuten sich bereits zu den sog. „Rechte[n] des ,rechtlichen Könnens‘“ bei Zitelmann, IPR II, S. 32 f., 44 an („Anfechtung ist […] selbst eine Willenserklärung, ein Rechtsgeschäft“, das „[h]äufig nur in Form einer gerichtlichen Klage geschehen [kann]“, weshalb sie „dann […] allein noch nicht genügend [ist]“, weil es „noch einer gerichtlichen Thätigkeit bestimmten Inhalts [bedarf]“, S. 33). 243 So die Folgen dieser Lehre nach Seckel, in: FG Koch, S. 205 (243 f.). Insbesondere deshalb die Lehre vom Doppeltatbestand kritisierend und abl. Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor § 253 Rn. 14; Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 15 3 b), S. 60; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 46; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 32; Staab, Gestaltungsklage, S. 92; Gaul, FamRZ 1963, 630 (634). 244 So ausdrücklich und näher auch Wieczorek/Schütze3/Becker-Eberhard, § 606 (a. F.) Rn. 10 (dabei darauf hinweisend, dass demgegenüber eine materielle Ansicht der gerichtlichen Entscheidung die „Grundlage […] entziehen“ müsste); siehe zur Frage der Wirksamkeit näher noch die Ausführungen zur Beständigkeit von Urteilen im Allgemeinen unten unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(b)(bb) und zu der einer „falschen“ Scheidung unten unter § 4 C.II.3.a) dd)(2)(d). 245 BeckOK-BGB/Neumann, § 1564 Rn. 14; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 20; Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 39. 246 Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 32; zwar nur von einer „auch materiell-rechtlichen Natur“ sprechend, hierfür aber ebenfalls das Gestaltungsrecht heranziehend Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 51. 247 Vgl. den ausdrücklichen Hinweis auf die Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses von Vertretern der Ansicht, welche die Zustimmung bei der sog. einverständlichen Scheidung (auch) als Willenserklärung ansehen; so etwa MüKo-BGB/Weber, § 1566 Rn. 15 („nach allgemeinen Grundsätzen“); Staudinger/Rauscher, § 1566 Rn. 32b („kein Zweifel“); ebenso Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 27 Rn. 36 (obwohl nach dortiger Ansicht gar „nur eine Willenserklärung“). 248 BeckOK-BGB/Neumann, § 1564 Rn. 14 f.; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 20; im Zusammenhang mit dem Antrag und Gestaltungsrecht zumindest auch diese materiellen Wirkungen anführend Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 38 i. V. m. 29 ff. 249 Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 32 (parallele Natur als Verfahrenshandlung „[i]n erster Linie maßgeblich für die Wirksamkeit und Bindung oder Rücknehmbarkeit“); vgl. noch Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 51, 82 („unbeschadet der Frage
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solche Aussagen auf, wenn es um die Frage geht, ob bei verfahrensrechtlich gültigem Antrag ein Scheidungsbeschluss erlassen werden darf, auch wenn es am materiellen Scheidungswillen fehlt.250 Selbst die Ansicht, die bei dem Scheidungsantrag mit Blick auf das materielle Gestaltungsrecht explizit sogar von einem „zweigliedrigen Tatbestand“ (aus „formalisierte[r] Willenserklärung“ und „richterliche[m] Akt“) ausgeht, lehnt eine Beeinträchtigung des Hoheitsakts durch die Willenserklärung ab und betont, dass für das Eintreten der Eheauflösung im Ergebnis allein der Scheidungsbeschluss entscheidend sei.251 Die obigen Begriffsbestimmungen verdeutlichen zugleich, dass die herrschende Meinung im internationalen Scheidungsrecht Definitionen und Umschreibungen für das Konstitutivmerkmal verwendet, wenn sie nicht nur von konstitutiven Hoheitsakten (bzw. umgekehrt Privatakten) spricht, sondern für die Einordnung als „Entscheidung“ auch von einer Herbeiführung252 oder einem Vollzug253 der Scheidung. Zum Teil finden sich diese Umschreibungen selbst mit dem Konstitutivmerkmal verknüpft254 und bisweilen wird schlicht klargestellt, dass bei einem Privatakt, einer Privatscheidung, die hoheitliche Mitwirkung, wie gesehen, „lediglich [als] ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal“ anzusehen ist.255 (2) Geringe Aussagekraft der weiteren gesetzlichen Ausgestaltung (a) Fragestellung Nach dem zuvor Gesagten kommt es auf die unmittelbar eheauflösende Wirkung des Hoheitsakts an, damit man von einem konstitutiven Hoheitsakt sprechen kann. Es stellt sich nun die Frage, ob es, wenn das Gesetz gerade nicht eindeutig und unmissverständlich von einem eheauflösenden Urteil oder einem unmittelbar scheiseiner auch materiell-rechtlichen Natur“ bzw. Ehe auch bei falschem Scheidungsbeschluss bzw. fehlenden Scheidungsvoraussetzungen geschieden). 250 BeckOK-BGB/Neumann, § 1564 Rn. 17; Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 34; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 53; Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 57a m. w. N. (dabei näher zur Möglichkeit der Beschwerde, wenn dennoch ein Scheidungsausspruch ergeht). 251 Siehe Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 3 Rn. 25 ff. (für die Wirksamkeit der richterlichen Gestaltung selbst im Falle einer „gegenstandslos[en]“ Willenserklärung, Rn. 26), § 25 Rn. 3, 14, § 27 Rn. 36; Muscheler, Familienrecht, Rn. 108, 113. 252 Siehe wiederum BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382) („soweit der gerichtliche Akt auf die Herbeiführung der Statusänderung gerichtet ist und diese selbst herbeiführt“); dem folgend jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 62, 65; siehe noch Gärtner, Privatscheidung, S. 175, 179 (zum Urteilsbegriff des § 328 ZPO); Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239 („durch konstitutiven Hoheitsakt herbeiführt)“; noch Herfarth, Scheidung, S. 439 (wenngleich dort zuvor das Merkmal konstitutiv anders, nämlich offenbar i. S. v. Wirksamkeitsvoraussetzung verwendend). 253 Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 126, § 109 FamFG Rn. 342; Gärtner, Privatscheidung, S. 6 f., 179 (zum Urteilsbegriff des § 328 ZPO). 254 Siehe etwa Gärtner, Privatscheidung, S. 4 ff.; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239. 255 So Martiny, IZVR III/1, Rn. 1743.
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dendem Behördenakt spricht, sichere Anzeichen im Rahmen der (weiteren) gesetzlichen Ausgestaltung einer Scheidung dafür gibt, dass es sich um einen konstitutiven Hoheitsakt handelt. Zu beachten ist, dass es an dieser Stelle, wie gesagt, um das Konstitutivmerkmal des herrschenden Entscheidungsbegriffs im internationalen Scheidungsrecht geht, also nur darum, einen konstitutiven Hoheitsakt von einer zwingenden Mitwirkung an einem Scheidungsvertrag abzugrenzen – und (noch) nicht darum, welche (Privat-)Scheidung als „Entscheidung“ im Sinne des § 109 FamFG zu qualifizieren ist. (b) Beständigkeit der Scheidung Um zu bestimmen, ob es sich um einen Hoheitsakt konstitutiver Natur handelt, hilft es möglicherweise, auf die Beständigkeit der Scheidung abzustellen.256 Dafür spricht auf den ersten Blick, dass bei den Gründen, warum anstelle eines privat gestaltenden Rechtsgeschäfts ein Gestaltungsurteil notwendig ist, auch die Rechtskraft des Gestaltungsurteils und die damit verbundene erhöhte Rechtssicherheit anzuführen ist.257 Die entsprechende Gestaltungsklage findet sich (im materiellen Zivilrecht) zwar regelmäßig dem Gestaltungsrecht, das wie etwa beim Rücktritt (§ 349 BGB) durch einseitige Willenserklärung ausgeübt wird, gegenübergestellt.258 Es wurde aber bereits festgehalten, dass nach herrschender Meinung bei der Scheidung nach deutschem Recht, inklusive der sog. einverständlichen, ein privates materielles Gestaltungs(klage)recht anzunehmen ist.259 Auch unabhängig der Frage, inwiefern zu den Gestaltungsrechten nur „einseitige“ Situationen zu zählen sind,260 ergibt sich für die vorliegende Untersuchung von privaten und ho256
Siehe die Untersuchung bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht, S. 337 (344 f.). Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 38, 40 f., 43; Medicus/ Petersen, BGB AT, Rn. 84; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 30, 32 f.; Dölle, in: FS Bötticher, S. 93 (95); ebenfalls die Rechtssicherheit betonend schon Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 15 2 C), S. 60. 258 Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 22 f. („Macht, allein […] einzuwirken“); Medicus/ Petersen, BGB AT, Rn. 83 f.; Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 31 („durch einseitigen Gestaltungsakt“), 35, 43; noch Creifelds, Rechtswörterbuch, „Gestaltungsrecht“, S. 634. 259 Siehe hier nur Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 25 Rn. 1; näher oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). 260 Dagegen sprechen die eng gefasste und die Einseitigkeit hervorhebende Begrifflichkeit bzw. Gegenüberstellung, auf die gerade hingewiesen wurde und die man im materiellen Zivilrecht trifft; siehe hier nur Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 83 f. Anders hingegen und sogar allg. die Vertragsfreiheit und mehrseitige Rechtsgeschäfte erfassend Adomeit, Gestaltungsrechte, S. 10 ff. (mit ausführlicher Untersuchung der vertretenen Begrifflichkeiten); siehe noch die allg. Anmerkung im Rahmen der sog. einverständlichen Scheidung BeckOGK-BGB/ Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 26.1 („[g]leichförmige, gleichgerichtete Rechte und einverständliches Handeln […] Gestaltungsrechten nicht wesensfremd“); ebenso Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, § 25 Rn. 1. Auch ganz allg. wird problematisiert, wie die „besondere Erscheinung parallel laufender Erklärungen“ dogmatisch einzuordnen ist; siehe Schwab, in: FS Medicus, S. 587 ff. (hierbei auch gerichtliche Gestaltungsentscheidungen in den Fokus nehmend, 589 ff.). 257
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heitlichen Gestaltungsakten im Ergebnis kein Unterschied.261 Jedenfalls der den Gestaltungsurteilen zugrunde liegende Gedanke der Rechtssicherheit greift unproblematisch auch in Konstellationen, die noch stärker an einen Vertrag erinnern. Hierfür lässt sich das deutsche Adoptionsrecht anführen.262 Der Adoptionsbeschluss ist unanfechtbar (§ 197 III 1 FamFG)263 und – im Vergleich zum früheren Vertragssystem – „besser geeignet, den Bestand“ der Adoption „zu sichern“.264 Darüber hinaus kann man sich das zuvor zu den sog. konstitutiven Urteilen und deren Wirkung Gesagte in Erinnerung rufen. Bei diesen beschränkt sich das Handeln der Privatpersonen auf eine verfahrensrechtliche Handlung, nämlich die Gestaltung zu begehren. Für die Gestaltungswirkung entscheidend ist der hoheitliche Gestaltungsakt, der auch nicht schlicht hinfällig ist, wenn das Gestaltungsbegehren an Fehlern leidet.265 Wenn eine Scheidung in ihrem Bestand nicht an den Hoheitsakt gekoppelt, sondern (auch) direkt vom fehlerfreien Bestand des Scheidungswillens der Eheleute abhängig ist, spricht dies dagegen, dass es der Hoheitsakt ist, der unmittelbar scheidend, d. h. konstitutiv wirkt.266 Ein solcher Rückschluss ist aber nach dem zuvor zum Konstitutivbegriff Gesagten nur zulässig, sofern das Gesetz nicht doch klar erkennbar die eheauflösende Wirkung an den Hoheitsakt selbst knüpft. Umgekehrt kann eine erhöhte Beständigkeit der Scheidung nicht abschließend allein dazu führen, dass man eine konstitutive Natur des Hoheitsakts bejaht, denn die gestaltende Wirkung kann dennoch an den Privatakt geknüpft sein, wie das Beispiel 261
Vgl. auch Adomeit, Gestaltungsrechte, S. 13, der auch die Vertragsfreiheit und mehrseitige Rechtsgeschäfte bei den Gestaltungsrechten einordnet (S. 10 ff.) und hierfür hervorhebt, dass dies den „Vorteil“ bietet, „eine Übereinstimmung mit dem prozeßrechtlichen System der Gestaltungsklagen und -urteile zu erreichen, das auch die Herbeiführung von – sonst vertraglich begründeten – Schuldverhältnissen kennt“; mit Blick auf Gestaltungs(klage)rechte Lakkis, Gestaltungsakte, S. 38, Fn. 152 („ohne Relevanz“, da unstreitig auch auf vertraglichem Weg „eine (materiellrechtliche) Gestaltung“ möglich). 262 Vgl. zum vertragsähnlichen Charakter Staudinger/Helms, § 1752 Rn. 2 („eben doch beruhend auf den Einwilligungserklärungen der Beteiligten“); Schwab, Familienrecht, Rn. 981 („Konsens“); in Bezug auf die Volljährigenadoption bei der es eines Antrags der annehmenden und anzunehmenden Person bedarf (§ 1768 I 1 BGB) davon sprechend, dass sich dies „weitgehend dem Vertragssystem des früheren Rechts an[nähert]“, MüKo-BGB/Maurer, § 1768 Rn. 1; das Adoptionsrecht etwa im Zusammenhang der (dogmatischen) Problematisierung „parallel laufende[r] Erklärungen“ und „gerichtliche[r] Gestaltung“ anführend Schwab, in: FS Medicus, S. 587 (590 f.). 263 Näher hierzu etwa MüKo-FamFG/Maurer, § 197 Rn. 87 ff. 264 BT-Drs. 7/3061, S. 24; näher (zur Rechtslage im Anschluss an die Einführung des Dekretsystems) Bosch, FamRZ 1984, 829 (837); siehe noch Staudinger/Helms, § 1752 Rn. 3; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 4 („größere Bestandsfestigkeit“); Schwab, in: FS Medicus, S. 587 (591) (im Zusammenhang mit dem dort dogmatisch untersuchten Problem „parallel laufende[r] Erklärungen“ und „gerichtliche[r] Gestaltung“ beim Adoptionsbeschluss auf die „besondere Stabilität“ eingehend). 265 Siehe näher mit Hinweis auf die entgegengesetzte ältere und abgelehnte sog. Lehre vom Doppeltatbestand oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). 266 Siehe Helms, in: Scheidung ohne Gericht, S. 337 (344) („Indiz für das Vorliegen einer Privatscheidung“).
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der Eheschließung im deutschen Recht andeutet.267 Die Ehe wird nach § 1310 I 1 BGB durch Erklärung der Eheschließenden vor dem Standesbeamten geschlossen. Die Eheschließung ist ein Vertrag familienrechtlicher Art.268 Eine Eheschließung mit einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist zwar unwirksam (§ 1303 S. 2 BGB).269 Abgesehen davon manifestiert § 1313 I 1 BGB jedoch den Grundsatz, dass die Ehe „nur durch richterliche Entscheidung“ aufhebbar ist; die in § 1314 BGB genannten Aufhebungsgründe betreffen Fälle, in denen normalerweise ein Vertrag unwirksam (vgl. § 105 BGB und § 1314 II Nr. 1 BGB) oder privat anfechtbar ist (vgl. insbesondere §§ 123, 143 f. BGB und § 1314 II Nr. 3, Nr. 4 BGB).270 Dieses Beispiel zeigt zumindest, warum es schwierig ist, die Frage der Beständigkeit als allein ausschlaggebend für die Frage des (Nicht-)Vorliegens eines konstitutiven Hoheitsakts zu machen, die Beständigkeit lässt sich eher als Anzeichen deuten.271 Dies nehmen auch einzelne Vertreter der klassischen Abgrenzungsformel an.272 Zu berücksichtigen ist hier wiederum, dass diese Feststellung, wie gesagt, nur den Begriff des konstitutiven Hoheitsakts betrifft, den gerade der hier untersuchte herrschende Entscheidungsbegriff als Kernmerkmal für die Anerkennungsfähigkeit einer Scheidung heranzieht. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob im Falle einer erhöhten Beständigkeit der Scheidung, auch wenn ein konstitutiver Hoheitsakt fehlt und eine Privatscheidung gegeben ist, dennoch (funktional) eine „Entscheidung“ im Sinne des § 109 FamFG angenommen werden kann.273 (c) Differenzierung zwischen Kontrolle und Konstitutivwirkung Oben wurde erwähnt, dass eine hoheitliche überprüfende Beteiligung an der Scheidung nach dem herrschenden Entscheidungsbegriff nicht für die Anerkennung als „Entscheidung“ ausreicht.274 Dies bedarf hier mit Blick auf den Begriff des konstitutiven Hoheitsakts einer näheren Untersuchung.
267
Dieses Beispiel heranziehend Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344 f.). BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (141) („eheliche Bindung“ durch „Willensakt der Verlobten begründet“ bzw. dieser „erzeugt die rechtliche Bindung“); BeckOGK-BGB/Kriewald (1. 7. 2021), § 1310 Rn. 42, 36; BeckOK-BGB/Hahn, § 1310 Rn. 11, 14; MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 3; NK-BGB/Antomo, § 1310 Rn. 4; Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 17, 52 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 11 Rn. 10; Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344). 269 Siehe den Wortlaut der Norm („kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden“); näher hierzu nur MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1303 Rn. 12 ff. m. w. N. („unheilbar nichtig“). 270 Siehe hier näher zur Verdrängung der allgemeinen durch ehespezifische Regelungen nur MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1313 Rn. 4. 271 Siehe wiederum Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344 f.). 272 So Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 340. 273 Hierzu eingehend noch im Rahmen des vorzugswürdigen und vorliegend vertretenen Entscheidungsbegriffs unten unter § 4 C.II.3.b). 274 Siehe wiederum oben unter § 4 C.I.1.a). 268
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Nach der Rechtsprechung genügt selbst eine umfassend kontrollierende Tätigkeit nicht für eine Einordnung als konstitutiver Hoheitsakt:275 Bei der Scheidung nach jüdischem Recht übergibt der Mann einen Scheidebrief (Get) an die Frau. Dabei wirkt das Rabbinatsgericht auf eine Versöhnung hin, überprüft die Freiwilligkeit im Falle des Einvernehmens bzw. andernfalls etwaige Scheidungsgründe und wohnt der Übergabe des Scheidebriefs bei, um deren vorgeschriebenen Ablauf zu kontrollieren.276 Diese Überwachung reicht nach der Rechtsprechung des BGH aber nicht für eine Einordnung als Scheidung durch konstitutiven Hoheitsakt aus. Es handele sich vielmehr um eine Privatscheidung, eine Scheidung, die durch die Übergabe des Scheidebriefes als Privatakt vollzogen werde.277 Dies gelte auch bezüglich der bei streitiger Scheidung erforderlichen Erlaubnis bzw. Anordnung des Rabbinatsgerichts, die Übergabe des Scheidebriefs vorzunehmen.278 In anderen Fällen argumentiert die Rechtsprechung ebenfalls in gleicher Weise.279 Auch Schrifttumsvertreter des herrschenden Entscheidungsbegriffs ordnen die Scheidung nach jüdischem Recht einhellig als Privatscheidung ein.280 Allein eine überprüfende staatliche Tätigkeit genüge nicht, um das Vorliegen einer Privatscheidung zu verneinen.281 275 Mit Blick auf den BGH dies hervorhebend NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 40 (auch bei „intensive[r] Mitwirkung“ mit „einer Prüfung materiellrechtlicher Scheidungsvoraussetzungen […] nach dieser Formel als Privatscheidung anzusehen“); ebenso NK-BGB/ders., Art. 1 Rom III-VO Rn. 72. 276 Näher zur Scheidung nach jüdischem Recht sowie zur Rolle des Rabbinatsgerichts und Verfahren etwa Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 71 ff.; Herfarth, Scheidung, S. 21 ff., 25 ff., 439 f.; Rieck/Ganz, AuslFamR, Länderbericht Israel (Juli 2016) Rn. 13, S. 13 ff.; Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (742 f.); Scheftelowitz, FamRZ 1995, 593 (594). 277 Zu § 328 ZPO BGH, Urt. v. 2. 2. 1994 – XII ZR 148/92, IPRax 1995, 111 (112); Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (374, Rn. 34) (Privatscheidung trotz Einbettung „in ein strenges und formalisierten Verfahrensvorschriften unterliegendes gerichtsförmiges Verfahren“). 278 Zu § 328 ZPO BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (372, Rn. 26, 27). 279 In einem neueren Beschluss zu einer Scheidung nach syrischem Recht stellt der BGH abermals auf seine zuvor dargestellte Argumentation ab; BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3594, Rn. 16). Ein neuerer Beschluss des KG betont dies in entsprechender Weise für eine etwaige Prüfung der Registerbehörde bei der Scheidung nach japanischem Recht, die dennoch eine Privatscheidung darstelle; KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302. 280 Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 126, § 109 FamFG Rn. 333 f.; zu § 328 ZPO Gärtner, Privatscheidung, S. 177 f. („Übergabe des Scheidebriefs hat statusändernde, d. h. konstitutive Wirkung“, S. 177); Herfarth, Scheidung, S. 38, 439 f. (Es bleibe jedoch „ein Unbehagen, weil sich die Scheidung nach jüdischem Recht aufgrund ihres stark formalisierten Ablaufs und ihrer Einbindung in ein Gerichtsverfahren von klassischen Privatscheidungen unterscheidet“, S. 441); Martiny, IZVR III/1, Rn. 1743; noch Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 145. 281 Zu § 328 ZPO Gärtner, Privatscheidung, S. 183 (Da bei der einverständlichen Scheidung nach deutschem Recht aufgrund der unwiderlegbaren Vermutung keine Prüfung des Scheiterns, aber dennoch ein Urteil i. S. d. § 328 ZPO gegeben ist, sei es naheliegend, „die inhaltliche Überprüfung weniger als das entscheidende Kriterium anzusehen“.); i. E. Herfarth,
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Der Differenzierung von Kontrolle und Konstitutivität, die sich somit aus dem herrschenden Entscheidungsbegriff herauskristallisiert, ist zuzustimmen. Dafür, das Kontrollkriterium als Bestimmungsmerkmal für den konstitutiven Hoheitsakt heranzuziehen, könnte zwar sprechen, dass allgemein als einer der Gründe, warum ein Gestaltungsurteil anstelle einer privaten, rechtsgestaltenden Erklärung notwendig ist, die der Gestaltung vorangehende richterliche Kontrolle zu nennen ist.282 Insbesondere Bötticher arbeitete bereits früh die vorangehende Überprüfung der Voraussetzungen als eigentliche Aufgabe des Gerichts bei einem Gestaltungsurteil heraus. Wegen der kontrollierenden Tätigkeit bezeichnete er die „Hauptaufgabe des Gerichts“ gar als „im Grunde doch […] deklaratorische“, womit er die „Feststellung der Scheidungs[gründe]“ meinte.283 Dabei hat es vorliegend wiederum keine ausschlaggebende Bedeutung, wenn die Kontrolle im Rahmen einer Gegenüberstellung von Gestaltungsklagen bzw. -urteilen und einseitig ausgeübten privaten Gestaltungsakten erwähnt wird.284 Beispiele aus dem deutschen Recht veranschaulichen aber, dass Kontrolle und Konstitutivität nicht korrelieren. Zunächst ist erneut ein Blick auf die Eheschließung zu werfen.285 Der Standesbeamte muss die Trauung durchführen, wenn alle Voraussetzungen gegeben sind (§ 1310 I 2 BGB), andernfalls muss er seine Mitwirkung sogar verweigern (§ 1310 I 3 BGB). Dennoch handelt es sich bei der Eheschließung, wie gesehen, um einen Vertrag und nicht um eine durch Hoheitsakt erfolgende Eheschließung, die Mitwirkung des Standesbeamten ist also nicht konstitutiver Natur.286 Sie wird (mit Blick auf die andernfalls grundsätzlich drohende Nichtehe287) Scheidung, S. 38, 439 f. (zur Scheidung nach jüdischem Recht); Krzywon, StAZ 1989, 93 (103) (Scheidung nach koreanischem Recht); siehe noch Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 127 (kein „Urteil“ bei „einer gerichtlichen Bestätigung“ mit „nachträglich[er]“ Überprüfung oder bei einer „vorherige[n] gerichtliche[n] Erlaubnis“), etwas offener § 109 FamFG Rn. 342 (zumindest analoge Anwendung des § 109 FamFG als Frage aufwerfend). 282 Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 40 f.; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 84; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 30; Dölle, in: FS Bötticher, S. 93 (95). 283 Bötticher, in: FG Rosenberg, S. 73 (82 f.); vgl. noch Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 68. 284 Vgl. abermals auch Adomeit, Gestaltungsrechte, S. 13, welcher sowohl Vertragsfreiheit als auch mehrseitige Rechtsgeschäfte den Gestaltungsrechten zuordnet (S. 10 ff.) und dabei betont, dass so „eine Übereinstimmung mit dem prozeßrechtlichen System der Gestaltungsklagen und -urteile […], das auch die Herbeiführung von – sonst vertraglich begründeten – Schuldverhältnissen kennt“, möglich ist; bezüglich Gestaltungs(klage)rechten Lakkis, Gestaltungsakte, S. 38, Fn. 152 („ohne Relevanz“, da unstreitig auch auf vertraglichem Weg „eine (materiellrechtliche) Gestaltung“ möglich); näher im Zusammenhang mit dem gerade zuvor untersuchten Kriterium der Beständigkeit. 285 Vgl. zur Ehescheidung – allerdings nicht mit Blick auf die kontrollierende, sondern „zwingende Mitwirkung“ – auch Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (343 f.). 286 BeckOGK-BGB/Kriewald (1. 7. 2021), § 1312 Rn. 9; MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 3; Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 18. 287 MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 26; Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 22, 59; Schwab, Familienrecht, Rn. 67, 62.
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als zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung gedeutet.288 Darüber hinaus kann vor allem wiederum auf das Adoptionsrecht verwiesen werden. Nach dem früheren Vertragssystem bedurfte es eines Vertrags, dessen Abschluss bei nicht voll geschäftsfähigen Kindern einer gerichtlichen Genehmigung bedurfte und der anschließend gerichtlich bestätigt werden musste. Trotz dieser Kontrolle handelte es sich um einen vertraglichen Vorgang.289 Zuletzt kann ein Blick auf die sog. privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakte geworfen werden, also Verwaltungsakte, die ein privates Rechtsverhältnis betreffen.290 Untersuchungen aus der Perspektive des öffentlichen Rechts differenzieren dabei zwischen Fällen, in denen der Verwaltungsakt alleine die Gestaltung herbeiführt, und solchen, in denen ein privates Rechtsgeschäft hinzutreten muss.291 Unter Letztere fallen also behördliche Genehmigungen von Rechtsgeschäften.292 Auch dies spricht dagegen, bei einer einvernehmlichen Scheidung bloß aufgrund einer umfassenden, genehmigenden Mitwirkung ohne Weiteres einen konstitutiven Hoheitsakt anzunehmen. Entscheidend ist in den genannten Fällen vielmehr wiederum der Gesetzestext. Unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung der Mitwirkung ergibt sich nämlich in den angeführten Beispielen aus dem Gesetz selbst, durch welchen Akt die Gestaltung erfolgt. Bei der Eheschließung 288
BeckOGK-BGB/Kriewald (1. 7. 2021), § 1310 Rn. 37; BeckOK-BGB/Hahn, § 1310 Rn. 1; noch Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 3; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 11 Rn. 10; Schwab, Familienrecht, Rn. 67. Die einzelnen in § 1312 BGB vorgesehenen Akte sind jedoch nicht als zwingende Wirksamkeitsvoraussetzungen anzusehen; siehe BeckOGK-BGB/ Kriewald (1. 7. 2021), § 1312 Rn. 1 („nicht zwingende verfahrensrechtliche Bestimmungen“); MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1312 Rn. 1 („nicht zwingende[ ] Formvorschriften“); Staudinger/ Löhnig, § 1312 Rn. 8 („nicht zwingende […] Verfahrensvorschrift“). Der Ausspruch in § 1312 BGB selbst hat „nur deklaratorische Bedeutung“; siehe BeckOK-BGB/Hahn, § 1312 Rn. 1; MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1312 Rn. 1; siehe noch NK-BGB/Antomo, § 1310 Rn. 4; Staudinger/Löhnig, § 1312 Rn. 5, 19; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 11 Rn. 10. 289 Vgl. näher (und auch historisch) zur gerichtlichen kontrollierenden Rolle und vertraglichen Natur Bosch, FamRZ 1984, 829 (830 ff., 837); noch BT-Drs. 7/3061, S. 23 f.; siehe etwa zur Versagung der Bestätigung im Falle einer Scheinadoption und zu einer bei Bestätigung dennoch möglichen Sittenwidrigkeit i. S. d. § 138 I BGB BGH, Urt. v. 5. 4. 1961 – IV ZR 212/ 60, BGHZ 35, 75 (79 ff.). 290 Ausführlich zu diesem Begriff und früheren Begriffsbestimmungen Bengel, Verwaltungsakt, S. 72 ff., 83; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 284 f., 21 f., 37 f. (zur einbeziehenden Erfassung „[h]oheitliche[r] Mitwirkungsakte“, S. 37 f.); siehe noch MüKo-BGB/ Bayreuther, Vor § 182 Rn. 17; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 46; von „konstitutiven“ Hoheitsakten sprechend und diese den „deklaratorischen“ gegenüberstellend Westermann, in: FS Michaelis, S. 337 (339 f.) (allg. zu den dort sog. „konstitutiven Hoheitsakten“, worunter die – nach vorliegendem Begriffsverständnis – konstitutiven Akte i. S. v. hoheitlichen Gestaltungsakten (dort sog. „isolierten Hoheitsakte“) und hoheitlich zwingenden Mitwirkungsakte (dort sog. „Mischtatbestände“) fallen, S. 340). 291 Grundlegend Bengel, Verwaltungsakt, S. 119; ebenso Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 284 f.; Westermann, in: FS Michaelis, S. 337 (340). 292 Bengel, Verwaltungsakt, S. 119 (ausführlich zu Genehmigungen als privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte, S. 87 ff., wobei Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen aufgrund ihrer Besonderheit von der Untersuchung ausnehmend, S. 85 ff.); Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 284.
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ist es der bereits erwähnte § 1310 I 1 BGB, wonach die Ehe durch Erklärung vor dem Standesbeamten geschlossen wird, und nach § 1741 BGB a. F. erfolgte die Annahme an Kindes statt durch Vertrag.293 In diesem Zusammenhang ist schließlich noch auf eine weitere Begrifflichkeit einzugehen. Im EU-rechtlichen Scheidungskontext nehmen einige Stimmen im Schrifttum, gerade infolge der in ihrer genauen Bedeutung strittigen Sahyouni IIFormel des EuGH,294 bei einer gewissen, im Einzelnen umstrittenen hoheitlichen Kontrolltätigkeit einen sog. konstitutiven Mitwirkungsakt an, um daran die Anerkennung festzumachen.295 Der BGH spricht in seiner neueren EuGH-Vorlage ebenfalls von „konstitutive[r] Mitwirkung“ und „Kontrollfunktion“.296 Auch unabhängig von der Sahyouni II-Formel stuft ein Vorschlag im Schrifttum bei einer bestimmten Kontrollmacht „die staatliche Mitwirkung als konstitutiv“ ein.297 Dies scheint auf den ersten Blick begrifflich verwirrend, da nach dem soeben Gesagten Kontrolle und Konstitutivität gerade nicht korrelieren. Es ist jedoch auf die genauen begrifflichen Nuancen zu achten: Weitgehend ist (nur) von einer Mitwirkung die
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Siehe zu Letzterem wiederum BT-Drs. 7/3061, S. 23 f. EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 48 = IPRax 2018, 261 (263). Siehe zur fraglichen Interpretation dieses Urteils etwa NK-BGB/ Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 93; zur „Bedeutung dieser unscharfen Formulierung“ noch Antomo, StAZ 2020, 33 (42). Auch der BGH geht von einer unklaren Bedeutung aus, wie seine Vorlage an den EuGH zeigt; siehe BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 31). Siehe hierzu schon einleitend unter § 1 B. 295 So NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 („Kontrolle“ i. S. d. EuGH-Urteils erfordere, dass in „konstitutiver Art mitgewirkt“ wird, bzw. Anerkennungsfähigkeit einer „gebilligte[n] Vereinbarung“); dies., IntFamR, § 2 Rn. 20 („[…] wenn erst der Spruch der Behörde die Scheidung herbeiführt oder wenn die Scheidung zwar durch Willenserklärung der Ehegatten bewirkt,“ aber ein „Plazet der Behörde“ erforderlich ist; nach dem EuGH und dem Merkmal der „Kontrolle“ sei eine „konstitutive Mitwirkung“ erforderlich“); ähnlich, aber vorsichtiger Hepting/Dutta, Familie Rn. III-501 f. („Scheidungen ,unter konstitutiver Mitwirkung‘“ bzw. möglicherweise „Privatscheidungen mit behördlicher Begleitung“); noch Dutta, FF 2018, 60 (63); unklar Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 17, der zwar verlangt, „dass die Entscheidung von einem staatlichen Gericht oder einer staatlichen Behörde […] erlassen worden sein muss“, an anderer Stelle von einer „rechtsgestaltenden Mitwirkung“ spricht, Rn. A 23, und wiederum an anderer Stelle mit Blick auf einen zu einer Vereinbarung hinzutretenden Akt von „konstitutive[r] staatlicher Mitwirkung“, Rn. K 20. 296 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33); näher zur nicht ganz klaren Bedeutung des BGH-Beschlusses in Bezug auf die Entscheidungsbegriffe zu § 109 FamFG oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(2)(b). 297 So zur Rom III-VO, nämlich in diesem Fall von einer behördlichen bzw. Scheidung durch ein „Gericht“ i. S. d. Rom III-VO ausgehend, wiederum BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16, 14 – aber auch darauf achtend, ob „das ,Gericht‘ […] bei negativem Ergebnis die Entscheidung nicht ausspricht“, Art. 3 Rn. 14; dies., EuLF 2017, 68 f.; i. E. schon NK-BGB3/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a (von einer „Genehmigung“ als „konstitutiv“ bzw. von einer „Mitwirkung“ und zwar einer „konstitutiv[en] in der Art eines Plazet“ sprechend) – anders aber Rn. 9 („konstitutiver Hoheitsakt“). 294
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Rede.298 Man wird den Begriff „konstitutiv“ in dem dort verwendeten Sinn daher als Hinweis auf einen Gerichts- oder Behördenakt als zwingendes Tatbestandsmerkmal verstehen müssen, das neben dem rechtsgeschäftlichen Privatakt erfüllt sein muss, damit es zur Eheauflösung und somit konstitutiven Wirkung im eigentlichen Sinn kommt.299 Es handelt sich also gerade nicht um die Bestimmung eines gestaltenden, konstitutiven Hoheitsakts.300 Der Begriff der sog. konstitutiven Mitwirkung ist somit nicht mit dem Begriff des konstitutiven Hoheitsakts gleichzusetzen. Es bleibt folglich festzuhalten, dass man nicht automatisch von einer zwingenden und ausgiebig überprüfenden hoheitlichen Mitwirkung auf das Vorliegen eines konstitutiven Hoheitsakts schließen kann.301 Dabei gilt es abermals zu beachten, dass dies nur die Bestimmung des Konstitutivmerkmals, die Einordnung als konstitutiver Hoheitsakt (im Sinne des herrschenden Entscheidungsbegriff) betrifft – nicht jedoch die Frage, ob eine kontrollierte Privatscheidung nicht doch als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) zu qualifizieren ist.302 (d) Weitere Aspekte Speziell bei der Scheidung nach jüdischem Recht oder der Verstoßung als Privatscheidung stellt die herrschende Meinung auch auf die fehlende Ersetzbarkeit des 298 BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 14, 16; siehe NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 („konstitutiver Art mitgewirkt“); Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20; noch Hepting/Dutta, Familie Rn. III-501 f.; Dutta, FF 2018, 60 (63); uneinheitlich NK-BGB3/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 f. („konstitutiver Hoheitsakt“ bzw. „Genehmigung ist konstitutiv“ und „Mitwirkung […] konstitutiv in der Art eines Plazet“); unklar wiederum Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 23, K 17, K 20 („rechtsgestaltende Mitwirkung“, „Entscheidung […] erlassen“ bzw. „konstitutive staatliche Mitwirkung“). 299 Vgl. NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 („gebilligte Vereinbarung“); sowie die weiteren Formulierungen bei Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20 („zwar durch Willenserklärung der Ehegatten bewirkt,“ aber mit notwendigem „Plazet der Behörde“); Hepting/Dutta, Familie Rn. III-502 („Privatscheidungen mit behördlicher Begleitung“); ebenso Dutta, FF 2018, 60 (63); siehe noch BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 14 („Mitwirkung […] in irgendeiner Weise konstitutiv“); NK-BGB3/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a („Genehmigung ist konstitutiv“ bzw. „konstitutiv in der Art eines Plazet“ – trotz des vorherigen Erwähnens „konstitutiver Hoheitsakt[e]“, Rn. 9); Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 19 („bedarf […] zu ihrer Wirksamkeit zwingend der Mitwirkung von […]“); vgl. noch zum deutschen Recht und behördlichen Genehmigungen von Rechtsgeschäften Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (244) („[…] machtverleihender (konstitutiver) Verwaltungsakt“ als „gestaltende Kraft“ dahingehend, „daß das Rechtsgeschäft erst durch die Genehmigung seine volle Wirksamkeit erlangt.“). 300 Siehe abermals die weiter oben erläuterten allg. Begrifflichkeiten unter § 2 C. 301 Als Vertreterin der klassischen Abgrenzungsformel zu § 328 ZPO ebenfalls mit Blick auf § 1566 BGB betonend, dass die inhaltliche Kontrolltätigkeit „weniger als das entscheidende Kriterium anzusehen sein“ dürfte, Gärtner, Privatscheidung, S. 182; vgl. auch die Ausführungen zum Vertrags- und Dekretsystem im Adoptionsrecht von Bosch, FamRZ 1984, 829 (838) (das Erfordernis einer „Genehmigung, eines ,Nihil obstat‘“ sei nicht gleichzusetzen mit einer konstitutiven hoheitlichen Beteiligung). 302 Dazu näher mit Blick auf den erweiterten, kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff unten unter § 4 C.II.3.a).
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Privatakts (die Übergabe des Scheidebriefs im jüdischen Recht) durch einen Hoheitsakt ab. Das belege die Gestaltungsmacht auf privater Seite und verdeutliche, warum es sich nicht um eine Scheidung durch konstitutiven Hoheitsakt handele.303 Diesbezüglich ist allerdings beachten, dass auch § 1564 S. 1 BGB bei der Scheidung durch richterlichen Gestaltungsakt304 von einer Scheidung „auf Antrag“ spricht. Das Schrifttum betont regemäßig die Bedeutung des Scheidungsantrags, denn auch in diesem Fall kann das Handeln der Eheleute nicht ersetzt werden, vielmehr lässt sich mit Blick auf die genannte Vorschrift gerade die besondere „Privatheit des Scheidungsentschlusses“ hervorheben.305 Auch mit Blick auf die Frage der Ersetzbarkeit von Hoheitsakten zeigen sich Schwierigkeiten, ein solches Merkmal als Abgrenzungskriterium heranzuziehen. Weder ist ein konstitutiver Hoheitsakt ersetzbar, noch ist der hoheitliche (Teil-)Akt bei einem privaten Rechtsgeschäft, das der zwingenden behördlichen Mitwirkung bedarf, ersetzbar.306 Daher ist das Merkmal der (fehlenden) Ersetzbarkeit wenig hilfreich, wenn in Grenz- bzw. Mischfällen gerade erst fraglich ist, ob das private Handeln tatsächlich schon als ein vertragliches, die Scheidung selbst herbeiführendes Handeln unter zwingender hoheitlicher Mitwirkung anzusehen ist oder nicht eher als ein Antragsbegehren, dem durch konstitutiven Hoheitsakt stattgegeben wird. Bei der allgemeinen Frage, wann bei einer Scheidung ein konstitutiver Hoheitsakt gegeben ist, findet (auch) der Ausspruch eines Gerichts oder einer Behörde Er-
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BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (372, Rn. 27, 374, Rn. 34, 36); Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 334, 339 („Entscheidung und Handlung des Ehemannes“); zu § 328 ZPO Herfarth, Scheidung, S. 38, S. 440 („Gestaltungsmacht […] ausschließlich in den Händen der Eheleute“); sich Herfarth anschließend Gärtner, Privatscheidung, S. 5 f., i. V. m. Fn. 22 (diese Abgrenzung auch für andere Scheidungen in Betracht ziehend), S. 177; ähnlich schon Krzywon, StAZ 1989, 93 (103) (algerischer talaq als Privatscheidung trotz gerichtlicher Mitwirkung wegen fehlender Möglichkeit zum Rückgängigmachen). 304 Zur deutschen Scheidung als richterlicher, hoheitlicher Konstitutivakt etwa BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (371, Rn. 26); BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 36; Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 6; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 6; Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 5, 19; siehe näher unten unter § 4 C.II.1.b)bb)(2). 305 So eingehend BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 23 ff.; nachdrücklich auch MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 2; noch Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 4; Staudinger/Rauscher, § 1564 BGB Rn. 4; nachdrücklich schon Bötticher, in: FG Rosenberg, S. 73 (82) („Wille des Klägers zur Eheauflösung“ als „Rückgrat der Konstituierung“); vgl. noch im Rahmen der Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB Herfarth, Scheidung, S. 92 („Initiativrecht“). 306 Vgl. zu behördlichen Genehmigungen von Rechtsgeschäften Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (244) („erst durch die Genehmigung […] volle Wirksamkeit“); noch Westermann, in: FS Michaelis, S. 337 (341) („nicht ersetzbar“) – zwar zum dort sog. konstitutiven Hoheitsakt, worunter er aber auch die sog. „Mischtatbestände“ fasst, d. h. Hoheitsakte, „die mit privatrechtlichen Tatbestandsteilen zusammen den Rechtserfolg herbeiführ[en]“ (340).
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wähnung.307 Der gesetzliche Wortlaut kann auf den ersten Blick diesbezüglich aber durchaus missverständlich sein, wie wiederum die Eheschließung im deutschen Recht zeigt.308 Nach § 1312 S. 1 BGB kommt es zu einem Ausspruch der Eheschließung durch den Standesbeamten – auch wenn dies freilich bereits dadurch abgeschwächt wird, dass es sich um eine Soll-Vorschrift handelt.309 Die Mitwirkung des Standesbeamten ist, wie gesehen, aber kein konstitutiver, die Eheschließung selbst herbeiführender Hoheitsakt310 und der Ausspruch selbst nur deklaratorischer Natur.311 Umgekehrt gibt es im deutschen Recht auch gerichtliche Gestaltungsentscheidungen wie die Vaterschaftsanfechtung (§ 1599 BGB), bei denen der Gesetzeswortlaut aber nur von einer Feststellung spricht.312 Folglich ist der Ausspruch der entsprechenden Gestaltung allenfalls ein Anhaltspunkt, sagt aber noch nichts Endgültiges über eine (mögliche) Konstitutivwirkung des Akts aus.313 Dies offenbaren auch Formulierungen der herrschenden Abgrenzungsformel, wenn mit Blick auf eine hoheitliche Scheidung nicht allein von einem Ausspruch, sondern etwa von einem „konstitutiven gerichtlichen Ausspruch“ die Rede ist.314 307 Siehe zur norwegischen Scheidung OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610) („durch den Fylkesmann in Nordland ausgesprochen“); vgl. noch OLG München, Beschl. v. 31. 1. 2012 – 34 Wx 80/10, FamRZ 2012, 1142 („Verstoßung [vom Ehegatten] ausgesprochen“); allg. etwa Gärtner, Privatscheidung, S. 10; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 40; Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (241) (zur portugiesischen Scheidung); ähnlich Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 126 (es komme darauf an, „ob der Vollzug der Scheidung auf einem hoheitlichen Ausspruch beruht“); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14) („den Gestaltungsakt aussprechende hoheitliche Stelle“). 308 Siehe zu deren Wortlaut auch BeckOGK-BGB/Kriewald, (1. 7. 2021), § 1312 Rn. 9 („freilich unscharf“). 309 Zu Letzterem BeckOK-BGB/Hahn, § 1312 Rn. 1; MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 9; Staudinger/Löhnig, § 1312 Rn. 8. 310 BeckOGK-BGB/Kriewald, (1. 7. 2021), § 1312 Rn. 9; noch MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 3; Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 18; siehe hierzu bereits oben unter § 4 C.II.1.b) aa)(2)(b). 311 Zum Ausspruch BeckOK-BGB/Hahn, § 1312 Rn. 1; MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1312 Rn. 1; siehe noch NK-BGB/Antomo, § 1310 Rn. 4; Staudinger/Löhnig, § 1312 Rn. 5, 19. 312 Siehe zur Natur der Entscheidung über die Vaterschaftsanfechtung als Gestaltungsbeschluss BGH, Urt. v. 20. 1. 1999 – XII ZR 117 – 97, NJW 1999, 1632; MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1599 Rn. 48; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 8. 313 Hervorhebend, dass die konstitutive Natur nicht am Ausspruch festgemacht werden dürfe, auch Basedow, Anerkennung, S. 9; zum deutschen Recht betonend, dass im Gesetz etwa von „bestimmen“ oder „feststellen“ die Rede sein und der Gesetzeswortlaut insofern keine Rolle spielen kann, Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 89. 314 So BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (371, Rn. 26); ähnlich RG, Urt. v. 22. 4. 1932 – VII 215/31, RGZ 136, 142 (147) (ein Ausspruch, für den „Verantwortung übern[ommen]“ wird); das Abstellen auf den Ausspruch bei der norwegischen Scheidung selbst nivellierend OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610) („ausgesprochene“ Scheidung „nicht nur als behördliche Beteiligung an einer Privatscheidung anzusehen“); siehe noch Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 126 („auf einem hoheitlichen Ausspruch beruht“); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14) („den Gestaltungsakt aussprechende hoheitliche Stelle“).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Schließlich könnte zu überlegen sein, ob der Entscheidungsspielraum der staatlichen Stelle heranzuziehen ist. Wird ein Ermessen eingeräumt, könnte dies ein Indiz für eine entsprechende Entscheidungs- und somit möglicherweise hoheitliche Gestaltungsmacht sein. Jedoch lässt sich in Bezug auf (nach deutschem Verständnis) konstitutive Urteile allgemein festhalten, dass dem Richter regelmäßig kein besonderes Ermessen zusteht. Das Urteil ist zwar das gestaltende, konstitutive Element, das Gericht hat aber keinen Spielraum, denn selbst wenn es die Voraussetzungen zu überprüfen hat, muss es bei gegebener Gestaltungslage grundsätzlich die jeweilige Gestaltung aussprechen.315 Dies lässt sich gerade bei den Scheidungs- oder auch Adoptionsbeschlüssen des deutschen Rechts hervorheben.316 Anders kann dies zwar in einzelnen Fällen im Hinblick auf das genaue „Wie“ der Gestaltung sein, wie etwa 315 III 2 BGB zeigt.317 Jedoch ist abermals zu beachten, dass das konstitutive Urteil durch die unmittelbare Gestaltungswirkung charakterisiert wird.318 Ein Urteil wird nur wegen eines etwaigen Ermessens nicht automatisch zum Gestaltungsurteil.319 Ein etwaiger Spielraum der staatlichen Stelle kann also nicht als sicherer Anhaltspunkt für einen konstitutiven Hoheitsakt dienen. Zuletzt wäre es noch denkbar, auf den zeitlichen Anknüpfungspunkt der Gestaltung abzustellen. Tritt die Gestaltung (entsprechend § 1564 S. 2 BGB) erst mit dem behördlichen oder gerichtlichen Akt ein und nicht rückwirkend, könnte ein konstitutiver Hoheitsakt gegeben sein. Gegen einen solchen Rückschluss spricht aber, dass die konstitutiven Urteile zwar regelmäßig eine ex nunc-Wirkung haben, es aber auch Fälle von konstitutiven Urteilen mit ex tunc-Wirkung gibt,320 wie etwa der (umstrittene) Fall der Anfechtungsklage im Erbrecht nach § 2342 BGB zeigt.321 315
Siehe schon nachdrücklich Bötticher, in: FG Rosenberg, S. 73 (82 f.) (der dem Gericht trotz des konstitutiven Ausspruchs hauptsächlich eine feststellende Tätigkeit zuspricht); Nikisch, Zivilprozeßrecht, § 40 I 3, S. 155; noch Helmreich, Selbsthilfeverbot, S. 32; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 46; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 2 (keine „besondere[ ] Richtermacht“). 316 Zur Scheidung und „dem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erlaß eines Scheidungsurteils“ BGH, Urt. v. 9. 4. 1986 – IVb ZR 32/85, BGHZ 97, 304 (308); NK-BGB/Bisping, § 1564 Rn. 1; Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 36; sich hierfür explizit auf § 1564 S. 3 BGB stützend BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 26; Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 25 Rn. 1; zum fehlenden Ermessen des Gerichts noch MüKo-BGB/ Weber, § 1564 Rn. 19; zur Adoption etwa MüKo-FamFG/Maurer, § 197 Rn. 6; noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 88. 317 Siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 11; eingehend zur „[g]ebundene[n] Gestaltung und Gestaltung nach richterlichem Ermessen“ bereits Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 68 ff. 318 Siehe oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). 319 Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 89. 320 Siehe die Beispiele bei Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 97 ff.; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 8 ff. 321 Siehe zur (umstr.) Natur des entsprechenden Urteils als Gestaltungsurteil und zur Rückwirkung nur Staudinger/Olshausen, § 2342 Rn. 7 m. w. N.; dazu schon Hellwig, Klagerecht, S. 468 f.
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Zudem ist – umgekehrt – auf das alte Adoptionsrecht, auf § 1754 I 1 BGB a. F. zu verweisen, wonach die Adoptionswirkung, die Annahme an Kindes statt, erst mit der Bestätigung des Vertrags in Kraft trat.322 Maßgeblich für die konstitutive Wirkung eines Urteil ist keinesfalls die zeitliche Wirkung, sondern wiederum der Umstand, dass die Rechtsänderung gerade an das Urteil gekoppelt ist.323 Insofern kann allein daraus, dass die Wirkung zeitlich auf den Hoheitsakt „abgestimmt“ ist, ebenfalls kein sicherer Rückschluss gezogen werden. (3) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich für die Frage, wie zu bestimmen ist, ob es sich bei einem Hoheitsakt um einen konstitutiven handelt, Folgendes festhalten: Es ist zu untersuchen, wer die Entscheidung über die Änderung der Rechtslage in einer Weise trifft, dass die Gestaltung gerade auf diesen Akt zurückzuführen ist, sodass diese Handlung, in Entsprechung der Wesenszüge, die ein Urteil als konstitutiv kennzeichnen, als die konstitutive angesehen werden kann.324 Weitere Gesichtspunkte der gesetzlichen Ausgestaltung haben kaum Aussagekraft, die Beständigkeit der Gestaltung liefert allenfalls einen Anhaltspunkt. Für die Frage, ob ein konstitutiver Hoheitsakt vorliegt, ist es entscheidend, den jeweiligen Vorschriften zu entnehmen, an welche Handlung das Gesetz die Gestaltung knüpft. bb) Spitzfindigkeit des Konstitutivmerkmals bei der (praktischen) Abgrenzung zur Privatscheidung (1) Problemaufriss Nach der herrschenden Meinung im Scheidungsrecht, die konstitutive Hoheitsakte als anerkennungsfähige Entscheidungen ansieht und den (dieser Meinung nach nicht anerkennungsfähigen) Privatscheidungen gegenüberstellt, sind ausländische 322
Bosch, FamRZ 1984, 829 (831). Vgl. Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 92 („ex nunc“), Rn. 97 („ex tunc“); Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 1, 5, 8; Helmreich, Selbsthilfeverbot, S. 154; noch Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 192; vgl. schon Hellwig, Klagerecht, S. 468 f. (dabei auch auf die damalige Gegenansicht, die rückwirkenden Urteilen keine konstitutive Wirkung zugestand, eingehend). 324 Siehe zum sog. konstitutiven Urteil oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1); zum konstitutiven Urteil insbesondere hervorhebend, dass das Urteil „der entscheidende Faktor“ ist, „der Thatbestand, der ihm zu Grunde liegt, nur die sekundäre Bedeutung eines Urteilselementes“ hat, Kisch, Urteilslehre, S. 49. Eine i. E. ähnliche Umschreibung findet sich bei Zöller/Geimer, Art. 1 EuEheVO Rn. 3, wonach ein Hoheitsakt für die Anwendbarkeit der Brüssel IIa-VO erforderlich sei und hierfür bewertet werden solle, welcher Akt der „Rechtsgrund“ ist bzw. aus welchem Akt die „resultierende Gestaltung“ als „Ergebnis“ folgt; ebenso in neuerer Zeit BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32); vgl. noch Gärtner, Privatscheidung, S. 5 f. (für eine Privatscheidung u. a. darauf abstellend, ob der private Akt „entscheidend“ sei); Herfarth, Scheidung, S. 38 („Gestaltungsmacht“ als „wesentliche[s] Kriterium einer Privatscheidung“). 323
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Scheidungen also in diese beiden Kategorien einzuordnen. Unter Berücksichtigung der obigen Definition bzw. Charakterisierung des konstitutiven Urteils kann man für die konkrete Einordnung folgende Frage formulieren: Erfolgt die Scheidung unmittelbar durch den Hoheitsakt aufgrund eines (verfahrensrechtlichen) Antragsbegehrens oder erfolgt sie durch rechtsgeschäftliches, vertragliches Handeln der Eheleute unter zwingender hoheitlicher Mitwirkung (als weiteres Tatbestandsmerkmal)?325 Die Einleitung hat bereits gezeigt, dass es verschiedene Scheidungen mit unterschiedlichen Akten etwa von Behörden oder öffentlichen Amtsträgern wie Notaren gibt.326 Die Bestimmung des konstitutiven Akts könnte mithin Probleme bereiten.327 An dieser Stelle geht es, wie schon erwähnt, allein um die (praktische) Bedeutung des Konstitutivmerkmals des herrschenden Entscheidungsbegriffs, d. h. um die (praktische) Frage, in welchen Fällen eine Privatscheidung oder eine Scheidung durch konstitutiven Hoheitsakt gegeben ist. Unerheblich ist hier (noch), ob es nicht doch vorzugswürdig wäre, bestimmte Privatscheidungen als „Entscheidung“ im Sinne des § 109 FamFG anzusehen. Auch deswegen werden zur Veranschaulichung verschiedene Rechtsordnungen angesprochen, und zwar unabhängig davon, ob es um eine Scheidung aus einem EU-Mitgliedstaat (und gegebenenfalls, je nach Weite des europäischen Entscheidungsbegriffs, um Art. 21 Brüssel IIa-VO328) oder um eine drittstaatliche Scheidung geht. (2) Unproblematische Scheidungen durch richterlichen Konstitutivakt Unproblematisch lassen sich nach dem zuvor Gesagten zunächst Scheidungen einordnen, wenn gerade ein Scheidungsurteil bzw. -beschluss gerichtlich zu beantragen ist und somit ein richterlicher konstitutiver Hoheitsakt vorliegt. Hierfür ist zunächst ein Blick auf das deutsche Recht zu werfen. Der einleitend erwähnte § 1564 S. 1 BGB ordnet eine Scheidung durch richterliche Entscheidung an; die Ehe wird erst durch einen rechtskräftigen Beschluss des Gerichts (§ 1564 S. 2 BGB, §§ 116 I, 38 FamFG) aufgelöst. Speziell aus diesen Normen ergibt sich die
325 Siehe die nachdrückliche Frage bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht, S. 337 (344): „Wie aber erkennt man, dass eine Scheidung durch Hoheitsakt und nicht durch private Willenserklärung(en) herbeigeführt wurde?“. 326 Siehe einleitend – mit Nachw. zum Notar als öffentlichen Amtsträger – oben unter § 1 A. 327 Siehe Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344 ff.), der auf schwer einzuordnende „Zwischenformen“ hinweist (346); schon als Vertreterin des herrschenden Entscheidungsbegriffs zugebend, dass „die Einordnung anderer Gestaltungen schwerer“ sei, Gärtner, Privatscheidung, S. 5 (insbesondere, „wenn das Unterbleiben der Registrierung nicht folgenlos bleibt, sondern die Scheidung erst dann Wirksamkeit entfaltet, wenn der behördliche Akt, beispielsweise die Registrierung, vorgenommen wurde“). 328 Zu beachten ist abermals, dass Dänemark als EU-Mitgliedstaat nicht durch die Brüssel IIa-VO gebunden ist (vgl. Art. 2 Nr. 3 und ErwG 31 Brüssel IIa-VO); zum Verhältnis zu § 109 FamFG schon einleitend oben unter § 1 B.
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rechtsgestaltende Natur der gerichtlichen Entscheidung.329 Aus diesem Grund lässt sich auch von einem staatlichen oder gerichtlichen Scheidungsmonopol sprechen.330 Bei der sog. einverständlichen Scheidung (§ 1566 I BGB)331 erfolgt die Eheauflösung nicht direkt aufgrund des übereinstimmenden Willens der Eheleute.332 Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, ist der in den Anträgen bzw. der Zustimmung zum Ausdruck kommende Wille – in Verbindung mit einem einjährigen Getrenntleben – Voraussetzung für die unwiderlegbare Vermutung des Scheiterns der Ehe und somit für den Scheidungsbeschluss, welcher weiterhin eheauflösender Natur ist.333 Alleiniger Scheidungsgrund bleibt mithin das Scheitern der Ehe (§ 1565 I 1 BGB), dem deutschen Scheidungsrecht liegt das sog. Zerrüttungsprinzip zugrunde.334 In der Antragsschrift ist anzugeben, ob die Eheleute in Bezug auf das Sorge- und Umgangsrecht gegenüber gemeinsamen minderjährigen Kindern, auf Unterhaltspflichten sowie auf die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen eine Regelung getroffen haben (§ 133 Nr. 2 FamFG) und ob Familiensachen mit Beteiligung beider Eheleute anderweitig anhängig sind (§ 133 I Nr. 3 BGB). Über die Scheidung und etwaige Folgesachen ist zusammen zu verhandeln und entscheiden (§ 137 I FamFG). Als Folgesachen gelten (u. a.) die zuvor genannten Angelegenheiten (§ 137 II Nr. 1 – 4, III FamFG), nach § 137 II 1, III FamFG jedoch lediglich, wenn die Familiensache innerhalb eines eng abgesteckten Zeitraumes von einem Ehegatten anhängig gemacht wird; eine Ausnahme gilt nur für den Versorgungsausgleich nach Maßgabe des § 137 II 2 FamFG. Es muss also keine zwingende Einigung hinsichtlich bestimmter Scheidungsfolgen erfolgen, es ist kein zwingender umfassender sog. Scheidungsverbund vorgesehen.335
329 Nachdrücklich zur deutschen Scheidung als Scheidung durch richterlichen Gestaltungsakt etwa BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (371, Rn. 26) („Auflösung der Ehe durch einen Hoheitsakt, nämlich einen konstitutiven gerichtlichen Ausspruch“); BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 36; Johannsen/Henrich/ Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 6; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 6; Palandt/Siede, § 1564 Rn. 2; Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 5, 19. 330 Siehe nur BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (45, 47 f.) (in einem Fall mit Auslandsbezug); BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 30; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 3. 331 Siehe BT-Drs. 7/4361, S. 11; MüKo-BGB/Weber, § 1566 Rn. 1. 332 Siehe hierzu näher nur Coester-Waltjen/Coester, in: FS Canaris, S. 659 (670, 672). 333 Siehe etwa BeckOGK-BGB/Unger/Hartmann/Franzius (1. 5. 2021), § 1566 Rn. 22; noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 24 Rn. 23; noch Süß/Ring/Ivo, Eherecht, Deutschland Rn. 57, wobei von „gerichtliche[r] Feststellung der Zerrüttung“ sprechend. 334 Siehe BT-Drs. 7/650, S. 104; näher zum Zerrüttungsprinzip nur MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 11. Dazu, dass der gemeinsame Scheidungsantrag daher keinen eigenen Scheidungsgrund darstellt, BT-Drs. 7/650, S. 112; siehe noch Süß/Ring/Ivo, Eherecht, Deutschland Rn. 57. 335 Näher MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 69 ff.; noch MüKo-FamFG/Heiter, § 137 Rn. 11, 35; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 27 Rn. 37; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 168 Rn. 8 f.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Ein gerichtlicher Gestaltungsakt findet sich etwa noch im einleitend erwähnten österreichischen Recht wieder, wie § 46 S. 1 österr. EheG („Die Ehe wird durch gerichtliche Entscheidung geschieden.“) zeigt. Die dort nachfolgenden Normen enthalten die entsprechenden Voraussetzungen.336 Eine einvernehmliche Scheidung ist möglich, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit einem halben Jahr aufgehoben ist und die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zugestanden wird.337 Hierzu bedarf es grundsätzlich338 einer schriftlichen Vereinbarung vor Gericht hinsichtlich unterhalts- und betreuungs-/obsorge- bzw. kontaktrechtlicher Kindesangelegenheiten sowie vermögens- bzw. unterhaltsrechtlicher Angelegenheiten untereinander.339 Es handelt sich aber lediglich um eine gemeinsam „begehrt[e]“ Scheidung,340 bei der weiterhin eine gerichtliche Entscheidung notwendig ist und erst diese die Auflösung der Ehe herbeiführt, wie sich wiederum an § 46 S. 1 österr. EheG ablesen lässt.341 Für weitere gerichtliche Scheidungen lässt sich etwa noch auf das belgische Recht verweisen; auch dort ist eine gerichtliche Scheidung im Sinne eines konstitutiven Hoheitsakts vorgesehen.342 (3) Unproblematische Scheidungen durch konstitutiven Behördenakt Relativ unproblematisch ist nach dem bisher Gesagten noch staatliches Handeln einzuordnen, wenn sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt, dass die Gestaltungs336
Vgl. § 46 S. 3 österr. EheG; siehe zur Vorschrift näher wiederum Schwimann/Kodek/ Nademleinsky/Weitzenböck, § 46 EheG Rn. 1 f. 337 § 55a I österr. EheG; näher Schwimann/Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 55a EheG Rn. 5 f., 7 ff. 338 Ausnahmen hierzu enthält § 55a III österr. EheG; siehe hierzu Schwimann/Kodek/ Nademleinsky/Weitzenböck, § 55a EheG Rn. 11. 339 § 55a II österr. EheG; näher hierzu Schwimann/Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 55a Rn. 11 ff. 340 § 55a I a. E. österr. EheG; siehe hierzu Schwimann/Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 55a EheG Rn. 1, 3. 341 Vgl. Bergmann/Ferid/Henrich/Lurger/Jesser-Huß, Länderbericht Österreich234. Lfg. (November 2019), S. 44; Schwimann/Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 46 EheG Rn. 1, 31. Siehe noch zur einvernehmlichen Scheidung näher Süß/Ring/Ferrari/Koch-Hipp, Eherecht, Österreich Rn. 111 ff., 128 ff.; Ferrari, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 57 (62 f., 70 ff., 73). 342 Vgl. zur belgischen Scheidung als hoheitliche Scheidung Pintens, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 185 (186) („nur durch gerichtliche Entscheidung möglich“); noch Süß/Ring/Schür, Eherecht, Belgien Rn. 123, 131. Siehe näher zur dortigen Scheidung wegen unheilbarer Zerrüttung (u. a.) im Falle des Einvernehmens Bergmann/Ferid/Henrich/Pintens, Länderbericht Belgien223. Lfg. (September 2019), S. 57; Süß/Ring/Schür, Eherecht, Belgien Rn. 106, 109, 114 f.; Pintens, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 185 (187 f., 191). Siehe näher zur dortigen einverständlichen Scheidung etwa Bergmann/Ferid/Henrich/Pintens, Länderbericht Belgien223. Lfg. (September 2019), S. 58; Süß/Ring/Schür, Eherecht, Belgien Rn. 124 ff.; noch Pintens, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 185 (193 ff.). Daneben ließe sich etwa noch die Scheidung in der Rechtsordnung der Schweiz nennen; siehe (näher) Aebi-Müller/Ziegler, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 77 (78 ff.) („zwingend eine Auflösung der Ehe durch Gerichtsurteil“, S. 79).
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wirkung auf Antrag unmittelbar durch die Entscheidung einer Behörde herbeigeführt wird.343 Beispiele hierfür findet man etwa im portugiesischen oder norwegischen Scheidungsrecht. Für die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen sieht Art. 1773 II des portugiesischen Código Civil (port. Código Civil)344 nicht nur die Scheidung bei Gericht, sondern auch beim Zivilregisteramt vor. Letztere können die Eheleute ohne besondere zeitliche Voraussetzungen einvernehmlich begehren, die Scheidung erfolgt „auf Antrag“.345 Die Eheleute müssen dem Antrag (u. a.) vermögensrechtliche Auflistungen oder Teilungsvereinbarungen (bzw. einen Antrag auf Durchführung einer Vermögensaufteilung) beifügen, Vereinbarungen (bzw. die entsprechende gerichtliche Entscheidung) über die elterliche Verantwortung im Falle minderjähriger Kinder und über Unterhaltsleistungen zwischen den Eheleuten und die Nutzung der ehelichen Wohnung.346 Die Scheidungsvoraussetzungen und Vereinbarungen werden vom Registerbeamten im Hinblick auf die Interessen der Eheleute und Kinder überprüft und die Eheleute gegebenenfalls zu Änderungen aufgefordert.347 Eine Sonderregel gilt für die Vereinbarung über die elterliche Verantwortung.348 Führt die Überprüfung349 zu einem positiven Ergebnis, „spricht“ der Registerbeamte „die Scheidung“ nach Art. 1776 I 2 port. Código Civil „aus“350 und nimmt die entsprechende Eintragung vor. Die so ausgesprochene Scheidung hat nach Art. 1776 III port. Código Civil die gleichen Wirkungen wie eine identische gerichtliche Entscheidung.351
343 Vgl. hierzu wiederum die Charakteristika des sog. konstitutiven Urteils oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). 344 Siehe die Übersetzung des port. Código Civil bei Bergmann/Ferid/Henrich/Nordmeier, Länderbericht Portugal216. Lfg. (Mai 2016), S. 55 ff., zur genannten Norm S. 90 f. 345 Siehe Art. 1775 I port. Código Civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Nordmeier, Länderbericht Portugal216. Lfg. (Mai 2016), S. 90. 346 Siehe wiederum Art. 1775 I port. Código Civil, dort lit. a) – d). 347 Art. 1776 I 1 port. Código Civil; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Nordmeier, Länderbericht Portugal216. Lfg. (Mai 2016), S. 91. 348 Diese wird nach Maßgabe des Art. 1776-A port. Código Civil an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die hierzu Stellung nimmt und ebenfalls Änderungen oder eine neue Vereinbarung verlangen kann; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Nordmeier, Länderbericht Portugal216. Lfg. (Mai 2016), S. 91. 349 Bzw. – mit Blick auf die zuvor erwähnten Sonderregel – die entsprechende Stellungnahme. 350 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Nordmeier, Länderbericht Portugal216. Lfg. (Mai 2016), S. 91. 351 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Nordmeier, Länderbericht Portugal216. Lfg. (Mai 2016), S. 91. Siehe zur einvernehmlichen Scheidung im portugiesischen Recht insgesamt näher Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Portugal Rn. 58 ff.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Nach § 21 bzw. § 22 des norwegischen Ehegesetzes (norw. EheG)352 i. V. m. § 27 norw. EheG kann in bestimmten Fällen verlangt werden, dass „die Scheidung durch den Fylkesmann“, den Leiter der staatlichen Verwaltung,353 „erfolgt“.354 Die Frage, ob das Gericht zu entscheiden hat oder der Fylkesmann die Bewilligung erteilt, regelt das norwegische Recht in Abhängigkeit der einzelnen Scheidungsgründe.355 Grundsätzlich ist der Fylkesmann zuständig.356 Aus den gesetzlich aufgezählten Fällen gerichtlicher Zuständigkeit357 ergibt sich im Umkehrschluss zunächst, dass der Fylkesmann für die Scheidung zuständig ist, die von jedem Ehegatten nach Ablauf eines Jahres nach zuvor verlangter Trennung358 verlangt werden kann.359 Außerdem bewilligt der Fylkesmann die Scheidung, die von jedem Ehegatten ohne vorherige Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft begehrt werden kann, wenn seit mindestens zwei Jahren eine sog. faktische360 Beendigung des ehelichen Zusammenlebens gegeben ist.361 Jedoch müssen sich die Eheleute hierüber einig sein,362 da andernfalls die gerichtliche Scheidung vorgesehen ist,363 und die Scheidung darf schließlich nicht aufgrund anderer Bestimmungen vor Gericht beantragt sein oder ein Zusammenhang zu einem gerichtlichen Verfahren nach dem Ehe- oder Kindergesetz bezüglich gemeinsamer Kinder bestehen.364 Auch wenn die einvernehmliche 352
EheG v. 4. 7. 1991; siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 49 ff. 353 Siehe Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (270). 354 Siehe die Übersetzung des § 27 norw. EheG bei Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 56. 355 Vgl. auch Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (269, 271) („zweispurige[s] System“, 269). 356 § 27 I norw. EheG; siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 56. 357 Siehe § 27 II norw. EheG; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 56. 358 Siehe § 20 norw. EheG; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 54. Nach der Grundregel des § 27 I norw. EheG ist hierfür – von den Ausnahmen der anderweitigen gerichtlichen Geltendmachung (§ 27 III norw. EheG) abgesehen – ebenfalls der Fylkesmann zuständig. Es handelt sich hierbei um eine rechtliche Trennung; siehe Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 33 („Separation […] als rechtlicher Status zu verstehen“); näher zu dieser förmlichen Trennung Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (266 f.). 359 § 21 norw. EheG; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 54 f. 360 Hierzu näher Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (267). 361 § 22 norw. EheG; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 55. 362 Es bedarf einer einvernehmlichen Abbrucherklärung und beglaubigter Erklärungen über die Trennungszeit, Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (273). 363 Siehe § 27 II b) norw. EheG; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 56. 364 § 27 III norw. EheG; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 56.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Scheidung somit nicht explizit geregelt ist, ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass bei Einvernehmlichkeit eine Scheidung nach vorheriger Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und einjähriger Frist365 oder nach unstreitigem, mindestens zweijähriger Beendigung des ehelichen Zusammenlebens366 gegeben sein wird. Für diese ist, wie gesehen, der Fylkesmann zuständig.367 In § 28 I norw. EheG ist von einer „auf […] Scheidung gerichtete[n] Klage vor dem Fylkesmann“, in § 29 II norw. EheG im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Fylkesmann von einem Ausspruch der Scheidung und in § 29 III norwg. EheG von einer „Entscheidung des Fylkesmann“ die Rede.368 Wie bei der zuvor untersuchten Scheidung „durch richterliche Entscheidung auf Antrag“ nach § 1564 S.1 BGB369 geben die vorstehenden behördlichen Aussprüche, die jeweils infolge eines entsprechenden Antrags ergehen,370 in Verbindung mit der Bezeichnung als „Entscheidung“371 bzw. der gesetzlichen Koppelung der Wirkungen an die standesamtlich ausgesprochene Scheidung372 die Natur des Akts zu erkennen. Es handelt sich um einen konstitutiven Scheidungsakt des norwegischen bzw. portugiesischen Beamten.373 365
Siehe wiederum § 21 norw. EheG. Siehe wiederum § 22 norw. EheG. 367 Dazu, dass heutzutage fast ausschließlich alle durchgeführten Scheidungen solche durch Bewilligung des Fylkesmann sind, Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (269). 368 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 56 f., mit Überblick über das Scheidungsrecht, S. 33. Siehe insgesamt näher zur norwegischen Scheidung, für die der Fylkesmann zuständig ist, sowie zum entsprechenden Verfahren und den Folgen Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (269 ff., 272 ff., 275 ff.). 369 Die, wie gesehen, eine Scheidung durch Gestaltungsbeschluss darstellt; siehe hier nur wiederum BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (371, Rn. 26). 370 Den Ausspruch bei der Einordnung der norwegischen Scheidung hervorhebend auch OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610); zum portugiesischen Recht auch Gärtner, Privatscheidung, S. 327 (den Wortlaut („ausspricht“) des diese Scheidungsart einführenden Gesetzesdekretes heranziehend); noch Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (241). Allerdings kann das alleinige Abstellen auf den Ausspruch trügerisch sein; siehe hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(d). 371 So wiederum zum norwegischen Recht § 29 III norw. EheG; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Giesen, Länderbericht Norwegen235. Lfg. (Februar 2020), S. 57. 372 Siehe Art. 1776 III port. Código Civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Nordmeier, Länderbericht Portugal216. Lfg. (Mai 2016), S. 91. 373 Die norwegische Scheidung durch den Fylkesmann als Scheidung durch konstitutiven Hoheitsakt einordnend OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610); dem folgend Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 239; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 40; noch Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 110 f. („durch Verwaltungsakt“); Gärtner, Privatscheidung, S. 8 („verwaltungsrechtlich geschieden“); siehe noch zur „Administrativscheidung“ bzw. „Registerscheidung“ Schwenzer, in: FS Henrich, S. 533 (534 f.). Die portugiesische Scheidung als konstitutiven Hoheitsakt einordnend NK-BGB/ Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 60; Staudinger/Spellenberg, Art. 21 Brüssel IIa-VO Rn. 14; 366
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
(4) Untersuchungsbedürftige Grenzfälle (a) Französische Scheidung mittels notariell hinterlegter Privaturkunde Wie einleitend erwähnt, kennt das französische Recht nunmehr die einvernehmliche außergerichtliche Scheidung durch von den Anwälten gegengezeichnete Privaturkunde374 mit notarieller Hinterlegung, Art. 229-1 frz. Code civil.375 Aus dieser Norm ergibt sich, dass sich die Eheleute über die Auflösung und Folgen einig sein müssen. Der Inhalt der Vereinbarung ist im Gesetz aufgelistet (u. a. vermögensrechtliche Regelungen und der Hinweis darauf, dass das Kind von seinem Recht, eine Anhörung durch den Richter zu verlangen, nicht Gebrauch macht);376 fehlende Angaben werden dort mit der Nichtigkeit der Vereinbarung sanktioniert. Der Notar muss die Einhaltung der formellen Voraussetzungen377 sowie der Bedenkfrist378 überprüfen.379 Er nimmt die Hinterlegung vor, was die Vollstreckbarkeit der in der Privaturkunde enthaltenen Vereinbarung bewirkt.380 Wenn ein minderjähriges Kind die Anhörung durch den Richter verlangt381 oder ein Ehegatte unter besonderem rechtlichem Schutz steht,382 ist diese Scheidungsart nicht möglich.383 Der Weg zur einvernehmlichen gerichtlichen Scheidung, für die eine Verständigung über die Scheidungsfolgen erforderlich ist,384 steht Eheleuten, die nicht unter dem zuletzt genannten Schutz stehen, nur für den Fall offen, dass das Kind eine
Gärtner, Privatscheidung, S. 327 f.; Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (241); siehe noch zu „Scheidungen durch eine Verwaltungsbehörde“ Martiny, StAZ 2011, 197 (198 f.) (bei der portugiesischen Scheidung zunächst nur Scheidungen „vor dem Standesamt“, 198, sodann aber von einer solchen „durch den Standesbeamten“ sprechend, 199). 374 Siehe näher zum „acte sous signature privée“ (und seiner Übersetzung) Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 145 (172). 375 Eine Übersetzung des Code civil findet sich bei Bergmann/Ferid/Henrich/Brandhuber, Länderbericht Frankreich232. Lfg. (Juli 2019), S. 58 ff., zu den genannten Normen, S. 85 f., 91; der Originaltext ist abrufbar über die Internetseite der französischen Regierung „Légifrance“ (Le service public de la diffusion du droit) unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGI TEXT000006070721/ (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 376 Siehe Art. 229-3 II frz. Code civil. 377 Verwiesen wird dort auf Art. 229-3 frz. Code civil. 378 Dazu Art. 229-4 frz. Code civil (15 Tage). 379 Siehe Art. 229-1 II frz. Code civil. 380 Art. 229-1 III frz. Code civil. 381 Art. 229-2 Nr. 1 frz. Code civil. 382 Art. 229-2 Nr. 2 frz. Code civil. Dort geht es um den besonderen Schutz gemäß Artt. 425 ff. frz. Code civil (wie die gerichtliche Betreuung oder Vormundschaft). 383 So der zitierte Art. 229-2 Code civil. Siehe insgesamt näher zur außergerichtlichen französischen Scheidung Süß/Ring/Döbereiner, Eherecht, Frankreich Rn. 146, 152 ff.; Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht, S. 145 (169 ff.). 384 Siehe Art. 230 frz. Code civil, woraus sich auch ergibt, dass diese Vereinbarung dem Richter zur Bestätigung (dazu Art. 232 Code civil) vorzulegen ist.
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richterliche Anhörung verlangt.385 Neben der gerichtlichen einvernehmlichen Scheidung gibt es noch die sog. akzeptierte Scheidung nach Artt. 233 f. frz. Code civil ohne Scheidungsfolgenvereinbarung.386 Fraglich ist, wie die Scheidung unter notarieller Beteiligung einzuordnen ist. Hierfür ist zunächst auf Art. 509-3 IV des französischen Code de procédure civile387 hinzuweisen, der diese Scheidung betrifft, auf Art. 39 Brüssel IIa-VO Bezug nimmt und die Ausstellung entsprechender Bescheinigungen durch den Notar vorsieht.388 Da Art. 39 Brüssel IIa-VO für Entscheidungen im Sinne dieser Verordnung gilt,389 scheint es auf den ersten Blick denkbar, dass es sich in Wirklichkeit um eine Scheidung durch den Notar ähnlich einer behördlichen Scheidung handelt.390 Jedoch ist der eindeutige Wortlaut des genannten Art. 229 I frz. Code civil zu beachten, wonach die Scheidung explizit durch („par“) Privaturkunde erfolgt.391 Der die Auflösung der Ehe regelnde Art. 260 frz. Code civil bestätigt dies. Die Vereinbarung führt zur Auflösung der Ehe,392 wobei auf den Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit abzustellen ist. Somit ist nicht das Handeln des Notars, sondern das Einvernehmen der 385 Dies ergibt sich aus Art. 230 i. V. m. Art. 229-2 Nr. 1 frz. Code civil; siehe hierzu Bergmann/Ferid/Henrich/Brandhuber, Länderbericht Frankreich232. Lfg. (Juli 2019), S. 50; Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 145 (173 f.); Ferrand/Francoz-Terminal, FamRZ 2017, 1456 (1457). 386 Der (durch Art. 109 des Gesetzes Nr. 2019 – 222 v. 23. 3. 2019 neu abgeänderte, seit 1. Januar 2021 gültige) Art. 233 frz. Code civil sieht vor, dass die Eheleute die Scheidung wegen akzeptierter Zerrüttung gemeinsam beantragen können (Absatz I) oder jeweils einzeln oder gemeinsam beantragt werden kann, wenn beide (anwaltlich vertreten) zuvor die Zerrüttung in einer Privaturkunde (siehe zur Übersetzung im insofern wortgleichen Art. 229 fr. Code civil Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 145 (172)) akzeptiert haben (Absatz II). Die Annahme der Zerrüttung ist jederzeit während des Verfahrens möglich (Absatz III) – jedoch unwiderruflich, ohne Berufungsmöglichkeit (Absatz IV). Der Originaltext des Code civil ist in aktueller Fassung – und mit einer Anmerkung zur aktuellen Änderung – abrufbar über die Internetseite der französischen Regierung „Légifrance“ (Le service public de la diffusion du droit) unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGITEXT000006070721/ (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). Näher zur sog. akzeptierten Scheidung Süß/Ring/Döbereiner, Eherecht, Frankreich Rn. 162 f. 387 Französisches Zivilprozessgesetzbuch, Art. 509-3 IV; der Originaltext ist abrufbar über die Internetseite der französischen Regierung „Légifrance“ (Le service public de la diffusion du droit) unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/texte_lc/LEGITEXT000006070716/ (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 388 Hierzu Gaudemet-Tallon, in: Liber Amicorum Kohler, S. 91 (96). 389 Vgl. Rauscher/Rauscher, Art. 39 Brüssel IIa-VO Rn. 3; Staudinger/Spellenberg, Art. 39 Brüssel IIa-VO Rn. 4. 390 Vgl. Krömer, StAZ 2017, 59 (Fn. 1), welcher bei der italienischen Scheidung das Ausstellen von Bescheinigungen nach Art. 39 Brüssel IIa-VO für ein mögliches Argument für eine solche Einstufung hält; auf eine zumindest mögliche Einstufung der französischen Scheidung als behördlich hinweisend auch Gössl, EuLF 2017, 68 (69, Fn. 13). 391 Aktueller Originaltext wiederum zu finden über die Internetseite der französischen Regierung „Légifrance“ (Le service public de la diffusion du droit) unter https://www.legifr ance.gouv.fr/codes/id/LEGITEXT000006070721/ (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 392 Art. 260 Nr. 1 frz. Code civil.
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Eheleute konstitutiver Natur; es handelt sich um eine vertragliche, eine Privatscheidung.393 (b) Italienische Scheidung unter staatsanwaltlicher oder standesamtlicher Mitwirkung Im italienischen Recht ist die (gerichtliche) Scheidung in einem besonderen Scheidungsgesetz geregelt.394 Eine einvernehmliche gerichtliche Scheidung, die allein auf dem gemeinsamen Scheidungswillen basiert, ist nicht vorgesehen;395 es bedarf stets der richterlichen Feststellung, dass ein Aufrechterhalten oder Wiederherstellen der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr möglich ist, wofür auf die dortigen gesetzlichen Scheidungsgründe396 verwiesen wird.397 Von Interesse ist vorliegend insbesondere der Scheidungsgrund einer vorherigen gerichtlichen Trennung bzw. gerichtlichen Bestätigung einer einverständlichen Trennung.398 Dort finden sich auch die für alle Scheidungsgründe geltenden Trennungsfristen (bei einverständlicher Trennung sechs Monate) näher bestimmt.399 Der gemeinsame Antrag muss auch Bestimmungen hinsichtlich der vermögensrechtlichen Beziehungen und Kinder enthalten,400 wobei das Gericht diese – neben der Überprüfung der Scheidungsvoraussetzungen – ausdrücklich im Hinblick auf die Kindesinteressen401 beurteilt.402 393
BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16, 16.4, Art. 1 Rn. 36.2; NKBGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 97; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 21; Antomo, NZFam 2018, 243 (247); Mayer, StAZ 2018, 106 (109 f.); siehe noch Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (241); Gaudement-Tallon, in: Liber Amicorum Kohler, S. 91 (95); aus der frz. Lit. zur fehlenden konstitutiven Rolle des Notars noch Hammje, Rev. crit. DIP 2017, 143 (144, 147 f.); angedeutet wird dies noch von Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (363); Rieck, NZFam 2018, 128 (129); vgl. noch die Kritik am zitierten Art. 509-3 des französischen Code de procédure civile bei Gaudemet-Tallon, in: Liber Amicorum Kohler, S. 91 (96) (unpassender Verweis auf Art. 39 Brüssel IIa-VO wegen der Notwendigkeit einer Entscheidung eines Gerichts für die Formulare im Anhang der Verordnung). 394 Gesetz Nr. 898/1970; siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 129 ff. 395 Dies zeigt Art. 2 des erwähnten Scheidungsgesetzes; siehe dazu die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 129 f. 396 Art. 3 des erwähnten Scheidungsgesetzes; siehe hierzu wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 130 f. 397 Dies hervorhebend Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 f. 398 Siehe Art. 3 Nr. 2 b) des erwähnten Scheidungsgesetzes; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 130. 399 Siehe wiederum unter Art. 3 Nr. 2 b) des erwähnten Scheidungsgesetzes. 400 Art. 4 XVI des erwähnten Scheidungsgesetzes; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 132. 401 Näher zum umstr. Problem, dass die Regelungen der Eheleute nach h. M. ansonsten (in vermögensrechtlicher Hinsicht) nicht zu beurteilen sind, Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 177. 402 Siehe näher zur einvernehmlichen gerichtlichen Scheidung und den Scheidungsgründen Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 160 ff., 166 ff., 175 ff.
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Vor einigen Jahren kam es durch das einleitend erwähnte, ital. Gesetzesdekret403 zu einer umfassenden Reform. Danach gibt es nun grundsätzlich verschiedene Wege einer einvernehmlichen außergerichtlichen Scheidung. Die vorherige Trennung ist dabei der jeweilige Scheidungsgrund;404 die gesetzlichen Trennungsfristen sind auch bei der außergerichtlichen Scheidung zu beachten.405 Die Scheidung unter staatsanwaltlicher Beteiligung ist in Art. 6 des ital. Gesetzesdekrets geregelt. In der Scheidungsvereinbarung ist (u. a.) ein Versöhnungsversuch durch die Anwälte zu vermerken und die Anwälte haben zudem zu erklären, dass die Vereinbarung keinen Verstoß gegen zwingende Normen oder den ordre public beinhaltet.406 Der Staatsanwalt überprüft bei einem Fehlen von Kindern407 die Ordnungsmäßigkeit der Vereinbarung; er erklärt sein „,[B]edenkenfrei‘“.408 Im Falle von Kindern409 erteilt er seine Genehmigung nach Überprüfung des Kindesinteresses.410 Andernfalls leitet er nach dieser Norm die Vereinbarung an den Gerichtspräsidenten weiter, wobei das weitere Verfahren nicht genau geregelt ist.411 403 Gesetzesdekret Nr. 132/2014 v. 12. 9. 2014 i. d. F. durch Umwandlungsgesetz Nr. 162/ 2014; siehe hierzu wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135 f.; sowie den allg. Hinweis auf durch das Umwandlungsgesetz erfolgte Änderungen bei Rieck/Enßlin, AuslFamR, Länderbericht Italien (Mai 2019) Rn. 13, S. 20. 404 Dies zeigt jeweils ein Verweis auf Art. 3 Nr. 2 b) des zuvor erwähnten Scheidungsgesetzes; siehe hierzu Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (9, 12); noch Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255, Fn. 28, noch 1257); vgl. noch die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135 f. 405 Rieck/Enßlin, AuslFamR, Länderbericht Italien (Mai 2019) Rn. 13, S. 23; Süß/Ring/ Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 183; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255). 406 Siehe die Ausführungen zum italienischen Recht bei Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 183 f.; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1254 f.). 407 „Nichtvorhandensein minderjähriger Kinder, volljähriger Kinder, die geschäftsunfähig, schwerbehindert […] oder wirtschaftlich unselbstständig sind“; siehe Art. 6 II 1 des ital. Gesetzesdekrets mit der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. 408 Siehe die Übersetzung des Art. 6 II 1 des ital. Gesetzesdekrets bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135; siehe hierzu abermals den allg. Hinweis auf durch das Umwandlungsgesetz Nr. 162/2014 erfolgte Änderungen bei Rieck/Enßlin, AuslFamR, Länderbericht Italien (Mai 2019) Rn. 13, S. 20. 409 Gemeint sind abermals „minderjährige, volljährige geschäftsunfähige oder schwerbehinderte oder wirtschaftlich unselbstständige Kinder“; siehe Art. 6 II 2 des ital. Gesetzesdekrets mit der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. 410 Art. 6 II 2 des ital. Gesetzesdekrets; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. Daraus lässt sich zudem ableiten, dass die Scheidungsvereinbarung in den genannten Fällen zumindest Regelungen in Bezug auf die Kinder enthalten muss; näher zum Inhalt der Scheidungsvereinbarung Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (110 f.) (mit Hinweis auf den notwendigen umfassenderen Inhalt im Falle minderjähriger Kinder: Unterhalts-, Wohnungs- und Umgangsregelungen). Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass die Vereinbarung sich – aufgrund des
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Fraglich ist nun, wie diese Scheidung einzuordnen ist. Bezüglich des sog. „,[B]edenkenfrei‘“ ist Art. 6 III 1 des ital. Gesetzesdekrets zu berücksichtigen, wonach die Vereinbarung explizit die Wirkungen einer gerichtlichen Entscheidung hat und an ihre Stelle tritt.412 Deswegen ist die Vereinbarung als konstitutiver Akt413 und die Scheidung mithin als Privatscheidung anzusehen.414 Zwar wird der Erklärung des Staatsanwalts teilweise dennoch „konstitutiv[e]“ Wirkung415 bzw. Entscheidungsqualität416 beigemessen. Letztere Ansicht bezieht sich aber gerade auf den Entscheidungsbegriff der Brüssel IIa-VO417 und die Vertreter ersterer Ansicht gehen entweder davon aus, dass eine erforderliche Mitwirkung mit gewisser Kontrollintensität zu einer sog. konstitutiven Mitwirkung führe,418 oder verknüpfen dies mit der Feststellung, dass der kontrollierende Mitwirkungsakt zur Wirksamkeit führt.419 Beides ist von einem konstitutiven Hoheitsakt im Sinne einer Gestaltungsentoffenen Gesetzeswortlauts des Gesetzesdekrets – auch nur auf einzelne Scheidungsfolgen beziehen kann; siehe Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 183; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255). 411 Siehe näher Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (112 f.). Siehe insgesamt näher zu dieser Scheidungsart mit staatsanwaltlicher Beteiligung Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 182 ff.; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1254 ff.); Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (108 ff.); Scalzini, StAZ 2016, 129 (130 f.) 412 Siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. 413 Speziell mit Blick auf Art. 6 III des Gesetzesdekrets auch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 95, Fn. 166 („Konstitutiv für die Auflösung der Ehe ist nach dieser Formulierung also offenkundig die Vereinbarung als solche.“). 414 Für eine Einordnung als Privatscheidung auch Beller/Wahl, BWNotZ 2015, 158 (160); Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (240); Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1259); Krömer, StAZ 2017, 59; Mayer, StAZ 2018, 106 (108); ebenfalls keinen konstitutiven behördlichen Akt annehmend Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (362); sowie Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1509 (1516) (welche aber auf Anerkennungsebene dennoch die Brüssel IIa-VO anwenden wollen); i. E. für eine Einordnung als Privatscheidung noch Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (755 f.). Vgl. noch zu internationalen Adoptionsfällen KG, Beschl. v. 4. 4. 2006 – 1 W 369/05, FamRZ 2006, 1405 (1406) („[…] weil die Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft […] lediglich besagt, dass ,sich kein Widerspruch erhebt‘, ihr also eine konstitutive Bedeutung nicht zukommt“); Bosch, FamRZ 1984, 829 (838) (zwischen dem Erfordernis einer „Genehmigung, eines ,Nihil obstat‘“ und einer konstitutiven hoheitlichen Tätigkeit differenzierend). 415 So BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16, 16.2, noch Art. 1 Rn. 36.4; NK-BGB3/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 20. 416 NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO Rn. 10; dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; vgl. noch Scalzini, StAZ 2016, 129 (131) (die Anwendung der Brüssel IIa-VO befürwortend, da die Rechtsanwälte als Richter anzusehen seien). 417 NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO Rn. 9 f., woraus hervorgeht, dass „gebilligte Vereinbarungen“ als Entscheidungen i. S. d. Art. 21 Brüssel IIa-VO anzusehen seien (Rn. 9). 418 So BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16, 16.2; ähnlich dies., EuLF 2017, 68 f.; wohl ebenso Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 20 (i. V. m. Rn. 19). 419 Siehe zu letzterer Feststellung NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 („erst dadurch wirksam“); ebenso dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; schon NK-BGB3/dies., Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a („konstitutiv in der Art eines Plazet erforderlich“).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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scheidung420 zu trennen. Bezüglich der Genehmigung durch den Staatsanwalt, für deren Erteilung er die Wahrung des Kindesinteresses überprüfen muss, ist gleichsam der erwähnte Art. 6 III 1 des ital. Gesetzesdekrets aufzugreifen. Dieser differenziert nicht zwischen den Mitwirkungsakten des Staatsanwalts, sodass wiederum die Vereinbarung selbst Wirkungen wie eine gerichtliche Scheidung entfaltet und an ihre Stelle tritt. Aus diesem Grund ist die Vereinbarung weiterhin der konstitutive Akt; es handelt sich somit weiterhin um eine Privatscheidung.421 Dass die Genehmigung gleichwohl teilweise als „konstitutiv“ bezeichnet wird,422 ist abermals nur als sog. konstitutive Mitwirkung zu verstehen423 bzw. wird wiederum offenbar darauf gestützt, dass sie für die Wirksamkeit der Scheidung notwendig ist424 und eine gewisse Prüfungstätigkeit erfolgt.425 Dies ist mithin wiederum nicht mit einem konstitutiven Hoheitsakt im hier verstandenen Sinne gleichzusetzen. Zu untersuchen bleibt noch die einvernehmliche Scheidung unter Mitwirkung des Zivilstandesbeamten (Art. 12 des ital. Gesetzesdekrets).426 Haben die Eheleute Kinder, ist diese Scheidungsart nicht möglich.427 Die Hinzuziehung von Anwälten ist fakultativ und die Vereinbarung kann keine Vermögensübertragungen betreffen.428 420 Siehe zum Begriff bzw. Abgrenzung zur Kontrolle oben unter § 2 C. bzw. § 4 C.II.1.b) aa)(2)(c). 421 Wiederum gerade mit Blick auf Art. 6 III des Gesetzesdekrets auch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 95, Fn. 166 („Konstitutiv für die Auflösung der Ehe ist nach dieser Formulierung also offenkundig die Vereinbarung als solche.“); von einer Privatscheidung ausgehend auch Beller/Wahl, BWNotZ 2015, 158 (160); Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1259); Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (11); Mayer, StAZ 2018, 106 (108); einen konstitutiven behördlichen Akt verneinend – aber für eine Anwendung der Brüssel IIaVO – auch Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (362); Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1509 (1516); i. E. ebenfalls von einer Privatscheidung ausgehend noch Krömer, StAZ 2017, 59. 422 So NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10; zuvor schon NK-BGB3/dies., Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a; dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 19. 423 Siehe wiederum NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 („konstitutiver Art mitgewirkt“ bzw. „gebilligte Vereinbarung“ als Entscheidung i. S. d. Art. 21 Brüssel IIa-VO); dies., IntFamR, § 2 Rn. 20 (vom Erfordernis einer „konstitutive[n] Mitwirkung“ sprechend). 424 Siehe abermals NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 („erst dadurch wirksam“); ebenso dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; schon NK-BGB3/dies., Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a („Scheidungsvereinbarungen, die erst durch Genehmigung […] wirksam werden“); wohl ebenso Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 19 („bedarf […] zu ihrer Wirksamkeit zwingend […]“). 425 Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20 (mit Blick auf die Sahyouni II-Rspr. des EuGH allg. von einer „konstitutive[n] Mitwirkung“ sprechend, „die sich aber nicht auf die bloße Entgegennahme der Erklärungen und die Registrierung der Scheidung beschränken sollte“). 426 Wiederum nach der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136. 427 „Vorhandensein minderjähriger oder volljähriger Kinder, die geschäftsunfähig, schwerbehindert […] oder wirtschaftlich unselbstständig sind“; siehe Art. 12 II des ital. Gesetzesdekrets mit der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136. 428 Art. 12 I und III 3 des ital. Gesetzesdekrets; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Der Standesbeamte nimmt die Vereinbarung entgegen,429 sodann muss die Urkunde über die Vereinbarung unterschrieben werden.430 Der Standesbeamte muss sich bestimmte Angaben vorlegen lassen, wobei aber nicht eindeutig ist, welche Konsequenzen es hat, wenn er ein Fehlen von Voraussetzungen feststellt.431 Nach 30 Tagen müssen die Parteien zur Bestätigung der Vereinbarung erscheinen.432 Eine fehlende konstitutive Rolle des Zivilstandesbeamten deutet das ital. Gesetzesdekret schon dadurch an, dass es von einer Vereinbarung lediglich „vor“ dem Zivilstandesbeamten spricht.433 Hervorzuheben ist vor allem, dass nach Art. 12 III 5 des ital. Gesetzesdekrets gerade wiederum die Vereinbarung an die Stelle einer gerichtlichen Entscheidung tritt,434 was ihre konstitutive Natur belegt.435 Folglich stellt auch diese Scheidungsmöglichkeit eine Privatscheidung dar.436 Selbst wenn man eine gewisse Kontrollfunktion annehmen sollte, genügt dies entsprechend dem
429 Art. 12 III 1 des ital. Gesetzesdekrets; siehe erneut die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136. 430 Art. 12 III 4 des ital. Gesetzesdekrets; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136. 431 Die Überprüfung hat entsprechend den Formularen im dazugehörigen Ministerialdekret zu erfolgen; siehe hierzu sowie zur Prüfung und den uneindeutigen Fehlerfolgen Süß/Ring/ Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 190, 194; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1257). 432 Art. 12 III 6 des ital. Gesetzesdekrets; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136. Siehe insgesamt näher zur Scheidung vor dem Bürgermeister als Zivilstandesbeamten Süß/Ring/Wiedemann/ Pertot, Eherecht, Italien Rn. 190 ff.; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1256 ff.); Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (114 ff.); Scalzini, StAZ 2016, 129 f. 433 Siehe die Übersetzung des Art. 12 I des Gesetzesdekrets bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136. 434 Siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136. 435 Siehe auch KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216) (in der Vorinstanz zur neueren BGH-Vorlage (BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119)); siehe wiederum NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 95, Fn. 166. 436 Von einer Privatscheidung ausgehend auch KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216) (in der Vorinstanz zur neueren BGH-Vorlage (BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119)); NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 („klassische Privatscheidung“); ebenso dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; siehe noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 23a, K 18; Beller/Wahl, BWNotZ 2015, 158 (160); Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1259); Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, 361 (362); ders., RabelsZ 79 (2015), 752 (755 f.); ders., JbItalR 28 (2015), 3 (12); Krömer, StAZ 2017, 59; Mayer, StAZ 2018, 106 (109); noch Dutta, FamRZ 2020, 1217; wohl ebenfalls von keinem konstitutiven behördlichen Akt ausgehend (aber für eine Anwendung der Brüssel IIa-VO) Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1509 (1516); hingegen zumindest die Anwendung der Brüssel IIa-VO befürwortend, da die Standesbeamten als Richter anzusehen seien, noch Scalzini, StAZ 2016, 129 (131).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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zuvor Gesagten aber abermals nicht, um von einem konstitutiven Hoheitsakt auszugehen.437 (c) Rumänische Scheidung unter Mitwirkung des Zivilstandesbeamten oder öffentlichen Notars Die Scheidung nach rumänischem Recht findet sich in Artt. 373 ff. des rumänischen Codul civil (rumän. Codul civil)438 geregelt. Art. 374 rumän. Codul civil regelt die vereinbarte gerichtliche Scheidung, für die kein bestimmter Zeitablauf gilt und die unabhängig von etwaigen gemeinsamen minderjährigen Kindern durchgeführt werden kann, sofern kein Ehegatte für geschäftsunfähig erklärt wurde.439 Das Gericht kontrolliert, ob jeder Ehegatte frei und unverfälscht mit der Scheidung einverstanden ist.440 Die Ehe ist aufgelöst, sobald das Urteil rechtskräftig wird.441 Daneben stehen im Falle einer vereinbarten Scheidung zwei außergerichtliche Wege zur Verfügung: Die Feststellung der Eheauflösung durch Vereinbarung der Eheleute unter Mitwirkung des Zivilstandesbeamten oder öffentlichen Notars, die jeweils eine entsprechende Scheidungsbescheinigung ausstellen (Art. 375 I rumän. Codul civil). Grundsätzlich verlangt diese Norm, dass die Eheleute keine minderjährigen Kinder haben. Unter bestimmten Voraussetzungen ist diese Scheidung gleichwohl möglich, und zwar, wenn sich die Eheleute zusätzlich über zahlreiche Kindesangelegenheiten einigen.442 Diese Ausnahme gilt aber nur für die Scheidung mittels des öffentlichen Notars.443 Ein Sozialbericht bewertet dann die Vereinbarungen über das Sorgerecht und den Wohnort des Kindes mit Blick auf das Kin-
437 Vgl. auch das Annehmen einer „Privatscheidung“ und zugleich „gewisse[r] Kontrollpflichten“ bei KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216 f.) (in der Vorinstanz zur neueren BGH-Vorlage (BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119)). 438 Codul civil, am 1. 10. 2011 in Kraft getreten; siehe die Übersetzung des Codul civil bei Bergmann/Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 43 ff., zu den genannten Normen S. 78 ff. 439 Siehe Art. 374 I, II rumän. Codul civil mit der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 440 Art. 374 III rumän. Codul civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 441 Art. 382 I rumän. Codul civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 79. Siehe zur rumänischen gerichtlichen Scheidung noch Süß/Ring/Oancea, Eherecht, Rumänien Rn. 60. 442 Art. 375 II 1 rumän. Codul civil; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 443 Ausweislich der gerade genannten Vorschrift des Art. 375 II 1 rumän. Codul civil; siehe zur fehlenden Ausnahmeregel beim Zivilstandesbeamten Süß/Ring/Oancea, Eherecht, Rumänien Rn. 64.
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desinteresse;444 und bei negativem Ergebnis wird der Scheidungsantrag zurückgewiesen, den Eheleuten bleibt nur das gerichtliche Scheidungsverfahren.445 Abgesehen davon darf jedenfalls kein Ehegatte für geschäftsunfähig erklärt worden sein.446 Im weiteren Verlauf wird der gemeinsam eingereichte Antrag registriert und es greift eine Bedenkzeit von 30 Tagen,447 nach deren Ablauf die Eheleute persönlich erscheinen müssen und ihr fortbestehendes freies und fehlerfreies Einverständnis zu überprüfen ist.448 Sollte dieses vorliegen, stellt der Zivilstandesbeamte bzw. öffentliche Notar die Scheidungsurkunde aus.449 Nach Art. 382 III rumän. Codul civil kommt es „mit der Ausstellung der Scheidungsbescheinigung“ zur Auflösung der Ehe.450 Da der Zivilstandesbeamte oder öffentliche Notar ausweislich des genannten Art. 375 I rumän. Codul civil die „Auflösung der Ehe durch Vereinbarung der Ehegatten feststellen und […] eine Bescheinigung über die Scheidung ausstellen“,451 könnte man an einer konstitutiven Natur ihrer Handlung zweifeln und von einer Privatscheidung ausgehen.452 Dass die Scheidungsvereinbarung beim notariellen Verfahren im Falle des Vorhandenseins minderjähriger Kinder zu Kindesangelegenheiten zu überprüfen ist,453 reicht zwar nach dem Gesagten454 nicht aus, um in 444 Art. 375 II 2 rumän. Codul civil; siehe hierzu wiederum die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 445 Siehe Art. 375 II 2 i. V. m. Art. 376 V rumän. Codul civil; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78 f. 446 Siehe Art. 375 III i. V. m. Art. 374 II rumän. Codul civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 447 Art. 376 I rumän. Codul civil; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 448 Art. 376 III rumän. Codul civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 449 Art. 376 IV rumän. Codul civil; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 450 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 80. Siehe insgesamt zur Scheidung beim öffentlichen Notar oder Zivilstandesamt näher Süß/Ring/Oancea, Eherecht, Rumänien Rn. 61 ff. bzw. 64 ff. 451 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 452 Mit Blick auf diese Feststellung von einer Privatscheidung ausgehend MüKo-BGB/ W. v. Mohrenfels, Art. 1 Rom III-VO Rn. 11; diese Scheidungsart zumindest nicht als „Entscheidung“ i. S. d. Brüssel IIa-VO einordnend und offenbar von einer Privatscheidung ausgehend noch NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10; für den Standesbeamten dies., IntFamR, § 2 Rn. 20. Ein solches mögliches „Selbstverständnis des rumänischen Rechts“ für den Notar unter Hinweis auf den Wortlaut des Gesetzes zumindest für „auch nicht ausgeschlossen“ haltend NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 61. 453 Art. 375 II rumän. Codul civil; siehe hierzu abermals die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 454 Siehe dazu, dass allein die Kontrolltätigkeit nicht genügt, oben unter § 4 C.II.1.b) aa)(2)(c).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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diesen bestimmten Fällen zu einer gegenteiligen Beurteilung zu kommen. Allerdings ist Art. 376 rumän. Codul civil zu beachten, der die Ausstellung der Scheidungsurkunde durch den Zivilstandesbeamten oder öffentlichen Notar näher regelt und von einem „Scheidungsantrag“, der „gemeinsam einzureichen“ ist, spricht.455 Daher dürfte die außergerichtliche Scheidung nach rumänischem Recht als eine Scheidung durch konstitutiven behördlichen bzw. notariellen Hoheitsakt anzusehen sein.456 (d) Spanische Scheidung unter Mitwirkung des Justizsekretärs oder Notars Zunächst ist festzuhalten, dass das spanische Recht eine gerichtliche Scheidung vorsieht – aber keinen besonderen Scheidungsgrund, sondern (grundsätzlich) den Ablauf einer dreimonatigen Frist verlangt.457 Die Scheidung erfolgt auf Antrag eines Ehegatten, beider Eheleute oder mit Einverständnis des anderen.458 Bei beidseitig oder mit Zustimmung des anderen Ehegatten beantragter Scheidung ist ein Scheidungsabkommen459 vorzuschlagen, bei einseitigem Antrag bedarf es eines Vorschlags zur Maßnahmenregelung der Scheidungsfolgen.460 Die Vereinbarung muss inhaltlich bestimmte Angelegenheiten regeln461 und wird vom Richter gebilligt, sofern sie nicht den Kindern schadet oder einen Ehegatten schwerwiegend benachteiligt.462 Fehlt es an der Vereinbarung oder Billigung trifft der Richter Rege-
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Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Bormann, Länderbericht Rumänien207. Lfg. (Juli 2014), S. 78. 456 Zur (vorsichtigen) Einordnung der Tätigkeit des Notars als konstitutiven Hoheitsakt NKBGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 60 f. (jedoch mit Hinweis auf ein mögliches anderes „Selbstverständnis des rumänischen Rechts“ in Bezug auf den Notar, Rn. 61); von einer Scheidung „durch verwaltungsrechtliches Verfahren beim Standesamt oder durch ein notarielles Verfahren“ sprechend noch Rieck/Barsan, AuslFamR, Länderbericht Rumänien (März 2019) Rn. 18, S. 19; davon sprechend, dass die Scheidung „von einem öffentlichen Notar oder dem Standesamt ausgesprochen werden [kann]“, Süß/Ring/Oancea, Rumänien Rn. 59. 457 Vgl. Art. 86 i. V. m. Art. 81 span. Código Civil; siehe wiederum die Übersetzung des Código Civil bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 43 ff., mit Übersetzung der genannten Vorschriften, S. 50d, 50 c. 458 Siehe wiederum Art. 86 span. Código Civil. 459 Und zwar ein Scheidungsabkommen nach Art. 90 span. Código Civil; siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50c. 460 Siehe Art. 86 i. V. m. Art. 81 Nr. 1 S. 2 span. Código Civil bzw. Art. 86 i. V. m. Art. 81 Nr. 2 II span. Código Civil; siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50c f. 461 Siehe die in Art. 90 Nr. 1 span. Código Civil enthaltenen Angelegenheiten; siehe hierzu abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51. 462 Siehe zur richterlichen Billigung Art. 90 Nr. 2 Abs. I span. Código Civil mit der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51; näher hierzu Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 64, 66; Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (130 f.) (mit Hinweis auf die liberalere Kontrollregelung im katalanischen Recht, 131).
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lungen.463 Mit Rechtskraft der Entscheidung kommt es zur eheauflösenden Scheidungswirkung (Art. 89 S. 1 span. Código Civil).464 Daneben kennt das spanische Recht gemäß Art. 87 S. 1 i. V. m. Art. 82 span. Código Civil die beiden einleitend angeführten, außergerichtlichen einvernehmlichen Scheidungsarten.465 Sind drei Monate seit der Eheschließung vergangen, ist die einvernehmliche Scheidung entweder nach Vereinbarung in einer öffentlichen Urkunde und unter notarieller Mitwirkung oder nach Vereinbarung unter Mitwirkung des Justizsekretärs möglich.466 Die außergerichtliche Scheidung kommt aber nicht zum Tragen, wenn Kinder vorhanden sind.467 Für die außergerichtliche Scheidung haben die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung abzuschließen, die wiederum bestimmte Voraussetzungen468 beachten muss.469 Der Justizsekretär bzw. der Notar müssen das Verfahren beenden, d. h. abbrechen,470 wenn sie von einer Schädlichkeit oder schweren Nachteilhaftigkeit der Vereinbarung in einzelnen Punkten für einen der Ehegatten oder die minderjährigen emanzipierten bzw. volljährigen Kinder471 ausgehen.472 Die Eheleute haben sich dann an den Richter zu wenden, um die Vereinbarung genehmigen zu lassen.473 Gibt es keine Probleme, kommt es mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses oder Bekanntgabe der Ver463 Siehe Artt. 91 ff., 103 span. Código Civil; hierzu Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 97, 66, 80; noch Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 37, mit Übersetzung der Normen auf S. 51 ff. 464 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51. Siehe zur gerichtlichen Scheidung im spanischen Recht insgesamt näher Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 61 ff., 71 ff.; noch Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (121 f., 130 f.). 465 Siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50d f., 50c. 466 Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 67. 467 Erfasst werden „von den Eltern abhängige minderjährige nicht emanzipierte Kinder oder Kinder mit gerichtlich abgeänderter Geschäftsfähigkeit“; siehe Art. 87 S. 1 i. V. m. Art. 82 Nr. 2 span. Código Civil; mit der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50d f., 50c. Sind minderjährige, emanzipierte oder volljährige Kinder vorhanden, müssen diese ggf. bestimmten Maßnahmen zustimmen; siehe Art. 82 Nr. 1 Abs. II 2 span. Código Civil mit der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50c. 468 Und zwar geht es wiederum um die Voraussetzungen des Art. 90 span. Código Civil. 469 Art. 87 S. 1 i. V. m. Art. 82 Nr. 1 Abs. I 1 span. Código Civil; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50d f., 50c. 470 Näher Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (138 f.). 471 Siehe hierzu noch den Hinweis auf die liberalere Kontrollregel im katalanischen Recht bei Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (140). 472 Siehe Art. 90 Nr. 2 Abs. III 1 span. Código Civil; siehe hierzu die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51. 473 Art. 90 Nr. 2 Abs. III 2 span. Código Civil; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51.
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einbarung in öffentlicher Urkunde zur Scheidungswirkung (Art. 89 S. 1 span. Código Civil).474 Einzuordnen ist zunächst das Tätigwerden des Justizsekretärs. Art. 87 S. 1 span. Código Civil spricht dabei nicht von einer Scheidung durch, sondern „vor dem Justizsekretär“, und zwar „durch eine Scheidungsvereinbarung“.475 Im Anschluss an die oben herausgearbeitete Begriffsbestimmung deutet dies an sich auf eine Privatscheidung hin.476 Eine gegenteilige Einordnung könnte hingegen schon die Formulierung des Art. 89 S. 1 span. Código Civil nahelegen, wonach die Scheidungswirkung „mit Rechtskraft“ des Beschlusses eintritt,477 wobei dies nach dem oben Gesagten nur wegweisend ist, wenn es nicht nur um eine „zeitliche“ Bestimmung geht.478 Insbesondere kann aber das spanische Zivilprozessrecht herangezogen werden, aus dem sich ergibt, dass der Justizsekretär mittels eines entsprechenden Beschlusses über die Vereinbarung entscheidet und dass durch eben diesen Beschluss die Scheidung erklärt wird.479 Insofern ist der Beschluss durch den Justizsekretär nach der gesetzlichen Konzeption als der rechtsgestaltende, konstitutive Scheidungsakt anzusehen und nach den oben definierten Begrifflichkeiten eine behördliche Scheidung gegeben.480 Nach der obigen Begriffsbestimmung481 nicht aus-
474 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51. Siehe näher zur Reform Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (131 ff.); ders., FamRZ 2016, 1557 (1558 f.); siehe noch Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 67, 58; Henrich, FamRZ 2015, 1572. 475 Siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50d. 476 Bei der außergerichtlichen Scheidung nach spanischem Recht pauschal von „Privatscheidung“ sprechend Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 67; vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (241) („dürfte wohl nicht einmal mehr unter die etwas weitere Formulierung des EuGH fallen“); siehe noch die Einordnung bei Hausmann, IntEuFamR, K Rn. 22 („Privatscheidung“); ähnlich Rieck, NZFam 2018, 128 (129) („Es genügt ein Vertrag, der vor dem Justizsekretär […] zu beurkunden ist“.). 477 So wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51. 478 Siehe oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(d). 479 Siehe die dort erwähnte und näher dargestellte Norm des Art. 777 X der spanischen Zivilprozessordnung bei Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (135 i. V. m. 120, 139 f., 142). 480 Den genannten „Beschluss“ für die Einordnung als „konstitutive behördliche ,Entscheidung‘“ (i. S. d. Brüssel IIa-VO) hervorhebend Mayer, StAZ 2018, 106 (109); ebenso Krömer, StAZ 2020, 117 (118); ebenfalls von einer „konstitutive[n] Entscheidung“ ausgehend NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 96; von „einer behördlichen Scheidung“ sprechend Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (363) (unter Hervorhebung des Ausspruchs, 362); siehe noch NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 (vorsichtig für eine Anwendbarkeit der Brüssel IIa-VO mit Blick auf die „die Scheidung […] bewirk[ende]“ Natur und „Rechtskraft“ des Beschlusses); ebenso dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (139, 142) („entscheidet“ bzw. „Akt freiwilliger Gerichtsbarkeit“). 481 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(d).
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schlaggebend ist dabei aber, dass der Justizsekretär die Vereinbarung auf ihre Nachteilhaftigkeit hin überprüft.482 Zu klären bleibt noch die Mitwirkung des Notars. Wie der Justizsekretär wird zwar auch dieser kontrollierend tätig.483 Erneut ist jedoch darauf zu achten, dass die Kontrolle, wie gerade erwähnt, kein taugliches Merkmal für einen konstitutiven Hoheitsakt im eigentlichen Sinne darstellt. Die Bedeutung der Vereinbarung der Eheleute bei der Scheidung vor dem Notar bekräftigt jedenfalls insbesondere Art. 87 span. Código Civil. Dort wird festgehalten, dass die Eheleute selbst die Scheidung mittels öffentlicher Urkunde vor dem Notar vereinbaren,484 nämlich „ihre Scheidung einvernehmlich […] in öffentlicher Urkunde vor einem Notar beschließen“ (Art. 87 S. 1 span. Código Civil).485 Andere Normen, die – wie beim Justizsekretär – diesen für die vertragliche Einordnung klaren Wortlaut widerlegen könnten, sind nicht ersichtlich. Manche verweisen noch auf das notarielle Verfahrensrecht, aus dem sich keine weiteren besonderen Regeln ergäben.486 Folglich handelt es sich um eine Scheidung durch rechtsgestaltenden Privatakt,487 um eine Privatscheidung.488 (e) Brasilianische Scheidung mittels notarieller Urkunde Außerhalb Europas wäre zunächst ein Blick auf das brasilianische Recht zu werfen. Danach kann eine gerichtliche Scheidung von jedem der oder beiden Eheleuten entweder unmittelbar beantragt werden489 oder durch Umwandlung einer vorherigen 482
Siehe zu dieser Prüfung den zuvor zitierten Art. 90 Nr. 2 Abs. III span. Código Civil. Siehe wiederum Art. 90 Nr. 2 Abs. III span. Código Civil; näher zur Kontrolle Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, 119 (138 f.); ders., FamRZ 2016, 1557 (1558 f.). 484 Siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50d f. Siehe zur genannten Norm Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (142); vgl. Mayer, StAZ 2018, 106 (109) (Notar „beurkundet […], spricht aber […] die Scheidung nicht aus“); ebenso Krömer, StAZ 2020, 117 (118); noch Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (363) („erklärt […] nicht für geschieden“). 485 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50d. 486 Dies hervorhebend Mayer, StAZ 2018, 106 (109); dies anmerkend noch Krömer, StAZ 2020, 117 (118). Siehe hierzu noch Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, 119 (135). 487 Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (363) („Konstitutiv […] ist allein die […] Scheidungsvereinbarung.“). 488 Als Privatscheidung einordnend Hausmann, IntEuFamR, K Rn. 22; Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, 119 (135, 142 f.); Mayer, StAZ 2018, 106 (109); noch Rieck, NZFam 2018, 128 (129); ohnehin bei der außergerichtlichen Scheidung nach spanischem Recht pauschal von einer solchen sprechend Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 67; zumindest gegen eine Anwendung der Brüssel IIa-VO noch NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10; dies., IntFamR, § 2 Rn. 20. 489 Art. 1580 § 2 brasilianischer Código Civil (bras. Código Civil) v. 10. 1. 2002; siehe die Übersetzung des Gesetzes bei Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 62 ff., mit Übersetzung der genannten Norm, S. 75, mit Hinweis auf die Entstehung des Gesetzbuches, S. 5. 483
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gerichtlichen Trennung.490 Die in den genannten Vorschriften noch festgeschriebenen (Trennungs-)Fristen gelten nach „wohl ganz herrschende[r] Meinung“ seit einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2010 nicht mehr.491 Daneben ist die einvernehmliche außergerichtliche Scheidung zu nennen, die gemäß den Bestimmungen in Art. 733 i. V. m. Art. 731 der brasilianischen Zivilprozessordnung (bras. ZPO) und in einer ergänzenden Entschließung des Nationalen Rats für Justizwesen mittels notarieller Urkunde erfolgt.492 Dies ist nur möglich, wenn keine noch ungeborenen Leibesfrüchte oder geschäftsunfähigen Kinder vorhanden sind und diverse Vereinbarungen493 getroffen wurden, die in die Urkunde aufgenommen worden sind.494 Es handelt sich um Vereinbarungen über die Güteraufteilung und Unterhaltsleistungen.495 Wille und Bewusstsein der Eheleute in Bezug auf Scheidung und Rechtsfolgen müssen als klare Erklärungen aus der Urkunde hervorgehen.496 Der Notar kann die Beurkundung ablehnen, wenn begründete Hinweise auf einen für einen Ehegatten schädlichen Charakter oder Zweifel an der Freiwilligkeit vorliegen.497 Die notarielle Urkunde ist, und zwar ohne gerichtliche Bestätigung, ein vollgültiger Titel für Registerhandlungen.498 Bei dieser Scheidungsart könnte es sich um eine Privatscheidung handeln. Zweifel an einer solchen Einordnung könnten die vorgesehene Überprüfung der Scheidungsvereinbarung sowie die damit verbundene Ablehnungsbefugnis bei gegenteiligen Hinweisen499 wecken.500 Dagegen kann aber abermals angeführt werden, 490 Art. 1580 bras. Código Civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 75. 491 Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 35 mit Nachw. zur brasilianischen Rspr. und Lit.; siehe noch Feiten Wingert Ody, Brasilianisches Recht, § 11 Rn. 41; Rechsteiner, NZFam 2017, 983 (986 f.). 492 Siehe die Übersetzung der bras. ZPO v. 16. 3. 2015 bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 55 ff., mit Übersetzung der zitierten Norm, S. 58 f. Die Entschließung findet sich übersetzt bei Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245); sowie als „Entschließung […] des Nationalen Justizrats“ bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61 f. 493 Es geht um Vereinbarungen nach Art. 731 bras. ZPO. 494 Art. 733 bras. ZPO; siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 59. 495 Siehe die in Art. 731 I, II bras. ZPO vorgesehenen Vereinbarungen; siehe hierzu wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 58. 496 Art. 35 der genannten Entschließung; siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61; Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245). 497 Art. 46 der genannten Entschließung; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61; Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245). 498 Art. 733 § 1 bras. ZPO; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 59. 499 Siehe wiederum den gerade zitierten Art. 46 der Entschließung.
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dass allein eine Kontrollfunktion nicht abschließend über den konstitutiven Charakter entscheidet.501 Da, wie gesehen, bereits die notarielle Urkunde einen vollgültigen Titel darstellt,502 ist auch die nachfolgende Vorlage zur Eintragung beim Standesamt503 nicht maßgeblich. Vielmehr dürfte von einer Privatscheidung, die lediglich notariell zu beurkunden ist, auszugehen sein.504 (f) Zu registrierende Scheidung nach dem Recht der Volksrepublik China Die Scheidung nach dem Recht der Volksrepublik China findet sich seit Kurzem im neuen Zivilgesetzbuch (chin. ZGB) geregelt.505 Eine gerichtliche Scheidung ist nur bei fehlendem Einvernehmen vorgesehen.506 „Wollen beide Eheleute selbst die Scheidung“, ist der Abschluss einer schriftlichen, unterzeichneten Scheidungsvereinbarung erforderlich sowie die Beantragung der Eintragung der Scheidung, für welche ein persönliches Erscheinen bei der Eheregisterbehörde nötig ist.507 Die Vereinbarung muss nicht nur die Scheidungserklärung enthalten, sondern auch die Angabe der „in Verhandlungen geeinigten Ansichten über Angelegenheiten, wie etwa den Kindesunterhalt“ und „Regelungen des Vermögens und der Verbindlichkeiten“.508 Anschließend gilt eine 30 Tages-Frist, 500 Vgl. speziell zu Brasilien Gärtner, Privatscheidung, S. 10 (jedoch unter Hinweis auf die gerade angesprochene, damals noch geltende und zu überprüfende Trennungsfrist); zumindest eine hoheitliche Scheidung formulierungstechnisch andeutend noch Rieck/Albuquerque, AuslFamR, Länderbericht Brasilien (Mai 2019) Rn. 18, S. 11 („beim Notar außergerichtlich beantragt“). 501 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). 502 Siehe wiederum den zitierten Art. 733 § 1 bras. ZPO. 503 Art. 40 der Entschließung; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61; Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245). 504 I. E. tendenziell eher für eine Einordnung als Privatscheidung Gärtner, Privatscheidung, S. 11 („lediglich registrierende Funktion“ des Notars; „stark auf den Willen der Ehegatten abgestellt“); i. E. noch BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 30 („die notarielle Scheidung“ nach brasilianischem Recht im Zusammenhang mit dem „Aufhebungsvertrag“ aufzählend); letztendlich unklar Martiny, StAZ 2011, 197 (200) (als „Scheidung vor dem Notar“ behandelnd und zunächst von einer Scheidung „durch eine Erklärung“ sprechend, dann etwas offener von einer Beantragung und Vollziehung beim Notar). 505 Zivilgesetzbuch v. 28. 5. 2020, anwendbar seit 1. 1. 2021; siehe hierzu die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 ff. Vorher war auf die Vorschriften der §§ 31 ff. des Ehegesetzes der Volksrepublik China (chin. EheG) abzustellen; siehe zur vorherigen Rechtslage Bergmann/Ferid/Henrich/Pißler/von Hippel, Länderbericht Volksrepublik China200. Lfg. (Februar 2013), S. 59 f. 506 Siehe § 1079 chin. ZGB; siehe die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384 f.). 507 Siehe die Übersetzung des § 1076 I chin. ZGB bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384). 508 Siehe die Übersetzung des § 1076 II chin. ZGB wiederum bei Ding/Leibküchler/Klages/ Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384).
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innerhalb derer eine (einseitige) Rücknahme des Antrags möglich ist bzw. nach deren Ablauf beide persönlich zur Beantragung der Ausstellung der Scheidungsurkunde bei der Eheregisterbehörde erscheinen müssen.509 Die Behörde muss untersuchen, ob wirklich ein Scheidungswille gegeben ist und auch in den anderen Angelegenheiten nach Verhandlungen eine Einigung stattgefunden hat, und sodann die Eintragung und Ausstellung der Urkunde vornehmen.510 Die Ehe ist „[m]it Vollendung der Eintragung der Scheidung […] aufgelöst“.511 Um eine Einordnung dieser Scheidung vorzunehmen, ist ein Vergleich mit der vorherigen Regelung512 hilfreich. Gemäß dieser Norm war eine Scheidung möglich, wenn beide Eheleute dies „wollen“ und „die Scheidung beantragen“, woraufhin die Registerbehörde nach Überprüfung der Scheidungsvereinbarung die Scheidung „gewährt“.513 Zwar trat auch damals der Wille der Eheleute als zentrales Merkmal hervor und offenbar deshalb gelangten einige zu einer Einordnung als vertragliche Privatscheidung.514 Dass von einer Scheidungsbeantragung und einem behördlichen Gewähren die Rede war, könnte aber eher nahelegen, dass die Scheidung nach der damaligen Konzeption als Scheidung mittels behördlichen Gestaltungsakts zu verstehen war.515 Allerdings sprach bereits zumindest die Eheregisterverordnung von einer in der Scheidungsvereinbarung enthaltenen „Willenserklärung der einvernehmlichen Scheidung“.516 Eine Formulierung, die nunmehr § 1076 II chin. ZGB in vergleichbarer Weise enthält („Willenserklärung, dass sich beide Eheleute scheiden
509 § 1077 I chin. ZGB bzw. § 1077 II chin. ZGB; siehe wiederum die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384). 510 § 1078 chin. ZGB; siehe wiederum die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/ Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384). 511 Siehe die Übersetzung des § 1080 Var. 1 chin. ZGB bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384 f.). 512 § 31 chin. EheG. 513 Siehe die Übersetzung des § 31 S. 1, 2, 3 chin. EheG bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Pißler/von Hippel, Länderbericht Volksrepublik China200. Lfg. (Februar 2013), S. 112. 514 So i. E. BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16; Johannsen/Henrich/ Althammer/Gössl, Art. 17 EGBGB Rn. 7; Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431; ders., in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (348); Majer, NZFam 2017, 1010; sich gegen einen behördlichen „Gestaltungsakt“ aussprechend ebenfalls Staudinger/Spellenberg, Art. 21 Brüssel IIa-VO Rn. 17. 515 Vgl. i. E. für eine solche Einordnung Süß/Ring/Süß, Eherecht, § 2 Rn. 317 (die Scheidung in China im Kontext der Scheidungen durch Verwaltungsbehörde, für die auch § 109 FamFG greife, anführend); Martiny, StAZ 2011, 197 (200) („standesamtliche Ehescheidung“); Schwenzer, in: FS Henrich, S. 533 (535) (bei den dort sog. Administrativ- und Registerscheidungen wie der norwegischen Scheidung anführend); noch Rieck/Süß, AuslFamR, Länderbericht Volksrepublik China (Juli 2018) Rn. 13, S. 12 („auf […] Antrag der Eheleute durch die Eheregistrierungsbehörde“). 516 Siehe die Übersetzung des § 11 III der Eheregisterverordnung der Volksrepublik China bei Bergmann/Ferid/Henrich/Pißler/von Hippel, Länderbericht Volksrepublik China200. Lfg. (Februar 2013), S. 130.
