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German Pages [441] Year 2019
Studien zum Privatrecht Band 86
Johannes Meier
Das subjektive System der Geschäftsführung ohne Auftrag Die §§ 677–686 BGB im Lichte der zweigliedrigen subjektiven Theorie
Mohr Siebeck
Johannes Meier, geboren 1990; Studium der Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg; 2016 Erste Juristische Prüfung; 2018 Promotion; derzeit wissenschaftlicher Mit arbeiter am Institut für Rechtsvergleichung (Anglo-Amerikanische Abteilung) und am Institut für das Recht der Digitalisierung (IRDi) der Philipps-Universität Marburg und Rechtsreferendar beim OLG Frankfurt am Main.
ISBN 978-3-16-156446-8 / eISBN 978-3-16-156447-5 DOI 10.1628/978-3-16-156447-5 ISSN 1867-4275 / eISSN 2568-728X (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen aus der Times gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
In Erinnerung an meine Großmutter Emilie Meier (geb. Ritscher)
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg im Wintersemester 2017/2018 als Dissertation angenommen und für das akademische Jahr 2017/2018 mit dem FachbereichsPreis ausgezeichnet. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Sebastian Omlor, LL.M (NYU), LL.M. Eur., der die Betreuung der Arbeit übernahm und sein Erstgutachten in einer beachtenswerten Geschwindigkeit vorlegte. Ihm ist es zu verdanken, dass er sich mit mir auf ein so risikoreiches Unterfangen der Neuvermessung der Geschäftsführung ohne Auftrag begab und zu keinem Zeitpunkt Zweifel an dessen Gelingen hegte. Die mir dabei zuteil gewordene wissenschaftliche Freiheit und eine stets freundliche und kollegiale Atmosphäre am Institut für Rechtsvergleichung, später auch am Institut für das Recht der Digitalisierung (IRDi), ebneten den Weg zur Finalisierung der Arbeit. Herrn Prof. Dr. Constantin Willems danke ich für seine wertvollen Anregungen und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Prof. Dr. Florian Möslein, LL.M. (London) danke ich für die freundliche Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission. Frau Dr. Katrin Wick und Herrn Nicolai Bülte danke ich sehr herzlich für die gemeinsame Promotionszeit, für die zahlreichen und wertvollen Diskus sionen und insbesondere für ihre Freundschaft. Bei Herrn Nicolai Bülte bedanke ich mich zudem für die Übernahme der mühevollen Korrektur meiner Arbeit. Zu Dank verpflichtet bin ich der Otto Wolff Stiftung (Köln) sowie der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung (Hamburg) für die sehr großzügige finanzielle Unterstützung bei der Veröffentlichung dieser Arbeit. Großer Dank gebührt meinen Eltern, Albert und Galina Meier, die mich im Laufe meines Studiums und meiner Promotionszeit bedingungslos unterstützt, und in schwierigen Momenten meines Lebens stets zu mir gestanden haben. Diese Arbeit ist meiner Großmutter, Emilie Meier (geb. Ritscher), gewidmet. Als Deutsche in der ehemaligen Sowjetunion geboren und auch als solche im Kindesalter mit ihrer Familie in die entlegenen Orte des Landes deportiert, bewies sie Mut und Durchhaltevermögen und vermochte es über mehrere Jahr-
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Vorwort
zehnte ein großes staatliches Unternehmen in Zentralasien zu leiten. Leider erlebte sie nicht mehr die Beendigung dieser Arbeit. Ihre Charakterstärke, den Widrigkeiten des Lebens zu trotzen, prägte indes auch mich besonders und hat sicherlich in dieser Arbeit ihren Ausdruck gefunden. Dafür danke ich ihr in ganz besonderer Weise. Marburg, den 1. März 2019
Johannes Meier
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV
Kapitel 1: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung . . . . . . . .3 A. Systematik der §§ 677 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 B. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12
Kapitel 3: Das Kernproblem der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 Kapitel 4: Stand der Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 A. B. C. D.
Keine Theorie der Menschenhilfe! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 Quasikontrakttheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 Objektive Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 (Eingliedrige) subjektive Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72
Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 A. B. C. D.
Gegenstände der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92 Gründe der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 Zusammenfassung der Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .116 E. Inhaltliche Ausgestaltung der zweigliedrigen subjektiven Theorie . . . . .123
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Inhaltsübersicht
F. Systematik der §§ 677 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie anhand der anerkannten Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131 H. Die Bedeutung des § 679 für die Obligationsbegründung . . . . . . . . . . . .252 I. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .262 J. Analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf die Geschäftsführung ohne Auftrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .268 K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .277
Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie auf die Fallgruppen der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . .311 A. B. C. D. E. F. G. H. J. K. L.
Tilgung fremder Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .311 Abschleppfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316 Abmahnfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .328 Nichtige Verträge nach §§ 134, 138, 139 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .335 Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .338 Selbstaufopferung im Straßenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .346 Erbensucherfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .348 Unechte Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .355 Suizidfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .362 Auch-fremde Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .365 Zusammenfassende Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .367
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .369 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .393 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .413
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV
Kapitel 1: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung . . . . . . . .3 A. Systematik der §§ 677 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 I. Gemeinsame Merkmale aller Geschäftsführungen ohne Auftrag . . . . . .3 1. Das Vorliegen eines fremden Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 2. Besorgung eines Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 3. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 II. Unterscheidung zwischen der echten und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 1. Echte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 a) Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683) . . 8 b) Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 684) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 2. Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 a) Irrtümliche oder vermeintliche Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 b) Angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 2) . . . . . .11 B. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 I. Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 1. Aufwendungsersatz nach §§ 683 S. 1, 670 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 2. Pflicht des Geschäftsführers zur interessengerechten Geschäftsführung nach § 677 HS. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 3. Anzeige- und Wartepflicht des Geschäftsführers nach § 681 S. 1 . . . .13 4. Benachrichtigungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nach §§ 681 S. 2, 666 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 5. Herausgabepflicht des Geschäftsführers nach §§ 681 S. 2, 667 . . . . . .15 6. Verzinsungspflicht des Geschäftsführers nach §§ 681 S. 2, 668 . . . . .15
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Inhaltsverzeichnis
7. Privilegierung nach § 682 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 II. Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . .16 1. Herausgabeansprüche des Geschäftsführers nach Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 2. Schadensersatzanspruch des Geschäftsherrn aus §§ 678, 683 . . . . . . .16 3. Pflicht des Geschäftsführers zur interessengerechten Geschäftsführung nach § 677 HS. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 4. Pflichten des unberechtigten Geschäftsführers nach § 681? . . . . . . . .17 5. Privilegierung nach § 682 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 III. Vermeintliche Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 IV. Angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 1. Herausgabeansprüche nach Bereicherungsrecht gem. §§ 687 Abs. 2, S. 2, 684 S. 1, 818 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 2. Pflicht zur interessengemäßen Geschäftsausführung . . . . . . . . . . . . . .18 3. Schadensersatzanspruch nach §§ 687 Abs. 2, S. 1, 678, 683 S. 1 . . . . .18 4. Pflichten nach §§ 687 Abs. 2, S. 1, 681 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 5. Privilegierung nach §§ 687 Abs. 2, S. 1, 682 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19
Kapitel 3: Das Kernproblem der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 Kapitel 4: Stand der Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 A. Keine Theorie der Menschenhilfe! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 I. Die Ursprünge der Theorie der Menschenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 II. Die Theorie der Menschenhilfe im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 III. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27 1. Die Rechtswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 2. Die Theorie der Menschenhilfe als normative, rechtspolitische Aussage der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 a) 1. Entwurf (1. Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 b) 2. Entwurf (2. Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32 c) Ergebnis der Untersuchung der Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . .35 3. Kohlers Schrift: „Die Menschenhülfe im Privatrecht“ . . . . . . . . . . . . .35 a) Der erste Eindruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 b) Die tatsächliche Kohler’sche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 c) Das Analyseergebnis der Kohler’schen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . .42 d) Widerspruch der Kohler’schen Theorie zu der klassischen Theorie der Menschenhilfe und ihre Parallelität mit dem subjektiven Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43 4. Rabel und Lent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 a) Rabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 b) Lent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47
Inhaltsverzeichnis
XIII
5. Resümierende Betrachtung für das BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 B. Quasikontrakttheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 I. Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 1. Entwurf (1. Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 a) Mögliche Hinweise auf die Quasikontrakttheorie . . . . . . . . . . . . . .53 b) Begriff der Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 c) Einordnung als Quasivertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 d) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 2. Mitglieder der 1. Kommission: v. Kübel und Windscheid . . . . . . . . . .59 3. 2. Entwurf (2. Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 II. Ablehnung der Quasikontrakttheorien in der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . .61 C. Objektive Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 I. Zuständigkeitstheorie von Wollschläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65 II. 1. Entwurf (1. Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 III. 2. Entwurf (2. Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70 IV. Teleologische, systematische und methodische Einwände . . . . . . . . . . . 71 D. (Eingliedrige) subjektive Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72 I. Subjektive Theorie von Wittmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73 II. Subordinationstheorie von Bergmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75 1. Martinek’sche Interessenstrukturlehre als Ausgangspunkt . . . . . . . . . .75 2. Fremdgeschäftsführungsabsicht als das obligationsbegründende Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .76 3. Theorie der stillschweigenden Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . .77 4. Konkretisierung des Tatbestandes der Obligationsbegründung . . . . . .78 5. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . .79 III. Analyse der subjektiven eingliedrigen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 1. Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 a) 1. Entwurf (1. Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 b) 2. Entwurf (2. Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 2. Spezielle Einwände gegen die Wittmann’sche subjektive Theorie . . .82 a) Das Merkmal „ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung“ . . . . . . .83 b) Das Merkmal der Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .83 c) Fixierung an die Theorie der Menschenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . .84 3. Spezielle Einwände gegen die Bergmann’sche Subordinationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85 a) Zu befürwortende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85 b) Geschäftsführungsabsicht als normatives, nach dem sozialen Sinn der Tätigkeit zu beurteilendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . .85 c) Vorrang der §§ 677 ff. bei nichtigen Subordinationsverträgen, Nachrang bei nichtigen Koordinationsverträgen . . . . . . . . . . . . . . .86 4. Resultat: subjektive Theorien, die im Grunde objektiv sind . . . . . . . .88
XIV
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 A. Gegenstände der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92 I. Besorgung von Rechtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .93 II. Wahrnehmung von subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .93 1. Dogmatische Ansätze zur Bestimmung des Rechtsbegriffs . . . . . . . . .94 a) Interessentheorien unter Anführung von Jhering . . . . . . . . . . . . . . .94 aa) Jhering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94 bb) Thon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97 b) Willenstheorien unter Anführung von Windscheid . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Windscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98 bb) Schuppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99 c) Kombinationstheorien unter Anführung von Jellinek . . . . . . . . . . .100 2. Resümierende Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .102 III. Entbehrlichkeit des Begriffes des Interesses neben den subjektiven Rechtspflichten und subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .104 IV. Befolgung von nicht rechtlichen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .104 V. Pflichtenverstöße und Rechtsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 VI. Zusammenfassung der Geschäftsbesorgungsgegenstände . . . . . . . . . . . .105 B. Gründe der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 I. Abgrenzung zu Gegenständen der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . .106 II. Die Psychologie der Entscheidung – Interdisziplinarität . . . . . . . . . . . . .107 1. Begriff der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 2. Problemlösungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .108 a) Problemformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .108 b) Präzisierung des Zielsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .108 c) Erforschung von Handlungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .109 d) Auswahl einer Handlungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .110 e) Realisierung der ausgewählten Handlungsvariante . . . . . . . . . . . . .111 III. Abstraktes und konkretes Interesse als Gründe der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111 1. Abstraktes Interesse; Ergebnis- bzw. Resultatswille . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Konkretes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .112 IV. Das Verhältnis des abstrakten und konkreten Interesses . . . . . . . . . . . . .112 1. Abstrakt- bzw. konkret- interessengemäße bzw. -interessenwidrige Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .112 2. Hülfsbedüftigkeit nach Kohler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .113 3. Abstraktes und konkretes Interesse nach Bergmann . . . . . . . . . . . . . . .114 4. Notwendigkeit der Differenzierung für die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 C. Zusammenfassung der Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115
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D. Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .116 I. Gegenstände der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .116 II. Gründe der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .118 1. Die Ausgestaltung des konkreten Interesses in § 683 S. 1 und § 677 HS. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .118 a) Übernahme der Geschäftsführung (§ 683 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . .118 b) Durchführung des Geschäfts (§ 677 HS. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Das Fehlen des abstrakten Interesses im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121 III. Korrekturnotwendigkeit, -möglichkeit, -ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . .122 1. Korrekturnotwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122 2. Korrekturmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122 3. Korrekturausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123 E. Inhaltliche Ausgestaltung der zweigliedrigen subjektiven Theorie . . . . .123 I. Der Grundtatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 HS. 1) 123 1. Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123 2. Zwei Willenstatbestände: der abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn und der Geschäftsführungswille des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124 3. Entbehrlichkeit des Merkmals „fremdes Geschäft“ . . . . . . . . . . . . . . .126 4. Ohne Auftrag und sonstige Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 II. Die Bedeutung des § 679 für den Grundtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . .127 III. Die äußeren Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127 IV. Zusammenfassende Graphik zum Grundtatbestand des § 677 HS. 1 . . .128 F. Systematik der §§ 677 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 I. Unterteilung in die echte und die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 II. Echte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–686) . . . . . . . . . . . . . . . .128 1. Unterteilung in die echte berechtigte und die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 684) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 2. Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . .129 3. Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . .130 III. Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie anhand der anerkannten Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131 I. Das Merkmal des abstrakten Geschäftswillens im Grundtatbestand des § 677 HS. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131 1. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131 a) Motive der 1. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131 b) Protokolle der 2. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135
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2. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 a) Anknüpfung an „Geschäft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 b) Anknüpfung an „für“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 aa) Nicht maßgebende Wortbedeutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 bb) Maßgebende Wortbedeutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138 cc) Personenbezogene Ausrichtung der Präposition „für“ . . . . . . . .138 3. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Schadloshaltungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141 b) Abwehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142 c) Legitimierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143 aa) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143 (1) Kollisionsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .144 (a) § 985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145 (b) §§ 987 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145 aaa) Nutzungs- und Schadensersatzansprüche nach §§ 987 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145 bbb) Unterschiede bei Tatbestand und Rechtsfolgen. . . . . .146 ccc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .148 (c) §§ 994 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .148 aaa) Ersatz von notwendigen Verwendungen nach §§ 994 ff. und nach §§ 677 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .148 bbb) Ersatz von nützlichen Verwendungen nach § 996 und nach §§ 677 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 ccc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149
(2) Legitimationswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag im Rahmen des Rechts des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 986 ff.) . . . . . . . . . .150 (a) Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150 (b) Auftragsrechtliche Rechte- und Pflichtenstruktur . . . . .151 (c) § 681 S. 2 i. V. m. § 667 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 (d) Geschäftsführung ohne Auftrag als ein umfassend regelndes Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 (e) Die Nähe des echten unberechtigten Geschäftsführers zum „Nicht-so-berechtigten-Besitzer“ . . . . . . . . . . . . . .153 (f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .154 (3) Wirkung und Entstehungsgründe für das Recht zum Besitz i. S. v. § 986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (a) Wirkung des Rechts zum Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .154 (b) Entstehungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155 (4) Das Recht zum Besitz „aus dem Eigentum“ . . . . . . . . . . . . .156 (5) Verfügung über das Eigentumsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .157 (6) Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Recht zum Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .159
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(7) Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 bb) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund für Vermögensverschiebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .162 (1) Legitimationswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag im Rahmen des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff.) . 162 (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .162 (b) Tatbestandstheorien (1.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .162 (c) Gesetzeskonkurrenztheorie (2.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164 (d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165 aaa) Einheitliches gesetzliches Schuldverhältnis . . . . . . . .165 bbb) § 684 S. 1 als Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . .166 ccc) Vollständige Anwendung der §§ 677–682 und §§ 685–686 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .169 ddd) Rechtsgrundqualität der echten Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .169
(2) Trennung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170 (3) Abhängigkeit des Rechtsgrundes von der Art der Kondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171 (4) Rechtsgrund bei Leistungskondiktionen . . . . . . . . . . . . . . . .173 (a) Die objektive Rechtsgrundtheorie gegen die subjektive Rechtsgrundtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173 (b) Objektiver und subjektiver Leistungsbegriff . . . . . . . . .174 (c) Rechtlich relevante Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 aaa) Kreß’sche Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178 bbb) Die Opponenten der Kreß’schen Schule . . . . . . . . . . .181 ccc) Entscheidung für die vermittelnde Position . . . . . . . .183
(d) Die Rechtsgrundproblematik vor dem Hintergrund des Streits um die Erfüllungstheorien . . . . . . . . . . . . . . .184
aaa) Der rechtliche Zusammenhang zwischen dem bereicherungsrechtlichen und erfüllungsrechtlichen Leistungsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .185 bbb) Erfüllungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .185 ccc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188 (e) Resümierendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .189 (5) Echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund . . .189
(a) Die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund für eine Leistungskondiktion . . . . . . . .190 (b) Die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund für eine Leistungskondiktion . 191 (6) Rechtsgrund bei Nichtleistungskondiktionen . . . . . . . . . . . .192 (a) Die Rechtswidrigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .192 (b) Die Zuweisungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195
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(c) Die Entscheidung für die (korrigierte) Zuweisungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .196 (7) Echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund bei Nichtleistungskondiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .201 cc) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Ausschlussgrund der Widerrechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202 (1) Legitimationswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag im Rahmen des Deliktsrechts (§§ 823 ff.) . . . . . . . .202 (a) Kollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .203 (b) Das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als ein umfassend regelndes Verhältnis . . . . . . . . . . . . . .203 (c) Pflichten nach § 681 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204 (d) Interessenwahrungspflicht nach § 677 HS. 2 . . . . . . . . .205 (e) Führung fremder Geschäfte – keine Delikte . . . . . . . . . .205 (f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206 (2) Die trias der deliktsrechtlichen Haftungstatbestände . . . . .207 (3) Kein allgemeiner Schutz des Vermögens und der Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .207 (4) Schutz absoluter subjektiver Rechte (§ 823 Abs. 1) . . . . . . .209 (a) Eigentumsrecht nach § 903 S. 1 als Vorbild bei der inhaltlichen Erfassung der Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . .211 (b) Ermittlung des „sonstigen Rechts“ an den Kriterien des Eigentumsrechts nach § 903 S. 1 . . . . . . . . . . . . . . . .212 (5) Schutz der Individualinteressen (§ 823 Abs. 2) . . . . . . . . . . 213 (6) Schutz gegen sittenwidrige Handlungen (§ 826) . . . . . . . . .215 (7) Der Begriff der Widerrechtlichkeit im Deliktsrecht . . . . . . .216 (a) Indikation des tatbestandsmäßigen Verhaltens . . . . . . . .216 (b) Rechtswidrigkeitsbegriff im Deliktsrecht . . . . . . . . . . . .217 (c) Der Streit zwischen der Lehre vom Handlungsunrecht und der Lehre vom Erfolgsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .219 aaa) Telos der §§ 823 ff. – Schutz der Güterzuordnung . . .219 bbb) Bestimmung der Rechtswidrigkeit ausgehend von subjektiven Rechtspositionen des Verletzten . . . . . . .220 ccc) Das objektive Recht als das logische Prius . . . . . . . . .223 ddd) Rechtswidrigkeit der Erfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 eee) Vermischung von Verschulden und Widerrechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .224 fff) Gefahr der Auflösung fest umrissener Tatbestände . . .225 ggg) Parallele zum finalen Handlungsbegriff . . . . . . . . . . .225 hhh) Paradoxie bzgl. des negatorischen Schutzes . . . . . . . .226 iii) Begriff der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .227
(d) § 826 im Rahmen des deliktsrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .228 (8) Das System der Rechtfertigungsgründe im Deliktsrecht . . .229
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(a) Die theoretischen Grundlagen. Definition der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229 (b) Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229 (c) Anerkannte Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . .229 aaa) Rechtfertigende Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229
aaaa) Rechtsethische Herkunft der Einwilligung . 230 bbbb) Dogmatische Verankerung der Einwilligung im Privatrecht . . . . . . . . . . . . 231
bbb) Notwehr (§ 227) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233 ccc) Defensiver und aggressiver Notstand (§ 228, § 904) .234 ddd) Selbsthilfe (§§ 229–231) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .236 eee) Festnahmerecht (§ 127 Abs. 1 S. 1 StPO) . . . . . . . . . .238
(d) Systematisierung der Rechtsfertigungsgründe anhand der Struktur des § 903 S. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .240 (9) Echte berechtigte und unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . .241 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .242 d) Gewinnhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .243 4. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .243 5. Ergebnis der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .244 II. Entbehrlichkeit des Merkmals „fremdes Geschäft“ im Grundtatbestand des § 677 HS. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .244 1. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .245 2. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247 3. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247 a) §§ 687, 684 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247 b) § 686 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .248 c) § 679, §§ 683 S. 2, 679 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .250 4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 H. Die Bedeutung des § 679 für die Obligationsbegründung . . . . . . . . . . . .252 I. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .253 1. Teilentwurf von v. Kübel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .253 2. Motive der 1. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .256 3. Protokolle der 2. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .258 II. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .259 III. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .259 IV. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .259 V. Voraussetzungen des § 679 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .260 1. Pflicht zur Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .260 2. Gefahr der Nicht- oder nicht rechtzeitigen Erfüllung . . . . . . . . . . . . . .261 3. Öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .261
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I. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .262 I. Vertrag, Quasivertrag, Willenserklärung, rechtsgeschäftsähnliche Handlung oder Realakt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .263 1. Motive der 1. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .263 2. Abgrenzung zwischen einer Willenserklärung, rechtsgeschäftsähnlichen Handlung und einem Realakt . . . . . . . . . . .264 3. Protokolle der 2. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .265 II. Stellungnahme zu Gunsten der rechtsgeschäftsähnlichen Handlung . . .266 J. Analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf die Geschäftsführung ohne Auftrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .268 I. Analogievoraussetzungen und Rechtsfolgen der direkten Anwendung der §§ 104 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .268 II. Auslegung des § 682 hinsichtlich der Pflichten des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .270 1. Katalog der Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .270 2. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .270 3. Auftragsrechtliche Struktur der Pflichten aus §§ 677 ff. und Konterkarierung der Normzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .271 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .272 III. Auslegung des § 682 hinsichtlich der Rechte des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .272 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .272 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .274 a) Historie, Wortlaut, Systematik und telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .274 b) Unterscheidung nach Diederichsen und Dorn . . . . . . . . . . . . . . . . .275 c) Knoches Modell der negotium claudicans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .275 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .276 K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .277 I. Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach §§ 134, 138, 139 . . . . . . . . . . . . . .277 1. Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach §§ 134, 138 . . . . . . . . . . . . . . . .277 a) § 134 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .277 b) § 138 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .279 2. Die subjektiven Voraussetzungen der §§ 134, 138 . . . . . . . . . . . . . . . .280 3. Verhältnis der §§ 134, 138 zu § 139 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .281 4. Die Normzwecke der §§ 134, 138 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .283 II. Auftrags- bzw. vertragsrechtliche Haftungsstruktur des Geschäftsführers ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .285 1. Haftungsgefüge nach §§ 681 S. 2, 666–668 und nach §§ 683 S. 1, 670 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .285 a) § 666 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .285 b) § 667 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .288
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c) § 668 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .289 d) § 670 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .289 2. Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Subordinationsverhältnis . . . .290 3. Entsprechende Anwendung von auftragsrechtlichen Haftungsnormen auf vertragliche oder vertragsähnliche Verhältnisse 292 III. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .293 IV. Ablehnung der analogen Anwendung des § 817 S. 2 auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .295 1. Der Anwendungsbereich des § 817 S. 2 im Bereicherungsrecht . . . . .295 2. Normzweckproblem des § 817 S. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .297 a) Normzwecktheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .297 b) Zwischen der extensiven Auslegung und den Restriktionsversuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .299 aa) Spannungsverhältnis zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2 . . .299 bb) Anwendungsbereichsunterschiede zwischen § 817 S. 2 und §§ 134, 138 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 cc) Lösung des Spannungsproblems zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .301 (1) Historischer Ansatz von Honsell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .301 (2) Stellungnahme zu Honsells Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .303 (3) Einschränkung des Anwendungsbereiches nach dem Zweck des Verbotsgesetzes bzw. des Sittengebots . . . . . . . .304 3. Analoge Anwendung des § 817 S. 2 auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .306 a) Vertragsähnliches Gewährschuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .308 b) Der nicht von § 817 S. 2 erfasster Rückabwicklungsbereich . . . . .309 c) § 817 S. 2 als Einwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .309 d) Ergebnis: das Zusammenspiel zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .310
Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie auf die Fallgruppen der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . .311 A. Tilgung fremder Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .311 I. Abstrakt-interessenwidrige Tilgung fremder Schulden . . . . . . . . . . . . . .311 1. Geschäftsherr geht von bereits beglichener Verbindlichkeit aus . . . . .312 2. Geschäftsherr geht von fehlender Verbindlichkeit aus . . . . . . . . . . . . .313 II. Konkret-interessenwidrige Tilgung fremder Schulden . . . . . . . . . . . . . . .315 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316 B. Abschleppfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316 I. Differenzierung zwischen den Abschleppfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316 II. Abschleppfälle als Selbsthilfeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .317
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1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .317 2. Die Lösung nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie . . . . . . . . . .319 a) Abstrakte Interessenwidrigkeit der Abschleppfälle als Selbsthilfeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .319 b) Einschlägigkeit des Rechts der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .320 c) § 679 als einzige Möglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 III. Abschleppfälle in der Konstellation des pflichtgebundenen Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .323 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .323 2. Abstrakte Interessenwidrigkeit der Abschleppfälle in der Konstellation des pflichtgebundenen Geschäftsführers . . . . . . . . . . . .324 a) Widersprüchlichkeit der Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .324 b) Kein Ausschluss der §§ 677 ff. durch die Merkmale des „fremden Geschäfts“ und des „Fremdgeschäftsführungswillens“ .325 c) § 679 als einzige Möglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .325 d) Die Ansprüche des Abschleppunternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .327 C. Abmahnfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .328 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .328 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .331 1. Abstrakte Interessenwidrigkeit der Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .331 2. Das fremde Geschäft und der Fremdgeschäftsführungswille . . . . . . .333 3. Keine Notwendigkeit zur Heranziehung der §§ 677 ff. bei den Abmahnfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .334 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .335 D. Nichtige Verträge nach §§ 134, 138, 139 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .335 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .335 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .336 E. Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .338 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .339 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .340 1. Fremdes Geschäft, Fremdgeschäftsführungswille, Übernahmewille, Entgeltthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .340 2. Ein spezifisch mietrechtliches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .341 a) Der Begriff der Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .341 b) Schönheitsreparaturen als Beseitigung von Mängeln? . . . . . . . . . .341 c) Das Verhältnis zwischen § 536a Abs. 2 und § 539 Abs. 1 . . . . . . . .343 d) Schlussfolgerungen bzgl. Schönheitsreparaturen . . . . . . . . . . . . . . .345 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .346
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F. Selbstaufopferung im Straßenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .346 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .346 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .347 G. Erbensucherfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .348 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .349 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .350 1. Fremdes Geschäft und Fremdgeschäftsführungswille . . . . . . . . . . . . .350 2. Schwächen des BGH‑Weges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .351 3. Lösung nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie . . . . . . . . . . . . .351 a) Abstrakte Interessengemäßheit der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .352 b) Konkrete Interessenwidrigkeit der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .353 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .355 H. Unechte Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .355 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .355 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .356 1. Die nicht überzeugenden Begründungen zur Ablehnung der §§ 677 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .356 2. Verbannung der Fälle der unechten Gesamtschuld aus dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag . . . .357 3. § 255 und Legalzessionen als einschlägige Regelungen . . . . . . . . . . .358 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .359 I. Gefälligkeiten und die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . .359 I. BGH NJW 2015, 2880 und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .360 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .361 J. Suizidfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .362 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .363 II. Lösung nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie . . . . . . . . . . . . . . .363 K. Auch-fremde Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .365 I. (Grundsätzlich) nicht erfasste Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .365 II. Der gesetzgeberische Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .366 III. Abstrakte Interessenwidrigkeit der auch-fremden Geschäfte . . . . . . . . .366 L. Zusammenfassende Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .367
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .369 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .393 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .413
Kapitel 1
Einführung „Wird es nicht Viele von der Hülfe abhalten? Wird nicht mancher Dienst nicht geleistet werden, wenn der Gestor zu befürchten hat, daß der Dienst nicht nur als ein vermeintlicher Dienst erweist und seine Auslagen verloren sind? Aber man bedenke anderereits die Consequenzen, welche mir drohen, wenn dritte Personen sich als die Träger meiner Interessen aufspielen“. Josef Kohler JherJb 25, 1887, 1, 53.
Die Doktrin der echten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–6861) beschäftigt die deutsche Rechtswissenschaft bereits seit mehr als einem Jahrhundert. Unzählige Aufsätze, Dissertationen und mehrere Habilitationsschriften widmeten sich diesem Thema und vermochten es nicht, Ruhe und Rechtsfrieden in dieses vom Leid geplagte Institut des Bürgerlichen Rechts zu bringen. Der Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag wird bis heute als zu weitgehend, zu konturlos, zu ausgeufert empfunden. Öl ins Feuer gießt auch weiterhin die höchstrichterliche Rechtsprechung, die bei der Auslegung der Merkmale „fremdes Geschäft“ und „Fremdgeschäftsführungswille“ eine erstaunliche Großzügigkeit aufweist und die Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Korrekturinstrument heranzieht, soweit nach anderen Regelungssystemen ein zufriedenstellender und billiger Ausgleich nicht gelingt. Solche Herangehensweise ist nicht nur aus rechtlichen Gesichtspunkten unzulässig, sie entbehrt der Rechtsklarheit und birgt Gefahren bei der Rechtsanwendung. Es gibt kaum eine Fallgruppe der echten Geschäftsführung ohne Auftrag, deren Handhabung in der Rechtswissenschaft nicht umstritten wäre. Die noch aufzuzeigenden Wandelbarkeiten der Begründungen für oder gegen die Anwendung der §§ 677 ff. in konkreten Fallgestaltungen zeigen eindrücklich, dass dieses Institut mehr Probleme verursacht, als es nach dem heutigen Verständnis zu lösen vermag. Diesem Thema widmet sich diese Untersuchung. Ihr Gang gestaltet sich wie folgt. Zunächst wird das Verständnis der mehr oder weniger überwiegenden Auffassung zur echten Geschäftsführung ohne Auftrag (Kapitel 2) vorgestellt, ohne dabei auf die konkreten Fallgruppen zu rekurrieren. Im Anschluss wird das Kernproblem dieses Instituts erörtert (Kapitel 3) und die bis heute ausgear1
Die Paragraphen sind solche des Bürgerlichen Gesetzbuches.
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Kapitel 1: Einführung
beitete Lösungsversuche vorgestellt (Kapitel 4). Den Hauptteil der Arbeit bildet die eigens erarbeitete zweigliedrige subjektive Theorie, die einer eingehenden rechtlichen Kontrolle unterzogen wird (Kapitel 5). Sie wird dadurch gekennzeichnet sein, dass auf der Ebene des § 677 HS. 1 ein subjektives Merkmal des Geschäftsherrn und subjektives Merkmal des Geschäftsführers zu verlangen sind, die freilich nicht in Bezug auf einander bezogen sind und auch inhaltlich nicht vollkommen korrespondieren. Im Anschluss wird diese zweigliedrige subjektive Theorie auf die diskutierten Fallgruppen der Geschäftsführung ohne Auftrag angewandt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen in Bezug auf die konkrete Handhabung und die konkrete Beschränkung ihres Anwendungsbereiches aufgezeigt (Kapitel 6). Schließlich werden die Untersuchungsergebnisse zusammengefasst (Kapitel 7).
Kapitel 2
Verständnis der überwiegenden Auffassung Zunächst gilt es das Institut der echten Geschäftsführung ohne Auftrag in Grundzügen zu erörtern, wie dieses durch die überwiegende Rechtsprechung und überwiegende Lehre, soweit von der letzteren gesprochen werden kann, angewandt wird. Sodann gilt es das eigentliche Kernproblem, welches es durch diese Arbeit zu lösen gilt, herauszuarbeiten. Diese Ausführungen sind unerlässlich, will man die (gravierenden) Schwächen der heute vertretenen dogmatischen Konstruktionen bezüglich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag aufzeigen und zur Lösung des Problems durch eigene dogmatische Theorie beitragen.
A. Systematik der §§ 677 ff. Am Anfang empfiehlt es sich das systematische Verständnis der tradierten Lehre zu §§ 677 ff. vorzustellen. Von diesem Verständnis hängen die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen und die sich daran anknüpfenden Rechtsfolgen ab. Die tradierte Lehre nimmt eine Unterteilung der Geschäftsführung ohne Auftrag in vier Ausprägungen vor. Es sei vorausgeschickt, dass diese Unterteilung im Gesetz nicht vorgesehen ist und sich ebenso wenig aus den Gesetzesmaterialien ergibt. Es handelt sich um ein „Verdienst“ der tradierten Lehre.
I. Gemeinsame Merkmale aller Geschäftsführungen ohne Auftrag 1. Das Vorliegen eines fremden Geschäfts Bevor auf die maßgebliche Unterteilung zu sprechen sein wird, ist allen vier Ausprägungen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemein, dass sie nach Auffassung der tradierten Lehre ein fremdes Geschäft voraussetzen. Aus der Lektüre des § 677 HS. 1, der die tatbestandlichen Voraussetzungen der Eröffnung des Anwendungsbereiches der Geschäftsführung ohne Auftrag festlegt1, ist diese Voraussetzung nicht ersichtlich. Dort ist die Rede von einem Geschäft „für einen anderen“ und nicht von einem „fremden Geschäft“ oder etwa von einem „Geschäft eines Anderen“. Die tradierte Lehre leitet dieses Merkmal 1
Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 1.
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Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung
aus der Gegenüberstellung des § 677 und § 6872 ab. Nach § 687 Abs. 1 finden die Vorschriften der §§ 677–686 keine Anwendung, wenn jemand „ein fremdes Geschäft“ in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei, und nach § 687 Abs. 2 sind die §§ 677 ff. nur teilweise anwendbar, wenn jemand „ein fremdes Geschäft“ als sein eigenes besorgt, obwohl er weiß, dass er über keine Berechtigung zur Besorgung verfügt. Die Überlegung ist: wenn die §§ 677 ff. keine oder nur teilweise Anwendung bei der Besorgung „eines fremden Geschäftes“ (indes beim Fehlen eines Fremdgeschäftsführungswillens des Geschäftsführers) finden, so müssen die §§ 677 ff. bei einem vorhandenen Fremdgeschäftsführungswillen ebenfalls das Merkmal des „fremden Geschäfts“ enthalten3. Mit der Aufstellung der Voraussetzung eines fremden Geschäfts ist freilich noch nicht ausgesagt, was dieses Merkmal auf inhaltlicher Ebene verlangt. Hier sind der Begriff des Geschäftes und seine Fremdheit selbständig zu definieren. Ein Geschäft umfasst sowohl den Abschluss von Rechtsgeschäften, die Vornahme von rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen, aber auch von Realakten4. Insofern ist der Geschäftsbegriff der §§ 677 ff. ein weiter, so wie er im Auftragsrecht (§§ 662 ff.) seine Ausprägung findet, und kein enger, so wie er nach der herrschenden Auffassung dem § 675 zugrunde liegt5. Die Definition der Fremdheit des Geschäfts ist ebenfalls sehr weitgehend. Ein Geschäft ist nach der tradierten Lehre dann fremd, wenn es der Sorge eines anderen obliege6, es also in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen, nämlich in den des Geschäftsherrn, gehöre7. Was unter dem Rechts- und Interessenkreis zu verstehen ist, ist nebulös. Während in bestimmten Fällen ganz sicher von der Fremdheit gesprochen werden kann, etwa dann wenn ein Arzt einen Verletzten auf offener Straße medizinisch versorgt, wird es bei anderen Geschäften zweifelhaft, wenn etwa ein Erbensucher nach dem Erben sucht, wenn ein Privatmann ein verkehrswidrig abgestelltes Fahrzeug abschleppen lässt oder wenn der Mieter aufgrund einer unwirksamen Klausel Schönheitsreparaturen vornimmt. Die Fremdheit des Geschäfts ist daher der erste Streit2 Giesen, Jura 1996, 225, 226 Fn. 22; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 6; Emmerich, BGB‑Schuldrecht BT, 14. Aufl., 2015, § 13, Rn. 4. 3 Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 677, Rn. 2: „Die subjektive Theorie kann des Weiteren § 687 Abs. 1 nicht erklären: In dieser Vorschrift ist die strikte Trennung zwischen dem fremden Geschäft und Fremdgeschäftsführungswillen zwingend angelegt“; Hirsch, Schuldrecht Besonderer Teil, 5. Aufl., 2018, Rn. 1774. 4 Giesen, Jura 1996, 225, 227; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 2; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 2; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 841; Lorenz, JuS 2016, 12. 5 Rödder, JuS 1983, 930; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677 Rn. 2; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 841; Lorenz, JuS 2016, 12. 6 RGZ 97, 61, 65; BGHZ 38, 270, 275; 54, 157; Rödder, JuS 1983, 930; Giesen, Jura 1996, 225, 227. 7 Giesen, Jura 1996, 225, 228.
A. Systematik der §§ 677 ff.
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punkt im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag und auch die erste Ursache für die uferlose Anwendung dieses Instituts. Schon hier kann die oft vorzufindende Differenzierung der fremden Geschäfte dargestellt werden. Man unterscheidet zwischen den objektiv fremden, den objektiv neutralen und den objektiv eigenen Geschäften8. Die letzteren beiden können zu subjektiv fremden Geschäften werden9. Obwohl der Gesetzgeber diese Unterscheidung verworfen hatte und alle fremden Geschäfte von §§ 677 ff. umfasst sehen wollte10, reaktiviert die tradierte Lehre sie, um auf den noch zu erörternden Fremdgeschäftsführungswillen zu schließen (dazu sogleich). (1) Ein objektiv fremdes Geschäft liegt dann vor, wenn dieses schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild in den Rechts- und Pflichtenkreis eines anderen gehört11. (2) Ein objektiv eigenes Geschäft liegt dann vor, wenn nach seinem äußeren Erscheinungsbild das Geschäft in den Rechtskreis des Geschäftsführers gehört. Auch dieses kann Gegenstand der Geschäftsführung ohne Auftrag werden. Erforderlich ist dafür die Manifestation des Willens des Geschäftsführers, das Geschäft für den Geschäftsherrn auszuführen12. Das objektiv eigene Geschäft wird auf diesem Wege zu einem subjektiv fremden Geschäft. (3) Und schließlich liegt ein objektiv neutrales Geschäft vor, wenn das Geschäft nach seinem äußeren Erscheinungsbild nicht dem Rechtskreis einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, wie die neutralen dinglichen Geschäfte (etwa die Veräußerung einer Sache) sondern, durch die Willensrichtung des Geschäftsführers dem Rechtskreis des Geschäftsherrn zugeordnet wird. Auch hier wird das Geschäft zu einem subjektiv fremden Geschäft13. Auf einen Unterschied gilt es hier dennoch hinzuweisen. Die irrtümliche und angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 687 setzen nach überwiegender Auffassung zwar ein fremdes Geschäft, indes nur ein objektiv fremdes Geschäft voraus14. Subjektiv fremde Geschäfte erfüllen die Voraussetzungen des § 687 nicht.
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Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 6; Lorenz, JuS 2016, 12. BGHZ 82, 323, 330; BGH NJW‑RR 2004, 81, 82; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 845. 10 Motive II, 1888, S. 855 = Mugdan II, 1899, S. 478. 11 Giesen, Jura 1996, 225, 227, 228; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 6; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 842; Emmerich, BGB‑Schuldrecht BT, 14. Aufl., 2015, § 13, Rn. 5; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1106, die von objektiven „Zuweisungen“ oder „Zuständigkeiten“ sprechen. 12 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 7. 13 Rödder, JuS 1983, 930, 931; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 7; Emmerich, BGB‑Schuldrecht BT, 14. Aufl., 2015, § 13, Rn. 6; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1107. 14 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 687, Rn. 14; Hartmann, in: BeckOGK, BGB, 15. 07. 2018, § 687, Rn. 39; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 687, Rn. 3. 9
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Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung
2. Besorgung eines Geschäfts Eine unproblematische Voraussetzung ist die Besorgung des Geschäfts. Zum einen muss der Geschäftsführer das Geschäft ausgeführt haben. Befand er sich im Vorbereitungsstadium, so kann es keine Geschäftsführung ohne Auftrag geben. Unter der Besorgung versteht man einhellig ein aktives Tun und gerade kein Unterlassen15. Handeln in Form vom Unterlassen kann das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht auslösen.
3. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung Zu der dritten und letzten gemeinsamen Voraussetzung aller Ausprägungen der Geschäftsführung ohne Auftrag gehört das Merkmal „ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“ (§ 677 HS. 1). Liegt ein Auftrag oder eine Berechtigung i. S. v. § 677 HS. 1 vor, so richtet sich die Abwicklung nach dem jeweiligen Berechtigungsverhältnis. Der Auftrag ist nicht im engeren Sinne, also nicht im Sinne der §§ 662–674 zu verstehen, sondern als jedes Rechtsgeschäft, welches eine Geschäftsbesorgung i. S. v. § 677 HS. 1 zum Inhalt haben kann16. Damit sind insbesondere auch Werk- und Dienstverträge umfasst, worauf die Gesetzesmaterialien explizit hinweisen17. Das Merkmal der sonstigen Berechtigung fungiert als Auffangtatbestand und umfasst alle Berechtigungsgründe außer dem Rechtsgeschäft. Zu diesen gehören insbesondere die gesetzlichen Berechtigungstatbestände. Die Berechtigung muss dabei gerade dem Geschäftsherrn gegenüber („ihm gegenüber“) bestehen. Daher fallen auch Berechtigungstatbestände gegenüber der Allgemeinheit aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. heraus18.
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Rödder, JuS 1983, 930; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 2. Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 43; Giesen, Jura 1996, 225, 235; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 856; a. A.: Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 21, der unter „beauftragt“ i. S. v. § 677 HS. 1 nur den Auftrag i. S. v. §§ 662 ff. ansieht, stattdessen die sonstigen Verträge dem Merkmal „berechtigt“ zuordnet. Zwar ergeben sich aus dieser Ansicht keine unterschiedlichen Rechtsfolgen. Der Tatbestand des § 677 HS. 1 ist in jedem Fall erfüllt. Sie widerspricht freilich dem Willen des Gesetzgebers, der unter „beauftragt“ alle vertraglichen Rechtsverhältnisse umfasst haben wollte, vgl. Mugdan II, 1899, S. 1193. 17 1. Kommission: Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S. 478: 2. Kommission: Mugdan II, 1899, 1193. 18 Rödder, JuS 1983, 930, 931; Giesen, Jura 1996, 225, 235; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 44.
A. Systematik der §§ 677 ff.
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II. Unterscheidung zwischen der echten und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag Hat man die ersten drei Hindernisse bewältigt, geht es mit einem, jedenfalls auf den ersten Blick, subjektiven Element weiter, welches das maßgebende Kriterium bei der Aufsplittung der §§ 677 ff. darstellt. Die tradierte Lehre unterscheidet zwischen der (1) echten und der (2) unechten Geschäftsführung ohne Auftrag19. Das Kriterium zur Beurteilung, ob die eine oder die andere vorliegt, ist der empirisch zu ermittelnde Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers20. Eine echte Geschäftsführung ohne Auftrag, auf die die §§ 677–686 Anwendung finden, liegt dann vor, wenn jemand ein fremdes Geschäft mit einem dahingehenden Fremdgeschäftsführungswillen besorgt. Eine unechte Geschäftsführung ohne Auftrag, die in § 687 geregelt ist, liegt dagegen dann vor, wenn der Geschäftsführer ein Geschäft ohne einen Fremdgeschäftsführungswillen besorgt, also wenn er mit einem Eigengeschäftsführungswillen handelt. Der Fremdgeschäftsführungswille lässt sich definitorisch in zwei Elemente zerlegen: in ein (kognitives) Bewusstseinselement und in ein (voluntatives) Willenselement21. Der Geschäftsführer muss zunächst das objektiv fremde Geschäft als solches erkennen, er muss also ein Fremdgeschäftsführungsbewusstsein haben. Derjenige der nicht weiß, dass das Geschäft in den Recht- und Interessenkreis eines anderen gehört, kann es auch nicht für einen anderen besorgen wollen. Außer dem Fremdgeschäftsführungsbewusstsein muss der Geschäftsführer mit dem Willen handeln, im Interesse eines anderen tätig zu werden, also einen Fremdgeschäftsführungswillen im engeren Sinne haben. Hier macht das Gesetz jedoch eine Ausnahme. In § 686 wird bestimmt, dass der Irrtum über die Person des Geschäftsherrn insofern unbeachtlich ist, als in diesem Fall der wirkliche Geschäftsherr aus der Geschäftsführung verpflichtet wird. Es genügt ein abstrakter Fremdgeschäftsführungswille22. In diesem Fall liegt eine Geschäftsführung für den, den es angeht, vor23. Die Schwierigkeiten, die bei der empirischen Untersuchung bzgl. des Vorliegens eines Fremdgeschäftsführungswillens bestehen, verleiteten die tradierte Lehre zu einem rechtlichen Kunstgriff. Hier wird die Unterscheidung zwischen objektiv fremden, neutralen und objektiv eigenen Geschäften relevant. Ist das Geschäft schon seinem äußeren Erscheinungsbild dem Recht- und Interessen19 20
Rödder, JuS 1983, 930; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 613. Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 613; Lorenz, JuS 2016, 12, 13. 21 Rödder, JuS 1983, 930, 931; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 613; auch Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 4. 22 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 615. 23 Seiler, JuS 1987, 368, 370; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 686, Rn. 1; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 2, 4; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 615.
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Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung
kreis des Geschäftsherrn zuzuordnen, wird der Fremdgeschäftsführungswille widerleglich vermutet24. Diese Vermutung beruht auf dem Gedanken, dass jeder sich in der Regel nur um eigene Angelegenheiten kümmert, sich in der Regel nicht irrt (§ 687 Abs. 1) und auch fremde Geschäfte nicht anmaßt (§ 687 Abs. 2)25. Dadurch verkommt das Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens in den meisten Fällen zur Bedeutungslosigkeit, da regelmäßig objektiv fremde Geschäfte besorgt werden und der Geschäftsführer seine Fremdgeschäftsführungswillen nicht zu beweisen braucht. Vielmehr muss der Geschäftsherr die Vermutung durch Gegenbeweis widerlegen, was ihm oft nicht gelingen wird. Ist das Geschäft dagegen objektiv neutral oder ein objektiv eigenes Geschäft des Geschäftsführers, muss sich der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers nach außen manifestiert haben (= subjektiv fremde Geschäfte)26. In diesen ausgesprochen seltenen Fällen27, hat der Fremdgeschäftsführungswille noch seine Bedeutung beibehalten.
1. Echte Geschäftsführung ohne Auftrag a) Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683) Hat der Geschäftsführer ein fremdes Geschäft besorgt und einen Fremdgeschäftsführungswillen gehabt, ist der Weg für die Anwendung der §§ 677– 686 frei. Die weitere Unterteilung beurteilt sich sodann nach dem Geschäftsherrnwillen gem. § 683 S. 1. Hier ist zu beachten, dass der Bezugspunkt des Geschäftsherrnwillens die Übernahme ist. Diese kennzeichnet den Beginn der Einwirkung des Geschäftsführers auf den fremden Rechtskreis getragen von einem Einwirkungsentschluss. Dagegen beschreibt die Durchführung des Geschäfts die Art und Weise der Ausführung28. Entspricht die Art und Weise der Geschäftsausführung nicht dem Willen des Geschäftsherrn, kann sie einen 24 BGHZ 38, 270; 40, 28, 31; 70, 389; 82, 323; 98, 235, 240; 143, 9, 14; 164, 324, 329; 181, 188, 195; BGH NJW 1976, 2131; NJW 1979, 598; WM 1993, 217, 218; NJW 1985, 2756, 2757; 2000, 72; Rödder, JuS 1983, 930, 931; Giesen, Jura 1996, 225, 227; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 6; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 6; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1112; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 847; Lorenz, JuS 2016, 12. 25 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 6. 26 Rödder, JuS 1983, 930, 931; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 6; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 7; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1111; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 848; Lorenz, JuS 2016, 12. 27 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 73, bezeichnet das subjektiv fremde Geschäft als „totes Recht“; Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 37 bezeichnet es als „leere Kategorie“; zu Recht kritisch dagegen Gursky, AcP 185, 1985, 13, 17–18. 28 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 613, 614; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 5, § 683, Rn. 3.
A. Systematik der §§ 677 ff.
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Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 677 HS. 2 nach sich ziehen. Dieser Wille entscheidet freilich nicht über den Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1. Einen solchen kann es nur dann geben, wenn die Übernahme der Geschäftsführung (objektives Element) dem wirklichen (subjektives Element) oder mutmaßlichen Willen (objektives Element)29 des Geschäftsherrn entsprochen hat. Dabei besteht zwischen dem wirklichen Willen und dem mutmaßlichen Willen ein Subsidiaritätsverhältnis30. Erst wenn der wirkliche Wille nicht feststellbar ist, kann auf den mutmaßlichen Willen zurückgegriffen werden31. Liegt dagegen der Erstere vor, ist der diesem entgegenstehende mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich32. Genauso unbeachtlich ist auch das vor dem „wirklichen …Willen“ befindliche Merkmal des „Interesses“. Dieses ist objektiv33 auszulegen und ist mit dem „mutmaßlichen Willen“ des Geschäftsherrn eng verknüpft34. Die enge Verknüpfung zwischen dem „Interesse“ und dem „mutmaßlichen Willen“ des Geschäftsherrn führt zu einer objektiven Betrachtungsweise des konkreten Falls unter Berücksichtigung des wohlverstandenen Interesses des Geschäftsherrn35. Beim Vorliegen eines wie auch immer gearteten Übernahmewillens des Geschäftsherrn liegt eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor36. Einen Aufwendungsersatzanspruch können in diesem Moment nur noch die Voraussetzungen des § 670 zu Fall bringen. Dieser setzt neben (1) dem Vorliegen von Aufwendungen, wobei darunter nach der ganz h. M. auch risikotypische Schäden fallen37, voraus (2), dass der Geschäftsführer diese nach den Umständen für erforderlich halten durfte. Nicht notwendig ist demzufolge, dass die Aufwendungen von Erfolg gekrönt sind, sondern nur, dass sie ex ante betrachtet hätten zum Erfolg führen können38.
b) Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 684) Hat der Geschäftsführer ein fremdes Geschäft mit einem Fremdgeschäftsführungswillen besorgt, entsprach jedoch die Übernahme der Geschäftsführung 29 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 613 sprechen von einer „objektiv-subjektiven Sichtweise“. 30 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 614, kein „Alternativverhältnis“; Emmerich, BGB‑ Schuldrecht BT, 14. Aufl., 2015, § 13, Rn. 12. 31 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 683, Rn. 4. 32 Rödder, JuS 1983, 930, 932; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 614. 33 Rödder, JuS 1983, 930, 932; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 683, Rn. 4; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 859; Lorenz, JuS 2016, 12, 13. 34 Rödder, JuS 1983, 930, 932; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 614. 35 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 614. 36 Rödder, JuS 1983, 930; Giesen, Jura 1996, 225, 226: „der Idealtyp der Geschäftsführung ohne Auftrag“; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 613; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 5, § 677, Rn. 25; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 836. 37 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 683, Rn. 8; Lorenz, JuS 2016, 12, 13. 38 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 615.
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Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung
nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so liegt nach der tradierten Lehre eine sog. echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Lediglich in zwei Fällen kann der fehlende Übernahmewille überwunden werden. Zum einen, wenn der Geschäftsherr die Geschäftsführung nach § 684 S. 2 nachträglich genehmigt. In diesem Fall wird eine Geschäftsführung ex tunc zur echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag39. Und zum anderen ist nach §§ 683 S. 2, 679 das Fehlen des Übernahmewillens dann unbeachtlich, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde40. In diesem Fall wird die Geschäftsführung nicht ex tunc zu einer echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern sie war eine solche von Anfang an. Ansonsten ist der Geschäftsführer auf den § 684 S. 1 verwiesen, der einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich möglich macht. Bei diesem ist indes umstritten, ob er auf die Rechtsgründe (§ 812 ff.) – eine Rechtsgrundverweisung, oder nur auf die Rechtsfolgen (§§ 818 ff.) – eine Rechtsfolgenverweisung, Bezug nimmt. Die h. M.41 nimmt eine Rechtsfolgenverweisung an. Die nachteilige Komponente gegenüber dem Aufwendungsersatzanspruch aus § 683 S. 1 besteht beim Anspruch nach § 684 S. 1 insbesondere in der möglichen Entreicherung des Geschäftsherrn nach § 818 Abs. 3 und den Kondiktionssperren nach § 814, 815, 817 S. 2. Der Geschäftsführer trägt damit das Risiko, auf den Kosten der Geschäftsführung sitzen zu bleiben. Der Geschäftsführer haftet, wie auch der Geschäftsherr, nach h. L. nach Bereicherungsrecht42. Wie schon die Unterteilung in eine echte und eine unechte Geschäftsführung ohne Auftrag, so ist auch die Unterteilung in eine echte berechtigte und eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag aus dem Gesetz nicht 39 BGHZ 128, 40 Insofern ist
210, 213; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 684, Rn. 8. der Lösung des von Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616 geschilderten Falls nicht zuzustimmen. Der Fall lag folgendermaßen: ein verhasster Nachbar löscht das Feuer, welches dadurch entsteht, dass der Geschäftsherr bei seinen Vorbereitungen für ein Grillfest es kurz aus den Augen verliert. Hier besteht ein öffentliches Interesse daran, dass sich das Feuer nicht weiter, womöglich auf die Nachbarhäuser oder die öffentliche Straße ausbreitet, sodass die Übernahme der Geschäftsführung zwar aufgrund des zerrütteten Verhältnisses mit dem Nachbar gegen den wirklichen Willen des Geschäftsherrn geschah, dieser Wille jedoch nach §§ 683 S. 2, 679 unbeachtlich ist. 41 Rödder, JuS 1983, 930, 932; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616, wobei die Verfasser die §§ 814, 815, 817 S. 2 ebenfalls anwenden wollen, da eine Haftung des Geschäftsherrn über § 684 S. 1 kaum bezweckt sein kann; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 684, Rn. 4; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 684, Rn. 4; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 880; Lorenz, JuS 2016, 12, 13; a. A.: Gursky, AcP 185, 1985, 13, 40; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1. 42 Rödder, JuS 1983, 930, 933; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 684, Rn. 3; Emmerich, BGB‑Schuldrecht BT, 14. Aufl., 2015, § 13, Rn. 17; a. A. zu Recht Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 684, Rn. 5; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 880.
A. Systematik der §§ 677 ff.
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zu entnehmen und war vom Gesetzgeber nicht intendiert gewesen. Auch diese Ausdifferenzierung ist der tradierten Lehre zu verdanken.
2. Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag a) Irrtümliche oder vermeintliche Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1) Lag nun ein objektiv fremdes Geschäft vor, fehlte es aber an einem Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers, befindet man sich im Anwendungsbereich des § 687, und damit im Bereich der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag. Diese kann auch als Eigengeschäftsführung bezeichnet werden43. § 687 lässt sich in die sog. vermeintliche Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1) und die angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 2) zerlegen. Bei der vermeintlichen Geschäftsführung verkennt der Geschäftsführer die Zugehörigkeit des Geschäfts, indem er irrtümlicherweise davon ausgeht, das Geschäft gehöre in seinen Rechts- und Interessenkreis. Auf diese Geschäftsführung finden die Vorschriften der §§ 677–686 keine Anwendung. Hier können dagegen Vorschriften aus anderen Schuldverhältnissen, naheliegend insbesondere die aus dem Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.), in direkter Weise Anwendung finden.
b) Angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 2) Wusste der Geschäftsführer, dass das von ihm ausgeführte Geschäft ein fremdes ist und ihm eine Berechtigung zur Ausführung versagt blieb, und führte er dennoch das Geschäft aus, handelte also gegen den Willen des Geschäftsherrn, so liegt eine angemaßte Geschäftsführung vor44. Der Geschäftsführer erscheint dem Gesetzgeber in diesem Fall als wenig schutzwürdig. Dieser versagt seiner Geschäftsführung grundsätzlich die Anwendung der §§ 677–686 und damit insbesondere den Aufwendungsersatzanspruch aus § 683 S. 1. Er versagt ihm aber auch grundsätzlich den Anspruch aus §§ 684 S. 1, 812 ff. Aus § 687 Abs. 2 S. 2 folgt, dass dieser Anspruch dem Geschäftsführer nur dann zusteht, wenn der Geschäftsherr im Falle einer angemaßten Geschäftsführung seinerseits die sich aus §§ 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche geltend gemacht hat. Nur bei positiver Ausübung des Wahlrechts durch den Geschäftsherrn kann sich ein Anspruch aus §§ 684 S. 1, 812 ff. ergeben45. Andernfalls bleibt für den Geschäftsführer nur der direkte Weg zu anderen gesetzlichen Schuldverhältnissen, 43 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 615; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 6. 44 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 7 spricht von der „unerlaubten Eigengeschäftsführung“. 45 So auch Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616.
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Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung
insbesondere zum Bereicherungsrecht, offen46. Dieser Weg kann für den Geschäftsführer indes mit Nachteilen verbunden sein (etwa wegen § 818 Abs. 3).
B. Rechtsfolgen Nun gilt es im Einzelnen die Rechtsfolgen zu erörtern. Diese hängen, wie bereits teilweise dargestellt, von der Art der vorliegenden Geschäftsführung ohne Auftrag ab.
I. Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag 1. Aufwendungsersatz nach §§ 683 S. 1, 670 Liegt eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor, kann der Geschäftsführer den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Der Begriff der Aufwendungen umfasst nach h. M. auch risikotypische Schäden47. Nach ebenfalls h. M. kann nach §§ 683 S. 1, 670 in gewissen Fällen eine Vergütung verlangt werden. Das erscheint auf den ersten Blick der Natur des § 670 im System des Auftragsrechts zu widersprechen. § 670 dient im Auftragsrecht (§§ 662 ff.) dazu, den Beauftragten schadlos zu stellen. Andererseits soll er durch die Geschäftsführung nichts gewinnen. Deshalb kann grundsätzlich nach § 670 keine Vergütung verlangt werden48. Der Wortlaut des § 683 S. 1 deutet vielmehr darauf hin, eine einheitliche Beurteilung auch im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag vorzunehmen („so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen“). Das Wort „wie“ nach § 683 S. 1 ist i. S. v. „entsprechend“ zu verstehen. Demnach ist eine Gleichbehandlung nur bei vergleichbarer Interessenlage angebracht. Hier unterscheiden sich freilich die §§ 662 ff. von den §§ 677 ff., indem die letzteren, so die überwiegende Auffassung, eine fremdnützige Menschenhilfe begünstigen wollen49. Deshalb kann auch eine Vergütung verlangt werden, freilich nur von demjenigen, zu dessen beruflichen Tätigkeiten die Geschäftsführung zählt. Die rechtliche Grundlage findet man dafür in der analogen Anwendung des § 1835 Abs. 350. 46
Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616. BGH NJW – RR 2005, 1426, 1428; BGH NZM 2005, 536, 539; BGH NJW – RR 1989, 970, 970 f.; umfassend dazu Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 17 ff.; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 62; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 683, Rn. 18–19; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 683, Rn. 7; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 683, Rn. 8; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1118; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 870; Lorenz, JuS 2016, 12, 13. 48 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 10. 49 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 10. 50 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 10; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 58; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 683, Rn. 24; Mansel, in: 47
B. Rechtsfolgen
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Der Anspruch aus §§ 683 S. 1, 670 ist auch bei einem entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn bzgl. der Übernahme der Geschäftsführung gegeben, wenn ohne die Übernahme der Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde (§§ 683 S. 2, 679). Der Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 scheidet freilich dann aus, wenn der Geschäftsführer nach § 685 Abs. 1 eine Schenkungsabsicht hatte. Eine solche liegt im Zweifel nach § 685 Abs. 2 dann vor, wenn Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen Unterhalt gewähren.
2. Pflicht des Geschäftsführers zur interessengerechten Geschäftsführung nach § 677 HS. 2 Der Geschäftsführer ist nach § 677 HS. 2 dazu verpflichtet das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert. Der Wortlaut aus § 677 HS. 2 unterscheidet sich in Bezug auf die Beachtung des Willens von dem des § 683 S. 1. Daraus zieht die h. M. die Berechtigung für eine andere Beurteilung. Während beim § 683 S. 1 der wirkliche Wille, und damit ein subjektives Element, Vorrang genießt und erst, wenn dieser nicht feststellbar ist, auf die objektiven Merkmale des mutmaßlichen Willens und Interesses zurückgegriffen werden darf (Subsidiaritätsverhältnis), steht beim § 677 HS. 2 das „Interesse“ und damit ein objektives Element im Vordergrund51. Entspricht die Geschäftsführung, womit die Art und Weise der Durchführung des Geschäfts gemeint ist, nicht dem Willen des Geschäftsherrn, kann sich der Geschäftsführer nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 1 schadensersatzpflichtig machen. Voraussetzung dafür ist neben der willenswidrigen Geschäftsführung ein Vertretenmüssen (§ 280 Abs. 1, S. 2) und die Entstehung eines zurechenbaren Schadens. Als Verschuldensmaßstab gilt § 276 Abs. 1, S. 1, wobei auch hier die spezielle Regelung des § 680 eingreifen kann52.
3. Anzeige- und Wartepflicht des Geschäftsführers nach § 681 S. 1 Gem. § 681 S. 1, Var. 1 hat der Geschäftsführer grundsätzlich die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, dem Geschäftsherrn anzuzeigen und gem. § 681 S. 1, Var. 2 dessen Entschließung abzuwarten. In den meisten Fällen wird der Geschäftsherr indes nicht anwesend sein oder der GeschäftsJauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 683, Rn. 6; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 871; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1118; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 683, Rn. 11. 51 Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 52; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1274. 52 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 677, Rn. 32.
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Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung
führer gar nicht die Person des Geschäftsherrn kennen, dem er die Übernahme anzeigen könnte. Oft wird auch die Geschäftsführung gerade an der Person des Geschäftsherrn durchgeführt, wie dies etwa bei der medizinischen Versorgung des Geschäftsherrn der Fall ist, sodass eine Anzeige entweder nicht möglich oder nicht tunlich ist. Eine Anzeige muss dann nicht stattfinden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, die Entschließung abzuwarten. In diesem Fall entfällt auch seine Wartepflicht.
4. Benachrichtigungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nach §§ 681 S. 2, 666 Während sich die Anzeigepflicht auf die Übernahme der Geschäftsführung bezieht, beziehen sich die Informationspflichten aus §§ 681 S. 2, 666 auf die eigentliche Durchführung und ihre Beendigung. § 666 muss in drei Informationspflichten zerlegt werden. Zunächst ist der Geschäftsführer verpflichtet dem Geschäftsherrn „die erforderlichen Nachrichten zu geben“ (§ 666 Var. 1). Man spricht von der Benachrichtigungspflicht53. Sie bezieht sich auf die notwendigen Momente der Geschäftsführung, als diese noch im Prozess der Ausführung ist54. Diese Pflicht muss der Geschäftsführer von sich aus erfüllen55. Eines Verlangens nach der Benachrichtigung durch den Geschäftsherrn bedarf es nicht. Dagegen ist der Geschäftsführer zur Auskunft über den Stand des Geschäfts („über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen“) erst nach einem entsprechenden Verlangen des Geschäftsherrn verpflichtet (§ 666 Var. 2). Hier handelt es sich nicht um Informationen, die von besonders großer Wichtigkeit sind. Die Letzteren muss der Geschäftsführer nach § 666 Var. 1 von sich aus an den Geschäftsherrn weitergeben. Es handelt sich vielmehr um routinemäßige Informationen über den Stand der Geschäftsführung. Schließlich ist der Geschäftsführer nach der Beendigung der Geschäftsführung gem. §§ 681 S. 2, 666 Var. 3 verpflichtet, Rechenschaft abzulegen („nach Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen“). Auch hier bedarf es nach der allg. Auffassung eines „Verlangens“56. Handelt der Geschäftsführer entgegen den Informationspflichten nach §§ 681 S. 2, 666, kann er sich nach §§ 280 Abs. 1, 681 S. 2, 666 schadensersatzpflichtig machen.
53 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 681, Rn. 3; Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 666, Rn. 1. 54 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 681, Rn. 3; Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 666, Rn. 6. 55 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 666, Rn. 8. 56 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 666, Rn. 13.
B. Rechtsfolgen
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5. Herausgabepflicht des Geschäftsführers nach §§ 681 S. 2, 667 Neben dem Aufwendungsanspruch des Geschäftsführers nach § 683 S. 1 ist der Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn nach §§ 681 S. 2, 667 wohl die wichtigste Rechtsfolge der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Danach hat der Geschäftsführer alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsführung erlangt, an den Geschäftsherrn herauszugeben. Das Erhaltene oder Erlangte muss demnach in einem inneren Zusammenhang mit der Geschäftsführung stehen57. Das „bei Gelegenheit“ Erhaltene oder Erlangte ist nicht Gegenstand der Herausgabe nach § 667. Dabei ist der Anspruch aus § 667 gegenständlich-objektiv und nicht lediglich wertmäßig-vermögensbezogen zu verstehen58, d. h. es ist nicht nur Wertersatz zu leisten, sondern der erlangte Gegenstand selbst herauszugeben.
6. Verzinsungspflicht des Geschäftsführers nach §§ 681 S. 2, 668 Schließlich hat der Geschäftsführer das Geld, das er „für sich“ verwendet, welches er jedoch dem Geschäftsherrn herauszugeben oder für diesen zu verwenden hat, von der Zeit der Verwendung an zu verzinsen. In der Regel wird das Geld für die Ausführung des Geschäfts verwendet und damit nicht für den Geschäftsführer, sodass dieser Verzinsungsanspruch eine Randerscheinung darstellt.
7. Privilegierung nach § 682 Schadensersatzansprüche eines Geschäftsunfähigen oder eines beschränkt Geschäftsfähigen beurteilen sich nach § 682 nicht nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern ausschließlich nach Deliktsrecht (§§ 823 ff.) und nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.). Umstritten ist, ob dem nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer im Falle einer echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1, und im Falle einer echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ein Herausgabeanspruch nach § 684 S. 1 i. V. m. §§ 818 ff. zusteht. In Frage steht somit, ob § 682 auch Rechte des nicht voll Geschäftsfähigen ausschließt. Fraglich ist auch, ob der nicht voll Geschäftsfähige der Durchführungspflicht nach § 677 HS. 2, der Anzeige- und Wartepflicht nach § 681 S. 1 und den Benachrichtigungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nach §§ 681 S. 2 i. V. m. 666 unterliegt. Diese spezielle Frage wird vor dem Hintergrund der analogen Anwendung der §§ 104 ff. auf das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag erörtert. Da alle diese Fragen spezieller Natur sind und es sich eine verfestigte 57 58
Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 667, Rn. 7. Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 667, Rn. 10; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 681, Rn. 10.
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Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung
tradierte Lehre diesbezüglich nicht herausgebildet hat, gilt es auf die detaillierten Ausführungen im Kapitel 5 zu verweisen.
II. Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag 1. Herausgabeansprüche des Geschäftsführers nach Bereicherungsrecht Aufgrund des fehlenden Übernahmewillens des Geschäftsherrn scheidet der Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683 S. 1, 670 für den Geschäftsführer einer echten, aber unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag aus. In diesem Fall kann der Geschäftsführer nur die Herausgabe des Erlangten nach Bereicherungsrecht verlangen (§§ 684 S. 1, 818 ff.). Wie bereits erörtert, handelt es sich nach h. M. um eine Rechtsfolgenverweisung, sodass die §§ 812–817 nicht geprüft zu werden brauchen (s. o). Das insbesondere Nachteilige an diesem Anspruch im Vergleich zum Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 683 S. 1, 670 besteht in der Gefahr der Entreicherung des Geschäftsherrn nach § 818 Abs. 3. Dieses Risiko bürdet der Gesetzgeber dem Geschäftsführer dennoch auf, weil die Einmischung in fremde Angelegenheiten in allen Fällen eine ernste Angelegenheit bleibt und der Geschäftsführer immer mit dem fehlenden Willen des Geschäftsherrn rechnen muss.
2. Schadensersatzanspruch des Geschäftsherrn aus §§ 678, 683 Stand die Übernahme der Geschäftsführung dagegen nicht im Einklang mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen und musste der Geschäftsführer dies erkennen, so ist der Geschäftsführer, vorausgesetzt die sonstigen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs, nämlich Verschulden und die Entstehung eines zurechenbaren Schadens, sind gegeben, auch dann schadensersatzpflichtig, wenn ihm ein sonstiges Verschulden nicht zur Last fällt. Der Verschuldensmaßstab richtet sich nach § 276. Es braucht sich nicht auf die Entstehung eines Schadens zu erstrecken59.
3. Pflicht des Geschäftsführers zur interessengerechten Geschäftsführung nach § 677 HS. 2 Trotz der Tatsache, dass es sich um eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handelt und der Geschäftsführer die Ausführung des Geschäfts zu unterlassen hat, befreit dies den Geschäftsführer nach überwiegender Auffassung60 59
RGZ 158, 302, 313. Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 5; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 677 ff., Rn. 12; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 45 ff.; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 677, Rn. 7; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 677, Rn. 28; a. A. Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, 60
B. Rechtsfolgen
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nicht von der Pflicht, so er das Geschäft bereits führt, es entsprechend des Interesses des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf wirklichen oder mutmaßlichen Willen auszuführen. Somit kann es auch bei der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 geben, wobei auch hier zu beachten ist, dass der Verschuldensmaßstab auf das Niveau des § 680 abgesenkt werden kann.
4. Pflichten des unberechtigten Geschäftsführers nach § 681? Dagegen ist die Frage, ob der Geschäftsführer einer echten, aber unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag den Anzeige- (§ 681 S. 1), Informations(§§ 681 S. 2, 666), Herausgabe-, (§§ 681 S. 2, 667) und Verzinsungspflichten (§§ 681 S. 2, 668) unterliegt, innerhalb der tradierten Lehre umstritten. Die früher h. M. versagte die Anwendung des § 681 auf eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag61, während die heute eher überwiegende Auffassung den § 681 auch auf diese anwendet62.
5. Privilegierung nach § 682 Auch im Bereich der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag findet die Privilegierung für Geschäftsunfähige wie für beschränkt Geschäftsfähige nach § 682 Anwendung. Gegen solche Geschäftsführer sind Schadensersatzansprüche nur nach Deliktsrecht (§§ 823 ff.) und nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.) möglich.
III. Vermeintliche Geschäftsführung ohne Auftrag Die Rechtsfolgen der vermeintlichen Geschäftsführung ohne Auftrag sind klar und endgültig. Auf diese finden die Vorschriften der §§ 677–686 keine Anwendung. Damit ist nur der Weg zu anderen gesetzlichen Schuldverhältnissen frei.
Rn. 8; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 57, S. 437; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1281. 61 BGH NJW 1995, 1154, 1155; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 57 IIa befürworten nur die Anwendung des § 681 S. 1 auf die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1281. 62 BGH NJW 1984, 1461, 1462; BGH NJW‑RR 1990, 109, 110; BayOLG NJW‑RR 2000, 155, 156; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 681, Rn. 6; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 15. 06. 2017, § 681, Rn. 1; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 681, Rn. 2 f.; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 681, Rn. 1; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 681, Rn. 3; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 681, Rn. 2.
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Kapitel 2: Verständnis der überwiegenden Auffassung
IV. Angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag Die Vorschriften der §§ 677–686 finden auch auf die angemaßte Geschäftsführung keine Anwendung, wenn der Geschäftsherr sein Wahlrecht ruhen lässt. Übt er es dagegen aus, sind die §§ 677–686 teilweise anwendbar („geltend machen“). Bei § 687 Abs. 2 handelt es sich um eine Rechtfolgenverweisung63. In diesem Fall entstehen folgende Rechtsfolgen.
1. Herausgabeansprüche nach Bereicherungsrecht gem. §§ 687 Abs. 2, S. 2, 684 S. 1, 818 ff. Der angemaßte Geschäftsführer kann wie der unberechtigte Geschäftsführer die entstandene Bereicherung vom Geschäftsherrn verlangen. Ist der Geschäftsherr entreichert (§ 818 Abs. 3), so bleibt der angemaßte Geschäftsführer auf den Kosten sitzen.
2. Pflicht zur interessengemäßen Geschäftsausführung Ob der angemaßte Geschäftsführer zur interessengemäßen Geschäftsführung verpflichtet ist, ist umstritten64. Die wohl h. M. spricht sich für eine solche Pflicht aus. Verletzt der Geschäftsführer also schuldhaft seine Pflicht, haftet er dem Geschäftsherrn nach §§ 280 Abs. 1, 687 Abs. 2, S. 1, 677 HS. 2.
3. Schadensersatzanspruch nach §§ 687 Abs. 2, S. 1, 678, 683 S. 1 Beim fehlenden Übernahmewillen des Geschäftsherrn kann diesem, falls ihm durch die Geschäftsführung ein Schaden entstanden ist und der Geschäftsführer die willenswidrige Übernahme zu vertreten hat, ein Schadensersatzanspruch nach §§ 687 Abs. 2, S. 1, 678, 683 S. 1 gegen den Geschäftsführer zustehen.
4. Pflichten nach §§ 687 Abs. 2, S. 1, 681 Der Geschäftsführer ist außerdem zur Anzeige (§§ 687 Abs. 2, S. 1, 681 S. 1), zur Benachrichtigung (§§ 687 Abs. 2, S. 1, 681 S. 2, 666 Var. 1), zur Auskunft (§§ 687 Abs. 2, S. 1, 681 S. 2, 666 Var. 2) und zur Rechenschaft (§§ 687 Abs. 2, S. 1, 681 S. 2, 666 Var. 3) gegenüber dem Geschäftsherrn verpflichtet. 63 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 687, Rn. 42; Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 151. 64 Dafür: Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 687, Rn. 45; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 57, II., b), S. 453; Plate, Das gesamte examensrelevante Zivilrecht, 6. Aufl., 2016, S. 1033; wohl auch Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 883 ff.; Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2014, S. 449; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1123; Dagegen: Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 150; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 687, Rn. 7.
B. Rechtsfolgen
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Schwieriger gestaltet sich die Lage in Bezug auf den Herausgabeanspruch nach §§ 687 Abs. 2, S. 1, 681 S. 2, 667. Hier besteht die Gefahr eines juristischen Zirkelschlusses. Einerseits schuldet der Geschäftsherr dem angemaßten Geschäftsführer die Herausgabe der Bereicherung nach §§ 687 Abs. 2, S. 2, 684 S. 1, 818 ff. Andererseits schuldet der Geschäftsführer nach §§ 687 Abs. 2, S. 2, 681, S. 2, 667 die Herausgabe des Erhaltenen und Erlangten aus der Geschäftsführung. Es kann daher sein, dass der Geschäftsführer wieder herausgeben muss, was er im Rahmen des Anspruchs aus §§ 687 Abs. 2, S. 2, 684 S. 1, 818 ff. erhalten hat. Das kann der Gesetzgeber kaum gewollt haben. Vielmehr wird der Geschäftsherr nach §§ 687 Abs. 2, S. 2, 684 S. 1, 818 ff. verpflichtet, die ihn bereichernden Aufwendungen zu erstatten65.
5. Privilegierung nach §§ 687 Abs. 2, S. 1, 682 Wie bereits bei der echten berechtigten und unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, so beurteilen sich auch im Bereich der angemaßten Geschäftsführung ohne Auftrag die Schadensersatzansprüche gegen einen Geschäftsführer, der geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, nach den Vorschriften des Deliktsrechts (§§ 823 ff.) und nach den Vorschriften einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff.).
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RGZ 138, 45, 50; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 687, Rn. 9.
Kapitel 3
Das Kernproblem der Geschäftsführung ohne Auftrag Das zentrale Merkmal bei der Eröffnung des Anwendungsbereiches der Geschäftsführung ohne Auftrag ist nach der überwiegenden Meinung das fremde Geschäft. Seine Definition als die Zugehörigkeit eines Geschäfts zum Rechtsund Interessenkreis des Geschäftsherrn lässt jedoch erahnen, dass sich darunter fast jeder Sachverhalt, der eines vermögensrechtlichen Ausgleichs bedarf, subsumieren lässt1. Der Begriff des „fremden Geschäfts“ ist zu weit geraten, wenn nicht konturlos geworden. Dies ermöglichte der Rechtsprechung seit jeher auf die Geschäftsführung ohne Auftrag immer dann zu rekurrieren, wenn ein vermögensrechtlicher Ausgleich nach anderen Abwicklungssystemen nicht oder nicht in billigenswerter Weise gelingt. Die Geschäftsführung ohne Auftrag hat damit schnell in der Praxis den Charakter eines Sammel- oder Auffangstatbestandes bekommen2, was durch die Umfassung des sog. „Auch-fremden Geschäfts“ zusätzlich verschärft wurde. Das Maß zum Überlaufen brachte schließlich die von der Rechtsprechung propagierte Auffassung3, die nach §§ 134, 138 nichtig gewordenen Verträge grundsätzlich auch den Bestimmungen der §§ 677 ff. zu unterwerfen. Damit war die Grenze zum konkurrierenden Bereicherungsrecht verschwommen, wenn nicht ganz aufgelöst. Das Erfordernis des ebenso zentralen Merkmals des Fremdgeschäftsführungswillens hat dabei nicht das Potential den ausgeuferten Anwendungsbereich einzuschränken. Die bei einem objektiv fremden Geschäft bestehende widerlegliche Vermutung dieses Willens führt dazu, dass der Geschäftsherr dazu aufgerufen ist, das Fehlen des Fremdgeschäftsführungswillens zu beweisen. Dabei handelt es sich jedoch um einen Bereich, der dem Geschäftsherrn in den allermeisten Fällen verschlossen ist. Legt man, wie die tradierte Lehre, außerdem dem Fremdgeschäftsführungswillen die Natur eines wirklichen bzw. empirischen Willens, und nicht wie in der Literatur, insbesondere von Wittmann4 und Bergmann5 versucht wurde, den normativen Willen, zugrunde, so schwinden 1
Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 10. Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 37; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, S. 436. 3 Vgl. Kapitel 4, K., S. 277. 4 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 26. 5 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 49–50; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 31. 2
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Kapitel 3: Das Kernproblem der Geschäftsführung ohne Auftrag
die Beweismöglichkeiten des Geschäftsherrn beträchtlich. Das Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens verkommt auf diesem Wege zur Bedeutungslosigkeit, bedenkt man dabei noch, dass die Anzahl der Geschäftsführungen, im Rahmen derer ein subjektiv fremdes Geschäft besorgt wird, äußerst gering, um nicht zu sagen, dass diese Geschäftsausprägung vielmehr theoretischer Natur ist6. In der überwältigenden Mehrheit der Fälle wird vielmehr ein objektiv fremdes Geschäft geführt, bei dem der Fremdgeschäftsführungswille mit genauso überwältigender Häufigkeit anzunehmen ist. Nicht verwundern kann daher, dass Thole die Geschäftsführung ohne Auftrag als eine „terra incognita“7 apostrophierte. Andere beklagen die „Denaturierung“ der Geschäftsführung ohne Auftrag8 und fordern eine „Flurbereinigung“ bei diesem gefährlich weiten Mittel des Lastenausgleichs9. Die Gefährlichkeit der echten Geschäftsführung ohne Auftrag beschränkt sich indes nicht auf ihren ausgeuferten Anwendungsbereich. Bestünde das Problem „nur“ darin, wäre die Sachlage schlimm, aber noch unter Schmerzen erträglich. Die der echten (berechtigten und unberechtigten) Geschäftsführung ohne Auftrag im Verhältnis zu anderen gesetzlichen Schuldverhältnissen zugesprochene Legitimationswirkung (Rechtsgrund i. S. v. § 812, Recht zum Besitz i. S. v. § 986, Rechtfertigungsgrund im Rahmen von § 823, sogar ein strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund), mit der Folge eines tatbestandlichen Ausschlusses dieser obligationsbegründenden Normen, legalisiert angesichts des uferlosen Anwendungsbereiches der §§ 677 ff. auch solche Geschäftsführungen, die aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Recht und Gesetz primärer Anwendungsgegenstand der angesprochenen Obligationen sind, und beraubt diese ihres Regelungsbereiches. An Versuchen, den Regelungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag dogmatisch zu konkretisieren, mangelte es freilich nicht. Die Bilanz dieser Bemühungen ist jedoch mehr als ernüchternd. Keiner der bisher ausgearbeiteten Lösungsansätze konnte einen überzeugenden Erfolg verzeichnen, der es zum einen vermochte, die dogmatische Grundlage dieses Instituts zu ergründen und zum anderen die Handhabung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag und insbesondere die Einschränkung ihres Regelungsbereiches in der Praxis zu ermöglichen. Die Lösung dieses fundamentalen Problems gelang auch Bergmann mit seinem in seiner Habilitationsschrift ausgearbeiteten Subordinationsmodell nicht, sodass die Suche nach dem richtigen Verständnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag weitergehen wird. Manche beschwö6 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 73, bezeichnet das subjektiv fremde Geschäft als „totes Recht“; Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 37 bezeichnet es als „leere Kategorie“; zu Recht kritisch dagegen Gursky, AcP 185, 1985, 13, 17–18. 7 Thole, NJW 2010, 1243. 8 Auch die 1. Kommission hat die Gefahr der Denaturierung erkannt und versuchte durch den Fremdgeschäftsführungswillen diese Gefahr einzudämmen, Motive II, 1888, S, 871. 9 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89.
Kapitel 3: Das Kernproblem der Geschäftsführung ohne Auftrag
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ren eine existenzielle Krise der geschäftsführungsrechtlichen Doktrin10. Andere beklagen, dass die vorhandene Theorievielfalt wenig hilfreich ist11. Dritte sprechen resigniert von der Unmöglichkeit, den dogmatischen Grundgedanken der §§ 677 ff. zu entwickeln12. Seiler rät bereits dazu, eine „erneute begriffliche und terminologische Unruhe diesem Gebiet nach den vergangenen jahrhundertelangen Auseinandersetzungen und der im Wesentlichen geglückten Konsolidierung durch den BGB‑Gesetzgeber“ zu ersparen13. Diese Empfehlung klingt wie eine Kapitulationserklärung. Und tatsächlich ist die Bestimmung der geschäftsführungsrechtlichen Doktrin ein äußerst anspruchsvolles Anliegen. Andererseits darf ans Aufgeben nicht gedacht werden. Solange die Handhabung der Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Rechtsprechung uferlos bleibt, woraus eine permanente und ernstzunehmende Gefahr eines weiten Lastenausgleichsinstruments resultiert, darf die Rechtswissenschaft sich nicht mit diesem äußerst kläglichen Ergebnis begnügen. Erst recht dürfte die Suche weitergehen. Erst recht sollte die Forschung in diesem Bereich intensiviert werden. Dass diese bisher keine „Lorbeeren“ verdient, wird bei der Auseinandersetzung mit den einzelnen Theorien deutlich werden. Bereits die Irrungen um die Theorie der Menschenhilfe geben Anlass zur Sorge. Insofern bleibt die Doktrin der Geschäftsführung ohne Auftrag ein ungelöstes, aber dringend zu lösendes Problem. Diese Aufgabe hat sich der Verfasser gesetzt. Dass dabei bestimmte festgesetzte, zum Teil eingerostete Denkmuster, gebrochen werden müssen und der Leser zu einem Umdenken bewegt wird, kann kaum unterbleiben.
10 Jansen, ZEuP 2007, 958, 980 ff. 11 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse,
8. Aufl., 2017, § 2, Rn. 4. Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, Vorbemerkungen, Rn. 1. 13 Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 23b. 12
Kapitel 4
Stand der Meinungen A. Keine Theorie der Menschenhilfe! I. Die Ursprünge der Theorie der Menschenhilfe Die Theorie der Menschenhilfe1 ist bereits in der christlich-jüdischen Tradition unmissverständlich enthalten, aus der nach der Menschenhilfe Ge- und Verbote abgeleitet werden. Berühmt ist Deuteronomium 22, 1 f. in dem es heißt: „Wenn du deines Bruders Ochsen oder Schaf siehst irregehen, so sollst du dich nicht entziehen von ihnen, sondern solltest sie wieder zu seinem Bruder führen. Wenn aber dein Bruder dir nicht nahe ist und du kennst ihn nicht, so sollst du sie in dein Haus nehmen, daß sie bei dir seien, bis sie dein Bruder suche, und sollst sie ihm dann wiedergeben“
Daraus wurde eine Tätigkeitspflicht begründet, die den Rang einer Rechtspflicht einnahm2. Auch im römischen Recht gibt es einen Ausdruck der Menschenhilfe in der amiticia3. Der Inhalt dieser Theorie ist folgender. Das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag ist altruistisch anzusehen. Es berücksichtigt nur eine freiwillige, uneigennützige und nicht aufdringliche Hilfeleistung zugunsten des Geschäftsherren.
II. Die Theorie der Menschenhilfe im BGB Die Lehre hatte nie eine Hemmschwelle, die Theorie der Menschenhilfe zur Argumentation und insbesondere zur Kritik an der uferlosen Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag zu instrumentalisieren. Die Heranziehung jenes Gedankens geschah regelmäßig auf der abstrakten Ebene, als Vorfrage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Instituts der Geschäftsführung ohne Auf1 Umfassend zu den Ursprüngen und der weiteren Entwicklung der Geschäftsführung ohne Auftrag beginnend mit der christlich-jüdischen sowie römischen Tradition bis zur heutigen Zeit, Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 18 ff.; auch Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 23b lobt seinen unbestrittenen Verdienst: die veröffentlichte Habilitationsschrift von Bergmann „beeindruckt vor allem durch reichhaltiges, auch rechtshistorisches und rechtsvergleichendes Material“. 2 Schneider, in: Wuppertaler Studienbibel, 1994, S. 211. 3 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 18.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
trag, ohne dabei die Menschenhilfe zu einem Tatbestandsmerkmal im Rahmen des § 677 zu erheben4. So war Canaris der Auffassung, dass die „Heranziehung“ des Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag dann sachgemäß sei, wenn es um die „freiwillige Menschhilfe“ gehe – eine Problematik, die der Gesetzgeber mit diesem Institut habe lösen wollen5. Frotz sah die Annahme einer Fremdgeschäftsführung ohne Auftrag als grundsätzlich verboten an, wenn der Geschäftsführer (auch) eigene Verpflichtungen, erfüllt habe und prognostizierte, dass die Begrenzung der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die Fälle der „altruistischen Fürsorge“, der allgemeinen „Menschenhilfe“ sich endlich durchzusetzen scheine6, indem er auf die Rechtsprechung des BGH7 verwies. Auch andere stellten bezüglich des Eingreifens der Geschäftsführung ohne Auftrag auf das altruistische Verhalten ab8. Einen weiteren Schritt ging dagegen (womöglich9) Schlechtriem, indem er den Regelungsbereich der §§ 677 ff. bei der fehlenden, diesen Bereich „kenn4 Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 4 resümiert zutreffend, dass bei den meisten Autoren unklar sei, ob sie die Menschenhilfe als eine Theorie ansehen, aus der sich konkrete tatbestandliche Auswirkungen ergeben, oder ob sie als bloßes „Leitbild“ fungiert. In der Tat kann aus den, meistens knappen, Aussagen der Autoren zu der Bedeutung der Menschenhilfe kaum der sichere Schluss gezogen werden, dass die Menschenhilfe keine tatbestandlichen Konsequenzen nach sich ziehen soll. Dennoch kann aus dem Wortlaut der Aussagen die wahrscheinlichere Verortung des Menschenhilfegedankens abgeleitet werden. Aus diesem Grund ist es auch wenig überzeugend, wenn Hader, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Anspruchsgrundlage bei gescheiterten Verträgen, 2006, S. 161, die Einschränkung der Geschäftsführung ohne Auftrag mittels der Theorie der Menschenhilfe darin sieht, dass das Tatbestandsmerkmal der Fremdgeschäftsführungsabsicht ausschließlich uneigennütziges Verhalten umfassen sollte, in dem er sich auf Melullis, Das Verhältnis von Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung, 1972, S. 4 ff. beruft. Auch Melullis betrachtete den Gedanken der Menschenhilfe vielmehr auf der abstrakten Ebene, als dieser ausführte, die „Geschäftsführung ohne Auftrag [sei] …nach Vorstellung [der BGB‑Verfasser] auf … Menschenhilfe zugeschnitten“, S. 3.; auch Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 17 sieht die Theorie der Menschenhilfe wohl eher auf der abstrakten Ebene, wenn er meint, dass „die Honorierung altruistisch motivierter fremdnütziger Tätigkeit als Hauptaufgabe der Rechtsfigur angesehen wird“. 5 Canaris, JZ 1963, 655, 659; neuerdings auch Dornis, ZJS 2013, 216, 219, obwohl er die Geschäftsführung ohne Auftrag auf der Schnittstelle zwischen realem und hypothetischem Vertrag sieht und daher vielmehr zu Quasikontrakttheorien tendiert (s. u.). 6 Frotz, JZ 1964, 665, 669. 7 BGHZ 38, 270, 276 = JZ 1963, 547, 548. 8 v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 362; Diekmann, JuS 1969, 101, 104; Eberhardt, AcP 171, 1971, 289, 312; Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 66, der die Hilfeleistung als einen „normadäquaten Bereich der berechtigten Geschäftsführung“ ansieht; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1259: die Geschäftsführung ohne Auftrag habe „ihre praktische Bedeutung … vor allem bei Hilfeleistungen“; Helm, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, 336, 362: „Insgesamt erscheint es daher zutreffend, die Ermutigung zur Leistung von Hilfe für andere nach wie vor als die wichtigste Funktion der GoA zu betrachten“, auch S. 385 9 Vgl. Fn. 4.
A. Keine Theorie der Menschenhilfe!
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zeichnenden altruistischen Absicht“ des Geschäftsführers ausschloss10. Bei ihm entsteht vielmehr der Eindruck, dass er die altruistische Absicht des Geschäftsführers als ein Tatbestandsmerkmal qualifizierte. Zu Recht maß Schubert der „Theorie der Menschenhilfe“ nicht die Funktion der Präzisierung des Tatbestandes der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bei11. Aus diesem Grunde kann sie, untersucht man die „tatbestandlichen Theorien“ der Geschäftsführung ohne Auftrag, nicht mit der noch zu erörternden Quasikontrakttheorie, den objektiven Theorien, den subjektiven Theorien, unter die auch die von Bergmann befürwortete Subordinationstheorie zu fassen ist, auf die gleiche Stufe gestellt werden. Die Theorie der Menschenhilfe nimmt wegen ihrer Verortung auf der abstrakten Ebene einen eigenen Platz ein und müsste scharf von anderen Deutungsversuchen abgegrenzt werden. Wenn überhaupt, kann dieser Theorie die Funktion eines „Leitbildes“ zukommen12. Diese Qualifizierung ist freilich, wie sogleich zu zeigen sein wird, ebenfalls kaum gerechtfertigt.
III. Kritik und Stellungnahme Bei der Frage, ob die Theorie der Menschenhilfe eine dogmatische Grundlage der Geschäftsführung ohne Auftrag bilden kann, hat sich insbesondere die Untersuchung von Wollschläger13 verdient gemacht. Sein Untersuchungsprogramm bestand aus drei Punkten: (1) Verifizierung der Rechtswirklichkeit mit der Theorie der Menschenhilfe, (2) Zugrundelegung der Theorie der Menschenhilfe als normative, rechtspolitische Aussage der Geschäftsführung ohne Auftrag, und (3) Präzisierung des Grundtatbestandes der Menschenhilfe14. Diese Vorgehensweise bietet sich auch hier an, weil sie zum einen zeigen wird, wo die nach Ansicht von Wollschläger angebliche „herrschende Meinung“ – die Theorie der Menschenhilfe einer (berechtigten) schwerwiegenden Kritik ausgesetzt ist und wo die Argumente von Wollschläger an Überzeugungskraft entbehren und darum keine Berücksichtigung finden können. 10 Schlechtriem, NJW 1966, 1795. 11 Schubert, AcP 178, 1978, 425, 431.
12 In diese Richtung geht schon früh Gursky, JurA 1969, 103, 113–114: „Daß GoA grundsätzlich altruistische Fürsorge für die Angelegenheiten anderer ist, trifft zu. Daraus darf man jedoch nicht den Schluß ziehen, daß eine GoA nie vorliegen könnte, wenn der Geschäftsführer mit der Geschäftsbesorgung zugleich eine eigene Verpflichtung erfüllt. Die GoA‑Regeln enthalten kein Tatbestandselement, das ihre Anwendung auf die Fälle echter Menschenhilfe beschränkt. Die GoA ist vielmehr typischerweise ‚Menschenhilfe‘“; Schubert, AcP 178, 1978, 425, 431; Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 18; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 13; Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 4; alle lehnen die Theorie der Menschenhilfe ab. 13 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 24 ff. 14 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 25–27.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
1. Die Rechtswirklichkeit Auf der Suche nach der Rechtswirklichkeit machte Wollschläger sich die Mühe, für die er den größten Dank verdient, alle oder nahezu alle bis zur seiner Untersuchung im Jahre 197415 ergangenen Entscheidungen (ein Rohmaterial von über 1100 Fällen16) bezüglich (1) der Eröffnung des Anwendungsbereiches der echten Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677, (2) der Haftungsmilderung des Notgeschäftsführers nach § 680, (3) des Aufwendungsersatzanspruches nach § 683 und (4) des Herausgabeanspruches nach §§ 681 S. 2, 667, in einem Zeitraum von 150 Jahren, einer Überprüfung nach dem Vorhandensein des altruistischen Gedankens zu unterziehen17. Die ernüchternde Bilanz seiner empirisch-statistischen Untersuchung war, dass es lediglich zwei Fälle gibt, die dem der Theorie der Menschenhilfe immanenten Zweck des freiwilligen, uneigennützigen Verhaltens entsprechen (1), und selbst wenn die anderen Fälle: (2), (3), (4), hinzukommen, machen sie max. 10 % aller ausgewerteten Entscheidungen aus18. Die Richtigkeit dieser Untersuchung unterstellt, kann die Schlussfolgerung hinsichtlich der Theorie der Menschenhilfe nur die sein: Sie kann in der Rechtswirklichkeit weder die Qualifikation als dogmatische Grundlage, ob nun mit lediglich abstrakten Auswirkungen auf das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag oder mit tatbestandlichen Auswirkungen auf den § 677, noch die als ein „Leitbild“ für sich beanspruchen. Vielmehr wäre die freiwillige, uneigennützige und nicht aufgedrängte Hilfeleistung eine romantische Vorstellung, die freilich weder mit dem rechtlichen Institut noch mit der rechtlichen Wirklichkeit dieses Instituts etwas gemein hat. Diese Untersuchung, mögen die aus den überprüften Entscheidungen gezogenen Schlussfolgerungen auch zutreffend gewesen sein, ist freilich schon in ihrem Fundament zu erschüttern. Die Rechtstatsächlichkeit beschränkt sich nicht auf die von den Gerichten abgeurteilten Fälle19. Die Masse der sich täglich abspielenden auftragslosen Geschäftsführungen in allen möglichen Personenkonstellationen, aus allen möglichen Lebensbereichen, mit allen vorstellbaren 15 Im Herbst 1974 hat Wollschläger seine Arbeit abgeschlossen, siehe Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, Vorwort. 16 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 28. 17 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 28–33. 18 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 31, 33; ders., Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und Erstattungsanspruch, 1977 324, S. 16. 19 Stark in diese Richtung bei der Frage, welchem der Ansprüche aus der Geschäftsführung ohne Auftrag die herausragendste Bedeutung zukommt, auch Helm, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, 336, 345 und 361. Nach Wollschläger ist es der Aufwendungsersatzanspruch aus § 683 S. 1, Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 32. Dem widerspricht Helm zu Recht, wenn er schreibt, dass die veröffentlichten Urteile „alleine …kein zuverlässiges Bild von der Rechtswirklichkeit“ abgeben. „Vorschriften wie §§ 683, 381, 667, 666 dürften in sehr vielen Alltagsfällen dem Rechtsempfinden der Bürger so stark entsprechen, daß sie ohne Auseinandersetzungen tagtäglich praktiziert werden. Sie können deshalb nicht ohne weiteres als überflüssig betrachtet werden“.
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Mitteln und Methoden der Geschäftsausführung und der vorhandenen, nicht vorhandenen oder nur zum Teil vorhandenen Fähigkeit des Geschäftsführers, dürfte die Zahl der 1.100 Fälle, zudem in einem Zeitraum von 150 Jahren, bei weitem übersteigen und sie sicherlich in den Schatten stellen. Den Fällen, die „vor Gericht landen“, ist es geradezu inhärent, dass entweder die Erfüllung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen, häufig auch die des § 677, zweifelhaft ist, oder die auftragslose Geschäftsführung in einer atypischen Konstellation erscheint, die einer gerichtlichen, möglicherweise einer Präzedenz-Entscheidung, bedarf. Dies ist insbesondere für Entscheidungen charakteristisch, die Gegenstand des ganzen Instanzenzuges bis zum RG oder dem BGH geworden sind20. Die Letzteren beantworten als Revisionsinstanzen ausschließlich Rechtsfragen. Andererseits kann allein aus der Tatsache, dass die große Masse der auftragslosen Geschäftsführungen nicht Gegenstand von Gerichtsentscheidungen geworden ist, nicht zugleich auf das Gegenteil, also auf ein altruistisches Handeln der Geschäftsführer geschlossen werden. Es wird wahrscheinlich eine gewisse Anzahl von Fällen geben, in denen das Verhalten des Geschäftsführers ein doppelgerichtetes oder ein egoistisches war. Der Anteil dieser Fälle ist insgesamt kaum festzustellen und bleibt im spekulativen Bereich, zumal die Motive des Geschäftsführers, mögen sie sich nach außen als altruistisch darstellen, tatsächlich anders gelagert sein können und ihre tatsächliche Gestalt zu oft der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Resümierend kann daher die empirisch-statistische Untersuchung von Wollschläger, so löblich der Versuch auch gewesen sein mag, nicht über die ausreichende, oder doch zumindest immer mit äußerster Vorsicht21 zu genießende Überzeugungskraft verfügen. Diese Untersuchung sieht sich zu vielen Unsicherheitsfaktoren ausgesetzt und vermag es kaum, ein Argument juristischer Prägung bereitzustellen. Umso tragischer ist, dass Wollschläger dem „Richterrecht den Vorrang vor rein dogmatisch-deduktiver Gesetzesinterpretation einräumt“22, der Dogmatik lediglich eine „dienende Aufgabe“ aufträgt23, denn diese habe schließlich „keinen Selbstzweck als l’art pour l’art“24. Sie habe vielmehr „realitätsbezogen“ zu sein, um „wirtschaftliche und gesellschaftliche Gegenwartsprobleme besser lösen zu können“25, sie müsse sich „am effektiv geltenden Recht bewäh20 Das sind mehr als die Hälfte der Entscheidungen, die Wollschläger für die Zitierung in seiner Habilitationsschrift auswählte, vgl. Fn. 15–34, Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 28–33; auch die im Entscheidungsregister aufgelisteten Entscheidungen stammen, betrachtet man die Rechtsprechung zwischen 1879–1944, S. 339 ff., und zwischen 1945–1975, S. 347 ff., zu einem beträchtlichen Teil vom RG und BGH. 21 Auch Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 21, empfiehlt die Untersuchung von Wollschläger mit Vorsicht zu genießen. 22 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 21 23 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 21. 24 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 22. 25 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 22.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
ren, wenn sie ihre didaktische Aufgabe, den Lernenden über den Norminhalt zu informieren, um ihre praktische Aufgabe, dem Rechtsanwender relevante Entscheidungskriterien zu vermitteln, erfüllen will“26. Dieser Ansatz geht, wie bereits oben erörtert, nicht nur an der Realität vorbei, da er bei ausschließlicher Überprüfung der Rechtsprechung sich falschen Mitteln bedient, er widerspricht auch der geltenden Methodenlehre, die dem subjektiv-historischen Ansatz folgt und sich nicht von schwankenden gesellschaftlichen Entwicklungen beirren lässt27. Es dürfte vielmehr gelten, eine brauchbare Dogmatik, die dem Gesetzgeberwillen entspricht, zugrunde zu legen. Ist diese gefunden, so wird sie die Entwicklungen in der Gesellschaft zu beantworten vermögen, und es bedarf sozial-empirischer Überlegungen nicht.
2. Die Theorie der Menschenhilfe als normative, rechtspolitische Aussage der Geschäftsführung ohne Auftrag Der geltenden Methodenlehre entsprechend ist dagegen die Untersuchung des in den Gesetzgebungsmaterialien zum Ausdruck gekommenen historischen Gesetzgeberwillens. Hier gilt es, was Wollschläger strukturierterweise gemacht hat, zunächst die Aussagen des 1. Entwurfs (1. Kommission) und sodann des 2. Entwurfs (2. Kommission) des BGB in Bezug auf die Theorie der Menschenhilfe zu untersuchen.
a) 1. Entwurf (1. Kommission) In den Motiven der 1. Kommission sind keine Passagen zu finden, die explizit auf die Theorie der Menschenhilfe im Sinne eines das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag konstituierenden Gedankens hinweisen. Vielmehr heißt es in Bezug auf § 759 E-1: „Die Vorschriften über die negotiorum gestio (§§ 749–758) sind voll anwendbar, auch wenn der Geschäftsführer zu der Geschäftsbesorgung durch ein eigenes Interesse oder durch das Interesse eines Dritten bestimmt worden ist… Ist auch das Rechtsinstitut der negotiorum gestio nicht zu dem Zwecke eingeführt, um die Besorgung fremder Geschäfte in egoistischer Absicht zu befördern, so würde doch eine solche Beurtheilung dem in der Regel der Ermittelung und Feststellung sich entziehenden inneren Motive des Handelns eine Bedeutung beilegen, welche demselben im Rechtsverkehre nicht zukommt. Sie wäre praktisch kaum durchführbar, weil meist der Fall so liegt, daß der Geschäftsführer sowohl sein eigenes, als das Interesse des Geschäftsherrn im Auge gehabt hat. War
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Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 41. Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 5, Fn. 9 stellt Wollschläger’s Ansatz in Frage, da dieser seiner Rechtsprechungsüberprüfung „so viel dogmatisches Gewicht beimisst“, was „das Überraschende an seiner Arbeit“ ist und „für einen Zivilrechtswissenschaftler [nach Auffassung des Verfassers negativ gewertet] beachtlich“. 27 Auch
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aber das Interesse des Geschäftsherrn zugleich mitbestimmend, so fehlt jeder Anlaß, die Grundsätze über die negotiorum gestio auszuschließen“28.
