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German Pages 180 Year 2008
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 373
Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag Eine Untersuchung der Voraussetzungen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
Von Benjamin Schmidt
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
BENJAMIN SCHMIDT
Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 373
Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag Eine Untersuchung der Voraussetzungen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
Von Benjamin Schmidt
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.
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D5 Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-12644-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
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Für Sylvia und Konstantin
„Wenn du deines Bruders Rind oder Schaf irregehen siehst, so sollst du dich ihrer annehmen und sie wieder zu deinem Bruder führen.“ 5. Mose 22, V. 1 „Es bleibt immer eine ernste Sache, sich unberufen in die Geschäfte eines Anderen zu mischen. Wer sich dazu versteht, mag sich vorsehen und alle Eventualitäten berechnen.“ Motive, Bd. 2, S. 862
Vorwort Befragt man rechtswissenschaftliche Examenskandidaten nach den Materien des bürgerlichen Rechts, auf deren Prüfung sie gern verzichten würden, wird besonders häufig die Geschäftsführung ohne Auftrag genannt. Auch bei erfahrenen Praktikern kann man leicht ein gewisses Unbehagen spüren, wenn es um die Anwendung dieses Rechtsinstituts geht. Die Ursache für diese Situation ist schnell gefunden. Sie liegt in der nahezu grenzenlosen Heranziehung von Ansprüchen aus §§ 677 ff. BGB durch die höchstrichterliche Rechtsprechung auf der einen und die nahezu einhellige Ablehnung dieser Praxis durch das Schrifttum auf der anderen Seite. Ziel dieser Untersuchung ist es, den Anwendungsbereich der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag klarzustellen und die Grenzen dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses aufzuzeigen. Die Arbeit zeigt, dass die gesetzliche Regelung – richtig verstanden – durchaus handhabbar ist. Dabei ist nicht zu verkennen, dass es sich bei der auftraglosen Geschäftsbesorgung rechtstatsächlich um einen Ausnahmefall handelt. Gerade angesichts der heute (nahezu) allgegenwärtigen Kommunikationsmöglichkeiten ist die eigenverantwortliche Erledigung eigener Angelegenheiten bei weitem die Regel. Ist dabei professionelle Hilfeleistung nötig, findet der Leistungsaustausch seine Grundlage meist in einem Vertrag. Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – in der hier unverändert abgedruckten Fassung – im Sommersemester 2007 als Dissertation angenommen. Die Ausarbeitung befindet sich auf dem Stand von Februar 2007. Sie ist während meiner fast fünfjährigen Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bonner Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Sozialrecht von Professor Dr. Raimund Waltermann entstanden. Ihm gebührt daher an erster Stelle mein Dank – nicht nur für die Anregung und Betreuung dieser Doktorarbeit. Professor Waltermann hat an seinem Lehrstuhl, an dem ich schon während meines Studiums in Gießen tätig sein durfte, ein Klima geschaffen, das zum Mitdenken anregte und zum Entwickeln eigener juristischer Lösungsansätze ermutigte. Ihm war schon damals auch wichtig, was wir als Studenten „herausgefunden“ hatten. Später hat er mit konkreten Ratschlägen oder allgemeiner Bestärkung über die Selbstzweifel eines Doktoranden hinweggeholfen. Nicht zuletzt hat mir Professor Waltermann durch die Einteilung und Organisation der Arbeit am Institut außergewöhnliche Freiräume für meine eigene wissenschaftliche Tätigkeit eingeräumt. Ich habe ihm viel zu verdanken! Das Zweitgutachten wurde von Professor Dr. Eberhard Schilken erstellt. Für die rasche Votierung und die weiterführenden Hinweise bin ich ihm dankbar.
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Vorwort
Meine wichtigste Stütze in den Jahren der Promotion war meine geliebte Ehefrau, Richterin am SG Sylvia Schmidt. Sie hat nicht zuletzt – ebenso wie mein Bruder, Assessor Johannes Schmidt – die Mühsal, das vollständige Manuskript gegenzulesen, auf sich genommen. Beiden danke ich hierfür wie für die kritischen Anmerkungen und die fruchtbaren Diskussionen herzlich. Meine Eltern und meine Schwiegereltern haben mich mit einem großzügigen Geschenk bei der Veröffentlichung dieser Arbeit unterstützt. Vielen Dank – nicht nur für diese Hilfe! Gießen, im Oktober 2007
Benjamin Schmidt
Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung
17
A. Ausgangssituation und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Teil Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
25
A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Tätigkeit „für einen anderen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Objektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Gemischt objektiv / subjektive Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
b) Die Zuständigkeitstheorie Wollschlägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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c) Abschwächungen der Rechtsprechung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Subjektive Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Zur Geschäftsführung berechtigendes Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
2. Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . .
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3. Wirksamkeit des Rechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Grammatische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
12
Inhaltsverzeichnis II. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Die römisch-rechtliche Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Die Entwicklung der negotiorum gestio im Römischen Recht . . . . . . . . . . .
39
c) Folgerungen für das geltende Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
2. Die Entstehung des § 677 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
1. Verhältnis zu § 687 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
2. Verhältnis zu § 686 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Verhältnis zu § 680 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
4. Standort der Regelungen der §§ 677 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
1. Der Ausschluss objektiv eigener Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
2. Die Bestimmung der Person des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
3. Die Rechtfertigung des Aufwendungsersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
4. Das gesetzliche Leitbild der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . .
58
5. Das übergesetzliche Leitbild der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . .
60
6. Das Erfordernis der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
V. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
3. Teil Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
68
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
1. Kein Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
2. Das voluntative Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
3. Das kognitive Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
Inhaltsverzeichnis
13
4. Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
5. Motive des Handelnden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
6. Die maßgebliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
II. Äußerung des Fremdgeschäftsführungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
III. Fremdgeschäftsführungswille bei Reflexhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
IV. Fremdgeschäftsführungswille trotz eigenen Interesses an der Geschäftsführung
83
1. Die These der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
3. Erprobung des Ergebnisses an Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
a) Eigennützige Motive des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
b) Erzielung von Reflexvorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
c) Teilbare Geschäftsbesorgungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
d) Unteilbare Geschäftsbesorgungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
4. Subjektiver Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
V. Fremdgeschäftsführungswille trotz Bestehens einer eigenen Verpflichtung . . . .
91
1. Die Problematik des „auch-fremden“ Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
2. Eigene Stellungnahme zu dieser Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
a) Handeln ohne Rücksicht auf die Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
b) Handlungen zur Erfüllung der Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
3. Erprobung des Ergebnisses an Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
a) Handlungen ohne Rücksicht auf die Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
b) Handlungen zur Erfüllung der Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
aa) Pflichterfüllung als eigennütziges Motiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
bb) Pflichterfüllung als Reflexvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
cc) Pflichterfüllung durch teilbare Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . 100 dd) Pflichterfüllung durch unteilbare Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Exkurs: Erfüllung einer vermeintlichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
14
Inhaltsverzeichnis VI. Fremdgeschäftsführungswille bei der Erfüllung einer vermeintlichen Verpflichtung gegenüber dem „Geschäftsherrn“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Eigene Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Erprobung an Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 VII. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
B. Der Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Beweiserleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Beweisbarkeit des Fremdgeschäftsführungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Voraussetzungen des Vollbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4. Teil Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
122
A. Die Person des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II. Der Geschäftsführer irrt sich über die Person des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Der Geschäftsführer irrt sich nicht über die Person des Geschäftsherrn . . . . . . . . 126 IV. „Geschäftsführung für den, den es angeht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. § 683 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Die Begrifflichkeiten des § 683 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Das Interesse des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Inhaltsverzeichnis
15
b) Der Wille des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Das Verhältnis der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander . . . . . . . . . . . . . 135 3. Der maßgebliche Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4. Der Irrtum des Geschäftsführers über die Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5. Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. § 683 S. 2 BGB i.V. m. § 679 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Die Fallkonstellationen des § 679 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Pflichterfüllung im öffentlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Erweiterung auf andere Fälle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. § 684 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
5. Teil Die Erscheinungsformen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
152
A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. Das gesetzliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag . . 154 C. Das gesetzliche Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Würdigung und Entwicklung einer eigenen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Die Abgrenzung von der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . 157 2. Die Sonderverbindung zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Die Rechtsfolgen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
16
Inhaltsverzeichnis 6. Teil Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick 165
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
1. Teil
Einleitung A. Ausgangssituation und Entwicklung Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in den §§ 677 ff. BGB sind am 1. Januar 1900 als Elfter Titel des Siebenten Abschnitts des Zweiten Buches des BGB1 in Kraft getreten. Seit dieser Zeit sind die gesetzlichen Regelungen inhaltlich vollkommen unverändert geblieben. Zudem wurden Ansprüche aus unbeauftragter Geschäftsbesorgung schon im gemeinen Recht und im Römischen Recht gewährt, wenn im Wesentlichen gleiche Voraussetzungen, wie sie das geltende Recht kennt, gegeben waren.2 Das Rechtsinstitut weist damit eine außergewöhnliche Kontinuität auf.3 Gleichwohl ist es seit dem In-Kraft-Treten des BGB nicht gelungen, Einigkeit über das vorzugswürdige Verständnis der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu erzielen. Die verschiedenen Ansichten in Rechtspraxis und Lehre über den Regelungsinhalt und die Struktur der §§ 677 ff. BGB divergieren erheblich; dies betrifft sowohl die konkrete Lösung von Einzelfällen als auch die abstrakte Bestimmung von Voraussetzungen und Grenzen des gesetzlichen Schuldverhältnisses.4 Angesichts dieses Befunds muss der Anwendungsbereich des Rechtsinstituts heute als ungeklärt angesehen werden. Selbst über die allgemeinen Ziele der Regelung, über Sinn und Zweck der Geschäftsführung ohne Auftrag wird gestritten. Während teilweise (im Anschluss an das Verständnis Kohlers von der „Menschenhülfe im Privatrecht“)5 die Honorierung altruistisch motivierter fremdnütziger Tätigkeit als Hauptaufgabe der Rechtsfigur angesehen wird,6 sehen andere in der Geschäftsführung ohne Auftrag ein tech1 Seit der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierung handelt es sich – inhaltlich unverändert – um Titel 13 des Abschnitts 8. 2 Näher dazu unten im Rahmen der historischen Auslegung des § 677 BGB (2. Teil B. II.). 3 Aus diesem Grund waren in dieser Untersuchung Rechtsprechung und Schrifttum über einen längeren Zeitraum zu berücksichtigen. Um die Einordnung der entsprechenden Zitate zu erleichtern, ist in den Fußnoten stets das Herkunftsjahr angegeben. 4 Siehe dazu exemplarisch die sogleich im Text angeführten Stimmen sowie den Meinungsstand zur Auslegung des § 677 BGB unten unter 2. Teil A. II. 5 Vgl. Kohler, Jher. Jb. 25 (1887), 1 ff. 6 Siehe etwa v. Caemmerer, Festschrift für Rabel, 1954, S. 333 (374 mit Fußn. 162); dens., NJW 1963, 1402 (1403); Jakobs, 1964, S. 93; Melullis, 1971, S. 3 ff., 173 ff.; Rabel, RheinZ 10 (1919 / 20), 89 (94 f.); Schröder / Bär, Jura 1996, 449 (451); Stamm, 2000, S. 108.
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1. Teil: Einleitung
nisches Regressrecht, das Teil der allgemeinen Ausgleichsordnung des BGB ist.7 Je nachdem, welcher Ansicht man insoweit folgt, lässt sich daraus ein eher enger oder ein eher weiter Anwendungsbereich der Regelungen ableiten.8 Sieht man von dem unterschiedlichen Grundverständnis der sinnvollen Reichweite des Rechtsinstituts ab, so birgt die nachgelagerte Ebene der praktischen Rechtsanwendung im Einzelfall weitere Probleme. Denn die jeweiligen Konzeptionen sind regelmäßig nicht konkret genug formuliert, um die Falllösung eindeutig zu determinieren. Diese Schwierigkeit betrifft naturgemäß am Stärksten die die Praxis bestimmende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Infolgedessen erscheinen gerichtliche Entscheidungen in Geschäftsbesorgungsfällen kaum vorhersehbar.9 Darauf beruht ein problematischer Mangel an Rechtssicherheit. So ist beispielsweise vom BGH ein Ersatzanspruch des Trägers der Straßenbaulast, der wegen Verschmutzungen und Beschädigungen der Straßendecke Baumaßnahmen durchführen musste, in einem Fall abgelehnt worden, weil es sich um ein eigenes Geschäft der Behörde gehandelt habe,10 in einem anderen Fall zugesprochen worden, weil die Geschäftsbesorgung auch dem Verursacher zugutekomme und deshalb der Fremdgeschäftsführungswille der Behörde zu vermuten sei.11 Das Herbeiholen ärztlicher Hilfe zugunsten eines Verletzten ist als Besorgung eines (für den Helfer fremden) Geschäfts der Krankenkasse des Opfers,12 nicht aber als Geschäftsführung zugunsten der (in casu leistungsverpflichteten) Berufsgenossenschaft13 angesehen worden. Hintergrund der geschilderten Ausgangssituation ist die weite Fassung des Gesetzes, dessen Wortlaut eine eindeutige Eingrenzung der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht fördert. Von Bedeutung für den Anwendungsbereich des gesetzlichen Schuldverhältnisses ist zunächst der Tatbestand des § 677 BGB. Diese Norm bestimmt (in Abgrenzung zu § 687 BGB), in welchen Fällen es sich überhaupt um eine („echte“) Geschäftsführung ohne Auftrag handelt. Sie stellt damit den Grundtatbestand jeder auftraglosen Geschäftsbesorgung dar.14 Geschäftsführer ist danach, „wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“. Welche Anforderungen an das Geschäft oder die Zielsetzung des Handelnden zu stellen sind, ist 7 So vor allem Wollschläger, 1976, S. 52 ff., 319 ff.; mit Einschränkungen auch MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 24; Sippel, 2005, S. 33. 8 Siehe dazu etwa Köndgen, 1999, S. 371 (374 ff.) und noch unten unter 2. Teil B. IV. 4. b). 9 Kritisch insoweit etwa auch Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 10; Helm, 1983, S. 335 (369). 10 BGHZ 62, 186 (189). 11 BGHZ 65, 354 (357 f.). 12 BGHZ 33, 251 (256). 13 BGHZ 55, 207 (210 f.). 14 So schon die Motive, Bd. 2, S. 855 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 477 f. – Siehe ferner Gursky, AcP 185 (1985), 13 (14).
A. Ausgangssituation und Entwicklung
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diesem Wortlaut schwerlich zu entnehmen.15 Zudem hat der Gesetzgeber im Hinblick auf wichtige Problemfelder bewusst davon abgesehen, eine eindeutige Regelung zu treffen. So lässt sich bezweifeln, ob eine auftraglose Geschäftsführung i. S. v. § 677 BGB auch bei der Erfüllung eines unwirksamen Vertrags vorliegen kann.16 Vor allem lässt der Wortlaut der Norm aber offen, ob „ein Geschäft für einen anderen“ besorgen kann, wer mit der Handlung (auch) eigene Interessen verfolgt, insbesondere wer eine ihm gegenüber einem Dritten obliegende Verpflichtung erfüllt.17 Insoweit wurde die Klärung der Rechtslage Wissenschaft und Praxis überlassen.18 Diese Gesetzeslage hat eine weite Auslegung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ermöglicht.19 Schon in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung erhielt das Rechtsinstitut einen breiten Anwendungsbereich. Hintergrund dessen ist vor allem die großzügige Bejahung des Fremdgeschäftsführungswillens eines Handelnden. Diese Voraussetzung könne schon dann gegeben sein, wenn mit der Geschäftsbesorgung lediglich neben eigenen auch fremde Interessen verfolgt werden.20 Dieses Verständnis wurde später vom BGH übernommen und auf weitere Fallgruppen ausgedehnt; das sog. „auch-fremde“ Geschäft steht seitdem im Mittelpunkt der Judikatur zur Geschäftsführung ohne Auftrag.21 Selbst unter Zugrundelegung dieser Prämisse dürfte es dem Aufwendungsersatz begehrenden Geschäftsführer jedoch nicht immer leicht fallen, seinen Fremdgeschäftsführungswillen zu beweisen. Auch diese Hürde hat jedoch ihre Bedeutung für die Rechtsprechung nach und nach verloren. Zunächst wurden an den Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens zwar nur geringe Anforderungen gestellt,22 eine Vermutung zugunsten des Geschäftsführers aber noch abgelehnt.23 Seit 1962 geht der BGH jedoch davon aus, bei der Besorgung eines fremden oder „auchfremden“ Geschäfts sei der Fremdgeschäftsführungswille des Handelnden zu 15 Ebenso etwa Hader, 2006, S. 25, 170; Schubert, AcP 178 (1978), 425. Näher unten unter 2. Teil B. I. 16 Siehe unten unter 2. Teil A. III.; zur Problematik des Fremdgeschäftsführungswillens in diesen Fällen unten unter 3. Teil A. VI. 17 Siehe unten unter 3. Teil A. V. 18 Vgl. Motive, Bd. 2, S. 868 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 485 f.; Protokolle, Bd. 2, S. 741 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1202. 19 Vgl. zum gegenwärtigen Zustand und Verständnis des Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag auch die Untersuchung von Helm, 1983, S. 335 ff., die bis heute kaum an Aktualität verloren hat. Näher zum Meinungsstand bezüglich der Auslegung des § 677 BGB unten unter 2. Teil A. II. 20 Vgl. RGZ 75, 276 (283); RGZ 82, 206 (214 f.); RGZ 143, 91 (95); RGZ 167, 55 (59). 21 Siehe etwa BGHZ 16, 12 (16); BGHZ 40, 28 (31); BGHZ 54, 157 (160); BGHZ 63, 167 (169 f.); BGHZ 65, 354 (357); BGHZ 65, 384 (387); BGHZ 98, 235 (240); BGHZ 110, 313 (314 f.); BGHZ 114, 248 (250); BGHZ 140, 102 (104); BGHZ 143, 9 (14 f.). 22 Exemplarisch RGZ 82, 206 (214); BGHZ 1, 57 (62); BGHZ 16, 12 (16); strenger BGHZ 27, 317 (326); BGHZ 31, 329 (332); BGH, LM Nr. 3 zu § 683 BGB. 23 So ausdrücklich RGZ 143, 91 (95).
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1. Teil: Einleitung
vermuten.24 Auf diese Weise hat der BGH den Fremdgeschäftsführungswillen beispielsweise auch bei „Geschäftsführern“ bejaht, die mit der Tätigkeit eine ihnen obliegende öffentlich-rechtliche oder vertragliche Verpflichtung erfüllen wollten. Dabei geht es der Rechtsprechung in aller Regel um die Anerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs gemäß §§ 670, 683 S. 1 BGB zugunsten eines solchen „Geschäftsführers“. Durch die Vermutungswirkung verlagert sich der Schwerpunkt der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag ganz auf die objektive Situation. Entscheidendes Tatbestandsmerkmal ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung das Vorliegen eines („auch-“)fremden Geschäfts.25 Auch im frühen Schrifttum nach dem In-Kraft-Treten des BGB herrschte die Auffassung vor, die Geschäftsführung ohne Auftrag könne als Auffangtatbestand in einer Vielzahl von Fällen herangezogen werden.26 Das weite Verständnis des Rechtsinstituts machte man sich auch in der Zeit des Nationalsozialismus zunutze. Bei der Honorierung unbeauftragter Tätigkeiten wurde berücksichtigt, „was der Gemeinschaft frommt“. So sollten „Aufopferung, Hilfsbereitschaft und Kameradschaft“ gefördert werden.27 Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde jedoch auch (zum Teil harsche) Kritik an einer allzu weiten Auslegung der §§ 677 ff. BGB erhoben. So warnte Rabel bereits 1919 vor einer „Denaturierung des Geschäftsführungsanspruchs“.28 Er war der Ansicht, dass „der herrschende Lehrsatz, die Erfüllung einer eigenen Pflicht sei tauglicher Gestionsgegenstand, das Institut der auftraglosen Geschäftsführung entstellt und teilweise sprengt.“29 Im späteren Schrifttum ist die Rechtsprechung ganz überwiegend auf Kritik gestoßen. So hat Hauß 1980 dem „strapazierten Rechtsinstitut“ der Geschäftsführung ohne Auftrag eine „magische Anziehungskraft“ auf die Rechtsprechung bescheinigt.30 In Fällen, in denen die Erfüllung einer eigenen Pflicht zugleich als Besorgung der Angelegenheit eines anderen angesehen werden kann, drohe die Geschäftsführung ohne Auftrag zur „Superregreßnorm“ (so Schwerdtner) zu werden.31 In seiner Bestandsaufnahme des gegenwär24 Zunächst BGHZ 38, 270 (276): „. . . spricht schon eine gewisse Vermutung dafür . . .“; sodann BGHZ 40, 28 (31): „. . . so wird jener Geschäftsführungswille zu vermuten, und es wird Sache desjenigen sein, der ihn leugnet, den Gegenbeweis zu führen.“; seitdem ständige Rechtsprechung des BGH. 25 Näher sogleich unter 2. Teil A. II. 2. 26 Siehe etwa Brückmann, 1903, S. 37 ff.; Kluckhohn, 1909, S. 86 ff. Vgl. auch noch Spies, 1949, S. 32 ff., 60 ff., 74 ff., 89. 27 Die Zitate entstammen dem Vorwort des Werks von Lent, 1938. Nationalsozialistisches Gedankengut beeinflusst seine Auslegung der §§ 677 ff. BGB an etlichen Stellen, vgl. etwa S. 3, 26 f., 33, 37 ff., 46 f., 56, 96. 28 Rabel, RheinZ 10 (1919 / 20), 89 (93). Kritisch gegenüber der reichsgerichtlichen Rechtsprechung auch R. Schmidt, Jher.Jb. 72 (1922), 1 (70 ff.). 29 Rabel, RheinZ 10 (1919 / 20), 89 (96). 30 Hauß, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 333.
A. Ausgangssituation und Entwicklung
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tigen Rechtszustands im Hinblick auf die Frage, ob die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag in die Reform des Schuldrechts einbezogen werden sollten, warnte Helm 1983, dass die Kosten- und Risikozuweisungen anderer Normen durch die Geschäftsführung ohne Auftrag in ihrer konturenlosen Gestalt nahezu beliebig verändert werden können.32 Es gelte, „der eingetretenen Hypertrophie dieser Rechtsfigur durch eine Präzisierung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen entgegenzuwirken“ (Gursky).33 Pesch konstatierte 1995, die herrschende Meinung habe „das Gesetz vollständig verlassen“.34 Mehrfach wurde die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag in ihrer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung als „konturenarmer Auffangtatbestand“ bezeichnet.35 Medicus spricht insoweit von einem „gefährlich weiten Mittel des Lastenausgleichs aus Billigkeitsgründen“.36 Durch die weitgehend voraussetzungslose gezielte Heranziehung der Geschäftsführung ohne Auftrag habe die Rechtsprechung die Möglichkeit, in jedem Einzelfall das jeweils erwünschte Ergebnis zu begründen.37 Dabei fehle es allerdings an einer materiellen Begründung für die jeweilige Kostenzurechnung oder diese erschöpfe sich in „Leerformeln“.38 Wichtigster Ansatzpunkt dieser Kritik ist die weitreichende Vermutungswirkung, die der BGH der Besorgung eines objektiv fremden (und insbesondere auch eines sog. „auch-fremden“) Geschäfts beimisst. Sie führe in vielen Fällen zu einer Fiktion des Fremdgeschäftsführungswillens.39 Zudem entspreche der von der Rechtsprechung geschaffene weite Ausgleichstatbestand im Wesentlichen der bewusst im BGB nicht normierten Versionsklage des gemeinen Rechts.40 Diese Meinungsverschiedenheiten bestehen bis heute fort.41 Die Gesetzeslage ist unverändert. Auch die Schuldrechtsmodernisierung hat die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag inhaltlich nicht betroffen.42 Der BGH hat einen 31 Schwerdtner, Jura 1982, 593. Ähnlich Martinek / Theobald, JuS 1997, 612: „eine Art Generalregreßinstitut“. 32 Helm, 1983, S. 335 (342). Zustimmend etwa Falk, JuS 2003, 833 (836). 33 Gursky, AcP 185 (1985), 13 (13 f.). 34 Pesch, Jura 1995, 361 (362). 35 Siehe etwa D. Giesen, Jura 1996, 225 (226); Larenz, 1986, § 57, S. 436. 36 Medicus, 2004, Rn. 412. Zustimmend etwa Schubert, AcP 178 (1978), 425 (428); MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 13. 37 Vgl. etwa St. Lorenz, NJW 1996, 883 (883, 887): „ergebnisorientierte Billigkeitsrechtsprechung“. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall des gezielten Nichtgebrauchs der §§ 677 ff. BGB, dazu Helm, 1983, S. 335 (379 f.). 38 So Esser / Weyers, 2000, § 46 I 1 c), S. 3. 39 Kritisch insoweit etwa Falk, JuS 2003, 833 (835 f.); Gold, JA 1994, 205 (210); Schubert, AcP 178 (1978), 425 (434). 40 Falk, JuS 2003, 833 (836 f.); Medicus, 2004, Rn. 414; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (427 f., 431). 41 Siehe sogleich unter 2. Teil A. II. 42 Siehe Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BGBl. I 2001, S. 3138 ff. – Helm, 1983, S. 335 (407 ff.) hatte als Ergebnis seines Gutachtens noch (geringfügige) Änderungen vorgeschlagen.
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1. Teil: Einleitung
grundsätzlichen Wandel seiner Rechtsprechung stets abgelehnt.43 In bestimmten Einzelfällen ist er im Ergebnis von einer Anwendung der §§ 677 ff. BGB abgerückt, ohne dass damit aber eine veränderte Auslegung dieser Vorschriften einherginge.44 Dies hat zu neuer Rechtsunsicherheit geführt. Damit haben Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in der Praxis nach wie vor eine erhebliche Reichweite. Die Bedeutung dieses Rechtsinstituts steht dadurch in auffälligem Gegensatz zu der des Auftrags, dessen Regelungen die §§ 677 ff. BGB nachgebildet sind.45 Bezüglich der Kritik an dieser Rechtsprechung besteht im aktuellen Schrifttum nahezu Einvernehmen. Die mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung verbundene Rechtsunsicherheit wird als untragbar empfunden.46 Eine klare Abgrenzung der Geschäftsführung ohne Auftrag von anderen Rechtsinstituten (insbesondere dem Bereicherungsrecht und der Gesamtschuld) wird vermisst.47 Der ausufernde Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag sollte daher nach weitaus überwiegender Ansicht eingeschränkt werden.48 Allerdings werden die verschiedensten Vorschläge gemacht, wie dieses Ziel erreicht werden soll; ein konsensfähiger Weg ist bislang nicht absehbar.49
B. Gegenstand der Untersuchung In dieser Situation fehlt es an einem grundlegenden Ansatz zur Neubestimmung des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag. Von Anfang der Siebziger- bis Mitte der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts waren die §§ 677 ff. BGB Gegenstand mehrerer eingehender Untersuchungen,50 die auf die Konkretisierung der gesetzlichen Voraussetzungen und die Abgrenzung des Rechtsinstituts im Ganzen abzielten. Keine der vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten hat sich bislang nennenswert durchsetzen können. Insbesondere hat die höchstrichterliche Rechtsprechung keine grundsätzliche Änderung (auch ihrer dogmatischen Grund43 Besonders deutlich BGHZ 140, 102 (109). Vgl. auch BGH, NJW 2000, 72 (72 f.); BGH, NJW-RR 2004, 81 (82 f.). 44 Näher dazu unten unter 2. Teil A. II. 2. a). 45 Darauf weist zu Recht Köndgen, 1999, S. 371 (379) hin. 46 Vgl. etwa Schubert, AcP 178 (1978), 425 (435); St. Lorenz, NJW 1996, 883 (883 f.). 47 Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 10; Gursky, AcP 185 (1985), 13; Klatt, 2001, S. 33 ff. 48 Siehe nur Falk, JuS 2003, 833 (838 und passim); Gursky, JurAn 1969, 103 ff.; Larenz, 1986, § 57 I a, S. 439 ff.; Schwark, JuS 1984, 321 (321 f.); Schwerdtner, Jura 1982, 593; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 13, 24. Vgl. ferner bereits B. Schmidt, JuS 2004, 862 ff. anhand von Fallbeispielen. 49 Siehe unten unter 2. Teil A. II. 50 Hervorzuheben sind insoweit die Arbeiten von Neuffer, 1970; Melullis, 1971; Stein, 1973; Wollschläger, 1976; Wittmann, 1981; Helm, 1983, S. 335 ff.; Gursky, AcP 185 (1985), 13 ff.
B. Gegenstand der Untersuchung
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lagen) erfahren. Seit dieser Zeit fehlt es an wesentlichen neuen Ansätzen zum Verständnis der Geschäftsführung ohne Auftrag und zur Begrenzung ihres Anwendungsbereichs. Die in jüngerer Zeit vorgelegten Arbeiten beschäftigen sich meist mit Einzelfragen oder beschränken sich gar auf die Erörterung problematischer Fallkonstellationen.51 Daher erscheint es lohnend, sich weiterhin um ein stimmiges Gesamtkonzept des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB zu bemühen. Vor diesem Hintergrund soll versucht werden, sachgerechte tatbestandliche Voraussetzungen für die Geschäftsführung ohne Auftrag zu ermitteln. Ziel ist die Begrenzung des Anwendungsbereichs durch ein Verständnis des Rechtsinstituts, das für alle Fallkonstellationen gilt und einheitliche, praktisch handhabbare Kriterien für die Entscheidung von Einzelfällen bereitstellt. Die wichtigsten Ansatzpunkte sind insoweit § 677 BGB einerseits und § 683 BGB andererseits, die (sich gegenseitig ergänzend) die Entstehungsvoraussetzungen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag aufstellen.52 Die Auslegung dieser Normen wird daher entscheidende Bedeutung für das Ergebnis der Untersuchung haben. Mit dieser Aufgabenstellung ist eine Begrenzung auf die sogenannte „echte“ Geschäftsführung ohne Auftrag verbunden, wie sie in den §§ 677 – 686 BGB geregelt ist. Die Fälle des § 687 BGB betreffen dagegen keine auftraglose Geschäftsbesorgung im eigentlichen Sinn.53 Ausgeblendet bleiben auch die (weniger problematischen) Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag, soweit sie nicht für das Verständnis der Regelungen von Bedeutung sind. Der Gang der Darstellung folgt der Systematik des Gesetzes. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine („echte“) Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt. Um sie beantworten zu können, muss man ermitteln, welche Anforderungen der Tatbestand des § 677 BGB insoweit stellt und wie diese auszulegen sind (2. Teil). Dabei kommt es vor allem auf das richtige Verständnis des Merkmals „für einen anderen“ an. Im 3. Teil der Arbeit wird dann näher untersucht, unter welchen Umständen der Fremdgeschäftsführungswille als maßgebliche Voraussetzung des § 677 BGB bejaht werden kann. Dazu wird zunächst in materiellrechtlicher Hinsicht definiert, was Inhalt dieses Begriffs ist. Sodann beschäftigt sich die Arbeit mit dem Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess. Ist damit ermittelt, in welchen Fällen der Grundtatbestand einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 677 BGB gegeben ist, geht es im 4. Teil um ihre 51 Siehe etwa Oppermann, AcP 193 (1993), 497 ff.; Reichard, AcP 193 (1993), 567 ff.; Stamm, 2000; Sippel, 2005; Hader, 2006. 52 Näher dazu unten im 5. Teil. 53 Denn es fehlt hier schon an den Voraussetzungen des Grundtatbestands des § 677 BGB. Dazu sogleich im 2. Teil.
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1. Teil: Einleitung
Berechtigung. Damit wendet sich die Untersuchung der zweiten Seite des gesetzlichen Schuldverhältnisses zu. Denn die Frage, ob es sich um eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handelt, hängt von der Einstellung des Geschäftsherrn zu der Geschäftsübernahme ab. Dies macht es erforderlich, zunächst zu untersuchen, welche Person oder welche Personen als Geschäftsherr in Betracht kommen. Im Anschluss daran werden die Berechtigungsgründe der auftraglosen Geschäftsführung dargestellt. Der 5. Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem gesetzlichen Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB. Hier gilt es zu klären, welche der oben ermittelten Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen müssen, damit ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht. Den 6. Teil bilden eine thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Ausblick, der illustrieren soll, welche Aufgabe dem Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag nach der hier vertretenen Auslegung verbleibt und in welchen Fällen andere Ausgleichsmechanismen besser geeignet sind, sachgerechte Lösungen zu begründen.
2. Teil
Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB Eine (sog. „echte“) Geschäftsführung ohne Auftrag setzt voraus, dass der grundlegende Tatbestand einer fremdnützigen Geschäftsbesorgung vorliegt. Gesetzestechnisch wird dies durch die Anforderungen des § 677 BGB erreicht. Daher erfordert die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag zunächst eine Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm.
A. Überblick I. Geschäftsbesorgung Die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag setzt zunächst eine Tätigkeit des Geschäftsführers voraus. Der Wortlaut des § 677 BGB bezeichnet dieses Erfordernis mit den Worten „Wer ein Geschäft . . . besorgt“. Im Hinblick auf das Verständnis dieser Voraussetzung des § 677 BGB besteht heute weitreichende Einigkeit, obwohl es an einer Legaldefinition im BGB fehlt. Das Merkmal der Geschäftsbesorgung ist in § 677 BGB in gleicher Weise wie in § 662 BGB zu verstehen.1 Es ist also von einem weiten Bereich der in Betracht kommenden Geschäfte auszugehen. Die Tätigkeit des Geschäftsführers kann in der Vornahme eines Rechtsgeschäfts, einer rechtsgeschäftsähnlichen Handlung oder eines Realaktes gleich welcher Art bestehen.2 Der Geschäftsführer kann sich auch auf die Organisation der Geschäftsbesorgung beschränken und sich im Übrigen einer Hilfsperson bedienen, die die eigentliche Geschäftstätigkeit vornimmt.3 1 Früh, JuS 1995, 418 (420); MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 2; Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 2. Eine engere Auslegung hat sich dagegen bei § 675 BGB durchgesetzt. Dort soll nur eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art im fremden Interesse genügen, vgl. BGHZ 45, 223 (228 f.); Staudinger / Martinek, 1995, § 675 Rn. A 23 ff. 2 RGZ 135, 94 (103); RGZ 167, 85 (88); BGHZ 38, 270 (275); BGH, LM Nr. 2 zu § 677 BGB; Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 107 f.; Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 2; Esser / Weyers, 2000, § 46 II, S. 7; Isele, 1935, S. 158. 3 BGHZ 65, 384 ff.; BGHZ 67, 368 (371); Lent, 1909, S. 147 ff.; HK-BGB / Schulze, 2007, § 677 Rn. 2; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 3.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
Ausnahmsweise kann die Geschäftsbesorgung auch in einem bloßen Unterlassen bestehen. Dies wird zwar von der weit überwiegenden Ansicht im Schrifttum – meist allerdings ohne Begründung – abgelehnt.4 Eine solche Einschränkung lässt sich aber sachlich nicht rechtfertigen. Sie ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der §§ 677 ff. BGB.5 Die Formulierungen „Übernahme der Geschäftsführung“ und „Besorgung eines Geschäfts“ können angesichts der häufigen Gleichsetzung von Unterlassen und aktivem Tun in der Rechtsordnung nicht als Beleg für die Gegenansicht dienen. Darüber hinaus ist schon von Stein nachgewiesen worden, dass kein durchgreifender Grund dafür besteht, ein aktives Tun vom Geschäftsführer zu fordern.6 Verzichtet dieser etwa bewusst zum Vorteil eines anderen auf die Durchsetzung eines ihm zustehenden Rechts, kann darin ebenso eine Begünstigung liegen wie in einer positiven Zuwendung. Dies zeigt schon die praktisch durchaus relevante Möglichkeit, eine Unterlassungsverpflichtung zum Gegenstand eines entsprechenden Vertrags zu machen. Liegt ein solcher Vertrag nicht vor, kann die freiwillige Unterlassung Grundlage einer Geschäftsführung ohne Auftrag sein. Auch in diesem Fall kann der Erfolg der Unterlassung für den Geschäftsherrn „fühlbar“ sein,7 was allerdings erst bei der Prüfung des § 683 BGB Bedeutung erlangt.
II. Tätigkeit „für einen anderen“ Problematisch und umstritten ist die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung der Tätigkeit „für einen anderen“.
1. Objektive Theorie Früher wurde hierzu noch vereinzelt eine rein objektive Theorie vertreten. Danach sollte die bloße Führung eines objektiv fremden Geschäfts (ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens) genügen, um das Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag zu begründen.8 Ein solches Ver4 Siehe statt vieler Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 2; Neuffer, 1970, S. 17 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 2; zweifelnd jedoch Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 109. Die Rechtsprechung hatte sich – soweit ersichtlich – noch nicht mit einem derartigen Fall zu beschäftigen. Die mitunter zitierte Entscheidung RGZ 65, 17 (18 f.) ist nicht einschlägig, da sie nicht die Unterscheidung von aktivem Tun und Unterlassen im heute gebräuchlichen Sinn betrifft. 5 So aber Sippel, 2005, S. 44. Im Ausgangspunkt wie hier dagegen Klatt, 2001, S. 36. 6 Stein, 1973, S. 7 ff. 7 Dies bestreitet zu Unrecht Klatt, 2001, S. 36, und lehnt daher den Tatbestand des § 677 BGB ab. 8 Vgl. zur objektiven Theorie die einerseits kritische, andererseits anerkennende Betrachtung von Wollschläger, 1976, S. 43 f.; grundsätzlich zustimmend auch Müller, 1980, S. 229 ff.; klar ablehnend dagegen Jakobs, 1964, S. 90 ff.
A. Überblick
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ständnis steht jedoch nicht im Einklang mit der Regelung des § 687 Abs. 1 BGB, die eindeutig zeigt, dass auch bei der Besorgung objektiv fremder Geschäfte eine bestimmte innere Einstellung des Handelnden hinzukommen muss.9 Daher wird hinsichtlich des geltenden Rechtszustands eine ausschließlich die objektive Fremdgeschäftsführung für maßgeblich haltende Ansicht nicht mehr vertreten. Allerdings wird teilweise der subjektiven Seite derart wenig Gewicht beigemessen, dass im Ergebnis fast ausschließlich objektive Gesichtspunkte entscheidend sind.10 De lege ferenda halten mehrere Autoren die Anknüpfung der Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag an das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens für verzichtbar und schlagen einen rein objektiven Tatbestand vor.11
2. Gemischt objektiv / subjektive Theorien Die Rechtsprechung und die weitaus überwiegende Ansicht im Schrifttum kombinieren objektive und subjektive Kriterien. Voraussetzung für eine Geschäftsführung ohne Auftrag soll danach sein, dass ein fremdes Geschäft vorliegt und der Geschäftsführer es auch als fremdes behandeln will.12 Die zutreffende Gewichtung dieser Erfordernisse wird jedoch sehr unterschiedlich beurteilt.
a) Die Rechtsprechung des BGH aa) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung spielt die subjektive Voraussetzung nur eine völlig untergeordnete Rolle.13 Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet, wenn ein objektiv fremdes14 oder ein sogenanntes „auch-fremdes“15 Geschäft vorliegt. Solche „auch9 Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 24, 32; Jakobs, 1964, S. 92 f.; Kropholler, 2006, § 687 Rn. 1; Lent, 1909, S. 116 f.; Wollschläger, 1976, S. 73. Anders noch Isay, 1900, S. 103 f., der § 687 Abs. 1 BGB nicht anwenden wollte, wenn dem Geschäftsführer infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass er ein fremdes Geschäft führt. Für den Fremdgeschäftsführungswillen ließ es Isay daher genügen, dass der Handelnde wissen musste, dass er ein fremdes Geschäft führt. 10 Dazu sogleich bei der Vorstellung der gemischt objektiv-subjektiven Meinungen. 11 Vgl. Müller, 1980, S. 209; Wollschläger, 1976, S. 72 ff. 12 Deutlich etwa Dörner, 2002, S. 4; Esser / Weyers, 2000, § 46 II, S. 8; D. Giesen, Jura 1996, 225 (226); Hader, 2006, S. 45, 171 f., 279; Sippel, 2005, S. 36. 13 So auch die Analyse von Helm, 1983, S. 335 (366 f.). 14 BGHZ 38, 270 (276); BGHZ 43, 188 (191 f.); BGHZ 70, 389 (396); BGHZ 82, 323 (331). 15 BGHZ 16, 12 (16); BGHZ 40, 28 (31); BGHZ 63, 167 (169 f.); BGHZ 65, 354 (357); BGHZ 65, 384 (387); BGHZ 98, 235 (240); BGHZ 110, 313 (314 f.); BGHZ 143, 9 (14 f.); BGH, NJW-RR 2005, 639 (641); BGH, NJW-RR 2005, 1426 (1428); zuletzt deutlich BGH, NJW 2007, 63 (64). Vgl. ferner BGH, NJW 2000, 72 (72 f.) und dazu Falk, JuS 2003, 833 (838 f.).
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
fremden“ Geschäfte werden bejaht, wenn die vorgenommene Tätigkeit neben eigenen Interessen auch den Interessen einer anderen Person dient. Dabei komme es nicht darauf an, in welchem Verhältnis die angestrebten eigenen Vorteile zu denen des „Geschäftsherrn“ stehen. Nur in den Fällen sogenannter subjektiv fremder Geschäfte, die sich rein äußerlich noch keiner Person zuordnen lassen, soll die Willensrichtung des Geschäftsführers entscheidend sein. Infolge dieser Prämisse lassen etliche Entscheidungen Ausführungen zum objektiven Sachverhalt für die Begründung der Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag genügen. Ist ein (auch-)fremdes Geschäft nachgewiesen, greife die Vermutung für den Fremdgeschäftsführungswillen ein. Wird diese nicht erschüttert oder widerlegt, sei vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 677 BGB auszugehen. bb) Mit dieser Praxis geht die Rechtsprechung über die von ihr postulierte Beweiserleichterung für den auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 670, 683, 677 BGB klagenden Geschäftsführer weit hinaus. Das objektiv fremde Geschäft hat materiellrechtliche Bedeutung als Quasi-Tatbestandsmerkmal gewonnen, der Fremdgeschäftsführungswille ist de facto als Voraussetzung der Geschäftsführung ohne Auftrag aufgegeben worden.16 In den allermeisten Fällen findet in der Praxis lediglich eine objektive Prüfung statt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wird im Schrifttum überwiegend abgelehnt. Vereinzelt wird aber auch in der Literatur eine derart weitgehende Anwendung des § 677 BGB aufgrund des Vorliegens objektiver Gegebenheiten und der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens befürwortet.17 cc) Von dieser einseitigen Verteilung der Bedeutung objektiver und subjektiver Umstände ist der BGH auch in jüngeren Urteilen, die im Ergebnis zu einer restriktiveren Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag führen, nicht abgerückt. So ist der 3. Zivilsenat in einer Entscheidung vom 13. November 200318 nicht auf die Argumente des Berufungsgerichts eingegangen, die in diesem Fall gegen das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens sprachen.19 Ein in Diensten des klagenden Landes stehender Polizeibeamter hatte sich in Ausübung seines Dienstes verletzt, als er ein dem Beklagten gehörendes Rind, das auf die Autobahn 16 In dieser Bewertung der Rechtsprechung übereinstimmend Baumgärtel, Festschrift für Schwab, 1990, S. 43 (50); Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 26; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (26 f.); Klatt, 2001, S. 40 f.; Müller, 1980, S. 209 ff.; Schwerdtner, Jura 1982, 593 (597); Selb, 1963, S. 32. 17 Berg, JuS 1975, 681 (683 f.); Jauernig / Mansel, 2004, § 677 Rn. 3 f., 7. Im Ausgangspunkt auch RGRK / Steffen, 1978, § 677 Rn. 46 ff. Im älteren Schrifttum war diese Ansicht vorherrschend, vgl. Brückmann, 1903, S. 37 ff.; Grüter, 1914, S. 19; Isele, 1935, S. 161 ff., insbesondere S. 166; Niewiarra, 1965, S. 7 f. – Aus rechtsökonomischer Sicht stimmt Kötz, Festschrift für Großfeld, 1999, S. 583 (595 ff.) dem BGH im Ergebnis zu. 18 BGH, NJW 2004, 513 ff. 19 Siehe OLG Bamberg, OLG-Report 2003, 321 (321 f.).
A. Überblick
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gelangt war, erschoss. Der BGH hat dem Kläger Ansprüche aus §§ 683, 670 BGB nur deshalb versagt, weil die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in der vorliegenden Konstellation durch Sonderregelungen des öffentlichen Rechts verdrängt worden seien.20 Das Urteil des 10. Zivilsenats vom 21. Oktober 2003 folgt im Ausgangspunkt der ständigen Rechtsprechung, die Vermutung für den Fremdgeschäftsführungswillen eines Handelnden gelte nicht nur bei der Besorgung objektiv fremder, sondern auch bei der Führung „auch-fremder“ Geschäfte; und zwar grundsätzlich selbst dann, wenn das Eigeninteresse des „Geschäftsführers“ in der Erfüllung einer ihm einem Dritten gegenüber obliegenden vertraglichen Verpflichtung bestehe.21 Ansprüche gegen den „Geschäftsherrn“ aus Geschäftsführung ohne Auftrag seien aber wegen des Vorrangs der vertraglichen Rechte ausgeschlossen, wenn der mit einem Dritten wirksam geschlossene Vertrag „Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend regelt.“22 Da ein solcher Vertragsschluss in dem entschiedenen Fall problematisch war, wurde die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieser Rechtsprechung hat sich der 7. Zivilsenat am 15. April 2004 in einem vergleichbaren Fall ausdrücklich angeschlossen.23 Die Klage eines Handwerkers, der als Subunternehmer Bauleistungen für einen (später insolvent gewordenen) Generalunternehmer erbracht hatte, gegen den Bauherrn wurde abgewiesen. Einen Rückgriff auf Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag verwehre „der aus der Parteiautonomie folgende Vorrang der vertraglichen Rechte gegenüber dem Ausgleich der aus der erbrachten Leistung resultierenden Vorteile Dritter, die außerhalb des Vertrags stehen.“ b) Die Zuständigkeitstheorie Wollschlägers Ähnlich wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Gewichtung der Kriterien in der Zuständigkeitstheorie Wollschlägers. Er sieht als Grundtatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag die Besorgung eines fremden Geschäfts an.24 Dabei soll sich die Fremdheit nach der Zuständigkeit für den Gegenstand der Tätigkeit bestimmen.25 Ein fremdes Geschäft ist danach gegeben, wenn ein anderer näher daran ist, Nutzen und Kosten der Handlung zu übernehmen.26 Dieser Entscheidung soll eine offene Wertung anhand von Normen außerhalb der §§ 677 ff. BGH, NJW 2004, 513 (514 f.). BGH, NJW-RR 2004, 81 (82 f.). Siehe zur Bewertung dieser Entscheidung auch Wendlandt, NJW 2004, 985 ff. 22 BGH, NJW-RR 2004, 81 (83). 23 BGH, NJW-RR 2004, 956. 24 Wollschläger, 1976, S. 52 ff.; ebenso im Ergebnis Müller, 1980, S. 229 ff. 25 Wollschläger, 1976, S. 57 ff., 319. 26 Wollschläger, 1976, S. 320; zustimmend Oppermann, AcP 193 (1993), 497 (506). 20 21
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
BGB zugrunde liegen. Nach dieser Auffassung rückt der Geschäftsführungswille ganz in den Hintergrund.27 Die Geschäftsführung ohne Auftrag soll als Teil der allgemeinen Ausgleichsordnung des BGB auch bei einem Handeln aus eigenem Interesse oder aufgrund eigener Pflicht gegeben sein. Legt man diese Theorie zugrunde, besteht die für die Anwendung des § 677 BGB entscheidende Rechtsfrage in der Zuordnung des Geschäfts in den Zuständigkeitsbereich des „Geschäftsführers“ oder eines „Geschäftsherrn“. c) Abschwächungen der Rechtsprechung im Schrifttum Der in der Literatur vorherrschenden Ansicht geht die Praxis der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens zu weit. aa) Einschränkungen werden insbesondere für die „auch-fremden“ Geschäfte vorgeschlagen.28 In diesen Fällen eines eigenen Interesses des Geschäftsführers an der übernommenen Tätigkeit sei eine generelle Vermutung für einen Fremdgeschäftsführungswillen des Handelnden nicht gerechtfertigt. Zur Abgrenzung der Geschäftsführung ohne Auftrag von Fällen eines rein eigennützigen Tätigwerdens seien besondere Umstände erforderlich, die dafür sprechen, dass der Geschäftsführer im konkreten Einzelfall zum Vorteil des Geschäftsherrn handeln wollte.29 Im Übrigen soll es allerdings auch nach der überwiegenden Lehrmeinung bei der weitgehend objektiven Prüfung bleiben. So sei der Fremdgeschäftsführungswille zu vermuten, wenn ein objektiv ausschließlich fremdes Geschäft besorgt werde.30 bb) Teilweise wird die Vermutungswirkung im Schrifttum auch nur für bestimmte Fallgruppen „auch-fremder“ Geschäfte abgelehnt.31 Als besonders problematisch wird dabei die Konstellation angesehen, in der das Eigeninteresse des Handelnden darauf beruht, dass er zur Vornahme der betreffenden Tätigkeit (vermeintlich) verpflichtet ist.32 In derartigen Fällen ist das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens auch in mehreren instanzgerichtlichen Entscheidungen Vgl. Wollschläger, 1976, S. 72 ff. Vgl. Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 10; Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 13 ff.; Gold, JA 1994, 205 (209 f.); Larenz, 1986, § 57 I a), S. 441 ff.; Medicus, 2004, Rn. 412; Pesch, Jura 1995, 361 (363 f.); Schwerdtner, Jura 1982, 595 (597 f.). 29 Dörner, 2002, S. 5, 19; Erman / Ehmann, 2004, § 677 Rn. 7, 9 ff.; Martinek / Theobald, JuS 1997, 805 (807 ff.), 992 ff.; Schwark, JuS 1984, 321 (328); MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 10, 21; Stamm, Jura 2002, 730 (730 f., 734). 30 Siehe etwa Rödder, JuS 1983, 930 (931); Schwark, JuS 1984, 321 (324 f.); Sippel, 2005, S. 237 ff., 261. 31 So – mit Unterschieden in Einzelfragen – etwa Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 d), S. 13 ff.; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1263 ff.; Hauß, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 333 ff.; Staudinger / Martinek, 2005, Eckpfeiler, S. 803 ff.; Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 6 ff. 32 Näher dazu unten unter 3. Teil A. V. und VI. 27 28
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verneint worden, weil im jeweiligen Einzelfall keine Anhaltspunkte für eine fremdnützige Absicht erkennbar waren. Der Wille, für einen anderen zu handeln, könne aber nicht vermutet werden, wenn der „Geschäftsführer“ mit der vorgenommenen Tätigkeit eine ihm selbst einem Dritten gegenüber obliegende vertragliche Verpflichtung erfüllen wollte.33 cc) In diese Richtung weisen auch die – darüber im Ergebnis noch hinaus gehenden – Stimmen im Schrifttum, die eine Geschäftsführung ohne Auftrag des sogenannten „pflichtengebundenen Geschäftsführers“ ganz ablehnen.34 Danach setzen die §§ 677 ff. BGB ein objektiv ausschließlich fremdes Geschäft voraus; ein „auch-fremdes“ Geschäft soll nicht in Betracht kommen.35 Dies gelte unabhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalls; ein echter Fremdgeschäftsführungswille sei in dieser Konstellation nicht gegeben. In allen Fällen, in denen der Handelnde eine eigene vertragliche oder gesetzliche Pflicht erfüllt, seien die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht anwendbar.36 Auf diese Weise soll eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erreicht werden; dabei erlangt wiederum ein objektives Merkmal – die Pflichtenbindung des Handelnden – maßgebliche Bedeutung.
3. Subjektive Theorien Vereinzelt findet sich im Schrifttum auch die (der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegengesetzte) Meinung, das Tatbestandsmerkmal „für einen anderen“ sei rein subjektiv auszulegen. Hiernach soll die auftraglose Besorgung eines (beliebigen) Geschäfts mit Fremdgeschäftsführungswillen ausreichen, um die Voraussetzungen des § 677 BGB zu erfüllen.37 Die erforderliche fremdnützige Willensrichtung des Geschäftsführers könne auch bei der Besorgung objektiv fremder Geschäfte nicht vermutet werden, sondern müsse in jedem Einzelfall positiv festgestellt werden.38 Maßgeblich für den Begriff der auftraglosen Geschäfts33 LG München I, NJW 1978, 48 (48 f.); AG Wiesbaden, NJW-RR 1988, 531 (531 f.); LG Köln, NJW 1991, 2354 (2354 f.); OLG Koblenz, NJW 1992, 2367 (2368); OLG Saarbrücken, NJW 1998, 828 (829); OLG Oldenburg, MDR 2000, 1373; LG Landau, NJW 2000, 1046; LG Kaiserslautern, MDR 2000, 1200; OLG Stuttgart, OLG-Report 2002, 26 (27). 34 So insbesondere Neuffer, 1970, S. 44 ff., 83 ff.; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (436 ff.). 35 Schubert, AcP 178 (1978), 425 (436). 36 Neuffer, 1970, S. 44 ff., 83 ff.; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (437 ff., 454). Weishaupt, NJW 2000, 1002 (1003) begründet dieses Ergebnis mit einer teleologischen Reduktion des § 677 BGB. 37 Gursky, AcP 185 (1985), 13 (26 f., 28 ff.); Jakobs, 1964, S. 94 f.; Stein, 1973, S. 77; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 21 ff., 35. Im Ausgangspunkt übereinstimmend auch Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 31, 116; Klatt, 2001, S. 36 ff. 38 Gursky, AcP 185 (1985), 13 (27); Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 35 ff.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
führung soll danach allein die Geschäftsführungsabsicht als normatives Tatbestandsmerkmal sein.39 Das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts habe keinerlei Bedeutung für den Tatbestand des § 677 BGB – weder als materiellrechtliche Voraussetzung40 noch als Beweiserleichterung im Prozess41. Das Gesetz unterscheide nicht zwischen der Besorgung objektiver und subjektiver Geschäfte, sondern enthalte eine für alle Fallgruppen einheitliche, subjektive Voraussetzung.42 Der Fremdgeschäftsführungswille setze das Bewusstsein, für einen anderen tätig zu werden, und eine fremdnützige Absicht voraus. Nach Wittmann ist ein solches freiwillig-uneigennütziges Handeln nach dem „sozialen Sinn“ der Tätigkeit zu bestimmen.43 Dafür sollen Indizien wie die Unentgeltlichkeit herangezogen werden. Dies führt im Ergebnis allerdings zu einer gewissen Objektivierung der Prüfung.44 Darüber geht die Theorie der realgeschäftlichen Interessenwahrnehmung Bergmanns noch hinaus. Danach ist die obligationsbegründende Geschäftsführungsabsicht ausschließlich objektiv, anhand einer materiell-wertenden Betrachtung der Zweckrichtung des Handelns, festzustellen.45 Demgegenüber soll nach Gursky und Stein der tatsächliche Fremdgeschäftsführungswille als innere Einstellung des Handelnden bezüglich der Geschäftsführung ausschlaggebend sein.46 Zu untersuchen seien lediglich die subjektiven Umstände der Geschäftsbesorgung im zu entscheidenden Einzelfall.
III. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung 1. Zur Geschäftsführung berechtigendes Rechtsverhältnis Schließlich setzt der Grundtatbestand der Geschäftsführung ein Handeln „ohne Auftrag“ voraus. Nach allgemeiner Ansicht ist dieser Begriff in § 677 BGB nicht im technischen Sinn des § 662 BGB gemeint.47 Eine die Geschäftsführung ohne 39 Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 161 f., 172 ff.; Wittmann, 1981, S. 21 ff., 30 ff., 162 ff. 40 Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 34; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (14 ff.); Stein, 1973, S. 72 ff. 41 Stein, 1973, S. 122 ff., insbesondere S. 127 ff., 145. Im Ausgangspunkt auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (35 f.), der allerdings Beweiserleichterungen zulassen will, wenn der äußere Anschein einer fremdnützigen Willensrichtung besteht, weil „typischerweise in einer derartigen Situation eine solche Handlung mit dieser Zweckrichtung verbunden ist“. Damit wird aber nicht zwingend an die Besorgung eines objektiv fremden Geschäfts angeknüpft. 42 Jakobs, 1964, S. 94 mit Fußn. 113; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 17. 43 Wittmann, 1981, S. 26 ff., 163. 44 In dieser Bewertung übereinstimmend Gursky, AcP 185 (1985), 13 (27 f.); Helm, 1983, S. 335 (365, 397); Klatt, 2001, S. 42 mit Fußn. 64; Reichard, AcP 193 (1993), 567 (569 mit Fußn. 6). 45 Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 31 f. 46 Gursky, AcP 185 (1985), 13 (25 ff., 28 ff.); Stein, 1973, S. 119 ff., 145.
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Auftrag ausschließende Berechtigung kann sich vielmehr auch aus sonstigen Schuldverhältnissen (insbesondere aus Dienst-, Werk-, oder Geschäftsbesorgungsverträgen) ergeben.48 Es kommt nur darauf an, ob zwischen dem „Geschäftsführer“ und dem „Geschäftsherrn“ eine Vereinbarung über die Ausführung des betreffenden Geschäfts besteht. Fehlt es an einer solchen vertraglichen Grundlage, kann eine Berechtigung zur Geschäftsbesorgung auch auf einer besonderen gesetzlichen Anordnung beruhen.49 Dafür ist eine Regelung erforderlich, die eine Sonderverbindung zwischen dem „Geschäftsführer“ und dem „Geschäftsherrn“ schafft oder ausgestaltet, aufgrund derer der Handelnde zu seiner Tätigkeit ermächtigt (und u. U. auch verpflichtet) wird. Als Beispiel hierfür sei der Abschluss eines Geschäfts durch einen Vater für sein Kind in Ausübung der elterlichen Sorge genannt.50 Beide Möglichkeiten, die zu einer Berechtigung und damit zum Ausschluss der Geschäftsführung ohne Auftrag führen können, sind auch bei Handlungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts denkbar. An der „Auftragslosigkeit“ fehlt es offensichtlich, wenn die Geschäftsbesorgung Gegenstand eines öffentlich-rechtlichen Vertrags (§§ 54 ff. VwVfG, §§ 53 ff. SGB X) zwischen dem „Geschäftsführer“ und dem „Geschäftsherrn“ ist.51 Aber auch durch Gesetz eingeräumte öffentlichrechtliche Befugnisse, die die Vornahme einer Handlung durch einen Verwaltungsträger für eine andere (natürliche oder juristische) Person betreffen, kommen als „sonstige Berechtigung“ in Betracht.52 Das Gleiche gilt, wenn durch öffentlichrechtliche Normen eine Pflichtenstellung einer Privatperson begründet wird, die ein Tätigwerden zum Vorteil einer anderen Person betrifft. Ist in einem solchen Fall eine Konkretisierung der gesetzlichen Handlungsanweisung durch den Erlass eines Verwaltungsakts erforderlich, scheitert eine Geschäftsführung ohne Auftrag nur 47 Vgl. Lent, 1909, S. 161; Müller, 1980, S. 32 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 43; Sippel, 2005, S. 60 f.; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 51 f. 48 Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 20; Neuffer, 1970, S. 41 f. Weitere Beispiele finden sich etwa bei Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 15 und bei Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 11. 49 Siehe nur Brückmann, 1903, S. 65; Erman / Ehmann, 2004, § 677 Rn. 8; Larenz, 1986, § 57 I a), S. 443. 50 Weitere Fälle finden sich etwa bei Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 196 und bei Peifer, 2005, § 12 Rn. 10. 51 Vgl. Neuffer, 1970, S. 119. 52 So schon die Motive, Bd. 2, S. 856 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478 f. – Aus dem Schrifttum Bamberger, JuS 1998, 706 (708 f.); Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 20; Maurer, JuS 1970, 561 (563); Pesch, Jura 1995, 361 (366); Scherer, NJW 1989, 2724 (2728); Schoch, Jura 1994, 241 (245); Schubert, AcP 178 (1978), 425 (445 mit Fußn. 80); Staake, JA 2004, 800 (804); a. A. Linke, DVBl. 2006, 148 (155). Aus der Rechtsprechung BVerwGE 18, 221 (224); BSG, WM 2002, 2144 (2145); LG Frankfurt / Main, NJW 1977, 1924 (1925); OLG Bamberg, OLG-Report 2003, 321 (322); BGHZ 109, 354 (358). In anderen Entscheidungen, in denen die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten als Geschäftsführung ohne Auftrag angesehen wurde, ist der BGH auf das Erfordernis der Berechtigungslosigkeit gar nicht eingegangen, vgl. etwa BGHZ 40, 28 ff.; BGHZ 63, 167 ff.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
dann an der negativen Voraussetzung des § 677 BGB, wenn der Handelnde Adressat eines solchen Bescheids ist.53
2. Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn Die Tatbestandsvoraussetzung der „Auftragslosigkeit“ kann allerdings auch erfüllt sein, obwohl eine solche vertragliche oder gesetzliche Rechtsgrundlage, die den Handelnden zu seiner Tätigkeit verpflichtet, besteht. Denn nur eine Berechtigung des Geschäftsführers gerade gegenüber dem Geschäftsherrn schließt den Tatbestand des § 677 BGB aus.54 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm („ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“).55 Daraus folgt ohne weiteres, dass eine Verpflichtung aus einem Schuldverhältnis zwischen dem Handelnden und einem Dritten die „Auftragslosigkeit“ nicht entfallen lässt.56 Schwieriger ist dieses Ergebnis zu begründen, wo der Geschäftsführer aus sonstigen Gründen zu seiner Tätigkeit verpflichtet ist. Das ist vor allem im Hinblick auf die generelle Pflicht zur Hilfeleistung gemäß § 323c StGB von Bedeutung. Denn man wird sagen können, dass der Geschäftsführer auch gegenüber dem Geschäftsherrn zur Vornahme einer gebotenen Rettungshandlung „berechtigt“ ist, also etwa eine erforderliche Eigentumsverletzung nicht rechtswidrig ist.57 Daraus ließe sich schließen, eine Tätigkeit in Befolgung des Hilfegebots aus § 323c StGB geschehe nicht „ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung“ und könne daher den Tatbestand des § 677 BGB nicht erfüllen.58 Dies ist jedoch nicht zwingend. Um auch in dieser Fallkonstellation zu einem sachgerechten Ergebnis zu kommen, muss man sich Sinn und Zweck des Ausschlussgrunds verdeutlichen: Eine GeschäftsVgl. zu dieser Fallgruppe Bamberger, JuS 1998, 706 (710); Neuffer, 1970, S. 119 ff. Vgl. Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1272; Neuffer, 1970, S. 83; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 44; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 41. 55 Hervorhebungen durch den Verfasser. 56 Das entspricht allgemeiner Überzeugung und liegt der ständigen Rechtsprechung des BGH zugrunde, vgl. BGHZ 39, 261 (264 f.); BGHZ 61, 359 (363); BGHZ 114, 248 (249 ff.); BGHZ 143, 9 (13 ff.); BGH, LM Nr. 2 zu § 677 BGB; BGH, NJW-RR 2004, 81 (83). Problematisch ist in diesen Fällen aber schon die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB neben dem Bereicherungsrecht (dazu oben unter 2. Teil A. II. 2. c) sowie die Möglichkeit des Fremdgeschäftsführungswillens (dazu unten unter 3. Teil A. V.). 57 Liegen die Voraussetzungen des § 323c StGB vor, ist jedenfalls von einer mutmaßlichen Einwilligung des Hilfsbedürftigen auszugehen. 58 So namentlich Pesch, Jura 1995, 361 (367). A. A. Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 15, der die Wahrung des Interesses des Hilfebedürftigen nur als Reflex der Erfüllung der ausschließlich im Allgemeininteresse bestehenden (staatsbürgerlichen) Pflicht ansieht. Dies würde aber schon zur Verneinung des Fremdgeschäftsführungswillens gegenüber dem Hilfebedürftigen führen, siehe unten unter 3. Teil A. IV. 2. b). 53 54
A. Überblick
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führung ohne Auftrag soll nach § 677 BGB nicht vorliegen, wenn zwischen dem „Geschäftsführer“ und dem „Geschäftsherrn“ bereits ein Auftrag oder ein sonstiges zu der Tätigkeit berechtigendes Rechtsverhältnis besteht. Dies dient vor allem dem Schutz der Privatautonomie. Ein eventuelles vertragliches Schuldverhältnis soll nicht durch das gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB überlagert werden. Das ist evident sinnvoll: Eine zweite Rechtsbeziehung zwischen den Vertragspartnern ist nicht erforderlich, bei Abweichungen in der inhaltlichen Ausgestaltung der beiden Schuldverhältnisse müsste man dem individuell Vereinbarten ohnehin den Vorrang einräumen. Damit ist eine Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen, wo bereits ein (auf Rechtsgeschäft oder Gesetz beruhendes) Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten besteht, das die Rechtsfolgen der Tätigkeit bestimmt.59 Genau daran fehlt es jedoch der Regelung des § 323c StGB. Sie verpflichtet (und berechtigt damit mittelbar) den potentiellen Nothelfer zum Eingreifen und bedroht das pflichtwidrige Unterlassen mit Strafe, gestaltet die Beziehung zwischen dem Helfer und dem Hilfebedürftigen aber in keiner Weise aus. Deshalb kann auch die Nothilfe den Tatbestand des § 677 BGB erfüllen;60 auch wer sich andernfalls wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht hätte, handelt „ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung“.61 Eine die Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließende Berechtigung auf vertraglicher Grundlage setzt demnach ein Rechtsverhältnis zwischen dem Handelnden und dem Begünstigten voraus. Dementsprechend führt eine gesetzliche Ermächtigung nur dann dazu, dass es an der „Auftragslosigkeit“ fehlt, wenn die betreffende Norm das Verhältnis zwischen dem potentiellen Geschäftsführer und dem potentiellen Geschäftsherrn derart ausgestaltet, dass die Rechtsfolgen der Tätigkeit zwischen den Beteiligten geregelt sind und es daher einer konkurrierenden Regelung durch das gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB nicht bedarf. 3. Wirksamkeit des Rechtsverhältnisses Der Ausschluss der Geschäftsführung ohne Auftrag bei Vorliegen einer den Handelnden zu seiner Tätigkeit berechtigenden Rechtsgrundlage ist ein objektives Tatbestandsmerkmal.62 Entscheidend ist hier ausschließlich, ob die Berechtigung 59 Vgl. auch Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 187, 199 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 43; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 51. Speziell zu § 323 c StGB in diesem Zusammenhang Wittmann, 1981, S. 77 f. 60 In diesem Ergebnis besteht Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung, siehe etwa RGZ 167, 85 (88 f.); Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 200; Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 20; Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 10; Neuffer, 1970, S. 95 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 43; Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 11. 61 Zweifeln kann man in diesen Fällen auch am Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens, dazu unten unter 3. Teil A. V. 3. b). 62 Brückmann, 1903, S. 65 f.; Enneccerus / Lehmann, 1954, § 165 II 3, S. 677; Pesch, Jura 1995, 361 (366 f.); Sippel, 2005, S. 62; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 54.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
des Geschäftsführers tatsächlich gegeben war oder nicht.63 Deswegen überzeugt es nicht, wenn teilweise in Bezug auf die Voraussetzung der Berechtigungslosigkeit diskutiert wird, ob § 677 BGB bereits ausscheidet, wenn ein über die Geschäftsbesorgung geschlossener Vertrag nichtig (oder beendet) ist.64 Denn aus einem nicht (mehr) existenten Schuldverhältnis kann sich keine Berechtigung des Handelnden ergeben, „für einen anderen“ tätig zu werden. Ein nichtiger Vertrag kann auch nicht die Aufgaben übernehmen, die das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag hat. Eine vertragliche bzw. vertragsähnliche Regelung der rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten fehlte dann. Deshalb ist das tatbestandliche Erfordernis der Auftragslosigkeit in derartigen Fällen unproblematisch zu bejahen.65 Die Besonderheit dieser Konstellation ist vielmehr bei der Frage zu berücksichtigen, ob der in Erfüllung eines nichtigen Vertrags Handelnde dabei „für einen anderen“ tätig wird.66 Aus dem gleichen Grund kommt es für die Bejahung des Merkmals der Auftragslosigkeit auch nicht darauf an, ob ein Vertragsschluss zwischen den Beteiligten möglich gewesen wäre.67 Das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag ist keine subsidiäre „Notordnung“, die nur eingreift, wenn das Zustandekommen eines Vertrags aus irgendeinem äußeren Grund verhindert worden ist.68 Die potentiellen Vertragspartner können auch bewusst und gewollt von einer vertraglichen Regelung ihrer Rechtsbeziehung Abstand nehmen und es bei der gesetzlichen Ausgestaltung durch die §§ 677 ff. BGB belassen. Auch in einem solchen Fall erfolgt die Geschäftsbesorgung (wenn nicht stillschweigend ein Vertrag geschlossen wurde) „ohne Auftrag“.