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lassen wollen“).517 Darüber hinaus spricht § 1076 I chin. ZGB nur noch davon, dass die „Eintragung der Scheidung“ zu beantragen ist und nicht mehr die Scheidung selbst. Zudem ist in § 1078 chin. ZGB nicht mehr von einem Gewähren, sondern lediglich von einer Eintragung und einem Ausstellen der Urkunde die Rede.518 Daher dürfte eine Einordnung als Privatscheidung anzunehmen und der Hinweis auf die Auflösungswirkung im zitierten § 1080 chin. ZGB als lediglich „zeitliches“ Wirksamwerden zu verstehen sein. Für Letzteres spricht auch, dass dort in Bezug auf gerichtliche Scheidungen nur davon die Rede ist, dass die Eheauflösung mit „Wirksamwerden der Scheidungsurteilsurkunde“ erfolgt.519 (g) Japanische Scheidung mittels Anmeldung beim Familienregister Für einvernehmliches Handeln sieht auch das einleitend erwähnte japanische Recht keine gerichtliche Scheidung vor, eine solche ist nur für streitige Fälle geregelt.520 Für die einvernehmliche Scheidung schreibt das japanische Recht die schon einleitend erwähnte, außergerichtliche Scheidung im Wege der Anmeldung zum Familienregister beim Bürgermeister der Gemeinde vor.521 Die Eheleute müssen sich auch über bestimmte Folgen der Scheidung, nämlich die Personensorge für das Kind und damit zusammenhängende Angelegenheiten einigen, andernfalls entscheidet das Familiengericht, welches zudem auch gewisse Änderungen vornehmen kann.522 Die Anmeldung erfolgt entsprechend einigen Vorschriften zur Anmeldung der Eheschließung, wonach die Anmeldebestimmungen des japanischen Familienregistergesetzes maßgeblich sind.523 Die Scheidung wird mit dieser Anmeldung wirksam.524 Sie hat durch mindestens zwei Zeugen mittels unterschriebenen Schriftstücks oder
517 Siehe die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384) mit vergleichendem Hinweis auf die Eheregisterverordnung (348, Fn. 943). 518 Siehe wiederum jeweils die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384). 519 Siehe die Übersetzung des § 1080 Var. 2 chin. ZGB bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (385). 520 Näher Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 35 ff.; Rieck/Nagata, AuslFamR, Länderbericht Japan (November 2014) Rn. 13, S. 13 f.; Nishitani, IPRax 2002, 49 (50). 521 Art. 763 ff., 764 i. V. m. Art. 738 f. japan. ZG; Übersetzung und Zitierung des Zivilgesetzes nach Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 58 ff., zu den genannten Vorschriften, S. 65 f., 63. 522 Art. 766 japan. ZG; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 66. 523 Siehe Artt. 764 f. japan. ZG i. V. m. Art. 739 I japan. ZG; siehe hierzu abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 66, 63. 524 Siehe die gerade zitierten Art. 764 i. V. m. Art. 739 I japan. ZG.
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mündlich zu erfolgen;525 auch darf sie nur angenommen werden, wenn sie dieser Vorschrift und auch anderen Gesetzen oder Verordnungen nicht widerspricht,526 wobei eine unter Verstoß dagegen angenommene Anmeldung die Gültigkeit der Scheidung nicht berührt.527 Diese Scheidung könnte auf den ersten Blick wegen der erforderlichen Anmeldung gemäß den Bestimmungen des Familienregistergesetzes als behördliche Scheidung einzuordnen sein.528 Allerdings könnte bereits beachtlich sein, dass die Scheidung mit der Anmeldung wirksam wird529 und das Gesetz in Art. 765 I japan. ZG nur von einer Annahme der Anmeldung spricht.530 Noch deutlicher kommt der Charakter der Scheidung in Art. 763 I japan. ZG zum Ausdruck,531 wonach „[d]ie Ehegatten […] die Ehe einvernehmlich scheiden [können]“.532 Demnach ist das einvernehmliche Handeln der Eheleute als der scheidende, konstitutive Akt anzusehen; es ist eine vertragliche, eine Privatscheidung anzunehmen.533 525 Art. 739 II japan. ZG; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 63. 526 Art. 765 I japan. ZG; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 67. 527 Art. 765 II japan. ZG; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 66. Siehe insgesamt zur einvernehmlichen Scheidung Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 34 f.; Rieck/Nagata, AuslFamR, Länderbericht Japan (November 2014) Rn. 13, S. 12 f. Eine Übersicht zur Rechtslage findet sich noch bei KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302. 528 Vgl. i. E. – von einer „Entscheidung“ i. S. d. § 109 FamFG ausgehend – Süß/Ring/Süß, Eherecht, § 2 Rn. 317 (die japanische Scheidung bei den Scheidungen durch Verwaltungsbehörden, für die auch § 109 FamFG gelte, aufzählend); siehe noch Schwenzer, in: FS Henrich, S. 533 (535) (im Anschluss an das norwegische „administrative Scheidungsverfahren“ bzw. die norwegische „Registerscheidung“ die japanische Scheidung ohne nähere Ausführungen als „[ä]hnlich weitgehende Regelung[ ]“ nennend, was man als eine Einordnung als Scheidung durch die Registerbehörde verstehen dürfte). 529 Siehe wiederum Art. 764 i. V. m. Art. 739 I japan. ZG. 530 Siehe die Übersetzung der Norm bei Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 66, vgl. S. 34 f.; Rieck/Nagata, AuslFamR, Länderbericht Japan (November 2014) Rn. 13, S. 12; Nishitani, IPRax 2002, 49; Nozawa, in: Recht und Gesellschaft, S. 95 (97); Urano, FamRZ 2004, 1252 (1253). 531 So offenbar auch KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302 (wobei sich – wohl im Wege eines „Zahlendrehers“ – auf Art. 736 des japan. ZG berufend). 532 Siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 65. 533 Von einer Privatscheidung ausgehend KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302; Präs. OLG Celle, Bescheid. v. 10. 11. 1997 – 3465 I 301/97, StAZ 1999, 146; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 59; siehe Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1196 f.); ähnlich Martiny, StAZ 2011, 197 (198 f.); Nishitani, IPRax 2002, 49; siehe noch MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Anh. Art. 17a EGBGB Rn. 113; NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 76; NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 63; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 328; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 119;
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
(h) Bestätigte Scheidung nach dem Recht der Republik Korea (Südkorea) Im Recht der Republik Korea (Südkorea) regeln die Artt. 840 ff. des koreanischen Bürgerlichen Gesetzbuches (KBGB)534 die Scheidung durch Urteil, die sich aber ebenfalls nur auf Gründe abseits eines Einvernehmens stützt.535 Wie das japanische Recht kennt auch das Recht der Republik Korea (Südkorea) eine einvernehmliche außergerichtliche Scheidung (Artt. 834 ff. KBGB), die mit Anmeldung durch die Eheleute gemäß familienregisterrechtlichen Bestimmungen wirksam wird, wobei das Anmeldeformular von beiden Parteien und zwei volljährigen Zeugen unterschrieben werden muss.536 Das Familiengericht hat zuvor die Scheidungsvereinbarung zu bestätigen.537 Es ist zudem beratend tätig oder kann an einen Berater verweisen.538 Die Bestätigung ergeht im Falle unterstützungsbedürftiger Kindern nach drei Monaten, andernfalls nach einem Monat.539 Die Parteien sollen dabei zudem einvernehmlich den Unterhalt und die SorgerechtsangelegenGärtner, Privatscheidung, S. 24 f.; Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431; Majer, NZFam 2017, 1010; Urano, FamRZ 2004, 1252 (1253, 1255). 534 Koreanisches Bürgerliches Gesetzbuch v. 22. 2. 1958; Zitierweise nach Bergmann/ Ferid/Henrich/Chang, Länderbericht Republik Korea115. Lfg. (Juni 1993), S. 6. Eine Übersetzung des KBGB (i. d. F. v. 20. 10. 2020) ins Englische durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ findet sich auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri.re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=55222 &lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 535 Siehe Art. 840 KBGB; ein kurzer Überblick findet sich bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Chang, Länderbericht Republik Korea115. Lfg. (Juni 1993), S. 18; siehe auch die knappe Zusammenfassung bei Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1196). 536 Siehe Art. 836 I und II KBGB; wiederum nach der Übersetzung des KBGB (i. d. F. v. 20. 10. 2020) ins Englische durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri.re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=55222&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 537 Siehe den gerade zitierten Art. 836 II KBGB; siehe dazu, dass das Familiengericht zu bestätigen hat, dass der Scheidungswille der Parteien wirklich besteht, Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197); noch Bergmann/Ferid/Henrich/Chang, Länderbericht Republik Korea115. Lfg. (Juni 1993), S. 43, Fn. 67; Lee, Scheidungsrecht Koreas, S. 66; noch Kim, Ehescheidung, S. 73 f. (bei den „[f]ormelle[n] Voraussetzungen“ anführend). 538 Art. 836-2 I KBGB; siehe wiederum die Übersetzung des KBGB (i. d. F. v. 20. 10. 2020) ins Englische durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri. re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=55222&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe zu dieser Rolle des Gerichts Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197) („über den Ablauf und die Wirkungen der Privatscheidung aufzuklären und […] nach Bedarf eine Beratungsstelle zuzuweisen“). 539 Art. 836-2 II KBGB; siehe abermals die englische Übersetzung des KBGB (i. d. F. v. 20. 10. 2020) durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri. re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=55222&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe zu dieser Regelung Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197) (dort ist von „minderjährige[n] Kinder[n]“ die Rede).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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heiten für ihre Kinder regeln, das Familiengericht überprüft diese Regelungen und ändert sie gegebenenfalls bei Verstoß gegen das Kindeswohl bzw. entscheidet im Falle des Fehlens einer solchen Vereinbarung.540 Für die Einordung dieser Scheidung von Bedeutung ist Art. 834 KBGB, in dem schlicht geregelt ist, dass eine Scheidung im Wege des Einvernehmens möglich ist.541 Zwar ist für die Wirksamkeit nicht nur die Anmeldung, sondern, wie gesehen, auch eine gerichtliche Mitwirkung vorgeschrieben, nämlich die vorherige Bestätigung der Scheidungsvereinbarung durch das Familiengericht.542 Nach der obigen Begriffsbestimmung543 stellt dieser Akt allerdings keinen scheidenden, konstitutiven Hoheitsakt dar. Ausschlaggebend ist, dass es sich nach Art. 834 KBGB um eine Scheidung durch Einvernehmen handelt. Somit ist eine vertragliche Privatscheidung gegeben.544
540 Siehe Art. 837 I, II und III, V KBGB bzw. Art. 837 IV KBGB; siehe hierzu wiederum die Übersetzung des KBGB (i. d. F. v. 20. 10. 2020) ins Englische durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“, abrufbar auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri.re.kr/eng_service/law View.do?hseq=55222&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe zu Art. 837 III KBGB Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1199). Siehe insgesamt noch den (allerdings insbesondere hinsichtlich Art. 837 KBGB älteren) Überblick zur einvernehmlichen Scheidung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Chang, Länderbericht Republik Korea115. Lfg. (Juni 1993), S. 17; näher Lee, Scheidungsrecht Koreas, S. 64 ff. 541 Siehe wiederum die Übersetzung des KBGB (i. d. F. v. 20. 10. 2020) ins Englische durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri.re.kr/eng_ser vice/lawView.do?hseq=55222&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe insbesondere schon die Übersetzung bei Lee, Scheidungsrecht Koreas, S. 64 („Die Ehegatten können die Ehe im gegenseitigen Einvernehmen scheiden.“); abw. bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Chang, Länderbericht Republik Korea115. Lfg. (Juni 1993), S. 43 („in gegenseitigem Einvernehmen scheiden lassen“). 542 Siehe den schon zitierten Art. 836 I KBGB. Siehe hier dazu, dass dies eine Überprüfung des Scheidungswillens beinhaltet, nur Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197); hierauf verweisend, um die Schwierigkeit der Einordnung als Privatscheidung hervorzuheben, Krzywon, StAZ 1989, 93 (103). 543 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). 544 Als Privatscheidung einordnend MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 1 Rom III-VO Rn. 11 (wobei die gerichtliche Bestätigung – entgegen der vorliegenden Begriffsverwendung (siehe oben unter § 2 C.) – als „deklaratorisch[ ]“ bezeichnend); Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 59; Krzywon, StAZ 1989, 93 (103); Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1196 f.); siehe i. E. noch Gärtner, Privatscheidung, S. 25 f.; knapp NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG); NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 63; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 328; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 119; Hepting/Dutta, Familie, Rn. III-550; Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (348); Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431; a. A. Süß/Ring/Süß, Eherecht, § 2 Rn. 317 (die Scheidung in „Korea“ bei den „durch eine Verwaltungsbehörde ausgesprochenen Scheidung[en]“, die unter § 109 FamFG fielen, nennend).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
(i) Thailändische Scheidung mit Registrierung Auch im einleitend angeführten thailändischen Recht ist schließlich eine gerichtliche Scheidung nur für die Fälle fehlenden Einvernehmens vorgesehen.545 Bei gegenseitigem Einverständnis ist eine außergerichtliche Scheidung durchzuführen, für deren Wirksamkeit es allerdings einer Eintragung im Register bedarf, wenn die Ehe ebenfalls ordnungsgemäß eingetragen ist (vgl. Sec. 1514, 1515, 1531 I TZHGB).546 Hierbei soll eine Sorgerechtsvereinbarung getroffen werden, andernfalls entscheidet das Gericht darüber.547 Entsprechendes gilt bezüglich einer die Kinder betreffenden Unterhaltsvereinbarung.548 Fraglich könnte die Einordung der einvernehmlichen Scheidung auf den ersten Blick sein, wenn man bedenkt, dass die Wirksamkeit der Scheidung in der Regel549 erst mit Eintragung in das Register herbeigeführt wird.550 Sec. 1514 I TZHGB spricht allerdings von einer Scheidung „im gegenseitigen Einverständnis“ und stellt diese Scheidung der gerichtlichen gegenüber.551 Die die Registrierung behandelnden Vorschriften552 betreffen lediglich den Zeitpunkt des Wirksamwerdens. Folglich ist das Einvernehmen der Eheleute als das konstitutive Element und die Registrierung nur als zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung anzusehen. Im Ergebnis gehen 545 Dies zeigen Sec. 1514 I TZHGB i. V. m. Sec. 1516 ff. TZHBG; siehe die Übersetzung und Zitierweise bei Bergmann/Ferid/Henrich/König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 36 ff. Zur gerichtlichen Scheidung in Thailand Bergmann/Ferid/Henrich/ König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 26; Rieck/Klose, AuslFamR, Länderbericht Thailand (März 2017) Rn. 13, S. 12 ff.; Fuhrmann, IPRax 1983, 137 (138). 546 Näher hierzu Fuhrmann, IPRax 1983, 137 f. (diese Ausführungen zeigen, dass eine vor 1935 oder im Ausland geschlossene Ehe nicht zwingend im Register steht und in solchen Fällen daher allein die vertragliche Einigung für eine wirksame Scheidung verlangt wird); siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 48, 51. 547 Sec. 1520 I TZHGB; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 50. 548 Sec. 1522 TZHGB; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 50. Siehe insgesamt zur einvernehmlichen Scheidung in Thailand Bergmann/Ferid/Henrich/König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 25 f.; Rieck/Klose, AuslFamR, Länderbericht Thailand (März 2017) Rn. 13, S. 12 f.; Fuhrmann, IPRax 1983, 137 f. 549 Nämlich sofern die Ehe im Eheregister eingetragen ist, Sec. 1515, 1531 I TZHGB; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 48, 51. Für den Fall der nicht eingetragenen Ehe genügt das Einvernehmen der Eheleute, wie sich aus Sec. 1514 I TZHGB ergibt, und eine Einordnung als vertragliche Scheidung ist daher offenkundig, siehe wiederum Fuhrmann, IPRax 1983, 137 (138). 550 Zur nicht nur deklaratorischen Bedeutung der Registrierung KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 60. 551 Siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 48. 552 Siehe die bereits zitierten Sec. 1515, 1531 I TZHGB.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Rechtsprechung und Schrifttum jedenfalls unstreitig davon aus, dass es sich um eine vertragliche, d. h. um eine Privatscheidung handelt.553 Das KG begründet dies noch mit dem – nach dem oben Gesagten aber als nicht hinreichend zu bewertenden554 – Argument der bloß „formale[n] Prüfung“ durch die Registerbehörde.555 (5) Praktisches Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass es bisweilen schwierige Untersuchungen erfordert, um trennscharf einen konstitutiven Hoheitsakt von einer Privatscheidung unter zwingender gerichtlicher, behördlicher oder notarieller Beteiligung zu unterscheiden, und dass die Unterscheidung nicht stets unstrittig ist.556 Insofern lässt sich der herrschende Entscheidungsbegriff, der einen konstitutiven Hoheitsakt verlangt, zu Recht mit den Stimmen kritisieren, die für eine offenere Anerkennung de lege ferenda plädieren oder ein erweitertes Verständnis des Entscheidungsbegriffs ausdrücklich mit Praxisgesichtspunkten untermauern.557 Selbst Vertreter des herrschenden Entscheidungsbegriffs geben Schwierigkeiten zu558 bzw. verweisen – wenngleich im Zusammenhang mit § 107 FamFG und dem dort vertretenen weiteren Entscheidungsbegriff559 – auf die schwierige Abgrenzung der Natur des Akts.560 Wie die voranstehende Untersuchung zeigt, gibt es Grenzfälle. Gerade die Scheidung nach dem Recht der Volksrepublik China561 oder auch die
553 BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (270, 272); KG, Beschl. v. 19. 3. 2013 – 1 VA 12/12, FamRZ 2013, 1484 (1485); Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 60; Martiny, StAZ 2011, 197 (198 f.); Gärtner, Privatscheidung, S. 25; das vertragliche Element und gegenseitige Einverständnis betonend noch Fuhrmann, IPRax 1983, 137; knapp noch Keidel/Dimmler, § 107 Rn. 15; MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Anh. Art. 17a EGBGB Rn. 113 („Rechtsgeschäft mit Registrierung“); NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 76; NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 63; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 328; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 119; Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431; Majer, NZFam 2017, 1010. 554 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). 555 KG, Beschl. v. 19. 3. 2013 – 1 VA 12/12, FamRZ 2013, 1484 (1485). 556 Siehe insbesondere wiederum Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344 ff.) (unter Hinweis auf „Zwischenformen“ (346)). 557 Eingehend und vehement die problematische Bestimmung des Konstitutivmerkmals kritisierend und mit de lege ferenda-Vorschlag Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344 ff.); von den de lege lata-Vertretern eines offeneren Entscheidungsbegriffs nachdrücklich Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745). 558 Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 343 („Abgrenzung ist freilich schwierig“); siehe wiederum noch Gärtner, Privatscheidung, S. 6 (Einordnung als Privatscheidung „in vielen Fällen keineswegs leicht“); Krzywon, StAZ 1989, 93 (103) („zum Teil schwer“). 559 Siehe dazu oben unter § 4 A.II.1. 560 Siehe zur Vorgängernorm (Art. 7 § 1 FamRÄndG) BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (42); Henrich, IntFamR, S. 152 f.; siehe noch – obwohl zu Art. 7 § 1 FamRÄndG die Abgrenzung der h. M. kritisierend – Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (11). 561 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(f).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Scheidung durch den spanischen Justizsekretär562 haben gezeigt, wie die Einordnung als konstitutiver Hoheitsakt oder Privatscheidung von der – bisweilen feinen – Formulierung einzelner Worte des Gesetzes abhängig ist. Es kann also zu feinartigen, diffizilen Untersuchungen kommen, wenn die konstitutive Natur des Hoheitsakts zugleich das entscheidende Kriterium für die Qualifikation als anerkennungsfähige Entscheidung darstellt. Insofern ist auch die Anmerkung Helms zur herrschenden Abgrenzung (anhand des Konstitutivmerkmals) treffend, dass man „vom ausländischen Recht die Antwort auf eine Frage erwarte[t], die sich das ausländische Recht selbst in dieser Form überhaupt nicht stellt“.563 c) Dogmatisch-methodische Anerkennung der Konstitutivwirkung Vertreter des herrschenden Entscheidungsbegriffs verweisen teilweise explizit auf die Bedeutung der Anerkennung, der Entscheidung „dieselbe rechtliche Wirkung [zu]zuschreib[en] wie der Entscheidungsstaat“,564 fordern beim Urteilsbegriff (§ 328 ZPO) eine „eheauflösende Wirkung“ des Hoheitsakts565 oder legen solch wirkungsbezogene Anforderungen zumindest ihren Ausführungen zugrunde.566 Darüber, welche der Wirkungen, die einer ausländischen Entscheidung zukommen, als anerkennungsfähige anzusehen sind,567 entscheidet nach allgemeiner Ansicht das deutsche Verständnis als lex fori des Anerkennungsstaats.568 Die Gestal562
Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(d). Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (346). 564 So zu § 328 ZPO Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 160; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14); näher zur Anerkennung und sog. Wirkungserstreckung unten unter § 4 C.II.3.a) ee)(2)(a). 565 So zu § 328 ZPO Herfarth, Scheidung, S. 439. 566 Siehe zu Letzterem (zu § 328 ZPO) Beule, StAZ 1979, 29 (30), der dort zunächst hervorhebt, die Anerkennung bei der Scheidung habe „vor allem“ eine Erstreckung der „Gestaltungswirkung“ zur Folge, und sodann dem herrschenden Entscheidungsbegriff folgt (35). 567 Siehe zur Anerkennungsfähigkeit der prozessualen Wirkungen BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56; MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 164; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 12; Zöller/ Geimer, § 328 Rn. 20, 29, 31; Geimer, IZPR, Rn. 2776, 2786, 2799; Martiny, IZVR III/1, Rn. 373; Schack, IZVR, Rn. 924; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628); ders., FamRZ 2006, 744 (750); näher zur Anerkennung prozessualer Wirkungen noch unten unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(b). 568 BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56; Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 2; MüKo-ZPO/ Gottwald, § 328 Rn. 164; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 12; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 30; ders., Anerkennung, S. 43; Geimer, IZPR, Rn. 2787; Martiny, IZVR III/1, Rn. 373; Klinck, FamRZ 2009, 741 (745); Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628); ders., FamRZ 2006, 744 (750). Die Frage, welche Wirkungen einer ausländischen Entscheidung zukommen, richtet sich (jedenfalls nach heute herrschender sog. Wirkungserstreckungslehre, die einer Entscheidung grundsätzlich die Wirkungen des Erlassstaates zugesteht), nach dem Recht des Erlassstaates; siehe MüKo-ZPO/ Gottwald, § 328 Rn. 4, 164; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 2; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 174 (i. V. m. Rn. 173, 176); Geimer, IZPR, Rn. 2776 f.; noch Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.2, 12.6; Martiny, IZVR III/1, Rn. 363 (i. V. m. Rn. 367); auf das „Recht, welches in Anwendung des Rechts des Ursprungsstaates einschließlich von dessen IPR der Entscheidung 563
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tungswirkung ist nach heute herrschender Meinung als prozessuale und entsprechend nach § 109 FamFG (bzw. § 328 ZPO) verfahrensrechtlich anerkennungsfähige Wirkung einer Entscheidung aufzufassen.569 Dass die deutsche Sicht als lex fori bei der Frage nach der Anerkennungsfähigkeit bestimmter Wirkungen den Ausschlag geben muss, ist berechtigt. Dies lässt sich, wie schon bei der Frage nach der Qualifikation des Entscheidungsbegriffs selbst, wiederum darauf zurückführen, dass es um die Anerkennung eines ausländischen Hoheitsakts im Inland gemäß einer inländischen Norm (§ 109 FamFG) geht.570 Aus deutscher Sicht571 ist ganz allgemein anerkannt, dass ein Urteil bzw. Beschluss gestaltende Wirkung haben kann. Die Gestaltungsklage und das Gestaltungsurteil finden sich heute (nahezu) unbestritten neben den Feststellungs- und Leistungsklagen bzw. -urteilen wieder.572 Das schon oben erörterte sog. konstitutive Urteil573 wurde bereits Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts als besondere Kategorie herausgearbeitet574 und dabei dessen Besonderheit, die gestaltende Wirkung selbst herbeizuführen, betont.575 zu Grunde zu legen ist“, abstellend MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 FamFG Rn. 18. Näher zur sog. Wirkungserstreckungslehre noch unten unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(a). 569 Siehe etwa BayObLG, Beschl. v. 11. 1. 1990 – BReg. 3 Z 150/89, NJW 1990, 3099; BayObLG, Beschl. v. 17. 12. 1987 – BReg. 3 Z 6/87, BayObLGZ 1987, 439 f.; schon RG, Urt. v. 26. 4. 1941 – IV 313/40, RGZ 166, 367 (376) (die Gestaltungswirkung allerdings noch mit der Rechtskraftwirkung vermengend); aus der Lit. MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 177; Prütting/ Helms/Hau, § 108 Rn. 13, 22; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 184, 186; Stein/ Jonas/Roth, § 328 Rn. 17; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 328 Rn. 6; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 52; Geimer, IZPR, Rn. 2813; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.10; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.145; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 2; Schack, IZVR, Rn. 927; Geimer, in: FS Jayme I, S. 241 (250); eingehend schon Martiny, IZVR III/1, Rn. 403, 409; Müller, ZZP 79 (1966), 199 (215 ff., 222 f.); ebenfalls für eine Anerkennung der Scheidung über (damals) § 328 ZPO, wenngleich im Einzelnen mit anderer Begründung (dazu weiter unten unter § 4 C.II.3.a)bb)(5)), Basedow, Anerkennung, S. 57 f.; bereits Zitelmann, IPR II, S. 768 ff. 570 Siehe oben unter § 4 A.I.3.; siehe auch Martiny, IZVR III/1, Rn. 373. 571 Vgl. auch den Hinweis auf das unterschiedliche Begriffsverständnis von der Gestaltungswirkung in den unterschiedlichen Prozessrechten bei Martiny, IZVR III/1, Rn. 403. 572 Siehe etwa MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 19, 189; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 63; Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88; Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor § 253 Rn. 14; Zöller/Greger, Vor §§ 253 – 299a Rn. 2, 7; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 1, 14. Hingegen dieser Unterscheidung in neuerer Zeit entgegentretend Braun, Zivilprozeßrecht, § 27 I, S. 416 ff. („1. Jede Klage ist Feststellungsklage“, § 27 I 1, S. 416 f. bzw. „2. Sie ist nichts sonst außer Feststellungsklage“, § 27 I 2, S. 417 f.); dies nachdrücklich hervorhebend Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88, Fn. 406 („einen erneuten vehementen Angriff führt in jüngster Zeit Braun“). 573 Siehe im Zusammenhang mit der Definition des Konstitutivmerkmals oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). 574 Sich andeutend bereits etwa bei RG, Urt. v. 27. 11. 1889 – V 196/89, Gruchot 34 (1890), 1161 (1162) (Gegenüberstellung von deklaratorischen, feststellenden Urteilen und solchen, durch die „neue Rechtsverhältnisse begründet werden sollen (z. B. Ehescheidung, […])“); Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht I.I4, S. 310 f. (neben Leistungs- und Feststellungsurteil die Herstellung eines „nur durch Urtheil zu begründenden Rechtzustand[s]“ als Urteilsinhalt
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Aus diesen dargestellten Grundlagen ergibt sich – und zwar ohne hier näher auf die Frage, welche Wirkungen im Einzelnen überhaupt anerkennungsfähig sind, eingehen zu müssen –, warum jedenfalls nicht in Abrede zu stellen ist, dass die Gestaltungswirkung mit der heute herrschenden Ansicht verfahrensrechtlich anzuerkennen ist: Die Gestaltungswirkung haftet einer Entscheidung unmittelbar an, weshalb eine verfahrensrechtliche Anerkennung auf eine Anerkennung der gestaltenden Wirkung hinauslaufen muss.576 Bei der Gestaltungswirkung zeigt sich zugleich noch eine Verknüpfung mit dem materiellen Recht:577 Da der gerichtlichen Entscheidung selbst, wie gesehen, gestaltende Wirkung zukommt, ändert sie die materielle Rechtslage bzw. wirkt auf das entsprechende materielle Rechtsverhältnis ein;578 der Scheidungsbeschluss löst etwa die Ehe auf (§ 1564 S. 1 BGB), hat also „materiell-rechtliche Wirkung“.579 Einige (ältere) Gegenstimmen, die es als problematisch erachte(te)n, wenn ein Gestalnennend, S. 310); Langheineken, Urteilsanspruch, § 12, S. 220 ff. (zu „Bewirkungsklagen“ und dabei vom „Bewirkungsurteil“ sprechend, § 12 I, S. 227); nachdrücklicher schon Gaupp4/Stein, vor § 253 (Verfahren vor den Landgerichten) II 3, S. 513 ff. („Rechtsgestaltungsklagen“); Hellwig, Klagerecht, S. 480 („Rechtsgestaltungsurteil[ ]“); von konstitutiven Urteilen sprechend bereits Kisch, Urteilslehre, S. 47 f. i. V. m. Fn. 43; siehe noch Kipp, in: FG v. Jhering, S. 41 (56 ff.) („konstitutiv[e]“ Wirkung); Seckel, in: FG Koch, S. 205 (210) („Gestaltungsurteile“). 575 Etwa schon Gaupp4/Stein, vor § 253 (Verfahren vor den Landgerichten) II 3, S. 513 ff. („unmittelbar auf die Erreichung des rechtserzeugenden oder rechtsvernichtenden Richteraktes gerichtet“, S. 513); wiederum Langheineken, Urteilsanspruch, § 12, S. 220 ff. bzw. § 12 IV, S. 227 ff. (zu „Bewirkungsklagen“ bzw. „Bewirkungsurteil“); Kipp, in: FG v. Jhering, S. 41 (56 ff.) („konstitutiv[e]“ Wirkung bzw. den Eintritt von Rechtswirkungen gebiete[nd]); Seuffert, ZZP 22 (1896), 322 (336); eingehender bereits etwa Hellwig, Klagerecht, S. 475, 477 (aufgrund der Wirkung von einer „Art der Zwangsvollstreckung“ sprechend bzw. das Urteil als „Vollstreckungsakt“ bezeichnend); Kisch, Urteilslehre, S. 48 f.; Zitelmann, IPR II, S. 281 (Schaffung einer „bestimmte[n] privatrechtliche[n] Wirkung“). 576 Vgl. MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 18 (Anerkennungsfähigkeit „unmittelbare[r] Wirkungen […]“); vgl. noch die Abgrenzung von anerkennungsfähiger prozessualer Gestaltungswirkung und nicht anerkennungsfähiger materieller Tatbestandswirkung (hierzu näher unten unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(c)) bei BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56, 56.2 (Tatbestandswirkung nicht anerkennungsfähig, da „Wirkung […] nicht aus der Entscheidung selbst“); Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 211 („durch das Urteil selbst angeordnet“); Martiny, IZVR III/1, Rn. 427 („Von der Gestaltungswirkung unterscheidet sich die Tatbestandswirkung dadurch, daß sie nicht den Gegenstand des Urteilsausspruches bildet, sondern mittelbar […] eintritt“.). 577 Jedenfalls sofern die Gestaltung nicht ausnahmsweise die prozessuale Rechtslage betrifft; siehe zu den prozessrechtlichen Gestaltungsklagen nur Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 95; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 193, 567; näher etwa Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 92 ff. 578 Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor § 253 Rn. 14, 23; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 14; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 191, 195; siehe schon Kisch, Urteilslehre, S. 77 („unmittelbar eine besondere civilrechtliche Wirkung“); Zitelmann, IPR II, S. 281 (Schaffung einer „bestimmte[n] privatrechtliche[n] Wirkung“). 579 So zum „Scheidungsausspruch des Gerichts“ BT-Drs. 7/650, S. 104; siehe noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 403 („Brücke zwischen materiellem und Verfahrensrecht“).
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tungsurteil im Anerkennungsstaat anerkannt wird, aber nicht von der auf das betroffene Rechtsverhältnis anwendbaren Rechtsordnung,580 sich im Ergebnis also auf die Verbindung zum materiellen Recht stützen, lassen sich so erklären.581 Diese sog. lex causae-Theorien plädier(t)en dafür, bei der Frage, ob eine Ehe aufgelöst ist, die Entscheidung also gestaltende Wirkung entfalten kann, das auf die Scheidung anwendbare materielle Recht (wenigstens parallel) zu beachten.582 Sie vermochten sich jedoch zu Recht nicht durchzusetzen.583 Kritisiert wird etwa, dass die Gestaltungsentscheidung zumindest im Erlassstaat Wirkung entfaltet und daher auch mit diesen Theorien hinkende Rechtsverhältnisse nicht in jeder Hinsicht vermieden werden können.584 Gegen jegliche lex causae-Theorien lässt sich jedenfalls anführen, dass die verfahrensrechtliche Anerkennung generell unabhängig vom Kollisionsrecht erfolgt.585 Spätestens seit Abschaffung des eingeschränkten kollisionsrechtlichen 580
Siehe zu diesen „Spannungen“ Martiny, IZVR III/1, Rn. 404; Müller, ZZP 79 (1966), 199 (216 f.). 581 Vgl. Geimer, in: FS Jayme I, S. 241 (250) (Nähe zum materiellen Recht als „nicht verwunder[licher]“ Grund für die sogleich dargestellten lex causae-Theorien). 582 Im Einzelnen sind die jeweiligen Ansichten differenziert ausgestaltet; siehe eingehend (und krit.) dazu Martiny, IZVR III/1, Rn. 405 ff. m. w. N. (der nicht dieser Ansicht folgt, siehe Rn. 409). Zum Teil soll allein die lex causae entscheiden; so insbesondere Jonas, JW 1936, 283; ausführlich Süß, in: FG Rosenberg, S. 229 (252 ff., 256 ff.); noch Neuhaus, Grundbegriffe, § 58 III, S. 438 f.; ders., FamRZ 1964, 18 (22); noch Reinl, Anerkennung, S. 119 f.; Hoyer, JBl. 104 (1982), 634 (640 ff., 643). Zum Teil soll Art. 17 EGBGB lediglich neben § 328 ZPO beachtlich sein und so die Anerkennung der Gestaltungswirkung verhindern können; siehe OLG München, Beschl. v. 25. 2. 1963 – VA 7/62, NJW 1963, 1158 f. („Ehescheidung von Ausländern in einem dritten Staate“); Jansen2, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rn. 24; zu § 328 ZPO Raape, IPR, § 30 B II 2, S. 314 („nur durch die Brille des Art. 17 EG[BGB] lesen“); ähnlich Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken, S. 204 ff. (wonach die Gestaltungswirkung „ausschließlich davon abhängt, ob die […] maßgebliche lex causae dem bei uns nach § 328 ZPO anerkannten Urteil diese Wirkung[ ] beilegt oder nicht“, S. 205). Gar generell die Anerkennung nach § 328 ZPO nur zulassen wollend, wenn die lex causae das Urteil anerkennt, Frankenstein, IPR I, S. 347. Vgl. zur Maßgeblichkeit der lex causae schon Zitelmann, IPR II, S. 281 („Wirkungsstatut“ entscheidend – aber noch als Frage der „Rechtskraft der konstitutiven Urteile“ behandelnd). 583 Vgl. auch die in der Vergangenheit formulierte Darstellung der Gegenmeinung bei Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 185; noch Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 17 („vor allem für frühere Scheidungsurteile“); siehe auch die obigen weiteren Nachw. zur gerade zuvor erwähnten, herrschenden verfahrensrechtlichen Anerkennung der Gestaltungswirkung. 584 Kropholler, IPR, § 60 V 2 e), S. 681; vgl. Geimer, Anerkennung, S. 42 („Entscheidungsmißklang“ werde dadurch „in vielen Fällen sogar noch vergrößert und perpetuiert“); vgl. auch die Argumentation im Zusammenhang mit der Auflösung einer Vorehe bei erneuter Eheschließung bei Müller, ZZP 79 (1966), 199 (239). 585 Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 186; nachdrücklich, auf den fehlenden „Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und dem anwendbaren materiellen Recht“ verweisend, Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 17; ebenso Zöller/Geimer, § 328 Rn. 55; Geimer, IZPR, Rn. 2814, 46; siehe noch Kropholler, IPR, § 60 V 2 e), S. 682; Müller, ZZP 79 (1966), 199 (222); unter Hinweis auf das Verbot der sog. révision au fond noch MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 213; siehe zur Unabhängigkeit des IZVR vom IPR näher noch unten unter § 4 C.II.1.d)cc). Von den Vertretern der lex causae-Theorien explizit gegen einen daraus re-
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Vorbehalts (§ 328 I Nr. 3 ZPO a. F.) findet sich auch im Gesetz keinerlei Anhaltspunkt, auf den sich kollisionsrechtliche Ansätze stützen ließen.586 Hinzu kommt, dass dies eine Art Abspaltung der Gestaltungswirkung eines Gestaltungsurteils bewirkte, die sinnwidrig wäre.587 Es hätte problematische Folgen, wenn die Gestaltungswirkung gesondert kollisionsrechtlich beurteilt würde und gegebenenfalls – trotz Anerkennung der Gestaltungsentscheidung im Übrigen – zu verneinen wäre.588 Eine Anerkennung der materiellen Rechtskraft der ausländischen Entscheidung589 stünde dann einem Scheidungsverfahren im Inland entgegen, obwohl die Ehe mangels Gestaltungswirkung nicht als aufgelöst gelten würde.590 Dieses Problem erkannten schon Anhänger der lex causae-Theorien selbst.591 Auch wenn man mit einer engen Verbindung der Gestaltungswirkung zum materiellen Recht argumentieren wollte, spricht dies nicht zwangsläufig gegen ihre verfahrensrechtliche Anerkennung, da diese Wirkung nun einmal, wie gesehen, gerade dem prozessualen Akt, dem Gestaltungsurteil bzw. -beschluss anhaftet.592 Die vom herrschenden scheidungsrechtlichen Entscheidungsbegriff vorgesehene Anerkennung konstitutiver Hoheitsakte stellt sich folglich als unproblematisch dar, da mit der herrschenden Meinung im Anerkennungsrecht zu Recht ganz allgemein sultierenden Vorrang des IZVR vor dem IPR hingegen Neuhaus, Grundbegriffe, § 58 III, S. 438; ähnlich krit. Hoyer, JBl. 104 (1982), 634 (642). 586 Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 17; Kropholler, IPR, § 60 V 2 e), S. 681 f.; Schack, IZVR, Rn. 927. Teilweise wurde bzw. wird § 328 I Nr. 3 ZPO a. F. auch genutzt, um die Theorie der prozessualen Anerkennung zu stützen, indem nämlich darauf hingewiesen wurde, dass das dortige Anerkennungshindernis mit seinem Verweis auf u. a. Art. 17 EGBGB andernfalls sinnentleert (gewesen) wäre, wenn die Gestaltungswirkung gerade nicht § 328 ZPO unterfiele; so eingehend Müller, ZZP 79 (1966), 199 (218 f., 221 f.); noch Wieczorek/Schütze/Schütze, § 328 ZPO Rn. 6. 587 Nachdrücklich Müller, ZZP 79 (1966), 199 (221); vgl. auch Martiny, IZVR III/1, Rn. 411. 588 Nachdrücklich krit. Müller, ZZP 79 (1966), 199 (221); noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 411, 406. 589 Näher zur Anerkennungsfähigkeit der materiellen Rechtskraft unten unter § 4 C.II.2.b) bb). 590 Siehe das ausführliche und kritische Beispiel bei Müller, ZZP 79 (1966), 199 (221 f.) („absurde[s] Ergebnis“); noch Basedow, Anerkennung, S. 56 (Dabei auch den umgekehrten Fall kritisch betrachtend, das „Monstrum einer wirksamen Ehescheidung, die aber jeder Ehegatte vor Gericht wieder anzweifeln kann.“). 591 Diese wollen es über eine kollisionsrechtliche Relativierung der Rechtskraft lösen, also eine (erneute) Scheidung im Inland unter Anwendung der hier geltenden lex causae; Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken, S. 206 f.; noch weitergehend, nämlich die lex causae sogar darüber entscheiden lassend, ob dem „ausländischen Scheidungsurteil materielle Rechtskraft zukommt“, Reinl, Anerkennung, S. 120; siehe näher zur Kritik an diesem Ansatz Martiny, IZVR III/1, Rn. 411, mit eingehender (abl.) Auseinandersetzung mit der Lehre der kollisionsrechtlichen Theorie der Rechtskraft, Rn. 388 ff. Das Auseinanderfallen von Gestaltungswirkung und materieller Rechtskraft hingegen nicht als problematisch ansehend und beides klar trennend Süß, in: FG Rosenberg, S. 229 (256 ff.). 592 Vgl. die Kritik an der lex causae-Theorie bei Müller, ZZP 79 (1966), 199 (218).
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eine verfahrensrechtliche Anerkennung der Gestaltungswirkung vorzunehmen ist. Ist eine ausländische Scheidung gemäß § 109 FamFG verfahrensrechtlich anzuerkennen, ist somit die Ehe auch im Inland als aufgelöst anzusehen.593 Dem herrschenden Entscheidungsbegriff mangelt es folglich, mit Blick auf die Gestaltungswirkung hoheitlicher Scheidungen, nicht an dogmatisch-methodisch konsequenter Umsetzung der verfahrensrechtlichen Anerkennung.594 An dieser Stelle ist schließlich zu beachten, dass nach dem herrschenden Entscheidungsbegriff grundsätzlich auch behördliche Scheidungen anerkennungsfähig sind, die oben angesprochenen Scheidungen durch Verwaltungsakt.595 Aus der Perspektive des deutschen öffentlichen Rechts werden sog. privatrechtsalleingestaltende Verwaltungsakte596 bzw. „isolierte[ ] Hoheitsakte“597 dadurch charakterisiert, dass sie die „Rechtsänderung aufgrund ihres Regelungsinhalts, ihres Tenors bewirken“.598 Als solche Akte ließen sich aus deutscher Perspektive konstitutive Behördenscheidungen einstufen. Jedenfalls verdeutlichen diese Ausführungen, dass die verfahrensrechtliche Anerkennung bei behördlichen Scheidungen aus deutscher dogmatisch-methodischer Sicht ebenfalls bedeutet, die behördlich erzeugte Gestaltungswirkung anzuerkennen. d) Schwächen des Konstitutivkriteriums unter funktional-teleologischen Qualifikationsgesichtspunkten aa) Unzulänglichkeit unter dem Blickwinkel des Nachprüfungsverzichts im Anerkennungsrecht (1) (Vertrauens-)Ausgangsüberlegung Einige Vertreter des in Scheidungsfällen herrschenden Entscheidungsbegriffs begründen das Abstellen auf einen konstitutiven Hoheitsakt auch damit, dass bei einer hoheitlichen Scheidung eine hoheitliche Überprüfung stattgefunden habe,599
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Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 184. Vgl. i. E. die Bewertung bei Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745) („akademisch, wenn auch folgerichtig“); noch Dutta, FF 2018, 60 (64) („vielleicht allzu deutsch-dogmatische Unterscheidung“). 595 Siehe oben unter § 4 C.I.1.a) sowie § 4 B.I.1. (siehe dort m. w. N.; abw. – nicht über § 328 ZPO anerkennend – insbesondere Gärtner, Privatscheidung, S. 179 ff., 183 f.). 596 Grundlegend Bengel, Verwaltungsakt, S. 119; ebenso Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 285. 597 Westermann, in: FS Michaelis, S. 337 (340) (als Unterfall der dort sog. „konstitutiven Hoheitsakte“). 598 Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 285; siehe noch Westermann, in: FS Michaelis, S. 337 (339 f.) (der „isolierte[ ] Hoheitsakt“ als ein solcher, der „ohne weitere Tatbestandteile wirkt“, bei dem „der Staat allein […] die Rechtsfolge setzt“). 599 Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 342. 594
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der vertraut werden könne.600 Auch außerhalb des hier untersuchten Meinungsstands nennen mehrere Stimmen im Schrifttum die Prüfungstätigkeit des Gerichts als allgemeines Merkmal für die Anerkennungsfähigkeit einer Entscheidung,601 wofür sie sich teilweise gerade auf ein Urteil des Reichsgerichts zur Ehescheidung602 beziehen.603 Für die Nichtanerkennung von Privatscheidungen stößt man im Schrifttum teilweise noch auf das Argument, der „Schwerpunkt“ liege bei fehlender konstitutiver Tätigkeit des Gerichts „eindeutig auf dem privaten Rechtsgeschäft“.604 Eine „schwerpunktmäßige Betrachtung“ findet sich bisweilen ganz generell bei § 109 FamFG wieder, anhand dessen seien anerkennungsfähige Entscheidungen von nicht anerkennungsfähigen Rechtsgeschäften abzugrenzen.605 Interessant ist in diesem Kontext schließlich noch der neuere, oben erwähnte Vorlagebeschluss des BGH, der in Abgrenzung zu Privatscheidungen von der „Gewähr für einen Schutz des ,schwächeren‘ Ehegatten vor Nachteilen im Zusammenhang mit der Ehescheidung“ spricht.606 Dabei ist wiederum zu beachten, dass dieser BGH-Beschluss nur im Rahmen des Art. 21 Brüssel IIa-VO auf das deutsche Verständnis vom Privatscheidungsbegriff eingeht und seine Aussagekraft für die vorliegende Untersuchung begrenzt ist.607 Dennoch wäre zu überlegen, ob sich der herrschende Entscheidungsbegriff, den der BGH regelmäßig vertritt,608 auch auf eine solche Schutzgewährargumentation stützen ließe.
600 Zu § 328 ZPO Gärtner, Privatscheidung, S. 172 f.; vgl. noch MüKo-BGB7/W. v. Mohrenfels, Anh. Art. 17a EGBGB Rn. 112 („Richtigkeitsgewähr“). 601 Siehe MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 10 (als Mindestmerkmal die „Beurteilung einer materiellen Rechtslage“ aufzählend); Geimer, IZPR, Rn. 2860 ff.; mit Fokus auf Scheidungen, aber im allg. Kontext Martiny, IZVR III/1, Rn. 469 f.; noch – in Abgrenzung zu Registerakten – hervorhebend Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 108 Rn. 2 („Erkenntnisakt“); ebenso (u. a.) darauf Bezug nehmend noch OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16, BeckRS 2017, 155899 (dort Rn. 45 f.) (Vorinstanz zu BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 530/ 17, NJW 2019, 1605). 602 RG, Urt. v. 22. 4. 1932 – VII 215/31, RGZ 136, 142 (147): „[…] Entscheidung einer richterlichen Behörde […], die auf Grund einer Prüfung des ihr unterbreiteten Sachverhalts in der Weise ergeht, daß die Behörde für den Ausspruch der Scheidung die Verantwortung übernimmt“. 603 Geimer, IZPR, Rn. 2860; Martiny, IZVR III/1, Rn. 469. 604 So Gärtner, Privatscheidung, S. 179; ähnlich abschwächend formulierend Martiny, IZVR III/1, Rn. 1743 („lediglich ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal“). 605 Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624). 606 So – in der Vorlage an den EuGH zur Brüssel IIa-VO, aber im Anschluss an Ausführungen zum deutschen Verständnis – BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 607 Denn dort ist zunächst von einer „konstitutive[n] Entscheidung“, anschließend aber von einer „konstitutve[n] Mitwirkung“ und „Kontrollfunktion“ die Rede (BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32 f.); siehe zur fraglichen Bedeutung des BGH-Beschlusses näher oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(2)(b). 608 Siehe die Nachw. zur Rspr. oben unter § 4 C.I.1.a).
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Um sich mit den vorstehenden Argumentationen auseinanderzusetzen, ist zunächst der schon zuvor angesprochene Nachprüfungsverzicht im Anerkennungsrecht genauer zu beleuchten. Früher sah das Gesetz in § 328 I Nr. 3 ZPO a. F., wie zuvor erwähnt, eine besondere Anerkennungsvoraussetzung vor, nach welcher zu beachten war, ob das anzuerkennende Urteil nicht „zum Nachtheil einer deutschen Partei“ von der sich aus den dort aufgelisteten Kollisionsregeln (u. a. Art. 17 EGBGB a. F.) ergebenden lex causae abwich.609 Die Regelung wurde 1986 gestrichen.610 Es ist heutzutage allgemein anerkannt, dass die verfahrensrechtliche Anerkennung unabhängig von den Regeln des internationalen Privatrechts und somit ohne Rücksicht auf das nach den dortigen Kollisionsregeln anwendbare Recht erfolgt.611 Außerdem enthält § 109 V FamFG die unmissverständliche Aussage, dass die „Gesetzmäßigkeit der ausländischen Entscheidung nicht zu überprüfen ist“. Dieses sog. Verbot einer révision au fond manifestiert zugleich den einleitend erwähnten Grundsatz, dass auch die Anwendung einer – aus deutscher Sicht – „falschen“ lex causae die Anerkennung nicht hindert.612 Es lässt sich vielmehr feststellen, dass die Anerkennung dazu führt, die Entscheidung aus dem Erlassstaat, die anhand des dort für anwendbar erklärten Rechts erfolgte, zu akzeptieren.613 Diese – im Vergleich zur Wirksamkeitsprüfung auf Ebene des internationalen Privatrechts – „großzügige“ verfahrensrechtliche Anerkennung614 lässt sich im Kern darauf zurückführen, dass
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Siehe näher zu § 328 I Nr. 3 ZPO a. F. nur Martiny, IZVR III/1, Rn. 123, 896 f.; siehe dazu schon im Zusammenhang mit der zuvor erörterten Ablehnung der sog. lex causaeTheorien bei der Gestaltungswirkung. 610 Siehe hierzu die Änderung des § 328 ZPO durch Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts v. 25. 7. 1986, BGBl. 1986 I, S. 1142. 611 MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 124 (mit Hinweis darauf, dass für besonders „[w]illkürliche“ Kollisionsregeln noch der ordre public-Vorbehalt zur Verfügung steht); Staudinger/ Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 5 ff. („kollisionsrechtliche[s] Desinteresse“, Rn. 7); Stein/ Jonas/Roth, § 328 Rn. 7; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 239; Geimer, IZPR, Rn. 41a ff. („keine kollisionsrechtliche Relativität“), Rn. 44; Kropholler, IPR, § 60 IV 7, S. 676; vgl. schon die Gesetzesbegründung zur Aufhebung des § 328 I Nr. 3 ZPO BT-Drs. 10/504, S. 88 („Kollisionsrecht bei der Anerkennung fremder Entscheidungen zu sehr in den Vordergrund [ge]stellt“); bereits vor Änderung des § 328 I Nr. 3 ZPO a. F. gegen eine „[k]ollisionsrechtliche Relativität“ außerhalb der dort vorgeschriebenen Prüfungsfälle Martiny, IZVR III/1, Rn. 385; diese fehlende Kontrolle krit. sehend Wengler, in: IPR, S. 436 (441 f.) (Bevorzugung internationaler Verhältnisse, da etwa eine wirksame Scheidung leichter zu erreichen). 612 Siehe hierzu schon einleitend oben unter § 1 B.; näher etwa BeckOK-FamFG/Sieghörtner, § 109 Rn. 49; MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 10; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 290. 613 Vgl. auch Kegel/Schurig, IPR, § 20 VII 3 c), S. 872 (Anerkennung als Hinnehmen); Martiny, IZVR III/1, Rn. 125 (Anerkennung bedeutet, „den ausländischen Akt zu respektieren“). 614 Von einer „großzügige[n] Anerkennungspraxis“ sprechend etwa Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); anders hingegen die (ältere) Einschätzung bei Schwarz, Anerkennung, S. 12 (Anerkennung ausländischer Urteile wegen der Voraussetzungen des § 328 ZPO (a. F.) als „eingeschränkt[er]“ bewertend als kollisionsrechtliche Verweisungen).
146
§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
den Gerichten bzw. Behörden615, die beim Erlass der ausländischen Entscheidung tätig gewordenen sind, Vertrauen zugestanden wird.616 Da diese Stellen, so der Grundgedanke, die Sache im Erlassstaat bereits beurteilt haben, bedarf es keiner Nachprüfung im Anerkennungsstaat mehr.617 Die angeführte Argumentation der Vertreter des scheidungsrechtlichen Entscheidungsbegriffs ist insofern zunächst schlüssig und scheint sich (teleologisch) in das Anerkennungsregime einzufügen. (2) Zu enge Begrenzung auf die Konstitutivität In den letzten Jahren mehren sich jedoch kritische Stimmen an der vorstehenden Argumentation, die darauf verweisen, dass selbst bei gerichtlichen Scheidungen letztendlich zunehmend der Scheidungswille im Fokus stehe.618 Viele zweifeln daran, es unter einem solchen Blickwinkel als gerechtfertigt anzusehen, allein konstitutive Hoheitsakte verfahrensrechtlich anzuerkennen, also insbesondere ohne Nachprüfung, und demgegenüber jegliche Privatscheidungen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.619 Einzelne betonen dabei, letztere Scheidungen seien „bei funktionaler Betrachtung“ mit einer gerichtlichen Scheidung gleichzusetzen,620 oder stellen schlicht die Funktion des Richters in Frage.621 Ein Blick in die oben untersuchten Scheidungsrechte zeigt, dass die Rolle der gerichtlichen Überprüfung bei einvernehmlichen Scheidungen aus praktischer Sicht begrenzt ist, wie die genannten kritischen Stimmen hervorheben: Für das deutsche Recht lässt sich insbesondere mit Blick auf die unwiderlegbare Scheiternsvermutung 615
Siehe zur Einbeziehung von Behörden in die verfahrensrechtliche Anerkennung oben unter § 4 B.II. 616 Siehe schon Martiny, IZVR III/1, Rn. 120; Hepting, StAZ 1986, 305 (306) (bezüglich Adoptionen); ebenso allg. näher Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); ders., FamRZ 2006, 744 (752); ebenso Klinck, FamRZ 2009, 741 (744); siehe noch Benicke, Adoptionsrecht, S. 188; Gärtner, Privatscheidung, S. 172; Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 321 (440). 617 Schon Hepting, StAZ 1986, 305 (306) (bezüglich Adoptionen); ebenso allg. Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); ders., FamRZ 2006, 744 (752); ebenso Klinck, FamRZ 2009, 741 (744) („Vertrauen in inhaltliche Richtigkeit“ – jedoch nicht nur die Sachprüfung, sondern auch ein „geordnetes Verfahren“ erwähnend). 618 Siehe insbesondere die eingehende Kritik bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (348); Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (756); noch Antomo, StAZ 2019, 33 (34); dies., NZFam 2018, 243 (246); Mayer, StAZ 2018, 106 (111). 619 Siehe wiederum die ausführliche und vehemente Kritik bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (348); speziell zum deutschen Scheidungsrecht ders., in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (440 f.); mit Blick auf andere Scheidungsrechte Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (756); ders., JbItalR 28 (2015), 3 (14); zustimmend Dutta, FF 2018, 60 (63) („immer formalistischer[ ] und damit willkürlicher[ ]“); noch Antomo, StAZ 2019, 33 (34); dies., NZFam 2018, 243 (246); speziell für europäische Scheidungen Mayer, StAZ 2018, 106 (111). 620 Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (350); ders., in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (432). 621 Siehe zu Letzterem Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (754).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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im Falle eines Einvernehmens und einjähriger Trennung (§ 1565 S. 1 i. V. m. § 1566 I BGB) feststellen, dass vor allem der Scheidungswille der Eheleute von Bedeutung ist.622 Praktisch findet nur eine begrenzte Kontrolle des Trennungsjahrs statt und der gemeinsame Scheidungswille ist letztendlich das ausschlaggebende Element.623 „[F]aktisch“ ist eine „reine Konsensualscheidung“ gegeben.624 Gerade die genannten kritischen Stimmen im Anerkennungsrecht sprechen, und zwar nicht nur bezüglich einvernehmlichen Handelns, von einer „Entmaterialisierung des Scheidungsrechts“625 bzw. bei der gerichtlichen Überprüfung von einer häufig „reine[n] Formalie“.626 In ähnlicher Weise sind die Voraussetzungen für die gerichtliche Scheidung im österreichischen Recht geregelt (§ 46 i. V. m. § 55a österr. EheG).627 Die Bindungswirkung des dortigen Zugeständnisses der Eheleute, dass die Ehe zerrüttet ist, ist zwar theoretisch umstritten, praktisch findet aber eine Kontrolle kaum statt;628 auch die Scheidungsfolgenvereinbarung wird nicht in inhaltlich umfassender Weise geprüft, sondern es erfolgt lediglich eine Kontrolle im Hinblick auf „offenkundige Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit“.629 Gerade Vertreter der obigen Kritik zeigen entsprechend geringe Bedeutungen der Kontrolle bei weiteren hoheitlichen, namentlich gerichtlichen Scheidungen auf.630
622
Näher dazu Dutta, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 31 (40 ff.). MüKo-BGB/Weber, Vor § 1564 Rn. 18 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 24 Rn. 13, 23; nachdrücklich Coester-Waltjen/Coester, in: FS Canaris, S. 659 (674 f.); siehe noch Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1564 – 1568 Rn. 15, § 1566 Rn. 9, 11; Dutta, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 31 (41 ff.); Heiderhoff, NZFam 2018, 533 (540); dies., StAZ 2011, 262 (266). 624 Schwenzer, in: FS Henrich, S. 533 (540); siehe nachdrücklich auch Coester-Waltjen/ Coester, in: FS Canaris, S. 659 (675); noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 24 Rn. 13, 23; Dutta, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 31 (42) („[n]eben […] offene[r] einverständliche[r] Scheidung […] noch Raum für verdeckte Konventionalscheidungen“); mit Blick nicht nur einvernehmliches Handeln noch Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (433) („Lossagung“ mit „Kündigungsfrist“); ähnlich Antomo, NZFam 2018, 243 (246) („Wer sich scheiden lassen will, kommt nahezu immer zum Ziel“.); vgl. Basedow, Anerkennung, S. 13 (§§ 1566 II, 1568 II BGB a. F.: „[…] Ehepartner sogar in Härtefällen nach fünfjähriger Trennung praktisch zu verstoßen“). 625 Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431; noch Antomo, NZFam 2018, 243 (246). 626 Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431 f.; im Kontext speziell des europäischen Entscheidungsbegriffs noch Mayer, StAZ 2018, 106 (111). 627 Siehe zu den Normen Schwimann/Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 46 EheG Rn. 1 f., § 55a EheG Rn. 1, 3; zur Erleichterung der Scheidung bei Einvernehmlichkeit im österreichischen Recht Ferrari, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 57 (62 f.). 628 Siehe Ferrari, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 57 (71) m. w. N.; noch Schwimann/ Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 55a EheG Rn. 4. 629 Siehe Süß/Ring/Ferrari/Koch-Hipp, Eherecht, Österreich Rn. 113; noch Schwimann/ Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 55a EheG Rn. 19 („im Rahmen einer Mindestkontrolle“). 630 Für Schweden und England (und die Scheidung durch den portugiesischen Standesbeamten) Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (754 ff.); für England und Wales Mayer, StAZ 2018, 106 (111). 623
148
§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Allerdings ist, wie der BGH zu Recht erwähnt, die Frage, „[i]nwieweit Gerichte und Behörden ihre […] Kontrollfunktion in der Praxis dann regelmäßig ausüben […] eine rechtstatsächliche Frage, die über die rechtliche Einordnung als Privatscheidung nichts besagt“.631 Somit stellt sich die Frage, ob eine nur praktisch nicht wahrgenommene Kontrolltätigkeit tatsächlich für den Entscheidungsbegriff relevant ist632 und eine entsprechende Kritik am herrschenden Entscheidungsbegriff rechtfertigt. Die richterliche Kontrolle lässt sich aus deutscher Perspektive, wie bei der obigen Untersuchung des Konstitutivmerkmals erwähnt,633 gerade als einer der Gründe anführen, warum in bestimmten Fällen anstelle eines Privatakts der Erlass eines Gestaltungsurteils erforderlich ist.634 Auch das deutsche Scheidungsrecht ist zumindest aus gesetzlicher Sicht so konzipiert, dass es auf eine Überprüfung der Scheidungsvoraussetzungen abzielt.635 Wenn Vertreter der vorstehenden, scheidungsspezifischen Kritik am herrschenden Entscheidungsbegriff die praktische Rolle des deutschen Gerichts der „unbefangene[n] Lektüre des Gesetzestextes“ gegenüberstellen,636 sehen sie offenbar ebenfalls, dass wenigstens eine andere Situation vorgesehen ist. Da sich mithin zumindest aus deutscher gesetzlicher Sicht bei Gestaltungsurteilen und Scheidungsbeschlüssen von einer kontrollierenden Funktion sprechen lässt, lässt sich die herrschende Meinung aus diesem Blickwinkel also nicht widerlegen. Die vorstehend angeführte Kritik am herrschenden Entscheidungsbegriff schwächt mit ihrem Blick auf die Praxis die Argumentation der herrschenden Meinung daher lediglich ab. Selbst bei der gerichtlichen Scheidung im spanischen Recht, bei der im deutschen Schrifttum wegen des bloßen Scheidungswillens als 631
BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). Vgl. im weiteren Sinne zum Adoptionsrecht – allerdings zum dort vertretenen kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff (Erfassung kontrollierter Vertragsadoptionen) – MüKoBGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21 („eine doch vorgeschriebene Prüfung versäumt [zu] haben, ändert […] nichts an der Qualität als Gerichtsentscheidung“). 633 Siehe oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). 634 Siehe wiederum Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 40 f.; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 84; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 30; Dölle, in: FS Bötticher, S. 93 (95); eingehend zu dieser kontrollierenden Rolle bei Gestaltungsurteilen insbesondere wiederum Bötticher, in: FG Rosenberg, S. 73 (82 f.) („Hauptaufgabe“); vgl. noch Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 68. 635 Nachdrücklich – und dabei nicht nur von einer „bloße[n] Ordnungsvorschrift“ ausgehend – Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 5; noch BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (276); MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 3 („Schutzfunktion“). Siehe zur verfassungsrechtlich (Art. 6 I GG) gebotenen Überprüfung der Scheidungsvoraussetzungen BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 136/78 u. a., BVerfGE 53, 224 (248 f., noch 246 f.); BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 32 f. (wenngleich für die „Prüfung des Scheiterns“ zumindest in Frage stellend, ob es tatsächlich eine gerichtliche Prüfung sein muss – als mögliches Argument jedoch immerhin die „Seriosität“ anführend, Rn. 34). Ein Kontrollverständnis gilt auch bei Annehmen einer bloßen „Ordnungsvorschrift“ und nicht „Schutznorm“; siehe Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 1 ff., der bezüglich Ersterer von einer „Feststellung des Vorliegens der materiellrechtlichen Scheidungstatbestände und Rechtsklarheit“ spricht, Rn. 1. 636 Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (432); noch Mayer, StAZ 2018, 106 (111). 632
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Scheidungsgrund637 das Fehlen „materielle[r] Scheidungsvoraussetzungen“ hervorgehoben wird,638 ist grundsätzlich zumindest eine Vereinbarung hinsichtlich der Scheidungsfolgen erforderlich.639 Diese wird mit Blick auf eine etwaige Nachteilhaftigkeit bzw. Schädlichkeit für Eheleute oder Kinder einer Kontrolle unterzogen.640 Andernfalls entscheidet der Richter.641 Warum es dennoch gerechtfertigt sein könnte, nicht allein konstitutive Hoheitsakte, sondern gegebenenfalls gar Privatscheidungen anzuerkennen, belegt ein Blick auf das Schrifttum zu internationalen Leihmutterschafts- und Adoptionsfällen. Einzelne Stimmen, die für die Anwendung der verfahrensrechtlichen Anerkennung plädieren, wenn eine bewilligte Leihmutterschaftsvereinbarung zur Debatte steht, heben hervor, dass entscheidend sei, ob ein Gericht oder eine Behörde die Voraussetzungen überprüft hat.642 Gerade in Adoptionsfällen stellen einzelne Stimmen, um kontrollierte, als Entscheidung anerkennungsfähige Vertragsadoptionen643 von nicht anerkennungsfähigen Vertragsadoptionen abzugrenzen, auf die gerichtliche oder behördliche „Verantwortung“ für die Adoption ab644 bzw. auf ein Überwiegen des „prozeßrechtliche[n] Element[s]“ im Falle einer Überprüfung.645 Tatsächlich wird das eigentliche Problem der Vertrauens- oder Kontrollargumentation, auf die sich Vertreter des herrschenden Entscheidungsbegriffs in Scheidungsfällen stützen, sichtbar, wenn man – wie oben zum Kontrollmaßstab als untaugliches Definiti637
Hierzu Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (121). Siehe im Rahmen der Kritik am herrschenden Entscheidungsbegriff zum fehlenden ordre public-Verstoß einer solchen Scheidung Antomo, NZFam 2018, 243 (248); auf den fehlenden ordre public-Verstoß hinweisend ebenfalls Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (342 f.). 639 Siehe Artt. 86 i. V. m. 81 Nr. 1 S. 2 span. Código civil. Siehe dazu, dass dies „Prozessvoraussetzung“ bzw. „Scheidungsvoraussetzung“ und „,Dreh- und Angelpunkt‘ des Scheidungsverfahrens“ ist, Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 97 („[u]nerlässliche Voraussetzung für die Einleitung“) – mit Hinweis darauf, dass es andernfalls „nicht zur Scheidung [kommt]“, der Richter aber „[m]angels Vorlage […] die entsprechende Entscheidung [trifft]“ – bzw. Rn. 75. 640 Art. 90 Nr. 2 Abs. I span. Código Civil; siehe die Übersetzung des span. Código Civil bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51; Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (130) („auch eine Inhaltskontrolle“). 641 Siehe unter Hinweis auf Artt. 91 bzw. 103 span. Código Civil Süß/Ring/Huzel, Eherecht, Spanien Rn. 97, 66, 80; noch Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 37, mit Übersetzung der zuvor genannten Vorschriften, S. 51 ff. 642 Nachdrücklich Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (67 f.); vor allem die „inhaltliche Prüfung“ hervorhebend noch MüKo-BGB7/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 69; ebenso – aber explizit nur gerichtliche Mitwirkungsakte erwähnend und eine Überprüfung „in einem formalen Verfahren“ mit Verweigerungskompetenz fordernd – Benicke, StAZ 2013, 101 (105); zum umstr. Umgang mit bewilligten Leihmutterschaftsvereinbarungen m. w. N. oben unter § 4 C.I.2.b)ee)(1). 643 Zum Meinungsstand m. w. N. oben unter § 4 C.I.2.a)dd). 644 MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90. 645 Siehe zu Letzterem Henrich, IPRax 1983, 194. 638
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onsmerkmal für den Begriff des konstitutiven Hoheitsakts646 – einen Blick auf die umgekehrte Situation wirft: Auch bei einem privaten Gestaltungsakt, einem Vertrag, kann eine gerichtliche oder behördliche Überprüfung eine wichtige Rolle spielen. Diese fehlende Korrelation von Überprüfung bzw. Schwerpunkt und konstitutiver Natur zeigt insbesondere wiederum das frühere Adoptionssystem des deutschen Rechts. Dieses sah, wie erwähnt, einen Vertrag als Grundlage für die Adoption vor, der (gegebenenfalls) gerichtlich genehmigt und sodann gerichtlich bestätigt werden musste.647 Es kam also trotz vertraglicher Ausgestaltung durchaus zu einer umfassenden Kontrolle.648 Gerade auch im Falle der hier untersuchten Privatscheidungen ausländischer Rechtsordnungen ist vielfach, wie gerade die obige Untersuchung des Konstitutivmerkmals bzw. die dortigen Einordnungen als Privatscheidung zeigen, ein kontrollierender Mitwirkungsakt an der Privatscheidung gegeben.649 Im Ergebnis ist es daher unter dem Blickwinkel der Überprüfung bzw. des Vertrauens und Nachprüfungsverzichts, den die zuvor zitierten Vertreter des herrschenden scheidungsrechtlichen Entscheidungsbegriffs anführen, nicht überzeugend, ausschließlich konstitutive Hoheitsakte anzuerkennen. Entsprechend kann es auch nicht überzeugen, wenn man sich für die Anerkennung allein konstitutiver Hoheitsakte auf die ebenfalls zuvor erwähnte Schwerpunkt- oder dort angesprochene, etwaige Schutzgewährargumentation stützt. bb) Gefahr hinkender Rechtsverhältnisse (1) Sinn- und zweckbezogener Kritikpunkt Die Kritik an der herrschenden Meinung bzw. die Forderung, eine weitergehendere Anerkennung von Privatscheidungen vorzunehmen, begründen die jeweiligen Verfechter im Schrifttum insbesondere auch damit, dass andernfalls hinkende Rechtsverhältnisse drohten.650 Eine ausländische Entscheidung nach den oben dargelegten Grundsätzen liberal651 anzuerkennen, d. h. insbesondere ohne umfangreiche 646
Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). Siehe wiederum BT-Drs. 7/3061, S. 24, 41; eingehend etwa Bosch, FamRZ 1984, 829 (834 ff.); siehe den vergleichenden Überblick bei MüKo-BGB7/Maurer, Vor §§ 1741 ff. Rn. 18; siehe noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 4. 648 Siehe wiederum (auch historisch) zur gerichtlichen Kontrolle im deutschen Vertragssystem Bosch, FamRZ 1984, 829 (830 ff., 837); noch BT-Drs. 7/3061, S. 24. 649 Siehe etwa die Scheidung nach brasilianischem Recht oder nach dem Recht der Republik Korea (Südkorea) oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(e) bzw. § 4 C.II.1.b)bb)(4)(h). 650 So die nachdrückliche Kritik und der Vorschlag erweiterter Regeln de lege ferenda bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (348 f.); schon ders., in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (440); aus diesem Grund für einen weiteren Entscheidungsbegriff bei § 109 FamFG Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745 f.); vorsichtig für einen extensiven Entscheidungsbegriff BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 34, 31 (insbesondere mit Blick auf eine möglicherweise problematische Nichtanerkennung in der EU, Rn. 32); vgl. noch die Kritik an Art. 17 II EGBGB n. F. bei Antomo, StAZ 2019, 33 (34). 651 Von „sehr liberal“ sprechend Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624). 647
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Nachprüfung hinzunehmen,652 soll vor allem den internationalen Entscheidungseinklang fördern.653 Auch unter diesem Gesichtspunkt lässt sich also das bei den dortigen Grundsätzen ebenfalls erwähnte Verbot der sog. révision au fond erklären.654 So sollen sog. hinkende Rechtsverhältnisse vermieden werden, die aufgrund einer anderen Beurteilung entstehen könnten.655 Diese wären dem Interesse, den internationalen Rechtsverkehr zu erleichtern, abträglich.656 Hinkende Rechtsverhältnisse sind wegen der umfassenden Bedeutung insbesondere kritisch zu beurteilen, wenn es um den (familienrechtlichen) Status geht,657 bzw. gerade bei Gestaltungen wie der Scheidung.658 Vor allem eine hinkende Ehe gilt als „das Schreckgespenst des internationalen Privatrechts“.659 Die dargestellten Interessen lassen sich aber nicht nur aus objektiver Sicht erklären, sie spiegeln auch die Interessen der Beteiligten wider. Gerade diese sind selbstverständlich daran interessiert, dass die im Ausland erlangte Entscheidung auch im Inland ihre Wirkungen entfalten kann, und zwar vor allem wiederum im Falle von Statusentscheidungen; sie haben ein besonderes Interesse an Statusklarheit und gleichsam Rechtssicherheit.660 (2) (Aktuelle) Entstehung sog. hinkender Scheidungen Zu untersuchen bleibt, ob sog. hinkende Scheidungen661 tatsächlich in starkem Maße zu befürchten sind, wenn man dem herrschenden Entscheidungsbegriff des konstitutiven Hoheitsakts folgt. Die obige Untersuchung hat ergeben, dass zahlreiche 652 Von einem Hinnehmen sprechend Kegel/Schurig, IPR, § 20 VII 3 c), S. 872; siehe näher oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1) sowie schon einleitend unter § 1 B. 653 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (358, Rn. 29); Musielak/ Borth/Borth/Grandel, § 108 Rn. 1; Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 3; Geimer, IZPR, Rn. 61; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.5; Martiny, IZVR III/1, Rn. 104 ff.; Schack, IZVR, Rn. 937 (daneben auf das „Ordnungsinteresse“ hinweisend). 654 Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 4 f. 655 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (358, Rn. 29); Musielak/ Borth/Borth/Grandel, § 108 Rn. 1; Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 3; Staudinger/ Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 122; Geimer, Anerkennung, S. 3; Geimer, IZPR, Rn. 62; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.5; Martiny, IZVR III/1, Rn. 104 ff. 656 Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 3 („empfindlichste Störung des internationalen Rechtsverkehrs“); eingehend zum allg. Interesse der Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs im Anerkennungsrecht Geimer, Anerkennung, S. 2 f.; Martiny, IZVR III/1, Rn. 101 ff.; vgl. noch Schack, IZVR, Rn. 938 (zur Erleichterung des internationalen Handelsverkehrs). 657 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (358, Rn. 29) („Personenstand“); Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1621). 658 Dies hervorhebend Geimer, Anerkennung, S. 3; Geimer, IZPR, Rn. 62. 659 So Müller, ZZP 79 (1966), 199 (239); ebenfalls die sog. hinkende Ehe als Problemfall hervorhebend Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1621). Siehe näher zum Begriff und Vorkommen hinkender Ehen Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 259 f. 660 Martiny, IZVR III/1, Rn. 77. 661 Vgl. zu diesem Begriff (obgleich in einem anderen Kontext) Müller, ZZP 79 (1966), 199 (240).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Rechtsordnungen einvernehmliche Privatscheidungen enthalten.662 Diese Scheidungen können nach herrschender Meinung mangels konstitutiven Hoheitsakts also gerade nicht verfahrensrechtlich anerkannt werden, sodass nur eine Wirksamkeitsprüfung nach den Regeln des internationalen Privatrechts bliebe.663 Letzteres hätte insbesondere für den Fall, dass deutsches Scheidungsrecht greift, Konsequenzen; die herrschende Meinung geht nämlich von einer (auch) materiell-rechtlichen Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB aus, der somit einer im Ausland erfolgten Privatscheidung unter gerichtlicher oder behördlicher Mitwirkung entgegenstünde, die Scheidung wäre als unwirksam anzusehen.664 Dies veranschaulicht, wie es infolge des Entscheidungsbegriffs der herrschenden Meinung letztendlich zu den kritisierten hinkenden Scheidungen kommen kann.665 Solche Konstellationen haben einzelne Stimmen auch im Blick, um (unter Hinweis auf die andernfalls möglicherweise verletzte Freizügigkeit, Art. 21 AEUV) für ein offeneres Verständnis im autonomen Recht insbesondere in EU-Fällen zu plädieren.666 Letztere Überlegung lässt sich durch das mögliche negative Zusammenspiel beider Anerkennungsnormen erklären: Art. 21 Brüssel IIa-VO erfasst gewisse Privatscheidungen aktuell möglicherweise nicht667 und in diesen Fällen scheiterte nach herrschender Meinung notgedrungen zugleich eine Anwendung des § 109 FamFG, da es bei einer Privatscheidung gerade an einem konstitutiven Hoheitsakt fehlt.668 662 Siehe zur genauen Einordnung verschiedener Scheidungen als Privatscheidung einige der oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4) untersuchten Grenzfälle. 663 Hierzu wiederum näher bei der Darstellung dieses Entscheidungsbegriffs oben unter § 4 C.I.1.a). 664 Eingehend zu dieser Qualifikationsfrage unten unter § 5 B.II.2.a)aa)(1); siehe an dieser Stelle grundlegend BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.); noch Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 37); aus der Lit. etwa Johannsen/ Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 29a, 5; Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 61; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 116; Herfarth, Scheidung, S. 96, 100; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1744, 1748; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1258). 665 Siehe abermals die Kritik – speziell mit Blick auf § 1564 S. 1 BGB – bei Antomo, StAZ 2019, 33 (34); Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (339 i. V. m. 348). 666 BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 32, 34; siehe noch die Kritik mit Blick auf die „Personenfreizügigkeit“ bei NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 11 (die dort vorschlägt, dass Privatscheidungen „von § 107 FamFG freigestellt werden“ und eine Anerkennung möglich wäre, „wenn sie nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem sie vorgenommen wurden, wirksam sind,“ sofern sich aus der Brüssel IIa-VO eine entsprechende Zuständigkeit ergebe). 667 Siehe zur Frage der Anwendbarkeit der Brüssel IIa-VO auf Privatscheidungen infolge der einleitend dargestellten (oben unter § 1 B.), unklaren EuGH-Rspr. NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 93; Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20, § 3 Rn. 63, 122; Hepting/Dutta, Familie, Rn. III-502; Antomo, StAZ 2020, 33 (42); dies., StAZ 2019, 33 (35); Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (240); Dutta, FF 2018, 60 (63); ders., FamRZ 2020, 1217 (1218); noch Hammje, Rev. crit. DIP 2018, 899 (910) („critère flou“). Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung geht von einer nicht geklärten Interpretation aus, wie die aktuelle Vorlage an den EuGH zeigt; siehe BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 31). 668 Vgl. NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 72, 84, 92.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Vor allem in neuerer Zeit hat es in besonderem Maße Konsequenzen, wenn eine Scheidung nicht als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) angesehen wird, sondern der kollisionsrechtlichen Wirksamkeitsprüfung, und die Frage ihrer Vollziehung mit der herrschenden Meinung dem Scheidungsstatut unterworfen wird. Infolge der jetzigen Kollisionsregel (Art. 17 II EGBGB i. V. m. den modifizierten Kollisionsregeln der Rom III-VO)669 findet primär eine Anknüpfung an den (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 8 lit. a) bzw. b) Rom III-VO) statt. Ein solcher wird häufig in Deutschland zu verorten sein wird, wenn sich die Frage nach der Wirksamkeit der ausländischen Privatscheidung in Deutschland stellt. Daher dürfte es in Zukunft oftmals zur Anwendung deutschen Rechts und somit zu einer (nach herrschender Meinung) unwirksamen Scheidung kommen, wenn die Scheidung im Heimatstaat der Eheleute im Wege einer dortigen einvernehmlichen Privatscheidung erfolgte.670 Zu einem anderen Ergebnis käme man nur ausnahmsweise, nämlich bei einer (form-)wirksamen671 Rechtswahl.672 Die aktuelle Gefahr hinkender Scheidungen bei einer Privatscheidung im Heimatstaat ist umso mehr von praktischer Relevanz, als gerade Rechtsordnungen des asiatischen Rechtsraumes, die eine Privatscheidung kennen,673 ihren Staatsangehörigen eine solche Heimatstaatsscheidung ermöglichen.674 669 Hierzu wiederum etwa Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 157 ff.; Antomo, StAZ 2019, 33 (39 ff.). 670 Zu diesem aktuellen Problem etwa Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 162; Antomo, StAZ 2019, 33 (37); vor Geltung des Art. 17 II EGBGB n. F. mit Blick auf die Rom III-VO Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, 337 (340); Mayer, StAZ 2018, 106 (110 f.) (zu einer analogen Anwendung der Rom III-VO). 671 Gemäß Art. 17 II EGBGB i. V. m. Artt. 5 I lit. c), 6 f. Rom III-VO sowie Art. 7 II Rom III-VO i. V. m. Art. 46e EGBGB bzw. gemäß Art. 17 II Nr. 3 EGBGB i. V. m. Artt. 5 III, 7 Rom III-VO; siehe näher zu den Wirksamkeitsanforderungen an die Rechtswahl Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 159 f., mit Verweis auf die „Hürde“ der „Formerfordernisse“, Rn. 160; noch Antomo, StAZ 2019, 33 (39 ff.). 672 Zu dieser eingeschränkten Ausnahme – vor Geltung des Art. 17 II EGBGB n. F. – Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (340) („theoretisch denkbar“ – „dürfte in der Praxis extrem selten sein“); ähnlich noch Antomo, StAZ 2019, 33 (37 f.) (zur Aufrechterhaltung einer Rechtswahlmöglichkeit für Heimatstaatsscheidungen ohne „Anforderungen“, die „zu hoch liegen“). 673 Zur jeweiligen Einordnung verschiedener Scheidungen oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4). 674 So findet etwa nach Art. 39 i. V. m. Art. 37 Nr. 1 des IPR-Gesetzes der Republik Korea (Südkorea) (KIPRG) das gemeinsame Heimatrecht Anwendung und das Recht der Republik Korea (Südkorea) nach Art. 39 KIPRG auch, wenn einer der Ehegatten die entsprechende Staatsangehörigkeit besitzt und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; siehe die englische Übersetzung des KIPRG (i. d. F. v. 19. 1. 2016) durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“, abrufbar unter https://elaw.klri.re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=37432 &lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). Nach § 27 S. 1 i. V. m. § 25 Hs. 1 des japanischen Rechtsanwendungsgesetzes (RanwG) gilt das gemeinsame Staatsangehörigkeitsrecht; besitzt ein Ehegatte die japanische Staatsangehörigkeit und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Japan, gilt ebenfalls japanisches Recht (§ 27 S. 2 RanwG); siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 54; siehe
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Früher, vor Streichung der ursprünglichen autonomen Kollisionsregel infolge der Rom III-VO, wurde hingegen an die gemeinsame Staatsangehörigkeit angeknüpft (Art. 17 I EGBGB a. F. i. V. m. Art. 14 I Nr. 1 EGBGB a. F.675), sodass eine im Heimatstaat nach dem dortigen Recht durchgeführte einvernehmliche Scheidung nach den vorstehenden Grundsätzen zur Wirksamkeitsprüfung grundsätzlich als wirksam anzusehen war. Zu einem anderen Ergebnis gelangte man (nur), wenn ein ordre public-Verstoß über Art. 6 EGBGB zu bejahen gewesen war, was allerdings (bis heute) hauptsächlich bei einseitigen Verstoßungen und nicht bei einvernehmlichem Handeln problematisch wird.676 Privatscheidungen im Heimatstaat stellten also kein größeres Problem dar.677 (3) Folgeprobleme im Falle einer Wiederheirat Zu problematischen Folgen kann es sogar im Zusammenhang mit der Frage kommen, ob ein (vermeintlich) geschiedener Verlobter erneut eine Ehe schließen kann. Hierzu sind zunächst einige Grundsätze zu Art. 13 EGBGB darzulegen, bevor die vorliegende Problematik aufgezeigt werden kann. Die Frage nach der sog. Wiederverheiratungsfähigkeit ist eine Frage der sachlichen Eheschließungsvoraussetzungen.678 Ob die Vorehe eines Verlobten geschieden ist und dieser erneut heiraten kann, richtet sich nach vorherrschender Ansicht nach dem von Art. 13 I EGBGB berufenen Recht, wobei diese Frage unselbstständig anzuknüpfen ist, insbesondere da andernfalls Art. 13 II Nr. 3 EGBGB keinen Sinn noch Rieck/Nagata, AuslFamR, Länderbericht Japan (November 2014) Rn. 41, S. 40 i. V. m. Rn. 40, S. 39. 675 Siehe Art. 1 Nr. 7 (unter „Artikel 14“ und „Artikel 17“) des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts v. 25. 7. 1986, BGBl. 1986 I, S. 1142. 676 Siehe Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 124 (zur einverständlichen Privatscheidung); dazu, dass allgemein der bloße Umstand einer Privatscheidung nicht für einen ordre public-Verstoß genügt, etwa BayObLG, Beschl. v. 30. 11. 1981 – BReg. 1 Z 41/81, BayObLGZ 1981, 353 (356); Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 119 m. w. N. (zudem im „Gegenschluß“ zur vorgeschriebenen inländischen gerichtlichen Scheidung (Art. 17 III EGBGB) daran zweifelnd, dass bei einer privaten Auslandsscheidung ein ordre public-Verstoß gegeben sei); zu den Verstoßungen etwa BayObLG, Beschl. v. 30. 11. 1981 – BReg. 1 Z 41/81, BayObLGZ 1981, 353 (356 f.); Beschl. v. 7. 4. 1998 – 1Z BR 16/98, BayObLGZ 1998, 103 (108 f.); BeckOGK-EGBGB/Stürner (1. 8. 2021), Art. 6 Rn. 374; BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 51 f.; Keidel/Dimmler, § 109 Rn. 20; gar einen Verstoß gegen den ordre public bei einseitiger Verstoßung im Heimatstaat nach dem gemeinsamen Heimatrecht verneinend, wenn auch nach deutschem Recht (§§ 1565, 1566 BGB) eine Scheidung möglich gewesen wäre, OLG Koblenz, Beschl. v. 21. 9. 1992 – 11 VA 1/92, FamRZ 1993, 563 (564); Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 122. 677 Siehe zur früheren Rechtslage (d. h. unter Geltung des alten Kollisionsrechts) dazu, dass gemeinsame Heimatstaatsscheidungen unproblematisch sind, Krzywon, StAZ 1989, 93 (103); im Rahmen seines Vorschlags, Privatscheidungen ggf. verfahrensrechtlich anzuerkennen, Siehr, IPRax 2009, 332 (333). 678 BeckOGK-EGBGB/Rentsch (1. 6. 2020), Art. 13 Rn. 136.1; vgl. noch MüKo-BGB/ Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 74.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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ergeben würde.679 Dies lässt sich zudem dadurch rechtfertigen, dass hinkende Eheschließungen vermieden werden sollen.680 Somit entscheidet bei einer erneuten Eheschließung grundsätzlich das nach dem Heimatrecht (Art. 13 I EGBGB) maßgebliche Recht darüber, ob die Vorehe aufgelöst ist.681 Verbietet dieses eine Doppelehe (sog. Bigamieverbot), steht eine aus der Sicht dieses Rechts noch nicht aufgelöste Vorehe einer weiteren Eheschließung entgegen.682 Mithin führt auch eine in Deutschland erfolgte Scheidung der Vorehe nach der dargestellten unselbstständigen Anknüpfung nicht automatisch dazu, dass eine neue Eheschließung möglich 679
BeckOGK-EGBGB/Rentsch (1. 6. 2020), Art. 13 Rn. 134, 135 f.; MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 77; Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 121, 123, 261; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 220 ff. (m. w. N. zur entsprechenden Rspr., Rn. 220); noch Andrae, IntFamR, § 1 Rn. 54; vor Geltung des jetzigen Art. 13 II EGBGB schon BGH, Urt. v. 27. 11. 1996 – XII ZR 126/95, NJW 1997, 2114; Urt. v. 7. 4. 1976 – IV ZR 70/74, NJW 1976, 1950; Beschl. v. 12. 2. 1964 – IVAR (VZ) 39/63, BGHZ 41, 136 (145 ff.). Hingegen davon ausgehend, dass Art. 13 II EGBGB keine Aussage zur Vorfragenproblematik zu entnehmen sei, und für eine selbstständige Anknüpfung der „Vorfrage der Beseitigung der ersten Ehe“, Soergel12/Schurig, Art. 13 EGBGB Rn. 18, 58, 60. Nach der Gegenansicht ist die Frage der Scheidung der Vorehe – bei gerichtlichen bzw. behördlichen Scheidungen – allein als eine verfahrensrechtliche betrachten, sodass zu prüfen ist, ob die Scheidung in Deutschland wirksam bzw. anzuerkennen ist – ohne dies als Vorfrage anzuknüpfen und ohne auf das nach Art. 13 I EGBGB maßgebliche Recht zu achten; siehe jurisPK-BGB/Mäsch, Art. 13 EGBGB Rn. 14; ausführlich schon Müller, ZZP 79 (1966), 199 (238 ff.); in diese Richtung tendierend ebenfalls Martiny, IZVR III/1, Rn. 423; von einer selbstständigen Anknüpfung als „internationalverfahrensrechtliche Vorfrage“ ausgehend wiederum Soergel12/Schurig, Art. 13 EGBGB Rn. 61, noch Rn. 18. Bei Privatscheidungen müsste dem sodann eine selbstständige Anknüpfung der Auflösungsfrage entsprechen; so in der Tat jurisPK-BGB/Mäsch, Art. 13 EGBGB Rn. 16; Soergel12/Schurig, Art. 13 EGBGB Rn. 61. Siehe zu weiteren Nachw. aus der früheren Rspr. vor Geltung des Art. 13 II EGBGB, Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 219. Ohne Erwähnung der Problematik der Vorfrage und ihrer Anknüpfung schlicht auf Art. 17 EGBGB abstellend noch BGH, Urt. v. 9. 1. 2002 – XII ZR 58/00, BGHZ 149, 357 (359); dies als fehlendes „Problembewusstsein“ kritisierend MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 77, Fn. 271. 680 MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 77; Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 121 f., 261; noch BeckOK-BGB/Mörsdorf (1. 11. 2020), Art. 13 EGBGB Rn. 32. Auch von Vertretern der Gegenansicht wird gesehen, dass die Gefahr hinkender Ehen vergrößert wird, wenn das Heimatrecht nicht berücksichtig wird, siehe jurisPK-BGB/Mäsch, Art. 13 EGBGB Rn. 15. Siehe allg. zum Sinn und Zweck des Art. 13 II EGBGB, „unnötig ,hinkende‘ Ehen zu vermeiden“ noch Henrich, FamRZ 1986, 841 (842); mit Blick auf Art. 13 II Nr. 2 EGBGB BTDrs. 10/504, S. 53. Siehe gegen diese Argumentation als Vertreter der Gegenansicht Müller, ZZP 79 (1966), 199 (239 f.). 681 BeckOGK-EGBGB/Rentsch (1. 6. 2020), Art. 13 Rn. 136; MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 77; noch BeckOK-BGB/Mörsdorf (1. 11. 2020), Art. 13 EGBGB Rn. 32. Siehe allg. zu Art. 13 I EGBGB als Gesamtverweisung noch BGH, Beschl. v. 12. 2. 1964 – IVAR (VZ) 39/63, BGHZ 41, 136 (147); NK-BGB/Andrae, Art. 13 EGBGB Rn. 19; dies., IntFamR, § 1 Rn. 26. 682 BeckOK-BGB/Mörsdorf (1. 11. 2020), Art. 13 EGBGB Rn. 32; MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 63 i. V. m. Rn. 77. Dabei handelt es sich um ein materielles Ehehindernis; siehe BeckOK-BGB/Mörsdorf (1. 11. 2020), Art. 13 EGBGB Rn. 29, 32; MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 63; noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 593.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
ist, denn das für die Eheschließung maßgebliche Recht muss sie auch anerkennen.683 Besteht die Vorehe nach diesem Recht fort, ist die Wiederverheiratungsfähigkeit aber dennoch zu bejahen, wenn es um eine in Deutschland erlassene oder hier anerkannte, die Vorehe beseitigende Entscheidung (Art. 13 II Nr. 3 EGBGB) geht und die weiteren Voraussetzungen des Art. 13 II EGBGB vorliegen.684 Im Falle einer ausländischen gerichtlichen bzw. behördlichen Scheidung könnte zwar zunächst die verfahrensrechtliche Anerkennung zu beachten sein, die Wirksamkeit des ausländischen Scheidungsurteils sich im Inland also grundsätzlich nach (§ 107 FamFG i. V. m.) § 109 FamFG richten.685 Aber auch dann ist bei der Frage, ob die Heiratsfähigkeit wiedererlangt wurde – was von der bloßen Frage der Wirksamkeit der Scheidung zu trennen ist686 –, das nach Art. 13 I EGBGB maßgebliche Recht zu beachten und kann einer wirksamen Wiederheirat entgegenstehen; es sei denn, Art. 13 II EGBGB ist zu bejahen und es setzt sich demnach eine aus deutscher Sicht gegebene Anerkennung der Scheidung durch.687 Im Ergebnis ergibt sich aus der Existenz des Art. 13 II EGBGB jedenfalls, dass bei einer (erneuten) Eheschließung und Prüfung der Wiederverheiratungsfähigkeit grundsätzlich vorrangig die Sicht des Eheschließungs683 Siehe näher zur insofern eingeschränkten Gestaltungswirkung eines deutschen Scheidungsbeschlusses Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 117 ff.; noch MüKo-BGB/ Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 78; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 594. 684 MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 77; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A. 294; noch BeckOK-BGB/Mörsdorf (1. 11. 2020), Art. 13 EGBGB Rn. 32; so bereits zu einem Fall, der noch nicht dem Art. 13 II EGBGB unterlag, unter Hinweis auf den sog. Spanier-Beschluss des BVerfG BGH, Urteil v. 27. 11. 1996 – XII ZR 126/95, NJW 1997, 2114 f.; siehe noch OLG München, Beschl. v. 7. 2. 2011 – 31 Wx 278/10, FamRZ 2011, 1506 f.; vgl. die verschiedenen Fallkonstellationen bei Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 287 ff. 685 So MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 78; noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. A. 595; „jedenfalls auch“ die „Anerkennungsbedürftigkeit“ nach § 107 FamFG (bzw. damals Art. 7 § 1 FamRÄndG) beachtend BGH, Beschl. v. 10. 1. 2001 – XII ZR 41/00, FamRZ 2001, 991 (992); bei der Wiederheirat die verfahrensrechtliche Anerkennung hingegen von vornherein gar nicht beachtend Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 224 („auf §§ 108 und 109 FamFG, und erst recht auf § 107 FamFG kommt es nicht an“). Zum allg. Grundsatz des Vorrangs des Anerkennungsrecht näher unten unter § 4 C.II.1.d)cc). 686 BGH, Beschl. v. 12. 2. 1964 – IV AR (VZ) 39/63, BGHZ 41, 136 (149) („Ehescheidung und die Fähigkeit zur Wiederverheiratung nicht schlechthin dasselbe“); Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 119, 303; MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 78 (Beschränkung der Gestaltungswirkung „auf die Auflösung der Vorehe“ – kein „automatisch[es]“ Umfassen der „Wiederverheiratungsfähigkeit des neu Verlobten“); dem BGH insofern zustimmend Wengler, JZ 1964, 621 f. (jedoch ohnehin für eine „kollisionsrechtliche Relativität der Rechtskraft“, 622 – siehe zu dieser Ansicht noch unten unter § 4 C.II.2.b)bb)). 687 MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 78; Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 124; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 224 (der erst gar nicht die verfahrensrechtlichen Anerkennungsregeln befragt und nur bei einem nach dem Heimatrecht negativem Ergebnis auf das deutsche Recht abstellt); noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 595 i. V. m. Rn. 594 (außerhalb des Art. 13 II EGBGB keine dem Heimatrecht entgegenstehende internationale Gestaltungswirkung); abw. hingegen – und insofern ohnehin nicht der unselbstständigen Anknüpfung folgend – jurisPK-BGB/Mäsch, Art. 13 EGBGB Rn. 14 (reine Frage der verfahrensrechtlichen Anerkennung und keine Einschränkung durch Art. 13 II EGBGB).
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statuts (Art. 13 I EGBGB) zu beachten ist688 und diese Sicht in den Fällen des Art. 13 II EGBGB durch die deutsche Sicht eingeschränkt wird.689 Für die vorliegende Untersuchung von Interesse ist, nach dem zuvor zu den Privatscheidungen im Heimatstaat Gesagten, die umgekehrte Konstellation: Wie ist eine neue Eheschließung zu beurteilen, wenn die ausländische Privatscheidung (wegen des (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland und § 1564 S. 1 BGB) hier nicht als wirksam anzusehen ist,690 obwohl sie in dem Staat, dem die Geschiedenen und gegebenenfalls beide neu Verlobten angehören, wirksam durchgeführt wurde?691 Entsprechend der bei Art. 13 I EGBGB herrschenden, unselbstständigen Anknüpfung könnte es naheliegen, in dieser Konstellation eine erneute Eheschließung dennoch als wirksam zu beurteilen; d. h. es wäre wiederum zwischen der (hier nun zu bejahenden) Frage der Wiederverheiratungsfähigkeit und der (hier nun zu verneinenden) Frage der Anerkennungsfähigkeit bzw. Wirksamkeit der Privatscheidung der Vorehe zu differenzieren.692 Dieser Lösung dürfte jedoch zumindest bei einer Inlandseheschließung der interne Entscheidungseinklang entgegenstehen:693 Die Scheidung der Vorehe wäre in Bezug auf die Wiederheirat als wirksam anzusehen – als solche und im Übrigen (bei sog. Erstfragen bzw. selbstständiger Anknüpfung als 688 Siehe zum daraus resultierenden Vorrang auch Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 262; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 224 („primär“). 689 Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 261 („Anwendungsanspruch des deutschen Rechts zurück[genommen]“); ebenso BeckOGK-EGBGB/Rentsch (1. 6. 2020), Art. 13 Rn. 135.1; noch BeckOK-BGB/Mörsdorf (1. 11. 2020), Art. 13 EGBGB Rn. 32; siehe wiederum MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 78 (bezüglich der Beschränkung der Gestaltungswirkung einer verfahrensrechtlich in Deutschland anzuerkennenden Scheidung). 690 Siehe dazu näher die gerade zuvor erfolgte Untersuchung der (aktuellen) Entstehung sog. hinkender Scheidungen. 691 Vgl. wiederum zur aktuellen Problematik der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt über Art. 17 II EGBGB i. V. m. Art. 8 Rom III-VO und des Entgegenstehens von § 1564 S. 1 BGB Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 162; Antomo, StAZ 2019, 33 (37). 692 So offenbar Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 224, der die deutschen verfahrensrechtlichen Anerkennungsregeln ohnehin nur zum Zuge kommen lassen will, wenn das nach Art. 13 I EGBGB maßgebliche Recht die Wiederverheiratungsfähigkeit verneint und daher Art. 13 II EGBGB ins Spiel kommt; ebenso Süß, in: FG Rosenberg, S. 229 (252, Fn. 44) – der aber ohnehin allgemein der sog. lex causae-Theorie folgt (249 ff.), wonach die Gestaltungswirkung eines ausländischen Urteils dem Kollisionsrecht zu unterstellen sei (siehe zu dieser – abzulehnenden – Theorie oben unter § 4 C.II.1.c)) und daher für die alleinige Maßgeblichkeit des Art. 13 I EGBGB plädiert; diese Konsequenz bei der „materiellrechtliche[n] Auffassung“ sehend auch Martiny, IZVR III/1, Rn. 422 (allerdings selbst nicht der unselbstständigen Anknüpfung folgend, Rn. 423). 693 Vgl. generell zur Bedeutung des inneren Entscheidungseinklangs bei stärkerem Inlandsbezug und dem Bedeutungsverlust gegenüber dem internationalen Entscheidungseinklang bei stärkerem Auslandsbezug Andrae, IntFamR, § 1 Rn. 50; vgl. noch zur ausschließlichen Rechtfertigung der Heranziehung von Heimatrecht und deutschem Recht bei Inlandseheschließungen aufgrund des internen und internationalen Entscheidungseinklangs NK-BGB/ Andrae, Art. 13 EGBGB Rn. 51.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Vorfrage694) wäre die Scheidung jedoch nicht anerkennungsfähig bzw. unwirksam.695 Jedenfalls bei einer Eheschließung im Inland nimmt das herrschende Schrifttum ein derartiges Auseinanderfallen nicht hin. Vielmehr fordern die einschlägigen Stimmen mit Blick auf § 107 FamFG, dass die Scheidung der Vorehe auch bei Beurteilung einer Wiederheirat im Inland überhaupt erst einmal hier anerkannt werden müsse und daher zunächst das Anerkennungsverfahren nach Maßgabe des § 107 FamFG durchzuführen sei.696 Dementsprechend müssten also auch die Anerkennungsvoraussetzungen geprüft werden bzw. bei einer Privatscheidung das für die Vorehe maßgebliche Scheidungsstatut.697 In diesem Fall steht man also vor dem Problem, dass gerade eine fehlende Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Privatscheidung auch dazu führt, dass im Inland keine neue Eheschließung möglich ist. Unter gewissen Umständen kann es noch zu einer hinkenden Ehe kommen, wenn eine neue Ehe im Heimatstaat der Geschiedenen geschlossen wird und deren Gültigkeit in Deutschland in Frage steht. Jedenfalls bei deutscher Staatsangehörigkeit des anderen Verlobten ist dem nach Art. 13 I EGBGB maßgeblichen Bigamieverbot des § 1306 BGB als zweiseitigem Ehehindernis698 zu entnehmen, dass sich die
694
Siehe allg. näher zu den Begrifflichkeiten nur MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 172 ff. (zu sog. Erstfragen und ihrer selbstständigen Anknüpfung), 184 m. w. N. (zum umstr. herrschenden Grundsatz der selbstständigen Anknüpfung von Vorfragen im autonomen IPR). 695 Vgl. Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 310 („Widersprüche“). 696 MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 79 i. V. m. Rn. 78 (unter Hinweis auf die Anerkennungsbedürftigkeit (§ 107 FamFG) von Privatscheidungen, Rn. 178); noch BeckOGKEGBGB/Rentsch (1. 6. 2020), Art. 13 Rn. 154, 155 (hierbei knapp die Anwendbarkeit des § 107 FamFG auf Privatscheidungen mit staatlicher Mitwirkung erwähnend); Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 306, 308, 310 (durch IZVR „überlagert“); Andrae, IntFamR, § 1 Rn. 55; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 595; schon Reinl, Anerkennung, S. 92 (unter Berufung auf die Gefahr der Doppelehe und die frühere ordre public-Klausel des Art. 30 EGBGB a. F.); zumindest ein Entgegenstehen erwähnend, wenn aus deutscher Sicht keine Auflösung der Vorehe gegeben ist, noch NK-BGB/Andrae, Art. 13 EGBGB Rn. 46; vgl. noch jurisPK-BGB/Mäsch, Art. 13 EGBGB Rn. 16 – allerdings infolge einer selbstständigen Anknüpfung, was wiederum der dort vertretenen Gegenansicht (Rn. 14) entspricht; ebenso Soergel12/Schurig, Art. 13 EGBGB Rn. 19 – wobei ebenfalls der Gegenansicht von der selbstständigen Anknüpfung folgend (Rn. 61, 18). Auch hierbei wird aber die Ausnahme nach § 107 I 2 FamFG hervorgehoben; siehe Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 306. 697 Vgl. MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 78 („Auflösungsentscheidung oder ein anderer Auflösungsvorgang anerkennungsfähig und anerkannt“). So natürlich ohnehin diejenigen, die bei der Frage der Auflösung der Vorehe eine selbstständige Anknüpfung vertreten, jurisPK-BGB/Mäsch, Art. 13 EGBGB Rn. 16 (i. V. m. Rn. 14); Soergel12/Schurig, Art. 13 EGBGB Rn. 61. 698 Zu § 1306 BGB als zweiseitigem Ehehindernis näher etwa MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 63; noch BT-Drs. 10/504, S. 52 (zum entsprechenden § 5 EheG a. F.); siehe BGH, Beschl. v. 12. 2. 1964 – IV AR (VZ) 39/63, BGHZ 41, 136 (142) (genereller und zum „sog. Doppelverbot […] im kanonischen Recht wie auch im deutschen Recht“); v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 8 Rn. 2; zur generellen Einordnung und Unterscheidung von einseitigen und zweiseitigen Ehehindernissen ausführlich etwa Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 154 ff.; noch BeckOK/Mörsdorf (1. 11. 2020), Art. 13 EGBGB Rn. 42 f.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
159
deutsche Sicht durchzusetzen hat.699 Aus deutscher Sicht ist die Privatscheidung der Vorehe im Heimatstaat der ersten Eheleute, wenn deren (letzter) gemeinsamer gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland liegt, aber, wie gesehen, nach herrschender Ansicht weder verfahrensrechtlich anerkennungsfähig (da es an einem konstitutiven Hoheitsakt fehlt) noch nach kollisionsrechtlicher Wirksamkeitsprüfung gültig (da sie an § 1564 S. 1 BGB scheitert). (4) Zwischenergebnis Die Kritik am herrschenden, auf konstitutive Hoheitsakte zugeschnittenen Entscheidungsbegriff, dass dieser verstärkt hinkende Rechtsverhältnisse provoziert, ist folglich berechtigt. Nach dem herrschenden Entscheidungsbegriff kann es leicht dazu kommen, dass das Ziel des Anerkennungsrechts, hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden, gefährdet wird, und zwar gerade im Falle von Privatscheidungen im Heimatstaat. cc) Schwächen bei der Trennung zwischen dogmatischer und internationaler (Qualifikations-)Ebene Den herrschenden scheidungsrechtlichen Entscheidungsbegriff, d. h. bei der Anerkennung auf konstitutive Hoheitsakte abzustellen bzw. zu Privatscheidungen abzugrenzen, begründen seine Vertreter im Wesentlichen mit der generellen Trennung zwischen der Anerkennung von Hoheitsakten und Wirksamkeitsprüfung von Privatakten im internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht.700 Diese grundsätzliche Trennung wurde bereits einleitend dargelegt;701 das (heutige) Anerkennungsrecht verzichtet, wie oben ausgeführt, auf eine umfassende, kollisionsrechtliche Nachprüfung.702 Mithin ist es eine zutreffende Umschreibung, das Anerkennungsrecht als „,[v]erkapptes‘ zweites Kollisionsrecht“ zu bezeichnen.703 Den verfahrensrechtlichen Anerkennungsregeln wird, wie schon bei der 699
So MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 79. Dies zu § 328 ZPO hervorhebend Gärtner, Privatscheidung, S. 172 f. (Widerspiegeln); vgl. zu § 109 FamFG Krömer, StAZ 2020, 117 (119) („Privatscheidungen sind und bleiben dogmatisch Rechtsgeschäfte.“); vgl. noch die Stimmen der h. M., die betonen, dass es bei der Privatscheidung gerade um einen privaten und nicht hoheitlichen Gestaltungsakt geht, BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 36); Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272); BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382); Martiny, IZVR III/1, Rn. 1744; Beule, StAZ 1979, 29 (35); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14); zu § 109 FamFG noch jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 65; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 101, 123. 701 Siehe oben unter § 1 B. 702 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 703 So Geimer, Anerkennung, S. 45; siehe etwa noch Zöller/Geimer, § 328 Rn. 240; eingehend schon Wengler, in: IPR, S. 436 (440 f.); ebenso bereits Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73); siehe Kropholler, IPR, § 56 II, S. 588, § 60 IV 7, S. 677 (zweites Kollisionsrecht); Schack, IZVR, Rn. 1024 („faktisch die Anwendung fremden Kollisionsrechts“); v. Bar/Mankowski, 700
160
§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Herausarbeitung als Qualifikationsproblem erwähnt, ein Vorrang attestiert.704 Als Zwischenergebnis bleibt also abermals festzuhalten, dass die Anerkennung unabhängig von den Regeln des internationalen Privatrechts erfolgt und dies die Trennung beider Materien untermauert. Sich bei Scheidungen auf die Anerkennung konstitutiver Hoheitsakte zu konzentrieren und eine Anerkennung privater Gestaltungsakte bzw. Rechtsgeschäfte abzulehnen,705 stellt sich also auf den ersten Blick als eine strikte Umsetzung dieser grundsätzlichen Trennung von internationalem Privat- und Zivilverfahrensrecht in Scheidungsfällen dar. Insofern ließe sich von einer „klassischen Abgrenzungsformel“706 sprechen. Bei genauerer Betrachtung bedeutet die Trennung aber nur, dass das schon einleitend sowie mit Blick auf die qualifikationsrechtlichen Fragestellungen707 aufgezeigte Vorgehen erforderlich wird, nämlich den Anwendungsbereich beider „Anerkennungsregime“ klar abzugrenzen, und sodann unabhängig und innerhalb des dort klar abgesteckten Rahmens zu verfahren. Sollte eine „Entscheidung“ im Sinne des § 109 FamFG gegeben sein, richtet sich die Anerkennung nach den dortigen Regeln – sollte hingegen keine „Entscheidung“ vorliegen, ist eine Wirksamkeitsprüfung anhand des anwendbaren Rechts vorzunehmen.708 Ob eine „Entscheidung“ IPR I, § 5 Rn. 134 („mittelbar kollisionsrechtliche Funktionen“), Rn. 135 („gespaltenes ,Kollisionssystem‘“), 139 („eine Art ,Neben-IPR‘“); insofern „[e]nge Zusammenhänge“ hervorhebend Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 293; siehe noch MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 6 („sekundäres Kollisionsrecht“ – aber vor einer Überbetonung dieses Aspekts warnend); sehr zurückhaltend, diesen Aspekt gar als „folgenlos“ bewertend Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 7. 704 Siehe (wiederum) BGH, Urt. v. 22. 9. 1982 – IVb ZR 304/81, BGHZ 85, 16 (26); Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 22; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 139; Geimer, IZPR, Rn. 2819; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.10; Schack, IZVR, Rn. 1024; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 139; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1622) (zugleich das genannte BGH-Urteil hervorhebend); ebenso schon ders., FamRZ 2006, 744 (746 f.); siehe noch MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 213; Gärtner, Privatscheidung, S. 173 („überlagert“); hierzu schon oben unter § 2 A.II.3.b). Zur alten Rechtslage, wegen der früheren besonderen Anerkennungsvoraussetzung des § 328 I Nr. 3 ZPO a. F. hingegen „in eng umgrenztem Rahmen einen Vorrang“ der IPRRegeln vor den Anerkennungsregeln attestierend Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73). 705 Siehe zur Begriffsverwendung von den Vertretern der h. M. wiederum BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (371, Rn. 26); Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, S. 430 (431 f.); LJV BW, Entsch. v. 23. 5. 1986 – 346 E – 325/85, IPRax 1988, 170 (171); etwa jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 61, 65; noch Beule, StAZ 1979, 29 (35); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14). Näher zur Begrifflichkeit („konstitutiv“) der h. M. in internationalen Scheidungsfällen oben unter § 4 C.I.1.a). 706 Diese Begrifflichkeiten verwendend BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 28. 707 Siehe oben unter § 1 B. und § 2 A.II.3.b). 708 Vgl. auch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 293 (davon sprechend, dass die Anerkennung die Wirksamkeitsprüfung „ersetzt“); noch Zöller/Geimer, § 328 Rn. 241 („Beiseiteschieben“ des IPR im Rahmen der Anerkennung); Geimer, IZPR, Rn. 42, 46 („Trennungslinie“ zum IPR, Rn. 42, bzw. zur Selbstständigkeit des Anerkennungsrecht, Rn. 46); v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 134 („beeinflussen und verdrängen sich gegenseitig“); die Unterscheidung betonend bereits Martiny, IZVR III/1, Rn. 259.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
161
gegeben ist, ist nach dem weiter oben Gesagten im Wege einer funktionalen Qualifikation zu bestimmen, bei der es auch einer (teleologischen) Betrachtung der Anerkennungsregel bedarf.709 Dass jegliche Privatscheidungen, d. h. dogmatisch als Privatakte anzusehende Scheidungen, auf der Ebene des § 109 FamFG in keinem Fall als anerkennungsfähige „Entscheidung“ anzusehen sind, ist folglich aus qualifikationsrechtlicher Sicht nicht zwingend vorgegeben. Die allgemeine Trennungslinie zwischen der Anerkennung von Hoheitsakten als „Entscheidungen“ und kollisionsrechtlicher Wirksamkeitsprüfung von Verträgen bzw. Privatakten ist nur als genereller Grundsatz zu verstehen. Daraus ist kein Automatismus dahingehend abzuleiten, dass allein die dogmatische Einordnung als Privatakt stets und ohne Ausnahme auch auf internationaler Ebene eine Behandlung als nachzuprüfendes Rechtsgeschäft im Sinne der kollisionsrechtlichen Wirksamkeitsprüfung nach sich zieht. Vielmehr legen die vorstehenden Überlegungen zum (teleologischen) Hintergrund der Anerkennungsregel nahe, dass es durchaus Fälle von Privatscheidungen geben könnte, in denen eine Anerkennung als „Entscheidung“ gerechtfertigt ist. Entscheidend ist im Einzelfall nicht die rein dogmatische Betrachtung, sondern, ob ein ausländischer Akt, eine ausländische Scheidung als „Entscheidung“ zu qualifizieren ist oder nicht. dd) Zwischenergebnis Der herrschende scheidungsrechtliche Entscheidungsbegriff ist vor dem (teleologischen) Hintergrund der Anerkennung, dem Nachprüfungsverzicht und dem Sinn und Zweck, hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden, sowie unter funktionalteleologischem Qualifikationsblickwinkel wegen seiner dogmatischen Betrachtungsweise zu eng. e) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich zunächst festhalten, dass sich die (praktische) Handhabung des herrschenden Entscheidungsbegriffs für Scheidungen, d. h. konstitutive Hoheitsakte verfahrensrechtlich anzuerkennen und von nicht anerkennungsfähigen Privatscheidungen zu unterscheiden, als nicht einfach herausstellt. Eine klare Abgrenzung konstitutiver gerichtlicher oder behördlicher Akte von zwingenden Mitwirkungsakten an Privatscheidungen erweist sich als feinsinnig und bisweilen schwierig bzw. strittig. In dogmatisch-methodischer Hinsicht ist dieser herrschende Entscheidungsbegriff demgegenüber unproblematisch, da bei einem konstitutiven Hoheitsakt ohne Schwierigkeiten dessen Gestaltungswirkung verfahrensrechtlich anerkannt werden kann. Den Entscheidungsbegriff am Merkmal des konstitutiven Hoheitsakts auszurichten, wird aber dem (teleologischen) Hintergrund der verfahrensrechtlichen Anerkennung nicht stets gerecht. Der hinter der Aner709
Siehe oben unter § 4 A.I.3.