Sehr deutlich wird aus dieser Passage, dass zum einen der Eigengeschäftsführungswille das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht ausschließt, solange auch ein Fremdgeschäftsführungswille vorhanden ist. Zum anderen nehmen die Verfasser der 1. Kommission in Kauf, dass der erstere Wille den zweiten überwiegt, demnach ein primärer Wille, der Letztere dagegen ein „mittbestimmendes“, insofern sekundärer Wille ist. Das Ziel der Geschäftsführung ohne Auftrag ist zwar nicht die Förderung der egoistischen Absicht. Diese steht ihr freilich auch nicht stets entgegen. Hier bietet es sich auch an, auf die einzelnen Auffassungen der sich mit der Geschäftsführung ohne Auftrag beschäftigenden Mitglieder der 1. Kommission, und zwar auf die von v. Kübel und Windscheid einzugehen. Bei v. Kübel findet sich tatsächlich eine in Richtung der Theorie von der Menschenhilfe gehende Aussage bzgl. seines § 238 des Teilentwurfs (TE), der dem heutigen § 683 vorausgegangen ist: „Demjenigen, der sich der Angelegenheiten eines Anderen annimmt, ist zwar eine freundschaftliche oder doch menschenfreundliche, humane Gesinnung vorauszusetzen, welche ihn in seiner Handlung leitet, er will aber nicht Freigiebigkeit üben, sondern das Geschäft als ein fremdes, den Herrn eingehendes, besorgen.“29
Mit der freundschaftlichen, menschenfreundlichen und humanen Gesinnung ist freilich noch keine Aussage darüber getroffen, ob der Geschäftsführer nicht auch eigene Ziele bei der Geschäftsführung verfolgen darf. Im Gegenteil äußert sich v. Kübel an einer anderen Stelle (§ 235 TE) zu dieser Frage deutlich: „Worin das eigene Interesse bestand, das den Gestor zur Besorgung des fremden Geschäfts veranlaßt oder genöthigt hat, ist für das Verhältnis des Gestor zum dominus unerheblich, da hierfür die Thatsache der wissentlichen Einmischung des Gestors in die Vermögensangelegenheiten des dominus entscheidet, während das Motiv der Einmischung den letzteren an sich nicht berührt. Man könnte vielleicht versucht sein, für denjenigen, welcher durch seine eigenen Interessen genöthigt wird, mit seinen Angelegenheiten auch fremde zu besorgen, und der sich mit diesen nur befaßt, weil er jene sonst schädigen würde, eine mildere Beurtheilung und eine verminderte Haftung in Anspruch zu nehmen. Allein dem steht die Rücksicht auf die Interessen Desjenigen entgegen, in dessen Vermögensgebiet eingegriffen wird und deren Beachtung von Dem mit Fug und Recht verlangt werden kann, der mit dem Bewußtsein handelt, daß es nicht seine Angelegenheit allein, sondern zugleich die eines Anderen ist, mit welcher er sich befaßt.“30 28
Motive II, 1888, 868 = Mugdan II, 1899, 485. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, Teil 2, S. 978; die Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 30 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, Teil 2, S. 959; die Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 29
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
Auch Windscheids Auffassung bewegt sich deutlich gegen die Theorie der Menschenhilfe. Er erkennt zwar an, dass der „gewöhnliche Fall“ der negotiorum gestio der ist, bei dem der Geschäftsführer „sowohl aus freiem Antriebe, als auch in der Absicht, dem Geschäftsherrn einen Dienst zu erweisen, thätig wird“31, erklärt aber sodann, dass die Geschäftsbesorgung im eigenen Interesse das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht ausschließt32. Als Beispiele aus den römischen Quellen führt er etwa an33, (1) dass jemand für einen Mitgefangenen Lösegeld zahlt, weil er sonst selbst nicht frei werden kann, oder (2) dass jemand den Teil der Schuld seines Miterben bezahlt, um selbst einem Pfandverkauf zu entgehen, oder (3) dass jemand einen fremden Gläubiger bezahlt, um das Pfand zu erlangen, welches der Schuldner diesem Gläubiger schuldete. Allen diesen Fällen ist es gemeinsam, dass der primäre Wille der Eigengeschäftsführungswille des Geschäftsführers ist. Dagegen ist der Fremdgeschäftsführungswille notgedrungen und ziemlich schwach ausgeprägt. Dennoch ist die Geschäftsführung ohne Auftrag, auch nach Windscheids Auffassung, in diesen Fällen anwendbar. An einer anderen Stelle macht er zudem deutlich, dass die Rückführung der Geschäftsführung ohne Auftrag, und zwar sowohl der actio negotiorum gestorum contraria (= § 683) als auch der gerade zu besprechenden actio negotiorum gestrorum directa (= § 677), auf ein höheres Prinzip verfehlt und unnötig sei34. Resümierend ist festzuhalten, dass die 1. Kommission das strenge altruistische Modell im Sinne der Theorie der Menschenhilfe der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zugrunde legte. Vielmehr sind deutliche Tendenzen erkennbar, nach denen gar gewichtige, vorherrschende egoistische Momente des Geschäftsführers kein Hindernis für die Eröffnung des Anwendungsbereiches der echten Geschäftsführung ohne Auftrag sind.
b) 2. Entwurf (2. Kommission) Aus den Protokollen der 2. Kommission können aussagekräftigere Passagen herausgefiltert werden, als dies bei den Motiven der 1. Kommission der Fall ist. In Bezug auf §§ 753, 755 E-2, die den heutigen §§ 683, 679 vorausgingen, entbrannte in der Kommission ein Streit35 darüber, ob dem Geschäftsführer nur dann Aufwendungsersatz zustehe, wenn die Übernahme der Geschäftsführung 31
Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 5. Aufl., 1882 Band 3, § 431, S. 630 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 5. Aufl., 1882 Band 3, § 431, S. 632. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 5. Aufl., 1882 Band 3, § 431, S. 633, Fn. 12. 34 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 5. Aufl., 1882 Band 3, § 430, S. 627, Fn. 12: „Meiner Ansicht nach sind alle diese Construktionen verfehlt, aber auch unnöthig. Die actio negotiorum gestorum contraria repräsentiert einen selbstständigen Rechtssatz, wie die actio negotiorum gestorum directa, und bedarf ebensowenig, wie diese, der Zurückführung auf ein höheres Prinzip“. 35 Mugdan II, 1899, S. 1195 ff. 32 33
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dem wirklichen oder mutmaßlichen Interesse des Geschäftsherrn entsprach – ein streng subjektives Modell, oder auch dann, wenn der Geschäftsführer nach Lage der Sache die Genehmigung seines Verhaltens durch den Geschäftsherrn erwarten durfte – insofern ein objektives Modell. Die Vertreter des letzteren Modells wiesen darauf hin, dass derjenige, der unter Anwendung ordnungsgemäßer Sorgfalt die Geschäfte eines Anderen besorge, dadurch eine „ethische, und im volkswirtschaftlichen Interesse gebotene Pflicht“ erfülle36; die Erfüllung dieser im Interesse des Gemeinwohls liegenden Pflicht müsse vom Gesetzgeber gefördert, der Geschäftsherr müsse lediglich von einer „zudringlichen, möglicherweise auf selbstsüchtigen Gründen beruhenden Einmischung in seine Geschäfte“ geschützt werden37. Anderenfalls, erhöbe man das streng subjektive Modell zum Gesetz, würde der Geschäftsführer sich selbst dann von der Geschäftsführung enthalten, „wenn ein solcher Eingriff durch die Nächstenliebe dringend geboten sei“38. Die 2. Kommission folgte diesem Standpunkt ausdrücklich nicht39, sondern schloss sich nicht weniger ausdrücklich dem streng subjektiven Modell an40. Zurückgewiesen wurde das objektive Modell mit dem Argument, dass dieses nur die Fälle im Auge habe, in denen der Geschäftsführer sich nicht aus selbstsüchtigen oder voreiligen Gründen, sondern aus Nächstenliebe dazu entschließe, die Geschäfte des Geschäftsherrn zu besorgen. Diesem Gedankenmuster entspreche freilich nur die Geschäftsführung, die der Abwendung eines Schadens für den Geschäftsherrn diene. Es sind andererseits auch Fälle vorstellbar, in denen der Geschäftsführer lediglich die Absicht habe, dem Geschäftsherrn Vorteile aus der Geschäftsführung zuzuwenden. Auch diese Fälle, so die in den Entwurf gegossene Auffassung der 2. Kommission, müssen von der Geschäftsführung umfasst werden41. Es sei zwar nicht zu verkennen, dass die Besorgung fremder Geschäfte als eine „ethische und im gemeinnützigen Interesse liegen36 37
Mugdan II, 1899, S. 1195. Mugdan II, 1899, S. 1196. 38 Mugdan II, 1899, S. 1196. 39 Mugdan II, 1899, S. 1195: „Einen dem Entw. gerade gegensätzlichen Standpunkt nimmt der Antrag 1 [das objektive Modell] ein“. 40 Mugdan II, 1899, S. 1195: „entscheidet der § 753 [ähnlich dem heutigen § 683] im Anschlusse an die für das gemeine Recht von Windscheid (Pand. 2 § 430 R. 17, 21) aufgestellte, wohl als herrschend anzusehende Ansicht zu Gunsten des Geschäftsherrn; die Ansprüche des Geschäftsführers sollen davon abhängig sein, daß das Eingreifen in die Geschäfte eines Anderen, sowie die Art und Weise der Geschäftsbesorgung den wirklichen, nicht blos den bei Anwendung einer dem Geschäftsherrn erkennbaren Absichten des Geschäftsherrn entsprochen hat“; S. 1196: „Der Entw. beantworte, indem er sich auf den zuletzt erörterten Standpunkt [Standpunkt, der eben nicht das Institut der gestio in der Weise betrachte, dass dieses den gemeinnützigen Zwecken dienen soll, sondern dass die Einmischung in fremde Geschäfte vom Gesetzgeber nicht begünstigt werden darf] stelle, die Frage, ob eine für den Geschäftsherrn nützliche Geschäftsführung vorliege, nach den subjektiven Verhältnisse des Geschäftsherrn“. 41 Mugdan II, 1899, S. 1196, es handelt sich um den Antrag Nr. 3, der in der Hauptsache dem Entwurf folgte, s. S. 1195.
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den Pflicht erscheinen könne“, dennoch darf, nach Ansicht der Kommission, der Gesetzgeber dieser Komponente nicht in den Vordergrund stellen und zur Grundlage der gesetzlichen Regelung machen42. An anderer Stelle wird auch deutlich, dass die Kommission es im besonderem Maße für wichtig erachtete, nicht unangemessen in die Angelegenheiten des Geschäftsherrn durch die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag einzugreifen, und nahm dabei in Kauf, dass einige ausschließlich auf altruistischer Motivation beruhenden Geschäfte keine Berücksichtigung bei der Frage nach dem Aufwendungsersatzanspruch finden43. Der wirkliche oder mutmaßliche Wille bildete damit das maßgebliche Kriterium bei der Frage nach dem Vorliegen des Aufwendungsersatzanspruchs gem. § 683 S. 1. Dieses Kriterium fand ausnahmsweise freilich dann keine Berücksichtigung, wenn der Geschäftsführer die im öffentlichen Interesse obliegende Pflicht des Geschäftsherrn zu besorgen beabsichtigte (§§ 683 S. 2, 679)44. Nur in diesem Fall ließ die Kommission eine andere Handhabe vom streng subjektiven Prinzip zu45. Bewertet man diese Auseinandersetzung, so muss konstatiert werden, dass das streng subjektive Prinzip, dem sich der Gesetzgeber angeschlossen hat, im Widerspruch46 zur Geschäftsführung aus selbstloser Nächstenliebe steht. Der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung, so unvernünftig, absurd, merkwürdig, gar paradox er auch sein kann, vermag die Entstehung eines Aufwendungsersatzanspruches für die Übernahme einer Geschäftsführung, die noch so altruistisch motiviert sein mag, entscheidend zu hindern. Aus diesem Grunde kann die Theorie der Menschenhilfe auch nach Auffassung der 2. Kommission nicht eine dogmatische Grundlage des Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag bilden. Dieser Argumentation könnte man vorwerfen, dass sie ausschließlich auf die actio negotiorum gestorum contraria (§ 683), und nicht auf die actio negotiorum gestorum directa (§ 677) abstellt. Dabei ist gerade die Letztere für die gegenwärtig zentrale Frage der Eröffnung des Anwendungsbereichs der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zuständig. Aus § 683 können grundsätzlich keine inhaltlichen Rückschlüsse auf § 677 und seine Dogmatik gezogen wer42 Mugdan II, 1899, S. 1196. 43 Deutlich wird dies besonders
an dieser Aussage, Mugdan II, 1899, S. 1196: „Die Gemeinnützigkeit steht unter Umständen die Gemeingefährlichkeit der Besorgung fremder Geschäfte gegenüber. Erfahrungsgemäß mische sich häufig Jemand in fremde Geschäfte lediglich aus Vordringlickeit und in dem Bestreben, sich nach außen hin wichtig zu machen“. 44 Mugdan II, 1899, S. 1198. 45 Mugdan II, 1899, S. 1198: „Der § 755 [heute § 679] behandelt die Frage, unter welchen Umständen der Geschäftsführer, auch dann, wenn er gegen ein Verbot des Geschäftsherrn dessen Geschäfte besorgt hat, den Ersatz seiner Aufwendungen nach Maßgabe des § 753 [heute § 683 S. 1) verlangen könne.“ 46 So auch Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 25: „§ 683 S. 1 BGB provoziert Widerspruch, wenn man in der Geschäftsführung ohne Auftrag das kollektivistische Leitbild der Menschenhilfe sucht“.
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den. Dieser Gedanke kann noch weiter entwickelt werden: stand die Übernahme der Geschäftsführung, die im konkreten Fall ausschließlich auf altruistischen Motiven beruht, nicht im Einklang mit dem dahingehenden wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann diese Geschäftsführung durchaus dem § 677 unterfallen, der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. wäre damit eröffnet; damit wäre andererseits freilich noch nicht garantiert, dass auch die von den Voraussetzungen des § 677 ausdrücklich zu unterscheidenden Voraussetzungen des § 683 erfüllt seien. Diesem potenziellen Argumentationskonstrukt gilt es indes entgegenzutreten. Die Diskussion der 2. Kommission drehte sich zwar um den § 683, der grundsätzlich keine Aussagen über die Eröffnung des Anwendungsbereiches der §§ 677 ff. enthält. Andererseits geht es bei § 683 um die für den Geschäftsführer wichtigste Frage des Ersatzes der für die Geschäftsführung aufgewendeten Kosten. Der Gesetzgeber, hätte er die Theorie der Menschenhilfe als zentralen Gedanken statuieren wollen, würde den herausragend bedeutenden Aufwendungsersatzanspruch anders, und zwar in Richtung des objektiven Modells, und nicht im Sinne des, orthogonal zu diesem, stehenden subjektiven Modell, ausgestalten. Er würde insbesondere dem Willen des Geschäftsherrn nicht so einen freien Raum gewähren. Aus der Art und Weise der Ausgestaltung des § 683 können daher durchaus Rückschlüsse auf das dogmatische Fundament des § 677 gezogen werden.
c) Ergebnis der Untersuchung der Gesetzesmaterialien Im Ergebnis hat weder die 1. noch die 2. Kommission die Theorie der Menschenhilfe zur normativen, rechtspolitischen Aussage der Geschäftsführung erhoben. Diese lässt sich weder auf der abstrakten Ebene als ein höheres Prinzip feststellen, noch weniger schlug dieser Gedanke auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften der echten Geschäftsführung ohne Auftrag durch. Das liberalistische47 und nicht das kollektivistische/solidarische Prinzip setzte sich durch.
3. Kohlers Schrift: „Die Menschenhülfe im Privatrecht“ Erst an dieser späten Stelle der Würdigung der Theorie der Menschenhilfe hielt es der Verfasser für angebracht die gehörige Aufmerksamkeit der so bedeutenden Schrift von Josef Kohler, mit dem Titel „Die Menschenhülfe im Privatrecht“, zu schenken. Kohler wird von, so scheint es, einer geradezu kaum messbareren Zahl von Autoren als der Begründer der Theorie der Menschen47 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 37 spricht hier polemisch von der „liberalistischer Furcht vor aufgedrängter Bereicherung“, die „nach wie vor die Oberhand“ behielt.
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hilfe, und zwar im Sinne der freiwilligen, uneigennützigen und nicht aufdringlichen Geschäftsführung, angesehen48. Dass die Rechtswissenschaft mehr als ein Jahrhundert gebraucht hat, um erste Zweifel an diesem Verständnis zu äußern, ist tatsächlich erstaunlich. Weder hat er dieser Theorie ihren Grundstein gelegt, noch hat er die Menschhilfe in Bezug auf die Geschäftsführung ohne Auftrag so vertreten, wie ihm seit der Erscheinung der Schrift im Jahre 1887 unterstellt wird. Bergmann war der erste, der vorsichtige Zweifel an der zementierten Auslegung von Kohlers Auffassung erhob49. Dieser vorsichtige Ansatz darf nicht in seinen Anfängen gelassen werden, sondern muss zur gehörigen Klarheit entwickelt werden. Es gilt nach über 130 Jahren, Kohlers Schrift zutreffend einzuordnen. 48 Melullis, Das Verhältnis von Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung, 1972, S. 3, die Lösung der widerstreitenden Interessen bei Lebenssachverhalten suchte Kohler in der Menschenhilfe, die die Fälle des hilfreichen Einspringens für den verhinderten Nächsten umfasst; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 26: „Kohlers grundlegende Abhandlung über ‚Die Menschenhülfe im Privatrecht‘“, S. 27: „bei ihrem Begründer Kohler“; Giesen, Jura 1996, 225, 226, Fn. 11: „Diese Lehre wurde begründet von J. Kohler“; Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371, 372, auch S. 373: „daß die GoA ihre radikale Moralisierung durch Joseph Kohler äußerliche ebenso unbeschadet überstehen konnte…“, S. 374; Hader, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Anspruchsgrundlage bei gescheiterten Verträgen, 2006, S. 160, Kohler habe grundlegend zur Theorie der Menschenhilfe im Sinne einer Geschäftsführung geschrieben, die auf altruistischer Motivation beruhe (S. 161) und die bei einem „teilweise“ oder „überwiegend[en]“ Eigengeschäftsführungswillen des Geschäftsführers ausscheide; Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 17, 61, Hauptaufgabe der Geschäftsführung ohne Auftrag nach Kohler sei die Honorierung altruistisch motivierter fremdnütziger Tätigkeit, welche sich nicht mit dem Eigengeschäftsführungswillen verträgt; Thole, NJW 2010, 1243, unter dem Einfluss des Naturrechts entwickelte sich als Paradigma die tätige Nothilfe, die den Kohler maßgeblich geprägt habe; Sippel, Geschäftsführung ohne Auftrag und die Abwicklung fehlgeschlagener Vertragsbeziehungen mit Geschäftsbesorgungscharakter, 2011, S. 20, ist der Auffassung, dass das eigentliche Motiv zum Handeln nach Kohler eine „Menschenhülfe“ sei, die dem altruistischen Gepräge entspreche; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 38, 39, meint, dass der Gedanke der Menschenhilfe auf Kohler zurückgehe, für den alle Rechtsverhältnisse nach sozialen Zwecken der Rechtsordnung zu charakterisieren seien. Siehe unten, inwiefern die Annahmen von Heinz einer Grundlage entbehren und sich zudem widersprechen; Jansen, in: HKK, 2013, §§ 677–687 I, Rn. 34: die negotiorum gestio nach einem altruistischpräventiven Verständnis der Fremdgeschäftsführung sei von „Freundschaft, Liebe und Pflichtgefühl“ geprägt, eine Lehre, die „Kohler … dann 1887 in eine allgemeinere Theorie der ‚Menschenhülfe im Privatrecht‘ integriert“ habe und nach der es dem „Interesse der Gesammtheit und der Humanität“ einen verhältnismäßig weitreichenden Vorrang vor dem individuellen Willen einzuräumen“ sei; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, Vorbemerkungen, Rn. 1; Dornis, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, Vorbemerkung vor § 677, Rn. 5. 49 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 18, Fn. 19: „zu Unrecht wird Kohler die Begründung der Theorie der Menschenhilfe im klassischen Sinne zugesprochen, für den die altruistische Motivation gerade keine Voraussetzung ist“, S. 23: „Der Ansatz Kohlers ist vom heutigen Leitbild der Menschenhilfe ganz entfernt“; auch Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 6, Fn. 13 tritt dem Bergmann teilweise bei.
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Zutreffend ist zwar, dass Kohler von der „Menschenhülfe“ sprach, doch entscheidend ist vielmehr, was er darunter verstanden hat. Gewiss nicht die intuitive Vorstellung, es gehe um die selbstlose, ausschließlich altruistisch motivierte Menschenhilfe.
a) Der erste Eindruck Am Anfang seiner Schrift proklamiert Kohler in aller Deutlichkeit, dass die actio negotiorum gestorum contraria – der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers –, „nicht etwa auf dem individuellen Grunde“50 in der Weise beruht, dass der Geschäftsführer sich den Intentionen des Geschäftsherrn genähert, also „den Willen des Anderen gefangen hat“51, sondern darauf, dass „negotiorum gestio eine Menschenhülfe ist, und eine sehr begehrenswerte, eine sehr unterstützungs- und förderungswerthe Menschenhülfe“52. Aus diesem Grunde lehnt Kohler Vertrags- oder Quasivertragstheorien ab53. Sodann führt er aus, es sei das Mindeste, was die Rechtsordnung zur Förderung der Menschenhilfe tun könne, nämlich den helfenden Geschäftsführer schadlos zu stellen, ihm demnach seine Aufwendungen im Rahmen der actio negotiorum gestorum contraria zu ersetzen54. Ansonsten fragt Kohler rhetorisch, „wer sollte sich noch die undankbare Mühe geben, sich fremder Interessen anzunehmen?“55. Eine altruistische Tat, die eine „hohe, vernünftig menschliche Lebensäußerung“56 sei, dürfe sich nicht zum Nachteil des altruistischen Täters wenden57.
b) Die tatsächliche Kohler’sche Theorie Nach dem, was bis jetzt aus Kohlers Schrift wiedergegeben wurde, kann die Schlussfolgerung nur die sein, dass er die Menschenhilfe zur dogmatischen Basis der Geschäftsführung ohne Auftrag erhebt. Der Inhalt dieser Menschenhilfe ist, so der erste Eindruck, identisch mit dem, was heute unter der Theorie der Menschenhilfe subsumiert wird, nämlich eine freiwillige, uneigennützige und nicht aufdringliche Geschäftsführung. Dieser Eindruck täuscht, wie nun zu zeigen sein wird. Als erste Voraussetzung der „Menschenhülfe“ formuliert Kohler die „Hülfsbedürftigkeit“58. Erforderlich sei zwar nicht, dass ein „Nothstand“ vorliege, 50
Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 43. Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 43. Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 43. 53 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 43. 54 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 46. 55 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 47. 56 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 47, Fn. 2. 57 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 47. 58 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 48. 51 52
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wohl aber, dass „der Eigenberechtigte nicht in der Lage ist, für seine eigenen Interessen zu sorgen“59. Die „Menschenhülfe“ setzt ferner voraus: „dass es sich um ein Gut handelt, welches derselbe [der Geschäftsherr] nicht der Hülfslosigkeit preisgeben wollte oder nicht preisgeben konnte. Wo diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, da ist das Einschreiten eines Dritten nicht nur ein ungerufenes, sondern auch ein unberufenes“60.
Zusammengefasst setzt also Kohler für die Anwendung der negotiorum gestio voraus: (1) die Hilfsbedürftigkeit des Geschäftsherrn im Sinne der fehlenden Möglichkeit oder Fähigkeit zum Zeitpunkt der Geschäftsführung das Geschäft auszuführen und (2) die Abwesenheit des Preisgabewillens, oder umgekehrt formuliert, das Vorliegen des Erhaltungswillens („nicht preisgeben wollte“) oder der Erhaltungsverpflichtung („nicht preisgeben konnte“). Er begründet dies wie folgt: „Sollte etwa ein landfremder Mensch mich eines Tages mit einem neuen Winterüberzieher und der Rechnung dafür überraschen, so werde ich wohl in der Lage sein, ihn ohne weiteres zu verabschieden, ohne mit Celsus, Julian oder Ulpian in Conflict zu gerathen. Ganz anders, wenn ein Kind sich verirrt und eine mitleidige Seele es aufgenommen, ihm Kleidung und Nahrung gegeben hat“61.
Bereits jetzt kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass für Kohler eine Geschäftsführung ohne Auftrag ohne Berücksichtigung des Willens des Geschäftsherrn undenkbar war. An einer darauffolgenden Stelle wird Kohler unmissverständlich klar in seiner Wortwahl: „Die Menschenhülfe darf Niemanden gegen seinen Willen aufgedrängt werden, es müsste denn sein, daß es sich um Lebensgüter handelt, über welche der Dominus keine Verfügung hat, so daß das Verbot der Menschenhülfe etwas Unsittliches enthielte“62.
Der unverzichtbare Teil der Menschenhilfe ist nach Kohler folglich der Wille des Geschäftsherrn. Nur ausnahmsweise ist dieser Wille unbeachtlich, wenn der im Verbot der Geschäftsführung gegossene Wille des Geschäftsherrn seinerseits etwas „Unsittliches“ wäre. An einer fortgeschritteneren Stelle formuliert Kohler diese Ausnahme präziser: „der Preisgebungswille des Dominus [kommt] nicht in Betracht…, wenn seine Preisgebung widerrechtlich vom Recht nicht berücksichtigt wird – so insbesondere, wenn es sich um eine Sache handelt, deren Erhaltung eine Pflicht des Dominus ist; so wenn der Eigenthümer einer dem öffentlichen Gebrauche bestimmten Brücke für die Unterhaltung derselben zu sorgen hat; oder wenn ein Rheder ein baufälliges Schiff mit Mann-
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Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 48. Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 48; Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 61 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 48. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 62 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 50. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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schaft den Welle überlässt, in der schnöden Hoffnung, die Versicherungssumme zu lucriren“63.
Dieses System kommt dem in den Gesetzgebungsmaterien der 2. Kommission zum Vorschein gekommenen sehr nah (s. o.) – ein System, welches dem liberalistischen Gedanken den eindeutigen Vorrang einräumte, mit der Ausnahme des öffentlichen Interesses. Kohler stand somit nicht orthogonal zu diesem System, sondern ganz im Sinne dieses Systems. Falls der kritische Leser noch nicht überzeugt ist, ist der Verfasser verpflichtet, weitere Beweise anzubringen. Dafür untersucht er Seite für Seite die Schrift von Kohler. Als nächstes macht er den Unterschied zwischen der wirklichen Menschenhilfe und der vermeintlichen Menschenhilfe deutlich. Nur die wirkliche Menschenhilfe führe zum Ersatz der Aufwendungen64. Mit der wirklichen Menschenhilfe ist die Hilfe gemeint, die auch tatsächlich dem Willen des Geschäftsherrn entspricht. Eine sehr mutige und doch so weitreichende Einengung des Anwendungsbereiches der Geschäftsführung ohne Auftrag von Kohler. Deshalb stellt er sich selbstkritisch diesem potentiellen Vorwurf: „Wird es nicht Viele [erkenne man nur die wirkliche Menschenhilfe als ersatzfähige an] von der Hülfe abhalten? Wird nicht mancher Dienst nicht geleistet werden, wenn der Gestor zu befürchten hat, daß der Dienst nicht nur als ein vermeintlicher Dienst erweist und seine Auslagen verloren sind? Aber man bedenke anderereits die Consequenzen, welche mir drohen, wenn dritte Personen sich als die Träger meiner Interessen aufspielen und von Andern zu diesen Zwecken Beiträge annehmen“65.
Eine bloß vermeintliche Hilfe, die dann vorliegt, wenn der Geschäftsführer Aufwendungen für Sachen gemacht hat, „welche der Dominus ihrem Untergange weihte“66, ist nicht zu berücksichtigen. Im Fall der vermeintlichen Hilfe leistet der Geschäftsführer eine Hilfe, die zwar in den Rechts- und Interessenkreis des Geschäftsherrn fällt, „aber er leistet eine Hülfe, wo der Dominus keiner Hülfe bedarf, er will mitwirken an dem Schutze von Interessen, welche gar nicht mehr Interessen des Dominus sind: denn der Dominus ist Herr seiner Interessen“67.
Als Beispiel führt Kohler den Fall an, wenn der Finder eine Sache auffindet und sie in seine Obhut nimmt. Eine negotiorum gestio liegt nach Kohler nur dann vor, wenn der Dominus die Sache nicht aufgeben wollte68. Hat der Do-
63 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 56–57, auf S. 99 spricht Kohler von „indisponiblen Lebensgütern“, die der Dominus preisgeben will, sein Preisgebungswille indes unbeachtlich ist. 64 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 52–53. 65 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 53. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 66 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 55. 67 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 55, auch 59. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 68 Womit freilich nicht die Dereliktion gemeint ist, Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 57–58.
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minus die Sache dagegen aufgegeben, haftet er nicht für seine Aufwendungen aus actio negotiorum gestorum contraria69. Diese Sichtweise entspricht auch den Gesetzesmaterialien. War der Wille des Geschäftsherrn dergestalt konstruiert, dass er der Geschäftsführung ablehnend gegenüberstand, so scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 aus. Anders als die Gesetzesmaterialien berücksichtigt Kohler den „Aufgebungswillen“ freilich nur dann, wenn er nach außen manifestiert wurde. Es bedarf daher eines ausdrücklichen oder stillschweigenden70 Geistesaktes71, wobei die Voraussetzungen an das Vorliegen eines solchen Aktes niedrig sind, wenn man bedenkt, dass Kohler diesen bereits dann annimmt, wenn jemand eine Sache verloren hat und „nicht einmal der Annonce werth erachtet“72, sie demzufolge „aus dem Bereiche seiner Interessen entläßt“73. Geschäfte, die der Dominus nicht zu seinigen gemacht hat oder später aus seinem Interessenbereich entlassen hat, können durch eine Genehmigung (ratihibatio), welche wiederum auf einem Geistesakt74 beruht, zu seinigen werden, sodass die Ausführung dieser Geschäfte rückwirkend zu einer negotiorum gestio wird. Wenn Kohler bisher den Schwerpunkt seiner Ausführungen auf die Frage der Hilfsbedürftigkeit gelegt hat, so machte er sodann deutlich, dass auch das „Wie“ der Geschäftsführung zum Teil vom Willen des Geschäftsherrn abhängig ist, d. h., dass „das Geschäft in einer zweckentsprechenden Weise geführt wird“ und zwar so „daß nicht die Interessensphäre des Dominus berührt wird, sondern daß dieselbe auch in einer entsprechenden, angemessenen Weise berührt wird: daß sie berührt wird zur Erreichung gewisser Zwecke, daß sie berührt wird durch Anwendung geeigneter Hülfsmittel“75.
Zum Teil deshalb, weil die „Zwecke“, die durch die Ausführung des Geschäfts erreicht werden müssen, vom Willen des Geschäftsherrn abhängen76. Es sind seine „subjektiven Zwecke“77, die freilich wie schon bei der Frage der Hilfsbedürftigkeit ihre Grenze dort finden, wo der Gestor eine im öffentlichen Interesse liegende Pflicht des Geschäftsherrn ausführt78. Dagegen sind die Mittel, die zur Ausführung des Geschäfts eingesetzt werden, „die Mittel des 69 70
Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 57. Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 57. 71 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 58 72 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 58. 73 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 59. 74 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 61. 75 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 62. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 76 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 62, 63. 77 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 63. 78 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 63.
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Gestor“79, die sich naturgemäß nach den Umständen des Gestors richten, nach seinen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen80. Bei den Hilfsmitteln erlangt der Geschäftsherrnwille demnach keine Berücksichtigung. Eine weitere Grenze bei den „subjektiven Zwecken“ des Geschäftsherrn sieht Kohler darin, dass im Vergleich zu der Frage, ob der Geschäftsherr ein Geschäft zu seinem machen möchte (= Hilfsbedürftigkeit), die „Lebenszwecke“ des Geschäftsherrn ein „Internum“ sind und daher für die Außenwelt verborgen bleiben81. In diesem Fall lässt er aus der negotiorum gestio resultierenden Klagen auch dann zu, wenn der Gestor sein Bestes getan hat, um der „Geistesrichtung des Dominus“ zu entsprechen82, denn „gewisse Eventualitäten“ müssen im Ermessenspielraum des Gestors liegen83, da beim besten Willen regelmäßig nicht die gleichen Resultate erzielt werden können, wenn der Gestor in die besonderen individuellen Techniken des Dominus nicht eingeweiht ist84. Aus diesem Grund untersteht das Verhältnis der negotiorum gestio der „bona fides“ (= guter Glaube)85. Nachdem Kohler den dogmatischen Kern der negotiorum gestio aus seiner Sicht erläutert hat, widmet er sich den weniger wichtigen Spezialthematiken, dass etwa die Menschenhilfe nicht eine für einen bestimmten Dominus sein muss86, die Geschäftsführung demnach sogar im Interesse eines noch nicht geborenen Menschen („homo nondum natus“87) oder für eine noch werdende juristische Person88 erfolgen kann, oder dass die Geschäftsführung nicht vom Erfolg gekrönt sein muss89, oder dem Verhältnis zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag und dem Auftrag90. Wesentlich für die Dogmatik erachtet Kohler dagegen das Vorliegen91 des Fremdgeschäftsführungswillens des Gestors und seine Ausrichtung. Ohne diesen Willen könne es keine negotiorum 79
Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 62. Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 62, 63, dies wird nach ihm insbesondere an den Fällen deutlich, in denen der Geschäftsherr gar nicht die erforderliche Ausbildung oder die erforderlichen Fähigkeiten hat das Geschäft auszuführen und deshalb selbst einen Dritten beauftragen muss. Als Beispiele nennt Kohler den Gemsjäger, Arzt, den Sprachenkundigen, den Fabrikarbeiter, der aufgrund seiner der Fabriktätigkeit innewohnenden Fertigkeiten den Brand löscht, und einen Architekten. 81 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 64. 82 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 65. 83 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 65. 84 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 65. 85 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 66. 86 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 67. 87 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 69. 88 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 70. 89 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 67. 90 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 75 ff. 91 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 70: „aber er [ = Gestor] soll den vollen Ersatz nur haben für diejenige Menschenhilfe, welche er leisten wollte … er soll diesen Ersatz … nur für die Wahrung desjenigen Interesses [haben], welches er zu wahren gesonnen ist“. 80
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gestio geben. So kann etwa der Gestor bei der Verwaltung des Vermögens eines Mündels für den Mündel selbst oder für den Vormund tätig geworden sein. Abhängig von der Ausrichtung seines Fremdgeschäftsführungswillens entsteht auch die negotiorum gestio entweder zum Mündel oder zum Vormund92. Die negotiorum gestio wird nach Kohler nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gestor aufgrund eines Zwanges, eines Gebotes oder einer Pflicht handelt: „Wer Hülfe leisten will, weil er Hülfe leisten muß, der will nichts destoweniger Hülfe leisten“93.
Darum kann der Gestor mehrere Motive verfolgen, somit Auch-fremde-Geschäfte ausführen, ohne dabei des Aufwendungsersatzanspruches aus der Geschäftsführung ohne Auftrag verlustig zu werden. Wenn Kohler an einer weiteren Stelle formuliert: „Wer in seinem eigenen Interesse gehandelt hat, der hat lediglich dem gewöhnlichen menschlichen Egoismus gefröhnt“ wozu die Rechtsordnung keine Veranlassung hat, diese Fälle zu prämieren, sie also der negotiorum gestio unterzuordnen94, wird aus dem Zusammenhang jedoch deutlich, dass er die Fälle im Blick hatte, in denen jemand ausschließlich einen Eigengeschäftsführungswillen hatte, dabei aber die Geschäfte eines anderen besorgte95.
c) Das Analyseergebnis der Kohler’schen Theorie Zusammenfassend vertrat Kohler damit folgende Dogmatik. Er unterschied zwischen der abstrakten Hilfsbedürftigkeit des Geschäftsherrn und der konkreten Geschäftsführung (das „Wie“ der Geschäftsführung). Eine berücksichtigungsfähige Menschenhilfe, die den Anwendungsbereich der negotiorum gestio eröffnet, liegt nur dann vor, wenn eine Hilfsbedürftigkeit des Dominus anzunehmen ist. Sie verlangte den Willen des Dominus bezogen auf die Ausführung des Geschäfts. Maßgebend ist dabei grundsätzlich der wirkliche Wille des Geschäftsherrn, berücksichtigungsfähig ist damit nur die wirkliche Menschenhilfe. Eine bloß vermeintliche oder putative Hilfe war von der negotiorum gestio nicht umfasst, so sehr sie auch auf altruistischen Motiven beruhen mag. Der wirkliche Wille musste vom Dominus nach außen kundgetan werden, wobei die Voraussetzungen an die Kundgabe von Kohler äußerst niedrig angesetzt 92 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 70: „Es ist nun wesentlich, nach welcher Richtung hin die Hülfe geleistet werden soll: ist die Intention auf die Integrität des Mündelvermögens gerichtet, so führt der Gestor ein Geschäft des Mündels, anderenfalls ein Geschäft des Vormundes; daher, je nachdem, die neg. gestio gegenüber dem einen oder anderen“. 93 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 75–76. 94 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 94–95. 95 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 95: „Wer daher für sich handeln will und dabei aus Versehen für einen anderen handelt [schon das Vorliegen eines Versehens macht deutlich, dass hier kein Fremdgeschäftsführungswille vorliegen kann], der steht nicht in der Schaar der Helfer für das Wohl anderer, er steht nicht im Lichte derjenigen, welche sich der Verlassenen angenommen haben, so daß ihnen sittlichen Mächte die Palme bieten“.
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waren. Grenzen fand der wirkliche Wille des Geschäftsherrn, wenn sein Preisgebungswille etwas Unsittliches war oder/und wenn dieser Wille gegen das öffentliche Interesse verstieß. Vom Gestor war der Fremdgeschäftsführungswille zu verlangen, wobei die Verfolgung mehrerer Interessen, der eigenen und der des Dominus, kein Grund für den Ausschluss der negotiorum gestio war. Nur wenn ausschließlich ein Eigengeschäftsführungswille vorgelegen hat, war die Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen. Bei der konkreten Ausführung des Geschäfts fand man das gleiche System wieder, freilich mit ein paar Abschwächungen bzgl. des Willens des Geschäftsherrn. Auch das „Wie“ der Geschäftsführung müsste nach dem Willen des Geschäftsherrn vollzogen werden. Die „subjektiven Zwecke“ des Geschäftsherrn müssten demnach erreicht werden. Die Hilfsmittel, die der Geschäftsführer bei der Ausführung des Geschäfts gewählt hat, stehen dagegen in seinem Ermessen, wenn dadurch das Ziel der Geschäftsführung – die Erreichung der subjektiven Zwecke des Geschäftsherrn, auch wenn der Erfolg nicht einzutreten braucht – nicht in Frage gestellt wird. Ihre Grenzen fanden die subjektiven Zwecke im öffentlichen Interesse und wenn der Gestor im Rahmen seiner Möglichkeiten sein „Bestes“ getan hat, um diese Zwecke zu erreichen, auch wenn bestimmte Eventualitäten nicht dem Dominuswillen entsprochen haben. Auch bezüglich des „Wie“ der Geschäftsführung muss der Geschäftsführer einen Fremdgeschäftsführungswillen haben.
d) Widerspruch der Kohler’schen Theorie zu der klassischen Theorie der Menschenhilfe und ihre Parallelität mit dem subjektiven Prinzip Die Konfliktpunkte zwischen der wahren Kohler’schen Theorie und der klassischen Theorie der Menschenhilfe, die eine freiwillige, uneigennützige und nicht aufdringliche Geschäftsführung voraussetzt, liegen nun auf der Hand. Bestand keine Hilfsbedürftigkeit aus der Sicht des Geschäftsherrn oder entsprach das „Wie“ der Geschäftsführung nicht dem Willen des Geschäftsherrn, lässt man die Ausnahmen hinsichtlich des öffentlichen Interesses außer Acht, so gab es keinen Aufwendungsersatzanspruch, auch wenn die Motive des Geschäftsführers noch so freiwillig, noch so uneigennützig und noch so unaufdringlich waren. Die Voraussetzungen der Kohler’schen Theorie entsprechen vielmehr dem streng subjektiven Prinzip, welches der Gesetzgeber bei § 683 S. 1 zugrunde gelegt hat (s. o.). Wenn nun Kohler es darüber hinaus noch für zulässig erachtet, dass der Geschäftsführer neben den Interessen des Geschäftsherrn auch eigene Interessen verfolgen kann, dann wird der Widerspruch zu der klassischen Theorie der Menschenhilfe perfekt. Betrachtet man das Analyseergebnis und diese Einordnung der Kohler’schen Theorie, so mag man überrascht sein, zu welchen Ergebnissen manche Stimmen in der Literatur kommen. Unverständlich ist die Auffassung von Wollschläger,
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der Kohler’schen Theorie läge „ein ambivalentes Verständnis von Altruismus zugrunde“96, dass sie „unscharf“97 oder gar widersprüchlich98 wäre. Wenn man Kohler „in den Mund legt“, er verstehe unter der Menschenhilfe eine freiwillige, uneigennützige und nicht aufdringliche Geschäftsführung, ist die Annahme einer Ambivalenz oder eines Widerspruchs nicht fernliegend. Dass Kohler von dieser Vorstellung nicht ausgegangen ist, zeigte er an den Voraussetzungen, die er für die negotiorum gestio formulierte. Bei der Klarheit dieser Voraussetzungen Kohler „Unschärfe“ vorzuwerfen, überrascht nicht weniger. Unverständlich ist auch Wollschlägers Auffassung, dass Kohlers Erfolg „sein rechtspolitisches Eintreten für den Altruismus und gegen den Egoismus im Recht …, seine darin implizierte Kritik an der ausschließlichen Vorherrschaft individualistischer Wertungsgesichtspunkte in dem daran so reichen bürgerlichen Recht“ sei99. Führt man sich noch einmal die Voraussetzungen der Kohler’schen Theorie vor Augen, so wird man feststellen, dass sein Konzept, auch wenn dieses den Titel „Menschenhülfe“ trägt, ohne den Individualismus der betroffenen Personen nicht vorstellbar ist, denn „Hilfe“ kann eine Tätigkeit nur sein, wenn sie dem Willen des Geschäftsherrn entspricht100, außer Acht lassend, dass sie hin und wieder aufgrund des öffentlichen Interesses ihre Schranken findet. Auch nach Jansens Auffassung habe Kohler das altruistisch-präventive Verständnis der Fremdgeschäftsführung, die von „Freundschaft, Liebe und Pflichtgefühl“ getragen sei101 und nach dem dem „Interesse der Gesammtheit und der Humanität“ ein verhältnismäßig weitreichenden Vorrang vor dem individuellen Willen einzuräumen sei102, in eine allgemeinere Theorie der „Menschenhülfe im Privatrecht“ integriert103. Das Gegenteil ist richtig. Vielmehr ist der Vorrang des individuellen Willens des Geschäftsherrn für Kohler maßgebend. Auch Heinz nimmt an, für Kohler stehe die konkrete Rechtsbeziehung zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn sowie deren jeweilige Interessen nicht im Mittelpunkt. Zentral sei vielmehr das Vertrauen der Gesellschaft auf solidarisches Verhalten des Einzelnen in hilfsbedürftigen Lagen durch Einsatz von Helfern geschützt zu werden, die wiederum durch das Rechtsinstitut der 96 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 26; auch Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 6, Fn. 16 wird Kohler ambivalente Aussagen vor. 97 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 26. 98 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 26. 99 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 40. 100 Deshalb ist es auch nicht überzeugend, wenn Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 6, Fn. 16 meint, dass Kohler den Titel seiner Abhandlung unglücklich gewählt habe, wenn er doch im Kern, diese Schlussfolgerung ergibt sich aus dem Zusammenhang, nicht den Altruismus im Sinne der freiwilligen, uneigennützigen und nicht aufdringlichen Geschäftsführung verstand. 101 Jansen, in: HKK, 2013, §§ 677–687 I, Rn. 33. 102 Jansen, in: HKK, 2013, §§ 677–687 I, Rn. 33, Fn. 303. 103 Jansen, in: HKK, 2013, §§ 677–687 I, Rn. 33.
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Geschäftsführung ohne Auftrag schadlos zu stellen sein104. Die Anforderungen, die an das Vorliegen einer auftragslosen Geschäftsführung gestellt werden, seien objektiver Natur105. Schon diese Annahmen entbehren einer Grundlage. Für Kohler waren die konkrete Situation und die jeweiligen Interessen, Motive und Zwecke des Geschäftsherrn und Geschäftsführers von herausragender Bedeutung. Ansonsten ist nicht zu erklären, dass der Geschäftsherr nach Kohler einen wirklichen Willen bzgl. der Geschäftsführung gehabt haben, dass dieser Wille in der konkreten Situation nach außen kundgetan werden muss, dass dieser Wille nach den Umständen der konkreten Situation wegen des vorliegenden konkreten öffentlichen Interesses keine Beachtung finden könnte usw. (s. o.). Wenn Heinz sodann im gleichen Atemzug aus Kohlers Schrift zitiert, dass niemandem die Geschäftsführung gegen seinen Willen aufgedrängt werden darf und der Geschäftsherr Herr seiner Interessen bleiben muss106, so ist ihr Verständnis von Kohler’schen Theorie auch noch widersprüchlich.
4. Rabel und Lent Im Zusammenhang mit Kohler werden oft Rabel107 und Lent108 angeführt, wobei manche sie für Unterstützer von Kohler halten109, andere, es überrascht nicht, dass darunter auch Wollschläger zu finden ist110, dagegen als Opponenten111.
a) Rabel Rabel besprach in seinem Aufsatz die Frage, ob es u. a. Aufwendungsersatzansprüche aus §§ 683, 684 geben kann, wenn etwa ein unterhaltspflichtiger Vater das Kind behandeln lässt, welchem der Schädiger eine körperliche Verletzung zugefügt hat. Die Problematik besteht darin, dass er dadurch einerseits seiner eigenen Unterhaltspflicht nachgekommen ist, und andererseits durch die Behandlung des Kindes den deliktischen Anspruch des Kindes gegen den Schädiger, insofern ein Geschäft des Schädigers, erfüllt hat112. Bei der Beurteilung der Fälle, in denen fremde und eigene Interessen parallel verlaufen, unterschied Rabel zwischen drei Konstellationen: (1) jemand wird für einen anderen und für 104
Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 38. Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 39. Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 38. 107 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89 ff. 108 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938. 109 Vgl. Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 40.; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 4, Fn. 7, der Kohler, Rabel und Lent als Vertreter der Theorie der Menschenhilfe wiedergibt. 110 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 27. 111 Dornis, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, Vorbemerkung vor § 677, Rn. 5. 112 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89, 91. 105 106
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einen Dritten tätig, ohne dass diese Tätigkeit auf einem Auftrag oder auf einem anderen Vertrag oder auf einer gesetzlichen Pflicht beruht, (2) jemand wird für einen anderen und für einen Dritten tätig, für den Letzteren aber aufgrund eines Auftrages und (3) jemand wird für einen anderen und für einen Dritten tätig, für den Letzteren erfüllt er dabei eine eigene gegenüber diesem bestehende Verpflichtung, die nicht auf einem Auftrag beruht, sondern bei der es sich etwa um eine „Kauf-, Darlehens-, Unterhaltspflicht“ handelt. Der erste Fall unterfällt nach Rabel unbestritten der Geschäftsführung ohne Auftrag. Beim zweiten und dritten macht Rabel dagegen einen Unterschied. Werde jemand für einen anderen, ohne dass eine vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung bestehe, und für einen Dritten aufgrund eines Auftrags tätig, so wolle er fremde Interessen wahrnehmen. Werde er dagegen für einen anderen und für einen Dritten tätig, für den letzteren aber aufgrund einer, es darf geschlussfolgert werden, auf einem synallagmatischen Verhältnis beruhenden oder sich aus dem Gesetz ergebenden Pflicht, so sei der Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 wegen des starken Eigengeschäftsführungswillens zu verneinen113. Ein solcher Eigengeschäftsführungswille würde das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag „entstellen“ und „teilweise sprengen“114. Andererseits vertrage es sich „mit der Geschäftsführung im fremden Interesse, daß die Handlung zugleich im eigenen Interesse“ liege. „Der Gestor darf mitinteressiert sein.“115 Die Grenze sei dort anzusetzen, wo das „eigene oder das fremde Interesse bei der Handlung vorwiegt“116. Eine Gestion sei abzulehnen, wenn die Tätigkeit „eigenstrebend“ sei, auch wenn dadurch Vorteile für Dritte verbunden sind117. Damit schienen für Rabel noch grundlegende Merkmale der „Menschenhülfe“ für die Geschäftsführung ohne Auftrag prägend zu sein118. 113 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89, 94 (Hervorhebungen stammen vom Verfasser): „Seine eigene Geschichte hat dabei jener zugehörige Fall, dessen justinianische Behandlung im jüngeren Pandektenrecht zu dem hier fraglichen Lehrsatz führte, nämlich der Fall, daß Gestor von einem Dritten zur Gestion beauftragt ist. Wurde dieser Fall schließlich – gleichgültig ob vor oder erst unter Justinian – geradezu unter einen erweiterten Gestionsbegriff gefaßt, so bleibt er doch immer noch himmelweit von demjenigen verschieden, daß jemand seine eigene, dem Dritten gegenüber bestehende Kauf-, Darlehens-, Unterhaltspflicht erfüllt. Der Unterschied liegt auf der Hand. Dort will der Gestor sowohl das Mandat ausführen, d. h. das Interesse des Mandanten befriedigen, als auch das davon verschiedene objektive dritte Interessen erfüllen; hier wird er um eine altruistische Willensrichtung gar nicht befragt. Dort handelt er, ‚durch Versprechen einem Dritten gegenüber zur Menschenhülfe verpflichtet‘, hier einfach zur Erfüllung seiner eigenen Verpflichtung. Mit einem Worte: dort Gestion, wenn auch eine versprochene, hier keine Gestion“. 114 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89, 96. 115 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89, 96. 116 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89, 97. 117 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89, 97 unter Bezugnahme auf Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 115. 118 Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89, 97.
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Ein wesentlicher Widerspruch von Rabels Auffassung zu der von Kohler ist nicht zu erkennen, denn bei allen diesen Feststellungen, die Rabel für richtig hielt, verwies er auf die Arbeiten von Kohler119. Die grundsätzliche Unbeachtlichkeit der Eigeninteressen des Gestors ist auch ein Beweis dafür, dass Rabel, so wie Kohler, nicht die klassische Theorie der Menschenhilfe, die eine ausschließlich altruistische Absicht des Gestors verlangt, befürwortete. Der Unterschied könnte nur insoweit erkannt werden, als Rabel die Art der Verträge gegenüber Dritten und die dominierende Absicht des Gestors bei der Geschäftsführung für maßgeblich hielt. Dennoch kann Rabel nicht als sein Opponent betrachtet werden120, da diese Kriterien anscheinend auch bei Kohler anklingen121. Vielmehr war Rabels Kritik gegen die ausufernde Rechtsprechung122 und nicht gegen Kohler gerichtet.
b) Lent In seiner Monographie „Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung“, die 1938 erschienen ist, überprüfte Lent, inwieweit das geltende Recht „den Anforderungen einer Gemeinschaftsordnung“123, zu diesem Zeitpunkt der „nationalsozialistischen Ordnung“, entspricht124. Dafür stellte er sich zunächst die Frage nach dem „Geschäft“ und arbeitete heraus, dass dieses nicht nur vermögensrechtliche, sondern auch nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten umfasse, was wiederum der nationalsozialistischen Rechtsauffassung entspräche, „denn ihr erscheinen die Vermögensinteressen des einzelnen nicht als die wichtigsten“125. Sodann benannte er als mögliche Rechtsgrundlagen des „Geschäfts“ (1) den Vertrag, (2) das Gesetz (z. B. § 713) und (3) die Geschäftsführung ohne Auftrag126. Das Schuldverhältnis der „gerechtfertigten“ Geschäftsführung ohne Auftrag entstehe dann, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und Willen des Geschäftsherrn entspreche127. Die Entsprechung der Geschäftsführung mit dem Interesse und Willen des Geschäftsherrn sei aus der 119 Vgl. Rabel, RheinZ 10, 1919/1920, 89, 96–97. 120 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag,
1976, S. 27 ist dagegen der Auffassung, dass „Rabel … deutlich von Kohlers weitherziger Vorstellung“ abrückte. 121 Vgl. Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 114 f. 122 So auch Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 20 und Fn. 40.; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 40. 123 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, Vorwort. 124 Als Ziel der Monographie formuliert Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, Vorwort. 125 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 3. 126 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 4–5. 127 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 7: „und das eigentümliche der gesetzlichen Regelung besteht darin, daß die bloße Tatsache einer Übernahme der GF oder irgenwelcher GF‑Handlungen nicht genügt, sondern daß das Gesetz obendrein fordert, die Übernahme müsse dem Interesse und Willen des GH entsprechen; ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so entsteht das Schuldverhältnis nicht, dass man als ‚GFoA‘ bezeichnet“.
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rechtspolitischen Lage zu beurteilen: das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag bewege sich zwischen zwei Extremen – zwischen der edelsten, aufopfernden Hilfe und der aufdringlichen, unnützigen Einmischung in fremde Angelegenheiten128. Die Rechtsordnung müsse nach Lent bestrebt sein, „die tätige Hilfe für einen anderen, auch wenn sie aus eigenem Antrieb ohne Vertrag und Amt erfolgt, zu fördern und zu schützen“129, denn dieses Eintreten für einen anderen sei „für die Gemeinschaft unentbehrlich“ und entspreche der nationalsozialistischen Auffassung, „die ja das Schwergewicht auf die Gesinnung des Menschen und Volksgenossen legt“, sodass im Recht heißen müsse: „Hoch klingt das Lied vom braven Mann“130. Andererseits war Lent der Auffassung, dass man, so sehr die Geschäftsführung auch altruistisch ausgeprägt sein mag, im Auge behalten müsse, „daß Hilfe unerwünscht und schädlich sein kann, wenn sie mit unzureichender Fähigkeit begonnen, oder wenn niemand sie braucht und wünscht, wenn eine taktlose Einmischung in fremde Angelegenheiten vorliegt, die mehr Schaden bringt als sie Nutzen bringen kann“131. Er bemühte sich daher um einen Mittelweg. Diesen fand er darin, dass eine Geschäftsführung, die zwar das Interesse des Geschäftsherrn wahrt, aber nicht seinem Willen entspricht, nicht gerechtfertigt ist, ebenso eine Geschäftsführung, die zwar dem Willen entspricht, aber nicht das Interesse des Geschäftsherrn wahrt132. Es müsse somit, wie auch schon vorher vorausgesetzt, beides vorliegen, und zwar, ganz im Sinne von Kohler133 (s. o.), sowohl die Entsprechung mit dem Willen des Geschäftsherrn bzgl. der Geschäftsführung als solche („Ob“), als auch die Entsprechung mit dem Willen des Geschäftsherrn bzgl. des „Wie“ der Geschäftsführung134. Nun macht Lent aber in Bezug auf den Willen des Geschäftsherrn zwei Ausnahmen, in denen er auf diesen verzichtet und dem Interesse den Vorrang einräumt. Die erste Ausnahme liege dann vor, wenn der Geschäftsführer sich unverschuldet über den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn irrt, aber das Interesse, welches objektiv zu bestimmen ist, desselben wahrt135. Die Versagung der aus der „gerechtfertigten“ Geschäftsführung ohne Auftrag resultierenden Ansprüche wäre in dem Fall „besonders hart und unbillig“136. Die zweite Ausnahme sei dann anzunehmen, wenn ein öffentliches Interesse im Sinne
128
Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 12. Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 12. Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 12 131 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 12. 132 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 12–13. 133 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 63. 134 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, vgl. S. 16. 135 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 17. 136 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 17. 129 130
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des § 679 bestehe137, wobei darunter nicht die Erfüllung „sittlicher Pflichten“ falle138. Die, wie schon bei Kohler, intuitive Vorstellung mancher Autoren, die wahrscheinlich aus solchen pathetischen Sätzen resultiert wie: „Hoch klingt das Lied vom braven Mann“, darf nicht über die tatsächlich aufgestellte Dogmatik des einzelnen Autors hinwegtäuschen. Lent war, wie schon Kohler, im Grundsatz Vertreter des subjektiven Prinzips, auch wenn er, anders als Kohler, umfangreiche Ausnahmen (siehe erste Ausnahme) hin zur objektiven Theorie, aber nicht zur klassischen Theorie der Menschenhilfe, zuließ139. Insofern kann Lent in Kohlers Meinungsgruppe eingeordnet werden140, doch es ist zugleich daran zu erinnern, dass Kohler selbst nicht Vertreter der klassischen Theorie der Menschenhilfe war. Freilich besteht bei Lent, abgesehen von seinen konkreten Tatbestandsvoraussetzungen, der „fade Beigeschmack“141, wenn er die Quelle seiner Gedanken in der nationalsozialistischen Ordnung sucht.
5. Resümierende Betrachtung für das BGB Für die klassische Theorie der Menschenhilfe kann man somit resümieren, dass sie weder als eine abstrakte Theorie, noch als solche, die konkret an die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 677 ff. anknüpft, fungieren kann. Dagegen sprechen eindringlich sowohl die Motive der 1. Kommission als auch die Protokolle der 2. Kommission. Diese Theorie entspricht weder Kohlers Auffassung von „Menschenhülfe“, noch ist sie Rabel, noch Lent zuzuschreiben. Losgelöst von Gesetzgebungsmaterialien enthalten die §§ 677 ff. in ihrem Wortlaut auch keine Einschränkung auf eine freiwillige, uneigennützige und nicht aufdringliche Geschäftsführung. Die Zulassung des Eigengeschäftsführungswillens neben dem Fremdgeschäftsführungswillen im Rahmen der §§ 677 ff. spricht gegen diese Theorie, genauso das streng subjektive Prinzip auf der Ebene des § 683 S. 1, der durch den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn bezüglich der Übernahme des Geschäfts eine Subsumtion unter die §§ 677 ff. der noch so freiwilligen, noch so uneigennützigen, noch so nicht aufdringlichen Geschäftsführung zu Nichte macht142. Auch die insbesondere aufgrund der aus § 280 Abs. 1 S. 2 resultierenden Verschuldensvermutung 137
Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 27 ff.
138 Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 34. 139 Aufgrund dieser umfangreichen Ausnahmen erscheint auch die Lösung
von Lent kaum brauchbar und kann damit in der Tat, wie Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 7 meint, kaum praktische Lösungen bieten. 140 A. A. Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 27. 141 So völlig zu Recht Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 19. 142 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 25: „§ 683 S. 1 BGB provoziert Widerspruch, wenn man in der Geschäftsführung ohne Auftrag das kollektivistische Leitbild der Menschenhilfe sucht“.
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strenge Haftung nach §§ 677, 280, 276 dürfte das altruistische Verhalten eher hemmen143. Aus diesem Grunde können nicht alle Fälle altruistischen Verhaltens des Geschäftsführers bedenkenlos dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag unterstellt werden144. Angesichts der Gesetzesmaterialien, die die Menschenhilfe nur an ein paar Stellen (s. o.) andeuten und die eine starke Anlehnung an das subjektive Prinzip zum Ausdruck bringen, wäre es geradezu vermessen, den Gedanken der Menschenhilfe als das „Leitbild“ der echten berechtigten Geschäftsführung anzusehen145. Die Theorie der Menschenhilfe ist weder auf der abstrakten Ebene, noch auf der tatbestandlichen Ebene, noch als „Leitbild“ der Dogmatik der Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde zu legen.
B. Quasikontrakttheorien Eine andere Strömung zur dogmatischen Ergründung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag bilden die Quasikontrakttheorien. Diese haben eine sehr lange Geschichte. Schon Iustinian verortete die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als ein besonderes Schuldverhältnis der Quasikontrakte zwischen den vertraglichen Schuldverhältnissen (ex contractu) und den Schuldverhältnissen aus Delikt (ex delicto)146. Die im römischen Recht geltende actio negotiorum gestorum contraria verlangte ein utiliter gestum. Die Geschäftsführung musste damit im Interesse des Geschäftsherrn liegen. Diesen Anknüpfungspunkt griffen die Vertreter der Quasikontrakttheorien auf, um die Voraussetzung des fiktiven Konsenses zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn für die Obligationsauslösung herzuleiten. Innerhalb dieser Theorien hat man freilich unterschiedliche Qualifizierungen des Konsenses vorgenommen. So war Kritz147 der Auffassung, dass es sich bei der berechtigten Geschäftsführung 143
S. 23.
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
144 So aber Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1259; Emmerich, Schuldrecht BT, 13. Aufl., 2012, § 13, Rn. 9; Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 7.; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, Vorbemerkungen, Rn. 1, wenn er mit dem Gedanken des Altruismus einen „Teilbereich“ des Anwendungsbereiches als beschrieben sieht. 145 Abgesehen von sonstigen widersprüchliche Aussagen (s. o.), ist auch Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 47 der Auffassung, dass Menschenhilfe nicht den Leitgedanken der §§ 677 ff. darstellen kann; in diese Richtung auch Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 6; a. A. Schubert, AcP 178, 1978, 425, 431; Helm, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, 336, 362, 385 der in der Menschenhilfe die „wichtigste Funktion der GoA“ erachtet. 146 Inst 3, 27. 147 Kritz, Das Pandektenrecht, 1848 Band I, S. 348 ff., 394, 396.
B. Quasikontrakttheorien
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ohne Auftrag um ein fingiertes Mandat handele, Dankwardt148 und Chambon149 qualifizierten sie als eine fingierte Genehmigung, nach Witte150 „fingierte der Prätor ein Mandat oder vielmehr eine Ratihibation der Geschäftsführung“. Ruhstraht151 und Brinkmann152 bezeichneten die Übereinstimmung der Willen als das materielle Substrat eines Vertrages. V. Monroh153 und Leist154 erblickten in der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag eine „Willensgemeinschaft“ und Ogonowski155 nahm schließlich einen echten Vertrag an. Die Tradition der Quasikontrakttheorien setzte sich auch für das BGB fort. So war Larenz156 der Auffassung, „daß das auftragsähnliche Schuldverhältnis der ‚Geschäftsführung o. A.‘, wie es inhaltlich durch die §§ 677, 681, 683 geregelt wird, nur im Falle einer berechtigten Geschäftsführung entsteht, deren Voraussetzungen aus den §§ 677 und 683 Satz 1 zu entnehmen sind“. Ob es sich dabei um eine überwiegende Lehre handelte, wie Larenz damals bewertete, dürfte freilich bezweifelt werden. Auch Ennecerrus/Lehmann157 waren dieser Auffassung. Eine deutliche Positionierung in diese Richtung unternahm auch Gursky158. Köndgen schlug die Richtung der Theorie vom hypothetischen Vertrag ein159, freilich aus weniger dogmatisch-konstruktiven Gründen, sondern aus der Analyse der typisch bestehenden Lage zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer. Als Anknüpfungspunkt nahm er die Not- und Hilfesituationen an, die normalerweise durch den Abschluss eines bestimmten Vertrages bewältigt werden können160. Diese Situationen seien freilich dadurch gekennzeichnet, dass der Hilfesuchende tendenziell erpressbar sei, insbesondere dann, wenn er unter Zeitdruck stehe, der andere monopole Stellung besitze, oder wenn es sich um „Einmal-Spiel“ handele, bei dem der andere keinen Anreiz habe, sich 148
Dankwardt, Negotiorum gestio, 1855, S. 26 ff. Chambon, Negotiorum gestio, 1848, S. 56. 150 Witte, Die Bereicherungsklagen des gemeinen Rechts, 1859, S. 7. 151 Ruhstraht, AcP 32, 1849, 173, 188. 152 Brinkmann, Die Begründung der Klagen des Reichsrechts und des gemeinen Rechts nach dem Reichscivilproceß, 1883 2, S. 324 ff. 153 von Monroy, Die vollmachtslose Ausübung fremder Vermögensrechte, 1878, S. 22. 154 Leist, Das erlaubte ungerufene Eingreifen in fremde Vermögensangelegenheiten, 1855, S. 109 ff. 155 Ogonowski, Die Geschäftsführung ohne Auftrag nach österreichischem Rechte, 1877, S. 28. 156 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 57, S. 437. 157 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 14. Neub., 1954, § 165, II. 2., S. 675. 158 Gursky, AcP 185, 1985, 13, 21: „Dieses gesetzliche Schuldverhältnis kommt ja nur zustande, wenn die Übernahme der Geschäftsführung entweder dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspringt (§ 683 S. 1) oder vom letzteren genehmigt wird (§ 684 S. 2).“ und auf S. 39. 159 Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371, 382 ff. 160 Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371, 383. 149
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zum Zwecke weiterer Geschäftskontakte besonders kooperativ zu verhalten161. Für die Lösung dieses Dilemmas dränge sich als Ausweg die Konstruktion des hypothetischen Vertrages auf. Die Geschäftsführung ohne Auftrag substituiere jenen Vertrag, den zu schließen die Parteien unter den geschilderten ungünstigen Umständen, vor allem für den Geschäftsführer, gehindert waren162. Die Geschäftsführung ohne Auftrag sei deshalb gegenüber dem Kontrahierungszwang ein milderes und freiheitsfreundlicheres Mittel163. Indes habe die vorgeschlagene Konstruktion mit dem realen Parteiwillen wenig zu tun, sondern sie simuliere als Denkfigur einen vernünftigen Parteikonsens, der die Obligation der Geschäftsführung ohne Auftrag auslöse164. Zu dieser Auffassung tendierte auch Kötz165. Er untersuchte die Geschäftsführung ohne Auftrag unter der Prämisse der ökomischen Analyse des Rechts und gab sich, wie Köndgen zuvor, dem Gedankenexperiment unter der Fragestellung hin, ob die Parteien die Geschäftsführung unter normalen Umständen vereinbart, ob sie also einen „hypothetischen Vertrag“ geschlossen hätten166. Daraus folgert Kötz, dass der Geschäftsherr in einen solchen Vertrag nur dann eingewilligt hätte, wenn der Nutzen aus der Geschäftsführung höher liegt, als die voraussichtlichen Kosten, wenn also die Nutzen-Kosten-Abwägung ein positives Ergebnis ergebe167. Und auch wenn Kötz an mehreren Stellen deutlich macht, dieser hypothetische Vertrag entstehe aus der Kombination der in §§ 677 HS. 1 und 683 S. 1 niedergelegten Tatbestandsmerkmale168, arbeitet er am Ende seines Beitrages heraus, dass die Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens des Geschäftsführers nach seiner ökonomischen Analyse keine konstitutive Voraussetzung für die Obligationsbegründung der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sei169. Ausreichend sei vielmehr ein Fremdgeschäftsführungsbewusstsein170. 161
Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371, 383. Köndgen folgend auch, Dornis, ZJS 2013, 216, 217; ders. JZ 2013, 592, 593: „Dann kann eine Einigung lediglich durch das Recht simuliert werden. Die auftragslose Geschäftsführung ist ein Beispiel hierfür“. 163 Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371, 383. 164 Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371, 384. 165 Kötz, FS Großfeld, 1999, 583, 586, 588, 592. 166 Kötz, FS Großfeld, 1999, 583, 585, 586. 167 Kötz, FS Großfeld, 1999, 583, 586. 168 Kötz, FS Großfeld, 1999, 583, 588, 592, 593. 169 Kötz, FS Großfeld, 1999, 583, 595: „Auch aus ökonomischer Sicht gibt es keinen Grund, warum dem Geschäftsführer ein Aufwendungsersatzanspruch nur dann sollte zustehen können, wenn sein Handeln auf einem ‚Fremdgeschäftsführungswillen‘ beruht hat“, S. 597: „Daß die Wasser- und Schiffahrtsdirektion mit der Bergungsaktion (auch) eine eigene Verpflichtung erfüllen und eine eigene Haftung vermeiden wollte und daß deshalb ihr ‚Fremdgeschäftsführungswille‘ in Zweifel gezogen werden kann, ist zwar richtig, sollte aber nicht dazu führen, daß eine Geschäftsführung ohne Auftrag abgelehnt, § 683 BGB für unabwendbar gehalten … sein muß“. 170 Ausdrücklich formuliert das Kötz nicht. Doch aus der Verortung seiner Auffassung in 162 Dem
B. Quasikontrakttheorien
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Zusammengefasst vereint alle Vertreter ausgesprochen oder unausgesprochen171 die Forderung nach einem fiktiven Konsens zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer, und diesen Konsens stützen sie im Gesetz auf den Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers aus dem § 677 HS. 1 und den Übernahmewillen des Geschäftsherrn aus dem § 683 S. 1. Nun gilt es die Haltbarkeit dieser Theorie zu überprüfen.
I. Gesetzesmaterialien 1. Entwurf (1. Kommission) a) Mögliche Hinweise auf die Quasikontrakttheorie In den Motiven der 1. Kommission finden sich mehrere Hinweise bzgl. der Frage, ob Quasikontrakttheorien eine dogmatische Grundlage der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bilden können. So war die Kommission hinsichtlich des § 752 E-1172, der die Frage klärte, wie ein geschäftsunfähiger oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Geschäftsführer nach dem Recht der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag haftet (Vorgängerregelung des heutigen § 682), der Auffassung: „daß die negotiorum gestio, mag ihr auch die Eigenschaft eines Rechtsgeschäfts im engeren und eigentlichen Sinne abzusprechen sein, doch zu den sog. Rechtshandlungen im weiteren Sinne oder zu den unmittelbar eine Rechtsänderung nach sich ziehenden vorsätzlichen Handlungen, welche keine Delikte sind, gehört. Auf diese Rechtshandlungen finden nach dem Standpunkte des Entwurfes prinzipiell, anlangend ihre verbindliche Kraft für den Handelnden in Rücksicht auf Handlungsfähigkeit, die für Rechtsgeschäfte im engeren Sinne maßgebenden Regeln Anwendung. Die Anwendbarkeit ergiebt sich im Allgemeinen mit Nothwendigkeit aus den Gründen, auf welchen jene Regeln beruhen. Für die negotiorum gestio von diesem Grundsatze abzuweichen und etwa auf die Regeln von der Deliktsfähigkeit (§§ 708, 709) zurückzugehen, wäre nicht gerechtfertigt.“173
Aus dieser Textpassage können bedeutende Schlussfolgerungen gezogen werden: (1) Zum einen hat die Kommission die deutliche dogmatische Nähe der der Nähe der der Rechtsprechung, vgl. Kötz, FS Großfeld, 1999, 583, 596, die bekanntlich keine hohen Voraussetzungen an den Fremdgeschäftsführungswillen stellt und diesen oft vermutet, wird deutlich, dass mindestens ein Bewusstsein zu verlangen; so auch Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 56. 171 Bei Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371 ff. lässt sich keine ausdrückliche Aussage dahingehend feststellen, sondern wird aus dem Gesamtzusammenhang deutlich. 172 Mugdan II, 1899, S. CXXXVI: „Ist der Geschäftsführer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist er nur zur Herausgabe der aus der Geschäftsbesorgung erlangten Bereicherung nach Maßgabe des § 748 Abs. 3 verpflichtet, unbeschadet der Haftung aus unerlaubter Handlung“ 173 Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 480. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
Geschäftsführung ohne Auftrag zu den Rechtsgeschäften gesehen, sie jedoch nicht als ein echtes Rechtsgeschäft qualifiziert (nicht „im engeren und eigentlichen Sinne“), sondern (2) die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag „zu den sog. Rechtshandlungen im weiteren Sinne“ gezählt.
b) Begriff der Rechtshandlungen Was unter „Rechtshandlungen“ zu verstehen ist, erklärt die 1. Kommission im Dritten Abschnitt ihrer Motive, der den Rechtsgeschäften und ihrer Abgrenzung zu den Rechtshandlungen gewidmet ist. Den Rechtsgeschäften als Handlungen, die auf den Eintritt von Rechtsfolgen gerichtet sind, stehen jene Handlungen gegenüber, an welche sich zwar Rechtswirkungen anschließen, die aber nicht mit dem Willen vorgenommen werden jene Rechtswirkungen herbeizuführen174. Savigny trennte schon früher bei „freien Handlungen“ zwischen Rechtsgeschäften und anderen Handlungen: die ersteren sind „auf die Entstehung oder Auflösung des Rechtsverhältnisses“, die letzteren „auf andere, nichtjuristische Zwecke“ gerichtet, „so daß die juristische Wirkung entweder als untergeordnet im Bewußtsein zurücktritt oder entschieden nicht gewollt ist“175. Manigk hat diese Unterscheidung noch schärfer präzisiert. Der Handelnde setzt bei Rechtsgeschäften gemäß legaler Ermächtigung – der von der Rechtsordnung gewährte Raum für Privatautonomie – den Tatbestand bezüglich gewichtiger Elemente selbst und bestimmt damit auch die Rechtswirkungen mit176. Insofern ist das Rechtsgeschäft eine selbstständige, auf legaler Ermächtigung beruhende Rechtsquelle. Wo dieser Raum zur privatautonomen Gestaltung nicht zugestanden werde – zwingendes Recht – stehen die Tatbestände „im Dienste der Rechtsordnung, ihres Willens und ihrer unmittelbar verwirklichten Zwecke“. Der Handelnde ist in diesen Fällen „lediglich Instrument der Rechtsordnung“177. Seine Handlung kann hier nur als eine Rechtshandlung eingestuft werden. Andererseits kann eine (Rechts)Handlung ihrerseits nicht völlig frei vom Willen des Handelnden geschehen. Zum einen muss die Vornahme der Handlung selbst willentlich sein, sich also auf die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolgs richten178. Zum anderen ist auch eine Rechtshandlung zwar im Grundsatz nicht auf den Einritt von Rechtsfolgen bezogen, dennoch nicht völlig losgelöst von den gesetzlichen Wirkungen. Ihr haftet ein „privatautonomes Element“ an179. Am besten lässt sich dieser Aspekt anhand der Mahnung erklären, die von der heute allgemeinen Auffassung als eine Rechtshandlung ein174
Motive II, 1888, S. 127 = Mugdan II, 1899, S. 421. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1840 III, S. 5. Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 469. 177 Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 469. 178 Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012b; Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 28, Rn. 8. 179 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 4. Aufl., 1992 II, § 9 1, S. 107. 175 176
B. Quasikontrakttheorien
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gestuft wird180. Sie ist eben nicht darauf gerichtet die gesetzlichen Rechtsfolgen des Verzuges (§§ 286–288) herbeizuführen. Mit ihr will der Abmahnende lediglich den Schuldner zur geschuldeten Leistung auffordern. Dennoch hat der Gläubiger es in der Hand durch die Mahnung, unterstellt die sonstigen Voraussetzungen des § 286 sind erfüllt, die Rechtsfolgen des Verzuges herbeizuführen. Er kann demzufolge mit ihr zwar nicht seine eigenen bestimmten autonomen Zwecke erreichen, jedoch die vom Gesetz vorgegeben Zwecke, die freilich mit seinen eigenen übereinstimmen können. Der Abmahnende ist damit in der Position, den vom Gesetz vorgesehen Weg mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen einzuschlagen. Die „hervorragendste“ Stelle unter den Rechtshandlungen nehmen die unerlaubten Handlungen ein181. Doch nimmt die 1. Kommission im Abschnitt zu den Rechtsgeschäften auch eine Abgrenzung der unerlaubten Handlungen von der Führung fremder Geschäfte ohne Auftrag vor, indem sie die letztere ausdrücklich nicht den Delikten zuordnet (s. o. schon), aber „welche nicht ungeeignet mit Rechtshandlungen bezeichnet werden“182. Anzumerken ist an dieser Stelle die Wahl der doppelten Verneinung („nicht ungeeignet“), die eine gewisse Vorsicht, möglicherweise auch ein gewisses Unbehagen der 1. Kommission bei der dogmatischen Einordnung u. a. der Führung fremder Geschäfte ohne Auftrag ausdrückt. Damit kann gemeinsam mit Flume von einer Dreiteilung ausgegangen werden: Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen und unerlaubte Handlungen183.
c) Einordnung als Quasivertrag? Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ist für die 1. Kommission eine Rechtshandlung, die sich indes in der deutlichen dogmatischen Nähe zu den Rechtsgeschäften befindet. Diese Einordnung unterstützt die Quasikontrakttheorien. Doch auch wenn eine solche dogmatische Nähe zu den Rechtsgeschäften erkennbar ist, kann nicht gleich auf die Qualifikation als ein (Quasi-)Vertrag geschlossen werden. Rechtsgeschäfte können bekanntlich einseitig, zweiseitig oder mehrseitig sein184. Ein Vertrag ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das nicht nur voraussetzt, dass zwei Willen inhaltlich übereinstimmen, sondern dass diese in Erklärungen gegossen wurden, die zudem in Bezug auf einander abzugeben sind185. Mit der quasivertraglichen Einordnung kann zwar auf die Vo180 BGHZ 47, 352, 357; Lorenz, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 286, Rn. 22; Dornis, in: BeckOGK, BGB, 01. 09. 2018, § 286, Rn. 128; Stadler, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 286, Rn. 16. 181 Motive II, 1888, S. 127 = Mugdan II, 1899, S. 421. 182 Motive II, 1888, S. 127 = Mugdan II, 1899, S. 421. 183 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 4. Aufl., 1992 II, § 9 1, S. 105. 184 Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl., 2010, § 19, Rn. 202 ff. 185 Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl., 2010, § 19, Rn. 203.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
raussetzung verzichtet werden, die Willen in Erklärungen zu gießen, nicht jedoch auf die Willenstatbestände und ihre Übereinstimmung. Es muss daher, um eine quasivertragliche Einordnung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zu rechtfertigen, neben dem Willen des Geschäftsführers auch die Voraussetzung des Willens des Geschäftsherrn, zunächst unabhängig davon, was genau der Gegenstand dieses Willens sein mag, bereits auf der Ebene der actio directa (!) begründet werden. Dazu jetzt. Zunächst macht die 1. Kommission deutlich, dass die Voraussetzungen der actio directa und actio contraria verschieden sind: „Die Voraussetzungen der actio directa und actio contraria sind hiernach verschieden. Während der Geschäftsführer hinsichtlich seiner Pflichten und seiner Verantwortlichkeit für Schaden (a. directa) frei wird, wenn und soweit er trotz der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters die Intentionen des Geschäftsherrn nicht erkannt und anders gehandelt hat, als dieselben erfordert hätten, genügt zur Begründung der actio contraria nicht der Nachweis, daß er die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters allgemein und insbesondere auch nach der Richtung angewendet habe, um die Intentionen des Geschäftsherrn zu erfahren und nach ihnen sich zu richten, wenn gleichwohl das Richtige oder das jenen Intentionen Entsprechende von ihm nicht getroffen wurde. Vielmehr entzieht ihm auch ein unverschuldeter Verstoß gegen die Intentionen des Geschäftsherrn seine Rechte gegen denselben“186.
Die 1. Kommission folgt in Bezug auf die actio contraria dem streng subjektiven Prinzip (s. gleich unten). Dagegen ist bei der actio directa, wohlgemerkt in Bezug auf Schadensersatzansprüche des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer, der Geschäftsführer schon dann nicht schadensersatzpflichtig, wenn er die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters angewandt hat. Die Richtschnur, der der Geschäftsführer bei actio contraria folgen muss, ist identisch mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn. Auch wenn der Geschäftsführer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters gehandelt hat, verhilft sie ihm nicht zur Begründung des Aufwendungsersatzanspruches, wenn der Wille des Geschäftsherrn, so unvernünftig er auch sein mag, entgegengestanden hat. Die Richtschnur, der der Geschäftsführer bei der actio directa folgen muss, ist dagegen nicht immer identisch mit der für den Geschäftsherrn. Doch folgt daraus, dass auf die Berücksichtigung des Willens des Geschäftsherrn auf der Ebene der actio directa verzichtet wurde? Das kann man kaum schlussfolgern. Aus der Formulierung: „Während der Geschäftsführer hinsichtlich seiner Pflichten und seiner Verantwortlichkeit für Schaden (a. directa) frei wird, wenn und soweit er trotz der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters die Intentionen des Geschäftsherrn nicht erkannt“ hat187 186 187
Mugdan II, 1899, S. 481. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. Mugdan II, 1899, S. 481. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
B. Quasikontrakttheorien
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ergibt sich ein anderes Grundsatz-Ausnahme-System. Grundsätzlich hat der Geschäftsführer auch bei der actio directa die Intentionen des Geschäftsherrn zu beachten. Lediglich im Falle eines entstandenen Schadens, also im Falle einer speziellen Haftungsfrage des Geschäftsführers, werden die Intentionen des Geschäftsherrn nicht beachtet, wenn der Geschäftsführer eine objektive Voraussetzung, nämlich die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters, erfüllt hat. Auf den subjektiven Willen des Geschäftsherrn wird folglich nur ausnahmsweise verzichtet. Der Grundsatz ist dagegen, dass der Wille des Geschäftsherrn vom Geschäftsführer bereits auf der Ebene der actio directa zu beachten ist. Dieser Schlussfolgerung kann auch nicht potentiell entgegengehalten werden, die 1. Kommission meine mit der „actio directa“ im Sinne des römischen Aktionensystems nur den Schadensersatzanspruch, nicht jedoch die Eröffnung des Anwendungsbereiches der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Zum einen ist aus der soeben zitierten Textpassage zu entnehmen, dass mit der „actio directa“ die 1. Kommission nicht nur „Verantwortlichkeit für Schaden“ im Blick hatte, sondern an erster Stelle die „Pflichten“ des Geschäftsführers regeln wollte. Zum anderen macht die 1. Kommission am Anfang ihrer Ausführungen zu §§ 749, 750 E-1188 deutlich, dass die „§§ 749–752 über die Verpflichtungen des Geschäftsführers aus der Geschäftsführung ohne Auftrag (actio neg. gest. directa), in den §§ 753–758 über die dem Geschäftsführer gegen den Geschäftsherrn erwachsenden Ansprüche (actio neg. gest. contraria)“ bestimmen. Dabei stellt die 1. Kommission unverzüglich klar: „Der § 749 Abs. 1 stellt, indem er die Haftung des Geschäftsführers für den Ersatz des durch Vorsatz und Fahrlässigkeit verursachten Schadens ausspricht, zugleich diejenigen Voraussetzungen fest, von deren Vorhandensein die Anwendung der Vorschriften dieses Titels im Allgemeinen abhängt“189.
Die 1. Kommission löste sich damit vom strengen aktionsrechtlichen Denken des römischen Rechts und erachtete die Vorschrift des § 749 Abs. 1 als diejenige, die für die Obligationsbegründung maßgeblich ist. Wenn sie sodann die grundsätzliche Pflicht des Geschäftsführers zur Befolgung der Geschäftsherrnintentionen formuliert, sind diese Intentionen schon für die Obligationsbegründung relevant. Dieses Untersuchungsergebnis unterstützt ebenfalls die Quasikontrakttheorien. Nicht klar aus den Materialien wird dagegen, was der Bezugspunkt dieses Geschäftsherrnwillens auf der Ebene der actio directa ist. Was der Bezugspunkt des Geschäftsherrnwillens auf der Ebene der actio contraria ist, beschreibt die 1. Kommission recht detailliert: 188 189
Motive II, 1888, S. 854 ff. = Mugdan II, 1899, S. 477 ff. Motive II, 1888, S. 854 = Mugdan II, 1899, S. 477. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
„Der § 753 bestimmt über die mit der actio contraria geltend zu machenden Ansprüche des Geschäftsführers, bezw. über die Erfordernisse der actio contraria. Letztere hat zur Voraussetzung, daß das negotium utiliter gestum ist. In Beantwortung der Frage aber, was utiliter gestum sei, folgt der Entwurf prinzipiell dem strengen subjektiven Prinzipe, wonach die actio contraria, ohne Unterscheidung zwischen nothwendigen und nützlichen oder vortheilhaften Geschäften bezw. Aufwendungen oder zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften, abhängig ist davon, daß das Eingreifen in die Geschäfte eines Anderen an sich, wie die Art und Weise der Geschäftsbesorgung den wirklichen, nicht blos den bei Anwendung der gebührenden Sorgfalt erkennbaren, Intentionen des Geschäftsherrn bezw. des gesetzlichen Vertreters desselben (vergl. § 756), entsprochen hat“190.
Daraus wird deutlich, dass der Geschäftsherrnwille auf der Ebene der actio directa, deren Voraussetzungen von der actio contraria ausdrücklich verschieden sein sollen (s. o.), unter Zugrundelegung einer negativen Abgrenzung sich offensichtlich nicht auf die Geschäftsbesorgung „an sich“, also auf das „Ob“ der Geschäftsführung, und nicht auf die „Art und Weise der Geschäftsbesorgung“, also auf das „Wie“ der Geschäftsführung beziehen darf. Im Abschnitt dieser Arbeit, in dem hier vertretene dogmatische Theorie vorgestellt wird, wird diese Frage geklärt. Es handelt sich um eine Frage, die im Laufe der letzten 150 Jahre der GoA‑Forschung nicht gestellt wurde, die aber die wesentlichste Frage bei der Ergründung der dogmatischen Grundlage der actio directa ist.
d) Schlussfolgerungen Resümierend ist in den Motiven der 1. Kommission eine gewisse Unterstützung der Quasikontrakttheorien zu erkennen. In einem maßgeblichen Punkt widersprechen die Letzteren freilich den Motiven der 1. Kommission. Bei der Herleitung des Geschäftsherrnwillens aus der Vorschrift des § 683 S. 1 stehen sie in einem offenen Konflikt mit der von der 1. Kommission ausdrücklich gewollten unterschiedlichen Ausgestaltung der Voraussetzungen der actio directa und actio contraria. Beide setzen nach der hier vertretenen und demnächst vorzustellenden Auffassung zwar den Geschäftsherrnwillen voraus, nur bezieht sich dieser auf unterschiedliche Gegenstände. Genau dies haben die bisher ausgearbeiteten Quasikontrakttheorien nicht erkannt. Die Kritik der Verfechter anderer Konstrukte in diesem Punkte ist zwar im Grunde berechtigt, jedoch nicht in ihrem Umfang. Aus ihr darf nicht gleich die restlose Eliminierung des Geschäftsherrnwillens auf der Ebene der actio directa, sondern ein Bedürfnis nach einer andersartigen inhaltlichen Ausgestaltung dieses Willens folgen.
190
Mugdan II, 1899, S. 480 f. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
B. Quasikontrakttheorien
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2. Mitglieder der 1. Kommission: v. Kübel und Windscheid Zur Ablehnung der Quasikontrakttheorien werden oft die Ausführungen der Mitglieder der 1. Kommission – v. Kübel und Windscheid – herangezogen. Dies gilt es anzuzweifeln. V. Kübel191 lehnte die Quasikontrakttheorien nach dem oben geschilderten Verständnis berechtigterweise ab. Diese Theorien gehen davon aus, dass die Voraussetzungen für actio directa und actio contraria identisch sind. Dies widerspricht, wie bereits erörtert, dem Willen der 1. Kommission. Es bestehen dennoch gewichtige Divergenzen zwischen der Vorstellung über actio directa der 1. Kommission und der Ansicht von v. Kübel. So geht v. Kübel davon aus, dass die unterschiedlichen Voraussetzungen zwischen der actio directa und actio contraria zu der Folge führen, dass „jede der beiden Klagen einen selbstständigen Rechtssatz repräsentire, und zwischen beiden Klagen keine nothwendige Wechselbeziehung stattfinde, womit die Voraussetzungen einer jeden der beiden Klagen je für sich festzusetzen seien“192. Dies steht im Widerspruch mit der Loslösung der 1. Kommission vom aktionsrechtlichen Denken193 und der bereits zitierten Textpassage, wonach der § 749 Abs. 1 „diejenigen Voraussetzungen fest[setzt], von deren Vorhandensein die Anwendung der Vorschriften dieses Titels im Allgemeinen abhängt“194. Die Auffassung v. Kübels geht im Vergleich zu der der 1. Kommission zudem stärker in die Richtung der Menschenhilfe195. So schreibt er zur Begründung des Aufwendungsersatzanspruches des Geschäftsführers: „Insoweit liegt daher ein vom Rechte zu beachtendes allgemeines Bedürfnis vor, daß Jemand fremder Angelegenheiten auch ohne Auftrag oder Amtspflicht sich annehme, was man als utilitas absentium bezeichnet hat, und es hat die Rechtsordnung diesem Bedürfnisse entgegenzukommen, indem sie dem Geschäftsherrn, wenn Jemand seiner Angelegenheiten freiwillig angenommen hat und das negotium als utiliter gestum, als im Interesse des Herrn gelegen, anzuerkennen ist, verpflichtet, die dem Geschäftsführer durch die Geschäftsführung erwachsenden Nachtheile auszugleichen, da sonst nicht leicht Jemand fremder Angelegenheiten sich annehmen würde…während, wie bemerkt, das hilfreiche Eingreifen solcher freiwilligen Thätigkeit eines Anderen im allgemeinen Interesse gelegen ist.“196
191 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, S. 936, 942, 943. 192 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, S. 936. 193 So auch Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 49. 194 Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 477. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 195 So auch Jansen, in: HKK, 2013, §§ 677–687 I, Rn. 36. 196 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, S. 936.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
Die 1. Kommission formuliert dagegen deutlich subjektiver und beschreibt die Führung fremder Geschäfte ohne Auftrag wesentlich kritischer: „Es stände mit den allgemeinen Grundsätzen nicht im Einklange, wollte man solchenfalls dem Geschäftsherrn die Folgen der von ihm nicht veranlaßten Handlungsweise des Geschäftsführers zur Last legen. … Insbesondere wird eine solche Abweichung nicht durch die Besorgniß gerechtfertigt, daß bei dem Mangel einer den Geschäftsführer schützenden Vorschrift viele erwünschte Geschäftsführungen unterbleiben würden und darunter das allgemeine Beste leiden müßte. Es bleibt immer eine ernste Sache, sich unberufen in die Geschäfte eines Anderen zu mischen. Wer sich dazu versteht, mag sich vorsehen und alle Eventualitäten berechnen. Der Gesetzgeber hat erfahrungsgemäß keinen Anlaß, zu Einmischungen in fremde Geschäfte zu ermuntern, welche häufig in der That nicht im Interesse des Geschäftsherrn, sondern lediglich im freilich oft nicht nachweisbaren eigenen Interesse erfolgen“197.
Windscheid lehnte in seinem „Lehrbuch des Pandektenrechts“ alle Konstruktionen, die actio directa oder actio contraria auf ein höheres Prinzip zurückzuführen versuchten, insb. die Quasikontrakttheorie, als „verfehlt, aber auch unnöthig“ ab, weil beide actiones selbstständige Rechtssätze repräsentierten198. Das ist, wie bereits bzgl. v. Kübel, ausgeführt, mehr als zweifelhaft. Außerdem ist Windscheid ebenfalls der Auffassung, dass der eigentliche Grund der actio contraria die Betrachtung sei, „daß ohne dieselbe sich Niemand unbesorgter fremder Angelegenheiten annehmen werde“199. Auch dies erscheint angesichts der zuletzt wiedergegebenen Textpassage der 1. Kommission, jedenfalls in der Deutlichkeit problematisch. Als Ergebnis kann daher in Bezug auf die Auffassung der 1. Kommission festgehalten werden, dass die Quasikontrakttheorien die Dogmatik der echten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erklären können. Dennoch ist ihre dogmatische Nähe zu den Rechtsgeschäften aufgrund der Qualifizierung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag durch der 1. Kommission als eine Rechtshandlung unverkennbar. Die von diesem Ergebnis in wesentlichen Punkten divergierenden Ausführungen von Windscheid und v. Kübel müssen daher mit Vorsicht betrachtet und dürfen nur punktuell berücksichtigt werden.
3. 2. Entwurf (2. Kommission) Nun gilt es die Vorstellung der 2. Kommission zu untersuchen. In den Protokollen der 2. Kommission ist über die Frage der Geltung von Quasikontrakttheorien eine aussagekräftige Passage zu finden. Bzgl. des § 756 E-2, dem Vorgänger des heutigen § 682, wurde erörtert: 197
Motive II, 1888, S. 862 = Mugdan II, 1899, S. 481–482. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 198 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 5. Aufl., 1882 Band 3, S. 627, Fn. 17. 199 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 5. Aufl., 1882 Band 3, S. 627, Fn. 17.
B. Quasikontrakttheorien
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„Die Kom. beschloß, die Vorschrift zu streichen. Erwogen wurde: Die Vorschrift wende sich gegen eine mit der Auffassung der Geschäftsführung als eines Quasikontraktes zusammenhängende, der inneren Begründung entbehrende Vorschrift des röm. Rechtes. Der Entw. kenne keine Quasikontrakte, die als Rechtsgeschäfte anzusehen wären, und das Mißverständnis, welches durch die Vorschrift abgewendet werden solle, könne nach den Vorschriften des Entw. nicht entstehen. Niemand werde darüber im Zweifel sein, daß der Geschäftsherr nicht durch die Thatsache, daß sein Geschäft von einem Anderen besorgt werde, diesem gegenüber eine Willenserklärung abgebe, ein einseitiges Rechtsgeschäfts vornehme oder mit ihm einen Vertrag abschließe“200.
Diese Aussage sollte differenziert betrachtet werden. Mit ihr hielt sich die 2. Kommission auf der Linie der 1. Kommission und stufte die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag eben nicht als ein Rechtsgeschäft ein. Damit war aber noch keine Aussage mit dem Inhalt verbunden, auf der Ebene des § 677 sei gar kein Wille des Geschäftsherrn zu verlangen und die §§ 677 ff. stünden nicht den Verträgen bzw. den Quasiverträgen nah. Vielmehr soll der Rechtsgeschäftswille, bzw. der Rechtsbindungswille nicht erforderlich sein.
II. Ablehnung der Quasikontrakttheorien in der Lehre In der Lehre versuchten die meisten Stimmen die Quasikontrakttheorie abzulehnen. Ihre Kritik ist wie bereits oben ausgeführt berechtigt, jedoch nicht in dem Umfang. Wenn Bergmann davon spricht, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag weder in die Gruppe der Schuldverhältnisse aus Vertrag noch der Schuldverhältnisse aus Delikt einzuordnen ist201, so lässt er folgenden Punkt außer Acht: Die Gesetzgebungsmaterialien haben aufgrund der Qualifizierung der Geschäftsführung ohne Auftrag als eine Rechtshandlung und der in Betracht kommenden entsprechenden Anwendung der für Rechtsgeschäfte maßgeblichen Vorschriften (s. o.) eine dogmatische Nähe zu den Rechtsgeschäften statuiert. Insofern ist die Geschäftsführung ohne Auftrag zwar „irgendwo zwischen diesen beiden Kategorien anzusiedeln“202, aber eben besonders nah an den Rechtsgeschäften und besonders weit von den unerlaubten Handlungen (s. o.), was Bergmann an anderer, viel späterer Stelle seiner Habilitationsschrift zugeben muss203. Unverständlich ist auch die Auffassung von Bergmann, die heutige Lehre würde den Begriff der Rechtshandlungen in Bezug auf die Ge200 201
Mugdan II, 1899, S. 1201. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
202
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
S. 26. S. 26.
203
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 67: „sie ist kein Delikt (daher keine rechtswidrige Handlung), sondern sie steht irgendwo dazwischen – aber doch eben näher am Rechtsgeschäft (daher „rechts-geschäftsähnliche Handlung)“.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
schäftsführung ohne Auftrag „ungenau“ verwenden, indem sie die negotiorum gestio naturalistisch verstehe und mit einer final ausgestalteten Geschäftsführungsabsicht konstruiere204. Oben wurde bereits erörtert, dass auch Rechtshandlungen nicht unabhängig vom Willen des Handelnden existieren können. Dieser Wille bezieht sich zum einen auf die Handlung selbst, also auf die Herbeiführung des tatsächlichen Erfolgs, zum anderen haftet auch einer Rechtshandlung ein gewisses rechtserhebliches Element an (s. o. am Beispiel der Mahnung), welches gerade die Berechtigung für eine entsprechende Anwendung der für Rechtsgeschäfte maßgeblichen Vorschriften in Betracht ziehen lässt. Insofern verwendet die heutige Lehre den Begriff der Rechtshandlungen – synonymisch der „geschäftsähnlichen Handlungen“ – auch in Bezug auf das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht ungenau, sondern ganz im Sinne dieses Begriffes und auch ganz im Sinne der 1. Kommission, die eine ausdrückliche Abgrenzung zwischen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen vornahm (s. o.). Eindeutig nicht im Sinne der 1. Kommission und auch der 2. Kommission, die bei der dogmatischen Einordnung auf der Linie der 1. Kommission geblieben ist, wäre eine Qualifizierung des Geschäftsführerhandelns, wie sie Bergmann vornimmt205, als ein Realakt. Die Auffassung von Windscheid, den Bergmann richtigerweise als einen „vorzüglichsten Juristen“ bezeichnet, kann wegen inhaltlichen Divergenzen mit den Materialien der 1. Kommission, auch wenn Windscheid dieser Kommission angehört hat, nur vorsichtig berücksichtigt werden (s. o)206. Hier hilft auch seine „Vorzüglichkeit“ kaum, die Bergmann geradezu zu einem juristischen Argument erhebt207. Auch Wollschlägers208, Bergmanns209 und Heinz’210 Ausgangspunkt, dass Herausgabe- und Anwendungsersatzansprüche verschiedenen Anwendungsvoraussetzungen unterliegen, weshalb die ersteren kein subjektives Element des Geschäftsherrn haben dürfen, wenn doch die letzteren ein solches in Gestalt des Übernahmewillens haben, überzeugt im Kontext der Motive der 1. Kommission nicht. Zum einen ist aus den Motiven der 1. Kommission die Absicht erkennbar, schon auf der Ebene der actio directa den Willen des Geschäftsherrn nicht unberücksichtigt zu lassen (s. o.). Zum anderen hat 204
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
205
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
S. 67. S. 69.
206 Anders auch hier Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 45; auch Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 57. 207 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 28: „An dieser Stelle soll nicht mit leiser Zustimmung verhehlt werden, dass die vorzüglichsten Juristen aller Generationen solche Konstruktionen ablehnten.“ 208 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 45. 209 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 30. 210 Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 56.
B. Quasikontrakttheorien
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die 1. Kommission zwar hervorgehoben, dass die Voraussetzungen zwischen der actio directa und actio contraria unterschiedlich sein müssen, jedoch hat sie klargestellt, dass § 749 Abs. 1 den Anwendungsbereich des ganzen Instituts der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag eröffnet (s. o.). Insofern löste sich die 1. Kommission vom aktionsrechtlichen Denken und maß beiden Ansprüchen eine Wechselwirkung bei211. Die Probleme, die Autoren mit der Einordnung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als eine Rechtshandlung, insbesondere im Zusammenhang mit der entsprechenden Anwendung der für die Rechtsgeschäfte maßgeblichen Vorschriften anführen, können tatsächlich auftreten. Wenn etwa ein geisteskranker Heimbewohner unter schwersten Verletzungen vor dem Eintreffen der Feuerwehr einen Mitbewohner aus dem brennenden Sanatorium befreit, so würden sich Divergenzen ergeben, abhängig davon, ob einem beschränkt Geschäftsfähigen oder einem Geschäftsunfähigen geholfen wird. Beim Ersteren bestehe die Zustimmungsfähigkeit nach § 108, während beim Letzteren diese Möglichkeit versperrt ist212. Bergmann übersieht dennoch schon im Grundsatz einen ganz wichtigen Punkt. Entsprechende Anwendung bedeutet nicht eine direkte und ausnahmslose Gleichbehandlung der Rechtshandlungen mit den Rechtsgeschäften. Vielmehr erfordert sie für die für die analoge Anwendung in Betracht kommende Vorschrift und für jede einzelne Konstellation eine gesonderte Prüfung der Analogievoraussetzungen213. Wie noch zu zeigen sein wird, finden die §§ 104 ff. auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag weder bzgl. des Geschäftsherrn, aufgrund der speziellen Regelung des § 682, damit wegen einer fehlenden Gesetzeslücke, auch bzgl. des Geschäftsführers keine Anwendung214. Dass die objektive Theorie mit der Ausschaltung des subjektiven Elements auf der Ebene des § 677 diese Probleme nicht hat, bedeutet nicht, dass sie vorzugswürdiger ist215. Der Verzicht auf das Merkmal macht sie allenfalls einfacher. Das macht sie jedoch nicht zutreffender. Außerdem können zwar bestimmte Probleme aus dem Weg geräumt werden, stattdessen jedoch kommen andere dazu. Die objektive Theorie steht etwa, und dieser Einwand ist ein ganz gravierender, eindeutig im Widerspruch zu dem Gesetzgeberwillen. Dazu aber im nächsten Abschnitt. Auch ist die 2. Kommission mit der oben zitierten Textpassage nicht von einem Verständnis abgerückt, nach dem die echte Geschäftsführung ohne Auf211 So auch Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 49; a. A. Jansen, in: HKK, 2013, §§ 677–687 I, Rn. 38. 212 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 68. 213 Dazu Kapitel 5, I., S. 262 ff., J., S. 268 ff., K., S. 277 ff. 214 Dazu Kapitel 5, K., S. 268 ff. 215 so aber Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 68, auch wenn er diesen Punkt zwar „am Rande“ und nur „vollständigkeitshalber“ heranführt.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
trag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung einzustufen ist216 und damit eine gewisse Nähe der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zu den Kontrakten bzw. Quasikontrakten besteht. Berechtigt ist dennoch die Kritik von Wollschläger217, dass die bis heute geltenden Quasikontrakttheorien den § 678 nur als „Sondertatbestand“ und damit als ein „systemwidriges Störelement“ auffassen können.
C. Objektive Theorien Die vorletzte Theoriengruppe, die von zahlreichen Stimmen in der Literatur und der Rechtsprechung vertreten wird, ist die der objektiven Theorien. Ihr Ansatz ist recht einfach. Das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag wird durch das bloße Führen eines fremden Geschäfts ausgelöst, ohne dass ein dahingehender Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers zu verlangen ist. Dabei ist die Fremdheit des Geschäfts ausschließlich objektiv zu bestimmen. Schon vor dem Inkrafttreten des BGB wurde diese Lehre eifrig vertreten218. In Bezug auf das BGB hat sich im besonderen Maße Wollschläger mit der von ihm vertretenen Zuständigkeitstheorie verdient gemacht219. Zu ihren Einzelheiten sogleich. Ihre immense Bedeutung für das deutsche Recht verdankt die objektive Theorie freilich der Rechtsprechung220. Zwar setzen Gerichte in ständiger Rechtsprechung zum einen ein fremdes Geschäft und zum anderen einen Willen des Geschäftsführers, dieses Geschäft für den Geschäftsherrn auszuführen, voraus. Insofern kann in der Theorie von einem objektiv-subjektiven Begriff der auftragslosen Führung fremder Geschäfte ausgegangen werden. Dennoch wird der Fremdgeschäftsführungswille bei objektiv fremden Geschäften und bei auch-fremden Geschäften widerleglich vermutet. Ein diesem Willen entgegenstehender Wille, der sich ausschließlich auf die Ausführung des eigenen Geschäfts des Geschäftsführers bezieht, ist vielmehr nur theoretisch vorstellbar. Insbesondere wenn es um den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers aus § 683 S. 1 geht, wird der Geschäftsführer das Vorhandensein seines Fremdgeschäftsführungswillens behaupten und der Geschäftsherr wird kaum das Gegenteil beweisen können. In der praktischen Handhabung hat der 216
S. 69.
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
217 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 46. 218 Vgl. dazu das historische Material bei Bergmann, Die Geschäftsführung
ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 30 ff.; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 23 ff. 219 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 52 ff. 220 Vgl. Kapitel 2, S. 3 ff.
C. Objektive Theorien
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gerichtliche Ansatz, abgesehen von äußersten Ausnahmefällen, einen deutlich objektiven Einschlag221.
I. Zuständigkeitstheorie von Wollschläger Mit seiner im Jahre 1976 fertiggestellten Habilitationsschrift hat Wollschläger die Zuständigkeitstheorie entwickelt, die von Bergmann222 zu Recht den objektiven Theorien zugerechnet wird. Auch bei Wollschläger entsteht das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag mit der Übernahme der Führung eines fremden Geschäfts. Die Besorgung eines fremden Geschäfts bezeichne eine Tätigkeit, deren unmittelbarer Erfolg einem anderen zustehe. Die Fremdheit eines Geschäfts sei durch die höherrangige Zuständigkeit am Gegenstand der Tätigkeit ausgedrückt. Es sei danach zu fragen, wer objektiv näher dran ist, die Nutzen und Kosten aus der Geschäftsführung zu übernehmen. Die Bestimmung der Zuständigkeit erfolge dabei nach anderen Normen als §§ 677 ff. Das Merkmal des fremden Geschäfts sei demzufolge ein normatives. Die Zuständigkeit beruhe zum einen auf einem subjektiven Recht und werde zum anderen durch eine Pflichtenstellung begründet. Diese Theorie begründet Wollschläger wie folgt. Dem Wortlaut der §§ 677 ff. sei zu entnehmen, dass es entscheidend auf den Begriff der Fremdheit des Geschäfts ankomme. Mögen die sonstigen Vorschriften aus dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag neben § 677 noch zusätzliche Voraussetzungen erfordern, wie etwa Verschulden bei §§ 280, 677, 276 oder bei § 683 die Übereinstimmung mit dem Willen bzw. Interesse des Geschäftsherrn, so bleibe es dennoch bei der Urfrage, ob der vermögensmindernde oder der vermögensmehrende Erfolg einer Tätigkeit auf einen anderen überwälzt werden könne223. Unter dem Wort „Geschäft“ sei alles zu verstehen, „was man zu schaffen“ habe, eine Aufgabe oder eine Obliegenheit, oder allgemeiner gefasst, ein Tätigkeitsbereich, für dessen Erledigung jemand zuständig sei224. Unter der „Besorgung“ eines Geschäfts sei ein aktives Tun und gerade kein Unterlassen zu verstehen225. Somit stelle sich nun die letzte Frage, was unter dem Begriff „fremd“ zu verstehen ist. Im Bereich der auf Bestellung beruhenden Geschäftsbesorgung, also im Bereich des vorliegenden Auftrags oder sonstiger Berechtigung nach § 677, lasse sich recht unkompliziert feststellen, was ein fremdes Geschäft sei, eben alles, was als Gegenstand der Tätigkeit durch Rechtsgeschäft, gerichtlichen oder öffentlich-rechtlichen Akt, der unmittelbar durch Gesetze festgelegt 221 222
So auch Giesen, Jura 1996, 225, 227. Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 33; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 27. 223 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 53. 224 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 54. 225 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 54.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
sei226. Bei der fehlenden Bestellung der Geschäftsbesorgung, also bei Geschäftsbesorgung „ohne Auftrag“, müsse die Fremdheit aus der Tätigkeit als solche und zwar aus ihrem erreichten oder angestrebten Erfolg bestimmt werden. Das Gesetz sage über die Zugehörigkeit von Geschäften nichts, obwohl es davon ausgehe, dass eine solche Zuordnung geben müsse. Aufgabe der Dogmatik sei es deshalb die „in der Sache selbst liegenden Zuordnungen von Geschäften auszufinden“227. Diese Zuordnungen müssen dabei mit den allgemeinen Wertungen des Gesetzes übereinstimmen228. Aus diesem Grunde gleiche das Merkmal „fremdes Geschäft“ den Grundbegriffen der Widerrechtlichkeit aus dem Deliktsrecht und der Rechtsgrundlosigkeit aus dem Bereicherungsrecht229. Diese Grundbegriffe drückten ein Werturteil aus, dass der entstandene Schaden oder die Vermögensmehrung unrechtmäßig sei und daher einen Ausgleich erfordere, der sodann nach §§ 823 ff. und §§ 812 ff. zu vollziehen sei. Die gleiche Funktion müsse das Merkmal „fremdes Geschäft“ im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllen. Auf der Suche nach der richtigen Dogmatik sei der erklärungsbedürftige Begriff der Fremdheit des Geschäfts durch Exemplifikationen an typischen, dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag seit jeher unbestrittenerweise unterstellten Sachverhalten zu bestimmen230. Ganz allgemein sei eine Geschäftsbesorgung nichts anderes als eine Ausführung dessen, was einem anderen oblegen hätte. Der Geschäftsbesorger handele damit „an Stelle“ einer anderen Person, weshalb dieser die Wirkungen des Handelns durch den Geschäftsbesorger zugerechnet werden müssen231. Bei der Stellvertretung nach §§ 164 ff. werden etwa die Wirkungen einer abgegebenen oder empfangenen Willenserklärung ipso iure dem Vertretenen zugerechnet. Beim Auftrag und der Geschäftsführung ohne Auftrag treten diese Wirkungen nicht ipso iure, also nicht unmittelbar, sondern mittelbar ein, weil die Wirkungen der Geschäftsbesorgung vorübergehend dem Vermögen des Geschäftsbesorgers angehören. Die im Gesetz geregelten Herausgabe- und Aufwendungsersatzansprüche helfen sodann den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen232. Die Funktion des Merkmals „fremdes Geschäft“ bestehe daher darin, die vermögensmindernden oder vermögensmehrenden Folgen eines mittelbar vertretungsweisen Handelns auf denjenigen zu übertragen, der dafür zuständig sei233. Damit sei der Begriff der Zuständigkeit das maßgebliche Kriterium bei der Frage der Auslösung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag. 226 227
Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 54. Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 55. 228 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 55. 229 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 55. 230 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 55. 231 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 56. 232 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 57. 233 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 57.