63 Zu der Frage, ob der Fremdgeschäftsführungswille ein subjektives Element enthält, in dem sich die „Auftragslosigkeit“ widerspiegelt, unten unter 3. Teil A. I. 4. b). 64 So etwa Esser / Weyers, 2000, § 46 II, S. 7; Kern, JuS 1993, 193 (194); Peifer, 2005, § 12 Rn. 10; Sippel, 2005, S. 77; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 56 ff. 65 BGHZ 37, 258 (262 f.); BGHZ 39, 87 (90); BGHZ 101, 393 (399); BGHZ 111, 308 (311); BGH, NJW-RR 1989, 970; BGH, NJW-RR 1993, 200; BGH, NJW 1993, 3196; BGH, NJW 1997, 47 (48); BGH, NJW 2000, 72 (73); BGH, NJW-RR 2005, 639 (641). Der Rechtsprechung zustimmend etwa Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 193; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 18; Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 11. 66 Siehe dazu näher unten unter 3. Teil A. VI. Wie hier auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (31 ff.); Neuffer, 1970, S. 63; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 42 f. Nach anderer Ansicht sind die §§ 677 ff. BGB in solchen Fällen wegen Vorrangs des Bereicherungsrechts schon nicht anwendbar. So etwa Erman / Ehmann, 2004, § 677 Rn. 9; St. Lorenz, NJW 1996, 883 (886); HK-BGB / Schulze, 2007, § 677 Rn. 8; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 48. Eingehend zu dieser Fallgruppe jetzt Sippel, 2005. 67 Aus rechtsökonomischer Sicht ist die Anordnung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses allerdings nur gerechtfertigt, wo dies die günstigere Lösung ist, weil die Transaktionskosten für einen Vertragsschluss zu hoch sind, vgl. Köndgen, 1999, S. 371 (385). 68 Sippel, 2005, S. 229 ff.
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“ Der Überblick über die Tatbestandsmerkmale des § 677 BGB hat gezeigt, dass die Definition und Prüfung der objektiven Voraussetzungen „Geschäftsbesorgung“ und „ohne Auftrag“ keine größeren Schwierigkeiten bereitet. Erhebliche Fragen wirft dagegen das für die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB maßgebliche Erfordernis auf, das Geschäft müsse „für einen anderen“ geführt werden. Diese wichtigste Tatbestandsvoraussetzung des § 677 BGB soll daher im Folgenden einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden. Dabei wird es angesichts des dargelegten Meinungsstands in Rechtsprechung und Literatur vor allem darum gehen, zu ermitteln, ob die Regelung eher objektiv oder eher subjektiv zu verstehen ist.
I. Grammatische Auslegung Der Wortlaut des Tatbestands des § 677 BGB ist insofern nicht eindeutig. Die Formulierung des Gesetzgebers („Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt. . .“) lässt sich sowohl subjektiv als auch objektiv verstehen.69 Auch aus diesem Grund konnte in den mehr als einhundert Jahren seit dem In-Kraft-Treten des BGB keine Einigkeit erzielt werden, wie die Vorschrift auszulegen ist. Meines Erachtens liegt es nach dem Wortlaut der Norm aber näher, die Absicht des Geschäftsführers in den Vordergrund zu stellen, da in § 677 BGB sonst wohl die gleiche Formulierung wie in § 687 BGB („fremdes Geschäft“) gewählt worden wäre.70 Diese Abweichung spricht dafür, dass es nicht auf die objektive Einordnung des übernommenen Geschäfts, sondern auf den Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers ankommen soll. Denn wenn die Fremdheit des Geschäfts nicht maßgeblich sein soll, kann die Erfüllung des Tatbestands des § 677 BGB nur von der subjektiven Zwecksetzung des Handelnden abhängen. Er kann bestimmen, ob der Vorteil seiner Tätigkeit ihm selbst oder einer anderen Person zugutekommen soll. Auffällig ist auch, dass offenbar im frühen 20. Jahrhundert der Wortlaut in diesem Sinn noch ernster genommen wurde und das Schrifttum nach dem In-KraftTreten des BGB aufmerksam registrierte, dass sich der Gesetzgeber nicht für die objektive Variante „Wer das Geschäft eines anderen besorgt . . .“ entschieden hat.71 69 Ebenso etwa Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 a), S. 8; St. Lorenz, NJW 1996, 883 (883 f.); Schwark, JuS 1984, 321. Deutlicher für ein objektives Verständnis Wollschläger, 1976, S. 53, der dem Wortlaut das Erfordernis der „Fremdheit des Geschäfts“ entnimmt; gegen diesen aber Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 35. Deutlicher für ein subjektives Verständnis des Wortlauts dagegen Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 118; Gursky AcP 185 (1985), 13 (14); Helm, 1983, S. 335 (397); Reichard, AcP 193 (1993), 567 (568); Stamm, Jura 2002, 730. 70 So auch Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 3.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
Trotz dieser Anhaltspunkte kann man den Wortlaut der Norm aber nicht als klar und eindeutig bezeichnen, so dass die anderen Auslegungskriterien herangezogen werden können und müssen.72
II. Historische Auslegung Im Rahmen der historischen Auslegung soll zunächst der Vorgeschichte der in § 677 BGB normierten („echten“) Geschäftsführung ohne Auftrag nachgegangen werden; danach ist auf die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift einzugehen.73
1. Die römisch-rechtliche Tradition a) Einleitung Die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag im BGB haben einen deutlichen römisch-rechtlichen Hintergrund. Schon in vorrepublikanischer Zeit entstand das Bedürfnis nach rechtlichen Regelungen für die Ausführung von Geschäften aller Art. Dabei fällt aus heutiger Perspektive auf, dass im antiken Rom alle „höheren Dienste“ (wie z. B. die Leistungen von Architekten, Ärzten oder Rechtsanwälten) Freundschaftsdienste waren. Die amicitia gebot es, den Auftrag zu übernehmen und interessengerecht auszuführen. Rechtliche Grundlage hierfür waren nicht entgeltliche Dienst- oder Werkverträge, sondern das unentgeltliche mandatum. Die Bedeutung dieses Rechtsinstituts stieg mit seiner praktischen Notwendigkeit. In zunehmendem Maß waren Römische Bürger nämlich auf die Inanspruchnahme von Diensten Dritter angewiesen. Das sich ständig vergrößernde Reich brachte es mit sich, dass viele Römer häufig ortsabwesend sein mussten, sei es im Feld, sei es um Handel zu treiben oder aus vielen anderen Gründen. Zeichnete sich nun ab, dass es in der Zwischenzeit bis zur Heimkehr etwas zu erledigen gäbe, bat der Römische Bürger einen Freund, für ihn tätig zu werden.74 War beispielsweise ein Gerichtstermin anberaumt, hätte das Nichterscheinen negative Konsequenzen gehabt.75 Daher war es notwendig und üblich für den Beklagten, 71 Siehe Brückmann, 1903, S. 37 ff.; Grüter, 1914, S. 25, 33 ff.; Kluckhohn, 1909, S. 87; Planck, 1900, § 677 Anm. 1 b) (S. 426 f.). 72 Vgl. BVerfGE 21, 292 (305); BVerfGE 63, 131 (148); BVerfGE 71, 81 (105); BVerfGE 78, 350 (357); Larenz, 1991, S. 322 ff., 343. Nach anderer Ansicht zählt der Wortsinn ohnehin nicht zu den Auslegungsmitteln, sondern stellt nur den Ausgangspunkt der Auslegung dar, vgl. Kamanabrou, 1997, S. 36 f., 52. 73 Dazu allgemein Bleckmann, JuS 2002, 942 (945). 74 Vgl. zum Ganzen Seiler, 1968, S. 2 f.; Söllner, Festschrift 50 Jahre Lions Clubs in Deutschland, 2002, S. 122 (123). 75 Vgl. zum Vorläufer des heutigen Versäumnisurteils Söllner, 1996, S. 39, 67; Kaser / Knütel, 2005, § 84 Rn. 7, § 87 Rn. 5 f., § 88 Rn. 5.
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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einen defensor zu beauftragen.76 Rechtsgrundlage war in allen diesen Fällen ein mandatum. Nun konnte es natürlich vorkommen, dass sich die Heimkehr verzögerte oder aus anderen Gründen unvorhergesehene Geschäfte für den Abwesenden zu besorgen waren. Auch in solchen Fällen geboten es amicitia und die als officium bezeichneten sittlichen Bindungen, sich der Geschäfte des Freundes anzunehmen.77 Hier wurde der Geschäftsführer tätig, ohne dazu vorab beauftragt worden zu sein. Vor diesem Hintergrund entstanden die Regelungen über die negotiorum gestio78. Es sollte in den Rechtsfolgen keinen Unterschied machen, ob die Freundeshilfe auf eine vorherige Bitte hin oder spontan erfolgte.79 Rechtlich war niemand zur Übernahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet. Mit der Aufnahme der Tätigkeit entstand jedoch eine Rechtspflicht, sie im Interesse des Geschäftsherrn auszuüben.80
b) Die Entwicklung der negotiorum gestio im Römischen Recht aa) Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Rechtsinstitute im Römischen Recht waren nicht statisch; sie veränderten sich im Lauf der Jahrhunderte. In der Regel unterscheidet man (zumindest) die Entwicklungsstufen des vorklassischen, des klassischen und des nachklassischen Rechts.81 Dem entspricht die staatliche Entwicklung Roms: zunächst von der Gründung bis zum Ende der Republik, dann die Zeit des Prinzipats und schließlich die Phase des Niedergangs des Prinzipats, des Dominats und des Zerfalls des Römischen Reiches. bb) Die Frühgeschichte der negotiorum gestio lässt sich wohl nicht mehr vollständig aufklären.82 Angesichts der unzureichenden Quellen gibt es heute keine gesicherten Erkenntnisse über einen eventuellen Tatbestand in der Frühzeit des Römischen Rechts. Unumstritten aus vorklassischer Zeit und damit die älteste bekannte Rechtsquelle83 ist die Überlieferung einer Klage aus dem prätorischen Edikt de negotiis gestis (D 3.5.3 pr.)84: 76 Der Geschäftsführer konnte auch als procurator für den Kläger auftreten. Vgl. Seiler, 1968, S. 11 f. mit weiteren Beispielen. 77 Suderow, 2005, S. 5 f.; Wittmann, 1981, S. 4 f. 78 Dieser Begriff ist heute geläufig und soll daher auch hier verwendet werden. Die Römischen Juristen sprachen von der negotia gesta, vgl. Kaser, 1971, S. 586; Mayer-Maly, 1991, S. 127. 79 Seiler, 1968, S. 3. 80 Kunkel / Honsell, 1987, S. 348 f. 81 Zu Möglichkeiten und Gefahren einer Periodisierung Söllner, 1996, S. 17 f. 82 Vgl. Müller, 1980, S. 101; Seiler, 1968, S. 5, 7. 83 Brückmann, 1903, S. 3, sieht in den Worten des Prätors „das Fundament unseres ganzen Instituts“. 84 Text und Übersetzung zitiert nach Kunkel / Schermaier, 2001, S. 120 f.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
SI QUIS NEGOTIA ABSENTIS,
Wenn einer die Geschäfte eines Abwesenden
SIVE QUIS NEGOTIA, QUAE
führt oder wenn einer Geschäfte führt, die
CUIUSQUE CUM IS MORITUR,
jemandes Geschäfte waren, als dieser starb,
FUERINT, GESSERIT, IUDICIUM so werde ich aus diesem Grund eine EO NOMINE DABO.
Klage gewähren.
Diese uns heute bekannte Fassung entstammt dem Kommentar Ulpians zum prätorischen Edikt.85 Ein wichtiger Anwendungsfall der Klage war die gerichtliche Vertretung eines Abwesenden.86 Lagen die Tatbestandsvoraussetzungen der ediktischen Klageformel vor, konnte der Geschäftsherr Rechtsschutz erlangen (Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten, ggf. Schadensersatz). Neben dieser im Edikt ausdrücklich geschilderten actio directa war aber auch die actio contraria des Geschäftsführers anerkannt. Es entsprach dem üblichen sparsamen Gebrauch juristischer Formen, keine eigene Klageformel zu schaffen, wenn die bloße Umkehrung der Parteien genügte, um den Gegenanspruch zu regeln.87 Mit der Konträrklage konnte der Gestor Auslagen oder Schäden geltend machen. Diese Klage setzte zusätzlich die Nützlichkeit der Geschäftsführung voraus.88 Im Hintergrund der ediktischen Klageformel steht das in Rom geltende Aktionensystem.89 Gerichtlich durchsetzbare Ansprüche bestanden nur, wenn das Gesetz oder das prätorische Edikt – zumindest für eine Partei – eine Klagemöglichkeit vorsah. Noch in der Vorklassik trat neben dieses amtsrechtliche iudicium ein allgemeines bonae fidei iudicium.90 Auf eine solche Klage sollte der iudex dem Kläger das zusprechen, was ihm der Beklagte nach Treu und Glauben schuldete.91 Im Gegensatz zu den speziellen Voraussetzungen der ediktischen Klage in damaliger Zeit (negotia absentis) wies das zivile Judiz offenbar einen weitgefassten Tatbestand auf. Voraussetzung für eine Klage war danach wohl lediglich: negotia alterius gerere.92 cc) Im klassischen Römischen Recht wurde der Anwendungsbereich der negotiorum gestio deutlich ausgeweitet. In den überlieferten Anwendungsbeispielen 85 Vgl. zum Inhalt der ediktischen Klageformel Honsell, 2002, S. 160; Kunkel / Schermaier, 2001, S. 120 f.; Partsch, 1913, S. 11 ff.; Seiler, 1968, S. 48 ff., 320. 86 Teilweise wird dies sogar als Voraussetzung angesehen, vgl. Honsell, 2002, S. 160; Wittmann, 1981, S. 4; anders Seiler, 1968, S. 320 f. 87 Kunkel / Schermaier, 2001, S. 121; Seiler, 1968, S. 319 f. 88 Vgl. Mayer-Maly, 1991, S. 127; Wittmann, 1981, S. 5. 89 Siehe zu dieser engen Verbindung von materiellem Privatrecht und Prozessrecht nur Söllner, 1996, S. 64 ff., 68 ff. 90 Diese zeitliche Abfolge ist heute wohl allgemein anerkannt. Vgl. Kaser, 1971, S. 589; Kunkel / Honsell, 1987, S. 349; Seiler, 1968, S. 322. Zum früheren Streit vgl. die Nachweise bei Seiler, 1968, S. 321 ff. 91 Vgl. dazu im Allgemeinen Söllner, 1996, S. 74 ff. 92 Seiler, 1968, S. 323; Wittmann, 1981, S. 39 f.
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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erfasst das Rechtsinstitut häufig Sachverhalte, die sich nicht mehr auf den Gedanken der Freundeshilfe zurückführen lassen, der Hintergrund für die Entstehung der negotiorum gestio war.93 Die Tatbestandsvoraussetzungen knüpfen nicht an dieses Motiv an.94 Rechtsgrundlage waren nun wohl nicht mehr zwei nebeneinander bestehende iudicia, sondern nur noch das umfassende zivile bonae fidei iudicium.95 In der Klassik entwickelte sich eine umfangreiche Kasuistik, die kein einheitliches Leitbild aufweist.96 Aufgabe der klassischen Juristen war es daher, den weiten und unbestimmten Tatbestand (negotia alterius gerere) zu konkretisieren und zu beschränken. Dazu existierten allerdings keine abstrakten Regeln, sondern es entwickelte sich ein unübersichtliches und im Einzelnen umstrittenes Fallrecht.97 Allgemeingültige Voraussetzungen zur Eingrenzung des Grundtatbestands, deren Existenz teilweise behauptet wurde, sind daher wohl nicht klassisch.98 Die Klageformel enthielt also insbesondere auch kein explizites subjektives Merkmal.99 Subjektive Elemente flossen aber in die Auslegung des Begriffs der Geschäftsführung ein.100 Gemeinsam ist den Fallbeispielen, in denen die klassischen Juristen die negotiorum gestio bejahten, die Führung eines Geschäfts, das einem fremden Interessenbereich angehört. Letzteres musste dem Geschäftsführer auch bewusst sein.101 Es genügte allerdings auch die Umsetzung gemeinsamer Interessen von Geschäftsherr und Geschäftsführer. Wenig geklärt war wohl, wann die Geschäftsführung als utiliter angesehen wurde.102 Diese Voraussetzung für den Gegenanspruch des Geschäftsführers wurde flexibel eingesetzt, um den Geschäftsherrn vor nutzlosen oder aufgedrängten Geschäftsführungen zu schützen.103 Ferner waren Ansprüche aus negotiorum gestio ausgeschlossen, wenn eine andere Rechtsgrundlage für die Geschäftsführung bestand.104 Siehe oben unter a). Schmid, 1992, S. 16 f.; Seiler, 1968, S. 3 95 Vgl. Seiler, 1968, S. 49 f. Dagegen wird von Mayer-Maly, SZ (RA) 86 (1969), 416 (420) die Möglichkeit angedeutet, beide Judizien könnten noch bis in die Hochklassik nebeneinander fortbestanden haben. 96 Seiler, 1968, S. 330, bezeichnet die klassische negotiorum gestio als ein Rechtsinstitut „ohne hohen spezifischen Gehalt“. 97 Vgl. zum Ganzen Lent, 1909, S. 87 ff.; Seiler, 1968, S. 324; siehe ferner auch Müller, 1980, S. 104 f. 98 Siehe Seiler, 1968, S. 324 ff. Eingehend untersucht er den animus negotia aliena gerendi (S. 21 ff.), die Freiwilligkeit (S. 38 ff.) sowie die absentia (S. 47 ff.). 99 Vgl. Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 16. 100 Siehe näher unten unter c). 101 Kaser, 1971, S. 588; Kaser / Knütel, 2005, § 44 Rn. 16. 102 Vgl. Mayer-Maly, SZ (RA) 86 (1969), 416 (429 f.); Schmid, 1992, S. 18. 103 Dazu eingehend Seiler, 1968, S. 51 ff., der überzeugend begründet, dass ursprünglich nur Fälle einer Notgeschäftsführung anerkannt waren, später aber auch bei (nur) nützlichen, aber erfolgreichen Geschäftsführungen Ansprüche anerkannt wurden. 104 Seiler, 1968, S. 327 f. 93 94
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
dd) Die auf die Klassik folgende Epoche des Römischen Rechts brachte insgesamt einen Niedergang der Rechtskultur mit sich.105 Diese Entwicklung betraf das Rechtsinstitut der negotiorum gestio in besonderem Maße, da es sich hierbei um eine außergewöhnlich komplizierte und technische Rechtsfigur handelte.106 Wegen des weiten Anwendungsbereichs der negotiorum gestio und des Fehlens eines klaren Leitbilds war die Struktur dieses Rechtsinstituts besonders schwer verständlich. Die nachklassischen Juristen bemühten sich um eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Tatbestandes. So wurde im justinianischen Recht beispielsweise eine Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn nicht mehr anerkannt und größerer Wert auf die Freiwilligkeit der Geschäftsführung gelegt.107 Das Rechtsinstitut der negotiorum gestio wurde als Fall der „obligationes quasi ex contractu“ verstanden.108
c) Folgerungen für das geltende Recht Die Darstellung der Entwicklung der negotiorum gestio im Römischen Recht hat gezeigt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag damals und heute durchaus ähnlich waren.109 Im Mittelpunkt stand und steht es, ein Geschäft für einen anderen zu führen. Aus den Römischen Rechtsquellen Argumente für die Auslegung des heutigen § 677 BGB zu gewinnen, ist gleichwohl nicht unproblematisch.110 Bedenken ergeben sich insoweit aus mehreren Gesichtspunkten. Zum einen lässt sich der Tatbestand der negotiorum gestio in klassischer und nachklassischer Zeit heute nicht mehr mit der erforderlichen Genauigkeit rekonstruieren. So sind in der Neuzeit selbst Kernfragen zum Römischen Verständnis stets streitig geblieben. Hintergrund ist zum einen die zum Teil spärliche Quellenlage111, zum anderen die sehr unterschiedliche Quellenkritik112. Die für den heutigen Rechtsanwender zentrale Frage, ob der Tatbestand der negotiorum gestio im Römischen Recht eher subjektiv oder eher objektiv verstanden wurde, Siehe nur Söllner, 1996, S. 128 f., 129 ff. Vgl. Seiler, 1968, S. 3 f. 107 Vgl. Seiler, 1968, S. 332. 108 Müller, 1980, S. 109; Wollschläger, 1976, S. 41 f. 109 Vgl. Köndgen, 1999, S. 371 (372): „glatte Karriere von den römischen Klassikern bis hinein ins BGB“. 110 Den begrenzten Erkenntniswert der rechtshistorischen Untersuchung betont auch Helm, 1983, S. 335 (342). 111 So ausdrücklich Seiler, 1968, S. 7, 316. 112 Siehe Seiler, 1968, S. 5 f. Während ältere Arbeiten noch unter dem Einfluss einer starken Interpolationenkritik stehen, spielt diese in neueren Werken eine weitaus geringere Rolle. Gleichwohl besteht häufig Unsicherheit über den ursprünglichen Inhalt eines überlieferten Textes. Vgl. nur die zahlreichen zitierten Quellen bei Seiler, 1968, und die fast durchweg angegebenen Interpolationsverdachte. 105 106
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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lässt sich aus den überlieferten Quellen nicht eindeutig beantworten. So ist es gerade in dieser Frage zu diametral entgegengesetzten Ansichten gekommen. Während Riccobono113 den animus für das entscheidende Tatbestandsmerkmal im klassischen Recht hielt, meinte Partsch114, die Führung eines objektiv fremden Geschäfts habe genügt, um den Tatbestand der negotiorum gestio zu erfüllen. Seiler hat hier eine vermittelnde Lösung vorgeschlagen, wonach sowohl objektive als auch subjektive Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben.115 Diese Vermutung ist überzeugend und hat sich inzwischen durchgesetzt: Heute wird allgemein angenommen, dass das Vorliegen der Geschäftsführungsabsicht eine wichtige Rolle gespielt hat, wenn zweifelhaft wurde, ob eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt.116 Weniger Gewicht hatte die subjektive Voraussetzung wohl, wenn das Geschäft objektiv ohne weiteres als fremdes einzuordnen war.117 Dieser Einschätzung Seilers folgt auch der oben dargestellte Überblick über die Rechtsentwicklung. Selbst wenn man diese Annahme als zutreffend unterstellt, was den genannten Zweifeln unterliegt, lassen sich aber aus diesem Rechtszustand keine tragfähigen Argumente für die Auslegung des § 677 BGB herleiten. Denn es gab zu keinem Zeitpunkt im Römischen Recht eine allgemeingültige Definition der negotiorum gestio. Wie oben dargestellt, stehen wir einer unübersichtlichen Kasuistik gegenüber, die nicht immer die Verwendung eindeutig abgrenzbarer Tatbestandsmerkmale erkennen lässt. Hinzu kommt, dass eine strikte Unterscheidung objektiver und subjektiver Voraussetzungen, wie wir sie heute praktizieren, den Römern fremd war.118 Daraus folgt, dass schon zur Zeit der Geltung des Römischen Rechts der Tatbestand der negotiorum gestio nicht eindeutig abgegrenzt war, sondern bereits damals zahlreiche Fälle unterschiedlichster Art als Geschäftsbesorgung angesehen wurden.119 Dies wird schon daran deutlich, dass die actio negotiorum gestorum nicht nur in den typischen Anwendungsfällen bejaht wurde, sondern teilweise auch nur herangezogen wurde, um zu einem befriedigenden Ergebnis in dem zu entscheidenden Einzelfall zu gelangen.120 Dieses Gesamtbild lässt sich aber für 113 Riccobono, Annali Palermo 3 / 4 (1917), 221 (243 ff.), zitiert nach Seiler, 1968, S. 21 mit Fußn. 6. 114 Partsch, 1913, S. 37. 115 Seiler, 1968, S. 21 ff., 38. 116 Honsell, 2002, S. 160; Kaser, 1971, S. 588 mit Fußn. 17; Lent, 1909, S. 98 f.; MayerMaly, 1991, S. 128; Schmid, 1992, S. 17 f.; Wittmann, 1981, S. 39 ff. 117 Kaser / Knütel, 2005, § 44 Rn. 16; Kunkel / Honsell, 1987, S. 349 mit Fußn. 8; Wittmann, 1981, S. 43 ff. mit Beispielen. Mayer-Maly, SZ (RA) 86 (1969), 416 (426 ff.) sieht solche Fälle aber als „untypisch“ an. 118 Mayer-Maly, 1991, S. 128; Seiler, 1968, S. 8, 18 f., 325 f. 119 Damit übernahm die negotiorum gestio von Anfang an eine Auffangfunktion in Fällen, in denen die Voraussetzungen anderer Klagen nicht vorlagen. Vgl. auch Schubert, AcP 178 (1978), 425 (427); Seiler, 1968, S. 314 f., der die „Vielfalt der Sachverhalte“ betont. 120 Mayer-Maly, SZ (RA) 86 (1969), 416 (417 f.). Vgl. auch Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 64 ff.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
die heutige Diskussion um die Auslegung des § 677 BGB kaum fruchtbar machen, da es die erforderliche Eindeutigkeit vermissen lässt.121 Immerhin ist jedoch zu bedenken, dass die negotiorum gestio eine originäre Schöpfung der Römer ist.122 Daher liegt es nahe, zumindest die Ursachen, die zur Entwicklung eines solchen Rechtsinstituts geführt haben, bei der Auslegung des heutigen Rechts zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte spricht dann einiges für ein subjektives Verständnis der Geschäftsführung ohne Auftrag. Schließlich liegt ihre Wurzel bei der Vertretung eines abwesenden Freunds. Diese spontane Hilfeleistung ist nun aber gerade ein Musterbeispiel der freiwilligen Geschäftsführung, bei der der Geschäftsführer bewusst und gewollt eine Tätigkeit im fremden Interesse übernimmt. Zweck der Regelung war also, die Rechtsfolgen einer freiwilligen Tätigkeit für einen anderen (zunächst: für einen Abwesenden) zu normieren.123 Zudem war die Einmischung in fremde Angelegenheiten im Römischen Recht an sich verboten,124 so dass die Übernahme eines fremden Geschäfts die Ausnahme war. Der Geschäftsführer wird sich also dazu nur entschlossen haben, wenn er tatsächlich zum Nutzen des Geschäftsherrn tätig werden wollte. Nach alledem lässt sich die negotiorum gestio des Römischen Rechts eher als Argument für eine subjektive Auslegung des § 677 BGB heranziehen. Dabei ist jedoch mehr der Hintergrund der Entstehungsgeschichte als die inhaltliche Ausgestaltung und der Anwendungsbereich der negotiorum gestio in das Blickfeld zu nehmen. 2. Die Entstehung des § 677 BGB Der Tatbestand der negotiorum gestio im Römischen Recht prägte das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag in Deutschland bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.125 Im gemeinen Recht wurden die Voraussetzungen für eine Klage des Geschäftsführers oder des Geschäftsherrn der Römischen Kasuistik entnommen. Im Mittelpunkt stand folglich das Erfordernis „negotia alterius gerere“, die Notwendigkeit eines „animus negotia aliena gerendi“ war dagegen umstritten.126 Ähnlich Köndgen, 1999, S. 371 (372). Mayer-Maly, SZ (RA) 86 (1969), 416 (420); Schmid, 1992, S. 15; Seiler, 1968, S. 1; Suderow, 2005, S. 5. 123 Vgl. Mayer-Maly, SZ (RA) 86 (1969), 416 (429); Wittmann, 1981, S. 39. 124 culpa est inmiscere se rei ad se non pertinenti. Auf dieses „scheinbar entgegengesetzte Postulat“ weist auch Honsell, 2002, S. 160, hin. 125 Vgl. allgemein zum Fortwirken des Römischen Rechts bis in die Neuzeit Söllner, 1996, S. 148 ff.; speziell zur Entwicklung der negotiorum gestio von den Glossatoren bis zur gemeinrechtlichen Lehre Schmid, 1992, S. 20 ff.; Wittmann, 1981, S. 48 ff. 126 Siehe Kluckhohn, 1909, S. 11 ff. und sogleich im Text. Eingehend zur Lehre von der negotiorum gestio im gemeinen Recht Wächter, AcP 20 (1837), 337 ff.; aus heutiger Sicht Reichard, AcP 193 (1993), 567 (585 ff.). 121 122
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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Im Zuge der Bemühungen um ein einheitliches Bürgerliches Gesetzbuch stellte sich die Frage, wie die Geschäftsführung ohne Auftrag künftig ausgestaltet sein sollte. Es bestand die Möglichkeit, entweder die Neuregelung dem Tatbestand der klassischen negotiorum gestio möglichst genau nachzubilden oder einen völlig neuen Tatbestand zu entwickeln. Man stand dabei vor folgender Ausgangssituation: Die Grenzen des Anwendungsbereichs der negotiorum gestio im gemeinen Recht waren unklar. Teilweise nahm man an, actio directa und actio contraria hätten unterschiedliche Voraussetzungen. Im Hinblick auf den Begriff der Geschäftsführung wurden häufig objektive und subjektive Geschäftsführung unterschieden. Streitig war vor allem, wie weit das Erfordernis der Geschäftsführungsabsicht reichen sollte. Bei objektiv („an sich“) fremden Geschäften wurde zum Teil ein Geschäftsführungsbewusstsein für ausreichend gehalten. Die Abgrenzung objektiv fremder Geschäfte erwies sich aber in der Praxis als schwierig.127 Die Väter des BGB entschieden sich schließlich für einen Mittelweg. Der Tatbestand des heutigen § 677 BGB wurde in Anlehnung an die römisch-rechtliche Tradition128, aber doch mit eigenständigen Voraussetzungen geschaffen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie das zu führende Geschäft näher zu charakterisieren sei. Die überkommene Formulierung, die auf das Römische Edikt zurückgeht, hätte gelautet: „Wer ein Geschäft eines anderen besorgt“. Eine abweichende Konzeption, die maßgeblich von Windscheid beeinflusst wurde, beinhaltete die Alternative „Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt“. Windscheid stellte die Freiwilligkeit der Geschäftsbesorgung ganz in den Mittelpunkt seiner Konzeption – der Geschäftsführer sollte aus eigenem Antrieb mit Geschäftsführungsabsicht für den Geschäftsherrn tätig geworden sein.129 Den Beratungen der Ersten Kommission lag zunächst die Fassung des Teilentwurfs zugrunde, dessen § 233 die Formulierung „Geschäft eines anderen“ enthielt. Auf Vorschlag Windscheids wurde diese Variante verworfen und durch die Fassung „Geschäft für einen anderen“ ersetzt. Diese Entscheidung gegen die objektive Alternative erfolgte ganz bewusst. Zunächst wurden damit die irrtümliche und die angemaßte Eigengeschäftsführung aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeschieden. Sie stellen keine Geschäftsführung im Sinn des heutigen § 677 BGB dar.130 Daneben und vor allem sollte aber auf diesem Weg die überkommene Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften aufgegeben werden.131 Hintergrund war die Feststellung, eine allgemeingültige Definition für das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts gebe es nicht.132 Die Kommission 127 Vgl. zum Ganzen Brückmann, 1903, S. 27 ff.; Grüter, 1914, S. 26 ff.; Wittmann, 1981, S. 59 f. 128 Siehe oben unter 1. 129 Siehe Windscheid, 1882, §§ 430 f., insbesondere Einleitung zu § 431. 130 Motive, Bd. 2, S. 856 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478; Brückmann, 1903, S. 44 f.; Wollschläger, 1976, S. 45. 131 Motive, Bd. 2, S. 855 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478. 132 Motive, Bd. 2, S. 856 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478: „große und kaum zu besiegende Schwierigkeiten“.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
entschied sich stattdessen für die subjektive Konzeption. Ganz im Mittelpunkt der Begründung der Gesetzesformulierung steht der Wille des Geschäftsführers, ein Geschäft als fremdes zu besorgen. Dagegen sollte die bloße Tatsache, dass ein objektiv fremdes Geschäft geführt wurde, nicht genügen, um Ansprüche der Beteiligten zu begründen.133 Die oben geschilderten Probleme, die die Anwendung des Tatbestands der negotiorum gestio im gemeinen Recht machte, sollten so vermieden werden. Die Feststellung eines objektiv fremden Geschäfts sollte entbehrlich sein. Die Ansprüche von Geschäftsherr und Geschäftsführer bei einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sollten auf einem einheitlichen Schuldverhältnis mit identischen Voraussetzungen beruhen.134 Trotz eines auf eine Objektivierung der Norm abzielenden Änderungsvorschlags („Wer die Geschäfte eines anderen . . . besorgt“) wich auch die Zweite Kommission insoweit nicht von der vorgeschlagenen (subjektiven) Formulierung ab.135 Die oben erläuterte Konzeption der Ersten Kommission blieb erhalten und wurde schließlich Gesetz. Führt man sich diese Entstehungsgeschichte vor Augen, kann die heute vorherrschende Interpretation des § 677 BGB nur überraschen. Von der subjektiven Konzeption des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag, für die sich der BGBGesetzgeber bewusst entschieden hat, ist in der heutigen Rechtspraxis nichts zu bemerken. Die in den Motiven geäußerten Bedenken gegen die Praktikabilität einer Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften im Tatbestand der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag haben sich bestätigt, denn bis heute gibt es hierfür keine klaren Abgrenzungskriterien. Rechtsprechung und herrschende Meinung praktizieren diese Unterscheidung aber trotzdem nach wie vor, um die Vermutungswirkung des objektiv fremden Geschäfts zu ermöglichen. Mit der Entstehungsgeschichte des BGB lässt sich dies nicht in Einklang bringen – die Kategorie des objektiv fremden Geschäfts sollte für den Anwendungsbereich der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag keine Rolle mehr spielen.136 Die bloße Tatsache, dass objektiv ein fremdes Geschäft geführt wurde, sollte für die Begründung des Schuldverhältnisses gerade nicht genügen.137 Eben dies ist aber praktisch die Folge der heute herrschenden Interpretation des § 677 BGB.138 Nach alledem sprechen die Erwägungen, die der Verabschiedung der heutigen Fassung des § 677 BGB zugrundelagen, für ein subjektives Verständnis der Norm. Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“ sollte maßgeblich von der verfolgten Absicht des Geschäftsführers abhängen. Dagegen findet die Motive, Bd. 2, S. 855 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478. Siehe zu dieser Entstehungsgeschichte auch Wittmann, 1981, S. 60. 135 Vgl. Protokolle, Bd. 2, S. 726 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1193. 136 Ebenso Jakobs, 1964, S. 94 mit Fußn. 113. 137 Motive, Bd. 2, S. 855 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478. 138 Zu einer solchen „Umformulierung“ bekennen sich ausdrücklich Esser / Weyers, 2000, § 46 II, S. 8. 133 134
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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heute zu beobachtende Objektivierung des Tatbestands keine Stütze in seiner Entstehungsgeschichte.
III. Systematische Auslegung 1. Verhältnis zu § 687 BGB Versucht man zunächst, die Vorschriften des 13. Titels („Geschäftsführung ohne Auftrag“)139 selbst für einen Systemschluss fruchtbar zu machen, ist § 687 BGB am Ergiebigsten. a) Diese Norm stellt gewissermaßen den Gegenpol zu § 677 BGB dar. Sie steht nicht nur räumlich am anderen Ende der Vorschriften des 13. Titels. Auch inhaltlich betrifft sie ganz anders geartete Fälle, in denen jemand „ein Geschäft besorgt“. § 687 BGB regelt keine Fälle einer Geschäftsführung ohne Auftrag im eigentlichen Sinn,140 sondern die irrtümliche (Abs. 1) oder angemaßte (Abs. 2) Eigengeschäftsführung.141 Ursprünglich sollte es eine dem heutigen § 687 BGB inhaltlich entsprechende Vorschrift gar nicht geben.142 Die Erste Kommission hielt eine solche Regelung für überflüssig. Dass die irrtümliche Eigengeschäftsführung keine Geschäftsführung ohne Auftrag sei, folge schon aus der Entscheidung für den subjektiven Geschäftsführungsbegriff. Wer ein fremdes Geschäft trotz Kenntnis von seiner fehlenden Berechtigung als sein eigenes behandelt, sollte dagegen nach § 761 des 1. Entwurfs nur deliktsrechtlich haften.143 Nur diese Rechtsfolge wollte dann die Zweite Kommission mit der Einfügung des heutigen § 687 BGB modifizieren. In den Fällen einer angemaßten Eigengeschäftsführung sollte die deliktische Haftung (beispielsweise im Hinblick auf die damaligen Verjährungsfristen) verschärft werden. Der „Geschäftsherr“ sollte bei böswilliger Geschäftsanmaßung nicht schlechter gestellt sein als bei einer „echten“ Geschäftsführung ohne Auftrag.144 Gerade auch vor dem Hintergrund dieser Entstehungsgeschichte wird deutlich, dass § 687 Abs. 2 BGB im Titel über die „Geschäftsführung ohne Auftrag“ ein Fremdkörper ist.145 139 Seit der Schuldrechtsmodernisierung finden sich die Regelungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag im 13. Titel des 8. Abschnitts des 2. Buchs des BGB. 140 Allgemeine Meinung, vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 1; Palandt / Sprau, 2007, § 687 Rn. 1 f.; Erman / Ehmann, 2004, § 687 Rn. 1. 141 Daher empfiehlt es sich, die Fälle des § 687 BGB auch nicht als („unechte“) Geschäftsführung ohne Auftrag zu bezeichnen. 142 Zur Entstehungsgeschichte des § 687 BGB überblicksartig Staudinger / Wittmann, 1995, § 687 Rn. 5; eingehend Wenckstern, AcP 200 (2000), 240 (244 ff.). 143 Vgl. Motive, Bd. 2, S. 870 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 486 f. 144 Vgl. Protokolle, Bd. 2, S. 742 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1202 f.; siehe ferner Soergel / Beuthien, 2000, § 687 Rn. 4; Esser / Weyers, 2000, § 46 I 2 c), S. 6. 145 Näher dazu vor allem Reichard, AcP 193 (1993), 567 ff.; Wenckstern, AcP 200 (2000), 240 ff.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
b) Das bisher zu § 687 BGB Gesagte lässt schon die Vermutung zu, dass die systematische Auslegung nicht zu einer Gleichsetzung seiner Voraussetzungen mit denen des § 677 BGB führen wird. Gleichwohl ist versucht worden, einen systematischen Zusammenhang zwischen § 677 BGB und § 687 BGB in der Weise herzustellen, dass in beiden Fällen ein „fremdes Geschäft“ besorgt werden müsse.146 Gegen diese Angleichung sprechen schon die oben angeführten Argumente aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 677 BGB, die ein subjektives Verständnis des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“ nahelegen. Darüber hinaus macht eine solche, vermeintlich einheitliche Tatbestandsvoraussetzung auch keinen Sinn, da die hierdurch auf den ersten Blick gewonnene gemeinsame Struktur sofort wieder aufgegeben werden müsste, um bei § 677 BGB auch subjektiv fremde Geschäfte einzubeziehen, die von § 687 BGB unstreitig nicht erfasst werden.147 Demnach kommt ein gleiches Verständnis beider Tatbestände nicht in Betracht, § 687 BGB betrifft gänzlich andere Fälle als § 677 BGB. Es gibt keinen einheitlichen Begriff des fremden Geschäfts für beide Regelungskomplexe. Aus § 687 BGB kann also auch nicht das Erfordernis eines fremden Geschäfts für § 677 BGB abgeleitet werden. c) Vielmehr ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis beider Vorschriften die Möglichkeit, Umkehrschlüsse zu ziehen. Denn § 687 BGB macht deutlich, dass es auch bei einem objektiv fremden Geschäft entscheidend auf die subjektive Seite ankommt. Zunächst lassen sich die von § 687 Abs. 1 BGB erfassten Fälle ohne weiteres aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließen. Fehlt dem Handelnden das Bewusstsein, ein fremdes Geschäft zu führen, liegt der Tatbestand des § 677 BGB nicht vor. Die daraus für § 677 BGB folgende Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungsbewusstseins ist daher heute allgemein anerkannt.148 Etwas komplizierter sind die Auswirkungen von § 687 Abs. 2 BGB auf den Tatbestand des § 677 BGB zu erfassen. Unproblematisch ist, dass keine Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinn von § 677 BGB vorliegt, wenn der Handelnde ein fremdes Geschäft bewusst als eigenes führt, obwohl er weiß, dass er dazu nicht berechtigt ist. Dagegen lässt sich im Umkehrschluss aus § 687 Abs. 2 BGB noch nicht zwingend das Erfordernis eines Fremdgeschäftsführungswillens als Voraussetzung für § 677 BGB herleiten.149 Denn § 687 Abs. 2 BGB knüpft nicht lediglich an das Fehlen eines Fremdgeschäftsführungswillens an, sondern setzt neben der Eigengeschäftsführung noch voraus, dass der Handelnde den Mangel seiner Berechtigung kennt.150 Daher sind Fälle denkbar, die weder unter § 687 Abs. 2 BGB noch 146 Vgl. etwa Isay, 1900, S. 48 ff.; Niewiarra, 1965, S. 110 f. – Zur Kritik an diesem Ansatz siehe Wittmann, 1981, S. 35 ff. 147 So auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (17 f.); Reichard, AcP 193 (1993), 567 (576 f., 581 ff.); Wittmann, 1981, S. 35 f. 148 Siehe nur MünchKomm / Seiler, 2005, § 687 Rn. 2 und oben unter 2. Teil A. II. 1. 149 Darauf weist zu Recht auch Stein, 1973, S. 34, hin. Zu weitgehend daher Lent, 1909, S. 121 ff.
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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unter § 677 BGB fallen.151 Der exakt ermittelte Umkehrschluss führt daher nur zu dem Erfordernis, dass dem Geschäftsführer bei § 677 BGB der Wille fehlen muss, das – als fremdes erkannte – Geschäft als eigenes zu behandeln.152 Immerhin zeigt die Regelung des § 687 Abs. 2 BGB aber, dass auch bei objektiv fremden Geschäften das bloße Bewusstsein der Fremdheit als subjektive Voraussetzung für die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht ausreichen kann. Selbst wenn dieses gegeben ist, kann ebensogut ein Fall von § 687 Abs. 2 BGB wie ein Fall von § 677 BGB vorliegen. d) Diese Überlegung leitet zu einem weiteren Schluss über, der sich aus § 687 BGB für die Geschäftsführung ohne Auftrag ziehen lässt. Es zeigt sich nämlich, dass die Existenz dieser Norm die von Rechtsprechung und herrschender Lehre angenommene Vermutung in Frage stellt. Denn § 687 BGB macht deutlich, dass bei der Besorgung eines objektiv fremden Geschäfts gerade nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, der Geschäftsführer wolle „für einen anderen“ tätig werden. Ebensogut besteht die Möglichkeit einer irrtümlichen oder angemaßten Eigengeschäftsführung gemäß § 687 BGB.153 Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig lebensnah, bei jeder Ausführung eines objektiv fremden (geschweige denn eines „auch-fremden“) Geschäfts gerade von einer fremdnützigen Absicht des Handelnden auszugehen.154 Einen solchen Vorrang des § 677 BGB lässt weder § 687 BGB erkennen noch spricht die allgemeine Lebenserfahrung für eine solche Wahrscheinlichkeit. Insofern entzieht § 687 BGB der vorherrschenden Vermutungslösung die Basis. Auch bei objektiv fremden Geschäften 150 Dieses Tatbestandsmerkmal wird allgemein wörtlich verstanden, vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, § 687 Rn. 37; Soergel / Beuthien, 2000, § 687 Rn. 5; Erman / Ehmann, 2004, § 687 Rn. 5; Palandt / Sprau, 2007, § 687 Rn. 2. Dagegen beschränkt Stein, 1973, S. 33 mit Fußn. 3 die Bösgläubigkeit auf die Kenntnis der Fremdheit des Geschäfts. Dies ist eine nicht gerechtfertigte Verkürzung. Andernfalls bliebe ein zur Eigengeschäftsführung berechtigendes Rechtsverhältnis (oder der Glaube hieran) unberücksichtigt. Vgl. dazu das Fallbeispiel in der nächsten Fußnote und RGZ 138, 45 (48 f.), wonach die Kenntnis von der Anfechtbarkeit des berechtigenden Vertrages gemäß § 142 Abs. 2 BGB ausreicht. 151 Beispiel: A gestattet B, seinen Birnbaum abzupflücken, weil er während der Erntezeit verreist. B glaubt, auch die Äpfel ernten zu dürfen und isst sie auf. Hier weiß B zwar, dass er ein fremdes Geschäft als eigenes führt (es liegen also weder die Voraussetzungen von § 687 Abs. 1 BGB noch die von § 677 BGB vor). B ist aber von seiner Berechtigung überzeugt. Er haftet gegenüber A folglich nicht aus § 687 Abs. 2 BGB. 152 Vgl. Niewiarra, 1965, S. 83; Stein, 1973, S. 27, 33 f. – Auf Basis dieses Umkehrschlusses will daher etwa Wollschläger, 1976, S. 73 f., das subjektive Element bei § 677 BGB beschränken. 153 Stein, 1973, S. 27, untermauert dies mit dem Beispiel desjenigen, der das reife Obst seines im Krankenhaus liegenden Nachbarn verkauft. Es ist unerfindlich, wieso bei diesem objektiven Geschehen eine Vermutung für eine bestimmte Willensrichtung des Geschäftsführers sprechen sollte. Ein Handeln mit Fremdgeschäftsführungswillen ist ebenso möglich wie eine angemaßte Eigengeschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2 BGB. Denkbar, wenn auch unwahrscheinlicher, ist auch ein Irrtum gemäß § 687 Abs. 1 BGB. 154 Kritisch auch Esser / Weyers, 2000, § 46 II, S. 12 f., allerdings ohne daraus Konsequenzen zu ziehen.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
entscheidet also die innere Seite über das Vorliegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag.155 2. Verhältnis zu § 686 BGB Auch § 686 BGB könnte Anhaltspunkte dafür liefern, dass die Fremdgeschäftsführung der §§ 677 ff. BGB anhand objektiver Umstände zu bestimmen ist. § 686 BGB regelt die Rechtsfolgen eines Irrtums des Geschäftsführers über die Person des Geschäftsherrn. Die Norm legt fest, dass in einem solchen Fall der „wirkliche Geschäftsherr“ berechtigt und verpflichtet sein soll.156 Mit dieser Formulierung zieht das Gesetz zweifellos objektive Kriterien zur Bestimmung der Person des Geschäftsherrn heran.157 Diese Regelung lässt sich jedoch nicht in der Weise verallgemeinern, dass der Wille des Geschäftsführers generell unbeachtlich sein soll oder nur eine (den objektiven Gegebenheiten) untergeordnete Rolle spielen kann. Denn § 686 BGB ist eine Vorschrift mit eng begrenztem Anwendungsbereich. Sie bezieht sich lediglich auf die Bestimmung der Person des Geschäftsherrn. Soweit sie hierfür auf objektive Kriterien rekurriert, nimmt sie eher den Tatbestand des § 683 BGB als ein vermeintliches Tatbestandsmerkmal „objektiv fremdes Geschäft“ des § 677 BGB in Bezug. Geschäftsherr soll nämlich derjenige sein, in dessen Rechts- und Interessenkreis der Geschäftsführer tätig geworden ist, also derjenige, bei dem die Voraussetzungen des § 683 BGB vorliegen können.158 Für den Fremdgeschäftsführungswillen lässt sich aus § 686 BGB nur ableiten, dass sich der Geschäftsführer keine Vorstellungen über die Identität des Geschäftsherrn machen muss.159 Mit der Regelung des § 686 BGB lässt sich also keine Objektivierung des § 677 BGB begründen. Im Gegenteil wäre § 686 BGB überflüssig, wollte man die Vermutungslösung der herrschenden Meinung ernst nehmen.160 155 Vgl. Jakobs, 1964, S. 94; Wlassak, 1879, S. 68. Anders – wenig überzeugend – Wollschläger, 1976, S. 54, der zwar auch die „Finalität des Handelns“ für entscheidend hält, aber meint, dafür komme es „nicht auf den Willen, sondern auf die objektive Zuordnung durch den Handlungserfolg“ an. 156 Zur Bestimmung der Person des Geschäftsherrn näher unten unter 4. Teil A. 157 Vgl. nur Soergel / Beuthien, 2000, § 686 Rn. 2; Reichard, AcP 193 (1993), 567 (569 f.); Palandt / Sprau, 2007, § 686 Rn. 2. 158 Staudinger / Wittmann, 1995, § 686 Rn. 1. Zu eng dagegen Reichard, AcP 193 (1993), 567 (570), der (nur) denjenigen als Geschäftsherrn ansieht, „dessen Interesse und Willen die Gestion entspricht“. Die Voraussetzungen des § 683 BGB sind jedoch unabhängig von der vorrangigen Feststellung der Person des Geschäftsherrn zu untersuchen. Schließlich ist auch denkbar, dass die Übernahme der Geschäftsführung dem Willen des „wirklichen Geschäftsherrn“ nicht entspricht. Dann hat dieser aber die Genehmigungsmöglichkeit des § 684 S. 2 BGB, vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, § 686 Rn. 6; Soergel / Beuthien, 2000, § 686 Rn. 2. 159 Insoweit besteht Einigkeit, vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, § 686 Rn. 2; MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 1 f.; Wollschläger, 1976, S. 73. Dies entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers, vgl. Motive, Bd. 2, S. 856 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478. Zu den Anforderungen an die Bestimmbarkeit des Geschäftsherrn näher unten unter 4. Teil A. IV. 160 Vgl. auch Wittmann, 1981, S. 27.
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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Denn wenn das objektiv fremde Geschäft für den Tatbestand des § 677 BGB maßgeblich sein sollte, ließe sich ja nicht nur der Wille, überhaupt ein fremdes Geschäft zu führen, sondern auch der Wille, für den „richtigen“ Geschäftsherrn tätig zu werden, vermuten. 3. Verhältnis zu § 680 BGB Ein weiteres systematisches Argument aus dem Regelungskomplex der §§ 677 ff. BGB ist aus § 680 BGB abgeleitet worden.161 Es knüpft an den Umstand an, dass § 680 BGB die Haftungsprivilegierung nicht an eine objektiv der Gefahrenabwehr dienende Geschäftsbesorgung bindet, sondern nur eine entsprechende Absicht des Geschäftsführers verlangt („bezweckt“).162 Ein solches Handlungsmotiv setzt aber den Fremdgeschäftsführungswillen voraus. Die Geschäftsführung kann nur dann die Abwehr einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezwecken, wenn der Geschäftsführer mit Wissen und Wollen für den Geschäftsherrn tätig wird. Daher fügt sich die geschilderte Anknüpfung des § 680 BGB problemlos in ein subjektives Verständnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ein. Wollte man dagegen § 677 BGB objektiv auslegen und dort das Bewusstsein von der Fremdheit des Geschäfts genügen lassen, müsste der Inhalt des § 680 BGB überraschen. Dann hätte es näher gelegen, das bloße Vorliegen einer Notsituation oder die objektive Eignung der Abwehrhandlung als Ansatzpunkt für die Haftungserleichterung zu normieren. Dieses Argument aus § 680 BGB spricht sicherlich nicht zwingend für das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens in § 677 BGB. Aber es ist ein weiterer Mosaikstein, der eine subjektive Auslegung nahelegt.
4. Standort der Regelungen der §§ 677 ff. BGB Nachdem nun die – für die Auslegung des § 677 BGB relevanten – Vorschriften des 13. Titels im Einzelnen untersucht worden sind, soll noch auf ihre Stellung im BGB eingegangen werden. Die Regelungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag schließen sich unmittelbar an den 12. Titel („Auftrag und Geschäftsbesorgungsvertrag“) an. Dieser systematische Standort ist ganz bewusst gewählt worden, was sich schon daran zeigt, dass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem 1. Entwurf noch einen eigenen Titel im Anschluss an das BereicheStein, 1973, S. 32 f. Staudinger / Wittmann, 1995, § 680 Rn. 5. Daher wendet die h. M. § 680 BGB zu Recht auch zugunsten desjenigen an, der das Bestehen einer Gefahr nur (schuldlos bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit) irrig annimmt, vgl. Soergel / Beuthien, 2000, § 680 Rn. 8; Erman / Ehmann, 2004, § 680 Rn. 5; Jauernig / Mansel, 2004, § 680 Rn. 2; Palandt / Sprau, 2007, § 680 Rn. 2; Wittmann, 1981, S. 134 f.; a. A. Wollschläger, 1976, S. 278 ff.; ihm folgend MünchKomm / Seiler, 2005, § 680 Rn. 5. 161 162
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
rungsrecht bilden sollten.163 Auch inhaltlich sind die Normkomplexe „Auftrag“ und „Geschäftsführung ohne Auftrag“ eng verbunden. So verweist § 681 S. 2 BGB bezüglich der Verpflichtung des Geschäftsführers auf die §§ 666 – 668 BGB. Bei einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (§ 683 S. 1 BGB).164 a) Diese Gleichbehandlung in den wichtigsten Rechtsfolgen bedarf einer tragfähigen Grundlage. An die Stelle des fehlenden Vertragsschlusses gemäß § 662 BGB muss ein gleichwertiger „Ersatz“ treten. Der fehlende Konsens im Vorhinein muss gewissermaßen durch das Vorliegen anderer (subjektiver oder objektiver) Gegebenheiten ausgeglichen werden, die es rechtfertigen, hier ein Schuldverhältnis mit Rechtsfolgen, die denen des Auftrags vergleichbar sind, entstehen zu lassen. Diese obligationsbegründende Wirkung kann aber vor dem Hintergrund der Privatautonomie ausschließlich dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten beigemessen werden.165 Daher muss einerseits der Geschäftsführer mit Fremdgeschäftsführungswillen für den Geschäftsherrn gehandelt haben (§ 677 BGB). Daher muss dann auch andererseits der Geschäftsherr die Geschäftsführung genehmigt haben, wenn sie nicht ohnehin seinem Willen und Interesse entsprochen hat (§§ 683, 684 BGB).166 Liegen diese Voraussetzungen vor, sind sich beide Parteien – unausgesprochen – darüber einig, dass das Ergebnis der Geschäftsbesorgung (ihr Gewinn oder Verlust) letztlich von dem Geschäftsherrn getragen werden soll.167 Diese Willensübereinstimmung ist zwar nicht mit einem Vertragsschluss vergleichbar, denn es bedarf keines Rechtsfolgewillens der Parteien. Die Rechtsfolgen treten hier – wie bei allen gesetzlichen Schuldverhältnissen – von Gesetzes wegen ein. Aber die geschilderte innere Willensübereinstimmung (und nur sie) rechtfertigt es, den Parteien die (auftragsähnlichen) Rechtsfolgen der §§ 677 ff. BGB zuzubilligen. Dagegen wäre es ein untragbarer Wertungswiderspruch, ein gesetzliches Schuldverhältnis mit den wichtigsten Rechtsfolgen der §§ 662 ff. BGB anzuerkennen, wenn es an einer entsprechenden inneren Einstellung der Betroffenen fehlte. Dies bestätigt auch die oben dargelegte Entwicklungsgeschichte des Rechtsinstituts im Römischen Recht. Typisch für die Geschäftsführung ohne Auftrag sind danach Fälle, in denen die Parteien einen Vertrag geschlossen hätten, wenn dies nicht aufgrund bestimmter äußerer Umstände unmöglich oder untunlich gewesen wäre. Nur ein solches vertragsähnliches Verständnis der Geschäftsführung ohne Auftrag kann auch erklären, warum dieses Rechtsinstitut im Anschluss an den Auftrag 163 Vierter Abschnitt: Einzelne Schuldverhältnisse aus anderen Gründen, Erster Titel: Bereicherung (§§ 737 ff. E I), Zweiter Titel: Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 749 ff. E I). 164 Näher dazu unten unter 5. Teil B. 165 Siehe auch die „Theorie des hypothetischen Vertrages“ auf rechtsökonomischer Grundlage von Köndgen, 1999, S. 371 (382 ff.). 166 Vgl. zu diesem Zusammenspiel von § 677 BGB und § 683 BGB auch Jakobs, 1964, S. 95 und noch unten unter IV. 2. 167 So auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (26 f.); ähnlich Melullis, 1971, S. 62.