162
§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
kennung stehende Vertrauensgedanke (in die ausländische Hoheitstätigkeit) kann nicht nur bei konstitutiven Hoheitsakten, sondern auch bei kontrollierten Privatakten greifen, und eine sich auf konstitutive Hoheitsakte fokussierende Anerkennung birgt ein nicht unerhebliches Risiko hinkender Privatscheidungen. Darüber hinaus bewirkt dieser Entscheidungsbegriff, dass die dogmatische Einordnung der Scheidung als Rechtsgeschäft oder Hoheitsakt automatisch auf die internationale Ebene übertragen wird. Gerade die Erforderlichkeit einer funktionalen (teleologischen) Qualifikation legt aber nahe, dass es für die Einordnung als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) nicht zwingend und stets derart streng auf die dogmatische Einordnung ankommen kann. 2. Anerkennung von Feststellungsentscheidungen a) Zurückhaltung insbesondere des herrschenden Entscheidungsbegriffs in Scheidungsfällen Schon die obige Darstellung der herrschenden Meinung zeigt deren Konzentration auf konstitutive Hoheitsakte.710 Der BGH erwähnt in seiner Rechtsprechung zur Scheidung nach jüdischem Recht die Entscheidung des Rabbinatsgerichts und verknüpft dies mit der Frage, ob davon „letztlich die Auflösung der Ehe“ abhänge, was er vereint.711 Auch in anderen Fällen untersucht die Rechtsprechung allein die konstitutive Natur der hoheitlichen Tätigkeit und stellt diese der Privatscheidung gegenüber.712 Nach einem Beschluss des BayObLG zu einer Privatscheidung nach jordanischem Recht sei ein „Urteil“ (§ 328 ZPO) „nur“ gegeben, „soweit der gerichtliche Akt auf die Herbeiführung der Statusänderung gerichtet ist“.713 Das OLG München geht in einem Beschluss zu einer Privatscheidung nach syrischem Recht nicht auf eine etwaige verfahrensrechtliche Anerkennung ein; es weist schlicht darauf hin, dass diese „selbst dann eine sogenannte Privatscheidung dar[stellt], wenn 710
Siehe oben unter § 4 C.I.1.a). BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (372, Rn. 27). 712 Zu § 328 ZPO BGH, Urt. v. 25. 8. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 36) (es gehe „nicht um die Anerkennung eines konstitutiven Hoheitsakts […], sondern um die Anerkennung eines privaten Rechtsgeschäfts“); ebenso Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272); siehe OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610) („unterscheiden zwischen einer Scheidung durch konstitutiven Hoheitsakt und einer (rechtsgeschäftlichen) Privatscheidung“); BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382) (anerkennungsfähige Entscheidung, „soweit der gerichtliche Akt auf die Herbeiführung der Statusänderung gerichtet“); siehe noch Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, 430 (431 f.) („das konstitutive Element der Scheidung ist die rechtsgeschäftliche Erklärung zumindest eines Ehegatten und nicht wie bei einem Gerichtsurteil, ein Hoheitsakt“). 713 BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382); ähnlich schon zu einem „Scheidungsspruch des obersten islamrechtlichen Richters“ in Syrien BayObLG, Beschl. v. 13. 1. 1994 – 3Z BR 66/93, FamRZ 1994, 1263 (1264) (Dies sei keine „gerichtliche Entscheidung“, denn der „Richter hat die Ehe nicht geschieden; er hat nur den Scheidungsvorfall bestätigt und registriert“.). 711
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
163
die Scheidung anschließend vom Sharia-Gericht durch Beschluss festgestellt wurde“, und prüft sodann das Kollisionsrecht.714 Im Schrifttum stößt man teilweise auf gleiche oder ähnliche Anmerkungen.715 Etwas offener formuliert ist ein Urteil des Reichsgerichts zum Urteilsbegriff des § 328 ZPO, in dem schlicht die Rede davon ist, dass eine „Prüfung des […] Sachverhalts“ gegeben sein und „für den Ausspruch der Scheidung […] die Verantwortung übern[ommen]“ werden muss.716 Einzelne Vertreter des herrschenden scheidungsrechtlichen Entscheidungsbegriffs berufen sich auch auf dieses Urteil, wenn es um die generelle Bestimmung des Entscheidungs- bzw. Urteilsbegriffs geht,717 bzw. weisen sogar im Zusammenhang mit Scheidungen ausdrücklich auf eine mögliche verfahrensrechtliche Anerkennung einer „hoheitliche[n] Feststellung, Entscheidung oder Gestaltung“718 hin. Im internationalen Adoptionsrecht ist zwar, wie oben gesehen, die Anwendung der §§ 108, 109 FamFG bei kontrollierten, bestätigten Vertragsadoption weitgehend anerkannt – gerade zu Feststellungen finden sich aber bisweilen zurückhaltendere Formulierungen der Rechtsprechung.719 So stelle sich bei einer Adoption nach indischem Recht die Frage, „ob […] überhaupt eine Adoptionsentscheidung“ vorliege, weil „kein eigener Adoptionsausspruch“ und „lediglich die Feststellung“ zur Übereinstimmung mit dem Adoptionsrecht gegeben sei.720 b) Anerkennung der Rechtskraftwirkung von Feststellungsentscheidungen aa) Hervorhebung speziell im Kontext der Leihmutterschaftsfälle Wie oben dargestellt, beschäftigen sich Rechtsprechung und Schrifttum gerade in Leihmutterschaftsfällen mit der Anerkennungsfähigkeit einer Entscheidung, die eine „rechtliche Elternschaft“, die sich „bereits aus [einer] mit der Leihmutter getroffenen 714
OLG München, Beschl. v. 13. 3. 2018 – 34 Wx 146/14, FamRZ 2018, 817 (818). So scheide eine verfahrensrechtliche Anerkennung aus, „[s]ofern keine gerichtliche oder behördliche Entscheidung und damit kein konstitutiver Hoheitsakt vorliegt“; siehe jurisPKBGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 65; so schon zum Urteilsbegriff des § 328 ZPO Gärtner, Privatscheidung, S. 179 („lediglich dann […], wenn die Tätigkeit des Gerichts auf die Herbeiführung der Statusänderung gerichtet“); ähnlich noch Herfarth, Scheidung, S. 439 („eheauflösende Wirkung“). 716 RG, Urt. v. 22. 4. 1932 – VII 215/31, RGZ 136, 142 (147). 717 Martiny, IZVR III/1, Rn. 469, zum herrschenden Verständnis in Scheidungsfällen Rn. 1744. 718 Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 102 (wobei trotz des expliziten Zusammenhangs mit Scheidungen nicht auf § 109 FamFG, sondern auf § 108 FamFG verwiesen wird). 719 Siehe zum Meinungsstand oben unter § 4 C.I.2.a)dd)(1). 720 AG Düsseldorf, Beschl. v. 9. 3. 2018 – 252 F 45/17, FamRZ 2018, 1423 (1424 f.); siehe aber explizit dagegen wiederum MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21 (Erfassung der „gerichtliche[n] Wirksamkeitsfeststellung von Vertragsadoptionen“). 715
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Vereinbarung ergibt“, feststellt, d. h. einer „nur die Feststellung der bestehenden Rechtslage aussprechende[n] Entscheidung“.721 An dieser Stelle ist nun näher zu untersuchen, worauf diese Anerkennung (im Übrigen) gestützt wird. Der BGH stellt mit Blick auf eine nach kalifornischem Recht erfolgte Leihmutterschaft fest, dass eine Feststellungsentscheidung „eine entsprechende Rechtskraftwirkung“ habe, die infolge der Anerkennung „in Deutschland verbindlich“ sei.722 Im Schrifttum wird bereits vor dieser Rechtsprechung ebenfalls die Anerkennung der „Feststellungswirkung […] als Teil der materiellen Rechtskraft“ angeführt.723 Genauere Anforderungen, die an eine Feststellungsentscheidung für ihre Anerkennungsfähigkeit zu stellen sind, ergeben sich schließlich aus der (BGH-)Rechtsprechung zur Abgrenzung zu behördlichen Registrierungs- und Beurkundungsakten, die eine aus der Leihmutterschaft folgende Abstammung betreffen: Es bedürfe einer „materiellen Rechtskraftwirkung“, zumindest müsse „die Rechtsfrage ansonsten verbindlich und abschließend [ge]klärt“ werden.724 Im Falle einer schlichten „Beweisfunktion (§ 54 PStG […])“ und (gerichtlicher) Abänderbarkeit (vgl. § 47 f. PStG) sei dies zu verneinen.725 Ebenso weist das Schrifttum auch auf die fehlende Verbindlichkeit oder bloße Beweiswirkung von Registereintragungen hin, um deren Nichtanerkennungsfähigkeit zu belegen.726 bb) Anerkennungsfähigkeit der materiellen Rechtskraft im Sinne einer Feststellungswirkung Die materielle Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung wird heutzutage allein verfahrensrechtlich über § 109 FamFG (bzw. § 328 ZPO) anerkannt.727 721 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22); siehe oben unter § 4 C.I.2.b)cc) m. w. N. 722 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22). 723 Duden, Leihmutterschaft, S. 118 f.; ders., StAZ 2014, 164 (166). 724 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14); auf die „Rechtskraftwirkung“, wie gesehen, abstellend schon Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22); ebenso nachdrücklich OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 3). 725 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 f. (Rn. 12 ff.); i. E. ähnlich OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 6). 726 Zur (fehlenden) Verbindlichkeit Duden, StAZ 2014, 164 (166); etwas allgemeiner formuliert Duden, Leihmutterschaft, S. 117; nunmehr die fehlende „Bindungswirkung“ betonend auch MüKo-BGB/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82; zur bloßen Beweisfunktion nachdrücklich Gomille, StAZ 2017, 321 (323 f.); ebenso Frie, NZFam 2018, 97 (99 f.). 727 Vgl. i. E. wiederum im abstammungsrechtlichen Kontext BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22); siehe allg. etwa BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56; Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 2; Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 13; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 14; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 328 Rn. 5; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 31; Geimer, IZPR, Rn. 2799; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.143; Kropholler, IPR, § 60 V 2 a), S. 680; Martiny, IZVR III/1, Rn. 374; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 2; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628); ders., FamRZ 2006, 744 (750).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Um festzuhalten, dass und warum die verfahrensrechtliche Anerkennung der materiellen Rechtskraft ihre Berechtigung hat, muss man sich an dieser Stelle wiederum nicht näher mit der generellen Frage, welche Wirkungen überhaupt (nicht) anerkannt werden können, auseinandersetzen. Es genügt, die Rechtskraftwirkung näher zu betrachten. Wie zu Recht erwähnt wird, handelt es sich bei der materiellen Rechtskraft nach der auch hier maßgeblichen deutschen lex fori-Sicht728 um eine prozessuale Wirkung,729 eine der Entscheidung direkt anhaftende Wirkung.730 Zwar findet sich im älteren Schrifttum wiederum eine Ansicht, die die lex causae beachten, die Rechtskraft dementsprechend kollisionsrechtlich „relativieren“ möchte.731 Im Gegensatz zur oben dargestellten Anerkennungsfrage der Gestaltungswirkung hatte diese sog. lex causae-Theorie hier allerdings schwächeres Gewicht.732 Außerdem konnte sie wiederum zu Recht, vor allem mit Blick auf die generelle kollisionsrechtliche Unabhängigkeit der verfahrensrechtlichen Anerkennung, nicht durchdringen.733 Die materielle Rechtskraft bedeutet nach deutschem Verständnis grundsätzlich, dass die Entscheidung im folgenden Sinne endgültig ist: Nach heute herrschender Ansicht ist zum einen von einer Unzulässigkeit einer Klage auszugehen, wenn die Parteien eine erneute Entscheidung über den (gegenteiligen) Streitgegenstand734 beantragen (ne bis in idem-Lehre);735 zum anderen ist eine inhaltliche Bindungs728
Oben wurde dargelegt, dass im Anerkennungsrecht für den Entscheidungsbegriff und damit zusammenhängenden (Wirkungs-)Fragen berechtigterweise eine funktionale Qualifikation lege fori greift; siehe unter § 4 A.I.3. Entsprechendes wurde bei der Anerkennung der Gestaltungswirkung hervorgehoben; hierzu oben unter § 4 C.II.1.c). Siehe speziell zur lex fori bei der Frage der anerkennungsfähigen Wirkungen etwa Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 12; Geimer, IZPR, Rn. 2787. 729 BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 31; Geimer, IZPR, Rn. 2799; Martiny, IZVR III/1, Rn. 373. 730 Vgl. zu Letzterem wiederum MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 18 (Anerkennungsfähigkeit „unmittelbare[r] Wirkungen“ und dabei u. a. die „Feststellungs[wirkung]“ nennend). 731 Siehe zu diesem Ausdruck Wengler, JZ 1964, 621 f. („kollisionsrechtliche Relativität der Rechtskraft“, 622); zur Berücksichtigung der lex causae noch Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken, S. 49 f., 183 f.; zum österreichischen Anerkennungsrecht eingehend Hoyer, Anerkennung, Nr. 32 ff., S. 42 ff. (insbesondere Nr. 35, S. 52), Nr. 53, S. 78 (die dem ausländischen Urteil zugrunde gelegte lex causae müsse diejenige Rechtsordnung sein, die nach dem eigenen IPR ebenfalls anzuwenden gewesen wäre). 732 Siehe die eingehendere Auseinandersetzung mit der Theorie bei Spiecker gen. Döhmann, Anerkennung, S. 43 f. („für die Rechtskraft nie wirklich Bedeutung erlangt“, S. 44). 733 MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 174 f.; Geimer, IZPR, Rn. 44 ff.; ausführlich noch Spiecker gen. Döhmann, Anerkennung, S. 42 ff.; schon Martiny, IZVR III/1, Rn. 385 ff. 734 Vgl. zum Umfang der Rechtskraft §§ 322, 325 ZPO; näher zu den objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft etwa BeckOK-ZPO/Gruber, § 322 Rn. 20 ff., 30, § 325 Rn. 1 ff.; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 16, 21 ff., § 325 Rn. 1; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 155 Rn. 2 ff., § 157 Rn. 1 ff. 735 Siehe zur ne bis in idem-Lehre im nationalen Recht näher etwa MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 10 ff., 40 ff. m. w. N.; noch Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 17; für einen Überblick
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
bzw. Feststellungswirkung gegeben, wenn sich die gleiche Frage in einem anderen Verfahren zwischen den Parteien vorgreiflich stellt (res iudicata-Wirkung).736 Die Anerkennung der materiellen Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung bedeutet dementsprechend an sich, dass die ausländische Entscheidung einem erneuten identischen Verfahren im Inland entgegensteht (ne bis in idem-Lehre).737 Zwar gehen der BGH und Teile des Schrifttums mit Blick auf das Rechtsschutzbedürfnis demgegenüber davon aus, dass eine inhaltsgleiche inländische Entscheidung erlassen werden könne.738 Zumindest zeigt aber auch dieser Weg, dass die Bindungswirkung der ausländischen Entscheidung im Inland zu respektieren ist, mithin keine inhaltliche Abweichung erfolgen darf.739 Wird eine Entscheidung anerkannt, bedeutet die Anerkennung der materiellen Rechtskraft jedenfalls, dass die ausländische Entscheidung im Inland verbindlich ist.740 Die ausländische Entscheidung entfaltet im Inland auch bei sog. Präjudiziabilität, bei zu beurteilenden Vorfragen in einem anderen inländischen Verfahren zwischen den Parteien, entsprechende Bindungswirkung.741 Folglich lässt sich in der Tat742 bei der Anerken-
zu den verschiedenen Auffassungen noch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 152 Rn. 3 ff. m. w. N. 736 Siehe zur Präjudiziabilität und res iudicata-Wirkung im nationalen Recht näher Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 10 ff. m. w. N.; noch Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 17, 22; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 152 Rn. 15. 737 OLG Bamberg, Beschl. v. 13. 3. 1996 – 2 WF 89/95, FamRZ 1997, 95 (96) (entgegenstehende Scheidung); MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 168 f.; Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 141, 143; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 35; Geimer, IZPR, Rn. 2801; Linke/ Hau, IZVR, Rn. 12.42; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.135; ebenfalls grds. von einem Entgegenstehen und einer „Einrede der Rechtskraft“ ausgehend Martiny, IZVR III/1, Rn. 374, Rn. 1619 f. 738 BGH, Urt. v. 26. 11. 1986 – IVb ZR 90/85, NJW 1987, 1146; Urt. v. 20. 3. 1964 – V ZR 34/62, NJW 1964, 1626; ebenso Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 15; zustimmend offenbar noch HK-ZPO/Dörner, § 328 Rn. 8; siehe aber die abl. Kritik bei Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 142; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 36; Geimer, IZPR, Rn. 2802; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.42. 739 Siehe auch die Formulierung bei BGH, Urt. v. 20. 3. 1964 – V ZR 34/62, NJW 1964, 1626 („an den Inhalt des österreichischen Urteils gebunden“); mit Blick auf die BGH-Rspr. von einem „Abweichungsverbot“ sprechend HK-ZPO/Dörner, § 328 Rn. 8. 740 Siehe wiederum gerade die abschließende Formulierung zur Anerkennung von Feststellungsentscheidungen bei BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22) („in Deutschland verbindlich“); siehe allg. zur Wirkung der Rechtskraft bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung etwa Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 14; Kropholler, IPR, § 60 V 2 a), S. 680; Martiny, IZVR III/1, Rn. 374; siehe auch im nationalen Recht dazu, dass sich Bindungstheorie und ne bis in idem-Lehre i. E. nicht stark unterscheiden, BeckOK-ZPO/ Gruber, § 322 Rn. 11 („theoretische[ ] Erklärungsversuche[ ]“). 741 MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 170; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 36; Geimer, IZPR, Rn. 2803. 742 So, wie zuvor gesehen, im Kontext der Leihmutterschaftsfälle Duden, Leihmutterschaft, S. 118 f.; ders., StAZ 2014, 164 (166).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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nung davon sprechen, dass die materielle Rechtskraft im Inland eine Feststellungswirkung äußert.743 c) Bedeutung für den Entscheidungsbegriff in (Privat-)Scheidungsfällen Nach dem Vorstehenden ist zunächst festzuhalten, dass die materielle Rechtskraftwirkung einer Entscheidung verfahrensrechtlich anzuerkennen ist und zu einer Bindungswirkung führt. Die Anerkennung einer Feststellungsentscheidung mit entsprechender Rechtskraft ist dogmatisch-methodisch also unproblematisch. Nach dem weiter oben Gesagten gilt die verfahrensrechtliche Anerkennung (§ 109 FamFG) grundsätzlich auch für behördliche Akte, die mit einer gerichtlichen Entscheidung funktional vergleichbar sind.744 Um einen Behördenakt entsprechend unproblematisch als Feststellungsentscheidung anerkennen zu können, nämlich im Wege der Anerkennung einer im Sinne der materiellen Rechtskraft feststellenden Bindungswirkung, bedarf es folglich einer Wirkung, die der materiellen Rechtskraft vergleichbar ist.745 Die oben zitierte (BGH-)Rechtsprechung, die ein solches Erfordernis im Zusammenhang mit Registrierungen hervorhebt, spricht, wie gesehen, von einer „verbindlich[en] und abschließend[en]“ Klärung der „Rechtsfrage“ und verneint eine solche Wirkung bei grundsätzlicher Abänderbarkeit und bloßer „Beweisfunktion“.746 Dem ist zuzustimmen, da diese Ausführungen einem funktionalem Verständnis der materiellen Rechtskraft im deutschen Recht entsprechen. Materielle Rechtskraft (siehe § 322 ZPO und für Ehesachen und Familienstreitsachen § 113 I 2 FamFG i. V. m. § 322 ZPO747) tritt nämlich nur ein, wenn die Entscheidung formell rechtskräftig, also nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbar (§ 705 ZPO bzw. § 45 FamFG) und daher nur noch sehr eingeschränkt mittels außerordentlicher Rechtsbehelfe aufhebbar ist.748 743 Zöller/Geimer, § 328 Rn. 35; Geimer, IZPR, Rn. 2801; Martiny, IZVR III/1, Rn. 374; noch Schack, IZVR, Rn. 925; siehe zur materiellen Rechtskraft und daraus folgenden „Feststellungswirkung“ einer inländischen Entscheidung etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 2. 744 Siehe zur allgemeinen Einbeziehung von Behördenakten oben unter § 4 B.II. 745 Vgl. auch die Anmerkung zum Erbschein bzw. „Erbfolgezeugnis“ bei Prütting/Helms/ Hau, § 108 Rn. 17, wonach ein „ausländisches ,Zeugnis‘“, wenn es „funktional vergleichbar einem deutschen Feststellungsurteil“ rechtskräftig ist, anerkennungsfähig ist; noch Klinck, FamRZ 2009, 741 (746) (bei „Rechtskraftwirkung […] insoweit eher mit einem deutschen Feststellungsurteil zu vergleichen“). 746 Siehe abermals BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14); ebenso nachdrücklich OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 3, 6); auf die „Rechtskraftwirkung“ abstellend schon BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22). 747 Hierzu auch Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 45 Rn. 7. Zur umstrittenen Frage der materiellen Rechtskraft von Entscheidungen in anderen FamFG-Verfahren unten unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(b)(aa). 748 Näher zur „Unangreifbarkeit“ im Falle formeller Rechtskraft und dieser Voraussetzung für den Eintritt der materiellen Rechtskraft etwa MüKo-ZPO/Götz, § 705 Rn. 1, 17; Rosenberg/
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Folglich bleibt als Zwischenergebnis festzuhalten, dass eine materiell rechtskräftige oder funktional vergleichbar verbindliche Feststellungsentscheidung, die eine Privatscheidung betrifft und, um die Worte des BGH749 zu nutzen, „die damit verknüpfte Statusfolge [hier: der Eheauflösung] zum Gegenstand hat“, anerkannt werden kann. Im Falle der Anerkennung „entfaltet [die Feststellungsentscheidung] eine entsprechende Rechtskraftwirkung und ist […] in Deutschland verbindlich“.750 Der Fokus der herrschenden Meinung in Scheidungsfällen liegt aber, wie oben aufgezeigt, auf der Bestimmung des Gestaltungsakts.751 Der Entscheidungsbegriff scheint durch die Formulierungen, die sich auf die Konstitutivwirkung konzentrieren, sehr eng gezogen. Dies erweckt den Eindruck einer schlichten Übertragung des nationalen Scheidungsverständnisses auf internationale Fälle. Da die Scheidung in Deutschland durch einen Gestaltungsbeschluss erfolgt (§ 1564 S. 1, 2 BGB), also einen gerichtlichen Hoheitsakt konstitutiver Natur,752 fokussiert sich die herrschende Meinung weitgehend auf eine Gegenüberstellung von anerkennungsfähigen konstitutiven Hoheitsakten und Privatscheidungen. Bei der heute herrschenden, auch hier vertretenen (funktional-teleologischen) Qualifikation lege fori ist, wie gesehen, aber nicht allein das eigene Sachrecht der Maßstab.753 Es spiegelt sich bei den Formulierungen des herrschenden Entscheidungsbegriffs in Scheidungsfällen in gewisser Hinsicht die umgekehrte Lage zur früheren Anerkennung in Adoptionsfällen wider. Früher galt im deutschen Adoptionsrecht, wie bereits angeführt, das Vertragssystem, wonach die Adoption durch einen (gegebenenfalls) gerichtlich genehmigten und gerichtlich bestätigten Adoptionsvertrag zustande kam.754 Die verfahrensrechtliche Anerkennung von ausländischen Adoptionsurteilen, sog. De-
Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 1 ff. Siehe zu den begrenzten Fällen der „Durchbrechung der Rechtskraft“ im Geltungsbereich der ZPO etwa MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 208 ff.; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 88 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 159 Rn. 1 ff. (zur Wiederaufnahme § 160 Rn. 1 ff.). Nach § 118 FamFG gelten die §§ 578 – 591 ZPO für die Wiederaufnahme des Verfahrens in Ehesachen und Familienstreitsachen entsprechend. 749 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22) (zur Anerkennung der kalifornischen Abstammungs- bzw. Leihmutterschaftsentscheidung). 750 So wiederum die Wortwahl des BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22) (kalifornische Entscheidung in einem Leihmutterschaftsfall selbst im Falle feststellender Natur anerkennungsfähig). 751 Anerkennungsfähige Feststellungsentscheidungen in Scheidungsfällen finden nur vereinzelt explizit Erwähnung; siehe wiederum Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 102 („hoheitliche Feststellung, Entscheidung oder Gestaltung“); hierzu und den nur teilweise weiteren offeneren Formulierungen oben unter § 4 C.II.2.a). 752 Siehe etwa wiederum BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (371, Rn. 26); MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 6; näher schon oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(2). 753 Siehe oben unter § 4 A.I.3. i. V. m. § 3 B. 754 Siehe hier nur wiederum BT-Drs. 7/3061, S. 24, 41; ausführlich Bosch, FamRZ 1984, 829 (834 ff.).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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kretadoptionen,755 vollzog sich dabei offenbar nur zögerlich, die Überprüfung einer Adoption nach dem Adoptionsstatut spielte eine wichtige Rolle.756 Schließlich ist an dieser Stelle noch ein Blick darauf zu werfen, dass sowohl der BGH als auch Teile des Schrifttums bei der angeführten Anerkennung von Feststellungsentscheidungen in Leihmutterschaftsfällen noch explizit die dabei erfolgende „Sachprüfung“ erwähnen.757 Es stellt sich mithin die Frage, wie mit diesem Merkmal der „Sachprüfung“ umzugehen ist. Weiter oben wurde dargelegt, dass sich die liberale Anerkennung von „Entscheidungen“ allgemein mit dem Vertrauen, das in die bereits im Erlassstaat erfolgte Überprüfung gelegt wird, erklären lässt und auch mehrere Stimmen ein Prüfungsmerkmal allgemein beim Entscheidungsbegriff nennen.758 Eine Feststellungsentscheidung, die auf Basis einer Überprüfung ergeht, fügt sich also ganz ohne Schwierigkeiten in die dargelegten Anerkennungsgrundsätze ein. Die Anerkennung einer Art blinden Feststellungsentscheidung könnte demgegenüber als problematisch anzusehen sein.759 Hierfür kann man (im weiteren Sinn) einen Blick auf die von der heute herrschenden Meinung vertretene Unzulässigkeit des sog. Doppelexequatur bei Schiedssprüchen werfen. Danach ist eine ausländische Exequaturentscheidung, die einen Schiedsspruch betrifft, nicht anerkennungsfähig und kann nicht für vollstreckbar erklärt werden (§§ 328, 722 f. ZPO).760 Dies gilt (nach dieser herrschenden Meinung) ebenfalls, „wenn das aus755 Siehe hier zu den Begriffen des Dekretsystems und ihm gegenübergestellten Vertragssystem im Adoptionsrecht nur wiederum zum deutschen Recht BT-Drs. 7/3061, S. 23 f., 41. 756 Siehe die Schlussfolgerung bei Griep, Anerkennung, S. 18 f. (mit Blick auf die Rspr.); siehe zur (früheren) umstr. Anerkennungsfähigkeit bzw. den Voraussetzungen bei ausländischen Dekretadoptionen Magnus/Münzel, StAZ 1977, 65 (68). 757 So wiederum BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22); OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 2); noch KG, Beschl. v. 4. 7. 2017 – 1 W 153/16, NJW 2017, 3241 (Rn. 9); siehe aus der Lit. wiederum Duden, StAZ 2014, 164 (166); ders., Leihmutterschaft, S. 115, 117, 119 f.; noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 7. 758 Siehe hier zum Vertrauen allg. näher nur Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); zum Prüfungsmerkmal im allg. Kontext MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 10 („Beurteilung einer materiellen Rechtslage“); Geimer, IZPR, Rn. 2860 ff. Siehe näher im Zusammenhang mit der Anerkennungsfähigkeit konstitutiver Hoheitsakte oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 759 Vgl. – abl. – Hepting, StAZ 1986, 305 (307) (keine verfahrensrechtliche Anerkennung eines Adoptionsurteils, das ohne Prüfung erlassen wird – selbst wenn es gestaltender Natur ist); vgl. noch abl. im Kontext der Anerkennung nach § 2 I AdWirkG zu „rein deklaratorische[n] Entscheidunge[n]“ mangels „eigenständige[r]“ Prüfung OLG Stuttgart, Beschl. v. 21. 1. 2019 – 17 UF 25/18, FamRZ 2019, 1548 (1549) – wobei das OLG gerade auf eine Adoption, die „auf einer ausländischen Entscheidung […] beruht“, in § 1 S. 1 AdWirkG (a. F. – nunmehr in § 1 I AdWirkG; siehe wiederum Art. 3 Nr. 1 lit. a) des Adoptionshilfe-Gesetzes v. 12. 2. 2021, BGBl. 2021 I, S. 226) abstellt. 760 BGH, Urt. v. 2. 7. 2009 – IX ZR 152/06, NJW 2009, 2826 ff. (Rn. 5 ff.); MüKo-ZPO/ Gottwald, § 328 Rn. 63, § 722 Rn. 36; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 5; Musielak/Voit/ Lackmann, § 722 Rn. 3; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.36 i. V. m. Rn. 12.35; a. A. in Bezug auf die Anerkennungsfähigkeit Borges, Doppelexequatur, S. 29 ff. (grds. Anerkennungsfähigkeit als
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ländische Exequatururteil der doctrine of merger folgt“,761 d. h. eine „gleichlautende Sachentscheidung“ darstellt bzw. den Schiedsspruch „inkorporier[t]“.762 Der BGH begründet die fehlende Anerkennungsfähigkeit bzw. fehlende Fähigkeit zur Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Exequaturentscheidung, die der „doctrine of merger“ unterliegt, (u. a.) auch damit, dass eine „Umformung des Schiedsspruchs in eine prozessual selbstständige Entscheidung“ gegeben sei, „nicht jedoch […] ein Urteil auf Grund eigenständiger, nachprüfbarer Beurteilung der Sach- und Rechtslage“.763 Gegen eine Ausklammerung blinder Feststellungsentscheidungen könnte aber sprechen, dass etwa ausländische Anerkenntnisurteile als anerkennungsfähig angesehen werden.764 Darüber hinaus erwähnt der BGH das Merkmal der „Sachprüfung“ im Zusammenhang mit der Anerkennungsfähigkeit von Feststellungsentscheidungen „[i]m Gegensatz zu einer bloßen Registrierung oder Beurkundung“.765 Dies könnte also auch nur als Untermauerung der Nichtanerkennungsfähigkeit letzterer Akte zu verstehen sein und muss nicht zwingend den Rückschluss bedeuten, dass nach dem BGH auch bei klassischen, gerichtlichen Feststellungsentscheidungen für die Anerkennungsfähigkeit stets eine solche „Sachprüfung“ erforderlich ist.766 Urteil i. S. d. § 328 ZPO), S. 398 ff. i. V. m. S. 379 ff. (Anerkennungsfähigkeit einer Exequaturentscheidung des Staates des Schiedsspruchs im Rahmen des Exequaturverfahrens nach §§ 723, 328 ZPO) – wenn Exequaturentscheidungen den Schiedsspruch nur für vollstreckbar erklären, jedoch in der Regel gegen die Zulässigkeit der Klage auf Vollstreckbarerklärung nach §§ 722 f., 328 ZPO mangels Rechtsschutzbedürfnisses, S. 428 ff. 761 BGH, Urt. v. 2. 7. 2009 – IX ZR 152/06, NJW 2009, 2826 (2828, Rn. 28 ff.); MüKo-ZPO/ Gottwald, § 328 Rn. 63, noch § 722 Rn. 36; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 5; a. A. noch BGH, Urt. v. 27. 3. 1984 – IX ZR 24/83, NJW 1984, 2765 f. 762 So die Umschreibung der „doctrine of merger“ bei BGH, Urt. v. 2. 7. 2009 – IX ZR 152/ 06, NJW 2009, 2826 (2827, Rn. 14 bzw. Rn. 17); eingehend zur „doctrine of merger“ Borges, Doppelexequatur, S. 275 ff. 763 BGH, Urt. v. 2. 7. 2009 – IX ZR 152/06, NJW 2009, 2826 (2828, Rn. 30 i. V. m. Rn. 28 f.). Vgl. noch die Begründung zur Nichtanerkennungsfähigkeit gemäß Art. 21 II Brüssel IIa-VO eines staatlichen Akts, der eine religiösen Scheidung durch den „Mufti […] für vollstreckbar erklärt“, bei OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16. 1. 2006 – 1 UF 40/04, NJOZ 2006, 2652 (2654) (gegen eine Anerkennung nach Art. 21 II Brüssel IIa-VO, da bei der staatlichen „Vollstreckbarerklärung“ keine inhaltliche Prüfung erfolgt sei). 764 Dieses Beispiel anführend, um gegen das Erfordernis einer „,Entscheidung in der Sache‘ im Sinne einer vollständigen Sachprüfung durch das Gericht“ und für die Anerkennungsfähigkeit einer Exequaturentscheidung zu argumentieren, Borges, Doppelexequatur, S. 35; siehe im allg. Kontext zu § 328 ZPO und § 109 FamFG noch Geimer, IZPR, Rn. 2790 (beim Kriterium der „Sachentscheidung im hier verstandenen Sinn“ keine „vollständige[ ] (eigene[ ]) Sachprüfung“ erforderlich; dabei noch zur Anerkennungsfähigkeit von Anerkenntnisurteilen) – an anderer Stelle aber ein Prüfungsmerkmal anführend, Rn. 2860 ff.; siehe zur Anerkennungsfähigkeit von Anerkenntnisurteilen etwa noch Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 54; Zöller/ Geimer, § 328 Rn. 67; vgl. noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 470. 765 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22). 766 Vgl. auch Frie, NZFam 2018, 97 (99) („ausdrücklich i[m] Gegensatz zu einer bloßen Registrierung oder Beurkundung“), die daraus offenbar den Schluss zieht, Feststellungsentscheidungen seien unabhängig einer etwaigen „Tiefe der Sachprüfung“ anerkennungsfähig;
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Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bedarf diese Frage aber keiner näheren Erörterung. Zum einen handelt es sich bei einer blinden, ohne Prüfung ergehenden Feststellungsentscheidung um eine Sonderkonstellation, die wohl allgemein sehr selten vorkommen dürfte. Zum anderen dürfte diese Problematik, wenn man sich die hier untersuchten Rechtsordnungen vor Augen hält,767 bei den vorliegend relevanten Privatscheidungen ohnehin kaum zur Debatte stehen. Bei einer behördlich oder gerichtlich genehmigten Privatscheidung könnte zwar der ausländische Gerichts- oder Behördenakt materieller Rechtskraft bzw. funktional vergleichbarer Wirkung fähig sein wie eine gerichtliche Feststellungsentscheidung. Bei derartigen Privatscheidungen scheitert eine Anerkennung als klassische Feststellungsentscheidung mit feststellender Wirkung jedoch daran, dass der genehmigende oder ähnliche Akt, wie die hier untersuchten Privatscheidungen belegen,768 erst zwingend hinzutreten muss, damit die Privatscheidung überhaupt wirksam werden und ihre gestaltende Wirkung entfalten kann. Dem genehmigenden Akt kann daher so gesehen noch keine Wirkung dahingehend entnommen werden, dass er eine wirksame Eheauflösung in irgendeiner (verbindlichen) Weise (die einer materiellen Rechtskraft zumindest nahekommen könnte) feststellt. Eine Anerkennung als feststellend wirkende Entscheidung wäre nur möglich, wenn es sich bei dem behördlichen oder gerichtlichen Akt um einen erst später hinzutretenden Akt handelt, der eine bereits erfolgte Privatscheidung feststellt – aber gerade keine typische Registereintragung mit schlichter Beweisfunktion darstellt. Hält man sich die vorliegend untersuchten Scheidungen vor Augen, dürfte eine solche Konstellation eher äußerst selten vorkommen,769 bei (deklaratorischen) Registrierungsakten dürfte es nach dem Gesagten ja gerade regelmäßig an einer Rechtskraft- bzw. Verbindlichkeitswirkung fehlen. d) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass aus streng dogmatisch-methodischer Perspektive nicht nur konstitutive Hoheitsakte anzuerkennen sind. Auch die materielle Rechtskraft als bindende Feststellungswirkung (oder auch vgl. auch wiederum das unterschiedliche (Nicht-)Abstellen auf eine „Sachprüfung“ bei Geimer, IZPR, Rn. 2790 (nicht nötig für Vorliegen einer „Sachentscheidung“ im Gegensatz zu einem – nicht anerkennungsfähigen – „Prozessurteil“), Rn. 2860 (als erforderliches Merkmal in Abgrenzung zu einer „Urkundstätigkeit des Gerichts“ anführend). 767 Siehe hierzu die Einordnung einiger verschiedener Scheidungen als Privatscheidungen oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4). 768 Siehe die Mitwirkung des Staatsanwalts im italienischen Recht (hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(b)); sowie die gerichtliche Bestätigung des Scheidungswillens im koreanischen Recht (hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(h)). 769 So ist etwa im italienischen Scheidungsrecht ein nachfolgender, deklaratorischer Akt vorgesehen – bei diesem handelt es sich jedoch um eine Registrierung; siehe näher Süß/Ring/ Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 187, 197; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255 f. bzw. 1257).
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eine funktional vergleichbare Verbindlichkeitswirkung) ist eine verfahrensrechtlich anzuerkennende Wirkung. Ein alleiniges Abstellen auf konstitutive Hoheitsakte wäre folglich zu eng. Berücksichtigt man daneben wiederum den hinter der Anerkennung stehenden Vertrauensgedanken, ist jedenfalls ein Urteil, Beschluss oder ähnlicher Akt, der eine Privatscheidung nachprüft und dadurch erfolgte Eheauflösung in materiell-rechtskräftiger bzw. funktional vergleichbarer Weise feststellt, unproblematisch anerkennungsfähig. Aus praktischer Sicht dürften derartige Konstellationen, die eine Anerkennung als Feststellungsentscheidung erlauben, gerade mit Blick auf die hier untersuchten Privatscheidungen und Registrierungen aber sehr selten vorkommen. 3. Anerkennung kontrollierter, beständiger Privatscheidungen a) Kontrollkriterium aa) Kontrollkriterium der erweiterten Entscheidungsbegriffe (1) Erweiterter Entscheidungsbegriff bei Privatscheidungen (a) Kontrolle als zentrales Merkmal Die in Scheidungsfällen vertretenen erweiterten Ansichten, die (unter bestimmten Voraussetzungen) kontrollierte Privatscheidungen anerkennen möchten,770 unterscheiden sich zum Teil in ihren Einzelheiten. Teilweise erwähnen sie (auch) die Endgültigkeit771 oder „Verfahrenseinkleidung“772 der Scheidung. Einzugehen ist hier noch auf den bereits oben genannten BGH-Vorlagebeschluss, der mit Blick auf den Entscheidungsbegriff des § 109 FamFG, wie dort dargelegt, allerdings eine begrenzte Aussagekraft hat.773 Als Grund für das Erfordernis „konstitutive[r] Mitwirkung“ – das der BGH zwar mit Blick auf Art. 21 Brüssel IIa-VO nennt, aber im Anschluss an den Privatscheidungsbegriff im „deutschen internationalen Privatrecht“ und die Abgrenzung zur „konstitutive[n] Entscheidung“774 – sieht der BGH die „Gewähr für einen Schutz des ,schwächeren‘ Ehegatten“, die Möglichkeit, „durch
770
Siehe zum Meinungsstand oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(1). NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; dies., IntFamR, § 3 Rn. 165. 772 Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746); vgl. noch Scheftelowitz, FamRZ 1995, 593 (594) (unter Hinweis auf die „umfangreiche Gerichtsprozedur“ die Scheidung nach jüdischem Recht bereits nicht mehr als Privatscheidung einordnend); Wohlgemuth, FamRZ 2005, 1949 (1956) (die Verstoßung nach marokkanischem Recht wegen des gerichtlichen Versöhnungsund Genehmigungsverfahrens nicht mehr als „– nicht anerkennungsfähige – Privatscheidung“ ansehend). 773 Siehe zur begrenzten Aussagekraft im Rahmen des Entscheidungsbegriffs wiederum oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(2)(b). 774 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32). 771
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Ablehnung des staatlichen Mitwirkungsakts die Ehescheidung [zu] verhindern“.775 Erfasst werden soll also offenbar eine Kontrolle, bei der es der staatlichen Stelle möglich ist, die Scheidung bei negativem Kontrollergebnis zu blockieren. Sollte dieser BGH-Beschluss, der auch die „Kontrollfunktion“776 hervorhebt, als Tendenz für einen kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff auch im autonomen Recht verstanden und genutzt werden, wäre demnach also eine Kontrolle mit Versagungsmacht nötig. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass die Kontrolle als das zentrale Merkmal angesehen werden kann. Das zuerst genannte Merkmal der Endgültigkeit bzw. „endgültig wirksame[n], die Ehe auflösende[n] Scheidung“ ist jedoch nicht näher ausgeführt und findet sich eher ergänzend erwähnt, im Anschluss an die Hervorhebung der überprüfenden Tätigkeit, die eine verfahrensrechtliche Anerkennung der Scheidung rechtfertige.777 Das zweitgenannte Merkmal der Verfahrenseinbettung dürfte sich damit erklären lassen, dass sich die dortige Untersuchung weitgehend vor allem auf bestimmte Scheidungen, insbesondere der nach jüdischem Recht fokussiert, bei der die Übergabe des Scheidebriefs durch das Rabbinatsgericht überwacht wird.778 Jedenfalls erwähnen auch diese Stimmen überwiegend die staatliche Kontrolle, wenn es darum geht, bestimmte Privatscheidungen verfahrensrechtlich anzuerkennen.779 Der BGH-Vorlagebeschluss lässt schließlich ohnehin, wie gesagt, zumindest keine sicheren Rückschlüsse auf das bei § 109 FamFG geltende Entscheidungsbegriffsverständnis zu. Andere (vorsichtige Vorschläge für ein anderes Verständnis der Anerkennungsregeln) stellen ohnehin schlicht auf die Kontrolle ab.780 (b) Begrenzung auf inhaltliche bzw. materielle Kontrolle Im Zusammenhang mit dem kontrollfokussierten Entscheidungsbegriff stellt sich zunächst die Frage, welche Art der Kontrolle nach den Stimmen, die für den erweiterten Entscheidungsbegriff plädieren, vorliegen muss. Eine Antwort hierauf 775
BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 777 Siehe gerade wiederum NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; dies., IntFamR, § 3 Rn. 165. 778 Siehe gerade wiederum Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (743 ff.); Scheftelowitz, FamRZ 1995, 593 (594); noch Wohlgemuth, FamRZ 2005, 1949 (1956) (zum talaq nach marokkanischem Recht). 779 Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745 f.) (Hervorhebung der Kontrolle unter Hinweis auf die Sahyouni II-Rspr. des EuGH); vgl. noch Wohlgemuth, FamRZ 2005, 1949 (1956) („Genehmigungsverfahren[ ], bei dem sich ein Familienrichter […] ein Bild von der Ernsthaftigkeit der Ehezerrüttung machen muss“); vgl. auch Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 342 (zwar zunächst der klassischen Abgrenzung folgend, Rn. 342, 333 – aber sodann die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 109 FamFG bei gerichtlichen Verfahren, die die Scheidungsvoraussetzungen überprüfen, ins Spiel bringend). 780 So die vorgeschlagene „Alternative“ zum klassischen Entscheidungsbegriff bei Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43 f.; siehe noch Dutta, FF 2018, 60 (64). 776
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liefern zum einen nähere Umschreibungen der geforderten Überprüfung, wonach eine Prüfung der sachlichen Scheidungsvoraussetzungen gegeben sein müsse781 bzw. von einer Bewilligung, Bestätigung oder Genehmigung die Rede ist.782 Zum anderen helfen die dabei vereinzelt angeführten Negativabgrenzungen weiter. Eine bloße Überprüfung „von Formfragen“ (nach Verweis auf die Sahyouni II-Formel des EuGH) genüge nicht;783 eine „bloße Registrierung“ reiche nicht aus.784 Vereinzelt weisen Vertreter dieses Entscheidungsbegriffs noch darauf hin, dass § 109 FamFG wie § 107 FamFG nur von „Entscheidungen“ spricht und zu § 107 FamFG ein sehr weites Verständnis herrschend ist. Sie sehen bei § 109 FamFG „kein[en] Grund, den Begriff der ,Entscheidung‘ […] anders zu verstehen“.785 Allerdings werden bei § 107 FamFG, wie gesehen, auch schlicht registrierte Privatscheidungen erfasst786 – wohingegen nach den (genannten) Vertretern des erweiterten Entscheidungsbegriffs gerade (nur) kontrollierte Privatscheidungen verfahrensrechtlich anerkannt werden sollen.787 Von einer völligen Gleichsetzung der Begriffe kann also nicht gesprochen werden. (c) Irrelevanter Zeitpunkt der Kontrolle Hieran anschließend ist zu betrachten, welche Kontrollakte in zeitlicher Hinsicht nach dem erweiterten Entscheidungsbegriff erfasst sein sollen. Bisweilen wird, wie gerade gesehen, von Bewilligungen und Bestätigungen,788 teilweise von vorherigen Überprüfungen oder nachträglichen Genehmigungen789 gesprochen. Andere For-
781 Von einer „Prüfung der Begründetheit“ sprechend NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; vgl. noch dies., IntFamR, § 3 Rn. 165; Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745). 782 Zu ersteren Begriffen NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; zu letzterem Begriff Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 44 (im Kontext seiner „Alternative“ (Rn. 43) zum herrschenden Entscheidungsbegriff); vgl. noch Wohlgemuth, FamRZ 2005, 1949 (1956) („Genehmigungsverfahren[ ]“). 783 Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 165. 784 Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 44 im Rahmen seiner „Alternative“ (Rn. 43) zum bisherigen Entscheidungsbegriff. 785 Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746). 786 Siehe hier nur BGH, Beschl. v. 28. 11. 2018 – XII ZB 217/17, NJW 2019, 931 (932, Rn. 15); Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 58; hierzu näher oben unter § 4 A.II.1. m. w. N. 787 Wiederum Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745 f.). 788 NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84. 789 Beides bei der dort präsentierten „Alternative“ zum bisherigen Entscheidungsbegriff nennend Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43 f.; ähnlich Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 165 („durch Entscheidung ermöglicht“); im Rahmen der möglicherweise analogen Anwendung des § 109 FamFG nur ein „vorhergehen[des]“ gerichtliches Verfahren erwähnend Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 342.
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mulierungen sind etwas offener gestaltet,790 dürften daher aber ebenfalls verschiedene Kontrollakte erfassen. Im Ergebnis differenzieren Vertreter des erweiterten Entscheidungsbegriffs folglich nicht danach, ob es sich um einen vorherigen, die Privatscheidung erlaubenden oder um einen die Scheidungsvereinbarung nachträglich beurteilenden Kontrollakt handelt. (2) Vergleichbares Kontrollkriterium in Adoptions- und Leihmutterschaftsfällen Im Anschluss hieran kann man sich in Erinnerung rufen, dass insbesondere in internationalen Adoptions-, aber auch Leihmutterschaftsfällen ähnliche Entscheidungsbegriffe vertreten werden. Dort erfolgt vor allem (überwiegend) eine Anerkennung im Falle bestätigter und (strittiger) im Falle bewilligter Vertragsadoptionen oder auch (nach umstrittener Ansicht) eine Anerkennung der Abstammung bei bewilligten Leihmutterschaftsvereinbarungen.791 Auch diese Ansichten konzentrieren sich also bei der Anerkennung, wenn ein vertragliches Geschehen gegeben ist, auf das Kontrollmerkmal, wobei teilweise ebenfalls weitere Merkmale genannt werden.792 An dieser Stelle ist nun ein genauerer Blick auf das Verständnis des Kontrollmerkmals zu werfen. Rechtsprechung und Schrifttum stellen bei der Anerkennung kontrollierter Vertragsadoptionen weitgehend darauf ab, ob die „gesetzlichen Voraussetzungen“ der Adoption,793 vor allem das Kindeswohl794 überprüft worden sind,
790 Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746) (von einer „staatliche[n] Verfahrenseinkleidung“ und mit Blick auf den EuGH von einer „Kontrolle über den Scheidungsakt“ sprechend); siehe noch vorsichtig Dutta, FF 2018, 60 (64) („kontrollierte[ ] Privatscheidung“). 791 Näher hierzu oben unter § 4 C.I.2.a)dd) und § 4 C.I.2.b)ee)(1). 792 In Adoptionsfällen noch die „Anhörung“ erwähnend OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. 1. 1985 – 3 W 149/84, StAZ 1985, 132 (133); BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 174; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; zu § 16a FGG a. F. Benicke, Adoptionsrecht, S. 189; eine Versagungsbefugnis anführend NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; schon König, Annahme, S. 20; im Kontext der Leihmutterschaftsfälle ein „formale[s] Verfahren“ und eine Versagungsmacht erwähnend Benicke, StAZ 2013, 101 (105). 793 KG, Beschl. v. 4. 4. 2006 – 1 W 369/05, FamRZ 2006, 1405 (1406); noch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. 1. 1985 – 3 W 149/84, StAZ 1985, 132 (133); siehe MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90; Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 98; zu § 16a FGG a. F. Henrich, IntFamR, S. 330; vgl. BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 174 („formelle[ ] und materielle[ ] Voraussetzungen“); ebenso NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; zu § 16a FGG a. F. ebenso schon Benicke, Adoptionsrecht, S. 189; noch Looschelders, Art. 22 Rn. 33 („materielle[ ] Voraussetzungen“); vgl. noch Hepting, StAZ 1986, 305 (306) („in vollem Umfang rechtlich überprüft“). 794 KG, Beschl. v. 4. 4. 2006 – 1 W 369/05, FamRZ 2006, 1405 (1406); noch OLG Düsseldorf, Beschl. vom 18. 1. 2011 – I-25 Wx 28/10, FamRZ 2011, 1522 (1523); Staudinger/ Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 98; zu § 16a FGG a. F. Looschelders, Art. 22 Rn. 33; Henrich, IntFamR, S. 330; demgegenüber die Kindeswohlkontrolle nicht als „Voraussetzung“ ansehend, wenn das materielle Adoptionsrecht eine solche nicht verlangt, MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21.
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also eine „inhaltliche Prüfung“795 stattgefunden hat. Bloße Registrierungen oder das Ausstellen einer Adoptionsurkunde reichten, wie schon oben zu den sog. reinen Vertragsadoptionen aufgeführt, nicht aus.796 Diejenigen, die bei bewilligten Leihmutterschaften auf die verfahrensrechtliche Anerkennung zurückgreifen möchten, erwähnen als Kriterium ebenfalls eine inhaltliche Überprüfung, die Überprüfung der Voraussetzungen der Leihmutterschaft.797 Daneben kann noch auf die Negativabgrenzung geschaut werden, denn teilweise wird bei Registrierungen mit einer ungenügenden Prüfungstätigkeit argumentiert. Jede Registrierung, so das OLG Hamm zu einer Registrierung mit (angeblicher) „Sachprüfung“, erfordere eine gewisse Prüfung, da es stets einer Rechtsgrundlage für die Eintragung bedürfe – die dort zur Debatte stehende Registrierung (durch das ukrainische Standesamt) erfolge allerdings lediglich anhand vorgelegter Dokumente und daher gerade nicht aufgrund einer „weitergehende[n] Prüfung“.798 Auch das Schrifttum betont in Leihmutterschaftsfällen vereinzelt, dass die nötige, beschriebene Prüfung bei Registrierungen oder Beurkundungen prinzipiell fehle;799 Gerichte oder Behörden stützten sich grundsätzlich auf die Angaben der Beteiligten.800 Schließlich findet sich noch das Verständnis, die Registrierung sei schlichte Formvorschrift, „wenn das Ergebnis ohne Weiteres vorgezeichnet ist“, was gegen eine Anerkennung spreche; der Akt sei 795 MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90; vgl. AG Frankfurt a. M., Beschl. v. 2. 11. 2017 – 470 F 16032/17 AD, FamRZ 2018, 365 (366); wiederum noch BeckOGK-EGBGB/ Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 174 („formelle[ ] und materielle[ ] Voraussetzungen“); ebenso NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 93 („formell[e]“ Mitwirkung von „sachlich-inhaltliche[r] Prüfung“ abgrenzend); zu § 16a FGG a. F. schon Benicke, Adoptionsrecht, S. 189; noch Looschelders, Art. 22 Rn. 33 („materielle[ ] Voraussetzungen“); Henrich, IPRax 1983, 194 (keine Anerkennung bei Mitwirkung mit „nur formale[r] Bedeutung“). 796 BayObLG, Beschl. v. 11. 11. 1999 – 1Z BR 155/98, BayObLGZ 1999, 352 (356) („ausführende Akte“); OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. 1. 1985 – 3 W 149/84, StAZ 1985, 132 (133); zur Registrierung BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 174; MüKoBGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; Staudinger/ Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 98; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 93; zu § 16a FGG a. F. Henrich, IntFamR, S. 330; siehe zur fehlenden Anerkennungsfähigkeit solcher Akte noch – ohne auf einen Adoptionsvertrag einzugehen – OLG Zweibrücken, Urt. v. 16. 3. 2004 – 5 UF 123/03, FamRZ 2004, 1516 (1517); siehe schon zu den sog. reinen Vertragsadoptionen oben unter § 4 C.I.2.a)cc). 797 Nachdrücklich Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (67 f.); ebenso – aber nur gerichtliche Mitwirkungsakte erwähnend – Benicke, StAZ 2013, 101 (105); insbesondere die „inhaltliche Prüfung […] der Zulässigkeitsvoraussetzungen“ hervorhebend noch MüKo-BGB7/ Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 69. 798 OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16, BeckRS 2017, 155899 (dort Rn. 45 ff.) (in der Vorinstanz zu BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 530/17, BGHZ 221, 300). 799 Duden, StAZ 2014, 164 (166) (keine „eigenständige Sachprüfung“); nach Untersuchung von Abgrenzungsproblemen von „Subsumption“ und (im Einzelnen unterschiedlich ausgeprägter) gerichtlicher Prüfungstätigkeit letztendlich krit. dazu, die „Tiefe der Sachprüfung“ als entscheidendes Ausschlussmerkmal zu nutzen, aber Frie, NZFam 2018, 97 (98 f.). 800 Duden, Leihmutterschaft, S. 116.
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dann „letztlich schwerpunktmäßig als rein formale Dokumentation zu qualifizieren“.801 (3) Zwischenergebnis Die erweiterten Entscheidungsbegriffe fokussieren sich auf die Anerkennung kontrollierter Privatakte. Diejenigen, die den erweiterten, kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff vertreten (und zwar auch im internationalen Adoptions- bzw. Abstammungsrecht), fordern eine inhaltliche, materielle und nicht bloß formelle Kontrolle. Registrierende oder beurkundende Akte reichen demnach nicht aus. Bisweilen wird negativ auch mithilfe des Merkmals eines Formerfordernisses bzw. bestimmter Funktionen abgegrenzt. Im autonomen Recht erfassen die derart erweiterten Entscheidungsbegriffe weit verbreitet nachträgliche und – teilweise umstrittener – auch vorangehende Kontrollakte. Die nachfolgende Untersuchung konzentriert sich auf das zentrale Kriterium der inhaltlichen Kontrolle der erweiterten Entscheidungsbegriffe. Auf die daneben erwähnten Kriterien bzw. die Frage des Zeitpunktes des Kontrollakts wird ergänzend bzw. im Anschluss an das weitere Kriterium der Beständigkeit eingegangen.802 bb) Rechtfertigung des Kontrollkriteriums aus funktional-teleologischer Sicht (1) Argumentative Abgrenzung zu § 107 FamFG Zwar berufen sich einzelne Vertreter des erweiterten Entscheidungsbegriffs im Schrifttum auch darauf, der „Begriff der ,Entscheidung‘“ sei nicht anders aufzufassen als in § 107 FamFG.803 Es wurde jedoch bereits dargelegt, dass diese Stimmen selbst einen sich an der Kontrolle orientierenden Entscheidungsbegriff befürworten – bei § 107 FamFG allerdings auch schlicht registrierte Privatscheidungen erfasst werden, weshalb die Argumentation bereits insofern abgeschwächt ist.804 Außerdem sind die Vorschriften, wie weiter oben angeführt, ohnehin nicht vergleichbar.805 § 107 FamFG soll eine sichere, einheitlich bindende Feststellung (§ 107 IX FamFG) darüber, ob die ausländische Scheidung im Inland anzuerkennen ist, ermöglichen.806 Bei § 109 FamFG geht es jedoch um die Anerkennung(svoraussetzungen) selbst, und
801 Diel, Leihmutterschaft, S. 158 (jedoch insofern – nach der vorliegenden Terminologie ungenau – von einer „konstitutive[n]“ Registereintragung sprechend). 802 Näher unten unter § 4 C.II.3.a)bb)(4), § 4 C.II.3.b)dd) und § 4 C.II.3.c). 803 Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746). 804 Hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)aa)(1)(b). 805 Siehe weiter oben unter § 4 A.II.1. 806 Siehe an dieser Stelle nur (zur Vorgängernorm) BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (42 f.); zum Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens nur Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 1 f. m. w. N.
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zwar darum, die Entscheidung ohne umfassende Nachprüfung anzuerkennen.807 Die Vorschriften betreffen also unterschiedliche Anerkennungsschritte, in denen es zudem um unterschiedliche Interessen geht, und können folglich – wie insbesondere auch diejenigen, die den herrschenden Entscheidungsbegriff vertreten, hervorheben – nicht schlicht deckungsgleich verstanden werden.808 Dies geben auch die zuvor genannten Vertreter des erweiterten Entscheidungsbegriffs, die sich auf die Parallele zu § 107 FamFG berufen, zu.809 Eine derartige Argumentation ist daher nicht überzeugend und muss außer Betracht bleiben. (2) Rechtfertigung aus funktionaler Sicht Vertreter der Ansicht, die die Abstammung auch im Falle einer bewilligten Leihmutterschaft verfahrensrechtlich anerkennen möchten, heben dabei bisweilen hervor, dass Maßstab nicht die „formale Konstruktion“810 bzw. anstelle „formalistische[r] Kriterien“ eine „funktionale Betrachtung“ maßgeblich sei.811 Dem ist zuzustimmen, weil der Entscheidungsbegriff des § 109 FamFG im Wege einer funktional-teleologischen Qualifikationsmethode zu bestimmen ist.812 Wie bereits die kritische Untersuchung zum konstitutiven Hoheitsakt als Merkmal des herrschenden Entscheidungsbegriffs gezeigt hat, wird aber (u. a.) bei Scheidungen die Bedeutung der hoheitlichen Kontrolltätigkeit als gering eingestuft und der herrschende Entscheidungsbegriff deswegen kritisiert.813 Aufgrund dessen plädieren kritische Stimmen gar dafür, auch registrierte Privatscheidungen anzuer807 Nachdrücklich zum Unterschied Gärtner, Privatscheidung, S. 182 (die Vorgängernorm des § 107 FamFG, Art. 7 § 1 FamRÄndG, als „das ,verfahrensrechtliche Gewand‘“ bezeichnend – die Vorgängernorm des § 109 FamFG für Scheidungen, § 328 ZPO, als eine Vorschrift, die „den materiellrechtlichen Standard festlegt“). 808 So nachdrücklich für einen engen Entscheidungsbegriff in Art. 21 Brüssel IIa-VO Gärtner, Privatscheidung, S. 337 (bei der Vorgängernorm des § 107 FamFG, Art. 7 § 1 FamRÄndG, führe ein weites Verständnis zu „mehr Rechtssicherheit“ – bei Art. 21 Brüssel IIa-VO wegen der fehlenden „Wirksamkeitsüberprüfung“ zu einem „Weniger an Schutz“), die hierbei auf das autonome Recht verweist und dort (bei § 328 ZPO) nur konstitutive hoheitliche Scheidungen verfahrensrechtlich anerkennen möchte, S. 179. Vgl. Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 159 (Anerkennungsverfahren des Art. 7 § 1 FamRÄndG als „Kompetenzfrage“ – Anerkennungsvoraussetzungen als „Frage des IZPR oder IPR“); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (11). Zur Differenzierung von Anerkennungsverfahren und -maßstab noch BeckOK-FamFG/ Sieghörtner, § 107 Rn. 20; MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 26; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 40 f.; Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 19, § 108 FamFG Rn. 101; Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (338 f.); Krömer, StAZ 2019, 309 (310 f.). 809 Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746). 810 Benicke, StAZ 2013, 101 (105); siehe zur umstr. Behandlung bewilligter Leihmutterschaften m. w. N. oben unter § 4 C.I.2.b)ee)(1). 811 Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (68). 812 Siehe allg. zur funktionalen Qualifikation lege fori mit Blick auf den Entscheidungsbegriff oben unter § 4 A.I.3. 813 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2).
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kennen.814 Deren Kritik lässt sich daher nicht nur als eine solche am herrschenden Entscheidungsbegriff mit seinem Konstitutivmerkmal verstehen, sondern legt nahe, dass diese Stimmen auch das Merkmal der inhaltlichen Kontrolle als ungerechtfertigt enges Merkmal ansehen. Im Kontext der Leihmutterschaftsfälle und der Frage nach der Anerkennung von Registrierungen findet sich vereinzelt schließlich noch generelle Skepsis zumindest an der „Tiefe der Sachprüfung […] als Maßstab für das Vorliegen einer ,Entscheidung‘“.815 Wie bereits im Zusammenhang mit der Kritik an der herrschenden Meinung dargelegt, ist die praktische Bedeutung der Kontrolle bei gerichtlichen Scheidungen zwar gering.816 Trotz der konstitutiven Natur wird bei der deutschen Scheidung gar von einer „in der Realität letztlich […] beurkundende[n] Funktion des Gerichts“ gesprochen.817 Danach scheint es gleichermaßen problematisch, die inhaltliche Kontrolle als Merkmal für den Entscheidungsbegriff zu nutzen. Allerdings wurde oben auch aufgezeigt, dass jedenfalls aus deutscher gesetzlicher Sicht bei der Scheidung eine Überprüfung vorgesehen ist und dass – aus generellerer Sicht – die kontrollierende Tätigkeit des Gerichts auch Grund dafür ist, warum in bestimmten Fällen ein konstitutives Urteils anstelle eines privaten Gestaltungsakts nötig ist.818 Hierbei ist wiederum auf die Aussage des BGH in seiner – wenngleich in der Bedeutung für das autonome Anerkennungsrecht zweifelhaften819 – EuGH-Vorlage zurückzugreifen, wonach nicht die „in der Praxis dann regelmäßig aus[ge]üb[te]“ Kontrolle beachtlich ist.820 Folglich ist es gerechtfertigt, bei einer „funktionale[n] Betrachtung“821 das Kontrollkriterium als Abgrenzungskriterium für den Entschei814 Vgl. die Befürwortung der Anerkennung registrierter Vertragsscheidungen nach den zukünftigen Artt. 65 ff. Brüssel IIb-VO bei Antomo, StAZ 2020, 33 (43) („[…] spiegelt […] Trend in vielen Mitgliedstaaten zu mehr Autonomie im Scheidungsrecht wider.“); siehe insbesondere die vehemente Kritik an der herrschenden Abgrenzung bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (348), der nachdrücklich betont, dass „[i]n gerichtlichen Scheidungsverfahren […] materielle Kriterien, die einer sorgfältigen richterlichen Überprüfung bedürfen, immer weniger“ bedeutend seien und – de lege ferenda – für eine Anerkennung auch registrierter Scheidungen plädiert (350); ebenso schon ders., in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (440 ff.); siehe noch Antomo, StAZ 2019, 33 (34); dies., NZFam 2018, 243 (246). 815 Vgl. – nach Untersuchung verschiedener gerichtlicher Überprüfungstätigkeiten – Frie, NZFam 2018, 97 (98 f.) („scheint […] nur bedingt geeignet“). 816 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2). 817 Coester-Waltjen, JZ 2017, 1073 (1079) (daher für eine Privatscheidung im deutschen Recht plädierend); ebenso für die Scheidung nach spanischem Recht Martiny, StAZ 2011, 197 (198); allg. in Bezug auf heutige gerichtliche Scheidungen Hepting/Dutta, Familie, Rn. III-502; ähnlich für die deutsche Scheidung („letztlich nur noch formalistische Einschaltung“) CoesterWaltjen, IPRax 2018, 238 (242); noch Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (432) („oftmals als reine Formalie“). 818 Nachdrücklich Bötticher, in: FG Rosenberg, S. 73 (82 f.); siehe zur Bedeutung der Kontrolle bei Gestaltungs- bzw. Scheidungsurteilen oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2) m. w. N. 819 Siehe hierzu wiederum oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(2)(b). 820 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 821 Wiederum Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (68).
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dungsbegriff zu berücksichtigen. Der erwähnten generellen Skepsis an einer Unterscheidung anhand der „Tiefe der Sachprüfung“822 können außerdem zweierlei Gesichtspunkte entgegengehalten werden. Zum einen geht es vorliegend um das Merkmal der Kontrolle im Sinne einer inhaltlichen Prüfung als solches und nicht um deren besondere Tiefe;823 zum anderen geht es um die Anerkennungsfähigkeit eines scheidenden Privatakts unter staatlicher Mitwirkung und seiner funktionalen Gleichstellung auf internationaler Ebene mit einer gerichtlichen Scheidungsentscheidung.824 Einer womöglich zu weitreichenden Erfassung von behördlichen, registrierenden Akten825 lässt sich zudem dadurch begegnen, dass man das Kontrollmerkmal nicht als alleiniges Merkmal für den Entscheidungsbegriff nutzt.826 An dieser Stelle ist schließlich noch zu beachten, dass der BGH in dem zuvor zitierten Vorlagebeschluss bei der „konstitutive[n] Mitwirkung“ von einer „Gewähr für einen Schutz des ,schwächeren‘ Ehegatten vor Nachteilen“ spricht.827 Sollte man diese Schutzgewährargumentation, die die Scheidungsfolgen („Nachteile[ ] im Zusammenhang mit der Scheidung“) im Blick hat,828 für einen kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff im autonomen Recht aufgreifen wollen, wäre dem die gesetzliche Ausgangssituation bei der Scheidung im deutschen Recht entgegenzuhalten. Da bereits gesetzlich nur noch sehr eingeschränkt, in bestimmten Fällen des Versorgungsausgleichs, ein zwingender Verbund mit Scheidungsfolgesachen vorgesehen ist (§ 137 II 1 i. V. m. S. 2 FamFG),829 ist von einer insgesamt geringeren Bedeutung des Schutzes830 auszugehen. Das Kontrollkriterium als Abgrenzungs822
Wiederum Frie, NZFam 2018, 97 (99). Zur genauen (praktischen) Handhabung bzw. zum (praktischen) Verständnis des Kontrollmerkmals unten unter § 4 C.II.3.a)cc)(2). 824 Gerade im Rahmen der aufgeworfenen Skepsis werden aber insbesondere Registrierungen im Vergleich zu Feststellungsentscheidungen in den Fokus genommen; siehe Frie, NZFam 2018, 97 (99). 825 Dies scheint ein weiterer Kritikpunkt im Rahmen der soeben erörterten Skepsis zu sein bei Frie, NZFam 2018, 97 (99). 826 Siehe noch eingehend zum weiteren Merkmal der Beständigkeit der Scheidung unten unter § 4 C.II.3.b). 827 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 828 Vgl. wiederum – wenngleich, wie gesagt, in Bezug auf Einzelheiten des Entscheidungsbegriffs des § 109 FamFG zweifelhaft – BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 829 Hierzu etwa MüKo-FamFG/Heiter, § 137 Rn. 35; noch Keidel/Weber, § 137 Rn. 23; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 69; Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 137 Rn. 1 („Anordnung des Mindestverbundes“); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 168 Rn. 8. 830 Siehe auch Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 101a („Schutz wird freilich nur unvollständig erreicht“); Heiderhoff, NZFam 2018, 533 (534) (wegen des begrenzten Zwangsverbunds „Schutzfunktion […] nur schwach ausgeprägt“). Vgl. zum gerichtlichen Schutz beim Versorgungsausgleich Heiderhoff, NZFam 2018, 533 (534 bzw. 542) („ganz deutlich“ bzw. „Hier ist das Gericht im geltenden Recht noch echte Kontrollinstanz.“); noch Musielak/Borth/ Borth/Grandel, § 137 Rn. 1 („Schutzgedanke“). Vgl. allg. zum Schutzzweck und der aber grds. nicht zwingenden Natur MüKo-FamFG/Heiter, § 137 Rn. 2 („Schutzfunktion“) i. V. m. Rn. 11 823
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kriterium für den Entscheidungsbegriff ist also nicht in besonderem Maße scheidungsfolgenschutzspezifisch zu verstehen. (3) Rechtfertigung vor dem (teleologischen) Hintergrund des § 109 FamFG Die Vertreter des erweiterten Entscheidungsbegriffs argumentieren vor allem damit, dass es bei einer gerichtlichen bzw. behördlichen überprüften Scheidung keiner weiteren Nachprüfung mehr bedürfe.831 Auch Vertreter der herrschenden Ansicht, die bestätigte Vertragsadoptionen anerkennen möchte, stützen sich auf eine solche Argumentation.832 Wie schon oben, zur Schwäche des Merkmals des konstitutiven Hoheitsakts angeführt, stellen einzelne Stimmen dabei auf die gerichtliche oder behördliche „Verantwortung“833 oder knapp auf das Überwiegen des „prozeßrechtliche[n] Element[s]“ bei einer Überprüfung834 ab. Auch einzelne Befürworter der Ansicht, die die Abstammung bei einem die Leihmutterschaft bewilligenden Akt anerkennen möchte, erwähnen bisweilen, für die Anwendung der Anerkennungsregeln müsse deren „Sinn und Zweck“ ausschlaggebend sein, und nennen dabei (u. a.) wiederum die nicht mehr nötige Nachprüfung.835 Außer Betracht bleiben soll an dieser Stelle der dortige Verweis auf das Verfahren,836 da dies Gegenstand der weiteren Frage ist, ob es zusätzlich eines verfahrensbezogenen Merkmals bedarf.837 Diejenigen, die für einen erweiterten Entscheidungsbegriff in Scheidungsfällen plädieren, stellen schließlich vereinzelt gerade noch darauf ab, dass nach dem Sinn (Entstehung des Verbunds „haben in erster Linie die Ehegatten in der Hand“); noch Musielak/ Borth/Borth/Grandel, § 137 Rn. 1 i. V. m. Rn. 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 168 Rn. 1, 8 f.; krit. mit Blick auf eine etwaige Privatscheidungsreform in Deutschland die Bedeutung des Verbunds als „ein[en] wesentliche[n] Schutzmechanismus des deutschen Verfahrensrechts“ hervorhebend aber Dutta, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 31 (54 f.). 831 Vgl. Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745); siehe noch Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43 f. (als „Alternative“ zum bisherigen Entscheidungsbegriff könnte in diesen Fällen auf die „Prüfung des anwendbaren Rechts verzichtet werden“). Ähnlich, nämlich das Argument anführend, eine Anwendung des § 109 FamFG bei erfolgter Überprüfung sei „sachgerechter“, NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; dies., IntFamR, § 3 Rn. 165; siehe auch Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 342 (trotz Festhaltens an der klassischen Abgrenzungsformel bei vorangehender gerichtlicher Überprüfung die Frage einer analogen Anwendung des § 109 FamFG aufwerfend). 832 So argumentieren einige explizit, infolge einer derartigen Kontrolle bestünde kein Bedürfnis mehr für eine Wirksamkeitsprüfung nach den Regeln des internationalen Privatrechts; so zu § 16a FGG a. F. eingehend Benicke, Adoptionsrecht, S. 188 f.; Hepting, StAZ 1986, 305 (306); siehe noch MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 85; siehe zur verbreiteten Anerkennung bestätigter Vertragsadoptionen m. w. N. oben unter § 4 C.I.2.a)dd)(1). 833 MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90 („tatsächlich die Verantwortung für die materiellrechtliche Richtigkeit der Adoption getragen“). 834 Henrich, IPRax 1983, 194. 835 Benicke, StAZ 2013, 101 (105), der hierbei auch von einer „Prämisse der Gleichwertigkeit ausländischer und inländischer gerichtlicher Verfahren“ spricht; zum Meinungsstand bei bewilligten Leihmutterschaften m. w. N. oben unter § 4 C.I.2.b)ee)(1). 836 Wiederum Benicke, StAZ 2013, 101 (105) („in einem formellen Verfahren“). 837 Hierzu unten unter § 4 C.II.3.c).
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und Zweck der Anerkennung hinkende Rechtsverhältnisse vermieden werden sollen.838 Darauf stützt sich auch die Mindermeinung, nach der Registerakte, die die Abstammung überprüfen, anerkennungsfähig sind.839 Das Kontrollmerkmal lässt sich in der Tat aus den angeführten, auf den (teleologischen) Hintergrund der Anerkennung abstellenden Blickwinkeln rechtfertigen. Zunächst lässt sich hierfür auf die Grundsätze zurückgreifen, die bereits bei der Frage der überprüfenden Rolle bei konstitutiven Hoheitsakten und der Anerkennungsfähigkeit überprüfender Feststellungsentscheidungen erörtert wurden.840 Die Anerkennung beruht, wie dort gesehen, im Wesentlichen darauf, dass dem hoheitlichen Handeln eines anderen Staates Vertrauen zugestanden und daher von einer umfassenden Nachprüfung abgesehen wird.841 Gerade hierauf ist, wie erörtert, auch die Unzulänglichkeit des Konstitutivmerkmals zu stützen, da diese Gesichtspunkte nicht nur bei einem konstitutiven Hoheitsakt, sondern etwa auch bei einem genehmigten Privatakt greifen können.842 Unter diesem Blickwinkel ist das Kriterium einer sachlichen Kontrolle843 für die Anerkennung von Privatscheidungen folglich berechtigt. Umgekehrt stützen sich die ebenfalls dort zitierten Negativabgrenzungen der Ansichten, die einen erweiterten, kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff vertreten, somit zu Recht auf die fehlende Sachprüfung bei bloßen Registrierungen. Bei solchen Akten fehlt es am „Erkenntnisakt“,844 dem vertraut werden könnte.845 Auch bei der bloßen Aufnahme in eine Urkunde lässt sich entsprechend nicht von einer Kontrolle sprechen, für die eine Stelle „die Verantwortung übernimmt“.846 Im Wege der verfahrensrechtlichen Anerkennung sollen außerdem, wie ebenfalls oben dargestellt, hinkende Rechtsverhältnisse vermieden werden.847 Gerade bei Privatscheidungen im Heimatstaat kann es zu sog. hinkenden Scheidungen kommen, was, wie gesehen, ein weiterer Kritikpunkt am herrschenden, sich auf konstitutive Ho838
Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (745). OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1498) (jedoch aufgehoben durch BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608); ebenso Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 9; sich (dem OLG Celle zustimmend) insbesondere auf dieses Argument stützend noch Biermann, NZFam 2017, 662 (663); Löhnig, NZFam 2018, 38; Unger, FamRZ 2017, 1499; siehe zum Meinungsstand bei überprüfenden Registerakten m. w. N. oben unter § 4 C.I.2.b)ee)(2). 840 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1) und § 4 C.II.2.c). 841 Siehe hier nur Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624). 842 Siehe wiederum oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2). 843 Siehe zu diesem Verständnis der erweiterten Entscheidungsbegriffe oben unter § 4 C.II.3.a)aa). 844 Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 108 FamFG Rn. 2. 845 Vgl. zu Art. 21 Brüssel IIa-VO Staudinger/Spellenberg, Art. 21 Brüssel IIa-VO Rn. 20; vgl. ebenso nunmehr BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 846 Vgl. Geimer, IZPR, Rn. 2860 unter Hinweis auf RG, Urt. v. 22. 4. 1932 – VII 215/31, RGZ 136, 142 (147). 847 Siehe hier nur Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 3; näher oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(1). 839
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heitsakte fokussierenden Entscheidungsbegriff ist.848 Mit seinem erweiterten Verständnis kann der Entscheidungsbegriff, der auch sachlich kontrollierte Privatscheidungen erfasst, dabei in einigen Fällen Abhilfe schaffen. (4) Rechtfertigung des kontrollergänzenden Merkmals der Versagungsmacht Im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen ist ein Blick auf das kontrollergänzende Merkmal der Versagungsmacht zu werfen, welches in internationalen Adoptions- bzw. Leihmutterschaftsfällen zum Teil ausdrücklich Erwähnung findet. Danach muss die überprüfende Stelle die Rechtsmacht haben, bei negativem Prüfergebnis nicht mitzuwirken.849 Ein solches Merkmal deutet sich auch in der schon mehrfach zitierten BGH-Vorlage an den EuGH an,850 wobei diese, wie gesehen, zwar zunächst auch auf das deutsche Verständnis eingeht, letztlich aber Art. 21 Brüssel IIa-VO betrifft und daher nur zweifelhafte, bedingte Aussagekraft für § 109 FamFG hat.851 Das kontrollergänzende Merkmal der Versagungsmacht erweist sich aus den gleichen Gründen, die zuvor für das Kontrollmerkmal selbst als Rechtfertigung herangezogen wurden, als folgerichtig; denn andernfalls, ohne eine solche Verweigerungsmacht, käme der Akt funktional852 wiederum einer bloßen Registrierung nahe, was unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Kontrolle, wie zuvor dargelegt, unzureichend ist. (5) Keine Rechtfertigung aus dem abgeschlossenen Charakter der Scheidung Bei denjenigen, die zu § 109 FamFG einen erweiterten Entscheidungsbegriff vertreten, findet sich des Weiteren bisweilen der Hinweis, dass es sich bei einer überprüften Privatscheidung um eine schon erfolgte Scheidung („bereits getroffene[ ] Statusbeendigung“) handelt, für welche die Rom III-VO gerade nicht gedacht sei.853 Zu beachten ist, dass diese Argumentation zwar vor der Neuregelung des
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Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(2). Im Adoptionskontext NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; bereits König, Annahme, S. 20; im Leihmutterschaftskontext Benicke, StAZ 2013, 101 (105) (lediglich gerichtliche Mitwirkungsakte untersuchend). Vgl. noch im Rahmen des Gerichtsbegriffs der Rom III-VO das Heranziehen einer „Weigerungs- oder Widerspruchspflicht“ als maßgeblichen Faktor für eine – nach dortigem Verständnis – „konstitutiv[e]“ Mitwirkung bei BeckOGKRom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16. 850 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 851 Dazu wiederum oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(2)(b). 852 Zur Maßgeblichkeit einer funktionalen Qualifikation lege fori wiederum oben unter § 4 A.I.3. 853 So unter Berufung auf die EuGH-Rspr. zur Rom III-VO Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (744). 849
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Art. 17 II EGBGB erfolgte,854 sich aber auf das Sahyouni II-Urteil des EuGH stützt. Auch für die verfahrensrechtliche Anerkennung der Gestaltungswirkung (und gegen die sog. lex causae-Theorien)855 wird teilweise angeführt, Art. 17 EGBGB regele nur, welches Scheidungsrecht im Scheidungsverfahren vor deutschen Gerichten anzuwenden ist.856 Erwähnenswert ist in diesem Kontext noch die Begründung insbesondere Basedows. Dieser stellt zwar auf die „Doppelnatur von Gestaltungsurteilen“ ab,857 schreibt die „Gestaltungswirkung […] dem Privatrecht“ zu858 und stuft (zur Zeit der Geltung des § 328 I Nr. 3 ZPO a. F.) die Norm des § 328 ZPO letztendlich als eine Norm nicht nur des internationalen Zivilprozessrechts, sondern auch als eine mit international privatrechtlichem Charakter ein.859 Hierbei beruft er sich aber auch darauf, dass nicht der damalige Art. 17 EGBGB, sondern § 328 ZPO die „Wirkungen von Auslandsscheidungen“ regeln soll.860 Als Stütze zieht Basedow die Entstehungsgeschichte zu Art. 17 EGBGB a. F. heran, bei der man „nur die Scheidung von Ehen in Deutschland vor Augen hatte“.861 Für die vorliegende Qualifikationsfrage des heutigen Entscheidungsbegriffs helfen solche Überlegungen aber nicht weiter; insbesondere kann das Argument, die Rom III-VO sei für eine schon kontrollierte und erfolgte Privatscheidung als unpassend anzusehen,862 angesichts der heutigen Rechtslage nicht abschließend überzeugen. Zwar ist, wie anfangs erläutert, in der Tat anzunehmen, dass der EuGH die Rom III-VO nicht auch als eine Art „Anerkennungsregeln“ für schon durchgeführte Scheidungen betrachtet.863 Auch lässt sich allgemein darauf hinweisen, dass die Regeln des internationalen Privatrechts an sich das anwendbare Recht für die eigene Beurteilung bestimmen sollen und diesem die Anerkennung als Beurteilung
854 Siehe zur Neuregelung Art. 2 Nr. 6 lit. c) des Gesetzes zum Internationalen Güterrechts und zur Änderung von Vorschriften des Internationalen Privatrechts v. 17. 12. 2018 BGBl. 2018 I, S. 2580. 855 Siehe dazu oben unter § 4 C.II.1.c). 856 BayObLG, Beschl. v. 21. 1. 1975 – 2 Z 62/74, NJW 1975, 1077 (1078); vgl. Martiny, IZVR III/1, Rn. 410. 857 Basedow, Anerkennung, S. 55 mit Verweis auf Süß, in: FG Rosenberg, S. 229 (249 ff.), welcher der oben angesprochenen lex causae-Theorie folgt (dazu oben unter § 4 C.II.1.c)). 858 Basedow, Anerkennung, S. 55. 859 Basedow, Anerkennung, S. 55 ff. (§ 328 ZPO als „Kollisionsnorm des internationalen Zivilprozeßrechts“ bezüglich der „materielle[n] Rechtskraft ausländischer Urteile“ und „Entscheidungsnorm des internationalen Privatrechts“ bezüglich der scheidenden, auflösenden Gestaltungswirkung, S. 57 f.); ähnlich schon Zitelmann, IPR II, S. 769 („materiellrechtliche Sätze“), 770 („Kollisionsnormen“, wenngleich „nicht in dem gewöhnlichen Sinn“). 860 Basedow, Anerkennung, S. 57. 861 Basedow, Anerkennung, S. 35 (i. V. m. S. 57); ähnlich schon Zitelmann, IPR II, S. 767. 862 Wiederum Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (744). 863 Siehe zu dieser (nicht unumstr. Interpretation) nur NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 76; näher einleitend unter § 1 B.
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einer bereits erlassenen Entscheidung gegenübergestellt werden kann.864 Es geht bei der Privatscheidung allerdings – wegen der Unanwendbarkeit der Rom III-VO – nicht um eine direkte Anwendung der Rom III-VO, sondern um das deutsche Kollisionsrecht (Art. 17 II EGBGB n. F.) und Anerkennungsrecht.865 Die Vorschrift des § 109 FamFG ordnet jedoch gerade nur die Anerkennung einer „Entscheidung“ an und hat, wie weiter oben gesehen, lediglich innerhalb ihres Anwendungsbereichs Vorrang und verdrängt insofern die Regeln des internationalen Privatrechts.866 Dies lässt aber nicht automatisch den Rückschluss zu, dass für eine „bereits getroffene[ ] Statusbeendigung“867 das autonome Anerkennungsrecht greifen müsse, da es hierfür erst einer Qualifikation dieser Statusbeendigung als Entscheidung bedarf. Andernfalls gelangte man in einen zirkelschlussartigen Kreislauf. (6) Zwischenergebnis Die sachliche, mit Versagungsmacht erfolgende Kontrolle einer Privatscheidung durch eine hoheitliche Stelle ist aus funktionaler Sicht und vor dem (teleologischen) Hintergrund der Anerkennung nach § 109 FamFG ein konsequentes, gerechtfertigtes Merkmal für den Entscheidungsbegriff. cc) (Praktische) Handhabung des Kriteriums der Scheidungskontrolle (1) Überblick zur (strittigen) Bewertung der Kontrolltätigkeit (a) Ausgangslage und Blick auf das europäische Recht Wie zuvor dargelegt, verlangen die erweiterten Ansichten im autonomen Recht zu Recht eine inhaltliche bzw. sachliche Kontrolle, wofür insbesondere schlichte Registrierungen nicht genügen. Wie dieses Kontrollmerkmal nach den entsprechenden Abgrenzungsvorschlägen der erweiterten Ansichten zu bestimmen ist, wurde weiter oben näher dargestellt und hat gezeigt, dass dabei bisweilen auch negativ zu
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Nachdrücklich Geimer, IZPR, Rn. 41a („Geltungsanspruch […] auf ein realistisches Maß zurückgenommen“); vgl. noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 125 (Anerkennung heißt, „den ausländischen Akt zu respektieren“, „[e]s sind bereits Folgen eingetreten“), 132 f. (keine Gleichsetzung etwa von „Anerkennung einer Auslandsscheidung […] mit der Scheidung selbst“); ähnlich Kegel/Schurig, IPR, § 20 VII 3 c), S. 872 (Anerkennung als Hinnehmen, Nachprüfung als neue Entscheidung); vgl. noch zu „rechtsgeschäftlichen Statusveränderungen“ Basedow, in: Reform, S. 91 (103) („[…] dringt auch hier die Auffassung vor, daß die Beachtung eines kraft fremden Rechts geschaffenen fait accompli etwas anderes ist als die Anwendung dieses Rechts durch deutsche Gerichte“). 865 Siehe zur Unanwendbarkeit der Rom III-VO und Geltung des autonomen Rechts wiederum nur NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 76; eingehend in der Einleitung oben unter § 1 C. 866 Siehe hier nur Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1622); näher oben unter § 4 C.II.1.d)cc). 867 So gerade die erwähnte Formulierung bei Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (744).
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Formvorgaben abgegrenzt wird.868 Die nachfolgende Untersuchung soll verdeutlichen, dass eine überprüfende Tätigkeit eines Gerichts, Standesamts oder Notars in Rechtsprechung bzw. Schrifttum aber nicht stets eindeutig und unstrittig als (nicht-) inhaltliche Kontrolle bewertet wird. In diesem Kontext sei erneut an die Sahyouni II-Formel des EuGH („von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen“)869 erinnert, insbesondere da Vertreter des erweiterten Entscheidungsbegriffs zu § 109 FamFG zum Teil explizit auf diese Rechtsprechung Bezug nehmen.870 An dieser Stelle soll nun noch ein Blick auf Ansichten zum EU-Recht geworfen werden, die sich auf die vom EuGH genannte „Kontrolle“ stützen.871 Innerhalb der Ansicht, die im Ergebnis ab einer gewissen Kontrolle von einem sog. konstitutiven Mitwirkungsakt spricht und von einer anerkennungsfähigen Entscheidung ausgeht,872 wird vereinzelt (und nicht unumstritten873) eine Billigung mit „Prüfung in der Sache“ erwähnt874 oder negativ formuliert, dass eine „bloße Entgegennahme“ oder „Registrierung der Scheidung“ nicht genügt.875 Scheidungen, „bei denen sich die Mitwirkung der Behörde auf Tätigkeiten beschränkt, die mit Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktion umschrieben werden können“, reichten nicht aus, da diese als „qualifizierte 868 Siehe zum Kontrollmerkmal der erweiterten Entscheidungsbegriffe oben unter § 4 C.II.3.a)aa)(1)(b) bzw. § 4 C.II.3.a)aa)(2). 869 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 39, 48 = IPRax 2018, 261 (263). 870 Sich gerade auf diese Rspr. im autonomen Anerkennungsrecht berufend Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 165; Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746). 871 Die Interpretation des Urteils ist, wie erwähnt, umstritten; siehe hierzu schon einleitend m. w. N. unter § 1 B. Der BGH hat infolgedessen eine entsprechende Frage dem EuGH vorgelegt; siehe BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 31). 872 Siehe wiederum Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20 („Entscheidung“, wenn „die Scheidung zwar durch die Willenserklärung der Ehegatten bewirkt wird“, aber mit „Plazet der Behörde“; nach dem EuGH und dem Merkmal der „Kontrolle“ sei eine „konstitutive Mitwirkung“ notwendig); noch NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 („konstitutiver Art mitgewirkt“ bzw. „gebilligte Vereinbarung […] nach Prüfung in der Sache“); ähnlich, wenngleich vorsichtiger formulierend Hepting/Dutta, Familie Rn. III-501 f. („Scheidungen ,unter konstitutiver Mitwirkung‘“ erfasst bzw. möglicherweise „Privatscheidungen mit behördlicher Begleitung“); noch Dutta, FF 2018, 60 (63); unklar wiederum Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 23, K 17, 20 („rechtsgestaltende Mitwirkung“ bzw. „Entscheidung […] erlassen“ bzw. „Vereinbarung der Parteien“ und „konstitutive staatliche Mitwirkung“). 873 Denn andere möchten demgegenüber im Ergebnis offenbar großzügig auch zwingende registrierende bzw. beurkundende Tätigkeiten miteinbeziehen; so Hepting/Dutta, Familie Rn. III-502 (Es seien nämlich „alle derzeit existierenden außergerichtlichen Scheidungsformen in der Europäischen Union“ erfasst.). 874 So NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9; vgl. noch dies., IntFamR, § 2 Rn. 20 („Plazet der Behörde“). 875 So Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20, noch § 3 Rn. 63; siehe gleichsam NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9; ähnlich BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (121, Rn. 23 f., 26) – wobei sich nicht letztgültig sagen lässt, wie der Entscheidungsbegriff dort im Einzelnen zu verstehen ist; siehe dazu oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(2)(b).
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Formanforderungen für eine Privatscheidung“ angesehen werden könnten.876 Die negative Abgrenzung zu den genannten Funktionen führt auch der BGH in seinem neueren Vorlagebeschluss an.877 Unter denjenigen, die nicht von konstitutiver Mitwirkung sprechen, sondern schlicht untersuchen, welche „kontrollierte“ Privatscheidung als Entscheidung zu verstehen sei,878 finden sich vergleichbare Einschränkungen. So bedürfe es einer inhaltlichen und nicht bloß formellen Kontrolle879 oder (u. a.) wiederum, im Wege einer Negativabgrenzung, einer Mitwirkung, die nicht nur die genannten Funktionen erfüllt880. Eine vergleichbare Abgrenzung enthält schließlich, im Anschluss an die zitierte EuGH-Rechtsprechung, die neue Brüssel IIb-VO.881 Zu erwähnen bleibt noch, dass im Rahmen der Anerkennung nach der Brüssel IIa-VO teilweise auch die obligatorische Natur der Mitwirkung hervorgehoben wird.882 Die Umschreibungen des Kontrollmerkmals bzw. Anforderungen an dieses sind im autonomen und europäischen Anerkennungsrecht also größtenteils deckungs876
So NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9; siehe dies., IntFamR, § 2 Rn. 20. BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32), wobei als Negativabgrenzung einer Privatscheidung von einem als „konstitutive Entscheidung“ und an anderer Stelle als „konstitutive Mitwirkung“ bezeichneten Akt (Rn. 33). 878 Siehe zu einer solchen (interpretationsbedürftigen) Schlussfolgerung NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 93 ff.; Antomo, NZFam 2018, 243 (248); vgl. noch KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216) – wobei dies der BGH in der Nachinstanz dem EuGH vorgelegt hat (BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119); Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (240). 879 So tendenziell NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 96 f., 93 ff.; offen gelassen bei Antomo, NZFam 2018, 243 (248) („Bedarf es dafür einer echten materiellen Prüfungskompetenz der Behörde? Oder reicht eine Prüfung der Formerfordernisse aus? Genügt sogar die Registrierung durch einen mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Notar?“). 880 KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216) (sich u. a. auf die erwähnte Negativabgrenzung Andraes berufend und die italienische Scheidung unter Mitwirkung des Standesbeamten anerkennend, denn diese erfülle mehr als eine „reine Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktion“). Allerdings wurde dies in der Nachinstanz nun dem EuGH vorgelegt; siehe BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119). 881 ErwG 14 S. 2, 3: „Jede vom Gericht nach einer Prüfung in der Sache nach dem nationalen Recht und nach dem nationalen Verfahren gebilligte Vereinbarung sollte als ,Entscheidung‘ anerkannt oder vollstreckt werden. Anderen Vereinbarungen, die im Ursprungsmitgliedstaat nach dem förmlichen Tätigwerden einer Behörde […] Rechtswirkung erlangen, sollte in anderen Mitgliedstaaten im Einklang mit den besonderen Bestimmungen dieser Verordnung über öffentliche Urkunden und Vereinbarungen Wirkung verliehen werden.“ Siehe zur (unklaren) Bedeutung dieser Abgrenzung etwa Gruber/Möller, IPRax 2020, 393 (401 f.). 882 Dieses Merkmal – neben der Negativabgrenzung anhand der Funktionen – nennend KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216) (italienische Scheidung unter Mitwirkung des Standesbeamten u. a. anerkennend, weil diese „zwingend“ sei) – wobei abermals darauf hinzuweisen ist, dass dies in der Nachinstanz nun dem EuGH vorgelegt wurde (BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119); siehe noch Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20 (Anerkennung von Scheidungen „durch die Willenserklärung der Ehegatten“ mit genehmigenden Behördenakt als „Voraussetzung“). 877
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gleich. Obgleich es an dieser Stelle um das Merkmal der sachlichen Überprüfung des erweiterten Entscheidungsbegriffs im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG) geht, soll daher zur Veranschaulichung ein Blick auf das Meinungsbild zur Kontrolltätigkeit verschiedener (wohl) als Privatscheidungen anzusehenden Scheidungen geworfen werden – seien es solche aus Drittstaaten oder solche aus EUMitgliedstaaten, die an die Brüssel IIa-VO gebunden sind. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass für letztere Privatscheidungen zwar in naher Zukunft die Brüssel IIb-VO gilt, aktuell aber Art. 21 Brüssel IIa-VO nur vorrangig greift, wenn der dortige, europäische Scheidungsbegriff entsprechend weit zu verstehen ist.883 (b) Überblick zum Meinungsstand zu einzelnen Kontrolltätigkeiten Bei der Privatscheidung nach französischem Recht ist eine notarielle Kontrolle der formalen Voraussetzungen884 und der Beachtung der Bedenkfrist885 vorgesehen. Das Schrifttum spricht unstrittig von einer formellen Kontrolle des Notars886 bzw. nimmt entsprechend der Abgrenzung zum Entscheidungsbegriff der Brüssel IIa-VO offenbar im Ergebnis keine „Prüfung in der Sache“, sondern eine „bloße Entgegennahme“ bzw. „qualifizierte Formanforderung[ ]“ an.887 Im Falle der Privatscheidung im italienischen Recht sind mehrere Fälle zu unterscheiden.888 Geht es um das Erfordernis einer genehmigenden Kontrolle des Staatsanwalts in Bezug auf das Kindeswohl,889 stuft das überwiegende Schrifttum die Kontrolle des Staatsanwalts als inhaltliche, umfassende Prüfungstätigkeit ein890 bzw. 883
Siehe zum Verhältnis einleitend oben unter § 1 B. Art. 229-1 II 1 frz. Code civil; siehe für eine Übersetzung des Code civil wiederum Bergmann/Ferid/Henrich/Brandhuber, Länderbericht Frankreich232. Lfg. (Juli 2019), S. 58 ff. (85 f., 91); zu dieser Scheidung und ihrer Natur als Privatscheidung näher oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(a). 885 Art. 229-1 II 2 frz. Code civil. 886 Näher Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 145 (175 f.); Hammje, Rev. crit. DIP 2017, 143 (147); noch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 97; Gaudement-Tallon, in: Liber Amicorum Kohler, S. 91 (95); Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (363); dazu, dass sich der Notar dennoch „zu einer wesentlichen Kontrollinstanz entwickelt“ habe, Ferrand/ Francoz-Terminal, FamRZ 2018, 1385 (1388). 887 Siehe wiederum die Abgrenzung zum Entscheidungsbegriff der Brüssel II-VO bei NKBGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9; noch – ohne Nennung der Sachprüfung, aber Erwähnung eines „Plazet“ als Merkmal – dies., IntFamR, § 2 Rn. 20. Diese Ansicht geht bei der französischen Scheidung in der Tat nicht von einer Entscheidung, sondern „klassische[n] Privatscheidung“ aus; siehe Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20; sowie gegen eine Einordnung als Entscheidung noch NK-BGB/dies., Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10. 888 Siehe zur jeweiligen Einordnung als Privatscheidung oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(b). 889 Art. 6 II 2 des ital. Gesetzesdekrets; siehe wiederum die Übersetzung von Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135; siehe zum italienischen Scheidungsrecht oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(b). 890 Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 186 („neben der Wahrung der formellen Voraussetzungen eine inhaltliche Kontrolle […] durchzuführen“); ebenso Cubeddu 884
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offenbar als „Prüfung in der Sache“ und nicht nur als „bloße Entgegennahme“ bzw. „qualifizierte Formanforderung[ ]“.891 Vereinzelte Gegenstimmen gehen allerdings von einer eher formellen Kontrolle bzw. zumindest im Schwerpunkt davon aus.892 Muss der Staatsanwalt die Scheidungsvereinbarung (nur) im Sinne des „,[B]edenkenfrei‘“ prüfen,893 zeigt sich ein anderes Bild. Zwar nehmen einige auch dann eine zum Teil als konstitutiv bezeichnete oder zumindest für Art. 21 Brüssel IIa-VO genügende Mitwirkungstätigkeit an894 bzw. sehen diese im Ergebnis wohl wiederum als Sachprüfung und nicht nur als „bloße Entgegennahme“ bzw. „qualifizierte Formanforderung[ ] für eine Privatscheidung“ an.895 Die verbreitete Gegenansicht stuft diese Tätigkeit hingegen als formelle Kontrolltätigkeit ein.896 Bei der Scheidung unter Mitwirkung des italienischen Standesbeamten ist nach einer Ansicht mehr als eine formelle Prüfung anzunehmen.897 Andere gehen demgegenüber von einer Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255); Mayer, StAZ 2018, 106 (108); tendenziell NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 95, Fn. 168. 891 Vgl. wiederum die positiven bzw. negativen Merkmale zum europäischen Entscheidungsbegriff und die Einordnung bei NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 i. V. m. Rn. 9; siehe noch dies., IntFamR, § 2 Rn. 20, wobei bei der dortigen allg. Abgrenzung nicht von einer Sachprüfung, sondern von einem „Plazet“ gesprochen wird. 892 So pauschal für den Staatsanwalt Krömer, StAZ 2017, 59; vgl. noch Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (10) („im Wesentlichen auf Formfehler prüft“, nur „Kindesinteresse“ unterliege „gesonderte[er]“ Überprüfung). 893 So Art. 6 II des ital. Gesetzesdekrets; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135; siehe zum italienischen Scheidungsrecht wiederum oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(b). 894 BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16.2, noch Art. 1 Rn. 36.4 (von einer konstitutiven Mitwirkung, einer Eheauflösung „durch das ,nulla osta‘“ ausgehend); die Tätigkeit als konstitutiv bezeichnend noch NK-BGB3/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a („in der Art eines Plazet“); Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 20; i. E. offenbar bei der Scheidung unter Mitwirkung des Staatsanwalts pauschal von einer Kontrolle ausgehend, die zumindest für eine Einordnung als Entscheidung i. S. d. Brüssel IIa-VO genügen „dürfte“, Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (362) („kommt der Bewilligung der Scheidung oder ihrer Genehmigung […] nahe“). 895 Vgl. die Abgrenzung zum Entscheidungsbegriff des Art. 21 Brüssel IIa-VO und Beurteilung bei NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 i. V. m. Rn. 9; noch dies., IntFamR, § 2 Rn. 20 (wobei dort als Abgrenzungsmerkmal ein „Plazet“ und nicht eine Sachprüfung genannt werden). 896 So Krömer, StAZ 2017, 59 (pauschal für den Staatsanwalt); Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (112) („rein formale Kontrolle“); tendenziell noch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 95, Fn. 168 („formale Kontrolle“); vgl. Beller/Wahl, BWNotZ 2015, 158 (160) (Überprüfung der „formellen Voraussetzungen“); ebenso Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (755); Mayer, StAZ 2018, 106 (108) („formale Unregelmäßigkeiten“); noch – wenngleich zurückhaltender – Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (10) („im Wesentlichen auf Formfehler prüft“ bzw. „meist mit einer formellen Überprüfung zufriedeng[ebend]“). 897 Siehe KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216 f.) (die italienische Scheidung unter Mitwirkung des Standesbeamten u. a. aus dem Grund anerkennend, dass diese „über eine reine Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktion […] hinaus[gehe]“ und „gewisse Kontrollpflichten“ bestünden) – wobei abermals anzumerken ist, dass dies in der Nachinstanz nun dem EuGH vorgelegt wurde (siehe BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 –
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fehlenden „inhaltliche[n] Kontrolle“ aus898 bzw. nehmen im Ergebnis offenbar eine fehlende Sachprüfung und „bloße[ ] Entgegennahme“ bzw. „qualifizierte Formanforderung[ ]“ an.899 Für die Privatscheidung vor dem Notar nach spanischem Recht ist eine notarielle Kontrolle vorgeschrieben, die sich vor allem auf eine etwaige Schädlichkeit bzw. Nachteilhaftigkeit der Scheidungsfolgenvereinbarung konzentriert.900 Verbreitet wird diesbezüglich eine inhaltliche Prüfung angenommen.901 Jedoch spricht sich die Ansicht, die eine Sachprüfung als Merkmal des Entscheidungsbegriffs nennt und bei „bloße[r] Entgegennahme“ bzw. „qualifizierte[r] Formanforderung[ ]“ Art. 21 Brüssel IIa-VO nicht anwenden möchte, vorsichtig gegen eine Einordnung als „Entscheidung“ im Sinne dieser Verordnung aus.902 Das brasilianische Recht sieht für die notarielle Privatscheidung ebenfalls eine Überprüfung der Scheidungsvereinbarung in Bezug auf die nachteiligen Folgen und ihre Freiwilligkeit vor.903 Offenbar wird aber wegen der notariellen, beurkundenden Tätigkeit vereinzelt eine formelle Kontrolltätigkeit angedeutet.904 XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119); i. E. zustimmend und zumindest für eine Anwendung des Art. 21 Brüssel IIa-VO, da der „Entscheidungsbegriff weit zu fassen“ sei, Dutta, FamRZ 2020, 1217 f.; in diese Richtung tendierend offenbar noch Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 194, wobei zwar nur von einer „Kontrolle“ in Anführungszeichen, aber auch von einer „[n]eben der formalen Durchsicht“ erfolgenden Prüfung der „Voraussetzungen der Scheidung“ sprechend; ebenso Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1257). 898 So Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, 361 (362); ebenso Mayer, StAZ 2018, 106 (108). 899 Vgl. die Abgrenzung zum europäischen Entscheidungsbegriff und die Einstufung bei NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 i. V. m. Rn. 9; siehe noch – ohne Nennung einer Sachprüfung als Abgrenzungsmerkmal, aber Erwähnung eines „Plazet“ – dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; vgl. NK-BGB3/dies., Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a („zur Form gehörend“). Vgl. noch BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32 ff.), der sich (u. a.) auf Andraes Negativabgrenzung zu „Tätigkeiten“ im Sinne lediglich einer „Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktion“ bezieht, für eine Entscheidung i. S. d. Art. 21 Brüssel IIa-VO eine „konstitutive Mitwirkung“ mit „Gewähr für einen Schutz“ bzw. eine „Kontrollfunktion“ verlangt und i. E. davon ausgeht, dass der italienische Standesbeamte „keine Prüfungskompetenz“ habe, „die diesen Anforderungen gerecht wird“. 900 Art. 90 Nr. 2 Abs. III span. Código Civil; siehe wiederum die Übersetzung des span. Código Civil bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51; siehe hierzu Ferrer Riba, FamRZ 2016, 1557 (1559); siehe schon – und zur Einordnung als Privatscheidung – oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(d). 901 Von einer inhaltlichen Prüfung ausgehend NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 96; Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (363); Mayer, StAZ 2018, 106 (109); so noch – obwohl dennoch nicht unter die EuGH-Formel fallen lassend – Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (241) (eine „auf Fairness bezüglich der Folgen ausgerichtete Inhaltskontrolle“ zugebend). 902 Siehe NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 i. V. m. Rn. 9; noch dies., IntFamR, § 2 Rn. 20 (wobei wiederum anzumerken ist, dass dort als positives Merkmal nicht die Sachprüfung genannt wird, sondern von einem „Plazet“ als Merkmal gesprochen wird). 903 Art. 46 der ergänzenden Entschließung des Nationalen Rats für Justizwesen; siehe wiederum die Übersetzung bei Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245); sowie als „Entschließung […]
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Bei der Anmeldung der Privatscheidung nach japanischem Recht, die nur angenommen werden darf, wenn kein Widerspruch zu den Anmeldevoraussetzungen und anderen Gesetzen oder Verordnungen besteht,905 nimmt das Schrifttum eine formelle Kontrolle durch die Registerbehörde an.906 In der Rechtsprechung finden sich bisweilen jedoch offenere Formulierungen wieder, die auch den gegenteiligen Schluss zulassen dürften.907 Bezüglich der Scheidung nach dem Recht der Republik Korea (Südkorea) finden sich vereinzelte Anmerkungen, die aufzeigen, dass die gerichtliche Mitwirkungstätigkeit als Kontrolle sachlicher Natur bewertet wird.908 Für das thailändische Recht909 ist schließlich bei der Registrierung der Privatscheidung von einer „formale[n] Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen“ die Rede.910 (c) Praktisches Zwischenergebnis Der vorstehende Überblick hat gezeigt, dass es bei Privatscheidungen verschiedene Kontrollakte mitwirkender Behörden bzw. Notare gibt, deren Bezugspunkte unterschiedlich ausgeprägt sind, und dass diese von Rechtsprechung und Schrifttum nicht stets einhellig eingestuft werden.
des Nationalen Justizrats“ bei Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61; zu dieser Scheidung und ihrer Natur als Privatscheidung schon oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(e). 904 Gärtner, Privatscheidung, S. 11 („lediglich registrierende Funktion“ des Notars). 905 Art. 765 I japan. ZG; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 66; näher zu dieser Scheidung und ihrer Einordnung als Privatscheidung oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(g). 906 So Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 35 („formale[ ] Prüfung“); Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197) („keine Befugnis zur Inhaltskontrolle“); dies., IPRax 2002, 49 (fehlende „Inhaltskontrolle“); vgl. Nozawa, in: Recht und Gesellschaft, S. 95 (97, Fn. 7) (Anmeldung als „formelle Voraussetzung“); Urano, FamRZ 2004, 1252 (1253) (keine „Prüfung der übereinstimmenden Erklärungen“). 907 KG, Beschl. v. 3. 11. 2020 – 1 VA 1010/20, FamRZ 2021, 302 (von einer „Prüfung“ durch die Registerbehörde sprechend, unter Hinweis auf die Ablehnung der Behörde im Falle des Widerspruchs zu den rechtlichen Voraussetzungen). 908 Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197 bzw. 1999) (bezüglich des Einvernehmens der Eheleute von einer „sachlichen Inhaltskontrolle“ sprechend bzw. bezüglich des „Schutz[es] des Kindes“ von einer „verstärkte[n] Kontrollmöglichkeit“ im Sinne einer Kontrolle der „sachliche[n] Begründetheit und Angemessenheit“); näher zu dieser Scheidung und ihrer Natur als Privatscheidung oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(h). 909 Näher zur Privatscheidung nach thailändischem Recht oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(i). 910 So KG, Beschl. v. 19. 3. 2013 – 1 VA 12/12, FamRZ 2013, 1484 (1485).
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(2) Vorzugswürdiges Verständnis der überprüfenden Kontrolle (a) Allgemeine Umschreibung und Kriterien Fraglich bleibt angesichts der vorstehend dargestellten, teilweise unterschiedlichen Bewertung der Kontrolltätigkeiten nun, wie man im Einzelnen eine ausreichende sachliche Kontrolle von einer ungenügenden abgrenzt. Möglicherweise könnte dem zu § 109 FamFG knapp erwähnten Vorschlag zu folgen sein, wonach eine „Prüfung nicht nur von Formfragen“911 gegeben sein muss. Hierbei kann auch der vergleichbare Abgrenzungsvorschlag zur Brüssel IIa-VO herangezogen werden, der („zusammengefasst“912) negativ zu „qualifizierte[n] Formanforderungen einer Privatscheidung“ abgrenzt.913 Mit Blick auf eine solche Abgrenzung ist festzuhalten, dass auch bei Akten, die im deutschen Recht den Formvorgaben zugerechnet werden, Kontrolltätigkeiten stattfinden können. So darf der Standesbeamte nach § 1310 I 3 Nr. 1 BGB bei der Eheschließung (u. a.) nicht mitwirken, wenn offenkundig ein Aufhebungsgrund nach § 1314 II BGB gegeben ist.914 Die Kontrollfunktion des Standesbeamten besteht ausweislich des § 1310 I BGB während des gesamten Eheschließungsvorgangs, sodass er währenddessen einschreiten, seine Mitwirkung verweigern kann.915 Die danach nötige Mitwirkung des Standesbeamten (§ 1310 I 1 BGB) wird aber nicht als eine Art Bewilligung der vertraglichen916 Eheschließung, sondern als formelle Voraussetzung917 bzw. Formerfordernis918 angesehen. Daneben lassen sich noch die 911
Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 165. So nach Nennung der „bloße[n] Entgegennahme“ oder „registriert[en]“ Scheidungserklärungen NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9. 913 So die negative Abgrenzung bei NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9; siehe noch dies., IntFamR, § 2 Rn. 20 – wobei jedoch schlicht nach Nennung der „Entgegennahme“ bzw. „Registrierung“ anführend. Auch im leihmutterschaftsrechtlichen Kontext taucht für die Abgrenzung einer Registrierung von einer anerkennungsfähigen Entscheidung ein Vergleich mit der Form auf; siehe Diel, Leihmutterschaft, S. 158. 914 Hierunter fällt u. a. die Scheinehe (§ 1314 II Nr. 5 BGB). Den Standesbeamten trifft also (u. a.) eine Kontrollpflicht hinsichtlich des Eheschließungswillens; siehe hierzu etwa MüKoBGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 16 f. 915 Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 39; vgl. noch Rhein, PStG, § 14 Rn. 2 (zum erneuten Prüfungsvorgang durch das Anmeldestandesamt, wenn sich bei der Befragung vor der Eheschließung nach § 14 I PStG Änderungen ergeben haben); angedeutet bei Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 11 Rn. 14. 916 Siehe zur Natur der Eheschließung als Vertrag oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(b); nachdrücklich Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 18 („nicht durch Hoheitsakt […], sondern durch den Konsens der Verlobten“). 917 BeckOGK-BGB/Kriewald (1. 7. 2021), § 1310 Rn. 34. 918 Siehe BeckOGK-BGB/Kriewald (1. 7. 2021), § 1310 Rn. 36; MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 1; Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 17; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 11 Rn. 10; Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (344); nachdrücklich noch Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 4 („Sonderform der Beurkundung“); siehe noch NK-BGB/Antomo, § 1310 Rn. 1, 4 f. („[…] familienrechtlicher Vertrag der einer besonderen Form bedarf.“, Rn. 4). 912
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Fälle notarieller Beurkundung (vgl. § 128 BGB, BeurkG) von Verträgen, einer Formvorgabe, anführen.919 Der Notar hat hierfür ein besonderes Verfahren einzuhalten920 und „soll die Beurkundung ablehnen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre“ (§ 4 BeurkG), d. h. in Fällen nichtiger bzw. unwirksamer Rechtsgeschäfte921 und „insbesondere“ bei Verfolgung „unerlaubter oder unredlicher Zwecke“.922 Mithin ist eine Überprüfung vorgesehen.923 Auf den ersten Blick könnte es also zu Schwierigkeiten bei der Abgrenzung eines behördlichen Formerfordernisses von einer inhaltlichen Genehmigung, einer Sachprüfung kommen.924 Allerdings grenzt der formbezogene Abgrenzungsvorschlag zur Brüssel IIa-VO explizit nur negativ dahingehend ab, dass „sich die Mitwirkung der Behörde auf Tätigkeiten beschränkt, die mit Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktion umschrieben werden können“.925 Auf diese negative Funktionsabgrenzung nimmt, wie gesehen, auch die (BGH-)Rechtsprechung Bezug.926 Bei einer Kon919 Die notarielle Beurkundung ist die „höchste Form“ (Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 19) bzw. „strengste Form“ (Stadler, BGB AT, § 24 Rn. 20). 920 § 17 BeurkG sieht dabei grundsätzlich ein umfangreiches Prüfungsprogramm vor; siehe die Ausführungen zum Überprüfungsprogramm etwa bei Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 446 ff. U. a. soll eine Erforschung des Willens der Beteiligten erfolgen (§ 17 I 1 BeurkG) – wobei der Notar bei Zweifeln aber nur eine Belehrungspflicht hat (§ 17 II 1 BeurkG) und im Ergebnis seine Zweifel zwar vermerken darf, die Beurkundung aber durchzuführen hat (§ 17 II 2 BeurkG). 921 Hierzu BeckOGK-BeurkG/Schaller (15. 5. 2021), § 4 Rn. 30; Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 449. 922 Zwar führt eine Verletzung dieser Soll-Vorschriften nicht zur Unwirksamkeit einer dennoch erfolgten notariellen Beurkundung; siehe BeckOGK-BeurkG/Schaller (15. 5. 2021), § 4 Rn. 43; Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 230. Dennoch ist bei § 4 BeurkG von einer Ablehnungspflicht auszugehen; siehe eingehend BeckOGK-BeurkG/Schaller (15. 5. 2021), § 4 Rn. 6 ff., 43; noch Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 448. 923 Siehe zur Kontrolle bei notarieller Beurkundung Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 23 m. w. N. (zum Kontrollzweck speziell der notariellen Beurkundung im Gesellschaftsrecht); Stadler, BGB AT, § 24 Rn. 6; siehe noch Mankowski, JZ 2010, 662 (668). 924 Diese Schwierigkeit sah man auch innerhalb des deutschen Rechts bereits beim Entwurf des BGB, Mot. I S. 187, bei dem davon abgesehen wurde, „eine Entscheidung zu treffen, ob die Vorschriften des Entwurfes, in welchen für ein Rechtsgeschäft eine behördliche Mitwirkung durch Genehmigung, Bestätigung, […] vorgeschrieben […] ist, als Formvorschriften aufzufassen seien“; hierauf mit Blick auf die problematische Abgrenzung von „Mitwirkung“ als „Form“ und „sachliche[r] Genehmigung“ im IPR hinweisend schon Zitelmann, IPR II, S. 155; näher hierzu unten unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(b). 925 So NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9; dies., IntFamR, § 2 Rn. 20. 926 Als – nicht ganz eindeutige – Negativabgrenzung einer Privatscheidung und eines als „konstitutive Entscheidung“ bezeichneten Akts BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32) – wobei im Folgenden nicht mehr von einer konstitutiven Entscheidung, sondern „konstitutive[n] Mitwirkung“ sprechend (Rn. 33); in der Vorinstanz (u. a.) diese Funktionen als Negativabgrenzung zu einer ausreichenden „Kontrolle“ i. S. d. Sahyouni II-Formel des EuGH nennend KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216); näher zur unklaren Bedeutung des zitierten BGH-Beschlusses (und Vorlage an den EuGH) oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(2)(b).
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trollfunktion dürfte diese Abgrenzung also gerade nicht von einer besonderen Form der Privatscheidung ausgehen, da diese Funktion in dem genannten Vorschlag gerade nicht aufgezählt wird. Nichtsdestotrotz können auch durch diese Funktionseingrenzung Unsicherheiten offenbar nicht vollständig beseitigt werden. Dies zeigt der – im Ergebnis gegensätzliche – Umgang mit der Scheidung unter Mitwirkung des italienischen Zivilstandesbeamten: Nach einer Ansicht ist diese als „klassische Privatscheidung“ anzusehen, d. h. die Tätigkeit des Standesbeamten wird offenbar nicht als echte Kontrolle eingestuft.927 Dieser Ansicht ist auch der BGH in seinem Vorlagebeschluss zugeneigt.928 Die Vorinstanz ist hingegen – als unterstützendes Argument für die Anwendung des Art. 21 Brüssel IIa-VO – davon ausgegangen, dass die Tätigkeit „über“ die negativ genannten Funktionen (warnend, klarstellend, beweissichernd oder beratend) „hinaus[geht]“, und hat „gewisse Kontrollpflichten“ angenommen.929 Zugrundeliegender, entscheidender Streitpunkt dürfte sein, dass der italienische Standesbeamte zwar eine „formale[ ] Durchsicht“ vornimmt, aber auch das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen prüft, was letztendlich etwas zwiespältig als „,Kontrolle‘“ (in Anführungszeichen) angesehen werden kann.930 Schlussendlich steht also auch die dargelegte Formabgrenzung vor dem Problem, zu beurteilen, ob eine echte Kontrolle gegeben ist oder nur eine so geringe Prüfungstätigkeit, dass dies als ein nicht relevantes Überschreiten der anderen, negativ aufgezählten Funktionen zu werten ist. Dies läuft im Ergebnis wiederum auf die Abgrenzungsfrage einer formellen von einer materiellen Kontrolltätigkeit hinaus, die – wie die zuvor angeführten Beispielsfälle aus verschiedenen Rechtsordnungen gezeigt haben – auch ohne die dargestellte Formabgrenzungsformel in einzelnen Fällen strittig ist. Eine Abgrenzung über Formüberlegungen erinnert darüber hinaus stark an die von Form und Inhalt im internationalen Privatrecht.931 Wie sich aus dem weiter oben Gesagten gibt, sind Anerkennung und kollisionsrechtliche Verweisung jedoch zu trennen.932 Selbst wenn dem Anerkennungsrecht, wie dort gesehen, gerade wegen 927
Die italienische Scheidung vor dem Zivilstandesbeamten als „klassische Privatscheidung“ ansehend NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 – und zuvor die genannten Funktionen „zusammengefasst“ als Negativabgrenzung anführend, Rn. 9; zumindest nach Nennung u. a. dieser Funktionen diese Scheidungsart als „klassische Privatscheidung“ einstufend Andrae, IntFamR, § 2 Rn. 20; ohne die zuvor genannte Umschreibung von Formzwecken die Mitwirkung immerhin explizit als „zur Form gehörend“ bezeichnend bereits NKBGB3/dies., Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a. 928 BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 32 i. V. m. Rn. 34). 929 Mit Blick auf die – auch hier zuvor erwähnte – Abgrenzung Andraes KG, Beschl. v. 30. 3. 2020 – 1 W 236/19, FamRZ 2020, 1215 (1216). 930 So zur Prüfung wiederum Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 194, 190; ebenso Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1257). 931 Siehe hierzu die Erörterungen zum internationalen Privatrecht weiter unten unter § 5 B.III.1.a). 932 Hierzu näher oben unter § 4 C.II.1.d)cc).
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seines Verzichts auf eine Nachprüfung auch kollisionsrechtliche Züge zu entnehmen sind933 und es im internationalen Privatrecht auch um den internationalen Entscheidungseinklang geht,934 steht etwa im internationalen Privatrecht im Wesentlichen die Anwendung des sachnächsten Rechts im Vordergrund.935 Es handelt sich jedenfalls um verschiedene Vorgehensweisen.936 Die Abgrenzung von Form und Inhalt pauschal auf das für die Anerkennung als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) geforderte Kontrollkriterium zu übertragen, lässt sich aus diesem Grund kritisch sehen. Für die genauen Anforderungen, die für den Entscheidungsbegriff des § 109 FamFG bei einer funktionalen (teleologischen) Qualifikation lege fori937 an die Kontrolle von Privatscheidungen zu stellen sind, muss man sich zwei Gesichtspunkte vergegenwärtigen. Man hat abermals zum einen die oben dargelegten Grundsätze des Anerkennungsrechts und zum anderen – speziell mit Blick auf die gerichtliche Scheidung – die Charakteristika von Gestaltungsentscheidungen heranzuziehen, die das Kontrollkriterium für den Entscheidungsbegriff rechtfertigen. So wurde oben aufgezeigt, dass die Anerkennung im Wesentlichen auf dem Vertrauen in die ausländische Hoheitstätigkeit beruht und ohne umfassende Nachprüfung erfolgt938 und dass im deutschen Recht Gestaltungsklagen und -urteile auch eine Kontrolle der Gestaltungsrechtsvoraussetzungen bezwecken939. Maßgeblich ist aus den genannten 933
Siehe wiederum die Bezeichnung als „,[v]erkapptes‘ zweites Kollisionsrecht“ bei Geimer, Anerkennung, S. 45; noch Zöller/Geimer, § 328 Rn. 240; ausführlich bereits Wengler, in: IPR, S. 436 (440 f.); siehe noch Kropholler, IPR, § 56 II, S. 588, § 60 IV 7, S. 677; Schack, IZVR, Rn. 1024; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 134, 135, 139; zurückhaltender MüKoZPO/Gottwald, § 328 Rn. 6; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 7; von „[e]ngen Zusammenhänge[n]“ sprechend Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 293. 934 Zu diesem „Ideal“ MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 19, 7; Kropholler, IPR, § 6 vor I, S. 36; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 2 Rn. 50, § 1 Rn. 13; grundlegend v. Savigny, System VIII, S. 27 („daß auch die Rechtsverhältnisse, in Fällen einer Collision der Gesetze, dieselbe Beurtheilung zu erwarten haben, ohne Unterschied, ob in diesem oder jenem Staate das Urtheil gesprochen werde“); zu dem entsprechenden Hintergrund des Anerkennungsrechts oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(1). 935 Siehe zum IPR an dieser Stelle nur MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 19, 29 ff. m. w. N.; weitere Nachw. oben unter § 3 B. 936 Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73) („verschiedene Interessenlagen und Gerechtigkeitsvorstellungen“); zum „Zuständigkeits- und Rechtsanwendungsrecht“ bereits Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (256); siehe noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 132 (nur Verweisung bei IPR, „Entscheidung selbst aber in den eigenen Händen“); im Kontext der (abl.) Untersuchung der sog. lex causae-Theorien und § 328 ZPO zur internationalen Zuständigkeit im Verfahrensrecht und zum Kollisionsrecht Spiecker gen. Döhmann, Anerkennung, S. 45. 937 Zur Qualifikation(smethodik) näher oben unter § 4 A.I.3. 938 Siehe hier nur Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); näher oben im Zusammenhang mit der Anerkennung von konstitutiven Hoheitsakten oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1); sowie mit der Rechtfertigung des Kontrollkriteriums unter § 4 C.II.3.a)bb)(3). 939 Siehe hier nur Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88; näher im Zusammenhang mit dem herrschenden Entscheidungsbegriff oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1) bzw. zur funktionalen Rechtfertigung des Kontrollkriteriums oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(2).
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Gründen daher allein – wie sich gerade in Abgrenzung zu schlichten Registrierungen ergibt, die mangels prüfender Funktion, wie oben erörtert, nicht anerkennungsfähig sind940 –, dass die Kontrolltätigkeit nicht aus einem bloß zur Kenntnis nehmenden, formularmäßigen „Abhaken“ besteht und nur auf das Vorlegen bestimmter Dokumente oder Urkunden achtet.941 Hält man sich dies vor Augen, ist erforderlich, aber zugleich ausreichend, wenn kontrolliert wird, ob ein einvernehmlicher Scheidungswille gegeben ist942 und natürlich, wenn etwaige weitere Voraussetzungen für die Scheidung gefordert werden, ob auch diese erfüllt sind.943 Die Kontrolle eines speziell als inhaltlich anzusehenden Merkmals ist nicht erforderlich, wenn gerade keine entsprechende Scheidungsvoraussetzung verlangt wird; d. h. insbesondere wenn der gemeinsame Scheidungswille genügt, sollte man nicht einfach pauschal von einer für den Entscheidungsbegriff ungenügenden Kontrolle ausgehen, nur weil keine Angemessenheitskontrolle (o. Ä.) erfolgt.944 Die jeweilige Rechtsordnung muss lediglich eine Kontrolle im Sinne einer Nachprüfung der gesetzlichen Scheidungsvoraussetzungen, des materiellen Scheidungsrechts vorsehen. Ist eine Kontrolle der jeweiligen Voraussetzungen vorgeschrieben, wird im (praktischen) Einzelfall aber nur ungenügend durchgeführt, scheitert nicht bereits das Kontroll940 Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 108 FamFG Rn. 2 (fehlender „Erkenntnisakt“); ebenso OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16, BeckRS 2017, 155899 (dort Rn. 46) (Vorinstanz zu BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 530/17, NJW 2019, 1605); ähnlich schon zu § 328 ZPO Martiny, IZVR III/1, Rn. 469 („Notwendig ist nur, daß die ausländische Stelle eine Entscheidung trifft […]“ – werden „lediglich Parteierklärungen entgegengenommen oder beurkundet“, sei dies zu verneinen); siehe zur fehlenden Anerkennungsfähigkeit schlichter Registrierungen im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Kontrollkriteriums oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(3). 941 Siehe wiederum insbesondere OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16, BeckRS 2017, 155899 (dort Rn. 46) (Vorinstanz zu BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 530/ 17, NJW 2019, 1605) zur Registereintragung nach ukrainischem Recht, die nur aufgrund von „Dokumente[n], die die maßgebenden Tatsachen für die Eintragung urkundlich belegen“, erfolge und nicht aufgrund einer „weitergehende[n] Prüfung“. Insofern ist zwar nicht der Formabgrenzung, aber der anderweitigen Umschreibung Andraes zum europäischen Scheidungsrecht zu folgen; siehe NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9 (keine „bloße Entgegennahme“ oder nur „registriert[e]“ Scheidungserklärung); dies., IntFamR, § 2 Rn. 20 („nicht auf die bloße Entgegennahme […] und die Registrierung der Scheidung beschränk[t]“), noch § 3 Rn. 63. 942 Siehe zur in Leihmutterschaftsfällen vertretenen Anerkennung im Falle einer „inhaltliche[n] Prüfung“ MüKo-BGB/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82 („Dass die Prüfung sich im Wesentlichen auf das Vorliegen der nach einer ausländischen Rechtsordnung vorgeschriebenen privatautonomen Erklärungen der Beteiligten beschränkt, ist im Abstammungsrecht nichts Ungewöhnliches“.). 943 Vgl. die Anerkennung von Vertragsadoptionen, wenn „prozessuale Elemente“ gegeben sind, zu denen nach dort vertretener Ansicht „beispielsweise die Prüfung des Kindeswohles und anderer Adoptionsvoraussetzungen“ (sowie „der Bestandsschutz“) zählen, bei Griep, Anerkennung, S. 41; noch v. Bar, IPR II1, Rn. 317. 944 Siehe – im adoptionsrechtlichen Kontext – MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21, der hervorhebt, dass für die Anerkennung einer Vertragsadoption als Entscheidung nicht zwingend das Kindeswohl kontrolliert werden muss, etwa wenn „eine Kindeswohlprüfung nach dem betreffenden Recht keine Adoptionsvoraussetzung sein sollte“.
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merkmal im Sinne des Entscheidungsbegriffs; es kann – nach Bejahen des Vorliegens einer „Entscheidung“ – aber der ordre public eingreifen und eine Anerkennung verhindern.945 Gleiches gilt, wenn Scheidungsvoraussetzung auch der Abschluss einer Folgenvereinbarung ist und diese auf ihre Wirksamkeit hin kontrolliert wird, dabei aber keine spezielle Prüfung der Angemessenheit für die Betroffenen vorgesehen ist.946 Es kann in diesem Fall nämlich davon ausgegangen werden, dass Scheidungsvoraussetzung nur eine Einigung über die Folgen ist, den Eheleuten bezüglich des Inhalts aber ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden wird. Das erlaubt es, eine sachliche Nachprüfung zu bejahen und lediglich in einem weiteren Schritt (gegebenenfalls) eine ordre public-Widrigkeit der „Entscheidung“. Nur wenn etwa schon tatbestandlich der Abschluss einer ausgeglichenen, angemessenen Scheidungsvereinbarung vorgeschrieben ist, muss sich die Kontrolle auch auf das Merkmal der Ausgeglichenheit bzw. Angemessenheit beziehen. Als Beispiel für die vorstehenden Ausführungen kann die Scheidung nach dem Recht der Volksrepublik China dienen. Danach untersucht die Eheregisterbehörde zunächst das Vorliegen eines „tatsächlich[en]“ Scheidungswillens.947 Die weiteren in der Scheidungsvereinbarung enthaltenen Angelegenheiten werden nach dieser Norm jedoch nur dahingehend überprüft, ob eine Einigung gegeben ist – nicht (mehr) jedoch auf ihre Angemessenheit hin.948 Nach dem Vorstehenden ist dies kein unzulängliches bloßes Abhaken, es könnte sich aber – wobei dies erst in einem späteren Schritt und nicht schon bei der Qualifikation als „Entscheidung“ selbst zu problematisieren wäre – gerade mit Blick auf das Kindeswohl die Frage der ordre publicWidrigkeit stellen. (b) Konkrete Anwendung Nachfolgend gilt es, zur Veranschaulichung das vorstehend erörterte Verständnis des Kontrollmerkmals noch auf die verschiedenen, weiteren Rechtsordnungen anzuwenden. Zu berücksichtigen ist, dass es dabei teilweise wiederum um Privatscheidung aus einem EU-Mitgliedstaat geht, für die zwar vorrangig die Brüssel IIaVO – aber nur bei ausreichender Offenheit des dortigen Entscheidungsbegriffs – und jedenfalls in Zukunft die Brüssel IIb-VO gilt.949 Diese Privatscheidungen sind jedoch gerade bei der vorliegenden Untersuchung des Kontrollmerkmals, und sei es nur zur Veranschaulichung, von Interesse. 945
Siehe wiederum im adoptionsrechtlichen Kontext MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21. 946 Siehe abermals im adoptionsrechtlichen Kontext MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21. 947 § 1078 chin. ZGB; siehe wiederum die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/ Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384) 948 Siehe die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384), mit dem dortigen Hinweis auf die vorherige Rechtslage bzw. knapper Übersetzung der alten Vorschrift (384, Fn. 944). 949 Hierzu schon einleitend unter § 1 B.
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Wie der obige Meinungsstand und die untersuchte Formabgrenzungsformel gezeigt haben, bestehen vor allem bei der Bewertung der Kontrolltätigkeit im Rahmen der „,[B]edenkenfrei‘“-Erklärung950 des italienischen Staatsanwalts oder der Mitwirkung des italienischen Zivilstandesbeamten951 unterschiedliche Ansichten.952 Bei der Scheidung unter staatsanwaltlicher Mitwirkung fehlt es an einer Überprüfung im Hinblick auf das Kindesinteresse. Auf dieses beruft sich das überwiegende Schrifttum aber, wenn es um die Beurteilung der Genehmigung des italienischen Staatsanwalts als „inhaltliche Kontrolle“ geht;953 und dessen Überprüfung wird gerade auch in Adoptionsfällen regelmäßig hervorgehoben, wenn die Einordnung einer Vertragsadoption als Entscheidung in Frage steht.954 Diese Scheidung ist dem Grundsatz nach aber nur möglich, wenn keine Kinder vorkommen.955 Deshalb bedarf es logischerweise keiner Prüfung eines solchen Interesses, insbesondere da nach den vorstehend festgehaltenen Grundsätzen ohnehin keine Prüfung eines besonders tiefgreifenden Merkmals wie des Kindesinteresses nötig ist, um von einer ausreichenden Kontrolle sprechen zu können.956 Der Staatsanwalt überprüft die Scheidungsvereinbarung außerdem nun einmal auf „Regelwidrigkeit[en]“.957 Darunter fällt etwa die Prüfung der Trennungszeit.958 Zudem kann man davon ausgehen, 950 Siehe die Übersetzung des Art. 6 II 1 des ital. Gesetzesdekrets bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. 951 Art. 6 II 1 bzw. Art. 12 des ital. Gesetzesdekrets; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135 f. 952 Siehe zum Meinungsstand oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(1)(b). 953 Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 186; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255); Mayer, StAZ 2018, 106 (108); diesen Unterschied zum „nihil obstat“ anführend noch Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (112) (Kontrolle des „Inhalt[s]“); anders wohl Krömer, StAZ 2017, 59, welcher pauschal von einer Kontrolle der „formellen Voraussetzungen“ durch den Staatsanwalt spricht. 954 Aus der Rspr. zur „reine[n] Vertragsadoption“ u. a. hierauf abstellend AG Frankfurt a. M., Beschl. v. 2. 11. 2017 – 470 F 16032/17 AD, FamRZ 2018, 365 (366) (keine „inhaltliche Prüfung der Eignung der Adoptionsbewerber oder eine Prüfung der Adoptionsbedürftigkeit“); aus der Lit. von denjenigen, die kontrollierte Vertragsadoptionen anerkennen möchten, gerade dies erwähnend Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB, Rn. 98; Looschelders, Art. 22 Rn. 33; Henrich, IntFamR, S. 330; ebenso von denjenigen, die kontrollierte und sozusagen bestandskräftige Vertragsadoptionen anerkennen möchten, Griep, Anerkennung, S. 41; krit. aber MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21. 955 Siehe Art. 6 II 1 des ital. Gesetzesdekrets, wonach keine „minderjährige[n] Kinder oder volljährige[n] Kinder, die geschäftsunfähig, schwerbehindert […] oder wirtschaftlich unselbstständig sind“, vorhanden sein dürfen; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135; siehe etwa Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (10); Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255). 956 Siehe abermals im adoptionsrechtlichen Kontext MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21. 957 Siehe Art. 6 II 1 des ital. Gesetzesdekrets und dessen Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. 958 Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135, Fn. 3; Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 185; Cubeddu Wiedemann/
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dass der Staatsanwalt seine „,[B]edenkenfrei‘-Erklärung“959 etwa dann nicht erteilen könnte, „wenn er manche Trennungs- und Scheidungsfolgenregelungen für grob unbillig hält“.960 Dementsprechend wäre eine für § 109 FamFG hinreichende Kontrolle gegeben. Zu einem anderen Ergebnis gelangte man aber, wenn die staatsanwaltliche Prüfung nur bedeutete, dass der Staatsanwalt die Vorlage der Scheidungsvereinbarung verlangt und er dabei allein auf die anwaltliche Erklärung, dass die zwingenden Vorschriften eingehalten wurden und kein Verstoß gegen den ordre public vorliegt,961 vertraut. Dann wäre keine hinreichende Kontrolle gegeben. Bezüglich der Tätigkeit des italienischen Zivilstandesbeamten ist zunächst festzuhalten, dass bei dieser Scheidung grundsätzlich keine vermögensbezogenen Regelungen getroffen werden und sie ebenfalls nur möglich ist, wenn Kinder962 gerade nicht vorhanden sind.963 Eine entsprechende Kontrolle von vermögensrechtlichen Regelungen oder des Kindesinteresses ist daher ohnehin nicht erforderlich. Allerdings ist es bei dieser Scheidungsart nach offenbar noch nicht letztgültig geklärter Ansicht dennoch möglich, eine monatliche Unterhaltsvereinbarung zu treffen.964 Der Standesbeamte überprüft (entsprechend den Formularen im entsprechenden Ministerialdekret) zumindest die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Scheidung – es ist aber unklar, was bei einem Fehlen der Voraussetzungen
Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255). Vgl. noch die Argumentation bei BeckOGK-Rom III-VO/ Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16.2 (Prüfung der „materiell-rechtlichen Voraussetzungen“ wie etwa die „Einhaltung einer etwaigen Trennungsfrist“); anders offenbar Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (111 f.) im Rahmen der Einstufung als „formale Kontrolle“ (112), der – wenngleich nur beispielhaft – allein die Überprüfung von Unterschriften hervorhebt. 959 So die Übersetzung des Art. 6 II 1 des ital. Gesetzesdekrets bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135; von „nihil obstat = Bestätigung“ sprechend Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 185. 960 Hierzu Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (10) – wobei jedoch zugleich eine formelle Überprüfung, wenn auch zurückhaltend erwähnend (Kontrolle „im Wesentlichen auf Formfehler“ bzw. „meist mit einer formellen Überprüfung zufrieden[gebend]“). 961 Siehe zu dieser im ital. Gesetzesdekret vorgesehenen Bestimmung zur anwaltlichen Erklärung Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 184. 962 D. h., genauer gesagt, wiederum keine „minderjährige[n] Kinder oder volljährige[n] Kinder, die geschäftsunfähig, schwerbehindert […] oder wirtschaftlich unselbstständig sind“; siehe Art. 12 II des ital. Gesetzesdekrets mit der Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136. 963 Art. 12 III 3, II des Gesetzesdekrets; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 13 hierzu nachdrücklich Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (11); siehe noch Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 190 f.; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1256 f.). 964 Näher Bargelli, FamRZ 2021, 214 (215); siehe noch Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136, Fn. 5; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1256 f.); knapp noch Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (11); allgemeiner zur problematischen Frage des erlaubten Inhalts noch Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (115).
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geschieht.965 Diese Überprüfung müsste zum einen die Rechtmäßigkeit der Unterhaltsvereinbarung miteinschließen, wenn eine solche tatsächlich zulässig ist, um von einer hinreichenden Kontrolle sprechen zu können. Zum anderen würde es nicht ausreichen, wenn der Standesbeamte seinen Mitwirkungsakt tatsächlich nicht abbrechen könnte, obwohl er Fehlerhaftigkeiten bemerkt, weil sich dies im Ergebnis nicht substantiell von einer Funktion unterscheiden würde, die sich auf eine schlichte Vorlage beschränkt.966 Davon abgesehen ist jedenfalls zu beachten, dass für die Überprüfung der Trennungszeit ein Nachweis mittels amtlicher Trennungsurkunde genügt967 und dass darüber hinaus das Nichtvorhandensein der genannten Kinder lediglich mittels einer sog. Autozertifizierung durch die Eheleute nachzuweisen ist968. Insgesamt ist daher nicht von einer hinreichenden Nachprüfung auszugehen. Bei der Privatscheidung unter notarieller Mitwirkung im brasilianischen oder spanischen Recht wäre – in Bezug auf das Kontrollkriterium – eine hinreichende Kontrolle nicht deshalb abzulehnen, weil der Notar eine beurkundende Tätigkeit ausübt.969 Vielmehr ist sie für das brasilianische Recht zu bejahen,970 da dieses eine Überprüfung der Scheidungsvereinbarung auf die nachteiligen Folgen und ihre Freiwilligkeit hin vorsieht.971 Voraussetzung wäre aber, dass die dortige Formulierung „kann“972 kein freies Ermessen bei der Überprüfung dergestalt einräumt, dass der Notar nur eine Wahlmöglichkeit hat, sondern im Sinne einer Befugnis mit entsprechender Amtspflicht zu verstehen ist. Auch für das spanische Recht dürfte eine hinreichende Kontrolle anzunehmen sein. Vorgeschrieben sind dort nämlich eben-
965 Siehe die Darstellung zum italienischen Recht bei Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 194 (auch näher zum Kontrollprogramm des Standesbeamten); Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1257); Pika/Weller, IPRax 2017, 65 (68). 966 Siehe hierzu schon die Voraussetzung der „Versagungsmacht“ im Zusammenhang mit der allg. Rechtfertigung des Kontrollkriterium oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(4). 967 Hierzu Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (12). 968 Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 191; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1256). 969 Vgl. aber die i. E. offenbar entgegengesetzte Bewertung zum spanischen Recht bei NKBGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 i. V. m. Rn. 9, wonach als Merkmal für die Einordnung als Entscheidung positiv u. a. eine „Prüfung in der Sache“ und negativ u. a. eine „bloße Entgegennahme“ beachtlich seien, Rn. 9, und bei der Scheidung nach spanischem Recht unter notarieller Mitwirkung gerade keine Entscheidung angenommen wird, Rn. 10; ähnlich dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; tendenziell gegenteilig zum brasilianischen Recht – im Kontext der Einordnung als Privat- und nicht hoheitliche Scheidung – Gärtner, Privatscheidung, S. 11, die von einer „grundsätzlich lediglich registrierende[n] Funktion“ des Notars ausgeht. 970 Zumindest knapp davon sprechend, dass die „notarielle Beurkundung […] die nötige Zustimmung eines Richters ersetzt“, Feiten Wingert Ody, Brasilianisches Recht, § 11 Rn. 42. 971 Art. 46 der ergänzenden Entschließung im brasilianischen Recht; siehe wiederum die Übersetzung bei Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245); sowie bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61 f. 972 Siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61; Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245).