C. Objektive Theorien
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Der gesetzliche Begriff der Fremdheit des Geschäfts sei an der Person orientiert und nicht am einzelnen Objekt. Damit bewirken die im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen eine personale Zurechnung. Ein wichtiger Schritt zur Konkretisierung des Grundtatbestandes bestehe eben darin, die personale Zurechnung in eine objektbezogene Zurechnung zu übertragen234. Die Zuständigkeit für das Geschäft müsse nach dem Gesamtzusammenhang aller Normen bestimmt werden, die Güter und Lasten mit den zugehörigen Risiken und Befugnissen zuweisen235. Dabei ist auf den Interessenbegriff zu verzichten, da dieser viel zu viele Aspekte umfasse, wie etwa die Anteilnahme, Neigungen oder Motive, die irrelevant seien, weshalb man immer wieder in die „Sackgasse des eigenen und ‚auch‘ fremden Geschäfts“ gerate. Stattdessen seien die Ausdrücke Güter- und Lastenzuständigkeit vorzuziehen236. Mit dem Eingriff des Geschäftsbesorgers in die Angelegenheiten des Geschäftsherrn beschneide er zugleich die Entscheidungszuständigkeit des Letzteren237. Die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag hätten jedoch nicht die zentrale Aufgabe den Geschäftsherrn vor aufgedrängter Geschäftsbesorgung zu schützen. Vielmehr sei es die Aufgabe dieser Vorschriften eine richtige Güter-, Lasten- und Risikoverteilung bei vertragsloser Tätigkeit für einen anderen zu statuieren238. An anderer Stelle wird Wollschläger noch deutlicher, indem er formuliert, dass die „Rechtfertigung des Eingriffs in fremde Rechte zwecks Wahrung der Interessen des Rechtsträgers … entgegen der herrschenden Lehre nicht in den §§ 677 ff. BGB geregelt“ sei239. Auf den Fremdgeschäftsführungswillen könne im Rahmen der Zuständigkeitstheorie verzichtet werden. Dieser Wille habe keine obligationsbegründende Kraft, sondern sei vielmehr ein abhängiges Tatbestandsmerkmal240. Die wirkliche Funktion des Fremdgeschäftsführungswillens sei es den Anwendungsbereich der §§ 677 ff. von anderen Ausgleichsverhältnissen abzugrenzen, und zwar von Kondiktionen des Bereicherungsrechts und dem Ausgleich aus dem Recht des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses241. Nun gilt es die objektiven Theorien anhand der Gesetzesmaterialien und sodann aus anderen Blickwinkeln des juristischen Handwerks zu untersuchen.
234 235
Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 58. Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 59. 236 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 60. 237 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 63. 238 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 64. 239 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 320–321. 240 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 72. 241 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 73.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
II. 1. Entwurf (1. Kommission) Die objektiven Theorien, die auf das Erfordernis des Fremdgeschäftsführungswillens ganz verzichten oder diesem keine obligationsbegründende Kraft einräumen (wie die Zuständigkeitstheorie von Wollschläger) stehen in einem offenen und eindeutigen Widerspruch mit den Motiven der 1. Kommission. Die 1. Kommission hat unmissverständlich formuliert: „Damit, daß als Erfordernis der negotiorum gestio die Besorgung des Geschäftes für einen Anderen gesetzt wird, ist aber weiter ausgedrückt, daß der Geschäftsführer mit dem Bewußtsein und dem Willen gehandelt haben muß, das fremde Geschäft als fremdes zu besorgen. Dieser Wille wird in der Regel sich schon durch das bewußte Eingreifen in fremde Angelegenheiten manifestiren…. Die Fälle, wo dieses Bewußtsein fehlt, scheiden aber aus der negotiorum gestio ebenso ganz aus, wie die Fälle, wo Jemand das fremde Geschäft nicht für den Anderen, sondern rechtswidrig als eigenes behandelt (§ 761), oder wo Jemand das Geschäft eines Anderen lediglich als Beauftragter eines Dritten besorgt (§ 760). Es genügt also insbesondere auch für die actio directa nicht die bloße Thatsache, daß – objektiv – ein fremdes Geschäft besorgt wurde.“242
Viel weiter, bei den Ausführungen zu § 761 E-1, formuliert die 1. Kommission: „Schuldlosigkeit des Geschäftsführers vorausgesetzt, ist das vielfach auch in der Gesetzgebung vertretene Prinzip, daß für die actio. neg. gest. directa es genüge, wenn nur ein objektiv fremdes Geschäft vorgelegen habe, unhaltbar. Die nothwendige Voraussetzung auch dieser Klage, bezw. einer negotiorum gestio im juristischen Sinne, ist vielmehr das Bewußtsein des Geschäftsführers und der sich hieraus nothwendig ergebende, aus den Umständen erkennbare Wille, sich mit einem fremden Geschäfte zu befassen (s. S. 855, 856).“243
Viel deutlicher hätte der Gesetzgeber das Erfordernis des subjektiven Elements des Geschäftsführers auf der Ebene des § 677 kaum ausdrücken können. An anderer Stelle macht die 1. Kommission klar, dass die „Feststellung des Begriffes des objektiv fremden Geschäftes …ohnehin auf große und kaum zu besiegende Schwierigkeiten stoßen“ würde244, weshalb die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass das Merkmal des „fremden Geschäfts“ keinen Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Obligationsbegründung darstellt. Im Folgenden wird dagegen gezeigt, dass das Merkmal des „fremden Geschäfts“ im Einklang mit der modernen Literatur keine Tatbestandsvoraussetzung des § 677 HS. 1 ist. Somit ist das Fundament von objektiven Theorien, auch das der Zuständigkeitstheorie, und die sich aus dieser Annahme hergeleiteten Konstruktionen bereits im Grundsatz erschüttert. 242 Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S, 478. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 243 Motive II, 1888, S. 870 = Mugdan II, 1899, S. 486. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 244 Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S. 478.
C. Objektive Theorien
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Nicht verständlich ist die Annahme von Wollschläger, eine der zentralen Aufgaben der §§ 677 ff. wäre es nicht, den Geschäftsherr vor aufgedrängten Einmischungen in seine Angelegenheiten zu schützen, dass die Rechtfertigung des Eingriffs des Geschäftsführers nicht in §§ 677 ff. geregelt wäre, womit der von ihm selbst gewählte Ausdruck der Entscheidungszuständigkeit nicht Gegenstand des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag sei. Diese Annahmen lassen die Historie der Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der es immer um das antithetische Verhältnis zwischen der freiwilligen Menschenhilfe und der aufgedrängten Einmischung in fremde Angelegenheiten ging, völlig außer Acht. Sie stehen ebenfalls eindeutig im Widerspruch mit den Absichten der 1. Kommission, die unmissverständlich formulierte: „Die von dem Geschäftsführer zu prästirende Sorgfalt bezieht sich auf die Ermittelung der Intentionen des Geschäftsherrn nicht blos in der Richtung, wie einzugreifen sei, sondern auch in der Richtung, ob überhaupt einzugreifen sei (§ 749 Abs. 1, 2)“245.
Dabei ist bereits in Bezug auf die Quasikontrakttheorien (s. o.) deutlich gemacht worden, dass die Beachtung der Intentionen des Geschäftsherrn und damit auch die Sicherstellung, dass die Geschäftsbesorgung keine unangemessene, verletzende Einmischung in fremde Angelegenheiten darstellt, schon auf der Ebene des § 749 Abs. 1 E-1 zu beachten ist und zwar nicht nur bzgl. der Schadensersatzhaftung, sondern für die Obligationsbegründung selbst, denn es heißt ja in den Motiven ganz zu Beginn: „Der § 749 Abs. 1 stellt, indem er die Haftung des Geschäftsführers für den Ersatz des durch Vorsatz und Fahrlässigkeit verursachten Schadens ausspricht, zugleich diejenigen Voraussetzungen fest, von deren Vorhandensein die Anwendung der Vorschriften dieses Titels im Allgemeinen abhängt“246.
Und schließlich zeigt die in Bezug auf v. Kübel bereits geäußerte Kritik (s. o.), der in seinen Vorlagen in Richtung der Theorie der Menschenhilfe und objektiven Theorien tendierte, womit er zugleich in Konflikt mit den Motiven der 1. Kommission geriet, ebenfalls unmissverständlich, dass es der 1. Kommission maßgeblich darum ging, den Geschäftsherrn vor aufgedrängter Einmischung in eigene Angelegenheiten zu schützen. Hier sei noch einmal die entscheidende Stelle wiedergegeben: „Es stände mit den allgemeinen Grundsätzen nicht im Einklange, wollte man solchenfalls dem Geschäftsherrn die Folgen der von ihm nicht veranlaßten Handlungsweise des Geschäftsführers zur Last legen. … Insbesondere wird eine solche Abweichung nicht durch die Besorgniß gerechtfertigt, daß bei dem Mangel einer den Geschäftsführer schützenden Vorschrift viele erwünschte Geschäftsführungen unterbleiben würden und darunter das allgemeine Beste leiden müßte. Es bleibt immer eine ernste Sache, sich unberufen in die 245 246
Motive II, 1888, S. 857 = Mugdan II, 1899, S. 479. Motive II, 1888, S. 854 = Mugdan II, 1899, S. 477. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
Geschäfte eines Anderen zu mischen. Wer sich dazu versteht, mag sich vorsehen und alle Eventualitäten berechnen. Der Gesetzgeber hat erfahrungsgemäß keinen Anlaß, zu Einmischungen in fremde Geschäfte zu ermuntern, welche häufig in der That nicht im Interesse des Geschäftsherrn, sondern lediglich im freilich oft nicht nachweisbaren eigenen Interesse erfolgen“247.
Im Ergebnis muss man den objektiven Theorien, und auch der Zuständigkeitstheorie von Wollschläger eine Außerachtlassung der Historie und des Gesetzgeberwillens attestieren.
III. 2. Entwurf (2. Kommission) Die 2. Kommission blieb im Wesentlichen auf der Linie der 1. Kommission. Sie hat das so wichtige Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens nicht angesprochen, sondern lediglich der Redaktionskommission die Aufgabe überlassen zu entscheiden, ob durch die Worte „für einen anderen“ aus den Motiven der 1. Kommission die Unterscheidung zwischen der eigentlichen und der uneigentlichen Geschäftsführung ohne Auftrag im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden soll248. Aus der fehlenden Auseinandersetzung mit dem Fremdgeschäftsführungswillen kann jedoch der Schluss gezogen werden, dass auch die 2. Kommission diesen zur Tatbestandsvoraussetzung erhob. Auch war für die 2. Kommission der Schutz vor aufgedrängter Geschäftsbesorgung ein wichtiges Anliegen. Sie stimmte in Bezug auf den Aufwendungsersatzanspruch dem 3. Antrag zu (abgesehen von der davon zu trennenden Frage, unter welchen Voraussetzungen der Geschäftsführer von der Genehmigung des Geschäftsherrn bei einer bestehenden dringenden Gefahr ausgehen soll249), dessen Vertreter zur Begründung ausführten, dass nicht zu verkennen ist, „daß die Besorgung fremder Geschäfte ohne Auftrag unter Umständen als eine ethische und im gemeinnützigen Interesse liegenden Pflicht erscheinen könne, der Gesetzgeber dürfe jedoch diesen Gesichtspunkt nicht in den Vordergrund stellen und zur Grundlage seiner gesetzlichen Regelung machen. Der Gemeinnützigkeit stehe unter Umständen die Gemeingefährlichkeit der Besorgung fremder Geschäfte gegenüber. Erfahrungsgemäß mische sich häufig Jemand in fremde Geschäfte lediglich aus Vordringlichkeit und dem Bestreben, sich nach außen hin wichtig zu machen.“250.
In dieser Antithese zwischen „dem Bestreben … die gemeinnützigen Zwecke … nicht zu hindern“ und „die Einmischung in fremde Geschäfte vom Gesetzgeber“ nicht zu begünstigen, erachtete die 2. Kommission das letztere Interesse 247 Motive II, 1888, S. 862 = Mugdan II, 1899, S. 481 f. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 248 Mugdan II, 1899, S. 1193. 249 Vgl. Mugdan II, 1899, S. 1195. 250 Mugdan II, 1899, S. 1196. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
C. Objektive Theorien
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als schutzwürdiger, indem sie dem 3. Antrag zustimmte251. Zwar waren diese Ausführungen dem Aufwendungsersatzanspruch gewidmet, doch kann daraus geschlussfolgert werden, dass Wollschlägers Annahme, die §§ 677 ff. würden keine Rechtfertigung für den Eingriff in fremde Angelegenheiten regeln, kaum gefolgt werden. Es ist geradezu das zentralste Anliegen für die 2. Kommission gewesen.
IV. Teleologische, systematische und methodische Einwände In den Ausführungen zu der vom Verfasser vertretenen dogmatischen Theorie wird aufgezeigt, dass das Merkmal des „fremden Geschäfts“, worauf die objektiven Theorien fußen, keine Voraussetzung für die Begründung der Obligation der Geschäftsführung ohne Auftrag ist252. Dort wird ebenfalls ausgeführt, dass der Begriff der „Zuständigkeit“ vielmehr im Bereicherungsrecht zu verorten ist253. Wollschlägers Theorie ist auch aus methodischer Sicht entgegenzutreten254. Dieser räumte dem „Richterrecht den Vorrang vor rein dogmatisch-deduktiver Gesetzesinterpretation“ ein255, womit er seine umfangreiche empirische Untersuchung der Urteile begründet hatte und Schlussfolgerungen für die Rechtswirklichkeit zog, die indes zweifelhaft erscheinen256, trug der Dogmatik lediglich eine „dienende Aufgabe“ auf257, denn diese habe schließlich „keinen Selbstzweck als l’art pour l’art“258. Sie habe vielmehr „realitätsbezogen“ zu sein, um „wirtschaftliche und gesellschaftliche Gegenwartsprobleme besser lösen zu können“259, sie müsse sich „am effektiv geltenden Recht bewähren, wenn sie ihre didaktische Aufgabe, den Lernenden über den Norminhalt zu informieren, um ihre praktische Aufgabe, dem Rechtsanwender relevante Entscheidungskriterien zu vermitteln, erfüllen will“260. Auch bei der Begründung seiner Zuständigkeitstheorie möchte Wollschläger den Sinn des „fremden Geschäfts“ „durch Exemplifikationen an solchen Sachverhalten“ gewinnen, „die seit dem römischen Recht zum unproblematischen Anwendungsbereich der negotiorum gestio gehören“261. Wollschläger entwickelte damit aus dem Spek251
Mugdan II, 1899, S. 1196. Vgl. Kapitel 5, G., II., S. 244 ff. 253 So schon Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 34; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 27, Rn. 116 ff, 129 f. 254 Vgl. bereits bei den Ausführungen zu der Theorie der Menschenhilfe unter A. III. 1. 255 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 21 256 Dazu Kapitel 4, A., III., 1., S. 28 ff. 257 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 21. 258 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 22. 259 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 22. 260 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 41. 261 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 55. 252
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
trum der Gerichtsentscheidungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag, was Geschäftsführung ohne Auftrag dogmatisch sei262. Dieser Ansatz lässt nicht nur die Gesetzgebungsmaterialien und den in diesen geäußerten Gesetzgeberwillen, schließlich auch das Gesetz selbst außer Acht, womit die historische und die für das geltende juristische Handwerk mit Abstand wichtigste teleologische Auslegung der subjektiv-historischen Methodenlehre ausgeschaltet werden, er lässt sich zudem von schwankenden gesellschaftlichen Entwicklungen beirren263, was der Rechtssicherheit im großen Maße abträglich ist. Wollschlägers Ansatz war auch nicht darum bemüht den Anwendungsbereich der §§ 677 ff. einzugrenzen. Vielmehr war die großzügige Rechtsprechung zur Geschäftsführung ohne Auftrag nach Wollschläger charakteristisch für ihr Anwendungsfeld264. Auch der offen ausgesprochene Standpunkt, die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag hätten nicht die zentrale Aufgabe den Geschäftsherrn vor aufgedrängter Geschäftsbesorgung zu schützen und begründen keine „Rechtfertigung des Eingriffs in fremde Rechte zwecks Wahrung der Interessen des Rechtsträgers“265, lässt den Gesetzgeberwillen außer Acht (s. o.) und missachtet die §§ 677 ff. In der Pflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung der Geschäftsbesorgung nach § 677 HS. 2, in den Warte- und Anzeigepflichten nach § 681 S. 1, in den Benachrichtigungs- Rechenschafts- und Mitteilungspflichten nach §§ 681 S. 2, 666, im Herausgabeanspruch nach §§ 681 S. 2, 667 und schließlich im Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 sind der offenbare Ausdruck eines Interessenwahrungsverhältnisses266, oder wie Bergmann formuliert, eines Subordinationsverhältnisses enthalten, für das die Interessen des Geschäftsherrn eine zentrale Position einnehmen. Den objektiven Theorien kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien Nun kommen wir zur letzten Theoriegruppe, den subjektiven Theorien.
262
Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 18, 20. Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 5, Fn. 9 stellt Wollschlägers Ansatz in Frage, da dieser seiner Rechtsprechungsüberprüfung „so viel dogmatisches Gewicht beimisst“, was „das Überraschende an seiner Arbeit“ ist und „für einen Zivilrechtswissenschaftler [nach Auffassung des Verfassers negativ gewertet] beachtlich“; kritisch in diese Richtung auch Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 52. 264 Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 17–18. 265 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 320–321. 266 Dazu Kapitel 5, K., II., S. 285 ff. 263 Auch
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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I. Subjektive Theorie von Wittmann In seiner Habilitationsschrift stellte Wittmann wohl als erster die deutlich subjektiv ausgerichtete, eingliedrige Theorie vor und maß das maßgebliche Gewicht bezüglich der Obligationsbegründung dem Fremdgeschäftsführungswillen bei. Zunächst arbeitete Wittmann drei Funktionen heraus, auf denen das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag beruhe: (1) die Schadloshaltungsfunktion, womit ausgedrückt ist, dass der berechtigte Geschäftsführer durch seine Tätigkeit weder gewinnen noch verlieren solle, weshalb ihm grundsätzlich nur ein Aufwendungsersatzanspruch und kein Vergütungsanspruch zustehen könne267, (2) die Abwehrfunktion, wodurch sichergestellt werde, dass schon auf der Ebene der Obligationsbegründung, aber auch beim Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 und auch bei der Haftung nach § 678 eine Abwehrlinie gegen unerwünschte Geschäftsbesorgung gezogen werde268 und schließlich (3) die Legitimierungsfunktion, welche an das bereits entstandene Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag anknüpfe und zum Ausdruck bringe, dieses Schuldverhältnis stelle einen Ausschlussgrund der Widerrechtlichkeit im Deliktsrecht (§§ 823 ff.), strafrechtlich gesehen einen Rechtfertigungsgrund, einen Rechtsgrund im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.) und ein Recht zum Besitz im Recht des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 985 ff.) dar269. Sodann stellte Wittmann fest270, dass es seit der römischen negotiorum gestio bis zur Kodifizierung der Geschäftsführung ohne Auftrag im deutschen BGB zum Teil Funktionserweiterungen271 (negotiorum gestio gelte heute nicht nur für Geschäftsführungen für einen Abwesenden, nicht nur zur Wahrnehmung vermögensrechtlicher sondern auch nichtvermögensrechtlicher Interessen), Funktionsveränderungen272 (anders als früher die Anwendung des Aufwendungsersatzanspruches zu Regresszwecken oder die Anwendung der §§ 677 ff. bei nichtigen Verträgen) und Funktionsverschiebungen273 (etwa Zahlung auf fremde Schuld) gegeben habe. Als Anknüpfungspunkt für die richtige dogmatische Ergründung des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag könne daher nur die eigene Entscheidung des Gesetzgebers dienen. Dieser wollte die freiwillig-uneigennützige Tätigkeit in fremdem Interesse durch Schadloshaltung des Geschäftsführers fördern. Insoweit unterscheide sich das deutsche etwa
267
Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 1. Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 2. Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 3. 270 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 4 ff. 271 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 6 ff. 272 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 10 ff. 273 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 13 ff. 268 269
74
Kapitel 4: Stand der Meinungen
vom angelsächsischen Recht, welches nur ausnahmsweise einen Aufwendungsersatzanspruch bei ungefragter Geschäftsbesorgung zulasse274. Von diesen Grundentscheidungen ausgehend folgerte Wittmann, dass die Tätigkeit des Geschäftsführers die faktische Grundlage für das Entstehen der Obligation bilde275. Diese Tätigkeit müsse „für einen anderen“, also für den Geschäftsherrn erfolgen. Erforderlich sei damit eine Fremdgeschäftsführungsabsicht. Diese liege dann vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit nach dem vom Geschäftsführer gesetzten Zweck dem Geschäftsherrn zugutekommen solle276. (1) Das erste Moment dieser Geschäftsführungsabsicht sei das Fremdgeschäftsführungsbewusstsein. Dieses enthalte zum einen das Bewusstsein, das fremde Geschäft als fremdes zu führen, ohne dass das objektive Merkmal des fremden Geschäftes als ein Tatbestandsmerkmal des § 677 aufzufassen ist277, und zum anderen die bereits angesprochene Absicht, den Erfolg der Geschäftsbesorgung dem Geschäftsherrn zugutekommen zu lassen278. (2) Das zweite Moment sei die Berechtigungslosigkeit („ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“). Dieses Merkmal sei kein isoliertes, also kein selbstständiges Merkmal, sondern ein Teil der Fremdgeschäftsführungsabsicht. Mit der Berechtigungslosigkeit sei nichts Anderes ausgedrückt als die Verpflichtungslosigkeit und damit auch die Freiwilligkeit279. Die Verpflichtungslosigkeit sei eine logische Voraussetzung der fremdnützigen Absicht. Aus ihr folge, dass die Anwendung der §§ 677 ff. auf nichtige Verträge schon auf der Tatbestandsebene des § 677 ausgeschlossen sei. Bei nichtigen Verträgen glaube der Geschäftsführer nämlich an das Bestehen einer Verpflichtung, er handele folglich unfreiwillig280. Dabei sei die Fremdgeschäftsführungsabsicht ein normatives Kriterium, welches scharf von bloßen Motiven des Geschäftsführers abzugrenzen sei. Die Fremdgeschäftsführungsabsicht beurteile sich nach dem sozialen Sinn der Tätigkeit281. Sie müsse sich aus dieser Sicht als ein freiwillig-uneigennütziges Handeln (!) darstellen282. Der Zweck einer solchen Tätigkeit sei nur dann fremdnützig, wenn er nicht im Hinblick auf eine Gegenleistung, demnach unentgeltlich erfolge283.
274 275
Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 162. Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 18 ff. 276 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 21. 277 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 23. 278 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 23. 279 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 24, 25. 280 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 25. 281 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 26. 282 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 18 ff. 283 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 28.
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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II. Subordinationstheorie von Bergmann In die Wittmann’sche Richtung ging auch Bergmann mit seiner im Jahre 2010 fertiggestellten Habilitationsschrift, die an seine Kommentierung im Staudinger-Kommentar aus dem Jahr 2006 anknüpfte. Die Ähnlichkeiten zwischen Wittmanns und Bergmanns Theorie sind kaum zu verkennen. Dennoch gibt es einige entscheidende Unterschiede.
1. Martinek’sche Interessenstrukturlehre als Ausgangspunkt Bergmann nähert sich der Dogmatik der Geschäftsführung ohne Auftrag, indem er an die vom Martinek ausgearbeitete Interessenstrukturlehre im Vertragsrecht anknüpft284. Danach sei zwischen drei Interessenstrukturtypen zu unterscheiden: (1) dem Interessengegensatz, wofür die Koordinationsverträge, wie etwa Kauf, Tausch oder Miete, (2) der Interessengleichrichtung, wofür die Koalitions- oder Konföderationsverträge, wie etwa die Gesellschaft (§ 705), und (3) der Interessenwahrung, wofür die Subordinationsverträge, wie Auftrag und Geschäftsbesorgungsvertrag, stehen285. Die Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. sei ein gesetzliches Schuldverhältnis der nicht auf einem Rechtsgeschäft beruhenden Interessenwahrnehmung. Zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer bestehe eine Treuhandbeziehung, wenn man bedenke, dass der Geschäftsführer gem. § 677 HS. 2 das Geschäft so zu führen habe, „wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf seinen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert“, dass er zur Anzeige und zum Warten nach § 681 S. 1 verpflichtet sei, der der Vorschrift des § 665 aus dem Auftragsrecht ähnele, dass der Geschäftsführer den Gewinn nicht behalten dürfe, sondern gem. §§ 681 S. 2, 667 an den Geschäftsherrn herauszugeben habe, andererseits aber auch das Verlustrisiko seiner Aufwendungen nicht tragen müsse, sondern diese zu ersetzen sind, auch wenn sie nicht vom Erfolg gekrönt waren (§§ 683 S. 1, 670)286. Der Wille und das Interesse des Geschäftsherrn sei die Richtschnur für das Handeln des Geschäftsführers287.
284 Martinek, in: Staudinger, 2006, Vorbem. zu §§ 662 ff., Rn. 23 ff.; nun in Co-Autorenschaft mit Sebastian Omlor, Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, Vorbem. zu §§ 662 ff., Rn. 23 ff. 285 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 47; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 29. 286 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 48; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 30. 287 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 48: ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 30.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
2. Fremdgeschäftsführungsabsicht als das obligationsbegründende Merkmal Das tragende und obligationsbegründende Element der Geschäftsführung ohne Auftrag sei die Fremdgeschäftsführungsabsicht. Dabei handele es sich nicht um ein „empirisch ermittelbares Internum der Psyche des Geschäftsführers“, sondern um ein normatives, der Wertungen bedürftiges und den Wertungen zugänglichem Tatbestandsmerkmal288. Es gebe schließlich keine psychologischempirische Willensforschung über das Vorliegen einer Fremdgeschäftsführungsabsicht289, sodass der Nachweis eines solchen Willens in der Praxis stets auf eine probatio diabolica hinausliefe290. Der soziale Sinn entscheide bei abstrakter Betrachtung291 (ob das Tun des Geschäftsführers „überhaupt“ zugute komme) über die Finalität des Handelns des Geschäftsführers292. Das Handeln des Geschäftsführers müsse demnach dem präsumtiven Willen des Geschäftsherrn entsprechen293. Daraus folge, dass der Tatbestand des § 677 kein echtes subjektives Merkmal kenne. Es sei vielmehr nur danach zu fragen, ob sich das Handeln des Geschäftsführers seinem sozialen Sinn nach als fremdnützige Interessenwahrnehmung für einen anderen darstelle oder nicht. Ob das Handeln des Geschäftsführers auch dem konkreten Interesse entspreche, sei nicht eine Frage der Obligationsbegründung, sondern die des Aufwendungsersatzanspruches nach § 683 S. 1294. In Bezug auf die Fremdgeschäftsführungsabsicht folgt Bergmann damit Wittmann, ohne jedoch, dass der Letztere die abstrakte Einkleidung in die Subordinationsinteressenstruktur vornahm. Das ist ein Novum an Bergmanns Theorie. Wenn demnach der Tatbestand des § 677 kein subjektives Merkmal kenne, so könne es auch kein korrespondierendes subjektives Merkmal des Geschäftsherrn, wie es die Quasikontrakttheorie fordert, geben295. Insofern gibt es nach Bergmann, angesichts der normativen Struktur der Fremdgeschäftsführungsabsicht, eben nur dieses eine Merkmal, welches die Obligation der Geschäftsführung ohne Auftrag begründet, und dieses, das spricht Bergmann freilich nicht 288 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 49–50; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 31. 289 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 49; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 31. 290 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 50; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 31. 291 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 57. 292 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 49; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 31. 293 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 57. 294 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 57. 295 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 50; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 32.
2010, 2010, 2010, 2010, 2010, 2010, 2010, 2010,
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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offen aus, ist objektiver Natur. Damit kann Bergmanns Theorie zwar nicht in der theoretischen Herleitung, aber doch im Ergebnis eine gewisse Nähe zu den objektiven Theorien attestiert werden. Eine unerwartete Wendung, die Bergmann auch etwas später zugibt, wenn er ausführt, dass „auch die tradierte Lehre … letztlich auf subjektives Element [verzichtet], wenn sie die Geschäftsführungsabsicht bei Vorliegen eines (auch-)fremden Geschäfts de facto unwiderlegbar vermutet“296. Die Überlegenheit seiner Theorie sieht Bergmann darin, dass das fremde Geschäft, an welches ausschließlich die objektiven Theorien und de facto auch die tradierte Lehre anknüpfen, zwar über die Kosten- und Lastenzuordnung eines Geschäfts entscheiden könne, aber nicht darüber, ob der Geschäftsführer im Sinne einer fremdnützigen Geschäftsführung für einen anderen tätig werde297. Deshalb gelte es ausschließlich auf die Fremdgeschäftsführungsabsicht abzustellen.
3. Theorie der stillschweigenden Willenserklärung Zur Begründung seines Ergebnisses bedient sich Bergmann einer Parallele aus der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, nämlich der Theorie der stillschweigenden Willenserklärung. Bei Willenserklärungen werde zwischen ausdrücklich und stillschweigend bzw. konkludent erklärten Erklärungen unterschieden. Beide Arten der Erklärungen würden seit der Naturrechtslehre gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung sei auch ins BGB übernommen worden298. Dabei sei der entscheidende Unterschied zwischen ausdrücklicher und konkludenter Willenserklärung der heutigen Generation der Juristen nicht mehr bekannt. Dieser bestehe darin, dass bei ausdrücklicher Willenserklärung der empirische Wille des Erklärenden auf die Setzung von privatautonom gewollten Rechtsfolgen gerichtet sei. Dagegen liege eine stillschweigende Willenserklärung dann vor, wenn der Zweck der menschlichen Handlung nicht auf die Kundgabe eines bestimmten Willens, sondern auf die Vornahme einer Handlung gerichtet sei. Demnach habe eine stillschweigende Willenserklärung keinen Rechtsbindungswillen und auch keinen Geschäftswillen299. Erst durch ein normatives Verfahren werde der Handlung des Erklärenden der Rechtsbindungswille beigemessen. Daran könne man sehen, dass eine bestimmte menschliche Handlung, ohne ein empirisches Element, über ein Vehikel der Rechtsgeschäftslehre zu einer rechtlich erhebli296
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
297
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
298
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
S. 51. S. 51. S. 52.
299 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 52–53; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 33.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
chen Handlung werde300. Wenn schon die Rechtsgeschäftslehre, so die Schlussfolgerung von Bergmann, sich vom empirischen Element lösen könne, so müsse dies erst recht bei einem gesetzlichen Schuldverhältnis geschehen301. Mit der Erkenntnis, dass der Tatbestand des § 677 kein subjektives, empirisch zu bestimmendes, mit einem Rechtsbindungswillen ausgestattetes Element kenne, gelangt Bergmann zu dem Schluss, die Geschäftsführung ohne Auftrag sei eine realgeschäftliche oder faktische Interessenwahrnehmung302.
4. Konkretisierung des Tatbestandes der Obligationsbegründung Das Erfordernis des „fremden Geschäfts“, wie es die rein objektive Theorie, die Zuständigkeitstheorie und die tradierte Lehre voraussetzen, ist nach Bergmann entbehrlich. Dieses Merkmal sei im Tatbestand des § 677 HS. 1, der an das Merkmal „für einen anderen“ anknüpfe, nicht ersichtlich. Auch aus dem Umkehrschluss des § 687 Abs. 2, der ein systemwidriges Element darstelle, sei jenes nicht zu entnehmen303. Genauso entbehrlich für die Obligationsbegründung sei der Übernahmewille des Geschäftsherrn, wie ihn die Quasikontrakttheorie verlangt. Die Frage, ob die Geschäftsführung, die sich nach ihrem sozialen Sinn als fremdnützige Interessenwahrnehmung darstelle, auch im konkreten Interesse des Geschäftsherrn liege, sei für den Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 und nicht für die Obligationsbegründung bedeutend304. Auch die Person Geschäftsherrn sei aus der normativen Zielrichtung der Interessenwahrnehmung des Geschäftsführers zu bestimmen. Danach sei der Geschäftsherr also diejenige Person, deren Interessen die Geschäftsführung ihrem sozialen Sinn nach diene305. In diesem Zusammenhang macht Bergmann deutlich, dass „Auch-fremde Geschäfte“ aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag eliminiert werden, denn nehme jemand auch eigene Interessen wahr, komme die Geschäftsführung nach der normativen Betrachtung nicht dem Geschäftsherrn, sondern nur dem Geschäftsführer zugute306. Auch
300 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 53–54; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 33. 301 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 54. 302 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 54; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 33. 303 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 56–57; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 34. 304 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 57; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 35. 305 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 58; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 36. 306 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 59–60, S. 146 f.; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 37.
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D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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die aus der Geschäftsführung resultierenden Reflexvorteile tangieren den Tatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht307. Aus der Subordinationsstruktur der Geschäftsführung ohne Auftrag folge weiter, dass die §§ 677 ff. für die Rückabwicklung von Subordinationsverträgen gegenüber dem Bereicherungsrecht vorrangig seien308. Dagegen seien die §§ 677 ff. bei nichtigen Austauschverträgen gegenüber den §§ 812 ff. subsidiär. Die Tätigkeit im fremden Interesse, die Gehorsampflicht des Geschäftsführers, die Auskunfts- und Rechenschaftspflichten und schließlich die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung können mit dem Instrumentarium der §§ 812 ff. kaum erklärt werden309. So sei es nicht zu erklären, warum bei einem unwirksamen Geschäftsbesorgungsvertrag der Geschäftsführer verpflichtet sei, die Geschäfte des Geschäftsherrn dennoch ordentlich zu führen und dessen Weisungen zu folgen310. Die §§ 812 ff. enthalten mit der Saldotheorie bzw. mit der Theorie der Gegenleistungskondiktion ein gesetzliches Programm auf die Rückabwicklung von Austauschverträgen, welches für die Rückabwicklung von Subordinationsverträgen nicht passe311. Das Kriterium der „Freiwilligkeit“ der Geschäftsführung, wie es Wittmann im Rahmen des unselbständigen Merkmals „ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“ fordert (s. o.), ist nach Bergmann keine tatbestandliche Voraussetzung. Die Motivation des Geschäftsführers sei unbeachtlich. Entscheidend sei nur, dass die Geschäftsführung nach der normativen Betrachtungsweise sich als eine Interessenwahrnehmung für einen anderen darstelle. Bergmann misst der Geschäftsführung ohne Auftrag eine Auffangfunktion zu und lässt die §§ 677 ff. auch dann eingreifen, wenn zwar ein Auftrag oder sonstige Berechtigung vorliege, dieses rechtliche Verhältnis aber den konkret in Frage kommenden Ausgleich nicht regele312.
5. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag Angesichts der vorhergehenden Ausführungen, insb. zu der Theorie der stillschweigenden Willenserklärung, kann nicht überraschen, dass Bergmann die 307 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 60 f., S. 158 f. 308 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 408 ff. 309 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 410. 310 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 410. 311 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 409. 312 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, S. 63; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 40.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
Geschäftsführung ohne Auftrag nicht als ein Rechtsgeschäft einordnet. Dafür bedürfte es eines subjektiven Elements, welches es nach seiner Auffassung nicht gebe. Konsequenterweise könne es auch keine Entsprechung dieses subjektiven Elements geben (s. bereits o.). Eine Qualifizierung der Geschäftsführung ohne Auftrag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung lehnt Bergmann ebenfalls mit dem Hinweis ab, die tradierte Lehre würde diesen Begriff unglücklich verwenden, indem sie den Geschäftsführungswillen final ausgestalte und sich deshalb berechtigt sehe, die Geschäftsführung ohne Auftrag den rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen gleichzustellen. Eine solche Gleichstellung sei indes nicht gerechtfertigt, da die Geschäftsführung ohne Auftrag eine faktische oder realgeschäftliche Interessenwahrnehmung für einen anderen – ein Realakt – sei313. Aus der Entbehrlichkeit des subjektiven Elements für die Obligationsbegründung könne demnach auch keine Geschäftsfähigkeit oder Gestionsfähigkeit des Geschäftsführers314 oder des Geschäftsherrn315 gefordert werden.
III. Analyse der subjektiven eingliedrigen Theorien Nun gilt es die subjektiven Theorien anhand der Gesetzesmaterialien zu untersuchen. Haben die Entwürfe des BGB tatsächlich ein normatives Verständnis der Fremdgeschäftsführungsabsicht zugrunde gelegt? Ist die rechtsdogmatische Einordnung der Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Realakt mit den Gesetzesmaterialien vereinbar?
1. Gesetzesmaterialien a) 1. Entwurf (1. Kommission) Die 1. Kommission äußerte sich zu der Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens explizit dahingehend, dass die bloße Tatsache der Führung eines objektiv fremden Geschäftes für die Obligationsbegründung nicht ausreicht. Darüber hinaus muss der Geschäftsführer „mit dem Bewußtsein und dem Willen“ handeln, „das fremde Geschäft als fremdes zu besorgen“316. Dabei manifestiert sich dieser Wille, nach Auffassung der 1. Kommission, schon dann, wenn der Geschäftsführer bewusst in fremde Angelegenheiten eingreift317. Mit diesen Aussagen ist aber noch nicht bestimmt, ob der Fremdgeschäftsführungswille empirisch oder normativ zu bestimmen ist. Mehr Klarheit darüber 313 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 69; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 44. 314 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 71 ff.; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 47 ff. 315 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 75–76; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 52. 316 Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S. 478. 317 Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S. 478.
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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verschaffen die Ausführungen der 1. Kommission zu § 761 E-1 (Vorgängerregelung des § 687), auf die auch im Rahmen der Begründung des § 749 E-1 (Vorgängerregelung des § 677) verwiesen wird318: „Hat Jemand ein fremdes Geschäft in rechtswidriger Absicht als eigenes behandelt, so können die Vorschriften über die negotiorum gestio gleichfalls keine Anwendung finden. Der Geschäftsführer haftet vielmehr nach den Vorschriften über die Haftung aus unerlaubten Handlungen (Abs. 1, Nr. 2, Abs. 3). Wer ein fremdes Geschäft, wissend, daß es ein fremdes ist, für sich als eigenes behandelt, macht sich einer unerlaubten Handlung schuldig, welche den Thäter zur Leistung des vollen Schadensersatzes verpflichtet (§§ 218, 219 ff., 715 ff.). Dieser Anspruch greift soweit, daß kein Bedürfnis vorliegt, dem Geschäftsherrn außerdem die actio neg. gestorum directa zuzugestehen. An sich schon involvierte es eine Denaturierung des Begriffes der negotiorum gestio, wenn man denjenigen, welcher rechtswidrig fremde Geschäfte als eigene behandelt, z. B. den Dieb, als negotiorum gestor beurtheilte. Denn es genügt, wie oben bemerkt, weder das bloße Bewußtsein, ein fremdes Geschäft zu besorgen, noch der sich daraus ergebende innere Wille, solches zu thun, zur Annahme einer negotiorum gestio. Vielmehr muß der ernste Wille, ein fremdes Geschäft als fremdes zu besorgen, und eine, wenn auch nur aus den Umständen sich ergebende Offenbarung dieses Willens hinzutreten. Das trifft aber bei denjenigen, welcher ein fremdes Geschäft wissentlich als eigenes behandelt, nicht zu.“319
Aus dieser Passage kann, unter anderen bereits angesprochenen Aspekten, die Erkenntnis abgeleitet werden, dass die 1. Kommission mit dem Kriterium des Fremdgeschäftsführungswillens die Denaturierung des Begriffes der negotiorum gestio, wenn nicht ganz verhindern konnte, doch zu bekämpfen versuchte. Dabei stellt die 1. Kommission hohe Anforderungen an diesen Willen. Er musste sich nach außen manifestiert haben. Ein innerer Wille war damit nicht ausreichend. Der Wille musste außerdem ein ernster Wille sein. Diese Wortwahl der 1. Kommission deutet entgegen von Wittmanns und Bergmanns Ansicht auf einen wirklichen bzw. empirischen Willen hin. Unter dem Wort „ernst“ versteht man, abgesehen von diesbezüglich völlig entfernten Deutungen320, etwas, was man nicht nur zum Schein tut, sondern tatsächlich oder wirklich so meint321. Dass dieser Wille dennoch in konkreten Fällen nicht klar zum Ausdruck gebracht wird, entbehrt der Voraussetzung nach einem wirklichen Willen nicht. In diesem Fall muss eine Auslegung der Umstände des Einzelfalls stattfinden. Da aber ein wirklicher Wille gefordert ist, darf diese Auslegung nicht normativ, sondern muss empirisch ausgerichtet sein. Die Motive der 1. Kommission deuten im Ergebnis nicht auf ein normativ ausgestaltetes Kriterium der Fremdgeschäftsführungsabsicht, sondern auf eine empirische Natur dieses Kriteriums hin. Bergmanns offener Verzicht auf ein subjektives Element auf der Ebene des 318
Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S. 478. Motive II, 1888, S. 870–871 = Mugdan II, 1899, S. 486–487. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 320 Wie etwa gefahrvoll, bedrohlich oder besorgniserregend. 321 https://www.duden.de/rechtschreibung/ernst, Stand: 23. 12. 2017. 319
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
§ 677 ist demnach ausdrücklich in Frage zu stellen. Bereits aus der Gegenüberstellung des „objektiv fremden Geschäfts“ auf der einen Seite und der Fremdgeschäftsführungsabsicht auf der anderen Seite wird deutlich, dass die 1. Kommission ein rein subjektives Element auf der Ebene des § 677 aufstellen wollte. Durch die hohen Anforderungen an dieses Element wollte sie die Denaturierung der negotiorum gestio eindämmen. In Bezug auf die Quasikontrakttheorien wurde bereits deutlich aufgezeigt, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag nach der Vorstellung der 1. Kommission als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren ist322. Dieses Verständnis stimmt auch mit der allgemeinen Definition der rechtsgeschäftlichen Handlung überein (s. o.). Die, so Bergmann, finale Ausgestaltung der Geschäftsführungsabsicht durch die tradierte Lehre ist nicht unglücklich, sondern entspricht dem allgemeinen Verständnis von rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen, da auch sie ein gewisses privatautonomes Element enthalten323. Auch die 2. Kommission ist von dieser rechtsdogmatischen Qualifizierung nicht abgerückt. Sie hat zwar unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag kein Rechtsgeschäft ist, jedoch hat sie sich nicht gegen eine rechtsgeschäftsähnliche Einordnung gewandt324. Aus diesem Grund kann die Geschäftsführung ohne Auftrag auch nicht als eine faktische oder real geschäftliche Interessenwahrnehmung gedeutet werden. Sie ist kein Realakt.
b) 2. Entwurf (2. Kommission) Die 2. Kommission hat sich zur Ausgestaltung des Fremdgeschäftsführungswillen nicht geäußert, jedoch den Ausdruck „für einen anderen“ übernommen und in ihren Protokollen nur die Punkte angesprochen, die sie entweder abweichend von den Motiven der 1. Kommission gestaltete oder die ihr problematisch erschienen. Dazu zählte die Fremdgeschäftsführungsabsicht nicht. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Inhalt, den die 1. Kommission diesem Merkmal beigemessen hat, auch von der 2. Kommission unterstützt wurde.
2. Spezielle Einwände gegen die Wittmann’sche subjektive Theorie Die jeweiligen Besonderheiten der Theorien von Wittmann und Bergmann können der juristischen Analyse auch sonst weitgehend nicht standhalten. Der Auffassung Wittmanns, das Merkmal „ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“ sei kein selbstständiges Merkmal, sondern ein Teil des Merkmals „für einen anderen“ und dass dieses Merkmal notwendiger-
322 323
Siehe Kapitel 4, B., I., 1., S. 53 ff. Siehe Kapitel 4, B., I., 1., S. 54 f. 324 Siehe Kapitel 4, B., I., 3., S. 60 f.
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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weise die Verpflichtungslosigkeit und damit auch die Freiwilligkeit zum Ausdruck bringe, kann nicht gefolgt werden.
a) Das Merkmal „ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung“ Schon aus den Gesetzesmaterialien folgt, dass das Merkmal „ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung“ ein selbstständiges, neben der Fremdgeschäftsführungsabsicht zu verortendes Merkmal ist. Dies ist aus dem optischen Aufbau der Gesetzesmaterialien zu erkennen. Nachdem die 1. Kommission in einem Absatz die Fremdgeschäftsführungsabsicht und ihren Inhalt als ein tatbestandliches Merkmal des § 749 E-1 abgehandelt hatte, schrieb sie sogleich im nächsten Absatz: „Voraussetzung der Annahme einer negotiorum gestio ist endlich, daß der Geschäftsführer für den Anderen ohne Auftrag (§ 749; verg. § 760) und ohne Amtspflicht handelt.“325
Die systematische Stellung dieser Ausführungen und der Wortlaut („Voraussetzung ist …“) deuten eindringlich auf die Selbstständigkeit dieses Merkmals hin.
b) Das Merkmal der Freiwilligkeit Nicht überzeugend ist auch Wittmanns Auffassung, aus diesem Merkmal würde sich die Freiwilligkeit ergeben. Schon die kritische Auseinandersetzung mit der Theorie der Menschenhilfe zeigte, dass die §§ 677 ff. kein Freiwilligkeitskriterium enthalten326. Aber auch die rechtstheoretische Herleitung Wittmanns ist zu kurz gegriffen. Dieser meint, die Führung eines Geschäfts könne nicht freiwillig sein, wenn der Geschäftsführer seinerseits dem Geschäftsherrn gegenüber zur dieser Tätigkeit verpflichtet sei, oder lediglich nur glaubt zu dieser verpflichtet zu sein. Aus diesem Grunde entfalle wegen der fehlenden Freiwilligkeit die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. auf gegenseitige nichtige Verträge327. Wittmann übersieht jedoch, dass auch der Abschluss eines, wenn auch nichtigen, Vertrages, eine, wenn auch nichtige, Verpflichtungsgrundlage darstellt, die ihrerseits auf einem freiwilligen Entschluss (Willenserklärung) des Geschäftsführers beruht. Die Quelle der Entstehung einer vertraglichen Verpflichtung und somit eines „Auftrags“ i. S. v. § 677 ist die Kundgabe einer Willenserklärung, die von Freiwilligkeit geprägt ist. Insofern kann der Tätigkeit des Geschäftsführers auf Grundlage von nichtigen Verträgen auch keine Freiwilligkeit abgesprochen werden. Sicherlich kann dieser Argumentation entgegensetzt werden, dass nicht jede Willenserklärung, zu deren Abgabe der Erklärende nicht gerade durch eine Drohung gezwungen wurde, oder deren Wirksamkeit durch sonstige rechtlich re325 326
Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S. 478. Siehe Kapitel 4, A., III., S. 27 ff. 327 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 25.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
levante Willensmängel (etwa Irrtümer oder Täuschung; §§ 119, 120, 123) in Frage gestellt wird, auch stets vollständig freiwillig ist. Zwischen der Freiwilligkeit und der, aufgrund von Willensmängeln, rechtlich relevanten Unwirksamkeit einer Willenserklärung besteht ein ernstzunehmender Raum, in dem die Freiwilligkeit mehr oder weniger ausgeprägt sein kann. Oft werden Verträge abgeschlossen, um eigenen Verpflichtungen, auf welchen Rechtsgründen diese auch beruhen mögen, gegenüber Dritten nachzukommen. Der Erklärende wird insoweit geradezu „herausgefordert“ einen Vertrag einzugehen, was die Freiwilligkeit, jedenfalls im weiteren Sinne, einschränkt. Dennoch bleibt es im Grundsatz bei der Freiwilligkeit der abgegebenen Willenserklärung. Die Fragen der Herausforderung und der damit eingeschränkten Freiwilligkeit sollten vielmehr auf der Rechtsfolgenseite, etwa im Rahmen von Schadensersatzansprüchen328, nicht jedoch auf der Ebene der Begründung einer Verpflichtungsgrundlage eine Rolle spielen. Außerdem würde es zu einer unsicheren Behandlung der §§ 677 ff. führen, ließe man das Maß der Freiwilligkeit über die Obligationsbegründung entscheiden.
c) Fixierung an die Theorie der Menschenhilfe Nicht zu verkennen ist auch Wittmanns Fixierung an die Theorie der Menschenhilfe329. Bereits auf der ersten Seite schreibt dieser: „Durch das gesetzliche Schuldverhältnis der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erfaßt die Rechtsordnung das soziale Phänomen der freiwillig-uneigennützigen Tätigkeit im fremden Interesse“330. Dabei wurde bereits ausgeführt, dass das klassische Verständnis dieser Theorie als die Grundlage der echten Geschäftsführung ohne Auftrag weder bei Kohler, noch bei der 1., noch bei der 2. Kommission zu erkennen ist. Vielmehr kann der Geschäftsführer auch eigene Interessen verfolgen. Das gibt auch Wittmann zu, begründet aber diesen Widerspruch mit der Normativität der Geschäftsführungsabsicht. Der Geschäftsführer könne demnach mit der Geschäftsbesorgung auch eigene Interessen verfolgen, solange sich die Tätigkeit nach ihrem sozialen Sinn als eine freiwillig-uneigennützige darstelle331. Diese Begründung überzeugt freilich nicht. In der Regel wird die Auslegung des Geschäftsführerhandelns, auch nach seinem sozialen Sinn, nicht ein eindeutiges Auslegungsergebnis hinsichtlich der Eigen- bzw. der Uneigennützigkeit hervorbringen. Außerdem kann die Auslegung sogar ganz konträre Ergebnisse produzieren, weshalb die Auslegung nach dem sozialen Sinn der Tätigkeit als ein rechtsunsicheres Kriterium anzusehen ist (dazu sogleich). 328
Vgl. dazu Meier/Lenze, MDR 2017, 6, 8; Meier/Teichmann VersR, 2017, 1352, 1353 f. So auch Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 128 f. 330 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 1. 331 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 30 f. 329
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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3. Spezielle Einwände gegen die Bergmann’sche Subordinationstheorie a) Zu befürwortende Aspekte Die Eliminierung des Merkmals des „fremden Geschäfts“ aus dem Tatbestand des § 677 HS. 1332, sowie die Erkenntnis, dass der Übernahmewille keine Rolle bei der Obligationsbegründung spielen kann, überzeugen vollkommen. Auch die Unterscheidung zwischen dem abstrakten und dem konkreten Interesse und ihre unterschiedlichen Anknüpfungspunkte sind ein fruchtbarer Erkenntnisgewinn. Vor allem aber die Anknüpfung Bergmanns an die Interessenstruktur eines Subordinationsverhältnisses ist zutreffend. Die Nähe der §§ 677 ff. zum Auftrag – ein Prototyp aller Interessenwahrungsverhältnisse333 – ist nicht nur systematisch angezeigt, sondern insbesondere durch die auftragsähnliche Haftungsstruktur zwingend (§ 677 HS. 2, §§ 681 S. 1, 681 S. 2 i. V. m. 666, 667, 668, §§ 683. S. 1 i. V. m. 670)334.
b) Geschäftsführungsabsicht als normatives, nach dem sozialen Sinn der Tätigkeit zu beurteilendes Kriterium Nicht überzeugen kann, angesichts der Einordnung der Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis und der dadurch im Unterschied zu anderen Interessenstrukturverhältnissen in höherem Maße notwendig gewordenen Beachtung der Interessen des Geschäftsherrn, die Forderung nach einem normativ zu beurteilenden Fremdgeschäftsführungswillen. Dies widerspricht dem Willen des Gesetzgebers (s. o.). Insbesondere vermag nicht zu überzeugen, dass sich das Tun des Geschäftsführers nach dem sozialen Sinn dieser Tätigkeit zu beurteilen ist. Die §§ 677 ff. werden demnach ausgelöst, falls die Tätigkeit des Geschäftsführers sich nach ihrem sozialen Sinn als eine Interessenwahrnehmung für einen anderen darstellt. Dadurch ist freilich in Bezug auf die Beachtung der Geschäftsherrninteressen nicht viel gewonnen. Will man den Interessen des Geschäftsherrn sowohl bei der Begründung (§ 677 HS. 1) als auch bei der Ausgestaltung (§§ 683, 684, § 677 HS. 2) der Obligation effektive Geltung verschaffen, reicht es nicht aus ausschließlich auf die Fremdgeschäftsführungsabsicht des Geschäftsführers abzustellen, und diese sodann nach ihrem sozialen Sinn zu beurteilen. Der durch die Einordnung der §§ 677 ff. als Subordinationsverhältnis zum Ausdruck gekommene Wille, den Individualismus des Geschäftsherrn, jedenfalls im Grundsatz, zu fördern, wird sodann durch die soziale Beurteilung der Geschäftsführertätigkeit wieder aufgegeben. Die normative Auslegung der Geschäftsführertätigkeit und der Wille bzw. die Interessen des Geschäftsherrn in Bezug auf diese Tätigkeit können gravierend voneinander 332 333
Dazu Kapitel 5, G., II., S. 244 ff. Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 662, Rn. 2. 334 Dazu Kapitel 5, K., II., S. 285 ff.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
abweichen. Dadurch bliebe nichts von der Subordination übrig. Die Geschäftsführung würde den tatsächlichen Interessen des Geschäftsherrn nicht dienen. Eine unangemessene Einmischung in fremde Angelegenheiten wäre durch dieses Subordinationsmodell nicht beseitigt.
c) Vorrang der §§ 677 ff. bei nichtigen Subordinationsverträgen, Nachrang bei nichtigen Koordinationsverträgen Nicht überzeugend ist die aus der Einordnung der §§ 677 ff. als ein Subordinationsverhältnis von Bergmann gezogene Schlussfolgerung, die §§ 677 ff. seien für die Rückabwicklung von nichtigen Subordinationsverträgen zuständig. Hier muss zwischen der Nichtigkeit nach §§ 134, 138, 139 und der aus sonstigen Gründen resultierenden Nichtigkeit (etwa wegen Anfechtung) unterschieden werden. Sind die Subordinationsverträge nach §§ 134, 138, 139 gesamtnichtig, würde es dem gesetzgeberischen Willen widersprechen, wenn an der Stelle eines Subordinationsvertrages ein Schuldverhältnis entstünde, welches eine im Wesentlichen identische interessenwahrungsrechtliche Haftungsstruktur enthält wie der Subordinationsvertrag selbst335 – eine Pflichten- und Rechtestruktur, die es gerade durch das Verbotsgesetz bzw. durch das Sittengebot zu nivellieren gilt. Hier gilt es das Bereicherungsrecht mit seiner risikobehafteten Einrede der Entreicherung aber auch der Kondiktionssperre des § 817 S. 2 anzuwenden. Einen Schutz verdienen die Parteien bei nichtigen Verträgen nach §§ 134, 138, 139 nicht. Der Anwendung der §§ 812 ff. in diesen Fällen stehen die §§ 677 ff. auch nicht im Wege. Die §§ 134, 138, 139 sind auf den Grundtatbestand des § 677 HS. 1 analog anzuwenden336, mit der Folge, dass ein Rechtsgrund i. S. v. § 812 nicht entsteht. Die §§ 812 ff. werden demnach direkt angewandt. Ein Kollisionsproblem mit den §§ 677 ff. besteht nicht. Ergibt sich die Unwirksamkeit der Subordinationsverträge dagegen aus anderen Gründen, sind die §§ 677 ff. anzuwenden. Dennoch bedarf es nicht des Vorrangs der §§ 677 ff. vor dem Bereicherungsrecht als Vorfrage der Anwendbarkeit. Mit der Erfüllung des Grundtatbestandes des § 677 HS. 1 wird eine Legitimationswirkung der Geschäftsführung ausgelöst. Die Geschäftsführung ohne Auftrag stellt demnach einen Rechtsgrund dar337, der die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bereits tatbestandlich ausschlösse. Auch hier käme es nicht zu einer Kollision zwischen den §§ 677 ff. und §§ 812 ff. Die nach §§ 134, 138, 139 nichtigen Koordinationsverträge können wegen der analogen Anwendung dieser Vorschriften auf die §§ 677 ff. keine Anwendung im Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag finden, sodass auch hier keine Kollision droht. Die aus sonstigen Gründen unwirksamen Koordina335 336
Dazu Kapitel 5, K., II., S. 285 ff. Dazu Kapitel 5, K., III., S. 293 ff. 337 Dazu Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), S. 162 ff.
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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tionsverträge können dagegen Gegenstand der §§ 677 ff. sein. Die §§ 677 ff. enthalten ausdifferenziertere Regelungen, die dem Willen der Parteien besser genüge tun als die ihnen aufgedrängte Rückabwicklung nach §§ 812 ff., dies bereits aus dem Grunde, dass Interessenwahrungspflichten, Auskunfts- und Rechenschaftspflichten aber auch Herausgabe- und Aufwendungsersatzansprüche, also ein Gewährschuldverhältnis erhalten bleiben. Insbesondere droht hier aber nicht die Einrede der Entreicherung. Die Beschränkung des Anwendungsbereiches der §§ 677 ff. auf unwirksame Subordinationsverträge vermag auch aus anderen Gesichtspunkten nicht zu überzeugen. Ist ein Verhältnis derart ausgestaltet, dass er neben einer Interessenwahrungskomponente eben auch eine Austauschkomponente enthält, ohne dass es die eine über die andere prävaliert, was sehr oft bei Geschäftsbesorgungsverträgen der Fall ist338, müsste sich die Frage nach der Anwendung der §§ 677 ff. bzw. §§ 812 ff. stellen. Dies könnte Rechtsunsicherheit bringen. Außerdem enthält jedes Verhältnis, unabhängig von seiner Interessenstruktur als Koordinations-, Koalitions- oder Subordinationsvertrag, Interessenwahrungspflichten. Ihren Ausdruck finden sie in der zentralen Vorschrift zu Treu und Glauben (§ 242) und in den Rücksichtsnahme- bzw. Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2). Die Umwandlung eines unwirksamen Koordinationsvertrages in ein Subordinationsverhältnis nach §§ 677 ff. erscheint auch gerechtfertigt. Zu Recht wies Köndgen darauf hin, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag ein milderes und freiheitsfreundlicheres Mittel der Parteien ist339. Dies gilt nicht nur gegenüber dem Kontrahierungszwang, sondern auch gegenüber der Anwendung der §§ 812 ff. Zusammenfassend ist Bergmanns Einordnung der Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Subordinationsverhältnis überzeugend. Weniger überzeugend erscheint dagegen die Sperrung der §§ 677 ff. für unwirksame (nicht nach §§ 134, 138, 139 nichtige) Koordinationsverträge und das Unterlaufen der Gesetzgeberzwecke bei Anwendung der §§ 677 ff. auf nach §§ 134, 138, 139 nichtige Subordinationsverträge.
338 So wurden die Zulieferverträge zwischen Endherstellern, die sich auf die Endproduktion konzentrieren, und Zulieferern, die die Einzelteile herstellen, früher nach Kauf- bzw. Werklieferungsrecht beurteilt. Aufgrund neuer Beteiligungs- Verantwortungs- und Haftungsstruktur erhielten diese Verträge eine geschäftsbesorgunsgrechtliche Komponente, Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 675, Rn. B 251. Auch Just-in-Time-Verträge gehören zu dieser Vertragsgruppe. Die Austauschkomponente bleibt bei diesen Verträgen dennoch sehr ausgeprägt. Speditions- und Frachtverträge sind als Werkverträge mit Geschäftsbesorgungscharakter anzusehen, dies., in: Staudinger, BGB, 2017, § 675, B. 194. Auch bei ihnen bleibt die Austauschkomponente prägend. 339 Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371, 383.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
4. Resultat: subjektive Theorien, die im Grunde objektiv sind Die Forderung nach einer Fremdgeschäftsführungsabsicht und die normative Ausrichtung der Theorien Bergmanns und Wittmanns haben zur Folge, dass sie mit der heutigen Lehre eine große Schnittmenge bilden, wenn nicht sogar in ihr aufgehen. Im Grunde sind eingliedrige subjektive Theorien objektive Theorien. Sie fordern zwar die Fremdgeschäftsführungsabsicht, was auf ein subjektives Merkmal hindeutet. Durch die Normativierung bzw. Sozialisierung verkommt dieses Merkmal jedoch zu einem objektiven Element340. Man kann zwar entgegenhalten, dass die Blickrichtungen der objektiven Theorien und dieser beiden subjektiven Theorien unterschiedlich sind341. Bei rein objektiven Theorien wird an die Zugehörigkeit eines Geschäfts in den Rechts- und Interessenkreis angeknüpft und damit an das Geschäft selbst. Bei der Zuständigkeitstheorie von Wollschläger wird an die Kosten- und Lastenzuständigkeit angeknüpft. Wittmann und Bergmann stellen dagegen aus einer wertenden Betrachtungsweise auf den Zweck des Geschäftsführerhandelns ab. Dennoch ist zu bedenken, dass eine nach ihrem sozialen Sinn zu betrachtende fremdnützige Interessenwahrnehmung in der Regel nur für denjenigen gelten kann, dessen Rechts- und Interessenkreis durch die Geschäftsführung betroffen ist und in der Regel für denjenigen, der auch für die Kosten und Lasten der Geschäftsführung zuständig ist. Wittmanns und Bergmanns Ansätze können zwar tendenziell restriktiver sein342, maßgebliche Begrenzung des Anwendungsbereiches der Geschäftsführung ohne Auftrag bringen sie jedoch nicht mit sich. Das Denaturierungsproblem wird mit ihnen nicht gelöst. Insofern ist Seiler zuzustimmen, wenn er im Ergebnis festhält, dass zwischen objektiven und subjektiven Theorien keine „grundlegende Differenz“ zu erkennen ist343. Das grundlegendere Problem bei den normativ ausgerichteten subjektiven Theorien von Wittmann und Bergmann liegt aber darin, dass die sozialen Wertungen, nach denen die Fremdgeschäftsführungsabsicht zu beurteilen ist, ihrerseits inhaltlich nicht geklärt sind344. Bergmann schildert etwa folgenden Fall: 340 Helm, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 365; Gursky, AcP 185, 1985, 13, 28: „[Wittmann] verläßt damit seinen subjektiven Ansatz und rückt ganz nahe an den objektivierten Geschäftsführungsbegriff der h. M. heran“; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 19; Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 46, 50; In diese Richtung auch Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 60: „als objektiv zu ermittelnde Geschäftsführungsabsicht“. 341 So Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 46. 342 Martinek/Theobald, JuS 1997, 805, 809; Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, 2010 4, S. 46, 48. 343 Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 19. 344 So auch Helm, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 397: „Die subjektive Bewußtseins- und Willensrichtung ist selbst nach Auffassung ihrer Vertreter nur durch objektive Bezugspunkte (sog. ‚sozialer Sinn‘) ermittelbar, die ihrerseits der Bestimmtheit ermangeln.“; Gursky, AcP 185, 1985, 13, 28; Jansen, in: HKK, 2013,
D. (Eingliedrige) subjektive Theorien
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Jemand schleppt das Auto eines verkehrswidrig parkenden Verkehrsteilnehmers ab und verlangt den Ersatz der entstandenen Kosten. In diesem Fall würde die Rechtsprechung eine Auch-Gestion anerkennen und den entsprechenden Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683, 670 zubilligen. Zu Unrecht, meint Bergmann345, denn nach seinem sozialen Sinn diene das Abschleppen nur den Interessen des Abschleppenden bzw. desjenigen, der den Abschleppvorgang in Auftrag gegeben hat, nicht jedoch denen des Falschparkers. Die soziale Wertung, die Bergmann präsentiert, ist verständlich. Derjenige, der seinen Parkplatz nutzen möchte, verfolgt vornehmlich eigene Interessen, wenn er diesen von Falschparkerautos befreit. Freilich kann die soziale Wertung auch anders ausfallen. Etwa folgendermaßen. Durch das Abschleppen des Autos beseitigt unser Protagonist einen rechtswidrigen Zustand, den der Falschparker verursacht hat. Dadurch hilft er diesem, seinen gesellschaftlichen Interessen, nämlich sich gegenüber der Gesellschaft und den Mitmenschen rechtstreu zu verhalten, wieder nachzukommen. Dadurch handelt er aus sozial-wertender Sicht für den Falschparker. Die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands kann aus sozialer Sicht auch für eine andere Begründung sprechen und auch sie wäre plausibel. Die Begründungsansätze könnten vielfältig sein. Die Schlussfolgerung ist jedoch nur eine. Der sozial-wertenden Betrachtungsweise ist es immanent, dass sie in konkreten Fällen Anwendungsprobleme und damit Rechtsunsicherheit mit sich bringt. Insofern ist Seilers Kritik, Bergmanns Theorie der realgeschäftlichen Interessenwahrnehmung sei für die praktische Rechtsanwendung „schwerlich brauchbar“, berechtigt346. Das Gleiche dürfte in Bezug auf Wittmann gelten. Nicht berechtigt ist jedoch Seilers Kritik in Bezug auf die Einordnung der Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Subordinationsverhältnis. Im Detail kritisiert er, der Begriff der Subordination sei „nach alter juristischer Lehre … vor allem hilfreich für die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht“347 und eigne sich, so muss wohl die Schlussfolgerung sein, nicht für die Ergründung der dogmatischen Grundlage der Geschäftsführung ohne Auftrag. Diese Kritik ist zu formalistisch und verdient als solche keine Zustimmung. Was Bergmann unter Subordination versteht und wie sich der Gedanke der Interessenwahrnehmung für einen anderen im Gesetz wiederspiegelt §§ 677–687 I, Rn. 93; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 35: „Gleichzeitig steht der Beweis noch aus, dass beispielsweise Abgrenzungen nach dem sozialen Sinn oder der wirtschaftlichen Risikoverteilung, die das Merkmal des fremden Geschäfts zurückdrängen wollen, wirklich weiterhelfen und gegenüber einer Fallgruppenbildung, wie sie die Rspr. beweisrechtlich mit dem fremden Geschäft vornimmz, überlegen wären“. 345 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 59–60. 346 Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 23a. 347 Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 23b.
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Kapitel 4: Stand der Meinungen
(etwa in § 677 HS. 2, §§ 681, 666–668), erklärte er eindeutig und überzeugend (s. o.). Es kann auch keinen ernstzunehmenden Zweifel daran geben, dass die §§ 677 ff. ein Subordinationsverhältnis darstellen348. Leider vermag Bergmann mit seinem Ansatz den Anwendungsbereich der §§ 677 ff. nicht überzeugend einzuschränken und gibt den durch sein Modell zum Ausdruck gekommenen Individualismus des Geschäftsherrn zu Gunsten einer sozialen Wertung auf. Dennoch erscheint diese subordinationsrechtliche Einordnung zutreffend und bedeutend. Sie wird auf der Ebene der Obligationsbegründung ihren Dienst erweisen349, und wie noch zu zeigen sein wird, wird sie helfen, die nach §§ 134, 138, 139 nichtigen Verträge aus dem Anwendungsbereich zu eliminieren350.
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Kapitel 5, K., II., S. 290. Kapitel 5, H., S. 252 ff. 350 Kapitel 5, K., III., S. 293 ff.
Kapitel 5
Zweigliedrige subjektive Theorie Nun gilt es den eigenen Lösungsweg aufzuzeigen, der versucht, die Schwächen der bisher ausgearbeiteten Theorien zu beseitigen und einen dogmatischen Ansatz vorzuschlagen, der zum einen die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Praxis handhabbarer macht und zum anderen ihren ausgeuferten Anwendungsbereich einschränkt. Dafür ist die Stellung der ganz grundsätzlichen Fragen notwendig. Bei der Beschäftigung mit dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag neigt man dazu, dieses Institut aus einer Perspektive zu betrachten, in der das Geschäft durch den Geschäftsführer bereits übernommen wurde. Das ist insoweit richtig, als die §§ 677 ff. nur dann zur Anwendung gelangen, wenn der Geschäftsführer die Geschäftsführung übernahm und zu Ende führte, unabhängig davon, ob sie von Erfolg gekrönt war. Den Gründen, warum Geschäfte allgemein und warum Geschäfte für einen konkreten Geschäftsherrn ausgeführt werden, stellt man sich dagegen nicht. Diese Fragen sind deshalb von herausragender Bedeutung, weil Geschäfte nicht grundlos besorgt werden. Hinter der Besorgung eines Geschäfts stehen bestimmte Motive, Intentionen, Zwänge. Die hier vertretene Theorie nimmt daher ihren Ursprung in der Analyse der maßgebenden und allgemeingültigen Momente bei der Besorgung der Geschäfte durch den Geschäftsherrn selbst. Das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag ist als Ersatz dafür gedacht, dass der Geschäftsherr seine Geschäfte, aus welchen Gründen auch immer, nicht besorgt und der Geschäftsführer seine Stellung übernimmt. Grundsätzlich ist indes der Geschäftsherr für die Besorgung seiner Geschäfte zuständig. Der Geschäftsherr ist der Herr seiner Interessen. Er entscheidet darüber, ob er überhaupt und falls ja, auf welche Art und Weise er tätig wird. Der Subordinationscharakter der echten Geschäftsführung ohne Auftrag verleitet zu diesem Ausgangspunkt. Es gilt daher zu analysieren, unter welchen Voraussetzungen es zur einer Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsherrn selbst kommt, um sodann das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag auf das Vorhandensein und die Erfüllung dieser Voraussetzungen zu überprüfen. Es gilt festzustellen, ob dieses Institut, welches lediglich als Ersatz und nur als Ausnahme für die fehlende Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsherrn eingreift, alle maßgebenden Momente der Geschäftsbesorgung in sich aufnimmt. Ist dies nicht der Fall, so wird sich die Frage danach stellen, ob
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
es eine Kompensationsnotwendigkeit, und im Falle dieser, eine Kompensationsmöglichkeit dieser Momente de lege lata gibt.
A. Gegenstände der Geschäftsbesorgung Zunächst gilt es zu fragen, was Gegenstände der Geschäftsbesorgung sind. Die Antwort bedarf einer Konkretisierung, insoweit man sich nicht damit begnügen kann, dass die Geschäftsbesorgung eben die Besorgung von Geschäften ist. In den Gesetzesmaterialien, in der Kommentarliteratur und auch in der Rechtsprechung beschreibt man mit Geschäften lediglich die rechtliche Natur dieser Geschäfte. Sie können eben Realakte, geschäftsähnliche Handlungen oder Rechtsgeschäfte sein (s. Kapitel 2, A, I., 1.)1. Der Frage, was überhaupt und nicht in welcher rechtlichen Form das Geschäft vorgenommen wird, geht man dagegen nicht nach. Allgemein wird formuliert, dass der Geschäftsführer im Rechts- und Interessenkreis tätig wird. Lediglich bei Wittmann findet sich eine konkretere Aussage darüber, wonach im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag Sachen und Rechte besorgt werden2. Als ein aufdrängender Gegenstand für die Besorgung von Geschäften stellt sich die Erfüllung von Pflichten dar. Derjenige, dem eine Pflicht aufgetragen ist, wird diese regelmäßig ausführen, oder sich jedenfalls Gedanken über ihre Ausführung machen. Die Arten der Pflichten können ganz unterschiedlich sein (dazu sogleich). Insbesondere gibt es rechtliche Pflichten und solche Pflichten, die nicht von der Rechtsordnung aufgetragen sind, die der Geschäftsherr aber ebenfalls besorgen wird. Dazu zählen insbesondere gesellschaftliche, freundschaftliche, partnerschaftliche oder moralische Pflichten, etwa gegenüber eigenen Familienangehörigen. Neben den Pflichten wird der Geschäftsherr auch Geschäfte zur Wahrnehmung seiner Rechte besorgen. Ob hier eine Unterscheidung zwischen solchen Rechten vorzunehmen ist, die von der Rechtsordnung gewährt werden, und solchen, die ihren Ursprung nicht in der Rechtsordnung, sondern etwa in der Moral und Sitte haben, wird gleich zu klären sein. Der Begriff der Rechte ist ein sehr weiter. Auch die Befolgung von nicht-rechtlichen Pflichten kann sich möglicherweise, auch diese Frage wird gleich zu klären sein, als Wahrnehmung von Rechten darstellen, sodass auch diese dem Rechtebegriff unterfielen. Zu klären wird auch die Frage sein, ob es neben den Pflichten und Rechten noch eine dritte Kategorie der Geschäftsbesorgungsgegenstände auszumachen ist, nämlich die der Befolgung von Interessen. 1
Giesen, Jura 1996, 225, 227; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 2; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 677, Rn. 2; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 841; Lorenz, JuS 2016, 12. 2 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 61.
A. Gegenstände der Geschäftsbesorgung
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Schließlich ist es vorstellbar, dass der Geschäftsherr auch entgegen der ihm auferlegten Pflichten, also Geschäfte, die als Pflichtverstöße, entgegen der ihm gewährten Rechte, also Geschäfte, die als Rechtsverstöße, und entgegen seiner Interessen, die also als Interessenverstöße aufzufassen sind, besorgen wird. Inwieweit eine Selbstständigkeit dieser Kategorien jeweils auszumachen ist und welche Wechselwirkungen untereinander bestehen, bedarf ebenfalls einer eingehenden Analyse.
I. Besorgung von Rechtspflichten Unter Rechtspflichten versteht man ein von geschriebenen oder nicht geschriebenen Rechtsnormen auferlegtes Müssen3, etwas zu tun oder zu unterlassen. Es handelt sich um Belastungen4 für den Rechtsverpflichteten, weil sie unabhängig von seinem Willen entstehen, ihm also ohne oder gegen seinen Willen auferlegt werden. Die Rechtspflichten können sowohl aus dem öffentlichen Recht als auch aus dem Privatrecht resultieren. Resultieren sie aus dem öffentlichen Recht, so bestehen die Pflichten gegenüber dem Staat, der Allgemeinheit, können aber auch gegenüber Privatpersonen bestehen, soweit öffentliche-rechtliche Pflichten auch den Schutz von Individualinteressen bezwecken. Resultieren sie dagegen aus dem Privatrecht, so bestehen sie gegenüber anderen Privatpersonen bzw. dem Staat, soweit dieser fiskalisch agiert. Die Grundlage der aus dem Privatrecht resultierenden Pflichten können vertragliche, quasivertragliche oder gesetzliche Verhältnisse sein. Zu unterscheiden sind die rechtlichen Pflichten von sonstigen Pflichten, die etwa aus den Sittengeboten oder Moralvorstellungen resultieren. Diese Pflichten können sich mit den Rechtspflichten decken. Dann ist die rechtliche Pflicht zugleich eine Moralpflicht. Insoweit bestimmt die Rechtordnung freilich nur das „ethische Mindestmaß“5. Im Privatrecht gibt es darüber hinaus die §§ 138, 242, 826, die zusammen die herrschende Sozialmoral wiederspiegeln6 und diese rechtlich verankern. Alle anderen Pflichten finden keine rechtliche Verankerung.
II. Wahrnehmung von subjektiven Rechten Anders als der Begriff der Pflichten, erscheint der Begriff der Rechte als ein schwer fassbarer. Als erste Ausprägung dieses Begriffs fällt einem sicherlich die Wahrnehmung von solchen Rechten ein, die im Gesetz ihre ausdrückliche Ausgestaltung gefunden haben. Das sind insbesondere die Ansprüche (§ 194). Ist 3 4
Somló, Juristische Grundlehre, 1917, S. 430 ging noch von einem „Sollen“ aus. Somló, Juristische Grundlehre, 1917, S. 430. 5 Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1152. 6 Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1152.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
dem Käufer etwa eine zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhafte Sache geliefert worden, so entstehen nach § 433 Abs. 1, S. 2, 434, 437 Gewährleistungsansprüche. Dem Käufer wird zunächst ein Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 gewährt. Ist die Nacherfüllung unmöglich (§ 275) oder sind die Nacherfüllungskosten unverhältnismäßig hoch (§ 439 Abs. 4) oder ist die zur Nacherfüllung bestimmte Frist erfolgslos abgelaufen, so ist der Käufer berechtigt vom Kaufvertrag zurückzutreten, den Kaufpreis zu mindern, Aufwendungsersatz- oder Schadensersatzansprüche zu fordern. Ein Katalog von hochrangigen Rechten und Rechtsgütern ist insbesondere in der Vorschrift des § 823 Abs. 1 zu finden, in dem etwa das Leben, die körperliche Integrität oder das Eigentum geschützt werden. Auf die Ansprüche und auf die gesetzlich geregelten Rechte und Rechtsgüter kann sich der Rechtsbegriff indes nicht beschränken. Die Mannigfaltigkeit der Lebenssituationen erfordert einen deutlich abstrakteren, allgemeineren Begriff. Denn jede Handlung, die ein Mensch vornimmt, oder jeder Zustand, in dem der Mensch verweilt, kann berechtigt oder vom Rechte missbilligt sein.
1. Dogmatische Ansätze zur Bestimmung des Rechtsbegriffs Die Frage, was unter dem „Recht“ zu verstehen ist und welche Ausprägung dieser Begriff hat, war vor der Kodifizierung des BGB und auch danach heftig umstritten. Man kann aus der Vielfalt der vorhandenen Auffassungen eine Aufteilung in drei Meinungsgruppen, so wie sie Kelsen7 und ihm folgend Somló8 vorgenommen haben, aufstellen. Zu unterscheiden ist zwischen (1) den Interessentheorien, (2) den Willenstheorien und (3) und der dritten Meinungsgruppe, die nach einem Kompromiss zwischen diesen zwei Strömungen sucht, den Kombinationstheorien. Die Auseinandersetzung mit dem Begriff des „Rechts“ ist bedeutend, insofern sie die Frage klären wird, ob die Besorgung von Interessen als eine dritte Gruppe der Geschäftsbesorgungsgegenstände auszumachen ist, und sie zugleich damit eine scharfe Abgrenzung zu den, für diese Untersuchung so maßgebenden, Gründen der Geschäftsbesorgung erlauben. Außerdem werden bereits Geschäftsbesorgungsgegenstände zeigen, welchen Stellenwert der Wille des Besorgenden für die ganze Geschäftsbesorgungssituation einnimmt.
a) Interessentheorien unter Anführung von Jhering aa) Jhering Zu den vordersten Vertretern der Interessentheorie zählt Jhering. In seinem Werk: „Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Ent7 8
Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 567 ff. Somló, Juristische Grundlehre, 1917, S. 470.
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wicklung“ arbeitete er zunächst den Unterschied zwischen dem „objektiven Recht“ und dem „subjektiven Recht“ heraus, der auch für die Untersuchung notwendig sein wird. Das Recht im objektiven Sinne ist der Ausdruck des „allgemeinen Willens“9. Das Wesen des Rechts bestehe, unabhängig von seiner Aufgabe, seinen Zielen oder seines Inhalts, in seiner Verwirklichung, wobei dafür eine Macht, ein Organ und ein Träger des Willens vorauszusetzen ist10. Der subjektive Wille eines Einzelnen könne beim objektiven Recht nur so viel wollen, wie der allgemeine Wille es zulasse11. Daraus könne geschlussfolgert werden, die Macht beim subjektiven Willen sei maximal durch den allgemeinen Willen begrenzt. Der allgemeine Wille werfe den subjektiven Willen damit zu Boden12. Das Verhältnis zwischen Recht und Willen ist nach Jhering demnach folgendes: das Recht ist nicht des Willens, sondern der Wille des Rechts wegen da13. Das Privatrecht sei keine „Arena für den Willen, sich darauf zu tummeln, zu versuchen, zu betätigen und sich über seine eigenen Evolutionen zu erfreuen“14. Der Wille werde nicht in das Recht „hineingelegt“, sondern das Recht sei die konstitutive Voraussetzung für das Wollen15. Das Wollen fängt also erst dort und dann an, wo das Recht dies erlaube. Zum besseren Verständnis führt Jhering das Steuermann-Beispiel heran. Der Steuermann eines Schiffes kann mit dem Schiff grundsätzlich tun und lassen, was ihm beliebt. Er hat in der realen Perspektive die dazu erforderliche Macht. Dies alleine berechtigt ihn aber dazu noch nicht. Der Steuermann darf nur das wollen, was das objektive Recht ihm erlaubt. Ansonsten, so muss wohl die Schlussfolgerung aus Jherings Theorie sein, ist ein nicht erlaubtes Wollen dasjenige, welches keine Berücksichtigung finden und auch nicht als Wollen bezeichnet werden dürfe. Es gibt für Jhering kein Wollen, was nicht erlaubt ist. Das Subjekt des Rechts ist nicht dasjenige, das das Wollen, sondern den Nutzen für sich beanspruchen kann (z. B. bei Geschäftsunfähigen der Geschäfts-
9 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 328. 10 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 328. 11 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 329. 12 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 329. 13 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 331. 14 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 330. 15 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 330, 332.
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unfähige selbst und nicht der Betreuer oder der Vormund)16. Das Subjekt des Rechts ist somit der Destinatär17. Ausgehend von der Prämisse, dass der Wille des Rechts wegen da ist, der Wille also nicht die bewegende Kraft der Rechte darstellt18, seien Rechte nicht lediglich dazu da, um die Idee des abstrakten „Rechtswillens“ zu verwirklichen, sondern um den Interessen, Bedürfnissen, Zwecken des Verkehrs zu dienen19. Der Begriff des Rechts sei dabei in zwei Momente zu zerlegen. Das erste Moment ist ein substantielles, das den praktischen Zweck, also den Nutzen, Vorteil, Gewinn, der durch das Recht gewährt werden soll, beschreibe20. Das zweite Moment ist ein formales, das als Mittel zur Verwirklichung des praktischen Zwecks diene21. Das erste Moment ist somit der Kern, das letztere „die schützende Schale“22. Erst durch den Schutz wird das substantielle Moment zu einem Recht. Aus dieser Argumentation zieht Jhering letztlich den Schluss: Rechte sind rechtlich geschützte Interessen23. Jedes Recht des Privatrechts sei dazu da, um dem Menschen irgendeinen Vorteil zu gewähren, Bedürfnisse zu befriedigen, seine Interessen und Zwecke zu fördern24. Somit könne es auch kein zweck- oder nutzloses Recht geben25. Mit den Interessen des einzelnen Individuums wechseln auch die Rechte26. Daraus folge auch das Verhältnis zwischen Interesse und Recht. Die Interessen seien die vom Individuum verfolgte Zwecke, während das Recht die Voraussetzung für das Haben bestimmter Interessen sei27. Mit dem Genuss des Rechts 16 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 336. 17 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 336. 18 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 339. 19 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 338. 20 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 339. 21 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 339. 22 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 339. 23 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 339. 24 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 340. 25 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 340–341. 26 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 343. 27 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 345.
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werde folglich die Wahrnehmung erlaubter Interessen beschrieben28. Ein Recht ohne eine Genussmöglichkeit ist nach Jhering ein „Unding“29. Kein Recht sei seiner selbst wegen oder des Willens da. Jedes Recht finde seine Zweckbestimmung und seine Rechtfertigung darin, dass es das Dasein oder das Wohlsein von Menschen fördere30. Nicht der Wille oder die Macht bilde die Substanz des Rechts, sondern der Nutzen31. Dabei beurteile sich der Nutzen nach dem Willen des Rechtsträgers32. Da jedoch nicht alle Interessen rechtlichen Schutz verdienen, können auch nicht alle Interessen subjektive Rechte sein33.
bb) Thon In die ähnliche Richtung wie Jhering ging Thon. Auch er geht vom Interesse oder von einem von der Rechtsordnung geschützten Gut aus. Sodann unterscheidet Thon zwischen einem passiven und aktiven34 Schutz. Soweit die gesetzlichen Normen bestimmte Ge- oder Verbote aufstellen und für den Fall der Übertretung Rechtsfolgen, oder sogar die Vollstreckung von Rechtsfolgen vorsehen, sei der Berechtigte bzgl. des Schutzes lediglich passiv, weshalb es auch keine Veranlassung gebe dieses Recht als sein Recht zu bezeichnen35. Es handele sich somit nicht um ein subjektives Recht. Ein subjektives Recht des Berechtigten komme nur dann in Betracht, wenn ihm ein Einfluss an dem Schutz des Interesses oder des Gutes zukomme. Das kann nach Thon nur in drei Fällen in Betracht kommen: (1) wenn der Interessent durch seine Einwilligung ein sonst normwidriges Verhalten zu einem normgemäßen Verhalten mache36, oder (2) wenn der Interessent den gesamten Rechtsschutz bei verzichtbaren oder über28 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 345. 29 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 350. 30 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 350. 31 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 350. 32 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 350: „Mag der Berechtigte den Genuß vermähen – das steht ihm frei –“; anders sieht es Somló, Juristische Grundlehre, 1917, S. 473–474, der Jherings Konzept dahingehend interpretiert, dass sich das Vorliegen und die Bestimmung der Interessen nach „Durchschnittsinteressen“ beurteilt. 33 Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 351. 34 Die Formulierung „aktiv“ verwendet Thon nicht. Sie kann aber aus der Gegenüberstellung zu „passiv“ hergeleitet werden. 35 Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe von 1878, 1964, S. 216–217. 36 Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe von 1878, 1964, S. 217.
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tragbaren Rechten aufgebe, oder das Recht übertrage37 und zuletzt (3) wenn die Rechtsordnung die Erzwingung ihrer Normen der Initiative des Interessenten überlasse und ihm dabei nur Hilfe zu leisten verspreche38. Der erste Fall beschreibe freilich nicht den Inhalt oder die Verwirklichung des subjektiven Rechts, sondern durch die Einwilligung werde der Eintritt des Rechtsschutzes vereitelt39. Dieser Fall sei somit kein subjektives Recht. Beim zweiten Fall habe der Interessent die Verfügungsmacht über den Schutz, womit das Aufhören über dessen Verknüpfung mit einem anderen Subjekt gemeint sei. Die Verfügungsmacht und der Inhalt des Schutzes müssen indes voneinander unterschieden werden40. Somit unterfalle auch der zweite Fall nicht dem Begriffe des subjektiven Rechts. Lediglich der dritte Fall vermöge den Begriff des Rechts inhaltlich zu definieren. Thon bestimmt den Begriff des subjektiven Rechts wie folgt: „Das subjektive Recht wird durch die Verheissung eventueller Ansprüche begründet; es besteht in der Aussicht auf solche. Oder genauer, es erwächst für den durch die Normen Geschützten aus der Bestimmung des objektiven Rechts, wonach ihm für den Fall der Uebertretung der ersteren behufs Verwirklichung des Gebotenen oder Wiederaufhebung des Verbotenen ein Mittel, der Anspruch gewährt wird.“41
Den Unterschied zwischen seiner Theorie und der von Jhering vertretenen Theorie sieht Thon im Fehlen des oben genannten substantiellen Moments. Der Nutzen, Vorteil, Gewinn gehöre nicht zum Inhalt des subjektiven Rechts. Zum subjektiven Recht gehöre lediglich die „schützende Schale“, also nur das von Jhering bezeichnete formale Moment. Das subjektive Recht sei somit nur das Mittel zur Ermöglichung des verfolgten Zwecks, nicht jedoch der Zweck selbst42.
b) Willenstheorien unter Anführung von Windscheid aa) Windscheid Einen anderen Ausgangspunkt als Jhering wählt Windscheid. Im Vergleich zu Jhering geht er nicht von Interessen aus und berücksichtigt nur solchen Wil37 Thon, S. 217. 38 Thon, S. 218. 39 Thon, S. 217. 40 Thon, S. 217. 41 Thon, S. 218. 42 Thon, S. 219.
Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe von 1878, 1964, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe von 1878, 1964, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe von 1878, 1964, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe von 1878, 1964, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe von 1878, 1964, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe von 1878, 1964,
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len, der auch vom objektiven Recht als Rahmen geschützt ist. Vielmehr geht er vom Willen aus. Windscheid geht davon aus, dass die Rechtsordnung – also das objektive Recht – aufgrund eines konkreten Tatbestandes einen Befehl zu einem menschlichen Verhalten erlassen habe43. Diesen Befehl habe sie sodann demjenigen zur freien Verfügung gestellt, zu dessen Gunsten der Befehl gelten solle44. Demgemäß sei der Wille des Begünstigten für die Durchsetzung des von der Rechtsordnung erlassenen Befehls maßgebend. Das Recht sei das Recht des Begünstigten geworden45. Das Recht habe freilich nicht nur die Bedeutung eines Durchsetzungsrechts46. Es gebe auch die Bedeutung des Rechts, bei dem der Wille nicht zur Durchsetzung, sondern bereits für die Entstehung des Rechts maßgebend sei47. Dies sei etwa dann der Fall, wenn der Eigentümer das Recht habe, seine Sache zu veräußern. Mit der Entstehung des Veräußerungswillens des Eigentümers entstehe auch das Recht zur Veräußerung. Dem Begünstigen werde somit ein maßgebender Wille nicht für die Durchsetzung, sondern auch für das Sein von Befehlen der Rechtsordnung zugeschrieben48. Als Ergebnis arbeitet Windscheid die Formel heraus: Recht ist eine von der Rechtsordnung verliehe Willensmacht oder Willensherrschaft49.
bb) Schuppe Schuppe folgt im Grunde Windscheids Auffassung. Er formuliert etwas anderes, indem er die subjektiven Rechte als Befugnisse bezeichnet, welche den einzelnen Subjekten dem objektiven Recht nach zustehen50. Den Ursprung des Rechts sieht Schuppe, ähnlich wie Windscheid, in den „ursprünglichsten Elementen des Bewusstseins“51. Der subjektive Wille werde freilich erst dann zum subjektiven Recht, wenn dieser sich mit dem objektiven Willen decke. Verbietet dagegen der objektive Wille einen bestimmten subjektiven Willen, so führe das zwar nicht dazu, dass dieser seine Existenz verliere, sondern dazu, dass dieser Wille nicht zum subjektiven Recht werden könne. Wenn dies aber so ist, arbeitet Schuppe heraus, sei das subjektive Recht ein Willensakt des objektiven Rechts. Die gesetzlichen Normen seien nichts anderes als Willenserklärungen des objektiven Rechts52. Man könne hier vom primären Rechtswillen sprechen53. Der subjektive Wille wird also erst durch die Bejahung des objektiven Willens zum subjek43 44
Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 6. Aufl., 1887 Band 1, § 37, S. 97. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 6. Aufl., 1887 Band 1, § 37, S. 97. 45 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 6. Aufl., 1887 Band 1, § 37, S. 98. 46 Die Bezeichnung hat Windscheid nicht gebraucht. Sie stammt vom Verfasser. 47 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 6. Aufl., 1887 Band 1, § 37, S. 98. 48 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 6. Aufl., 1887 Band 1, § 37, S. 99. 49 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 6. Aufl., 1887 Band 1, § 37, S. 99. 50 Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. 9. 51 Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. 2. 52 Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. 21. 53 Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. 21.
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tiven Recht. Wie der subjektive Wille entsteht und wie er vergeht, könne kaum erklärt werden. Sind die zureichenden Motive da, so entstehe der Wille aus dem Nichts, und hören die Motive auf, so verschwinde er ins Nichts54. Um die subjektiven Rechte wahrzunehmen, etwa diese zu erwerben oder zu übertragen, sei das Haben dieser Rechte erforderlich55. Das Haben des subjektiven Rechts liege dann vor, wenn das Subjekt den subjektiven Willen habe und dieser vom objektiven Recht bejaht werde56. Es ist somit, ich formuliere das einfacher, ein Habens-Wille notwendig. Sodann ist aber auch ein Vornahme-Wille erforderlich57.
c) Kombinationstheorien unter Anführung von Jellinek Zu den Vertretern der Kombinationstheorien ist zunächst Jellinek zu zählen. Er verbindet den zentralen Begriff der Interessentheorien – das Interesse – und den zentralen Begriff der Willenstheorien – den Willen – zu einem gemeinsamen Begriff des subjektiven Rechts58. Was objektiv als Gut erscheine, sei subjektiv ein Interesse des Einzelnen. Das vom Recht geschützte Gut oder Interesse werden durch das menschliche Wollen in Beziehung gesetzt59. Ein Objekt der Außenwelt werde nur dann Bestandteil der menschlichen Güter- und Interessenwelt, wenn dieses Objekt auch Gegenstand des menschlichen Willens sei60. Der Wille sei das notwendige Mittel, durch welches das „Etwas“ zum Gut oder zum Interesse werden lasse61. Damit dieses Gut oder Interesse geschützt werden, müsse die Rechtsordnung zunächst die menschliche Willensmacht anerkennen62. Das subjektive Recht, so fasst Jellinek seine Auffassung zusammen, sei daher die von der Rechtsordnung anerkannte und geschützte, auf ein Gut oder Interesse gerichtete, menschliche Willensmacht63. Die Willensmacht sei das formale, das Gut oder Interesse das materielle Element des subjektiven Rechts64. 54 55
Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. 151. Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. 10 ff., 153. 56 Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. 47, 154. 57 Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. 157. 58 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Nachdruck S. 43. 59 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Nachdruck S. 43. 60 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Nachdruck S. 43. 61 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Nachdruck S. 44. 62 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Nachdruck S. 44. 63 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Nachdruck S. 44. 64 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Nachdruck S. 45.
der 2. Aufl., 1963, der 2. Aufl., 1963, der 2. Aufl., 1963, der 2. Aufl., 1963, der 2. Aufl., 1963, der 2. Aufl., 1963, der 2. Aufl., 1963,
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Obwohl Kelsen sich selbst sicher nicht in die Gruppe der Kombinationstheorien eingeordnet hätte, ist doch gerade im Rahmen dieser Gruppe auf seine Auffassung einzugehen. Im Vergleich zu Jellinek lehnt er die zentralen Kriterien der Interessen- und Willenstheorien ab und versucht, eine eigenständige Theorie zu konstruieren. Kelsen zeigt auf, dass das zwischen dem objektiven und dem subjektiven Recht bestehende Abhängigkeitsverhältnis eine notwendige Voraussetzung für das subjektive Recht sei. Seiner Theorie nach sei eine Wechselwirkung zwischen diesen beiden Begriffen immanent. Ein subjektives Recht könne es ohne das objektive Recht nicht geben. Das subjektive Recht sei selbst als Schutz, als Bestandteil der Rechtsordnung, nämlich als der Rechtsatz anerkannt und zwar als ein Rechtssatz in einer besonderen Beziehung auf ein Subjekt65. Ein die Rechtspflicht irgendjemandes statuierender Rechtssatz habe als ein Recht eines anderen zu gelten, so dass der Letztere auf Grund der Bestimmungen dieses Rechtssatzes zu diesem in einem solchen Verhältnisse stehe, dass dieses Recht als seiniges, als ihm zugehörig bezeichnet werden könne. Dieses Recht stehe also ihm zur Verfügung. Differenzierter ausgedrückt, der in dem Rechtssatze ausgedrückte Wille des Staates zu einem bestimmten Verhalten sei auch von der Person abhängig, an den dieser Wille gerichtet sei66. Stellt man auf den Rechtssatz im engeren Sinne ab, womit auf der einen Seite Rechtspflichten gegenüber Anderen und der Wille des Staates zur Exekution und zur Strafe statuiert werden67, so sei auf der anderen Seite ein subjektives Recht ein Recht gegen den Verpflichteten auf die Befolgung von Rechtspflichten und ein Recht gegen den Staat auf Exekution oder Verhängung einer Strafe im Falle ihrer Nichtbefolgung68. Beide Ausprägungen seien dabei nicht zwei eigenständige Rechte, sondern zwei Erscheinungsformen eines einzigen Rechts69. Eine Pflicht des „Untertanen“ und die Pflicht des Staates zur Unrechtsfolge sei ein und derselbe Rechtssatz und damit ein und das selbe subjektive Recht70. Zusammengefasst ist nach Kelsen das subjektive Recht ein Rechtssatz in einem Verhältnis zu derjenigen Person, von deren Verfügung die Realisierung des im Rechtssatze ausgesprochenen Willens des Staates zur Unrechtsfolge abhängig gemacht wird71. Das Bündel der Voraussetzungen, die zur Entstehung einer Pflicht gegenüber den „Untertanen“ und einer Pflicht gegenüber dem Staat und somit zu einem subjektiven Recht führe, nenne man den rechtsbegründenden Tatbestand, 65
Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 619. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 619. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 619. 68 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 620. 69 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 620. 70 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 620, 625. 71 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 625. 66 67
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oder den Rechtstatbestand72. Dabei werden Voraussetzungen an alle drei Parteien gestellt. Vom Moment des erfüllten Rechtstatbestandes bis zum Augenblick des vollendeten „Unrechtes“ existiere das subjektive Recht73. In der Zeit, in der das Recht bereits existent sei, aber nicht geltend gemacht werden könne, weil noch kein „Unrecht“ geschehen sei, sei das subjektive Recht gleichsam in einem „potentiellen“ Zustande vorhanden, der sich mit der Vollendung des Unrechts in einen aktuellen Zustand verwandele74. Diese Ausführungen gelten freilich nur für ein subjektives Recht auf Handeln, wenn also das Unrecht in einem Unterlassen bestehe. Bestehe das subjektive Recht dagegen auf Unterlassen, wenn also das Unrecht in einem positiven Tun bestehe, dann sei die Spannung zwischen dem potentiellen und aktuellen Zustand eine dauernde75. Folglich sei beim ersten Fall die Spannung zwischen dem potentiellen und aktuellen Zustand normalerweise nicht vorhanden76. Mit der Erfüllung des Rechtstatbestandes sei gleichsam auch schon das Unrecht gegeben.
2. Resümierende Betrachtungsweise Zusammenfassend ist festzustellen, dass alle Theorien ihre Schwächen haben. Vorausgeschickt sei, dass die theoretischen Unterschiede, die die Vertreter der einen Richtung, der anderen und der vereinenden Richtung herausstellen, gar keine wirklichen Unterschiede sind. Macht man das Interesse zum zentralen Element des subjektiven Rechts, so ist damit ein psychisches Moment gemeint. Erhebt man den Willen zum zentralen Element des subjektiven Rechts, so ist damit ebenfalls ein psychisches Moment gemeint. Insofern ist Kelsen darin zuzustimmen, wenn er ausführt, dass ein Unterschied nur darin zu bestehen vermag, dass Windscheid im Vergleich zu Jhering anstelle des psychischen Momentes des Interesses ein gleichfalls psychisches Moment des Willens setzt77. Die Begriffe des „Interesses“ und des „Willens“ dürften ihrerseits ziemlich identisch sein78. Erkennt man die kaum zu übersehende Ähnlichkeit zwischen beiden Theoriengruppen an, so wird man auch ähnliche Einwände gegen sie aufstellen können. Die Interessentheorie hätte zur Folge, dass ein subjektives Recht nicht entstehen kann, wenn ein dahingehendes Interesse, wenn also ein dahingehender Zweck des Berechtigten nicht besteht79. Kelsen macht dies am Eigentumsrecht klar. Setze man einen Zweck voraus, so wäre man rechtlich nur solange Eigen72 73
Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 628. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 628. 74 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 628. 75 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 628. 76 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 628. 77 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 585. 78 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 586. 79 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 573–574.
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tümer, solange man ein dahingehendes Interesse hat. Dies steht mit dem objektiven Recht offensichtlich im Widerspruch80. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf die Willenstheorien. Besteht der Wille eine Sache im Eigentum zu haben nicht, so müsste nach dieser Theorie auch das Eigentumsrecht entfallen81. Dass dies nicht so ist, zeigt sich schon daran, dass eine Dereliktion nach § 959 nur dann in Betracht kommt, wenn auch eine dahingehende, nach außen manifestierte Aufgabe, also ein Aufgabeakt mit einem entsprechenden Aufgabewillen vorliegt. Der Willenstheorie, müsste außerdem vorgeworfen werden, dass willenslose Menschen keine Rechte haben könnten82. Im Ergebnis kann somit weder der einen, noch der anderen Theorie Vorzug gewährt werden. Umso weniger kann auch den Kombinationstheorien zugestimmt werden, die ein Interesse und einen Willen voraussetzen. Liegt eines der beiden Merkmale nicht vor, so dürfte auch ein subjektives Recht ausscheiden. Dass dies unrichtig ist, ist bereits gezeigt worden. Auch Kelsens Theorie kann nicht überzeugen. Unterstellt man, dass ein subjektives Recht ein Rechtssatz ist, von dessen Verfügung die Realisierung des im Rechtssatze ausgesprochenen Willens des Staates zur Unrechtsfolge abhängig gemacht wird, so ist die Verfügung selbst ebenfalls vom Willen des Berechtigten abhängig. Insofern ist mit der Verfügung dasselbe gemeint, wie der Wille im Sinne der Willenstheorien und das Interesse im Sinne der Interessentheorien83. Die von Kelsen behaupteten tiefgreifenden Differenzen zwischen den einzelnen Theorien bestehen in Wirklichkeit nicht84. Vielmehr ist vom subjektiven Recht dann auszugehen, wenn das objektive Recht eine Rechtsposition gewährt oder zuteilwerden lässt85. Dabei hängt die Entstehung des subjektiven Rechts nicht vom Begünstigten ab, ob er dieses Recht auch haben und in Anspruch nehmen möchte. Es ist eine Gewährung, die zunächst auch unbeantwortet bleiben kann. Andererseits ist es selbstverständlich, dass nicht jede Gewährung im Gesetz konkret kodifiziert werden muss. Sie kann sich aus den übergeordneten, generell formulierten Rechten ergeben. Am besten zeigt sich dies am Eigentumsrecht. Dieses gewährt dem Eigentümer nach § 903 ein Nutzungs- und ein Ausschlussrecht. Die Anzahl der in Betracht kommenden Nutzungsarten in Bezug auf eine Sache ist kaum messbar. Auch die Anzahl der in Betracht kommenden Fälle, in denen der Eigentümer andere von der Einwirkung auf sein Eigentum ausschließen kann, ist ebenfalls kaum messbar. Doch sind sie alle vom Eigentumsrecht gedeckt, es sei denn, das ob80
Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 574. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 586. Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 9. Aufl., 1968 Teil 3, S. 332. 83 Somló, Juristische Grundlehre, 1917, S. 481. 84 Somló, Juristische Grundlehre, 1917, S. 482. 85 Somló, Juristische Grundlehre, 1917, S. 482. 81 82
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jektive Recht untersagt sie. Die Nutzung oder der Ausschluss, also die Gewährung, die nicht mehr vom objektiven Recht gedeckt ist, ist demzufolge auch kein subjektives Recht. Zusammengefasst ist unter dem objektiven Recht die Rechtsordnung als ein Bündel von geschriebenen oder nicht geschriebenen Rechtsnormen zu verstehen. Unter dem subjektiven Recht ist eine aus dem objektiven Recht sich ergebende Gewährung an das einzelne Rechtssubjekt, dessen Entstehung sich unabhängig davon vollzieht, ob das Rechtssubjekt es haben und/oder in Anspruch nehmen will. Die Inanspruchnahme des subjektiven Rechts ist dagegen dem Berechtigten anheimgestellt. Ist er zur Inanspruchnahme verpflichtet, so besteht neben dem subjektiven Recht eine subjektive Rechtspflicht.