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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und unter weitgehender Verweisung auf seine Rechtsfolgen normiert wurde.168 Die Ähnlichkeit der geregelten Lebenssachverhalte ist evident. In beiden Fällen wird ein Geschäft im Interesse eines anderen (des Auftraggebers bzw. Geschäftsherrn) besorgt. Dieser Tätigkeit liegt im ersten Fall eine vertragliche Vereinbarung zugrunde. Im zweiten Fall übernimmt der Geschäftsführer die Tätigkeit, ohne dazu beauftragt zu sein, und der Geschäftsherr ist damit einverstanden. Dieses Verständnis bedeutet aber nach dem oben Gesagten nicht die Fiktion von Willenserklärungen im Sinn einer naturrechtlichen Quasikontraktslehre, sondern das Erfordernis eines symmetrischen natürlichen Willens auf Seiten von Geschäftsführer und Geschäftsherrn.169 Eine solche Willensübereinstimmung setzt aber zwingend den Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers voraus. Auch die auftragsähnliche Ausgestaltung der Geschäftsführung ohne Auftrag spricht also dafür, dass der Fremdgeschäftsführungswille die maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung des § 677 BGB ist.170 b) Daneben lässt sich wegen der Stellung der Vorschriften des 13. Titels im Gesetz auch die Auffassung in Frage stellen, die die Geschäftsführung ohne Auftrag als allgemeines Regressinstitut ansieht und daher eine weite Auslegung des § 677 BGB befürwortet.171 Denn ein solcher Ausgleichstatbestand für eine Fülle unterschiedlicher Fallkonstellationen wäre wohl nicht im Besonderen Schuldrecht im Anschluss an den Auftrag normiert worden. Hätte man der Geschäftsführung ohne Auftrag eine solche Aufgabe zugedacht, wäre eine Regelung im Allgemeinen Schuldrecht172 (etwa im Zusammenhang mit der Gesamtschuld) oder im Anschluss an das Bereicherungsrecht, das für die Rückabwicklung rechtsgrundlos erfolgter Vermögensverschiebungen sorgt, sinnvoller gewesen. Ein solcher allgemeiner Ausgleichstatbestand ist aber im BGB bewusst nicht geschaffen geworden.173 Die Geschäftsführung ohne Auftrag kann und soll diese Funktion nicht übernehmen. Der im Gesetz gewählte Standort der §§ 677 ff. BGB spricht vielmehr dafür, dass hier eine dem Auftrag vergleichbare Fallkonstellation erfasst werden sollte. Gerade auch vor dem geschilderten Hintergrund der Entstehung des Rechtsinstituts im antiken Rom wird deutlich, worin die Abweichung vom Auftragsverhältnis liegt. Die Besonderheit der Geschäftsführung ohne Auftrag ist, dass es nicht zu einem Vertragsschluss über den „Freundschaftsdienst“ gekommen ist. Gleichwohl entschließt 168 Siehe auch Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 8; Stamm, Jura 2002, 730 (734). Kritisch gegenüber einer solchen Theorie Bertzel, 1952, S. 75 ff., 122 f., der die Geschäftsführung ohne Auftrag als „privates Amt“ ansieht. 169 Vgl. Wittmann, 1981, S. 124, 131 f. gegen die unberechtigte Kritik von Wollschläger, 1976, S. 44 ff., 72 ff. 170 Vgl. Gursky, AcP 185 (1985), 13 (27): „essentielle und unverzichtbare Voraussetzung“. 171 Siehe insbesondere Wollschläger, 1976, passim und S. 319; ferner Müller, 1980, S. 204 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 24; ebenso wohl auch Wieacker, 1967, S. 527 f. 172 So Stamm, Jura 2002, 730 (734). 173 Schubert, AcP 178 (1978), 425 (454 f.).
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
sich der Geschäftsführer (bewusst und gewollt), eine Tätigkeit zu übernehmen, die im Interesse eines anderen liegt. Nur diese subjektive Besonderheit des Fremdgeschäftsführungswillens kann den Standort der §§ 677 ff. BGB im Besonderen Schuldrecht rechtfertigen.
IV. Teleologische Auslegung 1. Der Ausschluss objektiv eigener Geschäfte Aus Sinn und Zweck des § 677 BGB könnte sich die Notwendigkeit einer objektiven Fremdgeschäftsführung ergeben. Im älteren Schrifttum findet sich die Annahme, ein fremdes Geschäft sei schon deshalb Voraussetzung der Geschäftsführung ohne Auftrag, weil Geschäftsführer und Geschäftsherr nicht identisch sein dürften.174 Daher sei die Besorgung eines objektiv eigenen Geschäfts generell nicht geeignet, um das Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag zu begründen.175 Dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend. Soweit der Ausschluss eigener Geschäfte aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag gerechtfertigt ist, lässt sich dieser Zweck schon auf andere Weise erreichen. Wenn nämlich ein „Geschäftsführer“ ein objektiv eigenes Geschäft bewusst ausschließlich im eigenen Interesse führt, fehlt es bereits am Fremdgeschäftsführungswillen. Handelt jemand (auf Grund eines Irrtums) in fremdnütziger Absicht, obwohl die Tätigkeit objektiv nur seinen eigenen Interessen entspricht, ist eine analoge Anwendung von § 686 BGB denkbar.176 Dabei wird sich herausstellen, dass es keine vom Geschäftsführer verschiedene Person gibt, deren Willen und Interesse die Geschäftsführung entsprechen kann.177 In beiden Fällen kommt also kein Schuldverhältnis zustande. Um zu diesem – eindeutigen und unstreitigen – Ergebnis zu gelangen, bedarf es keiner Modifikation des Tatbestands des § 677 BGB. Vielmehr scheitert die Geschäftsführung ohne Auftrag hier schon an dem – jedem Schuldverhältnis immanenten – Erfordernis der Personenverschiedenheit von Gläubiger und Schuldner.178 Die genannten Fälle geben insbesondere keinen Anlass, eine Tatbestands174 So ausdrücklich Grüter, 1914, S. 25; Niewiarra, 1965, S. 2, 95 f.; Oertmann, 1906, § 677 Anm. 3 a), S. 717. Ohne nähere Begründung auch Isele, 1935, S. 163. Im Ergebnis übereinstimmend Lent, 1909, S. 58 f., 59 ff. (insbesondere S. 77), der voraussetzt, dass die Geschäftsbesorgung auf fremde Rechte einwirkt. 175 Von dieser Prämisse geht wohl auch die Rechtsprechung aus, vgl. RG, JW 1926, 2920 (2921); BGHZ 16, 12 (16); BGHZ 38, 270 (275); BGHZ 46, 319 (327). Ebenso ausdrücklich Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 a), S. 8; Lent, 1909, S. 7; Müller, 1980, S. 25 ff.; wohl auch Neuffer, 1970, S. 15, 27; ähnlich Schubert, AcP 178 (1978), 425 (436 ff.). 176 Gursky, AcP 185 (1985), 13 (19); Wittmann, 1981, S. 27 f. mit Fußn. 30. 177 Zu den Anforderungen des § 686 BGB schon oben unter III. 2. 178 Vgl. Gursky, AcP 185 (1985), 13 (19 f.).
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voraussetzung „fremdes Geschäft“ anzuerkennen. Denn bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass die Einordnung des Geschäfts in objektive Kategorien für das hier zu erörternde Problem gar nicht weiterhilft. So ist die Personenverschiedenheit von Geschäftsführer und Geschäftsherr mitunter auch bei der Führung objektiv eigener Geschäfte gegeben. Führt der Geschäftsführer nämlich ein objektiv eigenes Geschäft „für einen anderen“, spricht nichts dafür, das Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag auszuschließen.179 Es ist ohne weiteres denkbar, dass eine Handlung, deren Vornahme die Rechtsordnung allein einer bestimmten Person zuweist, von dieser ausschließlich fremdnützig vorgenommen wird. Als Beispiel kann hier der Grundstückseigentümer dienen, der eine bauliche Veränderung auf seinem Grundstück nur vornimmt, um das Nachbargrundstück zu begünstigen. Es ist evident, dass Geschäftsführer und Geschäftsherr hier unterschiedliche Personen sind, und auch sonst ist kein Grund ersichtlich, bei einer solchen Führung objektiv eigener Geschäfte für einen anderen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag abzulehnen. Das Fallbeispiel macht wiederum deutlich, dass die objektive Zuordnung des Geschäfts nicht weiterhilft. Entscheidendes Kriterium ist auch hier die Willensrichtung des Handelnden.
2. Die Bestimmung der Person des Geschäftsführers Sinn und Zweck des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“ ist es auch, die Person des Geschäftsführers festzulegen. Nur wer ein Geschäft gerade „für einen anderen besorgt“, begründet durch seine Tätigkeit das gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB. Die bloße Ausführung eines objektiv fremdnützigen Geschäfts genügt dagegen nicht, um die Voraussetzungen des § 677 BGB zu erfüllen. Dies wird besonders deutlich, wenn der Geschäftsführer von der – allseits anerkannten – Möglichkeit, Hilfspersonen einzuschalten,180 Gebrauch macht. Die Abgrenzung zwischen diesen, die regelmäßig als Angestellte oder Beauftragte für den Geschäftsführer tätig werden, und demjenigen, der Partei des gesetzlichen Schuldverhältnisses wird, kann nur anhand ihrer inneren Einstellung getroffen werden. Äußerlich unterscheiden sich ihre Handlungen nämlich nicht. Beide verrichten Tätigkeiten, die im objektiven Interesse des Geschäftsherrn liegen. Auch das Bewusstsein dieser Begünstigung eines anderen wird regelmäßig noch übereinstimmen. Nur die mit der Handlung verfolgte Absicht unterscheidet sich. Der Geschäftsführer wird freiwillig zugunsten des Geschäftsherrn tätig. Seine Hilfspersonen wollen dagegen (zumindest in erster Linie)181 ihre Pflicht gegenüber dem Geschäftsführer erfüllen. Entscheidend für die Entstehung des Rechtsverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag kann daher in persönlicher Hinsicht nur die So auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (20); Stein, 1973, S. 69 f. Siehe schon oben unter A. I. 181 Zu der Frage, ob daneben noch Raum für einen Fremdgeschäftsführungswillen zugunsten des Geschäftsherrn bleibt, siehe unten unter 3. Teil A. V. 179 180
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subjektive Zwecksetzung der Geschäftsbesorgung sein.182 Die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“ setzt daher einen Fremdgeschäftsführungswillen des Handelnden voraus.
3. Die Rechtfertigung des Aufwendungsersatzes Bejaht man das Vorliegen der Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, führt dies im Ergebnis zu einem Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers.183 Daher kann in die teleologische Auslegung des § 677 BGB auch die Überlegung einfließen, wann diese Rechtsfolge gerechtfertigt ist. Die gerichtliche Praxis zur Geschäftsführung ohne Auftrag wird ganz maßgeblich von diesem Gedanken bestimmt. Der Aufwendungsersatzanspruch steht in der Rechtspraxis im Mittelpunkt des Interesses. In den meisten Urteilen, die sich mit den §§ 677 ff. BGB befassen, geht es gerade um diesen Anspruch des Geschäftsführers.184 In dieser Rolle entfaltet der Anspruch eine gewisse Lenkungswirkung.185 Gewährt man ihn großzügig, gibt man einen starken Anreiz für die Übernahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Wendet man ihn restriktiv an, werden sich potentielle Geschäftsführer eher zurückhalten. Bevor man die eine oder andere Variante befürwortet, muss man sich vor Augen halten, welche zwiespältige Lebenssituation das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag bewältigen muss. Auf der einen Seite soll ein Anreiz geschaffen werden für die Fälle echter Hilfsbereitschaft, in denen sich jemand selbstlos für die Belange eines anderen einsetzt. Auf der anderen Seite soll die unerwünschte und störende Einmischung in fremde Angelegenheiten, mit der der Geschäftsherr nicht einverstanden ist, nicht noch belohnt werden.186 Vor diesem Hintergrund bedarf es einer ausgewogenen Regelung über den Aufwendungsersatz. Wittmann spricht insoweit von der Schadloshaltungsfunktion der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag: Die Anspruchsgrundlage (§§ 683, 670 BGB) setzt weder eine Bereicherung des Geschäftsherrn noch einen Schaden des Geschäftsführers voraus.187 Der Anspruch auf Schadloshaltung beruht vielmehr auf zwei Gesichtspunkten, die kumulativ zusammentreffen müssen: Der Geschäftsführer Zu dieser Überlegung schon Lent, 1909, S. 148 ff. Zu den übrigen Voraussetzungen unten unter 4. Teil B. 184 Wollschläger, 1976, S. 32 („70 – 80 v. H. aller Urteile“). 185 Köndgen, 1999, S. 371 (380 ff., 382 ff., 387 ff.) hat auf der Basis der Anreizfunktion eine eigenständige Theorie der Geschäftsführung ohne Auftrag entwickelt. 186 Vgl. Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 2; Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 2; Esser / Weyers, 2000, § 46 I 1 b), S. 1; Helm, 1983, S. 335 (361 ff.); Kötz, Festschrift für Großfeld, 1999, S. 583 (584 f.); Lent, 1938, S. 12; Oppermann, AcP 193 (1993), 497 (500 ff.); Schmid, 1992, S. 5 ff.; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 6 f., 10. Zur entsprechenden Situation im Römischen Recht schon oben unter II. 1. b) cc). 187 Wittmann, 1981, S. 1, 136 ff. 182 183
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übernimmt freiwillig eine fremdnützige Tätigkeit. Dies entspricht dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn. Diese Regelung ist in sich ausgewogen und im Hinblick auf die Interessen beider Parteien zutiefst gerecht. Zunächst kommt es auf die Sicht des Geschäftsführers an, der bewusst und gewollt „für einen anderen“ tätig wird. Dann nimmt das Gesetz in § 683 BGB die Sicht des Geschäftsherrn in den Blick. Diesem Zusammenspiel beider Normen wird ein subjektives Verständnis des § 677 BGB am besten gerecht. Es besteht kein Anlass, neben der fremdnützigen Absicht ein „fremdes Geschäft“ zu verlangen. Auf den ersten Blick mag es zwar überraschen, dass der Geschäftsführer die Voraussetzungen des § 677 BGB und damit den ersten Schritt zu einem Aufwendungsersatzanspruch selbst „bestimmen“ kann.188 Aber es steht doch tatsächlich in seinem Belieben, für einen anderen tätig zu werden. Er kann frei entscheiden, ob er ein Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführen will. Auch in der Auswahl des Geschäfts ist er völlig frei und nicht etwa darauf beschränkt, ein „fremdes Geschäft“ zu übernehmen. Den Schutz des Geschäftsherrn verwirklicht das Gesetz dann durch die Regelung des § 683 BGB.189 Er wird (ohne seine Genehmigung) nur verpflichtet, wenn die Geschäftsführung seinem Willen und Interesse entspricht. Damit (und ggf. mit den Ansprüchen aus §§ 678, 684 S. 1 BGB) sind seine rechtlichen Interessen ausreichend gewahrt. Es ist nicht erforderlich, schon den Tatbestand des § 677 BGB auf Geschäfte zu beschränken, die einen (wie auch immer gearteten) Bezug zum Geschäftsherrn aufweisen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 677 BGB dienen nicht dem Zweck, die Interessen des Geschäftsherrn zu schützen. Andernfalls könnten die §§ 683 f. BGB leerlaufen.190 Danach hat es der Geschäftsherr selbst in der Hand, die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses zu ermöglichen oder zu verhindern. Auf sein Interesse und seinen Willen kommt es aber erst an, wenn der Grundtatbestand des § 677 BGB erfüllt ist. Deshalb besteht kein Anlass, zu seinem Schutz bestimmte Geschäfte von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag auszuschließen. Eine objektive Fremdgeschäftsführung ist folglich nicht erforderlich. Den Tatbestand des § 677 BGB kann auch verwirklichen, wer ein objektiv eigenes Geschäft besorgt. Diese „Aufgabenverteilung“ zwischen § 677 BGB und § 683 BGB bestätigt auch die prozessuale Situation. Gelingt es dem Aufwendungsersatz beanspruchenden Kläger im Prozess, substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er ein Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen für den Beklagten geführt hat, kann dieser sich immer noch erfolgversprechend verteidigen. Er muss nur das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 683 BGB bestreiten. Erst wenn auch diese bewiesen sind, hat die Klage Aussicht auf Erfolg. In diesem Fall ist es dann So die Kritik von Wollschläger, 1976, S. 47 f. Vgl. Gursky, AcP 185 (1985), 13 (26 f.); Wilburg, AcP 163 (1964), 346 (360 f.); Wittmann, 1981, S. 123 ff. 190 Vgl. auch Stein, 1973, S. 17. 188 189
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
auch gerechtfertigt, dem Geschäftsführer einen Aufwendungsersatzanspruch zu gewähren, da dann die beiden oben ermittelten Gründe für die Schadloshaltung vorliegen. Unter diesen Voraussetzungen besteht mit dem Aufwendungsersatzanspruch ein Anreiz für die erwünschte, hilfreiche Geschäftsführung und eine Sanktion für die abzuwehrende Einmischung in fremde Angelegenheiten. Für § 677 BGB bedeutet dies, dass es maßgeblich auf den Willen des Geschäftsführers bei der Tätigkeit und sein Interesse an ihr ankommt. Dies entspricht dem Zweck des Aufwendungsersatzes, (nur) die in fremdem Interesse übernommene Tätigkeit zu fördern.191 Dieses Ergebnis bestätigt sich auch bei einer rechtsökonomischen Analyse der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag.192 Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise besteht kein Anlass, einen zusätzlichen Anreiz für einen „Geschäftsführer“ zu geben, der ohnehin schon zur Übernahme der Tätigkeit motiviert oder gar verpflichtet ist.193 Die „Belohnung“ durch den Anspruch auf Aufwendungsersatz sollte vielmehr nur demjenigen zukommen, der sich freiwillig und in fremdnütziger Absicht bereiterklärt, eine Handlung für einen anderen auszuführen. Auch unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten ist es demnach sinnvoll, einen „echten“ Fremdgeschäftsführungswillen zu fordern.
4. Das gesetzliche Leitbild der Geschäftsführung ohne Auftrag Bei der teleologischen Auslegung des § 677 BGB ist zu berücksichtigen, welches Gesamtbild des Schuldverhältnisses sich aus den gesetzlichen Regelungen der §§ 677 ff. BGB ableiten lässt. Wird ein solches Leitbild im Gesetz erkennbar, lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen, welche Anforderungen an eine Geschäftsbesorgung „für einen anderen“ zu stellen sind. a) Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag wird nicht nur von den bereits geschilderten Rechtsfolgen geprägt, sondern vor allem auch von den daneben existierenden Nebenpflichten des Geschäftsführers. Sie zeigen, was für ein Wesen das Rechtsverhältnis haben soll. Schon bei der Entscheidung, ob er das Geschäft für den Geschäftsherrn übernehmen soll, hat der Geschäftsführer dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen zu beachten (vgl. § 678 BGB). Entscheidet er sich für die Übernahme der Geschäftsführung, hat er dies dem Geschäftsherrn anzuzeigen, sobald es tunlich ist. Daraufhin muss der Geschäftsführer die Entschlie191 Isele, 1935, S. 57 ff., wollte den Aufwendungsersatz nach dem Anteil des Eigeninteresses abstufen. Nach einer kontinuierlichen Verringerung sollte der Anspruch schließlich völlig wegfallen, wenn das Eigeninteresse ganz im Vordergrund steht (S. 59). 192 Dazu näher Köndgen, 1999, S. 371 (380 ff.). 193 Köndgen, 1999, S. 371 (386). Das übersieht Kötz, Festschrift für Großfeld, 1999, S. 583 (596 f.).
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ßung des Geschäftsherrn abwarten, wenn damit keine Gefahr verbunden ist (§ 681 S. 1 BGB). Kommt es dann zur eigentlichen Ausführung des Geschäfts, werden die Handlungen des Geschäftsführers von der Sorgfaltspflicht des § 677 BGB bestimmt: Das Geschäft ist so zu führen, wie es das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen erfordert. Sodann ist der Geschäftsführer wie ein Beauftragter zu Auskunft und Rechenschaft über das getätigte Geschäft verpflichtet (§§ 681 S. 2, 666 BGB). Schließlich hat der Geschäftsführer gemäß §§ 681 S. 2, 667 BGB alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben und Geld nach Maßgabe von §§ 681 S. 2, 668 BGB zu verzinsen. Diese umfangreichen Pflichten des Geschäftsführers geben dem Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag das Gepräge. Das Leitbild der Geschäftsführung ohne Auftrag beinhaltet demnach die Unterordnung des Geschäftsführers unter die Herrschaft des Geschäftsherrn und seine Bereitschaft, sich an dessen Weisungen zu halten.194 b) Dies erscheint selbstverständlich, wenn man von einem subjektiven Grundtatbestand der freiwilligen Übernahme einer Tätigkeit im Interesse eines Dritten ausgeht. Der Wille, ein Geschäft für einen anderen zu führen, beinhaltet es, dessen Herrschaft über die Ausführung anzuerkennen. Dagegen ist der Geschäftsführer, der lediglich ein objektiv (oder gar „auch“-)fremdes Geschäft ausführt, oftmals nicht gewillt, diesen Pflichten nachzukommen. In diesen Fällen führt die von der Rechtsprechung und von Teilen der Lehre gleichwohl angewandte Vermutungsregelung zu einer Fiktion des Fremdgeschäftsführungswillens, will doch der „Geschäftsführer“ hier gerade nicht „für einen anderen“ (mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten) tätig werden.195 Seine wahre innere Einstellung bleibt aber in Ermangelung einer wirklichen Prüfung des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess unerkannt und damit ohne Folgen für die Entscheidung des Einzelfalls. Dies ist besonders problematisch, wenn der „Geschäftsführer“ einem Dritten gegenüber vertraglich verpflichtet ist. Wollte man hier den Fremdgeschäftsführungswillen unterstellen, würde für den Handelnden eine Pflichtenkollision entstehen.196 Er wäre „Diener zweier Herren“ und u. U. beiden gegenüber schadensersatzpflichtig. Denn die Einhaltung der vertraglich übernommenen Haupt- und Nebenpflichten wird häufig die Beachtung der oben aufgeführten Verpflichtungen eines Geschäftsführers unmöglich machen. 194 Hauß, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 333 (334). Vgl. ferner Medicus, 2004; Rn. 412, 414. Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 29 f. stützt auf diesen Befund seine Theorie von der Geschäftsführung ohne Auftrag als realgeschäftlicher Interessenwahrung im Sinn einer Subordination der Interessen des Geschäftsführers unter die des Geschäftsherrn. 195 Exemplarisch hierfür ist der Fall von BGHZ 65, 354 ff., in dem die Beklagte ausdrücklich einen Verstoß gegen die Anzeigepflicht gerügt hatte. Der BGH lehnte es ab, daraus Rückschlüsse bezüglich des Fremdgeschäftsführungswillens zu ziehen. M. E. handelt es sich aber um ein wichtiges Indiz, siehe unten unter 3. Teil B. III. 2. 196 Aus diesem Grund ablehnend auch OLG Koblenz, NJW 1992, 2367 (2368); LG Landau, NJW 2000, 1046; OLG Stuttgart, OLG-Report 2002, 26 (27).
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
An dieser Fallkonstellation zeigt sich einmal mehr, dass die Anknüpfung der Geschäftsführung ohne Auftrag an die Führung eines objektiv fremden Geschäfts nicht sinnvoll ist. Die Konsequenz aus diesem Befund kann nun aber nicht sein, nur die Fallgruppe einer drohenden Pflichtenkollision aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag auszuschließen.197 Vielmehr zeigt auch dieses Beispiel, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung insgesamt nicht überzeugen kann. Letztlich ist es irrelevant, aus welchem Grund eine Prüfung, die allein die objektiven Umstände berücksichtigt, im jeweiligen Einzelfall nicht zu einem sachgerechten Ergebnis führt. Daher ist die Vermutungslösung der herrschenden Meinung generell zu verwerfen. Sie versperrt den Blick für die entscheidenden Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen einen Fremdgeschäftsführungswillen des Handelnden sprechen. Dazu gehört nach dem gesetzlichen Leitbild der Geschäftsführung ohne Auftrag die freiwillige Übernahme der Pflichten eines Geschäftsführers gemäß §§ 677 ff. BGB und die damit verbundene Unterordnung unter die Herrschaft des Geschäftsherrn. Über eine solche innere Einstellung des Handelnden kann die objektive Zuordnung des Geschäfts keine Auskunft geben. Folglich gebieten es Sinn und Zweck des § 677 BGB auch aus diesem Grund, das tatbestandliche Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens ernst zu nehmen. Er ist nur zu bejahen, wenn der Handelnde ein Geschäft für einen anderen besorgen und grundsätzlich198 die sich daraus ergebenden Pflichten einhalten will.199
5. Das übergesetzliche Leitbild der Geschäftsführung ohne Auftrag Fraglich erscheint noch, ob es daneben möglich ist, ein übergeordnetes Leitmotiv der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag für die Auslegung fruchtbar zu machen. a) Über Hintergrund und Aufgabenstellung der Geschäftsführung ohne Auftrag existieren allerdings völlig konträre Ansichten. Verschiedentlich ist versucht worden, ein übergesetzliches Prinzip der Geschäftsführung ohne Auftrag zu beschreiben, um den teleologischen Hintergrund der Existenz dieses Rechtsinstituts aufzuhellen. Für diesen gedanklichen Ansatz ist vor allem die „Theorie der Menschenhilfe“ zu nennen.200 Danach dient die Geschäftsführung ohne Auftrag aus197 So aber OLG Koblenz, NJW 1992, 2367 (2368); LG Landau, NJW 2000, 1046; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 d, S. 14; Hauß, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 333 (334); Schwark, JuS 1984, 321 (325 ff.); Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 7 (alle für Ausnahme von der Vermutung); Weishaupt, NJW 2000, 1002 (1002 f.) (für teleologische Reduktion des § 677 BGB). 198 Natürlich kommt es auch vor, dass im wirksam entstandenen Schuldverhältnis Pflichten verletzt werden, was zu Schadensersatzansprüchen führen kann. 199 Näher dazu unten unter 3. Teil A. 200 Grundlegend Kohler, Jher.Jb. 25 (1887), 1 (42 ff.).
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schließlich der Honorierung altruistischen Verhaltens201 und scheidet aus, wenn ein Handeln im eigenen Interesse vorliegt.202 Mit diesem Leitbild zwängt man aber die Geschäftsführung ohne Auftrag zu sehr ein, es wird der Vielfalt der Lebenssachverhalte nicht gerecht. Das Motiv der Menschenhilfe kann auch nicht auf die römisch-rechtliche Tradition gestützt werden.203 Dort waren, wie gezeigt, amicitia und officium die wichtigsten Hintergründe der negotiorum gestio. Daher wurde die Theorie der Menschenhilfe schon bei den Beratungen zum BGB verworfen. Dem inneren Beweggrund des Handelns sollte keine Bedeutung für den Tatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag zukommen.204 Auch im Schrifttum konnte sich die Theorie der Menschenhilfe nach dem Inkrafttreten des BGB nicht durchsetzen.205 Hier finden sich zahlreiche Akzentuierungen eines Leitbilds der Geschäftsführung ohne Auftrag, das sich auf die Absichten des Geschäftsführers bezieht.206 Weitgehende Übereinstimmung besteht nur insoweit, dass das BGB keine altruistische Gesinnung von einem Geschäftsführer verlangt. Schließlich stellt auf der anderen Seite Wollschlägers „Zuständigkeitstheorie des fremden Geschäfts“ die Kohlers Theorie entgegengesetzte Extremposition dar.207 Hiernach fehlt es an jedem übergeordneten Motiv, die §§ 677 ff. BGB sollen lediglich der Folgenzurechnung auf die zuständige Person dienen. b) In Anbetracht dieser unterschiedlichen Auffassungen wird deutlich, dass und warum ein übergesetzlicher Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht für die Auslegung des § 677 BGB herangezogen werden kann. Da völlige Uneinigkeit über die übergeordnete Aufgabenstellung der Geschäftsführung ohne Auftrag besteht, existiert kein anerkanntes Leitmotiv der Regelung, das für die Auslegung der einzelnen Normen fruchtbar gemacht werden könnte. Folglich lässt sich hier nur berücksichtigen, was Eingang in den Gesetzestext gefunden hat. Demnach ist es nur möglich, aus dem gesicherten Bereich der Vorschriften der §§ 677 ff. BGB – wie oben geschehen – Rückschlüsse auf ein Gesamtbild der Geschäftsführung ohne Auftrag zu ziehen. Der umgekehrte Weg muss dagegen in Ermangelung eines allgemein anerkannten Leitmotivs versagen.208 Eigentlich in sich widersprüchlich, vgl. Köndgen, 1999, S. 371 (382). Kohler, Jher.Jb. 25 (1887), 1 (94 f.). Vgl. auch v. Caemmerer, NJW 1963, 1402 (1403); Schröder / Bär, Jura 1996, 449 (451); Stamm, 2000, S. 108. 203 Siehe auch Wittmann, 1981, S. 5 f. 204 Vgl. Motive, Bd. 2, S. 868 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 485; Protokolle, Bd. 2, S. 741 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1202; dazu Wollschläger, 1976, S. 34 ff. 205 Vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 16 f.; Gursky, JurAn 1969, 103 (113 f.); Klatt, 2001, S. 32 f.; Müller, 1980, S. 62 f., 200 ff.; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (428 ff., 454); MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677, Rn. 1 f.; Sippel, 2005, S. 34, 225 ff.; Stein, 1973, S. 52 mit Fußn. 4; Suderow, 2005, S. 39 ff.; Wittmann, 1981, S. 137, 164. 206 Siehe die zuvor Genannten. 207 Wollschläger, 1976, S. 52 ff. 208 Vgl. schon Windscheid, 1882, § 430 mit Fußn. 17, wonach der „selbständige Rechtssatz“ der „Zurückführung auf ein höheres Prinzip“ nicht bedürfe. 201 202
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
6. Das Erfordernis der Rechtssicherheit Sprechen viele der bisherigen Überlegungen für ein subjektives Verständnis des § 677 BGB, ist nun noch zu untersuchen, ob dieses Ergebnis auch für die Rechtspraxis einen gangbaren Weg darstellen würde.209 a) Im Schrifttum wird vielfach die Sorge deutlich, ein subjektives Verständnis des § 677 BGB sei für den Rechtsanwender nicht praktikabel.210 Dieser Gedanke ist wohl auch der Beweggrund für die Objektivierung des Fremdgeschäftsführungswillens211 in den Theorien Wittmanns212 und Bergmanns213, die grundsätzlich von der Geschäftsführungsabsicht als der wesentlichen Voraussetzung der Geschäftsführung ohne Auftrag ausgehen. Zur Begründung wird angeführt, ein obligationsbegründendes Tatbestandsmerkmal „Fremdgeschäftsführungswille“ berge die Gefahr der Manipulierbarkeit.214 Der Geschäftsführer könne sich im Nachhinein gewissermaßen selbst einen Aufwendungsersatzanspruch verschaffen. Dieser Anspruch dürfe aber sinnvollerweise nicht vom Willen des Handelnden abhängen, sondern müsse sich nach den objektiven lastenverteilenden Normen richten.215 Diese Bedenken greifen jedoch letztlich nicht durch. Soweit sie lediglich auf vermeintliche Beweisprobleme gestützt sind, erscheinen sie schon methodisch fragwürdig. Die Frage der prozessualen Erweislichkeit kann für die Auslegung des materiellen Rechts keine entscheidende Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus ist die Sorge der überwiegenden Ansicht aber auch in ihrem Ausgangspunkt unzutreffend. Zum einen erfordert die Subsumtion verschiedenster Tatbestände aus allen Rechtsgebieten die Beurteilung der Willensrichtung des Handelnden.216 Die Gerichte sind also mit der Aufgabe, das Vorliegen subjektiver Tatbestandsmerkmale zu untersuchen, durchaus vertraut. Außergewöhnliche Beweisschwierigkeiten sind daher auch dann nicht zu erwarten, wenn man den Fremdgeschäftsführungswillen als das entscheidende Tatbestandsmerkmal des § 677 BGB ansehen würde. Zum zweiten ist der Beweis, sollte der Fremdgeschäftsführungswille vor Gericht streitig werden, nach allgemeinen Regeln Sache des Aufwendungsersatz beanspruchenden Geschäftsführers. Die Gegenansicht, die die Gefahr der Manipulier209 Bei der teleologischen Auslegung einer Norm ist stets auch das Erfordernis der Rechtssicherheit zu bedenken, vgl. nur Bydlinski, 1991, S. 454. 210 Brückmann, 1903, S. 54; Staudinger / Martinek, 2005, Eckpfeiler, S. 817; Martinek / Theobald, JuS 1997, 612; Müller, 1980, S. 211 ff.; Schwark, JuS 1984, 321 (322). 211 Dazu schon oben unter 2. Teil A. II. 3. 212 Vgl. Wittmann, 1981, S. 65. 213 Vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 31. 214 Schubert, AcP 178 (1978), 425 (434). 215 Wollschläger, 1976, S. 47 f. 216 Beispielsweise §§ 123, 826 BGB, §§ 15, 242, 263 StGB, §§ 45 Abs. 2 S. 3, 48 Abs. 1 S. 2 SGB X, § 48 Abs. 2 VwVfG.
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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barkeit durch den Geschäftsführer befürchtet, verkennt, dass der Kläger seinen Fremdgeschäftsführungswillen nicht nur behaupten muss, sondern er selbst das Risiko trägt, das Gericht vom Vorliegen des Tatbestandsmerkmals zu überzeugen. Die Führung dieses Beweises setzt voraus, dass der Wille, für den Geschäftsherrn tätig zu werden, erkennbar nach außen in Erscheinung getreten ist oder Indizien vorliegen, die eine Eigengeschäftsführung ausschließen.217 Drittens sind die Interessen des Geschäftsherrn auch dann nicht gefährdet, wenn der Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens gelingt. Der Schutz des Geschäftsherrn vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme wird, wie oben gezeigt,218 durch die Voraussetzungen des § 683 BGB hinreichend gewährleistet.219 Der Geschäftsführer hat demnach weiterhin darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprach. b) Daneben ist es nicht ersichtlich, dass die Vermutungslösung der herrschenden Meinung die geforderte Rechtssicherheit bieten könnte. Zum einen ist ihr Anknüpfungspunkt völlig unklar. Der zentrale Begriff des objektiv fremden Geschäfts ist bislang nicht geklärt. Schon die Motive wollten die Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften aufgeben, weil sich der Begriff des objektiv fremden Geschäfts nicht definieren lasse,220 was im Schrifttum ausdrücklich Zustimmung fand.221 Dieses Dilemma besteht bis heute – eine abstrakte und allgemeingültige Definition des nach herrschender Rechtsprechung und Lehre zentralen Tatbestandsmerkmals existiert nicht.222 Ebenso ungeklärt ist, unter welchen Voraussetzungen man noch von einem „auch-fremden“ Geschäft ausgehen kann, das dank seiner Vermutungswirkung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ebenfalls ohne weiteres den Tatbestand des § 677 BGB erfüllen soll.223 Dies führt zu den eingangs geschilderten Problemen, zu widersprüchlichen und nicht berechenbaren Entscheidungen in der Rechtsprechung. Den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers an eine derart vage Voraussetzung zu knüpfen, bietet gegenüber den von der Gegenansicht kritisierten Beweisschwierigkeiten, die Tatbestände mit subjektiven Merkmalen naturgemäß eher betreffen können, im Hinblick auf die zu fordernde Rechtssicherheit keinen Vorteil. Folglich kann auch 217 Ähnlich Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 c, S. 12; Stein, 1973, S. 40 f. Siehe näher unten unter 3. Teil B. III. 2. 218 Unter 2. Teil B. IV. 3. 219 Ebenso Stein, 1973, S. 41. 220 Motive, Bd. 2, S. 856 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478. 221 Isele, 1935, S. 162 f.; Jakobs, 1964, S. 94 mit Fußn. 113. Vgl. auch Stein, 1973, S. 123 mit Fußn. 5. 222 Vgl. Esser / Weyers, 2000, § 46 II, S. 8; Hader, 2006, S. 47 f.; Helm, 1983, S. 335 (368 f.); Schwerdtner, Jura 1982, 593 (594); ferner Gursky, JurAn 1969, 103 (104 ff.) mit Beispielen. 223 Vgl. einerseits BGHZ 65, 354 (357 ff.); BGHZ 110, 313 (315); andererseits BGHZ 62, 186 (188 f.); OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 850.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
die Praktikabilität keine Objektivierung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 677 BGB begründen. Zum zweiten fehlt es der von Rechtsprechung und herrschender Lehre vertretenen Konzeption an der Überschaubarkeit der Grenzen des Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag.224 Eine solche klare Abgrenzung ist jedoch für die Gewährleistung von Rechtssicherheit unerlässlich. Der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. BGB ist nun aber derart ausgeufert, dass das gesetzliche Schuldverhältnis zu einem „konturenlosen Auffangtatbestand“225 geworden ist.226 Kritikwürdig ist vor allem, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem heute herrschenden Verständnis in Konkurrenz zu zahlreichen anderen Rechtsinstituten des Schuldrechts tritt. Damit verliert sie aber ihren eigenständigen Wesensgehalt und wird letztlich sinnlos.227 An erster Stelle der in der heutigen Rechtspraxis von der Geschäftsführung ohne Auftrag überlagerten Regelungsgebiete ist das Bereicherungsrecht zu nennen, aber auch die Gesamtschuld und öffentlich-rechtliche Ausgleichsmechanismen sind betroffen.228 Die diesen Rechtsinstituten zugrundeliegenden Wertungen werden aber übergangen, wenn sie von einem umfassenden Ausgleichsrecht der Geschäftsführung ohne Auftrag verdrängt werden. Liegen die speziellen Voraussetzungen (etwa der Leistungskondiktion) nicht vor, lässt sich das gewünschte Ergebnis so immer noch durch die Anwendung der §§ 677 ff. BGB erreichen. Auf diese Weise werden anerkannte Rechtsgrundsätze (etwa des Bereicherungsausgleichs im Dreiecksverhältnis) überdeckt. So steht der grundsätzliche Vorrang der Rückabwicklung im Rahmen freiwillig gewählter Vertragsverhältnisse nicht nur einer direkten Durchgriffskondiktion, sondern auch einem direkten Ausgleichsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag entgegen. Andernfalls kann es zum Verlust von Einwendungen und zu einer Verschiebung des Insolvenzrisikos kommen.229 Zudem macht die Ausdehnung der Geschäftsführung ohne Auftrag die Abgrenzung der verschiedenen Regelungsmaterien völlig unklar und auf der Basis der Rechtsprechung des BGH wohl auch unmöglich. Eine Auslegung, die zu einem solchen Ergebnis führt, verstößt aber gegen die grundlegenden Anforderungen an die Rechtssicherheit und ist schon aus diesem Grund abzulehnen. c) Im Interesse der Rechtssicherheit gilt es, die Geschäftsführung ohne Auftrag auf ihr originäres Aufgabengebiet zurückzuführen. Aus diesem Grund wird im 224 Insofern ebenfalls kritisch Schubert, AcP 178 (1978), 425 (435 f.), der jedoch andere Konsequenzen zieht. Siehe dazu sogleich. 225 D. Giesen, Jura 1996, 225 (226). 226 Zu dieser Situation schon oben unter 1. Teil A. 227 Vgl. insoweit auch die Kritik von Köndgen, 1999, S. 371 (376 f.). 228 Die damit verbundenen Abgrenzungsprobleme zeigt beispielhaft das Urteil des AG Krefeld, NJW 1978, 722 f. 229 Vgl. Hauß, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 333 (334); Schubert, AcP 178 (1978), 425 (437, 442).
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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Schrifttum auch fast einhellig eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag gefordert.230 Uneinigkeit besteht allerdings über den dafür einzuschlagenden Weg. aa) Bisherige Lösungsversuche haben fast durchweg einen objektiven Ansatzpunkt gewählt.231 Danach soll der weite Anwendungsbereich der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag durch eine Modifikation der „Fremdheit des Geschäfts“ als Tatbestandsmerkmal des § 677 BGB beschränkt werden. Demnach soll es an einem fremden Geschäft in diesem Sinn fehlen, wenn der Geschäftsführer zur Vornahme der Handlung bereits verpflichtet war, sei es durch Vertrag mit einem Dritten, sei es aufgrund öffentlich-rechtlicher Regelungen oder aus anderen Gründen.232 Im Ergebnis führt dies dazu, die sog. „auch-fremden“ Geschäfte aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag auszuschließen233 oder bei ihnen zumindest die Vermutungswirkung zu beschränken.234 bb) Dieser objektive Lösungsansatz vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn er findet keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes. Eine Beschränkung auf „ausschließlich fremde Geschäfte“ lässt sich der Vorschrift des § 677 BGB noch weniger entnehmen als das inhaltsleere Kriterium des (objektiv oder subjektiv oder „auch-“)fremden Geschäfts des BGH. Damit handelt es sich um eine ergebnisorientierte Ausgrenzung von Einzelfällen oder Fallgruppen aus dem im Übrigen objektiv verstandenen Tatbestand ohne jeden normativen Anknüpfungspunkt. Dem ist nicht zu folgen. Vielmehr haben die bisherigen Ausführungen zur Auslegung des § 677 BGB ergeben, dass ein subjektives Verständnis der Norm näher liegt. Und hier liegt auch die – schon im Tatbestand des § 677 BGB angelegte – Möglichkeit zur Beschränkung des weiten Anwendungsbereichs der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Die im Hinblick auf die Rechtssicherheit zu verlangende Überschaubarkeit der Grenzen des Rechtsinstituts ergibt sich ohne weiteres, wenn man das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens ernst nimmt. Die Voraussetzungen des § 677 BGB sind dann nur erfüllt, wenn der Geschäftsführer tatsächlich „für einen anderen“ handeln will. Im Ergebnis werden damit freilich in aller Regel dieselben Fälle aus dem Anwendungsbereich ausgeschieden wie von der Gegenansicht, was ja auch wünschenswert ist. Denn wer bewusst tätig wird, um eine ihm obliegende Verbindlichkeit zu erfüllen, handelt eigennützig und nicht für den Geschäftsherrn.235 230 Siehe nur Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 13 ff.; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2, S. 10 ff.; Medicus, 2004, Rn. 412 f.; Schubert, AcP 178 (1978), 425 ff.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 20 f. 231 Siehe nur oben unter 2. Teil A. II. 2. und die Nachweise in den folgenden Fußnoten. 232 Schubert, AcP 178 (1978), 425 (435 ff.); ferner Neuffer, 1970, S. 44 ff., 83, der in diesen Fällen aber zusätzlich auch den Fremdgeschäftsführungswillen verneint, vgl. S. 84 f. 233 So u. a. Neuffer, 1970, S. 44 ff., 83 ff.; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (437 ff.). 234 So u. a. Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 10; Schwark, JuS 1984, 321 (325 ff.). 235 Ebenso Gursky, AcP 185 (1985), 13 (38 f.). Näher dazu unten unter 3. Teil A. V.
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2. Teil: Der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB
Nach alledem gebietet gerade auch die Rechtssicherheit eine subjektive Auslegung des § 677 BGB. Nur auf diese Weise lässt sich der Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag sinnvoll beschränken, um zu einem überschaubaren und unterscheidbaren Rechtsinstitut zu gelangen. Dem stehen auch die Anforderungen der Rechtspraxis nicht entgegen.
V. Zusammenfassung und Ergebnis Der Tatbestand des § 677 BGB ist subjektiv zu verstehen. Das bedeutet, dass es entscheidend auf den Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers ankommt. Führt jemand ein Geschäft ohne dazu i. S. d. § 677 BGB berechtigt zu sein, ist es unerheblich, wie man dieses Geschäft nach objektiven Kriterien einordnen könnte. Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 677 BGB ohne weiteres erfüllt, wenn der Handelnde mit Fremdgeschäftsführungswillen tätig geworden ist. In diesem Sinn kann man dem Fremdgeschäftsführungswillen tatsächlich „obligationsbegründende Kraft“236 zusprechen. Ein objektives Tatbestandsmerkmal, das diese Wirkung haben könnte, ist dagegen aus den genannten Gründen nicht ersichtlich. Das gesetzliche Schuldverhältnis entsteht aber nur, wenn – über das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens hinaus – auch die beiden oben erläuterten objektiven Tatbestandsmerkmale gegeben sind.237 Neben dem „auftraglosen“ Besorgen eines Geschäfts enthält der Tatbestand des § 677 BGB also keine weitere objektive Voraussetzung.238 Insbesondere kennt die („echte“) Geschäftsführung ohne Auftrag nicht das Erfordernis der Führung eines „fremden Geschäfts“. Wollte man darunter nur objektiv fremde Geschäfte verstehen, ließe sich dies mit dem hier gefundenen Auslegungsergebnis nicht vereinbaren. Fasste man den Begriff weiter, so wäre er sinnlos, weil damit keine Eingrenzung verbunden wäre.239 Die tatsächliche Besonderheit der Fälle, in denen es gerechtfertigt ist, zwischen dem Handelnden und dem Begünstigten eine schuldrechtliche Sonderverbindung entstehen zu lassen, liegt bei der Geschäftsführung ohne Auftrag vielmehr im Vorhandensein des Fremdgeschäftsführungswillens des Geschäftsführers. Dieses Ergebnis wird von allen Auslegungskriterien getragen. Zwar haben sich aus der Untersuchung des Wortlauts und der Vorgeschichte der Norm im Römischen Recht nur schwache Anhaltspunkte für ein subjektives Verständnis ergeben. Schon die eigentliche Entstehungsgeschichte des § 677 BGB spricht aber deutlich für eine subjektive Auslegung der Norm. Der Gesetz gewordenen Fassung des TatVgl. Gursky, AcP 185 (1985), 13 (21). Darüber hinaus sind die Anforderungen des § 683 BGB zu beachten. Zu der streitigen Frage, welche Tatbestandsvoraussetzungen konstitutiv für die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB sind, siehe unten den 5. Teil. 238 So auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (14 ff.); Stein, 1973, S. 24; Wittmann, 1981, S. 21 ff. 239 Schließlich könnte dann jedes Geschäft zum „fremden Geschäft“ werden. 236 237
B. Eigene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“
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bestands lag die bewusste Entscheidung für eine subjektive Konzeption der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde. Die Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften sollte dagegen keine Bedeutung mehr haben. Den Ausschlag für die Entscheidung geben dann schließlich systematische und teleologische Argumente. So zeigt § 687 BGB, dass die Übernahme und Ausführung objektiv fremder Geschäfte allein noch keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 677 BGB bieten kann. Entscheidend muss vielmehr das subjektive Merkmal des § 677 BGB sein, das dann über das bloße Fremdgeschäftsführungsbewusstsein hinausgehen muss. Weiterhin wurde gezeigt, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag auftragsähnlich und damit vertragsähnlich ausgestaltet ist. An die Stelle zweier übereinstimmender Willenserklärungen tritt der übereinstimmende natürliche Wille des Geschäftsführers und des Geschäftsherrn. Dies erfordert den Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers gemäß § 677 BGB auf der einen und den geäußerten oder hypothetischen Willen des Geschäftsherrn gemäß §§ 683 f. BGB auf der anderen Seite. Nur unter der Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens ist dann auch der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers teleologisch gerechtfertigt. Bei der Begründung dieser Rechtsfolge der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag hat sich erneut das Zusammenspiel von § 677 BGB und § 683 BGB gezeigt, dem ein subjektives Verständnis des § 677 BGB am besten entspricht. Dieses Ergebnis ist auch durch die Analyse der Pflichten des Geschäftsführers gestützt worden, die ergeben hat, dass das gesetzliche Leitbild der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag die Unterordnung des Geschäftsführers unter die Herrschaft des Geschäftsherrn über die Geschäftsbesorgung beinhaltet. Der Tatbestand des § 677 BGB setzt demnach die Bereitschaft voraus, sich an die Weisungen des Geschäftsherrn zu halten. Dies erfordert dann wiederum einen „echten“ Fremdgeschäftsführungswillen auf Seiten des Geschäftsführers. Schließlich ist dargelegt worden, dass auch die Rechtssicherheit in der praktischen Anwendung eher durch eine subjektive als durch eine objektive Auslegung des § 677 BGB gewährleistet wird. Denn die Beschränkung auf das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens führt einerseits zu einer unproblematischen Einbeziehung der Führung objektiv eigener Geschäfte in den Anwendungsbereich der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, soweit dies gerechtfertigt ist. Andererseits und vor allem bewirkt die wirkliche Prüfung des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 677 ff. BGB. Durch diese Präzisierung der materiellrechtlichen Voraussetzungen werden die Grenzen des Rechtsinstituts wieder sichtbar und die Rechtsanwendung wird überschaubar und vorhersehbarer.
3. Teil
Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens Ergebnis der Auslegung des § 677 BGB ist, dass der Fremdgeschäftsführungswille das maßgebliche Tatbestandsmerkmal der Norm ist. Als subjektive Tatbestandsvoraussetzung nicht ausreichend ist dagegen nach dem oben Gesagten ein bloßes Fremdgeschäftsführungsbewusstsein. Aus diesem Grund ist die Prüfung des Fremdgeschäftsführungswillens – nach der hier vertretenen Konzeption – für die Praxis von größter Bedeutung. Dies macht es erforderlich, diesen Begriff genauer zu erfassen. Für die Rechtsanwendung bedarf er einer Definition, um subsumtionsfähig zu sein. Daher soll im Folgenden näher auf Inhalt und Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens eingegangen werden.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs Der Fremdgeschäftsführungswille ist als subjektive Tatbestandsvoraussetzung naturgemäß schwerer abstrakt und allgemeingültig zu definieren. Im Folgenden soll versucht werden, die erforderliche innere Einstellung des Geschäftsführers möglichst genau zu umschreiben. Die Absichten, die der Handelnde mit der Geschäftsführung verbindet, sind dann in jedem Einzelfall in ihrer besonderen Ausprägung zu untersuchen. Das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens ist Tatfrage. Der Richter ist notfalls darauf angewiesen, im Rahmen einer Beweisaufnahme seine Überzeugung zu bilden.
I. Grundlagen 1. Kein Rechtsgeschäft Weitreichende Einigkeit besteht zunächst insoweit, dass der Fremdgeschäftsführungswille nicht rechtsgeschäftlicher Natur ist.1 Wie jedes gesetzliche Schuldverhältnis entsteht die Geschäftsführung ohne Auftrag unabhängig vom Vorliegen 1 So ausdrücklich Lent, 1909, S. 135; Melullis, 1971, S. 59 f.; Müller, 1980, S. 209; Stein, 1973, S. 34 f. Anders für das „subjektiv fremde Geschäft“ Wollschläger, 1976, S. 72.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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entsprechender Willenserklärungen.2 Demzufolge sind auch die §§ 104 ff. BGB hier nicht anwendbar.3 Dies ergibt sich auch aus § 682 BGB, der ohne weiteres davon ausgeht, dass auch Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige Geschäftsführer sein können und für diesen Fall lediglich die Rechtsfolgen modifiziert. Zu prüfen ist folglich eine „echte“ innere Tatsache, der natürliche Wille des Handelnden. 2. Das voluntative Element Versucht man nun, den erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen inhaltlich näher zu beschreiben, ist zunächst festzuhalten, dass die (materiellrechtlichen) 4 Anforderungen an das Vorhandensein dieser inneren Tatsache nicht davon abhängen können, ob der Geschäftsführer ein objektiv fremdes, neutrales oder eigenes Geschäft führt.5 Nach der hier vertretenen Konzeption ist die objektive Einordnung eines Geschäfts für den Tatbestand des § 677 BGB ohne Bedeutung. Die Auslegung der Norm hat ergeben, dass insoweit eine rein subjektive Prüfung vorzunehmen ist. Jede Objektivierung in diesem Punkt liegt dem Gesetz fern. Dieses rechtliche Ergebnis stimmt auch mit der Lebenswirklichkeit überein. Untersucht man nämlich die subjektiven Voraussetzungen für den Fremdgeschäftsführungswillen ohne Rücksicht auf objektive Gegebenheiten, zeigt sich, dass der Fremdgeschäftsführungswille im Einzelfall in jeder denkbaren objektiven Konstellation vorliegen, aber auch fehlen kann.6 Also muss die Bewertung der inneren Einstellung des Geschäftsführers unabhängig von der Frage erfolgen, was für ein Geschäft er geführt hat. Der Fremdgeschäftsführungswille setzt daher in jedem Fall voraus, dass der Handelnde das Geschäft bewusst und gewollt für einen anderen vornimmt. Sein Fremdgeschäftsführungswille ist demnach zu bejahen, wenn er das Verlustrisiko 2 Siehe nur Esser / Weyers, 2000, § 46 II 1 b, S. 7; MünchKomm / Kramer, 2003, Bd. 2a, Einl. Rn. 61; Larenz / Wolf, 2004, § 13 Rn. 13; Neuffer, 1970, S. 6, 25; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 2; Stein, 1973, S. 35, 40. 3 Im älteren Schrifttum wurde dagegen verbreitet die Übernahme der Geschäftsführung als geschäftsähnliche Handlung angesehen, auf die die §§ 104 ff. BGB entsprechend anzuwenden seien. Heute wird dies allenfalls für die Fälle vertreten, in denen der Handelnde (gegenüber einem Dritten) rechtsgeschäftlich tätig wird (so etwa Erman / Ehmann, 2004, § 682 Rn. 2). Auch dies vermag jedoch nicht zu überzeugen, da es hier um den Charakter der Geschäftsübernahme geht, also um das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn. Zwischen diesen ist die Geschäftsbesorgung jedoch stets nur tatsächliches Tun (Jauernig / Mansel, 2004, § 682 Rn. 2; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 2). Das ggf. separat zu beurteilende Rechtsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und einem Dritten richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Eines verstärkten Minderjährigenschutzes bedarf es dabei nicht (so auch Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 33; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1269). Eingehend zu diesem Problemkreis Klatt, 2001, S. 96 ff., 214 ff. 4 Zur Beweissituation unten unter B. 5 Ebenso Gursky, AcP 185 (1985), 13 (29); anders etwa Neuffer, 1970, S. 23 ff. 6 Zu typischen Problemfällen unten unter V. und VI.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
(Kosten) und die Gewinnchance (Nutzen) seiner Tätigkeit nicht selbst tragen, sondern auf eine andere Person übertragen möchte. Geschäftsführer ist also, wer ein beliebiges Geschäft besorgt und dabei will, dass der rechtliche oder wirtschaftliche Erfolg der vorgenommenen Handlung einer anderen Person zugutekommt.7 In Rechtsprechung und Literatur finden sich für diese innere Einstellung des Geschäftsführers die unterschiedlichsten Bezeichnungen, die allerdings in aller Regel keine inhaltliche Abweichung ausdrücken. Man spricht von einer Tätigkeit „in dem Bewusstsein und mit dem Willen, zumindest auch im Interesse eines anderen zu handeln“8, vom „Handeln in fremdnütziger Absicht“9, von dem „Willen, zum Vorteil eines anderen tätig zu werden“10, von einer „fremdnützigen Interessenwahrnehmung“11 oder von der Vornahme des Geschäfts „für Rechnung eines anderen“12. Dieser „andere“ muss in der Vorstellung des Geschäftsführers nicht konkretisiert sein. Wie bereits dargelegt,13 braucht sich der Handelnde keine Gedanken über die Identität des Geschäftsherrn zu machen. Der Geschäftsführer muss also lediglich die Absicht haben, in fremdem Interesse tätig zu werden.14 Diese inhaltliche Beschreibung der zu untersuchenden Anforderungen macht deutlich, dass das voluntative Element der inneren Einstellung des Geschäftsführers entscheidend ist. Diese Gewichtung ist auch notwendig, um den Fremdgeschäftsführungswillen von einem bloßen Fremdgeschäftsführungsbewusstsein abzuheben, das nach dem oben Gesagten nicht ausreicht, um den subjektiven Tatbestand des § 677 BGB zu erfüllen. Sie lässt sich also letztlich schon aus dem Wortsinn des Rechtsbegriffs ableiten. 3. Das kognitive Element Problematisch ist, inwieweit daneben für den Fremdgeschäftsführungswillen kognitive Elemente erforderlich sind. Dabei soll hier zunächst erörtert werden, welche Anforderungen an das Bewusstsein des Geschäftsführers bezüglich der beabsichtigten Fremdnützigkeit seiner Tätigkeit zu stellen sind.15 Nach einer grundlegenden Untersuchung Lents tritt neben das voluntative Element noch eine bestimmte Vorstellung des Geschäftsführers. Dieser müsse davon ausgehen, dass die Ähnlich Wollschläger, 1976, S. 74. BGHZ 16, 12 (13); BGHZ 65, 354 (357); BGHZ 114, 248 (249 f.); BGH, NJW 2000, 72; BGH, WM 2002, 97. 9 Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 35. Ähnlich schon Lent, 1909, S. 124. 10 Stein, 1973, S. 38. 11 Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 172. 12 Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 4. 13 Oben unter 2. Teil B. III. 2. 14 Ähnlich Wittmann, 1981, S. 21 ff. Genauer dazu unten unter 4. Teil A. IV. 15 Sodann wird unten unter 4. der Frage nachgegangen, ob daneben ein Vorsatzerfordernis hinsichtlich der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 677 BGB besteht. 7 8
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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Übernahme der Geschäftsbesorgung durch ihn dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht.16 Sei ihm dessen Wille bekannt, könne er sich regelmäßig daran orientieren. Der Handelnde dürfe jedoch nicht tätig werden, wenn er selbst davon ausgeht, dass das vom Geschäftsherrn gewollte dessen Interesse zuwiderläuft. An der subjektiven Voraussetzung des § 677 BGB fehle es also, wenn der „Geschäftsführer“ bewusst zum Schaden des Geschäftsherrn handelt, um ihm Nachteile zuzufügen.17 Dem ist – in dieser vorsichtigen Form – zuzustimmen. Der Geschäftsführer muss in der Überzeugung handeln, seine Geschäftsführung diene dem Nutzen des Geschäftsherrn.18 Dies ergibt sich aus dem Charakter der Geschäftsführung ohne Auftrag als fremdnütziges Schuldverhältnis. Es ist bereits dargelegt worden, dass das Rechtsinstitut von den in §§ 677 ff. BGB normierten Pflichten des Geschäftsführers geprägt wird.19 Sie lassen eine untergeordnete Stellung des Handelnden erkennen; die Herrschaft über die Geschäftsbesorgung soll bei dem Geschäftsherrn liegen. Dessen Interessen zu wahren, ist Ziel dieser Ausgestaltung der Geschäftsführung ohne Auftrag. In diesem Bewusstsein muss ein Geschäft übernommen worden sein, um die Voraussetzungen des § 677 BGB zu erfüllen. Geschäftsführer kann daher nur sein, wer annimmt, zugunsten einer anderen Person, also in ihrem Interesse, zu handeln. Teilweise geht man aber im Schrifttum darüber noch hinaus und verlangt, dass der Geschäftsführer in dem Bewusstsein handelt, Interesse und Wille des Geschäftsherrn zu beachten.20 Danach würde der Fremdgeschäftsführungswille die Bereitschaft voraussetzen, sich von vornherein auch dem Willen des Geschäftsherrn unterzuordnen. Der Handelnde müsste also davon ausgehen, der Geschäftsherr sei mit der Übernahme des Geschäfts einverstanden. Diese Ansicht überspannt jedoch die Anforderungen an den Fremdgeschäftsführungswillen. Eine derart strenge subjektive Tatbestandsvoraussetzung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Im Gegenteil: § 678 BGB zeigt, dass der (dort vorausgesetzte) Grundtatbestand des § 677 BGB auch dann erfüllt sein kann, wenn der Geschäftsführer erkennen musste, dass die Übernahme der Geschäftsführung nicht mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in Einklang steht. Zudem greift § 678 (über seinen Wortlaut hinaus) nach einhelliger Ansicht21 erst recht auch dann ein, wenn dem Geschäftsführer nicht nur grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, sondern er den Widerspruch zum Willen des Geschäftsherrn sogar erkannt hat.22 In einem solchen Lent, 1909, S. 124. Lent, 1909, S. 125. 18 So auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (29); ähnlich Larenz, 1986, § 57 I a, S. 443. 19 Oben unter 2. Teil B. IV. 4. a). 20 M. Wolf, AcP 166 (1966), 188 (217). 21 Siehe nur Staudinger / Bergmann, 2006, § 678 Rn. 13; MünchKomm / Seiler, 2005, § 678 Rn. 6; Palandt / Sprau, 2007, § 678 Rn. 3. 22 Dafür auch schon die Motive, Bd. 2, S. 857 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 479. 16 17
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
Fall soll es also nicht schon an den Voraussetzungen des § 677 BGB fehlen. Vielmehr geht das Gesetz von einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag aus, die zu der strengen Haftung des Geschäftsführers gemäß § 678 BGB führt. Damit zeigt § 678 BGB, dass eine Unterordnung unter den Willen des Geschäftsherrn nicht zwingende Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens sein kann.23 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 677, 2. Hs. BGB, da diese Rechtsfolge lediglich die Ausführung eines bereits mit Fremdgeschäftsführungswillen übernommenen Geschäfts betrifft. Es ist also auch der böswillige Geschäftsführer denkbar, der zwar bewusst und gewollt objektiv fremdnützig (und damit mit Fremdgeschäftsführungswillen) handelt, aber von vornherein weiß, dass die Geschäftsbesorgung nicht dem individuellen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Beispiel: H hat ein Hausgrundstück mit einem gepflegten Blumengarten erworben und sogleich geäußert, er werde den Garten verwildern lassen, um ein Biotop entstehen zu lassen. Als H in dem heißen und trockenen Sommer des Jahres 2003 in den Urlaub fährt, gießt und düngt Nachbar N die Blumen und entfernt das seit dem Einzug des H gewachsene „Unkraut“, obwohl ihm bewusst ist, dass H damit wahrscheinlich nicht einverstanden wäre.
In solchen Fällen greift die Schadensersatzpflicht des § 678 BGB ein, die allerdings in der Praxis nur sehr geringe Bedeutung hat. Es handelt sich um einen absoluten Ausnahmefall. Prototyp des Geschäftsführers bei der Geschäftsführung ohne Auftrag ist dagegen der gutwillig Handelnde, der bereit ist, sich Interesse und Willen des Geschäftsherrn unterzuordnen. Diese innere Einstellung ist daher zwar nicht Voraussetzung für den Fremdgeschäftsführungswillen, aber doch ein starkes Indiz für sein Vorliegen.24
4. Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestands Ferner könnte man als Bestandteil des Fremdgeschäftsführungswillens an ein Vorsatzerfordernis (im Sinn von Wissen und Wollen) hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale des § 677 BGB denken. a) Dies macht keine Probleme für den Vorsatz bezüglich der Besorgung eines Geschäfts. Der Geschäftsführer muss bewusst und gewollt tätig werden. Zwar können auch versehentlich „ausgeführte“ Geschäfte im Interesse eines anderen liegen. Beispiel: S löst beim Skifahren im Hochgebirge eine kleine Lawine aus, ohne dies zu bemerken. Die Lawine macht auf einer nahegelegenen Hochalm die alte Scheune des Bauern B dem Erdboden gleich, die B schon lange abreißen lassen wollte.