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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falls eine Kontrolle der Schädlichkeit- und Nachteilhaftigkeit durch den Notar973 und zumindest eine unmissverständliche, persönliche Bekundung des einverständlichen Willens vor dem Notar,974 der auch eine „Legalitätskontrolle“ durchführt975 und den Scheidungswillen bestätigend in der Urkunde festhält.976 Eine hinreichende Kontrolle wäre dem Grunde nach auch im japanischen Recht gegeben, da die Anmeldung der Scheidung nur entgegengenommen werden darf, wenn sie den gesetzlichen Vorschriften nicht widerspricht,977 sodass an sich alle Voraussetzungen überprüft werden sollen. Gleichwohl darf durch die Registerbehörde keine Nachprüfung des Scheidungswillens selbst erfolgen.978 Die Anmeldung entspricht diesbezüglich also eher der schlichten Annahme von Dokumenten.979 Eine ausreichende Kontrolle ist dann zu verneinen. Bei der Privatscheidung nach dem Recht der Republik Korea (Südkorea) wird die Scheidungsvereinbarung durch das Familiengericht zuvor bestätigt,980 wobei dies den Scheidungswillen981 bzw. bezüglich sorge- oder unterhaltsrechtlicher Abreden sogar das Kindeswohl982 betrifft, weshalb man ebenfalls eine ausreichende Kontrolle983 annehmen darf.984 973 Art. 90 Nr. 2 Abs. III 1 span. Código Civil; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51. 974 Siehe dazu Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (135 f.); siehe Art. 87 S. 1 i. V. m. Art. 82 Nr. 1 span. Código Civil; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50d f., 50c. 975 Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (138). 976 Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (140). 977 Art. 765 I japan. ZG; siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/ Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 66. 978 So zum japanischen Recht Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197) („keine Befugnis zur Inhaltskontrolle“, „ungeprüft, ob die Ehegatten sich tatsächlich […] einig sind“); ebenso dies., IPRax 2002, 49 („keine Befugnis [der Registerbehörde] zur Inhaltskontrolle“; „Scheidungswille der Ehegatten in der Regel ungeprüft“); Urano, FamRZ 2004, 1252 (1253) (nicht „berechtigt […] zur Prüfung der übereinstimmenden Erklärungen“, „sichert [nicht] die Ernstlichkeit des Scheidungswillens“). 979 Vgl. den Hinweis auf Manipulationsmöglichkeiten bei Nishitani, IPRax 2002, 49 („[…] führt in der Praxis dazu, dass es Fälle gibt, in denen ein Ehegatte ein Scheidungsformular fälscht und es ohne Kenntnis des anderen Ehegatten abgibt.“); ebenso Nozawa, in: Recht und Gesellschaft, S. 95 (97); Urano, FamRZ 2004, 1252 (1253, Fn. 6); noch Bergmann/Ferid/Henrich/ Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 35. 980 Art. 836 I KBGB; wiederum nach der englischen Übersetzung des KBGB (i. d. F. v. 20. 10. 2020) durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri. re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=55222&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 981 Siehe hier dazu, dass im Rahmen des Art. 836 KBGB jedenfalls das „Einverständnis“ der Eheleute „bestätig[t]“ wird, nur Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197). 982 Aus Art. 837 III KBGB (und Art. 836-2 IV, V KBGB) ergibt sich nunmehr, dass das Gericht das Kindeswohl hinsichtlich der Vereinbarung über die sorge- bzw. unterhaltsrechtlichen Fragen (Art. 837 I KBGB) überprüft; siehe die englische Übersetzung des KBGB
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dd) Unzulänglichkeit des Kontrollkriteriums vor dem Hintergrund der Beständigkeit gerichtlicher Entscheidungen (1) Beständigkeitsbezogene Unzulänglichkeitsargumentationen Gerade im Schrifttum zum internationalen Adoptionsrecht gibt es, wie oben erwähnt, (ältere) Stimmen, die für die Anerkennung von Vertragsadoptionen neben der Kontrolle generell auch auf deren Beständigkeit abstellen985 bzw. im Falle erhöhter Beständigkeit bereits von einer verfahrensrechtlich anzuerkennenden Dekretadoption ausgehen.986 Näher begründet ist ein solches Merkmal aber nur selten und dann lediglich knapp. So sei der „prozessuale Schwerpunkt“ für die Einordnung als Entscheidung „[m]aßgeblich“, wozu („beispielsweise“) auch „der Bestandsschutz“ zähle.987 Dass eine kontrollierende Mitwirkung allein noch nicht ausreichen könnte, um von einer anerkennungsfähigen „Entscheidung“ ausgehen zu können, verdeutlicht auch die Diskussion in Leihmutterschaftsfällen zu überprüfenden Registerakten, bei denen nach einer Mindermeinung eine Anerkennung der Abstammung möglich ist, nach herrschender Meinung jedoch nicht.988 Die erwähnte Mindermeinung beruft sich für ihre Position gerade auf die Überprüfung.989 Der Vorgang sei gerade nicht
(i. d. F. v. 20. 10. 2020) ins Englische durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri.re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=55222&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe zu dieser Norm noch Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1199). 983 Nur bei den „[f]ormelle[n] Voraussetzungen“ auf die Bestätigung des Scheidungswillens eingehend aber Kim, Ehescheidung, S. 73 f. 984 Siehe auch wiederum Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197 bzw. 1999). 985 Zu § 16a FGG a. F. v. Bar, IPR II1, Rn. 317; vor Geltung des § 16a FGG a. F. schon Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73 f.); ähnlich Beitzke, in: Personenstandsrecht, S. 1 (6); explizit gegen das eingrenzende Kriterium der erhöhten „Bestandskraft“ Benicke, Adoptionsrecht, S. 189. 986 Zu § 16a FGG a. F. Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 51 (in diesem Fall schon einen „rechtsbegründenden Charakter“ attestierend); Griep, Anerkennung, S. 40 f. („beispielsweise“ den „Bestandsschutz“ als Kriterium nennend); Lüderitz, IPR, Rn. 396 („rechtskraftähnliche[ ] Wirkung“, denn dann läge bereits ein „konstitutive[r] Akt“ vor); ebenso die Definition des Adoptionsdekrets nach Siehr, StAZ 1982, 61. 987 So Griep, Anerkennung, S. 40 f.; vgl. Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73 f.). 988 Siehe zum Meinungsstand oben unter § 4 C.I.2.b)ee)(2). 989 Nehme das ukrainische Standesamt einen Registerakt vor und trage die Wunscheltern als rechtliche Eltern ein, habe die Behörde – so das OLG Celle – den konkreten Fall unter die ukrainischen Rechtsvorschriften subsumiert, in Bezug auf die rechtliche Elternstellung „die daraus gebotene, über den Sachverhalt selbst hinausgehende, Schlussfolgerung gezogen“ und daher die Eintragung vorgenommen; so OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1497).
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eine bloße, nicht anerkennungsfähige Registrierung und Beurkundung.990 Dies lässt das (teleologische) Argumentationsmuster erkennen, das das Kontrollmerkmal der erweiterten Entscheidungsbegriffe, die sich selbst maßgeblich auf die bereits erfolgte Sachprüfung stützen, rechtfertigt.991 Der zitierte OLG Beschluss wurde jedoch vom BGH aufgehoben. Dieser BGH-Beschluss wurde bereits oben im Kontext der Anerkennungsfähigkeit der materiellen Rechtskraftwirkung einer Feststellungsentscheidung untersucht.992 An dieser Stelle ist nun herauszuarbeiten, inwiefern er sich auf die Frage der Hin- oder Unzulänglichkeit des hier untersuchten Kontrollkriteriums auswirkt. In seinem Beschluss führt der BGH (u. a.) aus, dass Behördenakte „in ihrer Funktion deutschen Gerichtsentscheidungen entsprechen“ müssen, wobei er deren „Wirkung“ ins Auge fasst.993 Eine Entsprechung sei bei „bloße[r] Beurkundung in einem Personenstandsregister“ gerade nicht gegeben, selbst wenn dabei eine „eigenständige Beurteilung von Rechtsfragen“ erfolge, da es einer „materiellen Rechtskraftwirkung […] oder ansonsten verbindlich[en] und abschließende[n]“ Wirkung bedürfe.994 Gerade bei der Anerkennung einer abstammungsrechtlichen Feststellungsentscheidung erwähnt der BGH bereits, wie gesehen, neben der erfolgten „Sachprüfung“ auch deren „Rechtskraftwirkung“.995 Das OLG München stellt ebenfalls entschieden auf die (fehlende) Verbindlichkeit ab, um die Anerkennung einer nachprüfenden Eintragung zu versagen.996 Die „Bindungswirkung“ und fehlende Anerkennungsfähigkeit von Registerakten findet sich im Schrifttum, unter Nennung der Rechtsprechung, nunmehr auch dort betont,997 wo zuvor allein die
990 OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1497); ebenso Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 8 f.; zustimmend noch Biermann, NZFam 2017, 662 (663 i. V. m. Fn. 17). 991 Siehe zum Kontrollmerkmal der erweiterten Entscheidungsbegriffe oben unter § 4 C.II.3.a)aa)(1)(b) bzw. § 4 C.II.3.a)aa)(2) und zur Rechtfertigung unter § 4 C.II.3.a)bb)(3). 992 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608; siehe dazu oben unter § 4 C.II.2.b). 993 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13). 994 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14). 995 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22) (Anerkennungsfähigkeit einer kalifornischen, möglicherweise feststellenden Entscheidung zur Leihmutterschaft). 996 OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 3) (Das bloße Vorliegen einer Prüfung reiche nicht aus, ausschlaggebend seien „vielmehr“ die „Rechtswirkungen“ einer solchen Prüfung, die „abschließende[r] und verbindliche[r]“ Natur sein müssten.). 997 So nunmehr, unter Nennung insbesondere des BGH-Beschlusses zur Registereintragung, MüKo-BGB/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82 (Augenmerk darauf, ob die Akte „funktional – insbesondere im Hinblick auf die Bindungswirkung – deutschen Gerichtsentscheidungen im Wesentlichen entsprechen“).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Sachprüfung in den Mittelpunkt gestellt und auf die kontrollbezogene Ansicht im internationalen Adoptionsrecht verwiesen wurde.998 Auf die genannten Besonderheiten gerichtlicher Entscheidungen stellt das Schrifttum zudem bisweilen in ähnlicher Weise ab, um gegen eine grundsätzliche Anerkennung öffentlicher Urkunden zu plädieren.999 Was schließlich speziell Scheidungen betrifft, findet sich allenfalls sehr knapp, als „Voraussetzung“ und ohne nähere Begründung erwähnt, die Privatscheidung müsse eine „endgültig wirksame, die Ehe auflösende Scheidung“ sein.1000 Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass gerade außerhalb des internationalen Scheidungsrechts die Beständigkeit in den Blick genommen und von einer Unzulänglichkeit eines bloßen Kontrollkriteriums ausgegangen wird, was sich insbesondere im (älteren) Schrifttum zum Adoptionsrecht zeigt und in der Diskussion über Registerakte in Leihmutterschaftsfällen manifestiert. (2) Untersuchung der Beständigkeit als Entscheidungsmerkmal (a) Vorüberlegung Im Nachfolgenden soll nun (lediglich) untersucht werden, ob es mit Blick auf das in den vorstehenden Ansichten erwähnte oder zumindest implizierte Merkmal einer Beständigkeit bzw. Rechtskraft tatsächlich notwendig und gerechtfertigt ist, nicht allein auf die kontrollierende Mitwirkung an einer Privatscheidung abzustellen.1001 (b) Untersuchung der Beständigkeit als Charakteristikum im deutschen Recht (aa) Abgrenzung zur materiellen Rechtskraft als Entscheidungswirkung Möglicherweise könnte für die Anerkennung als „Entscheidung“ eine Fähigkeit zur materiellen Rechtskraft bzw. vergleichbare Beständigkeit entscheidend sein.1002 998 So zuvor MüKo-BGB7/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 69 unter Verweis auf die Anerkennung überprüfter bewilligter bzw. bestätigter Vertragsadoptionen (nämlich auf MüKoBGB7/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 85). 999 Buschbaum, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 353 (355 f.) – wobei auch die materielle Rechtskraft hervorhebend (355); Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313 (315). 1000 NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; siehe noch dies., IntFamR, § 3 Rn. 165. 1001 Zentrale Bedeutung gewinnt dieses Merkmal, wenn es um die Frage geht, ob und unter welchen Voraussetzungen eine kontrollierte, „bestandskräftige“ Privatscheidung anerkennungsfähig ist, und ist daher weiter unten Gegenstand genauerer Untersuchung; siehe unten unter § 4 C.II.3.b). 1002 Siehe die Hervorhebung („[…] muss […] der materiellen Rechtskraft fähig sein.“) und vorangehende Urteilsdefinition zu § 328 ZPO („jede […] Entscheidung […], die einen Rechtsstreit […] rechtskraftfähig erledigt.“) bei Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 54; ebenso Thomas/Putzo/Hüßtege, § 108 FamFG Rn. 1; siehe noch OLG Koblenz, Urt. v. 2. 3. 2004 – 11 UF 250/03, IPRax 2005, 354 (355); weitere Nachw. bei Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 149 (sich dieser Ansicht allerdings nicht anschließend).
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Urteile erlangen im deutschen Recht mit Ablauf der Rechtsmittelfrist formelle Rechtskraft (§ 705 ZPO), sie werden unanfechtbar und sind nicht mehr aufhebbar – von außerordentlichen Rechtsbehelfen abgesehen.1003 In entsprechender Weise werden Beschlüsse (§ 38 FamFG) in Verfahren nach dem FamFG gemäß § 45 FamFG formell rechtskräftig bzw. in Ehesachen und Familienstreitsachen gemäß §§ 113 I 1, 120 FamFG i. V. m. § 705 ZPO.1004 Die formelle Rechtskraft ist Voraussetzung für den Eintritt der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO).1005 Letztere führt, wie weiter oben ausgeführt, zu einer inhaltlichen Bindungs- bzw. Feststellungswirkung.1006 Für Beschlüsse in Ehesachen und Familienstreitsachen ergibt sich die materielle Rechtskraft, wie ebenfalls dort gesehen, aus § 113 I 2 FamFG i. V. m. § 322 ZPO.1007 In anderen FamFG-Verfahren ist die Fähigkeit zur materiellen Rechtskraft jedoch generell strittig. Die vorherrschende Auffassung verneint sie weitgehend gerade auch wegen des Abänderungsbedürfnisses außerhalb streitiger Verfahren;1008 sie wird etwa Sorgerechtsentscheidungen oder Maßnahmen nach § 1666 BGB von der herrschenden Ansicht mit Blick auf § 1696 I bzw. II BGB abgesprochen.1009 Dass also im deutschen Recht offenbar gerade nicht alle gerichtlichen Entscheidungen der materiellen Rechtskraft fähig sind, spricht – wie (u. a.) das OLG Celle in seinem Beschluss zur Abstammungseintragung im ukrainischen Register mit Blick auf 1003
Zum Begriff und den Wirkungen etwa MüKo-ZPO/Götz, § 705 Rn. 1, 17; Stein/Jonas/ Althammer, § 322 Rn. 1, 5; Zöller/Seibel, § 705 Rn. 1, 3; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 1. 1004 MüKo-FamFG/Ulrici, § 45 Rn. 1 f., 12; Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 45 Rn. 1 f.; Prütting/Helms/Abramenko, § 45 Rn. 1; noch Keidel/Dimmler, § 45 Rn. 1, 3; zur Entsprechung des § 45 FamFG mit § 705 ZPO BT-Drs. 16/6308, S. 198. 1005 Siehe etwa MüKo-ZPO/Götz, § 705 Rn. 1; MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 1, 17, 24; Stein/Jonas/Althammer, § 322 Rn. 8; Zöller/Seibel, § 705 Rn. 6; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 2 i. V. m. Rn. 1. 1006 Von „inhaltliche[r] Maßgeblichkeit“ sprechend Stein/Jonas/Althammer, § 322 Rn. 1; zu Zweck und Wirkung der materiellen Rechtskraft näher etwa BeckOK-ZPO/Gruber, § 322 Rn. 1, 12 ff.; MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 1 ff., 40 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 2; siehe noch Stein/Jonas/Althammer, § 322 Rn. 34; siehe schon oben unter § 4 C.II.2.b)bb). 1007 Siehe hierzu wiederum Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 45 Rn. 7. 1008 Ausführlich zum Streitstand MüKo-FamFG/Ulrici, § 48 Rn. 33 ff. m. w. N. (i. E. aber für generelle materielle Rechtskraftfähigkeit, Rn. 44); zur differenzierenden h. A. etwa BeckOK-FamFG/Obermann, § 45 Rn. 2a; Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 45 Rn. 7; Prütting/ Helms/Abramenko, § 45 Rn. 11 f.; zur fehlenden materiellen Rechtskraft von Umgangsentscheidungen (§ 1684 BGB) etwa BGH, Beschl. v. 1. 2. 2012 – XII ZB 188/11, FamRZ 2012, 533 (534, Rn. 22). 1009 Siehe zu Sorgerechtsentscheidungen BVerfG, Beschl. v. 22. 9. 2014 – 1 BvR 2102/14, FamRZ 2015, 210 (211, Rn. 12); BGH, Beschl. v. 26. 9. 2007 – XII ZB 229/06, NJW 2008, 223 (225, Rn. 38) (unter Hinweis auf § 1696 BGB); zu Beschlüssen nach § 1666 BGB BGH, Beschl. v. 27. 4. 2016 – XII ZB 67/17 (3304, Rn. 11); aus der Lit. etwa MüKo-BGB/Lugani, § 1696 Rn. 1; offener formuliert, nämlich von einem fehlenden Entgegenstehen materieller Rechtskraft sprechend NK-BGB/Harms/Bisping, § 1696 Rn. 2.
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Sorgerechtsentscheidungen anführt – dagegen, die materielle Rechtskraft als Abgrenzungsmerkmal für den Entscheidungsbegriff zu nutzen.1010 Der BGH betont die Merkmale der Rechtskraftwirkung bzw. verbindlichen und abschließenden Klärung der Rechtsfrage allerdings auch nur speziell mit Blick auf feststellende Akte; die fehlende Verbindlichkeit einer Sorgerechtsentscheidung anzuführen, „liegt“ nach dem BGH „neben der Sache“, und zwar aufgrund ihrer eindeutigen Natur als „Gerichtsentscheidung mit konstitutiver (rechtsgestaltender) Wirkung“.1011 Nach dieser Rechtsprechung ist also zwischen Feststellungen und Gestaltungen zu differenzieren.1012 Auch im Schrifttum finden sich bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung explizite Unterscheidungen von bindenden und gestaltenden Entscheidungen.1013 Diese Differenzierung ist, dogmatisch-methodisch gesehen, zutreffend. Bei der materiellen Rechtskraft geht es nicht mehr um den Entscheidungsbegriff selbst, sondern um das Vorliegen anerkennungsfähiger Wirkungen.1014 Hierzu sind nach dem bisher Gesagten jedenfalls die Gestaltungswirkung und die materielle Rechtskraft (im Sinne einer feststellenden Bindungswirkung) zu zählen.1015 Eine Feststellungsentscheidung verfolgt den Zweck, für eine verbindliche Feststellung von Rechtsverhältnissen zu sorgen (vgl. § 256 ZPO) und wirkt ausschließlich über ihre materielle Rechtskraft.1016 Daher kommt aus dogmatisch-methodischer Sicht auch nur die Anerkennung dieser Wirkung der Feststellungsentscheidung in Betracht.1017 Zusammenfassend lässt sich als Zwischenergebnis also festhalten, dass die 1010 OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1497) – aufgehoben durch BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608; ebenso gegen das Kriterium der materiellen Rechtskraft Frie, NZFam 2018, 97 (98). 1011 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14). 1012 Siehe v. Bary, FamRZ 2019, 895 (nach der BGH-Rspr. „zwei Varianten der funktionalen Entsprechung“); eine solche Differenzierung hingegen offenbar nicht vornehmend Frie, NZFam 2018, 97 (98) (die Verbindlichkeit mit Blick auf die fehlende materielle Rechtskraft von Sorgerechtsentscheidungen nicht als ganz überzeugendes Abgrenzungsmerkmal ansehend). 1013 Zu § 328 ZPO allg. Zöller/Geimer, § 328 Rn. 66 („rechtskräftig entscheiden bzw. eine Gestaltung […] vornehmen“); ebenso zu § 328 ZPO und § 109 FamFG Geimer, IZPR, Rn. 2853 i. V. m. Fn. 242; bei § 108 FamFG allg. „Entscheidungen, durch die endgültig […] entschieden wird“ oder gestaltende Entscheidungen verlangend OLG Hamm, Beschl. v. 22. 12. 2016 – 11 UF 194/16, NJOZ 2017, 1384 (1386, dort Rn. 43); MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 15. 1014 Vgl. die sich gegen die materielle Rechtskraft aussprechende Argumentation bei Martiny, IZVR III/1, Rn. 490 m. w. N. („Rechtskraftwirkung zwar eine wichtige Folge der Anerkennung“ – andernfalls aber „eben weniger Wirkungen“); siehe knapp gegen das umstr. Erfordernis der materiellen Rechtskraft Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 149; noch MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 70; vgl. noch die Gesetzesbegründung zu § 16a FGG a. F., BT-Drs. 10/504, S. 93 (alternative Aufzählung mehrerer rechtlicher Wirkungen). 1015 Siehe dazu oben unter § 4 C.II.1.c) und § 4 C.II.2.b)bb). 1016 Hierzu aus nationaler Sicht Musielak/Voit/Foerste, § 256 Rn. 1; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 1. 1017 Siehe hierzu schon Schwarz, Anerkennung, S. 13 („Bei den Feststellungsurteilen erschöpft sich hierin die Anerkennung.“). Vgl. MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 19 (Aner-
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materielle Rechtskraft nicht als Kriterium für den Entscheidungsbegriff des § 109 FamFG dienen kann. (bb) Besondere Beständigkeit unabhängig der materiellen Rechtskraft Gerichtliche Entscheidungen zeichnen sich aber auch unabhängig einer etwaigen materiellen Rechtskraft und sogar unabhängig bzw. vor Eintritt der formellen Rechtskraft generell durch ihre besondere Beständigkeit aus. Sie sind als staatliche Hoheitsakte grundsätzlich kaum fehleranfällig, sie sind regelmäßig trotz etwaiger Mängel wirksam und ein sog. Nichturteil oder wirkungsloses Urteil ist nur selten gegeben.1018 Wirksame, aber an Fehlern leidende Urteile sind im deutschen Recht lediglich (zeitlich begrenzt) mit ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar.1019 Diese Grundsätze gelten auch für Beschlüsse (§ 38 FamFG) in FamFG-Verfahren.1020 Dies zeigt jedenfalls, dass eine gerichtliche Entscheidung durch mehr als eine Sachprüfung charakterisiert wird.1021 Sie ist zunächst grundsätzlich trotz etwaiger kennung von Erbscheinen, die den deutschen vergleichbar sind, „scheitert nicht an einer grundsätzlichen Anerkennungsunfähigkeit“, sondern an den fehlenden Wirkungen, es „ergibt sich eine wirkungsleere Anerkennung“.); noch Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 17 (ebenfalls mit Blick auf Erbscheinen (u. a.) die fehlende Gestaltungswirkung und Rechtskraft anführend – aber auf eine Anerkennungsfähigkeit im Falle einer Rechtskraft, die „[f]unktional vergleichbar mit einem deutschen Feststellungsurteil“ ist, für die Anerkennungsfähigkeit von Erbscheinen); Geimer, IZPR, Rn. 2884 (zur fehlenden Anerkennungsfähigkeit von Erbscheinen mangels anerkennungsfähiger Wirkungen, „insbesondere keine Rechtskraftwirkung“). 1018 Siehe BGH, Urt. v. 14. 7. 1994 – IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74 (76); Beschl. v. 16. 4. 1986 – VIII ZB 26/85, BGHZ 97, 341 (345); BeckOK-ZPO/Elzer, § 300 Rn. 62 f.; Wieczorek/ Schütze/Jensen, Vor § 300 Rn. 13; siehe noch – ohne Hinweis auf den hoheitlichen Charakter – MüKo-ZPO/Musielak, Vor § 300 Rn. 3 ff.; Stein/Jonas/Althammer, vor § 300 Rn. 30; Zöller/ Feskorn, Vor § 300 Rn. 13, 20; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 135 Rn. 17, noch § 62 Rn. 5 ff. (zu Verfahrensfehlern); ebenso bezüglich der regelmäßig bestehenden Wirksamkeit, jedoch der Begründung mit dem hoheitlichen Charakter des Akts nicht zustimmend Stein/Jonas/Jacobs, vor § 578 – 591 Rn. 1, 22 (Grund sei, „dass die Urteilsfindung aufgrund eines Verfahrens erfolgt, das im größtmöglichen Rahmen Garantien dafür bietet, dass das Urteil mit der wirklichen Rechtslage übereinstimmt“, Rn. 22). Siehe zu Nichturteilen und sog. nichtigen bzw. wirkungslosen Urteilen und den Folgen näher etwa MüKo-ZPO/Braun, § 578 Rn. 5 ff., 11 ff.; Stein/Jonas/Jacobs, vor § 578 – 591 Rn. 1 ff.; Wieczorek/Schütze/Jensen, Vor § 300 Rn. 15 ff.; noch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht § 62 Rn. 12 ff., 21 ff. 1019 BeckOK-ZPO/Elzer, § 300 Rn. 62; Stein/Jonas/Jacobs, vor § 578 – 591, Rn. 1, 22; Stein/Jonas/Althammer, vor § 300 Rn. 30; Zöller/Feskorn, Vor § 300 Rn. 20; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 135 Rn. 17, noch § 62 Rn. 2, 5, 21 (zu Verfahrensfehlern); vgl. Stein/Jonas/Althammer, vor § 300 Rn. 30; Wieczorek/Schütze/Jensen, Vor § 300 Rn. 13. 1020 Siehe eingehend nur MüKo-FamFG/Ulrici, Vor § 38 Rn. 11 ff. m. w. N. (unter Hinweis auf die „Autorität des Staats“, Rn. 11, und dabei den Charakter als „staatliche Einzelfallentscheidung“ hervorhebend, Rn. 12). 1021 Vgl. das Fazit – wenngleich dort i. E. im Kontext der materiellen Rechtskraft und Nichtanerkennung von Registereintragungen – bei OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 3) („nicht allein die Frage einer Sachprüfung“).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Fehler wirksam und nur (eingeschränkt) anfechtbar. Insgesamt zeichnet sie sich also zumindest durch eine besondere Beständigkeit bzw. eingeschränkte Antastbarkeit aus. Selbst fehlerhafte Verwaltungsakte sind im deutschen Recht – von bestimmten Nichtigkeitsfällen (§§ 43 III, 44 VwVfG) abgesehen – nicht unwirksam, sondern nur aufhebbar (§ 43 II VwVfG).1022 Zumindest insoweit sind sie also auch von einer gewissen Beständigkeit bzw. begrenzten Antastbarkeit. Private Rechtakte, Willenserklärungen bzw. Verträge bleiben demgegenüber grundsätzlich privat abänder- bzw. angreifbar, etwa einvernehmlich im Wege einer vertraglichen Abrede (§§ 311, 241 BGB) oder einseitig im Wege der Anfechtung (§§ 142 I, 143 BGB) oder des Rücktritts (§§ 346 I, 349 BGB), oder sind gar aufgrund etwaiger Mängel ohne Weiteres unwirksam (etwa nach §§ 105, 125 BGB). Anders ist dies bei der Eheschließung (vom Sonderfall des § 1303 S. 2 BGB abgesehen1023) lediglich allein aufgrund einer ehespezifischen, gesetzlichen Anordnung (§ 1313 BGB: gerichtliche Aufhebung), denn andernfalls wären weiterhin die auf Willenserklärungen anwendbaren Regeln des BGB anwendbar.1024 Grundsätzlich zeigt sich mithin jedenfalls, dass Verträge viel fehleranfälliger und unbeständiger sind.1025 Als anschauliches Beispiel für die genannten, grundsätzlichen Unterschiede von Verträgen und Hoheitsakten kann schließlich wiederum das Adoptionsrecht mit seinem Übergang vom Vertragssystem (grundsätzlich gerichtlich genehmigter und bestätigter Adoptionsvertrag) zum Dekretsystem (gerichtlicher Ausspruch der Adoption) dienen. Dies soll insbesondere etwaige Unwirksamkeiten aufgrund von Vertragsmängeln vermeiden und den „Bestand […] sichern“.1026 Nach heutiger Rechtslage besteht grundsätzlich1027 lediglich die Möglichkeit, das Annahmever1022 Siehe etwa BVerwG, Urt. v. 20. 11. 1997 – 5 C 1/96, BVerwGE 105, 370 (372) (zu Verwaltungsakten nach SGB X); Kopp/Ramsauer/Ramsauer, § 43 Rn. 1, 1b, 3a, § 44 Rn. 1; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 5 f., 85, 91. 1023 Siehe hierzu wiederum nur MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1303 Rn. 12 ff. („unheilbar nichtig“). 1024 Siehe näher zur Verdrängung der allgemeinen Regeln durch die ehespezifischen Regelungen MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1313 Rn. 4; Staudinger/Voppel, § 1313 Rn. 3; vgl. noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 12 Rn. 8. 1025 Vgl. Martiny, StAZ 2011, 197 (202) (zur „Entformalisierung“ einer Scheidung und „Probleme[n]“, „welche rechtsgeschäftliche Erklärungen, ihre Gültigkeit und ihre Beurkundung aufwerfen“); zur fortbestehenden „Anfechtbarkeit, Nichtigkeit etc.“ von Rechtsgeschäften mit „hoheitliche[m] Mitwirkungsakt“ Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 37; nachdrücklich (im Kontext des SGB X) den Verwaltungsakten gegenüberstellend noch BVerwG, Urt. v. 20. 11. 1997 – 5 C 1/96, BVerwGE 105, 370 (372) („Denn anders als rechtswidrige Rechtsnormen und bloße Willenserklärungen sind rechtswidrige Verwaltungsakte, wenn sie nicht nichtig sind […], wirksam […].“). 1026 BT-Drs. 7/3061, S. 24; siehe zur Einführung des Dekretsystems und diesem Unterschied zum Vertragssystem Bosch, FamRZ 1984, 829 (837); noch Staudinger/Helms, § 1752 Rn. 3; im allg. Kontext zu Genehmigungen von Rechtsgeschäften Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (244). 1027 Siehe nur Staudinger/Helms, § 1759 Rn. 8 (§ 1760 BGB zeige den Grundsatz der bloßen Aufhebbarkeit, aber „Fälle, in denen der Annahmebeschluss mit so schwerwiegenden
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hältnis im Wege eines gerichtlichen Verfahrens aufzuheben (§§ 1759 ff. BGB), die Aufhebung „ist damit der Disposition der Beteiligten entzogen“.1028 (c) Berücksichtigung vor dem (teleologischen) Hintergrund des § 109 FamFG Vor dem (teleologischen) Hintergrund des § 109 FamFG ist es überzeugend, bei der Bestimmung des Entscheidungsbegriffs nicht nur auf die Kontrolle, sondern auch auf die Beständigkeit einer Privatscheidung zu achten. Das OLG Celle führt in seinem Beschluss zur Anerkennungsfähigkeit der überprüfenden Registereintragung nach ukrainischem Recht noch an, das Ziel der Anerkennungsregeln, die Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse, bekräftige die Notwendigkeit, diesen Akt anzuerkennen.1029 Dieses Argument hat auch im Schrifttum teilweise Anklang gefunden.1030 In der Tat wurde oben dargelegt, dass § 109 FamFG der Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse dient und eine liberale1031 verfahrensrechtliche Anerkennung (u. a.) auch den Beteiligten Rechtssicherheit und Statusklarheit verschaffen soll.1032 Das Interesse daran lässt sich aber in Frage stellen, wenn der Status ohnehin unbeständig und unsicher ist. Eine bloße Kontrolle des Rechtsgeschäfts ändert, wie zuvor bei der Gegenüberstellung zur Beständigkeit von Urteilen bzw. Beschlüssen oder auch Verwaltungsakten aufgezeigt, hieran zunächst einmal nichts.1033 Ein kontrolliertes Rechtsgeschäft unterscheidet sich nach dem Gesagten grundsätzlich weiterhin von einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung in Punkto Angreifbarkeit und (möglicher) Unwirksamkeit.
Fehlern behaftet ist, dass ihm jegliche Rechtswirkungen abzusprechen sind, nicht gänzlich auszuschließen“), näher Rn. 9 ff. 1028 BT-Drs. 7/3061, S. 25; siehe zum „verstärkten Bestandsschutz“ noch Staudinger/ Helms, § 1759 Rn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 4 („größere Bestandsfestigkeit“); Schwab, in: FS Medicus, S. 587 (591) („besondere[ ] Stabilität“); speziell zur Nichteinschlägigkeit rechtsgeschäftlicher Nichtigkeitsvorschriften MüKo-BGB/Maurer, § 1759 Rn. 10; gegen die Nichtanwendbarkeit des § 138 BGB bei einer Volljährigenadoption BGH, Beschl. v. 16. 12. 1987 – IVb ZB 68/87, BGHZ 103, 12 (17). 1029 Siehe wiederum OLG Celle, Beschl. v. 22. 5. 2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 (1498) (aufgehoben durch BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608). 1030 Hausmann, IntEuFamR, Rn. O 9; dem OLG Celle zustimmend und sich vor allem auf dieses Argument stützend noch Biermann, NZFam 2017, 662 (663); Löhnig, NZFam 2018, 38; Unger, FamRZ 2017, 1499. 1031 Siehe wiederum Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624) („sehr liberal“). 1032 Speziell zu Letzterem Martiny, IZVR III/1, Rn. 77; siehe näher schon oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(1). 1033 Siehe hierzu außerdem zum sog. Scheinvertrag und einer möglichen Sittenwidrigkeit des Adoptionsvertrags i. S. d. § 138 I BGB trotz gerichtlicher Bestätigung unter Geltung des sog. Vertragssystems BGH, Urt. v. 5. 4. 1961 – IV ZR 212/60, BGHZ 35, 75 (80 ff.); sowie wiederum zur fortbestehenden „Anfechtbarkeit, Nichtigkeit etc.“ von Rechtsgeschäften mit „hoheitliche[m] Mitwirkungsakt“ Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 37.
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Darüber hinaus beruht die „großzügige“ Anerkennung, wie gesehen, im Wesentlichen auf dem Vertrauen, das ausländischen Gerichten bzw. Behörden (bei ihrer Kontrolle) zugestanden wird.1034 Wenn der genehmigte private Akt jedoch als Rechtsgeschäft fragil ist, erscheint es auch unter diesem Gerichtspunkt fragwürdig, das liberale Anerkennungsregime zum Tragen kommen zu lassen.1035 In diesem Fall ließe sich gerade nicht davon sprechen, dass das Gericht bzw. die Behörde die „Verantwortung“ trägt.1036 Letzteres fordern ja gerade nicht nur Vertreter des sich auf konstitutive Hoheitsakte fokussierenden, herrschenden Entscheidungsbegriffs in Scheidungsfällen.1037 Vielmehr betonen dies vereinzelt auch Vertreter des kontrollbezogenen Entscheidungsbegriffs im Adoptionsrecht, wonach bei erfolgter Sachprüfung des Adoptionsvertrags eine Anerkennung möglich ist.1038 Neben der Kontrolle auf die Beständigkeit zu achten, ist schließlich auch dann schlüssig, wenn man auf die weiteren Schritte der Anerkennungsmethodik blickt. Zwar darf eine ausländische Entscheidung im Wege der Anerkennung keine Wirkungen im Inland entfalten, die ihr ursprünglich gar nicht zukommen,1039 sodass bei der Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung zu prüfen ist, ob diese nicht unwirksam oder aufgehoben ist.1040 Dennoch darf man daraus nicht den Rückschluss ziehen, dass dann bei einem Privatakt die Frage bzw. das Problem der Beständigkeit schon aus dem Begriff der „Entscheidung“ ausgeklammert werden könne und dass die Beständigkeit erst in einem weiteren Schritt, als Anerkennungsvoraussetzung nach Bejahung der Entscheidungsqualität beachtlich werde. Die Untersuchung, ob 1034
Siehe hier nur Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624) („großzügige Anerkennungspraxis“); näher oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1035 Vgl. auch Beitzke, in: Personenstandsrecht, S. 1 (6), der bei Dekretadoptionen hervorhebt, dass diese wegen ihrer erhöhten Beständigkeit „großzügiger“ anerkannt werden könnten. 1036 Vgl. auch zum Erfordernis eines Mitwirkungsakts „bei der Privatscheidung“ von „konstitutive[r] Wirkung“ – womit keine konstitutive Entscheidung, sondern eine bloß zwingende Mitwirkung gemeint sein dürfte – im Rahmen der Diskussion um den Entscheidungsbegriff des Art. 7 § 1 FamRÄndG (die Vorgängerregel zu § 107 FamFG) Herfarth, Scheidung, S. 421. 1037 Siehe wiederum RG, Urt. v. 22. 4. 1932 – VII 215/31, RGZ 136, 142 (147); Martiny, IZVR III/1, Rn. 469; hierzu im Zusammenhang mit der Vertrauensargumentation des herrschenden Entscheidungsbegriffs oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1038 MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90 („Verantwortung für die materiellrechtliche Richtigkeit der Adoption getragen“); siehe schon oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(3). 1039 Dies ergibt sich aus der – noch unten zu erläuternden – Ablehnung der sog. Gleichstellungstheorie; siehe hierzu an dieser Stelle nur MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 FamFG Rn. 18 f. („keine ,Aufwertung‘“, Rn. 19); zu dem „relativ eindeutig[en]“ Ergebnis, dass unabhängig des Streits um die genaue Wirkungserstreckung jedenfalls keine weitreichenderen Wirkungen erzeugt werden dürfen, nur Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628) m. w. N.; näher unten unter § 4 C.II.3.b)bb)(2)(c). 1040 Siehe zu dieser Voraussetzung hier etwa BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (318) (wenngleich zur Anerkennung im Kontext der Vollstreckbarerklärung); nachdrücklich Geimer, IZPR, Rn. 2889; Martiny, IZVR III/1, Rn. 483; näher unten unter § 4 C.II.3.b)cc)(3)(b)(bb).
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eine gerichtliche Entscheidung ausnahmsweise unwirksam oder aufgehoben ist, ist nämlich grundsätzlich nicht vergleichbar mit der Untersuchung, ob ein Privatakt, ein Rechtsgeschäft tatsächlich mit allen Voraussetzungen wirksam zustandegekommen bzw. nicht aufgehoben, angefochten worden oder in ähnlicher Weise zu Fall gebracht worden ist. Letzteres bedeutete nämlich eine sehr umfassende Überprüfung und liefe praktisch auf eine Art révision au fond hinaus, die im Anerkennungsrecht gerade nicht vorgesehen ist (§ 109 V FamFG), bzw. ähnelte einer Wirksamkeitsprüfung, wie sie nach allgemeinen Grundsätzen bei Rechtsgeschäften nach den (kollisionsrechtlichen) Regeln des internationalen Privatrechts stattfindet.1041 Selbst auf Ebene des europäischen internationalen Scheidungsrechts hat man im neuen Anerkennungsregime für registrierte Privatscheidungen (Artt. 64 ff. Brüssel IIb-VO) die Wirksamkeit nicht völlig außer Acht gelassen: Es muss sich um Privatscheidungen handeln, „die im Ursprungsmitgliedstaat rechtsverbindliche Wirkung haben“ (Art. 65 I Brüssel IIb-VO), wobei dies dort allerdings nicht im Anerkennungsstaat, sondern im Erlassstaat beim Ausstellen der Bescheinigung (Art. 66 Brüssel IIb-VO) zu beachten ist.1042 (d) Besondere Bedeutung bei Scheidungen Gerade bei Scheidungen ist es von besonderer Bedeutung, neben der Kontrolle auch die Beständigkeit einer Gerichtsentscheidung in den Blick zu nehmen. Die nachdrücklich kritischen Stimmen zum herrschenden Entscheidungsbegriff berufen sich, wie oben gesehen, auch auf die zurückgehende praktische Relevanz der Kontrolle bei gerichtlichen (einverständlichen) Scheidungen, um für eine Anerkennung von Privatscheidungen zu plädieren.1043 Zwar kann diese Kritik aus den dort dargelegten Gründen nicht abschließend überzeugen, lässt sich hier aber aufgreifen, um das Beständigkeitskriterium zu untermauern. Als Unterschied zu einem Privatakt bleibt nämlich, wie gerade die gerichtliche Scheidung im deutschen Recht zeigt, weiterhin die Beständigkeit bestehen. Gerichtliche Scheidungen werden nach deutschem Recht mit Eintritt der formellen Rechtskraft (§ 1564 S. 2 BGB) wirksam; es verbleiben sodann nur die einge-
1041 Siehe zu Letzterem auch – im Kontext der Nichtanerkennung von Registereintragungen – v. Bary, FamRZ 2019, 895 („die Anerkennung würde mangels entsprechender Wirkung nach dem ausländischen Recht eine international-privatrechtliche Beurteilung nicht ersetzen“); zum allgemeinen Grundsatz der Trennung von IPR und IZVR einleitend unter § 1 B.; zur fehlenden Nachprüfung bzw. untersagten révision au fond im Anerkennungsrecht oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1042 Hierzu näher Gruber/Möller, IPRax 2020, 393 (402 f.); gegen eine Überprüfbarkeit der „materiellrechtlichen Wirksamkeit der Scheidung im Anerkennungsmitgliedstaat“ noch NKBGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 12; a. A. Dutta, FamRZ 2020, 1428 (1429 f.), der Art. 65 I Brüssel IIb-VO als eine „Quasikollisionsnorm“ versteht, nach welcher „das Recht desjenigen Mitgliedstaates Anwendung findet, in dem die Urkunde errichtet oder eingetragen wurde“. 1043 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2).
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schränkten Fälle außerordentlicher Rechtsbehelfe.1044 Auch eine fehlerhafte Scheidung, selbst im Falle von Falschangaben bei einer Scheidung und Zerrüttungsvermutung aufgrund einverständlichen Handelns (§ 1565 I i. V. m. § 1566 I BGB), bleibt entsprechend den dargelegten Grundsätzen wirksam.1045 Eine Privatscheidung ist hingegen nach ihrer rechtsgeschäftlichen Konzeption zunächst einmal prinzipiell fehleranfällig und unbeständiger.1046 Insofern sind beide Scheidungsarten also gerade nicht vergleichbar. Zur Verdeutlichung lässt sich zudem noch auf die gerichtliche Scheidung im österreichischen Recht verweisen. Die dortige Scheidungsfolgenvereinbarung wird, wie erwähnt, nur begrenzt, nämlich auf „eine offenkundige Gesetz- oder Sittenwidrigkeit“ hin überprüft – der gerichtliche „Scheidungsbeschluss wird von der [möglicherweise gegebenen] Unwirksamkeit der Vereinbarung jedoch nicht berührt“.1047 Zudem lässt sich, wie schon im Zusammenhang mit dem Begriff der Konstitutivität,1048 noch darauf verweisen, dass Gestaltungsurteile ganz allgemein auch den Zweck verfolgen, für Rechtssicherheit zu sorgen; das Gestaltungsrecht ist gerade nicht durch bloße private Willenserklärung ausübbar, sondern es muss eine Gestaltungsklage erhoben und ein entsprechendes Gestaltungsurteil erlassen werden.1049 Wie die ebenfalls dort angesprochene Ablehnung der Lehre vom Doppeltatbestand aufgezeigt hat, ist die Gestaltungswirkung von dem Hoheitsakt abhängig.1050 Eine fehlende Beständigkeit wurde dort darüber hinaus zumindest als ein Anhaltspunkt gewertet, der bereits dagegen spricht, einen Akt als konstitutiven Hoheitsakt einzuordnen. Abermals ist zu erwähnen, dass es hierbei für die vorlie1044
Neben den außerordentlichen Rechtsbehelfen zu erwähnen bleibt noch die ganz seltene, in der Praxis wohl kaum relevante Frage einer Durchbrechung der Rechtskraft wegen des Extremfalles einer arglistig erschlichenen oder unter Drohung erreichten Scheidung nach § 826 BGB; siehe näher zu den Rechtsbehelfen sowie zu § 826 BGB etwa BeckOGK-BGB/CoesterWaltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 175 ff.; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 109, noch zurückhaltender zu § 826 BGB, Rn. 110 („ganz unwahrscheinlich“); Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 82 ff., 91 ff. (dabei ebenfalls zurückhaltend zu § 826 BGB, Rn. 83, 84b); noch restriktiver zu § 826 BGB Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 59 („obsolet“ und „keine praktische Relevanz“); zur restriktiven Handhabe des § 826 BGB BGH, Urt. v. 5. 6. 1963 – IV ZR 136/62, BGHZ 40, 130 (132 f.) (Erschleichen und Ausnutzen eines unrichtigen Urteils in einer Unterhaltssache). 1045 MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 110; Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 82, 84. 1046 Auf diese „Probleme“ im Falle einer „Entformalisierung“ der Scheidung hinweisend Martiny, StAZ 2011, 197 (202); vgl. noch zu Genehmigungen von Rechtsgeschäften im deutschen Recht und fehlender Heilungswirkung von Mängeln Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (244). 1047 Siehe Süß/Ring/Ferrari/Koch-Hipp, Eherecht, Österreich Rn. 113; noch Schwimann/ Kodek/Nademleinsky/Weitzenböck, § 55a EheG Rn. 19. 1048 Siehe oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(b). 1049 Siehe wiederum Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 38, 40 f., 43; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 84; siehe noch die Hervorhebung der Rechtssicherheit bei denjenigen, die bei Gestaltungsurteilen nur von einem öffentlich-rechtlichen Gestaltungsrecht ausgehen, Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 30, 32 f.; Dölle, in: FS Bötticher, S. 93 (95); ebenfalls bereits Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 15 2. C), S. 60. 1050 Siehe hier nur Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor § 253 Rn. 14.
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gende Untersuchung nicht von Bedeutung ist, ob den Gestaltungsklagen oder -urteilen vor allem einseitige private Gestaltungsakte gegenübergestellt werden.1051 Dafür kann wiederum auf den – einem Vertragsabschluss dennoch ähnelnden1052 – Adoptionsbeschluss des deutschen Rechts verwiesen werden, der für Beständigkeit sorgen soll.1053 Zudem lässt sich für die Scheidung im deutschen Recht allgemein auch die durch die gerichtliche Scheidung erzeugte „Klarheit über den Personenstand“ hervorheben1054 und die mögliche Unbeständigkeit einer Privatscheidung mit Blick auf eventuelle Scheidungsreformen kritisch sehen.1055 Die Relevanz rechtsgeschäftlicher Mängel einer einvernehmlichen Privatscheidung lässt sich zudem nicht nivellieren,1056 vertragliche Mängel sind nicht pauschal auszuschließen.1057 Der Beständigkeit als Charakteristikum einer gerichtlichen Scheidung und Entscheidungsbegriffskriterium bei Privatscheidungen lassen sich daher keine Überlegungen der Irrelevanz entgegenhalten. (e) Berücksichtigung bei funktionaler (teleologischer) Qualifikation lege fori Wendet man die oben dargelegte funktionale (teleologische) Qualifikation lege fori1058 konsequent an, darf man die zuvor dargelegte, besondere Beständigkeit von gerichtlichen Entscheidungen bei der Qualifikation bzw. Anwendung der verfahrensrechtlichen Anerkennungsregel nicht außer Acht lassen. Vielmehr ist – im Ergebnis mit den oben dargestellten Ansichten im internationalen Adoptions- bzw. Abstammungsrecht – für die verfahrensrechtliche Anerkennung einer Scheidung 1051 Vgl. abermals Adomeit, Gestaltungsrechte, S. 13; mit Blick auf Gestaltungs(klage-) rechte Lakkis, Gestaltungsakte, S. 38, Fn. 152. 1052 Vgl. zum vertragsähnlichen Charakter wiederum Staudinger/Helms, § 1752 Rn. 2; Schwab, Familienrecht, Rn. 981; noch MüKo-BGB/Maurer, § 1768 Rn. 1; Schwab, in: FS Medicus, S. 587 (590 f.). 1053 Siehe wiederum zur Einführung des Dekret- anstelle des Vertragssystems BT-Drs. 7/ 3061, S. 24; noch Staudinger/Helms, § 1752 Rn. 3; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 4; Schwab, in: FS Medicus, S. 587 (591). 1054 MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 3; Staudinger/Rauscher, § 1564 Rn. 1; Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, § 25 Rn. 3 („um der Klarheit der Personenstandsverhältnisse willen“); siehe noch BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 31 (jedoch annehmend, es „könnte […] Statusklarheit“ auch durch „andere[ ] Institutionen (Standesamt, Notare) mit entsprechenden Überprüfungen und Registrierungen erreich[t]“ werden). 1055 Siehe zu Letzterem Heiderhoff, StAZ 2011, 262 (270); vgl. noch Martiny, StAZ 2011, 197 (202), der daher zumindest „Verfahrensgarantien“ fordert. 1056 So aber tendenziell (im Rahmen seines de lege ferenda-Vorschlags zu kontrollierten Privatscheidungen) Helms, in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (441) („an der Wirksamkeit von Privatscheidungen in aller Regel keine vernünftigen Zweifel“); im Zusammenhang mit dem Unterschied von Beständigkeit und Konstitutivwirkung ders., in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (345) („praktische Bedeutung von Willensmängeln sowie der Geschäftsunfähigkeit […] äußerst gering“). 1057 Letztendlich zumindest auch keine pauschale Aussage machend Helms, in: FS CoesterWaltjen, S. 431 (441) („in aller Regel“). 1058 Siehe oben unter § 4 A.I.3.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
bzw. ihre Qualifikation als „Entscheidung“ mehr zu fordern als nur eine im Rahmen eines behördlichen Mitwirkungsakts erfolgende Kontrolle.1059 Schließlich bleibt zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber gerade auf die Sahyouni II-Rechtsprechung des EuGH, die die Nichtanwendbarkeit der Rom III-VO auf Privatscheidungen (jedenfalls im Falle einer einseitig erklärten Privatscheidung) erklärt,1060 reagiert hat. Er hat jedoch nicht die Anerkennungsregel des § 109 FamFG angetastet, sondern an der (gegebenenfalls modifizierten) Anwendbarkeit der Kollisionsregeln der Rom III-VO in Art. 17 II EGBGB festgehalten.1061 Dies spricht zumindest dagegen, bei § 109 FamFG ein wichtiges Charakterisierungsmerkmal von Entscheidungen, zu dem, wie erörtert, auch die besondere Beständigkeit gehört, von vornherein ganz außer Acht zu lassen.1062 Stellt man bei Privatscheidungen jedoch nur auf die kontrollierende Tätigkeit des Gerichts oder der Behörde ab,1063 untersucht man die Wirkungen überhaupt nicht; man prüft nicht (weiter differenzierend), ob etwa eine (im weitesten Sinne) beständige Wirkung gegeben ist, die zumindest mit einer gerichtlichen Entscheidung vergleichbar sein könnte. (f) Zwischenergebnis Gerichtliche Entscheidungen, auch die Scheidung nach deutschem Recht, zeichnen sich durch ihre besondere Beständigkeit aus, sie sind (regelmäßig) nicht einfach unwirksam und dem unmittelbaren Zugriff der Parteien entzogen. Dies ist mit Blick auf Privatscheidungen bei der Bestimmung des Entscheidungsbegriffs im Sinne des § 109 FamFG zu beachten.1064 1059
Siehe nachdrücklich wiederum OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 3); zu den genannten Ansichten oben unter § 4 C.II.3.a) dd)(1). 1060 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 48 f., 51 = IPRax 2018, 261 (263). Siehe aber näher zur fraglichen Reichweite etwa NKBGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 93; zur „unscharfen Formulierung“ noch Antomo, StAZ 2020, 33 (42); hierzu m. w. N. schon einleitend oben unter § 1 B. 1061 Siehe etwa NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 43; Johannsen/Henrich/Althammer/ Henrich, § 107 FamFG Rn. 13; Antomo, StAZ 2019, 33 (34 f.). 1062 Vgl. i. E. noch – wobei wegen dieser Neufassung sogar gegen jeglichen weiteren Auslegungsspielraum – Johannsen/Henrich/Althammer/Henrich, § 107 FamFG Rn. 13 (Erweiternden „Vorschlägen […] ist der Gesetzgeber nicht gefolgt“.); Antomo, StAZ 2019, 33 (35) („[K]eine Anhaltspunkte für die Annahme, dass er [der Gesetzgeber] den Entscheidungsbegriff des § 109 FamFG weiter als bisher auszulegen gedenkt.“); näher zur Bedeutung der Neuregelung für einen offeneren Entscheidungsbegriff noch unten unter § 4 C.II.3.b)aa)(3). 1063 So gerade im Rahmen seiner „Alternative“ zum bisher herrschenden Verständnis Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 43 f.; unter Bezugnahme auf die Sahyouni IIRspr. des EuGH Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746). 1064 Noch nicht näher eingegangen werden soll an dieser Stelle auf die Frage, welche genauen Beständigkeitsanforderungen zu stellen sind, um von einer anerkennungsfähigen „Entscheidung“ sprechen zu können, und ob demgemäß unter bestimmten Voraussetzungen
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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(3) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle also festhalten, dass ein Entscheidungsbegriff, der sich bei Privatscheidungen auf die Kontrolle fokussiert – jedenfalls soweit allein die gerichtliche oder behördliche Kontrolle zum entscheidenden Kriterium gemacht wird –, als unzulänglich anzusehen ist. ee) Fehlender dogmatischer Einklang mit der Wirkungserstreckungslehre (1) Wirkungs(erstreckungs)bezogene Argumentationen Wie oben bei der Anerkennung der Gestaltungswirkung gesehen, finden sich zu der in Scheidungsfällen herrschenden Meinung Argumentationen, die die (Gestaltungs-)Wirkung in den Blick nehmen.1065 Diese weisen aber nicht nur auf die oben untersuchte Anerkennung der Konstitutivwirkung von Hoheitsakten, sondern teilweise auch auf die sog. Wirkungserstreckung hin.1066 Näher ausgeführt findet sich dieser Aspekt gerade in Bezug auf Privatakte mit kontrollierender Mitwirkung in Leihmutterschaftsfällen, und zwar zunächst bei der Ansicht, die sich gegen eine Anerkennung ausspricht, wenn im Wege einer Bewilligung die Leihmutterschaftsvereinbarung überprüft und die Leihmutterschaft zugelassen wird. Die Bewilligung betreffe, so die dortige Begründung, nur die Vereinbarung und das Vornehmen des entsprechenden Vorgangs; da sich die rechtliche Stellung der Eltern sodann direkt aus dem Gesetz ergebe, könne diese Rechtsfolge nur als mittelbare, nicht als unmittelbare Wirkung der Bewilligung angesehen werden und keine verfahrensrechtliche Anerkennung der Abstammung bzw. rechtlichen Elternschaft erfolgen.1067 In die gleiche Richtung geht die Begründung des BGH zur Anerkennungsfähigkeit einer Feststellungsentscheidung, der dort (u. a.) anführt, dass die „Entscheidung auf einer Sachprüfung [beruht], die neben der Wirksamkeit der Leihmutterschaftsvereinbarung auch die damit verknüpfte Statusfolge zum Gegenstand hat“.1068 Insbesondere der BGH-Beschluss zur ukrainischen Registereintragung auch Privatscheidungen als eine solche angesehen werden können; hierzu unten unter § 4 C.II.3.b)cc)(3). 1065 Siehe oben unter § 4 C.II.1.c). 1066 So bedürfe es eines (konstitutiven) Hoheitsakts, da infolge der Anerkennung im Inland „dieselbe rechtliche Wirkung“ zuzugestehen sei wie im „Entscheidungsstaat“; so für die h. M. (noch zu § 328 ZPO) argumentierend wiederum Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 160; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14). Auf die „Wirkungserstreckung“ der Anerkennung, die bei der Scheidung „vor allem“ eine Erstreckung der „Gestaltungswirkung“ zur Folge habe, eingehend (zu § 328 ZPO) wiederum Beule, StAZ 1979, 29 (30, 35). 1067 Nachdrücklich wiederum Duden, Leihmutterschaft, S. 124 ff. (zum griechischen Recht, S. 125); ders., StAZ 2014, 164 (168 f.) (zum griechischen Recht, 169); Henrich, in: FS Schwab, S. 1141 (1146); ebenso Diel, Leihmutterschaft, S. 161 – wobei ohnehin nicht für eine Anerkennung deklaratorischer Feststellungsentscheidungen, S. 161 f. 1068 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
bezieht sich für deren Nichtanerkennung nicht nur auf die schon oben untersuchte fehlende Beständigkeit bzw. Verbindlichkeit eines Registerakts als solche.1069 Vielmehr sieht der BGH das Erfordernis funktional vergleichbarer Wirkungen „nicht zuletzt“ – worauf noch nicht eingegangen wurde – „im Wesen der Anerkennung begründet“, und zwar der „Wirkungserstreckung der Auslandsentscheidung“.1070 Auch die „Anerkennung“ einer Privatscheidung folge aus „einer kollisionsrechtliche[n] Beurteilung und Anwendung des materiellen Rechts“ und „gerade nicht aus einer verfahrensrechtlichen Wirkungserstreckung“.1071 Schon das OLG Hamm attestiert einer Registereintragung eine fehlende „rechtsfeststellende oder gar rechtsbegründende Wirkung“1072 und auch das Schrifttum nimmt auf die fehlende unmittelbare Wirkung von Beurkundungen und Registereintragungen Bezug, um die Nichtanwendbarkeit der §§ 108, 109 FamFG zu untermauern.1073 Unter Verweis auf den BGH-Beschluss wird schließlich im leihmutterschaftsrechtlichen Kontext die oben erörterte „Bindungswirkung“ und Nichtanerkennung von Registerakten wiederum auch dort mit der „Wirkungserstreckung“ begründet,1074 wo zuvor die Sachprüfung im Fokus stand.1075 Zuletzt lässt sich noch anmerken, dass andere in ähnlicher Weise auf die fehlende Rechtskraftwirkung auch bei öffentlichen Urkunden hinweisen, um diesen die Nichtanerkennung zu attestieren.1076 Im Nachstehenden ist folglich ein Blick auf die sog. Wirkungserstreckung und Anerkennungsfähigkeit von Wirkungen zu werfen, um anschließend zu beleuchten, wie sich die daraus resultierenden Grundsätze auf die Frage der Anerkennung von Privatscheidungen auswirken.
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Siehe dazu oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(1). BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13). 1071 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 15). 1072 OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16, BeckRS 2017, 155899 (dort Rn. 45) (in der Vorinstanz zu BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 530/17, BGHZ 221, 300). 1073 Nachdrücklich gegen die Ansicht des OLG Celle aus diesem Grund Frie, NZFam 2018, 97 (99 f.); ausführlich Gomille, StAZ 2017, 321 (323 f.) („weder Gestaltungs- noch Feststellungswirkungen“ einer Registereintragung nach ukrainischem Recht); gerade unter dem Blickwinkel der Wirkungserstreckung daher dem BGH zustimmend v. Bary, FamRZ 2019, 895; siehe noch Benicke, StAZ 2013, 101 (104) (darauf abstellend, dass die Wunschelternschaft u. a. nach ukrainischem Recht „unmittelbar aus dem Gesetz, ohne dass es einer gerichtlichen Mitwirkung bedarf,“ folgt und sodann allgemein darauf verweisend, dass daher auch im Falle einer Geburtsurkunde keine Anerkennung erfolgen könne) – allerdings anschließend zumindest bei einem genehmigten Leihmutterschaftsvertrag für eine Anerkennung plädierend (105). 1074 Siehe wiederum nunmehr MüKo-BGB/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 82. 1075 So zuvor MüKo-BGB7/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 69 i. V. m. Art. 22 EGBGB Rn. 85, d. h. unter Hinweis auf die Anerkennung von bewilligten und bestätigten Vertragsadoptionen. 1076 Geimer, IZPR, Rn. 2865a; vgl. noch Buschbaum, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 353 (355 f.); Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313 (315). 1070
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(2) Untersuchung wirkungsbezogener allgemeiner Grundsätze (a) Herrschende Wirkungserstreckungslehre Die verfahrensrechtliche Anerkennung bedeutet nach heute herrschender Meinung, der sog. Wirkungserstreckungslehre, grundsätzlich die Wirkungen der Entscheidung, die diese im Erlassstaat äußert, auf das Inland zu erstrecken.1077 Demnach bedeutet die Anerkennung der Gestaltungswirkung einer Scheidung, die eheauflösende Wirkung auf das Inland zu erstrecken.1078 Nach der sog. Kumulationstheorie ist die Entscheidung dem Grunde nach ebenfalls mit den Wirkungen anzuerkennen, die ihr im Erlassstaat zukommen; es erfolgt jedoch eine Deckelung dergestalt, dass die Wirkungen nicht weiter reichen können als die deutscher Entscheidungen.1079 Diesen Theorien gegenüberzustellen ist die sog. Gleichstellungstheorie, wonach das ausländische Urteil im Inland die Wirkungen entfaltet, die ein entsprechendes inländisches Urteil hätte.1080 Sie konnte sich aber nicht durchsetzen,1081 obgleich frühere BGH-Entscheidungen durchaus in diese Richtung deuteten.1082 1077 Sich dieser Lehre nunmehr explizit anschließend BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13); siehe aus der Rspr. etwa OLG Hamm, Beschl. v. 10. 4. 2014 – II-2 WF 57/14, FamRZ 2014, 1935 (1936); OLG Köln, Beschl. v. 9. 4. 2010 – 4 UF 56/10, NJW-RR 2010, 1225 (1226); aus der Lit. etwa BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 52, 55; Keidel/ Dimmler, § 108 Rn. 2; MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 18, 20; MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 4 f.; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 2; Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 10; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 173, 176; Dornblüth, Anerkennung, S. 31 f.; Kropholler, IPR, § 60 V 1 b), S. 679; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.2, 12.6; Martiny, IZVR III/1, Rn. 367; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.130; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 9; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 154 – 155; Gottwald, ZZP 103 (1990), 257 (261); vorsichtig in Bezug auf § 109 FamFG noch Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628); zu § 16a FGG a. F. ders., FamRZ 2006, 744 (750 f.); allg. schon Beule, StAZ 1979, 29 (30). 1078 Siehe schon Beule, StAZ 1979, 29. 1079 So OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12. 11. 1985 – 5 W 25/85, NJW 1986, 1443; aus der Lit. Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 8 („Wirkungserstreckung nur der gedankliche Ausgangspunkt“); Wieczorek/Schütze/Schütze, § 328 Rn. 3; nachdrücklich Schack, IZVR, Rn. 944; noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 114; ausdrücklich der „Kumulationstheorie“ folgend HKZPO/Dörner, § 328 Rn. 6 – dabei aber nicht pauschal von einer Grenze anhand der Wirkungen im deutschen Recht sprechend, sondern darauf achtend, ob sie „ihrer Art nach dem deutschen Recht bekannt sind“. 1080 OLG Düsseldorf, Urt. v. 3. 11. 1981 – 6 UF 79/81, FamRZ 1982, 631 (632); Spiecker gen. Döhmann, Anerkennung, S. 70 ff.; Matscher, in: FS Schima, S. 265 (277) (für das österreichische Recht, aber allg. für die Anerkennung formuliert); weiterhin in diese Richtung tendierend ders., ZZP 103 (1990), 294 (307 f.) (jedoch letztendlich von einem „weitgehend […] bloß akademische[n] Streit“ sprechend, 308). 1081 Wieczorek/Schütze/Schütze, § 328 Rn. 3; explizit gegen die Gleichstellungstheorie grds. etwa noch Zöller/Geimer, § 328 Rn. 21; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.2, 12.6.; gegen eine „Aufwertung“ aus der Rspr. etwa OLG Hamm, Beschl. v. 10. 4. 2014 – II-2 WF 57/14, FamRZ 2014, 1935 (1936 f.). 1082 Siehe BGH, Urt. v. 1. 6. 1983 – IVb ZR 386/81, NJW 1983, 1976 (1977); noch Urt. v. 6. 10. 1982 – IVb ZR 729/80, NJW 1983, 514 (515); diese frühere BGH-Rspr. als Rückgriff auf die Gleichstellungslehre wertend BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 53.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
(b) Herrschende Anerkennung ausschließlich prozessualer Wirkungen Als verfahrensrechtlich anerkennungsfähig sind, wie bereits gesehen, jedenfalls die Gestaltungswirkung oder auch die Feststellungswirkung im Sinne der materiellen Rechtskraftwirkung eines Urteils bzw. Beschlusses anzusehen.1083 Schon die Gesetzesbegründung zu § 16a FGG a. F.1084 definierte als anerkennungsfähige Entscheidungen „alle gerichtlichen Entscheidungen […], die bestimmt und geeignet sind, eine rechtliche Wirkung für die Beteiligten (durch Begründung, Aufhebung, Änderung oder Feststellung von Rechten oder durch sonstige Einwirkungen auf rechtliche geschützte Interessen) zu äußern“.1085 Nach weit überwiegender Ansicht (im Schrifttum) beschränkt sich die Anerkennung auch ausschließlich auf solch prozessuale Wirkungen der Entscheidung.1086 Nicht anerkennungsfähig sei demgegenüber die sog. Tatbestandswirkung, d. h. wenn es darum geht, dass eine Entscheidung als Tatbestandsmerkmal innerhalb einer Norm des materiellen Rechts vorkommt1087; diese sei vielmehr als materiell-rechtlich einzuordnen und der lex causae zu unterstellen.1088 Die lex causae entscheide, ob die
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Hierzu oben unter § 4 C.II.1.c) und § 4 C.II.2.b)bb). Siehe zur Ersetzung des § 16a FGG a. F. durch § 108 bzw. § 109 FamFG wiederum BTDrs. 16/6308, S. 222. 1085 BT-Drs. 10/504, S. 93; siehe noch Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 11; Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 6. 1086 BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56; MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 164; Stein/Jonas/ Roth, § 328 Rn. 12; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 20, 29, 31; Geimer, IZPR, Rn. 2776, 2786, 2799; Martiny, IZVR III/1, Rn. 373; Schack, IZVR, Rn. 924; Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628); ders., FamRZ 2006, 744 (750). 1087 Siehe zum Begriff nur Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 15; Müller, ZZP 79 (1966), 199 (241); sowie die Definition im internen Recht etwa bei MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 20; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 8; Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 5; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 6 f. 1088 BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56, 56.2; Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 2; MüKo-ZPO/ Gottwald, § 328 Rn. 180; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 40; Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 14; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 211; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 25; Zöller/Geimer, § 328 Rn. 62; Geimer, IZPR, Rn. 2826; Kropholler, IPR, § 60 V 2 d), S. 681; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.45; Martiny, IZVR III/1, Rn. 428; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.150; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 4; Schack, IZVR, Rn. 928; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 116; eingehend schon Müller, ZZP 79 (1966), 199 (241 ff.); ebenso Süß, in: FG Rosenberg, S. 229 (259) (allerdings ohnehin auch für die Gestaltungswirkung die lex causae-Theorie vertretend (249 ff.)); a. A. BayObLG, Beschl. v. 28. 7. 1999 – 3Z BR 142/99, BayObLGZ 1999, 211 (213); Beschl. v. 11. 1. 1990 – BReg. 3 Z 150/89, NJW 1990, 3099 (jeweils knapp neben der Rechtskraft- und Gestaltungswirkung aufzählend); nachdrücklich für „Tatbestandswirkungen eines ausländischen Urteils im Inland“ Wieczorek/ Schütze/Schütze, § 328 Rn. 10 (keine Beurteilung nach der lex causae, sondern „Erstreckung auf das Inland“ im Wege der „Anerkennung nach § 328 ZPO“). 1084
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ausländische Entscheidung das betreffende Tatbestandsmerkmal erfüllen, eine inländische Entscheidung also ersetzen, d. h. substituieren kann.1089 (c) Abgrenzung von Gestaltungswirkung und Tatbestandswirkung Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Frage, wie nach dem vorstehenden, weit überwiegend vertretenen Grundsatz die Grenze zur (nach heute herrschender Meinung) verfahrensrechtlich anerkennungsfähigen Gestaltungswirkung zu ziehen ist;1090 denn schließlich wurde bereits weiter oben dargelegt, wie verwoben die Gestaltungswirkung mit dem materiellen Recht ist. So ist es insbesondere eine Norm des materiellen Rechts (§ 1564 S. 1 BGB), die anordnet, dass die Ehe durch richterliche Scheidung geschieden wird.1091 Die Gestaltungswirkung wurde, wie oben gesehen, in der älteren Lehre als Tatbestandswirkung eingestuft und diente dort als Untermauerung der sog. lex causae-Theorien.1092 Allerdings zeigen die dortigen Ausführungen zur Gestaltungswirkung auch, dass diese gerade der Entscheidung anhaftet, Gestaltungsurteil bzw. -beschluss gerade auf diese gerichtet sind, sie herbeiführen und dies die verfahrensrechtliche Anerkennung der Gestaltungswirkung rechtfertigt. Taucht die Entscheidung hingegen lediglich als Tatbestandsmerkmal auf, ohne gerade die Wirkung selbst herbeizuführen bzw. auf die Rechtsfolge gerichtet zu sein, ist demgegenüber von einer Tatbestandswirkung auszugehen, die – wie zuvor erwähnt – nach weit überwiegender Ansicht nicht verfahrensrechtlich anerkennungsfähig ist.1093 (3) Daraus resultierende Problematik bei Privatscheidungen (a) Fehlende Gestaltungswirkung Zunächst ist zu beachten, dass die Eheauflösung bei Privatscheidungen, wie gesehen, an den Scheidungsvertrag geknüpft ist, es ist ein privater Gestaltungsakt 1089 Näher BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56.2; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 25; Martiny, IZVR III/1, Rn. 428; noch Kropholler, IPR, § 60 V 2 d), S. 681; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.45; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.150; siehe noch Müller, ZZP 79 (1966), 199 (244). 1090 Vgl. noch Staudinger/Spellenberg (2005), § 328 ZPO Rn. 160 („nicht definitiv geklärt“). 1091 Siehe oben unter § 4 C.II.1.c); zur Gemeinsamkeit von Gestaltungs- und Tatbestandswirkung, „die materielle Rechtslage [zu] veränder[n]“ schon Müller, ZZP 79 (1966), 199 (242). 1092 Hoyer, JBl. 104 (1982), 634 (640 ff., 643); offenbar noch Reinl, Anerkennung, S. 119 f. (Entscheidung als „Tatbestandselement“, S. 119); siehe zur Gestaltungswirkung als Tatbestandswirkung noch Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 86 III 2, S. 456; zu Gestaltungswirkung und lex causae-Theorien oben unter § 4 C.II.1.c). 1093 BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 56.2; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 211; eingehend Geimer, Anerkennung, S. 43; Geimer, IZPR, Rn. 48; Martiny, IZVR III/1, Rn. 427; Müller, ZZP 79 (1966), 199 (242); siehe noch (zum nationalen Recht) MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 20; Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 5; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 6.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
gegeben.1094 Dass der private Scheidungsakt in Verbindung mit einem gerichtlichen oder behördlichen Kontrollakt zur Eheauflösung führt, ergibt sich – wie die obige Untersuchung zum Konstitutivbegriff gezeigt hat1095 – aus dem Gesetz. Ein für die Privatscheidung notwendiger, gerichtlicher oder behördlicher Kontrollakt ist also streng dogmatisch gesehen nur ein (zusätzliches) Tatbestandsmerkmal des jeweiligen gesetzlichen Scheidungstatbestands,1096 was ja auch vereinzelt Vertreter des herrschenden Entscheidungsbegriffs hervorheben.1097 Die unmittelbare Wirkung eines gerichtlichen oder behördlichen Kontrollakts besteht dann etwa darin, den Scheidungsvertrag zu genehmigen, es lässt sich diesem Akt selbst aber (noch) keine die Eheauflösung erklärende Wirkung entnehmen.1098 Die Eheauflösung ist bei Privatscheidungen – um die Terminologie entsprechender Ausführungen in Leihmutterschaftsfällen zu entnehmen – nur eine mittelbare Wirkung des gerichtlichen oder behördlichen Kontrollakts;1099 der Kontrollakt hat – entsprechend umgekehrt zur Formulierung des BGH zur Leihmutterschaft nach kalifornischem Recht – die Zulässigkeit der Scheidungsvereinbarung und nicht „die damit verknüpfte Statusfolge“ der Eheauflösung selbst „zum Gegenstand“.1100 Bisweilen wird auch im 1094 Siehe zur Privatscheidung als privatem Gestaltungsakt wiederum etwa Justizminister NRW, Entsch. v. 2. 7. 1985 – 3465 E – II B. 243/84, IPRspr. 1986, Nr. 86a, S. 430 (431 f.); LJV BW, Entsch. v. 23. 5. 1986 – 346 E – 325/85, IPRax 1988, 170 (171); noch jurisPK-BGB/ Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 61; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 119; Basedow, Anerkennung, S. 8, 14; Beule, StAZ 1979, 29 (35); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14). 1095 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). 1096 Vgl. nachdrücklich zur Bewilligung von Leihmutterschaftsvereinbarungen und der dann aus dem Gesetz resultierenden rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern Duden, Leihmutterschaft, S. 124 f. (Bewilligende „Entscheidung wirkt dann wie ein gewöhnliches Tatbestandsmerkmal“.). 1097 Martiny, IZVR III/1, Rn. 1743 („lediglich ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal“). 1098 Siehe die Argumentation zur fehlenden konstitutiven Tätigkeit des italienischen Staatsanwalts bei Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1258) („Der Staatsanwalt erklärt nur sein nihil obstat oder erteilt seine Genehmigung.“); Mayer, StAZ 2018, 106 (108) („lediglich [die] Genehmigung zu der Scheidungsvereinbarung erteil[t]“); vgl. zu den Bewilligungen von Leihmutterschaftsvereinbarungen Duden, Leihmutterschaft, S. 125 („bestimmt die Elternschaft jedoch noch nicht selbst, sondern legt nur die Grundlage“); ders., StAZ 2014, 164 (168) („lediglich die materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung der Leihmuttervereinbarung feststellen[d], nicht aber die Abstammung verbindlich regeln[d]“); anders bezüglich der sog. konstitutiven Mitwirkung (siehe BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16.2 a. E.: „[…] die Ehe wird bereits vorher durch das „nulla osta“ wirksam rechtlich aufgelöst.“); zur Abgrenzung von Konstitutiventscheidung und sog. konstitutiver Mitwirkung oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). 1099 Vgl. nachdrücklich zur Nichtanerkennung mittelbarer Wirkungen in Leihmutterschaftsfällen Duden, Leihmutterschaft, S. 124 ff.; ders., StAZ 2014, 164 (168 f.); noch Henrich, in: FS Schwab, S. 1141 (1146). 1100 Vgl. BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (356, Rn. 22) zu dieser Formulierung im Leihmutterschaftsfall; vgl. noch zur „bloße[n] gerichtliche[n] Erlaubnis“ und dann fehlenden „Gestaltungswirkung“ Diel, Leihmutterschaft, S. 161 – wobei jedoch die Anerkennung ohnehin auf Konstitutiventscheidungen beschränkend und deklaratorische Feststellungsentscheidungen ausnehmend, S. 161 ff.
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deutschen Recht bei den sog. privatrechtsmitgestaltenden Hoheitsakten1101 hervorgehoben, dass deren „Regelungswirkung sich hinsichtlich des Gesamtgeschäfts auf die Erfüllung bzw. Nichterfüllung eines Tatbestandselements beschränkt“.1102 Allein eine gerichtliche oder behördliche Kontrolltätigkeit selbst entfaltet mithin keine anerkennungsfähige (scheidende) Gestaltungswirkung.1103 Auch die herrschende Meinung im Scheidungsrecht stützt sich ja, wie gesehen, im Kern gerade darauf, dass die Eheauflösung bei Privatscheidungen aus einem Privatakt folgt, weswegen keine verfahrensrechtliche Anerkennung möglich sei.1104 Eine Erstreckung der (Gestaltungs-)Wirkung könne nur bei hoheitlichen Scheidungen erfolgen.1105 Die Anerkennung eines bloßen Kontrollakts würde, dogmatisch-methodisch strikt und konsequent weitergedacht, nur zur Anerkennung einer (auf die Zulässigkeit einer Privatscheidung bezogenen) Erlaubniswirkung und nicht zu einer direkt scheidenden Wirkung führen; die Erstreckung einer scheidenden Gestaltungswirkung im Sinne der herrschenden Wirkungserstreckungslehre wäre gerade nicht möglich.1106 (b) Fehlende Feststellungswirkung Wie bei der Anerkennungsfähigkeit von Feststellungsentscheidungen aufgezeigt, ist die materielle Rechtskraft als feststellende, bindende Wirkung zu begreifen und zählt zu den möglichen, einer Entscheidung anhaftenden und damit jedenfalls unproblematisch anerkennungsfähigen Entscheidungswirkungen.1107 Dort wurde ebenfalls schon dargelegt, dass bei gerichtlichen oder Mitwirkungsakten, die erst noch zwingend hinzutreten müssen, damit die Privatscheidung ihre Wirksamkeit entfalten kann, eine feststellende Wirkung ausscheidet und dass es einer Regis1101
Bengel, Verwaltungsakt, S. 119; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 284. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 285; bei den dort sog. „Mischtatbeständen“ aufzeigend, dass gerade nicht wie bei einem sog. „isolierte Hoheitsakt“ der „Staat allein […] die Rechtsfolge setzt“, Westermann, in: FS Michaelis, S. 337 (341). 1103 Siehe zur Nichtanerkennung von Tatbestandswirkungen oben unter § 4 C.II.3.a) ee)(2)(b). 1104 BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 36); Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (272); BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (382); jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 65; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 101, 123; Gärtner, Privatscheidung, S. 172 f.; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1744; Beule, StAZ 1979, 29 (35); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14). 1105 Siehe wiederum zu § 328 ZPO Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 160; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14); noch Beule, StAZ 1979, 29 (31) (Anerkennung eines Scheidungsurteils bedeute „vor allem“ die Erstreckung der „Gestaltungswirkung“); ähnlich Herfarth, Scheidung, S. 439 (auf eine „eheauflösende Wirkung“ des Hoheitsakts abstellend). 1106 Vgl. MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 19 (zur „wirkungsleere[n] Anerkennung“ von Erbscheinen wie des deutschen Rechts); noch Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 17 (in der Regel von einer fehlenden Anerkennungsfähigkeit von Erbscheinen ausgehend, da „weder Gestaltungswirkung […] noch Rechtskraft“), Rn. 21 (für eine – begrenzte – Anerkennungsfähigkeit von gerichtlichen Genehmigungen, „soweit solchen Genehmigungen Gestaltungswirkung zukommt“, „sie die Vertretungsbefugnisse […] erweiter[n]“). 1107 Siehe oben unter § 4 C.II.2.b)bb). 1102
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trierung der Scheidung regelmäßig an einer der materiellen Rechtskraft entsprechenden Feststellungswirkung fehlen dürfte.1108 (4) Zwischenergebnis Ein allein auf die Kontrolle achtender Entscheidungsbegriff lässt sich mit dem dogmatischen (herrschenden) Hintergrund der Anerkennung als Wirkungserstreckung und Anerkennung ausschließlich prozessualer Wirkungen nicht in Einklang bringen. ff) Ergebnis Eine Erweiterung des Entscheidungsbegriffs dahingehend, dass auch inhaltlich kontrollierte Privatscheidungen verfahrensrechtlich anerkannt werden können, erscheint zunächst vor dem Hintergrund der Anerkennung, bei der keine genaue Nachprüfung mehr erfolgt und vielmehr dem ausländischen Gerichts- oder Behördenakt vertraut wird, grundsätzlich gerechtfertigt und sinnvoll. Dies fördert das Ziel, hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden. Bisweilen ist die sachliche Nachprüfung nur schwer von einer unzureichenden Kontrolle abzugrenzen. Maßgeblich ist, ob eine Nachprüfung der Scheidungsvoraussetzungen erfolgt oder nur eine schlichte formale Vorlage und abhakende Kenntnisnahme. Das Kontrollkriterium ist jedoch (allein) nicht ausreichend, um eine Privatscheidung als „Entscheidung“ qualifizieren zu können. Insbesondere zeichnet eine Gerichtsentscheidung bzw. gerichtliche Scheidung im Unterschied zu einem Rechtsgeschäft nicht nur die gerichtliche Kontrolle aus, sondern auch die besondere Beständigkeit bzw. eingeschränkte Angreifbarkeit. Auch vor dem (teleologischen) Hintergrund des § 109 FamFG ist es zweifelhaft, fehleranfällige, fragile Privatakte anzuerkennen. Demnach genügt jedenfalls eine bloß kontrollierte Privatscheidung nicht für die funktionale Vergleichbarkeit, auf die es bei der funktionalen (teleologischen) Qualifikation lege fori als „Entscheidung“ ankommt. Bei einer Privatscheidung fehlt es dem hoheitlichen Mitwirkungsakt zudem an einer Gestaltungswirkung (bzw. verbindlichen Feststellungswirkung). Daher stellt es sich, mit Blick auf die herrschende Wirkungserstreckung(slehre) und verfahrensrechtliche Anerkennung ausschließlich prozessualer Wirkungen, auch in dogmatisch-methodischer Hinsicht als problematisch dar, kontrollierte Privatscheidungen ohne Weiteres einzubeziehen. Zusammenfassend lässt sich folglich festhalten, dass ein Kontrollkriterium bei Privatscheidungen zwar als berechtigtes, notwendiges Mindestmerkmal für den Entscheidungsbegriff angesehen werden kann, aber nicht zum alleinigen Dreh- und Angelpunkt für die Anerkennung einer Privatscheidung zu machen ist. 1108 Vgl. zu Letzterem abermals BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14) im leihmutterschaftsrechtlichen Kontext.
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b) Beständigkeitskriterium aa) Ausgangslage (1) Zur Kontrolle hinzutretendes Beständigkeitserfordernis Im Folgenden ist zu untersuchen, ob und unter welchen genauen Voraussetzungen eine kontrollierte und „bestandskräftige“ Privatscheidung funktional mit den Charakteristika einer Entscheidung vergleichbar ist und nach § 109 FamFG verfahrensrechtlich anerkannt werden kann. Diesem Gedanken entspricht die oben erwähnte, (ältere) einschränkende Ansicht im Adoptionsrecht, die im Kern kontrollierte Vertragsadoptionen verfahrensrechtlich nur anerkennen möchte, sofern sie eine gewisse Beständigkeit aufweisen.1109 Eine solche Ansicht wird (noch heute) für den Umgang mit vorangehenden Bewilligungen von Adoptionsverträgen vereinzelt vertreten.1110 (2) Einbeziehungsbedürftigkeit von Privatscheidungen Schon die nachdrückliche, von vielen Seiten geübte Kritik am herrschenden, auf konstitutive Hoheitsakte gerichteten Entscheidungsbegriff und die Kernargumentation zum Kontrollkriterium haben das Bedürfnis aufgezeigt, Privatscheidungen von § 109 FamFG erfassen zu lassen.1111 Den immer verbreiteteren Privatscheidungen mit gerichtlicher bzw. behördlicher oder notarieller Mitwirkung pauschal die Anerkennung zu versagen, geht mehr und mehr an der Rechtswirklichkeit in vielen Ländern vorbei.1112 In Bezug auf die asiatischen Rechtsordnungen gilt, was schon Basedow (zu „manchen Rechtsordnungen des Orients“) anmerkte: Die nicht kon-
1109 Zu § 16a FGG a. F. wiederum v. Bar, IPR II1, Rn. 317; vor Geltung des § 16a FGG a. F. schon Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73 f.); ähnlich Beitzke, in: Personenstandsrecht, S. 1 (6). Vergleichbar sind (ältere) Auffassungen, die dann bereits eine Dekretadoption annehmen; siehe zu § 16a FGG a. F. Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 51; Griep, Anerkennung, S. 40 f. („beispielsweise“ den „Bestandsschutz“ als Kriterium für Anerkennungsfähigkeit anführend); Lüderitz, IPR, Rn. 396; siehe ebenso noch die Definition des Adoptionsdekrets nach Siehr, StAZ 1982, 61. Siehe zu diesen Ansichten schon oben unter § 4 C.I.2.a)dd)(3). 1110 Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 95. 1111 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)bb) und § 4 C.II.3.a)bb)(3). 1112 Vgl. nachdrücklich – schon früher, vor den Reformen in den europäischen Scheidungsrechten – zum IPR/IZVR der Schweiz BG, Urt. v. 3. 9. 1996 – II. Zivilabteilung, BGE 122 III, 344 (347 f.) („Da in vielen Staaten die Privatscheidung staatlich anerkannt und teilweise sogar die einzig mögliche Form der Eheauflösung ist […], wäre eine generelle Nichtanerkennung mit der Begründung, es liege kein anerkennungsfähiger Entscheid vor, sachlich nicht gerechtfertigt und wirklichkeitsfremd.“). Die Leitentscheide des Bundesgerichts der Schweiz sind über die Internetseite des Bundesgerichts der Schweiz abrufbar (https://www.bger.ch/ext/ eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?type=start&lang=de; zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021).
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stitutive Natur „der staatlichen Mitwirkung ist […] in diesen Ländern oft nicht mehr als ein Zugeständnis an tief verwurzelte Rechtstraditionen“.1113 Was die neueren Reformen in den Scheidungsrechten insbesondere Europas anbelangt, könnte man gleichermaßen von einem bloßen „Zugeständnis“ ausgehen, nämlich dessen, dass man sich – wie selbst die in der Praxis an Bedeutung verlierenden Scheidungsvoraussetzungen in Rechtsordnungen zeigen, die weiterhin an der gerichtlichen Scheidung festhalten1114 – immer stärker der Privatheit nicht nur der Eheschließung, sondern auch der Scheidung bewusst wird und diese in den Vordergrund stellt.1115 Freilich stellt sich die Frage nach dem Einbeziehungsbedürfnis bei europäischen Scheidungen wegen der möglichen Einschlägigkeit vorrangiger EU-Verordnungen im hier untersuchten autonomen Recht (§ 109 FamFG) nur begrenzt.1116 Deutlich wird allerdings das generelle Einbeziehungsbedürfnis, wenn man sich die oben dargelegte Problematik der Heimatstaatsscheidungen in Erinnerung ruft: Eine Privatscheidung im Heimatstaat der Eheleute scheiterte bei einem (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland daran, dass nach dem aus deutscher Sicht anwendbaren (Art. 17 II EGBGB i. V. m. Art. 8 lit. a) bzw. b) Rom III-VO) deutschen Scheidungsrecht eine Privatscheidung nach herrschender Meinung wegen § 1564 S. 1 BGB stets unwirksam wäre.1117 Zu dieser Unwirksamkeit käme es, obwohl die Heimatgerichte durchaus spiegelbildlich zuständig wären (vgl. § 98 I Nr. 1 FamFG), einer Anerkennung also nicht § 109 I Nr. 1 FamFG entgegenstünde1118 und in vielen Rechtsordnungen, die eine Privatscheidung kennen, bei einem Einvernehmen oftmals aber keine gerichtliche Scheidung (mehr) vorge1113 Basedow, Anerkennung, S. 12; siehe zu dieser Tradition im asiatischen Rechtsraum näher Gärtner, Privatscheidung, S. 23 ff. 1114 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2). 1115 Eingehend zur „Privatautonomie“ bei Heirat und Scheidung Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 ff.; nachdrücklich noch ders., in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (368) („nicht mehr […] Schutz der Ehe als Institution, sondern […] Respekt einer von den Ehegatten, also von erwachsenen Menschen, privatautonom getroffenen Entscheidung“). 1116 Hierzu einleitend oben unter § 1 B. 1117 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(2); näher zur Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB im IPR unten unter § 5 B.II. 1118 Siehe näher zum sog. Spiegelbildprinzip nur Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 69 ff.; noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 121, 124. Siehe zur (herrschenden, aber nicht unumstr.) Anwendung des § 98 I Nr. 1 FamFG (und ggf. zusätzlichen – d. h. gerade nicht ausschließlichen – spiegelbildlichen Anwendung von Zuständigkeiten der Brüssel IIa-VO) näher OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5. 10. 2012 – 345E3 – 7950/11, IPRax 2014, 286 (287); MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 12; Prütting/Helms/Hau, § 109 Rn. 20 f.; eingehend Heiderhoff, IPRax 2014, 264 ff. m. w. N. (auch mit Nachw. zur Gegenansicht); siehe zur Anwendbarkeit des § 98 I Nr. 1 FamFG noch Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 74; gar für eine ausschließliche Spiegelung der autonomen Zuständigkeitsnormen des deutschen Rechts Geimer, IZPR, Rn. 2897b; in einem Fall § 98 I Nr. 2 FamFG spiegelbildlich anwendend und darüber hinaus auf die Brüssel IIa-VO verweisend BGH, Beschl. v. 16. 5. 2019 – V ZB 101/ 18, NJW 2019, 3575 (3576, Rn. 9).
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sehen ist.1119 Außerdem kann es, wie oben untersucht, bei derartigen Heimatstaatsscheidungen zu Problemen kommen, wenn es um eine erneute Eheschließung (Art. 13 EGBGB) geht. Letztere Problematik folgt daraus, dass es bei Art. 13 EGBGB für die bei der Wiederheirat relevante Frage, ob die Privatscheidung der Vorehe eine entsprechend „freigebende“ Wirkung entfaltet, im Ergebnis wiederum auf die Anerkennungsfähigkeit dieser Privatscheidung in Deutschland ankommt.1120 (3) Methodische (begrenzte) Möglichkeit eines offeneren Verständnisses Berücksichtigt man die genannten Veränderungen im Scheidungsrecht, das immer stärkere Hervortreten des privaten Charakters, könnte man – überspitzt gesagt – überlegen, ob das maßgeblich von der Rechtsprechung zur Anerkennung geprägte Verständnis der Scheidungsentscheidung als konstitutiver Hoheitsakt „veraltet“ ist. Nach diesem Gedanken ließe sich eine offenere Auslegung des § 109 FamFG möglicherweise unter dem methodischem Blickwinkel des sog. Wandels der Normsituation vornehmen, wonach die Auslegung einer Norm in den Grenzen ihres Wortlauts nicht starr ist, sondern auch einem Wandel der „tatsächlichen Verhältnisse oder Gepflogenheiten“ unterliegt.1121 Jedoch ist, wie schon bei der Kritik an der Unzulänglichkeit des kontrollbezogenen Entscheidungsbegriffs aufgezeigt, zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in neuerer Zeit Privatscheidungen in den Blick genommen hat, als er auf die Sahyouni II-Rechtsprechung des EuGH reagierte.1122 Da nach dieser Rechtsprechung die Rom III-VO auf Privatscheidungen nicht anzuwenden ist,1123 stand die deutsche Rechtsanwendung vor einem Problem: Der Gesetzgeber hatte infolge der Einführung der Rom III-VO die scheidungsrechtlichen Kollisionsregeln des EGBGB ersatzlos gestrichen, es klaffte nun eine Lücke.1124 Entgegen den schon damals vorgebrachten Vorschlägen des Schrifttums1125 kon1119 Vgl. zu Letzterem wiederum die gerade (zur „Rechtwirklichkeit“) zitierte Rspr. des Bundesgerichts der Schweiz zum Bedürfnis einer verfahrensrechtlichen Anerkennung von Privatscheidungen, BG, Urt. v. 3. 9. 1996 – II. Zivilabteilung, BGE 122 III, 344 (347 f.). 1120 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(3). 1121 Näher hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 170 ff.; den „[s]oziale[n] ,Wandel der Normsituation‘“ eingehend zur Frage erörternd, ob nichteheliche Lebensgemeinschaften von familienrechtlichen Normen des BGB erfasst werden, Knoche, Lebensgemeinschaft, S. 121 ff. 1122 Siehe hierzu schon oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(e). 1123 Zumindest ausdrücklich auf „durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkte Ehescheidung“; siehe EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 48 f., 51 = IPRax 2018, 261 (263); siehe aber abermals zur fraglichen Reichweite dieser Formulierung etwa NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 93; hierzu m. w. N. einleitend oben unter § 1 B. 1124 Siehe näher zu diesem Problem und Lösungsvorschlägen OLG München, Beschl. v. 20. 12. 2017 – C-372/16, FamRZ 2018, 817 (819 f.) (für eine Anwendung des Art. 17 I EGBGB a. F.); aus der Lit. (und für eine analoge Anwendung der Rom III-VO) etwa Antomo, NJW 2018, 435 (436 ff.); dies., NZFam 2018, 243 (245 f.); Dutta, FF 2018, 60 ff. 1125 Siehe etwa den näher erläuterten de lege ferenda-Vorschlag von Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (350 f.).
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zentrierte sich der deutsche Gesetzgeber in der Folge ausschließlich auf das Kollisionsrecht und ordnete im heutigen Art. 17 II EGBGB die (im Einzelnen modifizierte) Anwendung der Kollisionsregeln der Rom III-VO an – die Anerkennungsregeln wurden völlig außer Acht gelassen und nicht angerührt.1126 Zwar dürfte der Aussagewert des gesetzgeberischen Willens für Privatscheidungen begrenzt sein, da die Neuerung eilig erlassen wurde.1127 Dennoch beeinträchtigt diese Aktualisierung des gesetzgeberischen Willens eine ungehemmte Neuauslegung infolge eines sog. Wandel der Normsituation,1128 weshalb es auch keiner genaueren Auseinandersetzung mit der Frage bedarf, ob sich tatsächlich bereits von einem solchen Wandel sprechen ließe und welche Auswirkungen dies hätte. Eine Einbeziehung von Privatscheidungen nach dem bloßen Motto, dass das engere, auf konstitutive Hoheitsakte ausgerichtete Verständnis „veraltet“ sei, ist daher abzulehnen. Es wird im Schrifttum gar davon ausgegangen, dass deswegen schlicht weiterhin der herrschende Entscheidungsbegriff gelte.1129 Allerdings ermöglicht auch die anerkannte und maßgebliche funktionale (teleologische) Qualifikation lege fori grundsätzlich ein offeneres Verständnis des Entscheidungsbegriffes, da dabei nun einmal gerade nicht streng an den internen Vorstellungen des deutschen Rechts festzuhalten und eine funktional-teleologische Betrachtung vorzunehmen ist.1130 bb) Methodischer Weg einer funktionalen „Gesamtqualifikation“ (1) Problemaufriss Wie im Zusammenhang mit dem Kontrollmerkmal dargelegt, stößt man im Falle der Anerkennung einer Privatscheidung als „Entscheidung“ auf das Problem, dass dem hoheitlichen Mitwirkungsakt keine unmittelbare Gestaltungswirkung zukommt 1126 NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 41; Johannsen/Henrich/Althammer/Henrich, § 107 FamFG Rn. 13; (mit entsprechender Kritik) Antomo, StAZ 2019, 33 (35). 1127 So – und näher zum „Zeitdruck“ des Gesetzgebers – Antomo, StAZ 2019, 33 (35). 1128 Siehe zur (gewissermaßen) Basisvoraussetzung eines längeren „Zeitfaktor[s]“ Larenz/ Canaris, Methodenlehre, S. 171; vgl. auch die – umgekehrte Argumentation – bei Knoche, Lebensgemeinschaft, S. 122 ff., der zum sog. Wandel der Normsituation bei der Frage, ob nichteheliche Lebensgemeinschaften von familienrechtlichen BGB-Normen erfasst werden, darauf verweist, dass solche Gemeinschaften zwar schon seit längerer Zeit existierten, aber erst zu späterer Zeit an Achtung bzw. Bedeutung gewonnen haben, und daher nicht einfach so eine „Gesetzeslücke“ verneint (S. 122) bzw. gesetzgeberische Kenntnis bejaht (S. 124) werden könne. 1129 Gegen jeglichen weiteren Auslegungsspielraum Johannsen/Henrich/Althammer/Henrich, § 107 FamFG Rn. 13; noch, wobei etwas zurückhaltender NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 41 („offenbar“); Antomo, StAZ 2019, 33 (35) (Es gäbe „keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass [der Gesetzgeber] den Entscheidungsbegriff des § 109 FamFG weiter als bisher auszulegen gedenkt“ bzw. die Fortgeltung des alten Verständnisses ergebe sich „wohl“ aus der Neuregelung). 1130 Zur funktionalen Qualifikation lege fori im Anerkennungsrecht oben unter § 4 A.I.3.
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und regelmäßig auch kein Akt mit unmittelbarer, rechtskraftähnlicher Feststellungswirkung gegeben sein wird.1131 Entsprechendes gilt aber auch für den hier näher zu untersuchenden Entscheidungsbegriff einer kontrollierten Privatscheidung, die eine gewisse Beständigkeit aufweist. (2) Funktionale „Gesamtqualifikation“ als „gesamtgestaltender“ Scheidungsvorgang (a) Ausgangsüberlegung einer funktionalen „Gesamtqualifikation“ Zuallererst hat man sich erneut in Erinnerung zu rufen, dass bei der Frage nach einer anerkennungsfähigen „Entscheidung“ eine funktionale (teleologische) Qualifikation lege fori vorzunehmen ist.1132 § 109 FamFG knüpft nach dem bisher Gesagten mit seinem Entscheidungsmerkmal an gerichtliche oder vergleichbare behördliche Entscheidungsakte an;1133 und das gerichtliche oder behördliche Handeln steht bei der Anerkennung bereits dadurch im Mittelpunkt, dass es darum geht, aufgrund des dem Gericht oder der Behörde entgegengebrachten Vertrauens von einer besonderen Nachprüfung abzusehen.1134 Wenn jedoch eine Privatscheidung unter hoheitlicher Mitwirkung erfolgt und der gesamte Scheidungsvorgang als solcher letztendlich alle relevanten Charakteristika einer Entscheidung, eines gerichtlichen oder behördlichen Scheidungsakts aufweist – was nach dem bisher Festgestellten eine Kontrolle und eine gewisse, noch näher zu bestimmende Beständigkeit erfordert1135 –, scheint es sehr formal, dem Scheidungsvorgang nichtsdestotrotz die Entscheidungsqualität abzusprechen. Vielmehr sollte es eine funktionale Qualifikation ermöglichen, sich von einer so formalen Betrachtung zu lösen, den gesamten Scheidungsvorgang in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, ob dieser funktional einer Scheidungsentscheidung entspricht und sich somit noch als „Entscheidung“ (im weiteren Sinne) ansehen lässt.1136
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Siehe eingehend oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(3). Zur funktionalen Qualifikation lege fori wiederum oben unter § 4 A.I.3. 1133 Zur Einbeziehung behördlicher (oder gar notarieller) Akte oben unter § 4 B.II. 1134 Siehe zu Letzterem hier nur Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); zum (teleologischen) Hintergrund der verfahrensrechtlichen Anerkennung näher oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1135 Siehe zur Rechtfertigung des Kontrollkriteriums oben unter § 4 C.II.3.a)bb); sowie zur Unzulänglichkeit des Kontrollkriteriums mit Blick auf die Beständigkeit unter § 4 C.II.3.a)dd). 1136 Vgl. die vereinzelt näher dargelegte Argumentation zum Entscheidungsbegriff der Ansicht, die bei Adoptionen eine kontrollierte und unter gewissen Voraussetzungen im Bestand geschützte Vertragsadoption wie eine Dekretadoption anerkennen möchte, bei Griep, Anerkennung, S. 40 f. (nicht „formelle Ausgestaltung“, sondern „inhaltliche Entscheidung“ und Vorhandensein „prozessuale[r] Elemente“ maßgeblich); vgl. in Leihmutterschaftsfällen nachdrücklich Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (67 f.) (gegen „formalistische[ ] Kriterien“ – für „eine funktionale Betrachtung“), wobei aber ausschließlich auf die Kontrolle abstellend, was nach dem oben und gerade Gesagten gerade abzulehnen ist. 1132
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(b) Funktionale Betrachtung der „gesamtgestaltenden“ Wirkung Insbesondere der BGH geht, wie gesehen, bei der Qualifikation eines Behördenakts als Entscheidung auch auf die funktionale Entsprechung der Wirkungen ein.1137 Problematisch könnte sein, dass nach weit überwiegender Ansicht, wie erwähnt, nur die prozessualen Wirkungen einer Entscheidung verfahrensrechtlich anerkennungsfähig sind, wie insbesondere die Gestaltungswirkung, und demgegenüber nicht die Tatbestandswirkung. Eine Anerkennung von Privatscheidungen unter hoheitlicher Mitwirkung scheidet nach einem solchen Verständnis aus, denn dem Mitwirkungsakt bei einer Privatscheidung kommt, wie dort dargelegt, gerade keine spezifisch eheauflösende, gestaltende Wirkung zu. Der Mitwirkungsakt taucht nur als Tatbestandsvoraussetzung der Scheidung auf.1138 Daher wäre möglicherweise in Bezug auf den Mitwirkungsakt mit Blick auf die Eheauflösung selbst vielmehr schlicht von einer Tatbestandswirkung zu sprechen, die als solche nach weit überwiegender Ansicht nicht anerkennungsfähig ist.1139 Fraglich ist also, ob vorliegend tatsächlich von einer nicht anerkennungsfähigen Tatbestandswirkung auszugehen und eine Anerkennung der Scheidung nur im Falle einer hoheitlichen Gestaltungswirkung möglich ist. Zugestanden wurde weiter oben bereits, dass die Anerkennung prozessualer Wirkungen – wie gerade der Gestaltungswirkung – gerechtfertigt ist, da diese der Entscheidung unmittelbar anhaften.1140 Im Falle der Tatbestandswirkung taucht das Urteil demgegenüber in einem Tatbestand auf, auf dessen Rechtsfolge bzw. Wirkung es bei seinem Erlass regelmäßig nicht abzielt – was, wie gesehen, auch gerade das Abgrenzungsmerkmal von prozessualer (Gestaltungs-)Wirkung und Tatbestandswirkung bildet.1141 Als Beispiel aus dem deutschen Recht kann etwa § 775 I Nr. 4 BGB dienen, der den Anspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner auf Befreiung betrifft, weil der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstreckbares Urteil auf Erfüllung erlangt hat.1142 Da das Urteil auf den bei der Tatbestandswirkung in Frage stehenden Tatbestand selbst nicht abzielt, ist es schwer, dem Urteil selbst überhaupt diesbezügliche Wirkungen zu entnehmen, denn es hat den speziellen Tatbestand – und gegebenenfalls, wie in dem genannten Beispiel, die andere Personenkonstellation – ja regelmäßig gar nicht im Blick.1143 In 1137 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13); siehe hierzu oben im Zusammenhang mit der fehlenden Gestaltungs- bzw. Feststellungwirkung eines Kontrollakts unter § 4 C.II.3.a)ee)(1). 1138 Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(3)(a). 1139 Hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(b). 1140 Siehe oben unter § 4 C.II.1.c); allg. nur von der Anerkennung „unmittelbare[r] Wirkungen“ sprechend MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 FamFG Rn. 18. 1141 Siehe zum Begriff der Tatbestandswirkung und Abgrenzung zur Gestaltungswirkung oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(c). 1142 So das Beispiel bei Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 6. 1143 Nachdrücklich zu § 775 I Nr. 4 BGB Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150 Rn. 6 („[…] so hat dieser Anspruch des Bürgen zu dem im Urteil festgestellten Anspruch des Gläubigers gegen ihn keine inhaltliche Beziehung“); allg. Müller, ZZP 79 (1966), 199 (242)
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solchen Fällen im Wege einer verfahrensrechtlichen Anerkennung (als Entscheidung) das kollisionsrechtlich anzuwendende Recht und den danach anzuwendenden Tatbestand von vornherein völlig außer Acht zu lassen, ist daher in der Tat nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist insofern der weit überwiegenden Ansicht zu folgen, die darauf achtet, ob der entsprechende Tatbestand nach den Regeln des internationalen Privatrechts anzuwenden und das Urteil nach dieser Rechtsordnung beachtlich ist.1144 Es wäre in einem solchen Falle der bloßen Tatbestandswirkung auch durchaus fraglich, bezüglich des zur Debatte stehenden Tatbestands und seiner Rechtsfolge davon zu sprechen, dass man der Überprüfung durch den gerichtlichen oder behördlichen Akt – der den Tatbestand gerade nicht im Blick hat – vertraute, man deswegen eine Anerkennung vornehmen und von einer Nachprüfung absehen könnte. Bei den vorliegend relevanten einvernehmlichen Privatscheidungen haben aber stets ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar gerade die Scheidung im Blick; sie wirken an der Eheauflösung zwingend mit1145 und untersuchen auf unterschiedliche, gesetzlich näher bestimmte Art und Weise die Scheidungsvoraussetzungen1146 bzw. nehmen ihren Mitwirkungsakt nur unter bestimmten Voraussetzungen vor. Gerade indem man das Kontrollmerkmal als Mindestkriterium heranzieht,1147 sichert man eine solche Mitwirkung. Die vorstehenden Argumente, die bei Tatbestandswirkungen grundsätzlich für die Maßgeblichkeit des Kollisionsrechts und der lex causae sprechen, lassen sich also nicht ohne Weiteres auf die hier untersuchten Fälle der Privatscheidung übertragen. Vielmehr wirkt das Gericht oder die Behörde ja zumindest mitgestaltend1148 mit. Wie gesehen, wird gerade in Bezug auf europäische Privatscheidungen – wenngleich nur teilweise und nicht einheitlich – auch von einer sog. konstitutiven Mitwirkung gesprochen.1149 Bezüglich Gestaltungsurteilen im (kein Zurückführen auf „den im Urteil enthaltenen Willensakt“; Tatbestandswirkung möglicherweise „auch für Dritte […], die weder Parteien des dem Urteil zugrunde liegenden Rechtsstreites waren, noch die Rechtskraft des Urteils auf sich erstrecken lassen müssen“.); siehe noch Lüke, Zivilprozessrecht I, § 30 Rn. 1 (Tatbestandswirkung „ohne Willen der Parteien“, eine „Reflexwirkung“). 1144 Siehe hier eingehend nur Müller, ZZP 79 (1966), 199 (242 ff.); zu dieser weit überwiegenden Ansicht m. w. N. oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(b). 1145 Eine Ausnahme gilt für die (seltene) Scheidung nach thailändischem Recht von Ehen, die nicht eingetragen sind; siehe hierzu Fuhrmann, IPRax 1983, 137 f. (dazu, dass eine vor 1935 oder im Ausland geschlossene Ehe nicht zwingend im Register steht und in solchen Fällen allein die vertragliche Einigung für eine wirksame Scheidung verlangt wird); zum thailändischen Recht oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(i). 1146 Siehe etwa zum brasilianischen Recht oder zum Recht der Republik Korea (Südkorea) oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(e) und § 4 C.II.1.b)bb)(4)(h). 1147 Eingehend zum genauen Verständnis des Kontrollmerkmals oben unter § 4 C.II.3.a) cc)(2). 1148 Vgl. hier nur – zum Begriff des privatrechtsmitgestaltenden Verwaltungsakts – Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 284, 37 f. (zur begrifflichen Erfassung „[h]oheitliche[r] Mitwirkungsakte“ als privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte, S. 37 f.). 1149 Siehe hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c).
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Allgemeinen ergab die oben erfolgte Untersuchung zudem, dass es diesen um die Kontrolle der Gestaltungsvoraussetzungen sowie Rechtssicherheit geht und sie von besonderer Beständigkeit sind.1150 Wenn nun im Rahmen des Scheidungsvorgangs nicht nur eine hoheitliche Kontrolle erfolgt, sondern die Scheidung zugleich in ähnlicher Weise beständig wie eine unmittelbar gestaltende Gerichtsentscheidung ist, ließe sich funktional dem Scheidungsvorgang eine „gesamtgestaltende Wirkung“ entnehmen, die der hoheitlichen Gestaltungswirkung gleichkommt. Eine strikte Trennung zwischen dem unmittelbar gestaltenden Privatakt und dem mittelbar gestaltenden Hoheitsakt wäre also wiederum ein sehr formales Vorgehen. Dieses würde allein darauf abstellen, dass es sich bei der Privatscheidung, dogmatisch gesehen, um einen rechtsgeschäftlichen Gestaltungsakt handelt und der hoheitliche Mitwirkungsakt nur eine gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung ist – obwohl womöglich eine Beständigkeit der Scheidung gegeben ist, die einem Privatakt typischerweise nicht zukommt und funktional eher einem gestaltenden Gerichtsakt nahekommt.1151 Vereinzelt geben dies auch Vertreter der Auffassung zu, die sich bei Bewilligungen von Leihmutterschaftsvereinbarungen mangels unmittelbarer Wirkungen für die Abstammung dagegen aussprechen, die rechtliche Elternschaft verfahrensrechtlich anzuerkennen.1152 (c) Vereinbarkeit der funktionalen „Gesamtbetrachtung“ mit der Wirkungserstreckungslehre Ein weiteres Problem könnte sich aber ergeben, wenn man bedenkt, dass insbesondere der BGH das Bedürfnis einer funktionalen (Wirkungs-)Entsprechung vor allem mit der Wirkungserstreckung begründet.1153 Dies betrifft jedoch bei genauerer Betrachtung nicht die Qualifikation eines Akts als „Entscheidung“ selbst, sondern 1150
Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(2) und § 4 C.II.3.a)dd)(2); insbesondere zur Einführung des Dekret- anstelle des Vertragssystems bei der Adoption im deutschen Recht BTDrs. 7/3061, S. 23 f. 1151 Vgl. wiederum die entsprechende Argumentation zum Entscheidungsbegriff der Ansicht, die bei Adoptionen (i. E.) eine kontrollierte und im Bestand geschützte Vertragsadoption wie eine Dekretadoption anerkennen will, bei Griep, Anerkennung, S. 40 f. (nicht „formelle Ausgestaltung“ entscheidend, es bedürfe einer „inhaltliche[n] Entscheidung“, „prozessuale[r] Elemente“); sowie in solchen Fällen zur „Abgrenzung“ von IPR und IZVR wiederum Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (67 f.) („keine formalistischen Kriterien“ – sondern „eine funktionale Betrachtung“) – wobei dieser aber allein nach der kontrollierenden Natur der Mitwirkung einordnet, was nach dem oben Gesagten gerade unzulänglich ist (siehe oben unter § 4 C.II.3.a)dd)). 1152 Siehe Duden, Leihmutterschaft, S. 125 f., Fn. 531, der trotz dieser Auffassung zu Bewilligungen (zu dieser Ansicht näher oben unter § 4 C.I.2.b)ee)(1)) zumindest zugibt, dass die wirkungsbezogene Differenzierung eine „formale Trennung“ darstellt und bei einem Zurücktreten „zugunsten einer funktionalen Betrachtung“ eine Anerkennung bei einer „Leihmutterschaftserlaubnis“ nach griechischem Recht möglich wäre – und sich hierfür ebenfalls darauf stützt, dass das Gesetz sodann von einer nur gerichtlich anfechtbaren Abstammung ausgeht und die Erlaubnis daher „bereits endgültig“ die Abstammung regele. 1153 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 13); siehe näher oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(1).
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die nachfolgende Frage, was genau die Anerkennung eines als „Entscheidung“ qualifizierten Akts für das Inland bedeutet bzw. zu welchen Wirkungen es im Inland infolge der Anerkennung kommt.1154 Es stellt sich also, nachdem man einer Scheidung Entscheidungsqualität zugestanden hat, die Frage, ob die Anerkennung auch im Inland die eheauflösende Wirkung bewirkt bzw. wie sich mithin die Scheidung auf das Inland auswirkt. Entsprechend dem vorstehend zur funktionalen „Gesamtqualifikation“ des (kontrollierten und „beständigen“) Scheidungsvorgangs und zur „gesamtgestaltenden“ Wirkung Gesagten wäre es wiederum sehr formal, ausschließlich das behördliche oder gerichtliche Handeln und nicht den gesamten Scheidungsvorgang in den Blick zu nehmen.1155 Vielmehr ist die sich durch funktionale Betrachtung ergebende „Gesamtqualifikation“ des Scheidungsvorgangs auch hier konsequent fortzusetzen. Es ist nicht überzeugend, eine Anerkennung mit Blick auf eine fehlende erstreckbare, unmittelbare Gestaltungswirkung des Mitwirkungsakts selbst zu versagen – obwohl der Scheidungsvorgang zur Eheauflösung führt, also eine gestaltende Wirkung aufweist. Bei genauerer Betrachtung stellt die funktionale „Gesamtqualifikation“ mit Blick auf die (gerade vom BGH erwähnte) Wirkungserstreckungslehre keine weiteren Probleme für die anschließende Frage dar, wie die als „Entscheidung“ qualifizierte Scheidung im Anerkennungsstaat wirkt. Zunächst kann angemerkt werden, dass bereits der (Theorien-)Streit um die Wirkungserstreckungslehre abgeschwächt ist, wenn es um die Gestaltungswirkung geht. Die schon erwähnte sog. Kumulationstheorie, die zwar grundsätzlich die Wirkungen erstrecken, aber eine Art Deckelung anhand deutscher Urteilswirkungen vornehmen möchte,1156 nimmt insbesondere (zu) weite Rechtskraftwirkungen ins Auge.1157 Gleiches gilt für (strittige) Begrenzungsvorschläge, die zur Wirkungserstreckung
1154 Siehe die nachdrückliche Unterscheidung bei Martiny, IZVR III/1, Rn. 463 („Die Wirkungserstreckung ist von der Qualifikation als Urteil zu unterscheiden, weil erst bei Bejahung der Anerkennungsfähigkeit zu bestimmen ist, welche Wirkungen im einzelnen eintreten.“). 1155 Vgl. wiederum im Zusammenhang mit der „funktionale[n] Betrachtung“ in Leihmutterschaftsfällen Helms, in: Künstliche Fortpflanzung, S. 59 (68), weshalb letztendlich unerheblich sei, „[o]b dann die statusrechtliche Zuordnung durch die[ ] Entscheidung selbst herbeigeführt wird oder durch eine ergänzende Bestimmung des ausländischen Rechts automatische gesetzliche Folge ist“; sowie wiederum die – trotz gegenteiliger Auffassung – angeführte Anmerkung bei Duden, Leihmutterschaft, S. 125 f., Fn. 531. 1156 Siehe hier nur Schack, IZVR, Rn. 944; zur Kumulationstheorie m. w. N. oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(a). 1157 Siehe zur Begrenzung der Rechtskraft nach der sog. Kumulationstheorie OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12. 11. 1985 – 5 W 25/85, NJW 1986, 1443; aus der Lit. Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 8 a. E., 9; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 328 Rn. 1, 3; nachdrücklich Schack, IZVR, Rn. 943 f. (aufpassen, „nicht die Katze im Sack [zu] importieren“, Rn. 940); noch v. Bar/ Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 114; siehe noch explizit der Kumulationstheorie folgend HK-ZPO/ Dörner, § 328 Rn. 6 – dort allerdings nur auf „der Art nach dem deutschen Recht bekannt[e]“ Wirkungen achtend und anschließend gegen eine Begrenzung, wenn sich die Rechtskraft nur auf präjudizielle Rechtsverhältnisse erstreckt, Rn. 7.
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gemacht werden.1158 Bei Gestaltungswirkungen wird hingegen vereinzelt explizit erwähnt, eine Begrenzung der Wirkungserstreckung mache für Gestaltungswirkungen „keinen Sinn“1159 – teilweise sogar, obwohl ansonsten eine engere Beschränkung der Wirkungserstreckung befürwortet wird.1160 Selbst unter Vertretern der sog. Gleichstellungstheorie1161 findet sich bisweilen ein expliziter Hinweis, bei der Gestaltungswirkung erscheine eine Wirkungserstreckung „angebrachter“.1162 Vor allem aber bleibt bezüglich der Wirkungserstreckungslehre festzuhalten, dass es dieser ja gerade darum geht, einer „Entscheidung“ im Inland die Wirkungen zuzugestehen, die diese im Erlassstaat äußert.1163 Der Kerngedanke zeigt sich, wenn man die Kritik an der sog. Gleichstellungstheorie näher betrachtet. Gegen diese lässt sich nämlich – zu Recht – insbesondere ins Feld führen, dass die Entscheidung im Anerkennungsstaat im Falle der Gleichstellung auch eine weitreichendere Wirkung haben könnte als im Entscheidungsstaat1164 oder im Extremfall gar in jedem Aner1158 Klassisches Beispiel, das von Vertretern verschiedener einschränkender Ansichten angeführt wird, um sich gegen eine unbegrenzte Wirkungserstreckung auszusprechen, ist etwa eine sich auch auf die Entscheidungsgründe erstreckende Rechtskraft der ausländischen Entscheidung; siehe etwa Martiny, IZVR III/1, Rn. 369, 381 (keine „Perpetuierung von Fehlentscheidungen“, Rn. 370); v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 157; eingehend zu diesem Problem schon Müller, ZZP 79 (1966), 199 (205 ff.) (andernfalls nicht hinzunehmende „Beschränkung des rechtlichen Gehörs“, 206 f.); bei „Tatsachenfeststellungen“ gegen eine „pauschale Ablehnung“ der Wirkungserstreckung Dornblüth, Anerkennung, S. 32 f. Strittig sind auch Fälle einer Rechtskraft, die sich auf präjudizielle Rechtsverhältnisse erstreckt; gegen eine Wirkungserstreckung in diesem Fall Geimer, IZPR, Rn. 2780 ff. (keine „Perpetuierung von Fehlentscheidungen“, Rn. 2781); i. E. noch Müller, ZZP 79 (1966), 199 (206 f.); hingegen für eine Wirkungserstreckung etwa Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 2, 35 f.; MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 5, 172; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 177; noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 382. Nach verbreiteter Ansicht soll bei der Wirkungserstreckung ohnehin allg. nur der ordre public als Grenze gelten; siehe BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 55; Staudinger/ Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 176; Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 11; Dornblüth, Anerkennung, S. 32; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.7; trotz Erwähnung einer Einschränkung im Falle einer „wesensfremd[en]“ Wirkung letztendlich allein den ordre public entscheiden lassend Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.133 den ordre public-Vorbehalt als Grenze neben den unbekannten Wirkungen anführend MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 5 (insgesamt auf die Vereinbarkeit mit „inländischen Gerechtigkeitsvorstellungen“ abstellend); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 9; Gottwald, ZZP 103 (1990), 257 (263). 1159 Schlosser, RIW 1983, 473 (480). 1160 Zöller/Geimer, § 328 Rn. 23; Geimer, IZPR, Rn. 2783. 1161 D. h. einer Beimessung von Wirkungen einer entsprechenden deutschen Entscheidung; zur Gleichstellungstheorie oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(a). 1162 Matscher, ZZP 103 (1990), 294 (309). 1163 Zur Wirkungserstreckungslehre oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(2)(a). 1164 Gegen die Gleichstellungstheorie explizit diesem Grund etwa Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 2; Geimer, IZPR, Rn. 2777; Kropholler, IPR, § 60 V 1 b), S. 679; Gottwald, ZZP 103 (1990), 257 (260 f.) (anhand des Beispiels der Auslandsadoption); siehe noch Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.130, 12.132; ohne Bezug auf den Theorienstreit noch Zöller/Geimer, § 328 Rn. 27; Beule, StAZ 1979, 29 (30); obgleich Vertreterin der Gleichstellungstheorie mit Blick auf diese Gegenargumentation die ausländischen Wirkungen als „Obergrenze“ betrachtend
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kennungsstaat anders wirken könnte.1165 Die Gleichstellungstheorie kann deswegen zugleich den internationalen Entscheidungseinklang stark stören.1166 Außerdem könnten die am Verfahren Beteiligten benachteiligt werden, wenn im Anerkennungsstaat eine weitergehende Wirkung zugestanden wird, da häufig das ursprüngliche Verfahren im Erlassstaat und die dort engeren Wirkungen in Korrelation stehen.1167 Folglich ist, entsprechend der dargelegten Kritik an der Gleichstellungstheorie, schlicht darauf zu achten, der „Entscheidung“ im Inland kein „Mehr“ an Wirkungen zuzugestehen, als ihr im Erlassstaat zukommen.1168 Ein solches „Mehr“ an Wirkungen ist jedoch auch bei der zuvor dargelegten funktionalen „Gesamtqualifikation“ einer (kontrollierten und gewissermaßen „bestandskräftigen“) Privatscheidung als „Entscheidung“ keine zwangsläufige Folge.1169 Vielmehr wäre schlicht und unproblematisch eine Anerkennung mit der Wirkung der besonderen „Beständigkeit“ möglich, die dieser Privatscheidung im „Erlassstaat“ zukommt.1170 Der Anerkennung einer „bestandskräftigen“ Privatscheidung lässt sich auch nicht vorwerfen, dass man einen Privatakt mit stärkeren Wirkungen als einen inländischen anerkennt,1171 da die Privatscheidung ja dann gerade kein klassischer, fragiler Privatakt ist, sondern sich durch eine besondere Beständigkeit auszeichnet. Außerdem wäre ein solcher Vorwurf sowieso fraglich, da Spiecker gen. Döhmann, Anerkennung, S. 73, noch S. 70 ff. (zur Gleichstellungstheorie); ähnlich Matscher, ZZP 103 (1990), 294 (308 f.). 1165 Zu letzterer Kritik Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 2; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 7; MüKoZPO/Gottwald, § 328 Rn. 3; Kropholler, IPR, § 60 V 1 b), S. 679; eingehend auch Martiny, IZVR III/1, Rn. 367; siehe noch Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.132. 1166 Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 7 („Störung der internationalen Gleichheit“); Kropholler, IPR, § 60 V 1 b), S. 679 („internationale Ungleichheit“); eingehend noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 367 f. 1167 Eingehend Martiny, IZVR III/1, Rn. 367; Müller, ZZP 79 (1966), 199 (204 f.); noch Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 7; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.8; Schack, IZVR, Rn. 942. 1168 Vgl. – wobei mangels Wirkungen (einer Registereintragung) i. E. gegen eine Anerkennung – v. Bary, FamRZ 2019, 895 („Andernfalls käme es […] zu einer Aufwertung […]“); allg. – wenngleich ebenso zur Anerkennungsfähigkeit allein unmittelbarer Wirkungen – MüKoFamFG/Rauscher, § 108 FamFG Rn. 18 f. („keine ,Aufwertung‘“, Rn. 19); dies im Rahmen der Wirkungserstreckungslehre hervorhebend etwa Kropholler, IPR, § 60 V 1 a), S. 679 („namentlich nicht zu rechtfertigen“); siehe wiederum dazu, dass „relativ eindeutig“ keine weitreichenderen Wirkungen zugestanden werden dürfen, Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628) m. w. N. 1169 Vgl. im weiteren Sinne wiederum die Argumentation im Zusammenhang mit der Trennung der „Wirkungserstreckung […] von der Qualifikation als Urteil“ bei Martiny, IZVR III/1, Rn. 463: „Die Anerkennungsfähigkeit allein kann nie ein ,Zuviel‘ an Wirkungen hervorrufen.“ 1170 Vgl. die Begrenzung der Anerkennung im Falle eines erweiterten europäischen Entscheidungsbegriffs bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (347). 1171 So aber die allg. Argumentation zur Nichtanerkennung von Rechtsgeschäften bei Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624) („[…] weil den Rechtsgeschäften, die im Ausland vorgenommen worden sind, kein höherer ,Wirksamkeitsgrad‘ als inländischen beigemessen werden kann.“).
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entsprechend der gerade erörterten Kritik an der Gleichstellungstheorie bzw. nach der Grundüberlegung der Wirkungserstreckungslehre vielmehr (lediglich) umgekehrt darauf zu achten ist, im Inland nur Wirkungen zuzugestehen, die schon im Ausland bestehen. Schließlich bleibt zudem anzumerken, dass § 109 FamFG ohnehin keinerlei Aussagen dazu enthält, was eine „Anerkennung einer ausländischen Entscheidung“ überhaupt bedeutet – vielmehr begnügt sich § 109 FamFG im Wesentlichen damit, Anerkennungshindernisse aufzuzählen.1172 Daher ist eine strikte Wirkungserstreckung allein des Gerichts- oder Behördenakts, bei der man keinen Blick auf den damit zusammenhängenden Scheidungsvorgang wirft, auch nicht zwingend gesetzlich vorgegeben. Es reicht entsprechend der vorstehend erläuterten, berechtigten Kritik an der Gleichstellungstheorie aus, darauf zu achten, keine Wirkungen anzuerkennen, die im Erlassstaat überhaupt nicht vorhanden sind. Eine funktionale „Gesamtqualifikation“ des Scheidungsvorgangs als „Entscheidung“ lässt sich also mit dem sich daran anschließenden Schritt der Wirkungserstreckung der „Entscheidung“ auf das Inland (im Sinne der herrschenden Wirkungserstreckungslehre) vereinbaren. Hierfür hat man das funktionale Gesamtverständnis konsequent fortzuführen und den Scheidungsvorgang, die (kontrollierte und „bestandskräftige“) Privatscheidung mit der jeweils eigentümlichen, beständigen Scheidungswirkung, die die Scheidung im Ursprungsstaat äußert, anzuerkennen. (3) Entsprechende (engere) funktionale „Gesamtqualifikation“ als verbindlich festgestellter Scheidungsvorgang Die zuvor erörterte, funktionale „Gesamtqualifikation“ bezieht sich auf Hoheitsakte, die zur Herbeiführung der Scheidung zwingend hinzutreten, also an der Scheidung mitgestaltend mitwirken, und beruht letztendlich auf einem funktionalen Vergleich des Scheidungsvorgangs und seiner „gesamtgestaltenden“ Wirkung mit einer Gestaltungsentscheidung und Gestaltungswirkung bzw. auf der funktionalen Nähe. Fraglich bleibt an dieser Stelle aber noch, ob auch bei einem lediglich einer schon wirksamen Privatscheidung nachfolgenden Hoheitsakt, d. h. bei nachträglich feststellender, deklaratorischer Mitwirkung,1173 eine Anerkennungsfähigkeit in Betracht zu ziehen ist. Da in den hier untersuchten Rechtsordnungen allenfalls nachfolgende, deklaratorische Registereintragungen der Privatscheidung auftauchen, soll sich im Folgenden darauf konzentriert werden. Entsprechend dem oben dargelegten funk1172 Nachdrücklich zu § 328 ZPO Müller, ZZP 79 (1966), 199 (Anerkennungshindernisse „mit einer geradezu liebevollen Sorgfalt und Genauigkeit […] geregelt“, aber „mit keinem Wort, was unter ,Anerkennung‘ eines ausländischen Urteils überhaupt zu verstehen“); noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 112; zu § 108 FamFG etwa Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 173 („bedauerlich“); vgl. noch Frankenstein, IPR I, S. 345 (gar aufwerfend, dass § 328 ZPO wegen der Negativformulierung nicht festlege, dass bei Fehlen der Anerkennungshindernisse „die Anerkennung nun auch erfolgen müsse“). 1173 Zu diesem Begriffsverständnis näher oben unter § 2 C.