III. Entbehrlichkeit des Begriffes des Interesses neben den subjektiven Rechtspflichten und subjektiven Rechten Versteht man das subjektive Recht als eine Gewährung des objektiven Rechts, so gewährt dieses auch die Möglichkeit eigenen Zwecken, also eigenen Interessen nachzugehen. Das Interesse selbst ist freilich nicht Inhalt des subjektiven Rechts. Es ist vielmehr bei den Gründen der Geschäftsbesorgung und nicht bei den Gegenständen der Geschäftsbesorgung zu domestizieren. Die Wahrnehmung von Pflichten und die Befolgung von Rechten stellen ein Mittel zur Erreichung des Interesses dar. Einen eigenständigen Platz hat der Interessenbegriff neben dem Pflichtenbegriff und dem Rechtbegriff bei den Geschäftsbesorgungsgegenständen nicht.
IV. Befolgung von nicht rechtlichen Pflichten Wie oben bereits dargelegt, können sittliche, moralische, freundschaftliche Pflichten, also Pflichten, die ihren Grund in den rechtlich nicht fassbaren zwischenmenschlichen Verhältnissen haben, auch in den Rechtspflichten enthalten sein. Ist dies der Fall, so sind sie auch Rechtspflichten. Allerdings gibt es viele dieser Pflichten, die ihren Ausdruck nicht im objektiven Recht gefunden haben. Sie können folglich nicht als Rechtspflichten bezeichnet werden. Andererseits wird das objektive Recht die Wahrnehmung dieser nicht-rechtlichen Pflichten in der Regel auch nicht untersagen, sondern vielmehr, auch aus Gesichtspunkten des friedlichen Zusammenlebens der Mitglieder der Gesellschaft, die Freiheit gewähren, diesen Pflichten nachzukommen. Wenn dies aber so ist, so bestehen subjektive Rechte zur Ausführung der nicht-rechtlichen Pflichten.
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V. Pflichtenverstöße und Rechtsverstöße Es muss dennoch konstatiert werden, dass die Ausführung von Geschäften nicht nur im Rahmen des objektiven Rechts stattfindet. Die Frage, ob die Ausführung von bestimmten Geschäften erlaubt ist, ist eine von der tatsächlichen Ausführung dieser Geschäfte zu trennende Frage, denn im realen Leben werden auch rechtswidrige Geschäfte vorgenommen. Diese darf man in der theoretischen Aufarbeitung der Geschäftsbesorgungsgegenstände ebenfalls nicht auslassen. So ist es vorstellbar, dass auch solchen Interessen nachgegangen wird, die nicht vom objektiven Recht erlaubt sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn Gebotsnormen verschiedener Normgeber aufeinandertreffen. Besorgt der Geschäftsherr eine „Pflicht“, die freilich einen Rechtsverstoß in der Rechtsordnung darstellt, in der er gerade lebt, so besorgt er aus seiner Perspektive nicht weniger eine Pflicht. Die Ausführung dieser Pflichten, die die Grenzen des objektiven Rechts verlassen, stellen ein Unrecht dar, das Rechtspflichten auslöst, dieses Handeln zu unterlassen. Besteht eine Rechtspflicht, ein bestimmtes Handeln zu unterlassen, so kann es kein auf dieses Handeln zielendes subjektives Recht geben. Es ist ein subjektives Unrecht. Auch dieses subjektive Unrecht kann demnach besorgt werden.
VI. Zusammenfassung der Geschäftsbesorgungsgegenstände Fasst man die Gegenstände der Geschäftsbesorgung zusammen, so gibt es nur: (1) die Besorgung von subjektiven Rechtspflichten (2) die Wahrnehmung von subjektiven Rechten (3) und die Begehung von subjektivem Unrecht. Eine Besorgung: (1) von Interessen kann es nicht geben, weil der Interessenbegriff vielmehr den Gründen der Geschäftsbesorgung zuzuordnen ist, (2) von nicht-rechtlichen Pflichten kann es neben der Besorgung von Rechtspflichten und Rechten nicht geben. Diese Pflichten gehen in den subjektiven Rechtspflichten oder in subjektiven Rechten auf. (3) von Interessen oder nicht-rechtlichen Pflichten, die den Rahmen des objektiven Rechts verlassen, stellt ein Unrecht dar, welches Rechtspflichten auslösen kann, die Besorgung jener zu unterlassen, was seinerseits zu einem subjektiven Unrecht führt.
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Abbildung 1: Gegenstände der Geschäftsbesorgung
Die Herausarbeitung der Gegenstände der Geschäftsbesorgung wird, wie noch zu zeigen sein wird, bedeutend für die Frage sein, ob auf der Ebene des § 677 HS. 1 ein subjektives Merkmal des Geschäftsherrn zu verlangen ist. Als Ergebnis der Analyse der Legitimierungsfunktion der echten Geschäftsführung ohne Auftrag wird festgestellt, dass das nach den subjektiven Rechten geleitete schuldrechtliche System ohne den Willen des Geschäftsherrn nicht auskommen kann. Ansonsten drohen Verstöße gegen das Recht zum Besitz (§ 986), gegen das Rechtsgrundsystem bei Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.), gegen den Begriff der Rechtswidrigkeit im Deliktsrecht (§§ 823 ff.) und das damit zusammenhängende System der Rechtfertigungsgründe86.
B. Gründe der Geschäftsbesorgung I. Abgrenzung zu Gegenständen der Geschäftsbesorgung Mit der Beantwortung der Frage, was Gegenstand der Geschäftsbesorgung ist, ist bei weitem noch nicht geklärt, aus welchen Grunde Geschäfte besorgt werden. Man mag hier, jedenfalls bei den Rechtspflichten und bei den nicht-rechtlichen Pflichten, dazu neigen zu sagen, dass eine Pflicht besorgt wird, um dieser Pflicht Genüge zu tun. Doch kann die Pflicht als solche schon den Grund für den Entschluss des Geschäftsherrn darstellen das Geschäft zu besorgen? Wohl kaum. Der Geschäftsherr kann die Besorgung von Pflichten genauso gut unterlassen. Dass ihm in diesem Fall bestimmte Sanktionen drohen, erhebt die Pflicht als solche nicht zum Grund der Geschäftsbesorgung. Noch klarer wird dieses Ergebnis bei der Wahrnehmung von Rechten. Nur weil diese bestehen, heißt es noch lange nicht, dass der Geschäftsherr sie wahrnehmen wird. Er kann sie genauso gut ruhen lassen und womöglich erst zu einem viel späteren Zeitpunkt oder gar nicht wahrnehmen. 86
Dazu im Detail, Kapitel 5, G., I., 3., c), S. 143 ff.
B. Gründe der Geschäftsbesorgung
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Auch beim subjektiven Unrecht wird die Entscheidung, ob dieses besorgt wird, unmittelbar nicht von der Überlegung abhängen, dass es sich doch um Unrecht handele, welches es im Einklange mit Rechtsordnung zu unterlassen gilt.
II. Die Psychologie der Entscheidung – Interdisziplinarität Die Frage aus welchen Gründen Geschäfte besorgt werden, ist keine primär juristische Frage. Sie betrifft vielmehr die wirtschaftswissenschaftliche, bzw. noch stärker die psychologische Forschung. Es ist die Psychologie der Entscheidung etwas zu tun oder zu unterlassen. In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung in der Psychologie bzgl. dieses Themas große Fortschritte gemacht, die für diese Untersuchung fruchtbar gemacht werden können. Sie wird helfen die Entscheidungssituationen und die sie prägenden Momente und Einflüsse besser nachzuvollziehen. Sie wird zu einer besseren Differenzierung zwischen Willenstatbeständen verhelfen, die sodann auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag übertragen werden könnten. Es handelt sich insoweit um einen interdisziplinären Teil dieser Untersuchung, wobei es nicht notwendig sein wird, tief in die Materie einzusteigen. Ganz grundlegende Ergebnisse dieser Forschung werden bereits ausreichen, um fruchtbare Schlussfolgerungen für die Geschäftsführung ohne Auftrag abzuleiten.
1. Begriff der Entscheidung Unter der Entscheidung wurde grammatikalisch, aber auch sehr lange in der Wissenschaft das Ergebnis der zur Verfügung stehenden Optionen (Handlungsalternativen, bzw. Alternativen oder Varianten) verstanden87. Es handelt sich um einen Entschluss für eine Handlungsvariante, wobei eine solche auch in einem Nichthandeln bzw. einem Unterlassen bestehen kann88. Heute versteht man darunter vielmehr einen Prozess, der aus Vor- und Endentscheidungen besteht89. Es ist ein Problemlösungsprozess, wobei mit einem Problem nicht unbedingt ein negatives Werturteil verbunden sein sollte, sondern ein Anlass, eine Entscheidung zu treffen oder die Dinge beim gegenwärtigen Zustand zu belassen.
87 Pfister/Jungermann/Fischer, Die Psychologie der Entscheidung, 4. Auflage, 2017, S. 3; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, 9. Aufl., 2014, S. 12. 88 Pfister/Jungermann/Fischer, Die Psychologie der Entscheidung, 4. Auflage, 2017, S. 16; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, 9. Aufl., 2014, S. 5. 89 Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, 9. Aufl., 2014, S. 12.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
2. Problemlösungsprozess Diesen Prozess kann man in 5 Schritte einteilen90: 1. Problemformulierung 2. Präzisierung des Zielsystems 3. Erforschung der möglichen Handlungsvarianten 4. Auswahl einer Handlungsvariante 5. Realisierung der ausgewählten Handlungsvariante
a) Problemformulierung Die erste Phase betrifft die Problemformulierung91. Diese wird durch das Auftreten von bestimmten Symptomen hervorgerufen. Die Situation entwickelt sich für den Entscheidungsträger entweder völlig unbefriedigend oder nicht besonders befriedigend oder befriedigend bzw. gut, aber dennoch verbesserungsbedürftig. In vielen Fällen wird sogar die Notwendigkeit bestehen, unbedingt eine Entscheidung zu treffen (insb. in Notfällen), also unbedingt einzugreifen. Es muss demnach eine Veränderung in der Außenwelt stattgefunden haben, die zu einer Problementstehung und -formulierung führt.
b) Präzisierung des Zielsystems Nachdem das Problem wahrnehmbar geworden bzw. formuliert wurde, wird sich der Entscheidungsträger die Frage stellen, welche Ziele (goals92) er mit seiner Entscheidung erreichen möchte. Das ist nicht die Phase, in der sich bereits konkrete, für den Entscheidungsträger annehmbare Handlungsvarianten herauskristallisieren, schon gar nicht findet die endgültige, konkrete Wahl einer von diesen annehmbaren Handlungsvarianten statt. Hier ist vielmehr auf einer ganz groben, allgemeineren Ebene zu fragen, welchen Endzustand der Entscheidungsträger erreichen will. Was soll als Ergebnis, bzw. als Resultat (outcome93) der Entscheidung herauskommen? Man kann von einem Ergebnis- bzw. Resultatswillen des Entscheidungsträgers sprechen. Es ist das abstrakte Interesse des Entscheidungsträgers. Durch die Präzisierung des Zielsystems wird eine konkretere Richtung in Bezug auf die Erforschung der möglichen Handlungsvarianten eingeschlagen, jedoch noch keine Eingrenzung auf die von diesen möglichen Handlungsvarianten annehmbaren Handlungsvarianten vorgenommen 90
Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, 9. Aufl., 2014, S. 12 Tversky/Kahneman, AAAS SCIENCE 1981, 453; Majumder, Impact of urbanization on water shortage in face of climatic aberrations, 2015, S. 36: „Identifying the objective/goal of the decision making process“. 92 Schiebener/Wegmann/Pawlikowski/Brand, Journal of Cognitive Psychology 2014, 473. 93 Tversky/Kahneman, AAAS SCIENCE 1981, 453, 456; Figner/Weber, aps 2011, 211, 213; Schiebener/Brand, Neuropsychol Rev 2015, 171. 91
B. Gründe der Geschäftsbesorgung
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und schon gar nicht eine endgültige Handlungsvariante ausgewählt. Hier findet vielmehr eine grobe Eingrenzung statt. Aus der „Grand World“ aller Handlungsmöglichkeiten wird eine „Small World“ der relevanten Möglichkeiten94. Hat nach dem Auftreten der Symptome, also nach dem Eintritt einer neuen Situation der Entscheidungsträger gar kein Ziel, so ergibt sich für ihn auch kein Entscheidungsproblem. Er wird keine einzige Handlungsalternative wählen, sondern es beim gegenwärtigen Zustand belassen. Noch klarer wird es, wenn der durch das Auftreten der Symptome eingetretene Zustand dem Ziel des Entscheidungsträgers bereits entspricht. Auch hier ergibt sich für ihn kein Entscheidungsproblem. Das Formulieren eines neuen Ziels, wonach am Ende eine konkrete Handlungsvariante ausgewählt wird, ist nicht notwendig. Vielmehr würde die Auswahl einer neuen Handlungsvariante dem bereits eingetretenen Ziel und damit auch dem Resultatswillen des Entscheidungsträgers widersprechen. Beim Nichthaben von Zielen oder bei einem dem Ziel des Entscheidungsträgers bereits entsprechenden Endzustand widerspräche die Auswahl einer Handlungsvariante dem abstrakten Interesse des Entscheidungsträgers. Alle diese Handlungsvarianten werden hier aussortiert.
c) Erforschung von Handlungsvarianten Hat der Entscheidungsträger ein gewünschtes Resultat formuliert, findet als nächster Schritt eine Eingrenzung auf solche Handlungsvarianten statt (evaluation of prospects95), die zwar den gewünschten Endzustand zu erreichen vermögen, aber von allen möglichen Handlungsvarianten am attraktivsten sind (highest expected utility96). Zur Beurteilung der Attraktivität zählen ganz unterschiedliche Gesichtspunkte, die von den Umständen des Einzelfalls abhängen und die für den Entscheidungsträger von Bedeutung sind. Das sind insbesondere wirtschaftliche bzw. finanzielle, soziale, gesellschaftliche, moralische97 oder religiöse Aspekte. Dazu zählt auch der Gesichtspunkt, wie sicher eine Handlungsvariante den Endzustand erreichen kann. Liegt eine sichere Prognose vor, bleibt diese Handlungsalternative im Rennen. Ist die Prognose dagegen unsicher, wird eine solche Handlungsvariante regelmäßig ausscheiden. Dennoch kann in Einzelfällen auch eine unsichere Handlungsalternative im Rennen bleiben, insbesondere dann, wenn mit der unsicheren Handlungsalternative zwar der Eintritt des gewünschten Ergebnisses zweifelhaft ist, aber 94 95
Pfister/Jungermann/Fischer, Die Psychologie der Entscheidung, 4. Auflage, 2017, S. 20. Tversky/Kahneman, AAAS SCIENCE 1981, 453 f. 96 Tversky/Kahneman, AAAS SCIENCE 1981, 453 f.; Schiebener/Brand, Neuropsychol Rev 2015, 171, 172: „Therefore, decision makers may principally evaluate which options are more preferable with regard to expected value“; Brand/Altstötter-Gleich, elsevier, 226 ff.; Brand/Schiebener/Pertl/Delazer, Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology 2014, 914: „advantageous decision“. 97 Schiebener/Brand, Neuropsychol Rev 2015, 171.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
im Falle seines tatsächlichen Eintritts dem Ziel des Entscheidungsträgers am besten genüge getan wird98. Eine unsichere Handlungsalternative kann freilich auch dann noch im Rennen bleiben, wenn der Entscheidungsträger besonders risikobereit ist99, oder wenn die drohenden nachteiligen Konsequenzen im Falle des Nichteintritts des gewünschten Ergebnisses vom Entscheidungsträger hingenommen werden, z. B. weil sie etwa seine Gesamtsituation nicht besonders tangieren. Zusammenfassend bleiben aus der „Small World“ aller möglichen Handlungsvarianten nur die attraktivsten – eine „Attractive World“. Sie entsprechen dem konkreten Interesse des Entscheidungsträgers. Die möglichen, aber unattraktiven Handlungsvarianten tun demnach dem abstrakten, jedoch nicht dem konkreten Interesse genüge. Sie werden aussortiert. Dennoch findet hier eine deutliche Eingrenzung der Handlungsvarianten statt. Dieser mentale Prozess kann zur Folge haben, dass (1) gleich mehrere annehmbare Handlungsvarianten zur Auswahl stehen. Er kann auch zur Folge haben, dass (2) lediglich eine annehmbare Handlungsvariante attraktiv erscheint. Schließlich kann diese Phase auch zur Folge haben, dass (3) keine der zur Wahl stehenden Handlungsvarianten annehmbar ist. Im ersten Fall entsprechen alle annehmbaren Handlungsvarianten dem konkreten Interesse des Entscheidungsträgers. Sie können demnach alle ausgewählt werden. Im zweiten Fall wird nur die einzige annehmbare Handlungsvariante gewählt. Im dritten Fall hat der Entscheidungsträger demnach ein Ziel, einen Endzustand, den er erreichen möchte, ihm steht freilich keine annehmbare Handlungsvariante zur Verfügung. Er hat folglich ein abstraktes Interesse, welches alle möglichen Handlungsvarianten einschließt, jedoch keine Handlungsvariante, die auch seinem konkreten Interesse entspricht. Regelmäßig wird er in diesen Fällen keine konkrete Handlungsvariante auswählen, keine konkrete Entscheidung treffen, sondern er wird es beim gegenwärtigen Zustand belassen, was ebenfalls eine Handlungsvariante ist. Dies ist dann der Fall, wenn der bereits eingetretene Zustand zwar unbefriedigend ist, aber die Auswahl einer konkreten Handlungsvariante entweder den gegenwärtigen Zustand nicht wesentlich verbessern, oder vielleicht sogar verschlechtern würde. Das Belassen beim status quo stellt sich für ihn als ein kleineres Übel dar.
d) Auswahl einer Handlungsvariante In dieser Phase wird nun die endgültige Handlungsvariante, die dem angestrebten Ziel des Entscheidungsträgers am besten gerecht wird, ausgewählt.
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Figner/Weber, aps 2011, 211: „Selecting riskier options – because they promise higher returns – sometimes described as a tradeoff between risk and return“. 99 Figner/Weber, aps 2011, 211: „greater returns“; zu Risikoentscheidungen auch Schiebener/Brand, Neuropsychol Rev 2015, 171 ff.
B. Gründe der Geschäftsbesorgung
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e) Realisierung der ausgewählten Handlungsvariante In der letzten Phase wird die ausgewählte Handlungsvariante in die Tat umgesetzt bzw. vollzogen. Auch hier kann es zu weiteren Entscheidungsprozessen bzgl. der Details kommen, denn es können nicht alle Eventualitäten im Vorhinein vorausgesehen werden.
III. Abstraktes und konkretes Interesse als Gründe der Geschäftsbesorgung 1. Abstraktes Interesse; Ergebnis- bzw. Resultatswille Übertragen auf die Thematik der Geschäftsführung ohne Auftrag wird der Geschäftsherr zunächst seine Ziele formulieren, also einen imaginierten Endzustand (outcome) entwerfen, den es durch die Geschäftsbesorgung zu erreichen gilt. Insofern sind die Zwecke und Ziele des jeweiligen Geschäftsherrn die Gründe der Geschäftsbesorgung. Zwecke und Ziele, die der Geschäftsherr zu erreichen versucht, sind freilich nichts anderes als sein abstrakt formuliertes Interesse. An dieser Stelle findet noch keine Eingrenzung auf die attraktiven Handlungsvarianten und schon gar nicht die Auswahl einer bestimmten Handlungsvariante statt. Hier findet vielmehr eine grobe Eingrenzung auf solche Handlungsvarianten, die den Endzustand zu erreichen vermögen (mögliche Handlungsvarianten). Es ist der Schritt 2 des oben beschriebenen Problemlösungsprozesses. Hat der Geschäftsherr gar kein abstraktes Interesse, wird es nicht zur Geschäftsbesorgung kommen. Hat der Geschäftsherr dagegen sein abstraktes Interesse formuliert, so werden bereits auf dieser groben Ebene solche Handlungsvarianten aussortiert, die dieses nicht zu erreichen vermögen oder die diesem gar entgegenstehen. Nun wurde bereits herausgestellt, dass zwischen dem Begriff des Interesses und dem Begriff des Willens keine ernstzunehmenden inhaltlichen Unterschiede bestehen. Beide sind Momente in der Psyche des Geschäftsherrn. Unter dem Interesse versteht man die individuellen Zwecke und Ziele einer Person (s. o.). Unter dem Willen versteht man ein Streben, das mit der Vorstellung eines Zweckes oder eines Zieles assoziiert wird100. Dieser Wille ist nichts anderes als der oben beschriebene Ergebnis- bzw. Resultatswille. Man kann sagen, dass das Interesse als das Ziel und der Wille als das Streben zu diesem Ziel kumulativ den Grund für die Geschäftsbesorgung darstellen.
100 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 108 unter Bezugnahme auf Jodl, Lehrbuch der Psychologie, 3. Aufl., 1908 Band II, S. 58.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
2. Konkretes Interesse Zwischen dem Streben nach und der Erreichung der Zwecke und Ziele fehlt jedoch noch der Weg dahin101. Zutreffend schrieb Kelsen, dass dieser Weg sich dann öffnet, wenn zu dem Streben die Vorstellung eines Mittels hinzutritt. Das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn nimmt durch die Vorstellung der einzusetzenden Mittel konkretere Züge an. Der Geschäftsherr als Entscheidungsträger evaluiert alle aus seiner Sicht möglichen Handlungsvarianten, sortiert solche aus, die zwar sein Ziel zu erreichen vermögen, aber gegenüber anderen weniger attraktiv sind. Es ist der Schritt 3 des oben beschriebenen Problemlösungsprozesses. Man kann insofern vom konkreten Interesse sprechen. Stehen gleich mehrere gleich attraktive Handlungsvarianten zur Verfügung, entsprechen sie alle dem konkreten Interesse. Sie können daher alle jeweils gewählt werden. Steht nur eine zur Verfügung, dann vermag eben nur diese eine Handlungsvariante dem konkreten Interesse zu entsprechen. Steht aus der Sicht des Geschäftsherrn dagegen keine attraktive Handlungsvariante zur Verfügung und erscheint das Nichthandeln bzw. Unterlassen als eine bessere Alternative, so wird die Geschäftsbesorgung ruhen. Das Unterlassen erscheint hier als das kleinere Übel. Gegenständlich-juristisch betrachtet sind diese Mittel bzw. Handlungsvarianten nichts anderes als die Erfüllung von Pflichten, die Wahrnehmung von subjektiven Rechten und auch die Besorgung des subjektiven Unrechts. Der Einsatz des Mittels soll nach der Vorstellung des Geschäftsherrn zum Erfolg, also zur Erreichung des Endzustandes führen.
IV. Das Verhältnis des abstrakten und konkreten Interesses 1. Abstrakt- bzw. konkret- interessengemäße bzw. -interessenwidrige Geschäfte Nun wird auch deutlich, wie sich die beiden Interessen zueinander verhalten. Das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn bildet lediglich den Rahmen für alle konkreten Mittel, die dieses zu erreichen vermögen, wenn man sie einsetze. Welche Mittel genau und auf welche Art und Weise eingesetzt werden, betrifft das konkrete Interesse. Die Anzahl der einzusetzenden Mittel wird somit durch das konkrete Interesse deutlich reduziert. Die Frage, wie weitreichend ihre Anzahl reduziert wird, wird davon abhängig sein, wie detailliert das abstrakte Interesse formuliert ist. Ist dieses besonders detailliert, so kann es auch nur durch ein sehr begrenztes Kontingent an Mitteln erreicht werden. Ist es dagegen nicht detailliert, so mag es auch durch ein größeres Kontingent an Mitteln erreicht werden. Theoretisch vorstellbar ist, dass das abstrakte und konkrete Interesse 101
Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 109.
B. Gründe der Geschäftsbesorgung
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in ihrem Umfang deckungsgleich sind, weil dem Geschäftsherrn völlig gleichgültig ist, wann, wo, durch wen und wie sein abstraktes Interesse erreicht wird. Andererseits sind sie auch dann deckungsgleich, wenn das abstrakte Interesse so formuliert ist, dass für seine Erreichung nur eine Art der Geschäftsführung in Betracht kommt. Außerhalb des abstrakten Interesses liegende Geschäfte, also solche Geschäfte, die nach der Vorstellung des Geschäftsherrn nicht nur nicht in der Lage wären das abstrakte Interesse zu fördern, sondern auch solche Geschäfte, die dieses Interesse gar nicht betreffen und solche, die zu diesem Interesse in einem gegensätzlichen Verhältnis stehen, sind interessenwidrig. Man kann sie als abstrakt-interessenwidrige Geschäfte bezeichnen. Da sie das abstrakte Interesse nicht fördern können, können sie erst recht nicht dem konkreten Interesse entsprechen. Sie sind damit gesamt-interessenwidrig. Auch die Geschäfte, die nach der Vorstellung des Geschäftsherrn geeignet wären, das abstrakte Interesse zu erreichen, jedoch im Widerspruch zum konkreten Interesse stehen, sind interessenwidrig. Man kann sie als konkret-interessenwidrige Geschäfte bezeichnen. Nur die konkret-interessengerechten Geschäfte, die, weil sie vom abstrakten Interesse abhängen, auch zugleich abstrakt-interessengerecht sind, wird der Geschäftsherr besorgen. Sie sind damit gesamt-interessengerecht. Zur Verdeutlichung folgende Graphik: gesamt-interessenwidrige Geschäfte
abstrakes Interesse konkretes Interesse
konkretinteressenwidrige Geschäfte
gesamtinteressengerechte Geschäfte
Abbildung 2: Gründe der Geschäftsbesorgung
2. Hülfsbedüftigkeit nach Kohler Und schließlich lässt sich bei der Unterscheidung zwischen dem abstrakten und dem konkreten Interesse auch an Kohlers Schrift „Die Menschenhülfe im Privatrecht“ und an die Ausführungen im Kapitel 4, A., III., 3. anknüpfen. Der Geschäftsführer muss sich bei der Ausführung von Geschäften zunächst fragen, ob der Geschäftsherr überhaupt „hilfsbedürftig“ ist. Im Falle seiner Hilfsbedürftigkeit, also in dem Falle, in dem Geschäftsherr ein Interesse an der Beseitigung seines Zustandes der Hilfsbedürftigkeit hat, muss er sich fragen, welche Mittel und auf welche Art und Weise diese Mittel eingesetzt werden sollen.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Mit Hilfsbedürftigkeit, übertragen auf die hier angewandte Terminologie, dürfte nichts anderes als das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn, und mit den konkreten Mittel und der Art und Weise ihres Einsatzes dürfte nichts anderes als das konkrete Interesse gemeint sein. Was bei Kohler zu vermissen ist, ist die detailliertere Ausdifferenzierung des konkreten Interesses. Dabei ist die Hilfsbedürftigkeit nicht objektiv, sondern nach den Intentionen des Geschäftsherrn zu ermitteln: „daß es sich um ein Gut handelt, welches derselbe [der Geschäftsherr] nicht der Hülfslosigkeit preisgeben wollte oder nicht preisgeben konnte. Wo diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, da ist das Einschreiten eines Dritten nicht nur ein ungerufenes, sondern auch ein unberufenes [Verweis auf Ruhstraht]“102.
Mit der Hilfslosigkeit ist damit das Interesse des Geschäftsherrn gemeint, etwa ein Gut erhalten zu wollen. Damit ist nicht bereits die Frage beantwortet, ob bestimmte zum Erfolg führende Mittel, und falls ja, welche und wie sie eingesetzt werden. Die letzten beiden Fragen betreffen das konkrete Interesse. Mit dem konkreten Interesse ist freilich nicht nur das „Wie“ der Hilfsmittel, sondern auch das „Ob“ der bestimmten Hilfsmittel gemeint. Ob dieser Einsatz am Ende vom Erfolg gekrönt sein wird, ist für die Frage des Entschlusses zur Geschäftsbesorgung, also für die maßgebliche ex-ante-Betrachtung, gleichgültig103.
3. Abstraktes und konkretes Interesse nach Bergmann Auch bei Bergmann ist die Unterscheidung zwischen dem abstrakten und konkreten Interesse zu erkennen. Nach seinem Subordinationsmodell hängt die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag davon ab, ob die Übernahme der Geschäftsführung durch den Geschäftsführer dem präsumtiven Willen des Geschäftsherrn entspricht, ob also eine nützliche Geschäftsführung vorliegt104. Sodann differenziert Bergmann danach, ob sich das Tun des Geschäftsführers seinem sozialen Sinn nach als fremdnützige Interessenwahrung darstellt, ob die Geschäftsführung also „dem abstrakten Interesse des Geschäftsführers überhaupt105 zugutekommt“106. Dagegen habe die Frage, ob die Geschäftsführung auch dem konkreten Interesse entsprach, nur Bedeutung für die Frage, ob dem Geschäftsführer ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 oder ein auf die Bereicherung beschränkter Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 684 S. 1, 818 ff. 102
Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 48. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 109. Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 57; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 35. 105 Diese Hervorhebung stammt vom Verfasser. 106 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 57; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 35. 103 104
C. Zusammenfassung der Erkenntnisse
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zustehe107. Bergmann erklärt sogleich, dass darin kein Widerspruch liegt, denn „ein Handeln kann sich sehr wohl als Interessenwahrnehmung darstellen, obwohl die Geschäftsführung nicht dem Willen und ‚Interesse‘ des Geschäftsherrn entspricht“108. Korrigierend sollte man sagen, dass die konkrete „Geschäftsführung nicht dem Willen und Interesse des Geschäftsherrn entspricht“, also die konkrete vom Geschäftsführer gewählte Geschäftsbesorgungsvariante.
4. Notwendigkeit der Differenzierung für die Geschäftsführung ohne Auftrag Die Differenzierung zwischen dem abstrakten und konkreten Interesse ist notwendig. Sie lehnt sich, wie gezeigt, an die psychologisch-wirtschaftlichen Erkenntnisse bzgl. der Entscheidungsfindung an, fügt sich, wie noch zu zeigen sein wird, problemlos in das gesetzliche Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ein und erlaubt eine scharfe Differenzierung zwischen interessengemäßen und interessenwidrigen Geschäftsbesorgungen und die davon abhängige Ausgestaltung ihrer Rechtsfolgen. Anders als bei Bergmann gilt es dabei zum einen, den abstrakten Geschäftsherrnwillen nicht in das Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens zu implementieren, sondern zu einer eigenständigen Tatbestandsvoraussetzung auf der Ebene der Obligationsbegründung zu erheben. Dieser abstrakte Geschäftsherrnwille wird diejenigen Fälle von der echten Geschäftsführung ohne Auftrag fernhalten, die in keiner Weise interessengemäß sein können. Andererseits kann dieser Wille auch nicht den sozialnormativen Wertungen unterworfen sein. Dies widerspricht dem Gesetzgeberwillen109 und verwässert die erforderliche, vom wirklichen bzw. empirischen Willen bzw. Interesse des Geschäftsherrn abhängige Subordinationsstruktur der echten Geschäftsführung ohne Auftrag.
C. Zusammenfassung der Erkenntnisse Fasst man nun die gewonnenen Erkenntnisse zusammen, so ergibt sich folgendes Bild. Bevor der Geschäftsherr zur konkreten Umsetzung eines Geschäfts übergeht, wird er zunächst einen Endzustand, also seine Zwecke und Ziele, formulieren, die er durch die Geschäftsführung zu erreichen vermag. Diesem Interesse wird der Wille hinzutreten den Endzustand zu erreichen – Streben nach der Zweckerreichung. Dies ist der Ergebnis- bzw. Resultatswille. Das Interesse 107 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 57; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 35. 108 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 57; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 35. 109 Dazu Kapitel 4, D., III., 3., b), S. 85.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
und der Wille ergeben kumulativ das abstrakte Interesse. Sein abstraktes Interesse ist der Grund für die Geschäftsbesorgung. Mit der Formulierung des abstrakten Interesses ist aber noch nichts über die konkrete Ausgestaltung der Ausführung ausgesagt. Das konkrete Interesse beschreibt die Mittel bzw. die Handlungsvarianten, die dem Streben zur Erreichung des Zwecks verhelfen. Ob diese Mittel überhaupt, wann, wo, durch wen und auf welche Art und Weise eingesetzt werden, betreffen die Willensstadien im Bereich des konkreten Interesses. Zur besseren Ausdifferenzierung gilt es dort zwischen dem „Ob“ der Geschäftsführung und dem „Wie“ der Geschäftsführung zu unterscheiden, wobei zwischen beiden Komplexen oft Schnittmengen auftreten können. Bei den Mitteln handelt es sich um Gegenstände der Geschäftsbesorgung. Gegenstände der Geschäftsbesorgung können nur sein: (1) die Erfüllung von subjektiven Rechtspflichten, (2) die Wahrnehmung von subjektiven Rechten und (3) die Begehung vom subjektiven Unrecht. Mit dieser Analyse ist noch nicht untersucht, ob etwa die Begehung von subjektivem Unrecht auch Gegenstand der Geschäftsführung ohne Auftrag sein darf, sondern lediglich, ob sie real stattfindet. Die Erfüllung von nicht-rechtlichen Pflichten gibt es als eigenständige Kategorie nicht, da sie entweder im Begriff der subjektiven Rechtspflichten aufgehen, oder wenn dies nicht der Fall ist, von subjektiven Rechten oder vom subjektiven Unrecht aufgefangen werden.
D. Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag Nachdem untersucht wurde, unter welchen Umständen es zur Geschäftsführung durch den Geschäftsherrn selbst kommt, gilt es nun zu analysieren, ob die gewonnenen Erkenntnisse im gesetzlichen Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff.), so wie dieses von der überwiegenden Auffassung verstanden wird, ihren Niederschlag finden. Finden die maßgeblichen Momente des Geschäftsbesorgungsprozesses keinen oder nur partiellen Niederschlag, werden sich die Fragen nach der Korrekturnotwendigkeit, der Korrekturmöglichkeit und der Korrekturausgestaltung stellen.
I. Gegenstände der Geschäftsbesorgung Was Gegenstände der Geschäftsbesorgung angeht, so hat man sich in der Rechtsprechung, der Literatur, aber auch in den Gesetzgebungsmaterialien damit begnügt, die Rechtsnatur der Geschäfte zu beschreiben. Geschäfte können eben Realakte, geschäftsähnliche Handlungen oder Rechtsgeschäfte sein110. Zusam110
Kapitel 2, A., I., 1., S. 3 f.
D. Übertragung der Erkenntnisse auf das Institut der Geschäftsführung
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menfassend können Geschäfte demnach alles sein. Was Geschäfte nicht sein können, sind Verhaltensweisen in Form vom Unterlassen111. Darin besteht die Besonderheit der §§ 677 ff. Die Analyse zu den Gegenständen der Geschäftsbesorgung bringt dennoch wichtige Erkenntnisse mit sich. Geschäftsbesorgungsgegenstände können subjektive Rechtspflichten, subjektive Rechte sowie subjektives Unrecht sein. Das subjektive Unrecht muss selbstverständlich aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. verbannt werden. Die Besorgung solcher Geschäfte kann unsere Rechtsordnung nicht tolerieren. Das Mittel für ihren Ausschluss ist die, im Rahmen dieser Untersuchung noch zu erörternde, analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139. Mit der Führung fremder Geschäfte greift der Geschäftsführer in den Rechts- und Pflichtenkreis des Geschäftsherrn, also in jene Gewährungen und Verpflichtungen ein, deren Inanspruchnahme bzw. Besorgung vom Willen des Geschäftsherrn abhängt. Der Wille ist der konstituierende Kern der Geschäftsbesorgungsgegenstände. Der Geschäftsführer greift demnach in die Willensfreiheit des Geschäftsherrn ein. Dieser Eingriff bedarf einer rechtlichen Rechtfertigung. Grundsätzlich ist ein Eingriff in subjektive Rechte durch einen anderen verboten. Ausnahmsweise ist ein solcher ungefragter Eingriff indes dann erlaubt, wenn Rechte Dritter dies erforderlich machen oder das Gesetz ihn zulässt. Insoweit kann für einen rechtmäßigen Eingriff paradigmatisch die Struktur des § 903 S. 1 herangezogen werden, die sich für diese Untersuchung noch als besonders wertvoll erweisen wird. Danach darf der Eigentümer mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren (Nutzungsfunktion) oder jeden von der Einwirkung ausschließen (Ausschlussfunktion), es sei denn, der Wahrnehmung des Eigentumsrechts stehen Rechte Dritter oder das Gesetz entgegen. Demnach gilt grundsätzlich die Willensfreiheit des Geschäftsherrn. Er kann seine subjektiven Rechte nach Belieben nutzen und jeden von einem Eingriff ausschließen. Andererseits muss er Einschränkungen seines Rechts hinnehmen, wenn Rechte Dritter oder das Gesetz entgegenstehen. Diese Abwägung zwischen der grundsätzlichen Willensfreiheit des Geschäftsherrn und den Rechten anderer bzw. dem Gesetz muss notwendigerweise im Rahmen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag stattfinden, um unzulässige und damit unangemessene Einmischungen in fremde Angelegenheiten zu verhindern. Dabei stellt die echte Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. selbst kein Recht des Geschäftsführers, also kein Recht eines Dritten dar und kann unter der Zugrundelegung des heutigen Verständnisses auch nicht das Merkmal des „Gesetzes“ erfüllen. Nach der überwiegenden Auffassung wird die Obligation nach § 677 HS. 1 nämlich dann ausgelöst, wenn der Geschäftsführer ein fremdes Geschäft führt und einen dahingehenden Fremdgeschäftsführungswillen äußert. Der Begriff des fremden 111
Kapitel 2, A., I., 2., S. 6.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Geschäfts ist im Grunde grenzenlos. An den Fremdgeschäftsführungswillen werden keine hohen Voraussetzungen gestellt, zumal dieser bei objektiv fremden und auch-fremden Geschäften ohnehin vermutet wird. Nach dem heutigen Verständnis der §§ 677 ff. wären demnach die meisten Eingriffe zulässig, was zu einer gefährlichen Aushöhlung der subjektiven Rechte des Geschäftsherrn führen würde. Resümierend drängt die Analyse zu den Geschäftsbesorgungsgegenständen daraufhin, den Willen des Geschäftsherrn im Rahmen der obligationsbegründenden Norm grundsätzlich zu berücksichtigen und ausnahmsweise unberücksichtigt zu lassen. Diese Abwägung wird durch die gleich noch vorzuschlagende Wechselwirkung zwischen § 677 HS. 1 und § 679 gelöst. Fest steht jedoch, dass ein Eingriff in Rechte des Geschäftsherrn ohne der Berücksichtigung seines Willens auf der Ebene der obligationsbegründenden Norm kaum gerechtfertigt werden kann.
II. Gründe der Geschäftsbesorgung Auch die Analyse der Geschäftsbesorgungsgründe bringt viele Erkenntnisse. Sie zeigt den Prozess der Entscheidungsfindung und ermöglicht eine Differenzierung zwischen interessenwidrigen und interessengemäßen Geschäften. Insbesondere bringt sie die Unterscheidung zwischen dem abstrakten und dem konkreten Interesse ans Tageslicht. Inwieweit diese Unterscheidung im Recht der §§ 677 ff. berücksichtigt ist, gilt es nun aufzuzeigen.
1. Die Ausgestaltung des konkreten Interesses in § 683 S. 1 und § 677 HS. 2 Das konkrete Interesse findet seinen Niederschlag in § 683 S. 1, in dem es um die Übernahme der Geschäftsführung, und in § 677 HS. 2, in dem es um die Durchführung des Geschäfts geht.
a) Übernahme der Geschäftsführung (§ 683 S. 1) Gem. § 683 S. 1 muss die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse oder dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen. Inhaltlich erfasst die Übernahme den konkreten Beginn der Geschäftsführung112. Die Übernahme kennzeichnet also den konkreten Gegenstand der Geschäftsführung113. Das Eingreifen des Geschäftsführers muss „an sich“ dem Willen des Geschäftsherrn entsprechen114. Damit werden Fragen impliziert:
112 113
Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 57, S. 443. Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 20. 114 Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 481.
D. Übertragung der Erkenntnisse auf das Institut der Geschäftsführung
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yy Welche Handlungsvariante bzw. welches Mittel ist zu wählen? yy Wann und wo soll das Geschäft ausgeführt werden? und, yy Durch wen ist dieses zu besorgen? Grundsätzlich muss der Geschäftsführer in allen Aspekten, die die Übernahme der Geschäftsführung betreffen, dem Übernahmewillen des Geschäftsherrn entsprechen. Dies folgt aus der Konzeption des § 683 S. 1 und dem dort verankerten streng subjektiven Prinzip. Erst wenn der wirkliche Wille des Geschäftsherrn nicht feststellbar ist, ist auf den mutmaßlichen Willen, der eine Objektivierung erhält, und das Interesse des Geschäftsherrn, welches ganz objektiv ausgestaltet ist, abzustellen. Es besteht zwischen dem wirklichen Willen auf der einen Seite und dem mutmaßlichen Willen in Kombination des Interesses auf der anderen Seite ein Subsidiaritätsverhältnis115. Die Konzeption in § 683 S. 1 führt wegen der Forderung nach einer Entsprechung mit dem Willen des Geschäftsherrn und mit der primären Akzentuierung auf seinen wirklichen Willen zu einer starken Übereinstimmung mit der Geschäftsbesorgungssituation durch den Geschäftsherrn selbst. Im Vergleich zur ihr tritt hier freilich eine Komponente hinzu, die ebenfalls eine Entsprechung mit dem Übernahmewillen des Geschäftsherrn erfordert. Dies ist die Frage, ob nach dem Willen des Geschäftsherrn überhaupt ein anderer sich um seine Angelegenheiten kümmern soll116. Diese Frage kann logischerweise nicht im Rahmen der Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsherrn selbst gestellt werden. Insofern wird der Wille bzgl. des „Ob“ der Geschäftsführung bei § 683 S. 1 um einen Aspekt erweitert. Ein anderer Aspekt findet dagegen nach allgemeiner Auffassung keine Verankerung im Übernahmewillen. Dies betrifft die konkrete Person des Geschäftsführers. Ist der Geschäftsherr im maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung – Zeitpunkt der ersten Ausführungshandlung117 – mit der konkreten Person des Geschäftsführers nicht einverstanden, ist dies für den Aufwendungsersatzanspruch unschädlich118. Diese Abweichung macht indes keine Korrektur notwendig. Der Geschäftsherr könnte die Aufwendungsersatzhaftung gegenüber dem Geschäftsführer ansonsten zu leicht abwenden und damit das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag in höchstem Maße missbrauchen. Er könnte sich immer auf den fehlenden Geschäftsherrnwillen berufen und das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag ad absurdum führen. Es 115 116
Siehe Kapitel 2, A., II., 1., a), S. 8 ff. Gursky, AcP 185, 1985, 13, 44. 117 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 57, S. 443; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 613; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 21; Beu thien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 25. 118 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, S. 929, 975; Lent, Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1938, S. 20 f.; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 20.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
ist der Geschäftsführung ohne Auftrag immanent, dass es eine andere Person ist, die das Geschäft des Geschäftsherrn ausführt und die der Geschäftsherr in der Regel auch nicht kennt.
b) Durchführung des Geschäfts (§ 677 HS. 1) Auch die konkrete Durchführung des Geschäfts – das „Wie“ der Geschäftsführung – ist im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag enthalten. Gem. § 677 HS. 2 hat der Geschäftsführer das Geschäft „so zu führen“, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert. Im Vergleich zur Übernahme der Geschäftsführung ist hier jedoch eine bedeutende Abweichung von der Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsherrn selbst festzustellen. Bei § 677 HS. 2 wird nach der allgemeinen Auffassung eine objektive Betrachtung zugrunde gelegt119. Ist das Geschäft objektiv interessengerecht ausgeführt worden, ist es im Übrigen unbeachtlich, dass diese Art und Weise der Ausführung nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprach. Das System von § 683 S. 1 wird in § 677 HS. 2 umgekehrt. Doch auch hier bedarf es keiner Korrektur. Die Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts enthält, abhängig von der Komplexität der Geschäftsführung, eine kaum messbare Anzahl von Aspekten, aufgrund derer der Geschäftsherr, führte er das Geschäft selbst aus, die Ausführung anders als der Geschäftsführer gestalten würde. Berücksichtigte man im Rahmen von § 677 HS. 2 seinen Willen genauso weitreichend wie im Rahmen von § 683 S. 1, gäbe es kaum Geschäftsführungen mehr, die in Bezug auf ihre Art und Weise dem Willen des Geschäftsherrn genüge täten. Schon Kohler machte in seiner Schrift deutlich, dass es zwar erforderlich ist „das Geschäft in einer zweckentsprechenden Weise“ zu führen und zwar so „daß nicht die Interessensphäre des Dominus berührt wird, sondern daß dieselbe auch in einer entsprechenden, angemessenen Weise berührt wird: daß sie berührt wird zur Erreichung gewisser Zwecke, daß sie berührt wird durch Anwendung geeigneter Hülfsmittel“120. Freilich erkannte er, dass diese Hilfsmittel „die Mittel des Gestor“ sind121, die sich naturgemäß nach den Umständen des Gestors, nach seinen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen richten122. Eine negotiorum gestio ist folglich auch dann gegeben, wenn der Gestor sein Bestes getan hat, um der „Geistesrichtung des Dominus“ zu entsprechen, diesem aber nicht in allen Einzelheiten entsprochen hat123, denn „ge119
Siehe Kapitel 2, B., I., 2., S. 13. Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 62. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 121 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 62. 122 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 62, 63. 123 Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 65. 120
D. Übertragung der Erkenntnisse auf das Institut der Geschäftsführung
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wisse Eventualitäten“ müssen im Ermessenspielraum des Gestors bleiben124, da beim besten Willen regelmäßig nicht die gleichen Resultate erzielt werden können, wenn der Gestor in die besonderen, individuellen Techniken des Dominus nicht eingeweiht ist125. Insofern empfiehlt es sich hier zusammen mit der h. M. objektiv zu verfahren. Zwar kann die Art und Weise der Geschäftsführung sich besonders kostenintensiv auswirken. Freilich ist der Geschäftsherr in solchen Fällen hinreichend durch § 670 geschützt. Dieser umfasst nur solche Aufwendungen, die ex-ante betrachtet auch erforderlich waren.
2. Das Fehlen des abstrakten Interesses im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag Anders als das konkrete Interesse, welches im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag seinen Niederschlag findet, mögen manche Aspekte hinzukommen, anders beurteilt werden oder ersatzlos entfallen, ohne dass jedoch eine Korrektur notwendig erscheint, findet das abstrakte Interesse keine Berücksichtigung. Im § 677 HS. 1, in dem dieses Interesse zu vermuten wäre, ist nach der h. M. kein echtes Interessen- bzw. Willenselement des Geschäftsherrn enthalten. Der Geschäftsführer muss sich lediglich im Interessen- und Rechtsbereich des Geschäftsherrn bewegen. So wird das von der h. M. geforderte fremde Geschäft definiert126. Visualisiert man dieses Verständnis mittels bereits verwendeter Graphik bzgl. der Gründe der Geschäftsbesorgung, ergibt sich nach der h. M. Folgendes: Interessen- und Rechtskreis konkretes Interesse
Abbildung 3: Gründe der Geschäftsbesorgung nach der h. M.
Mit dem Interessen- und Rechtskreis ist nach der h. M. kein abstraktes Interesse gemeint, sondern vielmehr der Bereich, in dem ein solches Interesse entstehen kann. Damit wird die Obligation der Geschäftsführung ohne Auftrag nach der h. M. im ganzen Interessen- und Rechtsbereich ausgelöst, also in dem Bereich, in dem die bloße Möglichkeit für die Entstehung eines abstrakten Interesses be124 125
Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 65. Kohler, JherJb 25, 1887, 1, 65. 126 Siehe Kapitel 2, A., I., 1., S. 3.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
steht. Folglich fließen auch abstrakt-interessenwidrige Geschäftsführungen in die §§ 677 ff. ein. Dies führt dazu, dass der Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag weit ist, so weit, dass er theoretisch alle Interessen, damit auch alle Geschäfte des Geschäftsherrn umfassen kann. Dabei wurde im Rahmen der Geschäftsbesorgungssituation durch den Geschäftsherrn selbst herausgearbeitet, dass der Geschäftsherr Geschäfte, die außerhalb seines abstrakten Interesses liegen, jedenfalls nicht besorgen wird. Wenn sie bereits nicht Gegenstand des abstrakten Interesses sein können, kann sich bei ihnen nicht die Frage nach der konkreten Ausführung stellen. Erst wenn der Geschäftsherr sein abstraktes Interesse gekennzeichnet und damit ein Kontingent an Geschäften, die dieses zu erreichen vermögen, umrissen hat, wird er sich die Frage stellen, welche Handlungsvariante er aus dem Spektrum des abstrakten Interesses auch zur konkreten Ausführung gelangen lassen möchte. In diesem Spektrum gibt es sowohl konkret-interessengerechte als auch konkret-interessenwidrige Geschäfte. Hier geht es also um das konkrete Interesse, welches die Frage der Übernahme der Geschäftsführung, damit die des Aufwendungsersatzanspruches (§ 683 S. 1, 684), und die der Durchführung, damit die des Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 677 HS. 2, betrifft.
III. Korrekturnotwendigkeit, -möglichkeit, -ausgestaltung 1. Korrekturnotwendigkeit Aufgrund des Fehlens des abstrakten Interesses im gesetzlichen Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag stellt sich die Frage nach einer Korrekturnotwendigkeit. Die Korrektur ist notwendig. Der Geschäftsherr würde keine Ausführung von Geschäften erwägen, die nicht mal seinen grob formulierten Zwecken oder Zielen dienen, an diesen vorbeigehen oder ihnen gar zuwiderlaufen. In diesen Fällen stellt die Ausführung von Geschäften durch den Geschäftsführer eine unangemessene Einmischung in die Angelegenheiten des Geschäftsherrn dar, die es nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers im Rahmen der §§ 677 ff. zu verhindern gilt. Ausnahmsweise wird dieses System durchbrochen, wenn ein öffentliches Interesse an der Geschäftsbesorgung besteht. Hier wird das entgegenstehende abstrakte Interesse des Geschäftsherrn ausnahmsweise außer Acht gelassen und zugleich die nach § 903 S. 1 paradigmatisch vorgegebene Abwägung abgebildet. Darauf wird jedoch sogleich noch einzugehen sein.
2. Korrekturmöglichkeit Als Korrekturmöglichkeit ergibt sich nur ein Weg. Das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn umfasst das Spektrum von Geschäften, die der Geschäftsherr zur Erreichung seiner Zwecke wählen wird. Es handelt sich also um solche
E. Inhaltliche Ausgestaltung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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Geschäfte, die geeignet sind, in die konkrete Ausführung überzutreten. Somit kennzeichnet das abstrakte Interesse den Bereich, in dem die reale Geschäftsbesorgung interessengerecht stattfinden kann. Im Rahmen der §§ 677 ff. kennzeichnet diesen Bereich die Vorschrift, die für die Eröffnung des Anwendungsbereiches zuständig ist: § 677 HS. 1 und das in dieser Vorschrift enthaltene Merkmal „für einen anderen“. Ob dieses Merkmal eine Einfügung des abstrakten Interesses des Geschäftsherrn zulässt, wird gleich noch zu klären sein.
3. Korrekturausgestaltung Bzgl. des abstrakten Interesses wurde bereits ausgeführt, dass dieses Merkmal zwei Elemente enthält. Zum einen enthält es die Zwecke und Ziele des Geschäftsherrn, also ein dahingehendes Interesse. Und zum anderen enthält es das Streben diese Zwecke und Ziele zu erreichen, also einen dahingehenden Willen. Man kann insofern von einem abstrakten Interesse, oder übertragen auf die §§ 677 ff., von einem abstrakten Geschäftswillen des Geschäftsherrn sprechen. Im Gegensatz dazu kennzeichnet der konkrete Geschäftswille des Geschäftsherrn den Übernahmewillen i. S. v. § 683 S. 1 bzw. i. S. v. § 678 und den Willen bzgl. der Art und Weise der Ausführung i. S. v. § 677 HS. 2.
E. Inhaltliche Ausgestaltung der zweigliedrigen subjektiven Theorie Aus den vorangegangenen Analysen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen ergibt sich folgendes dogmatisches Konstrukt, welches dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde liegen muss. Zuerst wird die zweigliedrige subjektive Theorie vorgestellt und sodann anhand der geltenden Auslegungsmethoden überprüft, sowie der potentiell entstehenden Kritik unterzogen werden. Am Ende werden die Punkte herausgearbeitet, die diese Theorie gegenüber den bestehenden Lösungsversuchen überlegen macht und sie wird sodann auf die Fallgruppen der Geschäftsführung ohne Auftrag angewandt. Auf diesem Wege wird illustriert, welche praktischen Konsequenzen sich aus diesem Konzept ergeben.
I. Der Grundtatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 HS. 1) 1. Geschäftsbesorgung Erforderlich für die Anwendung der §§ 677 ff. ist zunächst die Besorgung eines Geschäfts. Gegenstände der Geschäftsbesorgung sind: yy die Besorgung von subjektiven Rechtspflichten yy die Besorgung von subjektiven Rechten oder yy die Besorgung subjektiven Unrechts.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Das Merkmal der Geschäftsbesorgung berührt nicht die Frage, ob ein Geschäft besorgt werden darf – also nicht das rechtliche Dürfen, sondern nur, ob ein Geschäft real besorgt wird – also das rechtliche Können. Insofern unterfällt dem Merkmal der Geschäftsbesorgung auch die Besorgung subjektiven Unrechts. Das subjektive Unrecht wird aufgrund der noch zu erörternden analogen Anwendung der §§ 134, 138, 139 dennoch ausscheiden. Die Geschäfte können in Bezug auf ihre Rechtsnatur sowohl Realakte, geschäftsähnliche Handlungen, als auch Rechtsgeschäfte sein. Die Geschäftsbesorgung kann nur ein aktives Tun und nicht ein Unterlassen sein.
2. Zwei Willenstatbestände: der abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn und der Geschäftsführungswille des Geschäftsführers Das Merkmal „für einen anderen“ erfordert: yy auf der Seite des Geschäftsherrn einen abstrakten Geschäftswillen bzw. Resultatswillen yy und auf der Seite des Geschäftsführers einen Geschäftsführungswillen für einen anderen. Dieses Merkmal ist demnach durch eine Zweigliedrigkeit von subjektiven Komponenten gekennzeichnet, die nicht auf einander bezogen sind und die inhaltlich zwar Schnittmengen bilden, jedoch nicht vollkommen korrespondieren. Aus diesem Grunde trägt die Theorie den Namen die zweigliedrige subjektive Theorie. Der abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn erfordert inhaltlich die Setzung von übergeordneten Zielen des Geschäftsherrn – einen zu erreichenden Endzustand. Die Fragen, welche Handlungsvariante zu wählen und auf welche Art und Weise das Geschäft auszuführen ist, sind Gegenstand des konkreten Interesses, also des Übernahmewillens auf der Ebene des § 683 S. 1 und des Durchführungswillens auf der Ebene des § 677 HS. 2. Auf der Seite des Geschäftsführers ist der Geschäftsführungswille für den Geschäftsherrn zu fordern. Die Bezeichnung Fremdgeschäftsführungswille ist unzutreffend, soweit sie das Erfordernis mitbeinhaltet ein „fremdes“ Geschäft auszuführen. Erforderlich ist vielmehr der Wille des Geschäftsführers mit der Geschäftsbesorgung dem abstrakten Interesse des Geschäftsherrn zu entsprechen. Aus Gründen der Vereinfachung wird an dem Begriff des Fremdgeschäftsführungswillens dennoch festgehalten. Der abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn und der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers bilden zwar inhaltlich eine Schnittmenge, korrespondieren aber nicht vollständig. Der abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn enthält nicht den Willen, dass jemand anderes überhaupt, oder dass der konkrete Geschäftsführer für ihn tätig werden soll. Dieser Aspekt wird
E. Inhaltliche Ausgestaltung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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(zum Teil) im Rahmen des Übernahmewillens nach § 683 S. 1 berücksichtigt. Außerdem enthält der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers den Willen, mit der, von ihm konkret gewählten Handlungsvariante, das Interesse des Geschäftsherrn zu erreichen. Dagegen ist auf der Seite des Geschäftsherrn bloß eine Eingrenzung auf mögliche, nicht jedoch konkret-interessengerechte bzw. die attraktivste Handlungsvarianten vorzunehmen. Der Geschäftsherr hat auf dieser Ebene einen abstrakten, der Geschäftsführer einen konkreten Willen. Somit können auch konkret-interessenwidrige Handlungsvarianten § 677 HS. 1 unterfallen. Kurzum: Hat der Geschäftsführer eine dem abstrakten Interesse unterfallende Handlungsvariante gewählt, die jedoch nicht dem konkreten Interesse entspricht, so ist auch bei dieser Geschäftsführung der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. eröffnet. Eine konkret-interessenwidrige Geschäftsführung ist vielmehr Gegenstand der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der es an einem Übernahmewillen nach § 683 S. 1 fehlt. Resümierend ist die Schnittmenge zwischen zwei Willenstatbeständen auf der Ebene des § 677 HS. 1 eingeschränkt, sodass diese Theorie den Anwendungsbereich der §§ 677 ff. nicht so sehr verengt wie die Quasikontrakttheorie, andererseits aber auch nicht so weit zieht, wie dies von der heute überwiegenden Auffassung getan wird. Der abstrakte Geschäftswille muss nicht ausdrücklich oder konkludent, also in Form eines Geistesaktes nach außen kundgetan werden. Dieser Wille muss nicht in eine Willenserklärung oder in eine geschäftsähnliche Handlung gegossen werden. Der abstrakte Geschäftswille ist beim fehlenden nach außen getretenen Geistesakt hypothetisch zu ermitteln. Die Ermittlung dieses Willens vollzieht sich nicht nach einer wertenden, normativen Betrachtung, sondern ist darauf gerichtet den wirklichen Willen des Geschäftsherrn zu ermitteln. Da der wirkliche Geschäftswille des Geschäftsherrn regelmäßig nicht ermittelbar ist, ist die Ermittlung auf den empirischen Willen gerichtet. Dafür ist die Erforschung der individuellen Verhältnisse des Geschäftsherrn erforderlich und die Frage zu stellen, ob der Geschäftsherr, seine individuellen Verhältnisse zugrunde legend, den zu erreichenden Zweck verfolgt hätte. Nur bei Berücksichtigung des wirklichen bzw. empirischen Willens des Geschäftsherrn wird dem Subordinationscharakter der Geschäftsführung ohne Auftrag genüge getan. Geschäftsführungen, die bereits seinem abstrakten Geschäftswillen nicht entsprechen, sind gesamt-interessenwidrig. Sie fallen aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. heraus. Ist der abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn nach außen getreten, so bedarf es keiner hypothetischen Ermittlung mehr. Es ist auf den nach außen getretenen Geistesakt abzustellen, wobei auch hier die Bewertung aller Umständen des Einzelfalls aus der Perspektive der individuellen Verhältnisse des Geschäftsherrn erforderlich ist. Beim abstrakten Geschäftswillen des Geschäftsherrn handelt es sich um ein eigenständiges subjektives Merkmal. Im Vergleich zu der Wittmann’schen und
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Bergmann’schen Theorie ist dieser nicht in den Fremdgeschäftsführungswillen in Form eines präsumtiven Willens zu implementieren. Dieser Wille findet dann keine Berücksichtigung, wenn öffentliche Interessen i. S. v. § 679 berührt werden127. Insoweit findet eine Ausweitung des Anwendungsbereiches statt. Andererseits findet aufgrund der analogen Anwendung der §§ 134, 138, 139128 wiederum seine Einengung statt. Eine analoge Anwendung der §§ 104 ff. beim Geschäftsführer ist aufgrund der speziellen Regelung des § 682 abzulehnen129. Die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers aber auch die des Geschäftsherrn ist für die Obligationsbegründung nicht erforderlich. Der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers ist ebenfalls empirisch zu ermitteln. Bei Führung von objektiv fremden bzw. auch-fremden Geschäften ist die von der überwiegenden Auffassung aufgestellte Vermutung beizubehalten. Bei subjektiv-neutralen und subjektiv-eigenen Geschäften muss sich der Wille dagegen nach außen manifestieren. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Ermittlung des abstrakten Geschäftswillens des Geschäftsherrn und für den Geschäftsführungswillen des Geschäftsführers ist der Beginn der Geschäftsbesorgung, also die erste Ausführungshandlung.
3. Entbehrlichkeit des Merkmals „fremdes Geschäft“ Das von der überwiegenden Auffassung geforderte Merkmal des „fremden Geschäfts“ ist im Rahmen des Grundtatbestandes des § 677 HS. 1 entbehrlich130. Dieses Merkmal ist nur im Rahmen der irrtümlichen Geschäftsführung nach § 687 Abs. 1 und der angemaßten Geschäftsführung nach § 687 Abs. 2 als ein Tatbestandsmerkmal erforderlich. Die Unterscheidung zwischen objektiv-eigenen, objektiv-fremden, subjektiv-eigenen und subjektiv-fremden Geschäften ist aufgrund des fehlenden Merkmals des fremden Geschäfts entbehrlich. Erforderlich ist nur, dass der Geschäftsführer den Willen aufweist, für den Geschäftsherrn tätig zu werden und das vom Geschäftsführer ausgeführte Geschäft in das Spektrum der Geschäfte fällt, die das abstrakte Interesse zu erfüllen vermögen. Diese Unterscheidung wird freilich für die widerlegliche Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens relevant.
4. Ohne Auftrag und sonstige Berechtigung Erforderlich ist schließlich, dass der Geschäftsführer gegenüber dem Geschäftsherrn nicht aufgrund eines Auftrags oder sonstiger Berechtigung handelt. Zu127 128
Dazu im Detail Kapitel 5, H., S. 252 ff. Dazu im Detail Kapitel 5, K., S. 277 ff. 129 Dazu im Detail Kapitel 5, J., S. 268 ff. 130 Dazu im Detail Kapitel 5, G., II., S. 244 ff.
E. Inhaltliche Ausgestaltung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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sammen mit der überwiegenden Auffassung131 ist der Auftrag nicht im engeren Sinne, also nicht im Sinne der §§ 662–674, sondern als jedes Rechtsgeschäft, welches eine Geschäftsbesorgung i. S. v. § 677 HS. 1 zum Inhalt haben kann, zu verstehen. Damit sind insbesondere auch Werk- und Diensttätigkeiten umfasst. Das Merkmal der sonstigen Berechtigung fungiert als Auffangstatbestand und umfasst alle Berechtigungsgründe außer den rechtsgeschäftlichen Verhältnissen, insbesondere Berechtigungsgründe aus dem Gesetz. Die Berechtigung darf dabei gerade nicht dem Geschäftsherrn gegenüber („ihm gegenüber“) bestehen. Eine Beschränkung des Anwendungsbereiches der §§ 677 ff. auf (nichtige) Subordinationsverhältnisse im Sinne der Bergmann’schen Subordinationstheorie ist nicht angezeigt.
II. Die Bedeutung des § 679 für den Grundtatbestand Fehlt der abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn, so ist der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. grundsätzlich nicht eröffnet. Davon macht § 679 eine Ausnahme. Danach ist der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt würde. § 679 bezieht sich auf den im Rahmen des Grundtatbestandes des § 677 HS. 1 zu fordernden abstrakten Geschäftswillen des Geschäftsherrn132. Ist der abstrakte Geschäftswille so formuliert, dass dieser dem „öffentlichen Interesse“ oder der „gesetzlichen Unterhaltspflicht“ des Geschäftsherrn widerspricht, bleibt ein solcher Wille außer Betracht. Im Vergleich dazu bezieht sich die entsprechende Anwendung des § 679 über den § 683 S. 2 auf das konkrete Interesse, und zwar auf den Übernahmewillen des Geschäftsherrn und nach §§ 677 HS. 2, 679 auch auf den Durchführungswillen. Insoweit kann man von einer dreischichtigen zweigliedrigen subjektiven Theorie sprechen.
III. Die äußeren Grenzen Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist eine geschäftsähnliche Handlung. Auf geschäftsähnliche Handlungen finden die Vorschriften über die Willenserklärungen entsprechende Anwendung. Somit kommt eine analoge Anwendung von Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit, insb. der beschränkten Geschäftsfähigkeit nach §§ 104 ff. und die Anwendung von §§ 134, 138, 139 in Betracht. In Bezug auf jede Vorschrift sind stets die Analogievoraussetzungen zu prüfen. 131 132
Siehe Kapitel 2, A., I., 3., S. 6. Dazu im Detail Kapitel 5, H., S. 252 ff.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Die §§ 104 ff. finden keine analoge Anwendung133. Dagegen sind die §§ 134, 138, 139 analog anzuwenden134.
IV. Zusammenfassende Graphik zum Grundtatbestand des § 677 HS. 1 § 677 HS. 1 §§134, 138, 139 analog
1. Geschäftsbesorgung 2. Abstrakter Geschäftswille des Geschäftsherrn; Ausnahme in §679 3. Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers 4. ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
}
„für einen anderen“
§§134, 138, 139 analog
Abbildung 4: Grundtatbestand des § 677 HS. 1
F. Systematik der §§ 677 ff. I. Unterteilung in die echte und die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag Die Unterteilung in echte und die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag ist maßgebend für die sich ergebenden Rechtsfolgen. Diese sollte auch weiterhin beibehalten werden. Beim fehlenden Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers kann entweder eine irrtümliche Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 687 Abs. 1 oder eine angemaßte Geschäftsführung nach § 687 Abs. 2 vorliegen. Bei § 687 handelt es sich um ein von den §§ 677–686 zu trennendes gesetzliches Schuldverhältnis.
II. Echte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–686) 1. Unterteilung in die echte berechtigte und die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 684) Das gesetzliche Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag wird unabhängig vom Übernahmewillen des Geschäftsherrn ausgelöst. Auf der Ebene des § 677 HS. 1 ist vielmehr ein abstrakter Geschäftswille zu verlangen. Somit ist § 677 HS. 1 auch nicht im Sinne eines Quasivertrag-Konstruktes zu verstehen. Der abstrakte Geschäftswille weist nur auf einer ganz groben Ebene eine Übereinstimmung mit dem konkreten Geschäftsführungswillen des Geschäftsführers auf. 133 134
Dazu im Detail Kapitel 5, J., S. 268 ff. Dazu im Detail Kapitel 5, K., S. 277 ff.
F. Systematik der §§ 677 ff.
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Der fehlende Übernahmewille führt grundsätzlich dazu, dass der Geschäftsführer keinen Aufwendungsersatz nach § 683 S. 1 verlangen kann. Er kann den Ersatz seiner Kosten über die Vorschrift des § 684 S. 1, die auf das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.) verweist, suchen. Bei § 684 S. 1 handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung. Ausnahmsweise ist das Fehlen des Übernahmewillens des Geschäftsherrn unbeachtlich, wenn gem. §§ 683 S. 2, 679 das „öffentliche Interesse“ betroffen ist oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht nicht rechtzeitig erfüllt wäre. Ausnahmsweise ist das anfängliche Fehlen des Übernahmewillens auch dann unbeachtlich, wenn der Geschäftsherr später eine Genehmigung nach § 684 S. 2 erteilt. Die Unterteilung in echte berechtigte und echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag empfiehlt sich auch weiterhin. Dies darf jedoch nicht zum Missverständnis, führen, dass der in § 683 S. 1 geforderte Übernahmewille darüber entscheidet, ob die §§ 677–686 überhaupt eröffnet sind (so die Quasikontrakttheorien und die Theorie von der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag). Die Auslösung der Obligation wird ausschließlich auf der Ebene des § 677 HS. 1 entschieden. Somit sind auch die §§ 677–682 auf die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar. Lediglich bzgl. der Frage des Aufwendungsersatzes nach § 683 S. 1 und bzgl. der Frage des Schadensersatzes nach § 678 gestalten sich die Rechtsfolgen unterschiedlich.
2. Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag Eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag liegt dann vor, wenn zum einen der Anwendungsbereich der §§ 677–686 über § 677 HS. 1 eröffnet ist und der Geschäftsherr nach § 683 S. 1 einen Übernahmewillen hatte. Der Übernahmewille beschreibt den Willen des Geschäftsherrn bzgl. des konkreten Übertritts in die Geschäftsführung. Er umfasst zunächst den Willen, das Geschäft durch einen anderen überhaupt ausführen zu lassen. Wollte der Geschäftsherr das Geschäft selbst ausführen, fehlt es an diesem Merkmal. Der Übernahmewille müsste sich grundsätzlich auch auf die konkrete Person des Geschäftsführers beziehen. Berücksichtigte man auch diesen Gesichtspunkt, so bestünden die Gefahr der Gesetzeszweckvereitelung und Missbrauchsrisiken durch den Geschäftsherrn. Um diese zu verhindern, ist dieser Gesichtspunkt zusammen mit der h. M. außer Acht zu lassen. Der Übernahmewille umfasst insbesondere den konkreten Gegenstand der Geschäftsführung. Er bezieht sich auf die konkrete, vom Geschäftsführer gewählte Handlungsvariante. Entspricht diese nicht dem konkreten Interesse des Geschäftsherrn, handelt es sich um eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Übernahmewille bezieht sich außerdem auf den Zeit-
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
punkt und den Ort der Geschäftsführung. Zusammenfassend enthält der Übernahmewille die das „Ob“ der konkreten Geschäftsführung kennzeichnenden Merkmale. Das „Wie“ der Geschäftsführung ist dagegen der Bezugspunkt des Durchführungswillens, wobei zuzugeben ist, dass die Übergänge zwischen beiden Willenstatbeständen abhängig von konkreten Fällen fließend sein können. Ist der wirkliche Übernahmewille nicht ersichtlich oder nicht ermittelbar, ist auf den mutmaßlichen Willen zurückzugreifen. Insofern besteht ein Subsidiaritätsverhältnis. Erst wenn der wirkliche Wille nicht feststellbar ist, kann auf den mutmaßlichen Willen zurückgegriffen werden. Ist der wirkliche Wille indes vorliegend, ist der diesem möglicherweise entgegenstehende mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich. Genauso unbeachtlich ist dann auch das im Gesetzestext vor dem „wirklichen …Willen“ sich befindliche Merkmal des „Interesses“. Dieses ist objektiv auszulegen und ist mit dem „mutmaßlichen Willen“ des Geschäftsherrn eng verknüpft. Diese enge Verknüpfung zwischen dem „Interesse“ und dem „mutmaßlichen Willen“ des Geschäftsherrn führt zu einer objektivierten Betrachtungsweise des konkreten Falls unter Berücksichtigung des wohlverstandenen Interesses des Geschäftsherrn.
3. Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag Fehlt der nach § 683 S. 1 erforderliche Übernahmewille, kann der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn keinen Aufwendungsersatz verlangen. Es liegt eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Das Wesen der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag besteht nicht in der Verletzung des abstrakten, sondern des konkreten Interesses des Geschäftsherrn. Nur im Falle einer Genehmigung durch den Geschäftsherrn nach § 684 S. 2 kann eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ex-tunc zu einer echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag werden. Liegt auch keine Genehmigung vor, muss der Geschäftsführer den Ersatz seiner Kosten über § 684 S. 1 i. V. m. §§ 818 ff. suchen. Bei § 684 S. 1 handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung. Die §§ 678, 680, 681, 682 finden auch auf die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung (dazu sogleich bei den Rechtsfolgen).
III. Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687) In Bezug auf die irrtümliche (§ 687 Abs. 1) und die angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 2) ergeben sich im Vergleich zur h. M. keine Änderungen. Dieses Verhältnis ist freilich von dem der §§ 677–686 zu trennen und bildet ein eigenständiges Schuldverhältnis. Dies liegt daran, dass § 687 keinen
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers erfordert, der die konstitutive Tatbestandsvoraussetzung für die Auslösung der Geschäftsführung ohne Auftrag darstellt.
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie anhand der anerkannten Auslegungsmethoden In Kapitel 5, E. wurde der Grundtatbestand des § 677 HS. 1 unter der Zugrundelegung der zweigliedrigen subjektiven Theorie vorgestellt. Es gilt diesen Grundtatbestand anhand der anerkannten Auslegungsmethoden zu untersuchen.
I. Das Merkmal des abstrakten Geschäftswillens im Grundtatbestand des § 677 HS. 1 1. Historische Auslegung a) Motive der 1. Kommission Analysiert man die Motive der 1. Kommission, so wird man feststellen, dass der § 749 E-1, der dem heutigen § 677 HS. 1 vorausgegangen ist, diejenigen Voraussetzungen im Allgemeinen formuliert „von deren Vorhandensein die Anwendung der Vorschriften dieses Titels im Allgemeinen abhängt“135. Hier sollte beachtet werden, dass der § 749 E-1 in zwei Teile zu zerlegen ist. Zum einen in den Teil, in dem die allgemeinen Voraussetzungen formuliert werden, von denen sowohl die actio directa als auch die actio contraria abhängen (§ 749 Abs. 1 E-1). Zum anderen der Teil, der die Schadensersatzhaftung regelt, wenn der Geschäftsführer interessenwidrig oder entgegen dem erkennbaren Willen des Geschäftsherrn handelt (§ 749 Abs. 1 und Abs. 2 E-1). Nur in § 749 Abs. 1 E-1 werden die allgemeinen Voraussetzungen formuliert. Zu diesen, von denen die Anwendung der §§ 749–761 E-1 abhängt, gehören nach der ausdrücklichen Begründung der 1. Kommission136 die Merkmale: (1) „ein Geschäft besorgen“, (2) „für einen anderen“, (3) das Handeln des Geschäftsführers mit dem Bewußtsein und dem Willen ein fremdes Geschäft zu besorgen und zuletzt (4) ohne Auftrag oder ohne eine Amtspflicht137. Bzgl. der ausdrücklichen Aufstellung dieser Voraussetzungen ist zweierlei zu sagen. Erstens. Was die 1. Kommission unter dem Begriff „für einen anderen“ versteht, ergibt sich aus den Motiven nicht ausdrücklich. Die 1. Kommission begnügte sich vielmehr mit der Bekämpfung einer Unterscheidung zwi135 136
Motive II, 1888, S. 854 = Mugdan II, 1899, S. 477. Motive II, 1888, S. 855 = Mugdan II, 1899, S. 477–478. 137 Motive II, 1888, S. 855 ff. = Mugdan II, 1899, S. 477 ff.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
schen den Merkmalen „für einen anderen“ und „eines Anderen“. Eine solche Unterscheidung und die sich daraus ergebende Differenzierung zwischen objektiv fremden und subjektiv fremden Geschäften sollte es nicht geben, mit der Folge, dass alle Geschäfte erfasst sein sollten138. Zweitens. Eine ausdrückliche Forderung eines abstrakten Geschäftswillens des Geschäftsherrn ist in den Motiven der 1. Kommission nicht ersichtlich. Vielmehr führt die 1. Kommission in einer breiten Detailfreudigkeit aus, wie wichtig es ist, keine unangemessenen Eingriffe in die Angelegenheiten des Geschäftsherrn zuzulassen, und falls dies doch geschieht, diese entsprechend zu sanktionieren. So führt die 1. Kommission in Bezug auf (1) Verpflichtungen des Geschäftsführers das Geschäft ordnungsgemäß auszuführen und (2) in Bezug auf Schadensersatzansprüche des Geschäftsherrn im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Ausführung bei einem entstandenen Schaden, also in Bezug auf die obligationsbegründende Norm § 749 Abs. 1, 2 E-1 aus: „Der Geschäftsführer haftet dem Geschäftsherrn für den Ersatz des durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit verursachten Schadens, als auch desjenigen, welcher in concreto dadurch verursacht ist, daß der Geschäftsführer überhaupt sich eingemischt hat. Die von dem Geschäftsführer zu prästirende Sorgfalt bezieht sich auf die Ermittelung der Intentionen des Geschäftsherrn nicht blos in der Richtung, wie einzugreifen ist, sondern auch in der Richtung, ob überhaupt einzugreifen sei (§ 749 Abs. 1, 2)“139.
Weiter führt sie aus: „Die Diligenz des Geschäftsführers hat sich also, wie schon bemerkt, nicht blos auf die Ermittelung eines etwaigen ausdrücklichen Verbotes des Geschäftsherrn, sondern darauf zu erstrecken, ob sich dessen Intention überhaupt gegen die Einmischung oder die Art der Einmischung kundgegeben habe. Nur dadurch wird der Geschäftsherr gegen unbefugte und von ihm nicht gewollte Einmischung in seine Angelegenheiten geschützt“140.
Aus diesen beiden Passagen folgt, dass der Geschäftsführer die Intentionen des Geschäftsherrn zu ermitteln und entsprechend diesen Intentionen zu handeln hat. Die Ermittlung des Geschäftsherrnwillens bezog sich nicht nur auf die Art und Weise der Geschäftsführung, sondern auf die Einmischung in seine Angelegenheiten an sich. Nur in einem Falle ließ die 1. Kommission eine Ausnahme von diesem Prinzip zu, und zwar dann, wenn ein öffentliches Interesse nach § 755 E-1, der dem heutigen § 679 vorausgegangen ist, vorlag: „Von der ihm durch die Vorschrift des § 749 Abs. 2 auferlegten Haftung ist der Geschäftsführer jedoch frei, wenn eine der im § 755 bezeichneten Voraussetzungen vorliegt. Soweit nach § 755 der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn auf die mit der actio con138
Motive II, 1888, S. 855 = Mugdan II, 1899, S. 478. Motive II, 1888, S. 857 = Mugdan II, 1899, S. 479. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 140 Motive II, 1888, S. 857 = Mugdan II, 1899, S. 479. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 139
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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traria geltend zu machenden Rechte des Geschäftsführers keinen Einfluß übt, muß auch ein Gleiches für die Bestimmung der aus der Geschäftsführung für den Geschäftsführer entspringenden Verpflichtungen (a. directa) gelten.“141.
Als Verschuldensmaßstab legte die 1. Kommission im § 749 Abs. 1 E-1 Vorsatz und Fahrlässigkeit und im § 749 Abs. 2 E-1 insbesondere den Maßstab fest, wonach der Geschäftsführer dann haftet, wenn er gegen den bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters erkennbaren Willen des Geschäftsherrn handelt. In Bezug auf die actio contraria ergab sich eine andere Behandlung. Dies folgt aus der folgenden langen, aber besonders aussagekräftigen Passage: „Die Voraußsetzungen der actio directa und actio contraria sind hiernach verschieden. Während der Geschäftsführer hinsichtlich seiner Pflichten und seiner Verantwortlichkeit für Schaden (a. directa) frei wird, wenn und soweit er trotz der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters die Intentionen des Geschäftsherrn nicht erkannt und anders gehandelt hat, als dieselben erfordert hätten, genügt zur Begründung der actio contraria nicht der Nachweis, daß er die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters allgemein und insbesondere auch nach der Richtung angewendet habe, um die Intentionen des Geschäftsherrn zu erfahren und nach ihnen sich zu richten, wenn gleichwohl das Richtige oder das jenen Intentionen Entsprechende von ihm nicht getroffen wurde. Vielmehr entzieht ihm auch ein unverschuldeter Verstoß gegen die Intentionen des Geschäftsherrn seine Rechte gegen denselben. Für diese strenge Normirung der Voraußsetzungen der a. contraria spricht schon der Umstand, daß es der Geschäftsführer ist, an dessen freiwilliges und von dem Geschäftsherrn nicht provoziertes Handeln sich ein Schaden knüpft, welcher von dem einen oder anderen Theile zu tragen ist. Hierbei ist vorzugsweise der Fall ins Auge zu fassen, daß ein dem Geschäftsführer ohne sein Verschulden unbekannt gebliebener Umstand den Geschäftsherrn in Nachtheil bringen würde, wenn er die Geschäftsführung anzuerkennen und dem Geschäftsführer dessen Aufwendungen zu ersetzen hätte, wie z. B. im Falle der Zahlung einer wirklichen Schuld des Geschäftsherrn an dessen insolventen Schuldner, während dieser jenem eine dem Geschäftsführer unbekannt gebliebene kompensable Gegenforderung schuldete. Es stände mit den allgemeinen Grundsätzen nicht im Einklange, wollte man solchenfalls dem Geschäftsherrn die Folgen der von ihm nicht veranlaßten Handlungsweise des Geschäftsführers zur Last legen. Zu einer Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen fehlt es an Gründen des Bedürfnisses oder der Zweckmäßigkeit. Insbesondere wird eine solche Abweichung nicht durch die Besorgniß gerechtfertigt, daß bei dem Mangel einer den Geschäftsführer schützende Vorschrift viele erwünschte Geschäftsführungen unterbleiben würden und darunter das allgemein Beste leiden müßte. Es bleibt immer eine ernste Sache, sich unberufen in die Geschäfte eines Anderen zu mischen. Wer sich dazu versteht, mag sich vorsehen und alle Eventualitäten berechnen. Der Gesetzgeber hat erfahrungsgemäß keinen Anlaß, zu Einmischungen in fremde Geschäfte zu ermuntern, welche häufig in der That nicht im Interesse des Geschäftsherrn, sondern lediglich im freilich oft nicht nachweisbaren eigenen Interesse erfolgen. Nicht einmal für Fälle, wenn zur Abwendung eines Nachtheiles oder einer dringenden Gefahr von dem Geschäftsherrn von dem Geschäftsführer eingegriffen 141 Motive II, 1888, S. 858 = Mugdan II, 1899, S. 479. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
wurde, ist eine besondere Ausnahme zu statuieren, soweit nicht in Fällen dieser Art der Anspruch des Geschäftsführers auch nach dem Standpunkte des Entwurfes ohnehin begründet ist. Nur die in § 755 bezeichneten Fälle machen eine Ausnahme“142.
In Bezug auf den § 753 E-1 soll es demnach nur auf den Willen des Geschäftsherrn ankommen, unabhängig davon, ob dieser Wille vernünftig ist. Der Geschäftsführer verlor seinen Aufwendungsersatzanspruch auch dann, wenn er objektiv pflichtgemäß handelte, dieses Handeln aber dem Willen des Geschäftsherrn widersprach. Und wiederum nur im Falle des öffentlichen Interesses ist eine Ausnahme bzgl. dieses strengen „subjektiven Prinzips“ zu machen. Führt man sich vor Augen, dass § 753 E-1, wie § 683 S. 1, die Übernahme der Geschäftsführung und § 749 Abs. 1, 2 E-1, wie § 677 HS. 2, die Art und Weise der Geschäftsführung behandeln, so betreffen diese beiden Fragen das konkrete Interesse i. S. d. der zweigliedrigen subjektiven Theorie. Vergegenwärtigt man sich zugleich, welche strengen Rechtsfolgen die 1. Kommission an die Verstöße gegen die Voraussetzungen des § 749 Abs. 1, 2 E-1 – Entstehen von möglichen Schadensersatzansprüchen – und gegen die Voraussetzungen des § 753 E-1 – Verlust von Aufwendungsersatzansprüchen – knüpft, wird deutlich, dass der 1. Kommission der Schutz des Geschäftsherrn vor unangemessenen Einmischungen in seine Angelegenheiten schon beim konkreten Interesse von größter Wichtigkeit war. Diese Verstöße sind nichts anderes als die konkret-interessenwidrigen Geschäfte i. S. d. zweigliedrigen subjektiven Theorie. Wenn die 1. Kommission bereits an die Verfehlung des konkreten Interesses so strenge Sanktionen knüpfte, einem Interesse, welches nur einen deutlich eingeschränkten Kreis von Geschäften zulässt und damit eine viel größere Gefahr der Verfehlung dieses Interesses nach sich zieht, so müssten erst recht diejenigen Geschäfte strenge Sanktionen nach sich ziehen, die bereits das abstrakte Interesse verfehlen, indem sie dieses entweder nicht zu fördern vermögen, oder diesem gar entgegenstehen. Es handelt sich um insgesamt interessenwidrige Geschäfte, die der Geschäftsherr unter keinen Umständen vorgenommen hätte. Dies kann nur im Wege des Ausschlusses dieser Geschäfte aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag geschehen. Dieser ErstRecht-Schluss ist aber insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil das Entreicherungsrisiko nach §§ 684 S. 1 i. V. m. 818 ff. bereits derjenige Geschäftsführer trägt, der zwar das konkrete Interesse verfehlt hat, also konkret-interessenwidrig gehandelt hat, aber nicht das abstrakte Interesse. Es ist der echte unberechtigte Geschäftsführer. Andererseits bedingen die Fragen nach dem konkreten Interesse des Geschäftsherrn schon die Festlegung des abstrakten Interesses. Der Geschäftsherr wird sich die Frage nach der Wahl des konkreten Geschäfts zur Erreichung seines abstrakten Interesses nur stellen, wenn dieses Geschäft 142 Motive II, 1888, S. 861–862 = Mugdan II, 1899, S. 481–482. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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in den Bereich von Geschäften fällt, die dieses abstrakte Interesse zu erreichen vermögen.
b) Protokolle der 2. Kommission Die 2. Kommission hat es der Redaktionskommission überlassen zu entscheiden, ob das Merkmal „für einen anderen“, welches die 1. Kommission zur Unterscheidung der eigentlichen (§ 677 HS. 1) und der uneigentlichen (§ 687) Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ausdruck gebracht habe, oder das Merkmal „Geschäfte eines Anderen“ zu wählen ist143. Auf eine tiefere Auseinandersetzung mit diesen Merkmalen verzichtete sie, erachtete es jedoch als bedeutend festzuhalten, „daß Rechte und Pflichten des Geschäftsführers von der Entscheidung der Frage abhängen, ob und wann er berechtigt sei, sich in die Geschäfte des Geschäftsherrn einzumischen“144. Wie man am heutigen § 677 HS. 1 sehen kann, hat sich die Redaktionskommission für den Standpunkt der 1. Kommission entschieden und hielt es für wichtig, eine Unterscheidung zwischen echter und unechter Geschäftsführung ohne Auftrag durch das Merkmal „für einen anderen“ deutlich zu machen. Insofern blieb der 2. Entwurf auf der Linie der 1. Kommission. In Bezug auf den Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 folgte die 2. Kommission dem streng subjektiven Prinzip. Sie hat damit dem 4. Antrag zugestimmt, der den Aufwendungsersatzanspruch davon abhängig machte, ob „die Uebernahme der Geschäftsführung mit Rücksicht auf die Zwecke und Verhältnisse des Geschäftsherrn dessen Nutzen entsprochen“ hat145. Demgegenüber erteilte sie dem 1. Antrag eine deutliche Absage, der den Aufwendungsersatzanspruch davon abhängig machte „daß er [der Geschäftsführer] nach Lage der Sache die Genehmigung seines Verhaltens durch den Geschäftsherrn erwarten durfte“. Der 1. Antrag sah die Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag darin, „eine ethische und im volkswirtschaftlichen Interesse gebotene Pflicht“ zu erfüllen146, welche der Gesetzgeber fördern müsse, um die Erfüllung dieser Pflichten im Interesse des „Gesammtwohles“ zu erleichtern147, da ansonsten sich der Einzelne zum Schaden des „Gesammtwohles“ einer Einmischung auch dann enthalten werde, „wenn ein solcher Eingriff durch die Nächstenliebe dringend geboten sei“148. Auf der Linie der 2. Kommission lagen auch die Ausführungen des 3. Antrages149, der der 1. Kommission folgte und der zusammen mit dem 4. Antrag 143
Mugdan II, 1899, S. 1193. Mugdan II, 1899, S. 1193. Mugdan II, 1899, S. 1195. 146 Mugdan II, 1899, S. 1196. 147 Mugdan II, 1899, S. 1196. 148 Mugdan II, 1899, S. 1196. 149 Mugdan II, 1899, S. 1197: „Den Ausführungen des Antragstellers zu 3 sei dann bei144 145
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
als Antipode zum 1. Antrag zu begreifen sind. Die Antragsteller des 3. Antrages führten aus: „Es sei zwar nicht zu verkennen, daß die Besorgung fremder Geschäfte ohne Auftrag unter Umständen als eine ethische und im gemeinnützigen Interesse liegende Pflicht erscheinen könne, der Gesetzgeber dürfe jedoch diesen Gesichtspunkt nicht in den Vordergrund stellen und zur Grundlage seiner gesetzlichen Regelung machen. Der Gemeinnützigkeit stehe unter Umständen die Gemeingefährlichkeit der Besorgung fremder Geschäfte gegenüber. Erfahrungsgemäß mische sich häufig Jemand in fremde Geschäfte lediglich aus Vordringlichkeit und in dem Bestreben, sich nach außen hin wichtig zu machen. Es seien auch keineswegs immer nur selbstlose Gründe, von denen sich der Geschäftsführer leiten lasse; seine Interessen seien häufig mit denjenigen des Geschäftsherrn so verknüpft, daß er mehr seinen eigenen Vortheil als den des Geschäftsherrn bei der Geschäftsführung im Auge habe“150.
Die 2. Kommission stellte demnach im Hinblick auf den Aufwendungsersatzanspruch darauf ab, „ob die Übernahme der Geschäftsführung unter besonderer Berücksichtigung der besonderen Zwecke und Verhältnisse des Geschäftsherrn dem Interesse desselben entsprochen hat, ob also anzunehmen ist, daß der Geschäftsherr, wenn er hätte gefragt werden können, das Unternehmen des Geschäftsführers mit der generellen Anweisung genehmigt haben würde“151.
Dennoch hielt es die 2. Kommission eine Abschwächung dieses Systems für geboten, indem diese zwischen der Übernahme der Geschäftsführung (§ 683 S. 1), für die das streng subjektive Prinzip galt, und der Durchführung des Geschäfts (§ 677 HS. 2), für die es genügen soll, dass der Geschäftsführer bei der Ausführung des Geschäfts mit pflichtgemäßer Sorgfalt gehandelt habe152, eine Unterscheidung machte. Aus diesen Ausführungen ist die Schlussfolgerung zu entnehmen, dass es der 2. Kommission wie der 1. Kommission beim konkreten Interesse vordergründig darum ging den Geschäftsherrn zu schützen, keine unangemessenen Eingriffe in seinen Geschäftsbereich zuzulassen, und einem solchen Geschäftsführer auch die Kosten der Geschäftsführung aufzubürden. Der bereits gezogene ErstRecht-Schluss ist auch bzgl. der 2. Kommission gerechtfertigt. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Frage, die die 2. Kommission an den Geschäftsherrn zur Feststellung, ob die Übernahme der Geschäftsführung interessengerecht ist, stellte. Zu fragen wäre nach ihr: „ob also anzunehmen ist, daß der Geschäftsherr, wenn er hätte gefragt werden können, das zupflichten, daß es zu weit gehe, dem Geschäftsführer ohne Auftrag in allen Fällen die Ersatzansprüche des Beauftragten zu gewähren, wenn er nach Lage der Sache die Genehmigung seines Verhaltens durch den Geschäftsherrn erwarten durfte“. 150 Mugdan II, 1899, S. 1196. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 151 Mugdan II, 1899, S. 1197. 152 Mugdan II, 1899, S. 1195, 1197.
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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Unternehmen des Geschäftsführers mit der generellen Anweisung genehmigt haben würde“153. Diese Frage ist erst dann erlaubt, wenn der Geschäftsherr abstraktes Interesse fasste und sodann unter vielen konkreten Handlungsvarianten, die dieses Interesse zu erreichen vermögen, auch die vom Geschäftsführer gewählte Geschäftsführung gebilligt hätte. Hat der Geschäftsherr kein abstraktes Interesse, oder ein abstraktes Interesse, welches der konkreten Geschäftsführung durch den Geschäftsführer gegensätzlich ist, stellt sich für den Geschäftsherrn gar nicht die Frage nach der Billigung der konkreten Geschäftsführung.
2. Grammatikalische Auslegung a) Anknüpfung an „Geschäft“ Auch die grammatikalische Auslegung deutet auf das bereits erarbeitete Ergebnis hin. Das Merkmal „für einen anderen“ sagt zum einen aus, dass die Geschäftsbesorgung nicht für den Geschäftsführer gelten soll, also nicht „für sich selbst“, sondern für einen „anderen“, also den Geschäftsherrn. Darin fußt auch das Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens des Geschäftsführers. Zum anderen verzichteten die 1. und 2. Kommission bewusst auf den Ausdruck „eines Anderen“. Dieses Merkmal hat einen zu objektiv ausgeprägten Einschlag und verleitet dazu, diese Tatbestandsvoraussetzung nach objektiven, rechtlichen Zuordnungskriterien zu verstehen. Eine Unterscheidung zwischen objektiv fremden und subjektiv fremden Geschäften wollte der Gesetzgeber gerade nicht vornehmen und eröffnete für sehr viele Geschäfte den Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Einschränkung dieses Anwendungsbereiches sollte demnach nicht durch das Wort „Geschäft“, sondern durch das Wort „für“ erzielt werden.
b) Anknüpfung an „für“ aa) Nicht maßgebende Wortbedeutungen Diese Präposition hat eine Reihe von Bedeutungen, von denen jedoch nur bestimmte im Rahmen der Obligation der Geschäftsführung ohne Auftrag verwertet werden können. Zu solchen außer Acht zu lassenden Varianten zählen solche Bedeutungen wie (1) die Angabe einer Meinung oder einer Beurteilung, wie „etwas für nicht sinnvoll halten“, oder (2) die Angabe eines Grundes, wie „sich für etwas entschuldigen“, oder (3) die Angabe einer Gegenleistung, wie „etwas für 500 € kaufen“, oder (4) die Angabe eines Vergleichs, wie „für sein Alter ist das Kind sehr groß“, (5) die Angabe einer Dauer, wie „für einige Wochen verreisen“ und schließlich (6) die Angabe der Aufeinanderfolge ohne eine 153
Mugdan II, 1899, S. 1197.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Auslassung, wie „Tag für Tag“ oder „Wort für Wort“154. Diese Wortbedeutungen sind entweder nicht auf die Person des „anderen“ oder nicht auf das „Geschäft“ fixiert.
bb) Maßgebende Wortbedeutungen Anders liegt es bei Bedeutungen des Wortes „für“ zur (1) Angabe des Ziels, Zwecks oder Nutzen, wie etwa „für höhere Löhne der Belegschaft kämpfen“, oder „zugunsten einer Person“, oder (2) zur Angabe einer Zuordnung oder Zugehörigkeit, wie etwa „für die Feuerwehr wurde Alarm gegeben“ und schließlich (3) zur Angabe einer Vertretung155 oder eines Ersatzes, wie etwa „für andere die Arbeit machen“ oder „er spricht für die ganze Belegschaft“156, wofür etwa auch das Synonym „anstelle“ in Betracht käme. Bei diesen Wortbedeutungen können sich die für § 677 HS. 1 erforderliche personenbezogene Komponente mit der geschäftsbezogenen Komponente vereinen. Dabei ist zu beachten, dass das Wort „für“ im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag personenbezogen sein muss, „für die Belegschaft“, „für die Feuerwehr“ und „für andere“, und der Gegenstand dessen, was besorgt wird, also das „etwas“, geschäftsbezogen sein muss.
cc) Personenbezogene Ausrichtung der Präposition „für“ Bei der personenbezogenen Ausrichtung der Präposition „für“ können wiederum zwei Erscheinungsformen unterschieden werden. (1) Zum einen die Ausprägung „zugunsten“, also im Sinne der Synonyme „pro“, „zuliebe“, „zum Vorteil“ oder „nützlich“157. (2) Und zum anderen die Ausprägung als Stellvertreter oder als eine Ersatzperson, also im Sinne des Synonyms „anstelle“158. Die erste Ausprägung kennzeichnet einen materiellen Nützlichkeits- oder Vorteilsgedanken. Übertragen auf den § 677 HS. 1 müsste die Geschäftsbesorgung damit für den Geschäftsherrn nützlich sein. Dies entspricht dem aufgestellten Gedanken des abstrakten Interesses oder des abstrakten Geschäftsherrnwillens, der im Rahmen von § 677 HS. 1 zu verlangen ist. Geschäfte, die das Interesse des Geschäftsherrn bereits auf dieser groben Eingrenzung nicht zu erreichen vermögen oder diesem gar entgegenstehen, sind nicht „für“ den Geschäftsherrn, sondern entweder am Interesse des Geschäftsherrn vorbeigehend oder gar „gegen“ den Geschäftsherrn. Dabei muss zugegeben werden, dass es mehrere Perspektiven zur Beurteilung gibt, was vorteilhaft oder nützlich ist. Zum einen die Geschäftsherrnsicht, zum anderen die Geschäftsführersicht und 154
http://www.duden.de/rechtschreibung/fuer_statt_wegen_zuliebe, Stand: 01. 02. 2019. Nicht im rechtlichen Sinne nach §§ 164 ff. gemeint. 156 http://www.duden.de/rechtschreibung/fuer_statt_wegen_zuliebe, Stand: 01. 02. 2019. 157 http://www.duden.de/rechtschreibung/fuer_statt_wegen_zuliebe, Stand: 01. 02. 2019. 158 http://www.duden.de/rechtschreibung/fuer_statt_wegen_zuliebe, Stand: 01. 02. 2019. 155
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zum dritten die objektive Sicht. Alle drei Perspektiven können genauso übereinstimmen wie auseinandergehen. Über die Frage, welche der drei Sichten maßgebend ist, entscheidet die zweite personenbezogene Ausrichtung der Präposition „für“, also die Ausrichtung, wenn jemand als Vertreter, als eine ersetzende Person, also „anstelle“ eines anderen handelt. Handelt jemand in Vertretung eines anderen, so handelt es sich primär um eine Interessenvertretung für einen anderen159. Der Handelnde wird sein Handeln so einrichten, um den Interessen des Vertretenen am besten genüge zu tun. Er wird sich demnach die Frage stellen, was der Vertretene täte, wenn er selbst seine Interessen verfolgte. Dies impliziert die Fragen, was seine Zwecke und Ziele überhaupt sind (abstraktes Interesse) und welche konkreten Mittel (konkretes Interesse) zu ihrer Erreichung eingesetzt werden sollten. Die objektive Sicht scheidet somit jedenfalls aus160. Im Mittelpunkt der Betrachtung bleibt der Geschäftsherr. Es bleibt nun zwischen der Geschäftsherrn- und der Geschäftsführersicht zu entscheiden. Die Geschäftsherrnsicht kennzeichnet dabei den wirklichen bzw. empirischen Willen des Geschäftsherrn. Unter § 677 HS. 1 würden demnach nur solche Geschäftsführungen fallen, die mit diesem Willen kompatibel sind. Demgegenüber kennzeichnet die Geschäftsführersicht den präsumtiven Willen des Geschäftsherrn. Nach dieser Sicht könnten von § 677 HS. 1 auch solche Geschäftsführungen umfasst sein, die dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn widersprechen. Abzustellen ist dennoch auf den wirklichen bzw. empirischen Willen des Geschäftsherrn. Diese Schlussfolgerung ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 677 HS. 1, jedoch aus dem des § 679. Nach der richtigen Auffassung bezieht sich § 679 in seiner entsprechenden Anwendung auf die Übernahme des Geschäfts (§§ 683 S. 2, 679), in seiner direkten Anwendung sowohl auf die Durchführung des Geschäfts (§ 677 HS. 2), als auch auf die obligationsbegründe Norm nach § 677 HS. 1. Der zuletzt genannte Bezug ist historisch und systematisch angezeigt161. Er ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 679, der ebenso wie der Titel der Obligation nach §§ 677 ff. („Geschäftsführung ohne Auftrag“), von der „Geschäftsführung“ spricht. Nach § 679 kommt ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn (ausnahmsweise) nicht in Betracht, wenn öffentliche Interessen oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht betroffen sind. Im Umkehrschluss kommt demnach der Wille des Geschäftsherrn grundsätzlich in Betracht. Aufgrund seiner Beziehung zu § 677 HS. 1 muss demnach auch beim letzteren der wirkliche Wille 159 Zur „Vertretung“: http://www.duden.de/rechtschreibung/Vertretung#Bedeutung1, Stand: 26. 01. 2017 und dem Synonym „Interessenvertretung“: http://www.duden.de/rechtschrei bung/Interessenvertretung, Stand: 01. 02. 2019. 160 Im Ergebnis ebenso Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 78. 161 Dazu im Detail Kapitel 5, H., I., S. 253 ff.
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des Geschäftsherrn beachtlich sein. Maßgebend ist folglich die Geschäftsherrnsicht. Auf diese stellt die zweigliedrige subjektive Theorie ab. Dagegen ist die Subordinationstheorie von Bergmann in zweifacher Hinsicht zu bemängeln. Entscheidend ist nicht der präsumptive Wille, also nicht die Geschäftsführersicht162. Die Ermittlung dieses Willens kann sich auch nicht nach dem sozialen Sinn der Geschäftsführertätigkeit beurteilen. Diese Ermittlung geht stark in Richtung der oben genannten objektiven Theorie. Dagegen drückt diese Auslegung den Charakter des echten Subordinationsverhältnisses aus.
3. Teleologische Auslegung Unter den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden kommt der teleologischen Auslegung ein Vorrang zu163. Im Zuge dieser Auslegung wird das „telos“164, also das Ziel, der Zweck der gesetzlichen Regelung ermittelt. Dafür bedarf es der Analyse der Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Maßgebend ist also der aus der historischen Perspektive zum Ausdruck gekommener Wille des Gesetzgebers, wobei die herrschende subjektiv-historische Auslegung zugrundezulegen ist. Dies wurde bereits bei der historischen Analyse gemacht, womit deutlich wird, dass die historische Analyse mit der teleologischen Auslegung Hand in Hand geht, die Grenzen zwischen den beiden Methoden demnach verfließen. Hier empfiehlt es sich die zweigliedrige subjektive Theorie noch anhand den von Wittmann herausgearbeiteten Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu überprüfen. Es ist der große Verdienst der Habilitationsschrift von Wittmann diese als Bewertungsgrundlage zur Obligation der Geschäftsführung ohne Auftrag formuliert zu haben, wobei Wittmann, ihm später folgend auch Bergmann, vom sozialen Phänomen der Tätigkeit im fremden Interesse165 ausgingen, das die Geschäftsführung ohne Auftrag zu regeln bestimmt ist. Wittmann postulierte, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag eine „freiwillig-uneigennützige Tätigkeit“166 sein soll, womit er sich der klassischen Theorie von der Menschenhilfe deutlich näherte. Bergmann entfernte sich überzeugenderweise von der Menschenhilfe, verzichtete auf den Gedanken des „sozialen Sinns der Tätigkeit“ jedoch nicht und integrierte diesen ebenfalls in das Merkmal der 162 Anders
Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 79. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 344: soweit die grammatikalische und systematische Auslegung zu verschiedenen Auslegungsergebnisse führen, ist das Ergebnis vorzuziehen, das der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der betreffenden Norm am ehesten gerecht wird (historisch-teleologische Auslegung) und im äußersten Fall ist auf die objektiv-teleologische Auslegung zurückzugreifen, die auf die objektiven Zwecke des Rechts, nämlich die Strukturen des geregelten Sachbereichs und die rechtsethischen Prinzipien, die hinter einer Regelung stehen, abstellen, dazu. S. 333. 164 Griechisch. 165 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 1. 166 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 1. 163
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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Fremdgeschäftsführungsabsicht des Geschäftsführers. Dennoch sind die von Wittmann herausgearbeiteten Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag nützlich, da diese berechtigterweise an die systematische Stellung dieses Instituts unter anderen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen, an die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen der Vorschriften der §§ 677 ff. anknüpfen.
a) Schadloshaltungsfunktion Durch das Schuldverhältnis der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag soll der Geschäftsführer schadlos gestellt werden. Dies wird durch den Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 gewährleistet. Dabei handelt es sich um einen Anspruch auf Kostenersatz und nicht um einen Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung167. Der Geschäftsführer soll durch die Geschäftsführung nichts gewinnen, aber auch nichts verlieren168. Der Aufwendungsersatzanpruch nach § 683 S. 1 ist vom Übernahmewillen des Geschäftsherrn abhängig. Dieser kennzeichnet den konkreten Übertritt, also den Beginn der Geschäftsführung. Im Übernahmewillen sind demnach die den Beginn der Geschäftsführung konstituierenden Aspekte enthalten: (1) die Übernahme der Geschäftsbesorgung durch einen anderen an sich, (2) die Auswahl der attraktivsten Handlungsvariante (3) der Zeitpunkt und (4) der Ort der Geschäftsführung. Diese Aspekte machen jedoch nur vor dem Hintergrund des abstrakten Interesses Sinn, also erst dann, wenn der zu erreichende Endzustand formuliert ist. Hat der Geschäftsführer dem konkreten Interesse entsprochen, verdient er die Schadlosstellung. Hat er zwar das abstrakte, aber nicht das konkrete Interesse getroffen, wird er gem. § 684 S. 1 auf die Rechtfolgen der bereicherungsrechtlichen Haftung (§§ 818 ff.) verwiesen. Erst recht muss die gegenüber § 683 S. 1 i. V. m. § 670 nachteilige (§ 818 Abs. 3) bereicherungsrechtliche Haftung dann eingreifen, wenn der Geschäftsführer bereits das abstrakte Interesse verfehlte, also vollkommen interessenwidrig handelte. Durch die zweigliedrige subjektive Theorie zeichnet sich ein differenziertes System ab: yy bei einer Entsprechung sowohl mit dem abstrakten als auch dem konkreten Interesse (echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag) wird dem Geschäftsführer der vorteilhafte Anspruch aus § 683 S. 1 gewährt yy bei einer Entsprechung mit dem abstrakten aber der Verfehlung des konkreten Interesses (echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag) wird der Geschäftsführer nach § 684 S. 1 auf das Bereicherungsrecht verwiesen. Dieser Anspruch privilegiert ihn dahingehend, dass die Tatbestandsvoraus167 168
Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 1. Siehe Kapitel 2, B., I., 1, S. 12.