Sie können aber nicht „für einen anderen“ vorgenommen worden sein. Wenn sich der Handelnde nicht bewusst ist, überhaupt ein Geschäft auszuführen, kann er 23 24
So auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (30 f.). Näher unten unter B.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
73
es erst recht nicht für eine andere Person ausführen. Der Fremdgeschäftsführungswille setzt also ein bewusstes und gewolltes Tätigwerden voraus.25 b) Schwieriger zu entscheiden ist, ob der Geschäftsführer auch Kenntnis von der „Auftragslosigkeit“ seiner Handlung haben muss. Dabei soll es hier wiederum nur um die Frage nach einem Vorsatzerfordernis hinsichtlich des objektiven Tatbestandsmerkmals gehen. Die Kenntnis des Geschäftsführers müsste sich also hiernach lediglich auf das Fehlen einer Berechtigung im Verhältnis zum Geschäftsherrn beziehen. Auf die hiervon zu unterscheidende Frage, wie sich die Kenntnis des Geschäftsführers von einer Verpflichtung gegenüber einem Dritten auswirkt, soll an anderer Stelle eingegangen werden.26 aa) Im Schrifttum geht man teilweise davon aus, der Geschäftsführer müsse sich der Tatsache bewusst sein, ohne Auftrag zu handeln. Der Fremdgeschäftsführungswille setze die Überzeugung des Geschäftsführers voraus, gegenüber dem Geschäftsherrn zu der Tätigkeit weder berechtigt noch verpflichtet zu sein.27 Dafür spreche die gesetzgeberische Modellvorstellung von der Geschäftsführung ohne Auftrag als das „spontane, hilfsbereite Einspringen für einen verhinderten Geschäftsherrn“.28 bb) Diese (sehr enge) Ansicht wird häufig abgeschwächt. Danach ist der Fremdgeschäftsführungswille nur dann abzulehnen, wenn der Geschäftsführer (umgekehrt) davon ausgeht, zu der Tätigkeit gegenüber dem Geschäftsherrn berechtigt oder verpflichtet zu sein.29 In einem solchen Fall wolle der Geschäftsführer nur sein eigenes Geschäft führen.30 Dagegen sei der Entschluss, das Geschäft zu besorgen, freiwillig zustandegekommen, wenn der Handelnde sich nicht zu der Tätigkeit verpflichtet glaubte.31 cc) Nach anderer Ansicht ist auch das Bewusstsein des Geschäftsführers, dem Geschäftsherrn gegenüber zu der Handlung berechtigt oder verpflichtet zu sein, kein Hindernis für den Fremdgeschäftsführungswillen. Selbst wenn der Geschäftsführer in der Überzeugung handelt, einen Vertrag mit dem Geschäftsherrn zu erfüllen, lasse sich das subjektive Tatbestandsmerkmal des § 677 BGB bejahen.32 Vgl. auch Lent, 1909, S. 174 f. Siehe unten unter V. 27 Gursky, AcP 185 (1985), 13 (31 ff.) 28 Gursky, AcP 185 (1985), 13 (32 f.). 29 So etwa LG Düsseldorf, NJW 1963, 1500 (1502); Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 16; Wollschläger, 1976, S. 207; differenzierend Wittmann, 1981, S. 25 f., 118 ff. 30 OLG Naumburg, Urt. v. 24. 09. 1998 – 3 U 1482 / 97 (in der Vorinstanz zu BGH, WM 2000, 937, unveröffentlicht); Einsele, JuS 1998, 401 (403 f.); Falk, JuS 2003, 833 (835 f.); Neuffer, 1970, S. 66 f.; Schwark, JuS 1984, 321 (326); Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 42 f. 31 Melullis, 1971, S. 172 f. 32 BGHZ 39, 87 (90); BGHZ 143, 9 (15 f.); BGH, NJW 1971, 609 (612); BGH, NJW 1993, 3196; BGH, NJW 1997, 47 (48); BGH, WM 2000, 973; Enneccerus / Lehmann, 1954, 25 26
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
Denn der Handelnde könne neben der Erfüllung seiner Verbindlichkeit auch noch fremdnützig für den Geschäftsherrn handeln wollen.33 In rechtlicher Hinsicht wird diese Meinung damit begründet, weder der Wortlaut noch die Systematik des § 677 BGB lasse ein Vorsatzerfordernis bezüglich des Merkmals „ohne Auftrag“ erkennen.34 dd) Der Meinungsstreit ist vor allem in den Fällen von Bedeutung, in denen der Geschäftsführer und der Geschäftsherr einen die Geschäftsbesorgung regelnden Vertrag geschlossen haben, dieser jedoch unwirksam ist und daher eine Geschäftsführung ohne Auftrag objektiv nicht ausschließt.35 Handelt der Geschäftsführer bewusst in Erfüllung dieses Vertrags, weil er von dessen Wirksamkeit ausgeht, kommt nach der zuletzt genannten Ansicht gleichwohl eine Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht, da keine bestimmte innere Einstellung des Geschäftsführers zu dem objektiven Tatbestandsmerkmal „ohne Auftrag“ verlangt wird. (1) Dieses Ergebnis steht aber nicht im Einklang mit dem Bereicherungsrecht, dessen Restriktionen auf diese Weise umgangen werden könnten.36 Zudem überzeugt die Annahme nicht, der Geschäftsführer könne auch dann fremdnützig für den Geschäftsherrn handeln wollen, wenn er Kenntnis von einem entsprechenden Vertrag habe. Diese Prämisse führt zu einer Fiktion des Fremdgeschäftsführungswillens und ist daher mit einem subjektiven Verständnis des § 677 BGB nicht zu vereinen. Sie trägt zu der eingangs dargelegten Objektivierung der Geschäftsführung ohne Auftrag bei und ist schon aus diesem Grund abzulehnen. Das dafür vorausgesetzte Nebeneinander von Wissen und Wollen, eine eigene Verbindlichkeit zu erfüllen, einerseits und Fremdgeschäftsführungswillen andererseits entspricht auch nicht der Lebenswirklichkeit.37 Wer in vollem Bewusstsein einer vertraglichen Verpflichtung genau die ihm danach (vermeintlich) obliegende Handlung vornimmt, will nur sein eigenes Geschäft führen.38 Der Wille, daneben fremdnützig für den Geschäftsherrn zu handeln, erscheint nicht real. Er kann zumindest von der Rechtsordnung nicht als schützenswert anerkannt werden und daher kein Schuldverhältnis begründen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Wesen des Auftragsverhältnisses gemäß §§ 662 ff. BGB.39 Auch bei der Erfüllung eines Auftrags ist es nicht etwa § 165 II 3, S. 677; Lent, 1909, S. 125 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 9, 48; Spies, 1949, S. 12 ff.; Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 7 a.E.; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 54. 33 BGH, NJW-RR 1993, 200; M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (706 f.). 34 BGHZ 37, 258 (263). 35 Dazu oben unter 2. Teil A. III. 3. 36 Eingehend dazu unten unter VI. 37 Insoweit kritisch auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (33); St. Lorenz, NJW 1996, 883 (885); Melullis, 1971, S. 171 f.; Schwark, JuS 1984, 321 (326); Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 42. 38 Näher dazu unten unter V. 39 So aber M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (706 f.).
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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so, dass neben den Willen des Beauftragten, seine eigene Pflicht zu erfüllen, ein Fremdgeschäftsführungswille zugunsten des Auftraggebers tritt. Denn § 662 BGB setzt gerade keinen Fremdgeschäftsführungswillen i. S. d. § 677 BGB voraus. Er ist beim Auftrag auch nicht denkbar. Denn die subjektive Zwecksetzung des Beauftragten bei der Ausführung des Auftrags ist nicht fremdnützig, sondern eigennützig. Er handelt nämlich (wie jeder andere, der bewusst seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt), um die ihm obliegende Verbindlichkeit zu erfüllen. Den gegen ihn gerichteten Anspruch zum Erlöschen zu bringen, ist also der Zweck seines Handelns.40 Daneben ist kein Raum für einen Fremdgeschäftsführungswillen. Die Absicht, fremdnützig zu handeln, ist daher konsequenterweise auch keine Tatbestandsvoraussetzung des § 662 BGB.41 Sie ist beim Auftrag – im Gegensatz zur Geschäftsführung ohne Auftrag – rechtskonstruktiv auch nicht erforderlich. Das Band, das bei der Geschäftsführung ohne Auftrag zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn durch den Fremdgeschäftsführungswillen auf der einen und die Übereinstimmung mit Willen und Interesse bzw. die Genehmigung auf der anderen Seite entsteht, ergibt sich beim Auftrag schon aus dem zugrundeliegenden Vertrag. Angesichts dieser Funktionsverschiedenheit ist es nicht verwunderlich, dass das subjektive Tatbestandsmerkmal in § 677 BGB anders ausgestaltet ist als in § 662 BGB. Den wesentlichen Unterschied zwischen der inneren Einstellung des Beauftragten und des unbeauftragten Geschäftsführers hat Wlassak schon 1879 zutreffend festgestellt. Während das Handeln beim Mandat solvendi causa erfolgt, geschieht es bei der auftraglosen Geschäftsbesorgung obligandi causa.42 Darüber hinaus greift auch die Kritik der letztgenannten Ansicht an dem subjektiven Erfordernis hinsichtlich des Handelns ohne Auftrag nicht durch. Zwar ergibt sich ein solches Vorsatzelement in der Tat nicht ausdrücklich aus dem Gesetz. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich. Denn § 677 BGB setzt nach dem oben Gesagten voraus, dass der Geschäftsführer mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt. Das ist nicht der Fall, wenn er in dem Bewusstsein handelt, eine ihm obliegende Verbindlichkeit zu erfüllen. Es geht also nicht um ein neues Tatbestandsmerkmal, sondern nur um die Definition der subjektiven Voraussetzung des § 677 BGB. (2) Nach alledem ist die letztgenannte Ansicht abzulehnen, womit die Anerkennung eines kognitiven Elements bezüglich des Handelns „ohne Auftrag“ bereits feststeht. Zu entscheiden ist nunmehr nur noch, wie weit die Anforderungen an dieses Bewusstsein gehen müssen. Die beiden erstgenannten Auffassungen unterscheiden sich hierbei nur um Nuancen. Sie können aber doch zu unterschiedlichen Ergebnissen in praktisch wichtigen Fällen führen. In der Regel weiß man zwar, zu welchen Handlungen man sich vertraglich verpflichtet hat und zu welchen nicht. Dann kommen beide Ansichten zum gleichen Ergebnis. Anders ist es aber in den Grenzfällen, in denen Unsicherheit über das Zustandekommen eines Vertrags oder 40 41 42
Im Rahmen von § 812 BGB ist das eine Binsenweisheit. Ebenso schon Isele, 1935, S. 166. Wlassak, 1879, S. 62 f.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
über seine rechtliche Wirksamkeit besteht. Entschließt sich der Geschäftsführer trotz dieser Unsicherheit, das Geschäft zu übernehmen, handelt er schon dann mit Fremdgeschäftsführungswillen, wenn er nicht davon ausgeht, dem Geschäftsherrn zu dieser Tätigkeit vertraglich verpflichtet zu sein. Denn er will das Geschäft auch für den Fall übernehmen, dass er nicht dazu verpflichtet ist. Beispiel: A und B betreiben eine Wachgesellschaft, K ist Eigentümer eines Kiosks. Er verhandelt mit A und B über den Abschluss eines Bewachungsvertrags. Eines Abends bemerkt A auf einer Streifenfahrt, dass der Kiosk des K aufgebrochen wurde. Er hält an, ruft die Polizei und verschließt die zerstörte Tür notdürftig. Dabei weiß er nicht, ob B im Laufe des Tages den Vertrag mit K abgeschlossen hat. Die fehlende positive Kenntnis von der Auftragslosigkeit seines Handelns schadet nicht. Der Fremdgeschäftsführungswille ist zu bejahen, wenn A nicht davon ausgegangen ist, nur den Vertrag zu erfüllen. Unerheblich ist, ob der Vertrag nicht abgeschlossen wurde oder nichtig ist. Bei einem wirksamen Vertragsschluss fehlt es dagegen an der objektiven Tatbestandsvoraussetzung „ohne Auftrag“.
Es würde die (rechtspolitisch gewollte) Hilfe für andere zu sehr beschränken, wollte man eine Geschäftsführung ohne Auftrag hier nur anerkennen, wenn sich der Handelnde sicher ist, ohne Auftrag zu handeln. Daher geht es zu weit, positive Kenntnis des Geschäftsführers von der „Auftragslosigkeit“ zu fordern. Eine derart strenge Voraussetzung geht über Sinn und Zweck dieses kognitiven Kriteriums hinaus. Insoweit besteht Einigkeit, dass das freiwillige und spontane Handeln honoriert werden soll.43 Dafür genügt es aber, wenn der Geschäftsführer nicht in dem Bewusstsein handelt, zu der Geschäftsbesorgung beauftragt zu sein. Hier eine positive Kenntnis zu fordern, wäre dagegen nicht lebensnah. Häufig wird sich der Geschäftsführer bei der Übernahme des Geschäfts nämlich auch gar keine Gedanken machen, ob er insoweit beauftragt sein könnte. (3) Damit steht fest, dass sich das Handeln „ohne Auftrag“ im Bewusstsein des Geschäftsführers widerspiegeln muss. Er darf nicht davon ausgehen, im Verhältnis zum Geschäftsherrn zu der Geschäftsbesorgung berechtigt oder verpflichtet zu sein. Dieses Ergebnis führt dann auch zu einer harmonischen Abgrenzung der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag von der Leistungskondiktion schon auf Tatbestandsebene. Handelt jemand in der Überzeugung, dem „Geschäftsherrn“ dazu vertraglich verpflichtet zu sein, schließt das seinen Fremdgeschäftsführungswillen aus, ein Anspruch aus § 812 BGB ist dann möglich, wenn es tatsächlich an einem Rechtsgrund fehlt. Übernimmt dagegen jemand ein Geschäft, obwohl er weiß, dass er dazu nicht verpflichtet ist, kommen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht, eine Leistungskondiktion scheitert hier schon an § 814 BGB. Ist sich der Geschäftsführer dagegen unsicher, ob er zu der Handlung vertraglich verpflichtet ist (weil er weder positive Kenntnis vom Bestehen noch vom Nichtbestehen eines Vertrags hat), sind sowohl Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag als auch bereicherungsrechtliche Ansprüche denkbar. Vorrangig sind 43
Gursky, AcP 185 (1985), 13 (32 f.); Wittmann, 1981, S. 119.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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dann die §§ 677, 683 BGB zu prüfen. Liegt eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor, schließt dieser rechtliche Grund Kondiktionsansprüche aus.
5. Motive des Handelnden Von dem – inzwischen näher beschriebenen – Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers streng zu unterscheiden ist das Motiv seines Handelns.44 Dieser innere Beweggrund für die Tätigkeit hat (wie auch sonst im Zivilrecht) keinerlei Auswirkungen auf die rechtliche Bewertung. Es wurde bereits angesprochen, dass ein altruistisches Handeln des Geschäftsführers nicht erforderlich ist.45 Ebenso unerheblich ist es, wenn der Handelnde durch Nächstenliebe oder Pflichtgefühl, durch ein schlechtes Gewissen oder durch die Hoffnung auf einen eigenen Vorteil zum Tätigwerden motiviert wurde. Der Rechtsbegriff des Fremdgeschäftsführungswillens ist sozusagen „ideologiefrei“. Er setzt nicht voraus, dass es sich bei der Geschäftsführung um „Menschenhilfe“ handelt.46 Hintergrund dessen ist auch, dass sich die eigentlichen Triebfedern menschlichen Handelns häufig nicht verifizieren lassen. Das BGB hat deshalb darauf verzichtet, „den Motiven nachzuspüren und die subtilen Regungen des Menschenherzens zum Gegenstande unlöslicher Beweisthemata zu machen“47. Die Subsumtion unter den Rechtsbegriff des Fremdgeschäftsführungswillens hat also ohne Rücksicht auf die zugrundeliegenden Motive des Geschäftsführers zu erfolgen. Diese strikte Trennung wird häufig nicht ausreichend beachtet.48 Dies führt zu Unsicherheiten in Fällen, in denen der Geschäftsführer neben Interessen des Geschäftsherrn eigene Interessen verfolgt.49 Allerdings ist die trennscharfe Abgrenzung beider Kriterien auch nicht immer ganz einfach.50 Als Faustformel lässt sich festhalten, dass die (rechtlich unbeachtlichen) Motive des Handelnden erklären, warum er sich zur Übernahme des Geschäfts entschlossen hat. Das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens hängt dagegen davon ab, was der Handelnde mit der Geschäftsbesorgung bezweckt. Beispiel:51 In der Wohnung des für längere Zeit verreisten Z ist ein Wasserrohrbruch aufgetreten. Als es anfängt, von der Wohnzimmerdecke des A, der eine Etage unter Z wohnt, 44 Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 39; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (29 f.); Isele, 1935, S. 39; Lent, 1909, S. 121, 126; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (454); Spies, 1949, S. 19 ff.; Suderow, 2005, S. 58; Wittmann, 1981, S. 26 ff., 30 f. 45 Siehe oben 2. Teil B. IV. 4. b) und ferner etwa Wollschläger, 1976, S. 74. 46 Siehe nur Köndgen, 1999, S. 371 (374 f., 378 f., 381 f.). 47 Brückmann, 1903, S. 56; vgl. ferner Motive, Bd. 2, S. 868 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 485. 48 Unklar etwa Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 5; Gold, JA 1994, 205 (210); Melullis, 1971, S. 168 f.; Sippel, 2005, S. 246; Stein, 1973, S. 39 f. 49 Dazu näher unten unter IV. 50 So schon Spies, 1949, S. 23. 51 Nach Seiler, JuS 1987, 368 (371), der den Fall unter dem Gesichtspunkt des Reflexvorteils behandelt. Weitere Beispiele für Interessenkollisionen finden sich unten unter IV.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens zu tropfen, sorgt sich A um seine kostbaren Möbel. Um diese zu retten, lässt A von Installateur I den Schaden beseitigen. A kann von Z Erstattung der dafür entstandenen Kosten gemäß §§ 670, 683, 677 BGB verlangen. Sein eigennütziges Motiv steht einem Fremdgeschäftsführungswillen nicht entgegen. Mit der Geschäftsbesorgung bezweckte er eine vorteilhafte Veränderung der Wohnung des Z.
6. Die maßgebliche Perspektive Fraglich ist, aus wessen Sicht das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens zu beurteilen ist. Im Schrifttum wird vorgeschlagen, dabei auf den objektiven Empfängerhorizont, also auf die objektivierte Perspektive des Geschäftsherrn abzustellen.52 Dies hätte den Vorteil einer einheitlichen Vorgehensweise im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag und im Bereicherungsrecht, wo es bei der Bestimmung der Leistungsbeziehung auf die Sicht des Bereicherten ankommt.53 Einer Übertragung dieses Grundsatzes auf die Feststellung des Fremdgeschäftsführungswillens stehen jedoch unüberwindbare Hindernisse entgegen. Wie bereits angesprochen, handelt es sich beim Fremdgeschäftsführungswillen nicht um eine Willenserklärung des Geschäftsführers, so dass sich die Maßgeblichkeit des Empfängerhorizonts nicht schon aus §§ 133, 157 BGB ergibt.54 Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, die dem Schutz des Erklärungsempfängers dient, ist bei der Geschäftsführung ohne Auftrag auch nicht erforderlich. Denn der Geschäftsherr bedarf eines solchen Schutzes nicht, seine Interessen berücksichtigt das Gesetz hinreichend durch die Anforderungen des § 683 BGB. Für § 677 BGB ist dagegen die Sichtweise des Handelnden maßgeblich.55 Mit dieser oben begründeten Auslegung der Vorschrift lässt sich eine Objektivierung der Prüfung des Fremdgeschäftsführungswillens durch die Heranziehung des objektiven Empfängerhorizonts nicht vereinbaren. Auch für eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag in Dreiecksfällen bedarf es der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht. Vergleichbare Probleme wie im Bereicherungsrecht stellen sich insoweit ohnedies nicht. Versteht man die Anforderungen an das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens richtig,56 fehlt es in kritischen Fällen bereits aus Sicht des Handelnden an einer fremdnützigen Absicht. Schließlich wäre die BeStein, 1973, S. 100 ff. Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 40, 272 (277 f.). Siehe auch Larenz / Canaris, 1994, § 70 III 3 c), S. 220; Reuter / Martinek, 1983, § 2 III, S. 33, § 4 II 3 d), S. 104. 54 Dies ist bei der Leistung i. S. d. § 812 BGB freilich ebenso wenig der Fall, es sei denn man sieht die Zweckbestimmung des Leistenden als Willenserklärung an, vgl. Reuter / Martinek, 1983, § 4 II 3 a), S. 92 ff. 55 Vgl. zu diesem Zusammenspiel von § 683 BGB und § 677 BGB schon oben unter 2. Teil B. IV. 3. 56 Dazu sogleich. 52 53
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stimmung des Fremdgeschäftsführungswillens aus der Sicht eines objektiven Dritten an der Stelle des Geschäftsherrn auch nicht praktikabel. Denn die Geschäftsführung vollzieht sich häufig, ohne dass der Geschäftsherr überhaupt Kenntnis davon bekommt. Sieht dieser später das Ergebnis der Geschäftsbesorgung, weiß er unter Umständen noch nicht einmal, wer dort für ihn tätig geworden ist. Erst recht vermag er häufig nicht einzuschätzen, was der Handelnde mit seiner Tätigkeit bezweckt hat. Nach alledem ist im Rahmen des § 677 BGB der wirkliche innere Wille des Handelnden entscheidend. Bei seiner Prüfung ist die Sichtweise des Geschäftsführers maßgeblich.
II. Äußerung des Fremdgeschäftsführungswillens Fraglich ist, ob der Fremdgeschäftsführungswille nur in den Fällen beachtlich ist, in denen er offen nach außen erkennbar geworden ist. Teilweise wird dies behauptet; der Geschäftsführer müsse seine fremdnützige Absicht geäußert haben.57 Mitunter wird diese Voraussetzung auch auf die Fälle beschränkt, in denen der Handelnde ein objektiv eigenes oder neutrales Geschäft führt.58 Bei den Befürwortern eines solchen Erfordernisses wird allerdings nicht immer ganz deutlich, ob es sich tatsächlich um eine materiellrechtliche Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens handeln soll. Nach anderer Ansicht kommt einer Äußerung der fremdnützigen Absicht des Geschäftsführers nur im Hinblick auf den Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess Bedeutung zu.59 Hintergrund der Überlegungen ist eine Stelle in den Motiven zum BGB, wo vorausgesetzt wird, dass der Wille, das Geschäft als fremdes zu besorgen, nach außen kundgegeben wurde oder „sich zur Genüge offenbarte“. Der bloß innere Wille sei, „wie in allen ähnlichen Fällen, von keiner Erheblichkeit“.60 Damit wird offenbar eine Parallele zur Rechtsgeschäftslehre gezogen. Bei der Abgabe einer Willenserklärung ist es ja unstreitig 57 Brückmann, 1903, S. 50 f., 53 ff.; Isele, 1935, S. 162 f.; Baumgärtel / Laumen, 1991, § 677 Rn. 1; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 45; Wittmann, 1981, S. 26 m. Fußn. 26; M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (715); BGHZ 40, 28 (30 f.); BGHZ 62, 186 (189); BGHZ 65, 354 (357); BGHZ 82, 323 (331); BGHZ 114, 248 (250); BGHZ 138, 281 (286); BGHZ 155, 342 (351); BGH, NJW 1992, 967 (970); OLG Koblenz, NJW 1992, 2367 (2368); BGH, NJW 2000, 72 (73); BSG, NJW-RR 2001, 1284. Die praktischen Auswirkungen in der Rechtsprechung sind jedoch geringer als man auf den ersten Blick annehmen könnte, da der BGH bei objektiv fremden und „auch-fremden“ Geschäften den Fremdgeschäftsführungswillen gleichwohl vermutet. 58 Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 8; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1263; Jauernig / Mansel, 2004, § 677 Rn. 4; Medicus, 2006, Rn. 619; Neuffer, 1970, S. 26 f.; Niewiarra, 1965, S. 105 f.; Sippel, 2005, S. 52; Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 5; ebenso Wollschläger, 1976, S. 72, der hier allerdings eine Willenserklärung annimmt. 59 Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 c), S. 12; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1262 f.; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (34 f.); Klatt, 2001, S. 38; Larenz, 1986, § 57 I a), S. 439; Stein, 1973, S. 40 f. 60 Motive, Bd. 2, S. 855 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
so, dass der interne Prozess der Willensbildung noch keine Rechtsfolgen nach sich ziehen kann, solange der äußere Erklärungstatbestand fehlt.61 Dieser Vergleich ist jedoch nicht treffend. Er verwischt die Unterschiede zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen. Bei den letzteren hängt das Zustandekommen gerade nicht von der Abgabe darauf gerichteter Willenserklärungen ab. Der bloße natürliche Wille genügt, soweit der jeweilige Tatbestand überhaupt eine entsprechende subjektive Voraussetzung enthält. Daraus folgt schon, dass der Fremdgeschäftsführungswille auch nicht wie eine Willenserklärung kundgetan werden muss.62 Eher lässt sich eine Parallele zwischen dem Tatbestand des § 677 BGB und dem des § 823 Abs. 1 BGB ziehen. Natürlich kommt auch das deliktische Schuldverhältnis nicht zustande, solange der Schädiger nur den inneren Willen hat, einen anderen zu verletzen.63 Wird dieser Wille aber in die Tat umgesetzt, kommt es nicht darauf an, dass er bei der Verletzungshandlung noch nach außen bekundet wird. Ebenso liegt es bei der Geschäftsführung ohne Auftrag: wird der intern gebliebene Fremdgeschäftsführungswille durch eine „Geschäftsbesorgung“ „ohne Auftrag“ umgesetzt, bedarf es dabei keiner Willenskundgabe mehr. Die Voraussetzungen des § 677 BGB sind bereits erfüllt. Der intern gebildete Fremdgeschäftsführungswille äußert sich ausreichend durch schlüssiges Verhalten: wenn der Geschäftsführer mit der Ausführung des einem anderen nützlichen Geschäfts beginnt.64 Bei dem subjektiven Tatbestandsmerkmal geht es eben um eine echte innere Tatsache, die Einstellung des Handelnden zu der vorgenommenen Tätigkeit. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich materiellrechtlich ein Erfordernis der Willensäußerung ergeben sollte. Daraus folgt, dass die Kundgabe des Fremdgeschäftsführungswillens nur für die Beweislage im Prozess relevant ist. Sie ist folglich unerheblich, wenn die subjektive Tatbestandsvoraussetzung des § 677 BGB unstreitig ist oder der Beweis durch Indizien geführt werden kann.65 In materiellrechtlicher Hinsicht kommt es also nicht darauf an, ob der Geschäftsführer seinen Willen in irgendeiner Form nach außen offenbart hat.66
61 Vgl. Flume, 1979, § 4 IV, S. 49 ff.; Larenz / Wolf, 2004, § 24 Rn. 29 ff.; Medicus, 2002, Rn. 244. 62 So schon Lent, 1909, S. 136 f. 63 Siehe auch Stein, 1973, S. 41 mit Fußn. 1. 64 Melullis, 1971, S. 58; Stein, 1973, S. 41. 65 So auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (34 f.). 66 Im Ergebnis auch St. Lorenz, NJW 1996, 883 (885 mit Fußn. 18). Zu daraus möglicherweise resultierenden Beweisproblemen siehe unten unter B.
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III. Fremdgeschäftsführungswille bei Reflexhandlungen 1. Im Schrifttum ist diskutiert worden, ob ein Fremdgeschäftsführungswille in dem oben ermittelten Sinn auch dann vorliegen kann, wenn die Handlung nur reflexartig erfolgt ist. In derartigen Fällen geht der Tätigkeit kein eingehender Willensbildungsprozess voraus. Es handelt sich vielmehr um eine sofortige spontane Reaktion auf ein plötzlich auftretendes Ereignis. Klargestellt sei jedoch, dass es sich gleichwohl nicht um einen Reflex im eigentlichen Sinn handelt. Die hier zu beurteilende Bewegung ist vom Willen gesteuert, während dies bei bloßen Reflexen gerade nicht der Fall ist.67 Der Schulfall für diese Konstellation ist die sog. Selbstaufopferung im Straßenverkehr.68 Beispiel: A ist mit seinem PKW auf einer wenig befahrenen Landstraße unterwegs. Nach einer Kurve sieht er im letzten Moment den Wanderer W, der aus Unachtsamkeit beim Überqueren der Straße direkt vor das Auto des A gelaufen ist. A reißt das Lenkrad herum und steuert seinen PKW in den Straßengraben. Hier hat sich A sicherlich nicht lange überlegt, wie er handeln will.69 Dies ist jedoch für die Bejahung des Fremdgeschäftsführungswillens auch nicht erforderlich.70 Die fremdnützige Absicht steht hier außer Zweifel. A hat sein Auto nur in den Straßengraben gefahren, um das Leben des W zu retten. Damit handelt er in dem Bewusstsein und mit dem Willen, zum Vorteil eines anderen tätig zu werden.
In einem solchen Fall ist der Fremdgeschäftsführungswille zu bejahen.71 Die Gegenansicht führt dazu, dass die Spontaneität der Handlung den Fremdgeschäftsführungswillen ausschließt. Dass diese Annahme widersinnig ist, hat bereits Wittmann dargelegt: Die Haftungserleichterung des § 680 BGB knüpft gerade an die kurzentschlossene Hilfeleistung in plötzlich auftretenden Notsituationen an.72 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dem Handelnden bleibe in einer solchen Situation keine Zeit für „differenzierte psychische Anstrengungen“ dergestalt, dass „ihm zunächst die Situation in allen Einzelheiten bewußt wurde, und er sodann einen ausführlichen, finalen Handlungsentschluß faßte“.73 Eine solche Willensbildung „in Zeitlupe“ ist vor der Übernahme einer Geschäftsbesorgung nicht erforderlich. Es genügt, dass die Reaktion des Autofahrers überhaupt willentlich 67 Standardbeispiel hierfür ist – neben echten medizinischen Reflexen – die Bewegung im Schlaf. In solchen Fällen liegt keine Handlung im Rechtssinn vor. 68 Vgl. BGHZ 38, 270 ff. 69 Aus diesem Grund lehnt das OLG Koblenz, NJW 1953, 1632 (1633) den Fremdgeschäftsführungswillen ab. 70 Vgl. auch Wittmann, 1981, S. 67. 71 Ebenso im Ergebnis (vom jeweiligen eigenen Standpunkt zur Bestimmung des Fremdgeschäftsführungswillens ausgehend) RG, DR 1944, 287 (288); BGHZ 38, 270 (276 f.); Canaris, JZ 1963, 655 (660); Deutsch, AcP 165 (1965), 193 (212); Erman / Ehmann, 2004, § 677 Rn. 14; Helm, VersR 1968, 209 (210 f.). 72 Wittmann, 1981, S. 67. 73 So aber Müller, 1980, S. 211 f.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
erfolgt. Dies ist ohne weiteres zu bejahen, denn er fuhr ja nicht versehentlich in den Straßengraben, sondern absichtlich. Dies tat er gezielt, um das Leben des anderen zu retten, also zu dessen Vorteil. Diese Zielsetzung ist der einzige rechtlich relevante Zweck der Geschäftsbesorgung. Es ist in diesen Fällen schlechterdings nicht denkbar, dass der Fahrer „für sich selbst“ und nicht „für einen anderen“ in den Graben fährt. Wenn dagegen zu Lasten des Autofahrers angeführt wird, er wolle auch ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren vermeiden,74 dann ist damit nur die unbeachtliche Motivebene angesprochen.75 Wenn es heißt, der Autofahrer wolle einen Schaden an seinem eigenen PKW abwenden, dann handelt es sich dabei (wenn dies gelingen sollte) um einen bloßen Reflexvorteil76, der bei der rechtlichen Bewertung außer Betracht bleibt. Nach alledem kann auch eine Handlung, die auf einer spontanen, reflexartigen Reaktion beruht, die Besorgung eines Geschäfts mit Fremdgeschäftsführungswillen darstellen. 2. Wegen des engen sachlichen Zusammenhangs soll an dieser Stelle noch auf einen weiteren Einwand eingegangen werden, der gegen das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens in den Fällen der Selbstaufopferung im Straßenverkehr erhoben wird. Es wird gesagt, den Autofahrer treffe ohnehin eine Rechtspflicht, den Unfall zu verhindern.77 Dann wäre er zur Vornahme der Handlung bereits verpflichtet, was im Hinblick auf den Fremdgeschäftsführungswillen problematisch wäre.78 Dem ist im Ausgangspunkt zuzustimmen, allerdings nur, soweit eine solche Pflicht zu einem entsprechenden Handeln tatsächlich besteht. Die Annahme einer Rechtspflicht, dem Opfer unter Inkaufnahme einer eigenen Gefährdung auszuweichen, geht jedoch dann zu weit, wenn der drohende Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden wäre (§ 7 Abs. 2 StVG).79 Wenn eine Haftung weder aus § 7 StVG noch aus § 823 BGB droht, lässt sich aus der Umkehrung dieser Normen auch kein Gebot entnehmen, eine Verletzungshandlung zu unterlassen. Auch § 1 StVO trägt eine Verpflichtung zur Selbstgefährdung nicht.80 Eine den Fremdgeschäftsführungswillen ausschließende Rechtspflicht ist folglich in dem oben geschilderten Schulfall nicht ersichtlich. Eine auftraglose Geschäftsführung des ausweichenden Kraftfahrers ist demnach zu bejahen. So OLG Koblenz, NJW 1953, 1632 (1633). Ebenso Neuffer, 1970, S. 29 mit Fußn. 2. 76 Dazu näher unten unter IV. 2. b). 77 Wittmann, 1981, S. 78 ff.; im Ausgangspunkt auch Canaris, JZ 1963, 655 (659 f.), der aber eine solche Pflicht nur bejaht, wenn ein Kraftfahrer zur Rettung von Leben oder Gesundheit eines anderen nur eigene Sachschäden in Kauf nehmen müsste. 78 Zu der Frage, ob das Bestehen einer eigenen Verpflichtung zur Geschäftsbesorgung den Fremdgeschäftsführungswillen ausschließt, unten unter V. 79 Das Gleiche galt nach altem Recht, wenn der Unfall ein unabwendbares Ereignis war, vgl. Deutsch, AcP 165 (1965), 193 (204 f.); wohl auch Wollschläger, 1976, S. 307 f.; differenzierend Canaris, JZ 1963, 655 (657 f.). 80 BGHZ 38, 270 (275 f.); Friedrich, VersR 2000, 697. 74 75
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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IV. Fremdgeschäftsführungswille trotz eigenen Interesses an der Geschäftsführung Angesichts der „Verknüpfung der menschlichen Verhältnisse, welche nicht in der Isolirtheit, sondern in ständigem Wechselverkehr stehen“81, wirkt sich eine Handlung häufig auf mehrere Personen aus. So kann auch eine Geschäftsbesorgung ebenso im Interesse des Handelnden wie im Interesse eines anderen liegen.82 An dieser Stelle ist zu klären, ob der oben als Voraussetzung für den Fremdgeschäftsführungswillen herausgearbeitete fremdnützige Zweck der Geschäftsbesorgung auch dann vorliegen kann, wenn der Geschäftsführer mit der Tätigkeit bewusst auch eigene Interessen verfolgt. Mit der oben gewählten Formulierung ist zu fragen, ob es zur Bejahung des Fremdgeschäftsführungswillens genügt, wenn der Handelnde will, dass der rechtliche oder wirtschaftliche Erfolg der Geschäftsbesorgung auch einer anderen Person zugutekommt oder ob sein Willen dahin gehen muss, dass der rechtliche oder wirtschaftliche Erfolg der Geschäftsbesorgung ausschließlich einer anderen Person zugutekommt.
1. Die These der herrschenden Meinung Das Schrifttum und die ständige Rechtsprechung gehen bei der Prüfung des Tatbestands des § 677 BGB durchweg davon aus, es stehe dem Fremdgeschäftsführungswillen nicht entgegen, wenn der Geschäftsführer mit der Tätigkeit nicht nur den Interessen eines anderen dienen will, sondern daneben bewusst auch eigene Interessen verfolgt.83 Zum Teil nimmt man in derartigen Fällen auf der Rechtsfolgenseite an, der Anspruch des Geschäftsführers auf Aufwendungsersatz sei parallel zum Grad des Eigen- bzw. Fremdinteresses abzustufen.84 In Fällen, in denen das Eigeninteresse des Handelnden ganz im Vordergrund steht, soll sich der Anspruch dann bis auf Null reduzieren können.85 So die Beschreibung des Problems durch Kohler, Jher.Jb. 25 (1887), 1 (114). Dieses Nebeneinander der betroffenen Interessen kommt in den unterschiedlichsten Formen vor. Eine eingehende Beschreibung der denkbaren Fallgruppen findet sich bei Isele, 1935, S. 41 ff. Eine solche Systematisierung hilft jedoch nach dem hier vertretenen Ansatz nicht bei der rechtlichen Beurteilung; kritisch auch Wollschläger, 1976, S. 193 mit Fußn. 60. 83 RGZ 126, 287 (293); RGZ 143, 91 (95); BGHZ 16, 12 (16); BGHZ 54, 157 (160); BGHZ 63, 167 (169 f.); BGHZ 98, 235 (240); BGHZ 114, 248 (249 f.); BGH, NJW 2000, 72 (72 f.); Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 5; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 a [bis], S. 9; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1263; Hagen, NJW 1966, 1893 (1896); Isele, 1935, S. 39; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 9; Sippel, 2005, S. 238 ff., insbes. S. 245; Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 3, 6; Stein, 1973, S. 39; Wollschläger, 1976, S. 31, 65 ff., 189. Einschränkend Melullis, 1971, S. 169 f., 183 f.; Stamm, Jura 2002, 730 (734); Wilburg, AcP 163 (1964), 346 (361). 84 Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 10; Hagen, NJW 1966, 1893 (1897 f.); Isele, 1935, S. 57 ff.; Neuffer, 1970, S. 33 ff.; Stein, 1973, S. 39 f. 85 So ausdrücklich Isele, 1935, S. 59; Neuffer, 1970, S. 34 f. 81 82
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
Zur Begründung dieses Ergebnisses wird von Vertretern der vorherrschenden Ansicht häufig auf die Gesetzesmaterialien zum BGB verwiesen. So heißt es in den Motiven: „Ist auch das Rechtsinstitut der neg. gestio nicht zu dem Zwecke eingeführt, um die Besorgung fremder Geschäfte in egoistischer Absicht zu befördern, so würde doch eine solche Beurtheilung dem in der Regel der Ermittelung und Feststellung sich entziehenden inneren Motive des Handelns eine Bedeutung beilegen, welche demselben im Rechtsverkehre nicht zukommt. Sie wäre praktisch kaum durchführbar, weil meist der Fall so liegt, daß der Geschäftsführer sowohl sein eigenes, als das Interesse des Geschäftsherrn im Auge gehabt hat.“86 Demzufolge sollte § 759 E I lauten: „Die Anwendung der Vorschriften der §§ 749 bis 758 wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Geschäftsführer zu der Geschäftsbesorgung durch ein eigenes Interesse oder durch das Interesse eines Dritten bestimmt worden ist.“ 2. Kritische Würdigung Weitere Argumente werden für die vorherrschende Ansicht – soweit ersichtlich – nicht angeführt. Es ist auch kein überzeugender Grund ersichtlich, der für die Annahme der herrschenden Meinung spricht. a) Schon der allgemeine Sprachgebrauch spricht eher dafür, dass das Handeln in eigennütziger Absicht ein Handeln in fremdnütziger Absicht ausschließt, dass man also subjektiv ein Geschäft nicht gleichzeitig für sich selbst und für einen anderen führen kann. Dieser Gedanke kommt auch in § 687 BGB zum Ausdruck. Danach schließt selbst bei objektiv fremden Geschäften die (versehentliche oder beabsichtigte) Eigengeschäftsführung eine Fremdgeschäftsführung aus.87 In beiden Absätzen des § 687 BGB wird nur vorausgesetzt, dass „jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes“ besorgt. Der Gesetzgeber sah also offenbar keine Veranlassung, aus dem Anwendungsbereich der Norm Fälle auszugrenzen, in denen der „Geschäftsführer“ daneben auch fremdnützig tätig werden wollte. Liegen aber die Voraussetzungen des § 687 BGB vor, bleibt nach einhelliger Ansicht kein Raum für die Annahme einer fremdnützigen Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 677 BGB. b) Auch mit der historischen Auslegung lässt sich nicht begründen, dass ein eigenes Interesse an der Geschäftsbesorgung den Fremdgeschäftsführungswillen unberührt lässt. Zwar scheint der dargelegte geschichtliche Hintergrund auf den ersten Blick für die Auslegung der herrschenden Meinung zu sprechen. Bei näherer Untersuchung erweist sich die zitierte Passage aus den Motiven zum BGB jedoch nicht als Beleg für das heute vorherrschende Verständnis. Die Regelung des § 759 E I sollte sich nämlich nur auf die Motivebene des Geschäftsführers beziehen. Zwar ist in den Gesetzesmaterialien zum BGB auch von den Interessen der Betei86 87
Motive, Bd. 2, S. 868 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 485. Darauf weist in anderem Zusammenhang auch Stamm, 2000, S. 100, hin.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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ligten die Rede. Diese Bezeichnung beruht aber nur auf einer sprachlichen Ungenauigkeit. Der Kontext macht deutlich, dass es der Ersten Kommission nur darum ging, dass die inneren Beweggründe des Handelnden für die Subsumtion nicht erforscht werden müssen.88 Diese Motivebene ist jedoch ohnehin nach allgemeinen Regeln unbeachtlich.89 Was den Geschäftsführer im Inneren antreibt, kann für die rechtliche Beurteilung keine Rolle spielen. Dass dieses Verständnis der Gesetzesmaterialien zutrifft, zeigt sich auch daran, dass § 759 E I später nicht in das BGB übernommen wurde. Die Zweite Kommission war nämlich ebenfalls der Meinung, diese Regelung sei unnötig, da sie eine bloße Selbstverständlichkeit normiere. Das Interesse, das der Geschäftsführer an der Geschäftsbesorgung habe, stelle nur ein Motiv für sein Handeln dar und sei deshalb schon nach allgemeinen Grundsätzen unbeachtlich.90 Somit kann die Gesetzgebungsgeschichte nicht als Argument für die These herangezogen werden, der Geschäftsführer könne gleichzeitig für sich und für einen anderen handeln. Sie unterstützt lediglich die Annahme, dass es auf die inneren Motive des Tätiggewordenen nicht ankommen kann. Insoweit besteht allerdings ohnehin Einigkeit. c) Für den Ausschluss des Fremdgeschäftsführungswillens bei eigennützigen Tätigkeiten lässt sich ferner der Charakter der Geschäftsführung ohne Auftrag als fremdnütziges Schuldverhältnis anführen. Sowohl die geschilderte Entstehungsgeschichte des Rechtsinstituts als auch der Inhalt der §§ 677 ff. BGB machen deutlich, dass Sinn und Zweck der Regelungen die Honorierung von Handlungen zum Vorteil eines anderen sind. Nur die fremdnützige Absicht bei der Geschäftsbesorgung rechtfertigt auch den Anspruch des Tätiggewordenen auf Aufwendungsersatz (ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Geschäftsführung, etwa eine Bereicherung des Geschäftsherrn).91 Angesichts dieser zentralen Bedeutung des Tatbestandsmerkmals bedarf es eines eindeutigen und klaren Fremdgeschäftsführungswillens. Dieser ist aber nur dann gegeben, wenn der Geschäftsführer nur für den anderen agieren will und nicht daneben auch für sich selbst.92 d) Gegen die Vermischung von fremd- und eigennütziger Absicht spricht auch die größere Klarheit in der Rechtsanwendung. Wird doch der Fremdgeschäftsführungswille allzu schnell zur Fiktion, wenn es ausreicht, dass neben dem vorrangigen Eigeninteresse nur das kleinste und entfernteste fremde Interesse gewahrt wird. Für die vielfältigen Fälle der Verknüpfung von eigenem und fremdem Interesse hat es sich nicht als praktikabel erwiesen, irgendwo eine Grenze für die So auch die Einordnung der Stelle bei Spies, 1949, S. 20 f. Siehe oben unter I. 5. 90 Protokolle, Bd. 2, S. 741 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1202. 91 Siehe oben unter 2. Teil B. IV. 3. 92 So wohl auch Melullis, 1971, S. 172, 168 f. – Die Rechtsprechung behilft sich in derartigen Fällen z. T. mit einem Kunstgriff, indem sie annimmt, der Handelnde sei nur im eigenen Interesse tätig geworden, vgl. etwa OLG Dresden, ROLG 24, 398; offengelassen in BGH, LM Nr. 17 zu § 683 BGB. 88 89
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
Geschäftsführung ohne Auftrag zu ziehen (oder zumindest den Aufwendungsersatzanspruch entsprechend abzustufen).93 Daher gebietet es die Rechtssicherheit, eine klare Lösung vorzuziehen. Auch dies spricht dafür, den Fremdgeschäftsführungswillen nur zu bejahen, wenn der Handelnde ausschließlich zum Vorteil eines anderen tätig werden will. e) Schließlich überzeugt es auch dogmatisch nicht, wenn einige Vertreter der herrschenden Meinung zur Korrektur des auch von ihnen als unbillig empfundenen Ergebnisses den Anspruch auf Aufwendungsersatz einschränken wollen. Denn dieser Weg findet keine Stütze im Gesetz.94 Nach §§ 683, 670 BGB sind dem Geschäftsführer die (= alle) Aufwendungen zu erstatten, die er für erforderlich halten durfte. Damit enthält das Gesetz eine „alles oder nichts“ – Lösung. Diese weitgehende Rechtsfolge ist nur gerechtfertigt, wenn der Geschäftsführer (ausschließlich) „für einen anderen“ tätig wird.95 In Wirklichkeit geht es hier aber dogmatisch auch gar nicht um eine Anpassung der Rechtsfolgen. Es fehlt vielmehr schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag.96 Evident wird dies in Fällen, in denen das Eigeninteresse des Handelnden überwiegt. Hier kann man schwerlich davon sprechen, er besorge das Geschäft „für einen anderen“.
3. Erprobung des Ergebnisses an Fallbeispielen Daher ist der Fremdgeschäftsführungswille abzulehnen, wenn der Geschäftsführer nicht nur in fremdnütziger Absicht, sondern auch im eigenen Interesse handelt. Damit ist jedoch nur ein „echtes“ rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Geschäftsbesorgung gemeint. Dagegen bleibt ein egoistischer Hintergrund auf der Motivebene unberücksichtigt. Auch die Erzielung bloßer Reflexvorteile durch den Geschäftsführer ist für den Fremdgeschäftsführungswillen unschädlich.97 Bei der Beurteilung von Fällen, in denen sich die Interessen von Geschäftsführer und Geschäftsherrn berühren, ergeben sich infolgedessen mehrere Prüfungsschritte. Denn nicht jeder dem Geschäftsführer aus der Geschäftsbesorgung erwachsende Vorteil schließt seinen Fremdgeschäftsführungswillen aus.98
93 Dies wird von Vertretern der h. M. auch eingestanden, vgl. Neuffer, 1970, S. 35: „Eine allgemeine Regel läßt sich dabei nicht aufstellen, so daß es letzten Endes auf eine freie Abwägung und Abschätzung ankommen kann.“ 94 Kritisch auch Melullis, 1971, S. 169. 95 Siehe zu dieser Schadloshaltungsfunktion der Geschäftsführung ohne Auftrag schon oben unter 2. Teil B. IV. 3. und Wittmann, 1981, S. 136 ff. 96 Besonders deutlich wird diese Diskrepanz bei Neuffer, 1970, S. 34 f. 97 Dazu sogleich unter b). 98 Eine ähnliche Vorgehensweise findet sich schon bei Isele, 1935, S. 39; Spies, 1949, S. 15 ff., 19 ff.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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a) Eigennützige Motive des Geschäftsführers Zunächst hat – wie gesagt – die Motivebene des Geschäftsführers außer Betracht zu bleiben.99 In einer ersten Prüfungsstufe sind daher alle Fälle aus unserem Problemkreis auszuschließen, in denen der Geschäftsführer in fremdnütziger Absicht handelt, sich dazu jedoch aus eigennützigen Motiven entschlossen hat. In diesen Fällen liegt bei rechtlicher Betrachtungsweise keine Interessenkollision vor, da die inneren Beweggründe des Handelnden unberücksichtigt bleiben. Beachtlich ist demnach nur die fremdnützige Absicht. Daher ist der Fremdgeschäftsführungswille in dieser Konstellation zu bejahen. Beispiel: Auf dem Grundstück des A steht ein morscher Baum, den A schon seit langem fällen lassen will. Während A die Herbstferien auf Mallorca verbringt, ziehen zu Hause schwere Stürme auf. Nachbar Z fürchtet, der Baum könne umstürzen und sein Haus beschädigen. Um diese Gefahr abzuwenden, lässt er den Baum fällen. Hier handelt Z vor allem aus Sorge um sein Eigentum. Dieses eigennützige Motiv bleibt aber unberücksichtigt. Entscheidend ist die fremdnützige Absicht des Z. Er handelt an Stelle des A, dem der Nutzen des Fällens unmittelbar zugutekommt. Mit der Geschäftsbesorgung bezweckt Z eine vorteilhafte Veränderung des Grundstücks des A. Damit ist der Tatbestand des § 677 BGB erfüllt; ob es sich um eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handelt, richtet sich nach §§ 683, 684 BGB.
b) Erzielung von Reflexvorteilen In einem zweiten Prüfungsschritt lassen sich Fälle ausscheiden, in denen der Geschäftsführer (neben der Absicht, die Belange eines anderen zu fördern) eigene Vorteile erlangen möchte, diese sich aber bei rechtlicher Betrachtung als reine Reflexvorteile darstellen. Hierbei handelt es sich um zwangsläufig eintretende, häufig auch unbeabsichtigte Nebenfolgen einer Tätigkeit. Ihr Eintritt wird mit der Geschäftsbesorgung nicht in erster Linie bezweckt; er geschieht vielmehr nur „per consequentiam“.100 Solche Reflexvorteile können bei der Beurteilung eines Sachverhalts im Hinblick auf die Geschäftsführung ohne Auftrag keine Rolle spielen.101 Dies gilt sowohl für eigene Reflexvorteile des Geschäftsführers durch eine Fremdgeschäftsführung als auch für Reflexvorteile, die einem anderen bei einer Eigengeschäftsführung zugutekommen. Die mit der Handlung verbundene Zweckbestimmung geht nicht dahin, solche Vorteile herbeizuführen. Für die Geschäftsführung ohne Auftrag ist aber entscheidend, worauf die Absicht des Handelnden gerichtet ist. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kommt es darauf an, ob dem Siehe oben unter I. 5. So die Beschreibung von Kohler, Jher.Jb. 25 (1887), 1 (113 ff.). 101 Vgl. RG, JW 1926, 2920 (2922); Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 39, 176; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 12; Isele, 1935, S. 40; Kohler, Jher.Jb. 25 (1887), 1 (113 ff.); Neuffer, 1970, S. 31 f.; Spies, 1949, S. 15 ff. – Siehe ferner Seiler, JuS 1987, 368 (371) mit Beispielen. 99
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
erlangten Nutzen ein eigener Marktwert zukommt.102 Bei einem Reflexvorteil ist dies nicht der Fall – auch ein redlich Handelnder würde dafür unter normalen Umständen nichts bezahlen. Die Kosten müssen dann in vollem Umfang denjenigen treffen, der den wesentlichen und unmittelbaren Ertrag der Geschäftsbesorgung erhält.103 Besonders häufig stellt sich das Problem, wenn der Eigentümer eines Grundstücks in einem dicht besiedelten Gebiet seine Befugnisse nach § 903 BGB ausübt. Hier sind zahlreiche Handlungen denkbar, die sich (positiv oder negativ) auf die Rechte anderer auswirken.104 Gleichwohl macht der Eigentümer im Regelfall lediglich im eigenen Interesse von seiner Rechtsstellung Gebrauch. Selbst wenn dadurch einem anderen ein Vorteil erwächst, liegt keine Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Beispiel:105 Bauer A lässt sein Vieh auf Weideland grasen, das direkt an Bahngleise der Z-AG angrenzt. Um sein Vieh von den Schienen fernzuhalten, baut er entlang der Bahnstrecke einen Zaun. Seitdem bleiben die – zuvor recht häufigen – Kollisionen aus. Trotz des Vorteils für die Z-AG liegt keine Geschäftsführung ohne Auftrag des A für sie vor. A hat nur für sich selbst (zum Schutz seines Eigentums) gehandelt. Er ist im eigenen Interesse und ohne Rücksicht auf den – sich naturgemäß ergebenden – Vorteil für die Z-AG tätig geworden.106 An der Kostentragung ändert sich auch im umgekehrten Fall nichts. Nimmt die Z-AG die Einfriedung der Weide vor, bezweckt sie damit den Schutz des Eigentums des A. Selbst wenn sie sich nur zum Eingreifen entschlossen hat, um die zeitaufwendigen Unfälle zu vermeiden, ändert sich an dieser Beurteilung nichts (bloßes Motiv).107
c) Teilbare Geschäftsbesorgungen Nach diesen Prüfungsschritten bleiben Fälle übrig, in denen der Geschäftsführer neben der Förderung fremder Interessen bewusst und gewollt echte eigene Interessen im Rechtssinn befriedigt. Die Geschäftsbesorgung soll hier also nicht nur dem Vorteil eines anderen, sondern auch dem eigenen Vorteil dienen. Der Geschäfts102 Wollschläger, 1976, S. 195 ff., der dies nach dem „Produktionsprinzip“ und dem „Entgeltlichkeitsprinzip“ bestimmen will. 103 Näher Wollschläger, 1976, S. 189 ff. 104 Das zeigt auch der enge systematische Zusammenhang, der § 903 BGB mit den nachbarrechtlichen Beschränkungen der §§ 906 ff. BGB verbindet. 105 Nach BGH, LM Nr. 17 zu § 683 BGB. 106 Ebenso entschied in dem Fall des Eigentümers einer Tuffsteingrube, der zur besseren Entwässerung einen unterirdischen Kanal bauen ließ, von dessen Wirkung auch die Eigentümer der umliegenden Gruben profitierten, das Preuß. Obertribunal, Striethorst 44, 270 (280 f.), zitiert nach Wollschläger, 1976, S. 191, der die Entscheidung zu Unrecht kritisiert. Der Handelnde ist nur für sich selbst tätig geworden, die anderen Grubeneigentümer haben lediglich reflexartig profitiert. 107 Speziell zur Unbeachtlichkeit des Motivs, durch die Geschäftsführung einen Reflexvorteil zu erlangen, Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 177; Wollschläger, 1976, S. 74.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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führer will den Nutzen der Tätigkeit nicht nur dem Geschäftsherrn zukommen lassen, sondern auch sich selbst. Auch in dieser Situation ist noch eine letzte Fallgruppe auszuscheiden, in der ein Fremdgeschäftsführungswille denkbar ist. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen man sich die Geschäftsbesorgung auch als zwei voneinander unabhängige Handlungen vorstellen könnte, von denen die eine in eigennütziger, die andere in fremdnütziger Absicht vorgenommen wurde. Für diesen letzten Teil kommen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. Entscheidend ist, ob sich die Tätigkeit tatsächlich oder gedanklich aufteilen lässt.108 Davon ist auszugehen, wenn der Tätige freiwillig einen zusätzlichen Aufwand in Kauf genommen hat, um die Interessen eines anderen zu fördern.109 Ist dies der Fall und hat der Handelnde den einen Teil des Geschäfts freiwillig für einen anderen übernommen, ist für diesen Teil sein Fremdgeschäftsführungswille zu bejahen. Beispiele: A baut eine Mauer, um sein Grundstück auf der Straßenseite abzuschließen. Sein Nachbar Z hat ihm schon oft erzählt, dass er sich an Stelle seines klapprigen Holzzauns auch eine feste Mauer wünschen würde. Da A noch Material übrig hat und sowieso ein einheitliches Bild der Grundstücke von der Straße anstrebt, zieht er die Mauer bis zum Ende des Grundstücks des Z. B erwirbt ein Baugrundstück in einem Neubaugebiet, auf dem er – ebenso wie Nachbar Y – eine Doppelhaushälfte errichten will. Bei Y verzögert sich aus finanziellen Gründen der Baubeginn. Gleichwohl beginnt B mit dem Hausbau. Dazu lässt er eine verstärkte Giebelmauer auf die Grundstücksgrenze setzen, die so gestaltet ist, dass Y sie später auch benutzen kann. Die Jurastudenten C und X bewohnen gemeinsam eine Mietwohnung. In den Semesterferien tauscht C in dem von beiden benutzten Wohnzimmer den alten Schallplattenspieler gegen eine hochmoderne Stereoanlage aus. Im ersten Beispiel lässt sich die Tätigkeit des A schon tatsächlich in zwei Handlungen aufteilen. Der Bau der Mauer erfolgte lediglich zeitlich unmittelbar nacheinander. Auf seinem Grundstück hat A die Mauer für sich gebaut, auf dem Grundstück des Z für diesen. Das letztere Geschäft hat er folglich mit Fremdgeschäftsführungswillen ausgeführt.110 Die Freude an einem einheitlichen Erscheinungsbild ändert daran als bloßes Motiv nichts. Eine andere Frage ist, ob die Geschäftsbesorgung berechtigt ist.111 Im zweiten Beispiel lässt sich der Bau der Giebelmauer tatsächlich nicht aufteilen. Um Kosten zu sparen, sollte gerade eine stärkere gemeinsame Mauer gebaut werden. Gedanklich ist diese Tätigkeit jedoch aufteilbar: in den Bau einer „normalen“ Außenwand, wie sie B für sein Haus allein benötigt hätte und den darüber hinausgehenden Aufwand. Diesen 108 Eine ähnliche Prüfung findet sich in RGZ 149, 205 (209); siehe auch Melullis, 1971, S. 169. 109 So wohl auch Wollschläger, 1976, S. 189 f., der zwar an sich voraussetzt, dass die Handlung gegenständlich teilbar ist, dann aber doch darauf abstellen will, ob ein Mehraufwand verursacht wurde. 110 Ebenso Neuffer, 1970, S. 35, der die Konstellation wie folgt beschreibt: „Zwischen beiden Handlungen besteht ein örtliches Nebeneinander und ein zeitliches Nacheinander.“ 111 Dazu unten unter 4. Teil.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens hat B nur für Y betrieben. Damit hat er für diesen ein Geschäft besorgt. In Höhe der zusätzlichen Kosten steht ihm daher ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu, wenn auch die Voraussetzungen des § 683 BGB erfüllt sind.112 Der Erwerb der Stereoanlage durch C lässt sich (auch gedanklich) nicht aufteilen. Dieses Geschäft sollte nach dem Willen des C nicht nur dem X, sondern auch ihm selbst zugutekommen. Daher handelte er nicht ausschließlich fremdnützig. Deshalb ist ein Fremdgeschäftsführungswille abzulehnen. C hat keine Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag.
d) Unteilbare Geschäftsbesorgungen Erst wenn – wie im letzten Beispiel – die Tätigkeit sich (auch gedanklich) nicht in zwei Geschäfte aufteilen lässt, von denen eines für einen anderen besorgt wurde, ist der Fremdgeschäftsführungswille abzulehnen. In diesen Fällen hätte der Handelnde die gleichen Aufwendungen aufbringen müssen, auch wenn er nur seine eigenen Interessen hätte fördern wollen.113 Die dafür erforderliche Handlung bewirkt zwar auch den Vorteil eines anderen. Hier lässt sich aber wegen des Handelns (auch) im eigenen Interesse kein Fremdgeschäftsführungswille feststellen. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag scheidet folglich aus. Diesem Ergebnis lässt sich auch nicht entgegenhalten, es führe zu einer Bevorzugung des Geschäftsherrn, der den Vorteil behalten könne, ohne dem Handelnden seine Aufwendungen erstatten zu müssen.114 Denn zum einen wird es sich in einer solchen Konstellation häufig nur um Reflexvorteile einer Eigengeschäftsführung handeln, die nach dem oben Gesagten für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ohnehin irrelevant sind. Zum zweiten ist der Ausgleich nach §§ 670, 683, 677 BGB ja nicht der einzig denkbare Weg; es kommen andere Anspruchsgrundlagen in Betracht. In jedem Fall vermag die ergebnisorientierte Vorgehensweise der Gegenansicht eine erweiternde Auslegung des § 677 BGB nicht zu rechtfertigen.
4. Subjektiver Maßstab Zur Vermeidung von Missverständnissen sei abschließend noch klargestellt, dass mit dieser Einschränkung des Fremdgeschäftsführungswillens keine Objektivierung der Voraussetzung einhergeht. Denn es kommt nicht darauf an, ob die Geschäftsführung objektiv (auch) den Interessen des Geschäftsführers dient. Der Fremdgeschäftsführungswille ist vielmehr nur dann abzulehnen, wenn der Handelnde subjektiv für sich und für einen anderen tätig wird.
112 Die h. M. würde hier eine Geschäftsführung ohne Auftrag bejahen, ohne auf die gedankliche Aufteilung in zwei Geschäfte zurückzugreifen, vgl. Isele, 1935, S. 39. 113 In dieser Beschreibung übereinstimmend Wollschläger, 1976, S. 190. 114 So aber Wendlandt, Jura 2004, 325 (330).