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tionalen Gesamtverständnis genügt es, wenn sich der Gesamtvorgang funktional als Feststellungsentscheidung ansehen lässt.1174 Des Weiteren ist auf die schon oben untersuchte Anerkennungsfähigkeit von Feststellungsentscheidungen zu verweisen. Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung ist nach dem dort Gesagten im Sinne einer Bindungs- bzw. Feststellungswirkung zu verstehen und anerkennungsfähig, was bei einem funktionalen Verständnis eine „verbindlich[e] und abschließend[e]“ Klärung der „Rechtsfrage“1175 erfordert.1176 Auch bei der hier dargelegten funktionalen „Gesamtqualifikation“ wäre dementsprechend erforderlich, dass die registrierte Privatscheidung zumindest in vergleichbarer Weise verbindlich wie eine Feststellungsentscheidung ist. Dies läuft im Ergebnis also wiederum darauf hinaus, eine Privatscheidung von einer gewissen Beständigkeit anerkennen zu können. Schon bei der Anerkennungsfähigkeit von Feststellungsentscheidungen wurde aber dargelegt, dass der Registrierung selbst eine mit der materiellen Rechtskraft vergleichbare Feststellungswirkung regelmäßig nicht zukommt.1177 Entsprechendes dürfte also auch gelten, wenn man nicht nur auf die unmittelbare Wirkung der Registrierung selbst achtet, sondern im Rahmen der funktionalen „Gesamtqualifikation“ den gesamten Scheidungsvorgang miteinbezieht. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass dann zumindest in einer gesonderten Norm (des Scheidungsrechts) eine mit der materiellen Rechtskraft vergleichbare Bindungswirkung angeordnet werden müsste, sobald die Privatscheidung registriert ist, damit sich von einer funktionalen Nähe zu einer feststellenden Bindungswirkung im Sinne der materiellen Rechtskraft sprechen ließe. (4) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle also festhalten, dass eine streng dogmatische „Zerlegung“ des Scheidungsvorgangs in seine einzelnen Akte nicht abschließend überzeugt. Vorzuziehen ist vielmehr eine funktionale „Gesamtqualifikation“ des Scheidungsvorgangs. Lässt sich dieser mit Blick auf die Kontrolle und Beständigkeit mit einem gerichtlichen Scheidungsakt, einer gerichtlichen Gestaltungsentscheidung vergleichen, scheitert demnach die Anerkennung als Scheidung nach der hier vertretenen Auffassung nicht an der fehlenden unmittelbaren Gestaltungswirkung des gerichtlichen oder behördlichen Mitwirkungsakts selbst. Entsprechendes gilt an sich auch für die Vergleichbarkeit mit einer Feststellungsentscheidung, wobei sich aber die nötige Vergleichbarkeit mit einer bindenden, der 1174
Vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen zur funktionalen „Gesamtqualifikation“ als „gesamtgestaltender“ Scheidungsvorgang. 1175 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14). 1176 Siehe oben unter § 4 C.II.2.b) i. V. m. § 4 C.II.2.c); insbesondere BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14 f.). 1177 Siehe wiederum oben unter § 4 C.II.2.b)aa) und § 4 C.II.2.c).
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materiellen Rechtskraft ähnlichen Feststellungswirkung mit Blick auf die verbreiteten deklaratorischen Registrierungen kaum ergeben dürfte. cc) Anforderungen an die Beständigkeit (1) Fragestellung Fraglich bleibt, welche genauen Anforderungen an die „Festigkeit“ einer Privatscheidung zu stellen sind, um das für eine Qualifikation als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) nach der vorliegend vertretenen Ansicht notwendige und zuvor herausgearbeitete (Teil-)Kriterium einer (funktional) vergleichbaren Beständigkeit bejahen zu können. (2) Bestimmungsvorschläge im Schrifttum Für Privatscheidungen findet sich ein Merkmal, das die Festigkeit bzw. Beständigkeit betrifft, nur knapp angesprochen.1178 Die Vertreter der Ansichten, die für die verfahrensrechtliche Anerkennung von Vertragsadoptionen auch auf deren Beständigkeit achten1179 bzw. bei erhöhter Beständigkeit bereits eine Dekretadoption annehmen1180 oder dieses Merkmal zumindest bei vorangehenden Bewilligungen fordern,1181 führen ihre Anforderungen etwas näher aus. Sie sprechen im Wesentlichen davon, dass etwaige Mängel des Adoptionsvertrags infolge des mitwirkenden Gerichts- oder Behördenakts geheilt werden müssten1182 und/oder aber ihre Geltendmachung zumindest nur in einem gesonderten Verfahren möglich bleiben dürfte.1183
1178 Knapp von der „Voraussetzung“ einer „endgültig wirksame[n]“ Scheidung sprechend NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; siehe noch dies., IntFamR, § 3 Rn. 165. 1179 Zu § 16a FGG a. F. v. Bar, IPR II1, Rn. 317; vor Geltung des § 16a FGG a. F. schon Jayme/Meier, StAZ 1976, 72 (73 f.); ähnlich Beitzke, in: Personenstandsrecht, S. 1 (6). 1180 Zu § 16a FGG a. F. Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 51; Griep, Anerkennung, S. 40 f.; Lüderitz, IPR, Rn. 396; ebenso die Definition des Adoptionsdekrets nach Siehr, StAZ 1982, 61. 1181 Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 95. 1182 Siehe die Definition des Adoptionsdekrets nach Siehr, StAZ 1982, 61; so für vorangehende Bewilligungen Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 95. 1183 Zu Letzterem zu § 16a FGG a. F. kumulativ v. Bar, IPR II1, Rn. 317; alternativ Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 51; ähnlich Lüderitz, IPR, Rn. 396 („rechtskraftähnliche[ ] Wirkung“); i. E. sogar ausreichen lassend, wenn, „vom Fall der einvernehmlichen Aufhebung abgesehen, nur durch eine richterliche Entscheidung aufhebbar“, Griep, Anerkennung, S. 41.
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(3) An Privatscheidungen zu stellende Anforderungen (a) Keine pauschale Unwirksamkeit ipso iure oder rein private Angreifbarkeit Die oben untersuchten Charakteristika von gerichtlichen Entscheidungen haben gezeigt, dass zwar einigen Entscheidungen nach dem FamFG die materielle Rechtskraftfähigkeit abgesprochen wird bzw. sie außerhalb der Ehe- und Familienstreitsachen ohnehin generell umstritten ist. Wie dort ebenfalls gesehen, bleiben fehlerhafte Gerichtsentscheidungen aber jedenfalls grundsätzlich, außerhalb sehr begrenzter Nichtigkeitsfälle, wirksam und lediglich (innerhalb gewisser Fristen) mit Rechtsmitteln angreifbar.1184 Gerade bei der gerichtlichen Scheidung nach deutschem Recht löst der Scheidungsbeschluss, wie oben bei der Unzulänglichkeit eines rein kontrollbezogenen Entscheidungsbegriffs erläutert, trotz einer etwaigen Fehlerhaftigkeit im Falle seiner formellen Rechtskraft die Ehe wirksam auf (§ 1564 S. 2 BGB).1185 Daraus ergeben sich als Mindestanforderungen an die Beständigkeit von Privatscheidungen, dass sie bei etwaigen Fehlern oder Willensmängeln zumindest nicht pauschal ipso iure unwirksam oder im Wege eines rein privaten Vorgangs (etwa im Wege einer Anfechtungserklärung wie nach § 143 BGB) angreifbar sein dürfen. Sie müssen der „Disposition der Beteiligten entzogen“ sein.1186 Untermauert wird dies durch die Überlegung, dass Gestaltungsurteile, wie oben dargelegt, ganz allgemein der Rechtssicherheit in Bezug auf die vorgenommene Gestaltung dienen.1187 Außerdem wäre andernfalls, wie zur Unzulänglichkeit des kontrollbezogenen Entscheidungsbegriffs kritisch angemerkt,1188 selbst bei einer Anerkennung umfangreich zu prüfen, ob der Akt tatsächlich (noch) wirksam ist. Die Anerkennung darf nämlich, wie der zu Recht geäußerte Hauptkritikpunkt der Wirkungserstreckungslehre an der Gleichstellungstheorie hervorhebt, keinesfalls dazu führen, dass der ausländische Akt im Inland stärkere Wirkungen entfaltet, als ihm im Ursprungsstaat zukommen.1189 Demzufolge ist es nur konsequent und allgemein anerkannt, dass eine Entscheidung im Ursprungsstaat zumindest wirksam sein muss und sich die Frage der Wirksamkeit nach dem dortigen Recht richtet.1190 Im Falle einer Privatscheidung, 1184
Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(b). Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(d). 1186 So die Gesetzesbegründung zum adoptionsrechtlichen Dekret – nach Abschaffung des Vertragssystems – und der nur gerichtlichen Aufhebungsmöglichkeit BT-Drs. 7/3061, S. 25, 27. 1187 Siehe hier nur Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 84; hierzu näher m. w. N. und Blick auf das deutsche Adoptionsrecht als Beispiel oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(b)(bb) bzw. § 4 C.II.3.a)dd)(2)(d). 1188 Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(c). 1189 Siehe zu dieser Argumentation gegen die Gleichstellungstheorie etwa Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 2; Geimer, IZPR, Rn. 2777; Kropholler, IPR, § 60 V 1 b), S. 679; noch Nagel/ Gottwald, IZPR, Rn. 12.130, 12.132; näher m. w. N. oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2)(c). 1190 BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (318) (wenngleich zur Anerkennung im Kontext der Vollstreckbarerklärung); OLG Köln, Beschl. v. 9. 4. 2010 – 4 UF 56/ 10, NJW-RR 2010, 1225 (1226); BayObLG, Beschl. v. 11. 11. 1999 – 1Z BR 155/98, Bay1185
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die pauschal ipso iure etwa aufgrund etwaiger Willensmängel unwirksam sein kann, wäre dementsprechend jedoch der gesamte Vorgang umfassend nachzuprüfen. Eine derart umfangreiche Überprüfung ist aber gerade nicht im Anerkennungsrecht (siehe insbesondere § 109 V FamFG) vorgesehen, sie ähnelte eher einer Wirksamkeitsüberprüfung wie nach den Regeln des internationalen Privatrechts.1191 (b) Grundsätzliche Hinlänglichkeit eines Aufhebungsverfahrens (aa) Fokus der Fragestellung Fraglich bleibt, ob die Privatscheidung unangreifbar sein muss oder ob es genügt, dass es für eine Aufhebung der Scheidung eines gerichtlichen (oder behördlichen) Verfahrens bedarf. In den Blick zu nehmen sind hierbei vor allem die Privatscheidungen, zu denen ein gerichtlicher oder behördlicher Mitwirkungsakt zwingend hinzutreten muss, da die vorliegend untersuchten Rechtsordnungen1192 zeigen, dass dies der Regelfall ist. Es geht also um die Privatscheidungsvorgänge, die unter einem mitgestaltenden Akt erfolgen und bei denen nach der vorliegend vertretenen funktionalen Gesamtqualifikation im Rahmen des § 109 FamFG prinzipiell eine Gleichstellung mit einer Gestaltungsentscheidung denkbar ist.1193 (bb) Funktionale Vergleichbarkeit Gegen eine Qualifikation als Entscheidung für den Fall, dass die Privatscheidung weiterhin zumindest in einem gerichtlichen Verfahren überprüfbar bleibt, könnte man möglicherweise – entsprechend der Argumentation des OLG München zu ObLGZ 1999, 352 (356); OLG Koblenz, Beschl. v. 27. 7. 1988 – 13 UF 861/88, NJW 1989, 2201 (2203); nachdrücklich Geimer, IZPR, Rn. 2889; Martiny, IZVR III/1, Rn. 483; noch BeckOKZPO/Bach, § 328 Rn. 12 (kein „,Plus‘ gegenüber der Wirkung im Ursprungsstaat“); Haußleiter/ Gomille, § 108 Rn. 11; Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 8; MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 16; MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 82; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 7; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 140; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 57; Kropholler, IPR, § 60 IV 1 a), S. 665 f.; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.30 (die Wirksamkeit aber ausdrücklich unabhängig von Wirkungserstreckung oder Gleichstellung fordernd); Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.131, 12.156; siehe schon Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (224). 1191 Vgl. wiederum zur Nichtanerkennung von Registereintragungen v. Bary, FamRZ 2019, 895 („die Anerkennung würde mangels entsprechender Wirkung nach dem ausländischen Recht eine international-privatrechtliche Beurteilung nicht ersetzen“); vgl. auch Beitzke, in: Personenstandsrecht, S. 1 (6), der die erhöhte Beständigkeit von Dekretadoptionen als Grund dafür anführt, dass deren „Anerkennung großzügiger“ erfolgen könne und für eine Gleichstellung einer Vertrags- mit einer Dekretadoption neben der Kontrolle ja gerade eine erhöhte Beständigkeit fordert. Siehe wiederum schon die Kritik am kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(c); zum Grundsatz der großzügigen verfahrensrechtlichen Anerkennung im Gegensatz zur Wirksamkeitsprüfung im IPR oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1192 Siehe die bei der Untersuchung des Konstitutivmerkmals dargestellten Grenzfälle oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4), die dort überwiegend als Privatscheidungen eingeordnet wurden. 1193 Siehe eingehend oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2).
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Eintragungen im ukrainischen Geburtenregister – anführen, dass es in diesem Fall an einer „abschließende[n] und verbindliche[n] Wirkung“ fehlt und eine solche vielmehr erst „durch ein Gericht“ herbeigeführt wird.1194 Für die Anerkennung wird zum Teil zudem, wie weiter oben bei der Unzulänglichkeit des Kontrollkriteriums wegen der Beständigkeit von Entscheidungen gesehen, ganz generell eine Fähigkeit zur materiellen Rechtskraft gefordert.1195 Die materielle Rechtskraft ist jedoch, wie dort aufgezeigt, nicht als Kriterium für den Entscheidungsbegriff heranzuziehen. Sie kommt nicht allen Entscheidungen im deutschen Recht zu; sie ist nur eine mögliche Wirkung, die erstreckt werden kann – sofern sie denn vorliegt.1196 Die Argumentation des OLG München betrifft im Ergebnis auch die Anerkennung der materiellen Rechtskraftwirkung bzw. vergleichbaren Feststellungswirkung;1197 dies ist daher, wie vom BGH aufgezeigt, nur für Akte feststellender Natur, die höchstens eine solche Wirkung aufweisen können, relevant.1198 Es könnte aber problematisch sein, dass gerichtliche Entscheidungen, wie ebenfalls schon oben erwähnt, der formellen Rechtskraft fähig sind (§ 705 ZPO bzw. § 45 FamFG), d. h. spätestens mit Ablauf der entsprechenden Fristen nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar und in diesem Sinne unanfechtbar sind.1199 Insbesondere wird eine gerichtliche Scheidung nach deutschem Recht erst mit formeller Rechtskraft wirksam (§ 1564 S. 2 BGB).1200 Mit Blick auf die formelle Rechtskraft könnten sich für die Anerkennung als „Entscheidung“ also besondere Verbindlichkeitsanforderungen und somit Probleme für die Anerkennung einer
1194 OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 3, 6); vgl. in einem allg. Kontext noch Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624) (Fehlende Anerkennungsfähigkeit und kollisionsrechtliche „volle Rechtskontrolle“ von Rechtsgeschäften sei „plausibel, weil den Rechtsgeschäften, die im Ausland vorgenommen worden sind, kein höherer ,Wirksamkeitsgrad‘ als inländischen beigemessen werden kann. […] Im Streitfall hat […] immer ein Gericht über die Wirksamkeit […] zu befinden.“). 1195 Siehe wiederum Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 57, 54; noch OLG Koblenz, Urt. v. 2. 3. 2004 – 11 UF 250/03, IPRax 2005, 354 (355); hierzu schon oben unter § 4 C.II.3.a) dd)(2)(b)(aa). 1196 Siehe eingehend wiederum Martiny, IZVR III/1, Rn. 490 m. w. N.; knapp gegen das Erfordernis der materiellen Rechtskraft auch Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 149; noch MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 70; vgl. zudem die Gesetzesbegründung zur Vorgängernorm (§ 16a FGG a. F.), BT-Drs. 10/504, S. 93 (alternative Aufzählung mehrerer rechtlicher Wirkungen). 1197 Dies zeigt die Nennung der Rechtskraftwirkung und anschließende Gegenüberstellung von Registrierungen bei OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16 NZFam 2018, 36 (37, Rn. 3, 6). 1198 BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14); nachdrücklich dieser Differenzierung des BGH zustimmend v. Bary, FamRZ 2019, 895. 1199 Siehe hier nur Stein/Jonas/Althammer, § 322 Rn. 4 f.; zur formellen Rechtskraft oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(b)(bb). 1200 Siehe hier nur MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 104, 106; näher oben unter § 4 C.II.3.a) dd)(2)(d).
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Privatscheidung ergeben, die in einem gerichtlichen (oder behördlichen) Verfahren angreifbar bleibt.1201 Problematisch könnte zuallererst sein, dass die formelle Rechtskraft ohnehin als Voraussetzung für die Anerkennung einer klassischen, gerichtlichen Entscheidung anzusehen sein könnte.1202 Nach (wohl) überwiegender Ansicht, die insbesondere zu § 328 ZPO vertreten wird,1203 bedarf es für die Anerkennung der formellen Rechtskraft der Entscheidung (bzw. vergleichbarer Charakteristika1204), die Entscheidung dürfe nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar sein.1205 Für ein solches Erfordernis bei § 328 ZPO verweist das Schrifttum vor allem auf die systematische Stellung und Regelung des § 723 II 1 ZPO.1206 Es finden sich jedoch zahlreiche Gegenstimmen, speziell zu §§ 108, 109 FamFG, nach denen die Wirksamkeit genügt und keine formelle Rechtskraft vorauszusetzen ist.1207 Der BGH 1201 Vgl. Frie, NZFam 2018, 97 (98), die bei Behördenakten und deren Bestandskraft (wobei dort anschließend wiederum Registerakte im Fokus stehen) von einer fehlenden Vergleichbarkeit mit der formellen Rechtskraft ausgeht: „Solange eine behördliche Handlung der gerichtlichen Überprüfung gerade unterworfen ist, spricht dies gegen ihre Einordnung als gerichtsähnliche Entscheidung.“ 1202 Offen gelassen, da jedenfalls formelle Rechtskraft gegeben war, von BGH, Beschl. v. 16. 5. 2019 – V ZB 101/18, NJW 2019, 3575 (3578 Rn. 17) (zu §§ 108, 109 FamFG). 1203 Siehe hierzu die Gegenüberstellung der Ansichten zu § 328 ZPO und dem damaligen § 16a FGG a. F. bei Klinck, FamRZ 2009, 741 (744); Wagner, FamRZ 2006, 744 (749). 1204 Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 66 („[…] diejenigen Eigenschaften […], die das deutsche Recht mit den Rechtsfolgen der formellen Rechtskraft verbindet“.); Martiny, IZVR III/1, Rn. 487 f. (Endgültigkeit, i. S. d. „wesentlichen […] Eigenschaften […], die das deutsche Recht mit dem Begriff der formellen Rechtskraft verbindet“, Rn. 488). 1205 BayObLG, Beschl. v. 29. 3. 1990 – BReg. 3 Z 31/89, FamRZ 1990, 897 (899); für § 108 FamFG offenbar noch OLG Bremen, Beschl. v. 19. 5. 2011 – 3 W 6/11, FamRZ 2011, 1892 (1893) (zwar zugleich von fehlender „Rechtskraftwirkung“ sprechend, sodass die Anerkennung auch erst schlicht an fehlenden erstreckungsfähigen Wirkungen scheitern könnte – zuvor jedoch allgemein eine „unanfechtbar[e]“ Entscheidung fordernd); Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 108 Rn. 2; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 5; NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 49; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 143, 147; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 65 f. („i. S. d. Unanfechtbarkeit“); Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 12.156; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 37; Schack, IZVR, Rn. 970; bereits Riezler, IZPR, § 51 4, S. 531; Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (224); siehe noch MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 ZPO Rn. 70 („gewisse Endgültigkeit und Bestandskraft“, „darf nicht mehr allgemeinen Rechtsmitteln unterliegen“); Martiny, IZVR III/1, Rn. 487 f. (Endgültigkeit, „im gewöhnlichen Prozeßverlauf nicht mehr im gleichen Verfahren durch Rechtsbehelfe“ angreifbar, Rn. 488). Die Endgültigkeit der Scheidung wird zudem vereinzelt von Vertretern des klassischen Entscheidungsbegriffs erwähnt; siehe zu § 328 ZPO Herfarth, Scheidung, S. 439. 1206 So Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 37; wegen der systematischen Stellung ebenso Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 65; Schack, IZVR, Rn. 970; mit Blick auf § 723 II 1 ZPO Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 5. 1207 So Thomas/Putzo/Hüßtege, § 328 Rn. 1, § 108 FamFG Rn. 4; allg., (auch) zu § 328 ZPO Zöller/Geimer, § 328 Rn. 69; ders., Anerkennung, S. 98; Geimer, IZPR, Rn. 2856; Kropholler, IPR, § 60 III 3 a), S. 664; ebenso wohl Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.30 („eher“); speziell zu § 108 FamFG Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 11; Johannsen/Henrich/Althammer/
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formulierte in einer älteren Entscheidung ähnlich weit;1208 zuletzt ließ er diese Frage explizit offen.1209 Es stellt sich also die Frage, ob eine solche Voraussetzung gerechtfertigt ist. Zunächst kann man bereits darauf verweisen, dass jedenfalls zu § 108 bzw. § 109 FamFG keine systematischen Bedenken greifen können.1210 Außerdem lässt sich die Gesetzesbegründung zu § 16a FGG a. F., die nur von der Bestimmung und Eignung zur Äußerung rechtlicher Wirkungen spricht,1211 heranziehen.1212 Zudem kann man den generellen Rückschluss von einer besonderen Norm des Vollstreckungsrechts (§ 723 II 1 ZPO) auf die Anerkennung ohnehin in Frage stellen.1213 Über den vergleichbaren § 110 III 2 FamFG ließe sich auch für § 108 bzw. § 109 FamFG wohl eher das Gegenteilige ableiten.1214 Darüber hinaus ist jedenfalls zu Recht wiederum auf den zutreffenden Kerngedanken (und die daher zu Recht geäußerte Kritik an der Gleichstellungstheorie) der Wirkungserstreckung zu rekurrieren,1215 die Entscheidung nämlich so anzuerkennen, wie sie im Erlassstaat wirkt und ihr insbesondere keine Wirkungen zuzugestehen, die sie dort nicht hat.1216 Wie bereits festgehalten, ist daher zu fordern, dass die Entscheidung jedenfalls wirksam sein muss.1217 Ob die Entscheidung mittels außerordentlicher Rechtsbehelfe Henrich, § 108 FamFG Rn. 17; Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 8; MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 16; Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 4; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 241; Gottwald, FamRZ 2011, 1893; eingehend noch Klinck, FamRZ 2009, 741 (744 f.) (aber einschränkend darauf verweisend, dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 108 II 1 FamFG fehlen könne, „wenn die fragliche ausländische Entscheidung zwar bestimmte Wirkungen entfaltet, wegen ihrer eingeschränkten Bestandskraft aber nicht solche, auf die allein es dem Antragsteller erkennbar ankommt“.); zu § 109 FamFG Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1626). 1208 BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (318 f.) (Wirksamkeit maßgeblich – bloße Anfechtbarkeit unerheblich und dabei u. a. Rechtsmittel anführend). 1209 BGH, Beschl. v. 16. 5. 2019 – V ZB 101/18, NJW 2019, 3575 (3578, Rn. 17) („bedarf hier keiner Vertiefung“). 1210 Klinck, FamRZ 2009, 741 (744). 1211 BT-Drs. 10/504, S. 93. 1212 Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 8. 1213 Kropholler, IPR, § 60 III 3 a), S. 664; Klinck, FamRZ 2009, 741 (744); ebenso wohl Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.30 („eher“). 1214 Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 4; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.30 („eher auf das Gegenteil schließen“); siehe noch MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 16; hingegen neben § 723 II 1 ZPO auch § 110 III 2 FamFG als Beleg für das Rechtskrafterfordernis zitierend Schack, IZVR, Rn. 970. 1215 Sich argumentativ explizit auf die Wirkungserstreckung stützend Kropholler, IPR, § 60 III 3 a), S. 664; siehe noch Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 11. 1216 Siehe wiederum zu dem „relativ eindeutig[en]“ und von der (str.) genauen Wirkungserstreckung unabhängigen Ergebnis, dass jedenfalls keine weitreichenderen Wirkungen zugestanden werden dürfen, Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1628) m. w. N.; näher oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2)(c). 1217 Siehe wiederum BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (318) (wenngleich zur Anerkennung im Rahmen der Vollstreckbarerklärung); etwa noch OLG Köln, Beschl. v. 9. 4. 2010 – 4 UF 56/10, NJW-RR 2010, 1225 (1226); BayObLG, Beschl. v. 11. 11. 1999 – 1Z BR 155/98, BayObLGZ 1999, 352 (356); nachdrücklich Geimer, IZPR, Rn. 2889;
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aufgehoben werden kann, ist demgegenüber nach allgemeiner Ansicht zu Recht unerheblich – es ist lediglich zu berücksichtigen, dass eine tatsächlich aufgehobene Entscheidung wiederum keine Wirkungen erzeugen kann und die Anerkennung in diesem Fall scheitern würde.1218 Folglich ist umgekehrt, um sich wieder der formellen Rechtskraft zuzuwenden, zu beachten, dass die ausländische Entscheidung im Erlassstaat möglicherweise bereits vor Eintritt der formellen Rechtskraft Wirkungen entfaltet.1219 Es ist mithin nicht einzusehen, warum man pauschal die formelle Rechtskraft fordern und andernfalls die Anerkennung versagen sollte.1220 Auch der BGH scheint, obgleich die Frage der formellen Rechtskraft zuletzt ausdrücklich offen lassend,1221 nicht zwischen den Anfechtbarkeitsgründen zu differenzieren.1222 Der Eintritt der formellen Rechtskraft ist nach dem Gesagten im Ergebnis also nicht als Voraussetzung für die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung nach § 109 FamFG anzusehen. Was die Fähigkeit zur formellen Rechtskraft als solche angeht, könnte mit Blick auf die Verbindlichkeit zunächst berücksichtigt werden, dass im Falle formeller Rechtskraft im deutschen Recht ja immerhin generell, auch im Falle von Scheidungen, die außerordentlichen Rechtsbehelfe wie die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff. ZPO bzw. in Ehe- und Familienstreitsachen § 118 FamFG i. V. m. §§ 578 ff. ZPO) existieren.1223 Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 578 ff. ZPO führt auch zur „Beseitigung der materiellen Rechtskraft“.1224 Es ist zwar Unanfechtbarkeit,1225 aber mithin nicht völlige Unantastbarkeit gegeben. Dabei ist aber Martiny, IZVR III/1, Rn. 483; etwa noch Haußleiter/Gomille, § 108 Rn. 11; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 140; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 57; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.30 (die Wirksamkeit explizit unabhängig von der Frage der Wirkungserstreckung oder Gleichstellung verlangend); hierzu oben unter § 4 C.II.3.b)cc)(3)(a) m. w. N. 1218 Zu Letzterem BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (318 f.); BeckOK-ZPO/Bach, § 328 Rn. 13; MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 70; Musielak/Voit/Stadler, § 328 Rn. 7; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 144 f.; noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 486; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 37. 1219 Daher zu Recht hervorhebend, dass zumindest dies der Fall sein muss, Zöller/Geimer, § 328 Rn. 69; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.30; siehe noch Haußleiter/Gomille, § 108 FamFG Rn. 11. 1220 Kropholler, IPR, § 60 III 3 a), S. 664; dies zugestehend, wenngleich der Gegenansicht folgend, Martiny, IZVR III/1, Rn. 487. 1221 BGH, Beschl. v. 16. 5. 2019 – V ZB 101/18, NJW 2019, 3575 (3578, Rn. 17). 1222 BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (318 f.) (bei der Unerheblichkeit der Anfechtbarkeit u. a. die Wiederaufnahme des Verfahrens, aber auch Rechtsmittel anführend). 1223 Allg. etwa MüKo-ZPO/Götz, § 705 Rn. 17; Stein/Jonas/Althammer, § 322 Rn. 5; für die Scheidung näher etwa MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 109. 1224 Lüke, Zivilprozessrecht I, § 32 Rn. 20; siehe etwa noch BeckOK-ZPO/Gruber, § 322 Rn. 78; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 88 f. 1225 Stein/Jonas/Althammer, § 322 Rn. 3, 5; Zöller/Seibel, § 705 Rn. 3; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 149 Rn. 1; von „Unangreifbarkeit“ sprechend MüKo-ZPO/ Götz, § 705 Rn. 1.
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nicht zu übersehen, dass dies, wie schon bei der Anerkennung von Feststellungsentscheidungen gesehen, bei denen es gerade auf die materielle Rechtskraftwirkung bzw. funktionale Vergleichbarkeit mit dieser ankommt,1226 nur sehr begrenzte Aufhebungsfälle sind. Bezüglich der funktionalen Vergleichbarkeit der Beständigkeit ist jedoch jedenfalls darauf zu achten, dass es an dieser Stelle, wie gesagt, gerade nicht um Feststellungsakte und eine Vergleichbarkeit mit der materiellen Rechtskraft geht; vielmehr geht es um „gesamtgestaltende“ Vorgänge, um Privatscheidungen unter hoheitlicher Mitgestaltung, die im Wege funktionaler „Gesamtqualifikation“ als Scheidungs-„Entscheidung“, also als Gestaltungsentscheidung qualifiziert werden. Daher ist ein besonderer Blick auf weitere Gestaltungsentscheidungen im deutschen Recht zu werfen. Die vom BGH zur Differenzierung von materieller Rechtskraft- und Gestaltungswirkung angeführten Sorgerechtsentscheidungen, die als nicht der materiellen Rechtskraft fähig angesehen werden,1227 sind Gestaltungsentscheidungen.1228 Sie bleiben in einem gerichtlichen Änderungsverfahren (§ 1696 I BGB i. V. m. § 166 FamFG) gemäß den dortigen Voraussetzungen änderbar und somit anrührbar.1229 Bei der deutschen Dekretadoption (§ 1752 BGB), die, wie gesehen, ebenfalls eine gerichtliche Gestaltungsentscheidung ist,1230 ist schließlich zwar der ursprüngliche Adoptionsbeschluss nicht anfechtbar (§ 197 III FamFG).1231 Es kann aber zumindest in das Annahmeverhältnis eingegriffen werden; dieses kann nämlich durch gerichtliche Entscheidung (ex nunc nach Maßgabe des § 1764 I 1 BGB1232) aufgehoben werden (vgl. §§ 1759 f., 1763 BGB), etwa wenn bei der Annahme ein Willensmangel vorgelegen hat (§ 1760 BGB).1233 Um einen Akt als 1226
Hierzu oben unter § 4 C.II.2.b)bb) i. V. m. § 4 C.II.2.c). Siehe zu Sorgerechtsentscheidungen wiederum BVerfG, Beschl. v. 22. 9. 2014 – 1 BvR 2102/14, FamRZ 2015, 210 (211, Rn. 12); BGH, Beschl. v. 26. 9. 2007 – XII ZB 229/06, NJW 2008, 223 (225, Rn. 38) (unter Hinweis auf § 1696 BGB); aus der Lit. etwa MüKo-BGB/Lugani, § 1696 Rn. 1; vom fehlenden Entgegenstehen materieller Rechtskraft sprechend noch NK-BGB/Harms/Bisping, § 1696 Rn. 2; hierzu schon oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(b)(aa). 1228 Siehe in Bezug auf die Sorgerechtsentscheidung gerade wiederum BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14); noch MüKo-BGB/Huber, § 1628 Rn. 16; Staudinger/Lettmaier, § 1628 Rn. 12. 1229 Siehe zur eingeschränkten Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung nach § 1696 I BGB BVerfG, Beschl. v. 22. 9. 2014 – 1 BvR 2102/14, FamRZ 2015, 210 (211, Rn. 12) („[…] obgleich sie nicht in materielle Rechtskraft erwächst, nicht beliebig und jederzeit, sondern erst nach Erreichen der genannten Änderungsschwelle modifizierbar“). 1230 Siehe wiederum explizit OLG Hamm, Beschl. v. 29. 8. 1978 – 15 W 148/78, NJW 1979, 49 (50) („durch den konstitutiven Beschluß“); Jauernig/Budzikiewicz, § 1752 Rn. 1; Soergel/ Liermann, § 1752 Rn. 1; noch BGH, Beschl. v. 21. 6. 2017 – XII ZB 18/16, NJW-RR 2017, 1025 (Rn. 8); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 4, noch Rn. 87. 1231 Siehe zur umgehenden formellen Rechtskraft des Beschlusses MüKo-FamFG/Maurer, § 197 Rn. 88; Staudinger/Helms, § 1752 Rn. 42; allg. zu den Voraussetzungen sofortiger Rechtskraft BGH, Beschl. v. 6. 8. 2008 – XII ZB 25/07, BGHZ 178, 47 (49 f., Rn. 6 f.); in FamFG-Verfahren BT-Drs. 16/6308, S. 198. 1232 Siehe näher nur MüKo-BGB/Maurer, § 1764 Rn. 6 ff. 1233 Daneben besteht der Sonderfall einer automatischen, sich aus dem Gesetz ergebenden Aufhebung, nämlich im Falle der Eheschließung zwischen Annehmendem und Angenom1227
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
Gestaltungsentscheidung qualifizieren zu können, bedarf es folglich, entsprechend der dargelegten Differenzierung der BGH-Rechtsprechung, wonach bei der Anerkennung(swirkung) zwischen der materiellen Rechtskraftwirkung einer Feststellungsentscheidung und einer Gestaltungsentscheidung zu unterscheiden ist,1234 keiner allzu hohen Beständigkeitsanforderungen.1235 Die vorstehenden Ausführungen sprechen insgesamt dafür, dass es für eine funktionale Gesamtqualifikation und Anerkennung des Privatscheidungsvorgangs unter hoheitlicher Mitwirkung als Gestaltungsentscheidung ausreicht, wenn Mängel nicht automatisch durchschlagen, aber die Privatscheidung in einem gerichtlichen oder auch behördlichen Verfahren aufhebbar bleibt.1236 Dass nahezu unbestritten – also auch von denjenigen, die für die Anerkennung generell keine formelle Rechtskraft verlangen – in Fällen des förmlichen Anerkennungsverfahrens (§ 107 FamFG) aufgrund dessen Sinns (dennoch) die formelle Rechtskraft vorausgesetzt wird,1237 kann dem schließlich ebenfalls nicht entgegengehalten werden. Dabei geht es nämlich gerade nicht um § 109 FamFG.1238 Außerdem wird das Anerkennungsverfahren des § 107 FamFG nach herrschender Meinung, wie dort gesehen, ohnehin bei Privatscheidungen, bei denen ein gericht-
menen oder einem seiner Abkömmlinge, § 1766 BGB; siehe dazu und insgesamt zum Grundsatz der bloßen Aufhebbarkeit, aber in Extremfällen möglichen Wirkungslosigkeit näher Staudinger/Helms, § 1759 Rn. 8 ff., § 1766 Rn. 6, 2 („praktische Bedeutung der Vorschrift [des § 1766 BGB] gering“); siehe noch zur Aufhebbarkeit und Unwirksamkeit Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 113 ff. 1234 Siehe abermals BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 320/17, NJW 2019, 1608 (1609, Rn. 14). 1235 Vgl. die Analyse der BGH-Rspr. bei v. Bary, FamRZ 2019, 895 (Gestaltungswirkung von Gestaltungsentscheidungen „allein ausreichend, unabhängig von einer zukünftigen Abänderungsmöglichkeit“). 1236 Vgl. auch wiederum die Anmerkung im leihmutterschaftsrechtlichen Kontext bei Duden, Leihmutterschaft, S. 125 f., Fn. 531, der zwar bei der Anerkennung anderer Ansicht ist (S. 124 ff.), aber zumindest die Möglichkeit einer „funktionalen Betrachtung“ ins Spiel bringt und bei den sodann aufgeworfenen Beständigkeitskriterien in einem Fall von einer Endgültigkeit spricht, in dem das Gesetz nach erteilter Erlaubnis die Abstammung vermutet und diese nur noch gerichtlich angreifbar ist. 1237 Ausführlich MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 21; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 202; noch Johannsen/Henrich/Althammer/Henrich, § 107 FamFG Rn. 5; Keidel/ Dimmler, § 107 Rn. 10; MüKo-FamFG/Rauscher, § 108 Rn. 16 (zu Feststellungsverfahren nach §§ 107, 108 II, III FamFG); siehe noch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10. 3. 1976 – 3 VA 7/ 75, OLGZ 1976, 291 (293); Beschl. v. 28. 2. 1975 – 3 VA 1/75, NJW 1975, 1081 (jeweils zur Vorgängernorm des Art. 7 § 1 FamRÄndG); Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 73, § 108 FamFG Rn. 142 (wobei ohnehin für die Anerkennung formelle Rechtskraft fordernd, Rn. 143, 147); a. A. Prütting/Helms/Hau, § 107 Rn. 28; Hau, in: FS Spellenberg, S. 435 (441). 1238 Siehe zur Unterscheidung beider Normen im Anerkennungsrecht oben unter § 4 A.II.1.
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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licher oder behördlicher Akt (und sei er auch nur registrierender Natur) gegeben ist, durchgeführt.1239 (cc) Vereinbarkeit mit dem Verbot der révision au fond Bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung ist, wie gesehen, darauf zu achten, der „Entscheidung“ nicht mehr Wirkungen im Inland zukommen zu lassen, als sie im Erlassstaat äußert; es ist also darauf zu achten, keine „Entscheidung“ anzuerkennen, die im Erlassstaat keine Wirkungen äußert.1240 Die Anerkennung einer Privatscheidung, die die vorstehend verlangte Beständigkeit aufweist, liefe dabei nicht – wie es beim Kontrollmerkmal als alleinigem Merkmal der Fall wäre1241 – auf eine Art révision au fond oder umfassende Überprüfung, die einer Wirksamkeitsprüfung wie im internationalen Privatrecht nahekommt, hinaus. Bei einer besonderen Beständigkeit der Privatscheidung im zuvor dargelegten Sinne, d. h. wenn nur eine Aufhebung in einem gerichtlichen (oder behördlichen) Verfahren möglich ist, wäre nämlich gerade nicht die Wirksamkeit des gesamten Scheidungsvorgangs zu prüfen – sondern schlicht, ob die Privatscheidung nicht (ausnahmsweise) in dem gerichtlichen (oder behördlichen) Verfahren aufgehoben wurde. Dies entspricht im weitesten Sinne der Prüfung, die, wie zuvor gesehen, bei klassischen Gerichtsentscheidungen vorgenommen wird, wenn nämlich zu untersuchen ist, ob die Entscheidung nicht etwa durch einen (außerordentlichen) Rechtsbehelf aufgehoben wurde.1242 (dd) Keine Differenzierung nach speziellen und pauschalen Aufhebungsverfahren Zuletzt ist noch auf eine einschränkende Überlegung einzugehen, die aus einem Blick auf einige romanische Rechtsordnungen1243 resultiert. Der dortige Grundsatz des sog. Selbsthilfeverbots besagt, dass Verträge prinzipiell nicht durch einseitigen Privatakt (nach deutschem Verständnis durch private Gestaltungserklärung) angreifbar, sondern nur gerichtlich aufhebbar sein sollen.1244 Selbst bei fehlender 1239 Siehe hier zur Erfassung solcher Privatscheidungen von § 107 FamFG nur BGH, Beschl. v. 28. 11. 2018 – XII ZB 217/17, NJW 2019, 931 (932, Rn. 15); Staudinger/Spellenberg, § 107 FamFG Rn. 58 (m. w. N. zur Rspr.), 61 f., 68. 1240 Siehe hier nur Geimer, IZPR, Rn. 2777; näher oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2)(c) und § 4 C.II.3.b)cc)(3)(a). 1241 Siehe dazu die Kritik zur Unzulänglichkeit dieses Merkmals oben unter § 4 C.II.3.a) dd)(2)(c). 1242 Siehe auch den Hinweis auf Wiederaufnahmeverfahren von Gerichtsurteilen im Zusammenhang mit der verfahrensrechtlichen Anerkennung im Falle eines erweiterten europäischen Entscheidungsbegriffs bei Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (347 f.). 1243 Zum romanischen Rechtskreis allg. näher Fikentscher, Methoden des Rechts I, S. 375 ff.; noch Koch/Magnus/W. v. Mohrenfels, IPR, § 16 Rn. 1 ff. 1244 Siehe zu diesem Grundsatz Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht 1/1, Rn. 1 C 47; näher (auch historisch) mit Blick auf das französische Recht Helmreich, Selbsthilfeverbot, S. 123 ff., 143 f.; siehe noch allg. in diesem Kontext zu den romanischen Rechtsordnungen LG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1977 – 5 O 104/77, RIW 1980, 517 (518). Siehe aus neuerer Zeit zum französischen Recht Dastis, Rücktrittsrecht, S. 169 – allerdings mit
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Geschäftsfähigkeit kommt es vor, dass keine Unwirksamkeit ipso iure, sondern unter bestimmten Voraussetzungen ein gerichtliches Verfahren vorgesehen ist.1245 Fraglich wäre daher, ob es ausreichend ist, wenn in einer Rechtsordnung nicht nur (spezifisch) die Privatscheidung lediglich gerichtlich und nicht mehr privat angreifbar ist, sondern Verträge im Allgemeinen. Möglichweise wäre anzweifeln, ob in einem solchen Fall ein Unterschied zu einem Vertrag gegeben ist. Dagegen ist aber einzuwenden, dass im Anerkennungsrecht eine funktionale (teleologische) Qualifikation lege fori vorzunehmen ist1246 und sich nach dem bisher Gesagten nach deutschem Verständnis ein Vertrag von einer Gerichtsentscheidung grundsätzlich in seiner Beständigkeit unterscheidet, typischerweise gerade automatisch unwirksam oder privat angreifbar bleibt.1247 Die schon erwähnte Eheschließung ist zwar nicht pauschal fehleranfällig, sondern bedarf regelmäßig1248 eines Aufhebungsverfahrens (§ 1313 BGB). Dies ließe sich aber schon dadurch erklären, dass der Akt der Eheschließung als solcher ein Vertrag ist, die Ehe selbst jedoch nicht.1249 Jedenfalls gibt ihre Beständigkeit, wie bereits oben angeführt, gerade keinen vertraglichen, generell greifenden Grundsatz des deutschen Rechts wieder, vielmehr beruht sie auf einer ehespezifischen Norm, nämlich § 1313 BGB, der die allgemeinen Regeln verdrängt.1250 Nach den Grundsätzen der funktionalen (teleologischen) Qualifikation lege fori sind mithin die dargestellten, grundsätzlichen Unterschiede in Punkto Fehleranfälligkeit, die sich aus dem deutschen Verständnis ergeben, maßgeblich. Zudem wäre für die Qualifikation des Entscheidungsbegriffs andernfalls eine in praktischer Hinsicht kompliziertere Untersuchung nötig; es wäre zu schauen, ob in der jeweiligen Rechtsordnung Hinweis auf in bestimmten Fällen abw. Rspr. und die vor wenigen Jahren erfolgte Reform der Rücktrittsregeln, S. 171 ff., 174 ff.; Hattenhauer, Rechtsgestaltung, S. 205, 207 f. – wobei dieser ebenfalls bereits auf die Reform zum Rücktritt hinweist, S. 211 ff. Nach der Reform ist im französischen Recht eine Vertragsauflösung nun unter gewissen Voraussetzungen auch einseitig möglich, wie Artt. 1224, 1226 frz. Code civil zeigen; Originaltext abrufbar über die Internetseite der französischen Regierung „Légifrance“ (Le service public de la diffusion du droit) unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGITEXT000006070721/ (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe näher zur Neuregelung Sonnenberger, ZEuP 2017, 6 (56 ff.). 1245 Siehe etwa im französischen Recht Art. 1147 i. V. m. Artt. 1178, 1181 frz. Code civil; wiederum abrufbar über die Internetseite der französischen Regierung „Légifrance“ (Le service public de la diffusion du droit) unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGI TEXT000006070721/ (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe noch hierzu sowie zum italienischen und spanischen Recht knapp Staudinger/Klumpp, Vorbem. zu §§ 104 ff. Rn. 193 f. sowie Rn. 187 und Rn. 197. 1246 Hierzu oben unter § 4 A.I.3. 1247 Siehe eingehend oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2). 1248 Nämlich abgesehen vom Fall der Eheschließung mit einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 1303 S. 2 BGB); siehe hierzu abermals nur MüKo-BGB/ Wellenhofer, § 1303 Rn. 12 ff. m. w. N. („unheilbar nichtig“). 1249 Diesen Unterschied hervorhebend Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 24 Rn. 3. 1250 Näher wiederum MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1313 Rn. 4; Staudinger/Voppel, § 1313 Rn. 3; vgl. noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 12 Rn. 8; siehe hierzu schon oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(b)(bb) sowie bereits unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(b).
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nur die Privatscheidung (und eventuell weitere, vereinzelte besondere Verträge) lediglich gerichtlich angreifbar ist oder eher prinzipiell bzw. überwiegend alle Verträge. (ee) Unzulänglichkeit bei deklaratorischen Mitwirkungsakten Daneben ist noch ein Blick auf Privatscheidungen zu werfen, bei denen keine zwingende Mitwirkung gegeben ist, aber ein die Privatscheidung nachträglich feststellender, deklaratorischer (etwa registrierender) Akt hinzutritt. In einem solchen Falle ist nach dem oben Gesagten eine Qualifikation des Gesamtvorgangs als Entscheidung im Wege eines funktionalen Gesamtverständnisses möglich, wenn die registrierte Privatscheidung in ihrer Beständigkeit der materiellen Rechtskraft einer Feststellungsentscheidung gleichkommt, wobei unbeachtlich ist, ob diese Wirkung für die Scheidung insgesamt angeordnet wird oder gerade unmittelbar der Registrierung anhaftet.1251 Demnach genügt, wie schon oben bei der Anerkennungsfähigkeit von Feststellungsentscheidungen erörtert, eine weiterhin gegebene grundsätzliche Anfechtbarkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht. Eine Gesamtqualifikation als Feststellungsentscheidung wäre dementsprechend nur denkbar, wenn die registrierte (oder in ähnlicher Weise deklaratorisch festgestellte) Privatscheidung – von ganz eng begrenzten Ausnahmefällen, die denen der „Beseitigung der materiellen Rechtskraft“1252 entsprechen, abgesehen – grundsätzlich nicht mehr aufhebbar ist.1253 (4) Zwischenergebnis Nach dem Vorstehenden ist es erforderlich und im Falle eines für die Wirksamkeit der Privatscheidung notwendigen, mitgestaltenden gerichtlichen oder behördlichen Mitwirkungsakts ausreichend, wenn die Privatscheidung nicht mehr unmittelbar unwirksam oder durch Privatakt angreifbar ist, sondern es für die Aufhebung eines gerichtlichen oder auch behördlichen Verfahrens bedarf. Nur an nachfolgende, die schon erfolgte Privatscheidung lediglich feststellende Akte sind höhere Anforderungen zu stellen; es bedarf dann einer Aufhebbarkeit, die nur noch auf ganz eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt ist, damit von einer Beständigkeit ausgegangen werden kann, die mit der materiellen, nur ausnahmsweise durchbrechbaren Rechtskraft einer Feststellungsentscheidung vergleichbar ist. 1251
Siehe oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(3). Lüke, Zivilprozessrecht I, § 32 Rn. 20; siehe zu den Fällen der „[g]esetzliche[n] Durchbrechung“ etwa BeckOK-ZPO/Gruber, § 322 Rn. 77 ff.; noch Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 88 f. 1253 Vgl. im Zusammenhang mit Feststellungsentscheidungen insbesondere OLG München, Hinweisbeschl. v. 12. 10. 2017 – 31 Wx 243/16, NZFam 2018, 36 (37, Rn. 6) („Daraus ergibt sich, dass die letztendlich für den Rechtsverkehr verbindliche und abschließende Prüfung und Klärung der Rechtsfrage bzw. -folge nicht durch das Standesamt selbst erfolgt, sondern durch ein Gericht.“); näher zu dieser funktionalen Umschreibung der Rechtskraft im Zusammenhang mit der Anerkennungsfähigkeit von Feststellungsentscheidungen oben unter § 4 C.II.2.c). 1252
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dd) Keine Einschränkungen bei vorangehenden Bewilligungen Zu klären bleibt, ob sich Abweichungen ergeben, wenn der gerichtliche oder behördliche Kontrollakt dem privaten Scheidungsakt nicht nachfolgt, sondern als Bewilligung des Scheidungsvertrags vorangeht. Zunächst könnte man darauf verweisen, dass es auch bei klassischen Gestaltungsurteilen vorkommen kann, dass diese Urteile etwa noch registriert werden müssen.1254 Diesen Urteilen wird die Anerkennung nicht per se abgesprochen, sondern – nach den obigen Ausführungen zum Kerngedanken der Wirkungserstreckungslehre1255 zu Recht – darauf geachtet, dass es dem Urteil noch an seiner Wirksamkeit fehlt; dieses kann daher erst im Anschluss an die Registrierung (oder an einen ähnlichen erforderlichen weiteren Akt) seine Gestaltungswirkung im Wege der Anerkennung entfalten.1256 Problematisch könnte im hier beschriebenen Fall allerdings Folgendes sein: Ob nach dem gerichtlichen oder behördlichen Akt – um nun die Worte des BGH zu ver1254 Zur Bedeutung in Scheidungsfällen Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 195; Martiny, IZVR III/1, Rn. 491. 1255 Hierzu oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2)(c). 1256 Hierüber ist man sich im Wesentlichen einig; siehe BayObLG, Beschl. v. 28. 3. 1977 – BReg. 1 Z 133/76, BayObLGZ 1977, 71 (73); MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 178; Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 195, 141; Stein/Jonas/Roth, § 328 Rn. 17; Geimer, IZPR, Rn. 2890, 3027; Martiny, IZVR III/1, Rn. 491; Raape, IPR, § 30 B I 3, S. 312; siehe noch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. 2. 1975 – 3 VA 1/75, NJW 1975, 1081 (zur Vorgängernorm des § 107 FamFG, Art. 7 § 1 FamRÄndG); Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 70 f. (ebenfalls zum förmlichen Feststellungsverfahren). Entsprechendes gilt für vergleichbare zusätzliche Akte, die für die wirksame Entfaltung von Entscheidungswirkungen vorausgesetzt werden; siehe Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 141, 195; Geimer, IZPR, Rn. 2890. Im Einzelnen umstritten sind dabei aber Fälle, in denen die der ausländischen Entscheidung zugrunde liegende lex causae nicht das Recht des Erlassstaates, sondern eines dritten Staates ist: Für die Maßgeblichkeit der lex fori des Erlassstaates Martiny, IZVR III/1, Rn. 491; vom „maßgeblichen Recht des Scheidungsorts (lex fori)“ sprechend BayObLG, Beschl. v. 28. 3. 1977 – BReg. 1 Z 133/76, BayObLGZ 1977, 71 (73); ebenso auf das „maßgebliche[ ] Recht des Scheidungsorts“ abstellend Geimer, IZPR, Rn. 2890, 3027 („Recht des Erststaates“, obgleich im Zusammenhang mit § 107 FamFG); siehe noch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. 2. 1975 – 3 VA 1/ 75, NJW 1975, 1081 (zur Vorgängernorm des § 107 FamFG, Art. 7 § 1 FamRÄndG). Anzumerken ist hierbei, dass die angeführte Rspr. des BayObLG – offenbar aufgrund der Formulierung „maßgebliche[s] Recht“ – demgegenüber auch vorsichtig von Vertretern der sogleich angeführten Gegenansicht herangezogen wird (Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 196; noch MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 178). Diese andere Ansicht möchte das Registrierungserfordernis der lex causae entnehmen, die der ausländischen Entscheidung im Gestaltungsverfahren zugrunde gelegt wurde; siehe Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 196; ebenso wohl MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 178. Zu erwähnen bleibt noch eine Ansicht, nach welcher das aus deutscher Sicht anwendbare Recht darüber entscheiden soll, ob für die Gestaltung eine Registrierung erforderlich ist; so zur Anerkennung von Ehescheidungen Jansen2, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rn. 10 (ausländisches Scheidungsstatut); siehe noch Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken, S. 203 f. (bei Geltung des § 1564 S. 2 BGB bedürfe es keiner Registrierung – anders jedoch, nämlich für Beachtung des Rechts des Erlassstaats, für das förmliche Feststellungsverfahren, S. 204).
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wenden, die er zur Untermauerung des herrschenden Entscheidungsbegriffs nutzt – „letztlich die Auflösung der Ehe folgt, hängt […] allein von ,freiwilligen‘ privatautonomen Entscheidungen der Parteien ab“.1257 Allerdings wäre es entsprechend den obigen Ausführungen zur funktionalen „Gesamtqualifikation“1258 wiederum sehr formal, allein aus diesen zeitlichen Gründen pauschal die Qualifikation als „Entscheidung“ und somit die Anerkennung zu versagen. Insofern ist der Argumentation der Vertreter des kontrollbezogenen Entscheidungsbegriffs im internationalen Adoptionsrecht zuzustimmen – obgleich das Kontrollkriterium als alleiniges Merkmal, wie gesehen, nicht überzeugen kann1259 –, die explizit erwähnen, dass der Zeitpunkt der Kontrolle eine willkürliche Abgrenzung bedeutet und keine Rolle spielen darf.1260 Wenn die bewilligte Privatscheidung im Ergebnis von der zuvor beschriebenen Beständigkeit ist, bedarf es keiner anderen Behandlung, sie ist entsprechend der dargelegten funktionalen Gesamtqualifikation als Entscheidung anzusehen. Angemerkt werden kann in diesem Zusammenhang noch, dass nach dem bisher Gesagten im Rahmen der Anerkennung gerade keine sog. révision au fond1261 und daher auch bei vorangehenden Bewilligungen keine Überprüfung der Scheidungsvereinbarung vorzunehmen ist.1262 ee) (Praktisches) Ergebnis Eine Privatscheidung ist im Wege einer funktionalen „Gesamtqualifikation“ als „Entscheidung“ zu qualifizieren, wenn sie die relevanten Charakteristika einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung aufweist. Hierzu zählen nicht nur die Kontrolle, sondern auch die Beständigkeit der Scheidung. Über eine funktionale „Gesamtqualifikation“ ist der Scheidungsvorgang zu betrachten; sind die genannten Charakterisierungsmerkmale erfüllt, wäre es zu formal, nur isoliert den Mitwirkungsakt an der Privatscheidung und seine Wirkungen zu betrachten. Eine kontrollierte Privatscheidung ist demnach anerkennungsfähig, wenn sie von erhöhter Beständigkeit ist, wobei sie sodann – dem Grundgedanken der Wirkungserstreckungslehre nach – mit der ihr zukommenden Beständigkeit anzuerkennen ist. Die hier geforderte Beständigkeit setzt voraus, dass die Privatscheidung nicht ipso iure unwirksam oder auf privatem Weg angreifbar sein kann. Bei zwingendenden, mit1257
So zur Scheidung nach jüdischem Recht BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (372, Rn. 27). 1258 Siehe zu dieser „Gesamtqualifikation“ eingehend oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2). 1259 Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)dd) sowie noch unter § 4 C.II.3.a)ee). 1260 Nachdrücklich NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87 („zufällige[ ] und sachlich nicht gerechtfertigte[ ] Unterschiede[ ]“); noch MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 90 („kein[ ] Unterschied“). 1261 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1262 Vereinzelt wird bei vorangehenden Bewilligungen von Adoptionen aber noch einschränkend davon ausgegangen, dass zumindest zu überprüfen sei, „ob die Parteierklärungen der Bewilligung entsprechen“; siehe Beitzke, in: Personenstandsrecht, S. 1 (6).
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
gestaltenden Gerichts- oder Behördenakten genügt es aus Gründen der Vergleichbarkeit mit einer Gestaltungsentscheidung, wenn die Privatscheidung (nur noch) in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren aufhebbar ist. Bei deklaratorischen Mitwirkungsakten muss hingegen eine grundsätzliche Nichtaufhebbarkeit gegeben sein, es bedarf der funktionalen Vergleichbarkeit mit der materiellen Rechtskraft einer Feststellungsentscheidung. Ob es sich bei einem mitgestaltenden Mitwirkungsakt um eine vorangehende Bewilligung oder dem Scheidungsvertrag nachfolgende Genehmigung (oder einen ähnlichen Akt) handelt, hat jedoch keine Auswirkungen. Zur praktischen Veranschaulichung ist schließlich noch ein Blick auf drittstaatliche Privatscheidungen zu werfen, die dem Kontrollmerkmal genügen1263 und daher bei ausreichender Beständigkeit erfasst werden können. Bezüglich der Scheidung nach dem Recht der Volksrepublik China ist zunächst zu berücksichtigen, dass diese, wie gesehen, nunmehr – und teilweise neu gefasst – im neuen Zivilgesetzbuch geregelt ist und sie sich jedenfalls in der jetzigen Fassung als Privatscheidung darstellen dürfte, wohingegen zuvor der gesetzliche Wortlaut eher eine Ausgestaltung als behördliche Registerscheidung nahelegte.1264 Zur alten Rechtslage gibt es zumindest Erläuterungen des Obersten Volksgerichts der Volksrepublik China zur vermögensbezogenen Scheidungsvereinbarung, die dieser zum einen „gesetzliche Bindungskraft“ zugestanden und zum anderen eine Anfechtung nur gerichtlich zuließen.1265 Ein Blick auf die allgemeinen Regeln für zivilrechtliche Rechtsgeschäfte zeigt zudem, dass eine Anfechtung generell nur gerichtlich möglich ist; allerdings bedarf ein Rechtsgeschäft für seine Wirksamkeit auch einer wahren Willenserklärung und ist im Falle der Geschäftsunfähigkeit unwirksam.1266 Demnach ist nicht auszuschließen, dass auch die Scheidung nach dem Recht der Volksrepublik China ipso iure unwirksam sein kann, was für eine Anerkennung als Entscheidung folglich nicht ausreicht. Was die Privatscheidung nach dem Recht der Republik Korea (Südkorea) betrifft, so normiert das dortige Scheidungsrecht explizit, dass bei einer Täuschung oder Drohung nur eine gerichtliche Aufhebung der Scheidung angestrebt werden kann.1267 1263
Dazu oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2)(b). Siehe dazu schon oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(f); sowie wiederum die jetzige Übersetzung insbesondere des § 1076 II chin. ZGB („Willenserklärung“) bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384). 1265 Siehe die Übersetzung der §§ 8 f. der Erläuterung (2) v. 25. 12. 2003 bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Pißler/von Hippel, Länderbericht Volksrepublik China200. Lfg. (Februar 2013), S. 120 f. 1266 Siehe §§ 147 ff. chin. ZGB sowie §§ 143 Nr. 2 und 144 chin. ZGB; siehe die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (231 f.). 1267 Art. 838 KBGB; siehe hierzu die Übersetzung des KBGB (i. d. F. v. 20. 10. 2020) ins Englische durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri. re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=55222&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); 1264
C. Die als „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) anerkennungsfähigen Akte
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Darüber hinaus sieht das dortige Zivilverfahrensrecht ein Scheidungsnichtigkeitsverfahren vor.1268 Die Zuständigkeitsregel für Eheverfahren spricht hierbei explizit von Verfahren über die Nichtigkeit einer Scheidung oder solchen über eine gerichtliche Scheidung,1269 sodass das Nichtigkeitsverfahren offensichtlich für die Privatscheidung gilt und die Scheidungsvereinbarung mithin nicht ipso iure unwirksam ist.1270 Diese Privatscheidung dürfte also den oben herausgearbeiteten Beständigkeitsanforderungen genügen.1271 Das brasilianische Zivilrecht kennt grundsätzlich sowohl die Nichtigkeit als auch die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften,1272 wobei die Unwirksamkeit jeweils im Wege eines „Urteil[s] festgestellt bzw. herbeigeführt werden“ muss, jedenfalls nach „wohl“ vorherrschender Auffassung.1273 Nach dem oben Gesagten ist es ausreichend, wenn eine Rechtsordnung für Verträge ganz grundsätzlich ein gerichtliches Verfahren vorschreibt, es bedarf keines spezifischen Scheidungsaufhebungsverfahrens.1274 Demnach genügt die brasilianische Privatscheidung, welche der Notar in einer Urkunde aufnimmt,1275 dem vorliegend verlangten Beständigkeitskriterium. siehe noch die (ältere) Übersetzung des KBGB bei Bergmann/Ferid/Henrich/Chang, Länderbericht Republik Korea115. Lfg. (Juni 1993), S. 30 ff.; hierzu noch Kim, Ehescheidung, S. 75; Lee, Scheidungsrecht Koreas, S. 68 f. 1268 Art. 2 I Nr. 1 lit. a), (ii) des Gesetzes über die Familiengerichtsbarkeit (KFamG); siehe wiederum die Übersetzung des KFamG (i. d. F. v. 31. 10. 2017) ins Englische durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri.re.kr/eng_service/lawView. do?hseq=45908&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021); siehe noch Bergmann/Ferid/ Henrich/Chang, Länderbericht Republik Korea115. Lfg. (Juni 1993), S. 7. 1269 Siehe Art. 22 KFamG; siehe abermals die englische Übersetzung des KFamG (i. d. F. v. 31. 10. 2017) durch das „Korea Law Translation Center“ am „Korea Law Legislation Research Institute“ auf der Internetseite des „Korea Legislation Research Institute“ unter https://elaw.klri. re.kr/eng_service/lawView.do?hseq=45908&lang=ENG (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 1270 Siehe den Überblick zu dieser Norm bei Kim, Ehescheidung, S. 74 (zum Fehlen einer „Vorschrift darüber, unter welchen Voraussetzungen eine einverständliche Scheidung möglicherweise nichtig ist“ sowie zum KFamG und der dortigen „Möglichkeit einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit“ mit der Anmerkung, dass diese trotz fehlender Einigung bei angemeldeter Scheidung greift und nach der Rspr. bei einer „Scheinehe“); siehe noch die (ältere, noch nicht zum jetzigen KFamG erfolgte) Analyse bei Lee, Koreanisches Scheidungsrecht, S. 20 („keine Vorschriften über die Nichtigkeit der Scheidung durch Vereinbarung im KBGB“ – „Klage auf Nichtigkeit der Scheidung“); noch Bergmann/Ferid/Henrich/Chang, Länderbericht Republik Korea115. Lfg. (Juni 1993), S. 7. 1271 Zur Hinlänglichkeit einer gerichtlichen Angreifbarkeit oben unter § 4 C.II.3.b) cc)(3)(b). 1272 Artt. 166 ff. bzw. 171 ff. brasilianischer Código Civil; siehe die Übersetzung bei Wolf, Brasilianisches Zivilgesetzbuch, S. 135 ff. bzw. 137 ff. 1273 Siehe die nähere Darstellung des brasilianischen Rechts bei Pietrek, Konsens, S. 102 f. mit Nachw. zur brasilianischen Lit., wonach dies im Falle der Nichtigkeit aber umstr. ist und nach der Gegenansicht von einer gesetzlichen Unwirksamkeit ausgegangen wird; zumindest knapp „[d]as Feststellungsurteil der absoluten Nichtigkeit“ mit „ex tunc“-Wirkung erwähnend, Feiten Wingert Ody, Brasilianisches Recht, § 8 Rn. 76. 1274 Siehe oben unter § 4 C.II.3.b)cc)(3)(b)(dd).
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Zuletzt kann noch angemerkt werden, dass es auch nicht ausgeschlossen ist, dass sich weitere, zum Teil erst vor wenigen Jahren eingeführte Privatscheidungen noch als hinreichend beständig erweisen werden.1276 c) Kein ergänzendes, verfahrensspezifisches Merkmal Bei den Ansichten, die in internationalen Scheidungsfällen den erweiterten, kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff vertreten, findet, wie weiter oben gesehen, teilweise noch die „Verfahrenseinkleidung“ der Scheidung Erwähnung.1277 Wie ebenfalls dort aufgezeigt, dürfte damit regelmäßig, soweit parallel Kontrollkriterien auftauchen, eine mit dem Verfahren zusammenhängende Überwachung gemeint sein.1278 Vereinzelt tritt das Verfahren in Scheidungsfällen zwar noch deutlicher hervor, indem es zunächst isoliert genannt wird.1279 Letztendlich wird aber auch dort betont, die Gerichtsprozedur solle verhindern, dass die Scheidung nicht ordnungsgemäß bzw. nicht in ungültiger Weise durchgeführt wird.1280 Auf ein Kriterium einer verfahrensrechtlichen Überwachung abzustellen, änderte im Ergebnis wegen des hier ebenfalls vertretenen Mindestmerkmals der Kontrolle 1275 Art. 733 i. V. m. Art. 731 bras. ZPO; wiederum nach der Übersetzung bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 58 f. 1276 Zum französischen Recht wird etwa zumindest diskutiert, ob bei der neuen Privatscheidung die Eheauflösung als solche überhaupt angreifbar bleiben sollte; siehe (tendenziell negativ) Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 145 (176). Dies soll nur als Beispiel dienen. Denn zum einen sind nach Art. 229-1 II frz. Code civil nur die formellen Voraussetzungen und die Frist zu kontrollieren. Diese Scheidung genügt daher nicht dem Kontrollmerkmal; siehe zum genauen Verständnis oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2); vgl. (i. E.) die Einstufung als formelle Kontrolle etwa bei Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, 145 (175 f.); noch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 97; siehe für den Originaltext auf der Internetseite der französischen Regierung „Légifrance“ (Le service public de la diffusion du droit) unter https://www.legifr ance.gouv.fr/codes/id/LEGITEXT000006070721/ (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). Zum anderen wird diese Scheidung in absehbarer Zeit unter die Brüssel IIb-VO fallen; siehe dazu oben unter § 1 B. 1277 Siehe oben unter oben unter § 4 C.II.3.a)aa)(1)(a). 1278 So – wie die Verschränkung mit Prüfungsüberlegungen zeigen – wohl insbesondere wiederum Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746); vgl. noch Wohlgemuth, FamRZ 2005, 1949 (1956) (die Verstoßung nach marokkanischem Recht wegen des gerichtlichen Versöhnungs- und Genehmigungsverfahrens nicht mehr als „– nicht anerkennungsfähige – Privatscheidung“ betrachtend); ähnlich Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 342 (zwar der klassischen Abgrenzung folgend, Rn. 342, 333 – allerdings für Privatscheidungen mit vorangehendem gerichtlichem Verfahren die Frage nach einer analogen Anwendung des § 109 FamFG stellend). 1279 Siehe Scheftelowitz, FamRZ 1995, 593 (594) (unter Hinweis auf die „umfangreiche Gerichtsprozedur“ die Scheidung nach jüdischem Recht bereits nicht mehr als Privatscheidung einordnend). 1280 Siehe wiederum Scheftelowitz, FamRZ 1995, 593 (594) (die „umfangreiche Gerichtsprozedur“ bei der Scheidung nach jüdischem Recht solle „eine spätere Anfechtung des Get […] ausschließen“ bzw. „erwähnte[ ] Vorsichtsvorschriften für die Gültigkeit des Get“).
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nichts am vorliegenden Verständnis; auch lässt sich die Kritik am Kriterium der Kontrolle als alleinigem Maßstab1281 entsprechend auf ein Verfahrensüberwachungskriterium übertragen. Möglicherweise soll ein solches Kriterium der „Verfahrenseinkleidung“1282 aber (auch) gerade bestimmte verfahrensrechtliche Charakteristika eines gerichtlichen Scheidungsverfahrens als solche hervorheben. Insbesondere in internationalen Adoptions- und vereinzelt auch in Leihmutterschaftsfällen findet sich eine Ansicht, die im Zusammenhang mit dem Merkmal der Kontrolle einschränkend auf ein Verfahrenskriterium Bezug nimmt, und zwar in verfahrensspezifischer Weise, wie vor allem das Abstellen auf die „Anhörung“ im Adoptionsrecht zeigt.1283 Blickt man auf allgemeine Ausführungen zum Anerkennungsrecht, ist festzustellen, dass auch das Vertrauen in die ausländische gerichtliche bzw. behördliche Tätigkeit, das sich allgemein als Grund für die verfahrensrechtliche Anerkennung nennen lässt,1284 bisweilen nicht nur auf die erfolgte Sachprüfung gestützt wird, sondern daneben auf die Überprüfung in einem geordneten Verfahren.1285 Andere sprechen mit Blick auf das Fehlen einer kollisionsrechtlichen Kontrolle bzw. das Verbot der sog. révision au fond im Anerkennungsrecht1286 noch von einer „Fiktion der Gleichwertigkeit der Gerichte in aller Welt“1287 bzw. Austauschbarkeit der Verfahrensrechte.1288 Um sich mit einem ergänzenden, verfahrensspezifischen Merkmal auseinanderzusetzen, hat man sich die obige Untersuchung vor allem zum Urteils- sowie zum Entscheidungsbegriff (§ 328 ZPO bzw. § 109 FamFG) und der generellen Einbeziehungsmöglichkeit von Behörden oder Notaren in Erinnerung zu rufen. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, inwiefern es bei diesen Vorschriften auf ein Verfahren durch einen unabhängigen Richter, das rechtliches Gehör gewährt, ankommt. Wie 1281
Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)dd) und § 4 C.II.3.a)ee). Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (746). 1283 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. 1. 1985 – 3 W 149/84, StAZ 1985, 132 (133) (in Abgrenzung zur „reine[n] Privatadoption“, für die Art. 22 EGBGB greifen würde); BeckOGKEGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 174; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 87; zu § 16a FGG a. F. Benicke, Adoptionsrecht, S. 189; in Leihmutterschaftsfällen andeutend ders., StAZ 2013, 101 (105) („in einem formalen Verfahren“). 1284 Allg. zu dem hinter den Anerkennungsregeln stehenden Vertrauensgedanken oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1285 So Klinck, FamRZ 2009, 741 (744); ebenso Benicke, Adoptionsrecht, S. 188, der ja gerade anschließend für die Anerkennung von Adoptionen die „Anhörung“ nennt, S. 189; im leihmutterschaftsrechtlichen Kontext ders., StAZ 2013, 101 (105). 1286 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1287 So Zöller/Geimer, § 328 Rn. 16; ders., Anerkennung, S. 85; näher Geimer, IZPR, Rn. 37, 2751; siehe noch Stein/Jonas/Roth, § 328 ZPO Rn. 1 („Vorstellung der Gleichwertigkeit der Rechtspflege“); Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.29. 1288 Siehe zu Letzterem Kegel/Schurig, IPR, § 20 VII 3 c), S. 872 i. V. m. § 20 VII 3 b), S. 870; Martiny, IZVR III/1, Rn. 106, Rn. 260; im Zusammenhang mit „Praktikabilitätserwägungen“ als Rechtfertigung des lex fori-Grundsatzes im Verfahrensrecht (hierzu oben unter § 2 A.II.3.a)) zur „Fungibilität“ näher und sehr krit. Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 140 ff. 1282
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dort dargelegt, ist eine enge Begrenzung des Urteils- und Gerichtsbegriffs bzw. des Entscheidungsbegriffs, die auf solche Merkmale abstellt, zu Recht mit der verbreiteten Ansicht abzulehnen, da sich diese Aspekte gesetzlich erst in den Anerkennungshindernissen niederschlagen.1289 Hinzu kommt, dass solche Aspekte gerade bei einvernehmlichen Scheidungen ohnehin weniger problematisch sind.1290 Die obigen Ausführungen zur Einbeziehungsmöglichkeit von Behörden (oder auch Notaren) sprechen daher jedenfalls gleichsam dagegen, eine gerichtliche oder gerichtsähnliche Verfahrenseinkleidung als solche bereits zum ausschlaggebenden Kriterium für die Qualifikation als „Entscheidung“ und die Frage der Ausdehnung der Anerkennung auf Privatscheidungen zu machen. d) Ergebnis Der (teleologische) Hintergrund der verfahrensrechtlichen Anerkennung, die von einer umfassenden Nachprüfung absieht, der ausländischen hoheitlichen Tätigkeit vertraut, und hinkende Rechtsverhältnisse vermeiden soll, sowie der Sinn und Zweck von Gestaltungsurteilen, die Gestaltungsvoraussetzungen zu kontrollieren, legen zunächst nahe, dass es gerechtfertigt ist, auch eine hoheitlich kontrollierte Privatscheidung als „Entscheidung“ zu qualifizieren. Das Merkmal der Kontrolle ist, unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, dahingehend zu verstehen, dass die Scheidungsvoraussetzungen in nicht nur registrierender, „abhakender“ Weise nachgeprüft werden. Gerichtliche Gestaltungsentscheidungen, gerade auch die gerichtliche Scheidung (§ 1564 BGB), zeichnen sich aber nicht nur durch die gerichtliche Kontrolle, sondern auch durch ihre erhöhte Beständigkeit und dadurch erzeugte Rechtssicherheit aus. Auch ist der genannte Gesichtspunkt des Vertrauens fraglich, wenn die Privatscheidung fehleranfällig bleibt, von fragiler Wirksamkeit ist. Zudem fehlt es einem kontrollierenden Mitwirkungsakt an einer eheauflösenden Gestaltungs- oder verbindlichen Feststellungswirkung, die im Sinne der herrschenden 1289
Siehe hierzu oben unter § 4 B.II. Vgl. in diesem Zusammenhang noch folgenden Hinweis aus dem internationalen Adoptionsrecht: Da die Adoption weniger „streitigen Charakter“ habe, spiele die Unabhängigkeit bei der Anerkennung eine untergeordnete Rolle und es „genüg[e] daher auch die Entscheidung einer weisungsgebundenen Behörde“; so Magnus/Münzel, StAZ 1977, 65 (75) (unter Hinweis auf eine alte, die Unabhängigkeit betonende Entscheidung des BGH zu einer Entmündigung (Urt. v. 7. 12. 1955 – IV ZR 177/55, BGHZ 19, 240 (245)) – wobei dieses BGHUrteil aber keine spezifische ZPO-Norm wie § 328 ZPO heranzieht, sondern allg. Grundsätze für die „Anerkennung“ einer Entmündigung aufstellt und dabei auch auf das IPR, namentlich beim ordre public Art. 30 EGBGB abstellt (244 f.); jedenfalls wurde oben (wiederum oben unter § 4 B.II.) aufgezeigt, dass der BGH nach einer grundlegenden Entscheidung für eine Anerkennung nach § 328 ZPO ohnehin explizit nicht verlangt, dass „im Aufbau [der] Gerichtsbarkeit die rechtsstaatlichen Grundsätze beachte[t werden], wie sie der Gerichtsverfassung der Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegen“, BGH, Urt. v. 9. 5. 1956 – IV ZR 201/ 55, BGHZ 20, 323 (329)). Gerade im Kontext des ordre public kristallisiert sich heraus, dass das Kriterium des rechtlichen Gehörs bei einvernehmlichen Scheidungen weniger problematisch ist; siehe dazu unten unter § 4 C.III.2. 1290
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Wirkungserstreckung(slehre) verfahrensrechtlich anzuerkennen ist. Das Kontrollmerkmal genügt mithin allein nicht für eine Qualifikation als „Entscheidung“. Eine kontrollierte Privatscheidung kann demnach jedoch im Wege einer funktionalen „Gesamtqualifikation“, als „Entscheidung“ angesehen werden, wenn sie von besonderer Beständigkeit ist. Die funktionale „Gesamtqualifikation“ ermöglicht es, nicht strikt formal nur auf den Mitwirkungsakt und dessen Wirkungen zu schauen, sondern den Scheidungsvorgang aus funktionaler Sicht als „Entscheidung“ zu werten. Für die verfahrensrechtliche Anerkennung im Sinne der Wirkungserstreckung, ist darauf zu achten, kein „Mehr“ an Wirkungen zuzugestehen, vor allem keine Scheidungen anzuerkennen, der keine Wirkungen zukommen. Die kontrollierte und „bestandskräftige“ Privatscheidung ist demnach mit der ihr eigentümlichen „Bestandskraft“ anzuerkennen und ihre Anerkennung fügt sich auch in das Regime des § 109 FamFG ein, da es hierfür bei einer „bestandskräftigen“ Privatscheidung gerade keiner umfassenden, vor dem Verbot der sog. révision au fond (§ 109 V FamFG) kritisch zu sehenden Nachprüfung dahingehend bedarf, ob der Scheidungsvertrag tatsächlich wirksam zustandegekommen ist und fortwirkt. Damit das Beständigkeitsmerkmal erfüllt ist, genügt im Falle zwingender, mitgestaltender Mitwirkung eine nur noch gerichtliche oder behördliche Angreifbarkeit der Privatscheidung. Dies berücksichtigt das Beständigkeitscharakteristikum einer gerichtlichen Gestaltungsentscheidung wie der Scheidung. Im Falle eines der Privatscheidung nur nachfolgenden, deklaratorischen Feststellungsakts bedarf es einer der materiellen Rechtskraft einer Feststellungsentscheidung vergleichbaren Verbindlichkeitswirkung, weshalb die Anforderung an die Beständigkeit entsprechend höher sind und nur eine grundsätzliche Nichtaufhebbarkeit, die lediglich in sehr engen Grenzen durchbrochen werden kann, ausreicht. Gerade die in den verschiedenen Rechtsordnungen vorgesehene nachträgliche Registrierung dürfte diesen Anforderungen regelmäßig nicht gerecht werden, es bedarf daher auch keiner näheren Erörterung der Frage, ob nicht ausnahmsweise auch eine Art blinde Registrierung genügen würde. Ob ein mitgestaltender Kontrollakt bei der „bestandskräftigen“ Privatscheidung dem Scheidungsvertrag vorausgeht oder diesem nachfolgt, spielt keine Rolle. Ein (einschränkendes) verfahrensspezifisches Merkmal, das auf die Einhaltung eines besonderen, gerichtsähnlichen Verfahrens abstellt, ist schließlich auch nicht erforderlich. 4. Keine weitere Ausdehnung des Entscheidungsbegriffes a) Extensive Entscheidungsbegriffe in Scheidungsfällen Zuletzt ist noch auf die von einzelnen Stimmen im Schrifttum vertretene Auffassung einzugehen, den Entscheidungsbegriff (vorsichtig) noch weiter auszudehnen. Vereinzelt sollen etwa Privatscheidungen mit zwingendem gerichtlichen oder behördlichen Mitwirkungsakt anzuerkennen sein, sei er auch lediglich registrie-
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render Natur.1291 Von einem (noch) offeneren Begriff dürfte auszugehen sein, wenn der Entscheidungsbegriff parallel zu § 107 FamFG verstanden werden und schlicht „ausländische Privatscheidungen“ miteinschließen soll,1292 insbesondere da bei § 107 FamFG auch deklaratorische Registrierungsakte ausreichen.1293 Ein weiterer Vorschlag dürfte zwar kontrollbezogen gemeint sein, ließe sich seiner Formulierung nach an sich aber auch offener dahingehend deuten, dass auch zwingend erforderliche Register- oder Beurkundungsakte ausreichten.1294 Fraglich ist an dieser Stelle, ob sich dies de lege lata umsetzen lässt oder ein neues Anerkennungsregime1295 erfordert.1296 b) Stellungnahme aa) Praktikabilitätsaspekte Unschwer lässt sich zunächst feststellen, dass solche Kriterien für die Eingrenzung der Reichweite der verfahrensrechtlichen Anerkennung unproblematisch handhabbar sind, da der fremden Rechtsordnung nur zu entnehmen wäre, ob es eines (zwingenden) gerichtlichen oder behördlichen Akts bedarf. bb) (Teleologischer) Hintergrund der Anerkennung Für eine extensive Ansicht führen ihre Vertreter vereinzelt an, dass ein weites Verständnis, d. h. bei allen zwingenden Mitwirkungsakten eine verfahrensrechtliche Anerkennung vorzunehmen, die Gefahr unwirksamer Privatscheidungen mini-
1291 So i. E. vorsichtig BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 31, 34 („nicht die Möglichkeit versperrt […] eine großzügige Sichtweise zu vertreten“; „sollte daher […] bereits ausreichen, wenn […]“; „[e]s kommt dann nicht mehr Art. 17 Abs. 2 [EGBGB] zur Anwendung“ – an anderer Stelle aber noch vorsichtiger („zumindest de lege ferenda“)). 1292 Siehr, IPRax 2009, 332 (333 f.) (früher analog § 328 ZPO – später § 109 FamFG). 1293 Zu Letzterem mit Nachw. zu dieser h. M. oben unter § 4 A.II.1. 1294 Siehe den obei den erweiterten Entscheidungsbegriffen oben unter § 4 C.I.1.b)aa)(2)(a) angeführten Vorschlag, eine „Privatscheidung […] mit ein[em] vom ausländischen Sachrecht als konstitutiv betrachtete[n] Hoheitsakt“ anzuerkennen; so Prütting/Helms/Hau, § 109 Rn. 55; siehe noch Althammer/Mayer, Art. 5 Rom III-VO Rn. 34; Prütting/Helms/Hau, § 107 FamFG Rn. 43; siehe schließlich für eine Deutung als Hinweis auf Bewilligungs- oder Bestätigungsakte wiederum NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84 (in Fn. 243 die zuvor genannte Ansicht als Beleg für ein solches Verständnis nennend); noch dies., IntFamR, § 3 Rn. 165, Fn. 336. 1295 Siehe hier de lege ferenda etwa eingehend Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (350); noch Antomo, StAZ 2019, 33 (34 f.). 1296 Vgl. BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 34 i. V. m. Rn. 141 (zunächst vorsichtig mit Blick auf (u. a.) § 109 FamFG („nicht die Möglichkeit versperrt“ bzw. „sollte“), Rn. 34 – sodann zurückhaltender („zumindest de lege ferenda“), Rn. 141).
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miert.1297 Dies entspricht zunächst dem allgemeinen Sinn und Zweck der Anerkennung, hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden.1298 Das Argument, zwischen einer bereits erfolgten Privatscheidung (Anerkennung) und einer noch vorzunehmenden Scheidung (Kollisionsrecht) zu unterscheiden, das sich bisweilen (auch1299) bei Vertretern eines extensiven Verständnisses wiederfindet,1300 ist demgegenüber de lege lata wiederum kritisch zu sehen, da es, wie oben im Rahmen des kontrollbezogenen Entscheidungsbegriffs erläutert, schlussendlich einen gewissen Zirkelschluss aufweist.1301 Vor allem ist jedoch abermals zu beachten, dass bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung gerade keine Nachprüfung erfolgt, und zwar deshalb, weil insoweit der Beurteilung durch Gerichte bzw. Behörden im Erlassstaat Vertrauen zugestanden wird.1302 Bei einer bloßen Registrierung oder Beurkundung ist aber unter Umständen überhaupt keine Prüfung im Erlassstaat erfolgt, sodass dieses Kriterium vor diesem (teleologischen) Hintergrund nicht überzeugt.1303 Wie sich aus den obigen Untersuchungen zum kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff ergibt, bedarf es (als Mindestkriterium) zumindest einer Überprüfung der Voraussetzungen, damit überhaupt die Annahme einer Entscheidung möglich ist, wofür ein formales Abhakens wie bei einer schlichten Registrierung nicht genügt.1304 Bereits mit Blick auf den Wortlaut lässt sich zumindest bei einer sozusagen nur dokumentierenden Registrierung allgemein nicht von einer „Entscheidung“ sprechen.1305 Entsprechend der obigen Kritik zum kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff ist schließlich zu beachten, dass eine automatisch parallele Auslegung von § 109 FamFG und § 107 FamFG an den unterschiedlichen Mechanismen der Vorschriften
1297
BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 34 – unter besonderer Hervorhebung der möglicherweise problematischen Nichtanerkennung im EU-Recht, Rn. 32. 1298 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(1). 1299 Siehe zu diesem Argument schon – als Vertreter des kontrollbezogenen Entscheidungsbegriffs – Elmaliah/Thomas, FamRZ 2018, 739 (744). 1300 Siehr, IPRax 2009, 332 (333). 1301 Siehe hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(5). 1302 Hier nur Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1624); näher oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1303 Vgl. die Kritik bei Staudinger/Spellenberg, § 108 FamFG Rn. 127; vgl. noch zum europäischen Anerkennungsrecht Staudinger/ders., Art. 21 Brüssel IIa-VO Rn. 20; siehe auch zur allg. Nichtanerkennung bloßer Registrierungen oder Beurkundungen oben im Zusammenhang mit dem kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff unter § 4 C.II.3.a)bb)(3). 1304 Siehe hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(3) und § 4 C.II.3.a)cc)(2)(a); vgl. noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 469 (zu bloßen Entgegennahmen und Beurkundungen); bei der „Registrierung eines Rechtsverhältnisses“ das Fehlen eines „für eine Entscheidung maßgeblichen Erkenntnisakts[s]“ hervorhebend Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 108 Rn. 2; (u. a.) darauf eingehend OLG Hamm, Beschl. v. 26. 9. 2017 – 15 W 413/16, BeckRS 2017, 155899 (dort Rn. 45 f.) (Vorinstanz zu BGH, Beschl. v. 20. 3. 2019 – XII ZB 530/17, NJW 2019, 1605). 1305 Dies bei der weiten Auslegung zu Art. 7 § 1 FamRÄndG (dem heutigen § 107 FamFG) als problematisch anführend Gärtner, Privatscheidung, S. 162; Herfarth, Scheidung, S. 421 f.; vgl. zudem wiederum allgemein zur fehlenden Anerkennungsfähigkeit schlichter Registrierungsakte oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(3).
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scheitert, da § 107 FamFG nur ein einheitliches Anerkennungsverfahren vorschreibt.1306 cc) Funktionale (teleologische) Qualifikation lege fori und Charakteristika von Entscheidungen Die extensive Ansicht, die eine zwingende Mitwirkung genügen lassen möchte, begründet dies damit, dass die „eigentliche Auflösung der Ehe […] nicht in einem solchen Maße sensibel [ist], dass eine kollisionsrechtliche ,Kontrolle‘ vonnöten wäre“.1307 Dies scheint auf den ersten Blick nicht abwegig, wenn man bedenkt, dass kritische Stimmen in Bezug auf das Konstitutiv- oder auch das Kontrollmerkmal, wie gesehen, auf eine nachlassende Intensität inhaltlicher Kontrolle bei gerichtlichen Scheidungen hinweisen.1308 Allerdings vermag die genannte, praxisbezogene Kritik, wie dort aufgezeigt, unter funktionalen Aspekten nicht durchzuschlagen, da eine Kontrolle für Gestaltungsurteile und auch Scheidungen im deutschen Recht gesetzlich konzipiert ist. Darüber hinaus lässt sich entsprechend der oben herausgearbeiteten Unzulänglichkeit eines rein kontrollbezogenen Entscheidungsbegriffs auch hier insbesondere feststellen, dass bei einem bloßen Abstellen auf eine Registrierung der Privatscheidung – und sei sie zwingender Natur – gerade nicht die besondere Beständigkeit von Gerichtsentscheidungen berücksichtigt wird.1309 Derart extensive Entscheidungsbegriffe sind daher wiederum mit Blick auf die Notwendigkeit einer funktionalen Qualifikation lege fori, die dieses Charakteristikum berücksichtigen muss,1310 zu kritisieren. dd) (Anerkennungs-)Wirkung Wie der kontrollbezogene Entscheidungsbegriff stellen sich auch extensivere Entscheidungsbegriffe aus dogmatisch-methodischer Sicht als problematisch dar, da es wiederum um Privatscheidungen geht, es also an einer eheauflösenden Gestaltungswirkung des Mitwirkungsakts fehlt,1311 und insbesondere einem Registerakt regelmäßig keine mit der materiellen Rechtskraft vergleichbare Feststellungswirkung zukommt.1312 Da bei einem extensiven Entscheidungsbegriff ohnehin keinerlei weitergehende Voraussetzungen als die (zwingende) Registrierung vorgesehen ist, 1306
Hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)bb)(1). BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 31. 1308 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2) und § 4 C.II.3.a)bb)(2). 1309 Vgl. die obige Kritik unter § 4 C.II.3.a)dd)(2). 1310 Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(e). 1311 Siehe die Ausführungen zum kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(3)(a). 1312 Siehe die Ausführungen zum kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(3)(b). 1307
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kann hier auch die funktionale „Gesamtqualifikation“, die insbesondere auch die Beständigkeit mitberücksichtigt,1313 de lege lata nicht greifen. c) Ergebnis Ein extensiver Entscheidungsbegriff, nach welchem (zwingend) registrierte Privatscheidungen anzuerkennen sind, lässt sich de lege lata vor dem (teleologischen) Hintergrund der Anerkennungsvorschrift des § 109 FamFG kritisieren sowie insbesondere mit Blick auf die Beständigkeit einer Gerichtsentscheidung und wirft wirkungsbezogene, dogmatisch-methodische Probleme auf. Dies dürfte erklären, warum an anderer Stelle im Schrifttum zwar eine Anerkennung auch registrierter Privatscheidungen befürwortet wird – jedoch nur de lege ferenda.1314
III. Überblick zu relevanten Anerkennungshindernissen 1. Spiegelbildliche Zuständigkeit (§ 109 I Nr. 1 FamFG) Eine Voraussetzung für die Anerkennung ist, wie das Anerkennungshindernis des § 109 I Nr. 1 FamFG zeigt, die sog. spiegelbildliche Zuständigkeit.1315 Der hier vertretene, offenere Entscheidungsbegriff, ist, wie schon bei der obigen Untersuchung aufgezeigt,1316 vor allem von Bedeutung, wenn die Eheleute eine Privatscheidung im Heimatstaat vornehmen – obwohl der (letzte) gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt im Inland liegt. Wie dort untersucht, käme dann nämlich, wenn man mit dem herrschenden Entscheidungsbegriff eine „Entscheidung“ (§ 109 FamFG) verneint und daher auf Art. 17 II EGBGB zurückgreift, regelmäßig1317 deutsches Scheidungsrecht zur Anwendung, was nach herrschender Meinung zu-
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Siehe hierzu eingehend oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2)(a). Siehe die zurückhaltendere Formulierung an anderer Stelle bei BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 141 („zumindest de lege ferenda“ – nach dem Plädoyer für eine „großzügige Sichtweise“, Rn. 34); siehe insbesondere den Vorschlag von Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (350); ders., in: FS Coester-Waltjen, S. 431 (441 f.); ebenso noch Antomo, StAZ 2019, 33 (34 f.); dies., NZFam 2018, 243 (246). 1315 Siehe zum sog. Spiegelbildprinzip nur Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 69 ff.; noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 121, 124. 1316 Vgl. die Kritik an einer auf konstitutive Hoheitsakte fokussierten Anerkennung und zum Einbeziehungsbedürfnis von Privatscheidungen oben unter § 4 C.II.1.d)bb) und § 4 C.II.3.b) aa)(2). 1317 Siehe Art. 17 II EGBGB i. V. m. Art. 8 lit. a) Rom II-VO bzw. i. V. m. Art. 8 lit. b) Rom III-VO, d. h. bei letztem gemeinsamem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland zumindest innerhalb eines Jahres. 1314
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gleich zur Unwirksamkeit der Privatscheidung führte.1318 Qualifiziert man eine Privatscheidung (unter den hier vertretenen Voraussetzungen) als „Entscheidung“, kann hingegen eine Privatscheidung aus dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit die Eheleute besitzen, also eine Heimatstaatsscheidung, wie sich aus § 109 I Nr. 1 i. V. m. § 98 I Nr. 1 FamFG in spiegelbildlicher Anwendung ergibt,1319 anerkannt werden. 2. Anerkennungsrechtlicher ordre public (§ 109 I Nr. 4 FamFG) Zuletzt ist ein Blick darauf zu werfen, ob die Anerkennung einer Privatscheidung stets an der negativen Voraussetzung des ordre public (§ 109 I Nr. 4 FamFG) und eine Anerkennung von nach hier vertretenem Verständnis als „Entscheidung“ qualifizierten Privatscheidungen daher im Ergebnis doch scheitert. Dabei ist zuallererst zu beachten, dass der ordre public einen hinreichenden Inlandsbezug erfordert.1320 Der hier vertretene Entscheidungsbegriff ermöglicht, wie zuvor gesehen, gerade die Anerkennung einer Privatscheidung aus dem Heimatstaat der Eheleute. Die Frage der ordre public-Widrigkeit könnte sich daher stellen, weil in dem genannten Fall ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gegeben sein kann.1321 In der genannten Konstellation ist es, wie ebenfalls zuvor dargelegt, gleichzeitig möglich, dass an sich deutsches Scheidungsrecht anzuwenden wäre. Allerdings kann allein der Umstand, dass das aus deutscher Sicht anwendbare Recht nicht (bzw. nicht richtig) angewendet wurde, bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung nicht pauschal durchdringen (siehe § 109 V FamFG).1322 Der ordre public erfasst zudem 1318
Siehe zur herrschenden materiell-rechtlichen Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB grundlegend nur BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.); eingehend hierzu unten unter § 5 B.II.2.a)aa)(1). 1319 Siehe wiederum zur (nicht unumstr.) spiegelbildlichen Anwendung des § 98 I Nr. 1 FamFG (und dem (nur) zusätzlichen Rückgriff auf die Brüssel IIa-VO) näher OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5. 10. 2012 – 345E3 – 7950/11, IPRax 2014, 286 (287); MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 12; Prütting/Helms/Hau, § 109 Rn. 20 f.; ausführlich Heiderhoff, IPRax 2014, 264 ff. m. w. N. (auch mit Nachw. zur Gegenansicht); zur Anwendbarkeit des § 98 I Nr. 1 FamFG noch Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 74; für eine ausschließliche Spiegelung der autonomen Zuständigkeitsnormen des deutschen Rechts Geimer, IZPR, Rn. 2897b; § 98 I Nr. 2 FamFG spiegelbildlich anwendend und darüber hinaus auf die Brüssel IIa-VO verweisend BGH, Beschl. v. 16. 5. 2019 – V ZB 101/18, NJW 2019, 3575 (3576, Rn. 9). 1320 BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (348, noch 345) (zu § 328 I Nr. 4 ZPO); MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 37; näher Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 256 ff. m. w. N. 1321 Zu dem für eine Inlandsbeziehung relevanten Faktor des gewöhnlichen Aufenthalts etwa MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 FamFG Rn. 37; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 260. 1322 Zur Zurückhaltung des ordre public mit Blick auf das anwendbare Recht BeckOKFamFG/Sieghörtner, § 109 Rn. 49 („Freilich darf unter dem Deckmantel des ordre public keine verkappte Gesetzmäßigkeitskontrolle vorgenommen werden.“); im Zusammenhang mit § 328 ZPO dazu, dass die „Anwendung eines anderen Rechts keinen Verstoß gegen den deutschen
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ausdrücklich nur ein „Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist“ (§ 109 I Nr. 4 FamFG), nicht aber einen bloßen Verstoß gegen zwingendes Recht.1323 Dies ist daher auch bei der Anerkennung einer Scheidung zu berücksichtigen.1324 Es liefe jedoch auf eine – bei der Anerkennung demnach gerade unzulässige – internationalprivatrechtliche Prüfung heraus, einer Privatscheidung die Anerkennung zu versagen, nur weil das (aus deutscher Sicht anwendbare) deutsche Scheidungsrecht eine gerichtliche Scheidung (§ 1564 S. 1 BGB) vorsieht. Das gerichtliche Erfordernis des § 1564 S. 1 BGB ist also, wenn man es zunächst rein unter dem Blickwinkel einer gesetzlichen Voraussetzung liest, bei der Anerkennung unbeachtlich.1325 Das sog. gerichtliche Scheidungsmonopol (§ 1564 S. 1 BGB)1326 wird verbreitet aber nicht schlicht als gesetzliche Voraussetzung begriffen, sondern ihm wird gerade auch ordre public-Charakter zugestanden.1327 Der BGH deutet an, dass der anerordre public“ bedeutet, Martiny, IZVR III/1, Rn. 1030; zu § 109 FamFG Wagner, FamRZ 2013, 1620 (1623); siehe näher zu § 109 V FamFG noch MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 10; hierzu schon oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 1323 BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (357 f., Rn. 28) m. w. N.; MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 37; Geimer, IZPR, Rn. 2912; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 158 Rn. 49; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 169; noch Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.30, 13.32. 1324 So auch zur behördlichen Scheidung nach norwegischem Recht OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (611). 1325 Siehe – zur Anerkennung einer sachlich überprüften und „bewilligt[en]“ oder „bestätigt[en]“ sowie „endgültig wirksame[n]“ Privatscheidung, obgleich nicht im Rahmen des ordre public erwähnend – NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84; auch dies., IntFamR, § 3 Rn. 165 a. E. (bei der dort entsprechend vorgeschlagenen, auch Privatscheidungen erfassenden Anerkennung); noch nachdrücklich – wenngleich für einen extensiven, zwingend registrierte Privatscheidungen erfassenden Entscheidungsbegriff – BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 34 („[…] für die Anerkennung insbesondere nicht mehr von Bedeutung, dass das Scheidungsstatut eine Privatscheidung kennt“.). 1326 Siehe zum Begriff wiederum BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (45, 47 f.). 1327 Siehe BT-Drs. 10/504, S. 61, wonach „der Grundsatz des § 1564 BGB […] zu den wesentlichen Grundlagen des deutschen Rechts“ gehöre und daher „schon aus Gründen der öffentlichen Ordnung“ eine Privatscheidung deutscher Eheleute im Ausland oder eines deutschen Ehegatten im Ausland mit gewöhnlichem Inlandsaufenthalt nicht möglich sei; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 295; siehe noch MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 4 (ausdrücklich als „Teil des deutschen ordre public“ – aber „mit der Folge, dass für eine Scheidung nach deutschem Recht im Ausland“ diese Norm gelten müsse); vorsichtig einen ordre public-Charakter mit Blick auf die Gesetzesbegründung für möglich haltend noch Gärtner, Privatscheidung, S. 190; ausdrücklich gegen einen ordre public-Charakter des § 1564 S. 1 BGB hingegen Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 353 („gehört nicht zu diesen Grundsätzen“); siehe noch im Zusammenhang mit dem jetzigen Art. 17 III EGBGB Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (105 f.) (erörternd, dass das „gerichtliche Scheidungsmonopol keine grundlegende deutsche Wertentscheidung dar[stelle]“).
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kennungsrechtliche ordre public entgegenstehen „dürfte“1328 – wobei aber zu berücksichtigen ist, dass es in diesem Fall um die „Verurteilung zur Vornahme einer Privatscheidung“ nach jüdischem Recht ging.1329 Das OLG Schleswig untersucht den anerkennungsrechtlichen ordre public bei einer Scheidung nach norwegischem Recht durch konstitutiven Behördenakt.1330 „[M]aterielle Bedeutung des § 1564 BGB“ sei es, „eine Privatscheidung […] für unzulässig zu erklären, um eine […] Kontrolle der Scheidungsvoraussetzungen zu ermöglichen.“ Wer diese Kontrolle durchführe sei aber eine andere Frage; der Norm könne „nicht ein wesentlicher Grundsatz des deutschen materiellen Rechts dahingehend entnommen werden, dass eine Scheidung nur durch ein gerichtliches Urteil, nicht jedoch durch eine Entscheidung einer Verwaltungsbehörde zu erfolgen hat“.1331 Abschließend verneint das OLG Schleswig einen ordre public-Verstoß noch damit, dass auch für das deutsche Recht Reformvorschläge für eine behördliche Scheidung gemacht wurden.1332 Dies deutet im Umkehrschluss allerdings an, dass demgegenüber bei einer Privatscheidung ordre public-Bedenken bestehen könnten.1333 Etwaige kontrollbezogene ordre public-Bedenken lassen sich jedoch bereits dadurch abschwächen, dass nach der hier vertretenen „Gesamtqualifikation“ eine Privatscheidung nur dann als „Entscheidung“ angesehen werden kann, wenn (neben der Beständigkeit) ein Kontrollakt gegeben ist.1334 Die gerichtliche Scheidung (im deutschen Recht) als solche ist zudem nach einigen Stimmen im Schrifttum nicht unantastbar bzw. verfassungsrechtlich geboten.1335 Hinzu kommt, dass § 109 I Nr. 4 1328 Was mit „wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts“, zu denen der BGH u. a. § 1564 S. 1 BGB zählt, „unvereinbar“ sei; BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (374, Rn. 32) (zu § 328 I Nr. 4 ZPO); sich für die ordre public-Bedenken u. a. hierauf beziehend MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 4. 1329 BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (374, Rn. 32) (zu § 328 I Nr. 4 ZPO). 1330 OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (610 f.) (zu § 328 I Nr. 4 ZPO); zur Einordnung als behördliche Scheidung näher oben unter § 4 C.II.1.b) bb)(3). 1331 OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (611) (zu § 328 I Nr. 4 ZPO); unter Verweis auf diesen Beschluss ebenso Prütting/Helms/Hau, § 109 FamFG Rn. 56. 1332 OLG Schleswig, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 12 Va 5/07, FamRZ 2009, 609 (611) (zu § 328 I Nr. 4 ZPO); siehe näher zu (letztendlich nicht erfolgreichen) konkreten Vorschlägen oder Entwürfen einer außergerichtlichen Scheidung durch das Standesamt oder Notare etwa Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1564 – 1568 Rn. 102 ff.; noch Heiderhoff, StAZ 2011, 262 (263). 1333 Vgl. auch die potenzielle Verknüpfung von Art. 6 I GG und § 1564 BGB für Privatscheidungen bei Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 352 f. 1334 Eingehend oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2)(a). 1335 Eingehend mit Blick auf die Möglichkeit einer Privatscheidung Coester-Waltjen/ Coester, in: FS Canaris, S. 659 (677 ff.) (gar fragend, ob „die notwendige Einschaltung eines Gerichts bei einer einverständlichen Scheidung nicht sogar gegen das Übermaßverbot verstößt“, 678); ebenso noch Coester-Waltjen, JZ 2017, 1073 (1079); siehe auch Heiderhoff, NZFam 2018, 533 (541) („zeitgemäße[ ] Lesart des Art. 6 I GG“); tendenziell schon
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FamFG mit Blick auf den teleologischen Hintergrund des § 109 FamFG, hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden,1336 „restriktiv auszulegen“ ist.1337 Einvernehmliche Privatscheidungen stellen zudem grundsätzlich kein größeres Problem dar, wie ein Blick auf den kollisionsrechtlichen ordre public (Art. 6 EGBGB) zeigt.1338 Als potenzielle Problemfälle gelten dort insbesondere einseitig erklärte Verstoßungen (talaq),1339 speziell mit Blick auf den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 I GG), die Stellung der Frau (vor allem Art. 3 II GG)1340 und das Schwenzer, in: FS Henrich, S. 533 (540 f.); nur sehr zurückhaltend verfassungsrechtliche Bedenken anführend Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1564 – 1568 Rn. 111 ff.; abw. hingegen MüKo-BGB/Weber, Vor § 1564 Rn. 28 (gerichtliche Scheidung „nach derzeitiger verfassungsrechtlicher Rspr. geboten“); siehe noch zu den „Strukturprinzipien der Ehe“ Maunz/ Dürig/Badura, Art. 6 GG 86. Lfg. (Januar 2019), Rn. 72, S. 82 m. w. N. („[…] nur […] durch gerichtlichen Gestaltungsakt beendet werden kann.“). 1336 Siehe hierzu allgemein oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(1). 1337 Siehe zu dieser ständigen Rspr. nur BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (358, Rn. 29) m. w. N.; ebenso etwa Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 109 Rn. 7; Gärtner, Privatscheidung, S. 187; näher zu den (weiteren) Hintergründen MüKo-BGB/ v. Hein, Art. 6 EGBGB Rn. 112 f. (m. w. N. zu den verschiedenen Begründungen); siehe noch Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 227. 1338 Die Ausführungen zu bzw. bei Art. 6 EGBGB fraglichen Fällen betreffen Konstellationen, in denen das deutsche Recht selbst aus deutscher Sicht ohnehin nicht anwendbar wäre, da die Wirksamkeitsprüfung nach herrschender Ansicht ansonsten bereits an § 1564 S. 1 BGB scheiterte (siehe zu dieser h. M. wiederum nur BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.); vgl. auch Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 350; noch Gärtner, Privatscheidung, S. 190. Der kollisionsrechtliche ordre public ist (in materieller Hinsicht; siehe Staudinger/Voltz, Art. 6 EGBGB Rn. 118) an sich sogar strenger zu sehen; siehe etwa BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (357, Rn. 28) m. w. N.; Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 109 Rn. 7; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 227; zu diesem „effet atténué“ noch Kropholler, IPR, § 60 IV 2, S. 667. Denn bei Art. 6 EGBGB geht es – so im Wesentlichen die Begründung – im Grunde darum, dass ein deutscher Richter fremdes Recht anwendet und eine Entscheidung erst herbeiführt; vgl. BGH, Urt. v. 21. 4. 1998 – XI ZR 377/97, BGHZ 138, 331 (334); siehe MüKo-BGB/v. Hein, Art. 6 EGBGB Rn. 111; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 226 m. w. N.; noch Thomas/Putzo/Hüßtege, § 109 FamFG Rn. 5; Gärtner, Privatscheidung, S. 187. Die Wirksamkeit ausländischer Privatscheidungen zu überprüfen, ähnelt aber einer Situation der Anerkennung, man kann von einer funktionalen „Nähe“ zum anerkennungsrechtlichen ordre public sprechen; vgl. die angeführte (funktionale) „Nähe“ des Art. 6 EGBGB zum anerkennungsrechtlichen ordre public bei Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 115a. 1339 Siehe etwa BayObLG, Beschl. v. 30. 11. 1981 – BReg. 1 Z 41/81, BayObLGZ 1981, 353 (356 f.); BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 51 f.; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 120 ff., 124; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 163 f.; eingehend noch Bolz, NJW 1990, 620 ff. 1340 Siehe zu diesen möglicherweise problematischen Grundrechten OLG Koblenz, Beschl. v. 21. 9. 1992 – 11 VA 1/92, FamRZ 1993, 563 (564); eingehend Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 351 ff. m. w. N. (wobei zurückhaltend zu Art. 3 II GG bei der „Anerkennung einer ,Verstoßung‘“, Rn. 361); noch Keidel/Dimmler, § 109 Rn. 20; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 164 (wobei umgehend darauf hinweisend, dass ein abstrakter Verstoß dagegen nicht genüge; hierzu sogleich); Bolz, NJW 1990, 62. Teilweise wird gar noch Art. 1 GG angeführt; siehe OLG Koblenz, Beschl. v. 21. 9. 1992 – 11 VA 1/92, FamRZ 1993, 563 (564); Keidel/Dimmler, § 109
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rechtliche Gehör (Art. 103 I GG).1341 Ein ordre public-Verstoß wird aber zu Recht auch in diesen Fällen abgelehnt, wenn ein entsprechender Scheidungswille der Frau bestand1342 oder auch nach deutschem Recht eine Scheidung möglich gewesen wäre,1343 da es ja gerade nicht um das abstrakte Recht, sondern das untragbare Ergebnis im konkreten Einzelfall geht.1344 Aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich, dass allein die Privatheit der Scheidung kein Problem darstellt,1345 jedenfalls einvernehmliche Scheidungen weniger kritisch sind1346 und bei diesen zumindest Verstöße gegen Art. 3 GG keine Rolle spielen. In Betracht käme noch ein verfahrensrechtlicher ordre public-Verstoß, wenn das Scheidungsverfahren „nicht als in einer geordneten, rechtsstaatlichen Weise ergangen angesehen werden kann“,1347 vor allem unter dem Stichwort des rechtlichen Gehörs.1348 Zumindest Letzteres ist aber bei einvernehmlichen Privatscheidungen schwer vorstellbar.1349 Rn. 20; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 164; demgegenüber Art. 1 GG explizit nicht als Problem ansehend etwa Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 356. 1341 Zum talaq und kollisionsrechtlichen ordre public-Verstoß bei fehlendem rechtlichen Gehör BayObLG, Beschl. v. 30. 11. 1981 – BReg. 1 Z 41/81, BayObLGZ 1981, 353 (356 f.); Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 357 ff.; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1070. 1342 BayObLG, Beschl. v. 30. 11. 1981 – BReg. 1 Z 41/81, BayObLGZ 1981, 353 (356); Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 164; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 295; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1069; Bolz, NJW 1990, 620 (621); noch Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 359 (Heilung). 1343 OLG Koblenz, Beschl. v. 21. 9. 1992 – 11 VA 1/92, FamRZ 1993, 563 (564); Staudinger/ Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 362; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 164; Hausmann, IntEuFamR, Rn. K 295; Bolz, NJW 1990, 620 (621). 1344 Siehe zur Einzelfallbetrachtung im Kontext von Verstoßungen und kollisionsrechtlichem ordre public etwa OLG Koblenz, Beschl. v. 21. 9. 1992 – 11 VA 1/92, FamRZ 1993, 563 (564); BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 51; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 163; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1069; Bolz, NJW 1990, 620 (621); allg. zur konkreten Betrachtungsweise beim anerkennungsrechtlichen ordre public BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (357 f., Rn. 28) m. w. N. zu dieser ständigen Rspr.; MüKo-FamFG/ Rauscher, § 109 Rn. 37; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 233; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 95; noch Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.32. 1345 Siehe nachdrücklich etwa BayObLG, Beschl. v. 30. 11. 1981 – BReg. 1 Z 41/81, BayObLGZ 1981, 353 (356); noch Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 119 f. m. w. N. (dabei unter Hinweis auf die explizite Regelung für Inlandsscheidungen – gerichtlich, Art. 17 III EGBGB – von einem „Gegenschluß“ sprechend, Rn. 119); schon Martiny, IZVR III/ 1, Rn. 1067; speziell mit Blick auf die Verstoßung noch Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 355 a. E.; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1069; mit Blick auf die Scheidung nach jüdischem Recht, aber allg. formulierend Henrich, IPRax 1995, 86 (87). 1346 Vgl. auch Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 124 (zum kollisionsrechtlichen ordre public). 1347 So allg. zum verfahrensrechtlichen ordre public BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (320 f.) m. w. N. (zu § 328 I Nr. 4 ZPO); aus der Lit. etwa Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 97; Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.38; noch v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 166 (zu § 328 I Nr. 4 ZPO). 1348 Siehe auch NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84 a. E. (zur dort vertretenen Anerkennung einer materiell überprüften und „bewilligt[en]“ oder „bestätigt[en]“ sowie „endgültig wirksame[n]“ Privatscheidung); mit Blick auf den talaq
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Insgesamt bleibt somit festzuhalten, dass die bloße Privatheit der einvernehmlichen Scheidung nicht gegen den anerkennungsrechtlichen ordre public verstößt.1350 Entsprechendes gilt im Ergebnis, wenn man die genauere Ausgestaltung der hier untersuchten Privatscheidungen betrachtet, für die häufig der Konsens genügt und es keines Scheiterns der Ehe bzw. keiner besonderen Trennungsvoraussetzung bedarf.1351 Dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Ehe nicht bei fehlendem Scheitern geschieden werden darf,1352 könnte mit Blick auf Art. 6 I GG zwar problematisch sein.1353 Allerdings gibt es im Schrifttum Stimmen, die aus verfassungsrechtlicher Sicht zumindest nicht am festzustellenden Scheitern dies., IntFamR, § 3 Rn. 165 a. E. (zur dort vorgeschlagenen Anerkennung überprüfter, „endgültig wirksame[r]“ Privatscheidungen); allg. zum verfahrensrechtlichen ordre public und rechtlichen Gehör etwa BGH, Urt. v. 4. 6. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (321 ff.) (zu § 328 I Nr. 4 ZPO); Musielak/Borth/Both/Grandel, § 109 Rn. 7; Linke/Hau, IZVR, Rn. 13.39; speziell noch zu gerichtlichen Scheidungen MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 57; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 97. 1349 Vgl. auch zum de lege ferenda geforderten, noch offeneren Anerkennungsregime (auch registrierte Privatscheidungen erfassend) Antomo, NZFam 2018, 243 (246) („[…] ordre publicKontrolle, in deren Rahmen in besonderem Maße auf den Willen beider Ehepartner abgestellt werden sollte.“). 1350 Letztendlich auch keinerlei ordre public-Verstoß allein in Bezug auf die private Ausgestaltung erwähnend NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 84 a. E. (zur dort befürworteten Anerkennung einer sachlich überprüften und „bewilligt[en]“ oder „bestätigt[en]“ sowie „endgültig wirksame[n]“ Privatscheidung); ebenso dies., IntFamR, § 3 Rn. 165 a. E. (zur dort vorgeschlagenen Anerkennung kontrollierter, „endgültig wirksame[r]“ Privatscheidungen); siehe noch – wiederum zum de lege ferenda befürworteten, offeneren Anerkennungsregime – Antomo, NZFam 2018, 243 (249) (aber – zum ordre public der Brüssel IIa-VO – aufwerfend, dass ein anderes Ergebnis möglich sei, wenn Privatscheidungen „die Rechte von Kindern verletzten“). 1351 Kritisch könnte zunächst zwar die fehlende Warnfunktion sein, wenn der bloße Konsens genügt; siehe zu diesem möglichen Problem MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 52; Staudinger/ders., Vorbem. zu §§ 1564 – 1568 Rn. 11 (verfassungsrechtlich (Art. 6 I GG) „geboten[e]“ Warnfunktion), 14b (auch mit Blick auf das Trennungsjahr). Hierzu ist aber zunächst auf Reformüberlegungen im internen Recht hinzuweisen, die sich zur Trennungszeit sehr zurückhaltend äußern; siehe das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Untersuchung bei Heiderhoff, StAZ 2011, 262 (270). Zu Recht kann jedenfalls entgegnet werden, dass der anerkennungsrechtliche ordre public, wie gesehen, eher eng zu verstehen ist; siehe – für gerichtliche Konsensualscheidungen – MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 52; zu dieser „restriktiv[en]“ Auslegung des § 109 I Nr. 4 FamFG nur BGH, Beschl. v. 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 (358, Rn. 29) m. w. N. Fehlende Trennungsfristen stellen mithin keinen ordre publicVerstoß dar; so – für gerichtliche Scheidungen – OLG Hamm, Beschl. v. 4. 10. 1996 – 5 WF 187/ 96, FamRZ 1997, 881; BayObLG, Beschl. v. 3. 10. 1978 – 1 Z 67/78, IPRspr. 1978 Nr. 175, 437 (440); Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 280; Zöller/Geimer, § 109 FamFG Rn. 69; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1058, 1064. 1352 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 136/78 u. a., BVerfGE 53, 224 (248); siehe noch BVerfG, Beschl. v. 11. 6. 2001 – 1 BvR 2148/99, NJW 2001, 2874. 1353 Vgl. den Problemaufriss zu „[a]bweichende[n] Scheidungsgründe[n]“ – der sich aber nicht auf Privat-, sondern gerichtliche Konsensualscheidungen konzentriert – bei MüKoFamFG/Rauscher, § 109 Rn. 52.
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der Ehe bei einvernehmlichen Scheidungen festhalten.1354 Jedenfalls wird man an dieser Stelle den berechtigten Einwand erheben können, dass bei einer einvernehmlichen Scheidung ohnehin kaum von einem fehlenden Scheitern auszugehen ist.1355 Auch hieraus resultiert mithin kein ordre public-Verstoß.1356 Schließlich könnten ordre public-Verstöße aber mit Blick auf den Schutz etwaiger Kinder denkbar sein.1357 Die Privatscheidung ist allerdings, wie die hier untersuchten Rechtsordnungen zeigen, in der Regel zum einen an eine regelmäßig kontrollierte Scheidungsfolgenvereinbarung (insbesondere in Bezug auf das Sorgerecht) gekoppelt,1358 zum anderen sogar an das Nichtvorhandensein minderjähriger Kinder.1359 1354 Eingehend zu verfassungsrechtlichen Aspekten und gegen die Zerrüttungsscheidung Heiderhoff, StAZ 2011, 262 (265 ff., 270); dies., NZFam 2018, 533 (540); siehe noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 24 Rn. 13 (wonach nur eine „Überprüfung der Ernsthaftigkeit und Eigenständigkeit des Scheidungswillens […] unverzichtbar“ sein dürfte – dies jedoch nicht zwingend in einem gerichtlichen Verfahren geschehen müsse); wegen der „faktisch […] reine[n] Konsensualscheidung“ keine verfassungsrechtlichen Bedenken bei einer solchen sehend schon Schwenzer, in: FS Henrich, S. 533 (540). 1355 Siehe zum Gescheitertsein bei Eheleuten, die „aus der Ehe hinausstreben“, CoesterWaltjen/Coester, in: FS Canaris, S. 659 (678); noch Lüke, AcP 178 (1978), 1 (28). 1356 Vgl. – zu gerichtlichen Konsensualscheidungen – MüKo-FamFG/Rauscher, § 109 Rn. 52; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 274 (kein Verstoß „wegen der Vertragselemente in § 1566 Abs 1 BGB“); schon Martiny, IZVR III/1, Rn. 1064; noch Herfarth, Scheidung, S. 251, 445; darauf hinweisend, dass nach herrschender Meinung kein ordre public Verstoß bei gerichtlichen Konsensualscheidungen gegeben ist, die sogar einen bloß einseitigen Scheidungswillen genügen lassen, Antomo, NZFam 2018, 243 (246); Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (342 f.) (die sich jeweils auf den kollisionsrechtlichen ordre public in Art. 12 Rom III-VO beziehen); zum kollisionsrechtlichen ordre public bei fehlendem Erfordernis des Scheiterns Johannsen/Henrich/Althammer/Gössl, Anh. zu Art. 17 Rn. 71 (zum deutschen ordre public im Zusammenhang mit Art. 12 Rom III-VO). 1357 Dies speziell mit Blick auf Privatscheidungen erwähnend Antomo, NZFam 2018, 243 (249) (auf die Möglichkeit der „Abwehr“ mittels der ordre public-Klausel der Brüssel IIa-VO für den Fall hinweisend, dass Privatscheidungen „die Rechte von Kindern verletzten“). Mit Blick auf den Schutz der Kinder ist zu ergänzen, dass nach einer Ansicht der Härteklausel des § 1568 BGB selbst ordre public-Charakter zugestanden werden soll; siehe Basedow, Anerkennung, S. 232 f. Nach der Gegenansicht können die dort „zugrunde liegenden Wertungen nur über den ordre public“, und zwar mit Blick auf das „deutsche[ ] Grundverständnis, insbesondere […] Art. 6 GG“, Beachtung finden; siehe BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1568 Rn. 51; gegen einen ordre public-Verstoß bei einer Scheidung, die nur nach § 1568 BGB nicht hätte erfolgen dürfen, noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 1059. 1358 Siehe im Recht der Republik Korea (Südkorea) Art. 837 III KBGB (hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(h)); siehe innerhalb der EU – wobei der ggf. und vorrangig greifende Art. 21 Brüssel IIa-VO zu beachten ist (hierzu einleitend oben unter § 1 B.) – die staatsanwaltliche Überprüfung des Kindeswohls im italienischen Recht (hierzu oben unter § 4 C.II.1.b) bb)(4)(b)); sowie im spanischen Recht die Kontrolle auf Nachteiligkeit bei Kindern, die minderjährig, aber emanzipiert oder volljährig sind (hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(d)). 1359 So im brasilianischen Recht nach Art. 733 bras. ZPO (Übersetzung dieses Gesetzes bei Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 55 ff. (S. 59)); siehe in den Scheidungsrechten der EU-Mitgliedstaaten – wobei natürlich wiederum auf die mögliche und vorrangige Einschlägigkeit des Art. 21 Brüssel IIa-VO zu achten ist (hierzu einleitend unter § 1 B.) – die Regelung zur Scheidung unter Mitwirkung des Standesbeamten
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Eine Privatscheidung, die ohne einen die Scheidungsvoraussetzungen nachprüfenden Kontrollakt erfolgt, wie etwa die Scheidung nach französischem Recht, fiele mangels hinreichender Kontrolle ohnehin nicht unter § 109 FamFG.1360 Aus ordre public-Gesichtspunkten kritisch könnten aber Privatscheidungen sein, bei denen zwar der Abschluss einer Sorgerechtsvereinbarung verlangt wird, jedoch ohne dass das Kindeswohl näher überprüft wird.1361 Sofern bei diesen Scheidungen ohnehin keine Überprüfung der (anderen) Scheidungsvoraussetzungen erfolgt,1362 fehlt es nach italienischem Recht in Art. 12 II des ital. Gesetzesdekrets (siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 136); sowie die Regelung des spanischen Rechts im Falle minderjähriger nicht emanzipierter bzw. volljähriger Kinder, deren Geschäftsfähigkeit gerichtlich modifiziert wurde, in Art. 82 Nr. 2 span. Código Civil (siehe die Übersetzung des span. Código Civil bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 50c). 1360 Die französische Privatscheidung (hierzu näher oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(a)) ist nach Art. 229-2 Nr. 1 frz. Code civil nur dann nicht möglich, wenn das minderjährige Kind, nachdem es von den Eltern entsprechend informiert wurde, eine richterliche Anhörung verlangt; siehe hierzu die Kritik und näheren Ausführungen zu dieser Regelung bei Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 166 (173). Ausweislich Art. 229-1 II frz. Code civil ist eine Kontrolle der formellen Voraussetzungen nach Art. 229-3 Nr. 1 – 6 frz. Code civil und Einhaltung der der Unterzeichnung vorausgehenden Frist des Art. 229-1 II Code civil vorgesehen. Art. 229-3 Nr. 1 – 6 Code civil enthält die Angaben, die in der Scheidungsvereinbarung enthalten sein müssen, wozu u. a. Personenangaben, die Erwähnung des Einvernehmens und Vermögensangaben zählen. Es ist davon auszugehen, dass es sich nur um eine auf Vollständigkeit dieser Angaben gerichtete Prüfung und etwa nicht um eine Prüfung des Scheidungswillens handelt. Mithin ist eine unzureichende Kontrolle gegeben; siehe zum genauen Verständnis des Kontrollmerkmals oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2); vgl. (i. E.) die schon oben erwähnte Einordnung als formelle Kontrolle bei Ferrand, in: Scheidung ohne Gericht?, 145 (175 f.); Hammje, Rev. crit. DIP 2017, 143 (147); noch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 97; Gaudement-Tallon, in: Liber Amicorum Kohler, S. 91 (95); Henrich, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 361 (363); siehe für den Originaltext wiederum auf der Internetseite der französischen Regierung „Légifrance“ (Le service public de la diffusion du droit) unter https: //www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGITEXT000006070721/ (zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 1361 Vgl. zur fehlenden Kindeswohlprüfung als möglichen anerkennungsrechtlichen ordre public-Verstoß bei Vertragsadoptionen MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 21. So sieht das japanische Scheidungsrecht zwar eine Sorgerechtsvereinbarung vor (Art. 766 japan. ZG), das Kindeswohl wird aber nicht gesondert genannt; siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 66. Entsprechendes gilt für das thailändische Recht nach Sec. 1520 I TZHGB („soll“); siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/König-Tumpiya, Länderbericht Thailand183. Lfg. (September 2009) S. 50. Ähnliches dürfte nunmehr auch für die Privatscheidung nach dem Recht der Volksrepublik China gelten, das nur eine Kontrolle bezüglich der Einigung vorsieht; siehe wiederum die Übersetzung des § 1078 chin. ZGB bei Ding/Leibküchler/Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384). 1362 So fehlt es bei der Privatscheidung nach japanischem Recht bereits an einer „Befugnis“ zur Überprüfung des Scheidungswillens; siehe wiederum Nishitani, in: FS Martiny, S. 1179 (1197); dies., IPRax 2002, 49. Gleiches dürfte für die lediglich im Register einzutragende Privatscheidung nach thailändischem Recht gelten; vgl. den schlichten Hinweis auf das Eintragungserfordernis ohne nähere Angaben zur Rolle der Registerbehörde bei Fuhrmann, IPRax 1983, 137.
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aber wiederum am Kontrollmerkmal des Entscheidungsbegriffs.1363 Fraglich bleiben somit nur noch „Zwischenfälle“ wie bei der Scheidung nach dem Recht der Volksrepublik China, bei der der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung behördlich zu prüfen, das Kontrollmerkmal also zu bejahen ist, aber keine Prüfung der Angemessenheit erfolgt.1364 Allerdings dürfte es dieser Privatscheidung an der für die Qualifikation als „Entscheidung“ nötigen Beständigkeit fehlen.1365 In jedem Fall wäre aber auch in solchen „Zwischenfällen“ nicht zwingend ein ordre public-Verstoß zu bejahen, da es, wie gesehen, auf das untragbare Ergebnis im Einzelfall ankommt. Insgesamt dürfte es mit Blick auf den Kinderschutz nach dem Gesagten daher eher selten zu Problemen kommen. Entsprechendes gilt, wenn man zuletzt an „Nachteile[ ] im Zusammenhang mit der Ehescheidung“1366 denkt. Wie die hier untersuchten Rechtsordnungen zeigen, ist bei den Privatscheidungen weitgehend eine Kontrolle vermögensrechtlicher Vereinbarungen bzw. die Privatscheidung nur ohne derartige Vereinbarungen vorgesehen.1367 Ein ordre public-Verstoß unter diesem Aspekt dürfte daher der Ausnahmefall sein, zumal bei gänzlich fehlender Kontrolle von Scheidungsvoraussetzungen nach vorliegendem Verständnis abermals bereits keine anerkennungsfähige Entscheidung angenommen werden kann.1368 Anders ist dies zwar wiederum für eine Scheidung wie die nach dem Recht der Volksrepublik China,1369 die, wie gesagt, aber unter Anwendung des Beständigkeitskriteriums ebenfalls nicht als „Entscheidung“ zu qualifizieren sein dürfte. Hinzu kommt an dieser Stelle, dass auch das deutsche Recht einen zwingenden Scheidungsverbund nicht mehr umfassend für vermögensrecht1363 Siehe zum genauen Verständnis des Kontrollmerkmals oben unter § 4 C.II.3.a) cc)(2)(a). 1364 § 1078 chin. ZGB; siehe wiederum die Übersetzung bei Ding/Leibküchler/Klages/ Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384), mit knapper Übersetzung der anders lautenden, alten Vorschrift (384, Fn. 944); zur Bejahung des Kontrollmerkmals in diesem Fall oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2)(a). 1365 Siehe zum Beständigkeitsmerkmal oben unter § 4 C.II.3.b)ee). 1366 Vgl. die Argumentation zur Abgrenzung von Privatscheidungen und verfahrensrechtlicher Anerkennung bei „konstitutive[r] Mitwirkung“ nach BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 1367 Siehe zur Kontrolle der Schädlichkeit und Nachteilhaftigkeit im brasilianischen oder spanischen Recht sowie zum Ausschluss solcher Vereinbarungen bei der Scheidung vor dem italienischen Standesbeamten, aber der offenbar zulässigen Vereinbarung von Unterhaltszahlungen oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2)(b). 1368 Gerade bei der Scheidung vor dem italienischen Standesbeamten fehlt es an einer solchen Kontrolle, sodass es im Ergebnis nicht auf einen ordre public-Verstoß wegen möglicher Unterhaltsvereinbarungen ankommt (siehe zur fehlenden hinreichenden Kontrolle und möglichen Unterhaltsvereinbarungen bei dieser Scheidungsart wiederum oben unter § 4 C.II.3.a) cc)(2)(b)). 1369 Das dortige Scheidungsrecht sieht, wie erwähnt, keine Angemessenheits-, sondern nur eine Abschlusskontrolle vor (§ 1078 chin. ZGB); siehe abermals die Übersetzung mit vergleichender Übersetzung der vorherigen, gegenteiligen Rechtslage bei Ding/Leibküchler/ Klages/Pißler, ZChinR 27 (2020), 207 (384 i. V. m. Fn. 944).