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setzungen der bereicherungsrechtlichen Kondiktionen nicht vorliegen müssen. Der Geschäftsherr muss insbesondere nichts i. S. v. § 812 Abs. 1 erlangt haben169 und er unterliegt auch keinen Konditionssperren nach §§ 814, 815, 817 S. 2. Es ist zwar eine unberechtigte, aber dennoch echte abstrakt-interessengemäße Geschäftsführung ohne Auftrag yy wird dagegen sowohl das konkrete als auch das abstrakte Interesse verfehlt, kann der Geschäftsführer die Herausgabe nur nach §§ 812 ff. direkt verlangen. Hier drohen dem Geschäftsführer die Kondiktionssperren und die Einrede der Entreicherung (§ 818 Abs. 3). Da es sich um eine vollkommen interessenwidrige Geschäftsführung handelt, ist eine solche risikobehaftete Haftung gerechtfertigt. Zusammengefasst ist die Schadloshaltung nur vor dem Hintergrund des abstrakten Interesses begründbar. Das konkrete Interesse kann es ohne das abstrakte Interesse nicht geben. Die Forderung des abstrakten Interesses auf der Ebene des § 677 HS. 1 fügt sich in das Rechtsfolgensystem der gesetzlichen Schuldverhältnisse ein und macht eine genaue Differenzierung möglich.
b) Abwehrfunktion Erst recht wird die zweigliedrige subjektive Theorie der Abwehrfunktion der Geschäftsführung ohne Auftrag gerecht. Mit dieser Funktion soll der Geschäftsherr unerwünschte Einmischungen in seine Angelegenheiten abwehren können170. Geschäftsführungen, die bereits außerhalb des abstrakten Interesses liegen, sind allesamt vom Geschäftsherrn unerwünscht, sodass sie alle zu unterlassen sind. Das gegenüber dem Bereicherungsrecht vorteilhafte Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag für den Geschäftsführer darf in diesem Fall gar nicht zur Anwendung gelangen. Dies wird durch die zweigliedrige subjektive Theorie sichergestellt. Wird die Obligation begründet, so sind in §§ 677 ff. mehrere Mechanismen zur Abwehr von konkreten Eingriffen vorgesehen. So steht dem Geschäftsführer nur dann ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 zu, wenn die Geschäftsführung dem Übernahmewillen des Geschäftsherrn entsprochen hat. Anstelle des Aufwendungsersatzanspruches wird der Geschäftsführer beim fehlenden Übernahmewillen auf den bereicherungsrechtlichen Anspruch nach §§ 684 S. 1 i. V. m. 818 ff. verwiesen. Dieser Anspruch enthält das Risiko der Entreicherung. Entsteht dem Geschäftsherrn durch die Übernahme ein Schaden, kann er Ersatz des entstandenen Schadens nach § 280 Abs. 1, 677, 683 S. 1 verlangen. Erforderlich dafür wird ein Verschulden des Geschäftsführers 169 Dabei ist das „Erlangte“ i. S. v. § 812 Abs. 1 nicht mit der Bereicherung im Rahmen von § 818 gleichzustellen. 170 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 2.
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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nach § 276 sein. Musste der Geschäftsführer erkennen, dass die Übernahme der Geschäftsführung mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht, so schuldet er gem. § 678 auch dann Schadensersatz, wenn ihm ein sonstiges Verschulden nicht zur Last fällt. Beim § 678 handelt es sich somit um eine Verschärfung gegenüber der allgemeinen Schadensersatzhaftung, wodurch der Schutz gegen unerwünschte Eingriffe verstärkt wird. Auch bei der Durchführung des Geschäfts können Schadensersatzansprüche des Geschäftsherrn nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 entstehen.
c) Legitimierungsfunktion Durch die bisherigen Ausführungen bereits beantwortet ist die Frage, ob die zweigliedrige subjektive Theorie der Legitimierungsfunktion der Geschäftsführung ohne Auftrag gerecht wird. Das ausgelöste Schuldverhältnis der echten (berechtigten) Geschäftsführung ohne Auftrag gewährt nach überwiegender, jedoch nicht unumstrittener Auffassung (1) dem Geschäftsführer ein Recht zum Besitz (2) bildet den Rechtsgrund für Vermögensverschiebungen nach § 812 Abs. 1, und (3) ist ein Ausschlussgrund für die Widerrechtlichkeit nach § 823. Andere bezweifeln die legitimierende Wirkung und regeln das zwischen den genannten gesetzlichen Schuldverhältnissen auftretende Kollisionsproblem nach dem Vorrang des einen gegenüber dem anderen Verhältnis. Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass eine legitimierende Wirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag anzuerkennen ist. Sodann wird jeweils herausgearbeitet, dass aufgrund dieser Wirkung auf ein Willenselement des Geschäftsherrn bei der obligationsbegründen Norm nicht verzichtet werden darf, so man einen Verstoß gegen den Begriff des Rechts zum Besitz im Recht des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 985 ff.), gegen das Rechtsgrundsystem im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.) und das System der Rechtfertigungsgründe im Deliktsrecht (§§ 823 ff.) vermeiden möchte.
aa) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 Das Verhältnis zwischen dem Recht des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses und dem Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag gilt bis heute als nicht abschließend geklärt171. Positionierungen gibt es dennoch. Die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag wird von der ganz überwiegenden Auffassung als ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 eingestuft172. Daraus folgt, dass 171 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 208; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, 57; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 12. 172 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 141; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 12; Schmidt, Die berechtigte Ge-
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
sie die §§ 985 ff. bereits tatbestandlich ausschließt. Dagegen soll die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag kein Recht zum Besitz sein. Lediglich Heinz misst beiden Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag tatbestandliche Legitimationswirkung bei173. Andere möchten in der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag dagegen ein Leistungsverweigerungsrecht174 sehen175. Dritte wiederum behandeln das Konkurrenzverhältnis zwischen §§ 677 ff. und §§ 985 ff. nach dem Grundsatz der Spezialität, wobei einige nur der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag176, Bergmann dagegen beiden Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag den Vorrang vor §§ 985 ff. beimessen177.
(1) Kollisionsprobleme Bevor auf das Verhältnis zwischen §§ 677 ff. und § 985 ff. eingegangen wird, gilt es zunächst festzustellen, wo überhaupt Kollisionsprobleme entstehen. Das gesetzliche Schuldverhältnis des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses wird nur dann ausgelöst, wenn eine Vindikationslage besteht. Erforderlich dafür ist die Eigentümerstellung des Anspruchsinhabers, die Besitzerstellung und fehlendes Besitzrecht des Anspruchsgegners. Die Voraussetzungen ergeben sich aus dem Zusammenspiel von § 985 und § 986. Die §§ 987 ff. hängen zusätzlich von der Bösgläubigkeit bzw. dem Verklagtseins des Besitzers ab.
schäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 156; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 677, Rn. 21; die Frage zwar auf der Tatbestandsebene betrachten, jedoch auf den Fremdgeschäftsführungswillen abstellend, Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 677, Rn. 82. 173 Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 318 ff., 324. 174 Baldus, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 986, Rn. 30. 175 Die Unterschiede ergeben sich dann nicht, wenn man das Recht zum Besitz i. S. v. § 986 ebenfalls als ein Leistungsverweigerungsrecht, so wie der Wortlaut es vorzugeben scheint („Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern“), qualifiziert. Sie ergeben sich aber dann, wenn man zum einen die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz einstuft und dieses zusammen mit der h. M. (Baldus, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 986, Rn. 58 ff.; Berger, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 986, Rn. 2; Spohnheimer, in: BeckOGK, 01. 07. 2018, § 986, Rn. 3; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 986, Rn. 1; Ebbing, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 986, Rn. 41.) als eine Einwendung begreift. Folgt man der ersten Auffassung, so wäre der Herausgabeanspruch des Eigentümers im Falle der Erhebung der Einrede zwar entstanden und nicht untergegangen, aber nicht durchsetzbar, und im Falle der letzteren herrschenden Auffassung, könnte man wiederum der Auffassung sein, dass (1) er entstanden, aber untergegangen, oder (2) gar nicht entstanden ist. 176 Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeß, 1970 Band 1, S. 313; Wolf, AcP 166, 1966, 166, 213 ff.; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, Vorbemerkungen, Rn. 18. 177 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 241; ders., Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 209.
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(a) § 985 Verwendet der Geschäftsführer bei der Geschäftsbesorgung für einen anderen eine Sache, die im Eigentum des Geschäftsherrn steht, ohne von dem Letzteren beauftragt oder sonst wie berechtigt zu sein, können die §§ 677 HS. 1 und 985 erfüllt sein. Es droht eine Kollision, freilich nur dann, wenn der Besitzer für einen anderen besitzt (Fremdbesitzer)178. Besitzt er für sich selbst, besteht kein Fremdgeschäftsführungswille. Indes ist diese Kollision aus der praktischen Perspektive weniger problembehaftet, als es scheint. Bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff.), ebenso wie beim Auftrag (§§ 662 ff.), so man der Ersteren eine tatbestandliche Legitimationswirkung in Form eines Rechts zum Besitz nach § 986 beimessen möchte, kann es sich nur um Rechte auf „Haben“, jedoch nicht um Rechte auf „Behalten“ handeln179. Dies ist dem Herausgabeanspruch aus § 681 S. 2 i. V. m. § 667 geschuldet. Es handelt sich demnach um unvollständige, nur der Vergangenheit zugewandten Rechte zum Besitz180. Die Vindikation nach § 985 kann folglich nicht aufgrund der Erfüllung der §§ 677 ff. ausgeschlossen werden. Dennoch, und diese Frage ist hier von grundlegenderer Bedeutung, ist der Besitz bis zum Herausgabeverlangen des Eigentümers rechtmäßig181. Außerdem ist der Besitz in Bezug auf die §§ 987 ff. bzw. §§ 994 rechtmäßig, sodass die Letzteren gar nicht zur Anwendung gelangen. Insofern kann die echte Geschäftsführung ohne Auftrag tatbestandliche Legitimationswirkung für die Vergangenheit entfalten, auch wenn sich daraus in Bezug auf die Herausgabepflicht keine praktischen Probleme ergeben. Die Frage des Rechts zum Besitz spielt dagegen in Bezug auf die §§ 987 ff. bzw. §§ 994 ff. eine weitaus größere Rolle.
(b) §§ 987 ff. aaa) Nutzungs- und Schadensersatzansprüche nach §§ 987 ff. Nach § 987 Abs. 1 ist der Besitzer verpflichtet, dem Eigentümer Nutzungen herauszugeben, die er nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit zieht, oder die er nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft ziehen könnte und es verschuldeterweise nicht tat (§ 987 Abs. 2). Das Gleiche gilt für den bösgläubigen Besitzer (§ 990 Abs. 1 S. 1). Bei einem unentgeltlichen Besitzer beschränkt sich die Haftung zwar auf Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen nach §§ 818 ff., sodass dem Eigentümer die Einrede der Entreicherung drohen könn178
Wolf, AcP 166, 1966, 166, 215 in Bezug auf die §§ 994 ff. zutreffend Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S: 185; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 986, Rn. 22. 180 Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S. 185. 181 Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S. 110; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 986, Rn. 22. 179 So
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te (§ 818 Abs. 3). Der unentgeltliche Besitzer haftet freilich auch auf Ersatz der bereits vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit gezogenen Nutzungen. Wird die Sache beschädigt oder geht sie gar unter, steht dem Eigentümer bei einem verklagten Besitzer ein Schadensersatzanspruch nach § 989, beim bösgläubigen Besitzer einer nach §§ 989, 990 Abs. 1 S. 1, bei späterer Kenntnis einer nach §§ 989, 990 Abs. 1 S. 2 zu. Eine Verzugshaftung bleibt dabei unberührt (§ 990 Abs. 2).
bbb) Unterschiede bei Tatbestand und Rechtsfolgen (1) Das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag sieht in § 681 S. 1 i. V. m. § 667 eine Pflicht des Geschäftsführers vor, alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Dazu zählen auch Nutzungen, aber eben nur solche, die tatsächlich gezogen wurden182. § 681 S. 1 i. V. m. § 667 wird demnach nur von § 987 Abs. 1 gedeckt. Hier ist ein erster Unterschied festzustellen. Freilich wird er dadurch relativiert, dass Nutzungen, die der Besitzer nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft ziehen könnte und es verschuldeterweise nicht tat (§ 987 Abs. 2), einen Verstoß gegen die Interessenwahrnehmungspflicht des Geschäftsführers darstellen könnten und sie im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 1 zu ersetzen wären183. Eine völlige Deckung ist jedoch aufgrund der nicht immer anzunehmenden Pflichtverletzung (diese richtet sich bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem Willen bzw. Interesse des Geschäftsherrn, die mit der „ordnungsgemäßen Wirtschaft“ genauso übereinstimmen wie auseinanderfallen kann) und der im Vergleich zu § 987 Abs. 2 zusätzlichen Voraussetzung eines Schadens nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 nicht stets anzunehmen. Somit können die beiden Ansprüche eine Schnittmenge bilden, müssen es jedoch nicht. (2) Der zweite Unterschied besteht beim unentgeltlichen Besitzer. Dieser schuldet dem Eigentümer nur den Ersatz von tatsächlich gezogenen Nutzungen (§ 988). Dagegen kann der Geschäftsführer, unabhängig von der Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit, gemäß §§ 280 Abs. 1, 677 ff. auch zum Ersatz von verschuldetermaßen nicht gezogenen Nutzungen verpflichtet sein. Für den unentgeltlichen Besitzer kann sich demnach eine strengere Haftung als nach § 988 ergeben. (3) Die Schadensersatzhaftung nach §§ 989, 990 bezieht sich zum einen nur auf die Beschädigung bzw. den Untergang der Sache. Diese Haftung kann es im Rahmen von §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 bzw. § 678 ebenso geben. Die §§ 677 ff. gehen jedoch darüber hinaus und regeln auch dann eine Schadensersatzhaftung, wenn (1) die Substanz der Sache nicht betroffen wird, sondern z. B. ihre interes182 183
Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 667, Rn. 9. So auch Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 58.
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senwidrige Verwendung bzw. Nutzung oder die Übernahme der Geschäftsführung als solche und (2) eine Haftung, wenn es gar nicht um die Sache, sondern um andere Aspekte der Geschäftsbesorgung geht. Insofern ist der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. deutlich weiter und umfassender. Die §§ 677 ff. regeln das Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsführer in ganz unterschiedliche, alle Aspekte der Geschäftsbesorgung betreffende Richtungen. Dagegen bezieht sich das Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem unberechtigten Besitzer nach §§ 987 ff. stets auf die betreffende Sache. Hier ist der dritte Unterschied zwischen §§ 677 ff. und §§ 987 ff. zu erkennen. Sicherlich kann im Rahmen der §§ 677 ff. als einem gesetzlichen Schuldverhältnis wie bei § 990 Abs. 2 auch eine Verzugshaftung eintreten. Hier können sich die Haftungen decken. (4) Schließlich kommt die Haftung nach §§ 987 ff. (außer beim unentgeltlichen Besitzer nach § 988) nur dann in Betracht, wenn der Besitzer auf die Herausgabe der Sache verklagt ist oder wenn er in Bezug auf das Recht zum Besitz bösgläubig ist. Die Rechtshängigkeit bzw. die Bösgläubigkeit steht, wie man annehmen könnte, jedoch nicht in einem Exklusivitätsverhältnis zum Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers. In der Regel wird der Geschäftsführer sogar wissen, dass ihm vor der Geschäftsbesorgung kein Recht zum Besitz an der für die Geschäftsbesorgung betreffenden Sache zusteht, somit bösgläubig sein, und dennoch absichtlich für einen anderen tätig werden. Dies kann der Geschäftsführer auch dann tun, wenn er auf die Herausgabe der Sache verklagt hat. Auch Lent erkannte früh, dass „der schlechte oder gute Glauben des Besitzers für die Geschäftsführung nicht in Betracht kommt, denn für diese ist nicht entscheidend, ob der Geschäftsführer seine Geschäftsführung für gerechtfertigt hielt, womit allenfalls der gute Glaube an sein Besitzrecht gebunden sein könnte, sondern ob sie es ist…die Unterscheidung entbehrt hier jeder Berechtigung, da der Geschäftsführer sein mangelendes Recht zum Besitz kennt, dennoch sich für berechtigt hält, die Sache für den Geschäftsherrn zu besitzen“184. Zwar wird hier in der Regel eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen, auf die jedoch nach zutreffender Auffassung die Regelungen der §§ 677–682 und der §§ 685–686 ebenfalls anzuwenden sind185. Andererseits können die Pflichten des Geschäftsführers nach §§ 677 ff. auch bei fehlender Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit bestehen. Insoweit geht der Anwendungsbereich auch hier viel weiter als der nach §§ 987 ff. Darin besteht der vierte Unterschied.
184 Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeß, 1970 Band 1, S. 312 f. 185 Vgl. Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), (d), ccc), S. 169.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
ccc) Ergebnis Insgesamt ist festzuhalten, dass die Regelungen nach §§ 677 ff. in der Regel (außer § 987 Abs. 2, der weiter reichen kann) deutlich weiter als die nach §§ 987 ff. gehen, diese daher in der Regel konsumiert werden. Diese Erkenntnis wird sogleich noch relevant werden. Die teils engeren Ansprüche sind stets der Interessenwidrigkeit des geschäftsführungsrechtlichen Handelns geschuldet.
(c) §§ 994 ff. aaa) Ersatz von notwendigen Verwendungen nach §§ 994 ff. und nach §§ 677 ff. Schließlich kann es zu Kollisionen zwischen §§ 994 ff. und §§ 683, 684 kommen. In den §§ 994 ff. wird zwischen den notwendigen und den nützlichen Verwendungen unterschieden. (1) Die notwendigen Verwendungen sind solche, die objektiv erforderlich sind, um die Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand einschließlich ihrer Nutzungsfähigkeit zu erhalten186. Sie können vom Eigentümer nach § 994 Abs. 1 S. 1 verlangt werden. Nach § 994 Abs. 1 S. 2 zählen die gewöhnlichen Erhaltungskosten nicht dazu. Hier ist der erste Unterschied festzustellen. Im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 683 S. 1 i. V. m. § 670 sind auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten umfasst. Sie sind nach § 670, bei dem das Verhältnismäßigkeitsprinzip anzulegen ist187, erforderlich. Insoweit geht der Begriff der Erforderlichkeit weiter als der der Notwendigkeit von Verwendungen nach § 994 Abs. 1. Andererseits kann im Falle des fehlenden Übernahmewillens des Geschäftsherrn der Herausgabeanspruch des Geschäftsführers nach § 684 i. V. m. §§ 818 ff. auch enger sein, da er sich lediglich auf die vorhandene Bereicherung erstreckt. (2) Die notwendigen Verwendungen, die ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit oder im Falle der Bösgläubigkeit des Besitzers getätigt werden, können nur nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangt werden (§ 994 Abs. 2). Bei § 994 Abs. 2 handelt es sich nach der ganz herrschenden und zutreffenden Auffassung um eine eingeschränkte, bzw. partielle Rechtsgrundverweisung188. Nicht erforderlich ist danach der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers. Die sonstigen Voraussetzungen nach § 677 HS. 1 sind dagegen zu verlangen. Der Übernahmewille entscheidet sodann, ob der Eigentümer nach § 683 oder nach § 684 haftet. Hier sind freilich in Bezug auf die 186
Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 994, Rn. 2 m. w. N. Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 13. Fritzsche, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 994, Rn. 57; Spohnheimer, in: Beck-OGK, 01. 07. 2018, § 994, Rn. 79; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 994, Rn. 23; Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S. 188. 187 188
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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Rechtsfolgen keine Unterschiede festzustellen. Liegt der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers vor, ist die Haftung nach §§ 677 ff. und nach § 994 Abs. 2 i. V. m. §§ 677 ff. identisch. Liegt er nicht vor, sind die §§ 677 ff. gar nicht ausgelöst. Eine Kollision ergibt sich nicht. Richtigerweise handelt es sich bei § 994 Abs. 2 um einen Fall der „angewandten GoA“189, also um den Fall, bei dem nicht alle Voraussetzungen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen müssen.
bbb) Ersatz von nützlichen Verwendungen nach § 996 und nach §§ 677 ff. Die nützlichen Verwendungen (§ 996) sind diejenigen, die nicht bereits von § 994 Abs. 1 umfasst werden, die jedoch den Sachwert zur Zeit der Wiedererlangung der Sache durch den Eigentümer noch tatsächlich erhöhen190. Der Anspruch besteht demnach auf Ausgleich der beim Eigentümer vorhandenen Werterhöhung191. Der Anspruch besteht außerdem nur bzgl. solcher Verwendungen, die vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit bzw. vor dem der Bösgläubigkeit gemacht wurden. Hier sind wiederum Unterschiede festzustellen. (1) Liegt der Übernahmewille des Geschäftsherrn vor, kann der Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 i. V. m. § 670 weiterreichen als der nach § 996, weil der erstere sich nicht auf die noch vorhandene Bereicherung beschränkt, sondern alle Aufwendungen umfasst, die ex-ante betrachtet erfolgsversprechend waren, auch wenn sie sich im Ergebnis als erfolgslos entpuppt haben. Liegt dagegen der Übernahmewille nach § 683 S. 1 nicht vor, so beschränkt sich der Anspruch des Geschäftsführers auf die noch vorhandene Bereicherung (§ 684 S. 1 i. V. m. §§ 818 ff.). Hier sind die Ansprüche identisch. (2) Außerdem ist noch der Unterschied bzgl. solcher Aufwendungen festzustellen, die bei Rechtshängigkeit bzw. bei Bösgläubigkeit des Geschäftsführers getätigt wurden. Diese stehen dem Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers nicht entgegen (s. o.). Ist die Rechtshängigkeit eingetreten oder liegt eine Bösgläubigkeit des Geschäftsführers vor, können sich dennoch Ansprüche aus §§ 677, 683, 684 ergeben. Auch hier gehen die §§ 677 ff. weiter. Ansprüche nach § 996 sind dagegen ausgeschlossen.
ccc) Ergebnis Im Ergebnis ist demnach auch hier festzuhalten, dass die §§ 677 ff. in der Regel weiterreichen als die nach §§ 994 ff. Die teils engeren Ansprüche aus §§ 677 ff. 189 Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S. 187; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 994, Rn. 23. 190 Raff, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 996, Rn. 3; Fritzsche, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 996, Rn. 6. 191 Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 996, Rn. 2.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
sind auch hier der Interessenwidrigkeit des geschäftsführungsrechtlichen Handelns geschuldet.
(2) Legitimationswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag im Rahmen des Rechts des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 986 ff.) Resümierend kann demnach festgehalten werden, dass es durchaus Unterschiede beim Tatbestand sowie Rechtsfolgen zwischen §§ 985 ff. und §§ 677 ff. gibt. Daher bedarf das Verhältnis zwischen beiden Instituten einer Klärung.
(a) Historie Nach überwiegender und richtiger Auffassung stellt das Recht zum Besitz (§ 986) eine rechtshindernde Einwendung dar (s. o.). Liegt ein Recht zum Besitz vor, sind die §§ 985 ff. ausgeschlossen und die Herausgabe sowie der Ausgleich von Schäden, Nutzungen, Verwendungen nach dem jeweiligen das Besitzrecht vermittelnden Verhältnis vorzunehmen. Dies bestätigen auch die Motive der 1. Kommission: „Steht dem Vindikationsbeklagten ein Recht an der Sache zu, nach dessen Inhalt er zu der Inhabung der Sache befugt ist, so geht sein Recht dem Rechte des Eigentümers vor“192
Dabei bestimmte § 942 E-1, dass der „Anspruch auf Herausgabe ausgeschlossen ist, wenn der Besitzer oder Inhaber auf Grund eines Rechts an der Sache oder auf Grund einer ihm gegen den Eigenthümer zustehenden Forderung berechtigt ist, die Sache zu behalten“193. Zwar bestimmte § 900 Abs. 2 E-2, grammatikalisch abweichend, dass der Besitzer die Herausgabe der Sache im Falle eines vorhandenen Besitzrechts „verweigern“ kann194. Eine inhaltliche Änderung hin zur Qualifizierung des Besitzrechts als eine Einrede war damit freilich nicht vorgesehen. Entgegenstehende Besitzrechte haben demnach eine tatbestandliche Konsequenz. Die Herausgabe, Ausgleich von Schäden, Ersatz von Nutzungen und Verwendungen sind allesamt in den §§ 677 ff. geregelt. Insofern handelt es sich bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag um ein Institut, welches alle die im Eigentum des Geschäftsherrn stehende Sache betreffenden Aspekte eigenständig regelt und noch darüber hinausgeht. Andererseits enthalten die §§ 677 ff. im Unterschied zu §§ 985 ff. differenzierte Regelungen bzgl. der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, indem sie einen solchen Geschäftsführer z. B. teilweise einer strengeren Haftung aussetzten. Diese Erkenntnis drängt auf die tatbestandliche Lösung hin. 192 193
Mugdan III, 1899, S. 235. Mugdan III, 1899, S. XXXVI. 194 Mugdan III, 1899, S. XXXVI.
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
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(b) Auftragsrechtliche Rechte- und Pflichtenstruktur Ein Recht zum Besitz kann, wie sogleich noch ausführlicher dargestellt wird, dinglicher sowie obligatorischer Natur sein. Bei den Letzteren handelt es sich um Verträge, zu denen u. a. auch der Auftrag (§§ 662 ff.) zählt195. Dieser ist der Prototyp für alle Interessenwahrnehmungsverhältnisse196. Die auftragsrechtliche Rechte- und Pflichtenstruktur ist auf alle Subordinationsverhältnisse, abgesehen von den jeweiligen Spezifika dieser Verhältnisse, entsprechend anzuwenden. So sind auch die Vorschriften über die echte Geschäftsführung ohne Auftrag wesentlich dem Auftragsrecht nachgebildet. Zu diesen zentralen Vorschriften zählen die Interessenwahrnehmungspflicht nach § 677 HS. 2 (Durchführung) und nach § 683 S. 1 (Übernahme), die Benachrichtigungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nach § 681 S. 2 i. V. m. § 666, die Herausgabepflicht nach § 681 S. 2 i. V. m. § 667, die Verzinsungspflicht nach § 681 S. 2 i. V. m. § 668 und die Aufwendungsersatzpflicht des Geschäftsherrn nach § 683 S. 1 i. V. m. § 670. Lediglich der Schadensersatzanspruch nach § 678 und die selten zur Anwendung kommenden Vorschriften der §§ 679, 680, 681 S. 1, 682, 685, 686 haben einen GoA-spezifischen Niederschlag. Sie sind freilich alle dadurch motiviert, dass zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer naturgemäß eine vertragliche oder gesetzliche Grundlage („ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“) fehlt. Deshalb bedarf es auf der einen Seite Regelungen zur notwendigen Berücksichtigung des Geschäftsherrnwillens (§ 678), der sonst seine Beachtung in dieser Grundlage gefunden hätte. Damit wird dem Interesse des Geschäftsherrn, seine Angelegenheiten entsprechend seinen Vorstellungen auszuführen, genüge getan. Andererseits wird der zu weit gehende Geschäftsherrnwille dann beschränkt, wenn etwa öffentliche Belange (§ 679) in Rede stehen oder wenn das Geschäft zur Gefahrenabwehr ausgeführt wird (§ 680). Damit wird den Interessen der Allgemeinheit entsprochen. Auch § 681 S. 1 kann nur vor dem Hintergrund der fehlenden Berechtigung verstanden werden. Die Anzeige- und Wartepflicht nach § 681 S. 1 macht nur dann Sinn, wenn der Geschäftsherr von der Geschäftsführung keine Kenntnis hat, wenn er also keinen Vertrag mit dem Geschäftsführer geschlossen hat. Resümierend ist demnach festzuhalten, dass die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Ersatzinstitut an die Stelle des fehlenden Auftrags oder fehlender Berechtigung tritt. Insofern erscheint es widersprüchlich, wenn man dem Auftrag eine legitimierende Kraft bzgl. der §§ 987 ff. und §§ 994 ff. (bei § 985 jedenfalls bis zum Herausgabeverlangen) beimisst, einem im Wesentlichen identischen Institut der echten Geschäftsführung ohne Auftrag dagegen 195 Fritzsche, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 986, Rn. 6; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 986, Rn. 22: der Besitz sei jedenfalls rechtmäßig. 196 Vgl. dazu im Detail Kapitel 5, K., II., S. 285 ff.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
nicht197. Diese Schlussfolgerung gilt dabei sowohl für die echte berechtigte als auch für die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Auf diese sind die §§ 677–682 bzw. §§ 685, 686 auch anzuwenden.
(c) § 681 S. 2 i. V. m. § 667 § 681 S. 2 i. V. m. § 667 erweist in diesem Zusammenhang eine besonders große Hilfe. Der Geschäftsführer ist nicht nur verpflichtet, alles, was er durch die Geschäftsführung erlangt, dem Geschäftsherrn herauszugeben. Denklogisch ist er verpflichtet das Erlangte zunächst zu besitzen. Es liegt folglich eine Pflicht zum Besitz vor198. Wenn es eine Pflicht zum Besitz gibt, müsste es notwendigerweise ein Recht zum Besitz geben, denn das Gesetz kann bei der Auferlegung einer Besitzpflicht nicht zugleich ein Besitzrecht verweigern. Auch dies deutet auf eine tatbestandliche Lösung hin.
(d) Geschäftsführung ohne Auftrag als ein umfassend regelndes Institut Überzeugend ist außerdem der vereinzelt vorgenommene Vergleich zwischen den Funktionen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag und dem Recht des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses199. Die Erstere beschreibt ein Verhältnis der fremdnützigen Interessenwahrnehmung des Geschäftsführers für einen anderen, der es an einem Auftrag oder sonstiger Berechtigung fehlt200. Die Funktion der §§ 985 ff. besteht dagegen darin, den ungestörten Besitz und die ungestörte Nutzung/Verwendung der im Eigentum stehenden Sache zu schützen201. Insoweit beschränken die §§ 987 ff. das Verhältnis der Beteiligten (Eigentümer/ Besitzer) ausschließlich auf den Aspekt der betreffenden Sache202. Dagegen regeln die §§ 677 ff. umfassend das Verhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer (s. o.). Dass die echte Geschäftsführung ohne Auftrag einen über den Schutz der §§ 985 ff. hinausgehenden Regelungsbereich hat, sieht man bereits daran, dass § 681 eigenständige Anzeige-, Warte-, Benachrichtigungs-, Auskunfts-, Rechenschafts- und Verzinsungspflichten und insbesondere § 677 HS. 2 und § 683 S. 1 Interessenwahrnehmungspflichten bereithält, die in §§ 985 ff. nicht vorgesehen sind. Auch einen eigenständigen 197 So i. E. auch Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeß, 1970 Band 1, S. 312 f.; Wolf, AcP 166, 1966, 166, 216; Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 155 ff. 198 Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S. 184 f. 199 Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S. 189 ff.; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 320 ff. 200 Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971. S. 189. 201 Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 321. 202 Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 321.
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Herausgabeanspruch sieht das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag in § 681 S. 2 i. V. m. § 667 vor. Insbesondere der Schadensersatzanspruch nach § 678, der streng ausgestaltet ist, findet kein Äquivalent in den §§ 985 ff. Andererseits sieht § 680 eine Privilegierung des Geschäftsführers bzgl. seines Verschuldensmaßstabes bei dringenden Geschäften vor. Beide Regelungen und die bereits genannten Ausprägungen des Subordinationscharakters der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zeichnen ein sehr differenziertes Bild, welches durch die Anwendung der §§ 985 ff. umgangen wäre203. Das in § 986 vorgesehene Einfallstor für solche das Besitzrecht vermittelnde Verhältnisse wird demnach auch durch die Funktionsanalyse unterstützt.
(e) Die Nähe des echten unberechtigten Geschäftsführers zum „Nicht-so-berechtigten-Besitzer“ Gegen die Qualifizierung der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 wird eingewandt, dass sie pflichtund interessenwidrig sei, demnach auch kein Besitzrecht vermitteln könne204. Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht. Die Frage des Bestehens eines Besitzrechts und die der pflichtmäßigen bzw. ordnungsmäßigen Nutzung eines bereits bestehenden Besitzrechts sind zu unterscheiden. Die §§ 985 ff. sind dann anwendbar, wenn das Recht zum Besitz nicht besteht. Besteht dagegen ein Besitzrecht und wird jenes pflichtwidrig genutzt, ist dies die Frage des jeweiligen Verhältnisses, so dieses die Rechtsfolgen einer ordnungswidrigen Nutzung vorsieht. Entscheidend ist somit, ob (1) das jeweilige Verhältnis ein Besitzrecht gewährt und (2) Rechtsfolgen für seinen pflichtwidrigen Gebrauch vorsieht205. Die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt beide Voraussetzungen. Sie gewährt ein Besitzrecht (s. o.). In ihr werden durch die §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 und § 678 auch die Rechtsfolgen einer pflicht- und interessenwidrigen Nutzung geregelt. Insoweit steht der echte unberechtigte Geschäftsführer dem „Nicht-so-berechtigten-Besitzer“ gleich. Bei dem Letzteren liegt auch ein Besitzrecht vor, der Besitzer nutzt dieses indes in pflichtwidriger Weise – ein Fremdbesitzerexzess. Auch der „Nicht-so-berechtigte-Besitzer“ fällt nach zutreffender h. M. nicht in den Anwendungsbereich der §§ 985 ff.206.
203 Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S. 191 f. 204 Spohnheimer, in: Beck-OGK, 01. 07. 2018, § 986, Rn. 47; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 677, Rn. 21; Fritzsche, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 986, Rn. 10. 205 Raiser, JZ 1961, 529, 530; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 320. 206 Fritzsche, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 987, Rn. 15; Raff, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, Vor § 987, Rn. 21 ff.; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, Vorbem zu §§ 987– 993, Rn. 16 ff.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Das Gleiche müsse konsequenterweise auch für den echten unberechtigten Geschäftsführer gelten.
(f) Ergebnis Im Ergebnis ist die tatbestandliche Lösung vorzuziehen. Die §§ 677 ff. erfüllen alle Voraussetzungen zur Regelung einer im Eigentum des Geschäftsherrn stehenden Sache und gehen mit ihren ausdifferenzierten Regelungen, insbesondere beim echten unberechtigten Geschäftsführer, darüber hinaus. Sie erfüllen demnach alle für ein Recht zum Besitz im Rahmen von §§ 985 ff. erforderlichen Aspekte. Die Pflicht zum Besitz nach §§ 681 S. 2, 677 und die auftragsähnliche Haftungsstruktur drängen auf dieses Ergebnis hin. Somit begründet sowohl die echte berechtigte als auch die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ein Recht zum Besitz i. S. v. §§ 985 ff. Nun gilt es zu analysieren, ob die obligationsbegründende Norm des § 677 HS. 1 auch dem Begriff des Rechts zum Besitz gerecht wird.
(3) Wirkung und Entstehungsgründe für das Recht zum Besitz i. S. v. § 986 Gem. § 986 Abs. 1, S. 1 muss der Besitzer „dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt sein“. Für den Fall, dass der Besitzer seinen Besitz nicht direkt vom Eigentümer, sondern von einem Dritten „ableitet“, muss wiederum der Dritte, der als mittelbarer Besitzer (§ 868) einzuordnen ist, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt sein (§ 986 Abs. 1, S. 2). Zwischen dem Besitzer und dem Eigentümer muss demnach eine ununterbrochene Besitzrechtskette bestehen207. Bricht die Kette nur an einer Stelle ab, hört sogleich auch das Recht zum Besitz auf zu existieren208. Da eine solche Kette beim Rechtsnachfolger des Eigentümers nicht gewährleistet ist und der Besitzer auf den Eigentumsübergang durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931) keinen Einfluss nehmen kann, sah sich der BGB‑Gesetzgeber gezwungen § 986 Abs. 2 einzuführen. Danach kann der Besitzer auch dem Rechtsnachfolger sein Recht zum Besitz entgegenhalten.
(a) Wirkung des Rechts zum Besitz Mit dem Merkmal „gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt zu sein“ ist zum einen die Wirkung des Besitzrechts beschrieben. Abhängig von der Art des Besitzrechts unterscheidet sich auch seine wirkende Kraft. Es gibt zum einen absolute Besitzrechte, also solche, die gegenüber jedermann, inter omnes wirken. Zum anderen gibt es relative Besitzrechte, also solche, die nur gegen207 Baldus, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 986, Rn. 4; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 986, Rn. 36 ff. 208 Baldus, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 986, Rn. 4.
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über dem Vertragspartner, also relativ, inter partes wirken. Wichtig für § 986 ist, dass die Wirkung jedenfalls den Eigentümer miterfasst. Bei absoluten Rechten ist dies unproblematisch der Fall. Bei relativ wirkenden Besitzrechten ist die „lückenlose Besitzrechtsbrücke“209 dagegen nicht immer vorhanden.
(b) Entstehungsgründe Mit der Wirkung des Rechts zum Besitz ist aber noch nicht die Frage geklärt, wo das Recht zum Besitz seinen Ursprung nimmt, was also der Rechtsgrund für das Entstehen des Rechts zum Besitz i. S. v. § 986 ist. Die meisten absoluten Rechte haben ihren Entstehungsgrund in einem dinglichen Rechtsgeschäft. So etwa die beschränkt dinglichen Rechte, wie Pfandrechte, Erbbaurechte, Anwartschaftsrechte, Nießbrauch oder dingliche Wohnrechte. Es gibt andererseits auch absolute Rechte, die entweder nur mittelbar auf ein dingliches Rechtsgeschäft oder nicht auf ein dingliches Rechtsgeschäft, sondern auf die gesetzlichen Regelungen zurückzuführen sind. So berechtigt etwa § 1353 die Ehegatten zum Mitbesitz an allen Haushaltsgegenständen und an der Ehewohnung210, und zwar unabhängig davon, ob etwa der eine Ehegatte dem anderen Ehegatten das Recht zum Besitz verschafft hat. Das Recht zum Mitbesitz resultiert aus der gesetzlichen Regelung des § 1353. Diese wird freilich nur dann ausgelöst, wenn eine Eheschließung vorliegt, die ihrerseits ein einvernehmlicher, rechtsgeschäftlicher Akt der Ehegatten ist. Insofern ist auch in diesem Fall der Ursprung des Besitzrechts mittelbar im Willen der Beteiligten begründet. Andererseits gibt es absolute Besitzrechte, die völlig unabhängig vom dinglichen Rechtsgeschäft und damit auch vom Willen des Eigentümers entstehen, also dann, wenn das Gesetz dies anordnet. Zu nennen wäre etwa der Testamentsvollstrecker nach § 2205, der nicht vom Erben, sondern entweder vom Erblasser (§ 2197) oder von einem Dritten, den der Erblasser ernannt hat (§ 2198) oder etwa vom Nachlassgericht (§ 2200) bestimmt wird. Auch der Nachlassverwalter (§ 1985), der vom Nachlassgericht (§ 1981 Abs. 1), oder der Insolvenzverwalter nach § 148 InsO, der vom zuständigen Richter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) bestimmt wird, zählen zu dieser Gruppe. Relative Besitzrechte beruhen dagegen immer auf einem Rechtsgeschäft. Dieses Rechtsgeschäft besteht entweder direkt zwischen dem Besitzer und dem Eigentümer oder zwischen dem Besitzer und einem Dritten, der dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Dieser mittelbare Besitzer kann dem Eigentümer gegenüber seinerseits aufgrund eines absoluten rechtsgeschäftlichen oder absoluten gesetzlichen Rechts zum Besitz berechtigt sein. Insofern 209 210
Baldus, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 986, Rn. 4. Baldus, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 986, Rn. 15; Spohnheimer, in: BeckOGK, 01. 07. 2018, § 986, Rn. 41; Gursky, in: Staudinger, Neub., 2012, § 986, Rn. 23.
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gilt in Bezug auf den Entstehungsgrund das zu den absoluten Rechten bereits Gesagte. Er kann aber auch aufgrund eines relativen Besitzrechts zum Besitz berechtigt sein. In diesem Fall ist die Besitzrechtsbrücke vollständig relativ ausgestaltet.
(4) Das Recht zum Besitz „aus dem Eigentum“ Unabhängig davon, welche Entstehungsgründe zugrunde liegen, stammen alle Besitzrechte gegenüber dem Eigentümer aus seinem Eigentumsrecht. Der Anspruch aus § 985 hat seine Wurzel im Eigentum als Recht zum Besitz211 und gehört auch seiner Natur nach notwendig zum Eigentumsinhalt212. Auch v. Gierke erkannte, dass das dingliche Recht zum Besitz vom Kläger des § 985 oder einem Vorgänger des Klägers eingeräumt sein muss, während das obligatorische Recht vom Kläger selbst stammen müsse213. Andererseits muss die Obligation zwischen dem Eigentümer und dem mittelbaren Besitzer (§ 868), gegenüber dem der unmittelbare Besitzer den Besitz mittelt, die Erlaubnis zur Weiterleitung des Rechts zum Besitz, etwa in Form einer Untermiete (§§ 540, 553), an den unmittelbaren Besitzer enthalten, sodass das obligatorische Recht zum Besitz mittelbar auf den Eigentümer zurückzuführen ist. Am deutlichsten in diesem Zusammenhang hat sich Scherk, die sehr früh das Recht zum Besitz als eine Einwendung und nicht als eine Einrede begriff, geäußert. So führte sie in Bezug auf das dingliche Recht zum Besitz aus, dass das Eigentum etwa durch die Bestellung des Nießbrauchs „um das Recht zum gegenwärtigen unmittelbaren Besitz gemindert [werde], und die Vindikation des Eigentümers … grundsätzlich nur darauf gerichtet sein [könne], daß das Grundstück dem Nießbraucher eingeräumt werde“214. Jedes dingliche Recht mindere während seines Bestandes demnach das Eigentum um die entsprechende Befugnis215. Die Besitzbefugnisse werden zeitweise aus dem Eigentum auf einen anderen übertragen216. Bezüglich der relativen Besitzrechte nahm Scherk keine „Minderung“ des Eigentumsrechts um des Rechts zum Besitz, sondern eine „Verwandlung“ an, da in allen Fällen, in denen ein besitzvermittelndes Schuldverhältnis ein dem Eigentümer gegenüber wirksames Recht zum Besitz begründe, sich die Behauptung darauf beziehe, daß das im Eigentum enthaltene Recht zum Besitz sich für die Dauer des fremden Besitzrechts in ein Recht zum mittelbaren Besitz verwandele217. Der Eigentümer übe sein Recht zum Besitz durch den Besitz 211
Westermann, Sachenrecht, 8. Aufl., 2011, § 29, Rn. 3, 11. Diederichsen, Das Recht zum Besitz aus Schuldverhältnissen, 1965, S. 4. Gierke, Sachenrecht, 2. Aufl., 1928, § 36, S. 76. 214 Scherk, JherJb 67 (1917), 301, 301, 321. 215 Scherk, JherJb 67 (1917), 301, 301, 324. 216 Scherk, JherJb 67 (1917), 301, 301, 333. 217 Scherk, JherJb 67 (1917), 301, 301, 337. 212 213
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des Nichteigentümers218. Auch wenn der Besitzer sein Recht zum Besitz nicht direkt vom Eigentümer ableite, sondern von einem Dritten, so sei erforderlich, dass dieser Dritte seinerseits dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt sei219. Noch früher als Scherk sah Siber, der die Frage untersuchte, ob neben den dinglichen Besitzrechten auch obligatorische Besitzrechte ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 begründen können, den direkten Zusammenhang zwischen dem Eigentumsrecht nach § 903 und dem aus diesem abgeleiteten Recht zum Besitz nach § 986. So führte er aus, dass der Eigentümer dann nicht zur Rückforderung seiner Sache „befugt“ sei, wenn dem Besitz Rechte Dritter i. S. v. § 903 S. 1 entgegenstehen, weshalb dingliche Besitzrechte auch nicht als bloße Einreden, sondern als Einwendungen anzusehen wären220. Den Unterschied zwischen den dinglichen und den obligatorischen Besitzrechten sah er nur darin, dass bei den ersteren das Recht des Eigentümers seine Grenzen in § 903 S. 1 finde, während bei den letzteren dieses Recht nicht durch § 903 S. 1, sondern durch die dem Eigentümer obliegende obligatorische Duldungspflicht begrenzt werde221. In diesem Punkt muss Siber widersprochen werden. Alle Beschränkungen des Eigentumsrechts sind in § 903 S. 1 verortet. Zum einen in den Merkmalen „das Gesetz“ und „Rechte Dritter“ i. S. v. § 903 S. 1. Das sind gesetzliche Beschränkungen, bei denen dem Willen des Eigentümers keine Rücksicht geschenkt wird. Andererseits kann der Eigentümer selbst willentlich sein Eigentumsrecht beschränken, indem er einem Dritten ein dingliches oder obligatorisches Recht zum Besitz kraft seiner aus dem Eigentumsrecht nach § 903 abgeleiteten Ausschluss- und Nutzungsfunktion verleiht. Zuzustimmen ist dagegen dem aufgezeigten Zusammenhang zwischen § 903 und § 986, auf den nun näher einzugehen ist.
(5) Verfügung über das Eigentumsrecht Wenn das Recht zum Besitz i. S. v. § 986 aus dem Eigentumsrecht resultiere, so wäre nun zu analysieren, wie es zur Übertragung des Rechts zum Besitz kommt. In §§ 903 ff. ist der Inhalt des Eigentums geregelt. Dabei geht der Gesetzgeber vom absoluten Grundsatz aus, dass der Eigentümer einer Sache „mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann“. Eigentum ist demnach ein umfassendes Herrschaftsrecht, was man
218 219
Scherk, JherJb 67 (1917), 301, 301, 337. Scherk, JherJb 67 (1917), 301, 301, 337 ff. 220 Siber, Der Rechtszwang im Schuldverhältniss nach Deutschen Reichsrecht, 1903, S. 134. 221 Siber, Der Rechtszwang im Schuldverhältniss nach Deutschen Reichsrecht, 1903, S. 135.
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an einer Sache haben kann222. Es verleiht dem Eigentümer eine umfassende Ausschluss- und Nutzungsbefugnis. Dennoch ist das Eigentumsrecht nicht schrankenlos. Es wird durch „das Gesetz und Rechte Dritter“ begrenzt. Der aufgestellte Grundsatz von einem umfassenden Herrschaftsrecht wird demnach ausnahmsweise durch gesetzliche Beschränkungen und Rechte Dritte durchbrochen. Bei der materiellen Beschreibung des Eigentums als das umfassende Herrschaftsrecht über eine Sache empfiehlt sich eine negatorische Vorgehensweise223. Die positive Charakterisierung des Eigentumsrechts hat den Nachteil, dass man kaum alle Nutzungs- und Verwertungsrechte einer im Eigentum stehenden Sache erfassen kann. Ganz zu schweigen davon, dass zum Eigentum nicht nur Rechte auf Nutzung und Verwertung, sondern auch Rechte auf Nichtnutzung und Nichtverwertung zählen. Im Rahmen der negatorischen Charakterisierung kann das Eigentumsrecht als eine Möglichkeit, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren beschrieben werden, die grundsätzlich nur dem Eigentümer zusteht224. Es hängt damit vom Willen des Eigentümers ab, was mit der Sache geschieht. Bereits Windscheid beschrieb das Eigentum wie folgt: „Daß aber jemandem eine Sache nach dem Rechte eigen ist, will sagen, daß nach dem Rechte sein Wille für sie entscheidend ist in der Gesamtheit ihrer Beziehungen … Das Eigentum ist die Fülle des Rechts an der Sache. … Es ist die Negation der Beschränkung“225.
Auch die 2. Kommission führte in ihren Protokollen aus: „Am angemessensten werde der positive Inhalt des Eigenthumes mit dem Entw. als das Recht bezeichnet, mit der Sache nach Willkür zu verfahren. Auch die Worte ‚nach Willkür‘ seien an sich zutreffend, denn sie besagten, richtig verstanden, nur, daß die Rechtsordnung, von den durch Gesetz oder Rechte Dritter begründeten Schranken abgesehen, dem Willen des Eigenthümers keine Beschränkung auferlege“226.
Was mit der Sache geschieht, welche Rechte an dieser Sache einem Dritten übertragen werden, entscheidet grundsätzlich der Eigentümer. In Bezug auf das Recht zum Besitz an einer Sache bedeutet dies, dass auch diese Entscheidung grundsätzlich dem Eigentümer vorbehalten ist. Daher verwundert es nicht, dass zu den Besitzrechten i. S. v. § 986 vor allem rechtsgeschäftliche, dingliche und relative Rechte, also solche Rechte, die grundsätzlich ohne einen Willensakt des Eigentümers nicht begründet werden können, zählen.
222 Diese Definition wird auf Martin Wolff zurückgeführt, Wolff, Sachenrecht, 9. Aufl., 1932, § 51, S. 134; vgl. dazu Lehmann, Sachherrschaft und Sozialbindung?, 2004, S. 45 ff. 223 So auch Lehmann, Sachherrschaft und Sozialbindung?, 2004, 49. 224 Lehmann, Sachherrschaft und Sozialbindung?, 2004, 49. 225 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 6. Aufl., 1887 Band 1, § 167, S. 559–560. 226 Mugdan III, 1899, S. 578.
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Andererseits wird dieser Grundsatz dann durchbrochen, wenn Rechte Dritter, wie etwa das Nachbarschaftsrecht, oder das Gesetz entgegenstehen. Sie schränken das Eigentumsrecht und damit auch die Maßgeblichkeit des Eigentümerwillens ein. In Bezug auf das Recht zum Besitz können hier die gesetzlichen Besitzrechte herangeführt werden, etwa das Besitzrecht des Insolvenzverwalters oder das des Zwangsvollstreckers (§§ 152 ff. ZVG). Ihnen wird der Eigentümer das aus seinem Eigentum stammende Besitzrecht regelmäßig nicht übertragen wollen. Zu diesen gesetzlichen Beschränkungen müssen auch die Tatbestände des gutgläubigen Erwerbs eines dinglichen Rechts zählen. Vom gutgläubigen Erwerb eines dinglichen Rechts, welches ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 gegenüber dem Eigentümer gewährt, wird der Eigentümer regelmäßig zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs entweder nichts wissen, d. h. dieser würde ohne seinen Willen stattfinden, oder gar gegen diesen Erwerb sein, d. h. dieser würde sich gegen den Willen des Eigentümers vollziehen. Diese gesetzlichen Einschränkungen des Eigentumsrechts können einem Dritten das Recht zum Besitz gewähren und stellen die Gruppe der gesetzlichen Besitzrechte im Rahmen von § 986 dar. Zusammenfassend ist aus diesen Ausführungen zu schlussfolgern, dass grundsätzlich der Wille des Eigentümers für alles, was mit einer Sache geschieht, maßgeblich ist. Demnach ist auch der Wille des Eigentümers dafür maßgeblich, ob ein anderer ein Besitzrecht an einer Sache i. S. v. § 986 erlangt. Ausnahmsweise ist der Wille des Eigentümers nicht maßgeblich, wenn Rechte Dritter oder das Gesetz entgegenstehen. Dieses System gilt unabhängig davon, welche rechtsdogmatische Qualifizierung das Recht zum Besitz i. S. v. § 986, ob als eine Einwendung oder als eine Einrede, erfährt. Vielmehr differieren abhängig von der rechtsdogmatischen Einstufung bloß die rechtlichen Wirkungen des Rechts zum Besitz (s. o.).
(6) Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Recht zum Besitz Will man die Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz qualifizieren, so muss sie in das erörterte System des Eigentumsrechts, aus dem das Recht zum Besitz i. S. v. § 986 stammt, eingegliedert werden. Dafür müsste die Geschäftsführung ohne Auftrag vom Eigentümer, der Geschäftsherr ist, grundsätzlich gewollt sein. Nur ausnahmsweise darf die Geschäftsführung ohne Auftrag auch dann ein Recht zum Besitz begründen, wenn der Wille des Geschäftsherrn entgegensteht, aber die Geschäftsführung ohne Auftrag das Merkmal „das Gesetz oder Rechte Dritter“ erfüllt. Diesem System werden die bisher ausgearbeiteten dogmatischen Konstruktionen bzgl. der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht gerecht, denn keine von ihnen, außer der Quasikontrakttheorie und der hier vertretenen zweigliedrigen subjektiven Theorie, verlangt auf der Ebene des § 677 HS. 1 ein Willensmoment
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des Geschäftsherrn. Dabei besteht an der Führung der Geschäfte für einen anderen grundsätzlich auch kein Bedürfnis. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als solche kann etwa nicht den Merkmalen „das Gesetz“ oder „Rechte Dritter“ i. S. v. § 903 S. 1 zugeordnet werden, bei denen es auf den Willen des Eigentümers nicht mehr ankommt. Die Rechtslage ist gerade umgekehrt. Der absolute Grundsatz ist, dass jeder, auch der Eigentümer, seine Angelegenheiten selbst regeln und besorgen soll. Nur ausnahmsweise ist dies durch einen anderen im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag zuzulassen. Würde der Grundtatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag, in dem Sinne, wie er von der tradierten Lehre konstruiert wird, als eine Beschränkung des Eigentumsrechts i. S. v. § 903 S. 1 qualifiziert, so bliebe von diesem umfassenden Herrschaftsrecht kaum etwas übrig. Jede Geschäftsführung durch einen anderen könnte eine zulässige gesetzliche Beschränkung i. S. v. § 903 S. 1 darstellen und damit ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 begründen. Der Geschäftsführer könnte bei der Vorweisung des Geschäftsführungswillens für den Eigentümer, der ohnehin in der Regel vermutet wird, wirksam dessen Eigentumsrecht einschränken227. Dies würde einen nicht hinnehmbaren Eingriff in das umfassende Herrschaftsrecht des Eigentümers und die Umgehung des Eigentümerwillens – was dieses Recht konstituiert – bedeuten. Dem in § 903 S. 1 zum Ausdruck gekommenen System wird die Geschäftsführung ohne Auftrag nur dann gerecht, wenn man, wie die hier vertretene zweigliedrige subjektive Theorie, grundsätzlich ein Willensmoment des Geschäftsherrn auf der Ebene des Grundtatbestandes des § 677 HS. 1 verlangt. Die Quasikontrakttheorie, die ebenfalls ein voluntatives Element (Übernahmewillen) verlangt, versagt hier zweifach. Zum einen kann die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag in dieses System nicht integriert werden, da es ihr am Übernahmewillen fehlt. Es gibt demnach überhaupt kein dem Eigentümerwillen im Rahmen von § 903 S. 1 entsprechendes Element. Außerdem versagt sie dort, wo es gilt, den Willen des Geschäftsherrn zu beschränken, also eine zulässige gesetzliche Einschränkung des Eigentumsrechts nach § 903 S. 1 vorzunehmen. Die Quasikontrakttheorie erhebt den konkreten Übernahmewillen des Geschäftsherrn neben dem Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers zum einzigen Merkmal, ohne dass eine Ausnahme von diesem System vorgesehen ist. Dagegen lässt die hier vertretene zweigliedrige subjektive Theorie gem. § 679 den Geschäftsherrnwillen dann unberücksichtigt, wenn ein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung besteht oder wenn der Geschäftsherr seiner Unterhaltspflicht nicht rechtzeitig nachkommt. § 679 verhilft 227
Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 323: es erschiene „zweifelhaft, ob der Geschäftsführer eine solche Einschränkung einseitig durch sein Handeln mit Fremdgeschäftsführungswillen bewirken können sollte“; in diese Richtung auch Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 58.
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also auch dann zur Begründung des Grundtatbestandes nach § 677 HS. 1, wenn der Geschäftsherr gegen die Geschäftsführung ist. Dieses ausdifferenzierte System gleicht dem in § 903 S. 1 aufgestellten System, von dem das Recht zum Besitz nach § 986 abhängt. Die Qualifizierung der Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 ist deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn grundsätzlich der abstrakte Geschäftsherrnwille verlangt wird.
(7) Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz Die tradierte Lehre möchte dagegen nur die echte berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz begreifen228. Diese Haltung ist einem schwerwiegenden systematischen Gegenargument ausgesetzt. Begreift man die echte Geschäftsführung ohne Auftrag in den §§ 677–686 als ein einheitliches Schuldverhältnis und verleiht man dem Grundtatbestand des § 677 HS. 1, der nach der tradierten Lehre kein Willensmoment des Geschäftsherrn enthalten soll, die obligationsbegründende Kraft, ist nicht einzusehen, warum die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der der Grundtatbestand des § 677 HS. 1 ebenfalls erfüllt ist, die Legitimationswirkung nicht entfalten soll. Konsequent wäre aus der Sicht der tradierten Lehre entweder in keiner von beiden Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ein Recht zum Besitz oder in ihnen beiden ein Recht zum Besitz zu sehen. Eine unterschiedliche Behandlung ist angesichts der Anwendung der §§ 677–682, 685–686 auch auf diese Art der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht angezeigt. Auch eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag sollte ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 begründen229. Umso deutlicher wird dies vor dem Hintergrund der Nähe des echten unberechtigten Geschäftsführers ohne Auftrag zum „Nicht-so-berechtigten-Besitzer“. Wenn eine einheitliche Behandlung angezeigt ist und eine Legitimationswirkung grundsätzlich ohne den Willen des Geschäftsherrn auf der Ebene des Grundtatbestandes des § 677 HS. 1 nicht begründbar ist (s. o.), muss von beiden Arten der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ein Willens228 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 141; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 12. 229 So auch Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 208–209; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 241; auch Wolf, AcP 166, 1966, 166, 216, indem er bei der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag die §§ 994 ff. ausschließt und den Anspruch aus § 684 S. 1 keinen Beschränkungen nach §§ 1001 unterlegen lassen möchte; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, Vorbemerkungen, Rn. 18; das Konkurrenzproblem zwischen §§ 994 ff. und echter unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag auf der Tatbestandsebene beurteilend Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 677, Rn. 82.
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moment verlangt werden. Der konkret ausgestaltete Übernahmewille kann diese Aufgabe nicht erfüllen, da er bei der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gerade fehlt. Nur der abstrakte, gröber gefasste Geschäftswille des Geschäftsherrn kann in diesem Zusammenhang Abhilfe schaffen, weil er zum einen im Hinblick auf das Recht zum Besitz eine von der Systematik der §§ 677–686 vorgegebene einheitliche Beurteilung ermöglicht und zum anderen dem System des Eigentumsrechts nach § 903 S. 1 und der Übertragung des aus diesem Recht entstammenden Rechts zum Besitz gerecht wird.
bb) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund für Vermögensverschiebungen (1) Legitimationswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag im Rahmen des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff.) Das Verhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts ist bis heute nicht abschließend geklärt. Es zählt zu den kompliziertesten, jedoch zentralsten Problemen des Verständnisses der echten Geschäftsführung ohne Auftrag.
(a) Meinungsstand So kompliziert diese Thematik ist, so vielfältig sind auch die dazu vertretenen Meinungen. Zu einer besseren Übersicht sollte zunächst eine grobe Einteilung in zwei Lager vorgenommen werden. Es sind zum einen die Tatbestandstheorien und zum anderen die Gesetzeskonkurrenztheorien230.
(b) Tatbestandstheorien (1.) Nach der ganz überwiegend vertretenen Auffassung stellt die echte berechtigte, oder zwar echte unberechtigte, jedoch nach § 684 S. 2 genehmigte, Geschäftsführung ohne Auftrag eine rechtliche Sonderverbindung dar, die die §§ 812 ff. tatbestandlich, aufgrund des Vorliegens eines Rechtsgrundes, ausschließt231. 230 So auch die Einteilung bereits bei Melullis, Das Verhältnis von Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung, 1972, S. 24, auch wenn er bei den Gesetzeskonkurrenztheorien zwischen solchen Vertretern unterscheidet, die die Anwendung der §§ 812 ff. neben den §§ 677 ff. aus Gründen des Gesetzeskonkurrenz ausschließen, und solchen, die sie zulassen. 231 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 137 ff.; Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 155; Sippel, Geschäftsführung ohne Auftrag und die Abwicklung fehlgeschlagener Vertragsbeziehungen mit Geschäftsbesorgungscharakter, 2011, S. 68 f.; Hader, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Anspruchsgrundlage bei gescheiterten Verträgen, 2006, S. 69, 185; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 85 ff.; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 677, Rn. 20; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 60 ff.; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, Vor § 677, Rn. 4; Dornis, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, Vorbemerkung vor § 677, Rn. 29,
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Dieser tatbestandliche Ausschluss gilt für viele Vertreter bei unwirksamen bzw. nichtigen Verträgen nicht. Vielmehr genieße hier das Bereicherungsrecht den Vorrang232. Eine weitere Unterteilung bzgl. der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gestaltet sich wiederum schwierig. Hier fängt der juristische Tanz an. Es existieren zwei Variablen. Zum einen die Qualifizierung des § 684 S. 1 als eine Rechtsgrund- oder als eine Rechtsfolgenverweisung. Diese Variable bestimmt, welche bereicherungsrechtlichen Folgen sich ergeben. Die zweite Variable ist die Frage nach der Einordnung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als ein einheitliches Schuldverhältnis nach §§ 677 ff. Sie bestimmt, welche Vorschriften aus §§ 677–686 neben dem Bereicherungsrecht auf sie Anwendung finden. Zunächst zur ersten Variable: (1a) Einerseits wird vertreten, dass die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag keinen Rechtsgrund darstelle233. Bzgl. der bereicherungsrechtlichen Folgen gilt es zu unterscheiden: (1aa) nach der einen Auffassung sind die §§ 684 S. 1 i. V. m. 812 ff. (Rechtsgrundverweisung)234, (1ab) nach der anderen sind die §§ 684 S. 2 i. V. m. 818 ff. (Rechtsfolgenverweisung) anzuwenden235. Bzgl. der zweiten Variable (1b) plädieren manche dafür, (1ba) dass die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag in das einheitliche gesetzliche Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag gehöre236. Folglich können die §§ 677–686 (außer § 683) angewendet werden. wobei er bei Rückabwicklung gescheiterter Verträge die §§ 812 ff. anwenden will; Gregor, in: jurisPK‑BGB, 8. Aufl., 2017, § 677, Rn. 45; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 10 und § 684, Rn. 5; Peifer, Schuldrecht, 5. Aufl., 2017, § 13, Rn. 19; Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2014, § 14, Rn. 19; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616. 232 Hader, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Anspruchsgrundlage bei gescheiterten Verträgen, 2006, S. 232 f.; Sippel, Geschäftsführung ohne Auftrag und die Abwicklung fehlgeschlagener Vertragsbeziehungen mit Geschäftsbesorgungscharakter, 2011, S. 135 ff.; Dornis, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, Vorbemerkung vor § 677, Rn. 29; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 87. 233 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 158; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 677, Rn. 20; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, Vor § 677, Rn. 4 f., § 684, Rn. 1. 234 Batsch, AcP 171, 1971, 218, 227; Gursky, AcP 185, 1985, 13, 40; Dorn, NJW 1964, 799, 801. 235 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 684, Rn. 1; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 684, Rn. 1; Dornis, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, Vorbemerkung vor § 677, Rn. 29. 236 Beuthien, FS Söllner, 2000, 125, 126 ff., 136; Hader, Die Geschäftsführung ohne Auf-
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(1bb) dass die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag kein gesetzliches Schuldverhältnis der §§ 677 ff. ist237 (Theorie von der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag).
Bzgl. 1ba) ist auch vieles nicht geklärt. Manche plädieren für eine vollständige Anwendung sonstiger Vorschriften aus §§ 677–686, andere für eine teilweise. Zwischen den Variablen können sich die Vertreter kreuzen. Eine konsequente Linie ist oft nicht zu erkennen.
(c) Gesetzeskonkurrenztheorie (2.) Nach anderer Ansicht ist das Verhältnis zwischen §§ 677 ff. und §§ 812 ff. nach dem Grundsatz der Spezialität zu beurteilen238. Diese Meinungsgruppe löst sich von der Problematik um die Frage zur tatbestandlichen Qualifikation der echten berechtigten sowie echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Bzgl. der Rechtsfolgen werden auch hier unterschiedliche Auffassungen vertreten: (2a) Für die einen verdrängt nur die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag die §§ 812 ff.239 (2b) Für die anderen verdrängen beide Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag die §§ 812 ff.240 Eine Kreuzung ist auch zwischen den Vertretern der Gesetzeskonkurrenztheorie und denen der Tatbestandstheorie zu finden. So sind etwa Seiler241 und Martinek/Theobald 242 der Auffassung, dass die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag einen Rechtsgrund, die echte unberechtigte dagegen keinen Rechtsgrund darstellt. Bei § 684 S. 1 handelt es sich um eine Rechtsfolgenver-
trag als Anspruchsgrundlage bei gescheiterten Verträgen, 2006, S. 51 ff., 60; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 684, Rn. 6. 237 Batsch, AcP 171, 1971, 218, 226 f.; so muss man wohl auch Dorn, NJW 1964, 799, 801 verstehen, wenn er zum Ausdruck bringt, dass „nach § 684 Satz 1 BGB allein die §§ 812 ff. anzuwenden sind“. 238 Dorn, NJW 1964, 799, 801; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 242; ders., Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 210; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 309; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 86. 239 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 86. 240 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 242; ders., Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 210; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 677 ff., Rn. 15; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 309. 241 Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 677 ff., Rn. 15. 242 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616.
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weisung, wobei Martinek/Theobald neben §§ 818 ff. dennoch die §§ 814, 815, 817 S. 2 anwenden möchten243.
(d) Stellungnahme Die besseren Gründe sprechen dafür, sowohl die echte berechtigte und als auch die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als ein einheitliches gesetzliches Schuldverhältnis zu verstehen. Die Theorie von der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist abzulehnen244. Auf die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag sind die §§ 677–682 und §§ 685–686 vollständig anzuwenden. Bei § 684 S. 1 handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung. Deshalb kommt die Rechtsgrundqualität beiden Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zu Gute. Sie schließen beide die §§ 812 ff. tatbestandlich aus. Eine Anwendung der §§ 814, 815, 817 S. 2 kommt für die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nicht in Betracht. Vielmehr wird der hinter diesen stehender Gedanke des Verbots eines widersprüchlichen Verhaltens durch die Anwendung des § 242 aufgefangen. Die nach §§ 134, 138, 139 nichtigen Verträge schließen die obligationsbegründende Norm aus § 677 HS. 1 durch eine entsprechende Anwendung aus, sodass es nicht zu einer Kollision zwischen §§ 677 ff. und §§ 812 ff. kommen kann. Auf diese Fälle werden (nur) die §§ 812 ff. direkt angewandt.
aaa) Einheitliches gesetzliches Schuldverhältnis Für die Einheitlichkeit des gesetzlichen Schuldverhältnisses spricht die gemeinsame obligationsbegründende Norm des § 677 HS. 1. Sie alleine löst das gesetzliche Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag aus. Dafür spricht auch die Historie. Die 1. Kommission wollte in § 749 Abs. 1 E-1 diejenige Vorschrift sehen, die die allgemeinen Voraussetzungen für beide Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag festlegte. In den Motiven heißt es: „Der § 749 Abs. 1 stellt, indem er die Haftung des Geschäftsführers für den Ersatz des durch Vorsatz und Fahrlässigkeit verursachten Schadens ausspricht, zugleich diejenigen Voraussetzungen fest, von deren Vorhandensein die Anwendung der Vorschriften dieses Titels im Allgemeinen abhängt“245.
Für dieses Ergebnis spricht außerdem die systematische Stellung des § 684 S. 1 sofort am Anschluss an § 683. Bei der echten unberechtigten Geschäftsführung 243 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616; so auch Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 684, Rn. 6. 244 Vgl. die Ausführungen zur Quasikontrakttheorie im Kapitel 4, B. 245 Motive II, 1888, S. 854 = Mugdan II, 1899, S. 477. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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ohne Auftrag fehlt nur der konkret ausgeprägte Übernahmewille des Geschäftsherrn nach § 683 S. 1. Der Übernahmewille ist freilich keine Voraussetzung des § 677 HS. 1, sodass der Theorie von der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag eine Absage zu erteilen ist. Für das einheitliche Schuldverhältnis sprechen auch Wertungsgesichtspunkte. Es ist nicht einzusehen warum der echte unberechtigte Geschäftsführer nicht nach §§ 677–682 und 685–686 haften solle, obwohl ihm ein Eingriff in Bezug auf das konkrete Interesse des Geschäftsherrn vorzuwerfen ist. Er würde im Ergebnis besser stehen als derjenige Geschäftsführer, der den Willen und die Interessen des Geschäftsherrn vollständig beachtet hatte246. Aus diesem Prisma ist es gerechtfertigt ihm einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 684 S. 1 zuzubilligen, der sich freilich auf die beim Geschäftsherrn noch vorhandene Bereicherung beschränkt (§ 818 Abs. 3). Andererseits soll er auch den identischen Pflichten wie der echte berechtigte Geschäftsführer unterliegen und zusätzlich nach § 678 verschärft haften.
bbb) § 684 S. 1 als Rechtsfolgenverweisung Ob es sich bei § 684 S. 1 um eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung handelt, wird, wie bereits geschildert, oft unterschiedlich behandelt. Nach Erklärungen sucht man freilich meistens vergeblich. Daher gilt es sich diesem Thema genauer zu widmen. Rechtsgrund- bzw. Rechtsfolgeverweisungen zählen zu den sog. unvollständigen Rechtssätzen247. In ihnen selbst ist entweder der Tatbestand (= Rechtsgrundverweisung) oder die Rechtsfolge (= Rechtsfolgenverweisung) nicht geregelt248. Die Rechtsfolge ergibt sich aus den Vorschriften, auf die verwiesen wird. Die verweisenden Normen erhalten demnach ihre konstitutive, Rechtsfolgen begründende Kraft nur in Verbindung mit anderen Rechtssätzen249. Vollständige Rechtssätze sind dagegen solche, die sowohl den umschriebenen Tatbestand als auch die ebenso umschriebene Rechtsfolge beinhalten250. Die Notwendigkeit der verweisenden Normen besteht in der Vermeidung von umständlichen Wiederholungen251 und ist damit letztendlich in der Effizienz und der Handhabbarkeit des Rechts begründet. 246
Beuthien, FS Söllner, 2000, 125, 126 ff. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 78, 81 f. Bezeichnung Rechtsgrundverweisung missverständlich, denn auch auf sie ist nicht nur der begründende Tatbestand, sondern auch der Rechtsfolgentatbestand anzuwenden. Es handelt sich bei ihr somit sowohl um eine Tatbestands-, als auch um eine Rechtsfolgenverweisung, Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 23. 249 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 78; MeierRudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 451. 250 Meier-Rudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 451. 251 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 82; MeierRudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 451. 247 Larenz/Canaris, 248 Insoweit ist die
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Bei § 684 S. 1 handelt es sich um eine solche verweisende Norm. Dort heißt es, dass der echte unberechtigte Geschäftsführer das aus der Geschäftsführung Erlangte „nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben“ hat. Ob es sich es dabei um eine Rechtsgrundoder Rechtsfolgenverweisung handelt, ist anhand der juristischen Auslegungsmethoden zu ermitteln252. Die grammatikalische Auslegung wird in der Regel nicht weiterhelfen253. Dies erkennt man auch bei § 684 S. 1. Die Herausgabepflicht „nach“ den Vorschriften des Bereicherungsrechts kann genauso gut die Anwendung der §§ 812 ff. i. V. m. §§ 818 ff. wie die isolierte Anwendung der §§ 818 ff. bedeuten. Dennoch gibt der Wortlaut des § 684 S. 1 ein Indiz. Er spricht davon, dass der Geschäftsherr dem Geschäftsführer nach dem Bereicherungsrecht zur Herausgabe „verpflichtet“ ist. Dies erweckt den Eindruck, dass die Voraussetzungen einer solchen Herausgabeverpflichtung bereits vorliegen. Lediglich beim Umfang der Haftung könne es einen Unterschied zum Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 geben. Systematisch ist § 684 in den Vorschriften zur echten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–686) inkorporiert. Die gemeinsame obligationsbegründende Norm des § 677 HS. 1 deutet darauf hin, dass der Tatbestand zum Verlangen des Aufwendungsersatzes bereits begründet ist. Lediglich die Rechtsfolgen sollen sich nach dem Bereicherungsrecht beurteilen. Insbesondere soll dem echten unberechtigten Geschäftsführer die Einrede der Entreicherung drohen. Auch aus dem Zusammenspiel zwischen § 683 und § 684 ist vielmehr eine Rechtsfolgenverweisung anzunehmen. § 684 S. 1 knüpft an den Tatbestand des § 683 an („Liegen die Voraussetzungen des § 683 nicht vor“), drückt demnach aus, dass jedenfalls die Voraussetzungen des § 677 HS. 1 vorliegen müssen, ohne deren Erfüllung es nicht zu § 683 gekommen wäre, und ordnet eine andere Haftung des Geschäftsherrn an. Insoweit muss der echte unberechtigte Geschäftsführer bereits den Tatbestand des § 677 HS. 1 erfüllt haben. Darin liegt der Rechtsgrund. Die Änderung besteht demnach bloß in der Rechtsfolge. Dieses Ergebnis wird vor dem Hintergrund umso deutlicher, als es des Verweises aus § 684 S. 1 ins Bereicherungsrecht nicht bedurft hätte, hätte der Gesetzgeber sowohl die rechtsgrundbegründenden (§§ 812 ff.) als auch die rechtsfolgenbegründenden (§§ 818 ff.) Anforderungen ohnehin aufstellen wollen. In diesem Fall griffe das Bereicherungsrecht direkt. Dieser Schlussfolgerung könnte ihrerseits entgegengehalten werden, dass der Verweis dann notwendig erschiene, wenn der Gesetzgeber die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag zwar dem einheitlichen Schuldverhältnis nach §§ 677–686 zuordnen, ihr aber nicht die durch die obligationsbegründende Norm des § 677 HS. 1 be252 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 78 ff.; Meier-Rudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 451. 253 So auch Meier-Rudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 451; Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 23.
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gründete Qualität eines Rechtsgrundes i. S. v. § 812 beimessen wollte. In diesem Fall wäre freilich die Regelung des § 684 vielmehr im Anschluss an § 677 HS. 1 zu verorten, weil insofern die Wirkung des § 677 HS. 1 betroffen wäre. Schließlich spricht auch das Telos des § 684 S. 1 für eine Rechtsgrundverweisung. Bei der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag mutet der Gesetzgeber dem unberechtigten Geschäftsführer ein hohes Risiko zu. Zum einen steht ihm der besonders günstige Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 i. V. m. § 670 nicht zu. Außerdem wird er einer Haftung nach § 678 und nach der überzeugenderen Auffassung einer nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 ausgesetzt. Dennoch will der Gesetzgeber, im Falle des fehlenden Schadens, das Ergebnis der Geschäftsführung nicht rückgängig machen. Der Geschäftsherr hat gegen den unberechtigten Geschäftsführer nicht etwa einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Vielmehr muss sich der Geschäftsherr mit dem eingetretenen Ergebnis der Geschäftsführung abfinden. Schon deshalb muss ein abstraktes Interesse auf der Ebene des § 677 HS. 1 verlangt werden. Es ist nicht ersichtlich, warum der Geschäftsherr einen Zustand hinnehmen muss, der nicht einmal von seinem abstrakten Interesse umfasst ist. Wie bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bleibt es demnach beim eingetretenen Ergebnis. Entsprechend muss auch eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag für den Geschäftsführer grundsätzlich zu einem Null-Summen-Spiel avancieren. Einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf die Rückgängigmachung bietet dagegen das Bereicherungsrecht. Insofern stehen die §§ 677 ff. und die §§ 812 ff. in einem Exklusivitätsverhältnis. Ist der Geschäftsherr bereichert, so hat er die Bereicherung nach § 684 S. 1 dem Geschäftsführer herauszugeben. Lehnt der Geschäftsherr die konkrete Geschäftsführung ab, darf er nicht auch noch die daraus resultierende Bereicherung behalten. Warum für einen solchen Anspruch noch die zusätzlichen Voraussetzungen des § 812 aufgestellt werden müssen, ist nicht ersichtlich. Genauso nicht ersichtlich ist, warum diesem Anspruch Kondiktionssperren nach §§ 814, 815 entgegenstehen sollen. Diese greifen auch beim echten berechtigten Geschäftsführer nicht, obwohl der Geschäftsherr in diesem Fall schlechter stehen könnte als bei der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Haben sich die getätigten Aufwendungen des Geschäftsführers als nicht erfolgsbringend entpuppt, muss der Geschäftsherr sie dennoch nach §§ 683 S. 1, 670 ersetzen, auch wenn der Geschäftsführer etwa von der Nichtschuld wusste (Fall des § 814). Vielmehr können die Gedanken der Kondiktionssperren (§ 814 – Leisten trotz Kenntnis der Nichtschuld, Leisten wider einer Sitten- oder Anstandspflicht; § 815 – Leisten trotz Kenntnis von der Unmöglichkeit, Verhinderung des Erfolgseintritts wider Treu und Glauben) durch die Anwendung des § 242 zur Geltung gebracht werden. Bei §§ 814, 815 handelt es sich um Ausprägungen
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des Verbots eines widersprüchlichen254 bzw. eines sittenwidrigen Verhaltens255. Diese Gedanken müssen bei beiden Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag greifen. Durch die Anwendung des § 242 wird jenes erreicht. Das sittenwidrige (§ 814 Var. 2, 3; § 817 S. 2 Var. 2) oder das verbotswidrige Verhalten (§ 817 S. 2 Var. 1) des Geschäftsführers kann durch die überzeugendere analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 aufgefangen werden. Insgesamt handelt es sich beim § 684 S. 1 demnach um eine Rechtsfolgenverweisung.
ccc) Vollständige Anwendung der §§ 677–682 und §§ 685–686 Wird dem Geschäftsherrn, wie bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, das Ergebnis der Geschäftsführung aufgebürdet, müssen ihm ebenso die aus §§ 677 ff. resultierende Rechte nach §§ 677 HS. 2, 681 S. 1, 681 S. 2 i. V. m. §§ 666–668 zustehen sowie die §§ 685–686 anwendbar sein256.
ddd) Rechtsgrundqualität der echten Geschäftsführung ohne Auftrag Aufgrund der Entstehung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, mit seiner auftragsähnlichen Haftungs- und Verantwortungsstruktur, einer eigenen Risikoverteilung und seiner Qualifizierung als ein Gewährschuldverhältnis und nicht als ein Rückgewährschuldverhältnis257, gilt es auch diese Geschäftsführung ohne Auftrag als einen Rechtsgrund i. S. v. § 812 einzustufen. Dies wird durch die Historie untermauert. So schrieb die 1. Kommission: „der Entw. (§ 737–748) stellt die Grundsätze über die Kondiktionen wesentlich im Anschlüsse an die heutzutage herrschende und als richtig anzuerkennende Anschauung auf, wonach die Kondiktionen persönliche Ansprüche auf Rückgängigmachung desjenigen an sich nach den maßgebenden Vorschriften eingetretenen Rechts- und Vermögenserwerbes sind, welcher eines Rechtsgrundes entbehrt. Der Mangel des rechtfertigenden Grundes ist aber auf verschiedene rechtliche relevante Umstände zurückzuführen, welche die Wirksamkeit der eingetretenen Rechts- und Vermögensänderung derart affizieren, daß deren Wiederaufhebung verlangt werden kann.“258
254 In Bezug auf § 814 Var. 1: BGHZ 73, 201, 205; BGHZ 179, 137 Rn. 15; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 68, III., 1a, S. 160; Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 814, Rn. 2; in Bezug auf § 815: Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 815, Rn. 1; Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 815, Rn. 1 f. 255 In Bezug auf § 814 Var. 2, 3 Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 814, Rn. 1. 256 So im Ergebnis auch Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 210; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 242; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 309. 257 Dazu im Detail Kapitel 5, L. III., S. 308. 258 Mugdan II, 1899, S. 463.
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Die §§ 812 ff. stellen ein Rückgewährschuldverhältnis dar, mittels dessen die Rückgängigmachung verlangt werden kann. Dagegen wird das Ergebnis der Geschäftsführung eines echten unberechtigten Geschäftsführers dem Geschäftsherrn aufgebürdet. Nur im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 oder im Falle des fehlenden Übernahmewillens nach § 678 und nur im Falle des eingetretenen Schadens kann eine Rückgängigmachung verlangt werden. Liegt dagegen kein Schaden vor, muss sich der Geschäftsherr mit dem eingetretenen Zustand abfinden. Eine Rückgängigmachung ist demnach ausgeschlossen. Diese ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Wirksamkeit der eingetretenen Rechts- und Vermögensänderung durch die §§ 677 ff. mit einem rechtlichen Fundament versehen wird. Insofern muss die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag einen Rechtsgrund darstellen. Sie stellt ein Recht der Leistungsbeziehungen dar259. Eine Entscheidung nach der Spezialität des Schuldverhältnisses sahen die Gesetzgebungsunterlagen nicht vor. Vielmehr wollte man mit dem Begriff des rechtlichen Grundes all jenes umfassen, was einen Behaltensgrund darstellt. Den Gesetzeskonkurrenztheorien ist außerdem Rechtsunsicherheit vorzuwerfen, da nach ihnen die Abgrenzung der §§ 677 ff. und §§ 812 ff. fallgruppenartig geschieht. Insofern kommt beiden Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag eine Legitimationswirkung in Form eines rechtlichen Grundes zu. Ob sie beide auch dem dahinterstehenden Rechtsgrundsystem gerecht werden, ist eine andere Frage, auf die nun einzugehen ist.
(2) Trennung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen Nun gilt es zu überprüfen, ob beide Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag auch dem Rechtsgrundsystem gerecht werden. Aus der Hauptvorschrift des Bereicherungsrechts – § 812 Abs. 1 – folgt, dass derjenige zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet ist, der etwas „durch die Leistung“ oder „in sonstiger Weise“ ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Daraus ergibt sich schon grammatikalisch eine Trennung zwischen den Leistungskondiktionen und den Nichtleistungskondiktionen. Diese Trennung konstituiert die heutige ganz überwiegend vertretene Trennungstheorie des Bereicherungsrechts260. Dagegen wurde früher die Einheitstheorie vertreten, nach der der § 812 Abs. 1 ein einheitlicher Tatbestand sei und man der Leistungskondiktion nur eine besondere Stellung im Rahmen dieses Tatbestandes beimaß261. Diese Theorie findet in letzter Zeit wieder mehr Anhänger, wobei diese kein Exklusivitätsverhältnis zwischen der 259 260
Wolf, AcP 166, 1966, 166, 216. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 67, I., 2., a), S. 129; Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 812, Rn. 76–77; v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 337 ff.; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, 7 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1421–1423. 261 Esser, Schuldrecht, 4. Aufl., 1971 Band 2, S. 435; Wilhelm, Rechtsverletzung und Ver-
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Einheits- und Trennungstheorie annehmen, also zwischen den Leistungs- und den Nichtleistungskondiktionen durchaus unterscheiden, jedoch beide Kondiktionsarten auf ein höheres Abstraktionsprinzip zurückführen wollen262. Die Einheitstheorie wird heute zu Recht abgelehnt263. Nicht nur die grammatikalische Auslegung des § 812 Abs. 1 erfordert eine ganz grundsätzliche dogmatische Unterscheidung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen. Dazu zwingen auch die Kondiktionssperren nach §§ 814, 815, 817 und andere Vorschriften des Bereicherungsrechts, §§ 813, 819 Abs. 2, 820, 821, die nur auf Leistungskondiktionen anwendbar sind. Auch die für diese Arbeit von herausragender Bedeutung werdende Unterscheidung der Begriffe des „Rechtsgrundes“ ist von der Art der Kondiktion abhängig264 und weist auf die Erforderlichkeit einer Trennung hin. Den neuen Bestrebungen, ein höheres Abstraktionsprinzip zu entdecken, ist ebenfalls eine Absage zu erteilen. Die im Gesetz zum Ausdruck gebrachte Unterscheidung zwischen den Kondiktionen ermöglicht problematischen Fallgestaltungen, insb. im Rahmen von Drei-Personen-Verhältnissen, Herr zu werden, sodass der praktische Nutzen, wie Lorenz zu Recht meint, in der Tat nicht erkennbar ist265. Ein höheres, inhaltlich verschwommenes Rechtsgrundprinzip würde vielmehr das heute geltende ausdifferenzierte Rechtsgrundsystem in die bereicherungsrechtliche Vergangenheit katapultieren und die gleichen Probleme mit sich bringen, mit denen dieses Rechtsgebiet bis zu den Begründern der Trennungstheorie, Wilburg266 und v. Caemmerer267, behaftet war.
(3) Abhängigkeit des Rechtsgrundes von der Art der Kondiktion Bevor der Rechtsgrundbegriff erörtert wird, gilt es den Zusammenhang des Rechtsgrundes i. S. v. § 812 Abs. 1 mit der Art der Kondiktion aufzuzeigen. Will man den Begriff des Rechtsgrundes definieren, so wird man auf eine nicht übersehbare Anzahl von Fällen stoßen, in denen die Vermögensbestandteile aus unterschiedlichen Gründen verschoben werden.
mögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, 1973, S. 173. 262 Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 812, Rn. 59 ff. 263 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 67, I., 2., a), S. 129; Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 812, Rn. 1; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 106 ff. 264 „[D]ie in § 812 I 1 BGB angedeutete Sonderstellung der Leistungskondiktion [legt es nahe, diese] dogmatisch zu vertiefen“, so Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 67, I., 2., a), S. 129. 265 Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 812, Rn. 1. 266 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 7 ff. 267 v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 334 ff.
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Generell gilt, dass eine Vermögensverschiebung dann mit Rechtsgrund stattfindet, wenn jemand im Verhältnis zum anderen einen Behaltensgrund in Bezug auf das Erlangte hat268. Die Behaltensgründe unterscheiden sich generell in zwei Richtungen. Zum einen ist es der Behaltensgrund für eine Güterbewegung. Besteht ein solcher Behaltensgrund nicht, kann das bewegte Gut kondiziert werden. Die Aufgabe der Rückabwicklung fehlgeschlagener Güterbewegungen wird von den Leistungskondiktionen erfüllt269. Deshalb stehen die Leistungskondiktionen auch nah zum vertraglichen Rückabwicklungssystem, wie dem Rückgewährschuldverhältnis (§§ 346 ff.) wegen Ausübung des Rücktritts (§§ 323, 326 Abs. 5) oder wegen des Schadensersatzverlangens (§ 281 Abs. 5) oder etwa wegen Ausübung der speziellen Gewährleistungsrechte (z. B. Nacherfüllung in der Form der Nachlieferung, die eine Rechtsfolge nach §§ 439 Abs. 4, 346–348 nach sich ziehen kann). Die Leistungskondiktionen sind dem Vertragsrecht und der hinter diesem stehenden Prinzip der Privatautonomie270 angenähert. Im Vergleich dazu dienen die Nichtleistungskondiktionen nicht der Rückabwicklung fehlgeschlagener Güterbewegungen, sondern dem Güterschutz271. Im Unterschied zum Deliktsrecht (§§ 823 ff.) geht es hier nicht um den Ersatz des eingetretenen Schadens wegen Verletzung des Rechtsgutes bzw. des Rechts eines anderen, sondern um die Abschöpfung der Vorteile, die der andere wegen seines Eingriffs in ein fremdes Recht erhält272. Insofern gewährleisten die Nichtleistungskondiktionen neben den Regelungen aus dem EigentümerBesitzer-Verhältnis (§§ 985 ff.) und der der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff.) einen ergänzenden Schutz. Sie sind dem Deliktsrecht angenähert. Dieses von Wilburg entwickelte273, später von v. Caemmerer274 übernommene und adaptierte System beschreibt die heutige bereicherungsrechtliche Doktrin. An diesem System wird deutlich, dass die abstrakte Definition des 268 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 67, III., S. 136; auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 106–107. 269 Seit Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 49: „Er [der Anspruch wegen Bereicherung ‚in sonstiger Weise‘] beruht auf dem Zweck eines durch den Erwerb betroffenen Grundrechts, während die Kondiktionen aus einer verfehlten Leistungs hervorgehen“; diesem folgend v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 342; Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 812, Rn. 1; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 80. 270 Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 812, Rn. 5: „Unverkennbar steht dahinter auch der Gedanke der Privatautonomie“; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl., 2006, Rn. 1430, der Leistungsbegriff sei „vor dem Hintergrund des Postulats der Privatautonomie“ zu verstehen. 271 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 49; v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 353. 272 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., 1994 II/1, § 67, I., 2., b). 273 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 7 ff. 274 v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 334 ff.
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Rechtsgrundes für Leistungskondiktionen nicht mit der für Nichtleistungskondiktionen identisch sein kann. So weit das Vertragsrecht vom Deliktsrecht entfernt ist, so schwer wird es sein, für beide Kondiktionsausprägungen einen einheitlichen Begriff zu entwickeln. Aus diesem Grunde ist der Trennungstheorie zu folgen. Für beide Kondiktionsarten ist demnach ein eigenständiger Rechtsgrundsbegriff zu finden. Das einzig Vereinende in ihnen ist das Merkmal des „Behaltendürfens“. Dieses verfügt gerade in problematischen Fällen freilich nicht über die erforderliche Abgrenzungskraft275, sodass ihm nur eine ganz generelle Bedeutung beigemessen werden kann276. Die Rechtsgrundsproblematik endet jedoch nicht bei der Frage, ob dem Begriff des Rechtsgrundes eine einheitliche oder eine differenzierte Definition zugrunde zu legen ist. Folgt man der dogmatisch-vertieften Trennung zwischen den Leistungs- und den Nichtleistungskondiktionen, so wird man sowohl in Bezug auf den Rechtsgrund der ersteren als auch auf den Rechtsgrund der letzteren heftig umstrittene Streitpunkte vorfinden. Zunächst zum Rechtsgrund bei den Leistungskondiktionen.
(4) Rechtsgrund bei Leistungskondiktionen (a) Die objektive Rechtsgrundtheorie gegen die subjektive Rechtsgrundtheorie Was der rechtliche Grund für eine Leistung ist, wird heute nicht einheitlich beurteilt. Früher, zum Teil aber auch noch heute277, ging man, regelmäßig unreflektiert278, davon aus, dass das zugrundeliegende Kausalverhältnis den Rechtsgrund für die Leistung darstelle279. Sei dieses nichtig oder unwirksam gewesen, so sei ohne Rechtsgrund geleistet worden. Aufgrund der Anknüpfung an das Bestehen des Kausalverhältnisses kann dieses Verständnis auch als objektive Rechtsgrundtheorie bezeichnet werden. Dieser Theorie steht die heutige herrschende Lehre gegenüber280, die den rechtlichen Grund von der Erreichung des mit der Leistung bezweckten Erfol275 Anders Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 812, Rn. 337, der das Merkmal des rechtlichen Grundes allein durch das Kriterium des „Behaltendürfens“ beschreiben möchte. 276 Solche generellen Umschreibungen sind nur Versuche das allgemeine Prinzip der iustitia comutativa, also der ausgleichenden Gerechtigkeit, welche den §§ 812 ff. zugrundeliegt, bloß anders auszudrücken. Von solchen gab es früher genug, was v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 337 schon damals konstatierte. 277 Beckhaus, Die Rechtsnatur der Erfüllung, 2013, S. 86. 278 Dazu Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 812, Rn. 336. 279 Jung, Die Bereicherungsansprüche und der Mangel des „rechtlichen Grundes“, 1902, S. 127–128 „daß eine Vermögensverschiebung erfolgt ist, der es an der rechtlichen Unterlage in den Beziehungen der beiden bestimmten Beteiligten, der es an der obligatorischen Unterlage fehlt“; Titze, Recht der Schuldverhältnisse, 4. Aufl., 1932, § 51, S. 148–149. 280 Weitnauer, FS Ernst von Caemmerer, 1978, 255, 262; diese Lehre darf mittlerweile als herrschend bezeichnet werden, so auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung,
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ges abhängig macht. Die Leistung ist dann ohne Rechtsgrund erfolgt, wenn der mit ihr verfolgte Zweck nicht erreicht wird. Hier gilt es einiges zu präzisieren und klarzustellen. Offensichtlich knüpft dieses Verständnis an die „Leistung“, damit auch an die „causa“ an281. Die Rechtsgrundlosigkeit einer „Leistung“ kann demnach nur vor dem Hintergrund der inhaltlichen Präzisierung der „Leistung“ verstanden werden. Dabei ist der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff alles andere als unumstritten.
(b) Objektiver und subjektiver Leistungsbegriff Früher282, und zwar bis zur sogenannten „zweiten bereicherungsrechtsdogmatischen Wende“283 und vereinzelt noch heute284, verstand man unter der Leistung die reale Mehrung fremden Vermögens. Dieses Verständnis war ganz objektiv ausgeprägt. Ob diese Vermögensmehrung zweckgerichtet gewesen ist, war irrelevant. Erst später, als das moderne Verständnis der Leistungskondiktionen, das ihre Hauptaufgabe in der Rückabwicklung von fehlgeschlagenen Güterbewegungen erblickte, aufkam, erkannte man, dass nichts, schon gar nicht Verschiebungen des Vermögens, zwecklos geschehen285, sondern von einer „schuldrechtlichen Planungsgrundlage“286 geleitet sind287, also von subjektiven Zweckvorstellungen begleitet sein müssen288. Dies führte zu der Definition, die der BGH in sei1983, § 4, S. 109, wobei der BGH sich bis heute nicht dazu geäußert hat oder nicht äußern konnte; Ehmann, NJW 1969, 398; ders., JZ 2003, 702; Schnauder, JuS 1994, 537, 538; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1430; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 1022; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 42. Aufl., 2018, § 40, Rn. 6. 281 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 107. 282 Titze, Recht der Schuldverhältnisse, 4. Aufl., 1932, § 51, S. 148; Seufert, in: Staudinger, BGB, 11. Aufl., 1960, § 812, Rn. 2. 283 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 80. 284 Welker, Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung?, 1974, S. 53–54; Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 812, Rn. 337. 285 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 85: „[Die h. M.] gründet vielmehr in der Beobachtung, daß jeder Zuwendende seine Zuwendung ‚zwecks‘ Erreichung eines gewünschten Erfolges vornimmt bzw. eine Zuwendung in Verfolgung eines bestimmten Zweckes veranlaßt.“ 286 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 80. 287 Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 812, Rn. 1: „So betreffen die Fälle der Bereicherung ‚durch Leistung eines anderen‘ das Gebiet der geplanten, willentlichen Vermögensverschiebungen“; Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“ im Bereich der Eingriffskondiktion, 1972, S. 23. 288 Schön bringt es Ehmann bereits 1969 auf den Punkt, Ehmann, NJW 1969, 398, 401: „Der Mensch – und auch ein Schuldner – handelt nicht aus kausalem Zwang, sondern um eines Zweckes willen, d. h. der Schuldner zahlt nicht, weil er schuldig ist, sondern um die Schuld zu tilgen. Der Grund menschlicher Handlung ist stets der mit ihr verfolgt Zweck“; ders., JZ 2003, 702: „Nihil est sine ratione, niemand handelt ohne Grund. Auch ohne Grund ist ungenau, weil das menschliche Handeln grundsätzlich nicht kausal, sondern final bestimmt ist. Der Grund rechtsgeschäftlichen Handelns ist causa finalis, nicht causa efficiens, ist also der Zweck“.
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ner Judikatur bis heute ununterbrochen wiederholt. Eine Leistung sei eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens289. Dieser, wie er von Reuter/Martinek bezeichnet wird, moderne finale Leistungsbegriff enthält demnach vier Voraussetzungen: (1) das reale Element der Vermögensverschiebung („etwas…erlangt“), (2) ein Leistungsbewusstsein, (3) einen Leistungswillen und (4) die Zweckbestimmtheit der Leistung290. Dabei ist der verfolgte Zweck nicht nur, oder primär nicht, die Vermögensmehrung des anderen. Das auch. Vielmehr verfolgt der Leistende mit der Vermögensverschiebung seine eigenen bestimmten Zwecke. Insofern kann von einer doppelten Finalität gesprochen werden291. Die Zweckrichtung ergibt sich dabei aus der Sicht des Leistenden, und nicht etwa aus der Sicht des Leistungsempfängers292. Dem herrschenden subjektiven Leistungsbegriff ist zuzustimmen. In problematischen Drei-Personen-Verhältnissen vermag dieser Begriff überzeugende Lösungen anzubieten. Erst in der Zweckrichtung entscheidet sich, zwischen welchen Personen eine „Leistung“ vorliegt. Reuter/Martinek bringen es auf den Punkt: „Nur wer eine Zuwendung in eigener Zwecksetzung vollzieht oder veranlasst, ist Leistender. Wer sich hingegen lediglich fremder Zwecksetzung unterordnet, ist nicht Leistender, sondern – wie der Angewiesene oder der Delegat – bloßer Leistungsmittler des Schuldners“293. Der Leistende bestimmt den Leistungsgegenstand, den Leistungsempfänger und den Leistungszweck294. Das objektive Leistungsverständnis vermag hier keine scharfe Differenzierung vorzunehmen. Die Forderung einer nach außen manifestierten Zweckrichtung reiht sich auch in das herrschende Verständnis des Schuldrechts ein, welches von der „causa-Lehre“ geleitet ist. Auf den Zweck, der als die „Seele des Schuldverhältnisses“ apostrophiert wird295, kann kaum verzichtet werden, so man bestimmen möchte, ob eine Leistung vorliegt, und insbesondere wem die Vermögensver289 BGHZ 58, 184, 188; 56, 228, 241; 40, 272, 277; dabei geht dieser Ausdruck wohl auf Kötter, AcP 153, 1954, 193, 195 ff. zurück. 290 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 81–83. 291 Esser, Schuldrecht, 4. Aufl., 1971 Band 2, S. 339. 292 Weitnauer, FS Ernst von Caemmerer, 1978, 255, 261–262; richtigerweise unterstellt Schnauder, JuS 1994, 537, 539 dem Rechtsanwender, in seinem Fall dem Richter, dass bei der Zugrundelegung der Empfängersicht es im Grunde darum geht, daß die Richter an die Stelle des Willens des Zuwendenden mit dem vorgeblichen Willen des Empfängers ihre eigene Willensentscheidung setzen, was die Gefahr des „richterlichen Diktates des Leistungsgegenstandes“ begründet; a. A. Wieling, JuS 1978, 801, 802. 293 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 112; bereits früher v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 350, „Daß dabei der Wille der Parteien entscheidet, was zwischen ihnen als Leistung gelten soll…“, S. 352, „Welche konstruktive Einordnung man aber auch wählen will, entscheidend ist, daß es Sache der Parteiautonomie ist zu bestimmen, wem bestimmte Leistung zugerechnet werden sollen“. 294 Weitnauer, FS Ernst von Caemmerer, 1978, 255, 272. 295 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 59.
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schiebung zugedacht ist296. Das ist bereits am Wortlaut der bereicherungsrechtlichen Vorschriften erkennbar: „der mit der Leistung … bezweckte Erfolg“ nach § 812 Abs. 2, S. 2, Alt. 2 – Zweckverfehlungskondiktion – und § 815, oder „War der Zweck der Leistung in der Art bestimmt, dass …“ nach § 817 S. 1. Die Anführung der Zweckverfehlungskondiktion zur Unterstützung des subjektiven Leistungsbegriffs wird indes als problematisch betrachtet, da diese Kondiktion eine Ausnahmeerscheinung darstelle aus der nicht auf das grundsätzliche System geschlossen werden könne297. Die Motive sprechen hier jedoch eine ganz andere Sprache: „In der That bildet die condictio indebiti hiernach einen Unterfall der condictio ob rem“298.
Daraus ist zu schlussfolgern, dass gerade die Zweckverfehlungskondiktion einen Grundfall darstellt, die condictio indebiti eine ihrer konkreten Ausprägungen. Dass die condictio indebiti praktisch gesehen die bedeutsamste Leistungskondiktion ist, dürfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie rechtlich gesehen einer allgemeiner formulierten Zweckverfehlungskondiktion entlehnt ist. Dem subjektiven Leistungsverständnis kann auch nicht vorgeworfen werden, das Merkmal der „Leistung“ nach § 362 Abs. 1 enthalte etwa kein subjektives Element, sodass im Sinne einer einheitlichen Behandlung der Merkmale, die einen identischen Wortlaut haben, das Verständnis zu harmonisieren sei299. Die einheitliche Behandlung ist, wie noch zu zeigen sein wird, tatsächlich angebracht. Nur darf der erfüllungsrechtliche Leistungsbegriff nach der Theorie von der realen Leistungsbewirkung nicht mit dem subjektiven bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff harmonisiert werden, da der erstere seinerseits nicht zutreffend ist. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Die von Canaris aufgestellte Dogmatik der Wertungsgesichtspunkte, Risikozurechnung, des Verkehrs- und Vertrauensschutzes konnte als eigenständiges Gegenmodell auch keine überzeugende Lösung zum herrschenden Zweckverständnis des Leistungsbegriffs bieten. Zum einen gelangt Canaris regelmäßig nicht zu anderen Ergebnissen als die herrschende Lehre300, was er auch selbst 296 So auch Ehmann, NJW 1969, 398, 402: „ein handhabbares Kriterium rechtsgeschäftliches Zuordnungskriterium, welches die Beziehung zwischen Leistung und Verpflichtungsgeschäft herstellt“; unzutreffend geht er aber von der Forderung nach einer Zweckvereinbarung für rechtlichen Grund aus, S. 400; auch ders., JZ 2003, 702. 297 Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 812, Rn. 337: „Bei der Zweckverfehlungskondiktion handelt es sich um einen atypischen, für Folgerungen genereller Art aus diesem Grunde ungeeigneten Sondertatbestand“. 298 Motive II, 1888, S. 832; dieses historische Argument anführend, Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 110; auch Schnauder, JZ 1987, 68, 70. 299 Kupisch, Gesetzespositivismus im Bereicherungsrecht, 1978, S. 57. 300 Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 812, Rn. 6; auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 114–115.
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zugibt301. Sein Tenor ist vielmehr, die h. M. führe zwar zu gleichen Ergebnissen wie die von ihm vertretene normative Theorie, nur sei die h. M. mit dogmatischer Mangelhaftigkeit behaftet. Die Abstellung auf die Wertungsgesichtspunkte allein bringt jedoch eine deutliche Elastizität mit sich, was die Rechtsanwendung nur noch erschweren würde. Das System der Wertungsgesichtspunkte als Gegenmodell führt unweigerlich zu Rechtsunsicherheit. Andererseits sollte dem Leistungsbegriff auch nicht zu viel aufgetragen werden. Es ist keine „Bibelstelle“302, aus der sich alle Fallgestaltungen hindernislos lösen lassen. Dass in manchen Fällen Interessenkonflikte auftreten, ist der Natur der Sache geschuldet, und hier können auch weitere wertende Gesichtspunkte herangezogen werden303. Daher sollte vordergründig vom subjektiven Leistungsbegriff ausgegangen werden, und in problematischen Fällen zur Korrektur die Wertentscheidungen, die Canaris herausgearbeitet hat, nämlich der Einwendungserhalt304, der Schutz vor Einwendungen Dritter305 und die gerechte Verteilung des Insolvenzrisikos306 berücksichtigt werden307. Insofern gilt es beide Lehren zu kombinieren, wobei an dem subjektiven Leistungsbegriff als dem Grundsatz, der freilich Ausnahmen zulässt, auch weiterhin festzuhalten ist. Im Ergebnis ist dem subjektiven Leistungsverständnis der h. M. zuzustimmen. Im Folgenden wird noch klargestellt, dass nur dieses Verständnis mit dem zum Bereicherungsrecht „verbundenen“ Erfüllungsrecht (§§ 362 ff.) kompatibel ist.