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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V. Fremdgeschäftsführungswille trotz Bestehens einer eigenen Verpflichtung 1. Die Problematik des „auch-fremden“ Geschäfts Die hiermit angesprochene Konstellation gehört zu den am meisten diskutierten Problemen im deutschen Schuldrecht. Es geht um die Frage, ob eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen kann, wenn der „Geschäftsführer“ ohnehin verpflichtet war, die Handlung vorzunehmen. Eine solche Pflicht des Geschäftsführers kann zwar nicht im Verhältnis zum Geschäftsherrn bestehen, weil es dann schon an der negativen Voraussetzung des § 677 BGB fehlen würde. Sie kann sich aber aus dem Verhältnis des Geschäftsführers zu einem Dritten oder aus dem öffentlichen Recht ergeben. Dann erfolgt die Tätigkeit zumindest „ohne Auftrag“ i. S. d. § 677 BGB, da es für dieses Tatbestandsmerkmal nur auf die Berechtigung im Verhältnis zum Geschäftsherrn ankommt.115 In Rechtsprechung und Literatur ist heftig umstritten, ob der in Erfüllung einer solchen Pflicht Handelnde daneben auch „für einen anderen“ i. S. d. § 677 BGB tätig werden kann. Aus diesem Grund hat diese Fallgruppe unter der Bezeichnung „auch-fremdes“ Geschäft Berühmtheit erlangt.116 a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gilt hier nichts anderes als bei objektiv „nur fremden“ Geschäften. Zwar wird in dieser Konstellation mitunter besonders betont, dass der Fremdgeschäftsführungswille nach außen erkennbar geworden sein muss.117 Diese Prämisse bleibt aber in den allermeisten Urteilen ohne Folgen, weil der Fremdgeschäftsführungswille dann doch vermutet wird, wenn nur der Rechtskreis eines anderen betroffen ist. Dafür komme es nicht darauf an, ob der Handelnde ein ausschließlich fremdes oder ein nur „auch-fremdes“ Geschäft besorge.118 Dies soll sowohl in den Fällen gelten, in denen der „Geschäftsführer“ öffentlich-rechtlich zu seiner Handlung verpflichtet war119 als auch dann, wenn die Pflicht auf einem Vertrag mit einem Dritten beruht120. An diesem Verständnis des Fremdgeschäftsführungswillens ändern auch die neuesten Entscheidungen des BGH zur Geschäftsführung ohne Auftrag nichts. Zwar lässt die höchstrichterliche Rechtsprechung in jüngster Zeit im Ergebnis eine einschränkende Tendenz erkennen.121 So soll kein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 683, 677 BGB besteSiehe oben unter 2. Teil A. III. Dieser Begriff wird nicht nur in den Fällen verwendet, in denen der „Geschäftsführer“ eine eigene Verpflichtung erfüllt, sondern immer, wenn neben dem fremden Geschäft ein eigenes Geschäft geführt wird. 117 So etwa BGHZ 40, 28 (30 f.); BGHZ 114, 248 (249 f.). 118 Dem BGH zustimmend Jauernig / Mansel, 2004, § 677 Rn. 4; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 46; für den Regelfall auch Wollschläger, 1976, S. 121 f. 119 BGHZ 40, 28 (30 f.); BGHZ 63, 167 (169 f.); BGHZ 98, 235 (240); BGHZ 110, 313 (314 f.). 120 BGHZ 54, 157 (160); BGHZ 140, 102 (109); BGHZ 143, 9 (13 ff.). 115 116
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
hen, wenn der Handelnde einen Vertrag mit einem Dritten erfüllt, der die Entgeltfrage umfassend regelt,122 oder wenn die Kostenfolge einer Handlung durch öffentlich-rechtliche Vorschriften abschließend geregelt ist.123 Diesen Urteilen liegt allerdings keine veränderte Auslegung der §§ 677 ff. BGB zugrunde. Vielmehr betont der BGH (im Einklang mit der bisherigen ständigen Rechtsprechung) ausdrücklich, dass es grundsätzlich möglich sei, als Geschäftsführer i. S. d. § 677 BGB für einen anderen zu handeln, wenn man gegenüber einem Dritten vertraglich zur Geschäftsbesorgung verpflichtet ist. Auch in einem solchen Fall sei der Fremdgeschäftsführungswille zu vermuten, wenn „das Geschäft seiner äußeren Entscheidung nach nicht nur dem Besorger, sondern auch einem Dritten zugute kommt“.124 Dass der BGH trotzdem zu den genannten, den Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag im Ergebnis einschränkenden, Ergebnissen kommt, beruht dagegen auf Konkurrenzüberlegungen. Danach sollen Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausscheiden, „wenn besondere Bestimmungen des bürgerlichen Rechts das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln“ oder „Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung vorsehen“.125 Solche Überlegungen sind allerdings nicht neu.126 Insofern sollte man die Bedeutung der neuen Judikatur des BGH nicht überbewerten.127 Zumindest trägt sie nichts zur rechtswissenschaftlichen Diskussion um den Inhalt des Begriffs des Fremdgeschäftsführungswillens bei.128 b) Auch die herrschende Ansicht in der Literatur hält Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag selbst dann für möglich, wenn der „Geschäftsführer“ ohnehin zu der vorgenommenen Tätigkeit verpflichtet war. In diesen Fällen soll jedoch der Fremdgeschäftsführungswille nicht ohne weiteres vermutet werden.129 Vielmehr sei es erforderlich, dass bestimmte Umstände vorliegen, die deutlich machen, 121 Diese Bewertung der neueren Judikatur wird – soweit ersichtlich – allgemein geteilt, vgl. etwa Falk, JuS 2003, 833 ff.; Wendlandt, NJW 2004, 985 ff. Zur Darstellung der Rechtsprechung schon oben unter 2. Teil A. II. 2. a). 122 BGH, NJW-RR 2004, 81 ff. 123 BGH, NJW 2004, 513 ff. 124 BGH, NJW-RR 2004, 81 (82). 125 BGH, NJW-RR 2004, 81 (83); vgl. auch BGH, NJW 2004, 513 (514 f.). 126 Siehe beispielsweise schon BGHZ 30, 162 (170); BGHZ 40, 28 (32); BGHZ 98, 235 (242 f.); BGHZ 140, 102 (109 f.); BGH, NJW 2000, 72 (73). 127 Dafür spricht auch, dass die zitierten Urteile nicht für die amtliche Sammlung vorgesehen sind. Größere Bedeutung wird den Entscheidungen beigemessen von Eichenhofer, LMK 2004, 46 f.; Wendlandt, NJW 2004, 985 ff.; wie hier dagegen Linke, DVBl. 2006, 148 (149, 154). 128 Die Praxis wird sich dagegen darauf einstellen müssen, dass Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in solchen Konstellationen häufiger als bisher abgelehnt werden. Zu dieser Entwicklung schon oben unter 2. Teil A. II. 2. a). 129 Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 10, § 677 Rn. 7; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 16; Larenz, 1986, § 57 I a, S. 442 f.; Medicus, 2004, Rn. 414; Sippel, 2005, S. 240 ff.; Stamm, 2000, S. 99 ff.; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 35 f.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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dass der Handelnde nicht nur die ihm im Verhältnis zu dem Dritten obliegende Pflicht erfüllen, sondern auch für den Geschäftsherrn tätig werden will.130 Andernfalls komme die Annahme des Fremdgeschäftsführungswillens in solchen Fällen häufig einer Fiktion gleich.131 So sei der „pflichtgebundene Geschäftsführer“ häufig nicht gewillt, die Nebenpflichten einzuhalten, die ihm aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag erwachsen würden.132 Unter Umständen sei ihm dies auch kaum möglich, weil die Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn mit den Pflichten aus dem bestehenden Rechtsverhältnis zu einem Dritten kollidieren würden.133 Die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens trotz gleichzeitiger Erfüllung einer eigenen Verpflichtung wird auch in etlichen instanzgerichtlichen Entscheidungen abgelehnt.134 Sie führe zu einem nicht gerechtfertigten Aufwendungsersatzanspruch aus Billigkeitsgründen, der die Wertungen des Bereicherungsrechts umgehe. Auf diese Weise würden Ergebnisse erzielt, die der – vom Gesetzgeber bewusst nicht in das BGB übernommenen – Versionsklage entsprächen.135 c) Schließlich wird im Schrifttum auch vertreten, eine Geschäftsführung ohne Auftrag komme gar nicht in Betracht, wenn der Handelnde lediglich eine ihm obliegende vertragliche oder öffentlich-rechtliche Pflicht erfülle.136 Der pflichtengebundene Geschäftsführer führe objektiv nur ein eigenes Geschäft. Ihm fehle auch der Wille, das Geschäft als fremdes zu besorgen.137 Nur durch den völligen Ausschluss der „auch-fremden Geschäfte“ aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag lasse sich dieser klar und eindeutig begrenzen, was aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zwingend geboten sei.138 130 Schwark, JuS 1984, 321 (325 ff.); MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 20 f.; Spies, 1949, S. 32 ff. (insbesondere S. 54); Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 7; Stein, 1973, S. 92 ff. Im Ergebnis auch Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 143. 131 Larenz, 1986, § 57 I a, S. 440 ff.; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 36, 39. 132 Medicus, 2004, Rn. 414; Schwark, JuS 1984, 321 (325). 133 Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 10; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (437 f.). 134 AG Wiesbaden, NJW-RR 1988, 531 (531 f.); LG Köln, NJW 1991, 2354 (2354 f.); OLG Koblenz, NJW 1992, 2367 (2368); OLG Saarbrücken, NJW 1998, 828 (829); OLG Hamm, MDR 1999, 1230; LG Landau, NJW 2000, 1046; LG Kaiserslautern, MDR 2000, 1200; OLG Stuttgart, OLG-Report 2002, 26 (27). 135 So die zuvor zitierten Entscheidungen. Ebenso ausdrücklich Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 d), S. 14; Falk, JuS 2003, 833 (836 f.); Medicus, 2004, Rn. 414. 136 Für einen Ausschluss der Geschäftsführung ohne Auftrag bei vertraglichen Verpflichtungen gegenüber einem Dritten Boehmer, Festschrift für Hedemann, 1958, 25 (36 f.); Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 15 f.; Weishaupt, NJW 2000, 1002 (1003); wohl auch Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 10; Falk, JuS 2003, 833 (836 f.); ebenso für die wichtigsten Fallgruppen Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 d), S. 13 ff.; für die Fälle der Schuldnermehrheit auch Stamm, 2000, S. 96 ff., 104, 108 f. 137 Neuffer, 1970, S. 44 ff., 83 ff.; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (434 ff.); für den Regelfall auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (38 ff.). 138 Schubert, AcP 178 (1978), 425 (435 f.).
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
2. Eigene Stellungnahme zu dieser Fallgruppe Nach der hier vertretenen subjektiven Konzeption stellt sich die Frage nicht, welchen Einfluss das Bestehen einer eigenen Verpflichtung des Geschäftsführers auf die Geschäftsführung ohne Auftrag hat, da es für den Tatbestand des § 677 BGB auf ein solches objektives Merkmal nicht ankommt. Die Auswirkungen des objektiven Bestehens einer eigenen Verpflichtung auf den (allein maßgeblichen) subjektiven Fremdgeschäftsführungswillen können dagegen unterschiedlich sein. Daher ist zwischen zwei Unterfällen zu differenzieren.
a) Handeln ohne Rücksicht auf die Verpflichtung Handelt der Geschäftsführer nicht im Hinblick auf die ihn objektiv treffende Verpflichtung, besteht kein Anlass, seinen Fremdgeschäftsführungswillen anders zu beurteilen, als wenn die Verpflichtung nicht bestünde. Dies ist etwa der Fall, wenn sich der Tätigwerdende über das Zustandekommen oder die Wirksamkeit eines entsprechenden Vertrags mit einem Dritten irrt. Weiß der Geschäftsführer nicht, dass die Handlung eine eigene Verpflichtung erfüllt, kann er auch nicht bewusst im eigenen Interesse handeln. Der von ihm mit der Ausführung der Tätigkeit verfolgte Zweck ist dann nicht der in der Befreiung von der Verbindlichkeit liegende eigene Vorteil. In diesem Fall übernimmt der Handelnde die Geschäftsbesorgung vielmehr ausschließlich fremdnützig. Denn subjektiv handelt er in Ermangelung eines – ihm bekannten – eigenen Interesses nur für einen anderen und nicht (auch) für sich selbst. Gleiches muss gelten, wenn dem Geschäftsführer die vertragliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten zwar bekannt ist, er sich von diesem Rechtsverhältnis aber losgesagt hat. Dies setzt voraus, dass der Verpflichtete nicht mehr die Absicht hat, seine vertragliche Verbindlichkeit zu erfüllen. Verzichtet der Geschäftsführer – möglicherweise unter Inkaufnahme von Schadensersatzansprüchen – darauf, seiner eigenen Pflicht nachzukommen, ist wieder Raum für fremdnütziges Handeln zugunsten des Geschäftsherrn.139 Diese Konstellation dürfte kaum praktische Bedeutung haben. Angesichts der Seltenheit eines solchen Sachverhalts wird es auch schwierig sein, das Gericht von diesem Sinneswandel zu überzeugen. Der Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens wird in einem solchen Fall nur gelingen, wenn äußere Umstände zeigen, dass sich der Handelnde von seinem Vertragspartner abgewandt hat und als Geschäftsführer ohne Auftrag für den Geschäftsherrn tätig werden wollte. Dies erscheint nicht ausgeschlossen, wird aber doch ein seltener Ausnahmefall bleiben.140 139 Vgl. dazu schon Brückmann, 1903, S. 56 ff.; Kohler, Jher.Jb. 25 (1887), 1 (85 f.). Siehe ferner Stein, 1973, S. 97; Wendlandt, NJW 2004, 985 (986 f.). 140 Stein, 1973, S. 95 ff., stellt diesen Fall in den Mittelpunkt seiner Überlegungen, um zu beweisen, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch einen pflichtengebundenen
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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Nach alledem bleibt festzuhalten, dass der Tatbestand des § 677 BGB auch dann erfüllt sein kann, wenn der Geschäftsführer objektiv einem Dritten gegenüber zur Geschäftsbesorgung verpflichtet ist. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag sind in dieser Konstellation also nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie kommen in Betracht, wenn die subjektiv fremdnützige Zwecksetzung des Handelnden ohne Rücksicht auf seine objektiv bestehende Verpflichtung erfolgt. Es ist ein wesentlicher Vorteil der hier vertretenen subjektiven Konzeption, auch diese Fälle sachgerecht lösen zu können.
b) Handlungen zur Erfüllung der Verpflichtung In aller Regel wird dem Handelnden aber bewusst sein, dass er gegenüber einem Dritten zur Geschäftsbesorgung verpflichtet ist. Neben seinen Willen, diese ihm obliegende Verbindlichkeit zu erfüllen, tritt – mehr oder weniger stark ausgeprägt – der Wille, dem Geschäftsherrn einen Vorteil zukommen zu lassen. Die subjektive Einstellung stimmt also mit der objektiv gegebenen Verpflichtungssituation überein. In dieser Konstellation haben die „auch-fremden“ Geschäfte praktische Bedeutung erlangt. Ein Fremdgeschäftsführungswille in dem oben erarbeiteten Sinn lässt sich unter diesen Umständen nicht feststellen. aa) Dem steht – nach der hier vertretenen Lösung – schon das eigene Interesse des Geschäftsführers an der Geschäftsbesorgung entgegen.141 Es wäre lebensfremd, hier davon auszugehen, der Handelnde wolle nicht auch eigennützig agieren. Wollte man in diesen Fällen gleichwohl den Fremdgeschäftsführungswillen bejahen, käme dies einer Fiktion gleich. Ein Indiz dafür ist, dass der „Geschäftsführer“ in dieser Konstellation in aller Regel zu keiner Zeit gewillt ist, die ihm nach §§ 677 ff. BGB obliegenden Nebenpflichten anzuerkennen und einzuhalten. Das würde ihm auch schwerfallen, soweit die aus der Geschäftsführung ohne Auftrag erwachsenden Pflichten im Widerspruch zu den Pflichten stünden, die sich aus dem schon zuvor bestehenden Rechtsverhältnis ergeben. Ein weiteres Indiz ist das Fehlen der bei der Geschäftsführung ohne Auftrag typischer Weise vorliegenden Freiwilligkeit im Hinblick auf die Übernahme der Geschäftsbesorgung. Der Entschluss des „Geschäftsführers“, in objektiv einem anderen nützender Weise tätig zu werden, beruht eben auf seiner Verpflichtung gegenüber einem Dritten, genau dies zu tun. Diese Verpflichtung zu erfüllen, ist aber zunächst ausschließlich eigennützig. Der Handelnde erlangt dadurch die Befreiung von einer Verbindlichkeit. Diese von der Rechtsordnung anerkannte Zwecksetzung der Leistungshandlung (datio solvendi causa)142 wird in der Rechtsprechung des BGH von einem angebGeschäftsführer denkbar ist. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Dies ändert aber nichts an dem hier dargestellten Regel-Ausnahme-Verhältnis. Weitere Beispiele für einen solchen Ausnahmefall schildert Gursky, AcP 185 (1985), 13 (40 ff.). Siehe ferner v. Caemmerer, NJW 1963, 1402 (1403); Wittmann, 1981, S. 31, 78. 141 Wie soeben unter IV. dargelegt.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
lichen Fremdgeschäftsführungswillen überlagert, von dem auf zweifelhafter Vermutungsgrundlage ausgegangen wird. Die naheliegende Zweckbestimmung des Handelnden so zu ignorieren, vermag nicht zu überzeugen.143 Ein Fremdgeschäftsführungswille ist dem Handelnden bei der Erfüllung eigener Pflichten im Regelfall144 fremd. Wer bewusst eine eigene Verpflichtung erfüllt, will das „ihm Obliegende“ tun.145 Er handelt folglich (zumindest auch) in eigennütziger und nicht in fremdnütziger Absicht.146 Das gilt in gleicher Weise für die „gleichzeitige“ Erfüllung öffentlich-rechtlicher 147 und privatrechtlicher, gesetzlicher und vertraglicher Pflichten. bb) An den oben dargelegten Voraussetzungen des Fremdgeschäftsführungswillens fehlt es zudem, weil der „Geschäftsführer“ in diesen Fällen auch nicht in dem Bewusstsein handeln kann, im objektiven Interesse des „Geschäftsherrn“ tätig zu werden.148 Denn es ist evident und daher auch für den Handelnden erkennbar, dass es für den Leistungsempfänger nicht von Vorteil ist, eine Handlung für sich und auf seine Kosten von einem unbeauftragten Geschäftsführer vornehmen zu lassen, die dieser aufgrund einer bereits bestehenden Verpflichtung ohnehin erbringen würde.149 Das zeigt die Überlegung, ob die Beteiligten in einer solchen Situation einen Vertrag über die Dienstleistung geschlossen hätten, wenn es ihnen möglich gewesen wäre. Niemand würde aber einen Geschäftsführer mit einer Tätigkeit beauftragen (und dafür Aufwendungsersatz leisten), zu deren Vornahme dieser bereits aus anderem Grund verpflichtet ist. cc) Das hier vertretene Ergebnis lässt sich schließlich noch mit einem Argument aus der Gesetzgebungsgeschichte untermauern.150 So wollte die Erste Kommission in § 760 E I folgende Regelung normieren:
142 So der „moderne“ (finale) Leistungsbegriff im Hinblick auf § 812 BGB. Dazu Esser / Weyers, 2000, § 48 I, S. 41 f.; § 48 II, S. 42 ff.; Larenz / Canaris, 1994, § 67 II 1 d, S. 132 f.; Reuter / Martinek, 1983, § 4 II 2, S. 84 ff. 143 Nach Beuthien, JuS 1987, 841 ff. schließt die Vornahme einer Leistung im Rechtssinn schon die Möglichkeit aus, mit dieser Handlung eine Aufwendung, also ein freiwilliges Vermögensopfer zu erbringen. 144 Zu möglichen Ausnahmen schon oben unter a). 145 Larenz, 1986, § 57 I a, S. 441. 146 Siehe auch Falk, JuS 2003, 833 (834); Gursky, AcP 185 (1985), 13 (38 f.); Lent, 1909, S. 152 ff.; St. Lorenz, NJW 1996, 883 (885); Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (994); Medicus, 2004, Rn. 414; Melullis, 1971, S. 171 f.; Neuffer, 1970, S. 84 f., 88; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (437 mit Fußn. 51); Schwark, JuS 1984, 321 (325); Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 36 f.; a. A. M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (706 f.). 147 Speziell dazu etwa Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (997); Scherer, NJW 1989, 2724 (2728); Schwark, JuS 1984, 321 (326 f.); Staake, JA 2004, 800 (803). 148 Vgl. zu dieser Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens oben 3. Teil A. I. 3. 149 Darauf weist auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (39) hin. 150 Vgl. auch Pesch, Jura 1995, 361 (364).
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„Wenn jemand ein fremdes Geschäft im Auftrage eines Dritten besorgt, so wird ihm der Geschäftsherr und er dem letzteren aus der Geschäftsbesorgung nicht verpflichtet, es sei denn, daß er zugleich in der Absicht gehandelt hat, als Geschäftsführer des Geschäftsherrn das Geschäft zu besorgen.“
In den Motiven wird dazu ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass der Handelnde nur das Mandat seines Auftraggebers erfüllen wolle. Die Absicht, das Geschäft fremdnützig für den Geschäftsherrn zu führen, bedürfe dagegen eines besonderen Nachweises.151 Zwar scheint die Erste Kommission nach dem Wortlaut des § 760 E I davon auszugehen, dass man ausnahmsweise neben der bewussten Erfüllung seiner eigenen Pflicht auch mit fremdnütziger Absicht für den Geschäftsherrn handeln kann,152 was nach dem oben Gesagten nicht zu überzeugen vermag. Entscheidend ist aber das der Norm zu entnehmende Regel-Ausnahme-Verhältnis. Liegen keine Besonderheiten im subjektiven Tatbestand vor, bleibt es bei der Vertragserfüllung. Zwischen dem Handelnden und seinem Auftraggeber findet Vertragsrecht Anwendung, zwischen dem Handelnden und dem Leistungsempfänger besteht kein Rechtsverhältnis aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Anders ist es nur, wenn der Geschäftsführer ausnahmsweise mit fremdnütziger Absicht für den Geschäftsherrn tätig wird. Auch an dieser Stelle153 machen die Motive also deutlich, dass es bei der Frage, ob es sich um eine Geschäftsführung ohne Auftrag handelt, wenn jemand ein Geschäft besorgt, entscheidend auf die innere Einstellung des Handelnden ankommt. Dies gilt umso mehr, wenn jemand etwas tut, wozu er sich einem Dritten gegenüber vertraglich verpflichtet hat. In aller Regel wird er dabei (eigennützig) tätig, um seine Verbindlichkeit zu erfüllen. Handelt er aber ausnahmsweise fremdnützig, ist also der subjektive Tatbestand des § 677 BGB erfüllt, sind Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag denkbar. Dass die von Rechtsprechung und Teilen des Schrifttums vorgenommene generelle Ausdehnung der Geschäftsführung ohne Auftrag auf „auch-fremde“ Geschäfte nicht mit dem Willen des historischen Gesetzgebers in Einklang steht, zeigt sich auch daran, dass die Zweite Kommission (zu Recht) den einschlägigen Fällen nur geringe praktische Bedeutung beimaß und § 760 E I daher für überflüssig hielt.154 Die ausufernde Rechtsprechung des BGH, die den Fremdgeschäftsführungswillen selbst bei „auch-fremden“ Geschäften vermuten will, stellt das im Gesetzgebungsverfahren zutreffend zugrundegelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis aber auf den Kopf. Siehe Motive, Bd. 2, S. 869 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 486. Diese Annahme wurde im frühen Schrifttum zum BGB und in der Rechtsprechung schnell aufgegriffen und zur Selbstverständlichkeit erklärt. So wurde die Ausnahmesituation aus den Motiven zum Regelfall in der Rechtsanwendung; kritisch dazu auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (36 f.). 153 Siehe allgemein schon oben unter 2. Teil B. II. 2. 154 Die Klärung dieser Fallgruppe sollte der Wissenschaft überlassen bleiben. Die Regelung des § 760 E I wurde deshalb nicht in das BGB übernommen. Siehe Protokolle, Bd. 2, S. 741 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1202. Dazu auch Stamm, 2000, S. 98 f. 151 152
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
dd) Würde man dagegen auch im Regelfall den Fremdgeschäftsführungswillen des Verpflichteten bejahen und ihm einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 683 BGB gegen den Zuwendungsempfänger zusprechen, stünde dieses Ergebnis in offensichtlichem Widerspruch zu der bereicherungsrechtlichen Lösung derartiger „Dreiecksfälle“.155 Insoweit ist anerkannt, dass ein direkter Durchgriff des Handelnden gegen den Begünstigten mit der Interessenlage der Beteiligten regelmäßig nicht in Einklang steht.156 Diese gebietet vielmehr eine Rückabwicklung in den Verhältnissen, in denen eine Leistung i. S. d. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt, also eine zweckgerichtete bewusste Mehrung fremden Vermögens (im Regelfall zur Erfüllung einer Verbindlichkeit).157 Durch die Betonung dieses Zwecks einer Leistungshandlung steht die hier vorgeschlagene Lösung also im Einklang mit den anerkannten Grundsätzen des Bereicherungsrechts. Sie verhindert eine Abwälzung des durch die Auswahl eines Vertragspartners übernommenen Insolvenzrisikos und den Verlust von Einwendungen.
3. Erprobung des Ergebnisses an Fallbeispielen Hat man zu beurteilen, ob jemand, der eine ihm obliegende Pflicht erfüllt, mit dieser Handlung im Verhältnis zu dem Begünstigten zum unbeauftragten Geschäftsführer wird, sind danach mehrere Prüfungsschritte zu unterscheiden.
a) Handlungen ohne Rücksicht auf die Verpflichtung Zunächst kommt Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht, wenn die soeben unter 2. a) vorgestellte Ausnahmekonstellation gegeben ist. Wird der Geschäftsführer also nicht im Hinblick auf seine objektiv bestehende Verpflichtung tätig, sondern in fremdnütziger Absicht, ist der subjektive Tatbestand des § 677 BGB erfüllt. In diesem Fall wirkt sich folglich die objektive Pflicht nicht auf die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag aus.
b) Handlungen zur Erfüllung der Verpflichtung Anders ist es in der oben als Regelfall dargestellten Konstellation, in der der Handelnde bewusst eine eigene Pflicht erfüllt. Ehe man hier aber den Fremd155 Darauf weisen etwa auch Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (994 f.); Neuffer, 1970, S. 88; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (442) hin. 156 Zum Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis Esser / Weyers, 2000, § 48 III, S. 46 ff.; Larenz / Canaris, 1994, § 70, S. 197 ff.; zu den dabei zu beachtenden Wertungsgesichtspunkten Larenz / Canaris, 1994, § 70 VI, S. 246 ff.; Reuter / Martinek, 1983, § 10 I 2 b, S. 394 ff. 157 Ebenso etwa M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (714).
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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geschäftsführungswillen wegen der gleichzeitigen Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit durch den „Geschäftsführer“ ablehnen kann, sind wiederum die oben für das Handeln im eigenen Interesse entwickelten Prüfungsschritte zu absolvieren. Denn auch das Tätigwerden im Hinblick auf eine bestehende Verpflichtung schließt den Fremdgeschäftsführungswillen nicht aus, soweit deren Erfüllung lediglich Motiv für die Geschäftsbesorgung war, als reiner Reflexvorteil eingetreten ist oder die Geschäftsbesorgung (zumindest gedanklich) teilbar ist und die Pflicht nur einen Teil der Tätigkeit betrifft.
aa) Pflichterfüllung als eigennütziges Motiv Wie bereits festgestellt, setzt der Fremdgeschäftsführungswille keine altruistische Motivation voraus. Ob sich der Handelnde aus christlicher Nächstenliebe zum Eingreifen entschließt oder aus Furcht vor einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, ist für den Tatbestand des § 677 BGB unerheblich. Das gilt auch im Hinblick auf die Erfüllung einer eigenen Verpflichtung, wo diese bloßes Motiv für den Entschluss zum Tätigwerden ist.158 Daraus folgt, dass die Erfüllung des aus § 323c StGB abzuleitenden Gebots zur Hilfeleistung auch in subjektiver Hinsicht159 der Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegensteht. Die Absicht, dieses Gebot zu erfüllen, betrifft lediglich die Motivebene. Dagegen bleibt der von dem Handelnden mit der vorgenommenen Hilfeleistung verbundene Zweck fremdnützig. Auch wer sich nur widerwillig und aus Angst vor dem Staatsanwalt dazu durchringt, einem Opfer zu helfen, will natürlich, dass der unmittelbare Vorteil seiner Handlung dem in Not Geratenen zu Gute kommt. Genau dies ist ja auch Inhalt der Gebotsnorm, sie fordert zu fremdnützigem Handeln auf. Damit ist der Fremdgeschäftsführungswille des Helfers zu bejahen. Er erwirbt einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 683, 677 BGB. Dieses (allseits befürwortete) Ergebnis ergibt sich also auch bei einer ernstlichen subjektiven Prüfung. Auf die Vermutungslösung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist man dafür nicht angewiesen.
bb) Pflichterfüllung als Reflexvorteil Auch im Übrigen entspricht die Prüfungsreihenfolge hier dem oben vorgestellten Schema für Tätigkeiten, die (auch) im eigenen Interesse liegen. Demzufolge ist es für das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens unschädlich, wenn dem Geschäftsführer durch eine Tätigkeit in fremdnütziger Absicht selbst Reflexvorteile zufallen. Dies gilt auch, wenn es sich dabei um die Erfüllung einer dem Geschäftsführer obliegenden Pflicht handelt.160 Näher zur Motivebene oben unter I. 5. Zum objektiven Tatbestand des § 677 BGB insofern schon oben unter 2. Teil A. III. 160 Solche Fälle sind allerdings kaum vorstellbar. Die Erfüllung einer Verpflichtung wird selten die zwangsläufig eintretende Nebenfolge einer Handlung sein (zum Begriff schon 158 159
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
cc) Pflichterfüllung durch teilbare Geschäftsbesorgung Weiterhin ist wiederum zu prüfen, ob sich die Handlung des Geschäftsführers (tatsächlich oder gedanklich) in zwei Teilakte aufteilen lässt, von denen nur einer in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Geschäftsführers vorgenommen wurde. Ist dies der Fall, lässt sich für den anderen Teilakt eine Geschäftsführung ohne Auftrag bejahen. Beispiel: A und Z sind zu gleichen Teilen Miteigentümer eines Grundstücks. Dieses war früher mit einem Wohnhaus bebaut. Inzwischen ist das Gebäude verfallen, im Wesentlichen ist nur noch der stärkere Westgiebel stehen geblieben. Da die Mauer einzustürzen droht, wird A und Z als Eigentümern von der zuständigen Behörde aufgegeben, die Mauer abzureißen. Da Z sich weigert, nimmt A die Abrissarbeiten allein vor. Der Abriss der Giebelmauer durch A ließe sich zwar in zwei Hälften aufteilen. Die rechtliche Situation ist aber für beide Teile die Gleiche. Denn A war (genauso wie Z) verpflichtet, die gesamte Mauer abzureißen. Er handelte also durchweg in Erfüllung einer eigenen Verpflichtung und nicht bei einem Teil ausschließlich fremdnützig. Damit ist ein Fremdgeschäftsführungswille abzulehnen. A hat keine Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag. Anders wäre es, wenn die Mauer jeweils zur Hälfte auf zwei benachbarten Grundstücken des A und des Z gestanden hätte. Wenn A hier die gesamte Mauer abreißt, kommt für den Teil, für den Z allein verantwortlich war, eine Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. Geht der Handelnde also über seine Verpflichtung hinaus, ist für diesen Teil Geschäftsführung ohne Auftrag möglich.161 Der Anspruch aus §§ 670, 683 BGB beschränkt sich dann auf die zusätzlichen Aufwendungen, die nicht angefallen wären, wenn sich der Geschäftsführer auf die Erfüllung seiner eigenen Pflicht beschränkt hätte.
dd) Pflichterfüllung durch unteilbare Geschäftsbesorgung Liegt keiner dieser Fälle vor, haben wir es mit der in der Praxis häufigsten Konstellation zu tun: Der „Geschäftsführer“ eines „auch-fremden“ Geschäfts handelt eigennützig. Er kommt im eigenen Interesse seiner Pflicht nach. In diesen Fällen bleibt kein Raum für die Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag kommen daher nicht in Betracht.
4. Exkurs: Erfüllung einer vermeintlichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten Von der soeben behandelten Konstellation des einem Dritten gegenüber verpflichteten Geschäftsführers ist der Fall zu unterscheiden, dass der Handelnde eine vermeintliche Verpflichtung erfüllt, die aber objektiv nicht besteht. Dabei soll es oben unter IV. 2. b).). Ein Beispiel ist allerdings wiederum der Ausschluss der Strafbarkeit aus § 323 c StGB als Reflexvorteil einer Hilfeleistung. 161 Diese Differenzierung findet sich schon in der Entscheidung BayObLG, MDR 1968, 920.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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– wegen der Parallelen zum zuvor Erörterten – zunächst nur um die Fälle gehen, in denen die angenommene Verpflichtung das Verhältnis zu einem Dritten betrifft (sei es, dass ein Vertrag mit einem Dritten nichtig ist; sei es, dass eine angenommene gesetzliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten nicht besteht).162 Die damit angesprochene Fallgruppe wird im Schrifttum selten explizit behandelt und hat auch in der Rechtsprechung bislang – soweit ersichtlich – keine Rolle gespielt. Gleichwohl ist sie nicht ohne Bedeutung für die Problematik des Fremdgeschäftsführungswillens bei sog. „auch-fremden“ Geschäften. a) Legt man die Vermutungslösung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde, ist auch in diesem Fall das Rechtsverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag zwischen dem Handelnden und dem unmittelbar Begünstigten zu bejahen. Da aus dem nichtigen oder nicht bestehenden Verhältnis zu einem Dritten objektiv keine Pflichten für den „Geschäftsführer“ erwachsen, liegt die Annahme einer fremdnützigen Handlung hier sogar näher. Auch ein Ausschluss der Geschäftsführung ohne Auftrag wegen der „umfassenden vertraglichen Regelung der Entgeltfrage“ mit dem Dritten, wie ihn der BGH in seiner neueren Rechtsprechung erwägt, kommt hier wegen der Unwirksamkeit dieser Abrede nicht in Betracht.163 Die Vertreter der Lehre und die Instanzgerichte, die eine restriktivere Prüfung des Fremdgeschäftsführungswillens befürworten,164 müssten hier ebenfalls eher eine Geschäftsführung ohne Auftrag annehmen als in den Fällen, in denen eine wirksame Verpflichtung gegenüber dem Dritten besteht. Denn die Erfüllung einer nur vermeintlichen Verpflichtung bedeutet bei objektiver Betrachtung keinen eigenen Vorteil für den Handelnden. Seine Tätigkeit ist also objektiv ausschließlich fremdnützig. Dem Handelnden droht auch keine Pflichtenkollision, da gegenüber dem Dritten (etwa aus dem nichtigen Vertrag) keine Verpflichtung besteht. Will man in diesen Fällen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag trotzdem ablehnen, lässt sich dies auf der Basis der im Schrifttum vorherrschenden Ansicht nur auf der Konkurrenzebene erreichen. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag sollen danach nicht bestehen, weil die bereicherungsrechtliche Abwicklung vorrangig sei.165 b) Bei Anwendung der hier vorgeschlagenen Lösung ergibt sich dieses zutreffende Ergebnis schon aufgrund der oben vorgestellten Prüfung. Denn bei einer subjektiven Prüfung stellt man fest, dass die innere Einstellung des Handelnden zu der Geschäftsbesorgung hier im Regelfall nicht anders ist als bei der Erfüllung tatsächlich bestehender Verpflichtungen. Demnach ist wiederum zu differenzieren: 162 Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen ein Vertrag zwischen dem „Geschäftsführer“ und dem „Geschäftsherrn“ nichtig ist bzw. der Handelnde zu Unrecht von einer gesetzlichen Verpflichtung im Verhältnis zum „Geschäftsherrn“ ausgeht. Dazu sogleich unter VI. 163 Vgl. BGH, NJW-RR 2004, 81 ff. Kritisch zu der Beschränkung des BGH auf wirksame Verträge mit einem Dritten Wendlandt, NJW 2004, 985 (986 f.). 164 Siehe oben unter 1. b). 165 Ausdrücklich etwa Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 16.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
Geht der Handelnde davon aus, zu der Geschäftsführung verpflichtet zu sein, und möchte er diese Pflicht erfüllen, ist kein Fremdgeschäftsführungswillen gegeben. Bei subjektiver Betrachtung liegt dann nämlich eine Tätigkeit im eigenen Interesse vor, der mit der Handlung verbundene Zweck ist die Erfüllung der (vermeintlichen) Verbindlichkeit. Zudem sprechen die Wertungen des Bereicherungsrechts hier in gleicher Weise für die Abwicklung innerhalb der (gestörten) Leistungsbeziehung wie bei bestehender Verpflichtung.166 Handelt der Geschäftsführer dagegen ohne Rücksicht auf seine (vermeintliche) Verpflichtung167 oder weiß er, dass er objektiv gar nicht verpflichtet ist, bestehen gegen die Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens keine Bedenken. In diesen Fällen scheidet eine eigennützige Zwecksetzung aus, der Geschäftsführer handelt (ausschließlich) zum Vorteil des Geschäftsherrn. Dafür genügt es, wenn der Handelnde begründete Zweifel an (Wirksamkeit oder Zustandekommen) seiner Verpflichtung hat, positive Kenntnis vom Fehlen einer eigenen Verpflichtung ist nicht erforderlich.168 Entschließt er sich dann nämlich trotzdem zum Tätigwerden, heißt das, dass er das Geschäft in jedem Fall besorgen will, auch wenn es nur im Interesse des Geschäftsherrn ist. Diese fremdnützige Absicht erfüllt die Voraussetzungen des Fremdgeschäftsführungswillens. Entscheidend ist, dass der Handelnde nicht davon ausgeht, zu der Tätigkeit verpflichtet zu sein.
VI. Fremdgeschäftsführungswille bei der Erfüllung einer vermeintlichen Verpflichtung gegenüber dem „Geschäftsherrn“ Eine häufig auftretende Fallkonstellation, in der der Fremdgeschäftsführungswille des Handelnden fraglich erscheint, ist die Besorgung eines Geschäfts aufgrund einer angenommenen, aber tatsächlich nicht bestehenden Verpflichtung im Verhältnis zum Begünstigten.169 Auch hier ist es für die Lösung wieder unerheblich, ob sich die vermeintliche Pflicht aus dem öffentlichen Recht oder aus dem Privatrecht ergibt und ob es sich um eine gesetzliche oder eine vertragliche Verpflichtung handelt.170 Besonders praxisrelevant ist der Fall, in dem Dienstleistungen zur Erfüllung eines zweiseitigen Austauschvertrags erbracht werden, der sich So auch M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (714). Wie in den oben unter 2. a) geschilderten Ausnahmefällen. 168 Vgl. oben unter I. 4. b) zu der parallelen Frage, ob der Fremdgeschäftsführungswille Kenntnis von der „Auftragslosigkeit“ des Handelns voraussetzt. 169 Zu der Frage, ob und wie sich eine solche objektive Situation im Bewusstsein des Handelnden widerspiegeln muss, schon oben unter I. 4. b). 170 Siehe etwa AG München, NZM 2001, 1030 (1031). Hier ging der handelnde Mieter davon aus, gegenüber seinem Vermieter gesetzlich zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet zu sein. Das AG München hat seinen Fremdgeschäftsführungswillen deshalb zutreffend verneint. 166 167
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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dann als unwirksam herausstellt. Da die vermeintliche Berechtigung hier tatsächlich nicht besteht, ist die objektive Tatbestandsvoraussetzung des § 677 BGB „ohne Auftrag“ erfüllt.171 Problematisch ist dagegen wiederum das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens.
1. Meinungsstand a) Der BGH behilft sich auch in dieser Fallgruppe mit der Vermutung der fremdnützigen Absicht des Handelnden.172 Er geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auch die Besorgung eines Geschäfts aufgrund eines nichtigen Vertrags die Voraussetzungen des § 677 BGB erfülle.173 Dies gelte unabhängig davon, ob die Unwirksamkeit des Vertrags den Beteiligten bekannt sei oder nicht. An die Stelle des vertraglichen Anspruchs auf die Gegenleistung soll danach der Aufwendungsersatzanspruch des § 670 BGB treten. In Fällen, in denen diese Rechtsfolge absolut untragbar erscheint, findet sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich eine Ergebniskorrektur.174 So soll der „Geschäftsführer“ Aufwendungen, die er zur Erfüllung eines gesetzes- oder sittenwidrigen Vertrags vornimmt, nicht für erforderlich halten dürfen. Der Anspruch soll dann also erst am Fehlen der Voraussetzungen des § 670 BGB scheitern. Der BGH bejaht eine Geschäftsführung ohne Auftrag auch in Fällen, in denen der vermeintliche Vertrag zwischen dem Handelnden und dem Begünstigten nicht wirksam zustandegekommen ist, weil er von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen wurde.175 In dieser Konstellation soll der Aufwendungsersatzanspruch gegen den Begünstigten neben den Anspruch aus § 179 BGB gegen den falsus procurator treten. b) Auch im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag seien anwendbar, wenn Dienste aufgrund eines nichtigen Vertrages mit dem Geschäftsherrn geleistet wurden.176 Dem Gesetz lasse sich kein subjektives Erfordernis im Hinblick auf die objektive Tatbestandsvoraus171 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass aus einem nichtigen Vertrag keine Berechtigung gegenüber dem Geschäftsherrn erwachsen kann (siehe oben unter 2. Teil A. III.). 172 Ausdrücklich etwa BGH, NJW-RR 1993, 200; BGH, NJW 2000, 72 (72 f.); ebenso OLG Frankfurt, NJW-RR 2003, 964. 173 BGHZ 37, 258 (263); BGHZ 39, 87 (90); BGHZ 101, 393 (399); BGHZ 111, 308 (311); BGHZ 118, 142 (150); BGHZ 143, 9 (16); BGHZ 157, 168 (175); BGH, NJW-RR 1989, 970; BGH, NJW 1993, 3196; BGH, WM 1996, 2159 (2162); BGH, NJW 1997, 47 (48); BGH, WM 2000, 973; BGH, ZIP 2005, 1599 (1601). 174 So etwa in den Entscheidungen BGHZ 37, 258 (263 f.); BGHZ 111, 308 (311); BGHZ 118, 142 (150). Siehe auch unten unter 2. b). 175 BGH, NJW-RR 1989, 970; BGH, NJW-RR 2004, 81 (83). 176 Im älteren Schrifttum war diese Ansicht noch herrschend, siehe nur Brückmann, 1903, S. 65 f.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
setzung „ohne Auftrag“ entnehmen. Selbst wenn der Handelnde seine Pflicht erfüllen wolle, könne er hier – wie in anderen Fällen – daneben auch für den Geschäftsherrn tätig werden.177 c) Die ganz herrschende Lehre lehnt dies allerdings ab.178 Dabei werden zur Begründung sowohl subjektive als auch objektive Gründe angeführt. Zum einen geht man davon aus, in diesen Fällen fehle dem Handelnden der Fremdgeschäftsführungswille, da er keine eigenverantwortliche Entscheidung zur Förderung fremder Interessen treffe.179 Er werde subjektiv nur zur Erfüllung seiner (vermeintlichen) Verpflichtung tätig.180 Zum anderen wird auf den Vorrang des Bereicherungsrechts abgestellt, ohne die Tatbestandsvoraussetzungen des § 677 BGB zu prüfen.181 Zur Rückabwicklung gescheiterter Leistungsbeziehungen enthalte das Gesetz die Leistungskondiktion. Das Bereicherungsrecht (mit seinen speziellen Beschränkungen des Anspruchs auf Herausgabe des Erlangten bzw. Wertersatz) dürfe nicht durch den Aufwendungsersatz der Geschäftsführung ohne Auftrag verdrängt werden.182 Es gebe keinen Grund, zwischen der Rückabwicklung eines Kaufvertrags und eines Dienstvertrags zu unterscheiden. d) Eine einschränkende Ansicht im Schrifttum lehnt zwar für den Regelfall ebenfalls den Fremdgeschäftsführungswillen wegen der angestrebten Erfüllung einer eigenen Verpflichtung ab. Dies soll aber nicht gelten, wenn es sich um eine Geschäftsbesorgung in Erfüllung eines nichtigen Auftrags gemäß § 662 BGB handelt.183 Hier sei schon die Verpflichtung in fremdnütziger Absicht eingegangen worden, so dass die Voraussetzungen des Fremdgeschäftsführungswillens vorlägen.184 177 Berg, JuS 1972, 193 (195); Hader, 2006, S. 175 ff.; Koeble, Festschrift für Korbion, 1986, S. 215 (217 f.); M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (706 ff.); wohl auch Palandt / Sprau, 2007, § 677 Rn. 7 f. 178 Siehe etwa Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 21; Hauß, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 333 (334); Helm, 1983, S. 335 (393); Larenz, 1986, § 57 I a, S. 441; Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (992 f.); Medicus, 2004, Rn. 412; Schulze, JZ 2000, 523 (524); Wendlandt, NJW 2004, 985 (987). 179 Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 16; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (31 ff.); Neuffer, 1970, S. 66 f. 180 Einsele, JuS 1998, 401 (403 f.); Falk, JuS 2003, 833 (834, 835 f.); Staudinger / W. Lorenz, 1999, Vorbem zu §§ 812 ff. Rn. 45; Schwark, JuS 1984, 321 (326). Im Ergebnis auch Gold, JA 1994, 205 (210 f.), der das Vorliegen einer Leistung zur Erfüllung eines nichtigen Vertrags als Ausschlussgrund für den Fremdgeschäftsführungswillen ansieht. 181 OLG Koblenz, NJW 1999, 2904 (2905); St. Lorenz, NJW 1996, 883 (886); Jauernig / Mansel, 2004, § 677 Rn. 6; Reuter / Martinek, 1983, § 21 I 2, S. 707 ff.; HK-BGB / Schulze, 2007, § 677 Rn. 8; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 48; Wollschläger, 1976, S. 207 ff. 182 Erman / Ehmann, 2004, § 677 Rn. 9; Schröder / Bär, Jura 1996, 449 (451); Schubert, AcP 178 (1978), 425 (451 f.). 183 Wittmann, 1981, S. 25 f., 103, 119; zustimmend Sippel, 2005, S. 247; für den Regelfall auch Melullis, 1971, S. 175 f.
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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2. Stellungnahme a) Eigene Konzeption Die Lösung dieser Fälle ist auf der Grundlage der hier befürworteten Konzeption von der inneren Einstellung des Handelnden abhängig. Da die Erfüllung einer vermeintlichen Verpflichtung gegenüber dem „Geschäftsherrn“ ein objektives Kriterium ist, ist wiederum zu differenzieren. aa) Geht der Geschäftsführer bei der Geschäftsbesorgung nicht davon aus, mit der Tätigkeit eine bestehende Verpflichtung zu erfüllen, ist die mit der Handlung verbundene Zwecksetzung fremdnützig.185 Kennt er etwa die Unwirksamkeit eines Vertrags, fällt die Befreiung von einer Verbindlichkeit als angestrebtes eigenes Interesse weg. Dieses Wissen wird beispielsweise in den Fällen der Schwarzarbeit in aller Regel gegeben sein. Nimmt der Geschäftsführer dann gleichwohl eine Handlung vor, die für den Geschäftsherrn vorteilhaft ist, deutet dies auf seinen Fremdgeschäftsführungswillen hin. Zwar ist die fremdnützige Absicht dann noch im Einzelfall zu prüfen, das Vorhandensein des nichtigen Vertrags allein spricht jedoch nicht gegen sie. Daher ist es auch nicht gerechtfertigt, die Möglichkeit einer Geschäftsführung ohne Auftrag in den Fällen der Erfüllung eines nichtigen Vertrags mit dem Geschäftsherrn ganz auszuschließen.186 Der dafür angenommene generelle Vorrang des Bereicherungsrechts auf Konkurrenzebene lässt sich nicht begründen. Wenn nämlich der Geschäftsführer nicht davon ausgeht, aufgrund des Vertrags zu seiner Tätigkeit verpflichtet zu sein, besteht zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag und dem nichtigen Vertrag keine Verbindung, beide Rechtsverhältnisse stehen unabhängig nebeneinander.187 Eine Geschäftsführung aufgrund nichtigen Auftrags ist also im Ausgangspunkt genauso zu behandeln wie eine Geschäftsführung ohne Auftrag.188 Ein genereller Vorrang des Bereicherungsrechts ist – folgt man der hier vorgeschlagenen subjektiven Konzeption – auch nicht er184 Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 43. Ähnlich Bergmanns Theorie der realgeschäftlichen Interessenwahrnehmung: Ein Rückgriff auf die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag sei möglich, wenn (wie beim nichtigen Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag) die Interessenstruktur eines Subordinationsverhältnisses gegeben sei, vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 334 f. 185 Wie hier differenzierend Eidenmüller, JZ 1996, 889 (893); Falk, JuS 2003, 833 (835); Gursky, AcP 185 (1985), 13 (31 ff.); Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (993 m. Fußn. 8); Neuffer, 1970, S. 63 ff.; Sippel, 2005, S. 249 ff.; im Grundsatz auch Melullis, 1971, S. 172 f.; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 42 f.; dagegen ausdrücklich OLG Koblenz, NJW 1999, 2904 (2905); Hader, 2006, S. 176 f.; Schubert, AcP 178 (1978), 425 (452 f.); M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (707). 186 So aber St. Lorenz, NJW 1996, 883 (886); Jauernig / Mansel, 2004, § 677 Rn. 6; Reuter / Martinek, 1983, § 21 I 2, S. 707 ff.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 47 f.; Wollschläger, 1976, S. 207 ff. 187 So zu Recht schon Melullis, 1971, S. 172 f. 188 Siehe auch Falk, JuS 2003, 833 (834).
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
forderlich, denn das Verhältnis beider Rechtsinstitute lässt sich schon auf tatbestandlicher Ebene hinreichend abgrenzen.189 Der Wille (zur Erfüllung einer Verbindlichkeit) zu leisten, schließt einen Fremdgeschäftsführungswillen aus. bb) Anders ist die innere Einstellung des „Geschäftsführers“, wenn er von einer entsprechenden Verpflichtung gegenüber dem „Geschäftsherrn“ ausgeht. Hier lässt sich ein Fremdgeschäftsführungswille im Sinn eines echten subjektiven Tatbestandsmerkmals nicht feststellen. Zum einen fehlt es schon an dem oben herausgearbeiteten kognitiven Element des Fremdgeschäftsführungswillens. Danach darf der Handelnde nicht davon ausgehen, beauftragt oder in sonstiger Weise dem Geschäftsherrn gegenüber zu der Tätigkeit berechtigt zu sein.190 Dies ist aber der Fall, wenn der „Geschäftsführer“ eine ihm gegenüber dem „Geschäftsherrn“ vermeintlich obliegende Pflicht erfüllen will. Darüber hinaus ist der subjektive Zweck der Handlung eigennützig. Das maßgebliche eigene Interesse liegt in der Befreiung von der angenommenen Verbindlichkeit.191 Von diesem Ziel wird der Handelnde geleitet. Ein Fremdgeschäftsführungswille kommt daher nicht in Betracht. Dies gilt auch für die Fälle, in denen ein (unerkannt nichtiger) Auftrag i. S. d. § 662 BGB erfüllt wird. Denn es kommt nicht auf die Willenssituation bei der Eingehung des Auftragsverhältnisses an, bei der eine gewisse Uneigennützigkeit eine Rolle spielen kann.192 Zu diesem Zeitpunkt hat sich der vermeintlich Beauftragte noch nicht zur Übernahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag entschlossen. Entscheidend ist vielmehr die Handlung in Ausführung des (vermeintlichen) Auftrags, da der Fremdgeschäftsführungswille gemäß § 677 BGB bei der Besorgung des Geschäfts vorliegen muss. Die (subjektive) Zweckbestimmung dieser (vermeintlichen) Erfüllungshandlung ist jedoch eigennützig. Denn aus dem Auftrag erwächst eine Rechtspflicht zum Tätigwerden, die dem Beauftragten u. U. inzwischen genauso unangenehm ist wie jede andere Verbindlichkeit. Sich von dieser Pflicht zu befreien, ist nun das Ziel seiner Geschäftsbesorgung. Diese subjektive Zielsetzung ist aber nicht fremdnützig, so dass es dem Handelnden am Fremdgeschäftsführungswillen fehlt.193 Zudem würde die Auffassung des BGH und einzelner Vertreter des Schrifttums dazu führen, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag den wichtigsten Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts überlagert. Für die Rückabwicklung nichtiger Verträge hat der Gesetzgeber die Regelungen der §§ 812 ff. BGB geschaffen. Die Gegenansicht würde eine Privilegierung desjenigen Bereicherungsgläubigers bedeuten, dessen Leistung i. S. d. § 812 BGB sich (zufällig) gleichzeitig als Geschäftsbesorgung i. S. d. § 677 BGB darstellt. Nur er würde eine zusätzliche An189 190 191 192 193
Dazu schon oben unter I. 4. a.E.; vgl. auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (32). Näher oben unter I. 4. b) dd). Dazu schon oben unter V. 2. b). So aber Melullis, 1971, S. 175 f.; Wittmann, 1981, S. 25 f., 103, 119. Ebenso Gursky, AcP 185 (1985), 13 (33).
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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spruchsgrundlage gewinnen. Nur er könnte u.U. den Restriktionen der §§ 814, 817 S. 2, 818 Abs. 3 BGB entgehen. Ein solches Ergebnis lässt sich sachlich nicht rechtfertigen. Das verdeutlicht der folgende Fall. Beispiel: Der 17-jährige M erwirbt ein gebrauchtes Fahrrad bei A. Nach einiger Zeit bemerkt er ein Nachlassen der Bremskraft. Tatsächlich hätten die Bremsen jederzeit ausfallen können. Daraufhin lässt M das Rad in der Werkstatt des B reparieren. Sowohl der Erwerb als auch die Reparatur geschahen ohne die Zustimmung der Eltern des M, die anfallenden Kosten überstiegen sein Taschengeld bei weitem. Wenig später wird das Fahrrad zerstört. Kaufvertrag und Werkvertrag sind nicht wirksam geworden. Einer Leistungskondiktion von A und B steht der Einwand der Entreicherung entgegen. Nun geht A leer aus, während B nach der Gegenansicht einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 677, 683, 670 BGB haben soll.194
Schließlich ist die Interessenlage bei der Erfüllung eines nichtigen Vertrags mit dem Geschäftsherrn in dem Bewusstsein, dazu verpflichtet zu sein, dem Fall des § 687 Abs. 1 BGB vergleichbar.195 Der vermeintlich dazu Beauftragte mag zwar ein objektiv fremdes Geschäft führen, er geht dabei aber davon aus, eine eigene Verbindlichkeit zu erfüllen und damit ein eigenes Geschäft zu führen. Diese irreale Absicht ist dem Fremdgeschäftsführungswillen nicht gleichzustellen, eine irrtümliche Eigengeschäftsführung erfüllt (unabhängig von der ausdrücklichen Rechtsfolgenanordnung des § 687 Abs. 1 BGB) nicht den Tatbestand des § 677 BGB. b) Erprobung an Fallbeispielen Dieser Lösungsvorschlag führt auch zu sachgerechten Ergebnissen in der praktischen Rechtsanwendung. aa) Für den Regelfall, in dem der Handelnde davon ausgeht, eine bestehende Verpflichtung zu erfüllen, ist das Bereicherungsrecht angemessen. Schon Melullis hat überzeugend nachgewiesen, dass insoweit auch im Hinblick auf die Interessenlage der Beteiligten kein praktisches Bedürfnis für eine Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag besteht.196 Insbesondere besteht kein Grund, die Rückabwicklung (unerkannt) nichtiger Verträge über Geschäftsbesorgungen anders zu behandeln als die Rückabwicklung sonstiger Austauschverträge. bb) Problematischer ist das Ergebnis mitunter in den Ausnahmefällen, in denen nach der hier vertretenen Lösung eine Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommt, weil dem Geschäftsführer das Fehlen einer (wirksamen) Verpflichtung bekannt war.197 Hieran wird kritisiert, dass auf diesem Weg ein vertragsähnliches 194 Wobei für die Feststellung des wirklichen Willens des „Geschäftsherrn“ gemäß § 683 BGB auf die Eltern des M abzustellen wäre, siehe unten unter 4. Teil B. I. 5. 195 So auch OLG Naumburg, Urt. v. 24. 09. 1998 – 3 U 1482 / 97 – (in der Vorinstanz zu BGH, WM 2000, 973, unveröffentlicht); Neuffer, 1970, S. 66 f.; Wittmann, 1981, S. 103. 196 Melullis, 1971, S. 143 ff., zusammenfassend S. 166. 197 Siehe oben unter a) aa).
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
Rechtsverhältnis zwischen den Parteien geschaffen wird, obwohl die Rechtsordnung dem an sich geschlossenen Vertrag aus gutem Grund die Wirksamkeit versagt. Auf diese Weise entstünden für beide Seiten vertragsähnliche Ansprüche ohne Vertrag198 und das Bereicherungsrecht mit seinen Beschränkungen könnte umgangen werden.199 Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt, da so gerade professionelle Geschäftsführer bevorzugt werden, die wissen, dass die von ihnen geschlossenen Verträge nichtig sind. Sie werden nicht zur Erfüllung ihrer vermeintlichen Verbindlichkeit tätig und können daher nach dem oben Gesagten mit Fremdgeschäftsführungswillen handeln. So könnte die Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig die Nichtigkeit von Verträgen über Schwarzarbeit gemäß § 134 BGB i.V.m. dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz 200 oder die Nichtigkeit von Verträgen über Titelkäufe gemäß § 138 BGB „heilen“. Dies kann in der Tat nicht Sinn und Zweck des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag sein. Um dieses unerwünschte Ergebnis in Fällen zu vermeiden, in denen es nicht gerechtfertigt erscheint, ist es allerdings nicht erforderlich, generell die Geschäftsführung ohne Auftrag auszuschließen, wenn nichtige Verträge zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn erfüllt werden. (1) Auf der einen Seite verlangt nicht jeder Unwirksamkeitsgrund nach seinem Sinn und Zweck den Ausschluss jeglicher Ansprüche zwischen den Beteiligten. Es sind vielmehr auch Fälle denkbar, in denen der Handelnde angesichts der von ihm erkannten fehlenden vertraglichen Bindung nunmehr tatsächlich fremdnützig für den Geschäftsherrn tätig wird. Beispiel: Eigentümer Z „beauftragt“ Dachdeckermeister A mit der Reparatur des Daches eines seiner Häuser. Er legt besonderen Wert darauf, dass die Arbeiten während seines bevorstehenden Urlaubs ausgeführt werden, um drohende Feuchtigkeitsschäden zu vermeiden. Wenig später erkennt A, dass er sich bei der Erstellung seines Angebots verschrieben hat und Z deshalb bei der Erteilung des „Auftrags“ von einem zu geringen Preis ausgegangen ist. Daraufhin ficht A den Werkvertrag schriftlich an, der Brief erreicht Z jedoch nicht mehr vor seiner Abreise, weil dieser es in der Hektik des Aufbruchs versäumt, noch einmal den Briefkasten zu leeren. Als nun schwere Unwetter angekündigt werden, entschließt sich A, die Arbeiten trotzdem auszuführen, um Z als guten Kunden nicht zu verlieren. Dabei ist ihm bewusst, dass der Werkvertrag nichtig ist.
Solche Fälle betreffen den Kernbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag, die §§ 677 ff. BGB enthalten die angemessenen Regelungen für die entstehenden Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien. Es überzeugt nicht, hier das Bereicherungsrecht anzuwenden. (2) Auf der anderen Seite lässt sich das kritisierte Ergebnis in den genannten Konstellationen der bewussten Erfüllung nichtiger Verträge, in denen es zu Recht Vgl. Erman / Ehmann, 2004, § 677 Rn. 9; Falk, JuS 2003, 833 (836). So etwa OLG Koblenz, NJW 1999, 2904 (2905); Schubert, AcP 178 (1978), 425 (452 f.); M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (707). 200 BGBl. I 2004, S. 1842. 198 199
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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als untragbar bezeichnet wurde, auf anderem Weg vermeiden. Auch wenn man den Fremdgeschäftsführungswillen in den hier vorgesehenen Fällen bejaht, heißt das noch nicht, dass das gesetzliche Schuldverhältnis mit allen seinen wechselseitigen Rechten und Pflichten entsteht. Vielmehr werden für diese Konstellation verschiedene Möglichkeiten vorgeschlagen, wie es sich vermeiden ließe, dass etwa der Schwarzarbeiter Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag erwirbt. Der BGH wählt in diesen Fällen einen subjektiven Ansatz, um die Rechtsfolgen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu begrenzen. Danach darf man Aufwendungen in Erfüllung eines gesetzes- oder sittenwidrigen Vertrags nicht für erforderlich i. S. d. § 670 BGB halten.201 Diese Lösung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn in Wirklichkeit geht es dem BGH hier um einen generellen Ausschluss derartiger Fälle aus dem Anwendungsbereich des § 670 BGB. Dann ist es aber nicht sinnvoll, den Tatbestand anhand des subjektiven Merkmals einzugrenzen. Dieses setzt nämlich einen individuellen Fahrlässigkeitsvorwurf voraus, der hier nicht passt.202 Nach Wittmann soll dagegen in derartigen Fällen schon der Tatbestand des § 677 BGB nicht erfüllt sein. Zwar lasse die Kenntnis von der Nichtigkeit des Vertrags grundsätzlich Raum für einen Fremdgeschäftsführungswillen; der bewusste Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot schließe jedoch die beabsichtigte Fremdnützigkeit des Handelns aus.203 Diese Vorgehensweise ist ebenfalls abzulehnen, sie wirkt ergebnisorientiert. Der Nichtigkeitsgrund des Vertrags und der Inhalt des Fremdgeschäftsführungswillens haben nichts miteinander zu tun. Die Fremdnützigkeit der Absicht des Geschäftsführers bestimmt sich inhaltlich – wie oben dargelegt – danach, ob dem Geschäftsherrn durch die Geschäftsbesorgung ein Vorteil erwachsen soll. Dies ist aber auch bei einer vorteilhaften Veränderung seines Grundstücks durch Schwarzarbeit der Fall. Daher ist davon auszugehen, dass der Tatbestand des § 677 BGB an sich erfüllt ist, wenn der Geschäftsführer erkannt hat, dass seine Pflicht gegenüber dem Geschäftsherrn objektiv nicht besteht, und er sich gleichwohl dazu entschlossen hat, 201 BGHZ 37, 258 (263 f.); BGHZ 111, 308 (311); BGHZ 118, 142 (150); BGH, NJW 1997, 47 (49); BGH, NJW 2000, 1560 (1562); insoweit zustimmend Staudinger / Bergmann, 2006, § 683 Rn. 48; Sippel, 2005, S. 250 mit Fußn. 266. 202 So auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (32 mit Fußn. 84); Medicus, 2004, Rn. 412. Der BGH prüft auch keineswegs individuell, ob der Geschäftsführer die Aufwendungen aufgrund der Umstände des Einzelfalls für erforderlich halten durfte. Dann müsste er nämlich regelmäßig die Voraussetzungen des § 670 BGB bejahen, weil der Geschäftsführer wusste, dass die Aufwendungen vom Willen des Geschäftsherrn gedeckt waren, vgl. auch Dörner, 2002, S. 9. 203 Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 43. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 58, wonach es an der „Berechtigungslosigkeit“ i. S. d. § 677 BGB fehlen soll, wo eine Berechtigung durch einen Vertragsschluss von vornherein nicht zu erlangen gewesen wäre (etwa wegen §§ 134, 138 BGB). Dies lässt sich jedoch mit den oben erarbeiteten Maßstäben der negativen Voraussetzung des § 677 BGB nicht vereinbaren (vgl. 2. Teil A. III.).
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
in objektiv für diesen nützlicher Weise tätig zu werden. Dem Geschäftsherrn wird dann in der Regel schon mit einer strengen Prüfung der Voraussetzungen des § 683 BGB geholfen sein.204 Denn Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag setzen voraus, dass die konkrete Geschäftsbesorgung seinem Interesse und seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprochen hat.205 Dabei genügt es nicht, wenn das Ergebnis der Geschäftsführung dem Geschäftsherrn erwünscht ist. Zu prüfen ist vielmehr, ob er gerade diesen Tätiggewordenen als Geschäftsführer wollte und ob er überhaupt wollte, dass die Tätigkeit im Weg der Geschäftsführung ohne Auftrag erledigt wird (oder ob er in jedem Fall eine wirksame vertragliche Basis bevorzugte). Damit sind die Interessen des Geschäftsherrn weitgehend geschützt. Haben nun beide Vertragsparteien Kenntnis von der Nichtigkeit und wollten beide Seiten die Ausführung auch ohne wirksame Vereinbarung (wie regelmäßig in den Schwarzarbeiterfällen), besteht kein Grund, das Rechtsverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag von den Wertungen des Vertrags- und Bereicherungsrechts auszunehmen. In einem solchen Fall kommt das gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB daher nicht zustande. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken der §§ 134, 138 BGB, der auf die vorliegende Situation übertragbar ist und dazu führt, dass das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag in einem solchen Fall nicht entsteht.206 Denn es entspricht dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften, zu verhindern, dass in den von ihnen erfassten Fallkonstellationen rechtlich durchsetzbare Ansprüche entstehen. Diese ratio legis betrifft nicht nur rechtsgeschäftliche Verpflichtungen. Auch der natürliche Wille, der gegen die guten Sitten oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wird von der Rechtsordnung nicht anerkannt.207 Er ist daher nicht in der Lage, ein Rechtsverhältnis entstehen zu lassen, hat also keine obligationsbegründende Kraft. Andernfalls wäre eine Umgehung der vertragsrechtlichen Nichtigkeitsgründe durch die absichtliche Herbeiführung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses möglich. Denn das Rechtsverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag ist (sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch hinsichtlich seiner Rechtsfolgen) einem Rechtsgeschäft durchaus vergleichbar; es ist kein Grund ersichtlich, der für eine Ungleichbehandlung beider Schuldverhältnisse sprechen könnte. Die Ähnlichkeit 204 Ebenso Martinek / Theobald, JuS 1997, 992 (993 mit Fußn. 8); wohl auch Falk, JuS 2003, 833 (834). 205 Näher zu den Voraussetzungen des § 683 BGB unten unter 4. Teil B. I. 206 Teilweise wird insoweit sogar eine Analogie angenommen, was angesichts der Wesensverschiedenheit von vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen problematisch erscheint. Siehe Gursky, AcP 185 (1985), 13 (32 mit Fußn. 84); Isay, 1900, S. 89 ff.; wohl auch Lent, 1909, S. 179 f. Zurückhaltender demgegenüber auch MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 5. – M. Wolf, Festschrift für Mühl, 1981, S. 703 (708 f.), will einzelne Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag in Anwendung der Rechtsgedanken der §§ 814, 817, 134, 138 BGB ausschließen, um eine Umgehung dieser Normen zu verhindern. 207 So schon Klasmeier, 1931, S. 12 f., 29 ff.; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (108 f.).