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liche Aspekte, sondern nur nach Maßgabe des § 137 II 1 i. V. m. S. 2 FamFG in bestimmten Fällen des Versorgungsausgleichs vorsieht.1370
IV. Ergebnis Die Einordnung einer (Privat-)Scheidung als „Entscheidung“ erfolgt im Wege einer funktionalen (teleologischen) Qualifikation lege fori. Prinzipiell lässt es die verfahrensrechtliche Anerkennungsnorm des § 109 FamFG zu, nicht nur gerichtliche, sondern auch behördliche oder gar notarielle Akte zu erfassen. Mit Blick auf die konkret erfassbaren Akte lässt sich zunächst festhalten, dass de lege lata gerichtliche oder behördliche Akte, die eine Ehe konstitutiv scheiden, anerkennungsfähig sind. Die Abgrenzung zu Mitwirkungsakten an Privatscheidungen ist zwar, in praktischer Hinsicht, nicht stets einfach. Die Anerkennung konstitutiver Hoheitsakte stellt vor dem (teleologischen) Hintergrund der Anerkennung, der fehlenden Nachprüfung im Anerkennungsrecht und des dabei zugrunde liegenden Vertrauens in die ausländische Hoheitstätigkeit, aber kein Problem dar und auch nicht aus dogmatisch-methodischer Sicht, da schlicht die Konstitutivwirkung des Hoheitsakts anerkannt werden kann. Eine Anerkennung ausschließlich konstitutiver Hoheitsakte ist allerdings ein zu eng gefasstes Verständnis. Wegen der Anerkennungsfähigkeit der materiellen Rechtskraftwirkung sind auch hoheitliche Akte anerkennungsfähig, die die (Privat-)Scheidung einer Ehe nachträglich in materiell-rechtskräftiger bzw. funktional vergleichbarer verbindlicher Weise feststellen. Unproblematisch gilt dies aufgrund des genannten (teleologischen) Hintergrunds der Anerkennung jedenfalls für nachprüfende Feststellungen. Ob auch „blinde“ Feststellungen erfasst werden können, ist vorliegend aus praktischer Sicht insbesondere wegen der regelmäßig fehlenden Verbindlichkeitswirkung nachträglicher Registrierungen nicht von Bedeutung. Angesichts der sich in verschiedenen Rechtsordnungen im Vordringen befindenden einvernehmlichen Privatscheidungen ist es von besonderem Interesse, diese anzuerkennen, um, entsprechend dem Sinn und Zweck des § 109 FamFG, hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden. Die Anerkennung ohne umfassende Nachprüfung (§ 109 V FamFG) beruht auf dem Vertrauen, das der ausländischen Hoheitstätigkeit zugestanden wird, und Gestaltungsurteile bezwecken im Allgemeinen – gegenüber privaten Gestaltungsakten – auch eine Kontrolle der Gestaltungsvoraussetzungen. Vor diesem Hintergrund ist die Anerkennung einvernehmlicher Privatscheidungen, die unter kontrollierender Mitwirkung öffentlicher Stellen im Sinne einer Nachprüfung der Scheidungsvoraussetzungen erfolgen, berechtigt. Gleichwohl darf nicht 1370 Siehe zum „Mindestverbund[ ]“ und „Schutzgedanken“ in Bezug auf den Versorgungsausgleich Musielak/Borth/Both/Grandel, § 137 Rn. 1; zur (andernfalls) grds. Notwendigkeit eines Antrags MüKo-FamFG/Heiter, § 137 Rn. 11; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 168 Rn. 8 f.
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§ 4 (Privat-)Scheidungen im autonomen Anerkennungsrecht (§ 109 FamFG)
übersehen werden, dass gerade gerichtliche Entscheidungen von besonderer Beständigkeit sind, nämlich regelmäßig nicht automatisch nichtig sind, sondern etwaige Fehler bzw. Unwirksamkeitsgründe grundsätzlich nur (eingeschränkt) gerichtlich geltend gemacht werden können. Gestaltungsurteile sollen zudem – wiederum gegenüber privaten Gestaltungsakten – auch für eine Rechtssicherheit der Gestaltung sorgen. Dies darf bei der Qualifikation als Entscheidung nicht unberücksichtigt bleiben, und zwar auch, wenn man sich wiederum das hinter dem Anerkennungsregime stehende besondere Vertrauen vor Augen hält. Darüber hinaus erfolgt bei der Anerkennung eine Wirkungserstreckung, einem Kontrollakt fehlt es aber an einer die Ehescheidung herbeiführenden Gestaltungs- oder einer darauf bezogenen verbindlichen Feststellungswirkung. Da nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung zudem nicht mehr Wirkungen als im Ursprungsstaat erzeugt werden dürfen, wäre die Anerkennung einer „fragilen“ Privatscheidung außerdem nur über eine durchaus umfassende Nachprüfung ihrer Wirksamkeit, d. h. ihres Zustandekommens und Fortbestehens, zu erreichen; dies wäre vor dem Grundsatz der fehlenden Nachprüfung im Anerkennungsrecht, mit Blick auf § 109 V FamFG problematisch. Über eine funktionale „Gesamtqualifikation“, kann demnach allerdings eine einvernehmliche kontrollierte Privatscheidungen als „Entscheidung“ qualifiziert werden, wenn sie auch in dem Sinne bestandskräftig ist, dass sie nur in einem gerichtlichen Verfahren aufhebbar und nicht pauschal ipso iure unwirksam ist. Sollte es hingegen um eine bereits wirksame Privatscheidung gehen, die lediglich in deklaratorischer Weise festgestellt, namentlich registriert wird, bedarf es einer besonderen Verbindlichkeitswirkung mit grundsätzlicher Nichtaufhebbarkeit, sodass das zu den Feststellungsentscheidungen Gesagte entsprechend gilt. Eine als „Entscheidung“ zu qualifizierende Privatscheidung ist sodann mit der ihr eigenen Beständigkeitswirkung anzuerkennen. Unerheblich ist dabei im Falle eines mitgestaltenden Kontrollakts sein Zeitpunkt, ob es sich um einem dem Scheidungsvertrag vor- oder nachgelagerten Akt handelt. Ein weiteres, verfahrensspezifisches Merkmal ist schließlich auch nicht zu verlangen. Aus den genannten Gründen ist gleichzeitig keine weitere Ausdehnung des Entscheidungsbegriffs denkbar, insbesondere können Privatscheidungen mit (zwingender) bloßer Registrierung nicht verfahrensrechtlich anerkannt werden. Mit Blick auf die sog. spiegelbildliche Zuständigkeit (§ 109 I Nr. 1 FamFG) können über den hier vertretenen Entscheidungsbegriff vor allem Privatscheidungen aus dem Heimatstaat anerkannt werden; es bestehen schließlich auch keine pauschalen, von vornherein durchschlagende ordre public-Bedenken (§ 109 I Nr. 4 FamFG).
§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht A. Unterschiedliche Fragestellungen als Ausgangspunkt Im Anschluss an die Untersuchungen zum autonomen Anerkennungsrecht sind nun ausländische einvernehmliche Privatscheidungen im autonomen internationalen Privatrecht zu untersuchen. Wie anfangs dargelegt,1 sind hierbei zunächst zwei Konstellationen zu unterscheiden, in denen in einem Drittstaat vorgenommene Privatscheidungen zur Debatte stehen, die nicht verfahrensrechtlich anerkennungsfähig sind. Zunächst sind insbesondere Fälle zu untersuchen, in denen nach Art. 17 II EGBGB (i. V. m. Artt. 5 – 16 Rom III-VO) ein Scheidungsrecht anwendbar ist, das nur eine hoheitliche Scheidung vorsieht, wobei es namentlich um die Fälle geht, in denen deutsches Scheidungsrecht anwendbar ist, und somit um die gerichtliche Scheidung (§ 1564 S. 1 BGB). Des Weiteren ist ein Blick auf Fälle zu werfen, in denen eine Privatscheidung in einem ausländischen Staat X nach dortigem Recht durchgeführt wurde, allerdings das Scheidungsrecht des Staates Y anwendbar ist, der entweder zwar selbst ebenfalls die Privatscheidung, aber mit anderen, kontrollierenden „Mitwirkungsmodalitäten“ kennt oder der zwar selbst keine Privatscheidung kennt, eine ausländische Privatscheidung (wie aus dem Staat X) aber dennoch anerkennen würde.
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae) mit hoheitlichem, namentlich gerichtlichem Gestaltungsakt I. Genaue Ausrichtung der Untersuchung Die vorliegend untersuchten, verschiedenen Rechtsordnungen haben gezeigt, dass bei der Scheidung konstitutive Hoheitsakte in Form richterlicher Gestaltungsurteile bzw. -beschlüsse vorkommen, aber auch andere, behördliche Gestaltungsakte.2 Die deutsche Rechtsprechung und Lehre befasst sich bei der entspre1
Siehe die oben herausgearbeiteten Fragestellungen unter § 1 C. und § 2 A.I. i. V. m. § 2 A.III. 2 Siehe zur gerichtlichen Scheidung nach deutschem, österreichischem und belgischem Recht oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(2); zur portugiesischen, norwegischen Scheidung und spa-
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
chenden Qualifikation im internationalen Privatrecht – was vor allem dem gerichtlichen Scheidungsakt im deutschen Scheidungsrecht geschuldet sein dürfte – überwiegend gerade mit den richterlichen konstitutiven Akten. Die nachfolgende Untersuchung konzentriert sich insbesondere auf die gerichtliche Gestaltung, die Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB, und geht darüber hinaus noch auf behördliche Gestaltungsakte ein. Im Schwerpunkt erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB, wobei aber auch auf die allgemeine Qualifikationsfrage der Vornahme eines (gerichtlichen) Gestaltungsakts – oder auch des „Vollzug[s]“ einer Gestaltung3 – und die Qualifikation in ähnlich gelagerten Gestaltungsfällen im internationalen Privatrecht Bezug genommen wird.
II. Materiell-rechtliche, in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation 1. Methodischer Überblick zur Abgrenzung der (verfahrensrechtlichen) lex fori-Verweisungsregel vom materiellen Recht a) Abgrenzung und Rolle des lex fori-Prinzips als Verweisungsregel Zunächst hat man sich das oben als vorherrschend und vorzugswürdig dargestellte lex fori-Prinzip, das im internationalen Verfahrensrecht als Verweisungsregel auf das eigene Verfahrensrecht gilt, zu vergegenwärtigen. Danach ist auf internationaler Ebene die Abgrenzung von Verfahrensrecht und materiellem Recht entscheidend für die Frage, ob im Anschluss die lex fori (über die genannte Verweisungsregel) zum Zuge kommt oder das kollisionsrechtlich zu bestimmende Recht.4 b) Funktional-teleologische Qualifikation lege fori aa) Herrschende, berechtigte Geltung Entsprechend der Qualifikation im internationalen Privatrecht existieren auch hier vergleichbare Überlegungen.5 nischen Scheidung durch den Justizsekretär als behördliche unter § 4 C.II.1.b)bb)(3) und § 4 C.II.1.b)bb)(4)(d). 3 Diese Terminologie findet sich gerade in Bezug auf Scheidungen (privater oder hoheitlicher „Vollzug“ bzw. „Scheidungsvollzug“?); siehe Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 345 f. („Scheidungsvollzug“); Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 50 („Vollzug“); noch die Gesetzesbegründung zu Art. 17 II EGBGB a. F. (jetziger Art. 17 III EGBGB) BT-Drs. 10/504, S. 61 („rechtsgeschäftliche Scheidungsvollzugsarten“). 4 Hierzu oben unter § 2 A.II.3.a). 5 Dazu, dass sich die Qualifikation im IZVR an den Methoden des IPR orientiert, Geimer, IZPR, Rn. 312; trotz Verweises auf die IPR-Methodik „Unterschiede“ hervorhebend hingegen Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1051 f.).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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Über die Qualifikation als Verfahrensrecht oder materielles Recht entscheidet nach herrschender Meinung grundsätzlich die lex fori.6 Dies ist zum einen aufgrund der oben zum internationalen Privatrecht dargelegten Gründe gerechtfertigt.7 Zum anderen lässt sich dies gerade auch durch die Überlegung untermauern, dass im internationalen Zivilverfahrensrecht, wie zuvor gesehen, das lex fori-Prinzip als Verweisungsregel gilt, sich also Qualifikationsfragen vor einem Gericht stellen, das sein Verfahrensrecht anwendet.8 Bezüglich der genauen Abgrenzung(smethode) ist zuallererst zu beachten, dass selbst im internen Recht der Standort für die Einordnung als materiell-rechtlich oder verfahrensrechtlich nicht zwingend ausschlaggebend ist9 und er es auch im internationalen Zivilverfahrensrecht nicht sein kann10. Außerdem ist abermals der Unterschied von nationaler und internationaler Interessenlage zu berücksichtigen, weshalb die Grenze zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht im internen Recht wiederum nicht automatisch und starr übertragen werden darf.11 6 Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 328; schon Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 737; Geimer, IZPR, Rn. 314; Jaeckel, Lex fori, S. 58, 60; Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.20; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 3; Schack, IZVR, Rn. 52; Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (136); Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1051); noch MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 432 (materiell-rechtliche Einordnung bei „nach deutschem Verständnis materiellrechtliche[m] Charakter“). Anschaulich wird dies etwa bei Verjährungsregeln, die im common law prozessual ausgestaltet sind und dennoch wegen des aus deutscher Sicht materiellen Gehalts sodann zum materiellen Recht gezählt und angewendet werden, wenn sie nach der lex causae prozessualer Natur sind; siehe hierzu etwa BGH, Urt. v. 9. 6. 1960 – VIII ZR 109/59, NJW 1960, 1720 (1721); Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 737; nachdrücklich mit Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine „konsequente[ ] Durchführung der Qualifikation lege fori“ handelt, Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.21; ebenso Herfarth, Scheidung, S. 88, Fn. 47. 7 Hierzu oben unter § 3 B.; gerade für die hier untersuchte Qualifikationsproblematik entsprechend der oben abgelehnten Qualifikation lege causae damit argumentierend, dass ja noch gar kein anwendbares IZVR oder IPR erkennbar sei, nach dem sich die Qualifikation richten könnte, auch Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 737. 8 Vgl. die Argumentation bei Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1052) zur Auslegung von „in Prozeßrechtsnormen enthaltenen Vorfragen“, in deren „Nähe“ er das Qualifikationsproblem verortet; noch Jaeckel, Lex fori, S. 58. 9 Hierzu etwa Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 33; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 94; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 34; Henckel, Prozeßrecht, S. 5. 10 Hierüber ist man sich weitestgehend einig; siehe etwa Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 738; Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.20; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 9; Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (136); Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1051); Riezler, IZPR, § 12 3, S. 104 f.; von einem „prekäre[n] Auslegungsmittel“ sprechend bereits Schoch, Klagbarkeit, S. 54. 11 Siehe Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 328; schon Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 739; trotz des eigenen Abgrenzungsvorschlags (siehe die sogleich angeführten, weiteren Abgrenzungsvorschläge) dies hervorhebend auch Müller, JbIntR 5 (1954), 239 (248 f.); siehe noch Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 84; Herfarth, Scheidung, S. 89 (die interne Abgrenzung als „nicht unbedingt maßgebend“ – aber wegen des „Ausgangspunkt[s]“ der lex
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
Die insbesondere heutzutage vorherrschende Methode besteht daher zu Recht, wie auch schon bei der Qualifikation im internationalen Privatrecht dargelegt, in einer Abgrenzung anhand des Zwecks, der Funktion des in Frage stehenden Rechtsinstitutes bzw. der fraglichen Norm.12 bb) Ablehnung (älterer) autonomer Abgrenzungsvorschläge Trotz der vorstehenden Berechtigung der herrschenden, funktional-teleologischen Qualifikation, ist noch ein Blick auf weitere (ältere) Abgrenzungsvorschläge zu werfen.13 So findet sich eine autonome Qualifikation nach dem „funktionellen Zusammenhang“14 oder – damit das materiell anwendbare Recht unabhängig des forums die gleiche Geltung erfahre15 – eine solche anhand des Kriteriums der Beeinflussung des Verfahrensausgangs.16 Zu nennen sind noch Ansätze, die Verfahrensnormen jeweils nach ihrer Sachbezogenheit einordnen und anhand dessen ent-
fori „zumindest“ in den „Kernbereichen“ gelten lassend); Jaeckel, Lex fori, S. 62 („geringe Aussagekraft“). 12 Siehe Kropholler, IPR, § 17 I, S. 128 („funktioneller[r] Zusammenhang“, in Verbindung mit der „funktionellen oder teleologischen Qualifikation“ des IPR, S. 126 f., anmerkend), § 56 IV 1, S. 595; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 9 („nach dem Regelungszweck […], d. h. im Wege der funktionellen Qualifikation“); zur Maßgeblichkeit einer funktionalen Qualifikation MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 432 (Qualifikation anhand der „Funktion“, wobei auch auf die Qualifikation im IPR verweisend); Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.20; Roth, in: FS Stree/ Wessels, S. 1045 (1051) (unter Hinweis auf die Qualifikation im IPR); ebenso Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 1.44 (im Rahmen der Auslegung der Normen von „funktionelle[r] Qualifikation“ sprechend); noch Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 327; i. E. schon Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 739 (auf die zum nationalen Recht unterschiedliche „Zielrichtung“ der Einordnung und die „Aufgabe“ der Normen abstellend); vgl. eingehend noch Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 258 ff. (Wirkung und Funktion der Beweisregeln untersuchend). 13 Ausführliche Auseinandersetzungen finden sich etwa bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 221 ff.; Jaeckel, Lex fori, S. 62 ff.; v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 24 ff. 14 Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (237 f.) (Anwendung prozessualer Vorschriften der lex causae bei entsprechender Verknüpfung mit dem materiellen Recht als „Zubehör“ – was im Ergebnis aber nicht dazu führe, stets das Prozessrecht der lex causae anzuwenden (242)); siehe hierzu etwa Geimer, IZPR, Rn. 327; Jaeckel, Lex fori, S. 63. 15 „Internationale[r] Entscheidungseinklang“ bzw. „Entscheidungsharmonie“; siehe Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1 (35 bzw. 18 f.); hierauf eingehend auch Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 150 f. 16 Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1 (19, 32 f., 39 ff.), der hierbei auch auf „die alte Unterscheidung der ordinatoria litis und der decisoria litis“ hinweist (42). Näher zu dieser Unterscheidung etwa Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 14 f.; Riezler, IZPR, § 8 4, S. 65 f.; zumindest die Rolle des Verfahrensrechts für das Ergebnis betonend Stein/Jonas/ Brehm, vor § 1 Rn. 326 (obwohl die zuvor erörterte, herrschende Qualifikation vertretend, Rn. 327); siehe noch näher zur Abgrenzung Niederländers etwa Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 252; Geimer, IZPR, Rn. 326.
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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scheiden, ob die Verweisungsregel auf das eigene Verfahrensrecht greifen soll.17 Zuletzt ist auch hier wiederum die Ansicht zu erwähnen, die bereits oben im Rahmen der Geltung der lex fori-Verweisungsregel (ablehnend) angesprochen wurde und nach der das eigene Verfahrensrecht ohnehin nur im Rahmen der Zumutbarkeit angewendet werden darf.18 Den genannten Abgrenzungsvorschlägen wird teilweise vorgeworfen, dass sie zu pauschale19 bzw. letztendlich nicht überzeugende, unklare und wenig greifbare20 Abgrenzungskriterien entwickeln. Zudem können sie zum Teil eine verstärkt materiell-rechtliche Qualifikation bewirken bzw., ohne „Umqualifikation“, ein solches Ergebnis erzeugen, indem in gewissen Fällen schlicht das lex fori-Prinzip als Verweisungsregel eingeschränkt und stattdessen die Anwendung fremden Verfahrensrechts gefordert wird.21 Dass dadurch die Einbeziehung fremden Rechts im verfahrensrechtlichen Bereich rasch ausufern kann, lässt sich gerade unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und effektiven Durchführung des Verfahrens sehr
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Müller, JbIntR 5 (1954), 239 (249 f.); siehe dazu, dass es sich streng genommen um keine Qualifikationsmethode, sondern eine eingeschränkte Auslegung der lex fori-Regel handele, Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 21. Allerdings spricht Müller nicht nur von der Geltung der lex fori-Regel je nach Art der Verfahrensnorm (Müller, JbIntR 5 (1954), 239 (249 f.)), sondern an anderer Stelle auch von Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht bzw. Einordnung (Müller, JbIntR 5 (1954), 239 (284 f., 250)). Müllers Ansatz enthält demnach zumindest qualifizierende Elemente; siehe auch Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 304 i. V. m. Fn. 23; siehe noch näher zur Abgrenzung Müllers etwa Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 224; Jaeckel, Lex fori, S. 63 f. Zu nennen ist hieran anlehnend v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 32 ff., welcher bei den dort sog. „sachrechtbezogenen Verfahrensvorschriften“ je nach deren Unterteilung („sachrechtentsprechend[ ]“, „sachrechtergänzend[ ]“, „technisch[ ]“) nicht die lex fori anwenden möchte und zu einer Lückenfüllung entweder durch entsprechende Normen der lex causae oder allerdings durch allgemeine Prozessgrundsätze der lex fori gelangt; siehe insgesamt näher zur Abgrenzung v. Craushaars etwa Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 225; Jaeckel, Lex fori, S. 64 f. Bei dieser Abgrenzung handelt es sich genau genommen nicht um eine Abgrenzung von materiellem Recht und Verfahrensrecht im eigentlichen Sinne; vgl. Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 225. Außerdem ist noch hervorzuheben, dass v. Craushaar (wie Neuhaus) in gewissen Fällen von „Zubehör“ zum materiellen Recht spricht; siehe v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 31). 18 Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (252 ff.); hierzu näher etwa Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 252; Geimer, IZPR, Rn. 331 f.; siehe hierzu schon oben unter § 2 A.II.3.a). 19 MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 432 („zu starr“). 20 Eingehend Jaeckel, Lex fori, S. 68 ff.; vgl. Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 224 ff., 240, 253 f. 21 Vgl. die Analyse bei Herfarth, Scheidung, S. 87; schon Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 21 f., 208; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 304; noch Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 222 f. („Maxime von der Berücksichtigung materiellrechtlicher Verflechtung des Verfahrensrechts“).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
kritisch sehen.22 Jedenfalls erklärt sich so, warum diese Abgrenzungen gegenüber der heute herrschenden Qualifikation nicht durchdringen konnten.23 Allerdings ist nicht zu übersehen, dass sich schon bei diesen Vorschlägen eine „funktionale[ ] Betrachtung“ wiederfindet.24 cc) Abgrenzung im Sinne der funktionalen Qualifikation lege fori Bei der funktionalen Qualifikation lege fori findet sich bisweilen der Hinweis, bei „Qualifikationszweifeln“ eine materiell-rechtliche Qualifikation vorzunehmen, um „die Geltungsanordnung des materiellen […] Rechts weitgehend zu berücksichtigen“.25 Gerade deswegen betonen Stimmen im Schrifttum, es sei eine überwiegende sog. materiellrechtsfreundliche Qualifikation26 wahrzunehmen27, oder attestieren einen Zusammenhang mit den materiell-rechtlich ausgerichteten, autonomen Abgrenzungsvorschlägen.28 Selbst einige Vertreter der heute herrschenden Qualifikation merken an, bei Verbindungen zum materiellen Recht sei eine materiell-rechtliche Einordnung vorzunehmen, um das in der Sache anwendbare Recht letztendlich unverändert anzuwenden.29 Dies erinnert ebenfalls an Kriterien, die bei den vor-
22 Geimer, IZPR, Rn. 333 (dabei Grunskys Vorschlag hervorhebend); Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 253 (zu Grunsky); noch Schlechtriem, Internationales Erbrecht, S. 43 (zu Niederländer). 23 Siehe Herfarth, Scheidung, S. 88; nachdrücklich krit. Jaeckel, Lex fori, S. 68 („können nicht abschließend überzeugen“). 24 Vgl. die Abgrenzung bei Müller, JbIntR 5 (1954), 239 (249); siehe noch das Kriterium des „funktionellen Zusammenhang[s]“ bei Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (237); ähnlich v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 32 (mit Fokus auf Zweck, Inhalt und Zusammenhang und hierbei Gedanken von Neuhaus aufgreifend, S. 29, 30 ff.). 25 So Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 738 („möglichst materiell-rechtlich einzuordnen“) – wobei sich dort aber i. E. eine funktionale Qualifikation lege fori ablesen lässt (Rn. 738 i. V. m. Rn. 739). 26 Diese Terminologie zeigt sich bereits bei Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (247) (wobei dieser selbst der Anwendung der lex fori ohnehin kritisch gegenübersteht; siehe schon oben zum lex fori-Prinzip als Verweisungsregel unter § 2 A.II.3.a)); dies als „treffend“ bezeichnend Geimer, IZPR, Rn. 325, Fn. 21. 27 Siehe die nähere Darstellung zur „Tendenz zur ,materiellrechtsfreundlichen‘ Qualifikation“ bei Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (137 f.); Roth, in: FS Stree/ Wessels, S. 1045 (1050 f.); noch Geimer, IZPR, Rn. 325; Herfarth, Scheidung, S. 88 m. w. N.; Jaeckel, Lex fori, S. 65 f. 28 Einen solchen Zusammenhang zur sog. materiellrechtsfreundlichen Qualifikationen anführend Herfarth, Scheidung, S. 88; vgl. noch Schlechtriem, Internationales Erbrecht, S. 42. 29 Auf den „Einfluss auf die Sachentscheidung“ abstellend v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 9; so unter Bezugnahme auf das „Entscheidungsneutralität[s]“-Argument Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.20 („sachentscheidende Normen“) i. V. m. Rn. 2.10 (wo dies schon als Rechtfertigung für die Anwendung des eigenen Verfahrensrechts in Verbindung mit Praktikabilitätserwägungen herangezogen wird; hierzu oben unter § 2 A.II.3.a)).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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stehenden, autonomen Abgrenzungsvorschlägen genannt werden.30 Der sog. materiellrechtsfreundlichen Qualifikation wird andererseits wiederum entgegengehalten, dass man sich wegen der Praktikabilität und effektiven Durchführung des Verfahrens31 nicht voreilig von einer verfahrensrechtlichen Qualifikation und mithin der lex fori lösen dürfe.32 Diese pauschal anmutenden Forderungen, die zu einer eher materiell-rechtlichen oder umgekehrt eher verfahrensrechtlichen Qualifikation neigen, können aber keine absolute Geltung beanspruchen. Vielmehr sind die in ihnen zum Ausdruck kommenden, berechtigten Interessen33 bei der funktional-teleologischen Qualifikation lege fori zu berücksichtigen; eine so erfolgende Qualifikation der jeweiligen Normen bzw. Rechtsinstitute ermöglicht es, einen sachgerechten Ausgleich zwischen den systemimmanenten Verzahnungen und Wertungen des materiellen Rechts und der aufeinander abgestimmten Verfahrensordnung des Forums, der Praktikabilität und effektiven Durchführung des Verfahrens zu gewährleisten.34 30 Siehe vergleichend die schon zuvor erwähnte Abgrenzungsmethode bei Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1 (19, 32 f., 39 ff.); u. a. auf diesen Bezug nehmend gerade auch v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 9, Fn. 2. 31 Siehe zur Beachtung dieser Gesichtspunkte schon allg. zum lex fori-Prinzip als Verweisungsregel oben unter § 2 A.II.3.a). 32 Siehe die ausführliche Kritik und das Plädoyer für eine großzügige prozessrechtliche Qualifikation bei Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (138 ff.); ähnlich krit. zur sog. materiellrechtsfreundlichen Qualifikation Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1051 f.); die lex fori betonend ebenfalls Kropholler, IPR, § 56 IV 5, S. 596 („Grundregel“); vgl. – trotz der im Zweifel materiell-rechtlichen Zuordnung – noch Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 738 (Grenze der Beeinträchtigung von Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit des Verfahrens). 33 Siehe zu den Interessen des IZVR (Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit, Praktikabilität und Effizienz) Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1051 f.); in Gegenüberstellung zu denen des IPR etwa MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 458. 34 Vgl. die i. E. erfolgende Berücksichtigung sowohl von materiell-rechtlichen Verbindungen als auch des lex fori-Prinzips bei Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 327 i. V. m. Rn. 322, 325; letztendlich beide Aspekte anführend und eine funktionale Qualifikation annehmend (siehe die zuvor angeführte Argumentation in Zweifelsfällen) schon Stein/Jonas20/Schumann, Einl. Rn. 738 f.; ähnlich i. E. noch Geimer, IZPR, Rn. 333 i. V. m. Rn. 325, 313 f.; Schlechtriem, Internationales Erbrecht, S. 42; vgl. schon Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 20 f., der trotz der kritischen Untersuchung der lex fori (hierzu oben unter § 2 A.II.3.a)) und – ohne explizit von einer funktionalen Qualifikation zu sprechen – die Interessen an der Anwendung der lex fori mit denen der dem IPR nach anwendbaren Rechtsordnung abwägt; für die Berücksichtigung materiell-rechtlicher Verbindungen im Wege der funktionalen Qualifikation auch Kropholler, IPR, § 56 IV 1, S. 595 – obgleich die lex fori als „Grundregel“ betrachtend, § 56 IV 5, S. 596; für die Beachtung der „Rechtfertigung“ der lex fori-Verweisungsregel bei der Qualifikation Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1051 f.) (insofern betonend, dass die Qualifikation nicht „blind“ ist und sich „Unterschiede“ zur IPR-Qualifikation zeigen) – allerdings im „Grenzbereich“ für weitere Differenzierungen und nicht schlicht der lex fori-Verweisungsregel folgend (1056 ff.); vgl. noch die Bedeutung der „Leitlinien“ bzw. „Maximen“ bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 220 i. V. m. Rn. 219 („Wichtigste Grundsätze sind die kollisionsrechtliche Berücksichtigung der materiellrechtlichen Verflochtenheit […] und die Erhaltung der Entscheidungseffizienz des Forum“, Rn. 219), 168 ff.; anmerkend,
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
c) Abgrenzung von materiellem Recht und Prozessrecht im internen Recht Angesichts dessen, dass nach dem Vorstehenden eine funktionale Qualifikation vorzunehmen ist und die lex fori die Ausgangsbasis bildet, bedarf es zur griffigeren Handhabung zunächst eines Blicks auf die nach deutschem Rechtsverständnis herkömmliche Abgrenzung von materiellem Recht und Verfahrensrecht.35 Nähere Ausführungen finden sich dort insbesondere zum Zweck des Zivilprozesses und zur Abgrenzung des Prozessrechts vom materiellen Recht. Einigkeit besteht jedenfalls dahingehend, dass die Abgrenzung allgemein nicht anhand des Standorts, sondern anhand von Sinn und Zweck bzw. des Inhalts der fraglichen Vorschriften zu erfolgen hat.36 Welche Funktionen das Prozessrecht im Vergleich zum materiellen Recht hat und wie eine genaue Abgrenzung erfolgen muss, war insbesondere im 20. Jahrhundert Gegenstand zahlreicher eingehender Untersuchungen.37 Der Zweck des Zivilprozesses ist nach heutiger allgemeiner Auffassung im Wesentlichen darin zu sehen, subjektive Rechte festzustellen und zu verwirklichen.38 Der Prozess wird als dem materiellen Zivilrecht dienend angesehen,39 dementsprechend eine Verbindung
dass durch die Methode der funktionalen Qualifikation kein „Vorrang der Qualifizierung einer Norm als verfahrensrechtlicher Natur“ gilt, MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 432. 35 Siehe zur Heranziehung der internen Abgrenzung für die Qualifikation wegen der Rolle der lex fori als „Ausgangspunkt“ Herfarth, Scheidung, S. 89 ff. Diese Abgrenzung fußt auf der Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts eingehend herausgearbeitet wurde (hierfür insbesondere den Grundstein legend mit seiner Aufspaltung der actio nach römischem Rechtsverständnis in Anspruch und Klage(recht) Windscheid, Actio, S. 3 ff.); näher zur Historie der Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht etwa Jaeckel, Lex fori, S. 53 ff.; Kollmann, Problemgeschichte, S. 576 ff.; Simshäuser, Prozeßrecht, S. 71 ff., 85 ff.; Zöllner, AcP 190 (1990), 471 ff. 36 MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. Rn. 28 („funktional“); wiederum Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 33 („Sinn und Zweck“); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 34 („Gegenstand“); gegen die Maßgeblichkeit des Standorts schon Henckel, Prozeßrecht, S. 5; einprägsam ebenfalls bereits Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 48 („Der Gesetzgeber definiert nicht, er ordnet an.“). 37 Siehe nur Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (475 i. V. m. Fn. 17) zu diesem Verhältnis „von hoher Komplexität“ mit „sehr viele[n] Facetten“ m. w. N. zur „Fülle der Literatur“. 38 BGH, Urt. v. 8. 10. 1953 – III ZR 206/51, BGHZ 10, 333 (336); BGH, Urt. v. 18. 11. 2004 – IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138 (143); Prütting/Gehrlein/Prütting, Einl. Rn. 3; Stein/Jonas/ Brehm, vor § 1 Rn. 5, 9; Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 1; näher noch Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 9 ff. (daneben auf den „Schutz von Allgemeininteressen“ hinweisend, Rn. 15). Vgl. zu den ausführlicheren Diskussionen des 20. Jahrhunderts zum Prozesszweck Gaul, AcP 168 (1968), 27 (46 ff.); Henckel, Prozeßrecht, S. 48 ff.; Jauernig, JuS 1971, 329 ff.; siehe zu weiteren Nachw. noch Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (476, Fn. 19). 39 Siehe bereits Henckel, Prozeßrecht, S. 61 ff. („dient dem Zweck einer qualifizierten Rechtsausübung“, S. 63); Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 45; Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (476) – wenngleich nicht hierauf beschränkend wollend (486); noch MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. Rn. 27; ähnlich zunächst („Recht der Zweck, Verfahren ein Mittel“), aber einschränkend und krit. („wirklich nur Diener?“) Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (136 bzw. 139); ähnlich schon Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (258).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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hergestellt.40 Bis heute findet sich auch ein Begriffsverständnis, das diese Verbindung terminologisch aufgreift: Als materielles Zivilrecht seien Vorschriften zu bezeichnen, die subjektive Rechte bzw. Rechtsverhältnisse entstehen lassen und ihren Inhalt betreffen, als Prozessrecht Bestimmungen, die deren Festsetzung, Verwirklichung und Durchsetzung regeln.41 Da es aber auch im Zivilprozess Rechte und Pflichten gibt, kann eine darauf aufbauende Abgrenzung Schwierigkeiten mit sich bringen.42 Das genannte Begriffsverständnis sowie das herkömmliche Zweckverständnis offenbaren insgesamt eine enge Verknüpfung von Prozessrecht und materiellem Recht.43 Daher erarbeitete Henckel eine Abgrenzung anhand des Wesens des Prozesses, eine Abgrenzung nach den sog. Lebensbereichen.44 Hierauf lässt sich – trotz entgegengebrachter Kritik45 – die noch heute übliche Abgrenzungsdefinition zurückführen,46 wonach als prozessrechtlich die Bestimmungen anzusehen sind, die die Zivilrechtspflege, den Rechtsschutz und das jeweilige Verfahren betreffen, und
40
Anschaulich Henckel, Prozeßrecht, S. 7 („Der Prozeßzweck schlägt also die Brücke zum materiellen Recht.“). 41 Prütting/Gehrlein/Prütting, Einl. Rn. 2; schon Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 45; noch Lüke, Zivilprozessrecht I, § 1 Rn. 1; siehe auch die griffige, „zugespitzt[e]“ Zusammenfassung bei Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, 131 (136): „Recht der Zweck, Verfahren das Mittel“ (obgleich an anderer Stelle infrage stellend, ob „wirklich nur Diener?“, 139). 42 Siehe (und daher eine solche Abgrenzung abl.) Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 33. Siehe zur Anerkennung von Rechten und Pflichten im Zivilprozess etwa Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 36; noch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 2 Rn. 14 f.; ausführlich schon Henckel, Prozeßrecht, S. 10 ff.; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 57 ff. 43 Bereits Neuner, Prozeßrecht, S. 5 f.; Henckel, Prozeßrecht, S. 25 f.; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 45; Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (474 ff.); noch Prütting/Gehrlein/Prütting, Einl. Rn. 2; Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 31, 38; anders Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140 ff., der eine eigene Abgrenzung entwickelt hat (149 f.) und von einem „substantielle[n] […] Unterschied“ von materiellem Recht und Prozessrecht ausgeht (141, 149 f.), ohne Vertauschbarkeit und Ersetzbarkeit (140 f.). 44 Henckel, Prozeßrecht, S. 8, 19 ff.; in eine ähnliche Richtung gehend schon Neuner, Prozeßrecht, S. 6 ff., 10 f. (hierauf selbst hinweisend, wenngleich Neuners Unterscheidung i. E. nicht zustimmend Henckel, Prozeßrecht, S. 19). Das Prozessrecht betreffe demnach den Lebensbereich, der sich „in einem auf ein Rechtspflegeziel ausgerichteten Verfahren von und vor Rechtspflegeorganen“ abspielt – das materielle Recht den Lebensbereich, in dem „sich die Rechtssubjekte unmittelbar begegnen ohne Vermittlung eines zu einem Rechtspflegeakt angerufenen Rechtspflegeorgans“ (Henckel, Prozeßrecht, S. 21, 24 f.). 45 Arens, AcP 173 (1973), 250 (253); Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (485); einschränkend Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 50 ff.; anders abgrenzend Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140 ff., der anhand von „Rechtsungewißheit“ und „Rechtsgewißheit“ (149 f.) materielles Recht und Prozessrecht unterscheidet; siehe noch die heutige Kritik bei MüKo-ZPO/Rauscher, Einl. Rn. 28; die eigene Abgrenzung selbst zwar als „noch relativ leer und formal“ bezeichnend, sie jedoch aus Gründen einer klaren Definition bewusst nicht weiter ausführend Henckel, Prozeßrecht, S. 22 f. 46 So explizit Prütting, in: Liber Amicorum Henckel, S. 261 („von Henckel formulierte[ ] und bis heute maßgebliche[ ] Abgrenzung“).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
Regelungen, die sich auf das Verhältnis der Rechtssubjekte unmittelbar unter- und zueinander beziehen, als materiell-rechtlich.47 In internationalen Fällen darf die Abgrenzung, wie oben im Rahmen der Qualifikationsmethodik dargelegt, aber nicht automatisch starr übernommen werden.48 Bei der funktional-teleologischen Qualifikation lege fori und im Zusammenhang mit der lex fori-Verweisungsregel für das Verfahrensrecht geht es, wie zuvor gesehen, auch darum, Erwägungen der Praktikabilität, Rechtssicherheit und Durchsetzung der materiell anwendbaren Rechtsordnung zu berücksichtigen. 2. Überblick zum Meinungsstand zur materiellen Qualifikation (in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen) a) Meinungsstand im Scheidungsrecht aa) Richterliches Gestaltungserfordernis des § 1564 S. 1 BGB (1) Herrschende materiell-rechtliche Qualifikation Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Anordnung des Scheidungsbeschlusses in § 1564 S. 1 BGB (auch) materiell-rechtlich einzuordnen ist, bei deutschem Scheidungsstatut sei stets § 1564 S. 1 BGB anzuwenden und auch im Ausland keine rechtsgeschäftliche Scheidung möglich.49 47
Siehe zu dieser Abgrenzung Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 33; Braun, Zivilprozeßrecht, § 1 I 1 a), S. 1; noch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 31 f. („unterschiedliche Lebensbereiche“); ähnlich, wenngleich einschränkend Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 52; Henckel zustimmend Bötticher, ZZP 85 (1972), 1 (28 f.); auch – sowie speziell gegen Arens Kritik – Prütting, in: Liber Amicorum Henckel, S. 261 (262 f.). 48 Siehe hier nur Herfarth, Scheidung, S. 89; siehe oben unter § 5 B.II.1.b)aa) m. w. N. 49 Grundlegend BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.), wonach die Vorschrift „auch materiellen Gehalt“ habe; siehe noch Beschl. v. 26. 8. 2020 – II ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3598, Rn. 49); Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (375, Rn. 37); ebenso etwa OLG München, Beschl. v. 1. 4. 2015 – 34 Wx 15/13, FamRZ 2015, 1611 (1613); siehe zur Beachtung des § 1564 S. 1 BGB im Ausland etwa schon BayObLG, Beschl. v. 29. 11. 1982 – BReg. 1 Z 54/82, BayObLGZ 1982, 389 (393); aus der Lit. ausführlich Herfarth, Scheidung, S. 95 f., 100; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748; ebenso etwa Johannsen/ Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 29a, 5; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 33; Palandt/Thorn, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8 (siehe aber noch zu Formäußerungen unten unter § 5 B.III.1.b)aa)(1)); Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 116; Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 346; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 155; Kropholler, IPR, § 46 IV 4 a), S. 374; Beule, StAZ 1979, 29 (35); noch MüKo-BGB7/W. v. Mohrenfels, Art. 1 Rom III-VO Rn. 17 (im Kontext des Art. 10 Rom III-VO auf das deutsche Scheidungsstatut eingehend); zur Geltung des § 1564 S. 1 BGB im Ausland noch BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 205 („materielle[s] Scheidungsrecht“); Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 325; i. E. ebenso, zur Geltung des alten Scheidungsrechts für diese Frage (§ 41 EheG a. F.) Kleinrahm/ Partikel, Anerkennung, S. 161 f.; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (15); für eine (auch) materiellrechtliche Qualifikation noch Henrich, IPRax 1995, 86 (89, Fn. 27) – aber für die Möglichkeit einer „teleologische[n] Reduktion des § 1564 BGB“ (hierzu näher unten unter § 5 B.III.2.a)).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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Bisweilen stellt das Schrifttum die Maßgeblichkeit der gerichtlichen Scheidung (§ 1564 S. 1 BGB) auch schlicht in Abgrenzung zur Geltung der lex fori heraus, ohne von einer materiell-rechtlichen Qualifikation zu sprechen.50 Dem ist im Ergebnis aber, wie bereits allgemein zur Abgrenzung von internationalem Privat- und Zivilverfahrensrecht angemerkt, keine große Bedeutung beizumessen.51 (2) Verbreitete (parallele) verfahrensrechtliche Qualifikation Nach der Rechtsprechung des BGH ist § 1564 S. 1 BGB, parallel zur materiellrechtlichen Qualifikation, verfahrensrechtlich zu qualifizieren.52 In dem für die verfahrensrechtliche Qualifikation grundlegenden BGH-Fall ging es um eine Privatscheidung nach ausländischem Recht im Inland, und zwar vor Geltung des heutigen Art. 17 III EGBGB. Eine verfahrensrechtliche Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB verhalf dem gerichtlichen Scheidungsmonopol daher zur Durchsetzung im Inland,53 weswegen fraglich sein könnte, ob diese Rechtsprechung tatsächlich (noch) fortgilt.54 In einem späteren Urteil, das auch auf das inländische gerichtliche Scheidungsmonopol des heutigen Art. 17 III EGBGB eingeht, geht der BGH aber (weiterhin) von einem „insoweit verfahrensrechtlichen Charakter“ des § 1564 BGB aus.55 Die parallele verfahrensrechtliche Qualifikation befürworten auch einige Stimmen im Schrifttum.56 Sie ist jedoch streitig.57 50
Kegel, IPRax 1983, 22 (23); dem folgend Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103. Dazu, dass Kegel keine Qualifikation vornimmt, Herfarth, Scheidung, S. 97. 51 Vgl. hierzu oben unter § 2 A.II.3.a); in einem allg. Kontext (zu den gerichtlichen Gestaltungsakten) dazu, dass „es im Ergebnis gleichgültig“ ist, welche Methodik (Qualifikation oder nicht) angewendet wird, Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 209; ebenso Herfarth, Scheidung, S. 98 (welcher selbst nach der materiell-rechtlichen Qualifikation von Gestaltungsklagerechten bzw. § 1564 S. 1 BGB, S. 94 ff., die Reichweite der lex fori für den Fall einer gleichwohl verfahrensrechtlichen Qualifikation behandelt, S. 97 ff.). Zwar weicht das beschriebene Vorgehen davon ab, im Falle einer verfahrensrechtlichen Qualifikation die lex foriVerweisungsregel greifen zu lassen; siehe zu dieser (vorliegend vertretenen) Methodik wiederum oben unter § 2 A.II.3.a). Beschränken jene Stimmen aus dem Schrifttum die Geltung der lex fori, spricht dies nämlich dafür, dass sie zunächst offenbar eine verfahrensrechtliche Qualifikation vornehmen. Unterstellen sie die Frage aber anschließend der lex causae, entspricht dies allerdings einer Art gleichwohl durchschlagenden materiell-rechtlichen Qualifikation; siehe Jaeckel, Lex fori, S. 75, der gar erst die Zuordnung einer „als verfahrensrechtlich erkannten Norm“ zur lex-fori-Regel als eigentliche Qualifikation hervorhebt. 52 Grundlegend zur verfahrensrechtlichen Qualifikation BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (47). Im Anschluss an diese verfahrensrechtliche Qualifikation lässt sich der weiteren BGH-Rspr. entnehmen, dass § 1564 S. 1 BGB „auch materiell-rechtlich erheblich“ sei; siehe BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (276). 53 Vgl. die Ausführungen des BGH zum Scheidungsmonopol des § 1564 S. 1 BGB, BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (47 f.). 54 Vgl. die wegen Art. 17 III EGBGB nunmehr bisweilen hervorgehobene Hinfälligkeit einer solchen Deutung bei Herfarth, Scheidung, S. 100 (zu Art. 17 II EGBGB). 55 BGH, Urt. v. 06. 10. 2004 – XII ZR 225/01, BGHZ 160, 332 (345) (zu Art. 17 II EGBGB a. F.).
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Eine parallele verfahrensrechtliche Qualifikation – d. h. neben einer weiterhin materiell-rechtlichen – ändert an der Beurteilung einer ausländischen Privatscheidung unter deutschem Scheidungsstatut jedoch im Ergebnis nichts. Von Relevanz wäre demgegenüber eine allein verfahrensrechtliche Qualifikation. Tatsächlich trat das OLG Koblenz – dessen Entscheidung der BGH jedoch in seiner grundlegenden Entscheidung zur auch materiell-rechtlichen Qualifikation aufhob58 – für eine ausschließlich verfahrensrechtliche Qualifikation ein.59 Auch im Schrifttum finden (bzw. fanden) sich vereinzelt Befürworter einer rein verfahrensrechtlichen Qualifikation60 oder es wird zumindest eine Beschränkung der im deutschen Recht geltenden gerichtlichen Scheidung auf das Inland und ein (begrenztes) Eingreifen von ordre public-Bedenken für Scheidungen im Ausland als möglich erwogen.61 bb) Sog. Scheidungsmonopol deutscher Gerichte (Art. 17 III EGBGB) (1) Hintergrund zur Einordnungsfrage Nach Art. 17 III EGBGB kann eine Ehe im Inland nur durch ein Gericht geschieden werden; im Inland gilt der Grundsatz des gerichtlichen Scheidungsmo-
56
Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 28; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 4; siehe noch MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 10 Rom III-VO Rn. 10; i. E. ebenso, da lediglich „(auch) materiellrechtlich“ qualifizierend und die „grundsätzlich prozeßrechtliche Rechtsfolge“ hervorhebend, Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 116; dem BGH folgend ebenfalls Krzywon, StAZ 1989, 93 (104); bereits vor den genannten BGHEntscheidungen von einer (auch) verfahrensrechtlichen Einordnung (des § 41 EheG a. F.) ausgehend Beitzke, FamRZ 1960, 126. 57 Eine andere Ansicht spricht sich nämlich explizit dagegen aus; siehe tendenziell BayObLG, Beschl. v. 17. 2. 1978 – BReg. 1 Z 127/77, BayObLGZ 1978, 32 (38 f.); vehement und eingehend dagegen insbesondere Herfarth, Scheidung, S. 95 ff. (sowie gegen die Geltung der lex fori für den Fall einer dennoch verfahrensrechtlichen Qualifikation, S. 97 ff.); etwa noch Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken, S. 247, Fn. 13; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1751; i. E. ebenso BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1. 6. 2021), § 1564 Rn. 205 („materielle[s] Scheidungsrecht“ und „greift nur“ bei deutschem Scheidungsstatut); eindringlich gegen die Geltung der lex fori und für die lex causae – ohne auf eine Qualifikation einzugehen (dazu Herfarth, Scheidung, S. 97) – Kegel, IPRax 1983, 22 (23); zustimmend Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103. 58 BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.). 59 OLG Koblenz, Beschl. v. 10. 11. 1987 – 11 VA 1/87, IPRspr. 1987, Nr. 166, 427 (428 f.). 60 Henrich, IPRax 1982, 94 (95), ähnlich noch ders., IPRax 1988, 178 f.; a. A. aber ders., IPRax 1995, 86 (89, Fn. 27), wonach „§ 1564 BGB in der Tat nicht nur, wie […] früher angenommen […] verfahrensrechtlichen, sondern auch materiellrechtlichen Charakter“ habe – aber ein differenzierendes Vorgehen vorgeschlagen wird (zu Letzterem näher unten unter § 5 B.III.2.a)). 61 Otto, FamRZ 1976, 279 (280) (Geltung „erscheint […] nicht zwingend […] für im Ausland erfolgte Scheidungen“).
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nopols.62 Inländische Privatscheidungen sind zwar nicht Untersuchungsgegenstand, gleichwohl könnten qualifikationsbezogene Ausführungen zu einer Vorschrift, die eine gerichtliche Scheidung vorschreibt, gerade für die Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB durchaus von Interesse sein. Bei der Frage nach der Einordnung der Norm ging es seit Geltung der Rom IIIVO63 vor allem darum, ob das gerichtliche Scheidungsmonopol mit den Vorschriften dieser Verordnung vereinbar ist;64 denn das autonome internationale Privatrecht wird im Anwendungsbereich der Rom III-VO von dieser als vorrangig anwendbare EUVerordnung verdrängt.65 Aus diesem Blickwinkel könnte die Einordnungsfrage infolge des Sahyouni II-Urteils des EuGH66 nunmehr ihre Brisanz verloren haben, da danach Privatscheidungen ja gerade nicht von der Rom III-VO erfasst werden.67 Andererseits ist die Rom III-VO in einem deutschen gerichtlichen Scheidungsverfahren direkt anwendbar,68 sodass sich die Qualifikationsfrage dennoch weiterhin stellen könnte.69
62 Siehe zur „absolute[n] Geltung dieses Grundsatzes im Inland“ BT-Drs. 10/504, S. 61; siehe zur Begriffsverwendung des gerichtlichen Scheidungsmonopols im Zusammenhang mit Art. 17 III EGBGB etwa Johannsen/Henrich/Althammer/Gössl, Art. 17 EGBGB Rn. 15. 63 Diese greift grundsätzlich seit dem 21. Juni 2012; siehe die Übergangsbestimmungen und den Geltungsbeginn in Artt. 18, 21 Rom III-VO; näher zum zeitlichen Anwendungsbereich etwa Gruber, IPRax 2012, 381 (384). 64 Ausführlich zu diesem möglichen Problem Gärtner, StAZ 2012, 357 (359 ff.); siehe noch Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103. 65 Dies klarstellend auch Art. 3 Nr. 1 lit. d) EGBGB; siehe noch BT-Drs. 17/11049, S. 1, 10 zur damaligen Änderung des Art. 17 EGBGB infolge der Geltung der Rom III-VO; noch Althammer/Althammer, Vorbem. Rom III-VO Rn. 9; Hausmann, IntEuFamR, A Rn. 297; zum Vorrang des EU-Rechts allg. oben unter § 1 B. 66 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988. 67 Dazu, dass sich deswegen kein „Problem der Vereinbarkeit“ mehr ergebe, BeckOKBGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 37; ebenso NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 64 („praktische Bedeutung verloren“); Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 123 („mit dem Unionsrecht vereinbar“). 68 Siehe den Hinweis darauf, dass Art. 17 II EGBGB i. V. m. den modifizierten Regeln der Rom III-VO „überhaupt nur bei im Ausland vorgenommenen Privatscheidungen relevant werden kann“, bei Antomo, StAZ 2019, 33 (34); die unmittelbare Anwendung der Rom III-VO durch deutsche Gerichte erwähnend auch BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 37; siehe noch NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 66. 69 Dies wurde in einer aktuelleren Diskussionsrunde aufgeworfen von Pfeiffer; siehe den Diskussionsbericht von Rapp/Roer, in: Familien- und Erbrecht, S. 93 (94) (dem dortigen Bericht ist zu entnehmen, dass Pfeiffer eine materiell-rechtliche Qualifikation und dadurch erfolgte Verdrängung des Art. 17 III EGBGB durch die Rom III-VO weiterhin für zumindest denkbar hält).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
(2) Keine materiell-rechtliche Einordnung Geht man von der (auch) materiell-rechtlichen Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB aus,70 könnte es sich bei Art. 17 III EGBGB, der parallel zu § 1564 S. 1 BGB71 eine Scheidung durch Gerichte im Inland vorschreibt, ebenfalls um eine Vorschrift handeln, die den gleichen Ausschnitt des materiell anwendbaren Scheidungsrechts, den Scheidungsvollzug, betrifft.72 Zwar sieht man im Schrifttum bei der Qualifikationsfrage auch eben diese Korrelation und hält fest, dass es sich um die Anordnung des entsprechenden Ausschnitts des deutschen Scheidungsrechts (§ 1564 S. 1 BGB) handelt.73 Ein materiell-rechtlich qualifizierendes Verständnis hat aber offenbar keinen Anklang gefunden.74 (3) Einordnung als verfahrensrechtliche Regel Mit Blick auf die verbreitete (parallele) verfahrensrechtliche Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB75 ist es nicht überraschend, dass es eine Ansicht gibt, die Art. 17 III EGBGB ebenfalls eine verfahrensrechtliche Natur zugesteht.76
70 Nach herrschender Ansicht ist § 1564 S. 1 BGB, wie gesehen, (auch) materiell-rechtlich zu qualifizieren; siehe zuvor unter § 5 B.II.2.a)aa)(1). 71 Siehe die explizite Bezugnahme auf § 1564 S. 1 BGB der Gesetzesbegründung zu Art. 17 II a. F. EGBGB, BT-Drs. 10/504, S. 61. 72 Vgl. auch die sehr plakative Anmerkung bei Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 61 („[…] gewisse Vergewaltigung des maßgebenden Scheidungsstatuts, wenn dieses die rechtsgeschäftliche Scheidung erlaubt.“). 73 Etwa NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 4 („Der Regelungsgehalt des § 1564 BGB wird damit auch in Fällen mit Auslandsbezug durchgesetzt.“); siehe noch Antomo, StAZ 2019, 33 (34), die von einer Übertragung des Scheidungsmonopols aus § 1564 S. 1 BGB „auf die Ebene des Kollisionsrechts“ spricht; Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (104) (gesetzgeberischer Wille, „das Scheidungsmonopol aus § 1564 S. 1 BGB […] in die IPR-Normen des EGBGB [zu] transferieren“). 74 Siehe die explizite Gegenaussage von Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (104), die davon ausgehen, dass die Vorschrift „keine Aussage über das materielle Scheidungsstatut trifft, so dass jedenfalls eine Qualifikation als Kollisionsnorm für das materielle Scheidungsrecht ausscheidet“. Diese verweisen dort auf die Passage der Gesetzesbegründung (zum entsprechenden Art. 17 II EGBGB a. F.), wonach das Scheidungsmonopol „auch bei fremdem Scheidungsstatut gilt“ (BT-Drs. 10/504, S. 61) und deuten dies als Hinweis darauf, dass Art. 17 III EGBGB sich gerade nicht auf die lex causae beziehe. 75 Siehe oben unter § 5 B.II.2.a)aa)(2). 76 Siehe etwa BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 1 Rn. 36.1; Rauscher/Helms, Art. 1 Rom III-VO Rn. 19; knapp noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 324 – weitere Wertungen bzw. anders aber an anderer Stelle, Rn. A 563 (ordre public) bzw. Rn. A 564 („zwingende Formvorschrift“); Dutta, FF 2018, 60 (62, Fn. 24); siehe noch die Begründung zum Rom III-VO-Anpassungsgesetz BT-Drs. 17/11049, S. 10 („Vorschrift zum Scheidungsverfahren im Inland“); ausführlich zur Gegenansicht Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (104) (keine verfahrensrechtliche Qualifikation, insbesondere da Art. 17 III EGBGB nicht nur von deutschen Gerichten, sondern generell auf Scheidungen in Deutschland angewendet werden solle).
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cc) Zwischenergebnis Die Norm des deutschen Scheidungsrechts (§ 1564 S. 1 BGB), die eine gerichtliche Scheidung vorschreibt, qualifiziert die herrschende Meinung materiellrechtlich. Nach verbreiteter Ansicht ist die Vorschrift daneben, parallel verfahrensrechtlich zu qualifizieren; nach vereinzelter Ansicht sogar allein verfahrensrechtlich. Zu Art. 17 III EGBGB vertritt eine Ansicht ebenfalls eine verfahrensrechtliche Qualifikation. Dass sich das zu § 1564 S. 1 BGB herrschende materiell-rechtliche Verständnis bei Art. 17 III EGBGB, soweit ersichtlich, nicht wiederfindet, dürfte vor allem damit zu erklären sein, dass die Rom III-VO unstreitig das anwendbare materielle Scheidungsrecht bestimmt,77 und insoweit, wie gesehen, das nationale Recht verdrängt. Gerade deshalb könnte eine Modifikation der lex causae durch Art. 17 III EGBGB problematisch werden.78 Es ließe sich zwar, wie gesagt, aufgrund des Sahyouni II-Urteils bezweifeln, ob es weiterhin zu einer solchen Überschneidung kommen kann; dies ist wegen der direkten Anwendbarkeit der Rom III-VO in deutschen Scheidungsverfahren jedoch nicht ausgeschlossen.79 Eine verfahrensrechtliche Qualifikation der Norm hätte zur Konsequenz, dass sie in jedem Fall von vornherein nicht mit der Rom III-VO kollidieren kann.80 Die herrschende materiell-rechtliche Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB im Zusammenspiel mit der Regelung des Art. 17 III EGBGB hat zur Folge, dass weder bei der Geltung deutschen Scheidungsrechts noch bei einer Scheidung innerhalb Deutschlands eine Privatscheidung wirksam erfolgen kann. Gleichzeitig entsteht hierdurch im Ergebnis eine Art Parallelität mit dem herrschenden Entscheidungsbegriff: Eine ausländische Privatscheidung kann nach diesem Entscheidungsbegriff nicht verfahrensrechtlich anerkannt werden81 und ist, wenn deutsches Scheidungsrecht anwendbar ist, nach der Wirksamkeitsprüfung anhand der Regeln des internationalen Privatrechts als unwirksam anzusehen.
77
Althammer/Arnold, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8; jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 1 Rom III-VO Rn. 30; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 309. 78 Dies deutet sich – vor dem Sahyouni II-Urteil – bereits an bei Gärtner, Privatscheidung, S. 48, die noch zeitlich vor der Rom III-VO darauf hinweist, dass eine materiell-rechtliche Qualifikation das (damalige) kollisionsrechtliche Scheidungsrecht, nämlich den „Verweisungsgehalt des Art. 17 Abs. 1 EGBGB verkürzen“ würde. 79 Siehe oben unter § 5 B.II.2.a)bb)(1). 80 Siehe BT-Drs. 17/11049, S. 10; NK-BGB3/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 30; siehe noch BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 1 Rn. 36.1; trotz Ablehnung einer solchen Qualifikation dies anmerkend noch Raupach, Ehescheidung, S. 245; Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (104, Fn. 20). 81 Siehe eingehend oben unter § 4 C.I.1.a).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
b) Meinungsstand zu Gestaltungs(klage)rechten im Allgemeinen aa) Materiell-rechtliche Qualifikation bzw. Nichtanwendung der lex fori-Verweisungsregel Für eine materiell-rechtlichen Qualifikation des Erfordernisses eines Gestaltungsakts im Allgemeinen lässt sich bereits Hellwig ins Feld führen. Dieser merkte schon zu den sog. konstitutiven Urteilen an, dass für die Frage, ob ein solches Urteil notwendig ist, das Recht maßgeblich sei, das auf das Rechtsverhältnis anwendbar ist, dem das Recht auf Rechtsänderung entspringt.82 Auch nach (heute) herrschender Auffassung im Schrifttum entscheidet generell die lex causae über das Erfordernis einer Gestaltungsklage bzw. eines Gestaltungsantrags und den Erlass eines entsprechenden konstitutiven Urteils bzw. Beschlusses.83 Dies geschieht teilweise explizit, indem eine verfahrensrechtliche Qualifikation abgelehnt und eine materiell-rechtliche befürwortet wird.84 Vereinzelt erfolgt dies aber auch unabhängig einer eventuell verfahrensrechtlichen Natur, indem schlicht die lex fori nicht angewendet wird.85 Wie schon oben erwähnt, wirkt 82
Hellwig, Klagerecht, S. 136, 126. Ausführlich Herfarth, Scheidung, S. 94 ff., 97 f.; siehe Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 118; Geimer, IZPR, Rn. 2638; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 208 f.; Helmreich, Selbsthilfeverbot, S. 146; Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 6.17; v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 60 f.; nachdrücklich für die Frage des „[O]b“ eines gerichtlichen Verfahrens, der „Bindung der Geltendmachung eines subjektiven Rechts“ an ein solches Kegel, IPRax 1983, 22 (23); siehe noch Jaeckel, Lex fori, S. 59; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748; Riezler, IZPR, § 23 6 e), S. 243; Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (258); Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1 (49 f.); i. E. Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 303; mit Blick auf Verträge, dabei aber auch allg. MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 37, 35. 84 Eingehend – mit scheidungsrechtlichen Bezügen (siehe daher schon oben unter § 5 B.II.2.a)aa)(1)) – wiederum Herfarth, Scheidung, S. 97 f.; noch Jaeckel, Lex fori, S. 59 f.; i. E. Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 303 (zur materiell-rechtlichen Qualifikation tendierend, aber jedenfalls eine Anwendung der lex fori ausschließend, S. 304 f.); eine materiell-rechtliche Einordnung erwähnend noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748; von einer sachrechtlichen Natur ausgehend ebenfalls schon Riezler, IZPR, § 23 6 e), S. 243; Müller, JbIntR 5 (1954), 239 (250), der insoweit von „prozeßgebundene[m] Sachrecht“ spricht, was als materiell-rechtliche Qualifikationsentscheidung zu verstehen ist (Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 304 i. V. m. Fn. 23). Letztendlich zeigt sich eine materiell-rechtliche Qualifikation auch bei v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 60 f., der – obwohl er (ansonsten) bei seiner grds. Unterteilung der Verfahrensvorschriften keine Abgrenzung im eigentlichen Sinne vornimmt (vgl. wiederum CoesterWaltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 225) – bei der Anordnung einer Gestaltungsklage gerade nicht von Verfahrensnormen spricht, sondern von „materielle[m] Recht“ bzw. „prozeßrechtbezogene[n] Sachnormen“; in Bezug auf diese Ausführungen von einer „materiellrechtliche[n] Qualifikation“ sprechend auch Herfarth, Scheidung, S. 97 Fn. 76; anders hingegen die Bewertung bei Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 209 – der dabei aber auf eine Stelle bei v. Craushaar verweist, in der es (noch) um behördliche Mitwirkungsakte als „rechtsgestaltende[ ] Verfahrensvorschriften“ geht (v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 57 bzw. S. 58). 85 So offenbar Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 118 („sachrechtsbezogene[s] Verfahrensrecht“); i. E. auch Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (258) (der das lex fori-Prinzip ohnehin bereits 83
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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sich diese unterschiedliche Methodik im Ergebnis nicht aus und lässt sich als schlussendlich vergleichbare Einordnung auffassen.86 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH in seiner Rechtsprechung zu einer Auslandsprivatscheidung gerade der Norm des § 1564 S. 1 BGB, wie oben gesehen, „auch materiellen Gehalt“ zugesteht. Dabei äußert er sich nicht nur scheidungsspezifisch, sondern formuliert auch allgemeiner dahingehend, dass das in dieser Vorschrift „normierte Erfordernis eines gerichtlichen Urteils […] auch materiell-rechtlich erheblich [ist]“.87 Dies ist also ebenfalls als (auch) materiell-rechtliche Qualifikation des Erfordernisses eines gerichtlichen Gestaltungsakts im Allgemeinen zu verstehen. bb) (Auch) Verfahrensrechtliche Qualifikation der Frage des „Ob“ eines gerichtlichen Verfahrens An dieser Stelle ist wiederum die (ältere) BGH-Rechtsprechung zu einer Inlandsprivatscheidung zu nennen. Diese betrifft zwar ein Scheidungsverfahren und § 1564 S. 1 BGB, ihr lassen sich aber auch generelle Aussagen in Bezug auf (Gestaltungs-)Verfahren entnehmen. Nach dieser BGH-Entscheidung richtet sich nicht nur die Frage, wie das gerichtliche Verfahren abläuft, sondern auch die der Erforderlichkeit eines gerichtlichen Verfahrens, d. h. „ob und welches Verfahren im Inland zur Verfolgung eines bestimmten rechtlichen Zieles beschritten werden kann oder muß“, nach dem „inländischen (Verfahrens-)Recht“, der lex fori.88 Im Schrifttum findet diese generelle Aussage vereinzelt Zustimmung.89 Wie an der zuvor zur materiell-rechtlichen Qualifikation dargelegten BGH-Rechtsprechung abzulesen ist, ist im Ergebnis aber von einer nicht ausschließlich verfahrensrechtlichen Qualifikation durch den BGH auszugehen.90
im Grundsatz als verfehlt ansieht (252 ff.)); ebenfalls schlicht die Geltung der lex causae befürwortend und gegen die lex fori – ohne eine Qualifikation vorzunehmen (zu dieser Deutung Herfarth, Scheidung, S. 97) – Kegel, IPRax 1983, 22 (23); auf eine solche nicht explizit qualifizierende Methode zumindest hinweisend Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 304. 86 Siehe allg. zur Qualifikation bzw. Abgrenzung und im Zusammenhang mit § 1564 S. 1 BGB oben unter § 2 A.II.3.a) und § 5 B.II.2.a)aa)(1); insbesondere Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 21 f., 209. 87 Siehe wiederum BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276); zur (auch) materiell-rechtlichen Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB oben unter § 5 B.II.2.a)aa)(1). 88 BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (47). 89 Nojack, Exklusivnormen, S. 61; wohl noch Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 28 (wie die allg. Formulierungen „eine Gerichtsentscheidung“ und „die gesetzliche Anordnung“ zeigen, offenbar nicht nur in Bezug auf Scheidungen). 90 Der allgemeinen verfahrensrechtlichen Aussage des BGH gerade auch selbst im Rahmen einer parallelen, „auch“ verfahrensrechtlichen Qualifikation zustimmend Johannsen/Henrich/ Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 28.
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
c) Meinungsstand zu Gestaltungsakten im Adoptionsrecht aa) Herrschende materiell-rechtliche Qualifikation Nach der Gesetzesbegründung erfasst das über Art. 22 EGBGB zu ermittelnde Adoptionsstatut die „Art und Weise des Zustandekommens der Adoption“, wobei sich „[i]nsoweit […] international im materiellen Recht das Dekretsystem […] und das Vertragssystem […] gegenüber[stehen]“.91 Die herrschende Meinung geht, zum Teil unter Bezugnahme auf die (Formulierung der) Gesetzesbegründung,92 davon aus, dass (allein) die lex causae darüber bestimmt, ob eine Adoption durch Vertrag oder durch Hoheitsakt zustande kommt.93 Vereinzelt wird eine solche Qualifikation aber von vornherein explizit nur begrenzt auf die Frage vertreten, ob es einer (behördlichen oder gerichtlichen) kontrollierenden Tätigkeit bedarf.94 Anzumerken ist, dass speziell die Frage, ob § 1752 I BGB (aufgrund seiner Qualifikation) auch im Ausland zu beachten ist, an Relevanz verlieren dürfte. Für eine ausländische Adoption dürfte nämlich nach dem jetzigen95 Art. 22 I 2 EGBGB, der das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der zu adoptierenden Person für anwendbar erklärt, regelmäßig nicht deutsches Adoptionsrecht zur Anwendung
91
BT-Drs. 10/504, S. 71. Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 23, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 22; Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 33, 98; mit zumindest derselben Formulierung („Art und Weise des Zustandekommens“) BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 50; Erman/Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 15; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 61; HK-AdoptionsR/Kemper, Art. 22 EGBGB Rn. 11; Palandt/Thorn, Art. 22 EGBGB Rn. 5; Kropholler, IPR, § 49 III 2 b), S. 421; Zimmermann, NZFam 2016, 150 (151). 93 Siehe etwa BayObLG, Beschl. v. 7. 12. 1989 – BReg 3 Z 87/89, StAZ 1990, 69 (70 f.); KG, Beschl. v. 4. 4. 2006 – 1 W 369/05, FamRZ 2006, 1405 (1406); AG Frankfurt a. M., Beschl. v. 2. 11. 2017 – 470 F 16032/17, FamRZ 2018, 365 (366); aus der Lit. etwa BeckOK-BGB/ Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 27; Looschelders, Art. 22 Rn. 7; NK-BGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 11, 78; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 42, 54 („Vollzug“); Henrich, IntFamR, S. 309; Lüderitz, IPR, Rn. 388; v. Bar, IPR II1, Rn. 327; Schwimann, RabelsZ 38 (1974), 571 (572 f.); für die Frage des Ob eines Adoptionsvertrags noch Baumann, Adoptionen, S. 34. 94 Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 17. Auf eine ähnliche Differenzierung läuft (bzw. lief) es im Ergebnis natürlich ebenfalls hinaus, wenn man zwar das (ausländische) Adoptionsstatut gelten lässt, aber für die Frage der Durchführung im Inland auf die lex fori und somit den Adoptionsbeschluss in § 1752 I BGB zurückgreift; siehe – von „Differenzierungen zur Geltung des Adoptionsstatuts“ sprechend und für die Geltung des § 1752 I BGB auch im Inland – Erman15/Hohloch, Art. 22 EGBGB Rn. 16; noch HK-AdoptionsR3/Kemper, Art. 22 EGBGB Rn. 6. Siehe noch näher zu der sogleich nachfolgend angeführten (älteren) Frage einer (parallelen) verfahrensrechtlichen Qualifikation des § 1752 I BGB. 95 Diese Norm wurde zum 31. 3. 2020 neu gefasst; siehe Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien v. 19. 3. 2020, BGBl. 2020 I, S. 541; zur zeitlichen Geltung siehe die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 52 EGBGB. 92
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berufen sein.96 Gleiche Qualifikationsfragen können sich aber weiterhin stellen, wenn eine Adoption in einem Staat vorgenommen wurde, in dem das Vertragssystem gilt, das über Art. 22 I 2 EGBGB ermittelte Adoptionsstatut aber eine Dekretadoption vorsieht.97 bb) Umstrittene (parallele) verfahrensrechtliche Qualifikation Für große Diskussionen sorgt(e) die Frage, ob § 1752 I BGB stets bei inländischen Adoptionen Anwendung finden muss(te). Auch hier ist aber gleichermaßen zu beachten, dass nach dem jetzigen Art. 22 I 1 EGBGB für Inlandsadoptionen nunmehr deutsches Recht gilt.98 Daher kommt es für eine Inlandsadoption nicht mehr auf eine Qualifikation deutscher Adoptionsregeln an.99 Vor der Neufassung war demgegenüber sehr fraglich,100 ob in Deutschland stets eine gerichtliche Adoptionsentscheidung zu erfolgen hatte, und zwar selbst dann, wenn das Adoptionsstatut nicht dem (deutschen) Dekretsystem101 folgte. Eine Ansicht lehnte dies ausdrücklich ab102 bzw. sprach sich zumindest dafür aus, dies dem Adoptionsstatut überlassen zu können und die deutschen Regeln fakultativ greifen zu lassen.103 Manche Vertreter dieser Ansicht zogen bei Geltung eines Ad96 Hierzu müsste die zu adoptierende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt gerade nicht im Ausland, sondern in Deutschland haben; siehe BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 56. 97 Vgl. BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 27. 98 Zuvor kam grundsätzlich das Heimatrecht des Annehmenden (Art. 22 I 1 EGBGB a. F.) zur Anwendung – im Falle einer Adoption durch (einen) Ehegatten oder Lebenspartner griff jedoch das Wirkungsstatut der jeweiligen Beziehung (Art. 22 I 2, 3 EGBGB a. F.); siehe näher zur „fundamentale[n] Neukonzipierung“ nur Helms, FamRZ 2020, 645 (648 f.). 99 Vgl. auch BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 27, 55 („Abgrenzung nicht mehr erforderlich“ bzw. bei Art. 22 I 1 EGBGB n. F. „kann […] dieses Problem nicht mehr auftreten.“); vgl. noch Erman/Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 16 („[…] teils schwierige[ ] Interferenzen […] größtenteils entfallen.“). 100 Siehe auch BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 55, noch Rn. 24. Ausweislich der (alten) Gesetzesbegründung galt es, „[b]ei Vornahme einer Adoption nach fremdem Recht im Inland […] auch die Vorschriften des fremden Rechts über die Art und Weise des Zustandekommens der Adoption, also etwa beim Vertragssystem Bestimmungen über die gerichtliche Bestätigung, zu befolgen, jedenfalls wenn sie sich nicht wesentlich vom früheren deutschen Recht unterscheiden“; siehe BT-Drs. 10/504, S. 71. 101 Siehe zur Einführung des sog. Dekretsystems etwa wiederum BT-Drs. 7/3061, S. 23 f., 41; ausführlich Bosch, FamRZ 1984, 829 (834 ff.); hierzu schon oben unter § 4 C.I.2.a)aa). 102 Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 78; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 54; v. Bar, IPR II1, Rn. 327; ebenso Kropholler, IPR, § 49 III 2 b), S. 421. 103 BeckOK-BGB53/Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 57; MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 23; NK-BGB3/Benicke, Art. 22 EGBGB Rn. 74; Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 19 (wobei – wie zuvor bei der materiell-rechtlichen Qualifikation gesehen – auch umgekehrt für die Reichweite des Adoptionsstatuts zwischen dem Erfordernis einer kontrollierenden Mitwirkung und der genauen Art der Durchführung einer solchen differenzierend, Rn. 17); zurückhaltend zur Geltung des Adoptionsstatuts noch Lüderitz, IPR, Rn. 391 („kann“).
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optionsrechts mit einer Vertragsadoption unter behördlicher oder gerichtlicher Mitwirkung aber dennoch das deutsche Recht zum Adoptionsdekret heran.104 Nach anderer Ansicht war demgegenüber § 1752 I BGB im Inland stets zu beachten;105 oder es wurde zumindest für eine grundsätzliche Geltung des § 1752 I BGB als Verfahrensrecht plädiert, aber je nach der Art der Vertragsadoption noch das Adoptionsstatut berücksichtigt bzw. Anpassungen vorgenommen.106 Ob § 1752 I BGB 104 Dies geschah entweder unter schlichtem Verweis darauf, die Funktion von Adoptionsdekret und Mitwirkung bei der Vertragsadoption seien vergleichbar; siehe unter den Vertretern, die gegen eine verfahrensrechtliche Qualifikation sind, Kropholler, IPR, § 49 III 2 b), S. 421 (für „funktionsäquivalente[ ] Mitwirkungsakte[ ]“ im Falle einer „,Bestätigung‘ mit konstitutiver Kraft“); v. Bar, IPR II1, Rn. 328 („bei funktionaler Vergleichung“). Oder es wurde sich näher mit der Mitwirkung auseinandergesetzt und auf eine „teilweise konstitutive Kraft“ und daher auf das deutsche Adoptionsdekret abgestellt; siehe Lüderitz, IPR, Rn. 391, nach dessen Ansicht im Inland Genehmigungen von Adoptionsverträgen vorzunehmen, aber bei stärkeren Wirkungen solcher Genehmigungen („teilweise konstitutive Kraft“) wie der „Heilung von Willensmängeln“ als einzige „verfahrensmäßige Alternative“ die deutschen Regelungen zum Adoptionsdekret heranzuziehen sind. Letzteres korrespondiert mit der auch dort vertretenen, oben im Rahmen der Anerkennung erörterten und im Ergebnis vorzugswürdigen Ansicht, wonach vertragliche Gestaltungen (d. h. Vertragsadoptionen) mit erhöhter Beständigkeit (unter gewissen (weiteren) Voraussetzungen) verfahrensrechtlich anerkennungsfähig sind; siehe die Einordnung als „konstitutive[r] Akt“ bei Lüderitz, IPR, Rn. 396; diese Ansicht wird auch vertreten bei v. Bar, IPR II1, Rn. 317, der sich aber im Rahmen der vorliegenden IPR-Frage pauschaler äußert, Rn. 328 – dabei jedoch zumindest auch auf die internationalprivatrechtliche Ansicht bei Lüderitz verweist; näher zu diesem Verständnis des Entscheidungsbegriffs oben unter § 4 C.I.2.a)dd)(3) i. V. m. § 4 C.II.3.b)aa)(1). 105 Jedenfalls ausdrücklich für das Inland die Voraussetzung des entsprechenden Antragserfordernisses des § 1768 I 1 BGB (Volljährigenadoption) verlangend und dabei auch den Ausspruch im Inland erwähnend BayObLG, Beschl. v. 20. 9. 1982 – BReg. 1 Z 31/82, BayObLGZ 1982, 318 (320 f.); zumindest explizit für das Verfahrenserfordernis des § 1752 I BGB BayObLG, Beschl. v. 21. 2. 1997 – 1 Z BR 200/96, BayObLGZ 1997, 85 (87 f.); siehe zu § 1768 I 1 BGB noch BayObLG, Beschl. v. 10. 9. 1981 – BReg. 1 Z 96/81, IPRspr. 181 Nr. 121, 287 (289) (wobei auch von einem Ausspruch im Inland sprechend, aber nebenbei die (ggf. nur zusätzliche, „und/oder“) Möglichkeit erwähnend, die Adoption dem ausländischen Adoptionsstatut entsprechend „zu bewilligen“); aus der Lit. HK-AdoptionsR3/Kemper, Art. 22 EGBGB Rn. 6. 106 Für einen „materiell- und verfahrensrechtlichen Doppelcharakter“ der Norm – die deutschen Vorschriften aber auf andere Mitwirkungsakte anpassend und nicht stets einen Ausspruch verlangend Erman15/Hohloch, Art. 22 EGBGB Rn. 16; für die Geltung der lex fori für die Frage der „staatlichen Mitwirkung“ bei Inlandsadoptionen Baumann, Adoptionen, S. 36 – einen Adoptionsbeschluss nach § 1752 I BGB letztendlich aber nur bei gerichtlich zu bestätigenden Vertragsadoptionen zulassend, S. 38, und hingegen bei zu bewilligenden Adoptionsverträgen anstelle eines solchen Beschlusses für eine gerichtliche Genehmigung in „analoger Anwendung“ der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsregeln, S. 39; unklar, aber in eine ähnliche Richtung tendierend offenbar BeckOGK-EGBGB/Markwardt (a. F., 1. 1. 2020), Art. 22 Rn. 169 (bei entsprechendem Adoptionsstatut eine Anpassung der Verfahrensregeln fordernd) – für „reine Vertragsadoption[en]“ aber von einem „verfahrensrechtlichen Charakter[ ] von § 1752 BGB“ sprechend, Rn. 187; noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 61 f. (gerichtliche Bestätigung vor deutschen Gerichten bei entsprechendem Adoptionsstatut – bei reinen Vertragsadoptionen § 1752 I BGB aber verfahrensrechtlich einstufend); nicht eindeutig Palandt79/Thorn, Art. 22 EGBGB Rn. 5, 12 (im Inland einen Beschluss fordernd bzw. „auch“
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für inländische Adoptionen galt, war also stark umstritten. Einigkeit bestand aber insoweit, als auch diejenigen, die eine zwingende Geltung der deutschen Regeln im Inland ablehnten oder differenzierender vorgingen, bei reinen Vertragsadoptionen eine gerichtliche Mitwirkung verlangten.107 In der dargestellten Diskussion ging es mithin um die Frage, ob das Erfordernis einer zu beantragenden und auszusprechenden gerichtlichen Adoption bzw. §§ 1752 I/1768 I 1 BGB verfahrensrechtlich zu qualifizieren sind.108 Da das Erfordernis einer Dekret- oder Vertragsadoption nach herrschender Meinung, wie zuvor gesehen, materiell-rechtlich einzuordnen ist, ging es jedoch wiederum lediglich um eine – für die vorliegende Untersuchung im Ergebnis unerhebliche – parallele verfahrensrechtliche Qualifikation.109 Eine rein verfahrensrechtliche Qualifikation der Frage des „Vollzug[s] der Adoption“ wird nur vereinzelt zumindest als denkbar erachtet, wobei aber lediglich Dekretadoptionen und gerichtlich bestätigte Adoptionsverträge einander gegenübergestellt und letztlich eine andere Qualifikation präferiert werden.110
verfahrensrechtlich einordnend) – anders aber Rn. 9 (im Inland „auch die Bestätig[un]g“ möglich); siehe zu Letzterem und den dortigen „Unklarheiten“ Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 78. 107 Siehe innerhalb der offeneren bzw. differenzierenderen Ansichten bei einer „reine[n] Vertragsadoption“ auf den „verfahrensrechtlichen Charakter[ ] von § 1752 BGB“ verweisend BeckOGK-EGBGB/Markwardt (a. F., 1. 1. 2020), Art. 22 Rn. 187 – obwohl andernfalls auch andere Mitwirkungsakte genügen lassend, Rn. 169; siehe noch Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 62. Regelmäßig geschah dies mit Blick auf das Kindeswohl unter Hinweis auf den ordre public; siehe von den Vertretern, die sich grds. gegen eine (parallele) verfahrensrechtliche Einordnung des § 1752 bzw. § 1768 BGB aussprachen, Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 78 („Mitwirkung des Gerichts […] unverzichtbar“); von denjenigen, die zum einen das Adoptionsstatut gelten lassen, aber zum anderen auch auf die Möglichkeit eines Adoptionsbeschlusses verweisen, Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 19 i. V. m. 41 f.; für die reine Vertragsadoption Minderjähriger im Kontext der Durchführung zumindest auf deren ordre public-Widrigkeit hinweisend MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 23 i. V. m. Rn. 55; Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 56; Lüderitz, IPR, Rn. 391; bei reinen Vertragsadoptionen für die Anwendung der deutschen Vorschriften Baumann, Adoptionen, S. 39 f., wobei diese zwar nicht stets ein Adoptionsdekret verlangt, S. 39, aber ohnehin von dem Grundsatz ausgeht, dass die „mitwirkende Staatstätigkeit“ verfahrensrechtlicher Natur sei, S. 38. 108 Siehe zur Qualifikationsnatur des Problems wiederum Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 53 f.; explizit von einer Qualifikation sprechend noch Baumann, Adoptionen, S. 37; v. Bar, IPR II1, Rn. 327; jedenfalls in Bezug auf das Antragserfordernis des § 1752 I BGB BayObLG, Beschl. v. 21. 2. 1997 – 1 Z BR 200/96, BayObLGZ 1997, 85 (87 f.). 109 Vgl. Erman15/Hohloch, Art. 22 EGBGB Rn. 16 („Doppelcharakter“); Baumann, Adoptionen, S. 34 i. V. m. Rn. 36 (zunächst die Frage des Ob eines Adoptionsvertrags dem Adoptionsstatut unterstellend – die Frage der „staatliche[n] Mitwirkung“ im Inland sodann grds. der lex fori). 110 Siehe Schröder, StAZ 1969, 217 (218), der dies als vorteilhaft ins Spiel bringt – anschließend aber eine Formqualifikation und Anwendung von Art. 11 I EGBGB bevorzugt.
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d) Meinungsstand zu Gestaltungsakten im allgemeinen Vertragsrecht Darüber, ob Anfechtung oder Rücktritt mittels privater Gestaltungserklärung oder gerichtlicher Gestaltungsklage geltend zu machen sind, habe, so die ganz herrschende Meinung, das anwendbare Sachrecht zu befinden.111 Eine (parallele) verfahrensrechtliche Qualifikation wird, soweit ersichtlich, nicht vertreten.112 Vielmehr wird teilweise (nebenbei) erwähnt, eine (rein) verfahrensrechtliche Einordnung habe auszuscheiden.113 e) Ergebnis Bei der grundsätzlichen Frage, ob es für eine Gestaltung privater Erklärungen oder eines gerichtlichen Gestaltungsakts bedarf, befürwortet das herrschende Schrifttum eine materiell-rechtliche Qualifikation, die BGH-Rechtsprechung zumindest auch eine solche; eine (parallele) verfahrensrechtliche Qualifikation, die sich in generellerer Form in einer älteren BGH-Entscheidung andeutet, wird im herrschenden Schrifttum nicht vertreten. Im allgemeinen Vertragsrecht geht die ganz herrschende Meinung für die entsprechende Frage bei der Anfechtung oder beim Rücktritt ebenfalls von einer materiell-rechtlichen Qualifikation aus. Im Scheidungsund Adoptionsrecht ist der Meinungsstand hingegen breiter. Eine materiell-recht111 Siehe zur Anfechtung nach italienischem Recht OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 24. 6. 1992 – 9 U 116/89, IPRspr. 1992 Nr. 40, 85 (88); LG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1977 – 5 O 104/77, RIW 1980, 517 (518); nach niederländischem Recht OLG Oldenburg, Urt. v. 5. 11. 1975 – 8 U 31/74, IPRspr. 1975 Nr. 15, 26 (29); zum Rücktritt nach spanischem Recht OLG Celle, Urt. v. 31. 3. 1987 – 16 U 96/84, RIW 1988, 137 (139); LG Hamburg, Urt. v. 20. 4. 1977 – 5 O 13/77, RIW 1977, 787 (789); nach französischem Recht LG Freiburg, Urt. v. 6. 12. 1966 – 7 O 83/66, IPRspr. 1966/67 Nr. 34 A, 109 (110, 119); aus der Lit. etwa Geimer, IZPR, Rn. 2638 (allg. zu Gestaltungsklagen und sodann Anfechtung und Rücktritt als Bsp. nennend); bereits Riezler, IZPR, § 23 6 e), S. 243; noch Helmreich, Selbsthilfeverbot, S. 146; Herfarth, Scheidung, S. 97 f. (zu § 142 BGB und § 349 BGB); Jaeckel, Lex fori, S. 58 f. (zu Gestaltungsklagerechten und dem Beispiel der gerichtlichen Vertragsauflösung); knapp Kegel, IPRax 1983, 22 (23) (zum Rücktritt) – wobei dieser wiederum nicht auf eine Qualifikation als solche eingeht, sondern die Nichtanwendung der lex fori-Regel, was nach dem bisher Gesagten aber vergleichbar ist; siehe hierzu oben unter § 5 B.II.2.a)aa)(1). Entsprechendes wird im europäischen Recht vertreten; siehe etwa Ferrari/Ferrari, Art. 10 Rom I-VO Rn. 11, Art. 12 Rom I-VO Rn. 15; MüKo-BGB/ Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 68, noch Art. 12 Rom I-VO Rn. 91; Staudinger/Hausmann, Art. 10 Rom I-VO Rn. 25, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 49. 112 Siehe auch Herfarth, Scheidung, S. 97 (verfahrensrechtliche Qualifikation bei §§ 142 bzw. 349 BGB würde „sicherlich von niemandem gutgeheißen“) – welcher gerade auch bei der Scheidung gegen eine parallele verfahrensrechtliche Qualifikation ist, S. 95 ff. 113 Siehe die eine parallele verfahrensrechtliche Qualifikation andeutende Formulierung bei LG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1977 – 5 O 104/77, RIW 1980, 517 (518) (italienische Vorschrift zur Anfechtungsklage „als materiell-rechtliche und nicht als rein prozessuale Norm“); im Zusammenhang mit der gerichtlichen Vertragsauflösung nach französischem Recht zunächst auf ein „prozessuales Verständnis“ eingehend Jaeckel, Lex fori, S. 59; allg. zu Gestaltungsurteilen („Sachrecht, nicht das Verfahrensrecht“) und sodann Anfechtung und Vertragsauflösung als Beispiele heranziehend bereits Riezler, IZPR, § 23 6 e), S. 243.
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liche Qualifikation ist zwar wiederum vorherrschend. Vor allem im Scheidungsrecht, aber auch im Adoptionsrecht plädiert eine Ansicht für eine zumeist parallele, im Scheidungsrecht vereinzelt auch für eine ausschließlich verfahrensrechtliche Qualifikation. 3. Untersuchung und Stellungnahme (zu § 1564 S. 1 BGB) a) Zwiegespaltene, „pattähnliche“ Ausgangslage aa) Verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Züge (1) Vorhandensein verfahrensrechtlicher Züge Die – sich später als lediglich parallel erweisende114 – verfahrensrechtliche Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB stützt sich schlicht auf die oben angeführte, allgemeine Aussage des BGH, die lex fori erfasse auch die Frage der Notwendigkeit eines Verfahrens („ob“).115 Die verfahrensrechtliche Qualifikation des heutigen Art. 17 III EGBGB begründet das Schrifttum bisweilen damit, dass mit der dort angeordneten gerichtlichen Scheidung ein „bestimmtes Verfahrensregime durchgesetzt werden soll“.116 Auch im Adoptionsrecht wurde §§ 1752 I/1768 I BGB im Wesentlichen schlicht mit Blick auf das gerichtliche Antrags- und Beschlusserfordernis ein auch verfahrensrechtlicher Gehalt zugestanden, der für eine Anwendung im Inland genüge.117 Diese verfahrensrechtlichen Argumentationen zielen zwar vor allem darauf ab, die Gestaltungsregelung (§ 1564 S. 1 bzw. §§ 1752/1768 BGB) im Inland durch eine (parallele) verfahrensrechtliche Qualifikation auch bei ausländischer lex causae zur Anwendung zu bringen, insbesondere ist Art. 17 III EGBGB gerade auf eine Inlandssituation gerichtet. Insofern können sie in der hier zu untersuchenden, umge114 Siehe zur (auch) materiell-rechtlichen Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB durch den BGH wiederum BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.); ebenso von den sich der (parallelen) verfahrensrechtlichen Qualifikation anschließenden Stimmen Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 29a, 5; näher zur Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB oben unter § 5 B.II.2.a)aa). 115 BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (47); mit Blick auf (den heutigen) Art. 17 III EGBGB diese allg. Aussage aufgreifend Nojack, Exklusivnormen, S. 61; wohl noch Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 28 (relativ allg. formulierend). 116 Zu Art. 17 II EGBGB a. F. Rauscher/Helms, Art. 1 Rom III-VO Rn. 19. 117 Zu § 1768 I 1 BGB BayObLG, Beschl. v. 20. 9. 1982 – BReg. 1 Z 31/82, BayObLGZ 1982, 318 (320 f.); zum Antragserfordernis des § 1752 I BGB BayObLG, Beschl. v. 21. 2. 1997 – 1 Z BR 200/96, BayObLGZ 1997, 85 (87 f.); aus der Lit. Erman15/Hohloch, Art. 22 EGBGB Rn. 16 („materiell- und verfahrensrechtliche[r] Doppelcharakter“); vgl. allg. für die „Mitwirkung des Staates“ im Inland Baumann, Adoptionen, S. 36, 38 (staatliche Mitwirkung als „Verfahrensrechtliches“, S. 36 – jedoch mit einer differenzierenden Lösung, wenn nach dem Adoptionsstatut eine bloß bewilligende Mitwirkung erfolgt, S. 38, und bei der Adoption Minderjähriger den ordre public heranziehend, S. 39).
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kehrten Konstellation nicht durchdringen. Gleichwohl weisen sie auf eine wichtige Überlegung hin, nämlich dass sich bei der Frage des „Ob“ einer gerichtlichen Scheidung verfahrensrechtliche Züge nicht von der Hand weisen lassen, wie gerade Vertreter der allein materiell-rechtlichen Qualifikation im Scheidungsrecht118 und ebenso im Adoptionsrecht119 zugeben. Erfolgt die „einvernehmliche“ Scheidung durch eine gerichtliche Entscheidung, wie nach § 1564 S. 1 BGB, handelt es sich, wie oben erläutert, um einen konstitutiven Hoheitsakt des Gerichts. Die Eheleute leiten das entsprechende Verfahren durch einen Gestaltungsantrag, eine verfahrensrechtliche Handlung, ein; die Gestaltung erfolgt durch die gerichtliche Entscheidung.120 Es lässt sich schwer leugnen, dass die gesetzliche Anordnung eines durch Anträge eingeleiteten, gerichtlichen Verfahrens und konstitutiven Beschlusses wie in § 1564 S. 1 BGB einen verfahrensrechtlichen Bezug aufweist. (2) Vorhandensein materiell-rechtlicher Züge Trotz der an sich verfahrensrechtlichen Anordnung eines Verfahrens sei, so teilweise die Stimmen zum internationalen Scheidungsrecht, eine (auch) materiellrechtliche Qualifikation wegen der engen Verbindung mit dem materiellen Scheidungsrecht zu befürworten.121 Auch bei Gestaltungsklagen im Allgemeinen stützt sich das Schrifttum für die allein materiell-rechtliche Qualifikation vor allem auf die materiell-rechtliche Verstrickung der Vorschriften, die Gestaltungsurteile vorschreiben, und dem sich daraus ergebenden zusammengehörigen Gefüge von materiellem Recht und Verfahrensrecht.122 Es sei nicht das „Prozeßrecht“, sondern das „Sachrecht“, das die Entscheidung über das Erfordernis einer Gestaltungsklage und eines Gestaltungsurteils treffe.123 Für die materiell-rechtliche Qualifikation im Adoptionsrecht ziehen Stimmen im Schrifttum ebenfalls die Verflechtung bzw. den 118 Siehe wiederum Herfarth, Scheidung, S. 92 („prozessualer Lebensbereich“), 96 („stärkste denkbare Verfahrensvorschrift“); noch Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 116 („obwohl […] eine grundsätzlich prozeßrechtliche Rechtsfolge […] an[ge]ordnet“). 119 Siehe wiederum Schwimann, RabelsZ 38 (1974), 571 (572) („dem Typus nach aber eine verfahrensrechtliche Erscheinung“). 120 Siehe näher oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1) i. V. m. § 4 C.II.1.b)bb)(2). 121 Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 116 („untrennbare[ ] Verknüpfung“); siehe auch den Hinweis zur Norm des § 1564 BGB in BT-Drs. 17/11049, S. 10 („[…] wird wegen ihrer integralen Verknüpfung mit dem deutschen Scheidungsrecht neben ihrer prozessrechtlichen Aussage auch materiellrechtlich qualifiziert.“); ohne näheres Eingehen auf eine verfahrensrechtliche Qualifikation die zumindest parallele materiellrechtliche Qualifikation auf den „untrennbaren Zusammenhang[ ] mit der Ausgestaltung des deutschen Scheidungsrechts“ stützend noch jurisPK-BGB/Ludwig, Art. 17 EGBGB Rn. 66. 122 Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 208, 210 f. („aufeinander zugeschnitten“, „Verflochtenheit“); Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 305 („nahe Verflochtenheit“); auf diesen „besondere[n] Zusammenhang“ – wenngleich im Rahmen der Einordnung als „prozeßgebundene[s] Sachrecht“ – hinweisend auch Müller, JbIntR 5 (1954), 239 (250). 123 Riezler, IZPR, § 23 6 e), S. 243; ebenso Helmreich, Selbsthilfeverbot, S. 146; vgl. noch Herfarth, Scheidung, S. 96 („Reflex der materiellrechtlichen Regelung“).
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funktionalen Zusammenhang mit dem übrigen materiellen Recht heran.124 Die gleichen Argumente finden sich bei der allein materiell-rechtliche Argumentation in allgemeinen Anfechtungs- bzw. Rücktrittsfällen.125 Eine (rein) verfahrensrechtliche Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB und anderer Gestaltungsklage- und -urteilserfordernisse bzw. eine diesbezügliche Geltung der lex fori wird mithin rechtsgebietsübergreifend mit dem Argument der engen Verbindung mit dem materiellen Recht abgelehnt. Nach dem weiter oben zu den konstitutiven Urteilen Gesagten lässt sich in der Tat feststellen, dass ein Gestaltungsurteil die materielle Rechtslage ändert;126 der gerichtliche Scheidungsbeschluss kann also als mit dem materiellen Recht verbunden angesehen werden.127 (3) Zwiespältiges Wortlautargument In der oben zitierten Entscheidung stellt der BGH nach seinen Ausführungen zum „verfahrensrechtlichen Gehalt“128 noch auf den Gesichtspunkt der Geltung des „Scheidungsmonopols der Gerichte auch für Ausländer“129 ab. Hierfür bezieht er sich auf den Wortlaut des § 1564 S. 1 BGB („kann nur“), in dem das Monopol stärker als 124 MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 23; eingehend Schwimann, RabelsZ 38 (1974), 571 (572 f.), welcher von „intim[er]“ Abstimmung spricht und hierbei u. a. auf die oben vorgestellten allgemeinen Methoden von Neuhaus und Müller hinsichtlich der Abgrenzung von materiellem Recht und Verfahrensrecht (dazu oben unter § 5 B.II.1.b)bb)) Bezug nimmt („Annex oder ,Zubehör‘“) bzw. „wenn nicht sogar“ von einem „Tatbestandselement des anzuwendenden Sachrechts“ ausgeht. Andere erwähnen zumindest, bei der entsprechenden Norm des deutschen Rechts, § 1752 I BGB, sei „in erster Linie“ der „auch materiellrechtliche[ ] Gehalt“ maßgeblich; siehe Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 54; noch BeckOK-BGB53/Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 57. 125 So ist wesentliches Argument, beim Erfordernis einer Anfechtungs- oder Auflösungsklage handele es sich um eine materiell-rechtlich verwurzelte Bestimmung; siehe zur Anfechtung LG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1977 – 5 O 104/77, RIW 1980, 517 (518) (keine verfahrensrechtliche Qualifikation eines ausländischen Anfechtungsklageerfordernisses, da diese zum „Inhalt“ zu zählen sei); im Kontext der Rom I-VO Reithmann/Martiny/Martiny, IntVertragsR, Rn. 3.107; im allg. Kontext der Gestaltungsurteile von „Sachrecht“ sprechend und sodann Anfechtung und Vertragsauflösung nennend Riezler, IZPR, § 23 6 e), S. 243; siehe noch – wenngleich im Zusammenhang mit den Gerichtsständen im europäischen IZVR – Müller, EuZW 2016, 419 (426, zu Rn. 54) (von einer „materiell-rechtlichen Wertentscheidung“ sprechend). Erwähnenswert ist noch die ähnliche, aber gewissermaßen umgedrehte Argumentation bei Jaeckel, Lex fori, S. 60 (ausländische Gestaltungsklage- bzw. -urteilserfordernisse auch deswegen als materiell-rechtlich einordnend, weil das „deutsche Zivilrecht […] nur ein materiellrechtliches gesetzliches Rücktrittsrecht“ kennt). 126 Siehe hier nur Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 14 – wobei wiederum darauf hinzuweisen ist, dass dies natürlich nicht für die Ausnahmen der aufgrund prozessrechtlicher Gestaltungsklagen erlassenen Urteile gilt; siehe hierzu nur Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 95. 127 Letzteres hebt bereits die Gesetzesbegründung zu § 1564 BGB hervor; siehe BT-Drs. 7/ 650, S. 104 („Scheidungsausspruch des Gerichts [hat] materiell-rechtliche Wirkung“). 128 BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (47). 129 BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (48).
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zuvor hervortrete (§ 41 S. 1 EheG a. F.: „wird durch gerichtliches Urteil geschieden“), und auf die Gesetzesbegründung.130 Letztere weist darauf hin, dass durch § 1564 S. 1 BGB „andere Scheidungsformen, wie etwa die private Scheidung […] auch künftig ausgeschlossen [werden]“.131 Diese Überlegungen betreffen dort zwar das inländische gerichtliche Scheidungsmonopol bzw. eine parallele verfahrensrechtliche Qualifikation, wie auch gleichlautende, vereinzelte Untersuchungen zum Wortlaut und der Gesetzesbegründung im Schrifttum zeigen.132 Das Wortlautargument, der Vergleich mit § 41 EheG a. F., findet sich schließlich aber bisweilen sogar bei Vertretern der materiell-rechtlichen Qualifikation wieder, um die Bedeutung des § 1564 S. 1 BGB als „Bestandteil des sachlichen Eherechts“ zu untermauern.133 Wie sich schon aus diesen gegenteiligen Schlussfolgerungen ergibt, ist das Wortlautargument nicht aussagekräftig; das „kann nur“ des § 1564 S. 1 BGB lässt sich je nach befürworteter Qualifikation als Beleg für diese verstehen,134 es verleitet daher zu einem Zirkelschluss. bb) Konsequenzen der „Patt“-Situation Da sich nach den vorstehenden Ausführungen sowohl eine materiell-rechtliche als auch eine verfahrensrechtliche Verbindung feststellen lassen, ist zunächst festzuhalten, dass diese schlichte verbindungsorientierte Betrachtung keine Qualifikationsentscheidung zwischen verfahrens- und materiell-rechtlicher Qualifikation treffen kann. Herfarth betont zu Recht, dass die Qualifikation von Gestaltungsklagerechten sich als nicht einfach gestaltet und zieht hierfür die fehlende „Trennung zwischen Anspruch und Klage“ bei konstitutiven Urteilen heran.135 Das gleiche zwiespältige Bild ergibt sich entsprechend bei einer Abgrenzung nach den Lebensbereichen,136 was zunächst auch Herfarth, der diese Abgrenzung für die vor130
BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (48). BT-Drs. 7/650, S. 104. 132 Ausführlich (vor der BGH-Entscheidung) zum Scheidungsmonopol bereits Beitzke, IPRax 1981, 202 f. (den „internationalrechtliche[n] Gehalt“ der Vorschrift begründend); gerade für die parallele verfahrensrechtliche Qualifikation mit Blick auf den Wortlaut dem BGH zustimmend Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 28; allg. für die Anwendung des materiellen Rechts und krit. zum Wortlaut des § 1564 S. 1 BGB („bescheidene Gesetzgebungskunst“) hingegen Kegel, IPRax 1983, 22 (23). 133 Beule, StAZ 1979, 29 (35). 134 Siehe auch – dort allerdings unter dem Gesichtspunkt der Norm als „selbstgerechte Sachnorm“ behandelnd – Herfarth, Scheidung, S. 99 f. 135 Herfarth, Scheidung, S. 94 f. (mit näheren Ausführungen zu dieser Trennung, S. 89 f.). Hierfür beruft er sich auf Zöllner, siehe Herfarth, Scheidung, S. 94, Fn. 71. Nach Zöllner handelt es sich bei den Gestaltungsurteilen um Fälle, in denen „das Gesetz selbst […] die Trennung von Recht und Klage“ – siehe hierzu (historisch) näher nur Jaeckel, Lex fori, S. 53 ff. – „nicht vollzogen hat“, vielmehr seien „Recht und Rechtsschutzform als Einheit konzipiert“; so Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (485 f.). 136 Vgl. die Kritik zu dieser Abgrenzung – zum nationalen Recht im unmittelbaren Vorfeld der Problematisierung von Gestaltungsklagen – bei Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (485). 131
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liegende Qualifikationsfrage heranzieht, zugibt, obgleich er seine Qualifikation im Ergebnis dennoch auf diese Abgrenzung stützt.137 Man gelangt folglich zu dem Zwischenergebnis, dass eine „Doppelqualifikation“ der Vorschrift im Sinne der BGH-Rechtsprechung gerechtfertigt sein könnte.138 Ein solcher „Patt“ zwischen Verfahrens- und materiellem Recht scheint sich umso mehr herauszukristallisieren, wenn man nicht nur die Scheidung betrachtet, sondern berücksichtigt, dass der deutschen Rechtsordnung als für die Qualifikation mit maßgebliche lex fori insgesamt ja gerade sowohl Gestaltungsklagen und -urteile als auch private Gestaltungserklärungen (etwa §§ 143, 349 BGB) bekannt sind. In diesem Zusammenhang ist noch anzumerken, dass die materiell-rechtliche Verknüpfungsargumentation mit dem Argumentationsstrang der Verzahnung von materiellem Recht und Verfahrensrecht harmoniert, der im Zusammenhang mit der allgemeinen Abgrenzung von internationalem Privat- und Verfahrensrecht einigen Stimmen im Schrifttum als Begründung für eine häufig erfolgende materiellrechtliche Einordnung dient.139 Nach der oben herausgearbeiteten Abgrenzung von internationalem Privat- und Zivilverfahrensrecht ist allerdings eine funktionale Qualifikation lege fori durchzuführen, bei der zwar zum einen die Verbindungen mit und Wertungen des materiellen Rechts zu berücksichtigen sind, zum anderen aber auch die (hinter der im Verfahrensrecht grundsätzlich geltenden lex fori-Verweisungsregel stehende) Praktikabilität des Verfahrens.140 b) „Patt“-Situation unter Rechtsausübungs- und Praktikabilitätsaspekten aa) Durchführbarkeit einer verfahrensrechtlichen Qualifikation unter Rechtsausübungsaspekten Vertreter der vorstehenden Verknüpfungsargumentation im Adoptionsrecht, die auf eine Verbindung zum materiellen Recht abstellen, nehmen bisweilen noch an, bei 137 Zunächst anführend, dass dies wegen der Berührung beider Lebensbereiche „nicht zu einer eindeutigen Qualifikation“ führt, Herfarth, Scheidung, S. 91 f. – sodann aber mit dem Charakter als „rein private Angelegenheit“, S. 95, und dem „privatrechtlichen Lebensbereich“, S. 96, argumentierend. 138 Herfarth, Scheidung, S. 92; wobei schon hier anzumerken ist, dass Herfarth dort selbst eine solche schlussendlich „unter dem Blickwinkel internationalprivatrechtlicher Interessen“ ablehnt (S. 95). 139 Siehe zur sog. materiellrechtsfreundlichen Qualifikation oben unter § 5 B.II.1.b)cc); sowie zu den autonomen Abgrenzungsvorschlägen unter § 5 B.II.1.b)bb); für die Gestaltungsklagen bzw. -urteile insbesondere Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 208 (gerichtliche Gestaltungsakte als „namentlich[es]“ Beispiel für eine besondere Verbindung heranziehend); Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (258) (Gestaltungsklagen als Beispiel für die besondere „Notwendigkeit eines Gleichlaufs zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht“ anführend – wobei sich ohnehin gegen den allg. lex fori-Grundsatz im Verfahrensrecht aussprechend, 252 ff.); Müller, JbIntR 5 (1954), 239 (250) („prozeßrechtgebundene[s] Sachrecht“); v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 61 („prozeßrechtbezogene Sachnormen“). 140 Siehe oben unter § 5 B.II.1.b)cc); vgl. insbesondere Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 327.
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Inlandsverfahren sei für die „Praxis bei ausländischem Adoptionsstatut“ ein Risiko der „Undurchführbarkeit“ gegeben.141 Verbreitet findet sich eine solche Argumentation, die sich gegen eine verfahrensrechtliche Qualifikation richtet, vor allem im Schrifttum zu gerichtlichen Gestaltungsakten im Allgemeinen, und zwar mit Blick auf Gestaltungsverfahren im Inland in Situationen, in denen es nach deutschem Recht keines Gestaltungsurteils bedürfte. Dass sich Inhalt und Wertungen der lex causae bzw. der dem Einzelnen durch sie verliehenen Rechte entfalten, sei nur hinreichend gewährleistet, wenn man die Vorschrift der lex causae, die ein Gestaltungsklageerfordernis enthält, anwende und so für die Erlassmöglichkeit eines Gestaltungsurteils sorge.142 Diese Argumentation lässt wiederum Elemente der allgemeinen Abgrenzungsvorschläge von internationalem Privat- und Verfahrensrecht erkennen, denen es gerade darum geht, dem anwendbaren ausländischen Recht wirksame Geltung bzw. möglichst die gleiche Geltung wie im Ausland zu verleihen.143 Da es bei der Gestaltungsklage, wie gesehen, um die Ausübung eines Gestaltungsklagerechts geht,144 lässt sich nicht von der Hand weisen, dass bei einer verfahrensrechtlichen Qualifikation möglicherweise eine wirksame Ausübung des Gestaltungsklagerechts auf dem Spiel stehen könnte. Bei der funktionalen Qualifikation lege fori finden, wie oben dargelegt, etwaige Beeinträchtigungen des anwendbaren Rechts durchaus Berücksichtigung, können aber, da auch andere Aspekte bzw. Interessen zu berücksichtigen sind, nicht einfach ohne Weiteres durchdringen.145 Dessen ungeachtet kann es allerdings vorliegend nicht überzeugen, speziell mit dem Einwand einer beeinträchtigten Rechtsausübung eine verfahrensrechtliche Qualifikation abzulehnen, da sich die Ausübung des Gestaltungsrechts vom bloßen Vorliegen eines solchen Rechts abtrennen lässt.146 Qualifizierte man das Erfordernis eines Gestaltungsurteils 141
Schwimann, RabelsZ 38 (1974), 571 (572). Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 118; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 208; Jaeckel, Lex fori, S. 59; Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (258). 143 Siehe oben unter § 5 B.II.1.b)cc) bzw. § 5 B.II.1.b)bb); insbesondere Stein/Jonas20/ Schumann, Einl. Rn. 738 („Geltungsanordnung des materiellen […] Rechts weitgehend berücksichtigen“); sowie Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1 (18 f.), welcher durch sein autonomes Kriterium des Einflusses auf den Rechtsstreit die gleiche Geltung der lex causae unabhängig des Forums („internationale Entscheidungsharmonie“) erreichen will – und schließlich den Erlass eines Gestaltungsurteils ebenfalls von der lex causae geregelt wissen möchte (49 f.); siehe noch das ähnliche „Entscheidungsneutralität[s]“-Argument“ etwa bei Linke/Hau, IZVR, Rn. 2.20 i. V. m. 2.10. 144 Siehe hier nur Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92 Rn. 2 f.; näher oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). 145 Siehe oben unter § 5 B.II.1.b)cc). 146 Dies ergibt sich vereinzelt auch aus dem Schrifttum zu inländischen Adoptionsverfahren, wie ein Blick auf die vereinzelte Ansicht zeigt, die (vor der Neufassung des Art. 22 I EGBGB) für Adoptionsverfahren im Inland und die Frage der Geltung des § 1752 I BGB nach der Ausgestaltung des Adoptionsstatuts differenziert(e). Hinsichtlich einer verfahrensrechtlichen Qualifikation geht diese Ansicht von einer Trennbarkeit des Verfahrens- vom materiellen Recht aus, es seien ohnehin stets Verknüpfungen gegeben, ohne dass dies den Gerichten in 142
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bzw. die Art und Weise der Ausübung eines Gestaltungs(klage)rechts (durch private Erklärung oder Klageerhebung?) verfahrensrechtlich, wäre etwa im Inland die hier vorgesehene Ausübung des entsprechenden Gestaltungs(klage)rechts als inländische lex fori maßgeblich. An die Stelle der Klageerhebung träte etwa eine hier normierte private Erklärung.147 Dass dies unproblematisch ist, zeigt ja gerade die – umgekehrte – Regelung zur Vornahme von Privatscheidungen im Inland. Diese sind jedenfalls wegen Art. 17 III EGBGB nicht möglich, sondern müssen im Rahmen eines gerichtlichen Scheidungsverfahrens erfolgen; der private Scheidungstatbestand des ausländischen Rechts wird dabei nach allgemeiner Ansicht zur Grundlage für den Erlass des entsprechenden gerichtlichen Beschlusses.148 Eine verfahrensrechtliche Qualifikation würde die lex causae also nicht völlig entwerten.149 Entsprechendes gilt mithin für die hier untersuchte – umgekehrte – Konstellation der Privatscheidung im Ausland. Man hätte dann schlicht zwischen den materiellen Scheidungsvoraussetzungen und der privaten Durchführung zu unterscheiden. bb) Durchführbarkeit einer materiell-rechtlichen Qualifikation unter Praktikabilitätsgesichtspunkten Eine zunächst befürwortete, rein verfahrensrechtliche Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB hielt Henrich für sinnvoll, um anderen Rechtstraditionen, welche gerade nicht die gerichtliche Scheidung als Leitbild haben, Raum zu gewähren, wenn in deren Rechtskreis eine Scheidung nach deutschem Recht erfolgt.150 Eine ähnliche Argumentation findet sich im Adoptionsrecht angedeutet, wenn zumindest auf die Vorteile einer solchen Qualifikation, die für die Beteiligten und das Gericht bzw. die
anderen Fällen ein anderes Verfahrensrecht aufzwingen würde; siehe Baumann, Adoptionen, S. 38. 147 Vgl. auch Herfarth, Scheidung, S. 97 – der aber annimmt, dass eine Geltung des § 142 BGB oder § 349 BGB in solchen Fällen „sicherlich von niemandem gutgeheißen werden würde“. 148 Siehe etwa BGH, Urt. v. 6. 10. 2004 – XII ZR 225/01, BGHZ 160, 332 (345); NK-BGB/ Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 34 („materiellrechtliche Grundlage“), 67; NK-BGB/ders., Art. 1 Rom III-VO Rn. 66 f.; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 186; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 566. Nach h. M. muss dabei ein Scheidungsbeschluss im Sinne eines Gestaltungsbeschlusses ergehen; siehe etwa BGH, Urt. v. 6. 10. 2004 – XII ZR 225/01, BGHZ 160, 332 (345); NK-BGB/Gruber, Art. 17 EGBGB Rn. 67; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 187; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 566; a. A. (für eine Feststellungsentscheidung) Kegel/ Schurig, IPR, § 20 VII 3 b), S. 870. 149 Vgl. wiederum auch die Argumentation zur „immer“ gegebenen Verbindung und dennoch möglichen Abtrennbarkeit bei Baumann, Adoptionen, S. 38. 150 Henrich, IPRax 1982, 94 (95) (wobei er betont, dass dies „keine unkritische Anerkennung“ von Privatscheidungen bedeute und insbesondere hinsichtlich „Verstoßungsscheidungen“ auf den entgegenstehenden ordre public verweist); ähnlich ders., IPRax 1988, 178 f.; siehe aber zur Abkehr von dieser Ansicht wiederum ders., IPRax 1995, 86 (89).
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Behörde einfachere Durchführung, hingewiesen wird.151 Die Ansicht, die bei der „staatliche[n] Mitwirkung“ im Inland nach der Ausgestaltung der Adoption differenziert, zieht noch andere Begründungen für den im Verfahrensrecht allgemein geltenden lex fori-Grundsatz heran.152 Wie oben erörtert, ist im internationalen Zivilverfahrensrecht zu Recht die lex fori-Verweisungsregel vorherrschend, hinter der insbesondere Erwägungen der Praktikabilität und auch Rechtssicherheit stehen, die sich sodann bei der Qualifikationsfrage wiederfinden.153 Das Gericht soll das Verfahren selbst nach der eigenen Rechtsordnung durchführen können,154 was auch diejenigen zugestehen, die das lex fori-Prinzip insgesamt (etwas) kritischer betrachten bzw. zu einer vermehrt materiell-rechtlichen Qualifikation neigen.155 Folglich wäre es unter diesem Aspekt tatsächlich denkbar, neben dem „Wie“ des Verfahrens, auch das „Ob“ eines solchen Verfahrens verfahrensrechtlich zu qualifizieren.156 Hierfür ließe sich anführen, dass die Frage des „Ob“ eines Verfahrens dem „Wie“ der Durchführung und des Ablaufs denknotwendig vorgeschaltet ist. Auf den ersten Blick erscheint somit eine parallele, d. h. verfahrensrechtliche Behandlung folgerichtig. Einzelne Stimmen im Schrifttum nehmen Fälle in den Blick, in denen die lex causae kein Verfahren vorschreibt bzw. eine Privatscheidung zulässt, und gelangen zu dem gegenteiligen Schluss, dass die Praktikabilitätsargumente der lex fori-Regel bzw. verfahrensrechtlichen Qualifikation nicht zum Tragen kommen könnten, da
151 Vgl. Schröder, StAZ 1969, 217 (218), der aber eine andere, nämlich eine Formqualifikation bevorzugt. 152 Baumann, Adoptionen, S. 36 f. („öffentliche[ ] Gewalt“, „Hoheitsgebiet“ und „Hoheitsgewalt“ sowie Zumutbarkeit und Sicherheit, S. 36 – mit Verweis auf Rspr. und Lit. zum allg. lex fori-Grundsatzes, S. 37, Fn. 8); siehe zu den einzelnen Begründungen und ihrer (Nicht-)Berechtigung allg. im Rahmen des lex fori-Grundsatzes oben unter § 2 A.II.3.a). 153 Siehe oben unter § 5 B.II.1.b)cc); vgl. insbesondere die Argumentation im Adoptionsrecht bei Baumann, Adoptionen, S. 36 f. 154 Nagel/Gottwald, IZPR, Rn. 1.42 („abgewickelt“); hierauf abstellend Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131 (139 f.), da generell für eine vermehrt verfahrensrechtliche Qualifikation und Anwendung der lex fori plädierend (138 ff.); siehe noch Roth, in: FS Stree/Wessels, S. 1045 (1053) (als „genuine[s] Prozeßrecht“ (u. a.) den „Gang des Verfahrens“ qualifizierend). 155 Für die „Durchführung des Verfahrens“ als Verweisungsregel die lex fori greifen lassend Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 19, 208, der trotz der kritischen Auseinandersetzung mit dem lex fori-Prinzip den Praktikabilitätserwägungen beipflichtet, S. 20 f.; noch Geimer, IZPR, Rn. 322, 2630; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 9 („Ablauf“) i. V. m. Rn. 7. 156 Siehe wiederum – zur nach späterer, „auch“ materiell-rechtlich qualifizierender Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.)) nur parallelen verfahrensrechtlichen Qualifikation – BGH, Beschl. v. 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34 (47); zustimmend Nojack, Exklusivnormen, S. 61; offenbar noch Johannsen/ Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 28.
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dann fraglich sei, woran diese Argumente überhaupt anknüpfen.157 Diese Argumentation ist wenig überzeugend. Problematisch sind grundsätzlich gerade die Fälle, in denen entweder, wie bei der vorliegenden Untersuchung, im Ausland kein Verfahrenserfordernis gegeben, d. h. die Privatscheidung zulässig ist – nach dem anwendbaren Recht aber eine hoheitliche, gerichtliche Scheidung erfolgen muss; oder es geht umgekehrt um Fälle, in denen vor Ort ein Verfahrenserfordernis besteht – das anwendbare Recht ein solches aber nicht verlangt. In den erstgenannten Fällen könnte man das Nichtvorhandensein eines gerichtlichen Verfahrens aber sehr wohl als Frage nach dem „Ob“ und verfahrensrechtlich qualifizieren: Ist vor Ort für die jeweilige Gestaltung, die Scheidung, kein gerichtliches Verfahren vorgesehen, fände dann (gedanklich) nämlich dennoch die dortige lex fori Anwendung, nämlich das nicht vorhandene, negative Verfahrenserfordernis, d. h. die Zulässigkeit eines Privatakts bzw. einer Privatscheidung als Kehrseite.158 Wenn, wie in den zweiten und von den zitierten Stimmen angeführten Fällen, die lex causae gerade keinen gerichtlichen Gestaltungsakt vorsieht, man aber die Frage nach dem „Ob“ eines gerichtlichen oder privaten Gestaltungsakts verfahrensrechtlich qualifizierte, gelangte man zur lex fori des Staates, in dem der Gestaltungsakt bzw. die Scheidung vorgenommen werden soll. So wäre im Inland – davon abgesehen, dass dies Art. 17 III EGBGB ohnehin zwingend vorsieht – weiterhin die hier gewohnte gerichtliche Scheidung anstelle einer etwa notariellen Privatscheidung durchzuführen. Es lässt sich also zumindest nicht von vornherein konstatieren, dass Praktikabilitätserwägungen als solche „ins Leere“159 gehen und überhaupt nicht in Betracht kommen.160 Fraglich bleibt aber, ob Praktikabilitätserwägungen vorliegend tatsächlich eine verfahrensrechtliche Qualifikation rechtfertigen können. Zunächst kann festgehalten werden, dass solche Erwägungen allein eine verfahrensrechtliche Qualifikation nicht begründen können, denn die Qualifikation hat, wie gesehen, im Wege einer funktionalen Qualifikation lege fori zu erfolgen, bei der derartige Interessen zwar mitberücksichtigt werden, aber eben nicht allein maßgeblich sind.161 Gewichtiger ist 157 Siehe die Argumentation gegen die Reichweite der lex fori im Falle eines nach der lex causae fehlenden Verfahrenserfordernisses bei Herfarth, Scheidung, S. 99; speziell gegen eine verfahrensrechtliche Einordnung bei der Privatscheidung Raupach, Ehescheidung, S. 244. 158 Vgl. – trotz der erwähnten Gegenargumentation – auch Herfarth, Scheidung, S. 97, der diese gedankliche Weiterführung als durchaus denkbar anzusehen scheint und offenbar nur nicht „gutheißen“ möchte. 159 So die Wortwahl der Gegenargumentation bei Herfarth, Scheidung, S. 99. 160 Entsprechendes lässt sich auch der in diesem Zusammenhang noch angeführten Gegenargumentation bei Herfarth, Scheidung, S. 99 entgegenhalten, wonach der Gedanke der Austauschbarkeit von Verfahren (siehe zur „Fungibilität“ im Zusammenhang mit „Praktikabilitätserwägungen“ als Rechtfertigung des lex fori-Prinzips im Verfahrensrecht – sehr krit. – näher nur Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 140 ff.) nicht einschlägig sei, wenn die lex causae kein Verfahren vorsieht. Denn es ließe sich – ganz unabhängig von der Rechtfertigung eines solchen Gedankens – entsprechend dem zuvor Gesagten durchaus von einem Austausch sprechen. Nur wäre eben ein „Nichtverfahren“ (bzw. ein privates „Gestaltungsprozedere“) durch ein gerichtliches Verfahren ersetzt. 161 Hierzu wiederum oben unter § 5 B.II.1.b)cc).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
jedoch, dass die vorstehenden Überlegungen zum „Ob“ und „Wie“ eines Verfahrens bereits selbst zeigen, dass es sich um zwei getrennt zu betrachtende Fragen handelt.162 Die Frage des „Ob“ eines Verfahrens (der Anordnung eines konstitutiven Hoheitsakts des Gerichts anstelle eines privaten Gestaltungsakts) führt erst dazu, dass das Gericht überhaupt tätig werden muss – das Zulassen eines privaten konstitutiven Akts führt umgekehrt dazu, dass ein gerichtliches Tätigwerden nicht erforderlich wird. Der Gesichtspunkt, aus Gründen der Praktikabilität des Verfahrens selbst und wegen der Rechtssicherheit müsse die eigene Rechtsordnung (lex fori) angewendet werden, trifft auf die dem „Wie“ (der Durchführung des Verfahrens) vorgelagerte Frage des „Ob“ gerade nicht zu163 – vorausgesetzt, man spaltet die Frage des „Wie“ weiterhin wie gewohnt ab und lässt das Gericht sodann nach der lex fori verfahren. Dies deckt sich mit der zuvor zur Abtrennbarkeit der (Gestaltungs-) Rechtsausübung erwähnten, umgekehrten Konstellation, wo am Beispiel des Art. 17 III EGBGB aufgezeigt wurde, wie eine Privatscheidung innerhalb des inländischen gerichtlichen Scheidungsverfahrens Berücksichtigung findet, sich also ohne größere Schwierigkeiten in ein Verfahren einfügt. cc) Zwischenergebnis Sowohl der Aspekt der materiellen Rechtsausübung als auch verfahrensrechtliche Praktikabilitätserwägungen führen zu keinem Qualifikationsergebnis. Beiden Gesichtspunkten kann eine Abtrennbarkeit des Gestaltungs(klage)rechts von der Ausübung dieses Rechts bzw. eine Unterscheidung der Frage des „Ob“ von der des „Wie“ eines Verfahrens entgegengehalten werden. Eine verfahrensrechtliche Qualifikation würde die Rechtsausübung nicht beeinträchtigen, eine materiell-rechtliche würde aber auch nicht die (praktische) Verfahrensdurchführung behindern. Folglich besteht auch unter diesen Gesichtspunkten eine „Patt“-Situation. c) Materiell-rechtliche Qualifikation unter funktionaler Betrachtung aa) Ausgangsüberlegung Oben wurde die rechtsgebietsübergreifende Kernargumentation erörtert; diese stützt sich, wie gesehen, für die (auch) materiell-rechtliche Qualifikation auf die 162 Siehe auch Raupach, Ehescheidung, S. 244; insofern zur Gegenüberstellung gerichtlicher und religiöser Scheidungen anders, da schlicht unter die Frage fassend, „wie die Scheidung zu erfolgen hat“, Henrich, IPRax 1995, 86 (88) – bezüglich § 1564 S. 1 BGB aber anschließend einen „auch materiellrechtlichen Charakter“ zugestehend (89, Fn. 27); zu Art. 17 II EGBGB a. F. in ähnlicher Weise anders die oben angeführte Argumentation bei Rauscher/Helms, Art. 1 Rom III-VO Rn. 19 („bestimmtes Verfahrensregime“). 163 Vgl. i. E. Herfarth, Scheidung, S. 99; ähnlich schon Kegel, IPRax 1983, 22 (23); wiederum noch Raupach, Ehescheidung, S. 244; vgl. im Kontext der Gestaltungklagen Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S. 208 (lex fori-Regel für „eigentlichen Kernbereich des gerichtlichen Verfahrens“).