(c) Rechtlich relevante Zwecke Stellt man nun auf die eigenen Zwecke des Leistenden ab, so begibt man sich auf ein Terrain der Zweckvorstellungswelt des Leistenden, deren Grenzen sich kaum händeln lassen308. Bedenkt man zusätzlich, dass eine Vermögensverschiebung aus gleich mehreren Gründen besorgt werden kann, die mit der Leistung verfolgten Zwecke demnach parallel verlaufen, oder es zu einer Staffelung der Leistungszwecke kommt309, so wäre die Verfehlung eines noch so unwe301 302
Canaris, FS Karl Larenz, 1973, 799, 808. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 116. 303 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 116. 304 Canaris, FS Karl Larenz, 1973, 799, 802. 305 Canaris, FS Karl Larenz, 1973, 799, 802. 306 Canaris, FS Karl Larenz, 1973, 799, 803. 307 Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 42. Aufl., 2018, § 40, Rn. 9. 308 Dieses Problem sieht auch Ehmann, JZ 2003, 702, 703, wenn er schreibt: „Daher ist es erforderlich, die unbeschränkte Vielzahl spezieller Zwecke rechtsgeschäftlichen Handelns mit einer beschränkten Zahl allgemeiner Zwecke zu erfassen, von deren Vereinbarung und Erreichung die Rechtsgeschäfte (kausal) abhängig sein sollen“, er geht jedoch unzutreffend davon aus, dass die verfolgten Zwecke des Leistenden auch vereinbart werden müssen, wogegen die Zweckverfehlungskondiktion ein klarer Beweis ist. 309 So auch Ehmann, JZ 2003, 702; Welker, Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung?, 1974, S. 34.
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sentlichen mitverfolgten Zweckes die Berechtigung für eine Rückabwicklung der Vermögensverschiebung. Die Notwendigkeit einer gegenständlichen Zweckerfassung, ja ihre Einschränkung scheint geradezu auf. Maßgebend können deshalb nur solche Zwecke sein, die wie Mazza allgemein formuliert, „rechtliche Beachtung“310 finden oder „rechtlich relevante Zweck[e]“311 sind. Mit dieser Fragestellung ist man aber zugleich in den dogmatischen Tiefen der Rechtsgrunds- und der Leistungsproblematik, ja in den Tiefen des Bereicherungsrechts und des ganzen Schuldrechts angelangt. Des Eintauchens bedarf es dennoch, da die zutreffende Erfassung dieser Thematik den Weg für das richtige Rechtsgrundverständnis ebnen wird, von dem aus auch beurteilt werden kann, inwiefern die echte Geschäftsführung ohne Auftrag systemisch vom Rechtsgrundbegriff der Leistungskondiktionen aufgenommen werden kann. Dafür muss auf die Zwecklehre von Hugo Kreß zurückgegangen werden, der die Gefolgschaft von Weitnauer, Ehmann und Schnauder gefunden hat, sodass berechtigterweise von der Kreß’schen Schule gesprochen werden kann.
aaa) Kreß’sche Schule In seinem Lehrbuch legte Kreß dem Schuldrecht eine Konzeption zugrunde, in der der Zweck der miteinander kontrahierenden Parteien zum zentralen Element gekrönt wird. Dabei geht Kreß davon aus, dass die Parteien ihre Güter nicht ohne Zweck bewegen, „sie bewegen die Güter nicht, um sie zu bewegen … sie erzeugen die rechtlichen Wirkungen … nicht nur zu dem Zweck, um sie zu erzeugen“312. Die Parteien verfolgen bestimmte wirtschaftliche Zwecke. Es sind, wie Kreß betont, keine rechtlichen Zwecke, sie gehen demnach nicht aus der Rechtsordnung, sondern aus dem Wirtschaftsverkehr hervor313. Die Zwecke typologisiert Kreß anhand der wirtschaftlich-empirischen Methode314 in drei Hauptarten: (1) der Austauschzweck315 – wenn Güter zum Zwecke des Austauschs bewegt werden, wie dies bei entgeltlichen Verträgen (Kauf, Tausch, Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag usw.) der Fall ist, (2) der Liberalitätszweck316 – wenn Güter zum Zwecke der unentgeltlichen Zuwendung bewegt werden – wie dies bei der Schenkung, Leihe, beim unverzinslichen Darlehen, Auftrag und Verwahrung der Fall ist, und (3) der Abwick310 Mazza, Kausale Schuldverträge: Rechtsgrund und Kondizierbarkeit, 2002, S. 78. 311 Mazza, Kausale Schuldverträge: Rechtsgrund und Kondizierbarkeit, 2002, S. 79. 312
Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 35. Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 37. Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 35: „Ein Blick in die Wirtschaft zeigt…“, S. 37: „das geht aus dem Wirtschaftsverkehr hervor“; Ehmann, Die Gesamtschuld, 1972, S. 138–139: „Die Vorstellung beruht auf geordnetem Erfahrungswissen aus über 2000 Jahren rechtsgeschäftlichem Verkehr sie ist empirische Erkenntnis, kein Produkt des objektiven Rechts“. 315 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 35, 37. 316 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 35, 36, 37. 313 314
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lungszweck317 – wenn Leistungen zum Zwecke der Aufhebung, Änderung oder Sicherung bewirkt werden. Dabei betont Kreß, dass die drei Hauptzwecke der Güterbewegungen keinesfalls bedeuten, dass keine weiteren Zwecke im Wirtschaftsverkehr auftreten können. Es sind eben die drei wichtigsten, weil sie die typischsten Zwecke seien. Es können weitere typische und atypische Zwecke gestaffelt werden318. Dennoch bringt Kreß zum Ausdruck, dass einer der drei Hauptzwecke ausnahmslos bei jeder Güterbewegung vorliegen müsse, der um weitere in Betracht kommenden Zwecke ergänzt werde. Er schreibt: „Die Zahl der bisher bezeichneten Zwecke ist insofern geschlossen, als die Parteien bei der Güterbewegung … zunächst immer einen solchen Zweck – Austausch-, Liberalitäts- und Abwicklungszweck – verfolgen…Hinter dem zunächst in Betracht kommenden typischen Zweck können die Parteien weitere Zwecke typischer oder anderer (atypischer) Art zu rechtlicher Erheblichkeit bringen – die Zwecke werden gestaffelt“319. Die „rechtliche Erheblichkeit“ erlangen die Zwecke der Parteien nur dann, wenn eine „Zweckvereinbarung“ vorliege, d. h., wenn die Parteien sich über den Zweck der Güterbewegung rechtsgeschäftlich geeinigt haben oder jedenfalls dann, wenn der Zweck „Inhalt des Rechtsgeschäfts“ i. S. v. § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 geworden sei, wofür Kreß freilich auch eine rechtsgeschäftliche Einigung verlangt320. Die Zweckvereinbarung könne in Form der echten Bedingung (§ 158) oder der unechten Bedingung geschlossen werden321. Insbesondere bei gegenseitigen Verträgen, wenn ein Austauschzweck verfolgt werde, werde die Zweckvereinbarung in Form der unechten Bedingung geschlossen322. Kreß muss zugeben, dass das BGB dieses System nicht in sich aufgenommen hat. Die Zweckvereinbarung und die Zweckerreichung beeinflussen das Zustandekommen von Verpflichtungsverträgen nicht. Die Verfügung wird von der Verpflichtung abstrahiert – Abstraktionsprinzip323. Seine Konzeption kann daher nicht de lege lata, sondern nur de lege ferenda gelten324. Die Abstrahierung, oder wie Kreß formuliert, das „abstrakte Wollen“ bedeute nicht, dass die Parteien von der Zweckerreichung Abstand genommen haben. Vielmehr werden sie den Eintritt oder den Fortbestand der rechtlichen Wirkung vom Zustan317 318
Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 36, 37. Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 37. 319 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 37; die Hervorhebung stammt vom Verfasser; auch Ehmann, JZ 2003, 702, 707 schreibt: „Werden von den Parteien des Rechtsgeschäfts Zwecke verfolgt, die nicht als Austausch-, Unentgeltlichkeitss- oder Abwicklungszweck zu qualifizieren sind, so werden sie einem der genannten Zwecke angefügt, oder ‚angestaffelt‘, weil zunächst (in erster Linie) stets einer der drei typischen Zwecke verfolgt wird“. 320 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 40. 321 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 41. 322 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 41 ff. 323 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 46. 324 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 45.
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dekommen der Zweckvereinbarung oder von der Zweckerreichung abhängig machen325. Wenn die Zweckvereinbarung nicht zustandekomme oder zwar zustandekomme, aber der Zweck nicht erreicht werde, könne diejenige Partei, welche bereits geleistet habe, die Rückgängigmachung der Güterbewegung nach §§ 812 ff. verlangen326. Daraus folgt die Definition, dass die Zweckvereinbarung und die Zweckerreichung den rechtlichen Grund der bereicherungsrechtlichen Leistungskondiktionen bilden327. Kreß folgte sein Schüler Weitnauer328. Die Schüler des Letzteren, Ehmann329 und Schnauder330, taten es ihrem akademischen Lehrer gleich. Hervorzuheben ist insbesondere Ehmann, der die „rechtlich erheblichen“ Zwecke durch negatorische Abgrenzung aufzuspüren versuchte. Ausgehend von der Prämisse, dass niemand ohne Grund, präzisier ohne Zweck handele, schlussfolgerte er als Grund des rechtsgeschäftlichen Handelns nicht die causa efficiens, sondern die causa finalis331. Die rechtlich erheblichen Zwecke müssen jedoch von den rechtlich unerheblichen Motiven auf der einen Seite und den Bedingungen (§ 158), deren rechtliche Erheblichkeit nicht in Frage zu stellen sei, auf der anderen Seite abgegrenzt werden332. Ein Motiv könne in einen Zweck oder in eine Bedingung gegossen werden. In eine Bedingung wird das Motiv nach Ehmann dann gegossen, wenn es ausdrücklich vereinbart wurde333. Zu einem Zweck werde das Motiv nur dann, wenn es ausdrücklich oder konkludent vereinbart werde. Beim Zweck könne also, anders als bei der Bedingung, das Motiv auch stillschweigend vereinbart werden334. Einer der drei Hauptzwecke werde stets ausdrücklich oder konkludent mitvereinbart. Das sei Natur 325
Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 46. Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 47. Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 47; ihm wortwörtlich folgend Ehmann, Die Gesamtschuld, 1972, S. 167; ders., NJW 1969, 398, 400; ders., JZ 2003, 702, 709. 328 Weitnauer, NJW 1974, 1729 ff.; Weitnauer, FS Ernst von Caemmerer, 1978, 255 ff. 329 Ehmann, Die Gesamtschuld, 1972, S. 9, indem er in der Vorrede zu seiner Dissertation ausführte: „Mein ‚Vorverständnis‘ des Gesamtschuldbegriffs war von einem Doppelten geprägt: einer tiefgehenden Unsicherheit bezüglich aller mit der Gesamtschuld zusammenhängenden Probleme, entstanden aus dem in allen Ausbildungsabschnitten fehlgeschlagenen Bemühen, die gebräuchlichen Lehrbuchdarstellungen zu diesem Abschnitt zu verstehen und der im Gegensatz dazu stehenden Sicherheit meines akademischen Lehrers Prof. Dr. Hermann Weitnauer, die dieser aus den Lehren seines Meisters Hugo Kreß gewonnen hatte“; ders., JZ 1968, 549 ff.; Ehmann, NJW 1969, 398; Ehmann, JZ 2003, 702 ff. 330 Schnauder, Grundfragen zur Leistungskondiktion bei Drittbeziehungen, 1981 67, Vorwort: „Herrn Prof. Dr. H. Weitnauer, der mich … in die Lehre vom Zweck eingeführt und mit ihr vertraut gemacht hat, gilt auch an dieser Stelle mein herzlicher Dank“. 331 Ehmann, JZ 2003, 702. 332 Ehmann, Die Gesamtschuld, 1972, 138 ff., 177 ff.; ders., JZ 2003, 702. 333 Ehmann, JZ 2003, 702, 707. 334 Ehmann, JZ 2003, 702, 707. 326 327
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der Sache335. Diesem können, wie auch schon nach Kreß, weitere Zwecke angefügt oder angestaffelt werden. Sobald die Letzteren einem Austauschzweck in der Weise angestaffelt werden, dass sie das rechtlich unerhebliche Stadium der inneren Motive verlassen, das intensivste rechtlich erhebliche Stadium aber einer Bedingung nicht erreicht haben, sie demnach im „Zwischenbereich zwischen Motiv und Bedingung“ geblieben seien, werde dieser Bereich im Recht des BGB als Geschäftsgrundlage begriffen, die es für die Parteien ermögliche, das Instrument der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 einzusetzen336. Werden sie dagegen in der gleichen Weise einem Abwicklungszweck angestaffelt, so werde im Falle der Zweckverfehlung die Zweckverfehlungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 aktiviert337.
bbb) Die Opponenten der Kreß’schen Schule Die von der Kreß’schen Schule propagierte Lehre vom Zweck wurde von der Rechtsprechung und der herrschenden Literatur abgelehnt. Vor allem wird dieser Lehre vorgeworfen, dass sie die wirtschaftlichen Zweckvorstellungen in einem Schuldverhältnis „zu domestizieren“338 versuche und das vom Abstraktionsprinzip geprägte Zivilrecht nicht hinreichend beachte. Der bereicherungsrechtliche Leistungszweck sei gerade nicht identisch mit dem schuldrechtlichen Vertragszweck. Beim Bereicherungsrecht gehe es nicht um die „innere causa“, sondern um die „äußere causa“ der Leistung. Die Zwecke, die der Leistende verfolge, bezögen sich nicht immer auf die Erfüllung einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit, sondern gehen oft über das Kausalgeschäft hinaus, sodass der Leistungszweck nicht vereinbart werden müsse339. Causa, so Reuter/Martinek, bezeichne vielmehr den rechtlichen, im Vertrag oder im gesetzlichen Schuldverhältnis, inkorporierten Zweck, der zwar den damit verfolgten wirtschaftlichen Zweck erkennen lassen sollte, aber im Gegensatz zum Motiv der Leistung stehe340. Diese Argumentation überzeugt. Überzeugend erscheint insbesondere der Einwand, dass die Lehre vom Zweck dort versagt, wo Leistungen erbracht werden, obwohl zwischen den Parteien gar keine vertragliche Unterlage besteht. Wenn etwa eine Leistung an einen anderen in der Hoffnung erbracht wird, mit 335 336
Ehmann, Die Gesamtschuld, 1972, S. 144. Ehmann, JZ 2003, 702, 707, 708 f. 337 Ehmann, JZ 2003, 702, 707, 709 f. 338 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 86 339 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 93; widersprüchlich Wieling, JuS 1978, 801, wenn er zum einen sich dafür ausspricht, dass der Leistungszweck nicht vereinbart sein muss, andererseits aber sagt, dass als Leistungszweck nicht jedes beliebige Motiv in Betracht kommt, sondern nur ein solcher Zweck, „der das Rechtsverhältnis zwischen Leistenden und Leistungsempfänger gestaltet“, S. 802. 340 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 86.
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ihm einen Vertrag in der Zukunft abzuschließen, dieser Vertrag jedoch nicht zustandekommt. Hier gibt es noch keine vertragliche Beziehung in der man die verfolgten Zwecke des Leistenden in den Vertrag durch eine Zweckvereinbarung hätte integrieren können341. Ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich käme strenggenommen nach der Lehre vom Zwecke nicht in Betracht. Dennoch gibt es diesen ausdrücklich im Wege der Zweckverfehlungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2. Bedeutend werden in diesem Zusammenhang auch die Einwände von Mazza. Sie lobt zwar die Kreß’sche Zwecklehre, die durch ihre Geschlossenheit besteche und „fraglos eine außergewöhnliche Gedankenleistung“ darstelle, die nichtdestotrotz „gewichtigen dogmatischen Bedenken“ ausgesetzt sei, sodass das „Fundament des von Kreß entwickelten Schuldrechtsgebäudes“ erschüttert werden müsse342. So fragt sie sich, wie ein angestaffelter Zweck, der nach der Lehre vom Zweck unbedingt vereinbart werden muss, in der Weise „Inhalt des Rechtsgeschäfts“ nach § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 2 werden kann, daß er zwar anders als ein bloßes Motiv rechtlich beachtlich ist, aber nicht zu Erfüllungsansprüchen führt343. Die Typologisierung der Zwecke für Güterbewegungen in drei Richtungen kommt, wie Mazza richtigerweise ausführt, außerdem einem numerus clausus schuldrechtlicher Vertragstypen sehr nah, was seinerseits den Grundsatz der Vertragsfreiheit verletzt und dem deutschen Schuldrechtssystem zuwiderlaufen würde344. Die Zwecklehre wendet sich gegen diesen Einwand mit dem Argument, dass auch weitere Zwecke, die nicht von drei Hauptzwecken erfasst werden, genauso gut vereinbart und damit zum „Inhalt des Rechtsgeschäfts“ gemacht werden können. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit werde demnach nicht angetastet345. Dieses Argument vermag jedoch die erhobenen Einwände nicht zu beseitigen, denn einer der drei Hauptzwecke muss nach der Zwecklehre stets vereinbart sein. Auch wenn man annimmt, dass die Forderung nach mindestens einem der drei Hauptzwecke „auf geordnetem Erfahrungswissen aus über 2000 Jahren rechtsgeschäftlichem Verkehr“ beruhe, also ein Ergebnis empirischer Erkenntnis sei346 und sich deshalb die Schlussfolgerung aufdrängt, dass es im Wirtschaftsverkehr keine Fälle geben kann, in denen zumindest nicht einer der drei Hauptzwecke vereinbart ist, erschüttert diese Annahme die Kritik nicht. Solche Fälle lassen sich mit einer ausgeprägten Phantasie durchaus konstruieren, sodass sie theoretisch auch im Wirtschaftsverkehr auftreten können. Außerdem kann die zukünftige Vertragstypenentwicklung auch ganz neue Vertragstypen „gebären“. Etwa das Recht der Geschäftsbesor341 342
Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 87–88. Mazza, Kausale Schuldverträge: Rechtsgrund und Kondizierbarkeit, 2002, S. 63. 343 Mazza, Kausale Schuldverträge: Rechtsgrund und Kondizierbarkeit, 2002, S. 42. 344 Batsch, NJW 1973, 1639, 1640. 345 Ehmann, JZ 2003, 702, 707. 346 Ehmann, Die Gesamtschuld, 1972, S. 138–139.
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gungsverträge mit seiner rasenden Entwicklung zeigt deutlich347, dass mit der zunehmenden Komplexität unserer Wirtschaftsordnung und ihrer Ausrichtung auf mannigfaltige Dienstleistungen neue, der Rechtsordnung fremde Vertragstypen in sie Eingang finden können. Die Empirie kann sich auch ganz ändern oder teilweise verändern. Nur würden neue Vertragstypen nach der Zwecklehre keine Berücksichtigung finden, wodurch ein numerus clausus aufgestellt und die Vertragsfreiheit verletzt wäre. Ehmann selbst schreibt: „In den ca. zwei Jahrtausenden der europäischen Rechtsentwicklung hat sich im Wege der Abstrahierung eine trias von Zwecken herausgebildet, die insofern einen numerus clausus bilden, als die Parteien stets einen dieser Zwecke mit einem Rechtsgeschäft verfolgen und die Rechtsgeschäfte grundsätzlich von deren Vereinbarung und Erreichung abhängig sind“348.
ccc) Entscheidung für die vermittelnde Position Die Antastung des Abstraktions- und Trennungsprinzips, der Konflikt mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und dem Prinzip des fehlenden numerus clausus im Schuldrecht führen die Lehre vom Zweck zu einem kaum lösbaren Dogmenproblem. Sie wird in ihrer teilweise radikalen Ausgestaltung zu Recht abgelehnt. Dennoch ist ihr Verdienst nicht zu übersehen. Mit der Statuierung der bei der Güterbewegung verfolgten Parteienzwecke zum Mittelpunkt der Thematik stützt sie sich auf die unbestrittene Erkenntnis, dass nichts zwecklos geschieht. Will man im Rahmen der Leistungskondiktionen die Güterbewegung rückgängig machen, so wird man an die Erreichung der rechtlich relevanten Zwecke anknüpfen müssen. Deutlich zu weit geht diese Lehre jedoch, wenn sie nur solche Zwecke zur Auslösung des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs berücksichtigt, die auch rechtsgeschäftlich vereinbart wurden. Das mit der Zweckvereinbarung verfolgte Ziel, die Einschränkung der die Kondizierung auslösenden maßgeblichen Zwecke, ist gerechtfertigt. Berücksichtigte man alle möglichen Zwecke, wäre der Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts freilich so weit, dass man in den Konflikt mit dem Grundsatz pacta sunt servanda geraten könnte. Einer Zweckvereinbarung bedarf es nicht. Ausreichend ist, dass im Vertrag oder im gesetzlichen Schuldverhältnis die Zwecke inkorporiert werden, die die dahinterstehenden wirtschaftlichen Absichten der Parteien erkennen lassen349. Dennoch, und in diesem Punkte ist eine leichte Annäherung an die Lehre vom Zweck zu sehen, muss es sich um solche Zwecke handeln, die die Parteien je-
347 Vgl. die Kommentierung von Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 675 und die alphabetische Aufzählung von Geschäftsbesorungsverträgen, die sich kaum systematisieren lassen und ganz unterschiedliche Ausrichtungen haben. 348 Ehmann, JZ 2003, 702, 703. 349 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 86.
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weils hätten erkennen können. Nur diese Zwecke sind rechtlich erheblich. Nur diese Zwecke rechtfertigen eine Rückgängigmachung der Güterbewegung. Dass bei diesem System Abgrenzungsprobleme zwischen unbeachtlichen Motiven und beachtlichen Zwecken nicht gelöst sind, ist zweifelsohne ein unbefriedigendes Resultat. Diese konnte andererseits weder die Lehre vom Zweck lösen, noch sind sie irgendwo anders im Bürgerlichen Recht vollkommen zufriedenstellend gelöst. Hier wird man sich anerkannter Abgrenzungsinstrumente bedienen müssen, die jedoch nicht immer zu zweifelsfreien Ergebnissen führen. Die Typologisierung der Zwecke hilft, einen großen Bereich der rechtlich relevanten Zwecke der Güterbewegungen zu erfassen350. Damit ist weder ausgesagt, dass einer der typischen Zwecke stets vorhanden sein muss, noch, dass es keine andere geben kann. Es kann zwischen drei typischen Leistungszwecken unterschieden werden: (1) datio solvendi causa, wonach der Leistende mit der Vermögensverschiebung die Erfüllung einer Verbindlichkeit bezweckt, (2) datio donandi bzw. obligandi causa, wonach der Leistende mit der Vermögensverschiebung ein schuldrechtliches Kausalgeschäft begründen will, und (3) datio ob rem, wonach der Leistende mit der Güterbewegung einen Zweck verfolgt, auf den er keinen Rechtsanspruch hat351. Bei Verfehlung dieser Zwecke greift das Kondiktionenrecht nur, wenn die andere Partei ihre Verfolgung hätte erkennen können.
(d) Die Rechtsgrundproblematik vor dem Hintergrund des Streits um die Erfüllungstheorien Hat man nun die Bedeutung der Leistungszwecke, die richtige Methode zu ihrer Beachtung bzw. Einschränkung ermittelt und die typischen Leistungszwecke herauskristallisiert, so kommt bereits der nächste Streitpunkt auf. Dieser hat seinen Ursprung nicht im Bereicherungsrecht. Richtiger wäre vielmehr zu konstatieren, dass der bereicherungsrechtliche Streit um den Leistungsbegriff vor dem Hintergrund des gleich zu erläuternden erfüllungsrechtlichen Streits um den Leistungsbegriff geführt wird352. Dies ist der Streit um die Erfüllungstheorien.
350 So auch Weitnauer, FS Ernst von Caemmerer, 1978, 225, 257, der erkennt, dass durch die Typologisierung der Zwecke zugleich auch eine Einschränkung erreicht wird: „Die Beobachtung des Rechtsverkehrs und theoretische Überlegungen zeigen, daß die scheinbare Unendlichkeit möglicher Zwecke sich in der Rechtswirklichkeit auf einige Grundtypen zurückführen läßt…“; auch Welker, Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung?, 1974, S. 34. 351 Welker, Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung?, 1974, S. 22; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 90–91; 352 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 93.
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aaa) Der rechtliche Zusammenhang zwischen dem bereicherungsrechtlichen und erfüllungsrechtlichen Leistungsbegriff Der Zusammenhang zwischen dem bereicherungsrechtlichen und dem erfüllungsrechtlichen Leistungsbegriff ist auch nicht fernliegend. Bedenkt man, dass die wichtigste Fallgruppe der Leistung in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht, bei der also der Erfüllungszweck verfolgt wird (datio solvendi causa), stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Leistung i. S. v. § 812 mit der Leistung i. S. v. § 362 inhaltlich übereinstimmt. Oder anders gefragt, kann eine Vermögensverschiebung die Erfüllung nach § 362 nach sich ziehen, aber dennoch einen Kondiktionsanspruch begründen, also rechtsgrundlos sein? Oder umgekehrt, kann eine Vermögensverschiebung mit Rechtsgrund geschehen, ohne dass dabei Erfüllung eintritt? Folgt man der objektiven Rechtsgrundtheorie, so ist eine solche Divergenz bzgl. der ersten Frage nicht möglich. Besteht ein Kausalverhältnis nicht, so führt eine Vermögensmehrung nicht zur Erfüllung, da es nichts zu erfüllen gibt, und sie ist zugleich rechtsgrundlos. Dagegen kann eine Divergenz bzgl. der zweiten Frage entstehen. Besteht ein Kausalverhältnis, demnach auch ein Rechtsgrund, ist die Vermögensmehrung mit Rechtsgrund erfolgt. Dennoch kann es nicht zur Erfüllung kommen, weil man an die Leistung i. S. v. § 362 andere Voraussetzungen, etwa noch weitere rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Anforderungen, stellt (dazu sogleich), die im konkreten Fall nicht vorliegend sein können. Folgt man der subjektiven Theorie, ist eine Divergenz auch hier möglich, und auch hier wegen den unterschiedlichen Voraussetzungen an die Leistungsbegriffe. Erforderlich ist somit eine Auseinandersetzung mit den Erfüllungstheorien und der Frage, ob es einer Harmonisierung bedarf.
bbb) Erfüllungstheorien Bzgl. des schuldrechtlichen Begriffs der Erfüllungsleistung werden hauptsächlich vertreten: (1) die Vertragstheorie353, (2) die Theorie der realen Leistungsbewirkung354 und (3) die Theorie der finalen Leistungsbewirkung355. 353 Ehmann, JZ 1968, 549, 550 m. w. N. in der Fn. 3; Weitnauer, FS Ernst von Caemmerer, 1978, 255 m. w. N. Olzen, in: Staudinger, BGB, 2016, Vorbemerkungen zu §§ 362 ff, Rn. 9. 354 Looschelders, in: Beck-OGK, 01. 09. 2018, § 362, Rn. 50; Grüneberg, in: Palandt, 77. Aufl., 2018, § 362, Rn. 1; Fetzer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 362, Rn. 7; Stürner, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 362, Rn. 2; Olzen, in: Staudinger, BGB, 2016, Vorbemerkungen zu §§ 362 ff, Rn. 14; Welker, Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung?, 1974, S. 46. 355 Beck, Die Zuordnungsbestimmung im Rahmen der Leistung, 2008, S. 257; Beckhaus, Die Rechtsnatur der Erfüllung, 2013, S. 92; Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, S. 284, 311; Harke, Allgemeines Schuldrecht, 2010, S. 355; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 98–99.
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Wie der Name schon sagt, fordert die Vertragstheorie nicht nur die reale Erbringung der geschuldeten Leistung, sondern auch ein rechtsgeschäftliches Übereinkommen der Vertragsparteien, dass die Leistung die Tilgung der Verbindlichkeit zur Folge haben soll356. Ganz orthogonal dazu steht die heute (noch) herrschende Theorie der realen Leistungsbewirkung, nach der eine Erfüllungsleistung weder rechtsgeschäftliche, noch rechtsgeschäftsähnliche Elemente, weder vom Leistenden, noch vom Leistungsempfänger verlangt. Erforderlich ist nur der reale Akt der Leistungserbringung. Eine vermittelnde Position nimmt die Theorie der finalen Leistungsbewirkung ein, die einer Leistung nur dann Erfüllungswirkung beimisst, wenn zum einen die geschuldete Leistung real erbracht wurde und zum anderen der Leistende dieser Leistung eine Tilgungswirkung beimaß. Erforderlich wird demnach eine Tilgungsbestimmung des Leistenden, die entweder als eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung357 oder als eine geschäftsähnliche Handlung358 qualifiziert werden kann. Dem Streit um die Einordnung der Rechtsnatur der Tilgungsbestimmung sollte freilich keine große Relevanz beigemessen werden, denn auf die geschäftsähnlichen Handlungen finden die Vorschriften über die Behandlung von Willenserklärungen entsprechende Anwendung. Dies bedeutet zwar nicht, dass stets eine analoge Anwendung anzunehmen ist, sondern dass stets die Analogievoraussetzungen erfüllt werden müssen. Diese sind jedoch in der Regel erfüllt. Zu Recht lehnt die h. M. die Vertragstheorie ab. Gegen diese spricht bereits der Wortlaut des § 362 Abs. 1, der davon spricht, dass „die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird“, ohne dass ein Erfordernis nach einem vertraglichen Konstrukt ersichtlich ist. Gegen sie spricht auch der § 366 Abs. 1, wonach eine einseitige Tilgungsbestimmung des Schuldners zur Erfüllungswirkung ausreichen solle, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das Geleistete nicht zur Tilgung aller Schulden ausreicht. Nach § 366 Abs. 2 wird ein gesetzliches Programm aufgestellt, welches eingreift, wenn eine solche einseitige Tilgungsbestimmung fehlt. Verlangt man nun für die Erfüllungsleis356 Looschelders, in: Beck-OGK, 01. 09. 2018, § 362, Rn. 40; anders dagegen Olzen, in: Staudinger, BGB, 2016, Vorbemerkungen zu §§ 362 ff., Rn. 9, der die Vertragstheorie dahingehend versteht, dass der „Erfüllungsvertrag“ auf die Schuldaufhebung gerichtet ist. Dagegen spricht, dass in diesem Sinne heute nur der Erlaßvertrag zu verstehen ist. Deshalb wäre es auch richtiger die Vertragstheorie als „Zweckvereinbarungtheorie“ zu nennen, worauf Ehmann bereits 1968 hingewiesen hat, Ehmann, JZ 1968, 549, 550, Fn. 3. 357 Grüneberg, in: Palandt, 77. Aufl., 2018, § 366, Rn. 7; Harke, Allgemeines Schuldrecht, 2010, Rn. 359. 358 Looschelders, in: Beck-OGK, 01. 09. 2018, § 362, Rn. 41.1; Fetzer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 366, Rn. 9; Beck, Die Zuordnungsbestimmung im Rahmen der Leistung, 2008, S. 265 ff.
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tung einen Vertrag, ist nicht verständlich, warum von dieser Forderung im Falle gleichartiger Leistungsschulden aus mehreren Schuldverhältnissen gem. § 366 dahingehend abgewichen wird, dass nun eine einseitige Tilgungsbestimmung ausreichen solle. Schließlich sehen Reuter/Martinek zu Recht das Abstraktionsprinzip durch die Vertragstheorie „torpediert“, indem durch diese das zugrundeliegende Kausalverhältnis als schuldrechtliche Geschäftszweckvereinbarung und die zusätzliche Vereinbarung eines Erfüllungszwecks beim Vollzug des Grundgeschäfts ineinander geschachtelt werden359. Schwieriger gestaltet sich die Lage bei der Auseinandersetzung mit den übrigen beiden Theorien. Ein einseitiges Tilgungsbestimmungselement ist im Wortlaut des § 362 Abs. 1 auf den ersten Blick nicht enthalten. Dennoch verrät das Wort „geschuldete“, dass es nicht um irgendeine Leistung gehen soll, sondern um die, der der Schuldner eine erfüllende Wirkung beimessen möchte360. Dieser Wille wird bereits durch die Umstände des Einzelfalls, insbesondere durch die Erbringung der Leistung an den Gläubiger erkennbar. Doch gerade in den zweifelhaften Fällen, etwa in den Fällen, in denen der Schuldner eine wertvollere Leistung erbringt, als nach dem Vertrag geschuldet361, oder eine andere Leistung erbringt, als nach dem Vertrag geschuldet362, stellt sich die Frage, ob er auch der Leistung die erfüllende Wirkung beimessen wollte. Genau in solchen Fällen versagt streng genommen die Theorie der realen Leistungsbewirkung. Ihr größter Verfechter, Larenz, möchte in problematischen Fällen die Abgrenzung nach der Tilgungsbestimmung des Schuldners vornehmen363, womit er sich ganz stark der Theorie der finalen Leistungsbewirkung nähert364, wenn nicht ganz in der letzteren aufgeht. Es dürfte aber dann die Frage erlaubt sein, 359
Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 97.
360 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 98. 361 Dazu Musielak, NJW 2003, 89 ff., der bei einer Falschlieferung immer
das Sachmängelgewährleistungsrecht eingreifen lässt und foglich die Theorie der finalen Leistungsbewirkung ablehnt, S. 91; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 219; Tiedke/ Schmitt, JZ 2004, 1092, 1094, zur entscheidenen Kriterium der Tilgungsbestimmung, S. 1095– 1096; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 74; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., 2009, Rn. 368, die erkennen, dass die Tilgungsbestimmung eine Voraussetzung des § 434 Abs. 3, sodass eine solche finale Leistungsbewirkung auf die Theorie der finalen Leistungsbewirkung im allg. Schuldrecht hinauslaufen würde, was sie jedoch dennoch ablehnen, Rn. 364. 362 Dazu Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, Rn. 490 ff., die als Abgrenzungskriterium auf eine Tilgungsbestimmung abstellen, Rn. 495; Thier, AcP 203, 2003, 399, 415; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 2002, S. 221; Tiedke/Schmitt, JZ 2004, 1092, 1093, zur entscheidenen Kriterium der Tilgungsbestimmung, S. 1095–1096; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 67 ff.; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., 2009, Rn. 357. 363 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 14. Aufl., 1986 1. Band, § 18, S. 241. 364 Es kann daher nicht verwundern, wenn einige in der praktischen Anwendung keine Unterschiede sehen, Harke, Allgemeines Schuldrecht, 2010, Rn. 355; Looschelders, in: BeckOGK, 01. 09. 2018, § 362, Rn. 50.
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was eine Theorie, die eine sachgerechte Behandlung von gerade zweifelhaften Fällen ermöglichen soll, noch taugt, wenn sie gerade in problematischen Fallgestaltungen auf das zentrale Element der ihr entgegenstehenden Theorie zurückgreift. Richtigerweise ist Larenz’ Argumentation damit zu torpedieren, dass mit der Leistungserbringung in der Regel zum Ausdruck kommende einseitige Tilgungsbestimmung des Schuldners keine Rechtfertigung dafür bildet, auf diese generell zu verzichten, und mit ihr in problematischen Fällen wieder zu operieren365. Sie kommt in unproblematischen Fällen in stillschweigender Form vor.
ccc) Stellungnahme Der Theorie von der finalen Leistungsbewirkung ist zuzustimmen. Sie alleine tut dem Wortlaut der §§ 362 ff. und dem Gesetzgeberwillen genüge. Mit ihr lässt sich aber andererseits eine Harmonisierung mit dem bereicherungsrechtlichen subjektiven Leistungsbegriff erreichen. Die für die Theorie der finalen Leistungsbewirkung erforderliche Tilgungsbestimmung des Schuldners, also die Bestimmung, mit der erbrachten Leistung die vertragliche Verbindlichkeit zu erfüllen, ist auch in der von der herrschenden bereicherungsrechtlichen subjektiven Leistungstheorie geforderten Zweckbestimmung enthalten. Mit dem Willen das fremde Vermögen zu mehren wird bei Verbindlichkeiten, und nur um diese geht es bei der Harmonisierung zwischen §§ 362 ff. und §§ 812 ff.366, der Wille des Leistenden, eigene Verbindlichkeiten zu erfüllen, mitenthalten sein (s. o. die doppelte Finalität)367. Dieser Leistungsbegriff schlägt sich sodann auf den Rechtsgrundbegriff durch. Wird der Zweck der Leistung, namentlich die Erfüllung einer Verbindlichkeit nach §§ 362 ff. nicht erreicht, besteht auch kein rechtlicher Grund für die erfolgte Vermögensverschiebung. In diesem Falle liegt zwar eine Leistung i. S. v. § 812 vor, jedoch kein Rechtsgrund. Der Leistende könnte demnach kondizieren. Das Ineinandergreifen des Erfüllungsund Bereicherungsrechts erlaubt hier eine sachgerechte Beurteilung. Dieses Ineinandergreifen ist auch notwendig, wenn man die Erkenntnis, dass der Leistende mit seiner Vermögensverschiebung einem schuldrechtlichen Plan folgt, ernst nimmt368. Der Harmonisierungsbedarf zwischen beiden Regelungssyste365 Wieling, JuS 1978, 801, 802; in diese Richtung auch Weitnauer, FS Ernst von Caemmerer, 1978, 255, 268–269, wobei dieser der Theorie der realen Leistungsbewirkung die Vertragstheorie gegenüberstellt. 366 Insofern kann nur von einer „Teilidentität“ des bereicherungsrechtlichen und erfüllungsrechtlichen Leistungsbegriffs gesprochen werden, Beckhaus, Die Rechtsnatur der Erfüllung, 2013, S. 88, 91. Der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff geht über den erfüllungsrechtlichen hinaus, weil er nicht nur den Zweck der Verbindlichkeitserfüllung umfasst. 367 So auch Beckhaus, Die Rechtsnatur der Erfüllung, 2013, S. 88, die klarstellt, dass die „Tilgungsbestimmung“ und die „Zweckbestimmung“ bei solvendi causa keine inhaltlichen Unterschiede aufweisen. 368 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 85: „die für die Leis-
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men besteht aber auch deshalb, weil das Gesetz den gleichen Wortlaut, nämlich den der „Leistung“, im ganzen Schuldrecht verwendet (§§ 214, 242, 266, 267, 275, 362, 366, 787, 812 ff ). Man kann zusammen mit Weitnauer den Begriff der Leistung als einen „Eckpfeiler, auf denen das Gebäude unseres Schuldrechts ruht“369 bezeichnen und ihm die zentrale Bedeutung beimessen. Für eine einheitliche Behandlung beider Begriffe spricht aber auch die Erkenntnis, dass das bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsverhältnis nur „die Umkehrung des ursprünglichen Leistungsverhältnisses“ darstellt370.
(e) Resümierendes Ergebnis Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Leistung nach § 812 Abs. 1, S. 1, Alt. 1 im Sinne einer bewussten und zweckgerichteten Vermögensmehrung zu verstehen ist. Die Zweckgerichtetheit ist in der Regel zweigeteilt. Zum einen wird die Vermögensmehrung des anderen als solche angestrebt. Zum anderen verfolgt der Leistende eigene Zwecke, sodass von der doppelten Finalität zu sprechen ist. Diese Zwecke sind nur dann beachtlich, wenn sie von den Parteien inkorporiert werden sollten und der andere von ihrer Verfolgung ausgehen konnte. Einer Zweckvereinbarung i. S. d. Lehre vom Zweck bedarf es nicht. Werden die eigenen rechtlich relevanten Zwecke des Leistenden nicht erreicht, ist die Leistung rechtsgrundlos erbracht. Der Rechtsgrundbegriff bei der Leistungskondiktion ist als das Nichterreichen der mit der Leistung verfolgten rechtlich relevanten Zwecke zu definieren. Die trias der typischen Leistungszwecke ist: (1) datio solvendi causa, (2) datio donandi bzw. obligandi causa und (3) datio ob rem. Zur Harmonisierung des Erfüllungs- und Bereicherungsrechts ist bzgl. Erfüllungsleistung der Theorie der finalen Leistungsbewirkung zu folgen.
(5) Echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund Die langen, an ihrem Schwierigkeitsgrad kaum zu überbietenden Untersuchungen des Begriffes des „rechtlichen Grundes“ bei Leistungs- und der Nichtleistungskondiktionen waren erforderlich, um zu ermitteln, inwiefern der Grundtatbestand der echten Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677 HS. 1 mit diesem kompatibel ist.
tungskondiktion bedeutsame Brücke zwischen sachenrechtlich tatsächlicher und schuldrechtlich angestrebter Zuordnung“. 369 Weitnauer, FS Ernst von Caemmerer, 1978, 255, 257. 370 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, S. 282, 284.
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(a) Die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund für eine Leistungskondiktion Zunächst zum Rechtsgrund bei den Leistungskondiktionen. In der Regel wird der Geschäftsführer kondizieren, weil er im Rahmen der Geschäftsführung eigene Vermögenswerte einsetzt, die sich in dem wiederspiegeln können, was der Geschäftsherr erlangt hat. Hier sollte klar sein, dass nicht jeder Einsatz der Vermögenswerte des Geschäftsführers auch dazu führt, dass der Geschäftsherr etwas erlangt. Wenn etwa der Arzt einen Suizidenten rettet, so setzt er seine Arbeitskraft, damit auch seine Vermögenswerte ein, ohne dass der Suizident einen Vermögensvorteil erlangt. Das Rechtsgut Leben, welches der Suizident behalten kann, ist kein vermögenswertes Gut. Bezahlt dagegen ein Vater die Schulden seines Sohnes, sodass Erfüllung im Verhältnis zwischen dem Letzteren und seinem Gläubiger eintritt, so hat der Sohn durch den bewussten und zweckgerichteten Einsatz der väterlichen Vermögenswerte etwas erlangt. Wie bereits erörtert, verlangt der rechtliche Grund bei den Leistungskondiktionen, dass der Kondiktionsgläubiger bewusst und zweckgerichtet das Vermögen des Kondiktionsschuldners mehrt und dass der Zweck der Vermögensmehrung erreicht wird. Umgekehrt ist die Leistung ohne rechtlichen Grund erfolgt, wenn die verfolgten Zwecke des Leistenden nicht erreicht werden. Die Zwecke, die der Leistende beim Vermögenseinsatz verfolgt, müssen zwar nicht vereinbart sein, wie dies die Lehre vom Zweck verlangt. Sie müssen jedoch rechtlich erheblich sein. Das ist dann der Fall, wenn die verfolgten Zwecke, hinter denen sich wirtschaftliche Absichten des Leistenden verbergen, in das Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Empfänger „inkorporiert“ werden, wenn also der Leistungsempfänger erwarten konnte, dass der Leistende diese Zwecke bei der Güterbewegung verfolgt. Berücksichtigte man alle vom Leistenden verfolgten Zwecke und wäre nur ein, auch unwesentlicher, Zweck nicht erreicht, wäre dies die Rechtfertigung für die Auslösung des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs. Um diese Ausweitung des Anwendungsbereiches der §§ 812 ff. und den möglichen Missbrauch durch den Leistenden zu verhindern, bedarf es einer rechtlichen Einschränkung, die durch die Inkorporierung der Zwecke in das Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Empfänger erreicht wird. Nun wird der Geschäftsherr oft gar nicht wissen, dass jemand für ihn Vermögenswerte einsetzt. Das sollte die rechtliche Beurteilung dennoch nicht hindern. Abzustellen ist in diesem Fall, wie sonst auch immer, auf die hypothetische Vorstellung des Leistungsempfängers. Hat der Leistungsempfänger den vom Leistenden verfolgten Zweck abgelehnt, ihn also nicht gewollt, so kann dieser Zweck nicht rechtlich erheblich sein. Ein Rechtsgrund liegt in diesem Fall nicht vor. Erforderlich ist damit, dass der Leistungsempfänger mit der „Inkorporierung“ der Zwecke einverstanden ist, ohne dass dafür aber eine rechts-
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geschäftliche Zweckvereinbarung erforderlich ist. Dieser Inkorporierungswille muss nicht konkret und in allen Details bestimmt sein. Ausreichend ist ein abstrakter Wille. Verzichtet man nun beim Grundtatbestand der echten Geschäftsführung ohne Auftrag auf der Ebene des § 677 HS. 1 auf das Willenselement des Geschäftsherrn, so wie es die tradierte Lehre tut, so verzichtet man zugleich auf das für die Inkorporierung der Zwecke erforderliche subjektive Element des Kondiktionsschuldners. Nur durch die Inkorporierung erlangen diese Zwecke die rechtliche Erheblichkeit und rechtfertigen bei ihrem Verfehlen einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich. Mit dem Verzicht auf das subjektive Element des Geschäftsherrn wird demnach gegen das Rechtsgrundsystem der Leistungskondiktionen verstoßen. Die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag kann nur dann den rechtlichen Grund für die erfolgte Güterbewegung, also für die Leistungskondiktion darstellen, wenn auch ein subjektives Element des Geschäftsherrn und zwar bereits auf der Ebene des Grundtatbestandes nach § 677 HS. 1 verlangt wird. Der Grundtatbestand nach § 677 HS. 1 allein muss beide subjektiven Elemente zur Verfügung stellen. Dies gelingt nur der hier vorgeschlagenen zweigliedrigen subjektiven Konzeption. Auch die Quasikontrakttheorie kann in dieser Hinsicht zu zutreffenden Ergebnissen führen. Nur leitet die Letztere das subjektive Element aus § 683 S. 1 her und integriert den Übernahmewillen in § 677 HS. 1. Dies widerspricht dem Gesetzgeberwillen und der Systematik von §§ 677 ff. Außerdem kann die Quasikontrakttheorie nur bei echter berechtigter, nicht jedoch bei echter unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag zu zutreffenden Ergebnissen gelangen. Der bei der Letzteren gerade fehlende Übernahmewille nach § 683 S. 1 führt dazu, dass die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nie die ihr zugewiesene Rechtsgrundqualität erreichen könnte. Dabei erfüllt sie ebenso den Grundtatbestand nach § 677 HS. 1 und müsste ebenso einen Rechtsgrund nach § 812 Abs. 1 darstellen.
(b) Die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund für eine Leistungskondiktion Die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag verfügt nach der überzeugenderen Auffassung ebenfalls über eine Rechtsgrundqualität. Einen Rechtsgrund i. S. v. § 812 für Leistungskondiktionen kann sie allerdings nur dann darstellen, wenn auch bei ihr auf der Ebene der obligationsbegründenden Norm (§ 677 HS. 1) nach dem Willen des Geschäftsherrn verlangt wird. Allein die zweigliedrige subjektive Theorie kann einerseits dem Rechtsgrundsystem nach §§ 812 ff. gerecht werden, indem sie einen abstrakten Willen bereits auf der Ebene des § 677 HS. 1 fordert und somit auch diese Geschäftsführung bereicherungsrechtlich legitimiert. Andererseits benachteiligt sie den echten unberechtigten Geschäftsführer, indem über § 684 S. 1 auf die §§ 818 ff. verwiesen
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und das Entreicherungsrisiko diesem Geschäftsführer aufgebürdet wird. Mit der Einordnung der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zum einheitlichen Schuldverhältnis nach §§ 677 ff. werden dagegen dem Geschäftsherrn seinerseits die erforderlichen Rechte gewährt. Dieses System wird dem Gesetzgeberwillen gerecht, fügt sich in das Rechtsgrundsystem ein und grenzt die §§ 677 ff. und §§ 812 ff. tatbestandlich ab. Kollisionen zwischen beiden Instituten sind nicht zu befürchten.
(6) Rechtsgrund bei Nichtleistungskondiktionen Auch bei Nichtleistungskondiktionen ist der Rechtsgrund seit langem umstritten, wobei sich hier eine stabile herrschende Meinung herausbilden konnte371. Es streiten die Rechtswidrigkeitstheorie mit der Lehre vom Zuweisungsgehalt, oder Zuweisungstheorie. Von der früher vertretenen Vermögensverschiebungstheorie hat die Lehre Abstand – die „erste bereicherungsrechtliche Wende“372 – genommen, sodass sie heute nicht mehr vertreten wird. Auf sie wird deshalb nicht mehr eingegangen.
(a) Die Rechtswidrigkeitstheorie Nach der, vor allem früher vertretenen, Rechtswidrigkeitstheorie, die sich freilich seit langem um eine Renaissance bemüht373, ist etwas „in sonstiger Weise“ dann rechtsgrundlos erlangt, wenn der Eingriff rechtswidrig war. Es geht, wie Reuter/Martinek formulieren, um die Rechtswidrigkeit des Erlangens374, um die Rechtswidrigkeit des Erwerbs. Diese Lehre geht auf Fritz Schulz zurück, dessen Arbeit die Vertreter der Rechtswidrigkeitstheorie aufgriffen, um einen Gegenpol zu der herrschenden Zuweisungstheorie zu bilden. Der letzteren warfen sie gravierende dogmatische Mängel vor (dazu sogleich). Insofern ist zunächst die Schulz’sche Auffassung darzulegen. In seinem Beitrag, in dem er nichts Geringeres als das „System der Rechte auf den Eingriffserwerb“375 zu erklären versuchte, beschrieb er das Recht auf den Eingriffserwerb als „ein Recht auf alles, was durch den Eingriff in ein fremdes Recht erworben worden ist“376. Unter Eingriff sei jede Einwirkung auf ein fremdes Recht zu verstehen377. Unter Eingriffserwerb sei alles zu verste371 Dennoch wäre es verfrüht an das endgültige Ende der Diskussion zu denken, so wie auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 7, S. 234 feststellen, dass die Diskussion noch im Gange ist, weil keine der Positionen völlig unbestritten ist. 372 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 1, S. 24; zur Vermögensverschiebungstheorie im Detail, Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 2002, S. 41 ff. 373 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 7, S. 234. 374 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 7, S. 242. 375 Schulz, AcP 105, 1909, 1. 376 Schulz, AcP 105, 1909, 1, 427. 377 Schulz, AcP 105, 1909, 1, 427.
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hen, was durch den Eingriff erworben werde378. Bei der Rechtswidrigkeit oder Widerrechtlichkeit unterscheidet Schulz zwischen absoluter und relativer Widerrechtlichkeit. Die absolute Widerrechtlichkeit, die unabhängig vom Willen des Rechteinhabers, demnach kraft Gesetzes eintrete, sei gegeben, wenn eine Handlung gegen zwingende Gebots- und Verbotsvorschriften verstoße379. Dagegen sei eine Handlung relativ widerrechtlich, wenn sie „ohne gegen zwingende Gebots- und Verbotsnormen zu verstoßen einen Eingriff in ein subjektives Privatrecht darstellt, den der Betroffene sich nicht gefallen zu lassen braucht, zu dessen Unterlassung der Handelnde verpflichtet war“, also „ein Eingriff, den zu dulden der Betroffene gegenüber dem Handelnden nicht verpflichtet war“380. Den Unterschied sah er darin, dass das relative Unrecht genehmigungsfähig sei, das absolute dagegen nicht381. Dabei stellte Schulz zugleich klar, dass mit der Einordnung der Handlung als rechtswidrig sich noch kein Schadensersatzanspruch oder ein Recht auf den Eingriffserwerb ergebe382. Man müsse zwischen den rechtswidrigen Handlungen und dem Eintritt der Rechtsfolgen differenzieren383. Aus diesen Annahmen zog Schulz den Schluss, dass das Merkmal „ohne rechtlichen Grund“ nichts anderes bedeute als Widerrechtlichkeit. „Statt des unklaren ‚ohne rechtlichen Grund‘ sei einfach das Wort ‚widerrechtlich‘ einzusetzen. Die sog. Bereicherungsansprüche seien demnach Ansprüche aus widerrechtlichem Handeln“384. Jakobs folgte Schulz, als er u. a. begründen wollte, warum der Kondiktionsgläubiger aus § 816 Abs. 1 nicht nur den Wert der veräußerten Sache, sondern den erzielten (unter Umständen viel höheren) Erlös herauszugeben hatte385. Er verzichtete auf das Prinzip der Vermögensverschiebung – der Kondiktionsgläubiger müsse demnach nicht genau das verloren haben, was der Kondiktionsschuldner erlangt hatte386, der Gewinn auf der einen Seite müsse demnach nicht dem Verlust auf der anderen Seite entsprechen387 – und stellte unter ausdrücklichem Verweis auf die Schulz’sche Lehre auf die widerrechtliche Handlung ab388. Die Zugrundelegung des Kriteriums der Widerrechtlichkeit der Handlung führte zu der Schlussfolgerung, durch die Eingriffshandlung im Vermögen 378
Schulz, AcP 105, 1909, 1, 428. Schulz, AcP 105, 1909, 1, 433. Schulz, AcP 105, 1909, 1, 433. 381 Schulz, AcP 105, 1909, 1, 434. 382 Schulz, AcP 105, 1909, 1, 436. 383 Schulz, AcP 105, 1909, 1, 437. 384 Schulz, AcP 105, 1909, 1, 479–480. 385 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre der ungerechtfertigten Bereicherung, 1964, S. 57. 386 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre der ungerechtfertigten Bereicherung, 1964, S. 52. 387 Womit die ältere Vermögensverschiebungslehre abgelehnt wurde. 388 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre der ungerechtfertigten Bereicherung, 1964, S. 42, 54, 57. 379 380
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des Nichtberechtigten sei eine Erlangung um den Erlös geschehen, die er auch herauszugeben habe. Kellmann ging noch weiter, indem er die Schulz’sche „Widerrechtlichkeitstheorie“ als ihrer Zeit vorauseilend beschrieb. Sie „wurde trotz glanzvollen und im Kern zutreffenden Gedankengänge als zu weitgehend mit Recht allgemein abgelehnt“389. Auch er verzichtete auf das Prinzip der Vermögensverschiebung und auch er kritisierte, dass mit der Abstellung auf dieses Prinzip sich „die Kondiktion hinsichtlich des ‚Überschusses‘ … nicht mehr rechtfertigen“ könne390. Den Unterschied zu Schulz und Jakoks sah er darin, dass er der „Benutzung fremder Rechtsobjekte“ oder der „Ausnutzung eines identifizierbaren Rechtsobjektes“, etwa ihrer Verwertung, die Maßgeblichkeit beimaß391. Die Be- oder Ausnutzung sei freilich nicht allein ausreichend, sondern sie müsse von der Rechtsordnung missbilligt werden, oder, und hier klingt Kellmann fast identisch zu Schulz, „m. a. W. der Rechtsinhaber [brauchte] die Ausnutzung seiner Rechtsgüter durch Dritte nicht zu dulden“392. Obwohl Kellmann anders klingen will, so ist ein grundsätzlicher Unterschied zu der von ihm befürworteten aber, wie er selbst zugibt, „mit Recht“ abgelehnten Widerrechtlichkeitstheorie nicht ersichtlich393. Das erkennt man auch daran, dass auch er den Sanktionsgedanken für tragend ansah394. Etwas differenzierter und vorsichtiger, in weiten Teilen aber durchaus mit berechtigter Kritik, sowohl an der Rechtswidrigkeitstheorie als auch an der Zuweisungstheorie, formulierte Haines, dass „die objektiv rechtswidrige Handlung des Bereicherten als das notwendige Bindeglied zwischen ihm und dem Kondizierten und damit als das konstituierende Moment der sogenannten Eingriffskondiktion anzusehen“ sei395. Dennoch kritisierte er den Anspruch der Schulz’schen Lehre und auch der Zuweisungstheorie für alle Fallgestaltungen, die bezüglich der Eingriffskondiktion in Frage kommen, einen „Generaltatbestand“, oder ein „einheitliches Prinzip“ zu schaffen396. „Der Gewinn dog389
Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 1969, S. 83. Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 1969, S. 80. Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 1969, S. 86. 392 Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 1969, S. 86. 393 Auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 7, S. 243 meinen, dass „Unter den modernen Vertretern, die die von Fritz Schulz begründete Rechtswidrigkeitstheorie zum Teil erheblich modifizieren, steht wohl Kellmann dem alten Ansatz am nächsten“. 394 Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 1969, S. 85, auch wenn er eine Einschränkung vornahm: „Allerdings ist der Sanktionsgedanke… für die Erklärung allein nicht ausreichend“. 395 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 50. 396 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 55, 56: „Vor allem ist aber fraglich, ob es sich für einen so weit gefaßten gesetzlichen Tatbestand wie § 812 I 1, 2. Alt. BGB die Grenzen seines Wirkungsbereichs überhaupt ein für allemal und mit Geltungsanspruch gegenüber allen denkbaren Fallkonstellationen vorauszubestimmen seien“. 390 391
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matischer Kontinuität, gleichförmiger Entscheidungen und vertieften Verständnissen der ‚Grundlagen‘ oder ‚Prinzipien‘ erweist sich oft als Illusion, wenn die alten Formeln offene und verdeckte Generalklauseln enthalten, oder als Danaergeschenke, wenn die Formeln fest genug, aber unangemessen sind“397. Deshalb plädierte er dafür, das Merkmal des „rechtlichen Grundes“ „nur durch sorgfältige Wertung des Einzelfalls, vorsichtige Bildung von Fallgruppen und differenzierten Fallvergleich“ zu ermitteln398.
(b) Die Zuweisungstheorie Den Gegenpol zu der Rechtswidrigkeitstheorie bildet die auf Wilburg und v. Caemmerer zurückgehende Lehre vom Zuweisungsgehalt. Diese Theorie bildete den Grundstein für die heute herrschende, jedoch zum Teil von ihr abweichende Rechtsgrundstheorie bei Nichtleistungskondiktionen. Wilburg griff offen die Rechtswidrigkeitstheorie an: „Nicht die außerhalb des Rechtes liegende Idee einer Vorteilsentziehung als strafender Reaktion gegen unrechtes Handeln, sondern der rein sachliche Zweck des verkürzten Rechtes, bestimmte Güter und deren Nutzen dem Berechtigten zuzuweisen, scheint das Geheimnis der Ungerechtfertigtheit fremden Erwerbes zu enthalten.“399 In ihm sah Wilbung die „innere Kraft des Bereicherungsanspruches“ als „eine organische Grundlage“400. Die Kondiktionen aus §§ 812 ff. seien „nichts Anderes als eine Fortbildung des Eigentumsschutzes“401. Sie seien Rechtsfortwirkungsansprüche402. Diese Ansprüche leiten ihre Existenz aus den Rechten ab, die das verwendete Rechtsgut schützen und im Zeitpunkt der Verwendung notwendigerweise existieren müssen403. Dabei beschränkte Wilbung die Rechte, die das verwendete Gut schützen, auf „absolute Rechte und absolut geschützte Interessen“. 397 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 55. 398 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 57: „Für die Tatbestandsbildung in Fällen der Eingriffskondiktion folgt …, daß nicht ein allumfassender und alleinseligmachender Generaltatbestand das Ziel der Gesetzesauslegung sein kann, sondern daß man auf eine sinnvolle Ordnung und Abgrenzung der einzelnen Fallgruppen achten sollte, in denen eine ungerechtfertigte Bereicherung ‚in sonstiger Weise‘ auf Kosten eines anderen erkannt oder in der Diskussion ist“. 399 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 27. 400 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 27. 401 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 35. 402 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 49. 403 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 114.
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V. Caemmerer folgte Wilburg. Auch er sah im Zuweisungsgehalt des fremden Rechts das maßgebliche Kriterium. „Unrechtmäßig ist die Bereicherung deshalb, weil sie der in dem Eigentum liegenden Güterzuweisung widerspricht“404. Auch er beschränkte den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktionen auf Eingriffe in fremde absolute Rechte405, wobei er, wie auch Wilburg406, zu diesen auch Forderungen zählte407. Anders als Wilburg408 entscheidet er bei der speziellen bereicherungsrechtlichen Frage, ob der Kondiktionsschuldner auch den Gewinn herauszugeben hat. V. Caemmerer beschränkte den Gegenstand der Kondiktion grundsätzlich auf den Wert des Erlangten409. Nur im Falle eines bösgläubigen Eingriffs in ein fremdes Recht stellte er auf die angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag ab und ließ über § 687 Abs. 2 den Gewinn herausgeben410. Wilburg will dagegen neben der Herausgabe des Wertes eine (komplizierte) Verteilung des Gewinns nach dem Verhältnis der Beitragswerte vornehmen411.
(c) Die Entscheidung für die (korrigierte) Zuweisungstheorie Resümierend ist zu konstatieren, dass keine der beiden Auffassungen ihr Ziel – die Frage des rechtlichen Grundes für alle in Betracht kommenden Fallkonstellationen überzeugend zu lösen – zu erreichen vermögen. Man darf durchaus mit der heute herrschenden Zuweisungstheorie härter ins Gericht gehen, als dies in der gängigen Kommentar- und Lehrbuchliteratur getan wird. Nicht ganz von der Hand zu weisen ist Haines’ Kritik, dass mit der „Zuordnung“ oder „Zuweisung“ nur geklärt werden kann, welchem Rechtssubjekt ein Rechtsgut zusteht, somit über welche Befugnisse der Berechtigte verfügt, wie weit der Raum seiner freien Gestaltung geht412. Über die Funktion das „Etwas“ zu einem bestimmten Rechtssubjekt zuzuordnen, also über die Funktion eines „Relationsbegriffs“ hinaus, kann die Zuweisungstheorie streng genommen gar nicht gehen413. Das die §§ 812 ff. auslösende Moment des „ohne rechtlichen Grundes“ fehlt bei genauerem Hinsehen. Die Frage des Vorliegens eines „Ein404
v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 353. v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 353 ff. 406 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 46. 407 v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 355. 408 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 409 v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 356. 410 v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 359. 411 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 128 ff. 412 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 84. 413 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 85. 405
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griffs“ wird nicht beantwortet. Deshalb kann auch nicht überraschen, dass der Zuweisungstheorie ein „Ergebnis rechtsdogmatischer Parthenogenese“414 vorgeworfen wurde. Der Begriff des Zuweisungsgehalts ist seinerseits auslegungsbedürftig415 und führt ohne klare Kriterien zu willkürlichen Subsumtionsergebnissen. Nicht von der Hand zu weisen ist somit auch der Einwand, dass mit der Ermittlung der Zuordnung eines Rechtsgutes zu einem Rechtssubjekt nicht die Frage geklärt ist, ob bei einem vorhandenen Eingriff dieser Eingriff auch ohne Rechtsgrund geschah. Nicht jede Bereicherung ist ungerechtfertigt. Nicht jeder Eingreifende handelt ohne Rechtsgrund416. Schließlich hat die strenge Beschränkung des Anwendungsbereiches auf absolute Rechte dort ihre kritischen Momente, wo entweder der Anwendungsbereich der in Betracht kommenden subjektiven Privatrechte nicht genau umrissen ist, wie dies etwa beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht, bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb ist417, oder wenn die „Absolutheit“ der in Rede stehenden Rechte bezweifelt wird. Auch relative Rechte haben einen Zuweisungsgehalt418. Kellmanns Einwand, die Drittwirkung eines Rechts erhöhe die Zahl der potentiellen Kondiktionsschuldner und dürfe darüber hinaus freilich keine Bedeutung haben419, überzeugt. Sieht man die §§ 812 ff. als Rechtsfortwirkungsansprüche an, so ist formaljuristisch nicht verständlich, wie Rechte, die vor dem Eingriff nicht bestanden haben, in Form von §§ 812 ff. fortgewirkt haben sollen und deshalb dem Kondiktionsgläubiger zustehen. Jakobs macht das an einem Beispiel deutlich. Die natürlichen Früchte einer im fremden Eigentum stehenden Sache sind als rechtfortwirkende Rechte anzusehen, denn „sie sind in der Tat aus fremden Vermögen erworben“. Nicht dagegen etwa der erzielte Kaufpreis aus der Veräußerung der Sache. Das Eigentum an dem Geld stand dem Kondiktionsgläubiger nicht zu, weil der Leistungsaustausch bis dahin nicht stattgefunden hat. Ein Zusammenhang ist insofern zu erkennen, als der erzielte Kaufpreis, also das Eigentum an dem Geld, eine Folge aus der Verwendung der fremden Sache ist420. 414 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 84. 415 Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 812, Rn. 278; Schlechtriem, FS Wolfgang Hefermehl, 1976, 445, 448. 416 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 86. 417 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 71. 418 Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 1969, S. 90, 92 ff.; in diese Richtung auch Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1467. 419 Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 1969, S. 97. 420 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre der ungerechtfertig-
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Andererseits kann die Rechtswidrigkeitstheorie die Frage, ob jemand etwas rechtsgrundlos erlangt hat, alleine auch nicht beantworten, ohne auf den Zuweisungsgehalt Bezug zu nehmen. Der Kondiktionsgläubiger kann nur deshalb die Herausgabe über §§ 812 ff. verlangen, weil diese Vorschriften den Schutz seiner subjektiven Rechte gewährleisten. Der Raum der freien Gestaltung dieser Rechte muss jedoch seinerseits ermittelt werden, um beurteilen zu können, ob es überhaupt einen Eingriff gab und ob dieser rechtsgrundlos war421. Da es um subjektive Rechte geht, muss deshalb primär gefragt werden, ob der Kondiktionsgläubiger als Rechteinhaber mit der „Erlangung“ des „Etwas“ einverstanden war. Wenn dies der Fall ist, ist die Erlangung mit Rechtsgrund erfolgt, es sei denn das Gesetz regelt etwas anderes. Wenn dies nicht der Fall ist, so ist die Erlangung ohne Rechtsgrund erfolgt, es sei denn, das Gesetz regelt etwas anderes. Die Rechtswidrigkeitstheorie versagt auch dort, wo die Eingriffe in ein fremdes Recht nicht auf menschlicher Handlung beruhen422. Insbesondere sieht man die Verfehltheit dieses Ansatzes, wenn die Bereicherung auf eine rechtmäßige Handlung zurückzuführen ist423. Die Konsequenz wäre, dass, wie Kleinheyer zu Recht schlussfolgert, ein rechtlich missbilligter Erfolg, der aber durch eine rechtmäßige Handlung herbeigeführt wurde, nicht zu einem bereicherungsrechtlichen Ausgleich führen würde424. Selbst der Begründer der Rechtswidrigkeitstheorie – Fritz Schulz – war der Auffassung, dass die Rechtswidrigkeit der Handlung „keineswegs unbedingt Voraussetzung für die Entstehung eines Rechts auf den Eingriffserwerb ist…Aber in den weitaus meisten Fällen ist allerdings die Widerrechtlichkeit Voraussetzung; ist der Eingriff rechtmäßig, so soll in der Regel der Eingreifer die Eingriffsgegenstände behalten dürfen“425. Fritz Schulz muss entgegnet werden, dass er den Begriff der Voraussetzung mit dem Begriff des Indizes vermischt. Die Voraussetzung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie ein bestimmtes Merkmal, in diesem Zusammenhang die rechtswidrige Handlung, immer verlangt, es sei denn, es werden kraft Gesetzes oder anerkannter Rechtsinstitute Ausnahmen zugelassen, ohne dabei die Struktur der Voraussetzung zu ändern. Dagegen zeichnet sich ein Indiz dadurch aus, dass das indizgebende Merkmal zwar nicht verlangt wird, aber auf eine bestimmte Rechtsfolge bei seinem Vorliegen hindeutet. Dieses Indiz kann freilich ten Bereicherung, 1964, S. 29; auch Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 56. 421 Ähnlich Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 2002, S. 173. 422 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 472. 423 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 472, nimmt als Beispiel, wenn jemand seine eigenen Kohlen im fremden Ofen verheizt. In diesem Fall wäre aber zu fragen, ob dies nicht eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ist, die den Rechtsgrund nach § 812 ausschließen würde. 424 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 472. 425 Schulz, AcP 105, 1909, 1, 431.
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seinerseits widerlegt werden426. Anhand dieses Verständnisses ist die rechtswidrige Handlung im Sinne des Schulz’schen Beschreibung vielmehr als Indiz zu qualifizieren. Wenn dies aber so ist, so ist die Rechtswidrigkeitstheorie keine der Zuweisungstheorie wirklich entgegenstehende Alternativlösung. Auch der von Wilburg erhobene Einwand, dass die Rechtswidrigkeitstheorie mit den Ansprüchen aus den Nichtleistungskondiktionen die „außerhalb des Rechtes liegende Idee einer Vorteilsentziehung als strafender Reaktion gegen unrechtes Handeln“ verfolge427, kann nicht ohne Beachtung gelassen werden. Kellmann, einer der Befürworter dieser Theorie, hat den Sanktionsgedanken ausdrücklich angesprochen428. Dabei ist die Funktion des Bereicherungsrechts nicht die Bestrafung, nicht die Sanktionierung des Kondiktionsschuldners, sondern nur die Abschöpfung der vermögenswerten Vorteile, die dieser erlangte429. Der Sanktionsgedanke ist vielmehr im Deliktsrecht zu verankern430. Das Bereicherungsrecht ist kein qualifiziertes „plus“, sondern ein „das Deliktsrecht flankierendes ‚aliud‘ mit der selbstständigen Funktion eines Güterschutzes“431, die „dritte Säule des Anspruchsgebäudes bei der Usurpation fremder Rechtsgüter“432. Mit der Abstellung auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs besteht die Gefahr, dass in Abkehr zum zivilrechtlichen Verschuldensprinzip und auch in Abkehr zur verschuldensabhängigen Deliktshaftung, eine verschuldensunabhängige Bereicherungshaftung entstehen könnte433. Die beiden Theorien stehen sich dennoch sehr nah. Auch Jakobs pflichtete der Zuweisungstheorie bei, „als das Verbotensein der bereicherungsrechtlichen Handlung allein keine ausreichende Legitimation zur Kondiktion für einen anderen abgeben kann. Aber es ist ein Irrtum, zu meinen, es lasse sich zur Begründung des Anspruchs auf den Verwendungserfolg, auf den Kaufpreis oder die ersparten Ausgaben, völlig auf die Widerrechtlichkeit der bereicherungsbegründenden Handlung verzichten“434. Es verwundert auch nicht, wenn Wilburg, obwohl die Rechtswidrigkeitstheorie offen ablehnend, bei der Propagierung seiner Zuweisungstheorie formuliert: „Wesentlich ist nicht die Art des Erlangens, 426 Meier, BauR 2016, 565, 567–568, 573, in Bezug auf die Abnahmereife und Prüfungsmöglichkeit im Rahmen eines Bau- und Architektenvertrages bzgl. des § 640 BGB 427 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 27. 428 Vgl. Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 1969, S. 85. 429 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 7, S. 233. 430 In diese Richtung auch Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1467. 431 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 7, S. 235. 432 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 7, S. 237. 433 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, §, S. 246; auch F. L. Schäfer erkennt, dass es im Grunde darum geht, wie weit die Verschuldenshaftung aus dem Deliktsrecht durch die verschuldensunabhägige Haftung ergänzt werden soll, Schäfer, in: HKK, 2013, §§ 812–822, Rn. 98. 434 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre der ungerechtfertigten Bereicherung, 1964, S. 28.
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sondern allein die Tatsache, daß darin die Verwendung eines fremden Rechtsgutes und damit ein Widerspruch zum fremden Recht liegt“435, oder wenn v. Caemmerer schreibt: „Die Rechte [aus §§ 812 ff.] stehen dem Verletzten völlig unabhängig davon zu, ob er in der Lage gewesen wäre…einen Gewinn zu erzielen“436, oder „Wer ein fremdes Patent, wenn auch schuldlos, verletzt, ist um den Wert bereichert, den die Verwendung des geschützten Verfahrens hatte“437. Die Verwendung, oder wie Kleinheyer präziser formuliert, die Inanspruchnahme eines fremden Rechts, die im Widerspruch zu diesem steht, die also dieses verletzt, kann ebenso gut als eine rechtswidrige Verwendung bezeichnet werden, womit man der rechtswidrigen Handlung entscheidend näherkommt. Nicht die Unrechtmäßigkeit des Verwendungserfolgs, worauf Wilburg abstellte438, ist entscheidend. Der Zuweisungsgehalt eines subjektiven Rechts umfasst den Ertrag der Verwendungen nicht439. Entscheidend ist die Zuweisung von Befugnissen, also die Frage, wem es zugewiesen war die aus dem subjektiven Recht resultierende Befugnis, unabhängig davon, ob es eine positive oder negatorische Befugniszuweisung ist, wahrzunehmen440. Darin liegt der Unterschied zwischen Wilburg und v. Caemmerer und dem letzteren ist der Vorzug zu gewähren. Nimmt der Unbefugte eine fremde, d. h. aus dem Recht eines anderen sich ergebende Befugnis wahr und erlangt dadurch „etwas“, so ergibt sich daraus keine Unrechtmäßigkeit des Verwendungserfolgs, sondern die Unrechtmäßigkeit der Befugnisinanspruchnahme. Da die Inanspruchnahme einer Befugnis häufig eine rechtswidrige Handlung darstellt, führt es konsequenterweise dazu, dass beide Theorien sehr häufig zu gleichen Ergebnissen gelangen441. Zusammen mit Reuter/Martinek442 lässt sich aus beiden Theorien dennoch keine „Kombinationstheorie“ kreieren. Im Vordergrund der Beurteilung des Merkmals „ohne rechtlichen Grund“ steht das Erlangte. Das „Etwas“ wird nicht unbedingt durch eine rechtswidrige Handlung, jedoch durch die zuweisungswidrige Inanspruchnahme der Befugnisse erlangt.
435 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 43, die Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 436 v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 354. 437 v. Caemmerer, FS Ernst Rabel, 1954, 333, 357, die Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 438 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, 1934, S. 114. 439 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 472. 440 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 472. 441 Vgl. dazu Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre der ungerechtfertigten Bereicherung, 1964, S. 25. 442 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 7, S. 246.
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(7) Echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund bei Nichtleistungskondiktionen Tritt die echte Geschäftsführung ohne Auftrag im Gewande eines Eingriffs in fremde Rechte auf, entsteht also ein Konflikt zwischen den §§ 677 ff. und den Nichtleistungskondiktionen, so kann die echte Geschäftsführung ohne Auftrag nur dann den Rechtsgrund für eine Nichtleistungskondiktion darstellen, wenn derjenige, in dessen Zuweisungsgehalt seines subjektiven Rechts eingriffen wurde, mit dem Eingriff einverstanden war. Derjenige, dem das subjektive Recht zugewiesen ist, entscheidet grundsätzlich, ob der Eingriff zulässig oder nicht zulässig ist. Ausnahmsweise ist sein Wille unbeachtlich, wenn gesetzliche Vorschriften, hinter denen das öffentliche Interesse steht, den Eingriff trotz eines entgegenstehenden Willens des Rechtsinhabers rechtfertigen oder Rechte Dritter betroffen sind. Damit wird klar, dass der Grundtatbestand des § 677 HS. 1 einen Eingriff in ein subjektives Recht nicht legitimieren kann, wenn im Rahmen dieses Grundtatbestandes auf den Willen desjenigen, in dessen Recht eingriffen wurde, verzichtet wird. Subjektive Rechte zeichnen sich gerade dadurch aus, dass über sie grundsätzlich der Rechteinhaber entscheidet. Berechtigterweise führt Haines aus: „Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei, daß unsere Rechts- und Sozialordnung die Interessen des einzelnen nicht nur über zwingende administrative Normen befriedrigt, sondern in weitem Umfang auch durch Zuteilung sogenannter subjektiver Rechte, mit denen einem einzelnen Rechtsinhaber ein bestimmter Lebensbereich zu eigenverantwortlicher Gestaltung überlassen wird. Die Rechtsordnung beschränkt sich hier darauf, Art und Umfang der eingeräumten Bestimmungs-, Gestaltungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten zwingend festzulegen; innerhalb dieses Rahmens darf der Berechtigte nach Belieben verfahren … Der Bereich freier Gestaltung, der Bezugspunkt der Willensherrschaft des Be rechtigten, das ‚Etwas‘, das seiner Willensbestimmung unterliegt, der rechtlich anerkannte rechtsfreie Raum läßt sich als Rechtsgegenstand oder Rechtsgut bezeichnen; ein solcher Rechtsgegenstand bildet das Korrelat eines jeden – ‚absoluten‘ subjektiven Rechts … Soweit jemandem ein subjektives Recht zusteht, soweit ihm also die freie Willensbestimmung in Bezug auf einen Rechtsgegenstand überlassen ist, sind damit per definitionem alle im Rahmen des subjektiven Rechts verfolgbaren Interessen als berechtigt anerkannt; per definitionem darf allein der Rechtsinhaber über den ihm zugeordneten oder zugewiesenen Rechtsgegenstand bestimmen.“443.
Erhebt man den Willen des Rechteinhabers, also des Geschäftsherrn, nicht zum Tatbestandsmerkmal des die Legitimierung auslösenden Tatbestandes – 443 Haines, Bereicherungsansprüche bei Warenzeichenverletzungen und unlauterem Wettbewerb, 1970, S. 68 ff.
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§ 677 HS. 1 – so wird zugleich ein Verstoß gegen das subjektive Recht des Geschäftsherrn und demnach auch gegen das Rechtsgrundsystem der Nichtleistungskondiktionen begangen. § 677 HS. 1 nach dem Verständnis der tradierten Lehre kann somit eine rechtfertigende Wirkung für Nichtleistungskondiktionen nicht entfalten. Die zweigliedrige subjektive Theorie fügt sich dagegen problemlos in das Rechtsgrundsystem der Nichtleistungskondiktionen ein. Zum einen verlangt sie auf der Ebene des § 677 HS. 1 grundsätzlich den abstrakten Willen des Geschäftsherrn bzgl. der Geschäftsbesorgung und damit bzgl. des Eingriffs in seine Rechte. War die Geschäftsführung, die in das Recht des Geschäftsherrn eingreift, vom abstrakten Willen des Geschäftsherrn umfasst, ist § 677 HS. 1 erfüllt, die durch die Geschäftsführung erfolgte Vermögensverschiebung demnach legitimiert. War ein solcher Wille nicht vorhanden, ist § 677 HS. 1 nicht erfüllt. Ein Rechtsgrund liegt folglich nicht vor. Der bereicherungsrechtliche Ausgleich ist gerechtfertigt. Andererseits ist der Wille des Geschäftsherrn gem. § 679 ausnahmsweise unbeachtlich, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt. In diesem Fall ist die Geschäftsführung rechtfertigend, sodass die §§ 677 ff. Anwendung finden und zugleich die §§ 812 ff. tatbestandlich ausschließen.
cc) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Ausschlussgrund der Widerrechtlichkeit Nun wird zu zeigen sein, dass das System, welches wir in §§ 985 ff. und in §§ 812 ff. vorgefunden haben, sich in besonders deutlicher Weise im Deliktsrecht (§§ 823 ff.) wiederspiegelt.
(1) Legitimationswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag im Rahmen des Deliktsrechts (§§ 823 ff.) Auch das Verhältnis zwischen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag und dem Deliktsrecht wird nicht einheitlich gelöst. Die ganz überwiegende Auffassung qualifiziert die echte berechtigte bzw. die echte unberechtigte aber nach § 684 S. 2 genehmigte Geschäftsführung ohne Auftrag als einen Rechtfertigungsgrund444. Dagegen soll die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag keinen Rechtfertigungsgrund darstellen. Diese Auffassung geht auf den berühmten Aufsatz von Zitelmann zurück, der es für undenkbar hielt, die Tätigkeit des Geschäftsführers als rechtswidrig einzustufen. Es hieße ja, dass die Ge444 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 141 ff.; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 677, Rn. 20; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 64; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 90 f.; Dornis, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, Vorbemerkung vor § 677, Rn. 30; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, Vor § 677, Rn. 4.
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schäftsbesorgung verboten sei, obwohl sie gerade gefördert werden solle. „Das hieße in einem Atem ja und nein sagen“445. Die objektive Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in fremde Rechtsgüter sei deshalb ausgeschlossen, soweit der Handelende als Geschäftsführer in den Grenzen der §§ 677 ff. handele446. Andere behandeln das Verhältnis nach der Anspruchskonkurrenz447. Heinz möchte eine rechtfertigende Wirkung nur dann annehmen, wenn die Grundsätze der mutmaßlichen Einwilligung erfüllt sind448.
(a) Kollisionen Auch hier gilt es, zunächst die tatsächlichen Kollisionsprobleme und sich daraus ergebende Rechtsfolgen herauszuarbeiten. Die Konstellationen, bei denen beide Institute eingreifen können, lassen sich ganz einfach konstruieren. Hat der Geschäftsführer, mit der Absicht für einen anderen zu handeln, das von § 823 Abs. 1 umfasste Recht bzw. Rechtsgut des Letzteren schuldhaft verletzt, ist der Tatbestand des § 677 HS. 1 nach der h. M. und der des § 823 Abs. 1 erfüllt. Das Gleiche gilt, wenn statt der Verletzung eines Rechts bzw. Rechtsgutes nach § 823 Abs. 1 gegen ein die Individualinteressen schützendes Gesetz nach § 823 Abs. 2 verstoßen wurde.
(b) Das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als ein umfassend regelndes Verhältnis Zum einen kann eine Recht- bzw. Rechtsgutsverletzung oder Schutzgesetzverletzung in der Form vorliegen, dass der Geschäftsführer überhaupt das Geschäft ausgeführt hat. Das heißt, die Verletzung besteht in der Übernahme, in dem „Ob“ der Geschäftsführung. Andererseits kann die Übernahme des Geschäfts zwar erlaubt, jedoch seine Art und Weise wiederum rechtswidrig sein. Hier geht es um die Ausführung des Geschäfts, also das „Wie“ der Geschäftsführung. Im Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag sind Rechtsfolgen im Falle der Verletzung beider Ausprägungen dieses konkreten Interesses geregelt. Die §§ 683, 684, 678 regeln die Rechtsfolgen bei einem vorliegenden bzw. nicht vorliegenden Übernahmewillen. In §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 werden die Rechtsfolgen der interessenwidrigen Art und Weise der Geschäftsführung geregelt. Diese Ansprüche sind gegenüber § 823 für den Geschäftsherrn dahingehend 445
Zitelmann, AcP 99, 1906, 1, 105. Zitelmann, AcP 99, 1906, 1, 104; ihm folgend Hamacher, Geschäftsführung ohne Auftrag als Ausschlußgrund der Rechtswidrigkeit, 1933, S. 16 ff. 447 Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 677 ff., Rn. 16 f.; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 243 ff.; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 314. 448 Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 316. 446
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vorteilhafter, weil sie im Rahmen von § 678 einen strengeren Haftungsmaßstab des Geschäftsführers, in §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 eine Beweislastumkehr vorsehen. Auch eine Exkulpationsmöglichkeit des vom Geschäftsführer eingesetzten Verrichtungsgehilfen (§ 831) gibt es in §§ 677 ff. nicht. Außerdem gehen sie über die von § 823 Abs. 1 geschützten Rechtsgüter hinaus und schützen auch das Vermögen. Es muss daher im Verhältnis zum Deliktsrecht konstatiert werden, dass sich das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als ein umfassend regelndes Institut der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn darstellt. Insoweit muss den §§ 677 ff. jedenfalls eine verdrängende Wirkung beigemessen werden. Des Schutzes des Geschäftsherrn nach §§ 823 ff. bedarf es nicht, weil die §§ 677 ff. ihn stets umfassender und weitgehender schützen. Dies gilt nicht nur in Bezug auf parallele Ansprüche aus beiden Instituten. Die §§ 677 ff. vermögen dem Geschäftsherrn noch solche Ansprüche zu gewähren, die es in §§ 823 ff. nicht gibt. Das sind die Anzeige-, Warte-, Auskunfts-, Benachrichtigungs-, Rechenschafts- und Herausgabeansprüche nach § 681. Lediglich bei einem nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer wird der Schutz des Geschäftsherrn auf das deliktsrechtliche Niveau abgesenkt (§ 682).
(c) Pflichten nach § 681 Nach § 681 S. 1 ist der Geschäftsführer verpflichtet, dem Geschäftsherrn die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, anzuzeigen und, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, dessen Entschließung abzuwarten. Hat der Geschäftsführer dem Geschäftsherrn die Geschäftsführung angezeigt und abgewartet bzw. bestand die Aufschubgefahr, so wird ihm die Geschäftsführung erlaubt. Wenn dies aber so ist, kann die Übernahme selbst nicht eine unerlaubte Handlung darstellen, auch wenn diese sich als willens- bzw. interessenwidrig nach § 683 erweisen sollte. Was der Geschäftsführer darf, kann nicht von einem anderen Institut als rechtswidrig eingeordnet werden. Sonst würde das Recht mit „mehreren Zungen“ sprechen. Auch die Auskunfts-, Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflichten nach § 681 S. 2 i. V. m. § 666 deuten auf dieses Ergebnis hin. Die Auskunft, Benachrichtigung und Rechenschaft über die Geschäftsführung setzten als solche bereits voraus, dass das Geschäft ausgeführt werden darf. Dass dieses in pflichtwidriger Weise ausgeführt wird, nimmt der Ausführung ihre legitimierende Kraft nicht. Bedenkt man, dass § 681 nach der zutreffenden Auffassung auf beide Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag anzuwenden ist, so können sie beide keine Delikte darstellen. Die echte unberechtigte Geschäftsführung ist zwar pflichtwidrig, aber nicht rechtswidrig. § 681 S. 2 i. V. m. § 667 erweist in diesem Zusammenhang ebenfalls eine große Hilfe. Der Geschäftsführer ist nicht nur verpflichtet, alles, was er durch
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die Geschäftsführung erlangt, dem Geschäftsherrn herauszugeben. Denklogisch ist er auch verpflichtet das Erlangte zunächst zu besitzen. Es liegt folglich eine Pflicht zum Besitz vor449. Wenn es eine Pflicht zum Besitz gibt, muss es notwendigerweise ein Recht zum Besitz geben. Das Gesetz kann bei der Auferlegung einer Besitzpflicht nicht zugleich ein Besitzrecht verweigern. Bekanntlich kann eine Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 auch in der Besitzstörung des Eigentumsgegenstandes liegen. Wenn § 681 S. 2 i. V. m. § 667 den Geschäftsführer zum Besitz berechtigt und verpflichtet, kann der Besitz nicht seinerseits unerlaubt sein. Auch hier gilt es, zwischen der Rechtswidrigkeit und der bloßen Pflichtwidrigkeit zu unterscheiden. Auch dies deutet auf eine tatbestandliche Lösung hin.
(d) Interessenwahrungspflicht nach § 677 HS. 2 Auch aus § 677 HS. 2 ist eine bedeutende Schlussfolgerung zu ziehen. Diese Vorschrift ist nach der zutreffenden Auffassung auf beide Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag anzuwenden. Auch wenn der Geschäftsführer den Übernahmewillen des Geschäftsherrn verfehlte, muss er bei der Art und Weise das Geschäft interessengemäß ausführen. Die ihm auferlegte Ausführungspflicht steht im Gegensatz zu einer unerlaubten Handlung. Dieser Pflicht unterliegt nach der überzeugenderen Auffassung sowohl der echte berechtigte als auch der echte unberechtigte Geschäftsführer ohne Auftrag. Anderenfalls würde auch hier das Recht mit mehreren Zungen sprechen.
(e) Führung fremder Geschäfte – keine Delikte Die Historie vermag ebenso einen bedeutenden Beitrag zum Verhältnis beider Institute zu leisten. Angesichts der noch wiederzugegebenen Passagen überrascht es, wenn in der Literatur vertreten wird, aus den Gesetzgebungsmaterialien wäre eine legitimierende Wirkung in Bezug auf die unerlaubten Handlungen nicht ersichtlich450. Denn die 1. Kommission führte aus: „daß die negotiorum gestio, mag ihr auch die Eigenschaft eines Rechtsgeschäfts im engeren und eigentlichen Sinne abzusprechen sein, doch zu den sog. Rechtshandlungen im weiteren Sinne oder zu den unmittelbar eine Rechtsänderung nach sich ziehenden vorsätzlichen Handlungen, welche keine Delikte sind, gehört“451
449 Köbl, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Anspruchssystem des BGB, 1971, S. 184 f. 450 Jansen, in: HKK, 2013, §§ 677–687 I, Rn. 68; Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 213; Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 312. 451 Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 480. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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Auch an späterer Stelle führt die 1. Kommission zur Klärung des Begriffes der Widerrechtlichkeit im Rahmen eines obligatorischen Verhältnisses aus: „Widerrechtlich ist auch die Verletzung des Rechts aus einem Schuldverhältnisse. Aber wie aus einem solchen nur ein Recht gegen den Schuldner entsteht, so kann auch nur der Schuldner einer Verletzung dieses Rechts sich schuldig machen. Diese Rechtsverletzung ist überhaupt nicht Gegenstand der Vorschriften über die Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen. Die durch dieselbe begründeten Verpflichtungen sind nur Verpflichtungen aus dem bestehenden Schuldverhältnisse selbst, auf das die widerrechtliche Handlungsweise abändernd und erschwerend einwirkt. Wohl kann auch ein Dritter, wenn er in die obligatorischen Rechte eines Anderen schädigend eingreift (z. B. durch Zerstörung des Gegenstandes), dem Anderen zum Schadensersatze verpflichtet werden, aber nur, wenn seine Handlung aus einem anderen Grund als wegen der Schädigung des obligatorischen Rechts als eine widerrechtliche sich darstellt“452.
Aus diesen Ausführungen folgen zwei Erkenntnisse. Zum einen gilt es stets zu berücksichtigen, zwischen wem das obligatorische Verhältnis besteht. Zwischen den Parteien einer solchen Obligation stellt eine Verletzungshandlung kein Delikt dar. Sie ist demnach keine unerlaubte Handlung. Diese Handlung kann also pflichtwidrig, aber nicht rechtswidrig sein. Zwischen diesen beiden Begriffen gilt es zu unterscheiden. Eine Unterscheidung nach dem Übernahmewillen machte die 1. Kommission in diesem Punkte auch nicht. Greift dagegen in das Schuldverhältnis ein außenstehender Dritter ein, so kann dieser den Tatbestand des § 823 durchaus erfüllen. Die Anknüpfung der Ausführungen an die Widerrechtlichkeit bringt zum Ausdruck, dass hierin das Einfallstor für die Berücksichtigung solcher Aspekte ist. Es geht demnach um die Rechtswidrigkeit, bzw. um den Ausschluss der Rechtswidrigkeit. Insofern ist hierin eine tatbestandliche Anknüpfung zu sehen. Eine Abgrenzung nach dem Prinzip der Spezialität war für die 1. Kommission fremd.
(f) Ergebnis Im Ergebnis gilt es daher, beiden Arten der echten Geschäftsführung ohne Auftrag eine rechtfertigende Wirkung im Rahmen von § 823 beizumessen. Ob die obligationsbegründende Norm des § 677 HS. 1 nach dem Verständnis der heutigen h. M. auch dem Begriff der Widerrechtlichkeit, oder synonymisch dem der Rechtswidrigkeit453 und dem dahinterstehenden System der Rechtfertigungsgründe gerecht wird, wird zu klären sein. Davor gilt es, die deliktsrechtlichen Tatbestände nach § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 und nach § 826 zu erörtern.
452 Mugdan 453 So auch
II, 1899, S. 406. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. Fischer, Die Rechtswidrigkeit mit besonderer Berücksichtigung des Privatrechts, 1911, S. 92.
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(2) Die trias der deliktsrechtlichen Haftungstatbestände Das deliktsrechtliche System der §§ 823 ff. ist seit jeher durch eine Dreigleisigkeit, oder wie v. Bar formulierte, durch ein „Dreigestirn der Widerrechtlichkeit“454 gekennzeichnet. Für das Urteil, ob eine Handlung i. S. d. Titels 27 des zweiten Buches des Bürgerlichen Rechts „erlaubt“ oder „unerlaubt“ ist, differenziert man zwischen (1) der Verletzung eines absoluten subjektiven Rechts (2) der Verletzung eines Schutzgesetzes (3) und der Verletzung der guten Sitten. Die Verletzung des absoluten subjektiven Rechts fand ihren Einschlag in der Zentralnorm des deutschen Deliktsrechts – in § 823 Abs. 1. Dort sind enumerativ Rechtsgüter – Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit – und absolute Rechte – Eigentum und ein sonstiges Recht – aufgezählt, deren Verletzung die deliktsrechtliche Haftung auslösen kann. Die Liste ist abschließend455, auch wenn im allgemein formulierten Merkmal des sonstigen Rechts viele anerkannte, im Laufe der „Wandlungen des Deliktsrechts“456 weiter hinzukommende Rechte ihre deliktsrechtliche Verankerung gefunden haben (dazu später). Abstrahiert von einzelnen absoluten subjektiven Rechten wird nach § 823 Abs. 2 eine deliktsrechtliche Haftung auch dann ausgelöst, wenn gegen normierte Gesetze, die den Schutz eines „anderen“ bezwecken, verstoßen wird. Schließlich wurde auch eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung eines anderen, ohne, dass diese i. S. v. § 823 widerrechtlich zu sein braucht, nach § 826 deliktsrechtlich umfasst.
(3) Kein allgemeiner Schutz des Vermögens und der Handlungsfreiheit Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches hatte in dessen § 704 E-1 im ersten Absatz noch die Regelung enthalten: „Hat Jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung – Thun oder Unterlassen – einem Anderen einen Schaden zugefügt, dessen Entstehung er vorausgesehen hat oder voraussehen mußte, so ist er dem Anderen zum Ersatze des durch die Handlung verursachten Schadens verpflichtet, ohne Unterschied, ob der Umfang des Schadens vorauszusehen war oder nicht“457.
Erst im zweiten Absatz wurde an die subjektiven Rechte angeknüpft: 454 v. Bar, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1981, 1681, 1695; bereits die 1. Kommission hatte eine Dreiteilung vorgenommen, auch wenn sie in § 704 Abs. 1 E-1 eine Generalklausel vorsah, Mugdan II, 1899, S. 405; zum geschichtlichen Hintergrund Katzenmeier, AcP 203, 2003, 79 ff. 455 Vgl. Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 15, Rn. 7: „Das System enumerativer Einzeltatbestände“. 456 Der Ausdruck geht auf den berühmten Aufsatz von v. Caemmerer, FS Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, 1960, 49 zurück, der den identischen Titel trägt; dazu Schiemann, in: HKK, 2013, §§ 823–830, 842–853, Rn. 86 ff. 457 Mugdan II, 1899, S. CXXII f.
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„Hat Jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung das Recht eines Anderen verletzt…Als Verletzung eines Rechtes im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre anzusehen“458.
Die fehlende Anknüpfung der 1. Kommission an genau abgegrenzte Einzeltatbestände, somit die Fassung einer Generalklausel in § 704 Abs. 1 E-1 führte dazu, dass der Anwendungsbereich des Deliktsrechts sehr weit ausgedehnt war459. Die 2. Kommission hat das System einer Generalklausel verworfen und statuierte das System der „drei kleinen Generalklauseln“460 – § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 und § 826 –, die von deutlich umrissenen Einzeltatbeständen abhängig sind. Erst vor diesem Hintergrund wird die Entscheidung des Gesetzgebers gegen den allgemeinen Deliktsschutz des Vermögens als solches und der Handlungsfreiheit deutlich. Deliktsrechtliche Haftung entsteht nicht bereits dann, wenn jemand durch eine Handlung eines anderen einen Schaden erleidet, sondern nur dann, wenn eine konkret umgrenzte materiell-rechtliche Voraussetzung (Rechtsgutsverletzung, Verletzung eines Schutzgesetzes oder Verletzung der guten Sitten) erfüllt ist461. Bzgl. des Vermögens lässt sich gar sagen, dass die Verursachung des Vermögensschadens mitunter erwünscht ist. Man denke etwa an den Fall, dass ein Unternehmen ein neues Produkt auf den Markt bringt, dessen Erfolg vermögensrechtliche Schäden bei Konkurrenzunternehmen verursachen kann462. Eine Schadensersatzpflicht würde hier den gewünschten Wettbewerb stören. Auch das Verschuldensprinzip verstärkte diese Grundtendenz, welches grundsätzlich nur fahrlässige oder vorsätzliche Handlungen umfasst. Auch die mittelbaren Schäden werden grundsätzlich nicht ersetzt. 458
Mugdan II, 1899, S. CXXIII. 2. Kommission führte aus, Mugdan II, 1899, S. 1076: „Es gehe zu weit, jedem Beschädigten ein Recht auf Entschädigung zu gewähren, ohne daß es darauf ankomme, ob das verletzte Gesetz zum Schutzes der geschädigten Interessen bestimmt sei“; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 3. 460 Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, Vor § 823, Rn. 7; Schiemann, in: HKK, 2013, §§ 823–830, 842–853, Rn. 16; Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, Vorbem zu §§ 823 ff, Rn. 19; Heck, Grundriss des Schuldrechts, 1974, § 148, S. 448 f. systematisiert die §§ 823 ff. in „vier Generaldelikte“, wobei er zwischen der Rechtsgüterverletzung und Rechtsverletzung unterscheidet (zur dieser berechtigten Differenzierung s. unten), den § 823 Abs. 1 in Bezug auf die Rechtsgüter als eine „Anerkennnungsnorm“ und in Bezug auf die Rechte als eine „Sanktionsnorm“ betrachtet; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1236 ff. nehmen auch eine Vierteilung vor, indem sie neben §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 und § 826 noch die Verletzung der Verkehrspflichten, die ebenfalls von § 823 Abs. 1 umfasst ist, als eine vierte Generalklausel daneben stellen. 461 Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 3. Spindler, in: Beck-OGK, 01. 03. 2018, § 823, Rn. 8; Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, Vorbem zu §§ 823 ff, Rn. 20. 462 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl., 2016, Rn. 98. 459
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Der Grund der Begrenzung des Anwendungsbereiches des deutschen Deliktsrechts liegt in der Gefahr begründet, durch eine weite Generalklausel eine zu weite deliktsrechtliche Haftung auszulösen und somit das gesellschaftliche Miteinander zu stören. Die schutzwürdigen Rechtspositionen des Geschädigten auf der einen Seite und die ebenfalls schutzwürdige individuelle Handlungsfreiheit des Schädigers auf der anderen Seite mussten zu einem annehmbaren Kompromiss für beide Parteien gebracht werden463. Der deutsche Gesetzgeber ging insofern einen vorsichtigen Weg, um einerseits nicht wie in Ländern mit einer deliktsrechtlichen Generalklausel (an vorderster Front in Frankreich, Art. 1392 CC464) der Justiz die nicht sonderlich beneidenswerte Aufgabe zu übertragen, im Einzelfall begründen zu müssen, weshalb bei einer schuldhaften Schadenszufügung gleichwohl keine deliktsrechtliche Haftung besteht465, andererseits vermied er es, ein zu lückenhaftes Deliktsrecht, orientiert an römischrechtlicher Kasuistik, zu implementieren466. Dieser vorsichtige Mittelweg467 war dennoch mit dem Nachteil verbunden, dass einige Rechtspositionen von §§ 823, 826 nicht umfasst wurden, obwohl diese aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit den in § 823 Abs. 1 aufgezählten Rechtsgütern und Rechte schutzwürdig waren. Erst an diesem Punkt avancierte das „sonstige Recht“ i. S. v. § 823 Abs. 1 zu einem „Einfallstor“, durch welches einige subjektive Rechte ihren Eingang in das sichere Haus des Deliktsrechts fanden. Paradigmatisch für diese Entwicklung ist insbesondere die Aufnahme des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in den Katalog des § 823 Abs. 1. Auch an anderen Anknüpfungspunkten, etwa an der Kausalität, wurde operiert. Die Ausdehnung der deliktsrechtlichen Haftung auf mittelbare Schädigungen ist ein Beispiel für diese Entwicklung468.
(4) Schutz absoluter subjektiver Rechte (§ 823 Abs. 1) Die Vorschrift des § 823 Abs. 1 schützt vor vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, des Eigentums und des sons463 Die 2. Kommission, Mugdan II, 1899, S. 1073: „daß die Vorschriften über Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen zu denjenigen Vorschriften gehören, welche dazu bestimmt sind, die Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb derer sie ihre individuelle Freiheit entfalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, von einander abzugrenzen“. 464 Dazu Katzenmeier, AcP 203, 2003, 79, 84 f. 465 Vgl. dazu 2. Kommission, Mugdan II, 1899, S. 1075. 466 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl., 2016, Rn. 94, 135 ff.; Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, Vor § 823, Rn. 7; Schiemann, in: HKK, 2013, §§ 823–830, 842–853, Rn. 11; Wagner, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, Vor § 823, Rn. 15. 467 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl., 2016, Rn. 94: „Mittellösung“; Schiemann, in: HKK, 2013, §§ 823–830, 842–853, Rn. 10: „das gemischte System“; Wagner, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, Vor § 823, Rn. 10: „Kompromiss zwischen Generalklausel und Einzeltatbeständen“. 468 Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, Vor § 823, Rn. 17–18.
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tigen Rechts. Die aufgezählten Merkmale können in zwei Gruppen untergliedert werden. In die Gruppe der Rechtsgüter und in die Gruppe der Rechte469. Subjektive Rechte erlangen ihre rechtliche Selbständigkeit ausgehend von der objektiven Rechtsordnung470. Ihre Existenz verdanken sie demnach nicht der Natur der Sache, sondern dem objektiven Recht. Zu diesen Rechten gehören das Eigentum und das generalklauselartig gefasste „sonstige Recht“ i. S. v. § 823 Abs. 1. Dagegen handelt es sich bei Rechtsgütern um solche Positionen, die ihre rechtliche Existenz der Natur der Sache verdanken, d. h., dass sie mit der Person, der sie trägt, untrennbar verbunden sind471. Die Rechtsgüter Leben, Körper und Gesundheit entstehen kraft Geburt, nicht kraft des objektiven Rechts. Auch die „Freiheit“, die i. S. v. § 823 Abs. 1 restriktiv als körperliche Fortbewegungsfreiheit zu verstehen ist472, nimmt ihren Ursprung nicht im objektiven Recht, sondern aus der Natur der Sache. In anderen Worten ausgedrückt sind Rechtsgüter „angeboren“. Dagegen werden Rechte „erworben“473. Die Frage des Ursprungs der Positionen ist von der Frage des rechtlichen Schutzes zu trennen474. Die Rechtsordnung kann sowohl Güter als auch Rechte schützen. § 823 Abs. 1 ist ein Paradebeispiel für den rechtlichen Schutz der aufgezählten Güter. Vielmehr ist vom Grundsatz auszugehen, dass den Rechtsgütern ein viel umfassenderer, absoluterer Schutz zukommt, als (bloß) subjektiven Rechten. Einen so weitgehenden Schutz erhalten nur vereinzelte subjektive Rechte, wie etwa das Eigentum.
469 Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 29; Wagner, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 823, Rn. 162; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 231 ff.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl., 2016, Rn. 136, 144; Teichmann, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 823, Rn. 2 ff. 470 Heck, Grundriss des Schuldrechts, 1974, § 147, S. 450: „Es wird in ihr [- der Sanktionsnorm des § 823 Abs. 1 in Bezug auf Rechte -] vorausgesetzt, daß die Rechtsordnung ein Gut bereits in der Form des subjektiven Rechts geschützt hat.“ 471 BGH NJW 1953, 417: „Diese Lebensgüter stellen in keinem Fall selbst subjektive Rechte dar, vielmehr kann nur davon gesprochen werden, daß jeder Mensch ein Recht auf sie besitzt…“; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 231: „die vitalen Lebensinteressen der Menschen“; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 16, Rn. 2; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1270: „Denn von einem Recht spricht man nur, wenn man einen Träger (das Rechtssubjekt) von einem Gegenstand (dem Rechtsobjekt) unterscheiden kann: so z. B. bei dem in § 823 I weiter genannten Eigentum den Eigentümer und die Sache, auf die sich das Eigentum bezieht. Das gelingt aber bei Leben, Körper, usw. nicht: Dies sind Eigenschaften des Menschen, die von diesem nicht getrennt werden können“. 472 Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 20. 473 Mit diesen Begriffen operiert Honig, Die Einwilligung des Verletzten, 1919 Teil I., S. 34, wobei er verkennt, dass das Eigentumsrecht „angeboren“ wird. Vielmehr wird das Eigentum „erworben“. 474 Vgl. BGH NJW 1953, 417.
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(a) Eigentumsrecht nach § 903 S. 1 als Vorbild bei der inhaltlichen Erfassung der Rechtsgüter Will man die durch die Rechtsgüter gewährten Rechtspositionen inhaltlich erfassen, bieten sich dafür zwei Methoden an. Zum einen die negatorische Methode, die vom Standpunkt ausgeht, festzulegen, welche Handlungen oder Erfolge nicht mehr vom in Betracht kommenden Rechtsgut erfasst sind. Sie fragt also danach, was der Rechtsgutsinhaber nicht darf. Im Gegensatz dazu geht die positivistische Methode vom Standpunkt aus, festzulegen, welche Gewährungen vom in Betracht kommenden Rechtsgut erfasst sind. Sie fragt also danach, was der Rechtsgutsinhaber darf. Beide Methoden haben ihre Schwächen. Die negatorische Methode knüpft an die rechtsgutsverletzenden Eingriffe an, ohne diese abschließend zu beschreiben. Die positivistische Methode knüpft an die Befugnisse an, ohne diese abschließend zu beschreiben. Beide Methoden zu kombinieren und sie auf eine abstrakte/generelle Ebene zu bringen, vermag dagegen die Struktur des Eigentumsrechts, die in § 903 S. 1 ihre gesetzliche Kodifizierung gefunden hat. Durch die Zusammenführung der Methoden werden ihre Schwächen beseitigt und inhaltliche Lücken eliminiert. Nach § 903 S. 1 kann der Eigentümer zum einen mit der Sache nach Belieben verfahren (= Nutzungsfunktion) und andere von jeder Einwirkung ausschließen (= Ausschlussfunktion)475. Die Nutzungsfunktion kann mit dem bereits bekannten Begriff der bereicherungsrechtlichen Nichtleistungskondiktionen des Zuweisungsgehalts bezeichnet werden476. In diesem generalklauselartig gefassten Begriff spiegelt sich die positivistische Methode wieder. Andererseits ist das Eigentumsrecht eingeschränkt, wenn das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Darin spiegelt sich, ebenso generalklauselartig, die negatorische Methode wieder. Am Vorbild des § 903 S. 1, der einen umfassenden Schutz des Eigentumsrechts gewährt, können die in § 823 Abs. 1 aufgezählten Rechtsgüter inhaltlich erfasst werden. Der Inhaber des Gutes Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit kann ebenso mit ihnen nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen477. Jedem Rechtsgut kommt demzufolge sein eigener Zuweisungsgehalt zu, oder wie Larenz/Canaris formulieren „eine fest umhegte Schutzzone“, innerhalb derer der Rechtsgutsinhaber vor Verletzungen durch Dritte zu bewahren ist. Das Modell des § 903 S. 1 ist auch deshalb zielführend, weil die Rechtsgüter eine besondere Ranghöhe haben und zu den „Grundpfei-
475 476
Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 I, S. 373 f. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 I, S. 374. 477 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 I, S. 373 f.; Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 86.