A. Inhaltliche Bedeutung des Begriffs
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der für die Geschäftsführung ohne Auftrag erforderlichen inneren Willensübereinstimmung mit einem Vertragsschluss ist bereits dargelegt worden. Würde das Gesetz nun den übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien die rechtliche Wirksamkeit versagen und dann aufgrund ihrer tatsächlichen Umsetzung ein wirksames gesetzliches Schuldverhältnis mit vergleichbaren Rechtsfolgen entstehen lassen, wäre dies aber ein untragbarer Wertungswiderspruch.
VII. Zusammenfassung und Ergebnis Die Auslegung des § 677 BGB hat gezeigt, dass das maßgebliche Tatbestandsmerkmal „für einen anderen“ subjektiv zu verstehen ist. Dies ist bei der Prüfung des Fremdgeschäftsführungswillens zu berücksichtigen. Jede inhaltliche Ausgestaltung, die zu einer Objektivierung führt, ist daher zu vermeiden. Zu untersuchen ist der natürliche Wille des Handelnden, wie er bei der Übernahme der Geschäftsführung bestand. Dabei ist es unerheblich, ob der Fremdgeschäftsführungswille geäußert wurde. In materiellrechtlicher Hinsicht kommt es nur darauf an, wie sich die innere Einstellung des Tätigen zu der Geschäftsbesorgung darstellt. Bezweckt der Geschäftsführer mit seiner Handlung den Vorteil eines anderen, will er also den rechtlichen oder wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit nicht für sich selbst, sondern für einen anderen erzielen, handelt er mit dem erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen. Dabei muss der Geschäftsführer davon ausgehen, dass das von ihm (bewusst) geführte Geschäft im Interesse des Geschäftsherrn liegt. Auf der anderen Seite darf er nicht denken, von dem Geschäftsherrn zu der Tätigkeit beauftragt oder diesem gegenüber in sonstiger Weise berechtigt zu sein. Diese Merkmale sind Voraussetzung für das Vorliegen einer fremdnützigen Absicht i. S. d. § 677 BGB. Unerheblich ist dagegen das Motiv des Handelnden. Er muss sich insbesondere nicht aus altruistischen Gründen zur Übernahme der Tätigkeit entschlossen haben. Ein solcher Fremdgeschäftsführungswille kann auch in Fällen gegeben sein, in denen sich der Geschäftsführer reflexartig zu einer Handlung entschließt. Er ist dagegen ausgeschlossen, wenn das Geschäft (auch) in eigenem Interesse geführt wird. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag kommen hier nur insoweit in Betracht, als sich die vorgenommene Tätigkeit (tatsächlich oder gedanklich) aufteilen lässt, und ein Teil ausschließlich in fremdem Interesse vorgenommen wurde. Gleiches gilt, wenn der Handelnde mit der Geschäftsbesorgung bewusst eine eigene Verpflichtung erfüllt. Eine solche Tätigkeit erfolgt im eigenen Interesse und ist nicht fremdnützig geplant. Denn die subjektive Zwecksetzung des Handelnden, der davon ausgeht, eine ihm obliegende Verbindlichkeit zu erfüllen, geht dahin, dieses Ziel zu erreichen. Neben dieser eigennützigen Pflichterfüllung ist aber kein Raum für ein Handeln in fremdem Interesse.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
B. Der Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess I. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast Die Festlegung von (subjektiver) Darlegungs- und Beweislast ist notwendige Folge des zivilprozessualen Beibringungsgrundsatzes.208 Sie birgt für die Parteien das Risiko, den Prozess allein deshalb zu verlieren, weil sie die ihr Begehren rechtlich tragenden Tatsachen nicht vorgetragen oder nicht unter Beweis gestellt haben (bzw. der Beweis nicht gelungen ist). Die Verteilung dieses Risikos folgt bezüglich der Darlegung des streitigen Sachverhalts und bezüglich seines Beweises denselben Regeln.209 Grundsätzlich hat stets derjenige, der sich auf eine Norm beruft, weil ihre Rechtsfolge ihm günstig ist, die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm darzulegen und zu beweisen.210 Demnach hat der Anspruchsteller die rechtsbegründenden und rechtserhaltenden Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage vorzutragen, den Anspruchsgegner trifft die Darlegungs- und Beweislast für rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendungen sowie für von ihm erhobene rechtshemmende Einreden. Dies bezieht sich freilich jeweils nur auf die zugrundeliegenden Tatsachen; die rechtliche Würdigung nimmt das Gericht dagegen selbstständig (und unabhängig von den entsprechenden Ansichten der Parteien) vor. Da das materielle Recht im Bereich der Geschäftsführung ohne Auftrag keine davon abweichenden Beweislastregeln enthält, bleibt es hier bei dieser Grundregel. Klagt also (wie meistens)211 der Geschäftsführer auf Aufwendungsersatz, hat er die Voraussetzungen der §§ 670, 683, 677 BGB darzulegen und zu beweisen. Dies gilt also vor allem auch für seinen Fremdgeschäftsführungswillen. Macht dagegen ausnahmsweise der Geschäftsherr seine Gegenansprüche – etwa auf Herausgabe des durch die Geschäftsbesorgung Erlangten – gerichtlich geltend, trifft ihn insoweit die Darlegungs- und Beweislast.212 Auf die dargelegte Beweislastverteilung kommt es natürlich nur an, wenn das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens zwischen den Parteien streitig ist. Wurde das Handeln in fremdnütziger Absicht dagegen substantiiert dargelegt und 208 Vgl. Musielak, Festschrift 50 Jahre BGH, 2000, Bd. 3, S. 193 (193 f.); Prütting, 1983, S. 24 ff., 47 f. 209 Prütting, 1983, S. 44 ff.; Rosenberg / Schwab / Gottwald, 2004, § 114 Rn. 39; Schilken, 2006, Rn. 499. 210 Siehe BGHZ 113, 222 (225); BGH, NJW 1999, 352 (353); BGH, NJW 1999, 3481 (3482); Rosenberg / Schwab / Gottwald, 2004, § 114 Rn. 7 ff.; Thomas / Putzo / Reichold, 2005, Vor § 284 Rn. 23; Schilken, 2006, Rn. 503. 211 Vgl. hierzu die Statistik von Wollschläger, 1976, S. 32. 212 Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Geschäftsführung ohne Auftrag Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 256; Baumgärtel / Laumen, 1991, § 677 Rn. 1, § 683 Rn. 1 f., § 681 Rn. 2.
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vom Prozessgegner ausdrücklich zugestanden oder nicht bestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO), hat eine Beweisaufnahme gemäß § 288 Abs. 1 ZPO zu unterbleiben. Gleiches gilt, wenn das Vorbringen des Klägers gemäß § 331 Abs. 1 ZPO als zugestanden gilt (Entscheidung durch Versäumnisurteil). Die sich aus der zivilprozessualen Grundregel über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ergebende Rollenverteilung bleibt aber in jedem Fall für die Pflicht zum substantiierten Sachvortrag von Bedeutung.
II. Beweiserleichterungen 1. Im Zivilprozess gibt es verschiedene Konstellationen, in denen der beweisbelasteten Partei die ihr obliegende Beweisführung erleichtert wird. Dazu besteht vor allem Anlass, wenn in einer bestimmten Situation – unabhängig von der Ermittlung der konkreten Umstände des Einzelfalls – ein zuverlässiger Erfahrungssatz dafür spricht, dass die behauptete Tatsache gegeben ist. In einem solchen Fall ist die streitige Tatsache zu vermuten; das Gericht kann also grundsätzlich von ihrem Vorliegen ausgehen, ohne dass es auf einen Beweis im zu entscheidenden Fall ankäme. Gleiches gilt, wenn in bestimmten Lebenssituationen regelmäßig davon auszugehen ist, dass jemand Inhaber eines Rechts ist. Derartige Vermutungen sind teilweise ausdrücklich normiert, man spricht insoweit von gesetzlichen Tatsachen- oder Rechtsvermutungen.213 Darüber hinaus sind aber auch sogenannte tatsächliche Vermutungen anerkannt. An die Stelle des gesetzlichen Vermutungstatbestands tritt hier ein Satz der Lebenserfahrung. Mitunter spricht bei bestimmten Geschehensabläufen eine derart hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen sind oder aber dass diese eine bestimmte Folge ausgelöst haben, dass das Gericht prima facie von der wahrscheinlichen Ursache oder Folge ausgehen kann, ohne dass diese konkret bewiesen werden müsste.214 Eine Beweisaufnahme im zu entscheidenden Rechtsstreit ist dann – wie bei gesetzlichen Vermutungen – zunächst obsolet. In beiden Fällen wird auf das Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals aus einem tatbestandsfremden Umstand geschlossen.215 Eine solche tatsächliche Vermutung ist die Grundlage für einen Anscheinsbeweis. Seine Tragweite hängt davon ab, wie verlässlich die Erfahrungswerte sind, auf die sich die Vermutung stützt. Im Gegensatz zu gesetzlichen Vermutungen lässt sich hier nicht nur das Vorliegen der tatsächlichen Vermutungsgrundlage bestreiten, sondern auch das Bestehen eines entsprechenden Erfahrungssatzes. Fehlt dieser, besteht nach dem oben Gesagten keine Grundlage für eine tatsächliche Ver213 Siehe etwa die Beispiele bei Thomas / Putzo / Reichold, 2005, § 292 Rn. 1 f.; Schilken, 2006, Rn. 471. 214 Siehe nur E. Schneider, 1994, Rn. 323 ff. 215 Die weiteren Rechtsfolgen unterscheiden sich allerdings erheblich. Während beim Vorliegen einer gesetzlichen Vermutung dem Prozessgegner gemäß § 292 ZPO nur der Beweis des Gegenteils bleibt, ist gegenüber einem Anscheinsbeweis ein erleichterter Gegenbeweis möglich.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
mutung. Der zugrundegelegte Geschehensablauf muss also höchstwahrscheinlich sein, um die Überzeugungskraft eines Anscheinsbeweises zu begründen. Dies setzt voraus, dass in einer bestimmten Situation das Vorliegen eines Umstands typisch ist (sei es als Vorbedingung, sei es als kausale Folge des festgestellten Sachverhalts). Bei der Annahme einer solchen Typizität ist allerdings Vorsicht geboten.216 Erforderlich ist ein Vorgang, der nach allgemeiner Lebenserfahrung offensichtlich nach einem regelmäßigen, üblichen Muster abzulaufen pflegt.217 2. Werden Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gerichtlich geltend gemacht, kann die beweisbelastete Partei nicht auf eine gesetzliche Vermutung zurückgreifen. Weder § 677 BGB noch eine andere Vorschrift des geschriebenen Rechts enthält eine solche Vermutungsregelung. Auch die Voraussetzungen für eine Analogie oder eine Rechtsfortbildung sind insoweit nicht gegeben.218 Problematisch ist dagegen, ob der übliche Geschehensablauf einer objektiv fremdnützigen Geschäftsbesorgung in bestimmten Fällen eine tatsächliche Vermutung für den Fremdgeschäftsführungswillen rechtfertigt. Davon geht der BGH in ständiger Rechtsprechung aus, wenn jemand ein objektiv fremdes Geschäft besorgt.219 Das Gleiche soll gelten, wenn es sich um ein „auch-fremdes“ Geschäft handelt, der „Geschäftsführer“ also nicht nur in fremdem, sondern auch in eigenem Interesse (oder gar zur Erfüllung einer eigenen Pflicht) tätig wird.220 In beiden Konstellationen heißt es in den einschlägigen Urteilen meist lapidar, der „Wille . . . sei zu vermuten“. Eine nähere Begründung für ihre These gibt die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht.221 Da die Annahme aber offenbar auf einen Satz der allgemeinen Lebenserfahrung gestützt wird, lässt sich die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens dogmatisch als Fall des Anscheinsbeweises begreifen.222 Darüber hinausgehend wird die „Vermutung“ der Rechtsprechung teilweise sogar als Beweislastregel angesehen,223 was zur Folge hätte, dass der auf AufwendungsEbenso etwa Zöller / Greger, 2007, Vor § 284 Rn. 29. Vgl. BGH, NJW 1991, 230 (231); M. Lepa, NZV 1992, 130 (131). Eingehend zum Anwendungsbereich des Anscheinsbeweises Walter, ZZP 90 (1977), 270 ff. 218 Vgl. Stein, 1973, S. 122 f. 219 BGHZ 38, 270 (276); BGHZ 43, 188 (191 f.); BGHZ 70, 389 (396); BGHZ 82, 323 (331); im Ausgangspunkt auch BGH, NJW-RR 2004, 81 (82). Anders zuvor noch ausdrücklich RGZ 143, 91 (95). 220 BGHZ 16, 12 (16); BGHZ 40, 28 (31); BGHZ 63, 167 (169 f.); BGHZ 65, 354 (357); BGHZ 65, 384 (387); BGHZ 98, 235 (240); BGHZ 110, 313 (314 f.); BGHZ 140, 102 (109); BGHZ 143, 9 (14 f.); BGH, NJW 1971, 609 (612); BGH, NJW 1979, 598 (598 f.); BGH, NJW 2000, 72 (72 f.). 221 Siehe etwa die Kritik von Stein, 1973, S. 120 f. Zustimmend dagegen (ebenfalls ohne Begründung) Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 13, 15. 222 So auch Baumgärtel, Festschrift für Schwab, 1990, S. 43 (50); Dörner, 2002, S. 4 f.; Gursky, JurAn 1969, 103 (104); Helm, VersR 1968, 209 (210); Schwark, JuS 1984, 321 (322). 223 So etwa Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 6; Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 10; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 c), S. 12. 216 217
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ersatz verklagte Geschäftsherr den vollen (Haupt-)Beweis des Fehlens des Fremdgeschäftsführungswillens erbringen müsste. Eine solche Umkehrung der oben geschilderten Grundregel ließe sich aber hier durch nichts rechtfertigen. Man würde den Geschäftsherrn auch in arge Beweisschwierigkeiten bringen, wollte man ihm zumuten, die innere Einstellung eines anderen als negative Tatsache zu beweisen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ließe sich allenfalls rechtfertigen, wenn man sie „nur“ als tatsächliche Vermutung zugunsten des Geschäftsführers verstehen würde. Dann bliebe dem Geschäftsherrn die Möglichkeit, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, indem er darlegt, dass im konkreten Fall die ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen (untypischen) Verlaufs gegeben ist. Fraglich ist jedoch, ob die oben erörterten Voraussetzungen einer tatsächlichen Vermutung in unserem Fall vorliegen. Dafür müsste eine tatsächliche Regelmäßigkeit dahingehend bestehen, dass derjenige, der ein objektiv fremdes Geschäft führt, dies typischerweise mit Fremdgeschäftsführungswillen für den Geschäftsherrn tut. Eine solche Regel lässt sich jedoch in dieser Allgemeinheit in der Lebenswirklichkeit nicht verifizieren.224 Zwar mag es häufig so sein, dass jemand, der bewusst ein objektiv fremdes Geschäft übernimmt, dieses subjektiv zum Vorteil des Geschäftsherrn führen möchte. Schon bei den Fällen, in denen der unmittelbare Erfolg der Geschäftsbesorgung objektiv einem anderen zugute kommen soll, ist jedoch zu bedenken, dass die für § 677 BGB erforderliche fremdnützige Absicht mehr als dies umfasst. Der Geschäftsführer muss nach dem oben Gesagten etwa auch bereit sein, sich dem Geschäftsherrn unterzuordnen und sich bei der Tätigkeit von dessen Interessen leiten zu lassen.225 Keinesfalls genügt dagegen die bloße Absicht des Handelnden, den objektiv Begünstigten auf Aufwendungsersatz in Anspruch zu nehmen.226 Auf der anderen Seite ist es auch bei der bewussten Führung objektiv fremder Geschäfte nicht unwahrscheinlich, dass der Tätige in dieser Situation den Erfolg seiner Geschäftsbesorgung für sich selbst anstrebt. Dies zeigt schon die Regelung des § 687 BGB. Hier hat der Gesetzgeber eigens die Fälle normiert, in denen zwar ein objektiv fremdes Geschäft geführt wird, der Handelnde dies aber nicht für einen anderen tut, sondern (versehentlich oder absichtlich) für sich selbst.227 Die Vorschrift ist auch nicht ohne jede praktische Relevanz geblieben, sowohl die irrtümliche als auch die angemaßte Eigengeschäftsführung kommen in der Lebens224 Wie hier kritisch daher Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 c), S. 12; Medicus, 2004, Rn. 412 ff.; Stamm, Jura 2002, 730 (730 f.); Stein, 1973, S. 140 f.; einschränkend auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (35 f.); Larenz, 1986, § 57 I a), S. 443; differenzierend Schwark, JuS 1984, 321 (324 ff.); Wendlandt, Jura 2004, 325 (330). 225 Näher dazu oben unter A. I. 3. 226 So aber noch das RG im Fuldaer Dombrandfall, vgl. RGZ 82, 206 (215 f.); ähnlich Wollschläger, 1976, S. 122. Dagegen zu Recht etwa Larenz, 1986, § 57 I a), S. 439 ff.; Wittmann, 1981, S. 29 f. 227 Zu diesem Gedanken schon oben unter 2. Teil B. III. 1.; siehe ferner Stamm, 2000, S. 100; dens., Jura 2002, 730; Stein, 1973, S. 127.
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wirklichkeit vor. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass § 677 BGB und § 687 BGB in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag stehen. Vielmehr stellt die bewusste und gewollte Übernahme eines objektiv fremden Geschäfts zunächst immer einen Eingriff in einen fremden Rechtskreis dar.228 In einem solchen Fall entspricht es aber allgemeinen Grundsätzen unserer Rechtsordnung, prima facie davon auszugehen, das Handeln sei unberechtigt und nicht, es liege ein Rechtfertigungsgrund vor. So würde man bei der Prüfung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt des § 823 Abs. 1 BGB annehmen, der Eingriff in fremde Rechte indiziere die Rechtswidrigkeit der Handlung.229 Es besteht kein Anlass, diese Verteilung der Rechtfertigungslast bei der Geschäftsführung ohne Auftrag in ihr Gegenteil zu verkehren. Denn auch die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB haben eine Schutzfunktion für den Rechtsinhaber. Sie sollen ihn vor bevormundenden Übergriffen besonders eifriger „Geschäftsführer“ bewahren.230 Dieses Ziel wird mit der üblichen Beweislastverteilung am besten erreicht. Beruft sich der Handelnde darauf, sein Eingreifen sei als Geschäftsführung ohne Auftrag gerechtfertigt, hat er seine fremdnützige Absicht darzulegen und zu beweisen. Macht der betroffene „Geschäftsherr“ Ansprüche aus § 687 Abs. 2 BGB geltend, ist er für das Vorliegen einer angemaßten Eigengeschäftsführung beweispflichtig. Sind in einem solchen Fall beide Möglichkeiten denkbar, fehlt es damit an einem typischen Geschehensablauf, nach dem davon auszugehen wäre, dass die Führung eines objektiv fremden Geschäfts höchstwahrscheinlich in fremdnütziger Absicht erfolgt ist. Wollte man den Fremdgeschäftsführungswillen gleichwohl stets vermuten, wenn jemand bewusst ein objektiv fremdes Geschäft führt, erhielte die subjektive Tatbestandsvoraussetzung für viele Fälle den Charakter einer Fiktion.231 Dies lässt sich aber mit der maßgeblichen Bedeutung, die das Merkmal nach dem oben Gesagten für den Tatbestand des § 677 BGB hat, nicht in Einklang bringen. Darüber hinaus ist eine Vermutung für ein individuelles, vom konkreten Willen im Einzelfall abhängiges Verhalten immer problematischer als eine Vermutung für objektive Umstände.232 Auch diese Überlegung spricht gegen einen Anscheinsbeweis in den Fällen der objektiven Fremdgeschäftsführung. Der Wille, ob ein bestimmtes Geschäft geführt werden soll und wenn ja, für wen es geführt werden 228 In der Entscheidung RGZ 143, 91 (95) wird maßgeblich auf diesen Aspekt abgestellt, um zu begründen, dass eine Vermutung zugunsten des Fremdgeschäftsführungswillens nicht gerechtfertigt ist. Siehe ferner Stein, 1973, S. 127 f. 229 Zu dieser Parallele schon Stein, 1973, S. 128. 230 Statt aller Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 2; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 4, 6, 10 f. 231 So auch Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 39. Für die Fälle des objektiv gegenüber einem Dritten verpflichteten „Geschäftsführers“ auch Neuffer, 1970, S. 84 f. 232 Vgl. Balzer, 2001, Rn. 14; Thomas / Putzo / Reichold, 2005, § 286 Rn. 15; Schilken, 2006, Rn. 495; E. Schneider, 1994, Rn. 356 f.; speziell für die Geschäftsführung ohne Auftrag Stein, 1973, S. 138 ff.
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soll, wird in jedem Einzelfall neu gebildet. Er hängt nicht nur von der objektiven Einordnung des Geschäfts, sondern auch von den konkreten Begleitumständen in der individuellen Entscheidungssituation ab. Auch wird die Entscheidung über eine fremd- oder eigennützige Zweckbestimmung in Abhängigkeit von der Person des Handelnden ganz unterschiedlich ausfallen. Man wird einem hilfsbereiten Bauern, der das Obst im Garten des verreisten Nachbarn pflückt und an sich nimmt, eher ein Handeln in fremdnütziger Absicht zutrauen als einem mehrfach wegen Diebstahls vorbestraften Landstreicher, der objektiv das Gleiche tut. Ein objektives Geschehen, dessen rechtliche Bewertung völlig von der inneren Einstellung des Handelnden abhängt, ist eben für sich genommen noch nicht hinreichend aussagekräftig für diesen individuellen Willensentschluss. Schließlich hat die weitreichende Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens durch die höchstrichterliche Rechtsprechung – wie eingangs bereits dargestellt – zu einer Objektivierung des Tatbestands des § 677 BGB geführt. Eine vordergründig nur prozessual bedeutsame Vorgehensweise hat so letztlich in der Praxis die materiellrechtlichen Anforderungen verändert. Die Auslegung des § 677 BGB hat jedoch ergeben, dass eine solche Verschiebung des Prüfungsschwerpunkts vom subjektiven Fremdgeschäftsführungswillen zum objektiv fremden Geschäft der Norm fremd ist. Das vorzugswürdige subjektive Verständnis des § 677 BGB zwingt zu einer ernsthaften Untersuchung des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess. Die Vermutungslösung lässt sich mit einem subjektiven Geschäftsführungsbegriff nicht vereinbaren.233 Ist der Fremdgeschäftsführungswille zwischen den Parteien streitig, obliegt es daher der beweisbelasteten Seite, den Beweis dieses Tatbestandsmerkmals in üblicher Weise vollständig zu führen. Nach alledem lässt sich eine tatsächliche Vermutung für den Fremdgeschäftsführungswillen auch bei der bewussten Führung objektiv fremder Geschäfte nicht begründen. Dem insoweit Beweispflichtigen steht also keine Beweiserleichterung zur Seite.
III. Beweisbarkeit des Fremdgeschäftsführungswillens Folglich gelten für den Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens die allgemeinen Regelungen. 1. Voraussetzungen des Vollbeweises Die dafür maßgeblichen Anforderungen lassen sich aus § 286 Abs. 1 ZPO entnehmen. Danach muss das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme von der Wahrheit der zu beweisenden tatsächlichen Behauptung überzeugt sein. Darunter 233
Ebenso Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 35, 39.
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
ist die subjektiv-persönliche Gewissheit des Richters von der Existenz der streitigen Tatsache zu verstehen.234 Dafür reicht eine hohe Wahrscheinlichkeit allein allerdings noch nicht aus.235 Hinzukommen muss, dass der Richter innerlich von der Wahrheit der beweisbedürftigen Behauptung ausgeht und dies auch darf, weil vernünftige Zweifel daran nicht (mehr) bestehen.236 Dies ist der Fall, wenn ein vernünftiger Dritter in der gleichen Situation (bei gleicher Kenntnis von den Lebensverhältnissen) nicht (mehr) zweifeln würde.237 Letzteres beinhaltet eine gewisse Objektivierung, um die Abhängigkeit der Entscheidung von einem besonders kritischen oder einem besonders leichtgläubigen Richter zu verringern. Das Gericht soll nicht nach persönlicher Intuition entscheiden, sondern nachvollziehbare Erwägungen anstellen. Deshalb ordnet § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO auch die Pflicht an, die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen Gründe im Urteil anzugeben. Die Anforderungen, die das Gericht an das Ergebnis der Beweisaufnahme stellen wird, um dieses Beweismaß zu erreichen, werden von Fall zu Fall variieren. Wie schnell sich der Richter von der Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung überzeugen lässt, hängt nämlich davon ab, für wie wahrscheinlich er den behaupteten Geschehensverlauf nach der Lebenserfahrung hält. Auf diese Weise können (und müssen) Erfahrungssätze, die nicht stark genug sind, um einen Anscheinsbeweis zu begründen, neben allen anderen Umständen bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden.238 Eine Abweichung vom „normalen“ Verlauf zu beweisen, erfordert damit einen größeren Aufwand als der Beweis des Üblichen.
2. Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens Überträgt man diese Anforderungen auf den Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens, wird deutlich, dass es für den Beweispflichtigen häufig nicht leicht sein wird, die Überzeugung des Richters herbeizuführen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein spezielles Problem der Geschäftsführung ohne Auftrag. Vielmehr betrifft diese Schwierigkeit jeden Beweis einer inneren Tatsache. Hintergrund dessen ist, dass – zumindest wenn der Handelnde seine innere Einstellung nicht deutlich offenbart hat – regelmäßig keine unmittelbaren Beweismittel zur Verfügung stehen. Deswegen darf man hinsichtlich des Beweises subjektiver 234 Rosenberg / Schwab / Gottwald, 2004, § 112 Rn. 12, 15; Zöller / Greger, 2007, § 286 Rn. 17 ff.; Thomas / Putzo / Reichold, 2005, § 286 Rn. 2; H. Weber, 1997, S. 22 ff., 255 ff. 235 Für eine Entscheidung nach überwiegender Wahrscheinlichkeit dagegen Motsch, 1983, S. 72 ff., 247 ff., der dem Maßstab der individuellen Überzeugung des Richters kritisch gegenübersteht. 236 BGHZ 53, 245 (255 f.); BGH, NJW 1993, 935 (937); BGH, NJW 1998, 2969 (2971); BGH, NJW 2000, 953 (954); BGH, NJW 2003, 1116 (1116 f.). 237 E. Schneider, 1994, Rn. 65, 70 ff. 238 Schilken, 2006, Rn. 495; E. Schneider, 1994, Rn. 324 ff.
B. Der Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess
119
Merkmale in jedem Fall die Anforderungen an die richterliche Überzeugung nicht überspannen.239 Eine absolute Sicherheit von der Existenz einer inneren Tatsache herbeizuführen, ist sicherlich noch weniger denkbar als bei äußeren Umständen. Dies ist aber nach dem oben Gesagten auch gar nicht erforderlich. Vernünftige Zweifel an der Wahrheit der Behauptung auszuschließen, ist dagegen auch hier ohne weiteres möglich, ohne dass es einer Vermutungsregelung bedürfte. Dazu kommt es zunächst auf die „Ausgangswahrscheinlichkeit“ des streitigen Sachvortrags an. In bestimmten Konstellationen ist das Handeln in fremdnütziger Absicht naheliegender als in anderen. Dazu zählt etwa die bewusste Besorgung eines objektiv fremden Geschäfts, wenn der Geschäftsführer dabei keine eigenen Interessen verfolgt. Zwar ist auch in derartigen Fällen der Fremdgeschäftsführungswille nach dem oben Gesagten nicht zu vermuten, sein Vorliegen ist aber sehr viel wahrscheinlicher als etwa bei der Führung „auch-fremder“ Geschäfte.240 Demzufolge wird – jeweils in Abhängigkeit von den besonderen Umständen des Einzelfalls – nicht mehr viel fehlen, um das Gericht von der Wahrheit der Behauptung zu überzeugen. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Fälle, in denen es von vornherein höchst unwahrscheinlich erscheint, dass mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt wurde. Dazu zählen etwa Geschäftsbesorgungen von Behörden, die regelmäßig nur ihre öffentlich-rechtlichen Pflichten erfüllen wollen, oder auch von Wirtschaftsunternehmen, die regelmäßig nur ihre vertraglichen Pflichten erfüllen wollen. Hier dürfte es deutlich schwieriger sein, den Beweis dafür zu erbringen, dass entgegen der Regel in fremdnütziger Absicht gehandelt wurde.241 Dafür müsste nachgewiesen werden, dass bezüglich der streitgegenständlichen Tätigkeit keine entsprechende Verpflichtung bestand, sondern bewusst außerhalb des eigenen Pflichtenkreises gehandelt wurde. Dies ist aber im Sinne sparsamer Haushaltsführung grundsätzlich nicht vorgesehen; die Verwaltungsträger haben sich auf die Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben zu beschränken. Zudem führt auch die Annahme einer vermeintlichen Verpflichtung nach dem oben Gesagten zum Ausschluss des Fremdgeschäftsführungswillens. Hat sich das Gericht anhand der Lebenserfahrung ein Wahrscheinlichkeitsurteil über die Tatsachenbehauptung gebildet, sind die angebotenen Beweismittel zu verwerten (es sei denn die Überzeugung steht ausnahmsweise bereits aufgrund des Parteivortrags fest). Dazu kommen ausnahmsweise unmittelbare Beweismittel in Betracht, wenn die innere Einstellung des Handelnden unverkennbar nach außen Für den Fremdgeschäftsführungswillen Gursky, AcP 185 (1985), 13 (35 f.). Terminologisch etwas weitergehend, aber in der Sache wohl übereinstimmend Gursky, AcP 185 (1985), 13 (35 f.). M. E. ist eine Beweismaßreduzierung nicht erforderlich. Es genügt, sinnvolle und erfüllbare Anforderungen an die (volle) richterliche Überzeugung vom Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens zu stellen. 241 Zum gleichen Ergebnis kommt der BGH heute in der Regel, indem er die §§ 677 ff. BGB für unanwendbar erklärt, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts die Kosten einer Handlung abschließend regeln, vgl. BGH, NJW 2004, 513 (515). Das OLG Bamberg, OLGReport 2003, 321, hatte in der Vorinstanz noch den Fremdgeschäftsführungswillen abgelehnt. 239 240
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3. Teil: Inhalt und Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens
getreten ist. War schon für einen außenstehenden Dritten offensichtlich, dass der Geschäftsführer nicht zum eigenen Vorteil tätig geworden ist, sondern einem anderen nützen wollte, kann er diese Wahrnehmung als Zeuge in den Prozess einbringen. Ist dies – wie meistens – nicht der Fall, kommt nur eine mittelbare Beweisführung in Betracht. Wie regelmäßig beim Beweis innerer Tatsachen,242 kommt es dann auf die Darlegung (und ggf. den Beweis) von Indizien an. Darunter versteht man Hilfstatsachen, die nicht selbst den gesetzlichen Tatbestand erfüllen, aber für das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals sprechen.243 Ein Indizienbeweis ist nur dann überzeugungskräftig, wenn aus den Hilfstatsachen – unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung – keine anderen Schlüsse gezogen werden können und das Gericht daher von der Existenz der beweisbedürftigen Haupttatsache überzeugt ist.244 In unserem Fall geht es also um Umstände, die Rückschlüsse auf den Fremdgeschäftsführungswillen zulassen.245 Solche äußeren Merkmale, die für oder gegen ein Handeln in fremdnütziger Absicht sprechen, sind meist zahlreich vorhanden. An dieser Stelle lassen sich auch die objektiven Auswirkungen der Geschäftsführung berücksichtigen.246 Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Indizienbeweis für den Fremdgeschäftsführungswillen unabhängig davon gelingen kann, ob es sich objektiv um ein fremdes, „auch-fremdes“, neutrales oder eigenes Geschäft handelt. Als Indizien kommen beispielsweise das objektive Interesse des „Geschäftsherrn“ an der Geschäftsbesorgung und das eigene Interesse des Handelnden an der Durchführung der Tätigkeit in Betracht. Mitunter können sich auch Anhaltspunkte aus der Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts ergeben. Ein besonders wichtiges Indiz ist die Einhaltung der Nebenpflichten eines „Geschäftsführers ohne Auftrag“.247 Zeigt der Handelnde etwa die beabsichtigte Geschäftsbesorgung zunächst dem Geschäftsherrn an und wartet dann dessen Entscheidung ab, ehe er mit der Durchführung beginnt, spricht dies stark für ein Handeln in fremdnütziger Absicht. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Fälle, in denen eine Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommt, erscheint es nicht sinnvoll, hier weiter nach häufigen Indizien zu suchen. Die Entscheidung hängt vielmehr ganz Siehe BVerfG, NJW 1993, 2165 (2165 f.); BGH, NJW-RR 2004, 247 (248). Zöller / Greger, 2007, § 286 Rn. 9a; Rosenberg / Schwab / Gottwald, 2004, § 109 Rn. 15 ff.; E. Schneider, 1994, Rn. 373 ff. 244 Vgl. BGHZ 53, 245 (260 f.); BGH, NJW 1994, 2289 ff. 245 Teilweise wird auch beim Vorliegen solcher besonderer Umstände im Einzelfall von einem Anscheinsbeweis für den Fremdgeschäftsführungswillen gesprochen. So etwa Helm, VersR 1968, 209 (210 f.); Gursky, AcP 185 (1985), 13 (35): „Anscheinsbeweisregeln in einem weiteren Sinne“. Dies verwischt jedoch die Unterschiede zwischen Indizienbeweis und Anscheinsbeweis. Vgl. dazu Schilken, 2006, Rn. 483; E. Schneider, 1994, Rn. 376 ff. 246 Ebenso Stein, 1973, S. 145. 247 Vgl. etwa Larenz, 1986, § 57 I a), S. 440 f.; Medicus, 2004, Rn. 412, 414. Aus der Rechtsprechung siehe einerseits BGHZ 54, 157 (161); BGHZ 64, 260 (263); LG Frankfurt, NJW 1977, 1924 (1925); andererseits BGHZ 65, 354 (356). 242 243
B. Der Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens im Prozess
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von den individuellen Umständen des Einzelfalls ab. Sie wird aber durch die oben erfolgte Präzisierung der materiellrechtlichen Anforderungen an den Fremdgeschäftsführungswillen erleichtert. Zeigen etwa die äußeren Umstände, dass der Handelnde gezielt (auch) eigene Interessen verfolgt hat (die über ein bloßes Motiv oder die billigende Inkaufnahme eines Reflexvorteils hinausgehen) oder er gar eine eigene Verpflichtung erfüllen wollte, scheidet nach dem oben Gesagten ein Fremdgeschäftsführungswillen aus.
IV. Bewertung Schon an dieser abstrakten Erörterung zeigen sich die Vorteile einer solchen Vorgehensweise für die Rechtspraxis. Denn in vielen Konstellationen, in denen die höchstrichterliche Rechtsprechung den Fremdgeschäftsführungswillen leichthin vermutet und damit den Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag ausweitet, dürfte es dem Handelnden schwerfallen, eine solche Absicht anhand konkreter Umstände des Einzelfalls zu belegen. Seine Klage auf Aufwendungsersatz wäre dann auf der Grundlage der hier vertretenen Konzeption – wegen der ihm obliegenden Beweislast – abzuweisen. Dies betrifft Fälle, in denen die Heranziehung der §§ 677 ff. BGB im Schrifttum allgemein kritisiert wird und im Ergebnis auch nicht gerechtfertigt erscheint.248 Auf diese Weise wird die im Schrifttum fast einhellig befürwortete Beschränkung des Anwendungsbereichs der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erreicht.249 Dagegen wird es dem Geschäftsführer, der tatsächlich fremdnützig tätig werden wollte, nicht unzumutbar erschwert, seine Ansprüche geltend zu machen. In solchen Fällen werden sich immer Indizien für den Fremdgeschäftsführungswillen finden lassen, die die Überzeugung des Gerichts ermöglichen.
248 Besonders plastisch wird dies an dem Fall, in dem die Feuerwehr Aufwendungsersatz für ihre Löscharbeiten von dem fahrlässigen Brandstifter begehrte, vgl. BGHZ 40, 28 (30 f.) und die in der Entscheidung wiedergegebenen Überlegungen der Vorinstanz. 249 Dabei hängen die Beweiserfordernisse selbstverständlich von den oben ermittelten materiellrechtlichen Anforderungen an den Fremdgeschäftsführungswillen ab.
4. Teil
Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag Ziel der bisherigen Untersuchung war es, den in § 677 BGB normierten Grundtatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag zu klären. Dieser ist für alle Fälle der „echten“ Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677 – 686 BGB maßgeblich. Nur die Eigengeschäftsführung des § 687 BGB, die gar keine Geschäftsführung im eigentlichen Sinn darstellt, kommt ohne die Voraussetzungen des § 677 BGB aus. Ist der Tatbestand des § 677 BGB gegeben, ist weiter zu prüfen, ob es sich um eine berechtigte oder eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handelt. Für diese – für die Rechtsfolgen der Geschäftsbesorgung wesentliche – Unterscheidung kommt es nun (erstmals) auf die Perspektive des Geschäftsherrn an.1 Dabei ist festzustellen, dass das Gesetz in §§ 683, 684 BGB ohne weiteres von „dem Geschäftsherrn“ spricht. Ehe auf die einzelnen Berechtigungsgründe eingegangen werden kann, ist daher zu klären, welche Person mit dieser Formulierung angesprochen ist.2
A. Die Person des Geschäftsherrn I. Ausgangspunkt Nach unbefangener Lektüre des Gesetzestextes bleibt zunächst fraglich, wie die Person des Geschäftsherrn zu ermitteln ist. Die einzige Norm, die sich mit seiner Identifikation befasst, ist § 686 BGB, der für die Zuordnung in Irrtumsfällen auf objektive Umstände zurückgreift.3 Auf den ersten Blick verwundert es, dass das Gesetz lediglich eine Regelung für Ausnahmefälle enthält. Diese Regelungstechnik stimmt aber mit der Lebenswirklichkeit überein, wo es in den allermeisten Fällen nicht schwer ist, den „richtigen“ Geschäftsherrn zu erkennen. Gleichwohl ist die dogmatisch vorzugswürdige Vorgehensweise für den (nicht normierten) Regelfall umstritten. Hier könnte man einerseits auf die fremdnützige Absicht des Geschäftsführers abstellen. Dann wäre Geschäftsherr derjenige, dem der Handelnde den Erfolg der Tätigkeit zukommen lassen möchte. Auf der anderen Seite könnte 1 2 3
Zum Zusammenspiel von § 677 BGB und § 683 BGB oben unter 2. Teil B. IV. 3. Vgl. auch Wittmann, 1981, S. 72 mit Fußn. 20. Siehe schon oben unter 2. Teil B. III. 2. und sogleich im Text.
A. Die Person des Geschäftsherrn
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man aber auch hier (wie in den Irrtumsfällen) objektive Kriterien für maßgeblich halten. Dann müsste man etwa fragen, wessen Interessenkreis die Geschäftsbesorgung betrifft, wer für das geführte Geschäft an sich zuständig ist. Beispiel:4 Lässt A den Wasserrohrbruch in der Wohnung über ihm reparieren, ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, wer der Geschäftsherr ist. Zu seiner Bestimmung könnte man einerseits den Fremdgeschäftsführungswillen des A betrachten und fragen, zu wessen Vorteil A tätig werden wollte. Andererseits könnte man prüfen, wem die Geschäftsbesorgung objektiv genützt hat, wer also an sich für die Behebung des Schadens zuständig war.
Die Problematik stellt sich in besonderem Maß, wenn eine Mehrzahl von Personen als Geschäftsherr in Betracht kommt. Um eine solche Konstellation richtig einordnen zu können, ist zunächst die Frage zu beantworten, ob ein und dasselbe Geschäft gleichzeitig für mehrere Geschäftsherren geführt werden kann. Andernfalls müsste, wenn mehrere von einer Geschäftsbesorgung betroffen und damit als Geschäftsherr denkbar sind, zwingend eine Beschränkung auf einen von ihnen erfolgen. Nach einhelliger Ansicht im Schrifttum kann der Geschäftsführer aber auch für mehrere Geschäftsherren gemeinsam tätig werden.5 Auch der BGH geht davon in ständiger Rechtsprechung aus, ohne überhaupt näher auf diese Besonderheit einzugehen.6 Dem ist zu folgen. Hier zeigt sich einmal mehr die parallele Konstruktion der Geschäftsführung ohne Auftrag zum vertraglichen Schuldverhältnis des § 662 BGB. So wie mehrere Personen gemeinschaftlich jemanden beauftragen können, für sich einen Vorteil herbeizuführen, und ihm dabei versprechen können, dafür gemeinsam Aufwendungsersatz zu leisten, so ist dies auch ohne Auftrag möglich. Das vertragliche Band wird hier – wie auch sonst – durch den Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers auf der einen und die Übereinstimmung der Geschäftsführung mit Interesse und Willen der Geschäftsherren bzw. ihre Genehmigung auf der anderen Seite ersetzt. In derartigen Fällen ist die Berechtigung (also insbesondere das Vorliegen der Voraussetzungen des § 683 BGB) für jeden Geschäftsherrn separat zu untersuchen. Gleiches gilt im Übrigen für § 685 BGB. Kommt ein Handeln in Schenkungsabsicht in Betracht, kann sich diese ohne weiteres auf einen oder einzelne Geschäftsherren beschränken und andere ausnehmen. Wer aber überhaupt in den Kreis der Geschäftsherren fällt, richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Dadurch erhält die Ausgangsfrage, wie der (oder die) Geschäftsherr(en) zu bestimmen ist (sind), noch größeres Gewicht. Diese Frage gilt es nunmehr zu beantworten. Wegen der eingangs geschilderten Gesetzeslage soll dazu im Folgenden zunächst der Fall behandelt werden, in dem 4 Zu diesem Beispielsfall schon oben unter 3. Teil A. I. 5. und Seiler, JuS 1987, 368 (371 f.), der sich ausführlich mit der Frage auseinandersetzt, wie der Geschäftsherr zu bestimmen ist. 5 Siehe nur Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 237 ff.; Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 11; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 8; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 98 ff.; Wollschläger, 1976, S. 105. 6 Stillschweigend vorausgesetzt etwa in BGHZ 33, 251 (256); BGHZ 54, 157 (160); BGHZ 67, 368 (372); BGHZ 72, 151 (153); BGH, WM 2002, 97 (99).
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
der Geschäftsführer einem Irrtum über die Person des Geschäftsherrn unterliegt. Sodann wird der Versuch unternommen, aus diesem (gesetzlich geregelten) Ausnahmefall Folgerungen für den (gesetzlich nicht geregelten) Normalfall abzuleiten.
II. Der Geschäftsführer irrt sich über die Person des Geschäftsherrn Ist die Auswahl eines oder mehrerer Geschäftsherren durch den Geschäftsführer fehlerhaft, ist gemäß § 686 BGB zu entscheiden, wer der „wahre“ Geschäftsherr ist, also derjenige, der durch die Geschäftsbesorgung berechtigt oder verpflichtet werden kann. Eine solche Fehlvorstellung des Geschäftsführers liegt vor, wenn sich der Handelnde einen durch seine Tätigkeit Begünstigten vorstellt, der tatsächlich in keinerlei Zusammenhang mit dem übernommenen Geschäft steht. In diesem Fall können die Voraussetzungen des § 683 BGB in der Person des vermeintlichen Geschäftsherrn offensichtlich nicht erfüllt sein. Dafür kommt vor allem eine Personenverwechslung in Betracht, wie etwa, dass A den Z für den Eigentümer des von ihm gepflegten Grundstücks hält, das in Wirklichkeit dem Y gehört. Liegt ein derartiger Irrtum der Auswahl des Geschäftsführers zugrunde, wird gemäß § 686 BGB „der wirkliche Geschäftsherr aus der Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet“. Damit greift das Gesetz für diesen Fall unzweifelhaft auf objektive Kriterien zur Bestimmung des Geschäftsherrn zurück.7 Nur dies ist auch sinnvoll, da sich ja die subjektive Entscheidung des Geschäftsführers gerade als fehlerhaft erwiesen hat. Von welchen (objektiven) Gesichtspunkten die Festlegung des Geschäftsherrn abhängig sein soll, wird allerdings nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird die objektive Zuordnung des Geschäfts für maßgeblich gehalten,8 was aber den Nachteil hat, dass § 686 BGB dann nur bei objektiv fremden Geschäften eine Bestimmung des Geschäftsherrn ermöglichen würde. In der Regel wird die Grundlage des § 686 BGB daher weiter verstanden und jeder objektive Umstand, der Anhaltspunkte für den wahren Geschäftsherrn liefern kann, berücksichtigt. Insoweit finden sich im Schrifttum Formulierungen wie die, es komme darauf an, in wessen Rechts- und Interessenkreis das Geschäft fällt9 oder in wessen Zuständigkeit eingegriffen wurde10. Gegen dieses weite Verständnis spricht aber, dass die entscheidenden Gesichtspunkte nicht präzise genug bezeichnet werden. Die genannten Krite7 Siehe nur Gursky, AcP 185 (1985), 13 (22); Reichard, AcP 193 (1993), 567 (569); MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 3; Palandt / Sprau, 2007, § 686 Rn. 2. Anderer Ansicht ist – soweit ersichtlich – nur Stein, 1973, S. 60 ff., dessen Lösung der Irrtumsfälle aber § 686 BGB leerlaufen lässt und deshalb nicht zu überzeugen vermag. 8 Erman / Ehmann, 2004, § 686 Rn. 1; RGRK / Steffen, 1978, § 686 Rn. 3. 9 Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 686 Rn. 2; Palandt / Sprau, 2007, § 686 Rn. 2; ähnlich Soergel / Beuthien, 2000, § 686 Rn. 2; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 c), S. 11 f. 10 MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 3; Wollschläger, 1976, S. 57 ff., 59 ff., 63 ff.
A. Die Person des Geschäftsherrn
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rien sind unbestimmt und wirken beliebig. Sie können daher keine Rechtssicherheit bieten. Weiterhin ist angenommen worden, „wirklicher“ Geschäftsherr i. S. v. § 686 BGB sei derjenige, dessen Interesse und Wille die Übernahme der Geschäftsbesorgung tatsächlich entspricht.11 Auf diese Weise würden jedoch die Voraussetzungen des § 683 BGB vorweggenommen, was übersieht, dass es auch den Geschäftsherrn geben muss, der die Entscheidung über die Genehmigung einer zunächst unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 684 BGB treffen kann. Zudem würde so die Prüfung, ob und zwischen wem der Grundtatbestand der Geschäftsführung gegeben ist, mit der systematisch nachgelagerten Prüfung, ob es sich um eine berechtigte Geschäftsführung handelt, vermengt.12 Richtig an diesem Vorschlag ist aber, dass die Bestimmung des wirklichen Geschäftsherrn gemäß § 686 BGB einen engen Bezug zu den Berechtigungsgründen, also insbesondere zu § 683 BGB hat. Denn es wäre nicht sachgerecht, nach § 686 BGB eine Person als Geschäftsherrn auszuwählen, für die die Geschäftsführung offensichtlich keine berechtigte sein kann, die also ebenso wenig mit der Geschäftsbesorgung zu tun hat wie der irrtümlich vom Geschäftsführer ausgewählte Geschäftsherr. Daher ist nach § 686 BGB derjenige zu ermitteln, auf den sinnvoller Weise bei der Prüfung der Berechtigung abzustellen ist. Folglich setzt § 686 BGB an die Stelle des „Unzuständigen“ denjenigen, in dessen Interesse die Geschäftsbesorgung liegen kann. Nur für eine solche Person, die objektiv von der Handlung betroffen ist, ist es überhaupt sinnvoll, in einem zweiten Schritt die Frage nach der Übereinstimmung der Geschäftsführung mit ihrem Willen und ihrem Interesse zu stellen.13 Damit stellt sich § 686 BGB als Schutzvorschrift für den Geschäftsführer dar. Er wird an seiner irrealen Geschäftsführungsabsicht nicht festgehalten, das Schuldverhältnis kann stattdessen mit dem von ihm verkannten „wirklichen“ Geschäftsherrn entstehen. Schon daraus folgt im Übrigen auch, dass der Geschäftsführer auf die Wirkung des § 686 BGB auch verzichten kann. Die Norm kann also nicht dazu führen, dass ihm gegen seinen Willen ein Geschäftsherr „aufgezwungen“ wird. Will der Handelnde ausnahmsweise nur für einen bestimmten Geschäftsherrn tätig werden, fehlt ihm in Bezug auf alle anderen Personen, denen die Geschäftsbesorgung objektiv nützt, der Fremdgeschäftsführungswille.14 Ohne diesen kann aber das gesetzliche Schuldverhältnis auch mit dem „zuständigen“ Geschäftsherrn nicht zustandekommen. Auch hier ist der Vergleich mit dem Auftrag wieder hilfreich. Dort wird es der Regelfall sein, dass man sich nur zugunsten eines bestimmten Auftraggebers zu einer unentgeltlichen Dienstleistung verpflichtet. Ein derart beschränkter Wille des Handelnden ist auch bei der Geschäftsführung ohne Auftrag So Reichard, AcP 193 (1993), 567 (570). Dagegen wendet sich auch Wittmann, 1981, S. 66 mit Fußn. 4 im Hinblick auf die Entscheidung RGZ 167, 85 ff. 13 Ebenso Staudinger / Wittmann, 1995, § 686 Rn. 1. 14 MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 4; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 40; a. A. offenbar Erman / Ehmann, 2004, § 686 Rn. 1. 11 12
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
denkbar. Sinn und Zweck des § 686 BGB ist es nicht, über eine solche Festlegung hinwegzugehen. Damit wird in Fällen, in denen sich der Geschäftsführer über die Person des Geschäftsherrn irrt, in der Regel der „wirkliche“ Geschäftsherr gemäß § 686 BGB Partei des gesetzlichen Schuldverhältnisses. Dies ist derjenige, dessen Interesse und Willen die Geschäftsbesorgung entsprechen kann. Etwas anderes gilt nur, wenn der Geschäftsführer ausschließlich für eine bestimmte andere Person handeln wollte.
III. Der Geschäftsführer irrt sich nicht über die Person des Geschäftsherrn In der Praxis wird der in § 686 BGB beschriebene Irrtum allerdings eine seltene Ausnahme sein. In aller Regel wird der Geschäftsführer zutreffend erkennen, wer als Geschäftsherr in Betracht kommt und sich bewusst dafür entscheiden, für diesen (oder diese) tätig zu werden. Mangels gesetzlicher Regelung ist problematisch, wie in diesem Fall die Person des Geschäftsherrn zu bestimmen ist. 1. Die Rechtsprechung hat dafür bislang keine eindeutigen Regeln aufgestellt. Gerichtliche Verfahren, in denen die Person des Geschäftsherrn problematisch ist, kommen relativ selten vor. Die Entscheidung für einen der denkbaren Wege wird daher in der gerichtlichen Praxis kaum relevant. In Fällen, in denen die Person des Geschäftsherrn nicht eindeutig war, hat der BGH allerdings eher auf die Sicht des Geschäftsführers abgestellt und – wenn auch ohne grundsätzliche und abstrakte Überlegungen zu der Problematik anzustellen – subjektive Kriterien für maßgeblich gehalten.15 Mitunter hat sich die Rechtsprechung in kritischen Fällen auch damit beholfen, bereits das Merkmal „fremdes Geschäft“ zu verneinen.16 Insgesamt ist keine klare Richtung zu erkennen. 2. Im Schrifttum wird dagegen teilweise vertreten, die Rechtsfolgenanordnung des § 686 BGB gelte auch, wenn kein Irrtum des Geschäftsführers vorliegt.17 Die Norm wiederhole nur einen allgemein geltenden Grundsatz. Die Person des Geschäftsherrn sei – unabhängig von der subjektiven Zielsetzung des Geschäftsführers – stets nach objektiven Kriterien zu bestimmen.18 Dies gewährleiste eine klarere Abgrenzung; die innere Einstellung des Geschäftsführers im Hinblick auf 15 Vgl. BGHZ 1, 57 (62); BGHZ 43, 188 (191 f.); BGH, VersR 1958, 168 (169). Insoweit zustimmend Schwark, JuS 1984, 321 (322); RGRK / Steffen, 1978, § 686 Rn. 2. Eine eher objektive Prüfung findet sich dagegen in den Entscheidungen BGHZ 54, 157 (160 f.); BGHZ 67, 368 (372). 16 So etwa BGHZ 72, 151 (153). 17 MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 2; Wollschläger, 1976, S. 258. 18 Palandt / Sprau, 2007, § 686 Rn. 2; Wollschläger, 1976, S. 104. Lange, JZ 1963, 550 (552) legt dies stillschweigend seiner Argumentation zugrunde.
A. Die Person des Geschäftsherrn
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den Geschäftsherrn sei kaum feststellbar, die Entscheidung daher oft von Zufällen abhängig.19 3. Diese Ansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen.20 Im Regelfall (d. h. wenn sich der Geschäftsführer nicht irrt) ist die Bestimmung des Geschäftsherrn Bestandteil des natürlichen Fremdgeschäftsführungswillens. Zwar muss sich der Handelnde keine bestimmte Person vorstellen, für die er tätig werden will; es genügt, wenn er überhaupt für einen anderen handelt.21 Dieser Begünstigte muss aber zumindest bestimmbar sein (etwa der Eigentümer eines bestimmten Grundstücks).22 Diese subjektive Zweckbestimmung des Geschäftsführers ist im Regelfall maßgeblich, sie legt die Parteien des gesetzlichen Schuldverhältnisses fest. Der Wille des Handelnden bestimmt damit nicht nur, ob das Geschäft überhaupt für einen anderen geführt werden soll, sondern – wenn dies der Fall ist – auch für wen. Die persönliche Zielrichtung seiner Tätigkeit kann der Handelnde also genauso selbst bestimmen wie die sachliche. a) Dies ergibt sich schon aus einem Umkehrschluss zu § 686 BGB. Wenn es nach dem Gesetz für Irrtumsfälle auf objektive Gegebenheiten ankommt, muss im Übrigen die subjektive Bestimmung durch den Geschäftsführer entscheidend sein. Wenn es dagegen ohnehin nicht auf die Vorstellung des Handelnden ankäme, wäre die gesetzliche Regelung für den Fall seiner Fehlvorstellung überflüssig. Eine andere Auslegung des § 686 BGB ist daher nicht sinnvoll.23 Die Vorschrift setzt ausweislich ihres klaren Wortlauts und ihrer – inzwischen amtlichen – Überschrift einen Irrtum des Geschäftsführers voraus.24 Ihr Anwendungsbereich ist damit eng begrenzt.25 Folglich ist es methodisch unzulässig, die Rechtsfolge, die das Gesetz für den Ausnahmefall anordnet, auf den Regelfall zu übertragen. Die Bestimmung des Geschäftsherrn anhand objektiver Kriterien bleibt also Irrtumsfällen vorbehalten. Im Regelfall ist die subjektive Auswahl des Handelnden entscheidend. Wollte man die Person des Geschäftsherrn dagegen generell anhand der objektiven Umstände des Einzelfalls ermitteln, wäre ein Irrtum des Geschäftsführers insoweit gar Laufs, NJW 1967, 2294 (2295). Im Ergebnis ebenfalls für eine subjektive Bestimmung des Geschäftsherrn Gursky, JurAn 1969, 103 (117 mit Fußn. 94); ders., AcP 185 (1985), 13 (21 f.); Helm, VersR 1968, 209 (209 f. mit Fußn. 10a); ders., VersR 1968, 318 (319 f.); Stein, 1973, S. 41 ff.; Weimar, MDR 1964, 821 (822). Canaris, JZ 1963, 655 (660) legt seiner Lösung stillschweigend subjektive Gesichtspunkte zugrunde. Im Ausgangspunkt ebenso Wittmann, 1981, S. 72 ff., der allerdings auch hier eine gewisse Objektivierung dadurch erreicht, dass die maßgebliche Absicht des Geschäftsführers nach dem „sozialen Sinn“ der Tätigkeit bestimmt werden soll; ihm folgend jetzt Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 36 f., 180. 21 Siehe oben unter 2. Teil B. III. 2.; näher sogleich unter IV. 22 Treffend formuliert Stein, 1973, S. 51, der Geschäftsführer habe sich die „tatsächlichen und rechtlichen Eigenschaften“ jener Person vorzustellen, für die er handeln will. 23 Anders aber MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 2. 24 Ebenso Soergel / Beuthien, 2000, § 686 Rn. 2; RGRK / Steffen, 1978, § 686 Rn. 3. 25 Reichard, AcP 193 (1993), 567 (570), spricht daher mit Recht von einem „Sonderfall“. 19 20
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
nicht möglich. Denn dann würde ja ohnehin immer der „wirkliche“ Geschäftsherr festgelegt, der Regelung des § 686 BGB bliebe dann kein Anwendungsbereich. Dieses Ergebnis ist nicht überzeugend. b) Zudem bestünde bei einer Bestimmung des Geschäftsherrn nach objektiven Kriterien die Gefahr, dass dem Geschäftsführer bei Übernahme des Geschäfts zunächst verborgen bliebe, wer als Geschäftsherr in Betracht kommt. Dies ist jedoch nicht hinnehmbar, weil §§ 677, 681 BGB dem Handelnden schon von diesem Zeitpunkt an Nebenpflichten im Verhältnis zu dem konkreten Geschäftsherrn auferlegen, die er aber nicht erfüllen kann, wenn er den wahren Berechtigten gar nicht kennt.26 Schließlich gingen diese Verpflichtungen auch inhaltlich zu weit, wenn man sie dem Geschäftsführer gegenüber jedermann auferlegen wollte, dessen Interessen objektiv von der Geschäftsbesorgung berührt sind.27 c) Diese Überlegung zeigt, dass die individuelle Bestimmung des Geschäftsherrn durch den Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers für diesen besondere Bedeutung hat, wenn bei objektiver Betrachtung der Interessenlage eine Mehrzahl von Personen als Geschäftsherr in Betracht kommt. Auch und gerade hier muss es entscheidend auf die Auswahl durch den Handelnden ankommen. Es ist seine privatautonome Entscheidung, ob er überhaupt ein Geschäft für einen anderen führen will und wenn ja, für wen. Dieser Lösung kann auch nicht entgegengehalten werden, eine solche innere Entscheidung des Geschäftsführers sei später für das Gericht nicht nachvollziehbar und daher manipulierbar. Der Handelnde könne sich im Nachhinein einen zahlungskräftigen Geschäftsherrn aussuchen und behaupten, für diesen tätig geworden zu sein.28 Denn zum einen trägt der Geschäftsführer auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Bestreitet der als Geschäftsherr in Anspruch Genommene, dass der Geschäftsführer tatsächlich für ihn gehandelt hat, muss dieser dem Gericht Anhaltspunkte dafür liefern.29 Zum zweiten schützt das Gesetz den Geschäftsherrn ausreichend durch die Anforderungen des § 683 BGB.30 Er schuldet Aufwendungsersatz nur, wenn die Geschäftsbesorgung seinem Interesse und seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprochen hat. d) Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Gegenansicht – wie von ihr behauptet – zu einer klareren Abgrenzung und damit zu besser vorhersehbaren Ergebnissen führt.31 Hier auf objektive Umstände zurückzugreifen, bietet keine größere So schon Stein, 1973, S. 45 f. Helm, VersR 1968, 209 (209 f. mit Fußn. 10a). 28 Vgl. zu diesen Bedenken Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2 c), S. 12 f.; Wollschläger, 1976, S. 47 f., 67. 29 Die prozessuale Situation gleicht dem Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens im Allgemeinen. Siehe dazu oben unter 3. Teil B. 30 Darauf weisen in diesem Zusammenhang auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (21) und Reichard, AcP 193 (1993), 567 (575 f.) hin. 31 Das wird schon an den von Laufs, NJW 1967, 2294 (2296 f.) behandelten Beispielsfällen deutlich, über deren Beurteilung man auch auf der Basis einer objektiven Abgrenzung trefflich streiten kann. Vgl. insofern auch Lange, JZ 1963, 550 (552). 26 27
A. Die Person des Geschäftsherrn
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Rechtssicherheit als das Abstellen auf die Absicht des Handelnden. Denn es gibt kein einheitliches objektives Merkmal, anhand dessen die Eingrenzung vorgenommen werden könnte, wer als Geschäftsherr in Betracht kommt und wer nicht.32 Vielmehr werden unterschiedliche, mehr oder weniger aussagekräftige Gesichtspunkte vorgeschlagen, nach denen sich die objektive Bestimmung des Geschäftsherrn richten könnte. Als Geschäftsherr komme derjenige in Betracht, in dessen Rechts- und Interessenkreis das geführte Geschäft liegt,33 der für das Geschäft zuständig ist,34 der die Kosten nach außerhalb der §§ 677 ff. BGB befindlichen Rechtsregeln hätte tragen müssen35 oder dessen Sorge das Geschäft an sich obliege und dessen Interesse durch die Besorgung daher unmittelbar gefördert worden sei.36 Diese Kriterien machen deutlich, dass die Festlegung der Person des Geschäftsherrn nach der Gegenansicht vage bleibt. Die erforderliche Grenzziehung, wie weit der Personenkreis sein soll, dessen Interessen in irgendeiner Form berührt werden, fällt schwer. Mitunter wird wegen dieser Schwierigkeit sogar angenommen, § 686 BGB sei – selbst in Irrtumsfällen – nur auf die Besorgung objektiv fremder Geschäfte anwendbar, weil nur in diesem Fall hinreichende Anhaltspunkte für die Person des Geschäftsherrn bestünden.37 Dies würde aber den Anwendungsbereich der Vorschrift stark einschränken, weshalb die objektive Zuordnung überwiegend weiter verstanden und kein objektiv fremdes Geschäft im Sinn von § 687 BGB gefordert wird. Außerdem könnte eine Ungleichbehandlung objektiv fremder und objektiv neutraler Geschäfte zu grotesken Ergebnissen führen.38 Selbst bei der Besorgung objektiv fremder Geschäfte kann die Bestimmung des Geschäftsherrn anhand objektiver Merkmale aber scheitern, weil diese nicht eindeutig auf einen bestimmten Begünstigten hinweisen. Dies ist der Fall, wenn die Geschäftsbesorgung schon bald nach der Übernahme scheitert und der fremdnützige Plan des Geschäftsführers noch nicht zu äußerlich erkennbaren Folgen geführt hat.39 Vor allem ermöglichen die von der Gegenansicht vorgeschlagenen objektiven Merkmale aber keine Auswahl aus mehreren in Betracht kommenden Personen. Eine Beschränkung des Personenkreises ist in diesem Fall anhand objektiver Kriterien nicht möglich, weil ja alle in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ge32 Laufs, NJW 1967, 2294 (2295) hält die Suche nach einem solchen Merkmal auch für aussichtslos und schlägt stattdessen die Bildung von Fallgruppen vor. 33 Palandt / Sprau, 2007, § 686 Rn. 2. 34 Wollschläger, 1976, S. 57 ff., 59 ff., 63 ff. 35 Seiler, JuS 1987, 368 (371 f.). 36 Vgl. RGZ 97, 61 (65 f.); RGZ 167, 85 (88); BGHZ 54, 157 (160 f.); BGHZ 67, 368 (372). 37 Brückmann, 1903, S. 44; Erman / Ehmann, 2004, § 686 Rn. 1; RGRK / Steffen, 1978, § 686 Rn. 3. 38 Das veranschaulicht das Beispiel von Stein, 1973, S. 48: Hilfeleistung für einen Verletzten durch Wundversorgung einerseits und durch den Kauf eines Medikaments andererseits. Beide Fälle müssen sicherlich zum gleichen Ergebnis führen. 39 Vgl. Stein, 1973, S. 49, unter Verweis auf den Sachverhalt der Entscheidung BGHZ 55, 207 ff.