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materiell-rechtliche Verbindung der gerichtlichen Scheidung bzw. weiterer gerichtlicher Gestaltungsakte. Wie dort herausgearbeitet, genügt dieser bloße Verbindungsgedanke, insbesondere wegen der zugleich verfahrensrechtlichen Verbindung einer gerichtlichen Gestaltung, aber nicht für eine Qualifikationsentscheidung.164 Geht man dem Gesichtspunkt der materiell-rechtliche Verbindung jedoch unter funktionaler Betrachtung weiter nach, wird man zu dem Ergebnis gelangen, dass eine materiell-rechtliche Qualifikation im Sinne der Ablehnung einer verfahrensrechtlichen dennoch gerechtfertigt ist. bb) Bedingte Durchschlagskraft einer kontrollfokussierten Argumentation Zunächst ist ein Blick auf ein Argument zu richten, das sich verbreitet bei der herrschenden Meinung im Scheidungsrecht findet. Dort verweisen Rechtsprechung und Schrifttum für die materiell-rechtliche Qualifikation – mehr oder weniger in Abgrenzung zu einer (rein) verfahrensrechtlichen Qualifikation – auf die „materiellrechtliche Kontrolle der Scheidungsvoraussetzungen“ in § 1564 S. 1 BGB.165 Fraglich wäre, ob man dieses Argument dadurch abschwächen kann, dass man – mit der früheren Argumentation Henrichs – auf eine „tatsächlich“ fragliche Kontrollfunktion deutscher Gerichte bei der sog. einverständlichen Scheidung verweist.166 Wie weiter oben im Rahmen der Anerkennung dargelegt, lässt sich die Rolle der richterlichen Kontrolle gerade im Falle der sog. einverständlichen Scheidung als praktisch eingeschränkt ansehen,167 weshalb sogar von einer „in der Realität letztlich auf eine nur beurkundende Funktion des Gerichts hinauslaufende[n] Praxis“ die Rede ist.168 Jedoch wurde dort ebenfalls aufgezeigt, dass zumindest gesetzlich eine Kontrolle der Scheidungsvoraussetzungen vorgesehen ist und Gestaltungsurteile generell eine solche bezwecken. Bei der Untersuchung des Kontrollmerkmals des 164
Siehe oben unter § 5 B.II.3.a)aa)(2). Siehe BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276) – wobei dies dort im Zusammenhang sowohl mit der (auch) verfahrensrechtlichen Qualifikation als auch der Einordnung als „nicht nur […] Formerfordernis“ erwähnt wird; gerade in Abgrenzung zur Geltung der verfahrensrechtlichen lex fori Kotzur, Kollisionsrechtliche Probleme, S. 221 (unter Berufung auf MüKo-BGB1/Lorenz, Art. 17 EGBGB Rn. 490 – der sich dort aber auf eine Abgrenzung zur Form konzentriert); der materiell-rechtlichen Einordnung des BGH gerade wegen des Kontrollarguments nunmehr (entgegen früherer Gegenansicht) folgend Henrich, IPRax 1995, 86 (89, Fn. 27); siehe noch Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 29a i. V. m. Rn. 5 (keine „bloße Ordnungsvorschrift“). 166 Vgl. Henrich, IPRax 1988, 178 (179), der sich zunächst auf die eingeschränkte kontrollierende Rolle beruft und eine verfahrensrechtliche Qualifikation befürwortet – allerdings später gerade wegen der „Kontrolle der Scheidungsvoraussetzungen durch eine unabhängige Instanz“ einen „auch materiellrechtlichen Charakter“ des § 1564 S. 1 BGB annehmend ders., IPRax 1995, 86 (89 i. V. m. Fn. 27). 167 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2). 168 Siehe wiederum Coester-Waltjen, JZ 2017, 1073 (1079); ebenso dies./Coester, in: FS Canaris, S. 659 (676); ähnlich Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (242); allg. in Bezug auf heutige gerichtliche Scheidungen Hepting/Dutta, Familie, Rn. III-502. 165
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
Entscheidungsbegriffs ergab sich zwar zugleich, dass Kontrollaspekte bei Formvorgaben im deutschen Recht wie der notariellen Beurkundung oder standesamtlichen Eheschließung ebenfalls eine Rolle spielen können.169 Diese Feststellung stellt aber nicht eine materiell-rechtliche Qualifikation gegenüber einer verfahrensrechtlichen in Frage, sondern betrifft die einer materiell-rechtlichen Qualifikation nachfolgende Frage, ob diese im engen Sinne zu verstehen ist, d. h. ausschließlich die lex causae greift, oder nicht noch vielmehr eine Qualifikation als Formregel in Betracht kommt.170 Festzuhalten bleibt zudem, dass bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung nach § 109 FamFG ebenfalls herausgearbeitet wurde, dass die gerichtliche Scheidung aufgrund des gerichtlichen Scheidungsausspruchs von besonderer Beständigkeit ist; die Funktion einer gerichtlichen Gestaltungsentscheidung geht über die Kontrolle hinaus.171 Deswegen kann auch die (dem Kontrollargument entgegengehaltene) Überlegung, die Voraussetzungen der Scheidung könnten im Falle einer verfahrensrechtlichen Qualifikation, d. h. Zulassung einer Privatscheidung im Ausland trotz deutschen Scheidungsstatuts, noch im Wege der internationalprivatrechtlichen Wirksamkeitsprüfung nachgeprüft werden,172 nicht greifen. Kontrollüberlegungen helfen aber dennoch nur bedingt weiter. Auch wenn man die Kontrollfunktion bei der gerichtlichen Scheidung bejaht, ist damit für die vorliegende Qualifikationsfrage noch nicht abschließend geklärt, ob das Erfordernis eines Gestaltungsakts – gerade mit Blick auf die gerichtliche (!) Gestaltungstätigkeit (§ 1564 S. 1 BGB) – aus funktionaler Sicht materiell- oder verfahrensrechtlicher Natur ist. cc) Funktionaler Blick auf Gestaltungsantragsrecht und gerichtliche Konstitutivwirkung Ein für die funktionale Betrachtung einschlägiger Begründungsansatz lässt sich zunächst der (BGH-)Rechtsprechung entnehmen, wenn diese erwähnt, dass § 1564 S. 1 BGB gerade „keine unmittelbar wirkende Vereinbarung der Ehegatten über die Scheidung“ vorsehe.173 Auch im Schrifttum findet sich eine solche Argumentation 169
Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2)(a). Dazu näher unten unter § 5 B.III.1. 171 Hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2). 172 So aber wiederum Henrich, IPRax 1988, 178 (179). 173 BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (277) – wobei dies vom BGH wiederum sowohl im Gegensatz zu einer (rein) verfahrensrechtlichen als auch schlichten Formqualifikation angeführt wird; dieser „auch materiellen“ Einordnung des BGH folgend BayObLG, Beschl. v. 12. 9. 2002 – 3Z BR 136/02, FamRZ 2003, 381 (383) (§ 1564 BGB „räumt den Ehegatten auch bei Einvernehmen nicht die Möglichkeit ein, ihre Ehe im Wege der Vereinbarung aufzulösen“.); zuvor schon zum „mindestens auch materiellrechtlichen Gehalt“ Beschl. v. 29. 11. 1982 – BReg. 1 Z 54/82, BayObLGZ 1982, 389, (395) („Auflösung einer Ehe an eine gerichtliche Gestaltungsentscheidung [ge]knüpft, […] Eheband rechtsgeschäftlich schlechthin nicht manipulierbar.“). 170
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wieder.174 Das Augenmerk ist insbesondere auf die Argumentationen Herfarths sowie auch Kegels zu richten, welche für § 1564 S. 1 BGB bzw. Klageerfordernisse und deren materiell-rechtliche Qualifikation die materiell-rechtlich begrenzte Rechtsmacht auf privater Seite hervorheben175 bzw. umgekehrt die gerichtliche Gestaltungsmacht.176 In Bezug auf diese Argumentationen kann zunächst festgehalten werden, dass die Gestaltungsklageerhebung, wie gesehen, zwar eine verfahrensrechtliche Handlung darstellt – gleichzeitig aber Ausübung des jeweiligen privaten materiellen Gestaltungs(klage)rechts ist. Auch bei der sog. einverständlichen Scheidung (§§ 1564 S. 1, 1565 I i. V. m. 1566 I BGB) ist ein solches Gestaltungsantragsrecht gegeben, wenngleich im weiteren Sinne aufgrund des faktisch einverständlichen Handelns.177 Zwar wäre die Ausübung des Gestaltungs(klage)rechts bei einer verfahrensrechtlichen Qualifikation, wie gesehen, nicht gefährdet178 – dass es um die Ausübung eines materiellen Gestaltungs(klage)rechts geht, zeigt aber eine ganz spezifische Verankerung im materiellen Recht.179 Selbst wenn man der Ansicht folgen würde, nach der in Gestaltungsklagen im Allgemeinen bzw. im Scheidungsantrag (auch) eine „formalisierte Willenserklärung“ zu sehen ist,180 würde dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis führen, vielmehr wäre eine materiell enge Verankerung noch deutlicher. Dies zeigt sich, wenn Vertreter der materiell-rechtlichen Qualifikation bei ihrer Argumentation, entgegen der vorliegend vertretenen Einordnung, die Natur der 174 So Kotzur, Kollisionsrechtliche Probleme, S. 221 i. V. m. Fn. 109 (Bei einer Privatscheidung trotz Geltung des § 1564 S. 1 BGB „fehlt [es] an einem Teil des die Eheauflösung bewirkenden zweigliedrigen Tatbestands“.); siehe noch – wenngleich ohne Abgrenzung zu einer verfahrensrechtlichen Einordnung – Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 61 zu Vorschriften, die einen bestimmten Scheidungsvollzug vorschreiben („materiell-rechtliche Beschränkung[en]“, wenn man sie dem „theoretisch weitestgehenden Maßstab einer Auflösung der Ehe ipso iure“ gegenüberstelle). 175 Herfarth, Scheidung, S. 95 f. (wegen § 1564 S. 1 BGB kein „echte[s] Gestaltungsrecht[ ]“ oder keine „vertragsähnliche Privatscheidung“); Kegel, IPRax 1983, 22 (23) („die Bindung der Geltendmachung eines subjektiven Rechts an ein Verfahren“ bedeute, dass dessen „materiellrechtlicher Gehalt […] verkürzt“ werde). 176 Herfarth, Scheidung, S. 95 f. 177 Siehe zum Gestaltungsantragsrecht Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 25 Rn. 1 – wobei aber auch von einer „formalisierten Willenserklärung“ sprechend, Rn. 3; zur Natur als Verfahrenshandlung Wieczorek/Schütze3/Becker-Eberhard, § 606 (a. F.) Rn. 10; näher hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). 178 Siehe oben unter § 5 B.II.3.b)aa). 179 Vgl. – zum nationalen Recht – Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (486); sowie die Ausführungen zum materiellen Gestaltungsklagerecht oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). Selbst im Falle der Ablehnung eines materiellen Gestaltungsklagerechts wird bisweilen die materiellrechtliche Verankerung hervorgehoben; siehe Henckel, Prozeßrecht, S. 115, Fn. 210 („materieller[r] Gestaltungsgrund“). 180 Siehe Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 3 Rn. 25, § 25 Rn. 3; zu den Gestaltungsklagen im Allg. die ältere Lehre vom Doppeltatbestand sowie zum Scheidungsantrag Teile des Schrifttums im Familien- bzw. Scheidungsrecht wiederum oben unter § 4 C.II.1.b) aa)(1).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
Gestaltungsklage als „Willenserklärung“ hervorheben.181 Stellt man die gerichtliche Scheidung einer vertraglichen Privatscheidung gegenüber, lässt sich (in Anlehnung an Hellwig182) jedenfalls von einer besonderen Ausübung des einverständlichen Handelns sprechen.183 Denkt man diese Verankerungsüberlegung aus dem Blickwinkel der funktionalen Qualifikation weiter, übernimmt das Gericht bei einer Gestaltungsklage bzw. bei einem gerichtlichen Gestaltungserfordernis also die Funktion, die Gestaltung zu vollziehen;184 es schließt den eheauflösenden „Scheidungsvertrag“ für die Eheleute ab. Vertragsabschlüsse und somit auch Auflösungsverträge sind klassische (Gestaltungs-)Mittel, die Privatautonomie auszuüben, die das materielle Zivilrecht den Privatrechtssubjekten zugesteht.185 Im Falle eines gerichtlichen Gestaltungserfordernisses ist lediglich ausnahmsweise aus besonderen Gründen (der Kontrolle der Gestaltungsvoraussetzungen und Rechtssicherheit) kein privater Gestaltungsvollzug möglich.186 Dabei kommt es an dieser Stelle abermals auch nicht auf die Frage an, inwiefern ein echtes Gestaltungsrecht tatsächlich eine „Einseitigkeit“ erfordert;187 denn eine Gestaltung wie die Eheauflösung ist bei einer einvernehmlichen Privatscheidung jedenfalls durch vertragliches Handeln der 181 Siehe v. Craushaar, Prozeßnormen, S. 60 f., wonach das erforderliche gerichtliche Handeln lediglich eine „Sanktion“ der jeweiligen Willenserklärung sei, eine Art „placetStempel“, was er mit Hinweisen auf Hellwigs Ausführungen zu den konstitutiven Urteilen und dem zugehörigen materiellen Recht auf Rechtsänderung untermauert, S. 60, Fn. 165; siehe noch – wobei im Zusammenhang mit der zunächst nicht weiterhelfenden Untersuchung nach den berührten Lebensbereichen – Herfarth, Scheidung, S. 92, wonach § 1564 S. 1 BGB eine „formalisierte Willenserklärung“, den Antrag auf Scheidung bei Gericht verlange. 182 Hellwig, Klagerecht, S. 136, 126 – der gar von einer „Form“ dieser Rechtsausübung spricht. 183 Mit Blick auf Gestaltungs(klage)rechte eine solche Gegenüberstellung herausarbeitend Herfarth, Scheidung, S. 95 – und dabei sogar, entgegen der hier vertretenen Einordnung, von einer „formalisierte[n] Willenserklärung“ sprechend, S. 92. 184 Siehe auch zum deutschen Scheidungsrecht MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 1 („formale Akt der Scheidung […] durch eine gerichtliche Entscheidung […] vollzogen“). 185 Siehe zu Privatautonomie und Vertragsfreiheit im Zivilrecht näher etwa MüKo-BGB/ Busche, Vor § 145 Rn. 2, 10 ff., 24 ff. (zu Aufhebungsverträgen Rn. 28); Neuner, BGB AT, § 10 Rn. 28, 33 ff.; zu Rechtsgeschäften Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 174 f.; siehe noch Adomeit, Gestaltungsrechte, S. 15 (wobei ohnehin die Vertragsfreiheit zu den Gestaltungsrechten zählend, S. 10 ff.). 186 Siehe etwa Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 88; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 38, 40 f., 43; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 84; näher zum Hintergrund der Gestaltungsklagen und -urteile oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(b) und § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c); dies speziell bei der vorliegenden Qualifikationsfrage anführend Herfarth, Scheidung, S. 95 f., der eine materiell-rechtliche Entscheidung des Gesetzgebers sieht, wenn im „Interesse der Rechtsklarheit und -sicherheit und der gerichtlichen Überprüfung der Scheidungsgründe“ (S. 96) lediglich ein Gestaltungsklagerecht gegeben ist. 187 Typischerweise wird im materiellen Zivilrecht von Gestaltungsrechten gesprochen, die durch einseitige Willenserklärung ausgeübt werden; siehe etwa Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 84; Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 31; a. A. Adomeit, Gestaltungsrechte, S. 10 ff. (auch die allg. Vertragsfreiheit dazu zählend); siehe zu dieser Frage der dogmatischen Einteilung näher oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(b).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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Eheleute möglich, die gleiche Gestaltung im Falle einer gerichtlichen Scheidung (wie nach § 1564 S. 1 BGB) erfordert aber nun einmal eine Scheidungsklage bzw. einen Scheidungsantrag.188 Gerade wegen dieser besonderen Funktion ist eine verfahrensrechtliche Qualifikation abzulehnen.189 Der verfahrensrechtliche Bezug, den die jeweiligen Anträge aufgrund ihrer Natur als Verfahrenshandlung und der jeweilige Gestaltungsakt aufgrund des gerichtlichen Verfahrens aufweisen, ist aus dem dargelegten Blickwinkel lediglich eine denknotwendige Folge oder, um Herfarths prägnante – bei diesem auf die „Gestaltungsmacht“ bezogene – Formulierung zu benutzen, „bloßer Reflex“.190 d) Ergebnis Der herrschenden Meinung, die eine verfahrensrechtliche Qualifikation (oder in vergleichbarer Weise die Geltung der lex fori) für die Frage des „Ob“ einer gerichtlichen oder privaten Scheidung bzw. Gestaltung ablehnt, ist im Ergebnis zuzustimmen. Bei funktionaler Betrachtungsweise handelt es sich bei dem Erfordernis einer gerichtlich zu beantragenden Scheidung (§ 1564 S. 1 BGB) oder – umgekehrt – dem Erfordernis eines privaten Scheidungsvertrags um keine verfahrensrechtliche Frage. 4. Weitere gerichtliche und behördliche konstitutive Scheidungsakte Die herrschende (auch) materiell-rechtliche Qualifikation eines gerichtlichen Scheidungserfordernisses191 greift nicht nur bei § 1564 S. 1 BGB. Auch für den Fall, dass ein ausländisches Scheidungsrecht anwendbar ist, das eine gerichtliche oder behördliche Scheidung vorsieht, ist eine ausländische Privatscheidung nach herrschender Ansicht nicht wirksam. So erwähnen Vertreter der herrschenden Auffassung auch andere Scheidungsrechte mit gerichtlicher Scheidung bzw. schlicht gerichtliche Scheidungen ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Recht192 oder gehen, 188 Vgl. wiederum die Gegenüberstellung im Rahmen der allg. Dogmatik der Gestaltungs(klage)rechte bei Lakkis, Gestaltungsakte, S. 38, Fn. 152 („ohne Relevanz“); siehe noch Herfarth, Scheidung, S. 95 (bei der Gegenüberstellung von § 1564 BGB und Privatscheidungen in Bezug auf Letztere von „eine[m] echte[m] Gestaltungsrecht[ ]“ sprechend). 189 Vgl. gerade wiederum allg. Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 327 (allg. zur materiellrechtlichen Qualifikation bei Übernahme materieller Funktionen durch das Prozessrecht). 190 Herfarth, Scheidung, S. 96; vgl. noch zur gerichtlichen Insolvenzanfechtungsklage Mankowski, NZI 2015, 481 (482) („nur prozessuales Mittel zum materiellrechtlichen Zweck“) – wobei aber auch speziell insolvenzrechtlich argumentierend (481 f.). 191 Siehe zu dieser Qualifikation oben unter § 5 B.II.2.a)aa). 192 Siehe KG, Beschl. v. 19. 3. 1023 – 1 VA 12/12, FamRZ 2013, 1484 (1485) (keine „Anerkennung“ einer thailändischen Privatscheidung bei Anwendung italienischen Scheidungsrechts nach Art. 17 I EGBGB a. F. i. V. m. Art. 14 EGBGB a. F., da das italienische Recht – damals – eine gerichtliche Scheidung vorschrieb); aus der Lit. allg. zur Frage gerichtlicher oder
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
allgemeiner formuliert, davon aus, dass die Frage des Scheidungsvollzugs bzw. der Möglichkeit einer Privatscheidung materiell-rechtlich einzustufen193 bzw. vom Scheidungsstatut zu beantworten sei.194 Es ist gerechtfertigt, auch in diesen Fällen das entsprechende (gerichtliche oder behördliche) Gestaltungserfordernis des ausländischen Rechts materiell- und nicht verfahrensrechtlich zu qualifizieren. Die vorstehende Argumentation lässt sich auf die gerichtlichen Gestaltungsakte in anderen Rechtsordnungen übertragen, aber auch auf behördliche Gestaltungsakte, wenn zwar kein Richter, aber beispielsweise wie im norwegischen Recht eine Verwaltungsbehörde in rechtsgestaltender Weise tätig wird.195 Die angeführten Argumente der besonderen materiell-rechtlichen Verankerung und Übernahme klassischer privater Funktionen bzw. Gestaltungsmittel greifen auch in diesen Konstellationen.
III. Materiell-rechtliche Qualifikation im engeren Sinne 1. Materiell-rechtliche Qualifikation in Abgrenzung zu Formfragen a) Überblick zur Abgrenzung von Form und Inhalt aa) Form als sog. abgespaltene Teilfrage und Qualifikationsproblem Art. 11 EGBGB beruft für die Formgültigkeit von Rechtsgeschäften alternativ die lex causae, das sog. Geschäfts-/Wirkungsstatut, oder das Ortsrecht zur Anwendung.196 Bei dieser Regelung handelt es sich um die Sonderanknüpfung einer sog. Teilfrage.197 Als Teilfrage lassen sich mit dem herrschenden Verständnis im (Privat-)Scheidungen schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 2, S. 144; ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 2 b), S. 311. 193 Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 61; noch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 50, 155. 194 Martiny, IZVR III/1, Rn. 1744; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 117; noch Kleinrahm/Partikel, Anerkennung, S. 161; Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (14). 195 Siehe zur Einordnung der Scheidung in Norwegen oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(3); zum dabei tätig werdenden Fylkesmann als Verwaltungsbehörde wiederum Sperr, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 265 (270). 196 Zu den Begrifflichkeiten in diesem Kontext etwa BT-Drs. 10/504, S. 48; Staudinger/ W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 1; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 7 Rn. 40; noch Kropholler, IPR, § 41 III vor 1, S. 310 („Geschäftsrecht“); ganz allg. gegen die Bezeichnung der lex causae als Wirkungsstatut jedoch Neuhaus, Grundbegriffe, § 14 I 4, S. 120; ebenso Kropholler, IPR, § 15 II 3, S. 118. 197 Etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 104; MüKo-BGB/Spellenberg, Vor Art. 8 EGBGB Rn. 33; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1196; Aubart, dépeçage, S. 9; Lüderitz, IPR, Rn. 143; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 43; nachdrücklich und allg. formuliert schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 vor I, S. 142 (Form als „[d]as praktisch wichtigste Beispiel der Abspaltung einer Teilfrage“); siehe zum „Formstatut als selbstständige Teilfrage“ außerhalb des Art. 11 EGBGB im erbrechtlichen Kontext noch OLG Schleswig, Beschl. v. 25. 4. 2016 – 3 Wx 122/15, IPRax 2017, 626 (629, dort Rn. 36 f.); für einen historischen Abriss der Sonder-
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Schrifttum198 unselbstständige Bestandteile einer umfassenderen Rechtsfrage, der sog. Hauptfrage, bezeichnen, wobei die Unselbstständigkeit dahingehend zu verstehen ist, dass sich die Teilfrage immer im Zusammenhang mit einer Hauptfrage stellt und nicht isoliert auftaucht.199 Eine Teilfrage ist in der Regel als zur Hauptfrage gehörend, d. h. der lex causae unterliegend anzuknüpfen.200 Wie gerade anhand von Art. 11 I EGBGB gesehen, ergibt sich aber bereits aus der Existenz besonderer Kollisionsnormen, dass einzelne Teilfragen gesondert anzuknüpfen sind – und zwar selbstständig, um die besondere Kollisionsnorm nicht leerlaufen zu lassen – und so einer anderen Rechtsordnung unterstehen können als die Hauptfrage.201 Im Falle einer kollisionsrechtlichen Abspaltung einer Teilfrage kann man auch von einer sog. dépeçage sprechen.202
anknüpfung BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 37 ff. („Entkoppelung der Formanknüpfung vom Geschäftsstatut“). 198 Siehe dazu, dass die Rspr. bezogen auf Teil-, Vor- und Erstfragen (zu letzteren sogleich) in der Regel keine terminologische Differenzierung vornehme, v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 42; explizit von einer Teilfrage sprechend aber OLG Schleswig, Beschl. v. 25. 4. 2016 – 3 Wx 122/15, IPRax 2017, 626 (629, dort Rn. 36 f.). 199 Siehe etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 104, 171; Bernitt, Vorfragen, S. 10 f.; Nietner, Entscheidungseinklang, S. 191 f.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 43; noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1195; Lüderitz, IPR, Rn. 143; knapp Raape/Sturm, IPR I, § 16 II, S. 289; vgl. schon Serick, RabelsZ 18 (1953), 633 („unselbstständige[ ] Glieder“); mit Betonung der Unselbstständigkeit. 200 Siehe etwa Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1195; Nietner, Entscheidungseinklang, S. 192; Raape/Sturm, IPR I, § 16 II, S. 289; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 46; grundlegend zur Abspaltungsproblematik schon Serick, RabelsZ 18 (1953), 633 (636 f.) zum „Verbot der inneren Aufspaltung“ und „äußeren Aufspaltung“ sowie im Falle einer „Sonderanknüpfung“ zur „möglichst eng[en]“ Auslegung (637). 201 Eingehend Bernitt, Vorfragen, S. 11 f. (mit näheren Ausführungen zur selbstständigen Anknüpfung); siehe noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1196, 1198; Kropholler, IPR, § 18 I 2, S. 133; v. Hoffmann/Thorn, IPR, Rn. 46; siehe schon Serick, RabelsZ 18 (1953), 633 (637), der im Falle einer „Sonderanknüpfung“ für deren „möglichst eng[e]“ Auslegung plädiert (637). Eine begrifflich engere Gegenansicht möchte ohnehin nur von einer Teilfrage sprechen, wenn eine eigene Kollisionsnorm existiert; siehe etwa v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 185; so auch – wenngleich die Begrifflichkeit der Teilfrage als „unnötig[ ], weil verwirrend[ ]“ bezeichnend – BeckOK-BGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 69; zumindest davon sprechend, dass dies „charakteristisch“ sei, noch Aubart, dépeçage, S. 9. Derartigen Einschränkungen kann aber insbesondere aus dem Grund, dass die Frage des Vorliegens einer Teilfrage und ihrer Merkmale vielmehr von der nachfolgenden Frage ihrer Behandlung bzw. Anknüpfung zu trennen ist, nicht gefolgt werden; siehe die Kritik bei MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 105; vgl. Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1197; siehe zu anderen Kritikpunkten noch Bernitt, Vorfragen, S. 10. 202 Näher zum Begriff der dépeçage und Verwendung für die Abspaltung von (u. a.) Teilfragen etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 106 ff.; Aubart, dépeçage, S. 8 ff.; siehe noch Bernitt, Vorfragen, S. 11; siehe noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 1 Rn. 28; die Teilfrage gerade nicht dem Begriff der dépeçage unterfallen lassend Mankowski, in: FS Spellenberg, S. 261 (262).
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Die sog. dépeçage fügt sich in die Grundstruktur der Kollisionsnormen ein. Gerade hinter den Anknüpfungsmomenten steht der zentrale, durch von Savigny203 geprägte Gedanke der engsten Verbindung;204 danach verweisen die Kollisionsregeln, wie im methodischen Abschnitt gesehen, regelmäßig auf das Recht des Staates, zu dem die engste Verbindung besteht, um eine sachnahe Rechtsordnung zur Anwendung zu berufen.205 Daneben spielen im internationalen Privatrecht verschiedene bestimmte Interessen eine Rolle, die sich ebenfalls in einzelnen Kollisionsnormen widerspiegeln können.206 Eine gesonderte Anknüpfung einer Teilfrage erlaubt es mithin, eine etwaige für diesen Teilaspekt spezielle enge Verbindung zu berücksichtigen und eine interessengerechte Anknüpfung zu finden.207 Den möglichen Problemen im Falle von Zerspaltungen208 lässt sich mithilfe des in solchen Situa203 v. Savigny, System VIII, S. 27 f., 108, 118 ff. (Bestimmung der „eigenthümlichen Natur“ bzw. „Sitz des Rechtsverhältnisses“); eingehend zur kollisionsrechtlichen Methode v. Savignys und ihrer Bedeutung Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), 364 ff. („kopernikanische[ ] Wende“ (366)). 204 MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 19; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 54; Kropholler, IPR, § 3 I, S. 16 f.; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 6 Rn. 55, § 7 Rn. 92, noch § 7 Rn. 7 ff. (zum Anknüpfungspunkt als dem „rechtspolitische[n] Schwerpunkt des IPR“, Rn. 10); siehe zu dieser Struktur und diesem Prinzip der Kollisionsnormen noch Prütting/Wegen/ Weinreich/Mörsdorf, Art. 3 EGBGB Rn. 36. 205 Eingehend MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 29 ff.; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 54 ff.; Kropholler, IPR, § 4 II, S 25 ff.; siehe noch Palandt/Thorn, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rn. 1; vgl. noch die entsprechenden „Parteiinteressen“ an der Beurteilung nach einem eng verbundenen Recht, insbesondere im Personenrecht, nach Kegel, in: FS Lewald, S. 259 (274); Kegel/Schurig, IPR, § 2 II 1, S. 135 ff.; siehe hierzu bereits im methodischen Abschnitt zur Qualifikation oben unter § 3 B. 206 Vgl. grundlegend wiederum die Lehre von Kegel, in: FS Lewald, S. 259 (273 ff.); ebenso Kegel/Schurig, IPR, § 2 II, S. 134 ff.; Schurig, in: IPR im 20. Jahrhundert, S. 5 (11 ff.); näher auf die im IPR zu „berücksichtigen[den]“ Interessen eingehend etwa Kropholler, IPR, § 5 I S. 31 ff. (vorsichtig „gegenüber ihrer einseitigen Betonung“, S. 31; für ihre „sorgfältige Analyse“, S. 33); siehe noch die (kritische) Auseinandersetzung mit der Kegel’schen Interessenlehre bei MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 83 ff.; krit. schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 5 II 1, S. 45. Dabei wird nicht die Geltung besonderer Interessen im IPR in Abrede gestellt, sondern vielmehr deren Fixierung als System bzw. Einteilung; vgl. MüKo-BGB5/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 84 f.; Neuhaus, Grundbegriffe, § 5 II 1, S. 44 f. (Aufzeigen von Interessen und Werteentscheidungen; gegen die „Dreiteilung“ Kegels und für eine Betrachtung verschiedener „Maximen der Anknüpfung“); vgl. hierzu noch die Auseinandersetzung mit den Kritikern bei Schurig, in: IPR im 20. Jahrhundert, S. 5 (12 f.). 207 Eingehend Mansel, in: FS Canaris, S. 739 (748 f.); siehe noch zur „im europäischen Kollisionsrecht praktizierte[n] Abspaltung von Teilfragen“ Aubart, dépeçage, S. 33; vgl. zur Teilfrage Kropholler, IPR, § 18 I 2, S. 133; noch v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 44. 208 So spricht gegen eine Abspaltung vom Statut der Hauptfrage auf den ersten Blick, dass hierdurch ein einheitliches, zusammengehöriges Gefüge und somit der Sinnzusammenhang gestört werden könnte; siehe Kropholler, IPR, § 18 I, S. 131 f.; vgl. noch knapp Lüderitz, IPR, Rn. 143; Raape/Sturm, IPR I, § 16 II, S. 289; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 251; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 44; grundlegend schon Serick, RabelsZ 18 (1953), 633 (634 f., 639); allg. zur dépeçage und dem inneren Entscheidungseinklang Kegel/Schurig, IPR, § 2 II 3 b), S. 141 f.; unter dem Aspekt des internationalen Entscheidungseinklangs Wengler, in: FS Wolff, S. 337 (360); vgl. noch die Darstellung bei MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 106. Ein
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tionen üblichen methodischen Instruments der Anpassung und Angleichung in einem späteren Schritt entgegenwirken.209 Jedenfalls wird man eine solche Abspaltung nicht mehr bei den etablierten Sonderanknüpfungsregeln in Frage stellen können.210 Ist die Existenz einer Sonderanknüpfung festgestellt, stellt sich eine weitere wichtige Frage, da es in einer solchen Konstellation zu einem Nebeneinander von Kollisionsnormen kommt, was gegebenenfalls zu unterschiedlichen Anknüpfungen führt. Es bedarf mithin einer klaren Zuordnung zur Kollisionsnorm der Hauptfrage oder zur Sonderkollisionsnorm der Teilfrage; es muss entschieden werden, welche Rechtsfragen welcher Kollisionsnorm zuzuordnen sind. Folglich stellen sich im Falle einer abgespaltenen Teilfrage Abgrenzungsprobleme, genauer gesagt Qualifikationsprobleme211 – wie gerade, und schon im methodischen Abschnitt gesehen, vorliegend mit Blick auf Art. 11 I EGBGB.212 Die entsprechende Abgrenzung im Rahmen des Art. 11 I EGBGB wird, wie ebenfalls schon dort erwähnt, regelmäßig griffig unter dem Schlagwort der Abgrenzung von Form und Inhalt des Rechtsgeschäfts behandelt.213 Die Qualifikation muss, wie bei den obigen Grundlagen dargestellt, im Wege einer funktional-teleologischen Qualifikation lege fori erfolgen.214 bb) Analyse des allgemeinen Formbegriffs (1) Ausgangsüberlegung Die kollisionsrechtliche Trennung von Form und Inhalt beruht, wie gerade erörtert, auf dem Teilfragencharakter der Form. Daher ist es aus methodischer Sicht konsequent und sinnvoll, im Ausgangspunkt den Begriff der Form zu umreißen und
Auseinanderreißen birgt ein erhöhtes Risiko an Konstellationen, die zu Normenmangel bzw. -häufung führen könnten; siehe näher MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 108; noch Kropholler, IPR, § 18 I, S. 132. 209 MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 108 i. V. m. Rn. 268 f.; siehe noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 251; in einem allgemeineren Kontext zur dépeçage Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1204; Mansel, in: FS Canaris, S. 739 (749, 778 ff.). 210 Vgl. Bernitt, Vorfragen, S. 11; Kropholler, IPR, § 18 I 2, S. 133; noch Lüderitz, IPR, Rn. 143; siehe noch Mansel, in: FS Canaris, S. 739 (747), der die dépeçage unter der Überschrift „Grundlage des Verweisungsrechts“ behandelt. 211 Daher den Begriff der Teilfrage als „unnötig[ ], weil verwirrend[ ]“ ablehnend BeckOKBGB/Lorenz, Einl. IPR Rn. 69 i. V. m. Rn. 68; siehe zu den Problemen (krit.) Wengler, in: FS Wolff, S. 337 (359 ff.); vgl. noch knapp die dortige Abgrenzung zur sog. dépeçage bei Mankowski, in: FS Spellenberg, S. 261 (262). 212 Zur Abgrenzung von Form und Inhalt als Qualifikationsproblem etwa Staudinger/ W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 94; schon Raape, IPR, § 26 B III, S. 222; näher m. w. N. oben unter § 2 A.III. 213 Siehe wiederum Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 155; Staudinger12/Firsching, Art. 11 EGBGB Rn. 3; Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 vor I, S. 142; nachfolgend Kropholler, IPR, § 41 III 2, S. 310. 214 Oben unter § 3 B.
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zu bestimmen, was grundsätzlich als Form von der Hauptfrage abzuspalten und der Sonderanknüpfung zu unterstellen ist.215 (2) Bestandsaufnahme zum allgemeinen Umriss des Formbegriffs (a) Grundlegendes BGH-Urteil zur sog. Handschuhehe Was üblicherweise als Formfrage bzw. Formvorschrift zu qualifizieren ist und welcher kollisionsrechtliche Formbegriff sich ergibt, geht heute insbesondere auf ein BGH-Urteil zu einer ausländischen Eheschließung zurück, aus dem im Wesentlichen zwei Aspekte des Formbegriffs folgen.216 In seinem grundlegenden Urteil zur sog. Handschuhehe legt der BGH, um über die Abgrenzung einer Formvorschrift von den materiell-rechtlichen Vorschriften zu entscheiden, zunächst Grundsätze zur Qualifikation nieder,217 die im Wesentlichen die bis heute herrschenden, oben dargestellten Grundsätze zur funktional-teleologischen Qualifikation lege fori218 festhalten. Die dort in Frage stehende Vorschrift des italienischen Rechts sieht unter gewissen Voraussetzungen eine Eheschließung ohne persönliche Anwesenheit und mit Hilfe einer bevollmächtigten Person vor, die sog. Handschuhehe.219 Im Ergebnis müsse die Voraussetzung „der persönlichen und gleichzeitigen Anwesenheit“ sowie die „Ausnahmeregelung“ von diesem Erfordernis, so der BGH, als „Ausfluß der in der Neuzeit immer deutlicher hervorgetretenen Formgebundenheit der Eheschließung und mithin als Formvorschrift“ im kollisionsrechtlichen Sinne eingeordnet werden.220 Die Qualifikation der (italienischen) Handschuhehe als Formfrage ist – bis
215 Diese Vorgehensweise findet sich i. E. auch anschaulich bei Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 1, S. 144 („Begriff des Inhalts ist nicht positiv zu definieren, sondern nur subtraktiv von der Form her“) – wenngleich mit anderer Begründung („logische[r] Vorrang“ des Formbegriffs); nachfolgend ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 2 a), S. 311; siehe im Zusammenhang mit den Eheschließungsvoraussetzungen noch MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 10 i. V. m. Fn. 28 („sachliche[ ] Voraussetzungen lassen sich nur negativ durch Ausschluss der Formerfordernisse definieren“). 216 Vgl. MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 159 (noch strikter trennend von „zwei verschiedene[n] ,Formen‘“ ausgehend). 217 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139) (Es gelte, „grundsätzlich nach deutschem Recht zu entscheiden“ und „die Vorschriften des ausländischen Rechts, insbesondere wenn sie eine dem deutschen Recht unbekannte Rechtsfigur enthält, nach ihrem Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen und sie mit Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen“.). 218 Siehe zu den Qualifikationsgrundsätzen oben unter § 3 B und § 3 D. 219 Siehe BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140); siehe zur Handschuhehe im heutigen italienischen Recht noch Rieck/Enßlin, AuslFamR, Länderbericht Italien (Mai 2019), Rn. 6, S. 7; allg. und mit rechtsvergleichendem Überblick Staudinger/ Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 745 ff. 220 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (142).
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heute – weitestgehend anerkannt, wobei regelmäßig von einer Stellvertretung in der Erklärung gesprochen wird.221 (b) „Äußere Gestaltung“ als Form „Unter der Form der Eheschließung“ im kollisionsrechtlichen Sinne sei, so der BGH in seinem Urteil zur Handschuhehe, (u. a.) „die äußere Gestaltung der […] Willenserklärungen […] zu verstehen.“222 Dies gibt im Wesentlichen die Formulierung des Reichsgerichts zur Einordnung der religiösen Eheschließung als Formfrage wieder,223 die sich bereits im älteren Schrifttum wiederfindet.224 Im Falle der italienischen Handschuhehe gehe es, so der BGH, nicht um den „Willensakt“, der die Eheschließung, „die rechtliche Bindung“ herbeiführt, wobei der BGH den „übereinstimmende[n] Wille“ als „das wesentliche Element der Eheschließung“ wertet.225 Der Willensakt müsse vom „äußere[n] Rahmen, in dem der Konsens […] erklärt wird“, abgegrenzt werden.226 Als kollisionsrechtliche Form sieht das Schrifttum allgemein gleichsam verschiedene Modalitäten an, die für die Willensäußerung vorgeschrieben sind, und betont ebenfalls vor allem die Äußerlichkeit.227 Als typi221 Siehe schon BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (144) (bei der italienischen Handschuhehe vom „Vertreter in der Erklärung des Willens“ sprechend); vgl. KG, Beschl. v. 22. 4. 2004 – 1 W 173/03, NJOZ 2004, 2138 f.; noch LG Stuttgart, Beschl. v. 28. 1. 1992 – 2 T 175/91, StAZ 1992, 379 (380); aus der Lit. etwa Erman/Stürner, Art. 13 EGBGB Rn. 24d; Hausmann, IntEuFamR, A Rn. 614; MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 150 m. w. N. zur Rspr. in Fn. 566; Kropholler, IPR, § 44 II 3, S. 339; v. Bar/Mankowski, IPR II, § 4 Rn. 57; krit. MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 174; siehe noch – wobei im Gegensatz zum BGH stärker auf den Ablauf der Eheschließung in tatsächlicher Hinsicht (nur als Vertretung in der Erklärung anzusehen?) abstellend – BayObLG, Beschl. v. 28. 11. 2000 – 1 Z BR 59/00, BayObLGZ 2000, 335 (337 ff.); KG, Beschl. v. 19. 2. 1973 – 1 W 9292/70, OLGZ 1973, 435 (439); dieser Rspr. i. E. zustimmend Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 221; näher zu dieser Abweichung von der Qualifikationsmethodik des BGH Andrae, IntFamR, § 1 Rn. 158. Auch bei anderen Rechtsgeschäften anders sehend MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 174 (den „Bote[n] grundsätzlich zum Zugangserfordernis und damit zum Wirkungsstatut“ zählend); generell der Einordnung des BGH folgend hingegen etwa Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 106 f. („[D]ie Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Erklärung des Willens ist dem Formstatut zuzuweisen.“, Rn. 107). 222 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 223 RG, Urt. v. 6. 4. 1916 – IV 420/15, RGZ 88, 191 (193): „Denn unter der Form der Eheschließung ist zu verstehen sowohl die äußere Gestaltung der von den Eheschließenden abzugebenden Willenserklärungen als auch […].“ 224 Zitelmann, IPR II, S. 609. 225 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (141). 226 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (141). 227 Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 6 („äußerer Tatbestand“); MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 168 („Äußerungsformen ieS“); Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 99 („äußerer Tatbestand“); siehe früher – weit vor der BGH-Entscheidung – bereits etwa Wächter, AcP 25 (1842), 361 (374); eingehend schon Frankenstein, IPR I, § 28 I 1 a), S. 519 f. („äußere Seite“ bzw. „Wahrnehmbarkeit“ – obwohl krit. und gegen die kollisionsrechtliche „primäre Trennung von Form und Inhalt“ im IPR, S. 521); noch Nussbaum, IPR, § 15 III, S. 89 („Erkennbarmachung“).
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sche Fälle finden sich Voraussetzungen wie die Schriftlichkeit oder die notarielle Beurkundung genannt;228 zugleich werden die Möglichkeit einer konkludenten Erklärung229 bzw. letztendlich auch die Formlosigkeit230 erfasst. Bisweilen stellt das Schrifttum dieser äußeren Gestaltung als Form die „materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen als innere Tatbestände“ im Sinne einer Zuordnung zum Inhalt gegenüber.231 (c) Mitwirkung als Form Im Urteil zur sog. Handschuhehe stellt der BGH klar, als Formfrage seien „nicht nur die äußere Gestaltung der […] Willenserklärungen, sondern auch die Mitwirkung eines Beamten oder Geistlichen oder etwaiger Hilfspersonen zu verstehen“ sowie „auch das vorangegangene Aufgebot“.232 Diese Ergänzung findet sich ebenfalls in der oben genannten Entscheidung des Reichsgerichts zur religiösen Eheschließung als Formfrage wieder.233 Dabei ist also nicht mehr die rein äußere Gestaltung der Willenserklärung als solche betroffen.234 Auch das Schrifttum zählt im Rahmen des Art. 11 I EGBGB allgemein unter dem Stichwort der „Art und Weise“ der Willensäußerung die Mitwirkung von Amtspersonen oder Zeugen auf.235 Bei der Eheschließung fielen „auch die vorbereitenden Verfahrensschritte“ unter die Form, wie etwa das standesamtliche Verfahren mit Anmeldung und Prüfung;236 überwiegend werden neben dem insbesondere vom BGH erwähnten Aufgebot auch Heiratslizenzen oder Ehefähigkeitszeugnisse als Formfragen eingeordnet.237 Schließlich ist 228 Vgl. etwa Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 168; NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11; Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 99; Nussbaum, IPR, § 15 III, S. 89; Zitelmann, IPR II, S. 154; Spellenberg, IPRax 2013, 545 (547). 229 BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 45; Nussbaum, IPR, § 15 III, S. 89; Zitelmann, IPR II, S. 154; Spellenberg, IPRax 2013, 545 (547). 230 NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11; Nussbaum, IPR, § 15 III, S. 89; Spellenberg, IPRax 2013, 545 (547). 231 Siehe Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 99; vgl. noch Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13 („Zustandekommen“). 232 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 233 RG, Urt. v. 6. 4. 1916 – IV 420/15, RGZ 88, 191 (193): „[…] als auch die gesamte Mitwirkung des Beamten oder Geistlichen und etwaiger Hilfspersonen einschließlich des vorangehenden Aufgebots […]“. 234 Vgl. auch Spellenberg, IPRax 2013, 545 (549). 235 Siehe etwa Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 6; NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11; Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 99; speziell zur Eheschließung MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 124; Kropholler, IPR, § 44 II vor 1, S. 335; dem BGH folgend noch v. Bar/Mankowski, IPR II, § 4 Rn. 139; vgl. allg. bereits Niemeyer, IPR, S. 112; Zitelmann, IPR II, S. 154 f. 236 MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 123; siehe noch Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 765; v. Bar/Mankowski, IPR II, § 4 Rn. 139. 237 MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 123; zur Form zählend noch Palandt/Thorn, Art. 13 EGBGB Rn. 26; Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 772 f., 776 f.; v. Bar/
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zu berücksichtigen, dass das Schrifttum bisweilen in generellerer Weise noch festhält, die „nicht den Tatbestand der Erklärung betreffenden sonstigen äußeren Wirksamkeitsvoraussetzungen“ seien gerade nicht als Form einzuordnen.238 (d) Formqualifikation aufgrund der Verfolgung von Formzwecken Nach zunächst nur ergänzender Nennung der „Mitwirkung eines Beamten oder Geistlichen oder etwaiger Hilfspersonen“ im Zusammenhang mit der „äußere[n] Gestaltung“239 setzt sich der BGH an anderer Stelle näher mit der Mitwirkung auseinander. Die „gleichzeitige persönliche Anwesenheit der Ehewilligen vor einem Organ des Staates oder einer Religionsgemeinschaft“ oder „die Zuziehung von Zeugen“ habe den Zweck, „jeden Zweifel“ über den Konsens auszuschließen und dessen Bedeutung zu verdeutlichen. „Die obligatorische Mitwirkung eines […] Organs“ bezwecke die „Feststellung der persönlichen Identität“ der Erklärenden, ermögliche eine „Prüfung ihrer persönlichen Verhältnisse“ und könne so „eine die materiellen Eheverbote verletzende Eheschließung […] verhindern.“240 Der weitere Fokus des Urteils liegt sodann auf dem allgemeinen „Sinn und Zweck aller Formvorschriften“ unter beispielhafter Nennung von BGB-Normen. Hierzu seien „[d]ie Sicherung des Beweises, der Hinweis auf die Bedeutung der Erklärung und die Verhinderung übereilter und verbotener Rechtsgeschäfte“ zu zählen.241 Eine weitere Stütze der vom BGH vorgenommenen Formqualifikation ist also teleologischer Natur, ein Vergleich der einzuordnenden Frage bzw. Norm mit den üblichen Zwecken von (deutschen) Formvorschriften.242 Eine solche teleologische Betrachtung findet sich bis heute bei der allgemeinen Qualifikation von Formfragen bzw. -vorschriften im Schrifttum wieder.243 So beruht etwa die Einordnung der Mitwirkung Mankowski, IPR II, § 4 Rn. 140 m. w. N. zur Rspr.; zu einem vorangehenden Heiratszertifikat OLG Hamm, Beschl. v. 29. 7. 1992 – 15 W 147/91, NJW-RR 1992, 391 (zur „Mitwirkung des Superintendent Registrar“ nach englischem Recht); für „Aufgebotsverfahren“ und Vorlage von Ehefähigkeitszeugnissen jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 23; hingegen für eine verfahrensrechtliche Qualifikation NK-BGB/Andrae, Art. 13 EGBGB Rn. 147; das Aufgebot als Form einstufend, nicht jedoch „das für eine Heiratslizenz verlangte Ehefähigkeitszeugnis“ Soergel12/Kegel, Art. 11 EGBGB Rn. 29; krit. zur Heiratslizenz und zum Aufgebot MüKoBGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 173 („sachlich kaum zu rechtfertigen“), sogar abl. zum Aufgebot Rn. 162 („zu Unrecht“); ebenso krit. zum Aufgebot ders., IPRax 2013, 545 (550); die Formqualifikation von Aufgebot und Ehefähigkeitszeugnis als „zweifelhaft“ bezeichnend Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 613. 238 Siehe wiederum Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 99; vgl. auch hier noch Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13 („alle Fragen des Zustandekommens“). 239 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 240 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (141). 241 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (141 f.). 242 Vgl. MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 159. 243 Vgl. eingehend – wenngleich mit Vorbehalten – MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 163 ff.; ders., IPRax 2013, 545 (548 f.); vgl. noch Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; HK-BGB/Staudinger, Art. 11 EGBGB Rn. 7; NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11; Palandt/Thorn, Art. 11 EGBGB Rn. 7; vorsichtig noch Prütting/Wegen/Weinreich/
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von Amtspersonen oder Zeugen als Formfrage – die, wie gerade zuvor gesehen, regelmäßig im Zusammenhang mit der „Art und Weise der Willensäußerung“ angeführt wird – zum Teil auch darauf, dass das Schrifttum den Sinn und Zweck dieser Mitwirkungen als einen der Form zugehörigen versteht.244 Im autonomen internationalen Erbrecht griff (vor Geltung der EuErbVO245) eine umstrittene, vereinzelt geäußerte Ansicht in besonderem Maße auf Formzwecke zurück, um sich (unter gewissen Voraussetzungen) für eine Formqualifikation der Frage, ob eine Erbausschlagungserklärung gegenüber dem Gericht abzugeben ist, auszusprechen.246 Besonders eindrücklich geschah247 eine zweckorientierte Abgrenzung vorherrschend noch bei der problematischen Frage, wie im autonomen Erbrecht das Verbot eines gemeinschaftlichen Testaments einzuordnen war.248 Mörsdorf, Art. 11 EGBGB Rn. 4 (als mögliche „Testfrage“); vgl. bereits Zitelmann, IPR II, S. 157. 244 Vgl. zur zweckorientierten Argumentation bei der Eheschließung in der Lit. MüKoBGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 162; ders., IPRax 2013, 545 (549); noch BeckOKBGB/Mörsdorf (1. 11. 2020), Art. 13 EGBGB Rn. 63. 245 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, Abl. EU 2021 L 201, S. 107. Nach Art. 83 I EuErbVO ist sie grundsätzlich auf Erbfälle seit dem 17. 8. 2015 anwendbar. 246 Siehe Margonski, ZEV 2015, 141 (143); sowie die differenzierende Ansicht bei Nordmeier, IPRax 2016, 439 (442 f.) (eine Frage der Form, wenn das Gericht die Erklärung „ohne spezifische inhaltliche Prüfung entgegen[nimmt]“, 443). Nach überwiegender Ansicht war hingegen das Erbstatut maßgeblich; siehe die Einstufung als „inhaltliche Frage“ bei OLG Schleswig, Beschl. v. 11. 2. 2015 – 3 Wx 90/14, FamRZ 2015, 1328 (1329); siehe aus der Lit. Soergel12/Schurig, Art. 25 EGBGB Rn. 32; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn. 112, 117; MüKo-BGB5/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 32. 247 Es ist umstr., ob sich diese Frage seit Geltung der EuErbVO noch stellt. Nach verbreiteter Ansicht ist dies durch Art. 24 EuErbVO geklärt und dem Erbstatut zu unterstellen; siehe etwa MüKo-BGB/Dutta, Art. 24 EuErbVO Rn. 3 (m. w. N., auch zur Gegenansicht); MüKo-BGB/ Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 175; Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 138. Andere gehen demgegenüber weiterhin von einer Abgrenzungsnotwendigkeit zwischen Inhalt und Form aus; siehe etwa Döbereiner, MittBayNot 2013, 437 (440); Nordmeier, ZEV 2012, 513 (514). Jedenfalls stellt sich die Frage mithin nicht mehr im autonomen IPR. 248 Siehe OLG Schleswig, Beschl. v. 25. 4. 2016 – 3 Wx 122/15, IPRax 2017, 626 (629, dort Rn. 36) („aus Formgründen […] oder […] materiell-rechtlich begründet“); vgl. MüKo-BGB5/ Dutta, Art. 26 EGBGB Rn. 99 (Frage, ob Verbot „auf inhaltlichen Überlegungen oder nur auf Formgründen beruht“?); MüKo-BGB5/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 154 (Frage, ob „inhaltliche Zwecke“ oder „nur die richtige Niederlegung und Wiedergabe des freien Erblasserwillens“ bezweckt?); NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11 (Verbote zum Schutze der „Testierfreiheit“ als Inhaltsfrage und Verbote zur Sicherung der „richtigen Wiedergabe des Erblasserwillens“ als Formfrage); für die EuErbVO unter Verweis auf die vorherige Behandlung unter Geltung des EGBGB Döbereiner, MittBayNot 2013, 437 (440) (Abgrenzung zwischen Verboten aus „formellen oder materiellen, d. h. sachlichen Erwägungen“); anders abgrenzend hingegen Zitelmann, IPR II, S. 154 (Formvorgabe, wenn „de[r]selbe[ ] Willensinhalt“, d. h. gleiches Ergebnis im Wege zweier einzelner Testamente möglich); gegen die herrschende zweckorientierte Abgrenzung jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 8 i. V. m. Rn. 7.
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Allerdings finden sich im Schrifttum bisweilen (zugleich) auch Bedenken an einer Abgrenzung anhand der verfolgten Zwecke. Es könne nicht immer sicher zwischen Form- und Inhaltszwecken unterschieden werden.249 Außerdem bestehe eine „Gefahr des Zirkelschlusses“, da bei Formvorschriften Formzwecke angenommen werden könnten bzw. in einem Grenzfall ein Formzweck gesehen und die Norm daher als Formvorgabe gewertet werden könnte.250 (e) Teleologische Betrachtung der Ortsrechts-Regel Das Schrifttum merkt bei der Formqualifikation teilweise noch an, es sei der durch die Kollisionsnorm angestrebte Zweck zu berücksichtigen.251 Vereinzelt finden sich aber auch ablehnende Äußerungen, wenn es um eine Formqualifikation anhand des Zweckes der alternativen Ortsrechts-Regel geht.252 (3) Qualifikationsrechtliche Stellungnahme (a) Form als „äußere Gestaltung“ und „Art und Weise“ der Willensäußerung Die dargestellte Formbegriffsbestimmung erfasst, indem sie sich auf die „äußere Gestaltung“253 beruft, zunächst im Wesentlichen die „Verkörperungen von Willenserklärungen“, insbesondere die Schriftform254 und somit typische Formen des
249 BeckOGK-BGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 EGBGB Rn. 50; vgl. – trotz der sich auch auf die Zwecke berufenden Argumentation bei verschiedenen Mitwirkungsakten bei der Eheschließung – MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 163, 165; ders., IPRax 2013, 545 (548). 250 MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 164; ebenso ders., IPRax 2013, 545 (549). 251 Vgl. Kropholler, IPR, § 41 III 2, S. 310, § 41 III 3 b), S. 312; bereits Niemeyer, IPR, S. 111 f.; nachdrücklich Raape, IPR, § 26 A I, S. 213 („Zweck ein Leitstern“); anschaulich für die Form der Eheschließung MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 121 („Vom Zweck der kollisionsrechtlichen Formvorschriften her […] sind nicht nur die Formalien des Eheschließungsakts selbst umfasst, sondern auch […]“); speziell im Rahmen der Ansicht, wonach die Frage der Amtsempfangsbedürftigkeit einer Erbausschlagungserklärung in bestimmten Fällen als eine der Form zu werten sei, Nordmeier, IPRax 2016, 439 (442); vgl. allg. formuliert noch Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB, Rn. 98 („kollisionsrechtliche Interessen maßgeblich“); Kegel/Schurig, IPR, § 17 V 3 d), S. 631 (Interessen des Art. 11 EGBGB in Abgrenzung zu Interessen der anderen in Betracht kommenden Kollisionsnorm). 252 Siehe im Zusammenhang mit der Kritik an der „gefestigte[n]“ Formqualifikation des Aufgebots bei Spellenberg, IPRax 2013, 545 (550) (Erleichterungszweck komme nur bei Vorliegen einer Form zum Tragen und könne eine Formqualifikation „sonst nicht begründen“, da „ein vergleichbares allgemeines Günstigkeitsprinzip“ fehle.). 253 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 254 Spellenberg, IPRax 2013, 545 (548) („inspiriert von der […] Schriftform in allen ihren Varianten der Verkörperungen von Willenserklärungen“); noch MüKo-BGB/ders., Art. 11 EGBGB Rn. 162 („phänomenologisch[e]“ Begriffserfassung „offenbar an Schriftform ausgerichtet“).
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deutschen Zivilrechts.255 Auch die Stichwörter der „Art und Weise“ der Willensäußerung256 entsprechen, gerade mit Blick darauf, dass bei der Formqualifikation regelmäßig die Mitwirkung des Standesbeamten an der Eheschließung257 sowie die Mitwirkung von Trauzeugen258 genannt werden, dem deutschen Sachrecht.259 Es kann zudem noch ein historischer Aspekt angeführt werden: Die Ersetzung früherer Zeugenmitwirkung durch andere Formen wie die Schriftform.260 Die Argumentationssäule der „äußeren Gestaltung“ bzw. „Art und Weise“ der Willensäußerung ruht also zunächst einmal auf den Vorstellungen des deutschen Sachrechts.261 Übersetzt in die Qualifikationsmethodik spiegelt dies eine Qualifikation lege fori wider, und zwar aufgrund der Nähe zum deutschen Sachrecht enger Natur. Wie ein Blick auf die oben dargelegte, allgemeine Qualifikationsmethodik belegt, darf man sich bei der Qualifikation lege fori aber nicht nur auf das eigene Sachrecht stützen, sondern muss stets den internationalen Kontext berücksichtigen, d. h. man darf Begriffe des BGB und EGBGB nicht unbesehen gleichsetzen.262 Den dargestellten Formbegriffen ließe sich also auf den ersten Blick ein zu starker lex fori-Fokus vorwerfen.263 Allerdings beschränken sich die dargestellten Formqualifikationen bei näherer Betrachtung nicht auf eine reine lex fori-Methodik. Nach der mehrfach genannten Formel der Rechtsprechung zur Form im Sinne des Art. 11 I EGBGB zählt explizit noch das Aufgebot
255 Siehe eingehend zum deutschen Recht Schippers, DNotZ 2006, 726 (732) („Verkörperungsform“); zu den verschiedenen gesetzlichen Formen des deutschen Rechts noch Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 4 f. 256 Siehe hier wiederum nur Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11; noch Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 99. 257 Siehe hier wiederum nur speziell zur Eheschließung MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 124; Kropholler, IPR, § 44 II vor 1, S. 335; sowie grundlegend – ohne Verwendung der Stichwörter der „Art und Weise“ – BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 258 Siehe hier zu deren Formqualifikation nur BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140); speziell zur Eheschließung MüKo-BGB/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 124; noch v. Bar/Mankowski, IPR II, § 4 Rn. 139. 259 Vgl. zur Mitwirkung des Standesbeamten als Formvorschrift MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 1; Staudinger/Coester, § 1310 Rn. 2, 17; noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 11 Rn. 1, 10; vgl. allg. im deutschen Recht noch Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 4 („Erklärung vor einem Urkundsbeamten“ als „Sonderform der Beurkundung“); zur fakultativen Mitwirkung der Trauzeugen Erman/Roth, § 1312 Rn. 1 („nicht zwingende[ ] Formerfordernisse“); MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1312 Rn. 1 („nicht zwingende[ ] Formvorschriften“); § 1312 BGB hingegen als Verfahrensvorschrift ansehend Staudinger/Coester, § 1312 Rn. 8. 260 Vgl. MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 162; ders., IPRax 2013, 545 (549); siehe knapp und allg. zu dieser Ersetzung Flume, BGB AT II, § 15 II 5 b), S. 262 („verdrängt“). 261 Siehe auch zum entsprechenden Formbegriff, den schon das Reichsgericht aufgestellt hat, Frankenstein, IPR I, § 28 II 1 a), S. 531, Fn. 29 („Formbegriff des deutschen Rechts“). 262 Siehe zu den allg. Grundsätzen der Qualifikation oben unter § 3 B. 263 Siehe auch die kritische Bewertung wiederum bei Frankenstein, IPR I, § 28 II 1 a), S. 531 Fn. 29 („nur der Formbegriff des deutschen Rechts“).
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dazu264 – obwohl dieses im deutschen Zivilrecht nicht als Formerfordernis angesehen wurde;265 und auch im Schrifttum wird eine Loslösung vom reinen internen Verständnis des BGB betont.266 Insbesondere ist zu beachten, dass das Abstellen auf äußere Förmlichkeiten der historischen Ortsformregel entspricht, deren anfänglichen Vertreter von „Solennitäten“ sprachen.267 Selbst mit Blick auf die Formqualifikation von Mitwirkungsakten kann man auf die historische Wurzel des Satzes locus regit formam actus268 insofern zurückgreifen, als dessen anfängliche Entwicklung auf dem Gedanken basierte, bei der Frage, ob es für die Wirksamkeit eines Testaments der Hinzuziehung von Zeugen oder auch Beglaubigungen bedarf, das Ortsrecht genügen zu lassen.269 Die genannten Formbegriffe der „äußeren Gestaltung“ bzw. „Art und Weise“ der Willenserklärung geben also durchaus auch einen bei der Qualifikation gebotenen internationalen Blickwinkel des EGBGB zu erkennen. Folglich ist diesen Begrifflichkeiten bei der Qualifikation im Grundsatz zu folgen, sofern man sich dabei nicht zu starr auf die Formen des deutschen Zivilrechts fixiert und eine funktional-teleologische Betrachtungsweise zulässt. (b) Eingrenzung der qualifikationsrechtlich relevanten Formzwecke Grundsätzlich ist es gerade nach dem vorstehend Gesagten richtig, dass bei der Qualifikation als Formfrage verbreitet die Formzwecke herangezogen werden.270 Dieser Blickwinkel ist wichtig, um die zuvor beschriebene, nötige Loslösung von den Formvorschriften des deutschen Rechts in Richtung einer lex fori-basierten, funk264
RG, Urt. v. 6. 4. 1916 – IV 420/15, RGZ 88, 191 (193); BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 265 Siehe die Gegenüberstellung der Formqualifikation des Aufgebots bei Art. 11 I EGBGB und früheren materiell-rechtlichen Qualifikation im BGB bei Soergel12/Schurig, Art. 13 EGBGB Rn. 8; Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 766; Kegel/Schurig, IPR, § 17 V 3 d), S. 631 f. 266 Nachdrücklich BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 EGBGB Rn. 46, 47; MüKoBGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 155; Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 98; speziell für Eheschließungen hervorhebend jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 23; gerade mit Blick auf das Aufgebot noch Soergel12/Schurig, Art. 13 EGBGB Rn. 8. 267 Vgl. die Benutzung dieses Begriffs unter Berufung auf die Historie der Norm bei Niemeyer, IPR, S. 111 f. Historisch etwa Bartolus; siehe das abgedruckte Werk bei Meili, BöhmsZ 4 (1894), 258 (260 ff.), 340 ff. („sollemnitatis“ bzw. „sollemnitatibus“), sowie die anschließende Hervorhebung bzw. Zusammenfassung bei Meili, BöhmsZ 5 (1895), 363 („solemnitas actus“, 366); siehe etwa noch Molinaeus („sollemnitatem actus“) – abgedruckt bei Meili, BöhmsZ 5 (1895), 554 – der auch die Ortsformregel vertrat; siehe dazu Meili, BöhmsZ 5 (1895), 363 (367). 268 Siehe zu dieser historischen Ortsformregel hier nur BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 33. 269 Vgl. zur Zeugenfrage auch MüKo-BGB7/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 148, Fn. 395; siehe historisch zur Beglaubigungsproblematik etwa Staudinger12/Firsching, Art. 11 EGBGB Rn. 14; zur Testaments- und Zeugenfrage historisch mit Nennung bzw. Zusammenfassung der einzelnen Werke Gamillscheg, Dumoulin, S. 20 ff., 56 ff. 270 Siehe hierzu die Nachw. oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(2)(d).
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tional-teleologischen Qualifikation zu vollziehen. Hierfür bedarf es gerade der Betrachtung des Sinn und Zwecks der Vorschrift bzw. des Rechtsinstituts, bei der ein Vergleich mit Formzwecken insbesondere hilfreich sein kann, wenn es sich um ausländische Normen oder Rechtserscheinungen handelt, die sich so im deutschen Recht nicht wiederfinden.271 Der BGH fasst mit seiner Aufzählung im Handschuhehenurteil („[d]ie Sicherung des Beweises, der Hinweis auf die Bedeutung der abzugebenden Erklärung und die Verhinderung übereilter und verbotener Rechtsgeschäfte“) den „Sinn und Zweck aller Formvorschriften“ zusammen.272 Bei genauerer Betrachtung des deutschen Rechts und diverser Formvorschriften ergeben sich durchaus viele verschiedene, weitere Zwecke.273 Die zum Teil komplexen Darstellungen erklären sich zudem dadurch, dass Formvorschriften häufig mehrere Funktionen haben oder verschiedene Teilaspekte eines Zweckes verfolgen.274 Von Interesse ist vorliegend insbesondere, dass bei den Formzwecken im deutschen Recht bisweilen noch von einer Kontrollfunktion gesprochen wird; und zwar zum einen dahingehend, dass in bestimmten Fällen infolge der Einhaltung gewisser Formen eine nachfolgende behördliche Kontrolle ermöglicht wird,275 zum anderen dahingehend, dass so auch im Rahmen des formgebundenen Akts selbst eine Kontrolle stattfinden kann.276 Angeführt finden sich im deutschen Recht zu Letzterem die Tätigkeit des Notars bei der Beurkundung277 und des Standesbeamten bei der Eheschließung.278 Wie schon weiter oben
271 Vgl. wiederum im Kontext der sog. Handschuhehe als Form BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139, 141 f.); sowie allg. zur Qualifikationsmethodik oben unter § 3 B. i. V. m. § 3 D. 272 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (141 f.). 273 Vgl. Spellenberg, IPRax 2013, 545 (548); siehe nur die ausführliche Darstellung bei Mankowski, JZ 2010, 662 (663 ff.) m. w. N. 274 Siehe Mankowski, JZ 2010, 662 (663) m. w. N.; noch Spellenberg, IPRax 2013, 545 (548); vgl. die „Systematisierung der Formwirkungen“ bei Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 36. 275 Siehe Erman/Arnold, § 125 Rn. 6; MüKo-BGB/Einsele, § 125 Rn. 10; NK-BGB/Noack/ Kremer, § 125 Rn. 10 („Erleichterung der behördlichen Kontrolle“); Neuner, BGB AT, § 44 Rn. 15 f.; Mankowski, JZ 2010, 662 (667 f.); vgl. noch Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 51. 276 Vgl. zu Letzterem Stadler, BGB AT, § 24 Rn. 6; Mankowski, JZ 2010, 662 (668); zur notariellen Beurkundung BGH, Beschl. v. 24. 10. 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 (338) (mit Blick auf das Gesellschaftsrecht (§ 53 II GmbHG)); Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 23 m. w. N. (ebenfalls speziell zum Gesellschaftsrecht); siehe schon Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (92 f.) („Überwachung“). 277 Zur notariellen Beurkundung wiederum BGH, Beschl. v. 24. 10. 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 (338) (mit Blick auf das Gesellschaftsrecht (§ 53 II GmbHG)); Staudinger/ Hertel, BeurkG Rn. 23 m. w. N. (ebenfalls speziell zum Gesellschaftsrecht); sowie wiederum Stadler, BGB AT, § 24 Rn. 6; beispielhaft auch Fälle notarieller Beurkundungen anführend Mankowski, JZ 2010, 662 (668). 278 Näher zur Kontrollfunktion des Standesbeamten Thomas, Formlose Ehen, S. 126; siehe Mankowski, JZ 2010, 662 (668); Neuhaus, in: FS Ficker, S. 337 (354); noch Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 2.
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beim Kontrollmerkmal des Entscheidungsbegriffs aufgezeigt, kommen diesen im deutschen Recht durchaus Kontrollbefugnisse zu.279 Gerade in Bezug auf die Kontrolle zeigen sich bei näherer Betrachtung an dieser Stelle Qualifikationsprobleme. Dies ist vorliegend vor allem von Interesse, wenn man bedenkt, dass die „materiell-rechtliche Kontrolle der Scheidungsvoraussetzungen“ der herrschenden Meinung, wie gesehen, als Argument für die materiellrechtliche Qualifikation des § 1564 S. 1 dient.280 Um die Qualifikationsprobleme bei der Kontrolle sichtbar zu machen, bedarf es eines Blicks auf behördliche Genehmigungen oder ähnliche Erlaubnisakte. Diese zählen im deutschen, internen Recht nicht zu den Formvorschriften.281 Im internationalen Privatrecht werden gerichtliche bzw. behördliche Genehmigungen oder ähnliche Erlaubnisakte im Allgemeinen ebenfalls nicht als Formvorgabe angesehen, sondern allein dem Geschäftsstatut, der lex causae unterworfen.282 Bei einer „klassischen“ behördlichen bzw. gerichtlichen Genehmigung oder Bewilligung geht es um eine Kontrolle.283 Diese taucht, wie 279
Siehe hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2)(a). Siehe wiederum BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276); zuvor bereits MüKo-BGB1/Lorenz, Art. 17 EGBGB Rn. 490 (aber nicht das Urteilserfordernis als solches materiell einordnend); diesem zustimmend Kotzur, Kollisionsrechtliche Probleme, S. 221; dem BGH insofern schließlich folgend Henrich, IPRax 1995, 86 (89, Fn. 27); siehe noch Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 29a, 5. Siehe hierzu oben in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation unter § 5 B.II.3.c)bb). 281 Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 21 (Geltung des § 134 BGB); zu Bestätigungsakten schon Staudinger11/Coing, § 125 Rn. 4; vgl. bereits Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (92); eingehend und i. E. differenzierend zur Geltung des § 134 BGB Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (244 f., 252 ff.) – wobei etwa vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen aufgrund der besonderen Interessenlage (kein „Schutz öffentlicher Interessen, sondern […] private[s] Wohl des Mündels“) anders behandelnd (245). 282 Siehe allg. zur „Zustimmung von […] Behörden“ MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 177; hierbei explizit „familienrechtliche Genehmigungen“ nennend Staudinger/ W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 115; zur „sachliche[n] Genehmigung“ schon Zitelmann, IPR II, S. 155; zur „gerichtliche[n] Bestätigung“ Niemeyer, IPR, S. 112; noch Nussbaum, IPR, § 15 III, S. 90; zu „Genehmigungserfordernisse[n] aus öffentlichem Interesse“ Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13a; offen gelassen für eine „Zustimmung der Vormundschaftsbehörde“ zum Ehevertrag nach schweizerischem Recht von KG, Beschl. v. 23. 6. 1932 – 1 X 299/32, IPRspr. 1933 Nr. 31, 64 (66 f.); vgl. noch die Geltung des Geschäftsfähigkeits- und nicht des Formstatuts für die Zustimmung zu Rechtsgeschäften beschränkt Geschäfts- bzw. Geschäftsunfähiger BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 EGBGB Rn. 54; Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13a; MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 32. 283 Vgl. zum nationalen Recht die Hervorhebung des Unterschieds von Formvorschriften und Genehmigungen Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (92) („Überwachung“ durch Formvorschriften „nur in bescheidenem Umfang“ – „wirksamer“ im Falle des Erfordernisses „der Genehmigung einer Behörde“); noch Lange, AcP152 (1952/53), 241 (243) („Siegel des behördlichen Placet“); siehe noch zur kontrollierenden Rolle von vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen MüKo-BGB/Kroll-Ludwigs, § 1828 Rn. 1; zu familiengerichtlichen Genehmigungen noch BeckOGK-BGB/Regenfus (1. 7. 2021), § 182 Rn. 244; Staudinger/Klumpp, Vorbem. zu §§ 182 ff., Rn. 20 i. V. m. Rn. 19. Wiederum ist ergänzend zu erwähnen, dass die genauen Schutzzwecke der Kontrolle i. E. variieren können; siehe wiederum zu Zustimmungsakten von Behörden Staudinger/Klumpp, Vorbem. zu §§ 182 ff., Rn. 108, mit Bsp. in 280
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gerade angeführt, aber ebenfalls als Formzweck auf. Bisweilen hebt das Schrifttum zum deutschen Zivilrecht selbst noch hervor, dass Formvorschriften und Genehmigungen in funktionaler Hinsicht Ähnlichkeiten aufweisen können.284 Auch die Motive zum Entwurf des BGB lassen bereits offen, wann Fälle „behördliche[r] Mitwirkung durch Genehmigung, Bestätigung, […] als Formvorschriften aufzufassen seien“.285 Bei der Qualifikationsfrage, ob ein Behörden- oder Gerichtsakt als Inhalts- oder als Formfrage im Sinne des Art. 11 I EGBGB zu werten ist, könnte es folglich zu Schwierigkeiten kommen.286 Es scheint unter diesem Blickwinkel berechtigt, wenn Teile des Schrifttums, wie oben gesehen, einer zweckorientierten Qualifikation für Formfragen im Sinne des Art. 11 I EGBGB skeptisch gegenüberstehen.287 Eine genauere Untersuchung zeigt jedoch, dass bei Art. 11 I EGBGB nicht alle möglichen Formzwecke des deutschen Rechts zu berücksichtigen sind und sich dadurch im Grundsatz auch das dargelegte Qualifikationsproblem der Kontrolle lösen lässt. Zwar existieren im deutschen Recht, wie erwähnt, eine größere Bandbreite von Formzwecken und die Kontrolle im Rahmen des Rechtsgeschäfts selbst wird mit Blick auf bestimmte Normen als Formzweck angeführt.288 Ihre Rolle ist bei einer Gesamtbetrachtung der Formzwecke aber als eher untergeordnet bzw. untypisch einzustufen.289 Die Warnfunktion bzw. der Übereilungsschutz290 sowie die
Rn. 109 ff.; zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (245). 284 Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 21; vgl. noch zur „Überwachung“ Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (92 f.). 285 Mot. I, S. 187; siehe hierzu schon die Hervorhebung auf internationaler Ebene bei Zitelmann, IPR II, S. 155. 286 Die Gefahr der Abgrenzung von Form und „sachliche[r] Genehmigung“ gerade unter Verweis auf die genannten Motive zum Entwurf des BGB sehend schon Zitelmann, IPR II, S. 155; zumindest offen gelassene Qualifikation der „Zustimmung der Vormundschaftsbehörde“ zum Ehevertrag nach schweizerischem Recht bei KG, Beschl. v. 23. 6. 1932 – 1 X 299/ 32, IPRspr. 1933 Nr. 31, 64 (66 f.). 287 Siehe wiederum die hervorgehobenen Unsicherheiten bei BeckOGK-BGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 EGBGB Rn. 50; vgl. MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 163 ff.; Spellenberg, IPRax 2013, 545 (548 f.); hierzu schon oben unter § 5 B.III.1.a) bb)(2)(d). 288 Siehe zur Kontrolle wiederum Mankowski, JZ 2010, 662 (668); Stadler, BGB AT, § 24 Rn. 6. 289 Vgl. den i. E. geringen Stellenwert der Kontrolle in der Übersicht bei Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 36 („ggf Vorkontrolle“ bzw. „zT Kontrollfunktion“); vgl. im weiteren Sinne noch Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (92) („Überwachung“ durch Formvorschriften „nur in bescheidenem Umfang“ erlangbar); a. A., nämlich i. E. gleichrangig anführend und dabei insbesondere „statusbegründende[ ] oder -verändernde[ ] Rechtsgeschäfte“ nennend aber Stadler, BGB AT, § 24 Rn. 6; Letzterem zustimmend Mankowski, JZ 2020, 662 (668); siehe noch Neuner, BGB AT, § 44 Rn. 13 f. (bei „Beratung und Belehrung“ die „Gültigkeitsgewähr“ als parallelen Zweck am Ende nennend, Rn. 13, und in bestimmten Fällen diesen als „im Vordergrund“ stehend wertend, Rn. 14 a. E.).
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Klarstellungs- bzw. Beweisfunktion291 lassen sich als anerkannte, typische und formübergreifende Formzwecke des deutschen Rechts ansehen,292 die bereits in den Motiven zum BGB-Entwurf angeführt werden.293 Hervorgehoben werden können schließlich noch vordergründig die Beratungs- und Belehrungsfunktion294 bei der notariellen Beurkundung.295 Im Rahmen der funktional-teleologischen Qualifikationsentscheidung bei Art. 11 I EGBGB sind grundsätzlich nur diese „klassisch[en]“296 Zwecke bzw. „Hauptfunktionen“297, d. h. der Übereilungsschutz bzw. die Warnfunktion, die Klarstellungs- und Beweisfunktion sowie allenfalls noch die Beratungs- bzw. Belehrungsfunktion als maßgeblich anzusehen.298 Die Kontrolle ist 290 Näher hierzu etwa Erman/Arnold, § 125 Rn. 2; Palandt/Ellenberger, § 125 Rn. 2; Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 37; Neuner, BGB AT, § 44 Rn. 9 f.; eingehend Mankowski, JZ 2010, 662 (665 f.); noch MüKo-BGB/Einsele, § 125 Rn. 8; NK-BGB/Noack/Kremer, § 125 Rn. 10; Flume, BGB AT II, § 15 I 1, S. 245; Leipold, BGB I, § 16 Rn. 2; bereits Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (91). 291 Näher etwa Erman/Arnold, § 125 Rn. 3; Palandt/Ellenberger, § 125 Rn. 3; Staudinger/ Hertel, § 125 Rn. 41 ff.; Neuner, BGB AT, § 44 Rn. 4 f.; eingehend Mankowski, JZ 2010, 662 (663); noch MüKo-BGB/Einsele, § 125 Rn. 9; NK-BGB/Noack/Kremer, § 125 Rn. 10; Leipold, BGB I, § 16 Rn. 2; Flume, BGB AT II, § 15 I 1, S. 245; schon Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (91). 292 Vgl. die genannten Zwecke bei BeckOK-BGB/Wendtland, § 125 Rn. 1; Jauernig/ Mansel, § 125 Rn. 3 („Hauptfunktionen“); siehe Leipold, BGB I, § 16 Rn. 2; vgl. noch MüKoBGB/Einsele, § 125 Rn. 8 f.; Brox/Walker, BGB AT, § 13 Rn. 2 (anschließend nur darauf hinweisend, „weitere Formzwecke [kommen] in Betracht“); vgl. noch die Bezeichnung u. a. dieser Zwecke als „in der gängigen Kommentarliteratur herkömmlicherweise zitierte[ ]“ bei BeckOGK-BGB/Hecht (1. 7. 2021), § 125 Rn. 6; bzw. als „klassisch […] genannt[e]“ bei Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 35. 293 Mot. I, S. 179, wo (u. a.) von einer „besonnenen Ueberlegung“, einer „Vollendung des Rechtsaktes“, die „außer Zweifel“ gesetzt werde, sowie der Sicherung des „Beweis[es] des Rechtsgeschäftes“ die Rede ist; vgl. zur Entsprechung der genannten Zwecke Staudinger/ Hertel, § 125 Rn. 35. 294 Siehe etwa Erman/Arnold, § 125 Rn. 5; NK-BGB/Noack/Kremer, § 125 Rn. 10; Palandt/Ellenberger, § 125 Rn. 5; Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 38; Leipold, BGB I, § 16 Rn. 2; Neuner, BGB AT, § 44 Rn. 13 f.; ausführlich Mankowski, JZ 2010, 662 (666); noch MüKoBGB/Einsele, § 125 Rn. 8; bereits Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (92). 295 Vgl. die Nennung dieser Funktion neben den zuvor genannten bei BeckOK-BGB/ Wendtland, § 125 Rn. 1; Jauernig/Mansel, § 125 Rn. 3 („Hauptfunktionen“); MüKo-BGB/ Einsele, § 125 Rn. 8, Leipold, BGB I, § 16 Rn. 2 („darüber hinaus“); ähnlich noch § 128 Rn. 7; sowie die Aufzählung der „in der gängigen Kommentarliteratur herkömmlicherweise zitierten“ Formzwecke bei BeckOGK-BGB/Hecht (1. 7. 2021), § 125 Rn. 6; bzw. die „klassisch“ angeführten bei Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 35. 296 So die Bezeichnung im Rahmen Bestandsaufnahme der vorherrschenden Zwecke („meist“) für das nationale Recht bei Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 35. 297 So für das deutsche Zivilrecht Jauernig/Mansel, § 125 Rn. 3. 298 Siehe i. E. die inklusive Beratungs- bzw. Belehrungsfunktion genannten Zwecke bei Palandt/Thorn, Art. 11 EGBGB Rn. 7; Hausmann/Odersky/Schäuble, IPR, § 7 Rn. 13; vgl. etwa noch die bei der Qualifikation genannten „wichtigsten Zwecke“ bei MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 165 und den dortigen Verweis auf die Schriftform, Rn. 164; zwar ohne nähere Beschreibung, aber zumindest von einer Qualifikation anhand „typische[r]
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demnach jedenfalls für die internationalprivatrechtliche Qualifikation nach hier vertretener Auffassung nicht als ein typischer (Haupt-)Zweck von Formvorschriften aufzufassen, der generell, trotz Vorliegens eines billigenden Überprüfungsakts, eine Qualifikation als Formfrage rechtfertigen kann.299 Der Aussage des BGH, der im sog. Handschuhehenurteil bei den Formzwecken die „Verhinderung übereilter und verbotener Rechtsgeschäfte“ anführt,300 ist daher – soweit Letzteres auf einen Kontrollzweck abzielt – bei der allgemeinen Formqualifikation nicht zu folgen. Unter dem erörterten Blickwinkel, dass ein Kontrollzweck gerade keinen bei Art. 11 I EGBGB zu berücksichtigenden, typischen Formzwecke darstellt, lässt sich schließlich die erwähnte materiell-rechtliche Qualifikation behördlicher Genehmigungs- oder ähnlicher Erlaubnisakte301 zumindest unter teleologischen Gesichtspunkten rechtfertigen. (c) Unbeachtlichkeit des Telos der lex loci-Regel Um sich mit den obigen Stimmen im Schrifttum auseinanderzusetzen, die bei der Qualifikation auch den Sinn und Zweck der Formkollisionsnorm erwähnen,302 bedarf es einer näheren Betrachtung eben dieser Regelung.
Formzwecke“ sprechend Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; ebenfalls, wenngleich dabei nur beispielhaft („etwa“) den Übereilungsschutz und die „Beweissicherung“ nennend HKBGB/Staudinger, Art. 11 EGBGB Rn. 7; ebenso Looschelders, Art. 11 Rn. 9; vgl. noch die Aufzählung der Zwecke, die dafür sprächen, Mitwirkungsakte als „qualifizierte Formanforderungen“ und nicht als – nach dortiger Ansicht – sog. konstitutive Tätigkeit und Entscheidung i. S. d. europäischen Anerkennungsrechts zu werten, bei NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9; dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; im Anschluss an die erwähnten Zwecke noch die „Richtigkeitsgewähr“ nennend hingegen NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11. 299 Vgl. auch die Kritik an der Formqualifikation des Aufgebots bei Spellenberg, IPRax 2013, 545 (550), da es „nur um die Ermittlung von Ehehindernissen“ gehe – wobei dort eine im Einzelnen andere Aufschlüsselung der Formzwecke erfolgt (548 f.); ähnlich zur standesamtlichen Eheschließung – wobei zwar i. E. die Zwecke der „Echtheit oder Authentizität der Erklärung“ nicht als einen der Form ansehend, aber hierbei auch die Überprüfung der „Ehehindernisse“ nennend MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 166, Fn. 444; ebenso ders., IPRax 2013, 545 (549); vgl. noch die differenzierende Ansicht zur Qualifikation der Amtsempfangsbedürftigkeit von Erbausschlagungserklärungen bei Nordmeier, IPRax 2016, 439 (443) (eine Entgegennahme „ohne spezifische inhaltliche Prüfung“ sei ein „Problem der Form“, da „primär“ keine „inhaltliche Prüfung“, sondern „Beweisfunktion im Vordergrund“); im Rahmen des Art. 11 I EGBGB neben den genannten Zwecken zumindest noch die „Richtigkeitsgewähr“ anführend aber NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11. 300 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (141). 301 Siehe hier nur wiederum allg. zur „Zustimmung von […] Behörden“ MüKo-BGB/ Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 177. 302 Vgl. hier nur Kropholler, IPR, § 41 III 2, S. 310, § 41 III 3 b), S. 312; Niemeyer, IPR, S. 111 f.; sowie insbesondere Raape, IPR, § 26 A I, S. 213 („Zweck ein Leitstern“); weitere Nachw. oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(2)(e).
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Art. 11 I EGBGB enthält – wie die Mehrheit der Rechtsordnungen303 – eine alternative Anknüpfung an das Ortsrecht: Es müssen für die Formgültigkeit entweder die Formerfordernisse der lex causae oder des Ortsrechts eingehalten sein.304 Letztere Kodifizierung entspricht der weltweit verbreiteten Regel locus regit formam actus bzw. – als (historisch bedingt) durchaus missverständlich verkürzte Formel305 – locus regit actum.306 Die Anknüpfung an das Ortsrecht stellt in der genannten Vorschrift die zweite Alternative, und zwar eine schlichte im gleichen Satz („oder“) dar.307 Ein Beharren auf der lex causae könnte zu Schwierigkeiten führen; es wäre den Parteien verwehrt, sich an die örtlichen Gepflogenheiten zu halten, ein zügiger, unproblematischer Vertragsschluss könnte gefährdet sein.308 Selbst bei einem Rückgriff auf eine von der örtlichen „Infrastruktur“ bereitgestellte Form, könnte sich in einem weiteren Schritt insbesondere ein Substitutionsproblem stellen, nämlich die Frage, ob und inwiefern das von der lex causae vorgeschriebene Erfordernis durch
303 Siehe den rechtsvergleichenden Überblick bei Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 27. 304 Siehe zum alternativen Charakter BT-Drs. 10/504, S. 48; BGH, Urt. v. 4. 11. 2004 – III ZR 172/03, RIW 2005, 144 (145); mit historischem Abriss etwa BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 42 ff.; siehe noch MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 74. Die lex loci-Regel ist dementsprechend fakultativer, d. h. nicht zwingender Natur – die Anknüpfung selbst ist eine alternative; siehe näher zum (i. E. nicht immer einheitlichen) Begriffsunterschied von alternativer und fakultativer Anknüpfung nur MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 63 m. w. N.; noch Kropholler, IPR, § 20 II 1, S. 141. 305 Denn die Verkürzung suggeriert die Geltung des Ortsrechts für den Akt als solchen und ist zurückzuführen auf eine frühere Regel, wonach für den Vertrag als solchen das Recht am Abschlussort zu gelten hatte; siehe BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 EGBGB Rn. 33; die Verkürzung kritisierend Frankenstein, IPR I, § 28 I 1 c), S. 521, Fn. 6; siehe noch Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 4 (schlicht darauf hinweisend, dass „actus“ als „Form des Rechtsaktes […] zu verstehen“); Nussbaum, IPR, § 15 I, S. 86 („sprachlich unvollkommener, aber üblicher Ausdruck“). 306 Siehe BT-Drs. 10/504, S. 48 (48 („historisch gefestigt[ ]“); aus der Lit. nachdrücklich Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 35 („vielleicht am weitesten verbreitete Regel des IPR“), mit rechtsvergleichendem Überblick, Rn. 25 ff.; siehe noch den historischen Abriss bei BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 33 ff.; Furgler, Vertragsform, S. 86 ff. 307 Siehe zum jetzigen Art. 11 I EGBGB BGH, Urt. v. 13. 7. 2011 – XII ZR 48/09, IPRax 2012, 356 (357, dort Rn. 13) („gleichwertig“); MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 74 („Gleichwertigkeit“); Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 193 („absolut gleichberechtigt“); noch Kropholler, IPR, § 41 III 5, S. 312 („gleichrangig“). Im Unterschied zur ursprünglichen Regel im EGBGB wird nicht mehr in einem gesonderten Satz in einer fast schon auffangartigen Art und Weise („genügt jedoch“) auf das Ortsrecht abgestellt; siehe zu dieser alten Fassung und zuvor subsidiären Stellung in Art. 11 I 2 EGBGB a. F. (1896) Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 7 f., 193 („Zweifel“ an „gleichrangig[er]“ Geltung möglich); diese als gerechtfertigt ansehend Niemeyer, IPR, S. 110; krit. zur „bloß subsidiären Geltung“ und mit historischer Erklärung Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 II, S. 143. 308 Bereits ausführlich Savigny, System VIII, S. 349 f.; noch Wächter, AcP 25 (1842), 361 (372) („Schwierigkeiten und Verlegenheiten“); Zitelmann, IPR II, S. 145 (oft aus „thatsächlichen Ursachen“ problematisch).
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den ausländischen Vorgang ersetzbar und mithin erfüllbar ist.309 Hinzu kommt, dass bei der Vornahme des Geschäfts die lex causae nichts stets (zweifelsfrei) feststehen wird.310 Die Anknüpfung der Form an das Ortsrecht soll eine einfache und praktische Erfüllung der vorgegebenen Formen ermöglichen, was insbesondere den Verkehrsinteressen der Parteien selbst dient.311 Insofern lässt sich vom sog. favor gerentis sprechen.312 Man kann, wie dies teilweise getan wird, auch schlicht auf den Rechtsverkehr als solchen und die Förderung der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs abstellen.313 Fasst man die Alternativität der Regel ins Auge, lässt sich eine Begünstigung der Formgültigkeit (sog. favor negotii) feststellen314 und insofern auch eine Brücke zur Leichtigkeit bzw. Sicherheit des Rechtsverkehrs schlagen.315 Mit 309 Vgl. eingehend MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 89 ff. (unter Hinweis auf die mögliche Hinfälligkeit dieses Problems durch die alternative Anknüpfung an das Ortsrecht, Rn. 89); noch BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 102 ff.; siehe noch allg. zur Einhaltung von Formen im Ausland als Substitutionsfrage NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 12; Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 196 ff.; allg. zur Substitution und dabei etwa auf Notare und Beglaubigungen eingehend Kropholler, IPR, § 33 II, S. 231 ff.; als Problem der „Angleichung“ bei Kegel/Schurig, IPR, § 17 V 3 e), S. 633 f. 310 Vgl. Zellweger, Form, S. 78 (zum schweizerischen Recht); siehe noch Staudinger/ W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 30; dies hervorhebend schon Niemeyer, IPR, S. 112; Zitelmann, IPR II, S. 145; knapp auch Raape, IPR, § 26 A I, S. 213; vgl. noch Neuhaus, Grundbegriffe, S. 142 („Formvorschriften der lex causae oft schwer [zu] ermitteln“). 311 BGH, Urt. v. 4. 11. 2004 – III ZR 172/03, RIW 2005, 144 (145); NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 4 (wobei noch von „Rechtssicherheit“ sprechend); Staudinger/ W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 30; Kegel/Schurig, IPR, § 2 II 1, S. 137; Zellweger, Form, S. 78 f. (zum schweizerischen Recht); Zweigert, in: FS Rabel I, S. 631 (636 f.); siehe noch Neuhaus, Grundbegriffe, S. 142 (auch auf den „Handelnde[n]“ abstellend); ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 1, S. 310. Teilweise wird diese Erleichterung für die Parteien auch als Kompensation für die Schwierigkeiten im internationalen Rechtsverkehr angesehen, so schon Neuhaus, Grundbegriffe, S. 142 f.; ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 1; die parallele Regel des schweizerischen IPR insgesamt als Ausgleich ansehend Zellweger, Form, S. 84. 312 Siehe etwa BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 25; NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 4; Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 30; Zweigert, in: FS Rabel I, S. 631 (637); noch Furgler, Vertragsform, S. 92 (zum schweizerischen Recht). 313 Schlicht darauf abstellend BT-Drs. 10/504, S. 48 („Verkehrsbedürfnisse[ ]“); BGH, Urt. v. 13. 7. 2011 – XII ZR 48/09, IPRax 2012, 356 (357, dort Rn. 13) („Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs“); (u. a.) auf das „Verkehrsinteresse“ als solches abstellend Kegel/ Schurig, IPR, § 2 II 2, S. 137, § 17 V 3 c), S. 631; noch Kropholler, IPR, § 41 III 1, S. 310 („Verkehrserleichterung“); Raape, IPR, § 26 A I, S. 213 („Geschäftsverkehr“). 314 Vgl. BT-Drs. 10/504, S. 48; zum Zusammenhang von favor negotii und Alternativität näher Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 32; siehe noch BeckOGK-EGBGB/ Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 24; NK-BGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 4; Furgler, Vertragsform, S. 92; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 5 Rn. 87; Neuhaus, Grundbegriffe, § 22 I 3, S. 176; Lando, in: FS Schmitthoff, S. 253 (256). 315 Nicht nur das Ortsrecht, sondern auch dessen Gleichrangigkeit erwähnend BGH, Urt. v. 13. 7. 2011 – XII ZR 48/09, IPRax 2012, 356 (357, dort Rn. 13) („Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs“); zum favor negotii und Rechtsverkehr Furgler, Vertragsform, S. 92 („Sicherheit“); mit Blick auf das „Verkehrsinteresse“ noch Kegel/Schurig, IPR, § 2 II 2, S. 137 f. („Verkehrssicherheit“, S. 138); vgl. schon zur Einräumung einer alternativen Geltung des Ortsrechts Savigny, System VIII, S. 358 („Begünstigung und Erleichterung“).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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Blick auf die Geltung des Ortsrechts selbst kann man ebenfalls mit einzelnen Stimmen im Schrifttum noch sagen, dass die Formgültigkeit erleichtert wird.316 Zum Sinn und Zweck finden sich mithin verschiedene Gesichtspunkte, die sich je nach Betrachtung und Differenzierung mehr oder weniger überschneiden und miteinander zusammenhängen.317 Selbst wenn dabei eine Gewichtung vorgenommen wird318 oder – differenzierend – der favor gerentis in der Geltung des Ortsrechts,319 der favor negotii in der Alternativität320 gesehen wird, sind im Rahmen des Art. 11 I EGBGB jedenfalls die genannten Zwecke anerkannt.321 Bisweilen findet sogar von vornherein keine eindeutige Differenzierung statt.322 Die Berücksichtigung des Sinns und Zwecks hat grundsätzlich ebenfalls ihre Berechtigung, da die lex fori-basierte, funktionale-teleologische Qualifikation auch bedeutet, die in Betracht kommende Kollisionsnorm entsprechend auszulegen und somit den hinter der Kollisionsnorm stehenden Sinn und Zweck zu berücksichtigen.323 Da dieser bei Art. 11 I EGBGB nach dem Vorstehenden im Wesentlichen auf der Verkehrs- bzw. Gültigkeitserleichterung beruht, wäre seine Handhabbarkeit bei der Qualifikation jedoch schwammig und schwierig. Stellt die lex causae im Ver316
So Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 31; ähnlich schon Savigny, System VIII, S. 350 („Gefahr der Ungültigkeit“); Zitelmann, IPR II, S. 145. 317 Vgl. zum Zusammenspiel Neuhaus, Grundbegriffe, § 22 I 1, S. 175 („Frage des Blickpunktes“) noch § 22 I 2, 3, S. 175 f.; Lando, in: FS Schmitthoff, S. 253 (257) („relationship“); noch Furgler, Vertragsform, S. 92 f.; Zellweger, Form, S. 79 f. (Neuhaus eingeschränkt zustimmend und von „komplementär[en]“ Anliegen sprechend – aber den sog. favor gerentis als „primär“ ansehend, S. 80), S. 84 zum Ortsrecht und zur Alternativität („zu einer Einheit verschmolzen“). Vorgeschlagen wird dabei auch eine zeitliche Einteilung: Vor und während der Vornahme des Akts stehe der favor gerentis im Vordergrund – danach der favor negotii; so die Einteilung bei Neuhaus, Grundbegriffe, § 22 I 1, S. 175; dem grds. folgend und ebenfalls eine ex ante- und ex post-Betrachtung vornehmend – allerdings den favor negotii (ex post) in Bezug auf die Alternativität behandelnd – Zellweger, Form, S. 79 f., 82. 318 Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 31 (favor negotii als „Primärzweck“, favor gerentis „nur Mittel zur Förderung des favor negotii“); vgl. noch Lando, in: FS Schmitthoff, S. 253 (257) – allerdings zum favor negotii bezogen auf die Alternativität (256). 319 Zu Art. 11 I EGBGB BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 25; der sog. locus regit actum-Regel „allein“ diesen Zweck bescheinigend Zweigert, in: FS Rabel I, S. 631 (636 f.). 320 BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 24 f. 321 Diese letztendlich nicht nur nebeneinander stehen lassend BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 25 („verbinden sich“); vgl. Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 30 ff. (favor gerentis als „Mittel“ für favor negotii, Rn. 31, und Letzteren sowohl beim Ortsrecht als auch der Alternativität sehend, Rn. 31 f.). 322 Pauschal schlicht von der Erleichterung einer „formgültige[n] Vornahme“ sprechend MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 1 (mit näheren Ausführungen zu den im Schrifttum vorgenommenen Differenzierungen); bezüglich der Alternativität auf die Gründe für die Ortsformregel verweisend Neuhaus, Grundbegriffe, § 22 I 3, S. 176 – obgleich bei der Ortsformregel auch nach einer zeitlichen Einteilung differenzierend, § 22 I 1, S. 175. 323 Siehe zur Qualifikation oben unter § 3 B.; insbesondere etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 121; Kropholler, IPR, § 17 I, S. 129; siehe noch Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, S. 355 f. mit besonderem Fokus auf die „internationalprivatrechtlichen Interessen“.
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
gleich zu den Vorgaben des Ortsrechts andere, erhöhte Anforderungen, ließe sich unter Zweckgesichtspunkten häufig relativ einfach sagen, die Verkehrserleichterung verlange eine Anwendung der lex loci. Für den Fall, dass die Vorgaben der lex causae gerade nicht beachtet wurden, dürfte ein Abstellen auf das Ortsrecht die Gültigkeitschance erhöhen. Erwähnenswert ist in diesem Kontext noch folgende – freilich aus einem anderen, nämlich rechtspolitischen Blickwinkel getroffene – Aussage: „Der Vorrang der Form vor der Sache hier wie umgekehrt der Vorrang der Sache vor der Form dort ist rechtspolitisch gewollt und bestimmt daher die Qualifikation.“324 Im Ergebnis ist daher der oben genannten, ablehnenden Aussage im Schrifttum zuzustimmen,325 der Zweck der lex loci-Regel kann für die Qualifikationsentscheidung selbst nicht maßgeblich sein. (4) Ergebnis Für die Abgrenzung von Form und Inhalt gibt es einen herrschenden Grundkern. Bereits die erwähnten Einordnungen spezieller Akte, einzelner Mitwirkungen von gerichtlicher oder behördlicher Seite, zeigen jedoch, dass nicht alles unumstritten ist. Die Qualifikation erweist sich bei genauerer Betrachtung als schwierig, da einerseits zunächst grundsätzlich die Äußerlichkeiten der Willenserklärung vom Formbegriff erfasst sind, man sich andererseits nicht zu starr an typischen deutschen Formvorschriften ausrichten darf. Auch die teleologisch-funktionale Betrachtung weist aufgrund der Vielfalt der Formzwecke ebenfalls ihre Tücken auf, wobei im Ergebnis nicht sämtliche möglichen Formzwecke beachtlich sind, sondern nur die typischen Zwecke der Warn- und Beweisfunktion sowie allenfalls mit Blick auf notarielle Beurkundungen noch die Beratungs- und Belehrungsfunktion. Die Abgrenzung von Form und Inhalt ist also keineswegs einfach;326 eine präzise und pauschale Definition ist nicht erbringbar.327
324
Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 770. Siehe wiederum Spellenberg, IPRax 2013, 545 (550); hierzu oben unter § 5 B.III.1.a) bb)(2)(e). 326 Siehe schon Zitelmann, IPR II, S. 154; noch Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III vor 1, S. 143; ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 2, S. 310. 327 Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 158; Spellenberg, IPRax 2013, 545 (547); noch BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 45; nachdrücklich anmerkend, dass „es eine Form in abstracto, einen überstaatlichen Formbegriff gar nicht gibt“, schon Frankenstein, IPR I, § 28 II 1 a), S. 531; anders i. E. aber Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 IV 6 a. E., S. 149 („[i]nsgesamt […] klar zu trennen“). 325
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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b) Überblick zum Meinungsstand in Gestaltungsfällen aa) Scheidungsrecht (1) Sehr vereinzelte Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB als Formregelung Der BGH merkt im Zuge der verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Qualifikation des § 1564 S. 1 BGB gerade in letzterem Zusammenhang an, es handele sich bei dem in der Norm „normierte[n] Erfordernis eine[r] gerichtliche[n]“ Entscheidung „nicht nur [um] ein Formerfordernis“.328 Eine Bemerkung, die schon zuvor im Schrifttum angeführt wird.329 Unter Bezugnahme auf die genannte Entscheidung deutet Raupach (u. a.) die Vorschrift des § 1564 S. 1 BGB ausdrücklich als Formerfordernis330 – allerdings sei die Form von der Rom III-VO miterfasst, weshalb es dennoch nicht zu einer Anwendung von Art. 11 I EGBGB und (alternativen) Anknüpfung an den Vornahmeort komme.331 Dabei ist anzumerken, dass diese Aussage zeitlich vor dem Sahyouni II-Urteil (und der daraus folgenden Nichtanwendbarkeit der Rom III-VO auf Privatscheidungen332) erfolgte.333 Bis heute taucht aber noch eine Ansicht auf, die eine Einordnung als Formfrage auch unter Erwähnung des § 1564 S. 1 BGB andeutet, letztendlich jedoch die lex causae für maßgeblich erklärt.334 Ansonsten wird im (älteren) Schrifttum vereinzelt lediglich die Möglichkeit einer Einordnung als Formfrage aufgeworfen.335 Verbreitet lehnt das 328
BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 267 (276). Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748. 330 Raupach, Ehescheidung, S. 243 f., 85. 331 Raupach, Ehescheidung, S. 244, 85 – wobei sich deutschen „Formvorschriften“ aber im Inland letztendlich doch durchsetzen könnten, da die gerichtliche Scheidung aber „zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts“ zu zählen sei und einer wirksamen inländischen Privatscheidung daher „spätestens“ der „allgemeine[ ] Vorbehalt des ordre public gemäß Art. 12 Rom III-VO“ entgegenstehe, S. 244 f. 332 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988, Rn. 48 f. = IPRax 2018, 261 (263); siehe hierzu an dieser Stelle nur Antomo, NJW 2018, 435 (436); näher einleitend unter § 1 B. 333 Siehe aber die schon damals (vor der Sahyouni II-Rspr. des EuGH) verbreitete, gegen die Anwendbarkeit der Rom III-VO auf scheidungsrechtliche Formfragen gerichtete Gegenauffassung MüKo-BGB7/W. v. Mohrenfels, Art. 17 EGBGB Rn. 11; Gruber, IPRax 2012, 381 (384 Fn. 33); Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (106); a. A. aber (auch nach der Sahyouni II-Rspr.) Palandt/Thorn, Art. 17 EGBGB Rn. 6, noch Art. 1 Rom III-VO Rn. 3; sowie (vor dieser Rspr.) Rauscher/Helms, Art. 1 Rom III-VO Rn. 15; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 77 (2013), 786 (798). 334 Palandt/Thorn, Art. 17 EGBGB Rn. 6, Art. 1 Rom III-VO Rn. 6 (wobei zu beachten ist, dass nach dieser Ansicht ohnehin auch die Form bzw. das Wie der Scheidung von der Rom IIIVO erfasst werden; siehe Palandt/Thorn, Art. 17 EGBGB Rn. 6) – an anderer Stelle hingegen nur das Scheidungsstatut erwähnend Palandt/Thorn, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8; siehe noch – wenngleich ohne § 1564 S. 1 BGB zu erwähnen und wiederum zeitlich vor dem Sahyouni IIUrteil des EuGH – Rauscher/Helms, Art. 1 Rom III-VO Rn. 15, 23. 335 Eppelsheimer, FamRZ 1960, 125 (darauf hinweisend, dass die Verstoßung nach iranischem Recht in Deutschland eventuell als eine Form der Scheidung betrachtet werden und Art. 11 I EGBGB herangezogen werden könne). 329
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
Schrifttum eine Qualifikation als Formfrage (unter Befürwortung der obigen materiell-rechtlichen Qualifikation) demgegenüber sogar ausdrücklich ab.336 Auch die zuerst zitierte Formulierung („nicht nur ein Formerfordernis“) zeigt, dass danach gerade keine bloße Formqualifikation erfolgt, sondern die dort anschließend vorgenommene materiell-rechtliche Einordnung als Unterstellung unter die lex causae zu verstehen ist.337 Eine solche Unterstellung lässt sich zudem bereits den obigen materiell-rechtlichen Ausführungen der herrschenden Meinung, die dort einer verfahrensrechtlichen Qualifikation gegenübergestellt sind, entnehmen.338 (2) Teilweise Einordnung des Art. 17 III EGBGB als Formregelung Indem entsprechend der Regelung des deutschen Rechts (§ 1564 S. 1 BGB) die gerichtliche Scheidung im Inland angeordnet wird, sehen einige Art. 17 III EGBGB als eine Norm an, die die Inlandsform zwingend vorschreibe und insofern von Art. 11 EGBGB abweiche.339 Da Art. 17 III EGBGB nicht auf eine bestimmte, die gerichtliche Scheidung regelnde Vorschrift verweist, sondern selbst anordnet, dass eine solche erforderlich ist, stelle dies gleichzeitig eine Inkorporation einer speziellen Formvorgabe dar.340 Dies schließt Überschneidungsprobleme mit der Rom III-VO von vornherein aus, wenn man mit der verbreiteten Ansicht davon ausgeht, dass die Verordnung die Form der Scheidung gerade nicht erfasst und somit Spielraum lässt.341
336 Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 117; näher Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 345; allg. nachdrücklich und dabei die Scheidung erwähnend Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 2, S. 144; ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 2 b), S. 311. 337 Siehe wiederum BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.); sowie Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748. 338 Siehe insbesondere Herfarth, Scheidung, S. 98; noch etwa Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 61; Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 116; Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 155; Kegel, IPRax 1983, 22 (23); näher zum materiell-rechtlichen Verständnis im Rahmen der Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation oben unter § 5 B.II.2.a)aa)(1). 339 MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 17 EGBGB Rn. 21; Gärtner, Privatscheidung, S. 47 f.; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 564 (trotz der parallelen Einordnung als ordre publicKlausel, Rn. 563); Raupach, Ehescheidung, S. 243 f.; eingehend Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (104 ff.); ausführend, dass Art. 11 EGBGB „aufgehoben“ werde – ohne von einer Qualifikation zu sprechen – Nojack, Exklusivnormen, S. 62 f.; die Verdrängung des Art. 11 EGBGB knapp erwähnend noch HK-BGB/Staudinger, Art. 11 EGBGB Rn. 2. 340 Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (104). 341 Speziell zum (jetzigen) Art. 17 III EGBGB MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 17 EGBGB Rn. 21; näher Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (106); siehe zur fehlenden Formregelung in der Rom III-VO noch Gruber, IPRax 2012, 381 (384 Fn. 33); a. A. Raupach, Ehescheidung, S. 243 f., 85; noch Palandt/Thorn, Art. 17 EGBGB Rn. 6.
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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bb) Keine Befürwortung einer Formqualifikation bei Gestaltungsakten im Allgemeinen Der BGH lässt in seinem schon zum Scheidungsrecht zitierten Beschluss die Möglichkeit eines generelleren, nicht nur scheidungsspezifischen Verständnisses erkennen, wenn er erwähnt, dass das „Erfordernis eines gerichtlichen Urteils […] nicht nur ein Formerfordernis [ist]“.342 Eine solche Formulierung findet sich zuvor, wie ebenfalls zu § 1564 S. 1 BGB erwähnt, im Schrifttum wieder und ist auch dort genereller gefasst, indem auf das „Erfordernis eines autoritativen Spruchs“ abgestellt wird.343 Wie bereits zum Scheidungsrecht festgestellt, bedeuten diese Formulierungen und das dort anschließend angeführte materiell-rechtliche Verständnis aber, dass gerade keine (bloße) Formqualifikation erfolgt, sondern die lex causae greift.344 Insbesondere die materiell-rechtlichen Ausführungen des herrschenden Schrifttums, die oben in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation untersucht wurden, zeigen, dass das generelle Erfordernis einer Gestaltungsklage bzw. eines Gestaltungsurteils im engen Sinne materiell-rechtlich verstanden wird, nämlich der lex causae zu entnehmen sei.345 Folglich scheidet danach eine Qualifikation als Formfrage und Unterwerfung unter die (alternative) locus regit formam actus-Regel aus, was einige explizit erwähnen.346 Teilweise sprechen diese Stimmen, wenn sie eine Qualifikation als Formfrage ablehnen, pauschal von einem Hoheitsakt und nicht nur von einem Urteil.347
342
BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276). Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748 („Erfordernis eines autoritativen Spruchs […] nicht nur ein Formerfordernis“). 344 Siehe wiederum BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276 f.); sowie Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748. 345 Siehe etwa Stein/Jonas/Roth, vor § 253 Rn. 118; Geimer, IZPR, Rn. 2638; obgleich im scheidungsrechtlichen Kontext, aber allg. formuliert Herfarth, Scheidung, S. 98; noch Kegel, IPRax 1983, 22 (23); aus der älteren Lit. zum sog. konstitutiven Urteil Hellwig, Klagerecht, S. 136 („Recht, nach welchem das betr[effende] Rechtsverhältnis zu beurteilen ist“); näher zum herrschenden materiell-rechtlichen Meinungsstand in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation oben unter § 5 B.II.2.b)aa). 346 MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 37, 35; nachdrücklich schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 2, S. 144 (keine Frage der Form, ob Rechtsgeschäft oder Hoheitsakt zur Herbeiführung einer Rechtsfolge benötigt wird); ebenso Kropholler, IPR, § 41 II 2 b), S. 311; siehe noch Hausmann/Odersky/Schäuble, IPR, § 7 Rn. 13; sowie – wenngleich im europäischen Kontext – Rauscher/v. Hein, Art. 11 Rom I-VO Rn. 11. 347 Gegen eine Qualifikation als Formfrage schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 2, S. 144; ebenso Kropholler, IPR, § 41 II 2 b), S. 311; siehe noch MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 37 (zumindest bei der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und „Rechtsgestaltung“ von Gerichts- und Behördenakten sprechend). 343
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cc) Vereinzelte Überlegungen einer Formqualifikation bei Gestaltungsakten im Adoptionsrecht Im Adoptionsrecht findet sich eine Ansicht wieder, die davon ausgeht, dass das Erfordernis einer Vertrags- oder Dekretadoption als eine Frage der Form zu beurteilen sei;348 teilweise wird diese Ansicht aber nur – etwas einschränkender – mit Blick auf die Frage geäußert, ob ein gerichtlich zu genehmigender Vertrag oder eine gerichtliche Adoptionsentscheidung vorliegen muss.349 Nach einer weiteren, vereinzelten Ansicht ist zwar die Frage des „Ob“ eines behördlichen oder gerichtlichen Kontrollakts dem Adoptionsstatut zu unterstellen – für die Frage der genauen Mitwirkung sei hingegen zumindest die Einhaltung der „dem Zweck der Sachvorschriften des Adoptionsstatuts genügenden Formen am Vornahmeort“ ausreichend.350 Verbreitet richten sich Vertreter der herrschenden, materiell-rechtlichen Qualifikation aber ausdrücklich gegen eine Qualifikation als Formfrage bzw. Anwendung des Art. 11 EGBGB.351 Auch weitere Vertreter der oben, in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation untersuchten materiell-rechtlichen Qualifikation halten fest, dass nach ihrer Ansicht die lex causae einschlägig ist, insbesondere, indem sie auf die Geltung des Adoptionsstatuts für die Frage der „Art und Weise des Zustandekommens der Adoption“ verweisen.352
348
Hohnerlein, Adoption, S. 49; ausdrücklich § 1752 I BGB als Formvorschrift qualifizierend Sturm, StAZ 1987, 181, Fn. 10. 349 AG Hamburg, Beschl. v. 28. 5. 1963 – 60 X 249/1961, StAZ 1965, 157 f. (ausländisches Adoptionsdekret als dortige „Form“ eines nach damaligem deutschen Recht erforderlichen Adoptionsvertrags – wobei das Gericht keine verfahrensrechtliche Anerkennung des ausländischen Adoptionsdekrets vornimmt, sondern über Art. 22 EGBGB vorgeht und den ausländischen behördlichen Adoptionsbeschluss (nur) als „Grundlage“ für die nach damaligem deutschen Adoptionsrecht nötige gerichtliche Bestätigung eines Adoptionsvertrags nutzt); Schröder, StAZ 1969, 217 (218); siehe noch die Reformvorschläge des Deutschen Rates für IPR mit Begründung für die Kollisionsnorm zur Annahme an Kindes Statt von 1966 bei Lauterbach, in: Vorschläge und Gutachten, S. 4, 33 f. (eigene Norm für das „,Adoptionssystem‘ als solches“, welche alternativ die Beachtung des Ortsrechts genügen lässt); näher Braga, in: Vorschläge und Gutachten, S. 182 (184 ff.). 350 Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 17. 351 Looschelders, Art. 22 Rn. 7; MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 23, Art. 22 EGBGB (Nachtrag Bd. 13) Rn. 22; Staudinger/Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 98; v. Bar, IPR II1, Rn. 327; im allg. Kontext, dabei aber Adoptionsverträge und -dekrete anführend schon Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 2, S. 144; ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 2 b), S. 311. 352 So wiederum BT-Drs. 10/504, S. 71; BeckOGK-EGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 50; Erman/Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 15; Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 61; siehe zur Geltung des Adoptionsstatuts wiederum etwa noch KG, Beschl. v. 4. 4. 2006 – 1 W 369/05, FamRZ 2006, 1405 (1406); BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 27; NKBGB/Magnus, Art. 22 EGBGB Rn. 11, 78; Schwimann, RabelsZ 38 (1974), 571 (572 f.); siehe näher zu dieser Ansicht im Kontext der Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation oben unter § 5 B.II.2.c)aa).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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dd) Keine Formqualifikationsüberlegungen bei Gestaltungsakten im allgemeinen Vertragsrecht Im allgemeinen Vertragsrecht finden sich keinerlei Stimmen, die eine Einordnung der Frage, ob Anfechtung oder Rücktritt auf privatem Erklärungsweg oder mittels Klage und Urteil erfolgen, als eine der Form befürworten. Vielmehr wird vereinzelt ausdrücklich hervorgehoben, dass es gerade nicht um die Form, sondern den Inhalt gehe.353 Auch aus Ausführungen der herrschenden Meinung, die oben in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation dargestellt wurde, ergibt sich, dass es dieser um die Geltung des Vertragsstatuts, eine materiell-rechtliche Qualifikation im engen Sinne geht.354 c) Untersuchung und Stellungnahme (zu § 1564 S. 1 BGB bzw. hoheitlichen Gestaltungsakten) aa) Ausklammerung adoptionsspezifischer Argumente Zuallererst ist festzuhalten, dass Argumentationen, die für die Qualifikation des Erfordernisses eines Vertrags oder Dekrets im Adoptionsrecht das Kindeswohl in den Fokus nehmen, um für eine Einordnung als „Frage der örtlichen Form“ zu plädieren,355 oder sich bei der materiell-rechtlichen Einordnung (indirekt) auf die Gesetzesbegründung zu speziell Art. 22 EGBGB356 stützen,357 adoptionsspezifisch sind. Sie können also auf die vorliegende Frage des Erfordernisses des Gestaltungsakts bei einvernehmlichen Scheidungen nicht unbesehen übertragen werden, zumal eine rein materiell-rechtliche Bedeutung der Gesetzesbegründung zum Adoptionsrecht bisweilen sogar angezweifelt wird.358 353 MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 35, 177 (Anfechtung); siehe bereits zur Anfechtung(sklage) Zitelmann, IPR II, S. 157. 354 Siehe LG Hamburg, Urt. v. 30. 11. 1977 – 5 O 104/77, RIW 1980, 517 (518) („Inhalt“); Geimer, IZPR, Rn. 2638 (für Fälle „richterliche[r] Rechtsgestaltung“ allg. die „lex causae“ nennend und in diesem Kontext auf Anfechtung und Rücktritt verweisend); noch Kegel, IPRax 1983, 22 (23); weitere Nachw. zur materiell-rechtlichen Einordnung im Vertragsrecht in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation oben unter § 5 B.II.2.d). 355 Hohnerlein, Adoption, S. 49. Denn bei deutschem Adoptionsstatut wäre eine ausländische Vertragsadoption andernfalls als unwirksam anzusehen und gerade dies sei mit Blick auf das Kindeswohl problematisch, obwohl sich das deutsche Adoptionsrecht gerade auf dessen Beachtung konzentriere und dieses auch im Rahmen der internationalprivatrechtlichen Wirksamkeitsprüfung nachgeprüft werden könne; so dies., Adoption, S. 49. 356 „Art und Weise des Zustandekommens“; siehe BT-Drs. 10/504, S. 71. 357 Unter direktem Verweis MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 23; Staudinger/ Henrich, Art. 22 EGBGB Rn. 33, 98; zumindest dieselbe Formulierung nutzend BeckOGKEGBGB/Markwardt (1. 5. 2021), Art. 22 Rn. 50; Erman/Stürner, Art. 22 EGBGB Rn. 15; HKAdoptionsR/Kemper, Art. 22 EGBGB Rn. 11; Palandt/Thorn, Art. 22 EGBGB Rn. 5; Kropholler, IPR, § 49 III 2 b), S. 421; Zimmermann, NZFam 2016, 150 (151). 358 Darauf verweisend, dass aus der Gesetzesbegründung gerade nicht abzulesen sei, ob allein das Adoptionsstatut gelte, Soergel12/Lüderitz, Art. 22 EGBGB Rn. 17 Fn. 12 a. E.
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
bb) Berücksichtigung der Abtrennung der Form als Teilfrage Möglicherweise ließe sich eine materiell-rechtliche Qualifikation im engeren Sinne, entsprechend einzelnen Stimmen im Adoptionsrecht, damit begründen, dass der gerichtliche Scheidungsakt mit den anderen Scheidungsvoraussetzungen in Zusammenhang steht.359 Bereits in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation wurde aber herausgearbeitet, dass sich die Vornahme des Gestaltungsakts von den Voraussetzungen abtrennen lässt.360 Ein derart pauschaler Hinweis auf eine etwaige Zusammengehörigkeit kann für eine funktional-teleologische Qualifikation auch nicht ausschlaggebend sein; insbesondere ist es nicht überzeugend, hier auf den Zusammenhang abzustellen, da es sich bei der Form im Sinne des Art. 11 I EGBGB, wie gesehen, gerade um eine abgespaltene Teilfrage handelt.361 cc) Materiell-rechtliche Einordnung unter dem Blickwinkel der Form als „äußere Gestaltung“ Entsprechend der oben erfolgten Untersuchung zum qualifikationsrechtlichen Grundverständnisses von Form und Inhalt362 ist an dieser Stelle zuerst ein Blick auf die dogmatische Ausgestaltung zu werfen, um zu bewerten, ob es sich bei dem Erfordernis eines gerichtlichen Scheidungsakts (im Gegensatz zu einem privaten) um eine „äußere Gestaltung“363 von Scheidungserklärungen handelt. Eine solche Einstufung könnte in Betracht kommen, wenn man bedenkt, dass Hellwig, wie schon bei der Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation gesehen, zwar das „Recht, nach welchem das betr[effende] Rechtsverhältnis zu beurteilen ist“, anwenden möchte – er die auf das konstitutive Urteil gerichtete Klage aber gleichzeitig als „Form, in welcher das Recht auf Rechtsänderung geltend zu machen und in der diese herbeigeführt wird“, bezeichnet.364 Wegweisend, und zwar in die gegenteilige Richtung, ist für die vorliegende Qualifikationsfrage allerdings das materiell-rechtliche, eine Formfrage verneinende Argument des Schrifttums, das darauf abstellt, dass die „Person des Erklärenden jeweils verschieden ist“.365 Wie schon weiter oben zu § 109 FamFG dargelegt, führen bei Gestaltungsurteilen und anderen konstitutiven Hoheitsakten gerade die Gerichte oder Behörden die gestaltende, im Vorliegenden scheidende Wirkung herbei. Die 359
Vgl. MüKo-BGB/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 23 („abgestimmt“). Siehe oben unter § 5 B.II.3.b)aa). 361 Siehe oben unter § 5 B.III.1.a)aa). 362 Siehe oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3). 363 So, wie weiter oben dargelegt, die Umschreibung der Form nach BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 364 Hellwig, Klagerecht, S. 136. 365 Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 2, S. 144; ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 2 b), S. 311. 360
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Eheauflösung ist an den Hoheitsakt geknüpft.366 Es sind, wie bereits bei der Ablehnung der verfahrensrechtlichen Qualifikation angeführt, nicht die Eheleute, die einen Scheidungsvertrag abschließen, sondern das Gericht (oder die Behörde) erklärt die Scheidung und übernimmt aus diesem Blickwinkel, in Gegenüberstellung zur Privatscheidung, quasi eine Art vertragsschließende Funktion. Auf Seiten der Scheidungswilligen ist keine rechtsgeschäftliche Scheidungserklärung gegeben, sondern eine verfahrensrechtliche Handlung, nämlich der Scheidungsantrag.367 Es geht also nicht um eine besondere „äußere Gestaltung“368 oder um „Solennitäten“369 einer Scheidungserklärung der Eheleute, sodass unter diesem Aspekt, der bei der Abgrenzung von Form und Inhalt eine zentrale Rolle einnimmt,370 eine Formqualifikation ausscheidet. dd) Materiell-rechtliche Einordnung unter funktionalem, (form-)zweckbezogenen Blickwinkel Im nächsten Schritt ist nun, wiederum entsprechend der obigen Analyse zum Grundverständnis des Formbegriffes, zu schauen, ob das vorstehende (Zwischen-) Ergebnis durch Sinn- und Zwecküberlegungen funktional untermauert werden kann oder nicht doch noch in Zweifel zu ziehen ist, weil etwa ausschließlich Formzwecke im Vordergrund stehen.371 Einzelne Stimmen im Schrifttum sehen bisweilen immerhin, trotz materiellrechtlicher Einordnung und ohne sich mit einer Formqualifikation auseinanderzusetzen, zumindest eine Ähnlichkeit mit Formvorschriften.372 Gerade die vereinzelte Ansicht im Scheidungsrecht, die von einer Qualifikation als Formfrage, und zwar auch bezüglich § 1564 S. 1 BGB, ausgeht, stützt sich auf die Überlegung, die Frage der Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung sei mit der Frage nach dem Erfordernis einer notariellen Beurkundung vergleichbar,373 es gehe gewissermaßen um die „Gerichtsform“.374 Eine solche Parallele ziehen vereinzelt auch diejenigen, 366
Hierzu oben unter § 4 C.II.1.b)aa)(1). Siehe explizit wiederum Wieczorek/Schütze3/Becker-Eberhard, § 606 (a. F.) Rn. 10; näher oben unter § 5 B.II.3.c)cc). 368 So wiederum zur Form BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 369 Vgl. wiederum die Benutzung dieses Begriffs unter historischer Bezugnahme bei Niemeyer, IPR, S. 111 f. 370 Vgl. näher zur Einordnung der „äußeren Gestaltung“ als Form oben unter § 5 B.III.1.a) bb)(3)(a). 371 Zur grds. Bedeutung der Formzwecke im Rahmen der Abgrenzung von Form und Inhalt oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(b). 372 Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 61. 373 Raupach, Ehescheidung, S. 243 f. 374 Raupach, Ehescheidung, S. 244. Dabei ist wiederum zu beachten, dass sich die Form ihrer Ansicht nach dennoch nicht nach einem anderen Recht als dem Scheidungsstatut richte, da diese Frage von der Rom III-VO erfasst werde; siehe dies., Ehescheidung, S. 244, 85. 367
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die Art. 17 III EGBGB als „Formkollisionsnorm“ einstufen.375 Einige Vertreter der herrschenden Meinung stellen jedoch, wie wiederum schon in Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation dargelegt, auf die kontrollierende Rolle des Gerichts bei der Scheidung ab, um die materiell-rechtliche und nicht (schlichte) Formqualifikation zu belegen.376 Auch im älteren Schrifttum werden zum Erfordernis einer Anfechtungsklage vereinzelt zumindest unterschiedliche „Zwecke“ im Vergleich zu „Formvorschriften“ angeführt, wobei es dort aber um das „Interesse des beteiligten Erklärungsempfängers“, dass (ihm gegenüber) nur eine Klage für die Anfechtung beachtlich ist, geht.377 Nach dem oben Gesagten handelt es sich bei der Kontrolle in der Tat gerade nicht um einen typischen Formzweck im Rahmen des Art. 11 I EGBGB, auf den sich eine Formqualifikation stützen ließe, da darunter, jedenfalls nach auch hier vertretener Auffassung, nur Übereilungsschutz, Klarstellungs- und Beweisfunktion sowie allenfalls Beratungs- bzw. Belehrungsfunktion fallen.378 Möglicherweise könnte man dem wiederum die beim Anerkennungsrecht angeführte und bei der Abgrenzung zur verfahrensrechtlichen Qualifikation aufgegriffene Kritik entgegenhalten, dass nämlich bei der Scheidung eine real eher beschränkte richterliche Kontrolle erfolgt, gerade im Rahmen der sog. einverständlichen Scheidung nach deutschem Recht (§ 1565 I i. V. m. § 1566 I BGB).379 Insbesondere angesichts der Tatsache, dass bei dieser richterlichen Scheidungstätigkeit heutzutage gar der Bogen zu einer „beurkundende[n] Funktion“ gespannt380 oder ein Vergleich mit einer Förmlichkeit gezogen wird,381 könnte man bezweifeln, ob tatsächlich die Kontrolle und nicht doch typische Formzwecke im Vordergrund stehen. Wie allerdings bereits zum anerkennungsrechtlichen Entscheidungsbegriff dargelegt, ist eine Prüfung der Gestaltungsvoraussetzungen bei gerichtlichen Gestaltungsentscheidungen, und zwar auch
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Siehe Ziereis/Zwirlein, IPRax 103 (104), die das Verfahren der notariellen Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags als Nachweis dafür heranziehen, dass auch Verfahrenseinkleidungen als „Formvorschrift“ eingeordnet werden (105). 376 Siehe wiederum BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (276); zuvor bereits MüKo-BGB1/Lorenz, Art. 17 EGBGB Rn. 490 (aber nicht das Urteilserfordernis als solches materiell einordnend); diesem zustimmend Kotzur, Kollisionsrechtliche Probleme, S. 221; dem BGH insofern schließlich folgend Henrich, IPRax 1995, 86 (89, Fn. 27); siehe noch Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, § 1564 BGB Rn. 29a, 5. 377 Zitelmann, IPR II, S. 157. 378 Hierzu oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(b). 379 Hierzu oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(2) und § 5 B.II.3.c)bb). 380 Coester-Waltjen, JZ 2017, 1073 (1079) (daher für eine Privatscheidung im deutschen Recht plädierend); ebenso dies./Coester, in: FS Canaris, S. 659 (676); für die gerichtliche Scheidung nach spanischem Recht Martiny, StAZ 2011, 197 (198) („beurkunden“); allg. in Bezug auf heutige gerichtliche Scheidungen noch Hepting/Dutta, Familie, Rn. III-502. 381 Coester-Waltjen, IPRax 2018, 238 (242) („letztlich nur noch formalistische Einschaltung“).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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bei der Scheidung, gesetzlich durchaus vorgesehen.382 Dies spricht dagegen, über die Kontrolle hinwegsehen zu können und (nur) ein Vorliegen typischer Formzwecke zu bejahen. Letztendlich muss man sich mit dem Kontrollaspekt aber ohnehin nicht näher auseinandersetzen, wenn man den Blick abermals – wie insbesondere schon im Anerkennungsrecht – auf das andere besondere Charakteristikum eines hoheitlichen, insbesondere gerichtlichen Gestaltungsakts und namentlich des Scheidungsbeschlusses wirft: Die besondere Beständigkeit, durch die sich Gestaltungsurteile bzw. Scheidungsbeschlüsse auszeichnen. Es dient der Rechtssicherheit, wenn ein Gestaltungsakt hoheitlich und nicht im Wege privater Willenserklärungen erfolgt; dadurch, dass es gerade der Scheidungsbeschluss ist, der die Eheauflösung herbeiführt, ist kein fragiler Privatakt gegeben, der privat angreifbar oder gar ipso iure fehleranfällig ist.383 Nun könnte man anmerken, dass auch bei Formzwecken auf das Klarstellungs- und Beweisinteresse verwiesen wird und insbesondere bei notariellen Beurkundungen noch auf die höhere Richtigkeitsgewähr.384 Mit Blick auf die notarielle Beurkundung (im Gesellschaftsrecht) taucht gerade auch der Begriff der Rechtssicherheit auf.385 Dies geschieht aber gerade im Zusammenhang mit der „Beweissicherung[ ]“386 bzw. der „in gewissem Umfang“ erfolgenden notariellen Kontrolle.387 Zudem lässt sich wiederum einwenden, dass diese Aspekte nach dem bisher Gesagten nicht als qualifikationstaugliche, typische Formzwecke anzusehen sind.388 Darüber hinaus kann jedenfalls von vornherein nicht von einer Gleichsetzung mit der besonderen Beständigkeit eines hoheitlichen, insbesondere gerichtlichen Gestaltungsurteils bzw. -beschlusses die Rede sein. Der notariell beurkundete Vertrag bleibt als Vertrag grundsätzlich weiterhin fehleranfällig.389 Auch die regelmäßig 382
Siehe zu Gestaltungsurteilen wiederum nachdrücklich Bötticher, in: FG Rosenberg, S. 73 (82 f.); näher und auch zur Scheidung m. w. N. oben zum Anerkennungsrecht unter § 4 C.II.1.d)aa)(2) und noch § 4 C.II.1.b)aa)(2)(c). 383 Vgl. oben zum Anerkennungsrecht unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(b)(bb) und § 4 C.II.3.a) dd)(2)(d). 384 Siehe zur Beurkundung in einem gesellschaftsrechtlichen Fall (§ 53 II GmbHG) BGH, Beschl. v. 24. 10. 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 (338) („materielle[ ] Richtigkeitsgewähr“); zur notariellen Beurkundung allg. Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 13 („Teil der Beratungsfunktion im engeren Sinn“); Neuner, BGB AT, § 44 Rn. 13 (auch in Bezug auf behördliche Mitwirkung); Mankowski, JZ 2010, 662 (666); siehe noch Neuhaus, in: FS Ficker, S. 337 (354) (zur „rechtzeitige[n] Prüfung“ durch den Standesbeamten bei der Eheschließung). 385 BGH, Beschl. v. 24. 10. 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 (338); Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 23 m. w. N. 386 BGH, Beschl. v. 24. 10. 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 (338); siehe noch Staudinger/ Hertel, BeurkG Rn. 23. 387 Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 23. 388 Wobei wiederum anzumerken ist, dass bisweilen immerhin die „Richtigkeitsgewähr“ als qualifikationstauglicher Formzweck im Rahmen des Art. 11 EGBGB genannt wird; siehe NKBGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11. 389 Vgl. – zur Beweiskraft notarieller Urkunden und Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB) – BGH, Urt. v. 28. 4. 1978 – V ZR 107/76, BGHZ 71, 260 (262 f.); MüKo-BGB/Einsele,
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bestehende Beständigkeit der Ehe390 ergibt sich, wie schon beim Anerkennungsrecht angemerkt, erst aus einer ehespezifischen Norm (§ 1313 BGB), welche sich als besondere Regel über die ansonsten auf Willenserklärung anwendbaren Regeln hinwegsetzt.391 Die Beständigkeit folgt gerade nicht aus dem standesamtlichen Mitwirkungsakt als solchem. Auch Art. 13 IV EGBGB, der die inländische Eheschließungsform vorschreibt, wozu nach herrschender Auffassung die Mitwirkung des Standesbeamten zu zählen ist, und der vergleichend für eine Formqualifikation des Art. 17 III EGBGB herangezogen wird,392 muss daher für die vorliegende Qualifikationsfrage außer Betracht bleiben. Ohnehin ist es fraglich, eine Argumentation, die sich auf zwei spezielle Normen im Kollisionsrecht zu Inlandsfällen (nämlich Art. 13 IV bzw. Art. 17 III EGBGB) bezieht, auf die vorliegende Qualifikationsfrage zu übertragen. Der hoheitliche Scheidungsakt geht nach dem Vorstehenden folglich in jedem Fall über reine Formzwecke hinaus, weshalb sich auch unter diesem Blickwinkel keine Formqualifikation erreichen lässt. Auch das für eine Formqualifikation angeführte Argument, etwaige Kontrollen ließen sich noch im Rahmen der internationalprivatrechtlichen Wirksamkeitsprüfung durchführen,393 kann aufgrund der dargelegten besonderen Beständigkeit des hoheitlichen Scheidungsakts daher wiederum nicht durchdringen. Gleiches gilt für die im Adoptionsrecht vereinzelt geäußerte Auffassung, nach der ein Adoptionsdekret im Verhältnis zu einem bestätigten Adoptionsvertrag als Form aufgefasst werden kann.394 Eine hoheitliche, insbesondere eine Scheidung wie nach § 1564 S. 1 BGB ist aus den soeben dargelegten Gründen nicht bloß als eine besondere Form einer gerichtlich/behördlich bestätigten Privatschei§ 125 Rn. 8; Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 702; zu §§ 116 ff. BGB BeckOGK-BGB/Scheller (1. 5. 2021), § 128 Rn. 43. 390 Beachte aber § 1303 S. 2 BGB; siehe zu den automatischen Unwirksamkeitsfolgen wiederum nur MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1303 Rn. 12 ff. m. w. N. 391 Näher abermals MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1313 Rn. 4; Staudinger/Voppel, § 1313 Rn. 3; vgl. noch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 12 Rn. 8; siehe hierzu schon oben zum Anerkennungsrecht unter § 4 C.II.1.b)aa)(2)(b). 392 Siehe zu den entsprechenden Art. 17 II und Art. 13 III EGBGB a. F. Ziereis/Zwirlein, IPRax 103 (104); vergleichend unter Hinweis auf die Einordnung der „religiösen Zeremonie“ als zur Eheschließungsform gehörig Gärtner, Privatscheidung, S. 48 i. V. m. Fn. 19. Ein Vergleich zum (heutigen) Art. 13 IV EGBGB wird auch von anderen gezogen, ohne eine Formqualifikation zu vertreten; siehe Staudinger/Mankowski, Art. 17 EGBGB Rn. 182 („Gegenstück“); ebenso Nojack, Exklusivnormen, S. 61 – wobei zumindest davon sprechend, dass Art. 11 I EGBGB dadurch beseitigt werde, S. 62 f.; siehe noch zu Inlandsscheidungen vor Kodifizierung des entsprechenden Art. 17 II EGBGB a. F. und heutigen Art. 17 III EGBGB Beitzke, IPRax 1981, 202 („Gegenstück“) – wobei den Vergleich aber stark abschwächend („Problematik der Scheidung nach ausländischem Recht über die entsprechende der Heirat in Inlandsform hinausgeh[end]“). Näher zur Qualifikation der standesamtlichen Mitwirkung bei der Eheschließung oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(a). 393 So im internationalen Adoptionsrecht Hohnerlein, Adoption, S. 49. 394 Siehe zu dieser Ansicht wiederum AG Hamburg, Beschl. v. 28. 5. 1963 – 60 X 249/1961, StAZ 1965, 157 (158); noch Schröder, StAZ 1969, 217 (218); vgl. noch – als Reformvorschlag – Braga, in: Vorschläge und Gutachten, S. 182 (184 f.); näher oben unter § 5 B.III.1.b)cc).