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lern“478, zu den höheren Gütern479 der gesamten Rechtsordnung gehören, die wie das Eigentum, eines umfassenden rechtlichen Schutzes bedürfen. Andererseits werden die Rechtsgüter negativ eingeschränkt, wenn sie etwa mit Rechtsgütern anderer Rechtsgutsinhaber kollidieren, oder wenn ihre Ausübungen gegen das „Gesetz“ – das objektive Recht – verstoßen. Die Gleichsetzung der Rechtsgüter bei der inhaltlichen Erfassung des Schutzumfangs mit dem Eigentumsrecht führt auch dazu, dass die Differenzierung zwischen den Rechtsgütern und Rechten im Grunde terminologischer Natur ist480. Dennoch gibt es ernstzunehmende Unterschiede, die eine Differenzierung auch weiterhin rechtfertigen481. Bei Rechtsgütern geht es, anders als bei Rechten, vornehmlich um die physischen Aspekte einer Person482. Zudem sind die Rechtsgüter im Gegensatz zu Rechten unveräußerlich483.
(b) Ermittlung des „sonstigen Rechts“ an den Kriterien des Eigentumsrechts nach § 903 S. 1 Während der § 903 S. 1 für die in § 823 Abs. 1 enumerativ aufgezählten Rechtsgüter die Funktion ihrer gegenständlichen Erfassung erfüllt, spielt er für die „sonstigen Rechte“ i. S. v. § 823 Abs. 1 eine kriteriengebende und damit bestimmende Rolle. Bei ihnen stellt sich, anders als bei den in § 823 Abs. 1 genannten Rechtsgütern, zunächst die Frage, welche überhaupt vom Tatbestand des § 823 Abs. 1 erfasst werden. Die inhaltliche Orientierung am Eigentumsrecht – die Eigentumsähnlichkeit – folgt dabei bereits aus dem Wortlaut des § 823 Abs. 1, der die Formulierung „das Eigentum oder ein sonstiges Recht“ enthält484. Da § 823 Abs. 1 nur ein Recht485, nämlich das Eigentumsrecht, kennt, richtet sich auch die Aufnahme der „sonstigen Rechte“ nach den Kriterien des Eigentumsrechts. Die „sonstigen Rechte“ nach § 823 Abs. 1 müssen demnach über eine Nutzungsfunktion und eine Ausschlussfunktion verfügen486. Klassische Bei478
Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 I, S. 374. Heck, Grundriss des Schuldrechts, 1974, § 145, S. 437; Förster, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 823, Rn. 2. 480 So Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 823, Rn. A 14. 481 Wenn auch Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 823, Rn. A 14 beigepflichtet werden muss, dass ein Unterschied bei den Rechtsfolgen nicht zu erkennen ist. 482 Wagner, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 823, Rn. 162. 483 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 I, S. 374; Deutsch/ Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 231. 484 Zuzustimmen ist Schiemann, in: HKK, 2013, §§ 823–830, 842–853, Rn. 94, ders., FS E. Deutsch, 2009, 895, 897 ff., dass die Orientierung am Eigentumsrecht aus den Gesetzgebermaterialien nicht deutlich zum Ausdruck kommt. 485 So auch Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 245; unpräziese Spindler, in: Beck-OGK, 01. 03. 2018, § 823, Rn. 159, wenn er das sonstige Recht nach den Kriterien der Rechtsgüter und dem Eigentum bestimmen möchte. 486 Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 35; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 248: „nach der Art des Eigentums“; Wandt, 479
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spiele dafür sind beschränkt dingliche Rechte (Hypothek, Grundschuld, Pfandrechte, Nießbrauch, Dienstbarkeiten) oder die Immaterialgüterrechte (Urheberrecht, Patentrecht, Namensrecht)487. Beispielhaft zeigt sich die Aufnahme einer Rechtsposition in den Kreis der „sonstigen Rechte“ am Besitz. Der berechtigte Besitz ist als ein „sonstiges Recht“ zu qualifizieren488. Die Nutzungsfunktion, also das Recht zum Besitz, kann sich entweder aus einem vertraglichen Verhältnis (z. B. aus dem Mietvertrag, § 535, oder Leihvertrag, § 598), aus einem dinglichen Recht (klassisch aus dem Eigentumsrecht, § 903 S. 1), oder aus dem Gesetz (etwa das Besitzrecht des Zwangsvollstreckers aus §§ 152 ff. ZVG) ergeben. Die Ausschlussfunktion ergibt sich aus §§ 861 ff., die nicht nur einen berechtigten, sondern auch einen unberechtigten Besitzer vor Eingriffen Dritter schützen. Der unberechtigte Besitz stellt dagegen kein „sonstiges Recht“ dar489. Zwar verfügt der unberechtigte Besitzer über eine Ausschlussfunktion nach §§ 861 ff., ihm steht aber keine Nutzungsfunktion, also kein Recht zum Besitz zu490. Insoweit ist der Besitz lediglich ein tatsächliches Gewaltverhältnis, welches nicht durch ein subjektives Recht untermauert wird491. Nicht weiter vertieft werden soll an dieser Stelle die Frage, ob der unberechtigte, (entgeltliche) aber redliche Besitz ein „sonstiges Recht“ darstellt492, da eine solche Einordnung nicht den Grundsatz, sondern allenfalls eine Ausnahme vom Grundsatz darstellt.
(5) Schutz der Individualinteressen (§ 823 Abs. 2) Gem. § 823 Abs. 2 entsteht auch dann eine Schadensersatzverpflichtung, wenn jemand gegen ein Gesetz verstößt, welches den Schutz eines anderen bezweckt. Ein solches Schutzgesetz liegt nur dann vor, wenn nach dem Schutzzweck der Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 16, Rn. 36; Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 823, Rn. A 15, B 124; Wagner, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 823, Rn. 267; Teichmann, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 823, Rn. 12 ff. 487 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 II, S. 392; Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 91 ff.; Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 823, Rn. B 137 ff.; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 36 ff. 488 Medicus, AcP 165, 1965, 115, 136; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1302; Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 98; Teichmann, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 823, Rn. 15 f.; Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 823, Rn. B 168; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 16, Rn. 42; a. A. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 II, S. 396. 489 BGHZ 73, 355, 362; 79, 232, 237; Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 98; Spindler, in: Beck-OGK, 01. 03. 2018, § 823, Rn. 170 ff. möchte den Besitz unabhängig von der Berechtigung durch § 823 Abs. 1 umfasst haben. 490 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 II, S. 396. 491 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 II, S. 396. 492 Dafür Medicus, AcP 165, 1965, 115, 136; dagegen Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 823, Rn. B 168 m. w. N.
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Norm (auch) Individualinteressen des Geschädigten geschützt werden sollen493. Nicht ausreichend ist demnach ein Gesetz, welches nur die Interessen der Allgemeinheit schützt494 oder wenn der Geschädigte nicht zum personellen Schutzbereich des in Betracht kommenden Gesetzes gehört. Als Beispiel495 können hier etwa die Urkundsdelikte (§§ 267 ff. StGB)496 oder das Verbot der Strafvereitelung (§ 258 StGB)497 fungieren. Diese schützen nur die Interessen der Allgemeinheit. § 823 Abs. 2 weitet zum einen den Bereich der deliktsrechtlichen Haftung aus, indem er sachlich auch solche Interessen unter seinen Schutz stellt, die in § 823 Abs. 1 keinen Schutz erlangen. Das zeigt sich insbesondere am Vermögensschutz, der in § 823 Abs. 1 ausdrücklich abgelehnt wird, aber über ein Schutzgesetz in § 823 Abs. 2 seine Berücksichtigung erfahren kann498. So schützen etwa der Betrug nach § 263 StGB499 oder die Untreue nach § 266 StGB500 das Vermögen des Einzelnen und sind folglich als Schutzgesetze zu qualifizieren. Andererseits wird der deliktsrechtliche Schutz nach § 823 Abs. 2 behutsam ausgeweitet. Erforderlich ist nach § 823 Abs. 2 ein „Gesetz“. Unter dem Gesetz ist jede Rechtsnorm nach Art. 2 EGBGB zu verstehen. Der Begriff der Rechtsnorm ist seinerseits ausfüllungsbedürftig501 und kann als eine Regel verstanden werden, die eine tatsächliche und normative Geltung beansprucht502. Es reicht demnach nicht aus, dass die Regel zwar eine gesellschaftliche Anerkennung findet, indem sie aus ethischen oder psychologischen Gründen ihre tatsächliche Geltung entfaltet, sondern es muss insbesondere hinzukommen, dass diese Regel von souveräner staatlicher Autorität gewollt ist und in der Mehr493 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl., 2016, Rn. 228 ff.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 277 ff.; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 77, S. 433; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 154 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1626. 1631; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 17, Rn. 7; Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 195 ff. 494 Heck, Grundriss des Schuldrechts, 1974, § 148, S. 452; vorstellbar ist aber ein Schutzgesetz, welches neben den Gütern der Allgemeinheit auch die des Inidividuums schützt, dazu Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 277; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Deliktsund Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 154. 495 Eine umfangreiche Sammlung von Schutzgesetzen i. S. v. § 823 Abs. 2 bei Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 235 ff. 496 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl., 2016, Rn. 229 497 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 279. 498 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl., 2016, Rn. 223; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 153; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 77, S. 431; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1629. 499 Hefendehl, in: MünchKommStGB, 2. Aufl., 2014, § 263, Rn. 1 m. w. N. 500 Dierlamm, in: MünchKommStGB, 2. Aufl., 2014, § 266, Rn. 1 m. w. N. 501 Merten, in: Staudinger, BGB, 2013. Aufl., Art. 2 EGBGB, Rn. 5 f. 502 Merten, in: Staudinger, BGB, 2013. Aufl., Art. 2 EGBGB, Rn. 7.
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zahl der Fälle durchgesetzt werden soll503. Da der Staat seinerseits nur in bestimmten Fällen gesetzgeberisch tätig wird, ist auch der Schutz des § 823 Abs. 2 ein nicht durchgehender, sondern punktueller Natur. Ein Schutzgesetz kann nach überzeugender Auffassung nicht das ungeschriebene Recht sein. Zwar unterfällt auch dieses dem Begriff der Rechtsnorm i. S. v. Art. 2 EGBGB, doch sollte hier die Ablehnung einer Generalklausel in §§ 823 ff. durch den historischen Gesetzgeber (s. o.) beachtet werden504, die durch Berücksichtigung des ungeschriebenen Rechts im Rahmen von § 823 Abs. 2 eine Renaissance erleben würde. Zu beachten ist auch, dass Rechtsnormen nur abstrakt-generelle Regelungen sein können505. Der Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG) als eine konkret-individuelle Regelung kann demnach kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 darstellen506. Dagegen kann die Ermächtigungsgrundlage, auf deren Grundlage der Verwaltungsakt ergangen ist, durchaus ein Schutzgesetz sein507.
(6) Schutz gegen sittenwidrige Handlungen (§ 826) Schließlich wird der deliktsrechtliche Schutz auch auf solche Handlungen ausgeweitet, die weder ein absolutes subjektives Recht verletzen, noch gegen ein die Individualinteressen eines Einzelnen schützendes Gesetz verstoßen, die nicht einmal rechtswidrig sein müssen508, sondern (bloß) solche, die in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen Schaden zufügen. Bereits bei § 823 Abs. 2 wurde deutlich, dass der Anwendungsbereich des deliktsrechtlichen Schutzes zwar durch diese Vorschrift ausgeweitet werden sollte, andererseits sollte die Tür ins Deliktsrecht durch Aufstellung hoher Voraussetzungen (individualschutzbezweckendes Gesetz, ein einschränkendes Verständnis des Rechtsnormbegriffs) nicht zu weit geöffnet werden. Bei § 826 ist das gleiche Phänomen, freilich in einer deutlicheren Weise zu beobachten. Aufgrund der sonst niedrigen Voraussetzungen des § 826 – Zufügung eines Schadens durch eine Handlung509 – sollte durch die Merkmale (1) des vorsätzlichen Verhaltens und (2) der „guten Sitten“ wiederum eine Einschränkung stattfinden. Aus diesem Grunde sind an den Begriff der „guten Sitten“ hohe Voraussetzungen zu stellen. Dabei vermag die allgemeine Definition 503 504
Merten, in: Staudinger, BGB, 2013. Aufl., Art. 2 EGBGB, Rn. 7. Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 190. 505 Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 186; 506 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl., 2016, Rn. 225. 507 Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, 9. Aufl., 2017, S. 154; Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 188 ff. 508 Zum Unterschied zwischen Rechtswidrigkeit und Sittenwidrigkeit, Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 78, S. 451. 509 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 78, S. 447, den Anwendungsbereich als „insoweit allumfassend“ bezeichnend; Heck, Grundriss des Schuldrechts, 1974, § 148, S. 452, § 826 sei eine Vorschrift, die am umfassendsten eingreife.
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der Sittenwidrigkeit als ein Verhalten, welches gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt510, in der Regel keine effektive Abgrenzung in konkreten Fällen vorzunehmen. Vielmehr sollten die anerkannten Fallgruppen511 zum sittenwidrigen Verhalten eine Richtschnur bilden, wobei stets Zurückhaltung geboten ist. Bereits die 1. Kommission ermahnte die Rechtsanwendung bei an sich erlaubten, aber illoyalen Handlungen mit „Umsicht und Behutsamkeit“ umzugehen und trug der Rechtsprechung die Aufgabe auf, in Einzelfällen zu beurteilen, ob tatsächlich ein deliktsrechtlicher Schutz notwendig erscheint512.
(7) Der Begriff der Widerrechtlichkeit im Deliktsrecht Die Ausführungen zum deliktsrechtlichen System der „drei kleinen Generalklauseln“ und zu den von ihnen geschützten Rechtsgütern, Rechten und Interessen waren notwendig, um den Begriff der Widerrechtlichkeit, oder synonymisch der Rechtswidrigkeit aufzuspüren. Denn mit der Definition, rechtswidrig sei ein Verhalten, welches nicht erlaubt sei, ist es bei weitem nicht getan. Diese grobe Definition vermag zwar die äußerst allgemein materiellrechtliche Voraussetzung aufzustellen, unter der ein Verhalten zu einem rechtswidrigen wird, nicht jedoch die Frage zu klären, wer über das Erlaubtsein oder das Nichterlaubtsein entscheidet. Bevor auf diese maßgebliche Frage eingegangen wird, bedarf es eingehender Untersuchung des Begriffs der Rechtswidrigkeit im Deliktsrecht und des zu dieser Problematik bestehenden Meinungstandes. Der Rechtswidrigkeitsbegriff ist seit der berühmten Entscheidung des BGH zur Frage, ob verkehrsgemäßes Verhalten des Schädigers auch rechtswidrig sein kann, und damit seit mehr als einem halben Jahrhundert, Gegenstand hitziger dogmatischer Auseinandersetzungen. Wie bereits bei der Untersuchung des Rechtsgrundsystems des Bereicherungsrechts, ist man mit dieser Fragestellung in den dogmatischen Tiefen des Deliktsrechts angelangt und auch hier bedarf es des Eintauchens, will man die Qualifizierung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als einen Ausschlussgrund der Widerrechtlichkeit auf den Prüfstand stellen.
(a) Indikation des tatbestandsmäßigen Verhaltens Die Prüfung, ob ein Verhalten rechtswidrig ist, pflegt man seit jeher durch einen Satz ausdrücken: die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit513. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtswidrigkeit des Verhaltens 510
Mugdan II, 1899, S. 406. Zu diesen Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 78, S. 455 ff.; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017; § 17, Rn. 29 ff. 512 Mugdan II, 1899, S. 406. 513 BGHZ 24, 21, 27 f.; 90, 255, 257. 511
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bei der Erfüllung des Tatbestandes, womit bereits ein Unwerturteil verbunden ist514, (widerleglich) vermutet wird515. Die Rechtswidrigkeit muss demnach nicht positiv festgestellt werden. Vielmehr muss das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen negativ untersucht werden516. Hinter der Indikation des tatbestandsmäßigen Verhaltens verbirgt sich der Gedanke, dass eine Verletzung der Rechtsgüter und Rechte i. S. v. § 823 Abs. 1 oder die Verletzung eines individualschutzbezweckenden Gesetzes nach § 823 Abs. 2 grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise517, wenn einer der Rechtsfertigungsgründe eingreift, erlaubt ist. Der „Mechanismus der Rechtswidrigkeitsindikation“518 kann freilich nicht darüber Aufschluss geben, was die materiellrechtliche Seite der Rechtswidrigkeit ist. Erst wenn diese ergründet ist, wird auch die Existenzberechtigung der Indikation deutlich.
(b) Rechtswidrigkeitsbegriff im Deliktsrecht Der Streit um den Rechtswidrigkeitsbegriff im Zivilrecht entfachte, als sich der Große Senat des BGH mit der Frage beschäftigen musste, ob die Rechtswidrigkeit bereits dann gegeben ist, wenn jemand einen anderen körperlich verletzt hat, oder ob zu der Körperverletzung noch hinzutreten muss, dass der Schädiger objektiv ordnungswidrig oder verkehrswidrig gehandelt hat. Der VI. Zivilsenat des BGH vertrat die letztgenannte Auffassung und stützte sich dabei auf den Gedanken der „sozialen Adäquanz“ und auf die im Strafrecht von Welzel519 begründete Lehre von der sozialadäquaten Handlung, nach der solche Handlungen, die verkehrsmäßig sind, nicht tatbestandsmäßig und daher auch nicht rechtswidrig sein können520. Der Große Senat stimmte dem VI. Zivilsenat „im Grundsatz“521 zu und urteilte: „Es geht nicht an, ein Verkehrsverhalten, das den Ge- und Verboten der Verkehrsordnung voll Rechnung trägt, trotzdem mit dem negativen Werturteil der Rechtswidrigkeit zu versehen. Hierfür gibt der eingetretene Erfolg keinen ausreichenden Grund her, da das Urteil der Rechtswidrigkeit im Sinne der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über unerlaubte Handlungen die zum Erfolg führende Handlung nicht unberücksichtigt lassen kann. Es ist daher der Satz aufzustellen, daß bei verkehrsrichtigem (ordnungs-
514 515
Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 16, Rn. 158. Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 16, Rn. 158. 516 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 75, S. 363. 517 BGHZ 24, 21, 24 f.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 91; Horn, Untersuchungen zur Struktur der Rechtswidrigkeit, 1962, S. 52. 518 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 75, S. 363. 519 Welzel, Das Deutsche Strafrecht in seinen Grundzügen, 1947, S. 35 ff.; fortgeführt bis zur letzten Auflage seines Strafrechtslehrbuchs, ders., Das Deutsche Strafrecht, 11. (14.) Aufl., 1969, S. 55 ff.; ders., Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, 1961, 8 ff. 520 BGHZ 24, 21, 23. 521 BGHZ 24, 21, 25.
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gemäßem) Verhalten eines Teilnehmers am Straßen- oder Eisenbahnverkehr eine rechtswidrige Schädigung nicht vorliegt“522.
Schnell pflichtete Nipperdey auf dem Karlsruher Form von 1959 dem BGH bei, zumal er diesen Rechtswidrigkeitsbegriff auch schon vorher523 vorgeschlagen hatte524, und formulierte abstrahiert vom konkreten Fall des BGH525 die Definition, dass die Rechtswidrigkeit eine „Beeinträchtigung (unter Umständen auch eine Gefährdung) rechtlich anerkannter Interessen (Rechtsgüter) durch gebotsoder verbotswidrige Handlungen“ sei526. Zwar gehe es auch nach seiner Auffassung um die Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses, welches er dem subjektiven Recht gleichstellt. Darüberhinaus sei jedoch die Verletzung eines im Hinblick auf dieses Interesse bestehenden Rechtsgebots oder -verbots erforderlich527. Schließlich müsse noch hinzutreten, dass die Beeinträchtigung des Rechtsguts infolge des vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens erfolgt ist. Nur dann könne davon gesprochen werden, dass die Rechtswidrigkeit indiziert werde528. Auf dem gleichen Forum fand Nipperdey indes in Larenz einen entschiedenen Gegner seiner These vor. Im Vergleich zum Ersteren leitete Larenz, unter Verweis auf Hans Stoll und Heinrich Lehmann, den Rechtswidrigkeitsbegriff nicht vom Standpunkt des Handelnden, sondern vom Standpunkt des Verletzten her529. „Rechtswidrig im Sinne des Zivilrechts ist nicht der Verstoß gegen eine Verhaltensnorm, sondern auch jede objektive Beeinträchtigung des absolut geschützten Rechts eines anderen, ohne Rücksicht darauf, ob das Verhalten, das zu dieser Beeinträchtigung führt, den Geboten oder Verboten der Rechtsordnung entsprochen hat oder nicht, ob es also ‚sozialadäquat‘, ‚verkehrsrichtig‘ oder von vornherein normwidrig war.“530. Zusammengefasst wurde dieser Streit unter die maßgebliche Frage, ob es bei der Rechtswidrigkeit auf das Handlungsunrecht oder auf das Erfolgsunrecht ankommt. Dieser Streit wird bis heute geführt, wobei die überwiegende Auffassung auf das Erfolgsunrecht abstellt. Die Entscheidung dieses Meinungsstreits ist, wie noch zu zeigen sein wird, auch für diese Untersuchung von grundlegender Bedeutung. 522 523
BGHZ, 24, 21, 26. Nipperdey, NJW 1957, 1777 ff. 524 Nipperdey kann insofern als der Begründer der Lehre von der Sozialadäquanz im Zivilrecht angesehen werden, Larenz, FS Dölle, 1963, 169, 170. 525 Der Große Senat beschränkte seine Ausführungen, wie man aus der zitierten Urteilspassage lesen kann, lediglich auf die Straßenverkehrsfälle; diesen Schluss zieht auch Larenz, FS Dölle, 1963, 169, 170. 526 Nipperdey, Karlsruher Forum, 1959, 3, 5, 7; zustimmend auch Zippelius, NJW 1957, 1707, 1708. 527 Nipperdey, Karlsruher Forum, 1959, 3, 5, 7. 528 Nipperdey, Karlsruher Forum, 1959, 3, 7. 529 Larenz, Karlsruher Forum, 1959, 10, 13. 530 Larenz, Karlsruher Forum, 1959, 10, 13.
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(c) Der Streit zwischen der Lehre vom Handlungsunrecht und der Lehre vom Erfolgsunrecht Zunächst ist das mögliche Missverständnis aus dem Weg zu räumen, die Handlungsunrechtslehre würde ausschließlich auf die Handlung abstellen. Ohne eine Rechtsgutsverletzung oder eine Rechtsverletzung kann es keine Haftung nach § 823 Abs. 1, ohne der Verletzung der individualschützenden Gesetze kann es keine Haftung nach § 823 Abs. 2 geben. Insofern ist nach der Lehre vom Handlungsunrecht ebenfalls erforderlich, dass der Erfolg eingetreten ist, indes, dass dieser durch eine rechtswidrige Handlung herbeigeführt wurde531. Im Umkehrschluss ist zu schlussfolgern, dass eine Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, wenn der Erfolg zwar eingetreten ist, aber dieser durch eine rechtmäßige Handlung herbeigeführt wurde. In diesem Fall passiere ein „Unglück“, aber nicht ein „Unrecht“532. Der Erfolg für sich allein begründe noch nicht ein Unrecht533. Im Gegensatz dazu geht die Lehre vom Erfolgsunrecht davon aus, dass der eingetretene Erfolg rechtswidrig sein muss, auch wenn dieser auf einer rechtmäßigen Handlung beruhen kann.
aaa) Telos der §§ 823 ff. – Schutz der Güterzuordnung Die Lehre vom Handlungsunrecht überzeugt aufgrund vieler, schwerwiegender Einwände nicht. Zum schwerwiegendsten Einwand gehört die Prämisse, dass es im Zivilrecht, und insbesondere im gesetzlichen Schuldverhältnis der unerlaubten Handlungen, primär um den Schutz der Güterzuordnung, also um die Erhaltung der Güter534 und sekundär um das gebotsmäßige Verhalten535 geht. § 823 Abs. 1 und § 823 Abs. 2 sollen vor Verletzungen der Rechtgüter, Rechte und vor Verstößen gegen individualschützende Gesetze, also vor Handlungserfolgen und nicht vor Handlungen schützen. Ob Handlungen, auf denen diese Verletzungen beruhen, sozial adäquat, verkehrsmäßig oder ordnungsmäßig 531
532 533
lehre.
Larenz, FS Dölle, 1963, 169, 170; Bernhard, FS Eduard Picker, 2010, 83, 86 f. Nipperdey, NJW 1957, 1777, 1778. So interpretiert Baur, AcP 160, 1961, 465, 468 richtigerweise die Handlungsunrechts-
534 Larenz, Karlsruher Forum, 1959, 10, 13; ders., FS Dölle, 1963, 169, 175; Baur, AcP 160, 1961, 465, 486, der richtigerweise aufzeigt, dass im Gegensatz zum deutschen Recht das französische Recht nicht an die Verletzung bestimmter subjektiver Rechte oder Rechtsgüter anknüpft, sondern die Zufügung eines Schadens voraussetzt, wobei dabei eine „faute“, also ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen eine Verhaltensnorm bestehen muss. Die Handlungsunrechtslehre würde vielmehr im französichen Recht ihre Verankerung finden, nicht jedoch im grundverschiedenen deuschen Deliktsrecht (s. o.); Reinhardt, JZ 1961, 713, 716 = ders., Karlsruher Forum, 1961, 3, 6: die §§ 823 Abs. 1, 2 und 826 sind zum Ausgleich der aus dem Eingriff resultierenden Störung der Güterzuordnung da. 535 A. A. Zippelius, NJW 1957, 1707: „Es geht also darum, durch rechte Auslegung insbesondere auch der Schadensersatz- und Strafvorschriften eine Verhaltensordnung zu finden, die schon beim Handeln eine sinnvolle Richtschnur sein kann“; ders., AcP 157, 1957, 390, 396 f.
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waren, ist nicht von Belang. Neben dem Schutz für bereits erfolgte Verletzungen (§§ 823 ff.) steht der nicht weniger bedeutsame negatorische Schutz gegen drohende (§§ 1004, 1065, 1227) und gegen gegenwärtige (§§ 858 ff.) Störungen536. Erachtete man das Handlungsunrecht als das maßgebliche Kriterium bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit, so müsste man zusammen mit Lehmann fragen: „Soll die Beobachtung der Verkehrsregeln (Losfahren bei Grün) das Überfahren eines Fußgängers, der das ‚Rot‘ bei der Überkreuzung der Fahrbahn übersehen hat, ohne weiteres erlauben?“537. In der Tat entstünde dann eine erlaubte Tötung durch verkehrsrichtiges Verhalten – eine Rechtsfigur, gegen die es zudem auch keine Notwehr geben dürfte538. Der unerfahrene Verkehrsteilnehmer wäre in diesen Fällen dem verkehrsrichtig Handelnden schutzlos ausgeliefert539. Vielmehr wäre zu überlegen, ob ein Verkehrsteilnehmer, der die Regeln befolgt, trotz seines verkehrsrichtigen Verhaltens die Verletzung der in § 823 geschützten Rechtspositionen, die zu den Grundpfeilern der Gesamtrechtsordnung zählen (s. o.), vermeiden müsste, ja sogar selbst verkehrswidrig handeln müsste, um eine Rechtsguts- bzw. Rechtsverletzung zu verhindern540.
bbb) Bestimmung der Rechtswidrigkeit ausgehend von subjektiven Rechtspositionen des Verletzten Am deutlichsten illustrierte der Marburger Professor Rudolf Reinhardt den Zusammenhang zwischen den Rechtspositionen, damit auch ihrem Inhaber und dem Rechtswidrigkeitsurteil. Auf dem Karlsruher Forum, freilich zwei Jahre nach dem Disput zwischen Nipperdey und Larenz, kritisierte er in seinem Vortrag mit dem Titel „Die subjektiven Rechte in § 823 Abs. 1 BGB“ die ausgehend von der Handlungsunrechtslehre prosperierenden Tendenzen, die Rechtswidrigkeit losgelöst von subjektiven Rechten541, unter die er aus Gründen der Verein536
Stoll, JZ 1958, 137, 139; Larenz, FS Dölle, 1963, 169, 175; Baur, AcP 160, 1961, 465. Lehmann, FS Hedemann, 1958, 177, 189; ihm zustimmend Horn, Untersuchungen zur Struktur der Rechtswidrigkeit, 1962, S. 54; dagegen Welzel, Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, 1961, S. 9 bei einem vergleichbaren Fall: „Wenn die Rechtsordnung den mit erhöhter Geschwindigkeit verbundenen Straßenverkehr bei Einhaltung bestimmter Verhaltensweisen erlaubt, so kann dieser Verkehr, der diese Verhaltensweisen einhält, nicht rechtswidrig sein, selbst wenn sich die unvermeidliche Gefahr realisiert. Eine der Aufgabe der Rechtsordnung ist es, dem Bürger zu sagen, was er tun darf. Wo der Bürger sich im Rahmen dieses Dürfens bewegt, kann seine Handlung nicht rechtswidrig sein“. 538 Schmidt, NJW 1958, 488; dazu auch Larenz, FS Dölle, 1963, 169, 173. 539 Lehmann, FS Hedemann, 1958, 177, 189. 540 Lehmann, FS Hedemann, 1958, 177, 190; auch Wussow, NJW 1958, 891, 892; die Verhinderung der Rechtsgutsverletzung muss in diesen Fällen ja erlaubt sein, Schmidt, NJW 1958, 488. 541 Reinhardt, Karlsruher Forum, 1961, 3, 7 = ders., JZ 1961, 713, 717: „Nipperdey leugnet eine besondere Bedeutung der Hervorhebung der subjektiven Rechte in § 823 Abs. 1 und spricht stattdessen von einem allgemeinen für § 823 Abs. 1 und § 826 in gleicher Weise beste537
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fachung auch Rechtsgüter fasste, zu bestimmen. Vielmehr seien die subjektiven Rechte, und die durch diese begründete Güterzuordnung maßgeblich. So führt er aus: „Wenn … § 823 Abs. 1 auf solche subjektiven Rechte…Bezug nimmt, so bedeutet dies, daß hier der unzulässige Einbruch in einen einer bestimmten Person zugeordneten Schutzbereich weiter zum Anlaß genommen wird, auch die Frage des Schadensausgleichs zu verknüpfen…Mit der Zuordnung der Schutzbereiche an den einzelnen verbindet sich nämlich zugleich die Anforderung an alle anderen, sich so zu verhalten, daß die Rechtsschutzpositionen nicht tangiert werden, und eben diese Norm ergibt in den Fällen des § 823 Abs. 1 die für die Schadenszurechnung entscheidende Verhaltenspflicht, an deren Beachtung der Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt angelegt wird. Die Schadensersatzpflicht tritt mithin ein, wenn die schadensstiftende Handlung, die als Schutzbereichsverletzung ohne weiteres rechtswidrig war, nun darüberhinaus auch unter dem anderen auf das konkrete Täterverhalten bezogenen Wertungsgesichspunkt als mangelhafte Befolgung der Pflicht, den Schutzbereich des anderen zu respektieren, mit einem Unwerturteil versehen wird. Mit der Zuordnung von Schutzbereichen an den einzelnen verbindet sich die an alle gerichtete Feststellung: ‚Der Einbruch in den Schutzbereich ist verboten‘ … Daß … die Güterzuordnung und die daran sich anlehnende Begründung der Rechtswidrigkeit für das Schadensersatzrecht nutzbar gemacht werden können, ist nicht von der Hand zu weisen“542.
Lediglich in einem, indes sehr gewichtigen Punkt, kann Reinhardt nicht gefolgt werden. Den Begriff der Rechtswidrigkeit möchte er in § 823 Abs. 1 in einer anderen Weise als im § 823 Abs. 2 und § 826 bestimmen. § 823 Abs. 2 nehme im Gegensatz zu § 823 Abs. 1 nicht Bezug auf die subjektiven Rechtspositionen, sondern auf Schutzgesetze, die jeweils (objektiv) bestimmte Verhaltensweisen und Gebote aufstellen. Auch § 826 knüpfe an das allgemeine Gebot, sein Handeln mit den guten Sitten in Einklang zu bringen. Demnach müsse auch die Rechtswidrigkeit nicht von subjektiven Rechten, sondern vom objektiven Recht her bestimmt werden. Dies hätte zur Folge, dass man der Handlungsunrechtslehre bei § 823 Abs. 2 und § 826 bedeutend nah käme. Reinhardt übersieht jedoch dabei, dass § 826 keine Rechtswidrigkeit verlangt, sondern an sich erlaubte, aber sittenwidrige Handlungen mit einem Rechtswidrigkeitsverdikt versieht (s. sogleich unten), sodass von § 826 nicht auf das grundsätzliche System der Rechtswidrigkeit im Deliktsrecht, sondern vielmehr auf die Ausnahme von diesem System geschlossen werden kann. Bei § 823 Abs. 2 wird zwar auf Schutzgesetze Bezug genommen, freilich nur auf henden ‚subjektiven Recht auf Unterlassung tatbestandsmäßiger rechtswidriger Eingriffe‘… Darüber hinaus aber begegnen wir überhaupt der Tendenz, die Frage der Rechtswidrigkeit von dem Tatbestand des Einbruchs in einen geschützten Rechtskreis als solchen weitgehend loszulösen…Wenn ich recht sehe, dann laufen alle diese Ansichten darauf hinaus, die Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht mit der Verletzung eines subjektiven Rechts, sondern mit der für die Schadenszurechnung maßgeblichen, natürlich mit diesem Recht irgendwie verbundenen Pflichtwidrigkeit begründen zu wollen“. 542 Reinhardt, Karlsruher Forum, 1961, 3, 6 = ders., JZ 1961, 713, 716.
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solche, die einen Individualrechtsschutz des Verletzten bezwecken. Grundsätzlich kann der Rechtsgutsinhaber, etwa durch eine rechtfertigende Einwilligung oder durch ein tatbestandausschließendes Einverständnis über Schutzgesetze, präziser über die durch diese Gesetze geschützten Rechte disponieren. Ausnahmsweise wird ihm ein solcher Schutz, etwa im Falle einer sittenwidrigen Einwilligung, durch das objektive Recht „aufgezwungen“. Da dieses System sich freilich nicht von der Rechtswidrigkeit im Rahmen von § 823 Abs. 1 unterscheidet, müsste die Rechtswidrigkeit auch im Rahmen von § 823 Abs. 2 vom Standpunkt des Verletzten bestimmt werden. Da es in § 823 um Individualinteressen, um subjektive Rechte geht, muss auch die Rechtswidrigkeit vom Standpunkt des Verletzten her bestimmt werden. Der Verletzte als Inhaber der Rechtsgüter und Rechte (§ 823 Abs. 1) und als die von den individualschützenden Gesetzen zu schützende Person (§ 823 Abs. 2)543 ist zugleich derjenige, der (vornehmlich) über die Erlaubtheit oder die Nichterlaubtheit, also über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der Verletzung entscheiden darf544. Diese Entscheidungsbefugnis wird ihm durch die Lehre vom Handlungsunrecht unzulässigerweise abgenommen, indem solche Eingriffe als rechtmäßig erachtet werden, die zwar seine Rechtspositionen verletzt haben, aber auf einem verkehrsrichtigen Verhalten beruhten. Unter dem Eingriff in die Entscheidungsbefugnis ist freilich nichts anderes als der Eingriff in den Zuweisungsgehalt, also ein Eingriff in die Nutzungsund Ausschlussfunktion der Rechtspositionen des Verletzten gemeint. Legt man demnach dem Begriff der Rechtswidrigkeit im Rahmen von §§ 823 ff. ein Verständnis zu Grunde, welches vom Standpunkt des Handelnden, insofern vom objektiven Recht ausgeht, kehrt man das den §§ 823 ff. zu Grunde liegende System um. Bei subjektiven Rechtspositionen ist in Anlehnung an die Vorbildfunktion des § 903 S. 1 indes das genau entgegengesetzte Prinzip vorzufinden. Es ist der Inhaber der subjektiven Rechtspositionen, der grundsätzlich eine umfassende Herrschaftsmacht über seine Rechtsgüter und Rechte hat und somit über ihr Schicksal entscheidet. Er verfügt über einen grundsätzlich grenzenlosen Zuweisungsgehalt seiner Rechtspositionen. Ausnahmsweise wird diese Herrschaftsmacht geleitet nach der Struktur des § 903 S. 1 durch „Rechte Dritter“ und durch das „Gesetz“, also durch das objektive Recht, aber lediglich
543 Auch wenn diese Gesetze aus der Feder des Gesetzgebers stammen, so schützen sie dennoch die subjektiven Rechte, womit auch § 823 Abs. 2 einen relativen Schutz bietet, Stoll, JZ 1958, 137, 140. 544 Zurecht ist Wussow, NJW 1958, 891, 892 der Auffassung, dass es von der Verfügungsgewalt des Einzelnen über seine Rechte abhängt, ob die Handlung rechtmäßig oder rechtswidrig war; Katzenmeier, AcP 203, 2003, 79, 101, 112; auch Bernhard, FS Eduard Picker, 2010, 83, 94 ff. bestimmt die Rechtswidrigkeit im Rahmen von § 823 von subjektiven Rechten aus, entscheidet sich aber dennoch für die Handlungsunrechtslehre.
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an den äußersten Grenzen eingeschränkt. Dieses Grundsatz-Ausnahme-Prinzip wird durch die Lehre vom Handlungsunrecht unzulässigerweise missachtet545. In jüngster Zeit hat sich vor allem Bernhard dafür eingesetzt, das Verständnis der Rechtswidrigkeit in § 823 ausgehend vom subjektiven Recht wiederzubeleben. Richtigerweise knüpfte er an den Zuweisungsgehalt des subjektiven Rechts und damit an die Entscheidungsbefugnis des Rechtsinhabers an546, führte paradigmatisch § 903 S. 1 an, aus dem her bestimmt werden könne, welche Handlungsweisen dem Recht zuwiderlaufen oder nicht547. Dennoch schließt er sich der Handlungsunrechtslehre an, indem er ausführt: „die subjektiven Rechte [weisen] ihrem Inhaber einen Handlungs- und Bewegungsspielraum [zu] …, von dem sie alle anderen ausschließen. Daraus folgt, dass das subjektive Recht selbst bestimmt, welche Handlungsweisen seinem Inhalt zuwider und deshalb als solche – will sagen: unabhängig von ihren (Er-)Folgen – unerlaubt sind. Die Frage, ob ein Recht verletzt ist, ist damit kein deliktsrechtliches Problem, das von § 823 Abs. 1 BGB selbst gelöst wird“548
Dass die Verletzung der subjektiven Rechte bereits dann vorliegen kann, wenn mit dem Rechtsgegenstand „verfahren“ wird, ohne dass eine Rechtsverletzung im Sinne eines deliktsrechtlichen Erfolges einzutreten braucht, kann kaum bestritten werden. Möchte man alle möglichen Arten der Rechtsverletzungen abstrakt beschreiben, so ist dafür die Anknüpfung an das subjektive Recht maßgebend. So weit geht jedoch die Rechtswidrigkeit im Rahmen von § 823 nicht. Ihr Anwendungsbereich, und zwar jener der Schadensersatzansprüche auslöst, ist naturgemäß deutlich enger als der des § 903 S. 1. Die Rechtswidrigkeit nach § 823 verlangt demnach notwendigerweise eine Rechtswidrigkeit der Rechtsverletzung in Form des Eintritts eines deliktsrechtlichen Erfolges. Anderenfalls bedarf es des Tatbestandsmerkmals einer Rechtsverletzung nicht.
ccc) Das objektive Recht als das logische Prius Wenn davon gesprochen wird, dass die Rechtswidrigkeit von subjektiven Rechtsgütern und Rechten des Verletzten und gerade nicht vom objektiven Recht her bestimmt werden soll, so gilt es an dieser Stelle einem potenziellen Missverständnis entgegenzutreten. Das objektive Recht ist, wie Hans Albrecht Fischer erkannte, das objektive und logische Prius gegenüber den subjektiven Rechten549. Ohne das objektive Recht kann es keine subjektiven Rechte geben. Die subjektiven Rechte sind Bestandteil des objektiven Rechts. Mit der Ver545
So auch Stoll, JZ 1958, 137, 140; ihm folgend Hager, FS Ernst Wolf, 1985, 133, 134. Bernhard, FS Eduard Picker, 2010, 83, 94 f. Bernhard, FS Eduard Picker, 2010, 83, 100. 548 Bernhard, FS Eduard Picker, 2010, 83, 101. 549 Fischer, Die Rechtswidrigkeit mit besonderer Berücksichtigung des Privatrechts, 1911, S. 93, ansonsten geht er vom Begriff der objektiven Rechtswidrigkeit aus, S. 94 ff.; auch Kilian, Der Begriff der fortgesetzten Handlung im Zivilrecht, 1961, S. 40. 546 547
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letzung der subjektiven Rechte ist zugleich eine Verletzung des objektiven Rechts verbunden550. Mit der Übertragung der Entscheidungs- bzw. Dispositionsbefugnis auf den Rechtsgüter- bzw. Rechtsinhaber ist jedoch dem objektiven Recht die Macht über das Schicksal dieser Rechtspositionen entzogen. Der Rechtspositioneninhaber wird somit zur bestimmenden Kraft.
ddd) Rechtswidrigkeit der Erfolge Gegen die Lehre vom Erfolgsunrecht hob Zippelius als erster den Einwand hervor, der bis heute nicht verstummen mag, dass rechtswidrig nur menschliche Handlungen und nicht Erfolge oder Zustände sein können551. Pointiert fasste er zusammen: „Schon objektiv kann man also nur verbieten, daß jemand schießt, aber nicht, daß die Kugel trifft“552. Der Kausalverlauf und der sodann eingetretene Erfolg können nicht mehr Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils sein553. Dem ist zu widersprechen. Sicherlich können nur Handlungen verboten werden, aber eben nur solche, die zum Erfolg führen oder geführt haben. Der Vorwurf der Rechtswidrigkeit ist daher untrennbar mit dem Erfolg der Handlungen verbunden.
eee) Vermischung von Verschulden und Widerrechtlichkeit Die Fälle, die der Entscheidung des Großen Senats zu Grunde gelegen haben, bei denen also eine verkehrsmäßige Handlung aber rechtswidriger Erfolg vorliegt, können dagegen in der Voraussetzung des Verschuldens und ihm Rahmen der (adäquaten) Kausalität554 Berücksichtigung finden. Nicht zuletzt hat man der von Nipperdey vertretenen Lehre der Sozialadäquanz berechtigterweise vorgeworfen, sie würde „die Prüfung des verkehrsmäßigen Verhaltens des Schädigers vom Tatbestandsmerkmal Verschulden zum Tatbestandsmerkmal Widerrechtlichkeit verschieben“555, denn nach ihr würde erst eine fahrlässige Handlung und nicht eine (bloße) Erfolgsverursachung ein Rechtswidrigkeitsurteil erlauben556. Gegen diesen Vorwurf wehrte sich Nipperdey noch nicht einmal, indem er selbst in aller Ausdrücklichkeit feststellte, „daß sich die Begriffe 550 551
Kilian, Der Begriff der fortgesetzten Handlung im Zivilrecht, 1961, S. 41 m. w. N. Zippelius, NJW 1957, 1707, 1708; ders., AcP 157, 1957, 390, 395; auch v. Caemmerer, FS Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, 1960, 49, 127. 552 Zippelius, NJW 1957, 1707. 553 Zippelius, AcP 157, 1957, 390, 395. 554 Dazu v. Caemmerer, Karlsruher Forum, 1961, 19, 20 ff., der sich ansonsten der Handlungsunrechtslehre anschließt; auch Welzel, Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, 1961, S. 8 f. erkennt in Bezug auf die strafrechtliche Beurteilung, dass die überkommene Lehre das Problem des verkehrsgerechten Verhaltens auf der Schuldebene lösen kann, wodurch eine Bestrafung vermieden wird. 555 Wussow, NJW 1958, 891, 893. 556 Larenz, FS Dölle, 1963, 169, 179; vgl. auch Weitnauer, Karlsruher Forum, 1961, 28, 30; Baur, AcP 160, 1961, 465, 468.
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‚sozialadäquates‘ oder ‚verkehrsrichtiges‘ Verhalten mit dem Begriff der ‚im Verkehr erforderlichen Sorgfalt‘ decken“557. Ob dies tatsächlich so ist, sei dahingestellt. Dann ist aber die Frage erlaubt, welchen dogmatischen Fortschritt die Vermischung von Tatbestandsmerkmalen „Verschulden“ und „widerrechtlich“ überhaupt haben soll.
fff) Gefahr der Auflösung fest umrissener Tatbestände Für die Fälle, in denen das verkehrsmäßige Verhalten das Verschulden nicht ausschließt, kritisieren andere, ebenfalls zu Recht, dass durch „die Vorschaltung“ oder „den Einbau“ von Generalklauseln in Gestalt des sozialadäquaten/ sozialwidrigen Verhaltens fest umrissene Tatbestände, wie es § 823 Abs. 1 und § 823 Abs. 2 sind, aufgelöst und der Spielraum des Richterermessens auf Kosten gleichförmiger Gesetzesanwendung erweitert wird558. Ganz abenteuerlich wird Nipperdeys Auffassung aber dort, wo er, da nach ihm die Begriffe Verschulden und Rechtswidrigkeit zu einer Einheit verschmelzen, statt des objektiv ausgerichteten Verschuldens eine Verankerung des Schuldbegriffs der persönlichen Vorwerfbarkeit559, also einen subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff, eine individuelle Schuld560 im Bürgerlichen Recht fordert, die diesem fremd ist. Dies kann man unschwer bereits am Wortlaut des § 276 erkennen. Zwar kann man unter besonderen Umständen stärker beim § 276 individualisieren561, jedoch sollte dabei der absolute Grundsatz des objektiven Fahrlässigkeitsbegriffs beibehalten werden562.
ggg) Parallele zum finalen Handlungsbegriff Nicht von der Hand zu weisen ist auch die Kritik von Larenz, die Lehre vom Handlungsunrecht orientiere sich zu sehr am finalen Handlungsbegriff. Nach diesem ist die Handlung als eine bewusste und zweckgerichtete Lenkung des Kausalverlaufs zu verstehen563. Der Kausalverlauf werde nicht „blind“, sondern „sehend“ in Gang gesetzt564. Hat also eine Krankenschwester irrtümlicherweise eine tödlich wirkende Morphiumspritze injiziert, so liegt nach Auffassung von 557 Nipperdey, NJW 1957, 1777, 1779, 1780; auch Wieacker, JZ 1957, 535, 537 gibt zu „daß die ‚Widerrechtlichkeit‘ der §§ 823 I, 831 I S. 1 auch Elemente des zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriffs, nämlich die Außerachtlassung ‚der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt‘ (§ 276 I S. 2) einschließt“. 558 Larenz, FS Dölle, 1963, 169, 172. 559 Nipperdey, NJW 1957, 1777, 1780. 560 Nipperdey, NJW 1957, 1777, 1781. 561 Weitnauer, Karlsruher Forum, 1961, 28, 31. 562 In der oben zitierten Entscheidung des BGH hielt dieser an dem objektiven Fahrlässigkeitsbegriff fest, BGHZ 24, 21, 27; zustimmend Wieacker, JZ 1957, 535, 537. 563 Welzel, Das neue Bild des Strafrechtssystems, 4. Aufl., 1961, S. 1. 564 Welzel, Das Deutsche Strafrecht in seinen Grundzügen, 1947, S. 21; so erklärend auch Larenz, FS Dölle, 1963, 169, 177.
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Welzel schon gar keine (!) Tötungshandlung vor565, da der Tötungszweck nicht verfolgt wurde. Erst wenn der in der Außenwelt erreichte, tatbestandsmäßige Handlungszweck mit dem vorgestellten Handlungszweck übereinstimmte, liege eine tatbestandsmäßige Handlung vor. Dabei lehnt die ganz herrschende Lehre zu Recht den finalen Handlungsbegriff ab und geht von einem kausalen Handlungsbegriff aus, nach dem die Handlung im naturalistischen Sinne zu verstehen ist, die nur unbewusste Handlungen (vis compulsiva) ausschließt. Einer besonderen Zweckrichtung bedarf es für sie nicht. Im KrankenschwesterFall liegt nach dem kausalen Handlungsbegriff durchaus eine tatbestandsmäßige Handlung vor, es kann aber am subjektiven Tatbestand oder an der Schuldhaftigkeit fehlen. Die Parallele zur Lehre vom Handlungsunrecht wird sichtbar, da ihre Vertreter die Rechtswidrigkeit nicht bereits dann annehmen, wenn durch eine bewusste Handlung ein tatbestandsmäßiger Erfolg eingetreten ist, sondern erst dann, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg durch eine Handlung eingetreten ist, die bewusst und zweckgerichtet war, wobei der verfolgte Zweck der Handlung mit dem eingetretenen, tatbestandlichen Erfolg überstimmen muss.
hhh) Paradoxie bzgl. des negatorischen Schutzes Eine Inkonsequenz der Handlungsrechtslehre ergibt sich auch hinsichtlich der parallelen Geltung des deliktischen Schutzes nach §§ 823 ff. und des negatorischen Schutzes nach § 1004. Es ist nicht einzusehen, warum etwa bei einem noch fortdauernden Eingriff in das Eigentum durch eine rechtmäßige Handlung nach der Handlungsunrechtslehre der deliktische Schutz ausgeschlossen ist, der negatorische Schutz nach § 1004 indes bestehen soll566. Als Beispiel führt Baur etwa den Eigentümer an, der auf seinem Grundstück unter Einhaltung aller Sorgfaltsmaßregeln einen Baukran errichtet, der infolge ungeklärter Umstände auf das Grundstück seines Nachbarn fällt567. Die Errichtung wäre nach der Handlungsunrechtsrechtslehre rechtmäßig, sodass kein deliktischer Schutz gegeben wäre. Dennoch hat der Nachbar einen Beseitigungsanspruch nach § 1004. Dem Handelnden wird im Ergebnis zwar seine Handlung erlaubt, er muss aber dennoch mit den Nachteilen aus § 1004 rechnen568. Den bestehenden negatorischen Schutz versuchen die Vertreter der Handlungsunrechtslehre dadurch zu untermauern, dass die Handlung zwar rechtmäßig sei, aber der Erfolg „unerwünscht“ oder „unbefugt“ ist, weshalb der § 1004 zur Anwendung kommen solle569. Dem muss zusammen mit Baur ent565 Welzel, Um die finale Handlungslehre, 1949, S. 9; vgl. auch ders., Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, 1961, S. 24. 566 Baur, AcP 160, 1961, 465, 470. 567 Baur, AcP 160, 1961, 465, 471 f. 568 Baur, AcP 160, 1961, 465, 470. 569 Welzel, Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, 1961, S. 26 f.
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gegengehalten werden, dass die Rechtsordnung nicht die Aufgabe hat zu regeln, was „erwünscht“ oder „unerwünscht“ ist, sondern was Recht und Unrecht ist570. Es bedarf hier vielmehr einer Harmonisierung zwischen dem deliktischen, dem negatorischen Schutz und dem Schutz vor verbotener Eigenmacht nach §§ 858 ff. Die Rechtsordnung kann gegenüber dem Handelnden in Bezug auf dasselbe Verhalten nicht mit „zwei Zungen“ sprechen.
iii) Begriff der Rechtswidrigkeit Zusammenfassend kann man demnach festhalten, dass die Rechtswidrigkeit nach § 823 dann vorliegt, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg (Rechtsgutsverletzung, Rechtsverletzung oder Verstoß gegen ein Schutzgesetz) durch eine Handlung eingetreten ist und der Erfolgseintritt von der (hypothetischen) Erlaubnis des Rechtspositionsinhabers nicht umfasst war. Da der Inhaber der Rechtsposition die Verletzung seiner Rechtspositionen regelmäßig nicht erlauben wird, spricht eine widerlegliche Vermutung für die Rechtswidrigkeit des eingetretenen Erfolgs. Erst vor diesem Hintergrund, also vor dem Hintergrund der Bedeutung der Rechtsgüter und subjektiven Rechte für die Rechtswidrigkeit, ist die Existenz der Rechtswirdrigkeitsindikation gerechtfertigt. Der verschuldete Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs indiziert somit die Rechtswidrigkeit, ohne dass das Verschulden Voraussetzung der Rechtswidrigkeit ist. Ausgenommen von der Rechtswidrigkeitsindikation sind weiterhin Rahmenrechte, allen voran das allgemeine Persönlichkeitsrecht und der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb571. Bei ihnen muss die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden. Bei Nichtrahmenrechten kann die Vermutung jedoch widerlegt werden, wenn ein Rechtfertigungsgrund zur Seite steht, wobei auf das System der Rechtfertigungsgründe, welches von dem hier vertretenen Rechtswidrigkeitsbegriff geleitet ist, sogleich einzugehen sein wird. Auch wenn der Inhaber der Rechtsposition den Eintritt des Erfolgs erlaubt hat, kann seine Erlaubnis wegen „Rechten Dritter“ oder wegen des „Gesetzes“ i. S. v. § 903 S. 1 unbeachtlich sein. Das ist die an den äußeren Grenzen des subjektiven Rechts durch das objektive Recht vorgesehene Ausnahme vom grundsätzlichen, nach den subjektiven Rechten des Verletzten geleiteten System. Paradigmatisch ist hier die rechtfertigende Einwilligung heranzuziehen, welche etwa dann unbeachtlich ist, wenn sie sittenwidrig ist. Dieser von den Rechtspositionen des Verletzten ausgehende Rechtswidrigkeitsbegriff dürfte auch der Auffassung des BGH entsprechen, der seit dem besprochenen Urteil aus dem Jahr 1957 zwar die Berücksichtigung des verkehrsgerechten Verhaltens im Rahmen der Rechtswidrigkeit nicht ausdrücklich 570 Baur, AcP 160, 1961, 465, 470. 571 Zu Auswirkungen des Rechtswidrigkeitsbegriffs
land, Karlsruher Forum, 1961, 15 ff.
auf Rahmenrechte, vgl. Krüger-Nie-
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verworfen hat, zu ihr indes auch nicht mehr zurückgekehrt ist572. Man kann insofern dieses Urteil als einen Betriebsunfall bezeichnen, der zum Glück singulär geblieben ist.
(d) § 826 im Rahmen des deliktsrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs Bei der Erörterung des deliktsrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs blieb bisher der § 826 außer Betracht. Dies hat auch seinen Grund. § 826 setzt kein rechtswidriges Verhalten des Schädigers voraus. Das Verhalten kann durchaus rechtmäßig sein, wird aber ausnahmsweise erst mit einem Sittenwidrigkeitsverdikt des § 826 zu einem rechtswidrigen Verhalten geformt. So formulierte bereits die 1. Kommission in Bezug auf den Vorgänger des § 826, nämlich in Bezug auf § 705 E-1, dass der Entwurf „in § 705 noch eine fernere Kategorie widerrechtlicher Handlungen“ aufstellt, wonach „als widerrechtlich auch solche Handlungen gelten, deren Vornahme gegen die guten Sitten verstößt“573. „Als widerrechtlich (Delikt) gilt hiernach auch die zwar kraft der allgemeinen Freiheit an sich erlaubte, aber illoyale, gegen die guten Sitten verstoßende Handlungsweise, wenn sie einem Anderen zum Schaden gereicht“574. Bei den Beratungen der 2. Kommission erschien außerdem die Behandlung von Fällen sehr zweifelhaft, ob jemand auch dann sittenwidrig handeln kann, der sein eigenes subjektives Recht ausübt. Die 2. Kommission ging dabei davon aus, „[wo] das Gesetz selbst einzelne Rechte ihrem Umfange nach feststelle, werde es, wie zB. beim Eigenthume möglich sein, bei der Bestimmung des Inhaltes die Grundsätze der guten Sitten und, was meistens wesentlicher sei, die öffentlichen und allgemeinen Bedürfnisse zu berücksichtigen … Weiter zu gehen und ganz allgemein die Ausübung der Rechte durch die Rücksicht auf die guten Sitten zu beschränken, müssen hiernach bedenklich erscheinen“575. Insofern lag dem Gesetzgeber die Vorstellung zu Grunde, dass § 826 keinen Aufschluss über den Grundsatz der Widerrechtlichkeit geben kann, sondern dass an sich erlaubte Handlungen ausnahmsweise, wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der guten Sitten, mit einem Widerrechtlichkeitsverdikt versehen werden. Wenn dies so ist, so bestätigt § 826 das bisher aufstellte GrundsatzAusnahme-System, beschreibt aber in diesem vielmehr die Ausnahme. Es bleibt damit dabei, dass die Rechtswidrigkeit grundsätzlich vom Standpunkt des Verletzten zu bestimmen ist. Ausnahmsweise wird die Rechtswidrigkeit durch das „Gesetz“ bestimmt, dies aber nur an den äußeren Grenzen, wie im Falle der Sittenwidrigkeit nach § 826.
572 573
Schiemann, in: HKK, 2013, §§ 823–830, 842–853, Rn. 127. Mugdan II, 1899, S. 405. 574 Mugdan II, 1899, S. 406. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 575 Mugdan II, 1899, S. 1079.
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(8) Das System der Rechtfertigungsgründe im Deliktsrecht (a) Die theoretischen Grundlagen. Definition der Rechtfertigung Nun gilt es sich dem System der Rechtfertigungsgründe zu widmen um sodann herauszuarbeiten, inwiefern die echte Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem Verständnis der h. M. mit diesem System kompatibel ist. Die Rechtfertigung ist das Gegenteil der Rechtswidrigkeit. Die Rechtswidrigkeit im Rahmen von § 823 liegt nach dem hier vertretenen Verständnis dann vor, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg (Rechtsgutsverletzung, Rechtsverletzung oder Verstoß gegen ein Schutzgesetz) durch eine Handlung eingetreten ist, deren Erfolgseintritt von der (hypothetischen) Erlaubnis des Rechtspositionsinhabers nicht umfasst war. Kehrt man diese Definition um, so liegt eine Rechtfertigung dann vor, wenn der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs von der (hypothetischen) Erlaubnis des Rechtspositioneninhabers umfasst war. Wie bereits bei der Rechtswidrigkeit, so auch bei der Rechtfertigung beschreibt diese Definition den Grundsatz der Rechtfertigung. Ausnahmsweise wird trotz der Erlaubnis des Rechtspositioneninhabers keine Rechtfertigung vorliegen, wenn Rechte Dritter oder das objektive Recht seiner Erlaubnis entgegenstehen. Insofern sind zwar Rechtfertigung und Rechtswidrigkeit absolute Antipoden, sie stützen sich jedoch auf das gleiche hinter ihnen stehende System. Es ist das System der Rechtsgüter und der subjektiven Rechte. Die Vorbildfunktion für die materiellrechtliche Erfassung dieses Systems erfüllt § 903 S. 1. Nach diesem können auch die anerkannten Rechtfertigungsgründe systematisiert werden.
(b) Rechtfertigungsgründe Einen abschließenden Katalog von Rechtfertigungsgründen gibt es nicht. Zu den anerkannten Rechtfertigungsgründen zählen: yy yy yy yy yy yy
die rechtfertigende Einwilligung die Notwehr (§ 227) der Notstand (§§ 228, 904) das Selbsthilferecht (§§ 229, 859) die vorläufige Festnahme (§ 127 StPO) und die echte (berechtigte) Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff.)
(c) Anerkannte Rechtfertigungsgründe aaa) Rechtfertigende Einwilligung In Bezug auf das Rechtsinstitut der Einwilligung – des Grundsatzes „volenti non fit iniuria“ – gibt es viele streitige Themen. Umstritten ist etwa die Rechts-
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natur der Einwilligung576, ihre Wirksamkeitsvoraussetzungen577 oder eine auf die abstrakte Ebene erhobene Frage, ob die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Einwilligungslehren angesichts des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung harmonisiert werden sollten578. Für diese Untersuchung bleiben diese Fragen ohne Belang. Notwendig ist dagegen eine (kurze) Analyse der rechtsethischen Herkunft der Einwilligung und insbesondere ihrer dogmatischen Verankerung im deutschen Privatrecht.
aaaa) Rechtsethische Herkunft der Einwilligung Zuerst zur rechtsethischen Herkunft. Mit der Anknüpfung der Einwilligung an den Willen des Einwilligenden wird zum Ausdruck gebracht, dass der Gegenstand der Einwilligung auf einer Willensentscheidung beruht579. Darin spiegelt sich das Prinzip der Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten wieder580. Jeder soll grundsätzlich über seine Angelegenheiten selbst entscheiden können. Die Fähigkeit des Menschen, autonome Entscheidungen zu treffen, betrifft seine persönliche Würde581. Abgesehen von dieser zentralen Komponente der Einwilligung schlägt sich die gegenseitige Anerkennung der Selbstbestimmungsrechte zugleich auf den gesellschaftlichen Nutzen durch582. Auf diesem Wege wird sichergestellt, dass die persönliche Entfaltung eines Individuums im Rahmen eines Kollektivs nicht durch andere beeinträchtigt wird. Dennoch kann die Selbstbestimmung in einer Gesellschaft nicht grenzenlos sein. Die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts des einen kann mit dem des anderen kollidieren. Hier bedarf es eines Ausgleichs, einer, wie man im öffentlichen Recht zu sagen pflegt, praktischen Konkordanz. Paradigmatisch für diese Struktur ist der bereits oft herangeführte § 903 S. 1, wonach die Befugnis zur 576 Vgl. dazu umfassend Schenke, Die Einwilligung des Verletzten im Zivilrecht, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 1965, S. 23 ff., Voll, Die Einwilligung im Arztrecht, 1996 35, S. 36 ff., sowie Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 178 ff.; Amelung/Eymann, JuS 2001, 937, wobei ihre Ausführungen sich auf die Einwilligung im Strafrecht beziehen; Böhmer, Die Rechtfertigungsgründe bei den unerlaubten Handlungen im Deutschen Internationalen Privatrecht, 1962, S. 78 f.; Kohte, AcP 185, 1985, 105, 112 ff. 577 Vgl. dazu umfassend Voll, Die Einwilligung im Arztrecht, 1996 35, S. 61 ff.; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 293 ff.; auch Schenke, Die Einwilligung des Verletzten im Zivilrecht, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 1965, S. 32 ff., 85 ff.; Kohte, AcP 185, 1985, 105, 121 ff. 578 Vgl. dazu umfassend Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 108 ff. 579 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 64. 580 Voll, Die Einwilligung im Arztrecht, 1996 35, S. 47; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 65 ff. 581 Das deontologische Argument von Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 69. 582 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 70.
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Verfügung über das Eigentum durch „Rechte Dritter“ oder durch das „Gesetz“ beschnitten wird583. Als Korrelat zum Prinzip der Selbstbestimmung ist mit der Einwilligung freilich auch das Prinzip der Selbstverantwortung verbunden584. Freiheit bringt zugleich Verantwortung mit sich585. Anderenfalls wird das Selbstbestimmungsprinzip entwertet, wenn derjenige, der sein Selbstbestimmungsrecht ausübt, nicht mit den Folgen, die vor-, aber eben auch nachteilhaft sein können, seiner Entscheidung konfrontiert wird586.
bbbb) Dogmatische Verankerung der Einwilligung im Privatrecht Erheblich entscheidender für diese Untersuchung ist jedoch die dogmatische Verankerung der Einwilligung im deutschen Privatrecht. Ohly hat dazu in seiner Habilitationsschrift „‚Volenti non fit iniuria‘. Die Einwilligung im Privatrecht“ herausgearbeitet, dass die Freiheit im Privatrecht durch (1) Anerkennung der Privatautonomie und (2) durch den Schutz subjektiver Rechte gewährleistet wird587. Beide Grundpfeiler haben eine gemeinsame Schnittmenge, unterscheiden sich jedoch in grundsätzlichen Punkten. Das privatautonome Handeln setzt kein subjektives Recht voraus. Real ist der Mensch in der Lage auch dann zu handeln, wenn eine rechtliche Grundlade für sein Handeln fehlt588. Die subjektiven Rechte beschreiben dagegen die rechtliche Grundlage, in denen die Privatautonomie sich entfalten darf. Werden andererseits die Befugnisse aus dem subjektiven Recht zugewiesen, so können diese durch eine privatautonome Ausübung wahrgenommen werden589. Analysiert man nun die rechtfertigende Einwilligung, so kann sie ohne eine Dispositionsbefugnis keinen rechtlichen Bestand haben. Willigt jemand in eine verbotene Handlung ein, so hat diese Einwilligung keine rechtliche Wirksamkeit, wenn dem Einwilligenden die Disposition darüber nicht zusteht. Die Kehrseite der Dispositionsbefugnis ist die Abwehrbefugnis. Der Abwehrbefugte darf einen rechtswidrigen Eingriff abwehren. Andererseits läuft die Abwehr eines erlaubten Handelns ins Leere, wenn der Abwehrende keine Abwehrbefugnis hat590. Die Einwilligung kann demnach nicht ihre rechtliche Grundlage in der Gewährleistung der Privatautonomie, sondern vielmehr in der Dispositionsbefug583 Auch Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 73 zieht zur Verdeutlichung neben Art. 2 Abs. 1 GG den § 903 S. 1 heran. 584 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 65. 585 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 77. 586 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 77. 587 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 179. 588 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 180. 589 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 180. 590 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 181.
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nis591, die ihrerseits zusammen mit der Abwehrbefugnis zentrale, die subjektiven Rechte konstituierende Elemente darstellen, haben. Die dogmatische Verankerung der rechtfertigenden Einwilligung ist demnach im subjektiven Recht zu finden592. Die Ausführungen von Feuerbach zur Einwilligung aus dem fernen Jahr 1808 haben bis heute ihre Richtigkeit und Gültigkeit erhalten: „So ferne eine Person durch erklärten Willensakt Rechte aufgeben kann, hebt die Erlaubnis zur Läsion von Seiten des Verletzten den Begriff des Verbrechens auf. Volenti non fit iniuria. a) Nur muß das Recht, gegen welches, der Erlaubnis gemäß, die Handlung gerichtet ist, der (rechtlich) möglichen Disposition des Verletzten unterworfen seyn. Ist das Recht an sich der freyen Willkür des Berechtigten entzogen b) oder dieser unfähig zur freyen Disposition über sich selbst oder das Seine c); so ist die Erlaubnis ohne rechtliche Wirkung“593.
Auch Esser bemerkt, auch wenn er eine scharfe Unterscheidung zwischen dem Grundsatz der Privatautonomie und dem Schutz der subjektiven Rechte nicht vornimmt, dass: „In dem Konflikt zwischen dem gesetzlichen Schutz eines schutzwürdigen verletzten Rechtsguts und der Anerkennung der Privatautonomie … die Rechtsordnung der letzteren den Vorzug geben, soweit sie dem Einzelnen Dispositionsfreiheit gewahrt hat“594.
Dabei stellt die Ausübung der Dispositionsbefugnis, also die konkrete Wahrnehmung eines bereits vorhandenen subjektiven Rechts, lediglich ein privatautonomes Handeln dar, also jenes, was durch die Privatautonomie gewährt werden soll. Die Ausführungen zur dogmatischen Grundlage der Einwilligung im subjektiven Recht können auf die Rechtsgüter übertragen werden, denn auch diese 591
110.
Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung, 1970, S. 42 ff.; Kohte, AcP 185, 1985, 105,
592 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 181 ff.; Honig, Die Einwilligung des Verletzten, 1919 Teil I., S. 32 ff. m. w. N.; in diese Richtung auch Böhmer, Die Rechtfertigungsgründe bei den unerlaubten Handlungen im Deutschen Internationalen Privatrecht, 1962, S. 104, wenn er schreibt: „Als Ergebnis darf festgehalten werden: Die Einwilligung in eine unerlaubte Handlung hat keine einheitliche Anknüpfung. Für sie kommt es entscheidend auf die Art des verletzten Rechtsgutes an“, wobei seine Ausführungen sich auf das deutsche internationale Privatrecht beschränken; Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung, 1970, S. 42 ff.; auch Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981 392, S. 14, Fn. 16, stellt bei seiner öffentlich-rechtlichen Abhandlung auf die Befugnisse des Einwilligenden aus den Grundrechten ab, die subjektive Rechte sein können bzw. sind. 593 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 4. Aufl., 1808, S. 35, Hervorhebungen stammen vom Verfasser; auch Kohte, AcP 185, 1985, 105, 109 zitiert diese Passage; bereits in der ersten Auflage schrieb Feuerbach: „Es ist also I. kein Verbrechen vorhanden, wenn der Berechtigte die seinem Recht widersprechende und durch ein Strafgesetz bedrohte Handlung ausdrücklich erlaubt (Volenti non fit injuria)“, Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1801, S. 31. 594 Esser, Schuldrecht, 2. Aufl., 1960, § 53, S. 193, Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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verfügen über eine Abwehr- und eine Dispositionsbefugnis. Dies wurde bereits herausgearbeitet (s. o.). Das jeweilige subjektive Recht oder Rechtsgut bestimmt dabei nicht nur das „Ob“ der Dispositionsbefugnis, also die Frage, ob jemand überhaupt einwilligen darf, sondern auch die Reichweite der Einwilligung595. Die Reichweite ist freilich bei subjektiven Rechten und Rechtsgüter in § 823 BGB grundsätzlich unbegrenzt (s. o.). Resümierend ist die rechtfertigende Einwilligung als Ausprägung der Nutzungsfunktion nach § 903 S. 1 zu sehen.
bbb) Notwehr (§ 227) Ein anderer zentraler Rechtfertigungsgrund ist die Notwehr nach § 227. Im Abs. 2 dieser Vorschrift wird bestimmt, dass die Notwehr diejenige Verteidigung ist, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Nach der ganz herrschenden dualistischen Notwehrlehre bezweckt die Vorschrift (1) den Schutz subjektiver Rechte und (2) die Bewährung der Rechtsordnung596. Das Notwehrrecht enthält demnach neben der „individualrechtlichen“597, bzw. „individualistischen“598 Komponente, im Rechtsbewährungsprinzip noch einen „sozialrechtlichen“599 oder einen „überindividualistischen“600 Gedanken. Bei der Einordnung in die Struktur der subjektiven Rechte bzw. Rechtsgüter des Angreifers, die durch § 903 S. 1 abgebildet wird, kann das Notwehrrecht demnach in das Merkmal „Rechte Dritter“ oder in das des „Gesetzes“ untergeordnet werden. Praktisch gesehen ergeben sich daraus keine Unterschiede. Sowohl das eine als auch das andere Merkmal vermag die Dispositions-, bzw. Abwehrbefugnis des Angreifers zu beschränken und ein grundsätzlich rechtswidriges Verhalten des 595
Ohly, „Volenti non fit iniuria“, 2002 73, S. 195. RGSt 21, 168, 170; BGHSt 24, 356, 359; BGHZ 64, 178, 180; BGH NJW 2013, 2133 Rn. 27; Repgen, in: Staudinger, 2014, § 227, Rn. 5; Grothe, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 227, Rn. 1; Dennhardt, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 227, Rn. 2; Rövekamp, in: BeckOGK, BGB, 01. 08. 2018, § 227, Rn. 10; Kühl, JuS 1993, 177, 179; Schünemann, Selbsthilfe im Rechtssystem, 1985, S. 24, 29; Krey, JZ 1979, 702, 710, 712; kritisch, Fister, GA 21, 1988, 291, 295 ff.; lediglich Alwart versuchte (vergeblich) die ratio des Notwehrrechts in einer Art des Widerstands zu sehen, Alwart, JuS 1996, 953, 956 oder Freund, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 2009, S. 103 ff. vertritt ein „monistisch-überindividuelles“ Konzept. 597 Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., 2014, § 32, Rn. 1; Erb, in: MünchKommStGB, 3. Aufl., 2017, § 32, Rn. 12; Rövekamp, in: BeckOGK, BGB, 01. 08. 2018, § 227, Rn. 10; Krey, JZ 1979, 702, 710; m. w. N. aus der älteren Literatur, Kühl, JuS 1993, 177, 179. 598 Wagner, Individualistische oder überindividualistische Notwehrbegründung, 1984, S. 30 ff.; Bitzilekis, Die neue Tendenz zur Einschränkung des Notwehrrechts, 1984, S. 45; m. w. N. aus der älteren Literatur, Kühl, JuS 1993, 177, 179. 599 Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., 2014, § 32, Rn. 1; Krey, JZ 1979, 702, 710; m. w. N. aus der älteren Literatur Kühl, JuS 1993, 177, 180. 600 Bitzilekis, Die neue Tendenz zur Einschränkung des Notwehrrechts, 1984, S. 45; Freund, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 2009, S. 103; Fister, GA 21, 1988, 291, 295. 596
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Angegriffenen zu einem rechtmäßigen zu machen. Insofern kann auch nicht überraschen, dass teilweise das Notwehrrecht entweder unter die eine601 oder die andere Alternative des § 903 S. 1 gefasst wird602. Zu fragen wäre außerdem, ob das Notwehrrecht des Angegriffenen überhaupt, neben den subjektiven Rechtspositionen, die dieses schützt, ein eigenständiges subjektives Recht darstellt603, welches die Verteidigung im speziellen Falle einer Notwehrlage ermögliche, oder vielmehr die durch Notwehrrecht geschützten subjektiven Rechtspositionen selbst, etwa in ihrer Ausschlussfunktion, eine Verteidigungsbefugnis und damit ein Notwehrrecht enthalten604. Beide Fragen müssen für diese Untersuchung keiner tiefergehenden dogmatischen Auseinandersetzung zugeführt werden, da sicher anzunehmen ist, dass der Schutz der subjektiven Rechtspositionen den Kernpunkt des Gesetzeszwecks von § 227 ausmacht. Überzeugender ist dennoch die Qualifizierung des Notwehrrechts als ein eigenständiges subjektives Recht und seine Einordnung als ein „Recht Dritter“ i. S. v. § 903 S. 1. Für das eigenständige subjektive Recht spricht, dass das Notwehrrecht über einen besonders engen, von hohen Voraussetzungen abhängenden, Anwendungsrahmen verfügt und eine besondere Regelung in § 227 erfahren hat. Für ein „Recht Dritter“ spricht, dass der Schutz der Rechtspositionen das primäre telos des § 227 ist. Dies erkennt man in besonderer Weise daran, dass für § 227 ein Handeln allein zum Schutz des Rechtsbewährungsprinzips nicht gerechtfertigt ist605. Durch den Angriff müssen demnach stets auch die Individualrechtsgüter des Angegriffenen betroffen sein. Aus der noch zu erörternden Gegenüberstellung zwischen dem Notwehrrecht nach § 227 und dem privaten Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 S. 1 StPO wird dieses Ergebnis noch zusätzlich gestärkt (s. u.).
ccc) Defensiver und aggressiver Notstand (§ 228, § 904) Zu den anerkannten Rechtfertigungsgründen zählen insbesondere der defensive (§ 228) und der aggressive (§ 904) Notstand. Der defensive Notstand liegt dann vor, wenn durch eine fremde Sache eine Gefahr droht, zu deren Abwen601 602
In diese Richtung Schünemann, Selbsthilfe im Rechtssystem, 1985, S. 24 ff. Berger, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 903, Rn. 4; wohl auch Lakkis, in: BeckOGK, BGB, 01. 09. 2018, § 903, Rn. 152 f.; Althammer, in: Staudinger, 2016, § 903, Rn. 15 in Bezug auf § 226; Wilhelmi, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 903, Rn. 4, §§ 226, 242, 138 als allgemeine Eigentumsbeschränkungen bezeichnend. 603 So die wohl h. M.: so bereits früh Binding, Grundriss des Deutschen Strafrechts, 8. Aufl., 1913, § 79, S. 189; Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie für Studenten, 6. Aufl., 2012, 57; wohl auch Krey, JZ 1979, 702, 712; a. A. Schleifenbaum, Begriff und Bedeutung des gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs in § 227 BGB, 1904, S. 41 f. 604 Schleifenbaum, Begriff und Bedeutung des gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs in § 227 BGB, 1904, S. 41 f. 605 OLG Koblenz OLGR 2006, 754, 761; Dennhardt, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 227, Rn. 2.
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dung die Zerstörung oder die Beschädigung derselben Sache erforderlich und angemessen ist. Der aggressive Notstand liegt dagegen dann vor, wenn eine Gefahr abgewendet werden soll, die von der Sache selbst nicht ausgeht, die Inanspruchnahme dieser Sache zur Gefahrabwendung jedoch notwendig ist. Darin erschöpfen sich die Unterschiede zwischen § 228 und § 904 indes nicht. Der Erstere setzt keine gegenwärtige, sondern bloß drohende Gefahr voraus. Außerdem ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen von § 904 das bloße Überwiegen des Angegriffeneninteresses nicht ausreichend. Vielmehr ist erforderlich, dass die vom Angreifer ausgehende Gefahr im Vergleich zur Einwirkung auf die fremde Sache zu einem großen, unverhältnismäßigen Schaden führen würde. Der Grund für die strenger gezogenen Voraussetzungen des § 904 liegt in der Einwirkung auf fremdes, unbeteiligtes Eigentum. Daraus erklärt sich auch der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch des Eigentümers der aufgeopferten Sache nach § 904 S. 2, der seiner Rechtsnatur nach als ein zivilrechtlicher Aufopferungsanspruch aufzufassen ist606. Anders als bei der Notwehr nach § 227 sollen die Notstandstatbestände nur den Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter sicherstellen607. Die Interessen der Allgemeinheit, etwa die Bewährung der Rechtsordnung, finden dagegen keine Verankerung. Der Sache nach kollidieren bei einer Notstandslage zwei Güter unterschiedlicher Personen. Es steht also Recht dem Recht gegenüber608. Diese Rechte gilt es im Sinne des Prinzips des überwiegenden Interesses in einen Einklang zu bringen609. Bei Erfüllung der Notstandstatbestände überwiegt (wesentlich) das Interesse des Angegriffenen und verleiht ihm das Recht zur Verteidigung. Die Notstandsrechte beschneiden zugleich auf der anderen Seite die Rechte des (unbeteiligten) Eigentümers610. Versucht man demnach die Einschränkungen anhand der Dogmatik des § 903 S. 1 vorzunehmen, bieten sich, wie bereits bzgl. 606 Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 107 ff.; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 85 I 1, S. 655; Fritzsche, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 904, Rn. 1; Brückner, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 904, Rn. 1. 607 Für § 228: Repgen, in: Staudinger, 2014, § 228, Rn. 10; Fahse, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 1999, § 228, Rn. 11; Für § 904: Lakkis, in: BeckOGK, BGB, 01. 09. 2018, § 904, Rn. 2. 608 Fahse, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 1999, § 228, Rn. 1 m. w. N. 609 Zu historischen Hintergründen dieses auf Hegel zurückgehenden Prinzips, Lampe, NJW 1968, 88, 89 f.; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 108; Landmann, Notwehr, Notstand und Selbsthilfe im Privatrecht, 1975, S. 22 ff.; Küper, JZ 1976, 515; Freund, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 2009, § 3, Rn. 4, S. 71; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., 2014, Rn. 107; Dennhardt, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 228, Rn. 1; Wagner, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 228, Rn. 7; Rövekamp, in: BeckOGK, BGB, 01. 08. 2018, § 228, Rn. 2; Repgen, in: Staudinger, 2014, § 228, Rn. 27; Lakkis, in: BeckOGK, BGB, 01. 09. 2018, § 904, Rn. 3. 610 Fritzsche, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 904, Rn. 1: „Damit wird das Eigentum in Notstands- bzw. Nothilfesituationen iSv 903 eingeschränkt“.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
des § 227, entweder das Merkmal „Rechte Dritter“ oder das „Gesetz“ an. Da es bei §§ 227, 904, viel stärker als bei § 227, um die Kollision von subjektiven Rechten und Rechtsgütern geht, Interessen der Allgemeinheit dagegen keinen Eingang in das telos gefunden haben, erscheint die Qualifizierung der Notstandsrechte als „Rechte Dritter“ i. S. v. § 903 S. 1 überzeugender. Aus der Sicht des Angegriffenen sind die Notstandsrechte dogmatisch in der Abwehrbefugnis zu verankern. Resümierend kann der (unbeteiligte) Eigentümer mit seinen Sachen nach Belieben verfahren (= Nutzungsfunktion) und jeden von der Einwirkung ausschließen (= Ausschlussfunktion). Grundsätzlich ist demnach sein Wille entscheidend. Sein Wille ist jedoch dann unbeachtlich, wenn die subjektiven Rechte oder Rechtsgüter des Angegriffenen (wesentlich) überwiegen. Die Notstandsrechte nach §§ 228, 904 spiegeln eindrucksvoll den Begriff der Rechtswidrigkeit und das System der Rechtfertigungsgründe wieder, die nach dem subjektiven Recht bzw. Rechtsgut geleitet sind. Dieses System ist mit dem Prinzip des überwiegenden Interesses deckungsgleich, hat jedoch den Vorteil in der Anknüpfung an das subjektive Recht und damit an die handfeste Dogmatik des § 903 S. 1.
ddd) Selbsthilfe (§§ 229–231) Gem. § 229 handelt derjenige nicht widerrechtlich, der zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt, oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen der Flucht verdächtigen Verpflichteten festnimmt, oder seinen Widerstand beseitigt, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr der Anspruchsvereitelung oder der – erschwerung besteht. Im Vergleich zu Notstandstatbeständen, aber parallel zur Notwehr, erfordert die Selbsthilfe keine Angemessenheitsprüfung, sondern bloß die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Selbsthilfemaßnahmen (§ 230 Abs. 1). Selbstverständlich bleibt der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 erhalten611. In bestimmten Fällen ist darüber hinaus ein dinglicher Arrest (§ 230 Abs. 2) oder ein Sicherheitsarrest (§ 230 Abs. 3) erforderlich. Im Falle einer irrtümlichen Selbsthilfe entsteht ein Schadensersatzanspruch (§ 231). Der Zweck der Selbsthilfevorschriften besteht in der Durchsetzung von Rechten mit Mitteln der Gewalt612. Dabei gilt grundsätzlich das Verbot der privaten Rechtsdurchsetzung613, oder um es präzisier auszudrücken, der Vor611
Schauer/Wittig, JuS 2004, 107, 110. Grothe, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 229, Rn. 1; Dennhardt, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 229, Rn. 1; Rövekamp, in: BeckOGK, BGB, 01. 08. 2018, § 229, Rn. 2; Duchstein, JuS 2015, 105. 613 Grothe, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 229, Rn. 1; Dennhardt, in: BeckOK, 612
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rang des staatlichen Rechtsschutzes614. Dieser zählt zu den konstituierenden Grundprinzipien aller zivilisierten, damit insbesondere rechtsstaatlichen615 Rechtsordnungen der gegenwärtigen Zeit616. Das staatliche Gewaltmonopol verbietet grundsätzlich die Rechtsdurchsetzung mittels Selbstjustiz. Ausnahmsweise, und dies unter sehr engen Voraussetzungen der §§ 229 ff., ist eine private Rechtsdurchsetzung möglich. Wo das staatliche Rechtsschutzverfahren seiner Aufgabe nicht gerecht wird oder nicht gerecht werden kann und damit das materielle Recht verkürzt617 oder „desavouiert“618, hilft das Selbsthilferecht, diese Aufgabe zu erfüllen. Die Rolle der §§ 229 ff. besteht demnach in der „Ergänzung“619 und damit in der lückenlosen Effektivität des Rechtsschutzes620. Bei den §§ 229 ff. geht es folglich nicht um den praktischen Ausgleich zweier kollidierender Rechte bzw. Rechtsgüter, sondern es geht, wie Heyer herausarbeitete, um die Rechtsdurchsetzung und nicht um die Rechtsausübung621. Die §§ 229 ff. dienen der Bewährung der Rechtsordnung, also den Interessen der Allgemeinheit. Nicht überraschen kann daher, dass Schünemann die dogmatische Grundlage der Selbsthilfe nicht im materiellen Recht, insb. nicht in subjektiven Rechten und Rechtsgütern oder in materiellrechtlichen Ansprüchen, sondern in der Erhebung eines „prozessualen“ Anspruches erblickte. Die Untrennbarkeit der §§ 229 ff. vom Zwangsvollstreckungsrecht hob bereits vorher Heyer hervor622. Durch die Ersetzung des staatlichen Gewaltmonopols wird der gemeinsame Zweck der §§ 229 ff. und des Zwangsvollstreckungsrechts (§§ 704 ff. ZPO) nicht geändert oder aufgehoben, sondern gerade vervollständigt. Eine solche dogmatische Verankerung erlaubt daher nicht die §§ 229 ff. im Rahmen des § 903 S. 1 in den „Rechten Dritter“, sondern in dem „Gesetz“ zu sehen.
BGB, 01. 05. 2018, § 229, Rn. 1; Rövekamp, in: BeckOGK, BGB, 01. 08. 2018, § 229, Rn. 2; Duchstein, JuS 2015, 105; Duttge, Jura 1993, 416, 418. 614 Arzt, FS Schaffstein, 1975, 77, 80; Schünemann, Selbsthilfe im Rechtssystem, 1985, S. 10. 615 Schünemann, Selbsthilfe im Rechtssystem, 1985, S. 10. 616 Grothe, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 229, Rn. 1; Dennhardt, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 229, Rn. 1; Rövekamp, in: BeckOGK, BGB, 01. 08. 2018, § 229, Rn. 2; Duttge, Jura 1993, 416, 418. 617 Arzt, FS Schaffstein, 1975, 77, 80. 618 Schünemann, Selbsthilfe im Rechtssystem, 1985, S. 18. 619 Heyer, ArchBürgR 19, 1901, 38, 62. 620 Schünemann, Selbsthilfe im Rechtssystem, 1985, S. 10. 621 Heyer, ArchBürgR 19, 1901, 38, 57 f. 622 Heyer, ArchBürgR 19, 1901, 38, 62: „Es ist nunmehr auf das Selbsthülfeverfahren einzugehen. Dieses Verfahren bildet i. d. R. eine Vollstreckung durch den Gläubiger selbst, statt duch die staatlichen Vollstreckungsorgane. Von diesem Gesichtspunkt aus könnte das Selbsthülfeverfahren statt seiner jetzigen Stellung im B. G. B. auch eine Ergänzung des achten Buches der Z. P. O. bilden“.
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eee) Festnahmerecht (§ 127 Abs. 1 S. 1 StPO) Einen anerkannten, aus dem Strafverfahrensrecht stammenden Rechtfertigungsgrund bildet die private vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 1 S. 1 StPO. Danach ist jedermann befugt, einen auf frischer Tat Betroffenen oder Verfolgten ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Der Zweck des § 127 Abs. 1 S. 1 StPO, ebenso wie des ganzen 9. Abschnitts des ersten Buches der StPO, der mit dem Titel „Verhaftung und vorläufige Festnahme“ versehen ist, ist in der „Durchführung eines geordneten Strafverfahrens“, in der Ermöglichung und Sicherstellung der Strafvollstreckung623, damit auch der Vereitelung der Flucht- und Verdunkelungsgefahr624, begründet625. Diese Aufgabe ist in ihrem Grundsatz dem Staat auferlegt. Der Staat verfügt insoweit, wie bereits bzgl. der Rechtsdurchsetzung (vgl. die Ausführungen zu §§ 229 ff. oben), über ein Gewaltmonopol626. Ausnahmsweise, und unter Aufstellung enger Voraussetzungen, wird jenes Monopol in Gestalt des privaten Festnahmerechts durchbrochen, wodurch jedermann die Befugnis eingeräumt ist, öffentliche Aufgaben wahrzunehmen627. Der gesetzgeberische Zweck beantwortet die maßgebliche Frage, ob § 127 Abs. 1 S. 1 StPO dem Befugten ein originäres subjektives Recht zur Unterstützung der Strafverfolgung verleiht, oder ob „die Regelung eine Eingriffsermächtigung beinhaltet, die es dem Privaten erlaubt, sich zum Zwecke der Festnahme in den Status eines Hilfsorgans des Staates, eines Stellvertreters der Strafverfolgungsgewalt, zu versetzen“628. Die Klärung dieser Frage wird insbesondere helfen das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 S. 1 StPO in die Dogmatik des § 903 S. 1 zu implementieren. Diese Frage ist auch insoweit bedeutend, als sich die daran anschließende Frage stellen wird, ob der Festnehmende bei seiner Festnahmehandlung auch das Verfassungsrecht, insb. die Grundrechte des Festzunehmenden zu berücksichtigen hat629. Dieser Aufgabe haben sich Albrecht und Bülte angenommen und dargelegt, weshalb die Frage zu Gunsten der zweiten Alternative zu entscheiden ist. Insbesondere Bülte bediente sich der his623 624
BVerfGE 32, 87, 93. Paeffgen, in: Sk-StPO II, 4. Aufl., 2010, Vor §§ 112 ff., Rn. 2. 625 Krauß, in: BeckOK, StPO, 01. 06. 2018, § 127, Rn. 10; Graf, in: KK, StPO, 7. Aufl., 2013, Vor § 112, Rn. 11; Schultheis, in: KK, StPO, 7. Aufl., 2013, § 127, Rn. 6; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 2011, Vor § 112, Rn. 1; ders., in: Löwe-Rosenberg, StPO, 2011, § 127, Rn. 1; Böhm/Werner, in: MünchKommStPO, 1. Aufl., 2014, § 127, Rn. 2; Paeffgen, in: SkStPO II, 4. Aufl., 2010, § 127, Rn. 2; Satzger, Jura 2009, 107, 108; Sickor, JuS 2012, 1074; ausführlich zu gesetzgeberischen Zwecken, Albrecht, Das Festnahmerecht Jedermanns nach § 127 Abs. 1 StPO, 1970, S. 65 ff. 626 Wagner, ZJS 2011, 465. 627 Wagner, ZJS 2011, 465. 628 Bülte, ZStW 121, 2009, 377, 379. 629 Dazu Albrecht, Das Festnahmerecht Jedermanns nach § 127 Abs. 1 StPO, 1970, S. 76 ff.
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torischen Auslegung und schlussfolgerte zutreffend, dass das private Festnahmerecht bei seinen Anfängen im altgermanischen Recht als der „handhaften Tat“ durchaus als ein originäres subjektives Recht zu qualifizieren war630. Dieses ermöglichte dem Privaten eine Blutgerichtsbarkeit, die ansonsten lediglich der „Mannheiligkeit“ vorbehalten war631. In seiner weiteren Entwicklung, mit der einhergehenden Zentralisierung der Strafjustiz und der damit verbundenen Übertragung der Strafverfolgungsaufgaben an die Obrigkeit, wandelte sich sein Charakter632, bis es seinen Weg aus dem materiellen Strafrecht (§§ 210, 211 des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten) in das prozessuale Strafrecht, zunächst in der Reichsstrafprozessordnung und letztendlich in § 127 Abs. 1 S. 1 StPO, fand633. Mit der fortschreitenden Verstaatlichung wandelte es sich immer mehr zu einem stellvertretend ausgeübten hoheitlichen Recht. Der Private entwickelte sich von einem Rechtsinhaber zu einem bloßen „Beliehenen“634,635, zu eine „Art Hilfsorgan des Staates“636. Dieses Ergebnis zieht folgende Konsequenzen nach sich. Durch die Beleihung mit der staatlichen Aufgabe wird der Private unmittelbar an die verfassungsrechtlichen Schranken gebunden. Diese finden bei Ausübung subjektiver Privatrechte bekanntlich nur mittelbar, in den sog. „Einbruchsstellen“ ihren Einschlag. Außerdem bildet die Qualifizierung des privaten Festnahmerechts als ein stellvertretend ausgeübtes hoheitliches Recht das maßgebliche Kriterium bei der Frage, ob eine „Tat“ i. S. v. § 127 Abs. 1 S. 1 StPO voraussetzt, dass der Täter aus der ex-post-Betrachtung einen Straftatbestand rechtswidrig erfüllt haben muss (= materiell-rechtliche Theorie; Tatlösung), oder ob sie aus der ex-ante-Betrachtung einen für die Verurteilung reifen Tatverdacht (= enge Verdachtslösung), oder lediglich einen dringenden Tatverdacht (= weite Verdachtslösung) erforderlich macht637. Gegen die Verdachtslösungen wird insbesondere angeführt, dass es bei der Festnahme nicht um eine staatliche, sondern um eine private Maßnahme handele, sodass es unzumutbar wäre die Freiheitsbeschränkung des Festgenommenen zuzulassen, gegen die es folglich auch keine Notwehrmöglichkeit bestünde, wenn sich im Nachhinein feststellt, es lag keine rechtswidrige Tat vor638. Bei der Festnahme nach § 127 Abs. 1 S. 1 StPO handelt es sich indes gerade nicht um eine private, sondern um eine staatliche Maß630 Bülte, ZStW 121, 2009, 377, 380; zu historischen Hintergründen auch Albrecht, Das Festnahmerecht Jedermanns nach § 127 Abs. 1 StPO, 1970, S. 19 ff.; auch Schubert, Die vorläufige Festnahme (§ 127 StPO), 1968, S. 62 ff. 631 Bülte, ZStW 121, 2009, 377, 380. 632 Bülte, ZStW 121, 2009, 377, 381. 633 Bülte, ZStW 121, 2009, 377, 382. 634 Bülte, ZStW 121, 2009, 377, 385. 635 Womit nicht der terminus technicus im Sinne des öffentlichen Rechts gemeint ist. 636 Albrecht, Das Festnahmerecht Jedermanns nach § 127 Abs. 1 StPO, 1970, S. 80. 637 Zum Streitstand Kargl, NStZ 2000, 8 ff. m. w. N. 638 OLG Hamm NJW 1972, 1826, 1827.
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nahme. Es wäre aus kriminalpolitischen Gesichtspunkten verfehlt, den Festnehmenden einerseits zur Festnahme zu berechtigten und ihn damit in den Dienst öffentlicher Belange zu stellen, ihm andererseits aber das Risiko eines schuldlosen Irrtums aufzuerlegen. Dies hätte eine starke Einschränkung des Anwendungsbereiches des privaten Festnahmerechts oder seine praktische Auflösung zur Folge, obwohl dieses einen kaum zu überschätzenden öffentlichen Zweck der Effektivierung der Strafverfolgung639, die einen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips darstellt640, verfolgt. Damit einher ginge auch die Eindämmung der Zivilcourage, die durch § 127 Abs. 1 S. 1 StPO gerade intendiert ist641. Insofern vermögen die Verdachtslösungen dem telos des § 127 Abs. 1 S. 1 StPO besser Geltung zu verschaffen. Dass dabei der Festgenommene seines Notwehrrechts verlustig gehen kann, obwohl aus der kaum einleuchtenden ex-post-Betrachtung eine Notwehrlage nicht bestand, kann in Übereinstimmung mit der Tatlösung kaum mit privaten Maßnahmen, damit mit der Inanspruchnahme der subjektiven Rechte gerechtfertigt werden. Sie kann jedoch mit einer Maßnahme, wie der auf § 127 Abs. 1 S. 1 StPO basierenden, gerechtfertigt werden, die ein öffentliches Interesse zu erreichen vermag. Aus der Gegenüberstellung des Notwehrrechts (§ 227, § 34 StGB) und des privaten Festnahmerechts (§ 127 Abs. 1 S. 1 StPO) wird auch der primäre Zweck des Ersteren deutlich. Dieser besteht im Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter und lediglich sekundär im öffentlichen Belang der Rechtsordnungsbewährung. Albrecht war in diesem Zusammenhang noch deutlicher, indem er den Zweck der Rechtsordnungsbewährung als bloße „Nebenwirkungen des Notwehrrechts“ bezeichnete642. Daraus rechtfertigt sich auch die Einordnung des Notwehrrechts in die „Rechte Dritter“ i. S. v. § 903 S. 1. Im Unterschied dazu ist das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 S. 1 StPO in das Merkmal „Gesetz“ i. S. v. § 903 S. 1 zu implementieren. Geradezu parallel zu diesen Ausführungen geht die Ansicht von Albrecht auf der Ebene des Verfassungsrechts die vorläufige Festnahme als das „Gesetz“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG einzustufen643.
(d) Systematisierung der Rechtsfertigungsgründe anhand der Struktur des § 903 S. 1 Auch sonstige Rechtfertigungsgründe können in die Struktur des § 903 S. 1 implementiert werden. Denkt man etwa an die Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB, bei der es um den Ausgleich zwischen der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 639
Paeffgen, in: Sk-StPO II, 4. Aufl., 2010, Vor §§ 112 ff., Rn. 2. Wagner, ZJS 2011, 465 m. w. N. 641 Satzger, Jura 2009, 107, 108; Bülte, ZStW 121, 2009, 377, 399 f. 642 Albrecht, Das Festnahmerecht Jedermanns nach § 127 Abs. 1 StPO, 1970, S. 80. 643 Albrecht, Das Festnahmerecht Jedermanns nach § 127 Abs. 1 StPO, 1970, S. 77 f. 640
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Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, also um eine Güter- und Interessenabwägung geht, so lässt sich dieser Rechtfertigungsgrund in das Merkmal der „Rechte Dritter“ unterordnen. Insgesamt zeichnet sich also folgendes Bild ab: Nutzungs- und Abwehrfunktion
„Rechte Dritter“ i. S. v. § 903 S. 1
– Rechtfertigende Einwilligung
– Selbsthilfe nach §§ 229 ff. – Notwehr nach § 227 – Defensiver Notstand nach § 228 – Festnahmerecht nach § 127 StPO – Aggressiver Notstand nach § 904 – Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB
das „Gesetz“ i. S. v. § 903 S. 1
Tabelle 1: Dogmatische Struktur des § 903 S. 1 bzgl. der Rechtfertigungsgründe
(9) Echte berechtigte und unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtfertigungsgründe Die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag kann unter der Zugrundelegung der h. M. nicht als eine Ausübung der Nutzungs- oder Abwehrfunktion verstanden werden, da diese bei der Obligationsbegründung nach § 677 HS. 1 ausdrücklich auf den Willen des Geschäftsherrn verzichtet. Auch die Subordinationstheorie von Bergmann, die erfordert, dass der Geschäftsführer den präsumtiven Willen des Geschäftsherrn als eine Richtschnur seines Handelns angelegt hat, erreicht dieses Ziel nicht, da sie den Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers nach dem sozialen Sinn seiner Tätigkeit bestimmt und sich damit von der echten Subordination entfernt. Die Anknüpfung auf den Übernahmewillen des Geschäftsherrn nach § 683 S. 1 ist aus historischen, systematischen und teleologischen Gründen unzulässig, da der Übernahmewille kein Merkmal des § 677 HS. 1 darstellt. Die Folge wäre, dass die §§ 678–682, die einen Übernahmewillen nicht voraussetzen, keine rechtfertigende Wirkung nach sich zögen, was wiederum zum Auseinanderreißen eines einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnisses führte. Außerdem hätte die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag keine rechtfertigende Wirkung, was aus systematischen Gründen, insb. angesichts ihrer Einbettung in das Verhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag, nicht überzeugend erscheint. Als ein „Recht Dritter“ kann die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem heutigen überwiegenden Verständnis ebenfalls nicht qualifiziert werden, da diese dem Geschäftsführer kein Recht auf die Wahrnehmung fremder Angelegenheiten gewährt. Ansonsten dürfte jeder Geschäftsführer, der lediglich einen Fremdgeschäftsführungswillen aufweist, die absoluten Rechte und Rechtsgüter des Geschäftsherrn einzuschränken, ohne dass der Wille des
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Inhabers dieser Rechtspositionen und das Prinzip des überwiegenden Interesses berücksichtigt wären. Daraus folgt, dass die h. M. gegen den Rechtswidrigkeitsbegriff, gegen das System der Rechtfertigungsgründe und damit schließlich gegen die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Geschäftsherrn in einer eklatanten Weise verstößt. Nur das zweigliedrige subjektive System kann durch die grundsätzliche Berücksichtigung des abstrakten Geschäftsherrnwillens auf der Ebene des § 677 HS. 1 die erforderliche Legitimation zur Einschränkung der subjektiven Rechte und Rechtsgüter anbieten.
dd) Ergebnis Als Ergebnis der Analyse der Legitimierungsfunktion ist demnach festzuhalten, dass die heutige h. M. mit den von ihr aufgestellten Voraussetzungen bzgl. der obligationsbegründenden Norm nach § 677 HS. 1 gegen den Begriff des Rechts zum Besitz (§ 986), gegen das Rechtsgrundsystem bei den Leistungs- sowie der Nichtleistungskondiktionen, gegen den Begriff der Rechtswidrigkeit sowie gegen das System der Rechtfertigungsgründe verstößt. Dies gilt sowohl für die echte berechtigte als auch für die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, da beide durch eine gemeinsame obligationsbegründende Norm ausgelöst werden, die ihrerseits kein Willenselement des Geschäftsherrn nach der h. M. enthält. Auch eine Ausnahme wegen des entgegenstehenden öffentlichen Interesses ist nicht vorgesehen. Dagegen wird diesen Begriffen und Systemen die zweigliedrige subjektive Theorie gerecht. Auf der eine Seite ist nach ihr grundsätzlich der abstrakte Geschäftsherrnwille zu verlangen. Andererseits wird der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn bei einem öffentlichen Interesse nach § 679 unbeachtlich. Diese Theorie spiegelt die Struktur des § 903 S. 1 wieder und reiht sich in das von subjektiven Rechten sowie Rechtsgütern ausgehende schuldrechtliche System ein. Zugleich vermag dieses System die bei der Geschäftsführung ohne Auftrag auftretende Kollision zwischen den Interessen des Geschäftsherrn auf der einen Seite und den Interessen anderer Individuen sowie der Allgemeinheit auf der anderen Seite zu einem Ausgleich zu bringen. Zugleich gilt es noch einen Aspekt in Erinnerung zu rufen, der zugleich zeigt, dass sich der Kreis nun schließt. Es wurde herausgearbeitet, dass Gegenstände der Geschäftsbesorgung die Wahrnehmung von subjektiven Rechten und die Besorgung von subjektiven Pflichten des Geschäftsherrn sind. Mit seiner Geschäftsführung greift der Geschäftsführer in sie ein. Ob ein solcher Eingriff zulässig ist, entscheidet grundsätzlich der Inhaber der Rechtsposition. Bei der Obligationsbegründung seinen Willen unberücksichtigt zu lassen, würde im Ergebnis diese Rechtspositionen verletzen und widerspräche dem von subjektiven Rechten ausgehenden System des Schuldrechts.
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d) Gewinnhaftung Schließlich ist noch kurz auf die Funktion der Gewinnhaftung einzugehen. Sie betrifft freilich nicht den Geschäftsführer einer echten, sondern einer unechten Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687). Diesem Geschäftsführer fehlt es am Willen, für einen anderen zu handeln. Er handelt demnach mit Eigengeschäftsführungswillen. Nach § 687 Abs. 2 i. V. m. § 681 S. 1 i. V. m. § 667 wird dem Geschäftsherrn ein Gewinnabschöpfungsanspruch gewährt, so er die in § 687 Abs. 2 S. 1 geregelten Ansprüche geltend macht644. Dieser Anspruch wird von der hier vorgestellten zweigliedrigen subjektiven Theorie weder eliminiert noch verändert. Es bleibt daher bei der Gewinnhaftungsfunktion.
4. Systematische Auslegung Die Forderung nach dem abstrakten Geschäftsherrnwillen auf der Ebene des § 677 HS. 1 ist auch systematisch überzeugend. Die §§ 677 ff. sind zwischen Auftrag, Geschäftsbesorgungvertrag und Zahlungsdiensten (Titel 12) auf der einen Seite und der Verwahrung (Titel 14) auf der anderen Seite eingebettet645. Sowohl im Titel 12 als auch im Titel 14 sind vertragliche Schuldverhältnisse geregelt, die nur dann ausgelöst werden, wenn beide Parteien einen dahingehenden Willen haben. Diese Vertragsähnlichkeit wird durch zwei Willenstatbestände auf der Ebene des § 677 HS. 1 abgebildet. Freilich ist daran zu erinnern, dass der abstrakte Geschäftsherrnwille und der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers zwar Schnittmengen haben, sich jedoch nicht vollständig decken646. Eine solche Deckungsgleichheit ist vielmehr zwischen dem Übernahmewillen des Geschäftsherrn nach § 683 S. 1 und dem Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers festzustellen. Diese, durch die Quasikontrakttheorie geforderte Willensüberstimmung ist freilich gerade nicht gerechtfertigt647. Die Vertragsähnlichkeit der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ist stärker durch das auftragsrechtliche Haftungsgefüge gekennzeichnet. Die sowohl beim Auftrag als auch bei der Geschäftsführung ohne Auftrag inkorporierte und zentrale Interessenwahrungspflicht des Beauftragten/Geschäftsführers zwingt dazu das Schuldverhältnis nicht ohne den Willen des Auftraggebers/Geschäftsherrn entstehen zu lassen. Die subordinationsrechtliche Struktur beider Verhältnisse macht die Berücksichtigung des wirklichen Willens des Auftraggebers/Geschäftsherrn notwendig, so man von einer echten Subordination sprechen möchte. Auch die Erwähnung des Auftrags im § 677 deutet darauf hin, die 644
150 ff.