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
führten Geschäft stehen. Die Entscheidung über die Rechtsfolgen wird dadurch ganz auf § 683 BGB verlagert.40 Dies ist nicht sinnvoll, weil man damit nur noch auf die Perspektive des Geschäftsherrn abstellen würde. Das birgt aber wiederum die Gefahr, dass dem Geschäftsführer ein bestimmter Geschäftsherr gegen seinen Willen aufgedrängt werden könnte. Damit würde dem gesetzlichen Schuldverhältnis aber eine Seite der sein Zustandekommen rechtfertigenden Willensübereinstimmung fehlen. Nach alledem ist die Gegenansicht im Schrifttum abzulehnen. Die Festlegung und ggf. die Auswahl des Geschäftsherrn ist grundsätzlich Teil des Fremdgeschäftsführungswillens. Ist die persönliche Zielrichtung der Geschäftsbesorgung nicht ohnehin eindeutig, ist die Person des Geschäftsherrn anhand der entsprechenden inneren Einstellung des Handelnden zu bestimmen. 4. Die praktischen Auswirkungen des Meinungsstreits sind allerdings gering. Im Zwei-Personen-Verhältnis können die unterschiedlichen Ansichten nicht zu abweichenden Ergebnissen führen. Kommt nämlich objektiv nur eine Person als Geschäftsherr in Betracht, würden die im Schrifttum teilweise für maßgeblich gehaltenen objektiven Umstände der Geschäftsbesorgung wohl zu seiner zutreffenden Identifikation führen. Stellt man – wie hier vorgeschlagen – darauf ab, wen der Geschäftsführer begünstigen wollte, wird dies im Regelfall zum gleichen Ergebnis führen. Ist das nicht der Fall, liegt ein Irrtum des Handelnden vor. Dann greift aber § 686 BGB ein und führt – über die Heranziehung objektiver Kriterien – wiederum zum wirklichen Geschäftsherrn. Abweichende Ergebnisse können sich daher nur in Mehr-Personen-Verhältnissen ergeben. Wenn also objektiv mehrere Personen als Geschäftsherr in Betracht kommen, kann es durchaus entscheidend sein, ob auf die Richtung der fremdnützigen Absicht des Geschäftsführers oder auf die objektive Interessenlage abzustellen ist. Gerade in diesen Fällen spricht aber – wie oben dargelegt – alles für die subjektive Methode.
IV. „Geschäftsführung für den, den es angeht“ Im Zusammenhang mit der Frage, wie die Person des Geschäftsherrn zu bestimmen ist, fällt häufig der Begriff der „Geschäftsführung, für den, den es angeht“. Nach der hier vertretenen Lösung erscheint dieser Terminus allerdings nicht geeignet, die Problematik der Festlegung des Geschäftsherrn zutreffend zu erfassen, weil er keine Grenzziehung ermöglicht. Der Begriff wird daher in Rechtsprechung und Schrifttum auch mit ganz unterschiedlicher Tragweite verwendet, was zu Missverständnissen und Zweideutigkeiten führt. In der Sache ist es so, wie oben entwickelt: Ein Irrtum des Geschäftsführers über die Person des Geschäftsherrn ist 40 Dies zeigt besonders deutlich die Falllösung von Seiler, JuS 1987, 368 (371 f.). Geschäftsherr ist danach derjenige, in dessen Interesse die Handlung liegt, weil er sie ohnehin hätte finanzieren müssen.
A. Die Person des Geschäftsherrn
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für das Entstehen des Schuldverhältnisses unschädlich; berechtigt und verpflichtet wird gemäß § 686 BGB der wirkliche Geschäftsherr.41 Dem ist der Fall gleichzustellen, dass der Handelnde gar keine Vorstellung von der Identität des Geschäftsherrn hat und ihm dies auch bewusst ist. Beispiel: A ist mit seinem Gespann nachts auf einer Bundesstraße liegengeblieben. Das unbeleuchtete Hindernis blockiert die rechte Fahrspur direkt hinter einer Kurve. A verlässt das Fahrzeug, um den nachfolgenden Verkehr zu warnen. Erkennt A nun am Horizont den ersten Pkw, macht es keinen Unterschied, ob er wegen der auffälligen Scheinwerfer meint, den Z zu erkennen und (irrtümlich) für diesen tätig werden will oder ob es ihm bewusst ist, nicht zu wissen, wer sich dort nähert. Sein Fremdgeschäftsführungswille richtet sich auf jeden Fall auf den Fahrer dieses Pkw; dies reicht als subjektive Bestimmung des Geschäftsherrn aus.
Daraus folgt aber nicht, dass ein Geschäft auch für eine beliebige Person geführt werden könnte, der Geschäftsführer also lediglich nicht nur für sich selbst handeln darf.42 Er muss sich zumindest nach äußeren Merkmalen jemanden vorstellen, für den seine Geschäftsbesorgung nützlich ist und dem er den Erfolg seiner Tätigkeit zukommen lassen möchte, ohne dass diese Person aber identifiziert sein müsste. Anders ist ein Fremdgeschäftsführungswille in dem oben erarbeiteten Sinn nicht denkbar. Fehlte es selbst an einer solchen Eingrenzung, könnte auch kein Irrtum i. S. v. § 686 BGB auftreten. Auch die Einhaltung der Nebenpflichten der §§ 677 ff. BGB setzt voraus, dass der Geschäftsführer eine bestimmte oder bestimmbare Person (sei sie ihm auch unbekannt) begünstigen will. Eine Geschäftsbesorgung zugunsten irgendeiner anderen, x-beliebigen Person, deren Existenz nicht einmal feststeht, kann den Anforderungen an das Zustandekommen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses dagegen nicht genügen. Eine solche, in persönlicher Hinsicht in keiner Weise zielgerichtete Geschäftsführung dürfte zwar in der Praxis auch kaum vorkommen. Wer in fremdnütziger Absicht unbeauftragt ein Geschäft übernimmt, wird sich wohl immer Gedanken darüber machen, wem seine Handlung zugutekommt. Dafür genügt nach dem oben Gesagten die Vorstellung äußerer Merkmale oder Eigenschaften, die den Geschäftsherrn bestimmbar machen. Trotzdem kann man die Gegenansicht nicht als rein theoretisch abtun. Praktische Bedeutung erlangt sie in Fällen, in denen objektiv mehrere Personen als Geschäftsherren in Betracht kommen. Hier ist es durchaus realistisch, dass der Handelnde an einen (oder mehrere) von ihnen gar nicht denkt. Dann würde eine „Geschäftsführung für den, den es angeht“ im weit verstandenen Sinn dazu führen, dass auch diese in den Kreis der Geschäftsherren fallen. Eine solche Erweiterung anhand objektiver Kriterien ist aber oben bereits abgelehnt worden.43 41 Insoweit besteht noch Einigkeit, vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, § 686 Rn. 1; Soergel / Beuthien, 2000, § 677 Rn. 4; MünchKomm / Seiler, 2005, § 677 Rn. 7. Auch die Gesetzesmaterialien bestätigen diese Annahme, siehe Motive, Bd. 2, S. 856 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 478; Motive, Bd. 2, S. 865 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 484. 42 So aber etwa MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 2; Wollschläger, 1976, S. 258. 43 Siehe näher oben unter III.
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
Auch das hier vertretene Ergebnis ließe sich nun als „Geschäftsführung für den, den es angeht“ bezeichnen.44 Schließlich wird auch nach dem engen Verständnis auf eine eindeutige (etwa namentliche) Identifikation des Geschäftsherrn durch den Geschäftsführer verzichtet.45 Beschränkt sich dementsprechend der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers darauf, der Erfolg seiner Tätigkeit solle dem Eigentümer des Nachbargrundstücks zugutekommen (ohne zu wissen, wer das ist), reicht das auch nach der vorzugswürdigen engen Ansicht aus. Geschäftsherr wird der tatsächliche Eigentümer des so bestimmten Grundstücks. Dieser ist nun sicherlich derjenige, den die Geschäftsbesorgung angeht. Gleichwohl sollte auf den Begriff verzichtet werden.46 Versteht man ihn zutreffend eng (in dem soeben dargelegten Sinn), bringt er keine Vereinfachung oder Klarstellung mit sich und ist deshalb entbehrlich. In dem überwiegend zugrundegelegten weiten Verständnis47 suggeriert er dagegen eine Beliebigkeit im subjektiven Tatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag, die nicht überzeugt. Diese Definition beruht auf einer unzutreffenden Verallgemeinerung und Erweiterung des § 686 BGB.48 Damit wird eine Ausdehnung des Rechtsinstituts der Geschäftsführung ohne Auftrag bezweckt, um im Einzelfall auf eine große Bandbreite von möglichen Geschäftsherren zugreifen zu können, die potentiell Aufwendungsersatz für eine bestimmte Tätigkeit schulden.49 Dies ist aber – neben der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens bei Übernahme eines objektiv fremden Geschäfts – eine der Hauptursachen für die eingangs dieser Arbeit festgestellte und heute allgemein beklagte „Denaturierung der Geschäftsführung ohne Auftrag“. Gerade die Erweiterung des Kreises der Geschäftsherren sprengt die Grenzen des gesetzlichen Schuldverhältnisses. Vom Ausgangspunkt eines subjektiven Verständnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag ist es undenkbar, dem Geschäftsführer einen Aufwendungsersatzanspruch gegen eine Person zuzusprechen, an die er bei der Geschäftsbesorgung offensichtlich nicht im Entferntesten gedacht hat.50 Die Kategorie der „Geschäftsführung für den, den es angeht“ ist deshalb abzulehnen.
44 Vgl. Wittmann, 1981, S. 73 m. Fußn. 24. In diesem engen Sinn findet sich der Begriff etwa bei Helm, VersR 1968, 318 (319); RGRK / Steffen, 1978, § 686 Rn. 2. 45 Wie in dem letztgenannten Beispiel: Geschäftsherr soll hier nach dem Willen des Geschäftsführers der Fahrer des herannahenden Fahrzeugs sein. 46 Siehe auch Stein, 1973, S. 50 ff.; Wittmann, 1981, S. 72 ff. 47 Vgl. etwa Erman / Ehmann, 2004, § 686 Rn. 1; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 686 Rn. 1; MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 2. 48 Siehe oben unter III. 49 Wie etwa Versicherungen. Dies wird von MünchKomm / Seiler, 2005, § 686 Rn. 2, auch offen eingestanden. 50 Ebenso schon Weimar, MDR 1964, 821 (822).
B. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag
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B. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag Hat man in der dargelegten Weise die Person des Geschäftsherrn ermittelt, kommt es für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Geschäftsbesorgung ganz auf dessen Perspektive an. Seine Bewertung der Übernahme des Geschäfts durch den Geschäftsführer ist entscheidend für die Frage, ob es sich um eine berechtigte oder um eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handelt. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei nochmals darauf hingewiesen, dass sich diese Frage nur stellt, wenn der Grundtatbestand der Geschäftsführung gemäß § 677 BGB vorliegt. In jedem Fall handelt es sich also um eine Geschäftsbesorgung in fremdnütziger Absicht, zu der der Geschäftsführer ohne Berücksichtigung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB nicht berechtigt war („ohne Auftrag“). Die Rechtsfolgen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag treten aber nur ein, wenn auch der Geschäftsherr mit der Übernahme des Geschäfts (zumindest mutmaßlich) einverstanden war. Die Berechtigungsgründe stellen also den zweiten Teil der (inneren) Willensübereinstimmung dar, die das Entstehen des auftragsähnlichen gesetzlichen Schuldverhältnisses rechtfertigt.
I. § 683 S. 1 BGB Der wichtigste Fall, in dem eine Geschäftsführung ohne Auftrag berechtigt ist, ist die Übereinstimmung mit Interesse und Willen des Geschäftsherrn gemäß § 683 S. 1 BGB. Um die Reichweite dieses Tatbestands einschätzen zu können, sind zunächst die genannten Begriffe zu klären. Im Anschluss daran soll die Problematik untersucht werden, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Schließlich ist der für ihr Vorliegen maßgebliche Zeitpunkt festzustellen.
1. Die Begrifflichkeiten des § 683 S. 1 BGB Nach dem Wortlaut des § 683 S. 1 BGB ist Voraussetzung für den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers, dass die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Aus dieser Gegenüberstellung der Begriffe „Interesse“ einerseits und „Wille“ andererseits lässt sich ableiten, dass das Interesse des Geschäftsherrn objektiv zu bestimmen ist, während hinsichtlich des Willens die tatsächliche innere Einstellung des Geschäftsherrn im Einzelfall maßgeblich ist.51 Anderenfalls hätten 51 Allgemeine Meinung, vgl. etwa Batsch, AcP 171 (1971), 218 (225); Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 23; Brückmann, 1903, S. 117 ff.; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 a), S. 18; Martinek / Theobald, JuS 1997, 612 (613); Wittmann, 1981, S. 127 f. Anders aber offenbar Palandt / Sprau, 2007, § 683 Rn. 4: Das Interesse sei zu unterstellen, wenn der Wille vorliegt.
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
die beiden Voraussetzungen keinen voneinander unterscheidbaren Inhalt; die Dopplung im Tatbestand des § 683 S. 1 BGB wäre sinnlos. Für dieses Verständnis spricht auch die Regelung des § 683 S. 2 BGB i.V. m. § 679 BGB. Hier wird nur der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn ersetzt; dass die unter § 679 BGB fallenden Geschäfte regelmäßig dem (objektiv zu verstehenden) Interesse des Geschäftsherrn entsprechen, hielt der Gesetzgeber für selbstverständlich.52
a) Das Interesse des Geschäftsherrn Hat man demnach objektiv zu untersuchen, ob die Übernahme des Geschäfts dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht, kommt es darauf an, ob ihm die Geschäftsbesorgung nützt. Nützlich ist dabei, was einen Vorteil für den Geschäftsherrn mit sich bringt, sei er materieller oder immaterieller Art. Ist dies der Fall, hätte auch ein neutraler Dritter in der konkreten Situation die Übernahme des Geschäfts für sachgerecht gehalten. Trotz dieser Objektivierung ist bei der Prüfung des Interesses aber auf die individuelle Situation des Geschäftsherrn abzustellen. Gegenstand der Prüfung des § 683 S. 1 BGB ist, ob die Übernahme des konkreten Geschäfts durch den konkreten Geschäftsführer in der konkreten (räumlichen und zeitlichen) Situation für den konkreten Geschäftsherrn (also zu seinem Nutzen, aber auch auf seine Kosten) dessen Interesse (und Willen) entspricht.53 Daher ist beispielsweise ein sehr preisgünstiger Kauf von Sachen interessenwidrig, wenn der Geschäftsherr diese nicht braucht oder nicht bezahlen kann und der Verkauf einer Sache des Geschäftsherrn unter Wert interessengemäß, wenn dieser sie auf jeden Fall „loswerden“ musste oder dringend Geld brauchte.54 Bei der objektiven Voraussetzung des § 683 S. 1 BGB handelt es sich also um das „wohlverstandene Interesse“; zu untersuchen ist, was nach allgemeiner Einschätzung in der bestimmten Lage zum Besten des Geschäftsherrn gereichte.
b) Der Wille des Geschäftsherrn Rein subjektiv ist demgegenüber das Erfordernis der Übereinstimmung der Geschäftsübernahme mit dem Willen des Geschäftsherrn zu verstehen.55 Es kommt folglich darauf an, ob der Geschäftsherr der konkreten Geschäftsführung innerlich zustimmt. Sein tatsächlicher Wille ist maßgeblich und zwingend zu berücksichtigen, auch wenn er unvernünftig oder interessenwidrig ist. Aus der UnterscheiMotive, Bd. 2, S. 864 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 483. Eingehend hierzu Gursky, AcP 185 (1985), 13 (44 f.), der fünf verschiedene Gesichtspunkte unterscheidet, um eine möglichst konkrete Prüfung im Einzelfall zu gewährleisten. 54 Vgl. Klasmeier, 1931, S. 5 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 4; Wollschläger, 1976, S. 211 f. mit Fußn. 138. 55 Vgl. BGHZ 138, 281 (287); MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 9; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 67 f. 52 53
B. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag
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dung des Gesetzes zwischen dem wirklichen und dem mutmaßlichen Willen ergibt sich allerdings, dass es auf den tatsächlichen Willen nur ankommt, wenn dieser erkennbar geworden ist.56 Der Geschäftsherr muss also seine Einstellung zu der Geschäftsbesorgung in irgendeiner Form publik gemacht haben. Dem Geschäftsführer muss sie dagegen nicht bekannt sein.57 Es genügt vielmehr jede Äußerung des Willens durch den Geschäftsherrn, die geeignet ist, irgendjemandem seine Stellungnahme zu dem Geschäft mitzuteilen.58
c) Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn Sofern der Geschäftsherr keinen Willen hinsichtlich der Übernahme des Geschäfts gebildet hat oder dieser nicht erkennbar geworden ist, stellt das Gesetz auf seinen mutmaßlichen Willen ab. Damit ist zu untersuchen, ob der Geschäftsherr bei Kenntnis der äußeren Umstände mit der Übernahme der Geschäftsführung einverstanden gewesen wäre.59 Da hier aber die tatsächliche innere Einstellung des Geschäftsherrn zu der betreffenden Geschäftsbesorgung gerade nicht bekannt ist, geht mit diesem Merkmal notwendigerweise eine Objektivierung einher. Liegen keine besonderen Umstände vor, die Rückschlüsse auf eine abweichende Einstellung des Geschäftsherrn zulassen, ist daher für die Bestimmung des mutmaßlichen Willens auf das bereits festgestellte Interesse zurückzugreifen.60 Denn regelmäßig ist davon auszugehen, dass jeder mit der Übernahme solcher Geschäfte einverstanden ist, deren Besorgung in seinem objektiven Interesse liegt.
2. Das Verhältnis der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander Da das Gesetz die oben erläuterten Begriffe nebeneinander verwendet, ist zu klären, in welchem Verhältnis diese Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB zueinander stehen. Nach dem Wortlaut der Norm handelt es sich um eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn die Übernahme dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dies spricht 56 Vgl. OLG München, NJW-RR 1988, 1013 (1015); OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 15; Erman / Ehmann, 2004, § 683 Rn. 2; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 a), S. 18; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 49 f. 57 Zu der daraus resultierenden Irrtumsproblematik unten unter 4. 58 D. Giesen, Jura 1996, 288 (289); MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 9; Palandt / Sprau, 2007, § 683 Rn. 6. 59 Larenz, 1986, § 57 I a), S. 444; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 50. 60 Davon gehen Rechtsprechung und Lehre einvernehmlich aus, siehe nur RGZ 82, 206 (216); BGHZ 47, 370 (374); BGH, NJW-RR 1989, 970; Staudinger / Bergmann, 2006, § 683 Rn. 28; Henssler, JuS 1991, 924 (926); Klasmeier, 1931, S. 17 f.; Larenz, 1986, § 57 I a), S. 444; Medicus, 2004, Rn. 423; MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 10.
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
dafür, dass das Interesse und die jeweils verfügbare Ausprägung des Willens kumulativ vorliegen müssen, während alternativ der wirkliche oder der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn zu berücksichtigen ist, je nachdem, ob der wirkliche Wille erkennbar geworden ist oder nicht. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass man begrifflich nur von einer „Mutmaßung“ hinsichtlich des Willens sprechen kann, wenn der wirkliche Wille unbekannt ist.61 a) Trotz des eindeutigen Wortlauts wird diese Auslegung aber nicht allgemein geteilt.62 Vielmehr wird dem Willen des Geschäftsherrn überwiegend der Vorrang vor seinem Interesse eingeräumt.63 Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Das Gesetz nennt zuerst das Erfordernis der Übereinstimmung mit dem Interesse, dann wird als zusätzliche Voraussetzung die Übereinstimmung mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen aufgeführt. Diesen allein als ausreichend anzusehen, erscheint daher nicht möglich.64 b) Dieses Verständnis wird von einer historischen Auslegung der Vorschrift unterstützt. Wie die Protokolle zum BGB zeigen, hat der Gesetzgeber bewusst beide Voraussetzungen in den Tatbestand der Norm aufgenommen. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz sollte davon abhängen, dass die Geschäftsführung (objektiv) dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht und (subjektiv) mit seinem Einverständnis erfolgt.65 Damit knüpft das Gesetz an die gemeinrechtliche Theorie Kohlers an, der nicht nur verlangte, dass das Geschäft eine Hilfeleistung für das Interesse des Geschäftsherrn enthält, sondern darüber hinaus auch forderte, dass sich der Geschäftsführer subjektiven Zwecken des Geschäftsherrn unterordnet, da er diesen nicht bevormunden dürfe.66 c) Auch systematische und teleologische Argumente sprechen dafür, dass Interesse und Wille bei § 683 S. 1 BGB kumulativ vorliegen müssen. Dies zeigt ein Blick auf die Konstellationen, in denen das nicht der Fall ist. Die Problematik kann in zwei Varianten auftreten. aa) Entspricht die Übernahme des Geschäfts durch den Geschäftsführer zwar dem (objektiv zu bestimmenden) Interesse des Geschäftsherrn, nicht aber seinem Vgl. Brückmann, 1903, S. 134 f. Zu der Frage, ob ein klarer Wortsinn die Grenze der Auslegung markiert, etwa BVerfGE 73, 206 (235 f.); Herzberg, JuS 2005, 1 (2 ff.); Kamanabrou, 1997, S. 36 ff.; Looschelders / Roth, 1996, S. 130 ff.; Wank, 2005, S. 59 ff. 63 Näher dazu sogleich bei der Erörterung der entsprechenden Fallkonstellation unter b). 64 Ebenso Batsch, AcP 171 (1971), 218 (225 mit Fußn. 25); Brückmann, 1903, S. 123 ff., 153, insbes. S. 128; Däubler, 2003, Kap. 24 Rn. 42 f.; Klasmeier, 1931, S. 26 f.; Larenz, 1986, § 57 I a), S. 444 mit Fußn. 28; Lent, 1938, S. 13 f.; wohl auch Gursky, AcP 185 (1985), 13 (42 ff.); Wollschläger, 1976, S. 37. Im Ausgangspunkt übereinstimmend Palandt / Sprau, 2007, § 683 Rn. 3 (siehe aber auch Rn. 4). 65 Vgl. Protokolle, Bd. 2, S. 733 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1197. Siehe auch Brückmann, 1903, S. 117 ff., 124 ff. 66 Kohler, Jher.Jb. 25 (1887), 1 (62 f.). 61 62
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erkennbaren Willen, liegt keine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Diese Lösung entspricht einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum.67 Hat der Geschäftsherr seinen wahren Willen geäußert, so ist dieser maßgeblich, auch wenn er objektiv unvernünftig ist. Er kann im Rahmen von § 683 S. 1 BGB nicht unter Hinweis auf das bestehende Interesse übergangen werden. Dies gebietet schon der Grundsatz der Privatautonomie. Danach kann dem Geschäftsherrn nicht gegen seinen ausdrücklichen Willen ein auftragsähnliches gesetzliches Schuldverhältnis aufgezwungen werden. Daneben lässt sich ein Umkehrschluss zu der Regelung der §§ 683 S. 2, 679 BGB fruchtbar machen. Wenn das Gesetz nur in den dort ausdrücklich normierten Ausnahmefällen den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn im Allgemeininteresse für unbeachtlich erklärt, muss dieser im Übrigen maßgeblich sein. Für den Regelfall ist demnach am Willenserfordernis festzuhalten. Schließlich würde eine andere Auslegung auch die Funktion des § 683 S. 1 BGB verkennen. Die Norm dient gerade dazu, den Geschäftsherrn vor einer aufgedrängten unliebsamen Geschäftsführung zu schützen. Dieses Ziel wird aber nur erreicht, wenn neben dem Interesse auch der Wille des Geschäftsherrn von Bedeutung ist. bb) Problematischer ist der entgegengesetzte Fall. Hier fehlt es am (objektiv bestimmten) Interesse des Geschäftsherrn, er ist aber trotzdem mit der Übernahme des Geschäfts einverstanden und dieser Wille ist auch erkennbar. Auch hier könnte man sagen, § 683 BGB verfolge nicht den Zweck, den Geschäftsherrn vor seinem unvernünftigen Willen zu schützen.68 Daher nimmt eine in Rechtsprechung und Lehre weitverbreitete Meinung an, die Geschäftsführung ohne Auftrag sei schon dann berechtigt, wenn allein der zustimmende wirkliche Wille vorliegt.69 Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Rechtsordnung auch den nicht interessengerechten Willen zu akzeptieren hat. Das ist unstreitig richtig, am Vorliegen des Willenserfordernisses lässt sich in dieser Fallkonstellation nicht zweifeln. Fraglich ist aber, ob in dieser Situation das Merkmal des Interesses obsolet sein soll. Dies wird von den Vertretern der genannten Ansicht bejaht; der Wortlaut des 67 Siehe etwa RGZ 101, 18 (19); OLG Karlsruhe, VersR 1977, 936 (936 f.); Staudinger / Bergmann, 2006, § 683 Rn. 30; D. Giesen, Jura 1996, 288 (289); Henssler, JuS 1991, 924 (926 mit Fußn. 15); Larenz, 1986, § 57 I a), S. 444; MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 13. 68 So etwa Medicus, 2004, Rn. 422, der aber Grenzen ziehen will, etwa bei „pathologischer Verschwendung“. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zum einen ist eine solche Grenze nicht praktikabel (wo soll der Richter sie ziehen?), zum zweiten geht es auch nicht an, den Willen des Geschäftsherrn zu zensieren. Die Privatautonomie gebietet es vielmehr, dieses Kriterium (soweit es nach dem Gesetz reicht) rein subjektiv zu verstehen. Die von Medicus für nötig gehaltene objektive Begrenzung des Willens ergibt sich nach der hier vorgeschlagenen Lösung zwanglos aus der kumulativ erforderlichen Voraussetzung des Interesses. 69 OLG Karlsruhe, VersR 1981, 774 (775); Staudinger / Bergmann, 2006, § 683 Rn. 30; Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 26; Erman / Ehmann, 2004, § 683 Rn. 2 f.; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 a), S. 18; D. Giesen, Jura 1996, 228 (229); Medicus, 2004, Rn. 422; Wittmann, 1981, S. 127.
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§ 683 S. 1 BGB bedürfe einer entsprechenden Korrektur im Weg der teleologischen Beschränkung. Sei der wirkliche Wille feststellbar, sei dieser hinreichender Ausdruck der Interessenlage des Geschäftsherrn.70 In derartigen Fällen sei nur dieser wahre Wille des Geschäftsherrn maßgeblich. Die Tatbestandsmerkmale Interesse und mutmaßlicher Wille sollen danach nur ersatzweise an die Stelle eines nicht vorhandenen oder nicht bekannten Willens treten.71 Diese Meinung überzeugt jedoch nicht.72 Die vorgeschlagene Abweichung vom Wortlaut der Norm ist nicht erforderlich, um zu einer sachgerechten Lösung dieser Fallgruppe zu gelangen. Das angestrebte Ergebnis, Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag unabhängig von der objektiven Interessenlage des Geschäftsherrn immer dann zu gewähren, wenn dieser mit der Übernahme der Geschäftsbesorgung einverstanden ist, ergibt sich bereits aus der Genehmigungsmöglichkeit des § 684 S. 2 BGB.73 Diese Regelung reicht aus, um den Fall des fehlenden Interesses sachgerecht zu erfassen.74 Sie ist mit keinerlei Nachteilen verbunden, die Genehmigung lässt das Schuldverhältnis analog § 184 Abs. 1 BGB ex tunc entstehen und an ihre (ggf. konkludente) Erklärung durch den Geschäftsherrn müssen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.75 Aus diesem Grund ist auch das vielfach für die Ansicht, der bloße Wille des Geschäftsherrn reiche für die Annahme der Berechtigung gemäß § 683 S. 1 BGB aus, angeführte Argument der Privatautonomie nicht tragfähig. Denn diese wird auch und erst recht verwirklicht, wenn der Geschäftsherr frei entscheiden kann, ob er die Geschäftsführung genehmigt und erst dadurch das gesetzliche Schuldverhältnis zustandekommt. In diesem Fall ist die innere Willensübereinstimmung zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn gegeben, ohne dass es auf das objektive Interesse des Geschäftsherrn ankäme. Auch beim (insoweit wieder vergleichbaren) Auftrag wird schließlich nicht überprüft, ob die Geschäftsbesorgung einen Vorteil für den Geschäftsherrn mit sich bringt. Zu abweichenden Ergebnissen führt die Gegenansicht, die schon bei § 683 S. 1 BGB auf das Interesse verzichten will, wegen der Möglichkeit des § 684 S. 2 BGB allerdings, wenn sich der Wille des Geschäftsherrn ändert, ehe er die Genehmigung erklärt, oder wenn der „wirkliche“ Wille, den der Geschäftsherr geäußert hat, von vornherein gar nicht mit seinem inneren Willen übereingestimmt hat. 70 Vgl. Soergel / Beuthien, 2000, § 683 Rn. 5; Palandt / Sprau, 2007, § 683 Rn. 4. Dieser Begründungsansatz vermengt jedoch die oben in eine objektive und eine subjektive Voraussetzung unterschiedenen Begrifflichkeiten des § 683 BGB. Dazu schon kritisch Brückmann, 1903, S. 119 mit Fußn. 1. 71 Eingehend zum Ganzen Martinek / Theobald, JuS 1997, 612 (614). 72 Ebenso Batsch, AcP 171 (1971), 218 (225 mit Fußn. 25). Zweifel an der Gegenansicht äußert auch MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 13. 73 Vgl. Larenz, 1986, § 57 I a), S. 444 mit Fußn. 28. 74 Dies hält auch Henssler, JuS 1991, 924 (926 mit Fußn. 15) für eine pragmatische Lösung dieser Fälle. 75 Näher dazu unten unter III.
B. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag
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Beispiel: Die absichtlich vor einem Ausflugslokal gekenterten Ruderer rufen zum Spaß um Hilfe. Sie tauchen nicht wieder aus dem Wasser auf, weil sie – für die Restaurantgäste unsichtbar – unter dem Kiel oben treibenden Boot ihre „Rettung“ erwarten. Hier handelt es sich in Wirklichkeit um einen (wenn auch vom Geschäftsherrn veranlassten) Irrtum des Geschäftsführers über das Interesse des Geschäftsherrn.76
In derartigen Fällen wird die Genehmigung ausbleiben, so dass nur die Gegenansicht eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag annehmen würde. Dies erscheint aber in beiden Konstellationen nicht gerechtfertigt. Denn die auf den ersten Blick geschäftsherrenfreundliche Auslegung der Gegenansicht wendet sich hier im Ergebnis gegen diesen. Sie hält ihn nämlich an seiner früheren Willensäußerung fest, obwohl diese nicht mit seinem Interesse übereinstimmte und obwohl (inzwischen) ein Genehmigungswille fehlt.77 Ein solches Ergebnis lässt sich aber mit dem Schutzcharakter des § 683 S. 1 BGB nicht vereinbaren. Die Norm soll nicht dem Geschäftsführer so schnell wie möglich zu einem Aufwendungsersatzanspruch verhelfen, sondern den Geschäftsherrn vor Geschäften schützen, die nicht mit seinem Interesse und seinem Willen in Einklang stehen. Dieser Regelungszweck ist auch notwendig, weil die Berechtigungsgründe das einzige Merkmal bei der Geschäftsführung ohne Auftrag darstellen, das auf die Sicht des Geschäftsherrn abstellt. Hat der Geschäftsführer diese Hürde überwunden, steht ihm der weitreichende Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB zu, den der Geschäftsherr ohne Rücksicht auf den Erfolg der Geschäftsbesorgung zu erfüllen hat. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend, dass die Vorschrift des § 683 BGB hohe Anforderungen stellt und dadurch in ihrer gesamten Tendenz zu Lasten des Geschäftsführers geht.78
3. Der maßgebliche Zeitpunkt a) Nachdem das Verhältnis, in dem die Tatbestandsmerkmale des § 683 S. 1 BGB zueinander stehen, geklärt ist, bleibt noch der Zeitpunkt fraglich, auf den es bei der Prüfung der Berechtigung ankommen soll. Der Wortlaut der Norm erscheint (wiederum) eindeutig; das Gesetz spricht von der Übernahme der Geschäftsführung. An dieser Stelle sind sich Rechtsprechung und Lehre auch darin einig, dass diese Regelung wörtlich zu verstehen ist.79 Die Festlegung des Zeitpunkts der Geschäftsübernahme sei Ausdruck des Grundsatzes, dass der Geschäftsherr das Risiko fehlgeschlagener Aufwendungen trägt.80 Es genüge also, dass die Zu diesen Fällen noch unten unter 4. Dies wird etwa an dem Beispielsfall f von Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 26, deutlich. 78 Zu diesem Befund kommt auch MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 1. Vgl. ferner Wollschläger, 1976, S. 211 ff. 79 Statt aller BGH, MDR 1963, 922; OLG Frankfurt, NJW-RR 1996, 1337; BGH, NJW 2003, 3268 (3269); Batsch, AcP 171 (1971), 218 (218 f., 225 und passim); Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 22; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 a), S. 18; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (42 ff.); RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677, Rn. 61. 80 Wittmann, 1981, S. 128. 76 77
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
Geschäftsführung für den Geschäftsherrn nützlich begonnen wurde. Ob der damit beabsichtigte Erfolg später tatsächlich eintritt, sei dagegen unerheblich.81 Dem ist zu folgen. Der Anspruch des Geschäftsführers auf Aufwendungsersatz soll eben nicht vom Ergebnis der Geschäftsbesorgung abhängen. Dies wäre aber die Folge, wenn man die Übereinstimmung mit Interesse und Willen des Geschäftsherrn erst am Ende der Ausführungshandlung untersuchen würde. Diese kann mitunter langwierig und kompliziert sein. In derartigen Fällen könnte dann aber jede suboptimale Vorgehensweise und jeder (auch unverschuldete) Fehler des Geschäftsführers die Honorierung seines Handelns in Frage stellen. Dies wäre im Ergebnis nicht sinnvoll; § 683 S. 1 BGB stellt mit seinen strengen Anforderungen auf der einen Seite82 und dem frühen maßgeblichen Zeitpunkt auf der anderen Seite eine ausgewogene Regelung dar. Zudem zeigt ein Vergleich mit den vertraglichen Schuldverhältnissen über Dienstleistungen, dass auch dort nicht durchweg ein Erfolg geschuldet wird, von dessen Eintritt die Vergütung abhängt. Vor diesem Hintergrund wäre es aber nicht überzeugend, einen auftraglosen Geschäftsführer strengeren Anforderungen zu unterwerfen. So kann etwa der Arzt, der einem Bewusstlosen hilft, ebenso wie bei Abschluss eines Dienstvertrags nur verpflichtet sein, sich redlich um die Heilung des Kranken zu bemühen.83 Ferner ist zu bedenken, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 683 BGB auch über die Rechtmäßigkeit des Handelns entscheidet. Wollte man die Übereinstimmung mit Interesse und Willen des Geschäftsherrn nach der Ausführung der Tätigkeit wegen ihres Misserfolgs verneinen, würde dies also bedeuten, dass die gesamte Geschäftsbesorgung rechtswidrig war.84 Ein solches Ergebnis lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Man kann dem Arzt, der sich vergeblich um die Rettung eines Schwerverletzten bemüht hat, keine unerlaubte Handlung vorwerfen.85 Seine Tätigkeit muss vielmehr von Anfang an gerechtfertigt sein. Es würde der rechtspolitisch erwünschten fremdnützigen Hilfeleistung jeden Anreiz nehmen, müsste der Geschäftsführer im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit seiner Handlung das volle Misserfolgsrisiko tragen. Schließlich könnte eine andere zeitliche Festlegung auch dogmatisch nicht überzeugen. Denn die Frage der Berechtigung betrifft das Zustandekommen des gesetzlichen Schuldverhältnisses. Die Folgen einer „Schlechtleistung“ bei der Ausführung des rechtmäßig übernommenen Geschäfts stellen dagegen eine sowohl zeitlich als auch rechtlich nachgelagerte Frage dar. Hier geht es um Sekundäransprüche des Geschäftsherrn auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung 81 82 83 84 85
Staudinger / Bergmann, 2006, § 683 Rn. 21 f. Dazu oben unter 2. Dieser Vergleich wird schon von Lent, 1938, S. 13, gezogen. Dazu noch unten unter 5. Teil C. II. 1. Siehe auch Lent, 1938, S. 13.
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bei der Geschäftsführung. Diese Ebene setzt jedoch das Bestehen des gesetzlichen Schuldverhältnisses voraus und ist daher strikt von den Voraussetzungen seiner Entstehung zu trennen. b) Die angestellte Unterscheidung zwischen der Übernahme und der Ausführung des Geschäfts macht es erforderlich, den für § 683 S. 1 BGB maßgeblichen Begriff der Übernahme näher zu bestimmen. Aus der gesetzlichen Aufteilung des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts in zwei Schritte ergibt sich schon, dass die Übernahme zeitlich vor der Ausführung erfolgen muss. Der früheste Zeitpunkt, der insoweit denkbar ist, ist der, in dem sich der Geschäftsführer innerlich dazu entschließt, das Geschäft zu besorgen. Das setzt voraus, dass er Kenntnis von einer Situation hat, in der eine fremdnützige Handlung möglich ist, und sich für diese Handlungsoption entscheidet, er also seinen Fremdgeschäftsführungswillen im Sinn von § 677 BGB bildet. Außerdem muss die konkrete Vorgehensweise bei der geplanten Geschäftsführung bereits feststehen, da nach dem oben Gesagten gerade diese dem Interesse und Willen des Geschäftsherrn entsprechen muss. Der späteste Zeitpunkt, der hier demgegenüber in Betracht kommt, ergibt sich bereits aus der oben vorgenommenen Abgrenzung. Will man Übernahme und Ausführung unterscheiden, endet der Zeitraum, in dem das Geschäft übernommen worden sein kann, mit dem Beginn der Ausführungshandlung. In der Praxis wird es häufig so sein, dass der Geschäftsbesorgung ein spontaner Entschluss zur Hilfeleistung zugrundeliegt, der sofort umgesetzt wird. In einem solchen Fall schließt sich die Ausführung nahtlos an die Übernahme an. Dann markiert der Beginn der Tätigkeit zugleich die Übernahme der Geschäftsbesorgung.86 Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen eine Zäsur zwischen Planungs- und Umsetzungsphase eintritt. In diese Zwischenzeit können sogar weitere Schritte des Geschäftsführers fallen, wie vor allem die Anzeige an den Geschäftsherrn gemäß § 681 S. 1 BGB. In einem solchen Fall ist die Übernahme schon vor Beginn der Ausführung gegeben. Dabei kommt es auf den Willen des Geschäftsführers, ein Geschäft auszuführen, und auf seine innere Festlegung der geplanten Vorgehensweise an.87 Eine Offenbarung dieses Entschlusses ist wiederum nicht notwendig.88 Es ist nicht ersichtlich, woraus sich ein solches Erfordernis materiellrechtlich ergeben sollte. Auch die Geschäftsübernahme stellt kein rechtsgeschäftliches Handeln dar. Sie ist lediglich eine Voraussetzung des gesetzlichen Schuldverhältnisses. Wie überhaupt bei der Untersuchung des Fremdgeschäftsführungswillens89 ist 86 Dies wird teilweise auch generell gleichgesetzt, vgl. etwa Staudinger / Bergmann, 2006, § 683 Rn. 21; Hader, 2006, S. 63; Larenz, 1986, § 57 I a, S. 443; Melullis, 1971, S. 58; MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 11. 87 So auch Brückmann, 1903, S. 109 f.; Krenz, GRUR 1995, 31 (36); RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 35 f. 88 Anders Brückmann, 1903, S. 109; Krenz, GRUR 1995, 31 (36); RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 35; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 45. 89 Vgl. oben unter 3. Teil A. I.
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deshalb auch hier die innere Einstellung des Geschäftsführers entscheidend. Schutzwürdige Interessen des Geschäftsherrn werden dadurch nicht beeinträchtigt. Wenn der Zeitpunkt der Übernahme überhaupt streitig werden sollte, trifft auch insoweit den auf Aufwendungsersatz klagenden Geschäftsführer die Beweislast.
4. Der Irrtum des Geschäftsführers über die Berechtigung a) Die Auslegung des § 683 S. 1 BGB hat ergeben, dass es für die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag auf das Interesse des Geschäftsherrn in der konkreten Situation und ggf. auf seinen tatsächlichen Willen ankommt. Dafür hat es keine Bedeutung, ob der Geschäftsführer die Interessenlage oder eine eventuelle Willensäußerung des Geschäftsherrn kennt. Daher sind leicht Fälle vorstellbar, in denen sich der Handelnde bei der Geschäftsübernahme über die Einstellung des Geschäftsherrn täuscht. Geht der Geschäftsführer nur irrtümlich von seiner Berechtigung aus, reicht dies jedoch nach allgemeiner Auffassung nicht aus, um eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag zu bejahen. Vielmehr müssen die Berechtigungsgründe tatsächlich gegeben sein.90 Dies gilt auch, wenn den Geschäftsführer kein Verschulden an seinem Irrtum trifft.91 Er trägt also das volle Risiko des Vorliegens eines Berechtigungsgrunds.92 Hintergrund dessen ist die Funktion des § 683 S. 1 BGB als Schutzvorschrift zugunsten des Geschäftsherrn. Dieser soll durch eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nur verpflichtet werden, wenn er mit der Übernahme des Geschäfts durch den Geschäftsführer einverstanden war. Nur in diesem Fall ist auch eine innere Willensübereinstimmung zwischen den Parteien des gesetzlichen Schuldverhältnisses gegeben, die die Rechtsfolgen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag rechtfertigen kann. Andernfalls hätte es der Geschäftsführer zudem in der Hand, dem Geschäftsherrn eine Handlung aufzudrängen und dafür Aufwendungsersatz zu verlangen. Dieser Schutz des Geschäftsherrn vor unerbetener Einmischung wird vom Gesetzgeber höher bewertet als das Vertrauen des Handelnden, mit seiner Tätigkeit einem fremden Interesse zu dienen.93 b) Problematischer ist die Behandlung eines solchen Irrtums des Geschäftsführers in Fällen, in denen seine Tätigkeit die Abwehr einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt. § 680 BGB sieht in solchen Fällen eine 90 Statt aller Soergel / Beuthien, 2000, § 683 Rn. 4; Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 22; Erman / Ehmann, 2004, § 683 Rn. 1; Palandt / Sprau, 2007, § 683 Rn. 3; Wollschläger, 1976, S. 211. De lege lata auch Lent, 1938, S. 15, 17 ff., der aber insoweit einen Änderungsvorschlag macht. 91 Dies hat jedoch Bedeutung für den Schadensersatzanspruch aus § 678 BGB. 92 BGH, LM Nr. 3 zu § 683 BGB; OLG Karlsruhe, VersR 1977, 936 (936 f.); Batsch, AcP 171 (1971), 218 (225 f.); Staudinger / Bergmann, 2006, § 683 Rn. 13; MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 12. 93 Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 a), S. 18 f.; Martinek / Theobald, JuS 1998, 27 (32).
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Haftungserleichterung zugunsten des Handelnden vor. Entspricht die Geschäftsübernahme jedoch nicht Interesse und Willen des Geschäftsherrn (etwa weil er schon selbst Hilfe organisiert hat oder weil objektiv gar keine Gefahr besteht), steht dem Tätiggewordenen – zumindest nach dem Wortlaut des § 683 BGB – kein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen (und ggf. erlittener typischer Begleitschäden) zu. Dieses Ergebnis erscheint auf den ersten Blick ungerecht; im Schrifttum ist daher auch versucht worden, eine davon abweichende Lösung zu begründen.94 Dies ist jedoch abzulehnen, das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag ist insoweit eindeutig. Ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 BGB setzt die tatsächliche Übereinstimmung der Geschäftsübernahme mit Interesse und Willen des Geschäftsherrn voraus. Die nur aus Sicht des Geschäftsführers vermeintlich gegebene Berechtigung genügt den Anforderungen des Tatbestands dagegen nicht. Auch aus dem Rechtsgedanken des § 680 BGB lässt sich ein abweichendes Ergebnis nicht ableiten.95 Die Norm betrifft nur den Verschuldensgrad des Handelnden, auf den es bei § 683 BGB nicht ankommt. Diese begrenzte Privilegierung ist auch sachgerecht. Bezweckt die Geschäftsbesorgung die Abwehr einer dringenden Gefahr, ist vom Geschäftsführer schnelles Handeln gefordert. In einer solchen Situation können nicht die gleichen Sorgfaltsanforderungen an ihn gestellt werden wie sonst. Diese Tatsache kann aber nur dazu führen, dass der Geschäftsführer für die Folgen seiner Tätigkeit nur in abgeschwächter Form haften muss. Ein Schadensersatzanspruch des Geschäftsherrn erscheint hier nur gerechtfertigt, wenn der Geschäftsführer die erforderliche Sorgfalt in grober Weise außer Acht gelassen hat. Diese Überlegung trägt jedoch keinen Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn, dem das Eingreifen weder erwünscht noch nützlich war.96 Es fehlt hier gerade an der für das vertragsähnliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag konstitutiven inneren Willensübereinstimmung. Anders könnten nur Fälle zu beurteilen sein, in denen der vermeintlich Hilfsbedürftige den Anschein der Gefahr zurechenbar verursacht hat.97 Hier ließe sich die Belastung des „Geschäftsherrn“ mit den Kosten der unnötigen Hilfeleistung rechtfertigen. Denn in dieser Konstellation besteht ein Anknüpfungspunkt für eine Haftung des „Geschäftsherrn“ für die Fehlvorstellung des Handelnden. Diese Dietrich, JZ 1974, 535 (537 ff.). So etwa auch Batsch, AcP 171 (1971), 218 (225 f.); Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 a), S. 19; Hauß, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 333 (340 f.); Stoll, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 411 (413 f.); Wollschläger, 1976, S. 309 f. Ebenso aus rechtsökonomischer Sicht Kötz, Festschrift für Großfeld, 1999, S. 583 (592). 96 Anders Dietrich, JZ 1974, 535 (539), der in Fällen, in denen die Abwehr einer dringenden Gefahr bezweckt wird, dem Geschäftsführer einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 683 BGB i.V.m. § 680 BGB zuerkennen will, ohne dass es sich aber um eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handeln soll. 97 So differenziert etwa auch Stoll, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 411 (415). 94 95
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
Überlegung zeigt aber schon, dass es in den Fällen der unerwünschten Nothilfe offensichtlich nicht um eine nach § 683 S. 1 BGB berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag geht. Zu prüfen ist vielmehr, ob der „Geschäftsherr“ haftet, weil er die Hilfeleistung schuldhaft herausgefordert hat. Sedes materiae ist insoweit jedoch das Deliktsrecht.98 Hat der „Retter“ eine Rechtsgutsverletzung erlitten, die für den die Hilfeleistung Provozierenden vorhersehbar war, haftet dieser für daraus resultierende Schäden gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Dieser Weg versagt allerdings bei bloßen Vermögensschäden des Handelnden. Diese Lücke im Haftungssystem ist aber generelle Folge der Konzeption des Deliktsrechts. Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag können insoweit keinen Ausgleich bieten.
5. Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn Ist der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers auf eine Tätigkeit zugunsten eines minderjährigen oder geschäftsunfähigen Geschäftsherrn gerichtet, ist problematisch, ob bei der Prüfung von Interesse und Wille auf diesen abzustellen ist. Im Hinblick auf den Inhalt der Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB ist zunächst zu unterscheiden: Die Feststellung des Interesses ist nach dem oben Gesagten eine zwar auf die Person des Geschäftsherrn in der konkreten Situation bezogene, aber dennoch objektivierte Prüfung. Es kommt also nicht auf die tatsächliche Einstellung des betroffenen Geschäftsherrn an. Deshalb ergeben sich keine Besonderheiten, wenn dieser beschränkt oder nicht geschäftsfähig ist. Anders könnte es sein, soweit der wirkliche Wille des Geschäftsherrn maßgeblich ist. Hier ist eine subjektive Prüfung anzustellen. Doch auch insoweit scheitert das Schuldverhältnis nicht etwa an der mangelnden Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn. Da § 683 BGB keine Willenserklärung des Geschäftsherrn erfordert, sind die entsprechenden Vorschriften des BGB nicht unmittelbar anwendbar. Denn die Rechtsfolgen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag treten – wie bei allen gesetzlichen Schuldverhältnissen – ohne einen darauf (also auf den Eintritt dieser Rechtsfolgen) gerichteten Willen der Parteien ein.99 Deshalb kommt auch ein nicht oder beschränkt Geschäftsfähiger als Geschäftsherr in Betracht.100 Dies war in § 756 E I noch ausdrücklich normiert. Die Zweite Kommission hielt diese 98 Siehe zu dieser (heute vorherrschenden) Lösung etwa Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 a), S. 19; Gehrlein, VersR 1998, 1330 (1332 ff.); Hauß, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 333 (340 f.); Martinek / Theobald, JuS 1998, 27 (32 f.); Medicus, 2004, Rn. 424; dens., JuS 2005, 289 (292 f.). Abweichend von der h. M. schlägt Stoll, Festschrift für Weitnauer, 1980, S. 411 (423 ff.), eine Analogie zu § 829 BGB vor. Abgemildert wird die Problematik (bezüglich des Personenschadens) durch den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, in die der Nothelfer gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII einbezogen ist. 99 Etwas anderes gilt nur für die Genehmigung gemäß § 684 S. 2 BGB, die als Willenserklärung einen entsprechenden Rechtsbindungswillen voraussetzt. Dazu unten unter III. 100 Vgl. die in den folgenden Fußnoten Zitierten. Anders für Geschäftsunfähige Schröder / Bär, Jura 1996, 449 (450), die die §§ 104 ff. BGB analog anwenden wollen.
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Regelung aber für selbstverständlich und die entsprechende Vorschrift daher für entbehrlich.101 Da das Vorliegen des Berechtigungsgrunds des § 683 S. 1 BGB und damit letztlich der (natürliche) Wille des nicht (vollständig) Geschäftsfähigen aber im Ergebnis zu einer vertragsähnlichen Verbindlichkeit führt, ist insoweit auf die Perspektive des gesetzlichen Vertreters abzustellen.102 Seine Einschätzung der Geschäftsübernahme ist damit für die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag maßgeblich.103 Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 108 BGB.104 Andernfalls könnte das (von dem gesetzlichen Vertreter nicht gebilligte) gesetzliche Schuldverhältnis zu einer Vergütungspflicht führen, die den minderjährigen Geschäftsherrn härter träfe als ein Vertrag, weil sie auch für Dienstleistungen gelten würde, die im Ergebnis nutzlos geblieben sind. Eine solche Rechtslage ließe sich aber mit dem Minderjährigenschutz als dem Rechtsgedanken der §§ 106 ff. BGB nicht vereinbaren.105
II. § 683 S. 2 BGB i.V. m. § 679 BGB Das Gesetz enthält in §§ 683 S. 2, 679 BGB zwei Ausnahmen von dem Grundsatz, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag nur dann berechtigt ist, wenn die Geschäftsübernahme Interesse und Willen des Geschäftsherrn entspricht. In diesen Fällen entspricht die Geschäftsführung zwar dem objektiv verstandenen Interesse des Geschäftsherrn,106 sie steht aber im Widerspruch zu seinem wirklichen Willen. Eine Berechtigung gemäß § 683 S. 1 BGB kommt daher nicht in Betracht.107 Darüber kann hier nun aber § 683 S. 2 BGB hinweghelfen, der die Rechtsfolgen 101 Siehe Motive, Bd. 2, S. 865 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 483 f.; Protokolle, Bd. 2, S. 739 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1201. 102 Allgemeine Meinung, siehe schon die Motive, Bd. 2, S. 865 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 484; ferner etwa BGH, NJW 1971, 609 (612) = FamRZ 1971, 247 (250) mit insoweit zust. Anm. Medicus (252); Brückmann, 1903, S. 148 ff.; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 1 b), S. 8; Klasmeier, 1931, S. 10 ff.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 682 Rn. 7. 103 Eine Ausnahme wird allenfalls für höchstpersönliche Geschäfte vorgeschlagen, wenn der Geschäftsherr insoweit über die nötige Einsichtsfähigkeit verfügt, vgl. Staudinger / Bergmann, 2006, § 683 Rn. 16; RGRK / Steffen, 1978, § 682 Rn. 8. 104 Siehe nur Schröder / Bär, Jura 1996, 449 (450). In gleicher Weise verfährt die h. M. bei der bereicherungsrechtlichen Haftung Minderjähriger. Soweit es auf die Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit ankommt, ist auch dort auf den gesetzlichen Vertreter abzustellen, vgl. Larenz / Canaris, 1994, § 73 II 2 a), S. 312. 105 So auch Medicus, FamRZ 1971, 250 (252). 106 Wenn dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, hilft § 683 S. 2 BGB aber nicht auch über das Fehlen des Interesses hinweg. Es bleibt dann vielmehr bei den Rechtsfolgen des § 684 BGB. Dies ist vor allem denkbar, wenn die bei der Übernahme konkret geplante Art und Weise der Geschäftsbesorgung oder die Person des Handelnden nicht interessengerecht ist. Dazu Brückmann, 1903, S. 156 ff.; MünchKomm / Seiler, 2005, § 683 Rn. 14. 107 Siehe oben unter I. 2. c) die Fallkonstellation aa) des Auseinanderfallens von Interesse und Wille des Geschäftsherrn.
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag auf die Fälle des § 679 BGB erstreckt. 1. Die Fallkonstellationen des § 679 BGB In zwei Fällen erklärt § 679 BGB einen der Geschäftsführung entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn für unbeachtlich. Beide Konstellationen haben gemeinsam, dass durch die Geschäftsbesorgung eine Pflicht des Geschäftsherrn übernommen wird, die andernfalls (also ohne das Eingreifen des Geschäftsführers) nicht rechtzeitig erfüllt worden wäre. Dafür muss eine erfüllbare und fällige Verbindlichkeit des Geschäftsherrn bestehen, die dieser gar nicht oder zu spät erfüllen würde. Es muss aber noch kein Verzug i.S.v. § 286 BGB eingetreten sein.108 Ist dies der Fall, kommt es für das Eingreifen des § 679 BGB weiterhin auf den Inhalt der Verpflichtung des Geschäftsherrn an.
a) Pflichterfüllung im öffentlichen Interesse Die erste Variante der Norm erfasst Pflichten, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt. Dabei kommen nur Rechtspflichten in Betracht.109 Sittliche, moralische oder gesellschaftliche Verpflichtungen erfüllen den Tatbestand des § 679 BGB nicht. Vielmehr muss es sich um gerichtlich durchsetzbare Ansprüche handeln, da andernfalls erst auf dem Umweg über die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag eine Erzwingbarkeit hergestellt würde. Darüber hinaus setzt die erste Variante des § 679 BGB ein öffentliches Interesse an der Pflichterfüllung und damit am Eingreifen des Geschäftsführers voraus. Letzteres erfordert, dass das öffentliche Interesse gerade auch für die Erledigung im Weg der Geschäftsführung ohne Auftrag spricht.110 Da grundsätzlich die ordnungsgemäße Erfüllung von Rechtspflichten immer im öffentlichen Interesse liegt, ist für die Anwendung des § 679 BGB zudem ein spezielles, gesteigertes Interesse der Allgemeinheit erforderlich.111 Das setzt voraus, dass mit der Nichterfüllung der Pflicht konkrete Nachteile für das Gemeinwohl verbunden sind.112 Dies wird bei privatrechtlichen 108 Vgl. zum Ganzen BGH, NJW 1978, 1258 (1259); Staudinger / Bergmann, 2006, § 679 Rn. 29; MünchKomm / Seiler, 2005, § 679 Rn. 6; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (113). 109 So schon die Protokolle, Bd. 2, S. 738 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1199. Ferner etwa RGZ 92, 197 (201); BGHZ 16, 12 (14 f.); Erman / Ehmann, 2004, § 679 Rn. 2 a.E.; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 a), S. 20; Klasmeier, 1931, S. 32 f.; Lent, 1938, S. 34 ff.; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (114). 110 Siehe zu diesem Aspekt etwa BGHZ 138, 281 (288); BGH, NJW 1978, 1258 (1259); OLG Köln, NVwZ 1993, 1020 (1022); Larenz, 1986, § 57 I a, S. 445; Lent, 1938, S. 31 ff. 111 Vgl. BGHZ 4, 153 (161); BGH, VersR 1956, 235 (236); BGH, NJW 1978, 1258 (1259); BSGE 86, 1 (7 f.); Erman / Ehmann, 2004, § 679 Rn. 2; Palandt / Sprau, 2007, § 679 Rn. 3; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (114 f.). 112 Martinek / Theobald, JuS 1998, 27 (30).
B. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag
147
Verpflichtungen selten der Fall sein. Regelmäßig muss es sich hierfür um Verbindlichkeiten handeln, die dem Schutz einer größeren Zahl von Personen dienen, deren Erfüllung also nicht nur für einen Einzelnen vorteilhaft ist. Damit sind etwa Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers einer Sache erfasst. Öffentlich-rechtliche Pflichten rechtfertigen sich dagegen grundsätzlich nur aus einem besonderen Gemeininteresse. Ihre Erfüllung liegt daher in der Regel im öffentlichen Interesse.113 Dies gilt vor allem für Vorschriften, die der Gefahrenabwehr dienen. Ein Indiz für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Pflichterfüllung ist es im Übrigen, wenn die Missachtung der Pflicht bußgeld- oder strafbewehrt ist oder wenn ihre Einhaltung von Amts wegen kontrolliert und durchgesetzt wird.
b) Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten Der zweite Fall, in dem der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn gemäß § 679 BGB irrelevant ist, betrifft die Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten. Dieser Begriff ist eng auszulegen; gemeint sind nur die „echten“ Unterhaltsansprüche des Familien- und Erbrechts.114 Andere Verbindlichkeiten werden von § 679 BGB nicht erfasst, auch wenn sie der Sicherstellung des Lebensunterhalts dienen (etwa Schadensersatz gemäß § 844 BGB, Arbeitsentgelt). Auch vertragliche Unterhaltspflichten kommen nach dem Gesetzeswortlaut nicht in Betracht. Eine die gesetzlich begründete Unterhaltspflicht ausgestaltende Vereinbarung schadet aber nicht.115 Bei der zweiten Variante des § 679 BGB ist eine Prüfung des öffentlichen Interesses im Einzelfall nicht erforderlich. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die rechtzeitige Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten stets im öffentlichen Interesse liegt. Denn im Fall ihrer Nichterfüllung müsste in der Praxis wiederum die Allgemeinheit für den Lebensunterhalt des nicht befriedigten Gläubigers eintreten (etwa durch die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung).
2. Erweiterung auf andere Fälle? a) Mitunter ist in Rechtsprechung und Schrifttum vertreten worden, über diese in § 679 ausdrücklich geregelten Fälle hinaus gebe es weitere Konstellationen, in denen ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn un113 Siehe zu dieser Differenzierung auch Protokolle, Bd. 2, S. 737 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1198 f.; Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 28; Lent, 1938, S. 29; Staudinger / Wittmann, 1995, § 679 Rn. 2, 4 f. Anders wohl Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 b), S. 19 f., die den Anwendungsbereich des § 679 BGB offenbar („zunächst“) auf private Verpflichtungen beschränken wollen. 114 Statt aller BGHZ 4, 153 (161); Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 29; MünchKomm / Seiler, 2005, § 679 Rn. 10 f. 115 Staudinger / Bergmann, 2006, § 679 Rn. 26; Palandt / Sprau, 2007, § 679 Rn. 4.
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4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
beachtlich ist. Dann soll die Ablehnung der Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsherrn einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegenstehen. Der wichtigste Anwendungsfall für diese argumentativen Bemühungen ist die Rettung eines Selbstmörders gegen dessen Willen. Konstruktiv wird die Erweiterung überwiegend auf eine Analogie zu § 679 BGB gestützt. Dessen Rechtsfolgen sollen danach auch eintreten, wenn die Geschäftsführung rechtlich geboten oder durch ein dringendes öffentliches Interesse gerechtfertigt war.116 Dagegen soll es nach anderer Ansicht ausreichen, dass der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn gegen die guten Sitten oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ein solcher Wille sei in entsprechender Anwendung der §§ 134, 138 BGB unbeachtlich und daher für den Geschäftsführer nicht bindend.117 b) Eine solche Ausdehnung der Rechtsfolgen der §§ 683 S. 2, 679 BGB auf andere als die im Gesetz geregelten Fälle ist jedoch strikt abzulehnen. Beide Begründungsansätze stellen letztlich nur ergebnisorientierte Billigkeitserwägungen ohne Anknüpfung an die gesetzlichen Tatbestände dar.118 aa) Gegen die zuletzt genannte Ansicht spricht schon, dass sie die rechtstechnische Funktion anspruchshemmender bzw. -vernichtender Einwendungen in ihr Gegenteil verkehrt. Mit der analogen Anwendung der §§ 134, 138 BGB soll eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Schuldverhältnisses begründet werden. Das überzeugt nicht, weil die bloße Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn noch nicht zu einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag führt.119 Hierzu fehlt der Theorie eine dem § 683 S. 2 BGB entsprechende Regelung. Diese Norm erweitert die Rechtsfolgen des § 683 S. 1 BGB jedoch lediglich auf die Fälle des § 679 BGB. Denn § 679 BGB enthält speziell für die Geschäftsführung ohne Auftrag eine abschließende Regelung, wann der Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich ist.120 Neben dieser Vorschrift ist daher kein Raum für eine analoge Anwendung der für Rechtsgeschäfte geltenden §§ 134, 138 BGB, es fehlt bereits an einer Regelungslücke. bb) Das Problem, von der Unbeachtlichkeit des Geschäftsherrenwillens zur berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu kommen, wird vermieden, wenn man 116 So etwa Berg, JuS 1975, 681 (686); Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1272; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 679 Rn. 6; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (116 f.); wohl auch BayObLG, MDR 1968, 920; Jauernig / Mansel, 2004, § 679 Rn. 2. Anders Lent, 1938, S. 40 ff., der eine Geschäftsführung für die nicht rechtzeitig eingreifende Polizei annimmt, auf die § 679 BGB anwendbar sei. 117 So insbesondere Wittmann, 1981, S. 129 f.; Staudinger / Wittmann, 1995, § 679 Rn. 10; siehe ferner etwa Martinek / Theobald, JuS 1998, 27 (31). 118 Dies wird besonders deutlich an den Falllösungen von Martinek / Theobald, JuS 1998, 27 (31 f.), die dies aber auch offen eingestehen. 119 Siehe auch Brox / Walker, 2006, § 35 Rn. 30; Zimmermann, FamRZ 1979, 103 (105). 120 Vgl. Protokolle, Bd. 2, S. 736 ff. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1198 f.; Zimmermann, FamRZ 1979, 103 (105); jedoch bestritten von Martinek / Theobald, JuS 1998, 27 (31); Staudinger / Wittmann, 1995, § 679 Rn. 10.
B. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag
149
– wie die erstgenannte Ansicht – eine Analogie zu § 679 BGB befürwortet. Nach dieser Lösung würde die Anordnung des § 683 S. 2 BGB auch die Fallkonstellationen erfassen, in denen § 679 BGB nach seinem Wortlaut nicht passt. Auch diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 679 BGB sind ebenfalls nicht gegeben.121 Auch insoweit fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke, da sich der Gesetzgeber bewusst und nach eingehender Beratung dafür entschieden hat, derartige Fälle nicht in § 679 BGB aufzunehmen.122 Voraussetzung für eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Willen des Geschäftsherrn sollte immer die Übernahme einer Rechtspflicht sein; das bloße Bestehen eines öffentlichen Interesses an der Geschäftsbesorgung sollte dagegen nicht ausreichen. Die zu beurteilenden Lebenssachverhalte sind darüber hinaus auch nicht vergleichbar, weil es bei der Rettung eines Selbstmörders (und in anderen Fällen, in denen eine Ausdehnung des § 679 BGB denkbar wäre) nicht um die Erfüllung von Rechtspflichten des Geschäftsherrn geht.123 In Wirklichkeit sollen hier die Rechtsfolgen der Erfüllung einer eigenen Pflicht des Handelnden124 über die Geschäftsführung ohne Auftrag geregelt werden.125 Die Anerkennung einer Pflicht, in Notfällen zu helfen (§ 323c StGB), die auch bei selbst verursachten Gefahren bis hin zum Suizidversuch eingreift, muss jedoch nicht zwingend dazu führen, dem Helfer einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Geretteten zuzugestehen.126 Der Anspruch auf ein Honorar für die Erfüllung eigener Pflichten ist zumindest nicht aus §§ 683, 670 BGB abzuleiten. Eine solche Sichtweise wäre der Systematik der Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag fremd. Sie stellen als Voraussetzung für den Aufwendungsersatzanspruch nur auf die Perspektive des Geschäftsherrn ab. Die Ziele, die der Geschäftsführer mit seiner Tätigkeit verfolgt, spielen dagegen keine Rolle. Daher ist eine Ausdehnung des § 679 BGB auf Fälle, in denen der Wille des Geschäftsherrn aus anderen Gründen unbeachtlich sein soll, abzulehnen. Solche 121 Kritisch auch Soergel / Beuthien, 2000, § 679 Rn. 15; Erman / Ehmann, 2004, § 679 Rn. 5; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 3 b), S. 20; Früh, JuS 1995, 418 (421); Larenz, 1986, § 57 I a), S. 445; MünchKomm / Seiler, 2005, § 679 Rn. 13; RGRK / Steffen, 1978, § 679 Rn. 22; Zimmermann, FamRZ 1979, 103 (104 ff.). 122 Siehe dazu Protokolle, Bd. 2, S. 736 ff. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1198 f. 123 Selbst eine sittliche oder moralische Pflicht, am Leben zu bleiben, dürfte zu verneinen sein. Vgl. Martinek / Theobald, JuS 1998, 27 (31); Medicus, 2006, Rn. 625; Zimmermann, FamRZ 1979, 103 (105). 124 Rechtspflicht, soweit § 323 c StGB reicht; ggf. sittliche Pflicht bei darüber hinausgehender Hilfeleistung. 125 Eine Geschäftsführung ohne Auftrag kommt hier nach dem oben Gesagten ohnehin nur in Betracht, soweit die Pflichterfüllung (wie regelmäßig in den Fällen des § 323 c StGB) nur bloßes Motiv für den Geschäftsführer war. 126 Vgl. schon Protokolle, Bd. 2, S. 738 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1199. Wie hier auch Wollschläger, 1976, S. 37, 310 f.; anderer Ansicht offenbar Staudinger / Wittmann, 1995, § 679 Rn. 10. Der Gesetzgeber hat den Helfer zumindest in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII).
150
4. Teil: Die Berechtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag
Konstellationen können der in § 679 BGB geregelten Materie nicht gleichgestellt werden, da die Vorschrift „ein Surrogat der dem Geschäftsherrn obliegenden Pflichterfüllung“127 normiert. An einer solchen Pflicht fehlt es hier aber gerade. Schließlich verkennt die Gegenansicht auch den Ausnahmecharakter des § 679 BGB. Grundlage für das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag ist – wie bereits dargelegt – die innere Willensübereinstimmung zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn. Diese setzt grundsätzlich auf Seiten des Geschäftsherrn die Übereinstimmung der Geschäftsübernahme mit seinem Interesse und seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen (§ 683 S. 1 BGB) oder seine Genehmigung (§ 684 S. 2 BGB) voraus. Davon ausnahmsweise abzuweichen, ist nur in den Konstellationen des § 679 BGB gerechtfertigt. Die von dieser Norm bestimmten Ausnahmefälle lassen sich nicht verallgemeinern.
III. § 684 S. 2 BGB Die dritte Konstellation, bei deren Vorliegen eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben ist, ist die Genehmigung der Übernahme durch den Geschäftsherrn gemäß § 684 S. 2 BGB. An die Stelle der inneren Willensübereinstimmung nach § 677 BGB i.V. m. § 683 S. 1 BGB tritt hier auf Seiten des Geschäftsherrn eine explizite Willensäußerung. Diese ist folglich nur dann von Bedeutung, wenn die Geschäftsübernahme nicht ohnehin bereits dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entsprochen hat. Die Genehmigung stellt sowohl systematisch als auch praktisch einen Ausnahmetatbestand dar. Sie ist die einzige (mögliche) Voraussetzung der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der es sich um eine Willenserklärung handelt.128 Demzufolge sind die entsprechenden Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB ohne weiteres anwendbar. Danach kann die Genehmigung auch konkludent erfolgen, was praktische Bedeutung erlangt, wenn der Geschäftsherr von einer unberechtigten Geschäftsführung Kenntnis erlangt und seine Rechte geltend macht, insbesondere gemäß §§ 681 S. 2, 667 BGB das Ergebnis der Geschäftsbesorgung herausverlangt. Ferner setzt die Erklärung der Genehmigung die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn voraus; für Minderjährige gelten folglich die besonderen Regelungen der §§ 106 ff. BGB. Inhaltlich muss die Willenserklärung erkennen lassen, dass der Geschäftsherr im Nachhinein mit der Übernahme der Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsführer einverstanden ist und Kosten und Nutzen der Tätigkeit tragen will. Die Wirkung der Genehmigung lässt sich durch eine entsprechende Anwendung des § 184 S. 1 BGB bestimmen.129 So treffend Brückmann, 1903, S. 162. Vgl. Motive, Bd. 2, S. 867 f. = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 485; Soergel / Beuthien, 2000, § 684 Rn. 4; MünchKomm / Seiler, 2005, § 684 Rn. 13. 129 Eine direkte Anwendung der Norm scheidet aus, weil sich die Genehmigung des § 684 S. 2 BGB nicht auf ein Rechtsgeschäft bezieht, vgl. BGH, NJW 1989, 1672 (1673); MünchKomm / Seiler, 2005, § 684 Rn. 13. 127 128
B. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag
151
Demnach wirkt die Erklärung auf den Zeitpunkt der Geschäftsübernahme zurück und das gesetzliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist von Anfang an zustandegekommen.130 Dadurch steht die genehmigte Geschäftsführung ohne Auftrag der gemäß § 683 S. 1 BGB berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag im Ergebnis in jeder Hinsicht gleich.131
130 Soergel / Beuthien, 2000, § 684 Rn. 5; Erman / Ehmann, 2004, § 684 Rn. 4; Larenz, 1986, § 57 I a, S. 446; Palandt / Sprau, 2007, § 684 Rn. 2. 131 Ebenso etwa Staudinger / Bergmann, 2006, § 684 Rn. 19. Vgl. auch BGHZ 128, 210 (213).
5. Teil
Die Erscheinungsformen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, welche tatsächlichen Umstände erforderlich sind, um einerseits überhaupt von einer Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinn von § 677 BGB, andererseits – darüber hinaus – von einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sprechen zu können. Ersteres setzt die auftraglose Besorgung eines Geschäfts mit Fremdgeschäftsführungswillen voraus.1 Liegt zusätzlich einer der drei oben genannten Berechtigungsgründe2 vor, handelt es sich um eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. In diesem Fall entsteht zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn das gesetzliche Schuldverhältnis3 der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag.
A. Ausgangspunkt Damit besteht zwischen den Beteiligten eine schuldrechtliche Sonderverbindung, die in ihren rechtlichen Auswirkungen einem vertraglichen Rechtsverhältnis vergleichbar ist.4 Es entstehen Haupt- und Nebenpflichten (§ 241 BGB), bei schuldhaften Pflichtverletzungen des Schuldners ist der Gläubiger berechtigt, Schadensersatz zu verlangen (§ 280 BGB, ggf. i.V. m. § 278 BGB) usw. Der wesentliche Unterschied zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen liegt in ihrem Zustandekommen. Letztere entstehen bei der Erfüllung eines bestimmten gesetzlichen Tatbestands ohne weiteres, d. h. insbesondere ohne einen darauf (also auf diese Rechtsfolge) gerichteten Willen der Beteiligten. Das Schuldverhältnis findet damit seinen Rechtsgrund unmittelbar im Gesetz.5 Es lässt sich Eingehend hierzu oben der 2. und 3. Teil. Siehe oben unter 4. Teil B. 3 Bei der Verwendung dieses – heute allgemein üblichen – Begriffs wird nicht verkannt, dass auch vertragliche Schuldverhältnisse zumindest eine Anerkennung im Gesetz gefunden haben müssen. Kritisch zur Begriffsbildung vor diesem Hintergrund Gernhuber, 1989, S. 112 f. 4 Damit ist das sogenannte Schuldverhältnis im weiteren Sinn angesprochen, also die umfassende Rechtsbeziehung zwischen den Parteien, aus der regelmäßig ein „Bündel“ von Rechten und Pflichten hervorgeht. 5 So MünchKomm / Kramer, 2003, Bd. 2a, Einl. Rn. 58, 61. 1 2
A. Ausgangspunkt
153
nicht (zwingend) auf einen entsprechenden Willensentschluss zurückführen. Daher setzt die Entstehung gesetzlicher Schuldverhältnisse nicht das Vorliegen entsprechender, von einem Rechtsbindungswillen getragener, Willenserklärungen voraus.6 Es handelt sich also um beiderseits heteronom begründete Schuldverhältnisse, die beiderseitigen Pflichten entstehen ohne einen auf diese Rechtsfolgen gerichteten Willen.7 Selbst ein entgegenstehender Wille der Beteiligten ist unbeachtlich.8 Auf diese Weise bezweckt der Gesetzgeber einen gerechten Interessenausgleich in einem nicht vorab vertraglich ausgestalteten Lebensbereich.9 So sehr in Rechtsprechung und Schrifttum über die Auslegung der für die Entstehungsvoraussetzungen maßgeblichen §§ 677 und 683 BGB gestritten wird, besteht doch Einigkeit über das Zustandekommen des gesetzlichen Schuldverhältnisses als Rechtsfolge dieser Normen.10 Liegt eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor,11 besteht zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn – wie bereits geschildert – eine vertragsähnliche schuldrechtliche Rechtsbeziehung. Welche konkreten Auswirkungen dies hat, soll im Folgenden näher untersucht werden. Im Anschluss daran ist zu prüfen, ob das Vorliegen eines Berechtigungsgrunds der Geschäftsführung ohne Auftrag konstitutiv für das gesetzliche Schuldverhältnis ist oder ob auch eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn entstehen lässt.
6 Siehe statt aller Peifer, 2005, § 1 Rn. 7; Schwarz / Wandt, 2006, § 1 Rn. 2; speziell für die Geschäftsführung ohne Auftrag etwa Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 2; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 80. Der nur für vertragliche Schuldverhältnisse geltende § 311 BGB findet hier ja gerade keine Anwendung. 7 Gernhuber, 1989, S. 113, der daher die heteronom den autonom begründeten Schuldverhältnissen gegenüberstellt. Siehe ferner Staudinger / J. Schmidt, 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 407 ff., der rechtsgeschäftliches und nicht-rechtsgeschäftliches Handeln bei der Tatbestandserfüllung unterscheidet. 8 Damit ist nur der Wille angesprochen, dass das gesetzliche Schuldverhältnis mit den gesetzlich festgelegten Rechtsfolgen entsteht. Davon zu unterscheiden sind die geschilderten subjektiven Tatbestandserfordernisse, die einen natürlichen Willen der Beteiligten voraussetzen. 9 Vgl. Peifer, 2005, § 1 Rn 13. 10 BGHZ 63, 167 (168 f.); BGH, LM Nr. 2 zu § 683 BGB; Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 3; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 1; Gursky, 2002, S. 168; Henssler, JuS 1991, 924 (925); Larenz, 1986, § 57 I b), S. 446; Melullis, 1971, S. 59 f.; Schwarz / Wandt, 2006, § 5 Rn. 2; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 80; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 1 f. 11 Was ja durchaus unterschiedlich beurteilt wird, zu den Voraussetzungen oben unter 2. Teil A. und unter 4. Teil B.
154 5. Teil: Die Erscheinungsformen des gesetzl. Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
B. Das gesetzliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag So wie eine allgemeine gesetzliche Regelung für die Entstehung gesetzlicher Schuldverhältnisse fehlt, so sind auch ihre generellen Rechtsfolgen nicht normiert. Es kommt insoweit folglich auf die Eigenart der im Einzelfall entstehenden Rechtsbeziehung an. Sind die speziellen, gesetzlich festgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, treten jeweils die speziellen, gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen ein. Gemeinsam sind den gesetzlichen Schuldverhältnissen also nur die – oben bereits angesprochenen – Auswirkungen des Bestehens einer schuldrechtlichen Sonderverbindung (etwa die Anwendbarkeit der §§ 241, 278, 280 BGB). Daher sind die Rechtsfolgen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag den §§ 677 ff. BGB zu entnehmen.12 Die gesetzliche Regelung legt zunächst die Pflichten des Geschäftsführers fest. Gemäß § 677, 2. Hs. BGB hat er das übernommene Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert. Ehe der Geschäftsführer mit der derart determinierten Ausführung des Geschäfts beginnen kann, trifft ihn jedoch in der Regel die Anzeigepflicht des § 681 S. 1 BGB. Danach ist bereits die Übernahme der Geschäftsführung dem Geschäftsherrn anzuzeigen, sobald dies tunlich ist. Ist dies geschehen, hat der Geschäftsführer zunächst die Entschließung des Geschäftsherrn abzuwarten, wenn dadurch der Erfolg der Geschäftsbesorgung nicht gefährdet wird. Durch die Verweisung des § 681 S. 2 BGB auf die §§ 666 bis 668 BGB werden dem Geschäftsführer schließlich die entsprechenden Pflichten eines Beauftragten auferlegt. Demnach ist der Geschäftsführer verpflichtet, dem Geschäftsherrn alle erforderlichen Mitteilungen zu machen, auf Verlangen Auskunft über den Stand des Geschäfts zu erteilen und nach Abschluss der Geschäftsbesorgung Rechenschaft abzulegen (§ 666 BGB). Hat der Geschäftsführer für die Ausführung des Geschäfts etwas erhalten oder durch die Geschäftsbesorgung etwas erlangt, ist er verpflichtet, dies dem Geschäftsherrn vollständig herauszugeben (§ 667 BGB); dabei hat er Geldforderungen unter den Voraussetzungen des § 668 BGB zu verzinsen. Auf der anderen Seite ist der Geschäftsherr gemäß § 683 S. 1 BGB verpflichtet, dem Geschäftsführer nach Maßgabe des § 670 BGB Ersatz seiner Aufwendungen für die Ausführung des Geschäfts zu gewähren. Damit ist evident, dass die in den §§ 677 ff. BGB normierten Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag nahezu identisch mit denen des Auftrags sind. Alle Abweichungen sind allein darauf zurückzuführen, dass der unbeauftragte Geschäftsführer aus eigenem Antrieb ein Geschäft für den Geschäftsherrn übernimmt, ohne von diesem dazu legitimiert zu sein. Dieses Fehlen einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten, das für das 12 Dabei genügt für den hier verfolgten Zweck der Illustration des gesetzlichen Schuldverhältnisses die folgende, lediglich überblicksartige Darstellung.
B. Das gesetzliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag 155
gesetzliche Schuldverhältnis prägende Bedeutung hat, erklärt die dem Schutz des Geschäftsherrn dienenden Regelungen, etwa die Anzeige- und Abwartepflicht des § 681 S. 1 BGB oder die Anforderungen des § 677, 2. Hs. BGB. Weitere Folgen des Bestehens des gesetzlichen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag lassen sich aus der Gesamtschau der gesetzlichen Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts, dem übergeordneten Sinn und Zweck der einzelnen Vorschriften sowie aus dem Systemzusammenhang mit anderen gesetzlichen Schuldverhältnissen ermitteln. So lässt die gesetzliche Regelung erkennen, dass das Handeln eines auftraglosen Geschäftsführers bei Vorliegen eines Berechtigungsgrunds erwünscht ist.13 Sein hilfreiches Eingreifen, häufig aus altruistischen Motiven, soll honoriert werden. Deshalb gibt ihm das Gesetz mit dem weitreichenden Aufwendungsersatzanspruch einen Anreiz zum Tätigwerden. Es behandelt die Beteiligten im Wesentlichen wie die Vertragspartner eines Auftrags. Das fehlende vertragliche Schuldverhältnis wird durch ein damit inhaltlich weitgehend übereinstimmendes gesetzliches Schuldverhältnis ersetzt. Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag findet damit die Anerkennung der Rechtsordnung.14 Daraus lässt sich eine weitergehende Rechtswirkung des gesetzlichen Schuldverhältnisses ableiten, die Wittmann treffend als die „Legitimierungsfunktion“ der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bezeichnet hat.15 Wie ein schuldrechtlicher Vertrag (etwa ein Auftrag) bildet das gesetzliche Schuldverhältnis einen Rechtsgrund im Sinn des § 812 BGB.16 Alle Vermögensverschiebungen bei der Ausführung des Geschäfts sind daher kondiktionsfest. Auch ein konkurrierendes deliktisches Schuldverhältnis scheidet hinsichtlich der zur Geschäftsbesorgung erforderlichen Handlungen aus. Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag stellt insoweit einen Rechtfertigungsgrund dar.17 Der Geschäftsführer handelt 13 Vgl. nur Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 2 f.; Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 1; Larenz, 1986, § 57, S. 436 f. 14 Dagegen wird die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als unerwünschte Einmischung in fremde Angelegenheiten angesehen, die möglichst verhindert werden soll. Siehe unten unter II. 2. a). 15 Siehe Wittmann, 1981, S. 139 ff. und (zusammengefasst) Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 8 f. 16 BGHZ 155, 342 (350 f.); BGH, NJW 1969, 1205 (1207); BGH, NJW 1993, 3196; BGH, WM 1996, 2159 (2162); Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 8; Esser / Weyers, 2000, § 46 II 4 a), S. 20; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1270; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 4; Kropholler, 2006, Vor § 677 Rn. 8; Staudinger / W. Lorenz, 1999, Vorbem zu §§ 812 ff. Rn. 45; Jauernig / Mansel, 2004, Vor § 677 Rn. 4; Melullis, 1971, S. 100 mit Fußn. 2; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 10; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 82; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 8. 17 Esser / Weyers, 2000, § 46 II 4 a), S. 20; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1270; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 4; Isele, 1935, S. 172; Kropholler, 2006, Vor § 677 Rn. 7; Larenz, 1986, § 57 I b), S. 448; Lent, 1909, S. 181 ff.; Jauernig / Mansel, 2004, Vor § 677 Rn. 4; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 11; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 82; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 8; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (104 ff.); a.A. MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 17; Wollschläger, 1976, S. 275.
156 5. Teil: Die Erscheinungsformen des gesetzl. Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
hier nicht widerrechtlich, sondern rechtmäßig. Seine Legitimationsgrundlage ist das gesetzliche Schuldverhältnis, das ihn demjenigen gleichstellt, der einen Vertrag erfüllt.18 Gleiches gilt im Hinblick auf das Strafrecht, wenn der Geschäftsführer etwa vorsätzlich eine Sache des Geschäftsherrn beschädigt, um seine Tätigkeit ausführen zu können.19 Schließlich ergibt sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ein Recht zum Besitz im Sinn von § 986 BGB.20 Setzt die Geschäftsbesorgung die Inbesitznahme einer Sache des Geschäftsherrn voraus, so ist auch dies dem Geschäftsführer gestattet, wie wenn hierüber eine vertragliche Abrede getroffen worden wäre. Auch hinsichtlich ihrer Legitimationswirkung stellt sich die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag somit als ein auftragsähnliches Schuldverhältnis dar. Sie tritt an die Stelle des andernfalls u.U. geschlossenen Schuldvertrags.
C. Das gesetzliche Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag Ob das Vorliegen eines Berechtigungsgrunds für die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses erforderlich ist, ist im Schrifttum heftig umstritten. Diese Kontroverse soll zunächst dargestellt werden; im Anschluss daran ist eine kritische Würdigung der Diskussion nötig.
I. Meinungsstand 1. Teilweise geht man davon aus, das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag entstehe schon, wenn nur der Tatbestand des § 677 BGB erfüllt ist.21 Durch jede (echte) Geschäftsführung ohne Auftrag werde die entsprechende Sonderbeziehung zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn begründet. Die Gegenansicht vertrete ein Leitbild der „berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag“, das dem BGB fremd sei.22 Grundtatbestand der §§ 677 ff. BGB sei, wie sich schon an der Systematik des Gesetzes zeige, ausschließlich die auftraglose Fremdgeschäftsführung. Auf diese Weise wird eine VerSo präzise etwa auch Batsch, AcP 171 (1971), 218 (223 ff.); Lent, 1938, S. 24 ff. Lent, 1938, S. 24; Medicus, 2004, Rn. 422; Schroth, JuS 1992, 476 ff.; Tiedemann, JuS 1970, 108 (109); Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 8; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (105). 20 Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 10; Kropholler, 2006, Vor § 677 Rn. 6; MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 18; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 12; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 8. 21 So etwa Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 95 ff.; Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 3; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 1; Hader, 2006, S. 54 ff.; Klatt, 2001, S. 30, 51 ff.; Pesch, Jura 1995, 361 (363); Schwarz / Wandt, 2006, § 5 Rn. 4 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 7 ff.; Wollschläger, 1976, S. 45 ff., 52 ff. 22 MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 12. 18 19
C. Das gesetzl. Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag 157
einheitlichung der Rechtsfolgen von unberechtigter und berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag angestrebt.23 2. Nach überwiegender Ansicht kommt das gesetzliche Schuldverhältnis dagegen nur zustande, wenn der Geschäftsführungstatbestand des § 677 BGB und ein Berechtigungsgrund gemäß § 683 S. 1 BGB, § 683 S. 2 BGB i.V. m. § 679 BGB oder § 684 S. 2 BGB zusammentreffen.24 Die Entstehung einer auftragsähnlichen Rechtsbeziehung zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn sei nur gerechtfertigt, wenn die Geschäftsübernahme dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entspreche. Liege dagegen eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor, sei die Anwendung der Rechtsfolgen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht sachgerecht. So habe der Geschäftsführer in diesem Fall das Geschäft nicht nach den Maßstäben des § 677, 2. Hs. BGB zu führen, sondern die Geschäftsbesorgung gänzlich zu unterlassen.25
II. Würdigung und Entwicklung einer eigenen Lösung Keine der genannten Meinungen vermag vollständig zu überzeugen, da die Diskussion im Schrifttum um den falschen Ansatzpunkt kreist. Die Frage nach den Voraussetzungen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag lässt sich in dieser Form nicht beantworten. Es ist vielmehr von vornherein zwischen der Beurteilung der berechtigten und der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu unterscheiden.
1. Die Abgrenzung von der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag Der herrschenden Lehre ist insoweit zu folgen, als die berechtigte und die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ganz unterschiedliche Lebenssach23 Beuthien, Festschrift für Söllner, 2000, S. 125 ff.; Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 3, § 681 Rn. 1; Lent, 1909, S. 50 f.; MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 12, § 677 Rn. 50, § 681 Rn. 2 ff. 24 Batsch, AcP 171 (1971), 218 (218, 221 f., 225, 226 f., 230); Däubler, 2003, Kap. 24 Rn. 39 ff.; Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 6 ff., § 683 Rn. 1; Esser / Weyers, 2000, § 46 I 2, S. 4 ff.; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1260; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (42 ff.); ders., 2002, S. 170; Henssler, JuS 1991, 924 (927); Isele, 1935, S. 170 ff.; Jakobs, 1964, S. 94 f. mit Fußn. 114; Larenz, 1986, § 57 II a), S. 451; Lent, 1938, S. 7 f.; Jauernig / Mansel, 2004, Vor § 677 Rn. 4 f.; Martinek / Theobald, JuS 1997, 612 (617); Melullis, 1971, S. 61 ff.; Reuter / Martinek, 1983, § 21 II 2, S. 710 ff.; Schwerdtner, Jura 1982, 593; RGRK / Steffen, 1978, Vor § 677 Rn. 1, 3, 80; Wittmann, 1981, S. 123 ff., 131 ff.; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 1 ff. 25 Esser / Weyers, 2000, § 46 III 2 a), S. 24; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1260; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (43); Larenz, 1986, § 57 II a), S. 451; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 5; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 2.
158 5. Teil: Die Erscheinungsformen des gesetzl. Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
verhalte betreffen. Im ersten Fall ist die Übernahme des Geschäfts durch einen unbeauftragten Geschäftsführer dem Geschäftsherrn willkommen; im zweiten Fall erscheint sie ihm als eine unerwünschte Einmischung in seine eigenen Angelegenheiten. Es ist nicht vorstellbar, dass für beide Konstellationen die gleichen Rechtsfolgen angemessen sein könnten. Im Gegenteil: Die Abgrenzung dieser Sachverhalte und die Festlegung unterschiedlicher Rechtsfolgen zählen zu den Hauptaufgaben der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.26 Nur auf diese Weise ist es dem Gesetzgeber möglich, auf der einen Seite die dem Geschäftsherrn nützliche und erwünschte Hilfeleistung zu fördern und auf der anderen Seite das aufdringliche und bevormundende Eingreifen in fremde Interessen abzuwehren. Verdeutlicht man sich die dargestellten Auswirkungen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, wird offensichtlich, dass diese nur bei Vorliegen eines Berechtigungsgrunds eintreten können.27 Auch die Vertreter der zuerst genannten Ansicht gehen nicht davon aus, dass auch eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag die erörterte Legitimationswirkung (etwa im Hinblick auf §§ 812, 823, 986 BGB) entfaltet oder dem Geschäftsführer einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gibt.28 Diese Rechtsfolgen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag beruhen gerade auf der Ähnlichkeit der hier gegebenen Sachlage mit derjenigen, in der die Beteiligten einen Auftrag geschlossen haben. Sie finden ihre sachliche Rechtfertigung in dem Vorliegen der inneren Willensübereinstimmung von Geschäftsführer und Geschäftsherrn.29 Gerade hieran fehlt es jedoch bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Daher verbietet sich jede Gleichstellung mit der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Es ist daher nicht verwunderlich, sondern nur konsequent, dass bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag kein auftragsähnliches Rechtsverhältnis zustandekommt. Dieses Ergebnis wird durch das Gesamtbild der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, das eine eindeutige Charakterisierung dieses Rechtsinstituts erlaubt, gestützt. Die Ausführung einer unberechtigt übernommenen Geschäftsführung ohne Auftrag ist rechtswidrig.30 Der Geschäftsführer ist zum Unterlassen 26 Siehe etwa Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 2; Larenz, 1986, § 57, S. 436 f.; Medicus, 2004, Rn. 421; Oppermann, AcP 193 (1993), 497 (500 ff.); Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 3. 27 Ebenso ausdrücklich etwa Esser / Weyers, 2000, § 46 II 2, S. 23 f.; Stamm, 2000, S. 166. 28 Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 8 ff. und Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 4 ordnen diese Rechtsfolgen ausschließlich der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu, ohne dass sie offenbar aus dem (einheitlichen!) gesetzlichen Schuldverhältnis resultieren sollen. Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 99 und MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 12 ff. und 15 ff. bestreiten die Legitimationswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag (insofern konsequenter) generell. 29 Siehe etwa Reichard, AcP 193 (1993), 567 (584) und schon oben unter 2. Teil B. IV. 3. 30 Erman / Ehmann, 2004, Vor § 677 Rn. 8; Henssler, JuS 1991, 924 (927); Lent, 1938, S. 24; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 5.
C. Das gesetzl. Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag 159
der von ihm geplanten Tätigkeiten verpflichtet.31 Nimmt er dennoch vermögensrelevante Handlungen vor, werden diese rückabgewickelt.32 Trifft den Geschäftsführer ein Verschulden, haftet er deliktsrechtlich auf Schadensersatz.33 Im Gegensatz zur berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag fehlt es hier also an einer Anerkennung der Tätigkeit des Geschäftsführers durch die Rechtsordnung. Intention der gesetzlichen Regelung ist nicht die Förderung, sondern die Verhinderung unberechtigter Geschäftsbesorgungen. Die Aussage, „auch“ die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag begründe „das“ gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB, vermag daher nicht zu überzeugen. Das auftragsähnliche gesetzliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag mit seinen oben erläuterten Auswirkungen ist ausschließlich auf Fälle beschränkt, in denen ein Berechtigungsgrund nach §§ 683 f. BGB gegeben ist.
2. Die Sonderverbindung zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag Auf der anderen Seite ist aber nicht zu übersehen, dass auch bei einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag eine besondere Verbindung zwischen den Beteiligten besteht. Nachdem der unbeauftragte Geschäftsführer ein Geschäft für den Geschäftsherrn übernommen hat, stehen sich beide nicht mehr wie beziehungslose „Fremde“ gegenüber, auch wenn die Übernahme dem Interesse oder dem Willen des Geschäftsherrn widerspricht.34 Vor allem, wenn der Geschäftsführer bereits mit der Ausführung begonnen hat, besteht ein erhöhter Bedarf an einer gesetzlichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehung, um den Interessen der Beteiligten gerecht zu werden. Dies hat der Gesetzgeber erkannt und die Vorschriften über die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag geschaffen. Dabei handelt es sich um einen typischen Fall des Interessenausgleichs in einem vertraglich nicht vorstrukturierten Lebensbereich.35 Statt der nicht gerechtfertigten Gleichsetzung mit der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist daher ein eigenständiges gesetzliches Schuldverhältnis 31 Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 3; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 7. 32 Zu den einzelnen Rechtsfolgen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sogleich unter 2. und 3. 33 So schon Motive, Bd. 2, S. 867 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 484. 34 Kritisch gegenüber der Annahme, bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bestehe gar kein Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten, auch Klatt, 2001, S. 54 ff.; MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 12. 35 Zur Beschreibung des Wesens gesetzlicher Schuldverhältnisse oben unter A.
160 5. Teil: Die Erscheinungsformen des gesetzl. Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag anzuerkennen.36 Seine Rechtsfolgen sind unabhängig von den Folgen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu bestimmen. Es ist bereits dargelegt worden, dass es sich nicht um ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis handelt. Eine nähere Einordnung setzt eine Analyse der sich aus den §§ 677 ff. BGB sowie den allgemeinen Vorschriften ergebenden Rechtslage im Fall einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag voraus.
3. Die Rechtsfolgen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag Die Rechtsfolgen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sind nicht vollständig und im Zusammenhang im Gesetz geregelt. a) An erster Stelle steht für diesen Fall die Verpflichtung des Geschäftsführers zum Schadensersatz gemäß § 678 BGB, wenn er den Widerspruch der Geschäftsübernahme zum wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn erkennen musste. Liegt ein solches Übernahmeverschulden vor (wofür, wenn es sich nicht um einen Fall des § 680 BGB handelt, leichte Fahrlässigkeit genügt), haftet der Geschäftsführer ohne weiteres für alle adäquat kausal auf der Geschäftsbesorgung beruhenden Schäden. Daneben stehen dem Geschäftsherrn – bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen – Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, unerlaubter Handlung oder aus einem eventuellen Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zu. b) Auf der anderen Seite ist der Geschäftsherr, der keinen Aufwendungsersatz für die Tätigkeit des Geschäftsführers schuldet, verpflichtet, alles, was er durch die Geschäftsführung erlangt hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben (§ 684 S. 1 BGB). Eventuelle Vermögensvorteile, die ihm durch die unberechtigte Geschäftsbesorgung bereits zugewachsen sind, sollen ihm also nicht verbleiben. c) Die bislang angesprochenen Rechtsfolgen gelten ausschließlich für die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Hier gehört das Fehlen eines Berechtigungsgrunds gerade zu den tatbestandlichen Voraussetzungen. Problematisch ist, welche der übrigen Vorschriften der §§ 677 ff. BGB (auch) auf die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar sind. Dies ist wegen der fehlenden sprachlichen und systematischen Trennung von berechtigter und unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag in den §§ 677 ff. BGB dem Gesetz nicht eindeutig zu entnehmen. 36 Angedeutet wird eine solche Lösung auch bei Stamm, 2000, S. 166. Vgl. ferner Schwarz / Wandt, 2006, § 5 Rn. 4 („nicht ganz so auftragsähnlich ausgestaltet“), ausdrücklich anders dann aber Rn. 5.
C. Das gesetzl. Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag 161
aa) Manche Regelungen unterscheiden nicht zwischen berechtigter und unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag, passen aber nach ihrem Sinn und Zweck auf beide gesetzliche Schuldverhältnisse. Dazu gehören unstreitig die Haftungsprivilegierung bei Geschäftsführungen zur Gefahrenabwehr gemäß § 680 BGB, der Schutz des nur beschränkt oder nicht geschäftsfähigen Geschäftsführers gemäß § 682 BGB, der Anspruchsausschluss bei Geschäftsbesorgungen in Schenkungsabsicht gemäß § 685 BGB sowie die Bestimmung der Person des Geschäftsherrn in Irrtumsfällen gemäß § 686 BGB.37 bb) Bislang ungeklärt ist dagegen die Geltung der Pflichten des Geschäftsführers aus §§ 677, 2. Hs., 681 S. 1, 681 S. 2 BGB i.V.m. §§ 666 – 668 BGB für den Fall der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Hier unterscheiden sich die oben vorgestellten Ansichten über die Reichweite des gesetzlichen Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB auch im Ergebnis der praktischen Rechtsanwendung. Den Vertretern eines einheitlichen Schuldverhältnisses geht es ja gerade darum, den Geschäftsführer bei einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag den gleichen Pflichten zu unterwerfen wie bei einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag.38 Auf diese Weise soll eine „Besserstellung“ des unberechtigt Handelnden vermieden werden.39 Zudem lasse der Wortlaut der genannten Normen keine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag erkennen.40 Von der hier vertretenen Konzeption ausgehend ist für jede der Regelungen der §§ 677, 2. Hs., 681 S. 1, 681 S. 2 BGB i.V. m. §§ 666 – 668 BGB gesondert zu prüfen, ob sie auch auf das gesetzliche Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung finden kann. (1) Die Vorschrift des § 677, 2. Hs. BGB stellt Sorgfaltsanforderungen für die Tätigkeit des Geschäftsführers auf. Dieser soll sich bei der Ausführung des Geschäfts vom Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen leiten lassen. Das ist bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sinnvoll, bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag wird es dem Geschäftsführer dagegen kaum möglich sein. Widerspricht schon die Übernahme des Geschäfts dem Interesse oder dem Willen des Geschäftsherrn, möchte dieser nicht, dass der Geschäftsführer das Geschäft in einer bestimmten Weise besorgt, sondern dass er es gar nicht besorgt.41 Dem entspricht die objektive Rechts37 Vgl. Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 3; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1260, 1280; Larenz, 1986, § 57 II a), S. 452; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 5; Staudinger / Wittmann, 1995, § 680 Rn. 2, § 682 Rn. 3, § 685 Rn. 1, § 686 Rn. 4. 38 Beuthien, Festschrift für Söllner, 2000, S. 125 ff.; Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 3, § 681 Rn. 1; MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 12, § 677 Rn. 50, § 681 Rn. 2 ff. 39 Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 98; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 7; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 5. 40 Beuthien, Festschrift für Söllner, 2000, S. 125 (126 f.); MünchKomm / Seiler, 2005, Vor § 677 Rn. 12. 41 So auch Reuter / Martinek, 1983, § 21 II 2, S. 711.
162 5. Teil: Die Erscheinungsformen des gesetzl. Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
lage: Der unberechtigte Geschäftsführer ist nicht dazu verpflichtet, das Geschäft sorgfältig zu führen, sondern die rechtswidrigen Ausführungshandlungen vollständig zu unterlassen.42 Deshalb kommt auch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB wegen der Verletzung des § 677, 2. Hs. BGB nicht in Betracht. Vorzuwerfen ist dem Handelnden keine Sorgfaltspflichtverletzung, sondern die Ausführung des Geschäfts überhaupt (falls er die Unrechtmäßigkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag erkennen musste).43 Dies ist spezialgesetzlich in § 678 BGB geregelt, für § 280 BGB bleibt insoweit kein Raum. Ein darüber hinaus gehender Schutz des Geschäftsherrn ist auch nicht erforderlich. Will er die Rechtsfolgen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag herbeiführen, kann er die Geschäftsbesorgung jederzeit nach § 684 S. 2 BGB genehmigen.44 Andernfalls ist er auf Bereicherungsansprüche angewiesen. Damit entspricht die Abwicklung des nicht entstandenen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag der Abwicklung eines bereits ausgeführten, aber unwirksamen Vertrags.45 Dieses Ergebnis ist wegen der Vergleichbarkeit dieser Lebenssachverhalte überzeugend. (2) Anders ist die Situation im Hinblick auf die Anzeigepflicht des § 681 S. 1 BGB. Sie dient dazu, dem Geschäftsherrn möglichst frühzeitig Kenntnis von der Übernahme des Geschäfts und dem Geschäftsführer möglichst frühzeitig Klarheit über die Einstellung des Geschäftsherrn zu der unbeauftragten Geschäftsbesorgung zu verschaffen. Auf diese Weise lässt sich in vielen Fällen aufklären, ob eine berechtigte oder eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt. Dies ist in jedem Fall sinnvoll. Handelt es sich um eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, wird die weitere Ausführung des Geschäfts frühzeitig verhindert. Dies liegt im Interesse beider Parteien: Aus Sicht des Geschäftsherrn ist es vorteilhaft, den unerwünschten Eingriff in die privatautonome Gestaltung seiner eigenen Angelegenheiten möglichst schnell zu beenden. Der Geschäftsführer läuft so nicht Gefahr, weiterhin Leistungen zu erbringen, deren Wert er später nur mittels des Anspruchs aus § 684 S. 1 BGB herausverlangen kann, der mit den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts behaftet ist. Folglich besteht die Anzeigepflicht gemäß § 681 S. 1 BGB auch im gesetzlichen Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag.46 42 Esser / Weyers, 2000, § 46 III 2 a), S. 24; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1260; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (43); Larenz, 1986, § 57 II a), S. 451; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 2. Vgl. auch BGHZ 128, 210 (213). 43 Vgl. auch Wittmann, 1981, S. 123 ff. 44 Esser / Weyers, 2000, § 46 I 2 a), S. 5; Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1260; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (43); Staudinger / Wittmann, 1995, § 681 Rn. 2. 45 Siehe zu diesem Vergleich schon oben unter 2. sowie Stamm, 2000, S. 166. 46 Im Ergebnis ebenso Larenz, 1986, § 57, S. 437. Entgegen Wittmann, 1981, S. 132, ist die vorherige Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag also nicht notwendig, um die Anzeigepflicht zu begründen. Zwar setzt § 681 S. 1 BGB in der Tat eine bereits übernommene Geschäftsführung voraus; dies sagt aber nichts über das Erfordernis eines Berechtigungsgrunds aus.
C. Das gesetzl. Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag 163
(3) Dieses Ergebnis lässt sich jedoch wiederum nicht auf die Pflichten des Geschäftsführers aus § 681 S. 2 BGB übertragen.47 Durch die dort geregelte Verweisung wird der unbeauftragte Geschäftsführer einem Beauftragten partiell gleichgestellt. Dies lässt sich nur mit der auftragsähnlichen Ausgestaltung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag begründen. Darüber hinaus gilt auch hier, dass der Geschäftsherr durch die Genehmigungsmöglichkeit des § 684 S. 2 BGB hinreichend geschützt ist. Verweigert der Geschäftsherr die Genehmigung, kann er nicht trotzdem die Herausgabe des durch die Geschäftsbesorgung Erlangten gemäß § 681 S. 2 BGB i.V.m. § 667 BGB verlangen.48 Andernfalls verlöre die Genehmigungsmöglichkeit ihren Sinn.49 Gegen dieses Ergebnis lässt sich nicht einwenden, es führe zu einer „Besserstellung“ des unberechtigt Handelnden.50 Denn für eine solche Einschätzung dürfen nicht einzelne Rechtsfolgen herausgegriffen und verglichen werden. Sinnvoll ist nur ein Gesamtvergleich beider gesetzlicher Schuldverhältnisse. Beschränkt man den Blick nicht auf die bloße Anwendung des § 677, 2. Hs. BGB oder des § 681 S. 2 BGB, ist evident, dass der Geschäftsführer bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag wesentlich besser gestellt ist als bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. 4. Fazit Wie zu erwarten war, lassen sich also nicht alle für die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag geltenden Vorschriften auf die völlig andere Lebenssituation der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag übertragen. Das gesetzliche Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag kennt keine Pflichten des Handelnden aus § 677, 2. Hs. BGB und aus § 681 S. 2 BGB.51 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Gesetz sowohl im Hinblick auf das Schicksal der Leistung des Handelnden als auch bezüglich der „Gegenleistung“ hier diametral entgegengesetzte Ergebnisse vorsieht. Bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag stehen die Früchte der Geschäftsbesorgung dem Anders ohne Begründung BGH, NJW 1984, 1461 (1462). Dieses Ergebnis hielt die 2. Kommission für selbstverständlich, während die vorzugswürdige Regelung hinsichtlich der Rechenschaftsklage des Geschäftsherrn umstritten war, siehe Protokolle, Bd. 2, S. 728 = Mugdan, 1899, Bd. 2, S. 1194. 49 Ebenso etwa Fikentscher / Heinemann, 2006, Rn. 1260; Staudinger / Wittmann, 1995, § 681 Rn. 2; a.A. Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 98; Beuthien, Festschrift für Söllner, 2000, S. 125 (130). 50 So aber Staudinger / Bergmann, 2006, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 98; Bamberger / Roth / Gehrlein, 2003, § 677 Rn. 7; Palandt / Sprau, 2007, Einf v § 677 Rn. 5. 51 In diesem Ergebnis übereinstimmend Esser / Weyers, 2000, § 46 III 2 a), S. 24; Fikentscher, 1997, Rn. 943; Gursky, AcP 185 (1985), 13 (42 f.); ders., 2002, S. 170; Henssler, JuS 1991, 924 (927); Larenz, 1986, § 57 II a), S. 451 f.; Martinek / Theobald, JuS 1997, 612 (618 f.); Medicus, 2004, Rn. 432; Wittmann, 1981, S. 131 ff.; Staudinger / Wittmann, 1995, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 2 f., § 677 Rn. 2, § 681 Rn. 2. 47 48
164 5. Teil: Die Erscheinungsformen des gesetzl. Schuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB
Geschäftsherrn zu, ggf. kann dieser vom Geschäftsführer deren Herausgabe verlangen. Hat der Geschäftsherr durch eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag etwas erlangt, ist er dagegen zur Herausgabe verpflichtet. Dafür schuldet er keinen Aufwendungsersatz für die ihm unerwünschte Tätigkeit, und er hat u. U. einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer. Demnach unterscheiden sich die Rechtsfolgen von berechtigter und unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag in gleicher Weise wie die Folgen der Ausführung wirksamer und unwirksamer Schuldverträge.52 Das gesetzliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag führt dazu, dass Vermögensverschiebungen Bestand haben. Es bildet daher wie ein Schuldvertrag einen Rechtsgrund im bereicherungsrechtlichen Sinn. Das gesetzliche Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist dagegen auf Rückabwicklung und Schadensausgleich ausgerichtet. An einem die Tätigkeit legitimierenden Rechtsverhältnis fehlt es hier. Dies erscheint vor dem Hintergrund der bei einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag fehlenden Willensübereinstimmung der Beteiligten auch sachgerecht. Schon der kurze Überblick über die wichtigsten Folgen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zeigt, dass es sich bei ihr – im Gegensatz zur berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag – nicht um ein auftragsähnliches Schuldverhältnis handelt.53 Der Vergleich beider Rechtsverhältnisse macht die Unterschiede in der gesetzgeberischen Konzeption evident. Während die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag dem Auftragsverhältnis fast vollständig nachgebildet ist, weicht die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag in ihren wichtigsten Rechtsfolgen von den Regelungen der §§ 662 ff. BGB ab. In Anbetracht der geschilderten Rechtsfolgen erscheint es naheliegend, die Gemeinsamkeiten der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zum Bereicherungsrecht und (wenn ein Übernahmeverschulden zu bejahen ist) zum Deliktsrecht hervorzuheben. Das gesetzliche Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag lässt sich damit als bereicherungsähnlich und ggf. als deliktsähnlich charakterisieren.
So schon Stamm, 2000, S. 166. Anders ausdrücklich Beuthien, Festschrift für Söllner, 2000, S. 125 ff. sowie Soergel / Beuthien, 2000, Vor § 677 Rn. 3. Zu den Gründen, die gegen die Annahme eines einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag sprechen, schon oben unter 1. 52 53
6. Teil
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick I. Die Dogmatik des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag ist bislang nicht hinreichend geklärt. Die allgemeine Aufgabe dieses Rechtsinstituts in der Rechtsordnung ist, ebenso wie sein übergeordneter Sinn und Zweck, heftig umstritten. Mitunter wird die Geschäftsführung ohne Auftrag als Teil der allgemeinen Ausgleichsordnung des BGB begriffen; andere erkennen nur die Förderung altruistischer Menschenhilfe als legitimes Ziel der §§ 677 ff. BGB an. Mit dem jeweiligen Grundverständnis korrespondieren die Ansichten über die Reichweite des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag. Während auf der einen Seite ein weiter Auffangtatbestand favorisiert wird, der häufig neben anderen Ausgleichsschuldverhältnissen eingreift, sehen andere in der Geschäftsführung ohne Auftrag eine eng begrenzte Spezialregelung, deren Anwendungsfälle in der Rechtspraxis eher selten sind. Diese grundsätzliche Unklarheit führt zu großer Unsicherheit im Umgang mit den §§ 677 ff. BGB. Davon sind in gleicher Weise Rechtsprechung und Rechtswissenschaft betroffen. II. Der Anwendungsbereich der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag hängt maßgeblich von der Auslegung des § 677 BGB auf der einen Seite und des § 683 BGB auf der anderen Seite ab. Für das richtige Verständnis dieser Normen ist es entscheidend, ihren engen Zusammenhang zu erkennen: Das Gesetz stellt zunächst auf die Perspektive des Geschäftsführers ab. Zu prüfen ist, ob dieser ein „Geschäft“ „für einen anderen“ besorgt, ohne dazu „von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“ (§ 677 BGB). Erst wenn dieser Grundtatbestand einer fremdnützigen Geschäftsbesorgung vorliegt, fragt das Gesetz nach der Sicht des Geschäftsherrn. Seine Einschätzung der Tätigkeit des Handelnden entscheidet nach Maßgabe der §§ 683 f. BGB über die Berechtigung der auftraglosen Geschäftsführung. III. Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 677 BGB hängt maßgeblich von einem subjektiven Kriterium ab. Ein Geschäft wird „für einen anderen“ besorgt, wenn der Geschäftsführer bei der Übernahme mit Fremdgeschäftsführungswillen für einen Geschäftsherrn tätig wird. Dem Wortlaut der Norm lässt sich dies nicht eindeutig entnehmen. Die Entstehungsgeschichte des § 677 BGB spricht aber deutlich für eine subjektive Auslegung. Eine Analyse des systematischen Zusammenhangs der Vorschrift zeigt vor allem die Wesensverschiedenheit
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6. Teil: Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
der fremdnützigen Geschäftsbesorgung von der in § 687 BGB geregelten Eigengeschäftsführung, die sich nur durch die innere Einstellung des Handelnden unterscheiden. Eine das gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB prägende Ähnlichkeit besteht dagegen mit dem Auftragsverhältnis der §§ 662 ff. BGB. An die Stelle des Vertragsschlusses tritt bei der Geschäftsführung ohne Auftrag die innere Willensübereinstimmung des Geschäftsführers, der für einen anderen tätig werden will, und des Geschäftsherrn, der damit einverstanden ist. Liegt eine solche Willensübereinstimmung vor, gebieten auch Sinn und Zweck der §§ 677 ff. BGB die Honorierung der fremdnützigen Geschäftsbesorgung durch die Gewährung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach § 670 BGB. Das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens wird auch durch den Charakter der Geschäftsführung ohne Auftrag als fremdnütziges Schuldverhältnis gestützt, der in einer ausgeprägten Pflichtenstellung des Geschäftsführers und seiner Unterordnung unter die Herrschaft des Geschäftsherrn über die Durchführung der Geschäftsbesorgung zum Ausdruck kommt. Dagegen hat sich gezeigt, dass die äußerliche Einordnung des Geschäfts – soweit sie überhaupt möglich ist – keine Bedeutung für den Tatbestand hat. IV. Der für den Tatbestand des § 677 BGB maßgebliche Fremdgeschäftsführungswille liegt vor, wenn der Handelnde das Geschäft bewusst und gewollt für einen anderen vornimmt. Der Erfolg der Geschäftstätigkeit soll dann also plangemäß nicht dem Handelnden selbst, sondern einer anderen Person zugutekommen. Ihr zu nützen, ist der Zweck der Handlung. Daher muss der Geschäftsführer auch davon ausgehen, dass die Übernahme der Geschäftsbesorgung dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht. Zudem darf er sich nicht zu der Geschäftsführung verpflichtet fühlen. Ein Fremdgeschäftsführungswille ist nicht denkbar, wenn der Handelnde mit der Geschäftsübernahme („auch“) eigene Interessen verfolgt. Daher scheidet Geschäftsführung ohne Auftrag in Fällen aus, in denen der „Geschäftsführer“ eine ihm (vermeintlich) obliegende eigene Verpflichtung (gegenüber dem „Geschäftsherrn“ oder einem Dritten) erfüllen möchte. In einer derartigen Konstellation lässt sich ein wirklicher Fremdgeschäftsführungswille nicht verifizieren. Dies gilt allerdings nicht, wenn der angestrebte eigene Vorteil bloßes Motiv zum Tätigwerden ist, sich bei rechtlicher Betrachtung als Reflexvorteil darstellt oder wenn die Tätigkeit (tatsächlich oder gedanklich) teilbar ist und ein Teil ausschließlich fremdnützig übernommen wurde. V. Die Darlegungs- und die Beweislast bezüglich der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Fremdgeschäftsführungswille ergibt, folgen den allgemeinen Regeln. Danach hat derjenige, der sich auf das Vorliegen einer (berechtigten) Geschäftsführung ohne Auftrag beruft, die fremdnützige Absicht des Handelnden substantiiert vorzutragen und ggf. unter Beweis zu stellen. Dabei kann er sich nicht auf Beweiserleichterungen stützen. Unabhängig von der objektiven Einordnung des geführten Geschäfts ist der volle Beweis des Fremdgeschäftsführungswillens zu erbringen; dieser kann auch bei objektiv fremden Geschäften
6. Teil: Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
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nicht vermutet werden. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Anscheinsbeweises liegen nicht vor. Da es sich um den Beweis einer inneren Tatsache handelt, wird die Beweisführung häufig nur über entsprechende Indizien möglich sein. VI. Ein subjektives Verständnis des § 677 BGB führt im Ergebnis zu einer wesentlichen Beschränkung des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Präzisierung des maßgeblichen gesetzlichen Tatbestandsmerkmals („für einen anderen“) auf das Erfordernis eines Fremdgeschäftsführungswillens bedeutet zudem einen Zugewinn an Rechtssicherheit durch den Verzicht auf den unklaren Begriff des „fremden Geschäfts“. Die Überschaubarkeit der Voraussetzungen des § 677 BGB wird zu einer verbesserten Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen führen. Zu der mit Recht in der Lehre allgemein angestrebten Eingrenzung des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag kann auch eine genaue Prüfung der negativen Voraussetzung des § 677 BGB („ohne Auftrag“) beitragen. Das gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 677 ff. BGB ist von vornherein ausgeschlossen, wo zwischen dem „Geschäftsführer“ und dem „Geschäftsherrn“ bereits ein Rechtsverhältnis (auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage, privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur) besteht, das den Handelnden zu seiner Tätigkeit berechtigt oder gar verpflichtet und die Rechtsfolgen dieser Tätigkeit zwischen den Beteiligten bestimmt. VII. Liegen die Voraussetzungen des § 677 BGB vor, entscheidet die Bewertung der Geschäftsbesorgung aus der Perspektive des Geschäftsherrn darüber, ob es sich um eine berechtigte oder um eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handelt. Dazu ist zunächst festzustellen, wer im jeweiligen Einzelfall der Geschäftsherr ist. Dies richtet sich grundsätzlich nach den entsprechenden Absichten des Geschäftsführers. Geschäftsherr ist also derjenige, dem der Handelnde den Erfolg seiner Tätigkeit zukommen lassen wollte, für den er das Geschäft geführt hat. Dies können auch mehrere Personen sein. Nur wenn sich der Geschäftsführer über die Person des Geschäftsherrn geirrt hat, sich also einen durch die Tätigkeit Begünstigten vorgestellt hat, der mit der Geschäftsbesorgung nichts zu tun hat, wird der Geschäftsherr gemäß § 686 BGB anhand von objektiven Kriterien ermittelt. VIII. Die Berechtigungsgründe der Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben sich aus § 683 S. 1 BGB, aus § 683 S. 2 BGB i.V. m. § 679 BGB und aus § 684 S. 2 BGB. In allen Fällen ist die (ggf. objektivierte) Einschätzung des Geschäftsherrn maßgeblich, die sich auf die Übernahme der Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsführer bezieht. Im rechtlich wie praktisch wichtigsten Fall kommt es auf die Übereinstimmung mit dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn an (§ 683 S. 1 BGB). Letzteres Erfordernis ist nur in den Fällen des § 679 BGB entbehrlich. Hier wird durch die auftraglose Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn erfüllt. Das daran bestehende Interesse der
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6. Teil: Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
Allgemeinheit macht ausnahmsweise den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn unbeachtlich. Am Deutlichsten wird die Zustimmung des Geschäftsherrn im Fall des § 684 S. 2 BGB. Hier wird die Übernahme der Geschäftsbesorgung nachträglich genehmigt. IX. Nur wenn einer der drei genannten Berechtigungsgründe vorliegt, kommt das gesetzliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zustande, das seine Rechtfertigung in der inneren Willensübereinstimmung des Geschäftsführers und des Geschäftsherrn findet. Es unterscheidet sich in der Ausgestaltung seiner Rechtsfolgen deutlich von dem gesetzlichen Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Ersteres gleicht dem Auftrag in wesentlichen Hinsichten; es stellt einen Rechtsgrund i. S. d. § 812 BGB dar, ist (strafrechtlich wie zivilrechtlich) ein Rechtfertigungsgrund und gibt dem Geschäftsführer u.U. ein Recht zum Besitz i. S. d. § 986 BGB. Dagegen ist das gesetzliche Schuldverhältnis der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bereicherungsähnlich und (bei Verschulden) deliktsähnlich ausgestaltet; es entfaltet keinerlei Legitimationswirkung für den Geschäftsführer. Sind bereits Vermögensverschiebungen eingetreten, werden diese rückabgewickelt; im Übrigen ist die (weitere) Geschäftsbesorgung zu unterlassen. X. Mit der hier vorgeschlagenen (restriktiven) Interpretation der §§ 677 ff. BGB wird das eingangs der Arbeit formulierte Ziel erreicht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des gesetzlichen Schuldverhältnisses konnten derart präzisiert werden, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag eine klare Struktur und einen begrenzten, vorhersehbaren Anwendungsbereich bekommt. Um dieses Ziel zu erreichen, sind keine zweifelhaften Konkurrenzlösungen erforderlich. Es genügt, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen sorgfältig zu untersuchen; hierbei sind vor allem der Fremdgeschäftsführungswille und die Auftragslosigkeit, aber auch die Anforderungen des § 683 BGB von Bedeutung. Liegen die oben erarbeiteten Voraussetzungen der §§ 677 ff. BGB vor, kommt es kaum zu Überschneidungen mit anderen Ausgleichsschuldverhältnissen; es handelt sich um Fälle, in denen das Zustandekommen des speziellen gesetzlichen Schuldverhältnisses der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag mit seinen auftragsähnlichen Rechtsfolgen gerechtfertigt ist. Mit dieser Lösung ist im Vergleich zur ständigen Rechtsprechung des BGH eine deutliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag verbunden. Dies ist zu begrüßen und wird im Schrifttum auch nahezu einhellig gefordert. Auch das Auftragsverhältnis, dem die Geschäftsführung ohne Auftrag nachgebildet wurde, hat in der Praxis schließlich keine größere Bedeutung. Zudem wird ein Handeln ohne entsprechende Rechtsgrundlage immer einen Ausnahmefall darstellen. In Fällen, in denen die Geschäftsführung ohne Auftrag heute herangezogen wird, aber die hier ermittelten Voraussetzungen nicht vorliegen, bieten sich zudem andere Lösungen an, um zu interessengerechten Ergebnissen zu gelangen. Dazu zählen (inzwischen) spezialgesetzlich normierte Ersatzansprüche oder For-
6. Teil: Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
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derungsübergänge. Für die Fälle gestufter Haftung ist häufig § 255 BGB heranzuziehen.1 Liegt ein Gesamtschuldverhältnis vor, gilt für den Ausgleich im Innenverhältnis § 426 BGB.2 Die Abwicklung nichtiger Verträge obliegt primär dem Bereicherungsrecht.3
Siehe dazu vor allem Selb, 1963, S. 21 ff., 77 ff. Zu den Möglichkeiten der erweiterten Anwendung der Regeln über die Gesamtschuld bei gleichzeitiger Beschränkung des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag Stamm, 2000; ders., Jura 2002, 730 ff. 3 Dazu eingehend Sippel, 2005. 1 2
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Sachwortverzeichnis Anwendungsbereich 17 ff., 25 ff., 167, 168 f. Aufgabenstellung 22 ff., 168 Auftragslosigkeit 32 ff., 73 ff. Auftragsverhältnis 51 ff., 74 f., 104, 106, 123, 154 f. Aufwendungsersatz 56 ff., 86, 109, 154 Berechtigungsgrund 110, 133 ff., 167 f. – Genehmigung 138 f., 150 f. – Interesse des Geschäftsherrn 133 f., 135 ff. – Irrtum des Geschäftsführers 138 f., 142 ff. – mutmaßlicher Wille des Geschäftsherrn 133, 135 ff. – Pflicht des Geschäftsherrn 146 f. – Wille des Geschäftsherrn 133 ff., 135 ff. – Zeitpunkt 139 ff. Bereicherungsrecht 74, 76 f., 78 f., 104, 105 f., 106 f., 107, 164 Beweisrecht 112 ff. – Anscheinsbeweis 113 ff. – Beweiserleichterungen 113 ff. – Darlegungs- und Beweislast 112 f., 166 f. – Indizienbeweis 120 f. echte Geschäftsführung ohne Auftrag 18, 23, 25 ff. – Abgrenzung 22 Eigengeschäftsführung 47 ff. – objektiv eigenes Geschäft 54 f. Entstehungsgeschichte 38 ff., 44 ff. Fremdgeschäftsführung 48, 66 f. – „auch-fremdes“ Geschäft 19 f., 27 ff., 63 f., 91 ff. – objektiv fremdes Geschäft 26 f., 27 ff., 30 f., 48 f., 63 f. Fremdgeschäftsführungsbewusstsein 48 f. Fremdgeschäftsführungswille 27 ff., 31 f., 37, 48 f., 52 f., 66 f., 68 ff. – Äußerung 79 f., 141 f.
– – – – – – – –
Beweis 19, 62 f., 80, 112 ff. Eigeninteresse 83 ff. Empfängerhorizont 78 f. kognitives Element 70 ff. Motiv 77 f., 82, 84 f., 87, 99 Reflexhandlung 81 f. Reflexvorteil 87 f., 99 Vermutung 21, 27 ff., 30 f., 49, 59 f., 63 f., 101, 103, 114 ff. – Verpflichtung 91 ff., 102 ff. – voluntatives Element 69 f. Geschäftsbesorgung 25 f., 72 f. – Teilbarkeit 88 ff., 90, 100 – Übernahme 139 ff. – Unterlassen 26 Geschäftsführer – Irrtum 50 f., 54 f., 124 ff. – Person 55 f. – Pflichten 58 f., 161 ff. – „pflichtengebundener“ Geschäftsführer 31, 65, 91 ff. Geschäftsführung für den, den es angeht 130 ff. Geschäftsherr – Genehmigung 138 f. – Geschäftsfähigkeit 144 f. – Mehrzahl 123 – Person 50 f., 122 ff. – Pflichterfüllung 146 f. – Schutz 57 f., 139 gesetzliches Schuldverhältnis 110 f., 144 f., 152 ff. – berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag 154 ff. – unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag 156 ff. Haftungsprivilegierung 51, 161 Hilfsperson 25, 55
Sachwortverzeichnis Leitbild 58 ff., 60 f.
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Telos 54 ff. Theorie der Menschenhilfe 17, 60 f.
Motivebene 77 f., 82, 84 f., 87, 99 nichtiger Vertrag 35 f., 102 ff. objektive Theorie 26 f. Quasikontraktstheorie 42, 53
unterlassene Hilfeleistung 34 f. Vermutungslösung 21, 27 ff., 30 f., 49, 59 f., 63 f., 101, 103, 114 ff. vertragsähnlich 52 f., 154 ff.
Rechtsfolgen 133, 154 ff., 156 ff. Rechtsfolgewillen 144 f., 152 f. rechtsökonomische Analyse 58 Rechtssicherheit 18, 62 ff. Römisches Recht 38 ff.
Willenserklärung 68 f., 80, 144 f., 150 f., 152 f. Willensübereinstimmung 52 f., 133, 136 ff., 142 f., 158, 166
Schwarzarbeiterfall 108 ff. Selbstaufopferung im Straßenverkehr 81 f. Systematik 47 ff., 51 ff.
Zuständigkeitstheorie 29 f., 60 f. Zwecksetzung 69 f., 75, 77, 81 f., 94 ff., 106, 127 ff., 166