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dung bzw. letztere ist nicht als mit einer gerichtlichen Scheidung gleichwertig anzusehen.395 Das Erfordernis eines hoheitlichen Gestaltungs- anstelle eines privaten Gestaltungsakts beschränkt sich folglich nicht nur oberflächlich darauf, wer die Scheidung erklärt, und kann gerade keinesfalls als „bloße Formalität ohne ernstlichen sachlichen Unterschied erscheinen“.396 Sollte eine Rechtsordnung hingegen eine kontrollierte Privatscheidung vorsehen, die von besonderer Beständigkeit ist, könnte eine solche Schlussfolgerung („bloße Formalität“) zwar greifen. In diesem Falle gelangte man nach der hier vertretenen Ansicht aber, unter den weiter oben dargelegten Voraussetzungen, ohnehin bereits im Wege einer funktionalen Gesamtqualifikation zu einer Qualifikation als „Entscheidung“ (§ 109 I FamFG), sodass es dann nicht zur Abgrenzungsfrage im internationalen Privatrecht käme.397 ee) Keine Ergebnisumkehr wegen erleichterter Vornahme des Gestaltungsakts Eine Formqualifikation, die sich darauf stützt, dass dies die Vornahme der (Privat-)Scheidung im Ausland erleichtere,398 scheidet nach der oben geäußerten Kritik an einer Qualifikationsmethodik, die sich auf den Gültigkeits- bzw. Verkehrserleichterungszweck des Art. 11 I EGBGB konzentriert,399 schließlich ebenfalls aus. Umgekehrt findet sich in Rechtsprechung und Schrifttum bei der Ablehnung einer Qualifikation als reines „Formerfordernis“ zwar noch als Argument angeführt, dem deutschen Scheidungsrecht lasse sich kein Spielraum bezüglich einer erleichterten Vornahme im Ausland entnehmen.400 Die Geltung der lex loci actus nach Art. 11 I 395
Anders aber im Rahmen der soeben angeführten Ansicht aus dem Adoptionsrecht AG Hamburg, Beschl. v. 28. 5. 1963 – 60 X 249/1961, StAZ 1965, 157 (157 f.), wonach ein ausländischer behördlicher Adoptionsbeschluss „Adoptionsäquivalent“ und „ausreichende Grundlage“ für eine gerichtliche Bestätigung ist. 396 So aber die Anmerkung von Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 2, S. 144, der die Formqualifikation jedoch sodann, wie zuvor gesehen, wegen Personenverschiedenheit der Erklärenden ablehnt; ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 2 b), S. 311. 397 Eingehend hierzu oben unter § 4 C.II.3. 398 Vgl. die Argumentation für eine Formqualifikation bzw. Kritik an einer materiellrechtlichen Qualifikation bei der Gegenüberstellung von Adoptionsverträgen mit gerichtlicher Bestätigung und Adoptionsdekreten bei Schröder, StAZ 1969, 217 f.; noch Braga, in: Vorschläge und Gutachten, S. 182 (183 f.). 399 Siehe oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(c). 400 Siehe Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748; zustimmend BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (277) – wobei wiederum zu berücksichtigen ist, dass dies zugleich im Kontext der dort (vom BGH erwähnten) parallelen verfahrensrechtlichen Qualifikation zu sehen ist. Bei dieser Argumentation ist zu beachten, dass zwar auf die „Scheidung eines Deutschen im Ausland“ (so wiederum BGH, Beschl. v. 21. 2. 1990 – XII ZB 203/87, BGHZ 110, 268 (277)) abgestellt ist. Zu beachten ist aber zudem, dass nach Art. 17 I EGBGB a. F. i. V. m. Art. 14 I EGBGB a. F. auch primär an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wurde (siehe Art. 1 Nr. 7 (zu „Artikel 14“ bzw. „Artikel 17“) des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen
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Var. 2 EGBGB wäre, so vereinzelt das Schrifttum, kritisch zu sehen, da dies „ein flüchtiger und leicht manipulierbarer Anknüpfungspunkt“ sei.401 Auch diese umgedrehten, sich gegen eine Formqualifikation gerichteten Argumente sind indes wenig überzeugend, denn sie nehmen ebenfalls das Ergebnis – hier nun die Nichtanwendung der alternativen Ortsformregel des Art. 11 I EGBGB – gewissermaßen in umgekehrter Weise vorweg. ff) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle somit festhalten, dass sich das Erfordernis einer hoheitlichen, insbesondere gerichtlichen Scheidung wie nach § 1564 S. 1 BGB nicht als eine Frage der Form qualifizieren lässt. Das Erfordernis eines hoheitlichen, namentlich gerichtlichen Scheidungsakts ist nicht als bloße Äußerlichkeit anzusehen und verfolgt gerade nicht (nur) typische Formzwecke, wobei auch wiederum auf die besondere Beständigkeit von Gestaltungsurteil bzw. Scheidungsbeschluss abzustellen ist. Aufgrund dieser Ablehnung einer Formqualifikation kann auch dahinstehen, wie bei einer gerichtlichen Scheidung damit umzugehen wäre, dass Art. 11 I EGBGB nur die Form von Rechtsgeschäften erfasst – der Begriff des Rechtsgeschäfts aber recht großzügig verstanden wird.402 2. Keine kontrollbezogene teleologische Reduktion a) Vereinzelt vorgeschlagene Einschränkungen der materiell-rechtlichen Qualifikation Nach Ablehnung einer zuvor befürworteten, ausschließlich verfahrensrechtlichen Qualifikation403 findet sich bei Henrich noch ein besonderer Vorschlag. Dieser soll – trotz des von ihm nun zugestandenen „auch materiellrechtlichen Charakters[s]“ des § 1564 S. 1 BGB404 – in bestimmten Fällen zu einer wirksamen ausländischen Privatscheidung führen, obwohl deutsches Scheidungsrecht anwendbar ist. Seiner
Privatrechts v. 25. 7. 1986, BGBl. 1986 I, S. 1142), heute hingegen über Art. 17 II i. V. m. Art. 8 lit. a) Rom III-VO primär an den gewöhnlichen Aufenthalt; vgl. zur – bei materiell-rechtlicher Qualifikation – nunmehr entsprechend zulässigen Privatscheidung von Deutschen bei ausländischen Scheidungsstatut aufgrund eines anderen gewöhnlichen Aufenthalts auch Hausmann, IntEuFamR, Rn. A 573. 401 Martiny, IZVR III/1, Rn. 1745. 402 Vgl. zur Reichweite des Art. 11 EGBGB etwa MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 31 m. w. N., wonach explizit etwa auch „geschäftsähnliche Handlungen“ erfasst seien; noch Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 90. 403 Henrich, IPRax 1995, 86 (89, Fn. 27) („nicht nur […] verfahrensrechtlich[ ]“); anders zuvor ders., IPRax 1982, 94 (95); noch ders., IPRax 1988, 178 f.; siehe zu dieser (früheren) rein verfahrensrechtlichen Qualifikation auch oben unter § 5 B.II.2.a)aa)(2). 404 Henrich, IPRax 1995, 86 (89, Fn. 27).
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Ansicht nach „sollte eine teleologische Reduktion des § 1564 BGB möglich sein“.405 Letztlich könne diesem Erfordernis einer Scheidung durch das Gericht (§ 1564 S. 1 BGB) die „Scheidung im Ausland vor einem Gericht gleichstehen“, wenn dieses, wie etwa bei der Scheidung nach jüdischem Recht, eine Kontrolle vornimmt und die Scheidung „für zulässig erklärt“; unter diesen und bei Erfüllung der weiteren deutschen Scheidungsvoraussetzungen könne die Scheidung sodann anerkannt werden.406 Hierbei ergibt sich aus dem Kontext (namentlich dem Hervorheben der „Scheidungsvoraussetzungen des deutschen Rechts“407), dass damit eine Wirksamkeitsprüfung nach den Regeln des internationalen Privatrechts gemeint ist.408 Dieser Vorschlag findet im Schrifttum bisweilen Zustimmung409 und wird vereinzelt noch näher ausgeführt.410 Herfarth gelangt zu dem Ergebnis, dass sich dadurch § 1564 S. 1 BGB „wandelt“ und zwar zu einer „bloßen Formvorschrift“, weshalb Art. 11 I EGBGB greife und bei Geltung deutschen Scheidungsrechts die Privatscheidung gemäß Art. 11 I Var. 2 EGBGB „nach dem Ortsrecht zulässig“ sein müsse.411 Zwar spricht auch Herfarth wiederum von einer Anerkennung,412 es geht ihm aber unzweifelhaft – wie gerade seine Ausführungen zum Scheidungsstatut und Art. 11 EGBGB zeigen – um eine Wirksamkeitsprüfung nach den Regeln des internationalen Privatrechts.413 Der BGH lehnt eine solche teleologische Reduktion allerdings ausdrücklich ab.414 In diesem Kontext ist noch auf eine (ältere) Ansicht Lorenz’ hinzuweisen,415 der bei deutschem Scheidungsstatut die Norm des § 1564 BGB wegen der dort vorge405 Henrich, IPRax 1995, 86 (89); knapp wiederholend ders., FamRZ 2008, 1413 (1414); siehe noch ders., IPRax 2007, 137 („könnte […] Abhilfe schaffen“). 406 Henrich, IPRax 1995, 86 (89). 407 Henrich, IPRax 1995, 86 (89); zudem wird dort das verfahrensrechtliche Anerkennungsrecht gerade nicht erwähnt. 408 Das Anerkennungsrecht sähe nämlich gerade keine solche Nachprüfung anhand des Scheidungsstatuts vor; siehe dazu oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1). 409 NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG), Rn. 85 (für den Fall, dass keine verfahrensrechtliche Anerkennung solcher Scheidungen erfolge); zunächst vorsichtig Herfarth, Scheidung, S. 442 („liegt […] nahe“) – schließlich aber von einem „eben gefundene[n] Grundsatz“ sprechend, ders., Scheidung, S. 444. 410 Herfarth, Scheidung, S. 442 ff. 411 Herfarth, Scheidung, S. 444. 412 Herfarth, Scheidung, S. 444. 413 Eindeutig zwischen „Anerkennung einer Gerichtsscheidung“ und „Anerkennung von Privatscheidungen und damit eine Beurteilung nach dem […] Scheidungsstatut“ differenzierend und die teleologische Reduktion zu Letzterem zählend zudem an anderer Stelle Herfarth, Scheidung, S. 38. 414 BGH, Urt. v. 28. 5. 2008 – XII ZR 61/06, BGHZ 176, 365 (374 f., Rn. 35); siehe aber wiederum die – gerade hierauf erwiderte – wiederholte Befürwortung der teleologischen Reduktion bei Henrich, FamRZ 2008, 1413 (1414). 415 Daneben sei nur kurz erwähnt, dass schließlich einzelne weitere Vertreter einer letztendlich materiell-rechtlichen Qualifikation noch erkennen lassen, dass Ausnahmen denkbar seien, wenn die vom deutschen Scheidungsrecht verlangte, gerichtliche Scheidung in einem
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
sehenen „Kontrolle der Scheidungsvoraussetzungen“ greifen lassen möchte – aber nicht wegen des Scheidungsausspruches „in der Form eines Urteils“. Diesbezüglich geht er von einer bloßen „Vollzugsform“ aus und hält Art. 11 EGBGB für maßgeblich.416 b) Stellungnahme Die zuvor dargelegten Einschränkungen basieren im Kern auf der Überlegung, in der „Kontrolle der Scheidungsvoraussetzungen durch eine unabhängige Instanz“ liege der „materiellrechtliche[ ] Charakter“ des § 1564 S. 1 BGB.417 Vereinzelt wird noch die „Rechtssicherheit“ bzw. „Klarheit“ einer gerichtlichen Scheidung genannt418 und die Ausgestaltung der Kontrolle als gerichtliches Entscheidungserfordernis als „Formvorschrift“ gedeutet.419 Außerdem findet sich auch der Kritikpunkt, dass es andernfalls gegebenenfalls zur „ausschließlichen Zuständigkeit deutscher Gerichte“ kommen könnte.420 Einer teleologischen Reduktion oder vergleichbaren Einschränkungen ist aber nicht zuzustimmen. Nach dem oben zum Anerkennungsrecht421 sowie zuvor zur rein materiell-rechtlichen Qualifikation422 Gesagten ist wesentliches Charakteristikum eines hoheitlichen Gestaltungsakts und gerade der sog. einverständlichen Scheidung nach deutschem Recht (§ 1565 I i. V. m. § 1566 I BGB) die besondere Beständigkeit und nicht (nur) die Kontrolle. Wie im Rahmen der vorstehenden Argumentation zur – abgelehnten – Formqualifikation gesehen, spielen zwar Klarstellungs- und sogar auch Richtigkeitsgewähr- und Rechtssicherheitsinteressen bei Formvorgaben eine Rolle. Letztere stellen aber nach hier vertretener Ansicht keine qualifikationstauglichen, typischen Formzwecke dar und eine kontrollierte Privatscheidung ist ohnehin nicht mit der besonderen Beständigkeit eines Gestaltungsurteils bzw. ScheidungsFall nur schwer bzw. nicht zu erlangen ist; siehe Kegel, IPRax 1983, 22 (23) (Privatscheidung „in Notfällen (analog den Trauungen in Gebieten ohne Standesbeamte oder andere Urkundspersonen)“); in ähnlicher Weise zur Geltung deutschen Scheidungsrechts nach dem damaligen Art. 17 I EGBGB a. F. knapp noch Neuhaus, RabelsZ 31 (1967), 578 (579) (Unzulässigkeit der Privatscheidung im Ausland nur, wenn „im Einzelfall eine gerichtliche Klage praktisch möglich“). Diese Einschränkungen so deutend, dass eine Privatscheidung danach zulässig sei, wenn in Bezug auf ein Scheidungsverfahren vor deutschen Gerichten Unzuständigkeit und Unzumutbarkeit gegeben ist, Martiny, IZVR III/1, Rn. 1748. 416 MüKo-BGB1/Lorenz, Art. 17 EGBGB Rn. 490. 417 Henrich, IPRax 1995, 86 (89 i. V. m. Fn. 27); noch Herfarth, Scheidung, S. 442; zumindest davon ausgehend, dass dies „dem Sinn und Zweck von § 1564 BGB“ entspreche, NKBGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 85. 418 Herfarth, Scheidung, S. 442 f. 419 Herfarth, Scheidung, S. 444; vgl. noch den Kontrollfokus – ohne von einer teleologischen Reduktion zu sprechen – bei MüKo-BGB1/Lorenz, Art. 17 EGBGB Rn. 490. 420 NK-BGB/Andrae, Anh. II zum III. Abschn. EGBGB (§§ 107 – 109 FamFG) Rn. 85. 421 Eingehend oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2). 422 Siehe oben unter § 5 B.II.3.c)cc).
B. Ausländische Privatscheidung und Scheidungsstatut (lex causae)
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beschlusses vergleichbar.423 Dementsprechend kann sich ebenfalls keine teleologische Reduktion des § 1564 S. 1 BGB dahingehend durchsetzen, dass in materiellrechtlicher Hinsicht eine kontrollierte Privatscheidung auch bei Geltung des deutschen Scheidungsrechts, das eine hoheitliche, gerichtliche Scheidung verlangt, genügen würde. Einzelne Vertreter der genannten Einschränkungen erwähnen sogar selbst noch die „Rechtssicherheit“ der gerichtlichen Scheidung.424 Die Wirksamkeit einer ausländischen Privatscheidung aus teleologischen Gesichtspunkten bei Geltung deutschen Scheidungsrechts nicht an § 1564 S. 1 BGB scheitern zu lassen, wäre nach dem Gesagten nur denkbar, wenn eine kontrollierte Privatscheidung vorläge, die auch in besonderer Weise beständig ist. Dann läge nach hier vertretener Auffassung aber ohnehin eine „Entscheidung“ im Sinne des § 109 I FamFG vor und es käme zu keiner Wirksamkeitsprüfung nach internationalprivatrechtlichen Grundsätzen.425
IV. Ergebnis Bei der internationalprivatrechtlichen Wirksamkeitsprüfung überzeugen eine verfahrensrechtliche oder Formqualifikation hoheitlicher, insbesondere gerichtlicher Gestaltungserfordernisse einer Scheidung, namentlich des § 1564 S. 1 BGB, nicht. Vorzugswürdig ist eine rein materiell-rechtliche Qualifikation, wie sie die herrschende Meinung vertritt. Bei dieser Qualifikation spielen nach dem Gesagten gerade mit Blick auf § 1564 S. 1 und § 1565 I i. V. m. § 1566 I BGB aber nicht allein die richterliche Kontrolltätigkeit, sondern insbesondere der richterliche Gestaltungsakt selbst mit seiner besonderen Beständigkeit eine entscheidende Rolle. Deswegen ist auch einer teleologischen Reduktion dahingehend, eine Privatscheidung mit kontrollierender Hoheitstätigkeit ausreichen zu lassen (und die Ausgestaltung als gerichtlicher Scheidungsakt gegebenenfalls als bloße Formfrage zu deuten), nicht zu folgen. Die materiell-rechtliche Qualifikation führt schließlich dazu, dass es auf etwaige ordre public-Überlegungen426 nicht mehr ankommt. Ohnehin dürften aber die hier untersuchten einvernehmlichen Privatscheidungen, wie die Ausführungen zum Anerkennungsrecht bereits auch mit Blick auf den kollisionsrechtlichen ordre public 423
Siehe hierzu oben unter § 5 B.III.1.c)dd). Herfarth, Scheidung, S. 442 f. 425 Eingehend oben unter § 4 C.II.3. 426 Siehe für die Befürwortung eines ordre public-Charakters BT-Drs. 10/504, S. 61; MüKo-BGB/Weber, § 1564 Rn. 4; explizit dagegen aber Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 353. In ähnlicher Weise wurde bezüglich der Vorgängernorm (§ 41 EheG a. F.) teilweise von einem „internationalrechtlich zwingenden Gehalt“ gesprochen, was aber gerade der Geltung dieser Norm auch bei ausländischem Scheidungsstatut im Inland dienen sollte; auf Inlandsscheidungen Bezug nehmend Beitzke, FamRZ 1960, 126 f. (der an dieser Stelle noch explizit eine verfahrensrechtliche Qualifikation des damaligen § 41 EheG a. F. befürwortet); Kleinrahm, FamRZ 1966, 10 (13). 424
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
zeigen,427 nicht allein aufgrund des privaten (und nicht hoheitlichen) Charakters der Scheidung ordre public-widrig sein.
C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen unter Geltung eines anderen ausländischen Scheidungsstatuts I. Vorbemerkung Schließlich ist noch ein Blick auf besondere „Drei-Staaten-Konstellationen“ zu werfen, in denen die Privatscheidung in einem Staat X erfolgt, aus deutscher Sicht aber (über Art. 17 II EGBGB) das Scheidungsrecht des Staates Y anwendbar ist. Es geht um Qualifikationsfragen, die sich stellen, wenn das Recht des Staates Y eine „strengere“ Privatscheidung (als die im Staat X erfolgte) kennt oder einer ausländischen Privatscheidung (des Staates X) zumindest „offener“ gegenübertritt. Insbesondere geht es um die Frage, wie kontrollierende „Mitwirkungsmodalitäten“ bei Privatscheidungen zu qualifizieren sind.
II. Scheidungsstatut mit anderer, kontrollierender Ausgestaltung der Privatscheidung 1. Ausgangsüberlegungen a) Zu untersuchende Konstellationen Im Nachfolgenden soll auf zwei Konstellationen eingegangen werden, für die die jeweilige Ausgangshypothese folgende ist: Eine Privatscheidung wird in einem Drittstaat X (d. h. außerhalb der EU(-Verordnungen)) durchgeführt, der lediglich eine schlichte Registrierung der Scheidung als Mitwirkungsakt vorschreibt – aus deutscher Sicht ist aber ein anderes ausländisches Recht Y materiell anwendbar bzw. Scheidungsstatut. Dieses Scheidungsrecht des Staates Y sieht jedoch eine „strengere“ Art der Privatscheidung als die nur schlicht zu registrierende Privatscheidung des Drittstaates X vor, nämlich namentlich eine Kontrolle, entweder als gesonderter, insbesondere genehmigender Kontrollakt einer Behörde, oder als beurkundender Akt mit Kontrollelementen. Wie schon einleitend erwähnt, ist davon auszugehen, dass solche Konstellationen angesichts der vermehrten Verbreitung von Privatscheidungen in den verschiedenen Rechtsordnungen, gerade auch innerhalb der EU, an Bedeutung gewinnen.428 427 428
Vgl. oben unter § 4 C.III.2. Siehe wiederum MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 15a.
C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen
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b) Geltung des Art. 11 I EGBGB für die Form von Privatscheidungen Da Art. 11 I EGBGB offen von einem Rechtsgeschäft spricht, ist zunächst festzustellen, dass die Norm auch die Formfragen einer Privatscheidung erfasst, genauer gesagt die Formfragen des Scheidungsvertrags bei den vorliegend untersuchten einvernehmlichen Privatscheidungen.429 Anders wäre dies nur zu bewerten, wenn man mit der schon oben erwähnten Ansicht davon ausginge, dass die Rom III-VO auch Formfragen miteinschließt,430 und dies auch vom Verweis des Art. 17 II EGBGB auf die Regeln der Rom III-VO umfasst wird. Allerdings ist der ebenfalls oben angeführten, verbreiteten Gegenansicht zuzustimmen, wonach die Rom III-VO ohnehin – unabhängig der Frage ihrer Anwendbarkeit bei Privatscheidungen – Formfragen gerade nicht erfasst,431 weil sich dort keinerlei Hinweise darauf finden und die Form in anderen Verordnungen gesondert geregelt wird.432 Auch bei der nunmehr entsprechenden Anwendung über den Verweis nach Art. 17 II EGBGB gilt nichts anderes. 2. Scheidungsstatut mit genehmigender behördlicher Mitwirkung a) Beispielhafter Problemaufriss Zunächst ist auf die Qualifikation genehmigender behördlicher Mitwirkungsakte einzugehen. Als Beispiel für diese erste Konstellation kann eine Privatscheidung wie die unter staatsanwaltlicher Mitwirkung nach italienischem Recht dienen, das bei Vorhandensein insbesondere minderjähriger Kinder eine Genehmigung des Staatsanwalts vorschreibt (Art. 6 II 2 des ital. Gesetzesdekrets).433 Fraglich wäre nun etwa, ob eine registrierte Privatscheidung nach thailändischem Recht434 als wirksam anzusehen wäre, wenn aus deutscher Sicht (Art. 17 II EGBGB) italienisches Scheidungsrecht anwendbar ist.435 Qualifizierte man das Mitwirkungserfordernis des Staatsanwalts als eine Formvorgabe, genügte die Anwendung des – im Beispielsfall thailändischen – Ortsrechts (Art. 11 I Var. 2 BGB). Bei materiell-rechtlicher Qua429 Zur Anwendbarkeit auf Privatscheidungen Staudinger/Spellenberg, § 109 FamFG Rn. 348; Martiny, IZVR III/1, Rn. 1745; vgl. noch Soergel12/Schurig, Art. 17 EGBGB Rn. 115. 430 Raupach, Ehescheidung, S. 243 f., 85; noch Palandt/Thorn, Art. 17 EGBGB Rn. 6; zu dieser Frage schon oben unter § 5 B.III.1.b)aa)(1). 431 MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 17 EGBGB Rn. 21; Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (106); noch Gruber, IPRax 2012, 381 (384, Fn. 33). 432 Ziereis/Zwirlein, IPRax 2016, 103 (106). 433 Siehe wiederum die Übersetzung des Gesetzesdekrets Nr. 132/2014 bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. Das Genehmigungserfordernis gilt ausweislich des Gesetzeswortlauts im Falle minderjähriger oder volljähriger geschäftsunfähiger, schwerbehinderter oder wirtschaftlich unselbstständiger Kinder. 434 Zu dieser Privatscheidung näher oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(i). 435 Siehe zu diesem Beispiel – obgleich pauschal zum „neue[n] italienische[n] Scheidungsrecht“ – MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 15a i. V. m. Fn. 55.
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
lifikation wäre allein die lex causae maßgeblich. Folglich gelangt man bei einer Privatscheidung im Ausland zu einem – oben bei der lex loci-Regel allgemein angesprochenen – Substitutionsproblem.436 Es wäre zu fragen, ob eine Mitwirkung an der Privatscheidung durch eine ausländische Behörde zulässig wäre und ob die ausländische – im Beispielsfall registrierende – Tätigkeit als funktionaler Ersatz gewertet werden könnte.437 b) Qualifikationsrechtliche Lösung Wie allgemein zu den bei der Qualifikation zu berücksichtigenden Formzwecken erwähnt, werden Genehmigungen oder ähnliche Erlaubnisakte grundsätzlich nicht als Formfragen im Sinne des Art. 11 I EGBGB aufgefasst.438 Dort wurde festgestellt, dass sich diese Qualifikation aus teleologischer Sicht, mit Blick auf die Begrenzung qualifikationsrechtlich relevanter Formzwecke rechtfertigen lässt. Fraglich ist an dieser Stelle daher (nur) noch, ob dies auch insgesamt, vor dem Hintergrund, dass sich die Form, wie oben erläutert, zunächst über den Begriff der „äußere[n] Gestaltung“439 bestimmen lässt,440 Bestand hat. Bei einer Genehmigung ist ein eigener kontrollierender Erklärungsakt der Behörde gegeben, der zu den privaten Willenserklärungen hinzutreten muss.441 Aufgrund eines Genehmigungs- oder Bewilligungserfordernisses ist – um die oben 436
Vgl. zum Beispielsfall MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 15a i. V. m. Fn. 55; allg. zum Begriff der Substitution Beschl. v. 4. 10. 1989 – IVb ZB 9/88, BGHZ 109, 1 (6) („Ersetzbarkeit“); näher etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 247 m. w. N.; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1219. 437 Vgl. – zur Voraussetzung der „Übereinstimmung in der Funktion“ – BGH, Beschl. v. 13. 5. 2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289 (298, Rn. 33); Beschl. v. 4. 10. 1989 – IVb ZB 9/88, BGHZ 109, 1 (6); grundlegend zu den Voraussetzungen einer Substitution etwa MüKo-BGB/ v. Hein, Einl. IPR Rn. 252 ff. m. w. N.; Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1220; Kropholler, IPR, § 33 II, S. 231 ff. 438 Siehe oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(b). 439 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 440 Siehe zum allg. Begriffsverständnis oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(a). 441 Zu gerichtlichen Genehmigungen als „Wirksamkeitsvoraussetzung“ BeckOK-BGB/ Bub, § 182 Rn. 13, zu behördlichen Genehmigungen Rn. 11; siehe schon Lange, AcP 152 (1952/53), 251 (244); vgl. bereits bei der Abgrenzung zu Formzwecken Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (92) (Voraussetzung zur „Gültigkeit“); vgl. zur kontrollierenden Rolle von vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen MüKo-BGB/Kroll-Ludwigs, § 1828 Rn. 1; zu familiengerichtlichen Genehmigungen noch BeckOGK-BGB/Regenfus (1. 7. 2021), § 182 Rn. 244; Staudinger/Klumpp, Vorbem. zu §§ 182 ff., Rn. 20 i. V. m. Rn. 19; zur „Überwachung“ bei der Abgrenzung zu Formzwecken Heldrich, AcP 147 (1941), 89 (92); vgl. noch Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (243) („Plazet“). Die Kontrollzwecke selbst können dabei i. E. freilich variieren; siehe zu Zustimmungsakten von Behörden Staudinger/Klumpp, Vorbem. zu §§ 182 ff., Rn. 108 („Schutzzweck nicht einheitlich“ – „[g]emein ist [solchen Akten] freilich, dass […] rechtsgeschäftliche[s] Handeln nur unter Staatsaufsicht zuläss[ig]“), mit Bsp. in Rn. 109 ff.; zu vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (245) (kein „Schutz öffentlicher Interessen, sondern […] private[s] Wohl des Mündels“).
C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen
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angeführte Argumentation gegen eine verfahrensrechtliche Qualifikation des hoheitlichen Gestaltungserfordernisses des § 1564 S. 1 BGB aufzugreifen442 – das privatautonome Handeln dahingehend begrenzt, dass es daneben eines Erklärungsakts der Behörde443 bedarf. Es handelt sich also gerade nicht nur um äußere Modalitäten der privaten Willenserklärung, was mithin gegen eine Formqualifikation spricht.444 Die nach manchen Rechtsordnungen nötige Mitwirkung eines Geistlichen an der Eheschließung wird nach herrschender Auffassung zwar als Form gewertet,445 auch wenn es sich bei dem Mitwirkungsakt nach der fremden Rechtsordnung um einen eigenständigen Erklärungsakt handelt.446 Dies dürfte sich aber mit dem dabei teilweise angeführten und spezifisch heiratsbezogenen Argument erklären lassen, welches auf die funktionale Vergleichbarkeit mit der (als Formerfordernis anerkannten447) standesamtlichen Mitwirkung im deutschen Recht abstellt.448 Auch das Kriterium der äußeren Modalität der Willenserklärung führt folglich nicht zu einer Formqualifikation von Genehmigungen. Für die Qualifikation bei Privatscheidungen ist nun entscheidend, das in Frage stehende Mitwirkungserfordernis – um die zur Qualifikationsmethodik treffenden
442 Vgl. an dieser Stelle insbesondere Herfarth, Scheidung, S. 95; noch Kegel, IPRax 1983, 22 (23). 443 Siehe zur Rechtsnatur des Akts als gerichtliche Entscheidung bzw. Verwaltungsakt Lange, AcP 152 (1952/53), 241 (243 f.); etwa noch MüKo-BGB/Bayreuther, Vor § 182 Rn. 17, 20. 444 Vgl. insofern auch – im gesellschaftsrechtlichen Kontext zu (u. a.) Genehmigungen von Anteilsübertragungen – Reichert/Weller, DStR 2005, 250 (255) (keine Formqualifikation von „Tatbestandselemente[n] eines Übertragungsaktes, die […] nicht unmittelbar an die Willenserklärung anknüpfen“); sowie die allg. Gegenüberstellung von Form und „nicht den Tatbestand der Erklärung betreffenden sonstigen äußeren Wirksamkeitsvoraussetzungen“ bei Staudinger/ W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 99; vgl. auch die Kritik an der Formqualifikation von Aufgebot oder Heiratslizenz bei MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 173; sowie krit. zum Aufgebot ders., IPRax 2013, 545 (550). Auch im nationalen Recht lässt sich – demgegenüber – bei der Form der notariellen Beurkundung oder der Eheschließung davon sprechen, dass die Mitwirkung „unmittelbar bei dem privatautonomen Akt“ erfolgt; siehe Flume, BGB AT II, § 2 3 c) S. 26. 445 Siehe zur Formqualifikation nur BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140); sowie eingehend Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 779 ff. m. w. N. (auch zur Gegenansicht). 446 Dies i. E. zugestehend gerade Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 779 („drittes konstitutives Element“); Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 IV 3, S. 147 f. (ggf. „mitbegründend […], sozusagen als drittes Element“); ebenso Kropholler, IPR, § 44 II vor 1, S. 335; vgl. im weiteren Sinne noch BeckOGK-BGB/Rentsch (1. 6. 2021), Art. 13 EGBGB Rn. 235.1 (zur Form i. S. d. Art. 13 IV EGBGB, zumindest von „Umqualifikation“ sprechend). 447 Siehe etwa MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 1; Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 17; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 11 Rn. 10; näher zur Rolle der standesamtlichen Mitwirkung im deutschen Recht oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(a) und § 5 B.III.1.a)bb)(3)(b). 448 Sich auf dieses Argument stützend Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 779; Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 IV 3, S. 148; ebenso Kropholler, IPR, § 44 II vor 1, S. 335.
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Worte449 des BGH zu nutzen – entsprechend seinem „Sinn und Zweck zu erfassen, [die] Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen und [es] mit Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen“.450 Für den obigen Beispielsfall aus dem italienischen Scheidungsrecht kann demnach Folgendes festgestellt werden: Ausweislich des Art. 6 III 2 des ital. Gesetzesdekrets hat der Staatsanwalt nach Überprüfung des Kindeswohls seine Genehmigung zu erteilen.451 Es handelt sich also unmissverständlich um eine kontrollierende Genehmigung im oben beschriebenen Sinne,452 die folglich rein materiell-rechtlich zu qualifizieren, d. h. dem Scheidungsstatut zu unterstellen ist. Im Übrigen würde diese inhaltliche Qualifikation auch auf einen weniger intensiven Kontrollakt wie etwa die „,[B]edenkenfrei‘“-Erklärung des italienischen Staatsanwalts453 zutreffen. Dieses Erfordernis stellt eine Art Billigungserklärung dar, die zur Scheidungsvereinbarung hinzutreten muss,454 was nach dem Vorstehenden (Form im Grundsatz zunächst als „äußere Gestaltung“455 der Willenserklärungen) wiederum gegen eine Qualifikation als Form spricht. Darüber hinaus ist auf die Erörterungen zum Entscheidungsbegriff des § 109 FamFG zu verweisen – obgleich es an dieser Stelle nicht um das anhand des (teleologischen) Hintergrunds von § 109 FamFG ausgelegte Kontrollmerkmal (die sachliche Nachprüfung) geht, sondern um die Abgrenzung formaler Akte im Sinne des Formbegriffs des Art. 11 I EGBGB von Genehmigungen im Sinne eines inhaltlichen Tatbestandsmerkmales. Die obenstehenden Erörterungen456 zur Tätigkeit des italienischen Staatsanwalts bei seiner Erklärung haben aufgezeigt, dass dieser prüft, ob keine „Regelwidrigkeit[en]“ vorliegen,457 was zudem die Überprüfung der Trennungszeit458 und Billigkeit der Ver449 Näher zur teleologisch-funktionalen Qualifikation lege fori mit Blick auf das ausländische Recht oben unter § 3 B. und § 3 D. 450 BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139). 451 Siehe wiederum die Übersetzung des Gesetzesdekrets Nr. 132/2014 bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. 452 Vgl. an dieser Stelle auch die schon im Zusammenhang mit dem Entscheidungsbegriff dargestellte, überwiegende Einordnung des staatsanwaltlichen Akts als materielle bzw. „inhaltliche Kontrolle“ bei Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 186; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255); Mayer, StAZ 2018, 106 (108); tendenziell NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 95, Fn. 168. 453 Siehe abermals die Übersetzung des Art. 6 III 1 des ital. Gesetzesdekrets bei Bergmann/ Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. 454 Siehe NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 („erst dadurch wirksam“); ebenso dies., IntFamR, § 2 Rn. 20; siehe noch NK-BGB3/dies., Art. 21 EheVO 2003 Rn. 9a („in der Art eines Plazet erforderlich“). 455 Siehe wiederum BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140). 456 Hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2)(b). 457 Siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Henrich, Länderbericht Italien223. Lfg. (September 2017), S. 135. 458 Süß/Ring/Wiedemann/Pertot, Eherecht, Italien Rn. 185; Cubeddu Wiedemann/Henrich, FamRZ 2015, 1253 (1255); vgl. noch die Argumentation im Zusammenhang mit den dort vertretenen Begriffen des „Gerichts“ i. S. d. Rom III-VO und der konstitutiven Mitwirkung
C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen
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einbarung459 miteinschließt. Dies lässt es zu, das Handeln des Staatsanwalts als kontrollierende Genehmigung aufzufassen; selbst bei einer rein funktionalen, zweckorientierten Sicht kommt man also auch bei einem solchen Akt wie der „Bedenkenfrei“-Erklärung nicht zu einer Vergleichbarkeit mit Formvorschriften.460 Die vorstehende Qualifikation gilt schließlich auch dann, wenn die Kontrolle speziell dem Schutz der schwächeren Partei dienen soll.461 Ein solcher Schutzzweck lässt sich im deutschen Recht zwar wiederum als Formzweck bei der notariellen Beurkundung anführen.462 Zum einen ist er aber nicht als eigenständiger, sondern nur als eine Art Folge(zweck) der Beratung bzw. Belehrung zu sehen;463 zum anderen besteht dieser Schutz bei der notariellen Beurkundung nur in schwacher Ausprägung, da die betroffene Partei trotz Belehrung auf ein Fortfahren bestehen kann.464 Es bleibt für den vorliegenden Beispielsfall jedenfalls festzuhalten, dass sich die als inhaltlich zu qualifizierende Genehmigungstätigkeit des italienischen Staatsanwalts nach dem italienischen Scheidungsrecht als Scheidungsstatut richtet und nicht nach dem (Orts-)Recht des Staates, in dem die Scheidung erfolgt. Daher stellt sich das zuvor angeführte Substitutionsproblem. Die Privatscheidung in einem Staat wie Thailand aus dem obigen Beispielsfall, der nur eine registrierende Mitwirkung vorsieht, ist jedenfalls kein taugliches Äquivalent und eine dortige Privatscheidung wäre als unwirksam anzusehen.465
BeckOGK-Rom III-VO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 3 Rn. 16.2 (Prüfung der „materiell-rechtlichen Voraussetzungen“ wie etwa die „Einhaltung einer etwaigen Trennungsfrist“); anders wohl Patti, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 105 (111 f.), der – obgleich nur beispielhaft – allein die Überprüfung von Unterschriften hervorhebt und von einer „rein formale[n] Kontrolle“ ausgeht (112). 459 Siehe hierzu wiederum die Erläuterungen des italienischen Rechst bei Henrich, JbItalR 28 (2015), 3 (10), wonach der Staatsanwalt die Unbedenklichkeit nicht erklärt, „wenn er manche Trennungs- und Scheidungsfolgenregelungen für grob unbillig hält“. 460 Vgl. auch das Ergebnis bei NK-BGB/Andrae, Art. 21 EheVO 2003 Rn. 10 i. V. m. Rn. 9, die „zusammengefasst“ den Entscheidungsbegriff des Art. 21 Brüssel IIa-VO von „mit Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktion umschrieben[en] […] qualifizierte[n] Formanforderungen einer Privatscheidung“ abgrenzt (Rn. 9) und anschließend für die Scheidung mit einer Unbedenklichkeitserklärung des italienischen Staatsanwalts i. E. eine „Entscheidung“ annimmt (Rn. 10); siehe noch dies., IntFamR, § 2 Rn. 20. 461 Vgl. die Nennung des Schutzes der schwächeren Partei im Rahmen des Entscheidungsbegriffs und mit Blick auf die unterschiedlichen italienischen Scheidungsarten bei BGH, Beschl. v. 28. 10. 2020 – XII ZB 187/20, FamRZ 2021, 119 (122, Rn. 33). 462 Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 39, BeurkG Rn. 16; näher Mankowski, JZ 2010, 662 (666 f.). 463 Vgl. Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 39. 464 Vgl. Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 39. 465 Vom Fehlen einer „substitutionsfähigen Person“ ausgehend MüKo-FamFG/Rauscher, § 107 Rn. 15a i. V. m. Fn. 55 – wobei sich pauschal zum „neue[n] italienische[n] Scheidungsrecht“ äußernd.
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
3. Scheidungsstatut mit kontrollierender Beurkundung a) Beispielhafter Problemaufriss Als weitere Frage könnte sich stellen, wie mit einer schlicht registrierten Privatscheidung in einem Drittstaat umzugehen ist, wenn ein Scheidungsrecht anwendbar ist, das zwar selbst nur eine Beurkundung der Privatscheidung erfordert, dabei jedoch eine besondere Kontrolle vorsieht. Als Beispiel wäre etwa das spanische Scheidungsrecht zu nennen, das in Art. 90 Nr. 2 III 1 span. Código Civil ein Beenden des einvernehmlichen Scheidungsverfahrens vorschreibt, wenn von einer Schädlichkeit oder schweren Nachteilhaftigkeit der Vereinbarung für einen Ehegatten oder minderjährige emanzipierte bzw. volljährige Kinder auszugehen ist.466 Ähnliches gilt im brasilianischen Recht, wonach der Notar bei der dortigen Privatscheidung nach Art. 46 der ergänzenden Entschließung des Nationalen Rats für Justizwesen eine Freiwilligkeits- und Schädlichkeitskontrolle vornimmt.467 b) Qualifikationsrechtliche Lösung Fraglich bleibt trotz der bisherigen Ausführungen zur Abgrenzung von Inhalt und Form die Qualifikation bei einer Beurkundung wie im vorliegenden Beispielsfall, und zwar angesichts der erwähnten Kontrolle. Zum einen erinnert die Kontrolle wiederum eher an eine Genehmigung und ist bei der Qualifikation nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich nicht als typischer Formzweck anzusehen.468 Zum anderen taucht die Kontrolle zumindest als besonderer, weiterer Zweck gerade bei der notariellen Beurkundung im deutschen Recht auf,469 die eine besondere Form darstellt (§ 128 BGB)470 und generell auch unstreitig als Formfrage im Sinne des Art. 11 I EGBGB behandelt wird.471 Veranschaulichen lässt sich dieser Zwiespalt durch einen Blick auf die umstrittene Qualifikation einer besonderen Norm im 466 Siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51; zur Einstufung als Privatscheidung oben unter § 4 C.II.1.b) bb)(4)(d). 467 Entschließung v. 24. 4. 2007; siehe wiederum die Übersetzung bei Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245); sowie (unter der Bezeichnung als „Entschließung […] des Nationalen Justizrats“) Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61 f.; zur Einstufung als Privatscheidung oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(e). 468 Hierzu oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(b). 469 Siehe wiederum zur notariellen Beurkundung speziell mit Blick auf das Gesellschaftsrecht BGH, Beschl. v. 24. 10. 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 (338) (zu § 53 II GmbHG); Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 23 m. w. N. 470 Siehe wiederum zur notariellen Beurkundung als „höchste Form“ Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 19 bzw. als „strengste Form“ Stadler, BGB AT, § 24 Rn. 20. 471 Siehe zur Beurkundung im internationalen Privatrecht etwa Erman/Stürner, Art. 11 EGBGB Rn. 13; jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 6; Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 99; schon Zitelmann, IPR II, S. 155; zur notariellen Beurkundung NKBGB/Bischoff, Art. 11 EGBGB Rn. 11; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 7 Rn. 39.
C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen
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Gesellschaftsrecht (§ 15 III GmbHG). Diese Norm schreibt für eine Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter die notarielle Form vor. Auch dies qualifizieren viele als Formvorgabe im Sinne des Art. 11 EGBGB.472 Es finden sich jedoch zahlreiche Gegenstimmen, die sich darauf berufen, dass hinter dem Erfordernis der Abtretung „in notarieller Form“ insbesondere materielle Gründe und keine üblichen Formzwecke steckten, weshalb eine Formqualifikation fehlgehe.473 Folglich stellt sich die Frage, wie mit notariellen, in besonderer Weise kontrollierenden Beurkundungen umzugehen ist. Nicht zu übersehen ist zunächst folgender Unterschied zu einer „klassischen“ Genehmigung: Ein genehmigender Akt ist, wie oben dargelegt, ein separater Erklärungsakt.474 Der kontrollierende Akt im Rahmen einer Beurkundung wie im vorliegenden Beispielsfall erfolgt demgegenüber nur implizit und eher passiv, indem der Notar die Beurkundung der Scheidungsvereinbarung weiterhin vornimmt oder diese eben abbricht. Dieser äußerliche Unterschied gegenüber einer aktiveren, genehmigenden Rolle lässt sich speziell anhand des spanischen Scheidungsrechts anschaulich belegen: Art. 90 Nr. 2 span. Código Civil richtet sich zunächst in Absatz I an das Gericht, das bei der gerichtlichen Scheidung die Scheidungsfolgenvereinbarung mit Blick auf eine etwaige Schädlichkeit oder Benachteiligung zu billigen hat.475 Im Gegensatz hierzu ist in Absatz III für den Notar keine Rede von einer Billigung, sondern lediglich – für den negativen Fall476 – von einem Beenden im Sinne eines Abbruchs der Beurkundung.477 472 Siehe etwa MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 167; noch jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 8 i. V. m. Rn. 7; speziell zu § 15 III GmbHG noch Albers, GmbHR 2011, 1078 (1079 f.); ebenso, wobei schlicht von Abtretungen sprechend, ohne die Vorschrift zu nennen, Palandt/Thorn, Art. 11 EGBGB Rn. 13; i. E. von einer Formqualifikation des § 15 III GmbHG ausgehend schon OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10. 4. 1981 – 20 W 460/80, DNotZ 1982, 186 f.; BayObLG, Beschl. v. 18. 10. 1977 – BReg. 3 Z 68/76, BayObLGZ 1977, 242 (243 f.). Nicht einzugehen ist hier auf die umstrittene Frage, ob oder wann im Gesellschaftsrecht die Ortsform überhaupt alternativ gelten kann; siehe zu diesem Streitstand eingehend nur Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 260 ff. m. w. N. 473 MüKo-BGB/Kindler, IntGesR, Rn. 539; Hausmann/Odersky/Wall, IPR, § 19 Rn. 41 f.; Kindler, BB 2010, 74 (75); noch König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881 (883) (m. w. N. zum Streitstand, auch zur anderen Ansicht (882 f.)). Interessant ist, dass der BGH in einer eher neueren Entscheidung auf die Substituierbarkeit der notariellen Beurkundung nach § 15 III GmbHG und nicht einfach schlicht auf die Ortsform eingeht; siehe BGH, Beschl. v. 17. 12. 2013 – II ZB 6/13, BGHZ 199, 270 (279, Rn. 21); siehe zur Interpretation dieser Entscheidung als „offenbar“ implizite Befürwortung einer materiell-rechtlichen und nicht Formqualifikation Hausmann/Odersky/Wall, IPR, § 19 Rn. 42. 474 Hierzu oben unter § 5 C.II.2.b). 475 Siehe die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51. 476 Vgl. auch Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (138) („[…] Kontrolle ist lediglich negativ.“). 477 Siehe Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (138) („Gesuch zurückweisen“); siehe noch die Übersetzung wiederum bei Bergmann/Ferid/Henrich/Daum, Länderbericht Spanien241. Lfg. (Mai 2021), S. 51 („schließen das Verfahren ab“).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
Nun könnte man auf den ersten Blick bezweifeln, ob ein formales Kriterium – separater, aktiver Kontrollakt versus implizite, eher passiv reglementierte Kontrolle – von vornherein qualifikationsentscheidend sein kann. Wie oben allgemein erläutert, ist aber gerade das Kriterium der „äußeren Gestaltung“ der Willenserklärung bei der Abgrenzung von Form und Inhalt von wichtiger Bedeutung.478 Hierauf lässt sich, wie zuvor gesehen, auch die Einordnung von Genehmigungen stützen, da dann nun einmal keine äußerliche Modalität der Willenserklärungen gegeben ist.479 Einige Stimmen im Schrifttum halten sogar fest, insbesondere die Formqualifikation der notariellen Beurkundung als „eindeutige Formvorschrift“480 dürfe nicht durch Berufen auf inhaltliche, materielle Zwecke unterlaufen werden, weil auch Formvorschriften solche verfolgen könnten.481 Einzelne Aussagen dieser strikten Ansicht muten aber zirkelschlussartig an.482 Zudem äußeren bisweilen sogar Vertreter, die eigentlich dieser strikten Ansicht folgen, bei speziellen Vorschriften ausländischer Rechtsordnungen Kritik zumindest dahingehend, dass man bei deren Qualifikation nicht einfach damit argumentieren könne, dass allein die „Art und Weise“ der Vornahme des Rechtsgeschäfts berührt sei.483 Bei notariellen Beurkundungen unter keinen Umständen eine andere Qualifikation als die einer Form zuzulassen, ist trotz des oben Gesagten („Äußerlichkeit“ als Form) jedenfalls generell kritisch zu bewerten. Die funktional-teleologische Qualifikation lege fori erfordert, wie gesehen,
478
Siehe hier nur wiederum BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (140) („äußere Gestaltung“); näher oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(b). 479 Hierzu näher oben unter § 5 C.II.2.b). 480 So Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 103. 481 Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 103; vgl. noch jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 8; allg. für „eine Äußerungsform“ bzw. „phänomenologische Äußerungsformen“ MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 162, 167; vgl. noch zum „materielle[n] Motiv“ von Formvorschriften Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 III 3, S. 144 f. (kein Ausschluss der „Qualifikation einer Norm als Formvorschrift […] durch ein materiellrechtliches Motiv des Gesetzgebers“, da ein solches „meistens“ gegeben sei – im Anschluss aber als Beispiel „[i]nsbesondere“ die anerkannten Formzwecke des „Schutz[es] der freien Willensbildung“ und den „Schutz vor Übereilung“ nennend); ebenso Kropholler, IPR, § 41 III 2 c), S. 311; ebenso für ein „(auch) materiell-rechtliches Motiv“ noch BeckOGK-EGBGB/Gebauer (1. 6. 2021), Art. 11 Rn. 50; a. A. zu notariellen Beurkundungen allg. und sodann speziell im gesellschaftsrechtlichen Kontext des § 15 III GmbHG Kindler, BB 2010, 74 (75). 482 Dies gilt für die Aussage im Zusammenhang mit notariellen Beurkundungen bei Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 103 („Die Frage, welchen Zweck eine Formvorschrift verfolgt, spielt für die Qualifikation keine Rolle.“). Diese Festlegung darauf, dass es um den „Zweck einer[r] Formvorschrift“ geht, nimmt das Ergebnis, dass es sich um eine Formvorschrift handelt, vorweg. Letztendlich ähnlich zirkelschlussartig ist noch die Aussage bei jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 7 („gesetzgeberische[r] Grund für die Einführung eines bestimmten Formerfordernisses“). 483 Vgl. wiederum Staudinger/W. v. Mohrenfels, Art. 11 EGBGB Rn. 135 zur Beachtlichkeit der Zwecke von Verboten gemeinschaftlicher Testamente – trotz der an sich generellen strikten Auffassung bei „Formvorschrift[en]“ und namentlich notariellen Beurkundungen, Rn. 103.
C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen
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auch eine Betrachtung des Sinn und Zwecks.484 Man sollte es daher nicht pauschal ausschließen, eine Äußerungsform im Wege der funktional-teleologischen Qualifikation doch als inhaltliches Tatbestandsmerkmal zu werten.485 Überzeugend ist es unter Berücksichtigung der zuvor genannten Aspekte daher, in dem hier zur Debatte stehenden Fall mit einer Art widerlegbaren Indiz- und Vermutungswirkung zu operieren: Da es sich bei der notariellen Beurkundung um eine klassische Formvorgabe im deutschen Recht handelt, die eine äußere Modalität der Willenserklärungen betrifft, und weil die lex loci-Regel für Formfragen gerade auf die sog. äußeren Umständen, die sog. Solennitäten zurückgeführt werden kann, ist zunächst eine Qualifikation als Formfrage zu vermuten. Eine zweckorientierte Betrachtung kann diese Vermutung allerdings widerlegen. Hierfür müssen die materiellen, inhaltlichen Aspekte und Zwecke derart hervorstechen, dass sie nicht als bloß begleitender, besonderer bzw. atypischer Formzweck zu werten sind, sondern als eigenständiger Schwerpunkt dergestalt, dass speziell mit Blick auf den Kontrollzweck bei wertender Gesamtbetrachtung ein separater Kontrollakt erkennbar ist. Für eine Formqualifikation auch der notariellen Mitwirkung bei der spanischen Scheidung spricht, dass die notarielle Beurkundung die Vereinbarung in besonderer Weise in geschriebener Form festhält und bei notariellen Beurkundungen im spanischen Recht eine Beratung bzw. Belehrung486 erfolgt. Mithin ist die äußere Modalität der Scheidungsvereinbarung betroffen und es lassen sich zugleich die typischen Formzwecke des Übereilungsschutzes,487 der Klarstellungs- und Beweisfunktion488 sowie Beratungs- und Belehrungsfunktion feststellen.489 Die die Kontrolle anordnende Vorschrift des Art. 90 Nr. 2 III 1 span. Código Civil ist sodann „nach ihrem Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen und sie [ist] mit Einrichtungen der deutschen
484 Siehe an dieser Stelle zur Qualifikation nur abermals BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139); näher oben unter § 3 B. 485 Vgl. zur notariellen Beurkundung auch Kindler, BB 2010, 74 (75) – wobei gerade darauf abstellend, dass dies aus der Autonomie der IPR-Begriffe zum deutschen Zivilrecht folgt. Vorliegend wurde aufgezeigt, dass sich die Formqualifikation von Äußerlichkeiten aber auch auf einen internationalen Kern stützen kann (siehe oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(a)), sodass die Problematik nach hier vertretener Auffassung aus dem funktionalen Qualifikationsblickwinkel anzugehen ist. 486 Zur allg. Beratungs- und Belehrungstätigkeit des spanischen Notars Ruiz-Ayúcar Seifert/ Selbherr, MittBayNot 2002, 23 (25). 487 Zur Warnfunktion bei der notariellen Beurkundung im deutschen Recht MüKo-BGB/ Einsele, § 125 Rn. 8 („verstärkt“), § 128 Rn. 1 („in besonderem Maße“); Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 7 („erheblich stärker“); Mankowski, JZ 2010, 662 (666) („steigert“). 488 Zur gesteigerten Klarstellungs- bzw. Beweisfunktion der notariellen Beurkundung im deutschen Recht MüKo-BGB/Einsele, § 128 Rn. 1; Staudinger/Hertel, BeurkG Rn. 18 f. 489 Siehe zu diesen, bei Art. 11 I EGBGB relevanten Formzwecken wiederum oben unter § 5 B.III.1.a)bb)(3)(b).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
Rechtsordnung zu vergleichen“.490 Hierbei ließe sich zunächst feststellen, dass Kontrollpflichten bei der notariellen Beurkundung im deutschen Recht, wie § 17 bzw. auch § 4 BeurkG zeigen, nur versteckt, nämlich als generelle Pflichten des Notars ausgestaltet sind, die allgemein bei Beurkundungen greifen.491 Die Kontrolle der spanischen Scheidungsfolgenvereinbarung ist jedoch – wie der angeführte Art. 90 Nr. 2 III 1 span. Código Civil zeigt – im Scheidungsrecht selbst festgehalten und gerade auf diese Scheidungsart zugeschnitten. Es ließe sich nun einwenden, dass die standesamtliche Überprüfung der Ehehindernisse im deutschen Recht ebenfalls im Eheschließungsrecht in § 1310 I 2, 3 BGB geregelt und dennoch eine Einstufung dieser Mitwirkung als Form anerkannt ist.492 Nach dem bisher zu den Formzwecken im deutschen Recht Gesagten spricht allerdings vieles dafür, diese besondere Kontrolle auch innerhalb des deutschen Rechts als Besonderheit und die Einstufung der Norm daher als sehr speziell und nicht einfach verallgemeinerungsfähig anzusehen. Ein weiteres Argument für eine materiell-rechtliche Qualifikation folgt jedenfalls aus einem genaueren Blick in das spanische Scheidungsrecht: In Art. 90 Nr. 2 III 1 span. Código Civil findet sich die Kontrolle sowohl für den Justizsekretär als auch den Notar geregelt. Bei der Scheidung unter Mitwirkung des Justizsekretärs ergeht sogar ein Scheidungsbeschluss seitens des Justizsekretärs und diese Scheidung ist, wie oben erläutert, als behördliche Scheidung anzusehen.493 Die Kontrolle ist mithin unabhängig der Beurkundung als solcher geregelt und als eigenständig stehende Funktion wahrzunehmen. Folglich ist zwar von einer Formqualifikation der Beurkundung selbst auszugehen – der dabei erfolgende Kontrollakt nach Art. 90 Nr. 2 III 1 span. Código Civil ist jedoch gesondert materiell-rechtlich zu qualifizieren. Für das brasilianische Recht ist die scheidungsrechtliche Kontrolle, die der Notar in Bezug auf die Freiwilligkeit und etwaige Schädlichkeit der Vereinbarung vornimmt, im zuvor erwähnten Art. 46 der ergänzenden Entschließung des Nationalen Rats für Justizwesen geregelt.494 Hierbei handelt es sich um eine Entschließung, welche die Ausführung der Scheidung (oder auch Trennung) durch den Notar präzisiert. Ausweislich des Wortlauts des Art. 46 der Entschließung „kann“ der Notar „die Beurkundung der Trennung oder Scheidung ablehnen, wenn er begründete 490 So zur (Form-)Qualifikation wiederum BGH, Urt. v. 19. 12. 1958 – IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 (139). 491 Hinzu kommt, dass die nach § 17 BeurkG vorgesehenen Prüfungs- und Belehrungspflichten ohnehin nur zu einer Mitteilungspflicht bei Bedenken führen (§ 17 II BeurkG). 492 Siehe zum Charakter als Formvorschrift wiederum etwa BeckOGK-BGB/Kriewald (1. 7. 2021), § 1310 Rn. 36; MüKo-BGB/Wellenhofer, § 1310 Rn. 1; Staudinger/Löhnig, § 1310 Rn. 17; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 11 Rn. 10; nachdrücklich Staudinger/ Hertel, § 125 Rn. 4 („Sonderform der Beurkundung“). 493 Siehe oben unter § 4 C.II.1.b)bb)(4)(d); zum gesetzlich vorgesehenen Scheidungsbeschluss wiederum Ferrer Riba, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 119 (135, 139 f., 142). 494 Entschließung v. 24. 4. 2007; siehe abermals die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/ Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61 f.; Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245 f.).
C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen
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Hinweise hat, dass sie für einen Ehegatten schädlich ist, oder wenn Zweifel an der Freiwilligkeit bestehen“, wobei er dies „schriftlich zu begründen“ hat.495 Die Kontrolle findet sich zwar eher nebenbei erwähnt, im Rahmen des Ablaufs der notariellen Beurkundung. Durch die lockere Formulierung („kann“) steht sie auch weniger im Vordergrund, insbesondere, wenn man sie mit Art. 53 (a. F.) der Entschließung vergleicht.496 Nichtsdestotrotz handelt es sich nicht um eine allgemeine, sondern um eine für diese Scheidungsart (sowie die Trennung) festgeschriebene, besondere Kontrollvorgabe für den Notar. Es lässt sich daher innerhalb des Beurkundungsvorgangs noch ein separater, spezifischer Kontrollakt erkennen, der materiellrechtlich qualifiziert werden kann. Aufgrund der jeweiligen materiell-rechtlichen Qualifikation genügt folglich wiederum nicht die Einhaltung der Ortsform; es stellt sich das oben zum Beispielsfall nach italienischem Recht dargelegte Substitutionsproblem, eine lediglich registrierte Privatscheidung genügt abermals nicht.497
III. Scheidungsstatut mit gerichtlicher Scheidung, aber großzügigerer Anerkennung 1. Problemaufriss Zuallerletzt gilt es noch die einleitend erwähnte Konstellation zu untersuchen, in der eine Privatscheidung in einem Drittstaat X erfolgt und das maßgebliche Scheidungsstatut eines anderen Staates Y zwar nur eine hoheitliche, insbesondere gerichtliche Scheidung vorsieht – dieser andere Staat Y die Privatscheidung aus dem Drittstaat X aber anerkennen würde.498 So bedarf es etwa im Scheidungsrecht der Schweiz für den Fall des Einvernehmens eines gerichtlichen Scheidungsausspruchs auf Antrag der Eheleute.499 Die Frage des „Ob“ eines privaten oder hoheitlichen, insbesondere gerichtlichen Scheidungsakts ist, wie oben herausgearbeitet, anhand 495 Siehe wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 61; Weishaupt, StAZ 2007, 244 (245). 496 Dieser schrieb zur früher, aber heute nicht mehr geltenden Frist (siehe zur Aufhebung des Art. 53 Bergmann/Ferid/Henrich/Schmidt, Länderbericht Brasilien217. Lfg. (Juli 2016), S. 62, zur Nichtgeltung der Fristen S. 35 mit Nachw. zur brasilianischen Rspr. und Lit.; noch Rechsteiner, NZFam 2017, 983 (986 f.)) Folgendes in Absatz II fest: „Der Notar muss nachprüfen, ob die Ehe vor mehr als zwei Jahren geschlossen wurde, und sonstigen schriftlichen Nachweisen nachgehen, […]“; siehe die Übersetzung dieser Norm bei Weishaupt, StAZ 2007, 244 (246). 497 Vgl. oben unter § 5 C.II.2.b). 498 Siehe wiederum den Problemfall bei Krömer, StAZ 2020, 117. 499 Siehe Art. 111 II des Zivilgesetzbuches der Schweiz v. 10. 12. 1907 (schw. ZGB); siehe zum schw. ZGB bzw. zur Abkürzung Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Familienrecht, Rn. 01.08. bzw. noch S. XXXVIII; siehe eingehend zum Erfordernis einer gerichtlichen Scheidung nach dem Scheidungsrecht der Schweiz Aebi-Müller/Ziegler, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 77 (78 f.), vgl. zum Ausspruch nach Art. 111 II schw. ZGB (87); zum Charakter als „Gestaltungsurteil“, Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Familienrecht, Rn. 10.16.
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der materiell anwendbaren Rechtsordnung zu beurteilen.500 In der Schweiz werden aber auch Privatscheidungen als „Entscheidungen“ angesehen und anerkannt.501 Es wäre in solchen Konstellationen zu überlegen, ob die Verweisung des deutschen internationalen Privatrechts auch das internationale anerkennungsrechtliche Scheidungsrecht erfasst.502 2. Qualifikationsrechtliche Lösung Krömer geht in seinem Fall, an den das vorstehende Beispiel angelehnt ist,503 mit Blick auf die ältere Regelung (Art. 17 I EGBGB a. F. i. V. m. Art. 14 EGBGB a. F.), die gemäß Art. 4 I EGBGB eine Gesamtverweisung enthielt, davon aus. Wie er zu Recht darlegt, ist eine Anerkennungsnorm wie die zuvor beschriebene nach funktional-teleologischer Qualifikationsmethodik504 mit einer Kollisionsregel ver500 Siehe zur materiell-rechtlichen Qualifikation eingehend oben unter § 5 B.II.3., insbesondere § 5 B.II.3.c). 501 Siehe Artt. 25 ff., 65 des Bundesgesetz der Schweiz über das Internationale Privatrecht v. 18. 12. 1987 (schw. IPRG); siehe zu diesen Regeln ZK-IPRG/Müller-Chen, Art. 25 Rn. 1 ff., Art. 26 Rn. 1 ff., Art. 27 Rn. 1 ff. bzw. ZK-IPRG/Widmer Lüchinger, Art. 65 Rn. 1 ff.; noch Aebi-Müller/Ziegler, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 77 (99 f. i. V. m. Fn. 125); grundlegend und eingehend BG, Urt. v. 3. 9. 1996 – II. Zivilabteilung, BGE 122 III, 344 (347 f.) („Der Auffassung, dass nicht nur behördliche Scheidungen, sondern auch Privatscheidungen anzuerkennen sind, ist beizupflichten.“); siehe noch Urt. v. 4. 7. 2000 – II. Zivilabteilung, BGE 126 III, 327 (332); näher zum „weit[en]“ Verständnis und den genannten Urteilen ZK-BGB/ Widmer Lüchinger, Art. 65 Rn. 6; zur „außerordentlich großzügig geregelt[en]“ Anerkennung von Privatscheidungen in der Schweiz noch Aebi-Müller/Ziegler, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 77 (99 f.); siehe noch Rieck/Meyer, AuslFamR, Länderbericht Schweiz (März 2020), Rn. 197, S. 46 f. Die Leitentscheide des Bundesgerichts der Schweiz sind wiederum abrufbar über die Internetseite des Bundesgerichts der Schweiz (siehe unter https://www.bger.ch/ext/eu rospider/live/de/php/clir/http/index.php?type=start&lang=de; zuletzt abgerufen am 28. 08. 2021). 502 Siehe Krömer, StAZ 2020, 117 (119). 503 In der von Krömer untersuchten Konstellation steht die Wirksamkeit der Scheidung eines österreichischen Staatsangehörigen von seiner Frau (einer spanischen Staatsangehörigen), die beide bis zur Trennung in Österreich lebten, im Wege der nunmehr vorgesehenen Scheidung unter notarieller Mitwirkung nach spanischem Recht zur Debatte; siehe Krömer, StAZ 2020, 117. 504 Dass wiederum diese Methodik beachtlich ist, ergibt sich daraus, dass die Frage, welche Regeln als von unserer Kollisionsregel erfasst gelten, nach qualifikationsrechtlichen Grundsätzen zu lösen ist und daher in der Tat wiederum nach einer funktional-teleologischen Qualifikation lege fori; vgl. – zu Sachnormverweisungen – MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 145 f.; siehe noch Kropholler, IPR, § 17 II, S. 129 f.; ausführlich zur Qualifikationsmethodik und ihrer Berechtigung wiederum oben unter § 3 B. Zu der Frage, inwiefern bei Gesamtverweisungen grundsätzlich auch Vorstellungen der lex causae zu beachten sind (eingehend MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 145 ff., Art. 4 EGBGB Rn. 81 ff. (zur Rückverweisung bei anderer Qualifikation lege causae) m. w. N.; siehe noch Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1122; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 149 ff.), kommt man vorliegend nicht. Hier steht gerade erst zur Debatte, ob es sich bei der fraglichen Anerkennungsregel überhaupt um das
C. Besondere Konstellationen drittstaatlicher Privatscheidungen
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gleichbar und die Privatscheidung daher als wirksam anzusehen, sofern die Voraussetzungen der fraglichen ausländischen Anerkennungsnorm erfüllt sind.505 Wenn das ausländische Recht nicht nur Regeln bereithält, die für einen Anknüpfungsgegenstand wie die Scheidung mit Hilfe eines Anknüpfungsmoments auf ein bestimmtes Recht verweisen, also klassische Kollisionsnormen,506 sondern Regeln, die in bestimmten Fällen eine im Ausland eingetretene Gestaltung, die Privatscheidung, anerkennen, lässt sich dies mit einer Weiterverweisung auf das dortige Recht vergleichen.507 Problematisch ist jedoch, dass der BGH in einer neueren Entscheidung bekräftigt hat, Art. 17 II EGBGB n. F. erfasse rückwirkend auch alle Scheidungsfälle seit (Inkrafttreten der Rom III-VO und) Außerkrafttreten des Art. 17 I EGBGB a. F.508 – eine Ansicht, die auch im Schrifttum starken Rückhalt findet.509 Stützen lässt sich dies darauf, dass der Gesetzgeber mit Inkrafttreten der Rom III-VO Art. 17 I EGBGB a. F. bewusst abgeschafft hatte, so aber – wie die Sahyouni II-Rechtsprechung des EuGH zeigt510 – eine Regelungslücke entstand, die der Gesetzgeber infolge der EuGH-Rechtsprechung durch die Schaffung des Art. 17 II EGBGB n. F. schloss.511 Der (nunmehr) herrschenden Meinung zur rückwirkenden Geltung dieser Neuregelung ist daher zuzustimmen. Dies führt allerdings dazu, dass die alte Kollisionsregel (Art. 17 I EGBGB a. F. i. V. m. Art. 14 EGBGB a. F.) jedenfalls für Altfälle seit ausländische „Internationale[ ] Privatrecht“ handelt, das nach Art. 4 I 1 EGBGB – in einem ersten Schritt – von der Gesamtverweisung erfasst werden kann. Eine Gesamtverweisung bedeutet, dass das deutsche Recht es dem ausländischen internationalen Privatrecht überlässt, ob eine Rück- oder Weiterverweisung auf ein anderes Recht erfolgt; siehe etwa Staudinger/ Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1207; noch Kropholler, IPR, § 24 II 1, S. 168. 505 Am Beispiel des österreichischen Rechts eingehend Krömer, StAZ 2020, 117 (119); vgl. noch Beule, StAZ 1979, 29 (35) zur „Privatscheidung eines britischen Ehemannes etwa von seiner jordanischen Frau in Ägypten“ (da das englische Recht „für eine wirksame Ehescheidung nicht auf ein Urteil im engeren Sinne ab[stellt]“). 506 Siehe näher zum Aufbau sog. selbstständiger Kollisionsnormen nur Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 1039 ff. m. w. N. 507 Vgl. im weiteren Sinne auch die Problematik einer (u. a.) in internationalen Zuständigkeitsregeln „,versteckten bzw. hypothetischen‘ Rückverweisung“ bei MüKo-BGB/v. Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 54 ff. m. w. N.; etwa noch Kropholler, IPR, § 25, S. 179 ff. 508 BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3595, Rn. 24 ff., 29). 509 Dem BGH zustimmend Antomo, NJW 2020, 3599; die Frage der genauen Rückwirkung (Inkrafttreten der Rom III-VO oder Außerkraftreten des Art. 17 I EGBGB a. F.?) zeitlich vor dem BGH-Beschluss aufwerfend und bereits damals i. E. auf das Außerkrafttreten des Art. 17 I EGBGB a. F. abstellend Antomo, StAZ 2020, 33 (37 f.); siehe noch BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 45, 4 (allerdings bereits für eine Geltung ab dem Inkrafttreten der Rom IIIVO und nicht erst ab dem Außerkrafttreten des Art. 17 I EGBGB a. F., Rn. 156); so vor der BGH-Rspr. bereits Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 157, 161. 510 EuGH, Urt. v. 20. 12. 2017 – Rs. C-372/16 (Sahyouni II), ECLI:EU:C:2017:988 = IPRax 2018, 261. 511 BT-Drs. 19/4852, S. 38 f.; siehe zu diesem Argument wiederum BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3595, Rn. 25 ff.); mit zustimmender Anmerkung Antomo, NJW 2020, 3599; dies., StAZ 2020, 33 (38).
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§ 5 (Privat-)Scheidungen im autonomen internationalen Privatrecht
dem Außerkrafttreten des Art. 17 I EGBGB a. F., d. h. ab dem 29. Januar 2013,512 nicht mehr greifen kann. Es ist daher zu klären, ob es sich bei den neuen Regeln (Art. 17 II EGBGB n. F. i. V. m. Artt. 5 – 16 Rom III-VO) weiterhin um eine Gesamtverweisung handelt, die eine entsprechende Lösung bzw. Qualifikation ermöglicht. Infolge der auf die Rom III-VO verweisende Neuregelung des Art. 17 II EGBGB trete, so der BGH in der zuvor zitierten Entscheidung, eine Änderung des „Rechtscharakter[s]“ der entsprechenden Regeln der Rom III-VO ein, diese Regeln seien daher „formell nicht mehr als europäisches, sondern als nationales Kollisionsrecht anzusehen“.513 Deswegen wendet der BGH immerhin Art. 5 I 2 EGBGB an.514 Dementsprechend könnte man auch über eine Anwendung des Art. 4 I EGBGB nachdenken. Jedoch ändert auch die vom BGH angeführte Sichtweise nichts daran, dass Art. 17 II EGBGB auf „die Vorschriften des Kapitels II“ der Rom III-VO verweist, also explizit auch Art. 11 Rom III-VO miteinschließt, wonach es sich bei der Verweisung um eine Sachnormverweisung handelt.515 Bei einer Sachnormverweisung wird das ausländische internationale Privatrecht nicht befragt, vorliegend im Ergebnis also auf das materielle Scheidungsrecht verwiesen.516 Es bleibt deshalb kein Spielraum, der es erlauben würde, etwaige Anerkennungsnormen der ausländischen Rechtsordnung im Wege einer Art Weiterverweisung einzubeziehen; die Privatscheidung wäre daher in der hier untersuchten „Drei-Staaten-Konstellation“ aus deutscher Sicht als unwirksam anzusehen – auch wenn sie im Staat der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung anerkannt werden könnte.517 512 Siehe Art. 1 Nr. 2 lit. b) des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts v. 23. 1. 2013, BGBl. 2013 I, S. 101; sowie zur zeitlichen Geltung noch Art. 229 § 28 EGBGB. Dazu, dass die Neufassung des Art. 17 II EGBGB rückwirkend ab diesem Zeitpunkt gilt, BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3595, Rn. 29) m. w. N.; abw. BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 17 EGBGB Rn. 156 (Geltung ab dem Inkrafttreten der Rom III-VO); näher zu dieser BGH-Rspr. und zu der (str.) Frage, ob die Regelung nicht schon rückwirkend ab Inkrafttreten der Rom III-VO ab dem 21. 6. 2018 gelten müsse, Heiderhoff, JZ 2021, 260 (261 f.). 513 BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3598, Rn. 48). 514 BGH, Beschl. v. 26. 8. 2020 – XII ZB 158/18, NJW 2020, 3592 (3598, Rn. 48). 515 Vgl. auch Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 157, die von einer Sachnormverweisung ausgeht und dabei dennoch – wie der BGH – davon spricht, dass „die Kollisionsnormen der Rom III-VO in das deutsche IPR inkorporiert“ seien; siehe zur Einstufung als Sachnormverweisung noch BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 11 Rom III-VO Rn. 1; Erman/Stürner, Art. 17 EGBGB Rn. 3; Krömer, StAZ 2020, 117 (119). 516 Siehe zu Art. 11 Rom III-VO etwa BeckOK-BGB/Heiderhoff, Art. 11 Rom III-VO Rn. 1; noch MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 11 Rom III-VO Rn. 1; vgl. allg. zum Begriff der Sachnormverweisung etwa v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 4 Rn. 17, § 6 Rn. 75; krit. zum Begriff bei der Rom III-VO mit Blick auf etwa interlokales Kollisionsrecht aber BeckOGK-Rom IIIVO/Gössl (1. 2. 2021), Art. 11 Rn. 4; aus diesem Grund allg. krit. zum Begriff Kropholler, IPR, § 24 I 2, S. 165 („irreführend“). 517 Siehe gerade wiederum zum dortigen Beispielsfall und einer etwaigen Anwendung des Art. 17 II EGBGB n. F. Krömer, StAZ 2020, 117 (119).
§ 6 Privatscheidungen de lege ferenda A. „Anerkennung“ von Heimatstaatsprivatscheidungen I. Notwendigkeit einer Regelung de lege ferenda Wie die hier untersuchten Rechtsordnungen aufzeigen, gibt es Privatscheidungen, bei denen nur eine registrierende oder vergleichbare „abhakende“ Mitwirkung erfolgt.1 Diese erfüllen nicht das für die Qualifikation einer Privatscheidung als „Entscheidung“ wichtige Kontrollmerkmal.2 Darüber hinaus ist wegen der Grundkonzeption als privater Scheidungsvertrag anzunehmen, dass einige Privatscheidungen fehleranfällig bleiben, nämlich ipso iure unwirksam sein können bzw. privat angreifbar bleiben.3 Die Qualifikation als „Entscheidung“ scheitert in diesen Fällen nach hier vertretener Auffassung – unabhängig einer etwaigen Kontrolle – jedenfalls am Beständigkeitsmerkmal.4 In solchen Fällen kann es also auch nach dem hier vertretenen Entscheidungsbegriff, der kontrollierte Privatscheidungen von einer gewissen Beständigkeit erfasst,5 zu hinkenden Scheidungen kommen.6 Unproblematisch wird dies lediglich auf europäischer Ebene mit der Anwendbarkeit der Brüssel IIb-VO werden, die in Artt. 64 ff. sogar ein besonderes Anerkennungsregime für förmlich errichtete oder eingetragene öffentliche Urkunden und eingetragene 1 Siehe insbesondere – wenngleich aus dem europäischen Rechtsraum, weshalb wiederum der Vorrang des EU-Rechts zu beachten ist (siehe einleitend unter § 1 B.) – das französische Scheidungsrecht (Art. 229-1 II Code civil: notarielle Kontrolle der formellen Voraussetzungen; siehe die im Rahmen der ordre public-Prüfung angesprochene Kontrolle des französischen Notars oben unter § 4 C.III.2.) sowie näher zu dieser Privatscheidung unter § 4 C.II.1.b) bb)(4)(a)). 2 Siehe eingehend oben unter § 4 C.II.3.a); zum genauen Verständnis dieses Merkmals oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2). 3 So sieht etwa das japanische Scheidungsrecht zwar eine gerichtliche Anfechtbarkeit (ex nunc) im Falle der Drohung oder Täuschung vor (Art. 764 i. V. m. Art. 747 japan. ZG; siehe hierzu wiederum die Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 66, 64) – bei fehlendem Scheidungswillen ist die Scheidung jedoch trotz Anmeldung unwirksam; siehe Bergmann/Ferid/Henrich/Koziol/Kimura, Länderbericht Japan192. Lfg. (Juli 2011), S. 35 i. V. m. Fn. 10 (mit Blick auf die japan. Rspr.). Allerdings erfüllt diese Scheidung auch nicht das Kontrollmerkmal (siehe oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2)(b)). 4 Siehe zu diesem Merkmal eingehend oben unter § 4 C.II.3.b). 5 Siehe insbesondere die „Gesamtqualifikation“ oben unter § 4 C.II.3.b)bb)(2). 6 Siehe zur Gefahr hinkender Scheidungen als Kritikpunkt gegen den herrschenden und Argument für einen offeneren Entscheidungsbegriff oben unter § 4 C.II.1.d)bb) und § 4 C.II.3.a)bb)(3).
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§ 6 Privatscheidungen de lege ferenda
Vereinbarungen vorsieht.7 Auf der Ebene des autonomen Anerkennungsrechts lässt § 109 FamFG aber, wie vorliegend erörtert, de lege lata keinen noch offeneren Entscheidungsbegriff zu. Für die funktional-teleologische Qualifikation des Entscheidungsbegriffs sind nun einmal die hier untersuchten Charakteristika von Gestaltungsentscheidungen wie der gerichtlichen Scheidung (Kontrolle und Beständigkeit) entscheidend und somit zugleich begrenzend.8 Gerade angesichts der aufgezeigten aktuellen Probleme bei Heimatstaatsscheidungen9 bleibt daher nur die Möglichkeit, zugleich de lege ferenda eine neue Regelung für ausländische Privatscheidungen zu fordern.
II. Befürwortung einer Regelung auf Ebene des Kollisionsrechts Angesichts der vorstehend aufgezeigten Lücken wäre zunächst darüber nachzudenken, den Entscheidungsbegriff in § 109 FamFG de lege ferenda entsprechend modifiziert für (weitere) Privatscheidungen zu öffnen. Bei einer solchen Überlegung ist allerdings daran zu denken, dass die verfahrensrechtliche Anerkennung einer „Entscheidung“ nach dem oben erörterten, berechtigten Grundsatz der Wirkungserstreckungslehre auf keinen Fall dazu führen darf, dass der „Entscheidung“ Wirkungen zugestanden werden, die ihr im Erlassstaat nicht zukommen. Daher ist bei der Anerkennung eines Urteils zu prüfen, ob es nicht ausnahmsweise unwirksam ist bzw. mittels (außerordentlichen) Rechtsbehelfs aufgehoben wurde.10 Bei einer „unbeständigen“ Privatscheidung wäre dementsprechend, wie im Zusammenhang mit dem kontrollbezogenen Entscheidungsbegriff kritisiert, die Wirksamkeit der Scheidung zu untersuchen, um keine unwirksame Privatscheidung, die im Ausgangsstaat gerade keine Wirkungen entfaltet, anzuerkennen. Dies bedeutete aber, eine umfassende Nachprüfung des („unbeständigen“11) Scheidungsvertrags durchzuführen, was gerade nicht dem Grundprinzip der Anerkennung entspricht (siehe insbesondere § 109 V FamFG), und käme eher einer Wirksamkeitsprüfung nach internationalprivatrechtlichen Grundsätzen nahe.12 Deswegen ist für eine neue Regelung im Kollisionsrecht zu plädieren.13 De lege 7
Ausführlich hierzu (und der im Einzelnen schwierigen Abgrenzung zur klassischen verfahrensrechtlichen Anerkennung nach Artt. 30 ff. Brüssel IIb-VO) etwa Gruber/Möller, IPRax 2020, 393 (401 ff.). 8 Siehe oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(e) i. V. m. § 4 C.II.3.b)aa)(3). 9 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)bb)(2). 10 Siehe oben unter § 4 C.II.3.b)cc)(3)(b)(bb) und § 4 C.II.3.b)cc)(3)(a). 11 Zu dem hier verlangten Merkmal der Beständigkeit eingehend oben unter § 4 C.II.3.b). 12 Hierzu oben unter § 4 C.II.3.a)dd)(2)(c); vgl. Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (350) (im Rahmen seines de lege ferenda-Vorschlags darauf hinweisend, dass die „Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Staates erfüllt“ sein müssten). 13 I. E. auf EU-Ebene ebenso der Vorschlag der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht für eine neue Verordnung (als Ersatz für die Brüssel IIa- und Rom III-VO), der eine
A. „Anerkennung“ von Heimatstaatsprivatscheidungen
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ferenda-Vorschlägen, die dem Anerkennungsregime nahestehen,14 ist nicht auf anerkennungsrechtlichem Wege (im Sinne einer Umsetzung über § 109 FamFG) zu folgen. Eine funktionale Gesamtqualifikation als „Entscheidung“ mit scheidender Wirkung wäre darüber hinaus trotz Kontrollakts bei einer „unbeständigen“ Scheidung nach hier vertretener Auffassung gerade nicht möglich.15 Selbst wenn der die Privatscheidung erlaubende bzw. genehmigende gerichtliche oder behördliche Mitwirkungsakt als solcher von besonderer Beständigkeit wäre und man diesen Akt daher isoliert als „Entscheidung“ anerkennen wollte, ist zu beachten, dass dieser Akt nur die Zulässigkeit der Scheidung ausspricht; aus der Anerkennung dieses Akts folgte dann, wie weiter oben gesehen, keine Anerkennung einer eheauflösenden Wirkung, sondern nur einer die Privatscheidung zulassenden Erlaubniswirkung.16 Der nicht beständige, private Scheidungsvertrag als solcher wäre nach wie vor nachzuprüfen, was, wie gerade gesagt, am ehesten einer Art Wirksamkeitsprüfung nahesteht.17 Es ist daher nach vorliegend vertretener Ansicht auch nicht überzeugend, bei einem Privatscheidungsvorgang, der nach hier vertretener Ansicht nicht die Merkmale einer „Entscheidung“ erfüllt, den Erlaubnisakt über § 109 FamFG anzuerkennen und dabei gleichzeitig den Privatakt anhand des Rechts des Staates der mitwirkenden Behörden bzw. Gerichten im Ausland zu beurteilen.18 Abschließend kann für die Befürwortung einer kollisionsrechtlichen Regel de lege feranda (anstelle einer Anerkennungsregel) vergleichend noch ein Blick auf das
kollisionsrechtliche Lösung für registrierte Privatscheidungen beinhaltet und sich krit. zur (damals nur angedachten) Neufassung der Brüssel IIa-VO und nunmehr erlassenen Brüssel IIbVO äußert; hierzu Kohler, IPRax 2019, 462 f.; vor Geltung des Art. 17 II EGBGB n. F. hingegen explizit gegen eine kollisionsrechtliche Lösung, da die Anerkennung für den Schutz „[b]erechtigte[n] Vertrauens in eine im Ausland wirksam begründete Rechtslage“ geeigneter sei, Antomo, StAZ 2019, 33 (37). 14 Siehe oben unter § 4 C.I.1.b)bb); insbesondere Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (350) (Vorschlag dahingehend, „die Regeln für die Anerkennung von Privat- und Verfahrensscheidungen anzunähern“). 15 Zur vorliegend vertretenen funktionalen Gesamtqualifikation oben unter § 4 C.II.3.b) bb). 16 Vgl. hier nur – zur Bewilligung von Leihmutterschaftsvereinbarungen – Duden, Leihmutterschaft, S. 125 („bestimmt die Elternschaft jedoch noch nicht selbst, sondern legt nur die Grundlage“); hierzu näher im Zusammenhang mit der fehlenden scheidenden Gestaltungswirkung oben unter § 4 C.II.3.a)ee)(3)(a) m. w. N. 17 Vgl. – pauschal für vorangehende Bewilligungen von Vertragsadoptionen (unabhängig von der Beständigkeit des Adoptionsvertrags) – MüKo-BGB5/Klinkhardt, Art. 22 EGBGB Rn. 92 (Anerkennung der Bewilligung; für Adoptionsvertrag und -voraussetzungen gelte Art. 22 EGBGB). Dies ist im Adoptionsrecht umstritten; siehe zur str. Anerkennung bewilligter Vertragsadoptionen oben unter § 4 C.I.2.a)dd)(2). 18 Vgl. aber – so, entgegengesetzt, für vorangehende Bewilligungen bei Adoptionen, wenn die Adoption im Falle von Vertragsmängeln unwirksam ist – Andrae, IntFamR, § 8 Rn. 95 a. E.
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§ 6 Privatscheidungen de lege ferenda
internationale Gesellschaftsrecht geworfen werden:19 Dort geht es bei der Anerkennung der Rechtsfähigkeit von juristischen Personen nicht um eine verfahrensrechtliche Anerkennung, wenn ein (unter Umständen kontrollierender, registrierender) staatlicher Mitwirkungsakt gegeben ist. Vielmehr wird eine Wirksamkeitsprüfung nach den Regeln des internationalen Privatrechts vorgenommen, d. h. die juristische Person wird als rechtsfähig „anerkannt“, wenn die Voraussetzungen der Gesellschaftsgründung gegeben sind,20 wobei das hierfür maßgebliche Gesellschaftsstatut strittig ist.21 Schließlich kann noch darauf verwiesen werden, dass im Schrifttum vereinzelt in Fällen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie etwa der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäfts mit Beteiligung eines Minderjährigen, sogar zur Anerkennung entgegengesetzte Überlegungen angestellt werden. Es sei eine „Paketlösung“ zu „empfehlen“, wonach der hinzutretende Gerichts- oder Behördenakt lediglich als eine Art „Hilfsgeschäft“ bzw. ein „Annex der IPR-Frage“ der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts anzusehen sei und sich der Gesamtvorgang insgesamt nach der lex causae zu richten habe.22 Die wohl herrschende Gegenansicht erkennt Genehmigungen von Rechtsgeschäften zwar verfahrensrechtlich an.23 Diese (strittigen) Überlegungen zeigen jedoch zumindest, dass eine verfahrensrechtliche Anerkennung des gesamten – der Privatscheidung ähnlichen – Vorgangs dort nicht ins Spiel gebracht wird.
19 Dieses vergleichend für seine „Paketlösung“ heranziehend auch Geimer, in: FS Jayme I, S. 241 (254 f.). 20 Siehe näher zum „Anerkennungsbegriff“ im internationalen Gesellschaftsrecht nur MüKo-BGB/Kindler, IntGesR Rn. 319 ff. m. w. N. (nach h. M. „Anknüpfung des Personalstatuts […] auch [für] die Frage nach Bestehen und Rechtsfähigkeit einer im Ausland gegründeten Gesellschaft“); zum Gesellschaftsrecht und zur fehlenden verfahrensrechtlichen Anerkennung des Behördenakts Rauscher, IPR, Rn. 657; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 72, § 5 Rn. 144. 21 Siehe zu den sich gegenüberstehenden Gründungs- und Sitztheorien eingehend nur MüKo-BGB/Kindler, IntGesR Rn. 353 ff. m. w. N. (zur vom EuGH geprägten „europarechtliche[n] Gründungstheorie“, Rn. 364 ff.; zur im deutschen IPR grds. vertretenen Sitztheorie Rn. 423 ff.). 22 So Geimer, in: FS Jayme I, S. 241 (254 f.) (allerdings Anerkennung „bei der gerichtlichen oder behördlichen Anordnung von Vormundschaften, […] etc.“ möglich, Fn. 76; ebenso bei „familiengerichtliche[n] Genehmigungen von Eheverträgen“, S. 256); schon, wenngleich etwas zurückhaltender, ders., in: FS Ferid, S. 89 (93 i. V. m. Fn. 45) („Allenfalls könnte man die gerichtliche Gestaltung“ in der Erweiterung der „Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters“ sehen). 23 Siehe etwa BGH, Urt. v. 14. 12. 1988 – IVa ZR 231/87, NJW 1989, 2197 (2198) (zur verfahrensrechtlichen Anerkennung eines ausländischen Adoptionsdekrets als Genehmigung, die eine Einwilligung in die Adoption erlaubt); BeckOK-FamFG/Sieghörtner, § 108 Rn. 38; Keidel/Dimmler, § 108 Rn. 43; noch Prütting/Helms/Hau, § 108 Rn. 21 („soweit“ eine „Gestaltungswirkung“ – wobei schon die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts „die Rechtslage insoweit“ ändere, „als sie die Vertretungsbefugnisse des Vormunds, Pflegers oder Testamentsvollstreckers erweitert“.).
A. „Anerkennung“ von Heimatstaatsprivatscheidungen
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III. Alternative Anknüpfungsregel de lege ferenda Eine Privatscheidung im Heimatstaat, die – mangels Kontrolle und/oder Beständigkeit – nicht nach § 109 FamFG anerkennungsfähig ist,24 sollte de lege ferenda nach dem dort geltenden Recht beurteilt werden. Diese Regel wäre als alternative Anknüpfungsregel in Art. 17 II EGBGB als Unterabsatz hinzuzufügen, und zwar für eine im Ausland durchgeführte Privatscheidung.25 Die Anknüpfung an das Heimatstaatsrecht entspräche der gespiegelten (autonomen) internationalen Zuständigkeit nach § 98 I Nr. 1 FamFG. Das Anerkennungsrecht würde also diesem Staat die Scheidungszuständigkeit zugestehen,26 es stünde, wie weiter oben gesehen, nicht das Anerkennungshindernis des § 109 I Nr. 1 FamFG entgegen.27 Auch wenn internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht nach dem bisher Gesagten zu trennen sind,28 wäre so eine gewisse Kohärenz gesichert, die dem internationalen Zivilverfahrensrecht nicht gänzlich fremd ist.29 24
Vgl. zur Nichterfassung oben unter § 4 C.II.3. Siehe auch die Kritik zu Art. 17 II EGBGB n. F. bei Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 162 („[…] hätte so ausfallen müssen, dass solche Scheidungen jedenfalls auch dann anzuerkennen sind, wenn sie nach dem gemeinsamen Heimatrecht zulässig und wirksam sind.“) – zunächst aber „unter bestimmten Voraussetzungen“ eine verfahrensrechltliche Anerkennung bevorzugend (Rn. 161 a. E.); zu einer ähnlichen, offeneren IPR-Reform schon Basedow/Dopffel/Drobnig u. a., RabelsZ 44 (1980), 344 (350) („These 10 (4)“: „Eine ohne Beteiligung staatlicher Organe vollzogene Scheidung oder Trennung der Ehe ist gültig, wenn sie dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten entspricht. […]“); hingegen gegen eine alternative Anknüpfung Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (351, Fn. 41) – wobei dies (zeitlich) vor der EuGH-Rspr. zu Privatscheidungen, mit Blick auf einen etwaigen „Konflikt mit der Rom III-VO“ äußernd; gegen das Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit in heutiger Zeit Antomo, StAZ 2019, 33 (37); Dutta, FF 2018, 60 (61); siehe noch allg. zur zurückgehenden Rolle dieses Merkmals (insbesondere im EU-Recht) etwa MüKo-BGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 30; schon Kropholler, IPR, § 38 IV, S. 274 ff.; ein solches Merkmal demgegenüber allg. als durchaus vorteilhaft bewertend de la Durantaye, IPRax 2019, 281 (282) („Ausdruck der Toleranz“). 26 Siehe zum Zuständigkeitsinteresse aus anerkennungsrechtlicher Sicht Martiny, IZVR III/ 1, Rn. 114 f. 27 Siehe oben unter § 4 C.III.1. 28 Siehe oben unter § 4 C.II.1.d)aa)(1) und § 4 C.II.1.d)cc); vgl. zur Hervorhebung der unterschiedlichen Ziele von IPR und Anerkennungsrecht oben unter § 4 C.II.3.a)cc)(2)(a); siehe hier insbesondere die allg. starke Zurückhaltung hinsichtlich einer Verbindung von Kollisionsrecht und internationaler Zuständigkeit als solcher Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (247 ff.) (gegen eine „volle Parallelität“ aufgrund „ihre[r] eigene[n], unvertauschbare[n] Gerechtigkeit“, 256) und dabei auch gegen ein „Überkollisionsrecht“, das das Kollisionsrecht bei der „Verteilung der internationalen Zuständigkeit“ berücksichtigt (242 f.) sowie krit. zum Anerkennungshindernis der internationalen Zuständigkeit (266 f.) („starr[ ]“; ordre publicKlausel genüge). 29 Vgl. zum Zusammenhang von IPR und Anerkennungsrecht mit Blick auf die Zuständigkeit v. Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 121, 124 f. (spiegelbildliche Zuständigkeit als Überprüfung „hinreichend[er]“ Nähe von „ausländische[m] Gericht“ und „Sachverhalt“, Rn. 124, bzw. „genügend Kontakte“, Rn. 125) – wobei dieser „Vergleich mit dem Kollisionsrecht allerdings nicht überstrapazier[t]“ werden dürfe, Rn. 126. Vgl. noch zum beispielhaften Zusammenhang von IPR und IZVR, der hervortritt, wenn für die Zuständigkeit und 25
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§ 6 Privatscheidungen de lege ferenda
Wenn nun Privatscheidungen immer mehr verbreitet sind, sollte eine parallele Kollisionsregel eingeführt werden, um nicht – an der Rechtswirklichkeit vorbei – die Anerkennung bzw. Gültigkeit dieser Privatscheidung zu beeinträchtigen.30 Eine Ausnahmeregel für missbräuchliche Fälle31 wäre bei der hier vorgeschlagenen Kollisionsregel für einvernehmliche Scheidungen nicht notwendig, da nur im Heimatstaat nach dem dort geltenden Recht wirksam erfolgte Privatscheidungen gültig wären, also eine ausreichende und gerechte Verbindung zu diesem Staat gefordert wäre.32
B. Art der Verweisung des Art. 17 II EGBGB de lege ferenda Zuletzt ist ein Blick auf die weiter erläuterte Problematik der „Drei-StaatenKonstellation“ zu werfen, bei der im Drittstaat X eine Privatscheidung erfolgt und der Kollisionsrecht die „gleichen Anknüpfungsbegriff[e]“ benutzt werden, Staudinger/Looschelders, Einl. zum IPR Rn. 291; ebenso bereits Martiny, IZVR III/1, Rn. 131. 30 Vgl. auch den Hinweis auf die Einschränkung „hinkender Scheidungen“ im Falle einer Alternativregelung bei Andrae, IntFamR, § 3 Rn. 162; sowie die begründende Vorbemerkung zur ähnlichen, offeneren „These 10 (4)“ bei Basedow/Dopffel/Drobnig u. a., RabelsZ 44 (1980), 344 (347 f.) (Bezüglich der Anerkennungsfrage einer Statusentscheidung wäre es „mißlich, diesen Status entgegen der ausländischen Entscheidung im Inland in Frage zu stellen oder als fortbestehend zu betrachten. […] Entsprechendes gilt für […] Ehescheidungen, die ohne Beteiligung staatlicher Organe vollzogen wurden“.). 31 Vgl. – im weiteren Sinne – die Regelung des schw. IPRG (Art. 45 II schw. IPRG), wonach die besondere Anerkennungsregel für im Ausland geschlossene Ehen (Art. 45 I schw. IPRG) in gewissen Fällen mit Inlandsbezug keine Anwendung findet; siehe zu dieser Norm näher ZKIPRG/Widmer Lüchinger, Art. 45 Rn. 1 ff. Allerdings werden nach der genannten Regel ausländische, „gültig[e]“ Eheschließungen schlicht anerkannt, es erfolgt keine kollisionsrechtliche Anknüpfung; siehe dazu ZK-IPRG/Widmer Lüchinger, Art. 45 Rn. 2. 32 Vgl. auch – zum de lege ferenda-Vorschlag, „die Anerkennung von Privat- und Verfahrensscheidungen anzunähern“ – Helms, in: Scheidung ohne Gericht?, S. 337 (350) („[…] substanzielle Verbindung wäre auf jedem Fall bei einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit oder dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Ehegatten gegeben, der Antragsgegner ist.“); sowie schon den Vorschlag zu einer IPR-Reform zu einer ähnlichen, offeneren IPR-Reform bei Basedow/ Dopffel/Drobnig u. a., RabelsZ 44 (1980), 344 (350) („These 10 (4)“: „[…]. Die Einhaltung des Heimatrechts eines Ehegatten genügt, wenn der andere sein Einverständnis mit der Scheidung oder Trennung in einer öffentlichen Urkunde erklärt hat oder nachträglich erklärt.“); zum allg. Zusammenhang von internationaler Zuständigkeit und Anerkennung noch Martiny, IZVR III/1, Rn. 115 („der Anerkennungsstaat gesteht dem Entscheidungsstaat dann Zuständigkeit zu, wenn er die Erledigung des Rechtsstreits in diesem Lande für sachnah und gerechtfertigt hält.“). Siehe allg. und näher zur Staatsangehörigkeit als „Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung“ sowie den (Gegen-)Argumenten MüKo-BGB/v. Hein, Art. 5 EGBGB Rn. 31 ff. m. w. N.; eingehend zu diesem Anknüpfungsmoment etwa Kropholler, IPR, § 38, S. 269 ff. – wobei dieses Kriterium für die entsprechende „Verbindung zu einer Zivilrechtsordnung“ aber „nur“ als „Annäherungswert“ bzw. „Indiz“ ansehend, § 38 I, S. 270; näher und insgesamt krit. noch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 18 ff.
B. Art der Verweisung des Art. 17 II EGBGB de lege ferenda
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Staat Y, dessen Scheidungsrecht aus deutscher Sicht anwendbar ist, nur eine hoheitliche, insbesondere gerichtliche Scheidung kennt – eine ausländische Privatscheidung im Staat X aber gleichwohl anerkennen würde. Die aktuelle Ausgestaltung des Art. 17 II EGBGB i. V. m. Art. 11 Rom III-VO als Sachnormverweisung führt in einer derartigen Konstellation, wie oben gesehen, zur Anwendung des Scheidungsrechts des Staates Y und somit zu einer (aus deutscher Sicht) unwirksamen Scheidung – obwohl der Staat Y die ausländische Privatscheidung anerkennen würde. Bei einer Gesamtverweisung wäre dies hingegen nicht der Fall, sondern eine entsprechende Erfassung der anerkennenden Regel des Staates Y möglich.33 Dies Konstellation macht deutlich, wie wichtig auch hier de lege ferenda eine Änderung des Kollisionsrechts ist. Abgesehen von dem zuvor erörterten de lege ferenda-Vorschlag bezüglich sog. Heimatstaatsscheidungen sollte mit Blick auf diese untersuchte „Drei-StaatenKonstellation“ daher eine Abkehr vom Prinzip der Sachnormverweisung angestrebt werden. So würde, wie bisweilen bereits mit Blick auf das Anerkennungsrecht ausdrücklich attestiert wird, „[d]er Geltungsanspruch des eigenen internationalen Privatrechts […] auf ein realistisches Maß zurückgenommen“.34 Zwar gäbe man so die einheitliche Anwendung der Rom III-VO für alle Privatscheidungen, die durch die Verweisung des Art. 17 II EGBGB beabsichtigt ist,35 auf. Allerdings lässt sich die Sachnormverweisung ohnehin auch innerhalb des direkten Anwendungsbereichs der Rom III-VO mit Blick auf Drittstaaten und das Interesse am internationalen Entscheidungseinklang kritisch sehen.36 Die Verweisung des Art. 17 II EGBGB auf die Rom III-VO sollte de lege ferenda mithin die Anknüpfungsregeln (modifiziert) für entsprechend anwendbar erklären – dabei jedoch nicht Art. 11 Rom III-VO miteinschließen, sodass Raum für Art. 4 I EGBGB bliebe.
33
Siehe oben unter § 5 C.III.2. So zur „Selbstständigkeit des internationalen Anerkennungsrechts gegenüber dem internationalen Privatrecht“ und dabei auch das deutsche Recht erwähnend Geimer, IZPR, Rn. 41a. 35 BT-Drs. 19/4852, S. 38 („möglichst weitgehende[r] Gleichklang“); vgl. schon vor Geltung des Art. 17 II EGBGB n. F. in diesem Sinne für eine analoge Anwendung der Rom III-VO NK-BGB/Gruber, Art. 1 Rom III-VO Rn. 79 (sonst „behandelte man wesentlich Gleiches ungleich“). 36 Siehe etwa die Kritik bei MüKo-BGB/W. v. Mohrenfels, Art. 11 Rom III-VO Rn. 1 m. w. N.; Gruber, IPRax 2012, 381 (388). 34
§ 7 Gesamtergebnis Im internationalen Vergleich lösen einvernehmliche Privatscheidungen verbreitet die hoheitliche, namentlich gerichtliche Scheidung ab oder sind zumindest parallel vorgesehen. Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie mit (Privat-) Scheidungen im autonomen Recht (§ 109 FamFG und Art. 17 II EGBGB) umzugehen ist. Dabei geht es um Qualifikationsprobleme, bei welchen es im Ergebnis auf eine funktional-teleologische Betrachtungsweise lege fori ankommt. Auf der Ebene des internationalen Anerkennungsrechts stellt sich die Frage, welche ausländischen (Privat-)Scheidungen als anerkennungsfähige „Entscheidungen“ im Sinne des § 109 FamFG angesehen werden können. Hierfür ist auch ein Blick auf ähnlich gelagerte Gestaltungsakte wie Adoptionen oder abstammungsrechtliche Fragen in Leihmutterschaftsfällen zu werfen. § 109 FamFG unterfallen grundsätzlich nicht nur gerichtliche Entscheidungen, sondern auch behördliche oder gar notarielle, wenn die fragliche Stelle entsprechend mit staatlicher Autorität ausgestattet ist. Unproblematisch sind, worauf insbesondere die herrschende Meinung abstellt, Scheidungen mittels konstitutiven, gestaltenden Hoheitsakts anerkennungsfähig. Die Anerkennungsfähigkeit beruht maßgeblich auf der Überlegung, dass bei der Anerkennung nach § 109 FamFG keine umfassende Nachprüfung erfolgt bzw. der ausländischen Hoheitstätigkeit vertraut wird, Gestaltungsurteile auch eine Kontrolle der Gestaltungsvoraussetzungen bezwecken und die konstitutive Wirkung des Hoheitsakts verfahrensrechtlich anerkannt werden kann. Auch eine nachträgliche, die Privatscheidung nachprüfende, materiell-rechtskräftige oder vergleichbar verbindliche Feststellungsentscheidung ist unter diesen Aspekten der verfahrensrechtlichen Anerkennung ohne Schwierigkeiten zugänglich; die materielle Rechtskraftwirkung eines solchen Hoheitsakts kann anerkannt werden. Darüber hinaus können Scheidungsvorgänge, die auf einem Privatakt, einem Scheidungsvertrag beruhen, anerkannt werden, wenn sie bei funktional-teleologischer Betrachtung, vor dem Hintergrund der Anerkennungsregel des § 109 FamFG den Charakteristika einer Gestaltungsentscheidung nach deutschem Verständnis gleichstehen. Hierbei muss man sich zunächst wiederum die Grundgedanken des Anerkennungsrechts (die fehlende Nachprüfung und den Gedanken des Vertrauens in die ausländische Hoheitstätigkeit) vor Augen halten und dass konstitutive Urteile auch eine Kontrolle der Gestaltungsvoraussetzungen bezwecken. Für eine Qualifikation als „Entscheidung“ ist daher zumindest erforderlich, dass die fragliche Privatscheidung unter kontrollierender gerichtlicher, behördlicher bzw. notarieller
§ 7 Gesamtergebnis
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Mitwirkung erfolgt, wobei das Merkmal der Kontrolle dahingehend zu verstehen ist, dass es einer sachlichen Nachprüfung der Scheidungsvoraussetzungen und nicht nur einer formal „abhakenden“ Durchsicht bedarf. Das Kontrollkriterium, das im scheidungsrechtlichen Schrifttum an Bedeutung gewinnt und in Adoptions- und Leihmutterschaftsfällen verbreitet ist, ist allein ist jedoch ungenügend. Dies ergibt sich (u. a.) aus der BGH-Rechtsprechung zu Registrierungen und wird insbesondere von einer (älteren) Ansicht im Adoptionsrecht angeführt. Eine genauere Untersuchung zeigt, warum es nicht ausreicht, wenn die Privatscheidung (lediglich) unter kontrollierender Mitwirkung erfolgte. Es ist vor allem zu berücksichtigen, dass nach allgemeinem Verständnis (im deutschen Recht) ein Gestaltungsurteil im Gegensatz zu einem privaten Gestaltungsakt auch aus Gründen der Rechtssicherheit ergeht. Ein (Gestaltungs-)Urteil ist im Falle von Fehlern grundsätzlich nicht automatisch unwirksam, sondern bedarf einer (nur begrenzt möglichen, an bestimmte Voraussetzung geknüpften) gerichtlichen Aufhebung, es ist mithin von besonderer Beständigkeit. Ein rechtsgeschäftlicher, vertraglicher Akt ist demgegenüber grundsätzlich privat aufhebbar bzw. kann ipso iure unwirksam sein, er ist also fragil und fehleranfällig und unterscheidet sich so von einem Gestaltungsurteil. Nach dem berechtigten Grundgedanken der sog. Wirkungserstreckungslehre dürfen einer ausländischen Entscheidung im Wege der Anerkennung zudem keine Wirkungen zugestanden werden, die über die des Erlassstaates hinausgehen. Deshalb ist stets zu prüfen ist, ob die ausländische Entscheidung nicht doch unwirksam bzw. aufgehoben ist. Um einem Privatakt über die Anerkennung keine weiteren Wirkungen als im Ausgangsstaat zuzugestehen, müsste dementsprechend ebenfalls überprüft werden, ob er wirksam ist; bei einem Vertrag wäre wegen der Fehleranfälligkeit oder Fragilität also nachzuprüfen, ob er tatsächlich wirksam zustandegekommen ist und nicht an Mängeln leidet bzw. fortbesteht. Dies entspricht nicht der Prüfung, ob ein Urteil ausnahmsweise nichtig oder aufgehoben ist, sondern bedeutet eine vollumfassende Nachprüfung und kollidiert mit dem Grundsatz des Verbots der révision au fond im Anerkennungsrecht (§ 109 V FamFG). Unter diesen Gesichtspunkten sind folglich nur kontrollierte Privatscheidungen anerkennungsfähig, die zugleich eine erhöhte Beständigkeit aufweisen. Diese Scheidungsvorgänge können im Wege einer funktionalen „Gesamtqualifikation“ als „Entscheidungen“ im Sinne des § 109 FamFG angesehen und anerkannt werden. Bei mitgestaltenden Kontrollakten bedarf es einer Beständigkeit, die einer Gestaltungsentscheidung vergleichbar ist, mithin darf die Privatscheidung nicht grundsätzlich fehleranfällig im Sinne einer Unwirksamkeit ipso iure sein, sondern nur noch über ein gerichtliches Verfahren angreifbar bzw. aufhebbar bleiben; der Zeitpunkt dieser mitgestaltenden Kontrolle (vor oder nach Abschluss des Scheidungsvertrags) ist unerheblich. An nachträgliche, deklaratorische Akte sind höhere Anforderungen zu stellen, die Beständigkeit muss der grundsätzlichen Nichtaufhebbarkeit, der materiellen Rechtskraft einer Feststellungsentscheidung gleichkommen; dies dürfte, praktisch gesehen, mit Blick auf die verbreiteten Registrierungsakte bei Privatscheidungen, kaum zu bejahen sein.
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§ 7 Gesamtergebnis
Weiter lässt sich der Entscheidungsbegriff de lege lata nicht öffnen, insbesondere erfüllt eine (zwingend) registrierte Privatscheidung nicht die sich aus den vorstehenden Grundsätzen ergebenden Merkmale und Anforderungen. Der so vertretene Entscheidungsbegriff ermöglicht insbesondere die Anerkennung einvernehmlicher Privatscheidungen im Heimatstaat (siehe § 109 I Nr. 1 i. V. m. § 98 I Nr. 1 FamFG) und stellt auch mit Blick auf den ordre public (§ 109 I Nr. 4 FamFG) kein Problem dar. Bei ausländischen Privatscheidungen, die keine „Entscheidung“ darstellen und daher nicht über § 109 FamFG verfahrensrechtlich anerkennungsfähig sind, kommt es zu einer kollisionsrechtlichen Wirksamkeitsprüfung. Dabei stellt sich vor allem die Frage, ob es beachtlich ist, wenn das Scheidungsstatut (Art. 17 II EGBGB) eine hoheitliche, insbesondere gerichtliche Scheidung verlangt, wie also das Erfordernis eines hoheitlichen, namentlich gerichtlichen Gestaltungsakts (§ 1564 S. 1 BGB) zu qualifizieren ist. Diesbezüglich ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei einem Scheidungsrecht mit hoheitlichem Gestaltungserfordernis gerade der Hoheitsakt, namentlich der gerichtliche Beschluss die Eheauflösung bewirkt. Mit Blick auf die im Zivilrecht grundsätzlich greifende Privatautonomie und Vertragsfreiheit der Privatpersonen lässt sich bei einer hoheitlichen Scheidung also eine Art hoheitlicher Auflösungsvertrag und insofern eine private, materielle Funktion wahrnehmen. Zudem sind bei einem hoheitlichen Gestaltungsakt wie dem gerichtlichen Scheidungsbeschluss wiederum vor allem die Charakteristika der hoheitlichen Kontrolle und insbesondere der besonderen Beständigkeit von Bedeutung. Im Ergebnis sind daher namentlich § 1564 S. 1 BGB, aber auch Erfordernisse anderer hoheitlicher Scheidungsakte nicht verfahrensrechtlich, sondern materiell-rechtlich zu qualifizieren, und zwar im engeren Sinne, d. h. nicht als schlichtes Formerfordernis, das ein alternatives Abstellen auf die Ortsform (Art. 11 I Var. 2 EGBGB) erlauben würde. Das Scheidungsstatut bestimmt also über ein solches Erfordernis eines Gestaltungsakts. Mit Blick auf die Ausgestaltung verschiedener Privatscheidungsrechte, auf verschiedene kontrollierende „Mitwirkungsmodalitäten“, ergibt sich in vielen Fällen ebenfalls eine materiell-rechtliche Qualifikation. Kontrollierende Akte, insbesondere Genehmigungen oder andere Erlaubnisakte, aber auch notarielle Beurkundungen mit hervortretendem, scheidungsspezifischem Kontrollakt sind nicht als Formvorgabe im Sinne des Art. 11 I EGBGB zu verstehen, sondern allein materiellrechtlich zu qualifizieren, das Scheidungsstatut ist mithin maßgeblich. Zuletzt ist de lege lata noch der Charakter als Sachnormverweisung (Art. 17 II EGBGB i. V. m. Art. 11 Rom III-VO) relevant. Dieser sorgt dafür, dass eine ausländische Privatscheidung aus dem Staat X unwirksam ist, wenn auf das Scheidungsrecht eines anderen Staates Y verwiesen wird, das selbst nur eine hoheitliche, gerichtliche Scheidung vorsieht, und es mithin unbeachtlich ist, ob dieser andere Staat (Y) zumindest Anerkennungsregeln für die ausländische Privatscheidung (aus dem Staat X) bereithält.
§ 7 Gesamtergebnis
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Vor dem Hintergrund der Gefahr hinkender Rechtsverhältnisse gerade bei sog. Heimatstaatsscheidungen ist schließlich de lege ferenda eine weitergehende Öffnung in Bezug auf ausländische Privatscheidungen zu fordern. Es sollte in Art. 17 EGBGB insbesondere eine alternative Anknüpfungsregel für im Ausland erfolgte Privatscheidungen geschaffen werden, die auf das Heimatrecht abstellt. Daneben sollte der Sachnormverweisungscharakter aufgegeben werden. Über eine scheidungsrechtliche Gesamtverweisung können sodann funktional auch die Regeln der verwiesenen Rechtsordnung erfasst werden, die eine Anerkennung einer (aus der Sicht dieser Rechtsordnung) ausländischen Privatscheidung betreffen.
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Stichwortverzeichnis Adoption – Anerkennung 80 ff., 175 ff., 202 ff. – Behörden (Anerkennung) 63 f. – Beständigkeit 202 – Dekretadoption/-system 78 ff., 85, 90, 168 f., 202, 208, 236, 243, 288 f., 291, 332 – Haager Übereinkommen 79 f. – IPR 288 ff., 332 – Kontrolle (kontrollierende Mitwirkung) 82 ff., 149 f., 175 f. – rechtsvergleichender Überblick 78 f. – Vertragsadoption/-system 78 f., 81 ff., 91 f., 149, 163, 175 f., 181, 198, 202, 223, 236, 290 f. Behördenentscheidungen – Adoption 63 f. – Anerkennung 62 ff. – Leihmutterschaft 63 f. Beständigkeit (der Scheidung) – Abgrenzung zur Konstitutivwirkung 98 ff., 109 – Abgrenzung zur materiellen Rechtskraft 204 ff., 239 – Bestandskraft 84 f., 255 – Kriterium im Anerkennungsrecht 177, 202 ff., 223 ff., 236 ff., 359 ff., 363 – Kriterium im IPR 304, 337 ff., 342 – und formelle Rechtskraft 239 ff. – Unterschied zur Kontrolle 202 ff. Beurkundung – Anerkennungsrecht 170, 203, 257 – deutsches Recht (notariell) 193, 304, 349, 354 – IPR 314, 320, 323, 335, 337, 350 ff. – Kontrolle 193, 304, 354 Deklaratorisch – Akt (Begriff) 46 f. – Feststellungsentscheidung
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– Mitwirkung 234, 237 – Registrierung 60, 171, 234, 236, 256 Eheschließung – deutsches Recht 100, 102 ff., 107, 192, 208, 246, 304, 354 – IPR 154 ff., 225, 312 ff., 338, 347 Feststellungsentscheidung – Anerkennungsrecht 86, 89, 162 ff. – Feststellungswirkung 162 ff. – Rechtskraftwirkung 163 ff. – Sachprüfung 169 f. Feststellungswirkung – Anerkennung 162 ff. – Privatscheidung 221 f. – Rechtskraftwirkung 163 ff. Form – Abgrenzung zur Kontrolle 176 f., 192 ff. – Begriff (Qualifikation) 311 ff. – IPR (Qualifikation) 308 ff., 345 ff. – Negativmerkmal im Anerkennungsrecht 174, 192 ff. Gestaltung – Gestaltungsakt (Begriff) 23, 46 – Gestaltungsklage 94 ff., 102, 139, 195, 212 f., 286, 292, 294 f., 297 f. – Gestaltungsurteil 94 f., 98 f., 102, 108, 139 f., 142, 148, 184, 212, 219, 229, 237, 248, 254, 258, 269 ff., 294 ff., 298, 303, 331, 334, 337, 340, 342 Gestaltungsrecht – Gestaltungs(klage)recht 94 f., 98, 286 ff., 305 f. – Materiell 94 f., 97 ff., 212, 298, 306 Gestaltungswirkung – Abgrenzung zur Tatbestandswirkung 219 – Anerkennung 138 ff.
Stichwortverzeichnis – „gesamtgestaltend“ 228 ff. – Privatscheidung 219 f., 228 ff. Heimatsstaatsscheidung 59, 153 f., 157, 159, 182, 224 f., 259 f., 359 ff., 363 f. Hinkende – Ehe 151, 155 ff. – Rechtsverhältnisse 141, 150 ff., 155, 181 f., 209, 257, 263, 269 – Scheidung 151 ff., 359 Konstitutiv – Begriff (Hoheitsakt) 46, 93 ff. – Begriff (Privatscheidung) 23, 94 – Kriterium im Anerkennungsrecht 69 ff. – Mitwirkungsakt 104 f. – Urteil 93 ff. Konstitutivwirkung – Abgrenzung zur Beständigkeit 98 ff. – Abgrenzung zur kontrollierenden Mitwirkung 100 ff. – Anerkennung 138 ff. Kontrolle (kontrollierende Mitwirkung) – Abgrenzung zur Konstitutivwirkung 100 ff. – als Überprüfung (Nachprüfung) 196 ff. – Kriterium im Anerkennungsrecht 72 ff., 82 ff., 89 ff., 172 ff., 195 ff., 359 f, 363 – Kriterium im IPR 303 f., 306, 320 ff., 336 f., 341 f., 344, 349 f., 353 ff. – ordre public 262, 267 ff. – sachliche (materielle/inhaltliche) 173 f., 175 f. – Unterschied zur Beständigkeit 202 ff. Leihmutterschaft – Anerkennung 78 ff., 163 f., 175 ff., 202 ff. – Behörden (Anerkennung) 63 f. – Beständigkeit 202 ff. – Feststellungsentscheidung 86, 89, 163 f. – Konstitutiventscheidung 87 f. – Kontrolle (kontrollierende Mitwirkung) 89 ff., 149 f., 175 ff. – rechtsvergleichender Überblick 85 ff. – Vereinbarung 85 f. – Wirkungserstreckung 215 f.
399
Lex fori-Verweisungsregel 39 ff., 272 ff., 275, 280, 286, 297, 300 Lex loci (regit formam actus) 32, 324 ff., 328, 339 ff., 353 Ordre public – Anerkennungsrecht 260 ff. – Gerichtliches Scheidungsmonopol 261 ff. – Kindesschutz 266 ff. – Kollisionsrechtlich 263 f. Ort – Ortsform 319, 340 – Ortsrecht 44, 308, 317, 319, 325 ff., 341, 345 Privatscheidung – Begriff 23, 94 – IPR – rechtsvergleichender Überblick
116 ff.
Qualifikation – Anerkennungsrecht 42 f., 55 ff. – Begriff und Natur 35 ff. – Formfragen 308 ff. – funktionale „Gesamtqualifikation“ 226 ff., 238 f., 242 ff., 258 f., 339, 361 – funktionale Qualifikation lege fori (Anerkennungsrecht) 57 ff., 68, 143 ff., 160 f., 168, 178 ff., 195, 213 f., 226 ff., 246, 258, 360 – funktionale Qualifikation lege fori (IPR) 48 ff., 53 f., 297 f., 301, 304 ff., 311 f., 319, 323, 334, 347 f., 352 f., 356 f. – funktionale Qualifikation lege fori (IZVR) 272 ff., 276 ff., 297 f., 301, 304 ff. – IPR 36 ff., 48 ff., 308 ff. – IZVR 39 ff., 272 ff. – Methodik 48 ff., 56 ff. Révision au fond (Verbot) 245, 253 Scheidung – Brasilien 354 f.
145, 151, 211,
128 ff., 190, 200, 251, 350,
400
Stichwortverzeichnis
– Deutschland 22 f., 110 f., 140, 168, 211 f., 219, 237, 239, 261, 294, 296 – Frankreich 21, 116 ff., 188, 267 – Italien 21 f., 118 ff., 188 ff., 198 ff., 345, 348 f. – Japan 21, 132 f., 191, 201 – Norwegen 114 f. – Österreich 22, 112 – Portugal 113, 115 – Republik Korea (Südkorea) 134 f., 191, 201, 250 f. – Rumänien 123 ff. – Spanien 22, 125 ff., 190, 200 f., 350 f., 353 f. – Thailand 21, 23, 32 f., 136 f., 191 – Volksrepublik China 130 ff., 137, 197, 250, 268
Scheidungsmonopol – gerichtliches 111, 261, 281 ff., 295 f. – Inlandsscheidungen 281 ff. – ordre public 261 ff. Vertrauensgedanke (im Anerkennungsrecht) 146, 169, 182, 195, 210, 253, 257 Verwaltung – Verwaltungsakt 68, 103, 143, 208 f. – Verwaltungsbehörde 66 Wirkungserstreckung – Anerkennungsrecht 215 ff. – funktionale „Gesamtbetrachtung“ 230 ff. – Lehre/Theorie 217 ff.