645 646
Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 3 f.,
Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1448. Kapitel 5, E., I., 2., S. 124 ff. 647 Dazu Kapitel 4, B., S. 50 ff.
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§§ 677 ff. jedenfalls dann eingreifen zu lassen, wenn die Geschäftsführung normalerweise Leistungsgegenstand des Auftrags geworden wäre648.
5. Ergebnis der Auslegung Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die zweigliedrige subjektive Theorie mit ihrer Forderung nach einem abstrakten Geschäftsherrnwillen auf der Ebene der obligationsbegründenden Norm des § 677 HS. 1 den Kontrollen juristischer Auslegungsmethoden standhält. Darauf deuten die Historie und der Wortlaut des § 677 HS. 1 hin. Dies ist systematisch und insbesondere teleologisch nach den einzelnen Funktionen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag begründet. Insbesondere beachtet diese Theorie die Legitimierungsfunktion und verhilft der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zu ihrer optimalen Einbettung in das Obligationensystem.
II. Entbehrlichkeit des Merkmals „fremdes Geschäft“ im Grundtatbestand des § 677 HS. 1 Bereits bei der Auseinandersetzung mit den objektiven Theorien wurde zum Ausdruck gebracht649, dass das von diesen und der tradierten Lehre geforderte Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts ein solches nicht darstellt. Zuzugeben ist, dass die überwiegende Lehre neben der Voraussetzung des fremden Geschäfts noch die des Fremdgeschäftsführungswillens verlangt (= objektivsubjektive Theorie)650. Freilich läuft auch diese, aufgrund der bei objektiv fremden Geschäften anzunehmenden, widerleglichen Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens, im Grunde auf eine objektive Theorie hinaus. Dagegen gehen die eingliedrigen subjektiven Theorien davon aus, dass das allein maßgebende obligationsbegründende Merkmal der Geschäftsführungswille für einen anderen sei651. Eine teilweise vertretene Auffassung nimmt eine vermittelnde Stellung ein, indem sie die Fremdheit des Geschäfts zwar nicht zu einem Tatbestandsmerkmal erhebt, jedoch dieses als einen Anknüpfungspunkt für die tatsächliche Vermutung des allein maßgebenden Geschäftsführungswillens für einen anderen betrachtet652. Nun gilt es sich der These von der Entbehrlichkeit des fremden Geschäfts, die in letzter Zeit eine zu begrüßende Renaissance erlebt und der h. M. ein ernstzunehmendes Gegengewicht bildet, zu widmen. Die Auseinandersetzung wird nach dem gewöhnlichen Gang der Auslegungsmethoden vollzogen. 648
Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1148. Siehe Kapitel 4, C., S. 64 ff. 650 Siehe Kapitel 2, S. 7. 651 Siehe Kapitel 5, D., S. 73 ff. 652 Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 75. 649
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1. Historische Auslegung Bereits die Motive der 1. Kommission zeichnen ein die hier vertretene Konzeption unterstützendes Bild ab. Zwar wird in Bezug auf § 749 E-1, Vorgänger des § 677 HS. 1, oft von der Besorgung eines fremden Geschäfts gesprochen653, dennoch stellen die Verfasser klar: „Durch die Fassung der Voraussetzung ‚für einen Anderen‘, nicht ‚eines Anderen‘, ist zunächst die in der Doktrin vertretene, auch in der Gesetzgebung … zum Ausdruck gelangte Unterscheidung zwischen objektiv fremdem Geschäfte, wenn das besorgte Geschäft an sich als ein Geschäft des Geschäftsherrn erscheint, und subjektiv fremdem Geschäfte, wenn es an sich als ein solches sich nicht darstellt, wohl aber von dem Geschäftsführer für den Geschäftsherrn bestimmt gewesen ist, abgelehnt“654,
und fügen sodann noch hinzu: „Die Feststellung des Begriffes des objektiv fremden Geschäftes würde ohnehin auf große und kaum zu besiegende Schwierigkeiten stoßen“655.
Damit bediente sich die 1. Kommission bei ihrer Konzeption zwar immer des Begriffes des „fremden Geschäfts“, weitete diesen durch die Implementierung der subjektiv fremden und neutralen Geschäfte jedoch soweit aus, dass absolut jedes Geschäft an sich geeignet wäre, Gegenstand der Geschäftsführung ohne Auftrag zu sein, so ein dahingehender Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers vorhanden ist656. Es drängt sich die Frage auf, ob eine objektive Voraussetzung, die isoliert betrachtet 100 % aller Geschäfte umfasst, dem Zweck eines Tatbestandsmerkmals noch entspricht. Dieses muss notwendigerweise eine tatbestandliche Eingrenzung mit sich bringen.
653 Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S. 478: „Es genügt als insbesondere auch für die actio directa nicht die bloße Thatsache, daß – objektiv – ein fremdes Geschäft besorgt wurde“; Motive II, 1888, S. 870 = Mugdan II, 1899, S. 486: „Schuldlosigkeit des Geschäftsführers vorausgesetzt, ist das vielfach auch in der Gesetzgebung vertretene Prinzip, dass für die act. neg. gest. directa es genüge, wenn nur ein objekiv fremdes Geschäft vorgelegen habe, unhaltbar“. 654 Motive II, 1888, S. 855 = Mugdan II, 1899, S. 478. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 655 Motive II, 1888, S. 856 = Mugdan II, 1899, S. 478. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 656 Sippel, Geschäftsführung ohne Auftrag und die Abwicklung fehlgeschlagener Vertragsbeziehungen mit Geschäftsbesorgungscharakter, 2011, S. 49, bei Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens könne jede Tätigkeit ein fremdes Geschäft sein; Heinz kommt daher zu dem Schluss, dass es im Ergebnis auf die Fremdheit des Geschäfts nicht ankommt, Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 72; ebenso schon vorher Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 14. Aufl., 1986 1. Band, § 57, I, S. 438, Fn. 5; Giesen, Jura 1996, 225, 227: „Da hiernach letztlich jede Tätigkeit ein fremdes Geschäft darstellen kann, erübrigt sich nach vorherrschender Ansicht auch eine einhergehende Defintion dieses Tatbestandsmerkmal der GoA“.
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Auch die 2. Kommission wich von dieser Konzeption nicht ab. Die Frage, ob eine Unterscheidung zwischen dem Geschäft „für einen Anderen“ und dem Geschäft „eines Anderen“ zu machen ist, überließ sie der Redaktionskommission657. Diese maß dieser Unterscheidung kein Gewicht bei, weil es insofern bei der Formulierung „für einen anderen“ geblieben ist658, sodass es bei der Vorstellung der 1. Kommission verblieben ist. Bemerkenswert sind dennoch die Ausführungen der 2. Kommission zu § 761 E-2, dem Vorgänger des § 687, der im Gegensatz zu § 677 in seinem Wortlaut ausdrücklich das Merkmal „fremdes Geschäft“ enthält: „Man erwog: Daß Jemand, der ein fremdes Geschäft in der Meinung, es sei sein eigenes, besorge, nicht als Geschäftsführer im Sinne des § 749 [Vorgänger des § 677] behandelt werden dürfe …, daß vielmehr der Geschäftsführer und der Geschäftsherr unter einander nur zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet seien, unbeschadet der Haftung des Geschäftsführers aus unerlaubter Handlung, werde sich vielleicht auch ohne gesetzliche Bestimmung aus den allgemeinen Grundsätzen herleiten lassen. Indessen seien doch Zweifel in dieser Richtung möglich, namentlich wenn man einer aus der Kom. laut gewordenen Anregung Folge geben und den Eingang des grundlegenden § 749 fassen würde: ‚Wer das Geschäft eines Anderen … besorgt‘ (statt: ‚Wer für einen Anderen … ein Geschäft besorgt‘). Es empfehle sich daher im Interesse der Deutlichkeit … die Bestimmung des Abs. 1 Nr. 1[659] beizubehalten“660.
An diesem Zitat wird deutlich, dass die echte und die unechte (irrtümliche oder angemaßte) Geschäftsführung ohne Auftrag für die 2. Kommission zwei Antipoden waren661, die als solche unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen müssen. Diametral entgegengesetztes Merkmal ist das des Geschäftsführungswillens für einen anderen. Während dieser bei § 677 notwendig ist, greift die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag nur ein, wenn er fehlt, also ein Eigengeschäftsführungswille vorliegt. Ein ähnliches, freilich entschärftes Bild zeigt sich auch bei der Voraussetzung des „fremden Geschäfts“. Während § 687 ein objektiv fremdes Geschäft voraussetzt662, umfasst § 677 alle Arten von Geschäften. § 677 und § 687 bilden demnach nur bzgl. des objektiv fremden Geschäfts eine Schnittmenge. Bzgl. der subjektiv fremden und neutralen Geschäf657
Mugdan II, 1899, S. 1202. des BGB nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, 1892 I. Buch, Allgemeiner Teil, II. Buch, § 608, S. 99. 659 Die Regelung lautete: „… Wenn Jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt hat, daß dasselbe sein eigenes sei.“ 660 Mugdan II, 1899, 1202. 661 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 47 bezeichnet den § 687 als einen „Gegenpol“ zu § 677. 662 Dies stellte bereits die 1. Kommission klar, indem sie bzgl. § 761 E-1 ausführte: „Wird von Jemanden ein (objektives) fremdes Geschäft in der Meinung, daß es ein eigenes sei, als solches, nicht für den, welchen es angeht, besorgt, so sind die Vorschriften über die negotiorum gestio unanwendbar“, Motive II, 1888, S. 869 = Mugdan II, 1899, S. 486. 658 Entwurf
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te befinden sie sich in einem Gegensatz663. Wenn dies aber so ist, so kann das „fremde Geschäft“ kein gemeinsames Merkmal dieser beiden orthogonal stehenden Geschäftsführungen ohne Auftrag sein. Mit der Forderung eines fremden Geschäfts beachtet die h. M. die Gegensätzlichkeit zwischen § 677 und § 687 nicht, die durch die Gesetzgebungsunterlagen deutlich zu Tage getreten ist. Diesem Zwischenergebnis kann auch nicht entgegengehalten werden, dass subjektiv fremde Geschäfte regelmäßig nicht besorgt werden, es sich demnach um ein „totes Recht“664 handele, welches bei dieser Beurteilung keine Berücksichtigung finden solle. Wollschläger, der diesen Einwand mit der empirischen Untersuchung der umfangreichen Kasuistik zu stützen versuchte, beachtete nicht, dass die Besorgung von subjektiv fremden Geschäften im täglichen Leben sehr gut vorkommen kann, auch wenn sie selten Gegenstand von Gerichtsentscheidungen gewesen ist665.
2. Grammatikalische Auslegung Der aus den Gesetzgebungsunterlagen zu entnehmende Wille des Gesetzgebers, seine dezidierte Unterscheidung zwischen den Formulierungen „für einen Anderen“ und dem Geschäft „eines Anderen“ ist auch im Wortlaut der beiden Vorschriften deutlich zu erkennen. Das Merkmal des „fremden Geschäfts“ ist im § 677 nicht enthalten666. Stattdessen muss es sich (bloß) um ein Geschäft „für“ den Geschäftsherrn handeln. Dagegen enthalten in ihrem Wortlaut sowohl die irrtümliche (§ 687 Abs. 1) als auch die angemaßte (§ 687 Abs. 2) Geschäftsführung ohne Auftrag ausdrücklich die Voraussetzung des fremden Geschäfts. Die grammatikalische Auslegung deutet demnach auf die Entbehrlichkeit des fremden Geschäfts im Rahmen von § 677 hin.
3. Systematische Auslegung a) §§ 687, 684 Die bereits angesprochene Gegensätzlichkeit zwischen § 677 und § 687 wird systematisch nur noch verschärft. § 687 steht am Ende des 13. Titels und trägt die Bezeichnung „Unechte Geschäftsführung“667. Nicht verwundern kann 663 In diese Richtung gehend auch Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 48 und Heinz, Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2013, S. 73, wenn sie ausführen, dass der von manchen Stimmen in der Literatur angenommene Gleichlauf zwischen § 677 und § 687 durch die Anerkennung der Kategorie des subjektiv fremden Geschäfts als Anwendungsfall des § 677 sofort wieder aufgegeben werde. 664 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 73. 665 Gursky, AcP 185, 1985, 13, 18. 666 Dies erkennen auch manche Vertreter der tradierten Lehre an, Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 842. 667 Sie wird teilweise auch als eine uneigentliche Geschäftsführung ohne Auftrag bezeichnet, Peifer, Schuldrecht, 5. Aufl., 2017, § 14, Rn. 1.
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daher, dass seit Langem eine Diskussion darüber geführt wird, ob die unechte Geschäftsführung überhaupt zum gesetzlichen Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag gehört668, oder vielmehr ein eigenes gesetzliches Schuldverhältnis bildet669. Bedenkt man die Rechtsfolge der irrtümlichen Geschäftsführung ohne Auftrag, die die Anwendung der §§ 677–686 ausschließt, wird die Annahme, bei § 687 handele es sich um einen „Fremdkörper“670, zusätzlich verstärkt. Zwar ordnet die angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 2 S. 1) eine teilweise Anwendung der §§ 677 ff. an (§§ 677, 678, 681, 682). Diese Anwendung will jedoch nicht ein einheitliches Prinzip zwischen echter und unechter Geschäftsführung zum Ausdruck bringen, sondern ist vielmehr durch den Gedanken geprägt, den Geschäftsherrn einer echten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht schlechter im Vergleich zum Geschäftsherrn einer angemaßten Geschäftsführung zu stellen671.
b) § 686 Anhaltspunkte für die objektive Voraussetzung des fremden Geschäfts könnte dagegen § 686 anbieten, der Bestandteil der Regelungen zur echten Geschäftsführung ohne Auftrag ist. § 686 ordnet an, dass der „wirkliche Geschäftsherr“ berechtigt und verpflichtet wird, wenn der Geschäftsführer über die Person des Geschäftsherrn im Irrtum ist. Mit dem wirklichen Geschäftsherrn ist derjenige gemeint, dessen Rechts- und Interessenkreis das Geschäft objektiv zuzuordnen ist672, der also für das Geschäft rechtlich zuständig ist673. § 686 enthält demnach das Merkmal eines objektiv fremden Geschäfts. Freilich eliminiert § 686 einerseits nicht den für § 677 erforderlichen und für § 687 gerade abträglichen Geschäftsführungswillen für einen anderen. Vielmehr drückt diese Vorschrift aus, dass der Fremdgeschäftsführungswille, so dieser auf eine bestimmte Person des Geschäftsherrn konkretisiert ist, die Anwendung der §§ 677 ff. für den Fall nicht ausschließt, wenn der vom Geschäftsführer vorgestellte Geschäftsherr nicht mit dem wirklichen Geschäftsherrn übereinstimmt. Vielmehr ist für die Obligationsbegründung bloß ausreichend, wenn der Geschäftsführer das Geschäft für einen anderen besorgt, ohne dass die Per-
668 Hartmann, in: BeckOGK, BGB, 15. 07. 2018, § 687, Rn. 5, 15 m. w. N.; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 687, Rn. 1 ff. 669 In diese Richtung, Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 687, Rn. 4. 670 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 47; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 687, Rn. 4: „Die eigenständige Ausnahmestellung, die § 687 Abs. 2 im bürgerlichrechtlichen Anspruchssystem einnimmt“ 671 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 47. 672 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 50; Schwab, in: NK‑ BGB, 3. Aufl., 2016, § 686, Rn. 2. 673 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 686, Rn. 1.
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son des anderen konkret feststehen muss674. § 686 rekurriert demnach lediglich auf die Person675. Anderenfalls würde die von der h. M. zu Recht angenommene Vermutungswirkung des objektiv fremden Geschäfts (dazu später) nicht ausreichen, da diese nur die Vermutung des Willens für jemand anderen, nicht jedoch für jemand bestimmtes enthält676. Außerdem ist das Merkmal des „wirklichen Geschäftsherrn“ keine Voraussetzung des § 686, sondern die in dieser Vorschrift angeordnete Rechtsfolge. Bedenkt man, dass es sich bei § 686 um eine Vorschrift handelt, die einen ganz bestimmten Spezialfall der Geschäftsbesorgung ohne Auftrag regelt677, wäre es verfehlt, aus den in der Vorschrift angeordneten Rechtsfolgen Schlüsse auf das grundsätzliche System der obligationsbegründenden Merkmale innerhalb von § 677 HS. 1 zu folgern. Vielmehr verleitet § 686 aufgrund seines Ausnahmecharakters zu einem Umkehrschluss. Grundsätzlich wird aus der Geschäftsführung derjenige Geschäftsherr berechtigt und verpflichtet, den sich der Geschäftsführer vorstellt, unabhängig davon, ob das Geschäft in den Rechts- und Pflichtenkreis dieser Person fällt. Ansonsten könnten subjektiv fremde oder neutrale Geschäfte nicht Gegenstand der Geschäftsführung nach §§ 677 ff. sein. Stellt sich der Geschäftsführer jedoch vor, dass das Geschäft, das er besorgt, objektiv in den Rechts- und Pflichtenkreis des imaginierten Geschäftsherrn, dieses tatsächlich indes in den eines anderen gehört, so wird durch die spezielle Regelung des § 686 der Letztere verpflichtet. § 686 betrifft also den ganz speziellen Fall, dass die objektive Zuordnung eines Geschäfts zu einer Person in der Vorstellung des Geschäftsführers mit der objektiven Zuordnung dieses Geschäfts in der Wirklichkeit divergiert678. Im Umkehrschluss soll dagegen grundsätzlich der imaginierte Geschäftsherr verpflichtet werden, ohne dass es dabei auf das Merkmal eines fremden Geschäfts ankommt. § 686 ist demnach nicht ein Beleg für die Erforderlichkeit des fremden Geschäfts auf der Ebene des § 677 HS. 1, sondern gerade für seine Entbehrlichkeit.
674 Ebenso Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 50; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 686, Rn. 1. 675 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 50. 676 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 51. 677 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 50, es sei eine Vorschrift mit einem eng begrenzten Anwendungsbereich. 678 Ähnlich Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 73: „§ 686 will nur ausschließen, daß derjenige zum Geschäftsherrn wird, dem die Geschäftsführung nicht zugutekommen kann“; auch Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 686, Rn. 5, der bei der Frage der möglichen Anwendung des § 686 auf subjektiv fremde Geschäfte diese dann für möglich hält, wenn der Geschäftsführer eine durch objektive Merkmale definierte Vorstellung von der Person des Geschäftsherrn hegt und in Wahrheit ein anderer diese Merkmale erfüllt.
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c) § 679, §§ 683 S. 2, 679 Auch die § 679 und §§ 683 S. 2, 679 können keinen Aufschluss über die Erforderlichkeit des Merkmals des fremden Geschäfts auf der Ebene des § 677 HS. 1 geben. Richtig ist zwar, dass § 679 ein objektiv fremdes Geschäft voraussetzt, wenn dort von der „Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt“, oder einer „gesetzliche[n] Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn“, die ansonsten nicht rechtzeitig erfüllt werden würde, die Rede ist. Freilich handelt es sich auch bei § 679, ggf. in Kombination mit § 683 S. 2, um eine eng begrenzte Vorschrift679, die dezidiert sicherstellen soll, dass Pflichten des Geschäftsherrn, die öffentliche Belange betreffen, besorgt werden. Vielmehr drängen sich aus diesen Ausnahmevorschriften zwei Schlussfolgerungen auf. Erstens: die Gegenstände der Geschäftsbesorgung der §§ 677–686 beschränken sich im Grundsatz nicht auf objektiv fremde Geschäfte. Zweitens: nach §§ 683 S. 2, 679 ist der entgegenstehende Übernahmewille des Geschäftsherrn ausnahmsweise dann unbeachtlich, wenn öffentliche Belange nach § 679 durch die Nichtbesorgung des objektiv fremden Geschäfts betroffen werden. Bei § 683 S. 1 handelt es sich jedoch um eine entsprechende Anwendung des § 679. Fraglich bleibt, was der direkte, primäre Anwendungsbereich des § 679 ist. Im Folgenden wird herausgearbeitet, dass gerade § 679 einen Umkehrschluss auf § 677 HS. 1 anbietet und damit den abstrakten Geschäftsbesorgungswillen des Geschäftsherrn erforderlich macht. Die Botschaft des § 679 in Bezug auf § 677 HS. 1 ist: grundsätzlich ist der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn bzgl. der „Geschäftsführung“ (nicht der Übernahme) beachtlich, ausnahmsweise, wegen Antastung öffentlicher Belange, unbeachtlich. Stellt man einen Bezug zwischen § 679 und § 677 HS. 1 her, erscheint die oft in Bezug auf § 679 angebrachte Kritik seiner Systemwidrigkeit680, oder die Qualifikation dieser Vorschrift als einen „Fremdkörper“681, als eine „deutliche Anomalie“682 unberechtigt.
4. Teleologische Auslegung Die echte und die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag verfolgen auch unterschiedliche, gegensätzliche Zwecke. Bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag geht es um einen Ausgleich zwischen willkommener fremdnütziger Geschäftsbesorgung auf der einen Seite und der unangemessenen Einmischung in fremde Angelegenheiten auf der anderen Seite683. Am besten illustriert dies 679 680
So auch Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 679, Rn. 2. So etwa Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 57; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, § 679, Rn. 1 ff. 681 Gursky, AcP 185, 1985, 13, 24. 682 Gursky, AcP 185, 1985, 13, 25. 683 Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 56; Beuthien, in:
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§ 683, der dem Geschäftsführer dann einen Aufwendungsersatzanspruch zubilligt, wenn die Übernahme der Geschäftsbesorgung durch einen dahingehenden Willen des Geschäftsherrn umfasst war, wenn also eine willkommene fremdnützige Geschäftsbesorgung vorlag. Nach der hier vertretenen zweigliedrigen subjektiven Theorie besteht dieses Spannungsfeld bereits im Rahmen von § 677 HS. 1, freilich bzgl. des zu erreichenden Endzustandes. Bei dieser Frage geht es noch nicht um die die konkrete Geschäftsbesorgung konstituierenden Merkmale. Nur durch diese zusätzliche Voraussetzung lässt sich erklären, warum die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 684), bei der bekanntlich der Übernahmewille fehlt, dennoch als solche keine unangemessene Einmischung in fremde Angelegenheiten684, sondern vielmehr eine bloß pflichtwidrige Geschäftsbesorgung ist und sie damit ihren berechtigten Platz in den §§ 677–686 finden soll. Bei der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag geht es dagegen nicht um einen Ausgleich zwischen den genannten Antipoden, da jede unechte Geschäftsführung ohne Auftrag aufgrund der Erforderlichkeit des objektiv fremden Geschäfts und des Eigengeschäftsführungswillens stets eine unangemessene Einmischung in fremde Angelegenheiten darstellt685. Wer sich im Rechts- und Pflichtenkreis eines anderen bewegt und irrtümlicherweise (§ 687 Abs. 1) oder vorsätzlich (§ 687 Abs. 2) das Geschäft für sich selbst besorgt, greift unzulässigerweise in fremde Angelegenheiten ein. Aus diesem Grunde erscheint dieser Geschäftsführer nicht schutzwürdig. Vor diesem Hintergrund wird auch die Regelung des § 687 verständlich. Danach kommt der Geschäftsführer in den Genuss des § 683 gar nicht und in den des § 684 S. 1 nur unter erschwerten Bedingungen. Beim § 687 geht es vielmehr um die objektive Zuordnung eines Geschäfts zum Rechts- und Pflichtenkreis einer Person, also um eine richtige Zuordnung von Nutzen und Lasten686, sowie um einen Ausgleich zwischen den Parteien bei einer bereits anzunehmenden unangemessenen Einmischung in fremde Angelegenheiten. Der erste Gedanke gehört in das Bereicherungsrecht687. Soergel, BGB, 13. Aufl., Vor §§ 677 ff, Rn. 4; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, Vor § 677, Rn. 2; Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2014, § 14, Rn. 3, S. 390; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 838; Giesen, Jura 1996, 225; Oppermann, AcP 193, 1993, 497, 500. 684 In diese Richtung auch, Gursky, AcP 185, 1985, 13, 21, mit der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag treten in Bezug auf den Geschäftsherrn keine unangemessenen Rechtfolgen ein. 685 Die „Unerlaubtheit“ auf angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag beschränkend, Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 3, ders., in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 687, Rn. 2; ebenso Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 687, Rn. 5. 686 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 34. 687 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 57; Jansen, in: HKK, 2013, § 687 II, Rn. 29.
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Der zweite weist Parallelen zu dem Deliktsrecht auf688, sodass es kaum überraschen kann, dass die 1. Kommission den angemaßten Geschäftsführer in der Nähe eines deliktisch Handelnden sah689. Dagegen handelt es sich bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ausdrücklich nicht um Delikte690.
5. Ergebnis Die Gegensätzlichkeit der echten und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag, die bereits durch den historischen Gesetzgeber intendiert war und die sich im Wortlaut der §§ 677, 687 widerspiegelt, macht es unmöglich sie auf ein einheitliches Prinzip zurückzuführen und das Merkmal des fremden Geschäfts zu einer gemeinsamen Voraussetzung zu erheben. Auch die Handhabung des fremden Geschäfts auf der Ebene des § 677 HS. 1, nach der absolut alle Geschäfte Gegenstand der Geschäftsbesorgung sein können, disqualifizieren dieses Merkmal als ein echtes Tatbestandsmerkmal. Da durch dieses keine tatbestandliche Eingrenzung stattfindet, gilt es auf diese Voraussetzung zu verzichten. Dieses Ergebnis ist aus systematischen Gründen, insbesondere vor dem Hintergrund der §§ 687, 684 und § 686 überzeugend und unterläuft nicht den durch §§ 677– 686 verfolgten Zweck. Erforderlich auf der Ebene des § 677 HS. 1 ist damit nicht, dass der Geschäftsführer „ein fremdes Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen“, sondern ein „Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen“ besorgt691. Um auf dieser Ebene eine unangemessene Einmischung auszuschließen, ist es jedoch unzulässig auf den abstrakten Geschäftsbesorgungswillen des Geschäftsherrn zu verzichten.
H. Die Bedeutung des § 679 für die Obligationsbegründung Die Vorschrift des § 679 im gesetzlichen Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag stellt für die h. M., aber auch für die subjektiven und objektiven Theorien ein Mysterium dar. Seinen einzigen Anwendungsbereich erblicken die meisten Vertreter lediglich im Zusammenhang mit dem Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1. In diesem spiegelt sich das subjektive Prinzip wieder. Der Geschäftsführer kann keinen Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn der Übernahmewille des Geschäftsherrn nicht vorgelegen hat. Der § 683 S. 1 macht den Willen des Geschäftsherrn bzgl. der Übernahme zu einer Tatbestandsvoraussetzung. Von diesem System macht indes § 683 S. 2 688 Vgl. zu Abgrenzungsfragen mit dem Deliktsrecht, Jansen, in: HKK, 2013, § 687 II, Rn. 29; Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 687, Rn. 2, § 687 Abs. 2 bewege sich funktional zwischen Bereicherungs- und Deliktsrecht. 689 Mugdan II, 1899, S. 486. 690 Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 480; Mugdan II, 1899, S. 406. 691 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 3.
H. Die Bedeutung des § 679 für die Obligationsbegründung
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eine Ausnahme. Der (!) Übernahmewille des Geschäftsherrn ist dann unbeachtlich, wenn die Fälle des § 679 bzgl. (!) der Übernahme der Geschäftsführung betroffen sind, wenn also ohne die (!) Übernahme der Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Das subjektive Prinzip wird im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse durch das objektive Prinzip ersetzt. Bzgl. einer solchen Kodifizierung entstehen freilich viele Fragen. Wenn der einzige Anwendungsbereich des § 679 nur im Zusammenhang mit § 683 S. 1 zu sehen ist, wäre es dann nicht erforderlich die Vorschrift des § 679 gänzlich zu eliminieren und nur in den Satz 2 des § 683 zu implementieren? Wenn sich § 679 nur in Bezug auf § 683 S. 1 bezieht, stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber dezidiert einen grammatikalischen Unterschied zwischen dem entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn bzgl. „der Geschäftsführung“ bei einer isolierten Anwendung des § 679 und dem entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn bzgl. der „Übernahme der Geschäftsführung“ bei einer Anwendung des § 679 in Verbindung mit § 683 S. 2 macht. Merkwürdig erscheint auch die systematische Stellung des § 679, der sich bei den ersten Vorschriften des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag befindet. Antworten auf diese Fragen hat die Forschung zur Geschäftsführung ohne Auftrag bisher nicht präsentiert. Da man sich § 679 nicht erklären konnte, wurde ihm „Systemwidrigkeit“692 attestiert, oder die Eigenschaft eines „Fremdkörper[s]“693, einer „deutliche[n] Anomalie“694 beigemessen. Diese Schlussfolgerungen beruhen freilich auf dem Umstand, dass man nicht erwog, den Zusammenhang zwischen § 679, bei seiner isolierten und damit primären Anwendung, und der Vorschrift des § 677 herzustellen. Stellt man diesen her, wird zum einen die systematische Stellung des Letzteren verständlich. Zum anderen führt dieser Zusammenhang zu dem Schluss, dass bereits auf der Ebene des § 677 der Wille des Geschäftsherrn notwendig erscheint, von dem sodann § 679 eine Ausnahme macht. Ob diese These den juristischen Auslegungsmethoden standhält, gilt es im Folgenden zu untersuchen.
I. Historische Auslegung 1. Teilentwurf von v. Kübel Die Vorschrift des § 679 ist bereits in den Teilentwürfen der 1. Kommission und den dazugehörigen Protokollen zu finden. In dem von v. Kübel ausgearbeiteten 692
So etwa Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 57; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, § 679, Rn. 1 ff. 693 Gursky, AcP 185, 1985, 13, 24. 694 Gursky, AcP 185, 1985, 13, 25.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Teilentwurf zum Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag war in § 239 TE geregelt: „Bestand die Geschäftsbesorgung in der durch ein öffentliches Interesse gebotenen Erfüllung einer rechtlichen Verbindlichkeit des Geschäftsherrn oder in der Gewährung des Unterhalts an Personen, welche der Geschäftsherr zu unterhalten verpflichtet war, so bestehen die in § 238 bezeichneten Verpflichtungen des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer auch dann, wenn dieser gegen ein Verbot von Jenem gehandelt hat“695
Bei § 238 TE handelt es sich um die Vorgängervorschrift des heutigen Anspruchs auf Aufwendungsersatz nach § 683 S. 1. Im Unterschied zu diesem regelte § 238 TE ausdrücklich neben einem Verwendungs- bzw.- Auslagenersatzanspruch noch den Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit und einen Vergütungsanspruch. Andererseits fand § 239 TE auch seine Erwähnung in § 233 Abs. 2 TE. § 233 TE enthielt in seinem Absatz 1 die obligationsbegründenden Voraussetzungen („Unternimmt Jemand die Besorgung des Geschäfts eines Anderen“) und den Haftungsmaßstab des Geschäftsführers („so haftet er dem Geschäftsherrn selbst für geringe Fahrlässigkeit“). Insofern handelte es sich bei § 233 Abs. 1 TE um die Vorgängervorschrift des heutigen § 677. In seinem Absatz 2 enthielt § 233 TE noch eine weitere Bestimmung: „Hat der Geschäftsführer gegen das Verbot des Geschäftsherrn ohne einen der in § 239 zugelassenen Rechtfertigungsgründe mit der Geschäftsführung sich befaßt, oder ein fremdes Geschäft in rechtswidriger Absicht als eigenes behandelt, so haftet er auch für Zufall, es würde denn dieser erweislich auch ohne seine Einmischung des Geschäftsherrn getroffen haben“.696
Zusammenfassend hing nach dem TE von v. Kübel zum einen der Aufwendungsersatzanspruch nach § 238 TE vom Willen des Geschäftsherrn ab, wovon § 239 TE indes eine Ausnahme machte. Zum anderen haftete der Geschäftsführer grundsätzlich für Fahrlässigkeit (§ 233 Abs. 1 TE), im Falle eines Verbotes des Geschäftsherrn auch für Zufall (§ 233 Abs. 2 TE), es sei denn es wurden öffentliche Interessen nach § 239 TE betroffen. § 239 TE bezog sich zum einen auf den zentralen „Rückersatzanspruch“ nach § 238 TE und zum anderen auf die obligationsbegründende Norm des § 233 TE, hier freilich nicht auf die obligationsbegründenden Merkmale, sondern auf die Haftung des Gestors. Begründet wurde § 233 Abs. 2 i. V. m. § 239 TE wie folgt: eine das Verbot des Geschäftsherrn nicht berücksichtigende Geschäftsführung durch den Geschäftsführer stelle eine unangemessene Einmischung in fremde Angelegenheiten, 695 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, S. 930. 696 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, S. 929. Hervorhebung stammt vom Verfasser.
H. Die Bedeutung des § 679 für die Obligationsbegründung
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oder wie v. Kübel ausdrückt, eine solche Geschäftsführung stelle sich als „ein unbefugter Eingriff in die Willensfreiheit“ des Geschäftsherrn dar697. Der Einzug des § 239 TE in die Haftung nach § 233 Abs. 2 TE, also die Zurückdrängung der Willensfreiheit des Geschäftsherrn durch das Interesse der Gesamtheit und der Humanität, wurde mit der Überlegung gerechtfertigt, dass das Gesetz nicht zugeben dürfe: „daß Verbindlichkeiten, deren Erfüllung das öffentliche Interesse gebiete, dadurch unerfüllt bleiben, daß ein der Rechtfertigung entbehrendes, vielleicht aus Bosheit entspringendes Verbot dem Dritten, welcher die Verbindlichkeit für den Verpflichteten erfüllt habe, den Anspruch auf Rückersatz benehmen könne. Vielmehr ist es gerechtfertigt, dem Geschäftsführer ebensowohl einen Rückersatzanspruch zu geben, als ihn von der Haftung für den Zufall zu befreien, wenn er, trotz des Verbotes des Geschäftsherrn, für denselben den bei allgemeiner Noth und Gefahr von der Staatsgewalt getroffenen Anordnungen oder Auflagen Genüge leiste, oder im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit die dem Einzelnen auferlegten Leistungen erfülle, oder wenn er Alimente den alimentationsberechtigten Angehörigen des Geschäftsherrn in ihrem Nothstande reiche“698.
Der Teilentwurf von v. Kübel zeigt damit die Zweigerichtetheit der Vorschrift des § 239 TE auf. In beide Richtungen ist grundsätzlich der Wille des Geschäftsherrn entscheidend und sein Verbot somit strengstens zu berücksichtigen. Andernfalls handelt es sich um eine unangemessene Einmischung in die Angelegenheiten des Geschäftsherrn. Andererseits wird dieser Grundsatz durch das Interesse der Allgemeinheit mit Hilfe der Vorschrift des § 239 TE umgekehrt. Der fehlende Wille des Geschäftsherrn verhinderte nach dem TE zwar nicht die Begründung der Obligation, jedoch wurde durch eine diesen Willen nicht berücksichtigende Geschäftsführung die Haftung des Gestors verschärft und er wurde seines Rückersatzanspruchs verlustig. Dennoch ist die Ausrichtung des § 239 TE in Richtung des § 233 TE deutlich zu erkennen. Dies bestätigen auch die Sitzungsprotokolle der 1. Kommission. In der 165. Sitzung zu § 233 TE beschloss man den Bezug auf § 239 TE nicht zu beseitigen: „Die Mehrheit hielt nämlich die Bestimmung des § 239 TE im Allgemeinen und vorbehaltlich der später zu beschließenden Einzelheiten aus den in den Motiven dafür geltend gemachten Gründen für vollkommen gerechtfertigt; sie ist aber nicht minder der Ansicht, daß, soweit nach dem § 239 der entgegenstehenden Wille des Geschäftsherrn auf die mit actio negotiorum gestorum contraria geltend zu machenden Rechte des Geschäftsführers keinen Einfluß übe, ein Gleiches auch für die Bestimmung der aus der Geschäftsführung für den Geschäftsführer entspringenden, die actio directa hervorrufenden Verpflichtungen gelten müsse“699. 697 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, S. 940. 698 v. Kübel, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, 1980, S. 949. 699 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 118. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Zu diesen Verpflichtungen zählten nicht nur der Rückersatzanspruch, sondern auch die Anzeige- und Wartepflichten, Auskunfts- und Herausgabeansprüche. Demnach sollte nicht bloß der Rückersatzanspruch ausgeschlossen sein, sondern alle mit der actio directa hervorrufenden Verpflichtungen entstehen. Insofern war bereits bei § 239 TE auch die obligationsbegründende Wirkung enthalten.
2. Motive der 1. Kommission Die 1. Kommission hat § 233 TE in Gestalt des § 749 E-1 unter zum Teil bedeutsamen Änderungen (statt „Geschäft eines Anderen“ wurde „Geschäft für einen Anderen“ geschrieben) formuliert. Der Gedanke des § 239 TE, der nun in § 755 E-1 seinen Platz fand, hat sich in § 749 E-1 genauso niedergeschlagen, wie § 239 TE in § 233 TE. § 749 Abs. 2 E-1 lautete: „Der Geschäftsführer haftet insbesondere auch für den Ersatz des Schadens, welchen er dadurch verursacht hat, daß er gegen den bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters erkennbaren Willen des Geschäftsherrn gehandelt hat, es sei denn, daß eine der im § 755 bezeichneten Voraussetzungen vorliegt“700.
Anders als nach § 233 TE wurde bei einem entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn die Haftung nicht bis hin zu einer Zufallshaftung verschärft, sondern es blieb bei der Haftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit701. Andererseits musste hinsichtlich des § 749 Abs. 2 E-1 nicht ein „Verbot“ des Geschäftsherrn vorliegen, sondern es reichte aus, dass lediglich der Wille des Geschäftsherrn entgegenstand. Dieser entgegenstehende Wille musste freilich nach außen erkennbar sein702. Damit der Geschäftsführer nicht einer Schadensersatzhaftung gegenüber dem Geschäftsherrn ausgesetzt ist, müsste dieser den Willen des Geschäftsherrn erforschen und erst dann die Geschäftsführung vornehmen. Dabei stellte die 1. Kommission unmissverständlich klar: „Der Geschäftsführer haftet dem Geschäftsherrn für den Ersatz des durch Vorsatz und Fahrlässigkeit verursachten Schadens, also auch desjenigen, welcher in concreto dadurch verursacht ist, daß der Geschäftsführer überhaupt sich eingemischt hat. Die von dem Geschäftsführer zu prästirende Sorgfalt bezieht sich auf die Ermittelung der Intentionen des Geschäftsherrn nicht blos in der Richtung, wie einzugreifen sei, sondern auch in der Richtung, ob überhaupt einzugreifen sei (§ 749 Abs. 1, 2).“703
Bzgl. des § 755 fügte die 1. Kommission hinzu: 700 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 129–130. Hervorhebung stammt vom Verfasser. 701 Motive II, 1888, S. 857 = Mugdan II, 1899, S. 479. 702 Motive II, 1888, S. 857 = Mugdan II, 1899, S. 479. 703 Motive II, 1888, S. 857 = Mugdan II, 1899, S. 479. Hervorhebung stammt vom Verfasser.
H. Die Bedeutung des § 679 für die Obligationsbegründung
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„Von der ihm durch die Vorschrift des § 749 Abs. 2 auferlegten Haftung ist der Geschäftsführer jedoch frei, wenn eine der im § 755 bezeichneten Voraussetzungen vorliegt“704.
Resümierend gilt es zu sagen, dass der Wille des Geschäftsherrn bzgl. der Haftung des Geschäftsführers in § 749 E-1 stets zu beachten war. Dabei entstand eine solche Haftung nicht nur, wenn die Geschäftsbesorgung dem Willen des Geschäftsherrn hinsichtlich des „Wie“ der Geschäftsführung, sondern insbesondere, wenn sie dem Willen des Geschäftsherrn hinsichtlich des „Ob“ der Geschäftsführung nicht entsprach. In beiden Fällen bestand ein Schadensersatzanspruch, und zwar aus der obligationsbegründenden Norm des § 749. § 749 Abs. 2 i. V. m. § 755 E-1 schloss indes ausnahmsweise diese Haftung aus, wenn öffentliches Interesse entgegenstand. Das öffentliche Interesse war demnach, übertragen auf das heutige Recht, sowohl beim Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 als auch beim Schadensersatzanspruch nach § 678 als auch beim Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 entscheidend. Sowohl das „Ob“ der Geschäftsführung als auch das „Wie“ der Geschäftsführung beschreiben zusammen das konkrete Interesse. Ohne das abstrakte Interesse kann es dieses freilich nicht geben (s. o). Verlangt man auf der Ebene des § 677 HS. 1 einen abstrakten Geschäftsherrnwillen, muss das öffentliche Interesse auch diesen betreffen. Wendet sich der Wille des Geschäftsherrn nicht nur gegen die konkrete Geschäftsführung, sondern gegen alle Geschäftsführungen, weil er das Ergebnis all dieser Geschäftsführungen nicht will, muss dieser Wille nach § 679 unbeachtlich sein, wenn öffentliches Interesse begründet ist. § 679 muss demnach auch auf § 677 HS. 1 Bezug nehmen. Die Bezugnahme des § 679 auf die Haftung und die obligationsbegründende Norm ergibt sich indes auch deutlich aus den Motiven der 1. Kommission: „Der § 749 Abs. 1 stellt, indem er die Haftung des Geschäftsführers für den Ersatz des durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit verursachten Schadens ausspricht, zugleich diejenigen Voraussetzungen fest, von deren Vorhandensein die Anwendung dieses Titels im Allgemeinen abhängt“705.
Die Haftung des Geschäftsführers hing damit naturgemäß von obligationsbegründenden Merkmalen ab. Wenn in § 749 Abs. 2 i. V. m. § 755 E-1 eine Ausnahme dahingehend gemacht wird, dass der Wille des Geschäftsführers ausnahmsweise unbeachtlich ist, so öffentliche Interessen entgegenstehen, so muss im Umkehrschluss geschlussfolgert werden, dass dieser Wille grundsätzlich beachtlich ist. Dabei betrifft er nach dem Willen der 1. Kommission die Haftung und zugleich diejenigen Voraussetzungen, von denen die Anwendung des gesamten Titels zur Geschäftsführung ohne Auftrag abhängt, also die obligationsbegründenden Merkmale. Aus dieser Überlegung muss es ein subjektives Ele704 Motive II, 1888, S. 858 = Mugdan II, 1899, S. 479. Hervorhebung stammt vom Verfasser. 705 Motive II, 1888, S. 854 = Mugdan II, 1899, S. 477.
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ment des Geschäftsherrn bereits auf der Ebene des § 749 Abs. 1 E-1, also auf der Ebene des heutigen § 677 HS. 1 geben.
3. Protokolle der 2. Kommission Erst bei der 2. Kommission beginnt die Odyssee des § 749 Abs. 2 E-1 und des § 755 E-1. Die 2. Kommission stellte bei Anträgen der Kommissionmitglieder sich zunächst die Frage, ob es angezeigt sei, auf die Ausnahmefälle des § 755 E-1 in § 749 Abs. 2 E-1 Bezug zu nehmen, überwies diese jedoch in die Beratung zu § 755 E-1706. In der daraufhin folgenden vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse zu § 749 E-1 – VorlZust war die Bezugnahme auf § 755 E-1 in § 749 E-1 noch enthalten707. In der sodann erfolgten Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktionskommission verschwand freilich sowohl die in § 749 E-1 – ZustRedKom ausdrücklich enthaltene Schadensersatzhaftung, welche durch die Festlegung der Geschäftsführungspflichten des Geschäftsführers ersetzt wurde („… hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert“)708, als auch die Bezugnahme auf § 755 E-1. Stattdessen wurde die neue Vorschrift des § 749a E-1 – ZustRedKom eingeführt, die mit der heutigen Vorschrift des § 678 vollkommen identisch ist709. § 755 E-1 tauchte im Rahmen von § 749 E-2 nicht mehr auf. § 755 E-1, der stets auf § 753 E-1 (= Vorgänger des § 683 S. 1) Bezug nahm, verlor diese Bezugnahme, als die Redaktionskommission ihre Beschlüsse zu § 755 E-1 ZustRedKom zusammenstellte710. Vielmehr nahm nun § 753 S. 2 E-1 ZustRedKom Bezug auf § 755 E-1, der durch die Redaktionskommission zu § 749b ZustRedKom wurde und der sodann seine endgültige Kodifizierung im § 679 erfahren hat. Ob mit der Entscheidung der Redaktionskommission das öffentliche Interesse i. S. v. § 679 im Rahmen von § 677 unberücksichtigt zu lassen, einherging, ist zweifelhaft. Dafür spricht, dass nach den Beschlüssen der Redaktionskommission es sich beim heutigen § 678 um § 749 Abs. 2 E-1 und beim heutigen § 679 um § 749 Abs. 2 E-2 sowie um § 755 handelt711. Eine Bezugnahme auf § 677 ist damit nicht vorgesehen. Dennoch deutet die ganze vorherige Historie des heutigen § 679, dass die Bezugnahme auf § 677 erhalten bleiben sollte.
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Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 131. Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 132. Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 132. 709 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 132. 710 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 137. 711 Entwurf des BGB nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, 1892 I. Buch, Allgemeiner Teil, S. 999, § 609, § 610. 707 708
H. Die Bedeutung des § 679 für die Obligationsbegründung
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II. Grammatikalische Auslegung Auch die Wortlautauslegung deutet auf dieses Ergebnis hin. Zunächst gilt es zwischen § 679 und § 683 S. 2 zu unterscheiden. Beim Letzteren findet § 679 „entsprechende“ Anwendung. Sein primärer Anwendungsbereich betrifft demnach nicht den Übernahmewillen. Lediglich bei § 683 S. 2 und bei § 678 bezieht sich die Regelung des § 679 auf die Übernahme des Geschäfts. Dagegen geht es bei § 679 um die Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn bzgl. der „Geschäftsführung“. Damit ist der Wortlaut des § 679 mit dem Titel zu §§ 677 ff. – „Geschäftsführung“ ohne Auftrag – identisch. Durch § 679 soll demnach das ganze Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag betroffen sein. Da dieses durch § 677 HS. 1 ausgelöst wird, muss sich § 679 auf § 677 HS. 1 beziehen. Aus dem Umkehrschluss des § 679 muss demnach ein Wille des Geschäftsherrn bereits auf der Ebene des § 677 HS. 1 vorhanden sein.
III. Systematische Auslegung Systematisch ist § 679 im Anschluss an § 677, § 678 verortet. Die Letzteren bildeten nach dem historischen Verlauf eine gemeinsame Vorschrift (s. o), bis sie durch die 2. Kommission und sodann die Redaktionskommission entzweit wurden. Eine inhaltliche Änderung bzgl. des Anwendungsbereiches des § 679 war damit eher nicht bezweckt (s. o.). Erst die Bezugnahme des § 679 auf § 678 und insbesondere § 677 befreit den Ersteren aus seiner Systemwidrigkeit im Rahmen von §§ 677 ff. und verleiht der Vorschrift ihre historische Bedeutung. Die systematische Auslegung deutet demnach ebenfalls auf die aufgestellte These hin.
IV. Teleologische Auslegung Schließlich sprechen auch teleologische Argumente für die Bezugnahme des § 679 auf § 677 HS. 1. Zum einen ist ein Erst-Recht-Schluss anzuführen. Wenn der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn bei der Verfehlung des konkreten Interesses (§ 683 S. 2), einem gegenüber dem abstrakten Interesse deutlich enger gefassten Anwendungsbereich, unbeachtlich ist, so das öffentliche Interesse betroffen ist, muss dies erst recht bei einem deutlich gröber gefassten abstrakten Interesse sein. Dieses Interesse ist nach der obigen Analyse erforderlich, so man unangemessene Einmischungen in den Rechtskreis des Geschäftsherrn verhindern möchte. Andererseits sollen auch die Interessen der Allgemeinheit Berücksichtigung finden, wenn die enge Voraussetzung des öffentlichen Interesses i. S. v. § 679 betroffen ist. Beide Zweckgesichtspunkte, Schutz vor unangemessenen Einmischungen auf der einen und die Förderung der Interessen
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
der Allgemeinheit auf der anderen Seite, werden durch das Zusammenspiel zwischen § 677 und § 679 erfüllt. Diese Wechselwirkung schafft einen für das Institut der echten Geschäftsführung ohne Auftrag so bedeutenden Kompromiss zwischen den Interessen des Geschäftsherrn und der Allgemeinheit. Die Forderung eines echten subjektiven Willens auf der Ebene des § 677 führt zwar zu einer deutlichen Einschränkung des Anwendungsbereiches der §§ 677 ff., die freilich im Schutz seiner „Willensfreiheit“ begründet ist. Durch § 679 wird der Anwendungsbereich sodann wieder auf die Fälle des öffentlichen Interesses erweitert. Der § 679 wird so vom Makel der Systemwidrigkeit befreit. Außerdem nähert sich die Wechselwirkung zwischen § 677 und § 679 der dogmatischen Struktur des § 903 S. 1. Diese Annäherung ist von Bedeutung, da der Geschäftsführer im Rahmen seiner Geschäftsbesorgung subjektive Rechte des Geschäftsherrn in Anspruch nimmt. Die Inanspruchnahme ist dabei grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn der Geschäftsherr einen dahingehenden (hypothetischen) Willen hat (Nutzungsfunktion), ausnahmsweise auch dann, wenn Rechte Dritter oder das Gesetz dies erlauben.
V. Voraussetzungen des § 679 Nun gilt es noch am Ende zu klären, was die Voraussetzungen des § 679 sind, insb. was unter dem Begriff einer im öffentlichen Interesse liegenden Pflicht zu verstehen ist.
1. Pflicht zur Geschäftsbesorgung Zunächst muss es sich um eine rechtlich erhebliche Pflicht handeln. Eine bloß sittliche Pflicht reicht für § 679 nicht aus. Die 2. Kommission konstatierte, dass das Recht dem Geschäftsherrn gestatte, eine sittliche Pflicht unerfüllt zu lassen712. Dem Geschäftsherrn steht somit die sittliche Freiheit zu. Wäre vom § 679 auch die sittliche Pflicht umfasst, würde die sittliche Freiheit zum sittlichen Zwang mutieren713. Aus diesem Grunde ist auch die analoge Anwendung des § 138 im Rahmen von § 679714 unzulässig715. Die Pflicht zur Geschäftsbesorgung kann im öffentlichen Recht oder im Privatrecht verwurzelt sein. Hier dürfen die Merkmale des „öffentlichen Interesses“ und der Pflicht nicht verwechselt werden. Die 2. Kommission lehnte den 712 713
Mugdan II, 1899, S. 1199. Mugdan II, 1899, S. 1199. 714 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 14. Neub., 1954, § 166 II 1, S. 703 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl., 2006, Rn. 1272; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 679, Rn. 15; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 679, Rn. 6, § 683, Rn. 19. 715 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 679, Rn. 33; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 23 mahnt zur vorsichtigen Anwendung.
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Antrag, der die Verwurzelung der Pflicht im öffentlichen Recht forderte, ausdrücklich ab716. Auch privatrechtliche Pflichten können öffentliches Interesse begründen. Die 2. Kommission nennt etwa den Fall, dass jemand nach privatrechtlichen Grundsätzen sich dazu verpflichtet hat, die Bestattung einer Leiche zu übernehmen717. Dabei handelt es sich um den Grundfall des § 679, der auf die römische actio funeraria zurückgeht.
2. Gefahr der Nicht- oder nicht rechtzeitigen Erfüllung Das gemeinsame Merkmal der im öffentlichen Interesse liegenden Pflicht und des gesetzlich typisierten Falles der Unterhaltspflicht ist die Gefahr einer nicht oder nicht rechtzeitigen Erfüllung der Pflicht. Es muss sich dabei nicht um eine subjektiv vorgestellte, sondern um eine objektiv drohende Gefahr handeln718. Irrtümer des Geschäftsführers gehen zu seinen Lasten. Andererseits ist nicht eine besondere Dringlichkeit für dieses Merkmal von Bedeutung719. Vielmehr kann das Kriterium der Dringlichkeit bzw. der Notsituation im Rahmen des „öffentlichen Interesses“ verwertet werden. Die Gefahr der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung ist dagegen von § 679 nicht umfasst. Der Antrag 3 im Rahmen der Beratungen der 2. Kommission, der die Formulierung „nicht ordnungsmäßig“ eliminierte, wurde angenommen. Die Vertreter dieses Antrages argumentierten, dass die Frage, ob ohne das Eingreifen des Geschäftsführers das Geschäft nicht ordnungsgemäß besorgt wäre, häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten führe und daher Anlass zu unnötigen Streitigkeiten gebe720.
3. Öffentliches Interesse Das zentrale Merkmal des § 679 ist das öffentliche Interesse. Dafür genügt es nicht, dass eine öffentlich-rechtliche Pflicht als solche vorliegt. Darauf zielte etwa der Antrag 1 bei den Beratungen der 2. Kommission721 ab. Die Botschaft war: Alle öffentlich-rechtlichen Pflichten liegen bereits als solche im öffentlichen Interesse. Die 2. Kommission lehnte den Antrag 1 ab, legte dem Merkmal „öffentliches Interesse“ entscheidendes Gewicht bei und führte aus: „Der Antrag 1, der einen Ersatzanspruch dann gewähre, wenn die Verbindlichkeit, die der Geschäftsführer erfülle, eine öffentlichrechtliche sei, gehe eines Theiles über das le716 717
Mugdan II, 1899, S. 1198 f. Mugdan II, 1899, S. 1199. 718 RGZ 149, 205, 207; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 679, Rn. 5. 719 BGH NJW 1991, 2373, 2374; Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 679, Rn. 4; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 679, Rn. 5; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 14. 720 Mugdan II, 1899, S. 1198. 721 Mugdan II, 1899, S. 1198.
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gislatorische Bedürfnis hinaus, weil in den Fällen, in denen die Erfüllung einer öffentlichrechtlichen Verbindlichkeit nicht im öff. Interesse liege, der Geschäftsführer keinen Grund habe, die Erfüllung gegen das Verbot des Geschäftsherrn für diesen zu bewirken“722.
Die 2. Kommission wollte demnach die Willensfreiheit des Geschäftsherrn schützen und forderte ein über die bloße öffentlich-rechtliche Pflicht als solche hinausgehendes öffentliches Interesse. Erforderlich ist demnach ein gesteigertes723, bzw. qualifiziertes724 öffentliches Interesse. Als Orientierung könnten eine dringende Gefährdung725 von subjektiven Rechtsgütern wie etwa Leben, Gesundheit, Körper oder wichtiger Sachgüter726 bzw. der gesetzlich typisierte Fall der nicht oder nicht rechtzeitigen Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht dienen. Es muss sich um eine erhöhte Bedürftigkeit an der Geschäftsbesorgung für die Allgemeinheit handeln, wobei eine solche nicht nur dann anzunehmen ist, wenn Güter der Allgemeinheit, sondern auch wenn Individualrechtsgüter betroffen sind727. Die Gefahr muss konkret-objektiv ausgestaltet sein. Die Ermittlung der Gefahr beurteilt sich nach der objektiv-normativen Betrachtung728. Irrtümer des Geschäftsführers gehen auch hier zu seinen Lasten729.
I. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag Die Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag ist wie ihre dogmatische Grundlage seit jeher umstritten. Beide Themen sind miteinander aufs Engste verknüpft. Während die von der Quasikontrakttheorie geprägte, heute kaum noch vertretene Literaturauffassung die Geschäftsführung ohne Auftrag als einen Quasivertrag ansieht730, betrachtet die von Wittmann731 und Bergmann732 722 723
Mugdan II, 1899, S. 1198, Hervorhebungen stammen vom Verfasser. Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 679, Rn. 4. 724 Zitelmann, AcP 99, 1906, 1, 115; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 679, Rn. 7. 725 Das Merkmal der Dringlichkeit befürwortend, Zitelmann, AcP 99, 1906, 1, 115; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 14; a. A. Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 679, Rn. 21. 726 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 679, Rn. 6. 727 Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 14. 728 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 679, Rn. 21; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 15. 729 Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 15; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 679, Rn. 4. 730 Vgl. Kapitel 4, B., S. 50 ff. 731 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 68 ff. 732 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 66 ff.; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 42 ff.
I. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag
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begründete normativ-subjektive Richtung diese als einen Realakt733. Die heute überwiegende, in letzter Zeit jedoch von Bergmann angegriffene, Auffassung nimmt in diesem Streit eine vermittelnde Stellung ein. Sie begreift die Geschäftsführung ohne Auftrag zwar nicht als eine Willenserklärung, qualifiziert sie aber auch nicht ganz losgelöst vom rechtsgeschäftlichen Charakter, indem sie ihr die Rechtsnatur einer geschäftsähnlichen Handlung beimisst734.
I. Vertrag, Quasivertrag, Willenserklärung, rechtsgeschäftsähnliche Handlung oder Realakt? 1. Motive der 1. Kommission Im Zuge der Auseinandersetzung mit den Quasikontrakttheorien wurde bereits Vorarbeit geleistet735. Nun gilt es, sich diesem Thema ausgiebig zu widmen. In den Motiven der 1. Kommission finden sich mehrere Hinweise bzgl. der Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag. So war die 1. Kommission hinsichtlich des § 752 E-1736, des Vorgängers von § 682, der die Frage klärt, wie ein geschäftsunfähiger oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Geschäftsführer haftet, der Auffassung: „daß die negotiorum gestio, mag ihr auch die Eigenschaft eines Rechtsgeschäfts im engeren und eigentlichen Sinne abzusprechen sein, doch zu den sog. Rechtshandlungen im weiteren Sinne oder zu den unmittelbar eine Rechtsänderung nach sich ziehenden vorsätzlichen Handlungen, welche keine Delikte sind, gehört. Auf diese Rechtshandlungen finden nach dem Standpunkte des Entwurfes prinzipiell, anlangend ihre verbindliche Kraft für den Handelnden in Rücksicht auf Handlungsfähigkeit, die für Rechtsgeschäfte im engeren Sinne maßgebenden Regeln Anwendung. Die Anwendbarkeit ergiebt sich im Allgemeinen mit Nothwendigkeit aus den Gründen, auf welchen jene Regeln beruhen. Für die negotiorum gestio von diesem Grundsatze abzuweichen und etwa auf die Regeln von der Deliktsfähigkeit (§§ 708, 709) zurückzugehen, wäre nicht gerechtfertigt.“737
Die 1. Kommission zählte damit die Geschäftsführung ohne Auftrag „zu den sog. Rechtshandlungen im weiteren Sinne“. Was unter „Rechtshandlungen“ zu verstehen ist, erklärte sie im Dritten Abschnitt ihrer Motive, der den Rechtsgeschäften gewidmet ist und eine Abgrenzung zu den Rechtshandlungen an733 Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 677 ff., Rn. 5; Schmidt, Die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, 2008, S. 68 f. 734 Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 495; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl., 2017, Rn. 1269. 735 Vgl. Kapitel 4, B., S. 54 ff. 736 Mugdan II, 1899, S. CXXXVI: „Ist der Geschäftsführer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist er nur zur Herausgabe der aus der Geschäftsbesorgung erlangten Bereicherung nach Maßgabe des § 748 Abs. 3 verpflichtet, unbeschadet der Haftung aus unerlaubter Handlung“. 737 Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 480. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
bietet. Danach stehen Rechtsgeschäften als Handlungen, die auf den Eintritt von Rechtsfolgen gerichtet sind, jene Handlungen gegenüber, an welche sich zwar Rechtswirkungen anschließen, die aber nicht mit dem Willen vorgenommen werden, um jene Rechtswirkungen herbeizuführen738.
2. Abgrenzung zwischen einer Willenserklärung, rechtsgeschäftsähnlichen Handlung und einem Realakt Eine solche Abgrenzung entsprach auch der Auffassung der Literatur. Savigny trennte schon früh bei „freien Handlungen“ zwischen Rechtsgeschäften und anderen Handlungen: die ersteren sind „auf die Entstehung oder Auflösung des Rechtsverhältnisses“, die letzteren sind „auf andere, nichtjuristische Zwecke“ gerichtet, „so daß die juristische Wirkung entweder als untergeordnet im Bewußtsein zurücktritt oder entschieden nicht gewollt ist“739. Manigk hat diese Unterscheidung schärfer präzisiert. Der Handelnde setze bei Rechtsgeschäften gemäß legaler Ermächtigung, also im Rahmen des von der Rechtsordnung gewährten Raumes für Privatautonomie, den Tatbestand bezüglich gewichtiger Elemente selbst und bestimme damit auch die Rechtswirkungen mit740. Insofern sei das Rechtsgeschäft eine selbstständige auf legaler Ermächtigung beruhende Rechtsquelle. Da wo dieser Raum zur privatautonomen Gestaltung indes nicht zugestanden werde, wenn also zwingendes Recht bestehe, stehen die Tatbestände „im Dienste der Rechtsordnung, ihres Willens und ihrer unmittelbar verwirklichten Zwecke“741. Der Handelnde sei in diesen Fällen „lediglich Instrument der Rechtsordnung“742. Seine Handlung könne hier nur als eine Rechtshandlung eingestuft werden. Andererseits könne eine (Rechts)Handlung ihrerseits nicht völlig frei vom Willen des Handelnden geschehen. Zum einen müsse die Vornahme der Handlung selbst willentlich sein, sich also auf die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolgs richten743. Zum anderen sei auch eine Rechtshandlung zwar nicht auf den Einritt von Rechtsfolgen bezogen, dennoch nicht ganz losgelöst von den gesetzlichen Wirkungen. Ihr haftet ein „privatautonomes Element“ an744. Resümierend sind demnach Willenserklärungen final darauf gerichtet, eben die Rechtsfolgen zu bewirken, die ihrem semantischen Gehalt entsprechen, während bei rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen das Gesetz an diese kausalen Rechtsfolgen anknüpft, die ihrem Erklärungsinhalt nicht entsprechen müs738
Motive II, 1888, S. 127 = Mugdan II, 1899, S. 421. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1840 III, S. 5. Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 469. 741 Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 469. 742 Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 469. 743 Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 28, Rn. 8. 744 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 4. Aufl., 1992 II, § 9 1, S. 107. 739 740
I. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag
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sen745. Konkret lässt sich diese Abgrenzung am besten am Beispiel der Mahnung (§ 286) erklären. Diese wird von der allgemeinen Auffassung als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung eingestuft746. Sie ist nach der Intention des Handelnden eben nicht final darauf gerichtet, die gesetzlichen Rechtsfolgen des Verzuges (§§ 286–288) herbeizuführen. Mit ihr will der Abmahnende lediglich den Schuldner zur geschuldeten Leistung auffordern. Dennoch haftet dieser Aufforderung zur Leistung ein rechtserhebliches Element an. Die „hervorragendste“ Stelle unter den Rechtshandlungen nehmen nach der 1. Kommission die unerlaubten Handlungen ein747. Doch nimmt die 1. Kommission im Dritten Abschnitt auch eine Abgrenzung der unerlaubten Handlungen von denen der Führung fremder Geschäfte ohne Auftrag vor, indem sie die letzteren ausdrücklich nicht den Delikten zuordnet (s. o. schon), aber „welche nicht ungeeignet mit Rechtshandlungen bezeichnet werden“748. Anzumerken ist an dieser Stelle die Wahl der doppelten Verneinung („nicht ungeeignet“), die eine gewisse Vorsicht, möglicherweise auch ein gewisses Unbehagen der 1. Kommission bei der dogmatischen Einordnung u. a. der Führung fremder Geschäfte ohne Auftrag ausdrückt. Damit kann man zusammen mit Flume von einer Dreiteilung ausgehen: Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen und unerlaubte Handlungen749. Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist für die 1. Kommission eine Rechtshandlung im weiteren Sinne, also als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren.
3. Protokolle der 2. Kommission Auch die 2. Kommission hat sich zur Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag, insb. im Hinblick auf die Ablehnung des Quasivertrages und einer Willenserklärung, deutlich geäußert. Bzgl. des § 756 E-2, dem Vorgänger des heutigen § 682, wurde erörtert: „Die Kom. beschloß, die Vorschrift zu streichen. Erwogen wurde: Die Vorschrift wende sich gegen eine mit der Auffassung der Geschäftsführung als eines Quasikontraktes zusammenhängende, der inneren Begründung entbehrende Vorschrift des röm. Rechtes. Der Entw. kenne keine Quasikontrakte, die als Rechtsgeschäfte anzusehen wären, und das Mißverständnis, welches durch die Vorschrift abgewendet werden solle, könne nach den Vorschriften des Entw. nicht entstehen. Niemand werde darüber im Zweifel sein, daß der Geschäftsherr nicht durch die Thatsache, daß sein Geschäft von einem Anderen 745 Thomale, AcP 212, 2012, 920, 925; ders., Leistung als Freiheit, 2012, S. 19, S. 59 ff. Weller/Benz/Thomale, ZEuP 2017, 250, 256. 746 BGHZ 47, 352, 357; Lorenz, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 286, Rn. 22; Dornis, in: BeckOGK, BGB, 01. 09. 2018, § 286, Rn. 128; Stadler, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 286, Rn. 15. 747 Motive II, 1888, S. 127 = Mugdan II, 1899, S. 421. 748 Motive II, 1888, S. 127 = Mugdan II, 1899, S. 421. 749 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 4. Aufl., 1992 II, § 9 1, S. 105.
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besorgt werde, diesem gegenüber eine Willenserklärung abgebe, ein einseitiges Rechtsgeschäft vornehme oder mit ihm einen Vertrag abschließe“750
Mit dieser Aussage hielt sich die 2. Kommission auf der Linie der 1. Kommission und stufte die Geschäftsführung ohne Auftrag eben nicht als eine (einseitige) Willenserklärung oder als einen Quasikontrakt oder Vertrag ein. Daraus ist freilich nicht sogleich zu folgern, bei der Geschäftsführung ohne Auftrag handele es sich um einen Realakt. Die Kategorie der Rechtshandlungen im weiteren Sinne, die der 2. Kommission bekannt waren, wurde wie die Kategorie der Realakte in dieser Passage nicht aufgelistet, damit auch nicht abgelehnt.
II. Stellungnahme zu Gunsten der rechtsgeschäftsähnlichen Handlung Mit der Ausführung des Geschäfts durch den Geschäftsführer intendiert dieser nicht die Auslösung der Rechtsfolgen nach §§ 677 ff. Es handelt sich eben nicht um eine Willenserklärung. Andererseits ist die Übernahme der Geschäftsführung durch den Geschäftsführer ebensowenig als ein bloßer Realakt anzusehen. Durch den für § 677 HS. 1 erforderlichen Geschäftsführungswillen für einen anderen bringt der Geschäftsführer zum Ausdruck, dass er im Rechtsbereich des Geschäftsherrn tätig sein möchte. Er bewegt sich demnach auf einem Terrain, in dem sein Eingriff in fremde Angelegenheiten entweder als eine willkommene Hilfeleistung für den Geschäftsherrn oder als eine unangemessene Einmischung, und damit als eine Verletzung fremder Angelegenheiten gewertet werden kann. Bedenkt man, dass in vielen Fallkonstellationen der Geschäftsführer den Geschäftsherrn gar nicht kennt, somit auch nur schwerlich die Bedürfnisse des Geschäftsherrn einschätzen kann, wird das Bewusstsein um die genannten Antipoden noch eindringlicher. Abhängig von dieser Frage, die dem Geschäftsführer zumindest kognitiv aufscheint, werden auch die Rechtsfolgen, die sich der Geschäftsführer nicht im Einzelnen und schon gar nicht in der minutiösen Detailliertheit vorstellen muss, abhängen. Dem Geschäftsführer wird jedoch bewusst sein, dass er im Falle der Verletzung fremder Angelegenheiten mit Nachteilen (§§ 677 HS. 1, 280 oder § 678), und im Falle der willkommenen Hilfeleistung mit Entschädigungen (ob dies Aufwendungen oder Schäden sind, §§ 683 S. 1, 670) zu rechnen hat. Dem Eingriff in fremde Angelegenheiten haftet demnach ein gewisses privatautonomes Element an751, das in den Geschäftsführungswillen des Geschäftsführers gegossen ist und erlaubt, auf der einen Seite einen rechtserheblichen Unterschied zu Realakten festzustellen, auf der 750 Mugdan II, 1899, S. 1201. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 751 In diese Richtung auch Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939,
S. 495, indem dieser die Geschäftsführung ohne Auftrag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung begreift, weil sich diese im Vergleich zur unechten Geschäftsführung ohne Auftrag dadurch unterscheide, dass die erstere einen Willen voraussetzt, ein fremdes Geschäft für einen anderen zu besorgen.
I. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag
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anderen Seite diesen Eingriff nicht den Willenserklärungen gleichzustellen, somit die echte Geschäftsführung ohne Auftrag in der Mittelposition und ganz im Sinne der 1. und der 2. Kommission als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung einzustufen. Welche Rechtsfolgen im Einzelfall ausgelöst werden, kann der Geschäftsführer dagegen nicht beeinflussen, denn die Frage, ob sein Eingriff in fremde Angelegenheiten willkommen, ob ihm damit insb. ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1 zusteht, oder unerwünscht ist, und er damit möglichen Schadensersatzansprüchen des Geschäftsherrn ausgesetzt ist, hängt nicht von ihm und nicht von seinem Willen, sondern vom Willen bzw. Interesse des Geschäftsherrn ab. Dem Geschäftsführer ist demnach, in der Terminologie von Manigk, kein freier Raum für die Gestaltung der Rechtsfolgen zugestanden. Er handelt nicht mit einem Rechtsfolgewillen, bzw. dieser Wille, sofern er vorhanden sein sollte, findet keine rechtliche Berücksichtigung und Verwirklichung. Die Einordnung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als eine geschäftsähnliche Handlung griff insbesondere Bergmann an. Er warf der heutigen Lehre vor, den Begriff der Rechtshandlungen in Bezug auf die Geschäftsführung ohne Auftrag „ungenau“ zu verwenden, indem sie die negotiorum gestio naturalistisch verstehe und mit einer final ausgestalteten Geschäftsführungsabsicht konstruiere752. Außerdem stellte Bergmann einen Fall vor, wonach sich Divergenzen bei der rechtlichen Betrachtung ergeben würden, wenn etwa ein geisteskranker Heimbewohner unter schwersten Verletzungen vor dem Eintreffen der Feuerwehr einen Mitbewohner aus dem brennenden Sanatorium befreit. Ist der Geschäftsführer beschränkt geschäftsfähig, bestünde bei ihm die Zustimmungsfähigkeit nach § 108 (analog). Ist er dagegen geschäftsunfähig, wäre diese Möglichkeit versperrt753. Diese Kritik überzeugt nicht. Oben wurde bereits erörtert, dass auch eine Rechtshandlung nicht völlig unabhängig vom Willen des Handelnden existieren kann. In Bezug auf den geschilderten Fall erwägt Bergmann richtigerweise die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Behandlung von Willenserklärungen auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen (§§ 104 ff.). Hier wird freilich außer Acht gelassen, dass die „entsprechende Anwendung“ keine direkte und ausnahmslose Gleichbehandlung bedeutet, sondern, dass jede einzelne Konstellation eine gesonderte Prüfung der Analogievoraussetzungen erfordert. Im Folgenden wird herausgearbeitet, dass die analoge Anwendung der §§ 104 ff. im Rahmen der §§ 677 ff. gerade nicht angezeigt ist. Angezeigt ist jedoch die analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139. 752
S. 67.
Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010,
753 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 68; auch Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 69 ff. zog einen vergeichbaren Fall heran.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
J. Analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf die Geschäftsführung ohne Auftrag? Die Gegner der rechtsgeschäftsähnlichen Einordnung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag führen insb. die nicht überzeugende analoge Anwendung der §§ 104 ff. ins Feld, um ein Argument für die realgeschäftliche Rechtsnatur der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zu begründen. Dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. Die Vergleichbarkeit zwischen Rechtsgeschäften und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen bewegt zwar dazu, über die analoge Anwendung der §§ 104 ff. nachzudenken. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass die Analogievoraussetzungen bei §§ 104 ff. erfüllt sind. Im Folgenden wird aufgezeigt, dass sie es nicht sind. Andererseits ist die Ablehnung der Analogie nicht sogleich ein Beweis für die Einordnung der Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Realakt, denn es mangelt nicht erst an der vergleichbaren Interessenlage, sondern bereits an der fehlenden Gesetzeslücke.
I. Analogievoraussetzungen und Rechtsfolgen der direkten Anwendung der §§ 104 ff. Für die analoge Anwendung ist erforderlich, dass (1) das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist, obwohl der zu beurteilende Sachverhalt mit dem, den der Gesetzgeber geregelt hat, (2) in rechtlicher Hinsicht vergleichbar ist und (3) anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre, diesen Fall also gleich geregelt hätte754. Die §§ 104–115 behandeln die Frage der Geschäftsfähigkeit und ihre Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Willenserklärung. So ist nach § 105 Abs. 1 die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen (§ 104) nichtig. Eine rechtlich nachteilhafte (§ 107) Willenserklärung des beschränkt Geschäftsfähigen (§ 106) ist ohne eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nach § 108 Abs. 1 schwebend unwirksam und im Falle der Verweigerung einer dahingehenden Genehmigung endgültig unwirksam. Die Willenserklärung eines Volljährigen (§ 2) ist wirksam, es sei denn die Nichtigkeit ergibt sich aus § 104 Abs. 2 oder § 105 Abs. 2. Fraglich ist demnach, ob die Begründung der Obligation nach §§ 677 ff. von der Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers abhängen soll. Eine Vergleichbarkeit ist darin zu sehen, dass die echte Geschäftsführung ohne Auftrag nach der überzeugenderen Auffassung als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung einzustufen ist. Auf diese werden die Vorschriften über die Behandlung von Wil754 BGH in st. Rechtsprechung: BGH, ZMR 2017, 141, 144 Rn. 33; BGHZ 184, 101 Rn. 32; 183, 169 Rn. 23; Meier, ZMR 2017, 151, 152; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1442, 1448.
J. Analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf die Geschäftsführung ohne Auftrag? 269
lenserklärungen regelmäßig entsprechend angewandt755. Auch die 1. Kommission geht in Bezug auf den Vorgänger des § 682–752 E-1 – in der bereits dazu zitierten Passage756 davon aus, dass die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als eine Rechtshandlung im weiteren Sinne, also als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, zu verstehen ist, auf die: „prinzipiell, anlangend ihre verbindliche Kraft für den Handelnden in Rücksicht auf die Handlungsfähigkeit, die für die Rechtsgeschäfte im engeren Sinne maßgebenden Regeln Anwendung“757
finden. § 682 regelt, dass ein geschäftsunfähiger oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Geschäftsführer dem Geschäftsherrn nur nach Maßgabe des Bereicherungsrechts (§ 812 ff.) und des Deliktsrechts (§§ 823 ff.) hafte. Insofern wird die Haftung dieses Geschäftsführers abgemildert und entschärft. Die Anwendung der für Rechtsgeschäfte geltenden Vorschriften ergibt sich für die 1. Kommission „im Allgemeinen mit Nothwendigkeit aus Gründen, auf welchen jene Regeln beruhen“758. Man möchte demnach den nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer privilegieren, weil diesem die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt759 bzw., weil er nicht zur eigenverantwortlichen Willensbildung in der Lage ist760. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Gesetzgeber die Anwendung der Vorschriften über die Behandlung von Rechtsgeschäften dahingehend verstand, dass das Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag im Falle der Geschäftsunfähigkeit oder der beschränkten Geschäftsfähigkeit gar nicht ausgelöst wird. Eine solche Wirkung haben die §§ 104 ff. in der direkten Anwendung. Aufgrund der nichtigen Willenserklärung entsteht das gesamte vertragliche Verhältnis, mit allen Pflichten, aber auch Rechten des Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen nicht. Oder wollte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 682 zwar die Haftung, also die Pflichten des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers abschwächen, ihm jedoch die aus §§ 677 ff. resultierenden Ansprüche gewähren? In diesem Fall wäre das Schuldverhältnis nach §§ 677 ff. ausgelöst, jedoch mit einer einschränkenden Haftungsausgestaltung. Die Wirkung der §§ 104 ff. wäre demnach verfehlt.
755
Meier, BauR 2016, 565 m. w. N. Vgl. Kapitel 5, I., I., 1., S. 263 f. Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 480. 758 Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 480. 759 Wendtland, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 104, Rn. 1 f.; Müller, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, Vorbemerkung vor § 104, Rn. 1. 760 Schmitt, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, Vor § 104, Rn. 2. 756 757
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
II. Auslegung des § 682 hinsichtlich der Pflichten des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers 1. Katalog der Pflichten Mit der Verantwortlichkeit i. S. v. § 682 können folgende Pflichten des Geschäftsführers, gemeint sein: yy Pflicht zur interessengemäßen Durchführung des Geschäfts nach § 677 HS. 2 yy Schadensersatzhaftung wegen der interessenwidrigen Geschäftsbesorgung nach §§ 280 Abs. 2, 677 HS. 2 yy Schadensersatzhaftung wegen der interessenwidrigen oder willenswidrigen Übernahme der Geschäftsführung nach § 678 yy Anzeige- und Wartepflichten nach § 681 S. 1 yy Benachrichtigungs- Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nach §§ 681 S. 1, 666 yy Herausgabepflichten nach §§ 681 S. 2, 667 Aus materiellrechtlicher Sicht sind offensichtlich die Schadensersatzansprüche nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 und nach § 678 ausgeschlossen. Ansonsten wäre die Aufrechterhaltung der Haftung wegen unerlaubter Handlungen, die dahingehende Schadensersatzansprüche anbieten kann, in § 682 und die explizite Anknüpfung an die „Vorschriften über den Schadensersatz“ nicht verständlich. Ebenfalls materiellrechtlich wird die Herausgabepflicht aus §§ 681 S. 2, 667 ausgeschlossen. Eine solche ist nun nur nach §§ 812 ff. begründbar. Auch dies spricht § 682 explizit an („Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung“). Übrig bleiben die Durchführungspflicht nach § 677 HS. 2, die Anzeige- und Wartepflichten nach § 681 S. 1 und die Benachrichtigungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nach §§ 681 S. 1, 666. Diese Pflichten gibt es weder im Bereicherungs- noch im Deliktsrecht. Es gibt demnach keine materiellrechtliche Schnittmenge zur Geschäftsführung ohne Auftrag. § 682 könnte diesbezüglich in zweierlei Hinsicht verstanden werden. Entweder soll durch § 682 auch diese Haftung ausgeschlossen werden, da das Bereicherungs- und Deliktsrecht, nach denen gehaftet wird, ähnliche Regelungen nicht bereithalten. Andererseits könnte § 682 auch rein nach der materiellrechtlichen Überschneidung der §§ 677 ff. mit den §§ 812 ff. und den §§ 823 ff. ausgelegt werden. Da es diese Pflichten in §§ 812, 823 ff. nicht gibt, bleibt die Haftung aufrechterhalten.
2. Grammatikalische Auslegung Die fehlende ausdrückliche Erwähnung der Pflichten aus § 677 HS. 2, § 681 S. 1 und aus §§ 681 S. 2, 666 in § 682 im Gegensatz zur ausdrücklichen Erwähnung der Schadensersatz- und Herausgabepflichten könnten für die zweite
J. Analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf die Geschäftsführung ohne Auftrag? 271
Auslegungsalternative sprechen. Vorzugswürdiger ist dennoch die erste Alternative, die den Ausschluss der ganzen Haftung des nicht voll Geschäftsfähigen zur Folge hat. Die systematische Stellung des § 682 nach § 677 und § 681, bzw. des § 677 und § 681 vor § 682, und die Sicherstellung einer einheitlichen Behandlung mit der Haftung auf Herausgabe nach §§ 681 S. 2, 667 drängen auf dieses Ergebnis hin. Im Wortlaut des § 682 ist zu erkennen, dass der geschäftsunfähige bzw. beschränkt geschäftsfähige Geschäftsführer „nur“ nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung und nach den Vorschriften über Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verantwortlich sein soll, also nur danach, was das Bereicherungs- und Deliktsrecht bereithält. Wollte der Gesetzgeber nur die Haftung für Schadensersatz und Herausgabe abschwächen, die sonstigen Pflichten jedoch beibehalten, so hätte eine andere Formulierung näher gelegen, wie etwa „so ist der Geschäftsführer für Schadensersatz nur nach den Vorschriften wegen einer unerlaubten Handlung und für Herausgabe nur nach den Vorschriften einer ungerechtfertigten Bereicherung verantwortlich“.
3. Auftragsrechtliche Struktur der Pflichten aus §§ 677 ff. und Konterkarierung der Normzwecke Außerdem zeichnen sich insbesondere der § 677 HS. 2 und § 666, ebenso wie § 667 und § 670, durch ihre auftragsrechtliche und damit vertragliche Haftungsstruktur aus. § 677 HS. 2 beinhaltet eine Durchführungspflicht, die im Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsrecht zwar nicht ausdrücklich vorgesehen ist, die jedoch dort genauso enthalten ist761. Selbstverständlich muss auch der Beauftragte den Auftrag, der Geschäftsbesorger die Geschäftsbesorgung interessengemäß ausführen. Das Gleiche gilt in Bezug auf § 666. Direkte Anwendung findet § 666 auf den Auftragsvertrag. Entsprechende Anwendung findet er gem. § 675 Abs. 1 auf die entgeltliche Geschäftsbesorgung, gem. § 27 Abs. 3 auf den bestellten Geschäftsführer eines Vereines und nach § 2218 Abs. 1 auf den Testamentsvollstrecker. Der entgeltlichen Geschäftsbesorgung liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde. Wird zwischen dem Vereinsgeschäftsführer ein Anstellungsvertrag geschlossen, so haftet dieser ohnehin nach §§ 675 Abs. 1, 666. Wird kein Vertrag geschlossen, so muss der Vereinsgeschäftsführer nach der überzeugenden h. M. gleichwohl die Bestellung annehmen762, sodass auch in diesem Fall eine vertragsähnliche Konstruktion zugrundeläge. Ein, zwar gesetzliches, Schuldverhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben, mit einer umfangreichen Anwendung des Auftragsrechts (§ 2218 Abs. 1), kann nur entstehen, wenn der Erstere dieses Amt auch annimmt (§ 2202 Abs. 1). Auch hier 761 762
Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 662, Rn. 25 ff., § 675, Rn. A 22. BGH NJW 1975, 2101; Weick, in: Staudinger, 2005, § 27, Rn. 10.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
kommt man nicht ganz ohne vertragsähnliche Elemente aus, die letztlich die Entstehung der Pflicht nach § 666 begründen. Zusammenfassend wäre es ungerechtfertigt diese Pflichten für den nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer aufrechtzuerhalten. Ganz besonders sieht man dies in den Fällen, in denen zwischen dem nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn der Vertrag, etwa ein Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag, wegen der fehlenden Geschäftsfähigkeit nach §§ 104–115 nicht zustandekommt. Weil ein Vertrag fehlt, käme (vorausgesetzt die §§ 677 ff. sind auf die nichtigen Verträge anwendbar) die Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. in Betracht. Legte man sodann die vertraglich geprägten Pflichten nach §§ 677 HS. 2, 681 S. 2 i. V. m. 666 dem nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer auf, wäre die gesetzgeberische Entscheidung zum Schutze des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers nach §§ 104– 115 ff. konterkariert. Dies ist freilich kein Argument für die analoge Anwendung der §§ 104–115, sondern die teleologische Sicherstellung einer aus dem Vertragsrecht stammenden gesetzgeberischen Entscheidung, die durch das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag unterlaufen wäre.
4. Ergebnis Die Ausschlusswirkung des § 682 umfasst demnach sowohl die Durchführungspflicht nach § 677 HS. 2, die Anzeige- und Wartepflichten nach § 681 S. 1, als auch die Benachrichtigungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflichten nach §§ 681 S. 1, 666763.
III. Auslegung des § 682 hinsichtlich der Rechte des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers 1. Meinungsstand Viel maßgebender für diese Untersuchung ist jedoch die Frage, ob der Gesetzgeber mit § 682 auch die Rechte des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers aus §§ 677 ff. ausschließen wollte. Hierzu haben sich ganz unterschiedliche Auffassungen herausgebildet. Die Antipoden bilden auf der einen Seite die Vertreter des völligen Ausschlusses der §§ 677 ff., samt der darin verankerten 763 So i. E. auch Canaris, NJW 1964, 1987, 1988 f.; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 617, Fn. 28; wohl a. A. Köbler, JuS 1979, 789, 793, wenn er schreibt, dass abgesehen von Schadensersatz- und Herausgabeansprüchen, die übrigen Rechte und Pflichten des Geschäftsführers nach §§ 677 ff. unberührt bleiben, dabei als Beispiel nur den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683 S. 1, 670 – ein Recht – nennend; a. A. Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 271 f.; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, § 682, Rn. 3; Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 71 f.; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 682, Rn. 2.
J. Analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf die Geschäftsführung ohne Auftrag? 273
Ansprüche des Geschäftsführers764, und auf der anderen Seite diejenigen, die alle aus §§ 677 ff. sich ergebenden Rechte erhalten, indes alle sich ergebenden Pflichten ausschließen wollen765. Andere wollen zwar Rechte für den Geschäftsführer behalten, Schadensersatz- und Herausgabepflichten in §§ 823 ff. bzw. in §§ 812 ff. verlagern, jedoch den nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer einer Durchführungspflicht nach § 677 HS. 2 und den Pflichten aus § 681 S. 1 und § 682 S. 2 i. V. m. § 666 unterwerfen766. Zu den Letzteren wurde bereits im vorhergehenden Abschnitt Stellung bezogen. Knoche geht einen eigenen Weg und führt das Modell des negotium claudicans aus dem römischen Recht an. Danach entstehen Rechte des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers nach §§ 677 ff. nur dann, wenn der gesetzliche Vertreter die Ansprüche des Letzteren aus §§ 677 ff. auch geltend macht. Die unmittelbare Konsequenz der Geltendmachung ist indes, dass in diesem Fall auch die Pflichten nach §§ 677 ff. begründet werden767. Diederichsen und Dorn befürworten wiederum eine Unterscheidung nach der Art der Geschäftsbesorgung. Bestehe diese in der Abgabe einer einseitigen Willenserklärung oder im Abschluss eines Vertrages (§§ 145 ff.) mit einem Dritten, sei für den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683 S. 1, 670 die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters notwendig. Handele es sich dagegen um ein tatsächliches Verhalten, so sei diese, wie sonst auch bei Realakten, nicht erforderlich768. Sodann plädiert Diederichsen beim Umfang dieses Anspruches indes für eine Beschränkung. Könne der nicht voll geschäftsfähige Geschäftsführer weniger nach §§ 683 S. 1, 670 verlangen, als er Schaden angerichtet hat, so sei der Aufwendungsersatzanspruch ausgeschlossen, oder, wenn
764 LG Aachen NJW 1963, 1252, 1253; Engelmann, in: Staudinger, 1912, § 682, S. 1305 f.; Denecke, in: RGRK, 10. Aufl., 1953, § 682, Anm. 2, 3. 765 Canaris, NJW 1964, 1987, 1988 f.; Köbler, JuS 1979, 789, 793, vgl. jedoch oben die Fn. 1181; Rödder, JuS 1983, 930, 932; Esser/Weyers, Schuldrecht BT, Band II, Teilb. 2, 1979, § 46, II., 1., b), S. 8; Esser/Weyers, Schuldrecht BT, Band II, Teilb. 2, 8. Aufl., 2000, § 46, II., 1., b), S. 7; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 682, Rn. 4, der die im Detail nicht geklärte Meinung, nach der die §§ 104 ff. „nicht oder nur eingeschränkt“ anzuwenden sind, vorzieht; Plate, Das gesamte examensrelevante Zivilrecht, 6. Aufl., 2016, S. 1030; Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 682, Rn. 2 ff.; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 868 f.; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, Rn. 88, wobei er sich im Bezug auf die Durchführungspflicht des Geschäftsführers nach § 677 nicht festlegt, vgl. Fn. 185; wohl auch Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 682, Rn. 2. 766 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 271 f.; ders., in: Staudinger, BGB, 2015, § 682, Rn. 3; Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 71 f.; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 682, Rn. 2. 767 Knoche, MDR 1964, 193, 195. 768 Diederichsen, MDR 1964, 889, 890 f.; Dorn, NJW 1964, 799, 802; auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 14. Aufl., 1986 1. Band, § 57, I., a), S. 446; und Steffen, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 682, Rn. 1 ff.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
der Schaden die Aufwendungen unterschreite, in entsprechenden Umfang anzurechnen769.
2. Stellungnahme a) Historie, Wortlaut, Systematik und telos Die Motive der 1. Kommission und Protokolle der 2. Kommission geben wenig Aufschluss über diese Fragestellung. Erkennbar ist jedoch, dass die 1. Kommission im § 749 Abs. 1 E-1 – also im heutigen § 677 HS. 1 – diejenige Vorschrift gesehen hat, die „zugleich diejenigen Voraussetzungen fest[legt], von deren Vorhandensein die Anwendung dieses Titels im Allgemeinen abhängt“770. Von einer Ausnahme durch § 682, die den Ausschluss der ganzen Obligation nach §§ 677 ff. nach sich zöge, war in den Gesetzgebungsunterlagen keine Rede. Systematisch befindet sich § 682 vor den Ansprüchen aus § 683 und § 684, was daraufhin hindeutet, dass er diese nicht in den Blick nimmt. Diese systematische Stellung hatten auch die Vorgängerregelungen der 1. Kommission. Ein anderes Ergebnis wäre freilich auch grammatikalisch kaum begründbar, denn § 682 spricht von der Verantwortlichkeit („verantwortlich“) des Geschäftsführers, also von seiner Haftung771 gegenüber dem Geschäftsherrn, nicht dagegen von seinen Ansprüchen und Rechten. Auch aus teleologischen Gründen wäre der Ausschluss der Rechte nicht nachvollziehbar. Der nicht voll geschäftsfähige Geschäftsführer soll aufgrund seiner mangelnden Einsichts- und Urteilsfähigkeit durch § 682 besonders behandelt werden. Der Verlust seiner Rechte und Ansprüche wäre nicht angezeigt. An diesem Punkt unterscheiden sich die gesetzlichen Schuldverhältnisse von den vertraglichen. Bei den letzteren hat der völlige Ausschluss von vertraglichen Pflichten und Rechten wegen §§ 104–115 seine absolute Berechtigung, denn die Verpflichtungen des einen Teils haben ihren Ursprung, wenigstens mittelbar (bei nicht synallagmatischen Verhältnissen), in den Verpflichtungen des anderen Teils. Entfallen also die Pflichten und Rechte auf der einen Seite, muss das Gleiche auf der Gegenseite geschehen772. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Pflichten und Rechten des Geschäftsherrn und den Pflichten und Rechten des Geschäftsführers ist dagegen nicht gegeben. Andererseits soll die Haftung des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers auch nicht ganz entfallen. „Zum Schutze des Geschäftsherrn dient und genügt die vorsorgliche besondere Bestimmung, daß in concreto be769
Diederichsen, MDR 1964, 889, 891.
770 Motive II, 1888, S. 854 = Mugdan II, 1899, S. 477. 771 So auch Knoche, MDR 1964, 193, 194; Diederichsen,
MDR 1964, 889, 890; Dorn, NJW 1964, 799, 801 f.; Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 68; Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 272; Esser/Weyers, Schuldrecht BT, Band II, Teilb. 2, 1979, § 46, II., 1., b), S. 8. 772 Canaris, NJW 1964, 1987, 1989.
J. Analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf die Geschäftsführung ohne Auftrag? 275
gründete Haftung aus unerlaubter Handlung [und aus ungerechtfertigter Bereicherung] unberührt bleibt“773. Dies benachteiligt den Geschäftsherrn insoweit, als der nicht voll geschäftsfähige Geschäftsführer ihm die Einrede der Entreicherung (§ 813 Abs. 3) vorhalten könnte. Das Deliktsrecht enthält im Vergleich zum Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 keine für den Geschäftsherrn vorteilhafte Beweislastumkehr (§ 280 Abs. 1 S. 2), es schützt nicht das Vermögen, regelt die Haftung des Minderjährigen in §§ 827, 828 in besonderer Weise und sieht eine Exkulpation für das Handeln eines Verrichtungsgehilfen (§ 831) vor. Diese Punkte benachteiligen den Geschäftsherrn, stellen ihn aber nicht völlig schutzlos. Es ist mit Worten von Wittmann eine „Zuerkennung eines Minimums, auf das der Geschäftsführer stets haften solle“774. Zusammen mit der h. M. ist bzgl. der Rechte des nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers demnach zu schlussfolgern, dass diese erhalten bleiben.
b) Unterscheidung nach Diederichsen und Dorn Die von Diederichsen und Dorn vorgeschlagene Unterscheidung zwischen rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Geschäftsführungen ohne Auftrag überzeugt nicht, weil sie an das falsche Verhältnis anknüpft. Im Verhältnis zum Dritten kann die Führung des Geschäfts durch den nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer tatsächlich ein Rechtsgeschäft, eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung oder einen Realakt darstellen. Auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts finden die §§ 104 ff. direkte, auf die rechtsgeschäftsähnliche Handlung gegebenenfalls (so die Analogievoraussetzungen erfüllt sind) analoge Anwendung, während Realakte diesen Anforderungen nicht genügen müssen. Im Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn handelt es sich jedoch, so die Voraussetzungen des § 677 HS. 1 erfüllt sind, um eine Geschäftsführung ohne Auftrag, also stets um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung775. Insofern wäre stets zu prüfen, ob bei den in Betracht kommenden Vorschriften die Analogievoraussetzungen erfüllt sind. Einen Automatismus für die analoge Anwendung gibt es freilich nicht.
c) Knoches Modell der negotium claudicans Auch das von Knoche angeführte Modell der negotium claudicans kann kaum überzeugen. Mit diesen versucht er das Äquivalenzverhältnis (!) zwischen dem nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn wieder773 774
Motive II, 1888, S. 860 = Mugdan II, 1899, S. 480. Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 68. 775 Diejenigen Autoren, die in der Geschäftsführung ohne Auftrag ein tatsächliches Handeln erblicken, erkennen ebenfalls die Anknüpfung an das falsche Verhältnis, Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 682, Rn. 2; Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 682, Rn. 2; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 682, Rn. 2.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
herzustellen776. Knoches Botschaft ist: Wenn der gesetzliche Vertreter den Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 683 S. 1, 670 geltend mache, müsse er auch mit der GoA-spezifischen Haftung rechnen. „Wer den guten Tropfen genießt, muß auch den bösen genießen“777. Die Wahrung des Äquivalenzverhältnisses werde außerdem dem Ordnungsgedanken des Schuldrechts778, einem Gedanken, den auch die §§ 677 ff. tragen779, gerecht. Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass das Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag kein synallagmatisches Verhältnis darstellt. Der Versuch, ein Äquivalenzverhältnis herzustellen ist nicht nur verfehlt, er ist unzulässig. Die Verweisung des § 683 S. 3 auf den Aufwendungsersatzanspruch im § 670 macht weder die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff.) noch den Auftrag (§§ 662 ff.) zu einem Synallagma780. Schwer wiegt auch, aus dem, auf einem Ordnungsgedanken basierenden Schuldrecht, die Zurückbehaltungsrechte in analoger Anwendung nach §§ (!) 273, 274, und (!) 320, 322 zu gewähren781. Wäre der § 320 auf die §§ 677 ff. anwendbar, so bedurfte es dieses gar nicht, weil diese Aufgabe ein dahingehendes allgemeines Zurückbehaltungsrecht nach § 273 erledigen könnte782. Die so wichtige Unterscheidung zwischen § 273 und § 320 wäre demnach aufgehoben. Es ist gerade der Zweck der §§ 320 ff. in einem besonderen Verhältnis der synallagmatischen Verträge einen besonderen Ausgleich zu schaffen. Zu solchen Verhältnissen gehört die echte Geschäftsführung ohne Auftrag nicht.
IV. Ergebnis Die Analyse hat somit ergeben, dass der Gesetzgeber die Vorschriften über die Behandlung von Willenserklärungen auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, damit auch auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag, im Grundsatz anwenden wollte. Bzgl. der §§ 104–115 geht er jedoch einen speziellen Weg. Zum einen wird durch § 682 die ganze GoA-spezifische Haftung ausgeschlossen und der Geschäftsherr auf das Bereicherungs- und Deliktsrecht verwiesen. Dies entspricht der Wirkung von §§ 104–115, denn ihre Anwendung führt zum Ausschluss aller vertraglichen Pflichten. Zum anderen hängt indes die Obligationsbegründung der §§ 677 ff. nicht von der Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers ab. Ansonsten würden seine Rechte, insbesondere die aus §§ 683 S. 1, 670, 684, nicht erhalten bleiben. § 682 nimmt auf die Rechte des Geschäftsfüh776 777
Knoche, MDR 1964, 193, 195. Knoche, MDR 1964, 193, 194. 778 Knoche, MDR 1964, 193, 195. 779 Knoche, MDR 1964, 193, 194. 780 So bereits im Jahr 1964, Diederichsen, MDR 1964, 889, 891; Canaris, NJW 1964, 1987, 1989, Fn. 18. 781 Knoche, MDR 1964, 193, 195. 782 Diederichsen, MDR 1964, 889, 891.
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung
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rers keinen Bezug und schließt diese nicht aus. Die Wirkung der §§ 104–115 hat dagegen zur Folge, dass das ganze Verhältnis, samt seiner Pflichten und Rechte nicht entsteht. In dieser Hinsicht wird also jene Wirkung verfehlt. Insofern handelt es sich bei § 682 um eine Vorschrift, die hinsichtlich der Pflichten mit §§ 104–115 identisch ist, hinsichtlich der Rechte jedoch von diesen divergiert, bzw. genau die gegenteilige Wirkung verursacht. § 682 stellt damit eine gegenüber den §§ 104–115 spezielle Regelung dar. Für die analoge Anwendung der Letzteren fehlt es zwar nicht an der vergleichbaren Interessenlage, jedoch an der planwidrigen Regelungslücke. Die Analogie ist nicht begründet.
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung ohne Auftrag Nun gilt es die Frage zu klären, ob die §§ 134, 138, 139 eine analoge Anwendung auf das Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag finden. Wie bereits bei §§ 104–115 verleitet ihre rechtsgeschäftsähnliche Rechtsnatur dazu, die analoge Anwendung ins Feld zu führen. Wie ebenfalls bereits dargelegt, ist aus den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmen, dass der BGB‑ Gesetzgeber die Vorschriften über die Behandlung von Willenserklärungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechend anwenden wollte. Dies bedeutet jedoch keinen Automatismus, sondern stets die Notwendigkeit, die anerkannten Analogievoraussetzungen zu prüfen. Diese sind im Hinblick auf die §§ 104–115 nicht erfüllt. Ob dies in Hinblick auf die §§ 134, 138, 139 der Fall ist, gilt es einer Überprüfung zu unterziehen.
I. Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach §§ 134, 138, 139 Zunächst gilt es die §§ 134, 138, 139 selbst in den Blick zu nehmen, bevor sie sodann auf das Recht der §§ 677 ff. transferiert werden.
1. Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach §§ 134, 138 a) § 134 § 134 ordnet die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts an, wenn dieses gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Ein Verbotsgesetz ist jede Rechtsnorm (Art. 2 EGBGB), nach deren Zweck die Rechtsfolge des § 134 – Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts – vom Gesetzgeber intendiert war783. Zu einer besseren Differenzierung sollte dabei auf die römische 783
Armbrüster, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 134, Rn. 41 f.; Sack/Seibl, in:
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Schuljurisprudenz zurückgegriffen werden. Danach gibt es (1) Verbotsgesetze, die die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts bezwecken – leges perfectae –, (2) Verbotsgesetze, die zwar nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge haben, jedoch seine Vornahme mit Sanktionen versehen – leges minus quam perfectae – und (3) schließlich solche Verbotsgesetze, die nur das Verbot aussprechen, indes weder die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts noch eine Sanktion vorsehen – leges imperfectae784. Ob eine lex perfecta vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln785. Dabei bezieht sie sich auf das Verbotsgesetz selbst und nicht auf den § 134786. Anhaltspunkte für die Auslegung bietet der Wortlaut des Gesetzes, wenn dieser etwa solche Ausdrücke wie „darf nicht“ oder „kann nicht“ enthält787. Stattdessen deuten die Ausdrücke „soll nicht“ oder „soll nur“ nicht auf ein Verbotsgesetz, sondern nur auf eine bloße Ordnungsvorschrift hin788. Dem Wortlaut sollte freilich nicht zu große Bedeutung beigemessen werden, zumal dieser oft unergiebig ist789. Bzgl. der Rechtsfolge des § 134 ist eine Differenzierung vorzunehmen. Verstoßen beide Vertragsparteien gegen das Verbotsgesetz (= beidseitiger Verstoß), ist das Rechtsgeschäft grundsätzlich nichtig und nur ausnahmsweise wirksam. Verstößt dagegen nur einer der Vertragspartner gegen das Verbotsgesetz (= einseitiger Verstoß), ist das Rechtsgeschäft grundsätzlich wirksam und nur ausnahmsweise nichtig790. Dies liegt an der Schutzbedürftigkeit desjenigen Vertragspartners, dem kein Verbotsgesetzverstoß vorzuwerfen ist und der auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut791.
Staudinger, 2017, § 134, Rn. 34; Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 46; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1444; Meier/Wick, WM 2017, 1338, 1340; Peter, JA 2014, 248, 249; Köhler, JuS 2010, 665, 666; ders., JZ 2010, 767 f. 784 Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, § 17, S. 340 f.; Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1089; Seiler, GS Martens, 1987, 719, 721. 785 Mugdan I, 1899, S. 468: „Es kommt … auf die Absicht des Gesetzes im Einzelfalle an“, es handele sich stets um eine „Auslegungsfrage“. 786 Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1090; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Aufl., 2016, Rn. 646. 787 Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1444; Meier/Wick, WM 2017, 1338, 1340; Köhler, BGB, Allgemeiner Teil, 41. Aufl., 2017, § 13, Rn. 12. 788 Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 45, Rn. 8. 789 Meier/Wick, WM 2017, 1338, 1340; Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1092. 790 Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 46; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1444; Meier/Wick, WM 2017, 1338, 1340 f.; Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, 1983, S. 29 ff.; 31; ders., NJW 1985, 2404, 2405; Köhler, BGB, Allgemeiner Teil, 41. Aufl., 2017, § 13, Rn. 12 f. 791 Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 46; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1444; Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, 1983, S. 29 ff.; Podewils, DB 2008, 1846, 1849.
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung
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b) § 138 Bei § 138 gilt es zwischen Abs. 1 und Abs. 2 zu unterscheiden. Nach § 138 Abs. 1 ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn dieses gegen die guten Sitten verstößt. Dabei unterließ es der Gesetzgeber, den Begriff der „guten Sitten“ zu definieren. Die 1. Kommission nahm einen Sittenverstoß dann an, wenn das Rechtsgeschäft „den in den guten Sitten sich ausprägenden Auffassungen und dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht“792. Gefolgschaft fand sie in der Rechtsprechung, die sie seit jeher verwendet793. Diese doch sehr unbestimmte Definition stieß bereits bei der 1. Kommission auf „Bedenken“794, die freilich mit dem zweifelhaften Argument zurückgewiesen wurden, dass „Bei der Gewissenhaftigkeit des deutschen Richterstandes … indessen unbedenklich darauf vertraut werden [darf], daß die Vorschrift nur in dem Sinne angewendet werden wird, in dem sie gegeben ist“795. Die Unbestimmtheit der „guten Sitten“ hat indes auf der anderen Seite zwei entscheidende Vorteile. Zum einen hat der Rechtsanwender die Frage nach dem Vorliegen des Sittenverstoßes nicht an seinem subjektiven Empfinden oder nach seiner persönlichen Einstellung, sondern an der Wertung der Gesellschaft zu orientieren796. Der Maßstab ist also ein „Objektivum“797. Zum anderen erlaubt sie, die sich ständig wandelnden Anschauungen der Gesellschaft in die Vorschrift des § 138 zu implementieren798 und fördert somit die durchaus erforderliche Flexibilität des Rechts. Gegenständlich betrifft § 138 Abs. 1 die zivilrechtliche Verankerung der in der Gesellschaft akzeptierten Werte, die philosophische, religiöse, politische oder soziale Ausprägungen haben können799. Diese Grundwerte mögen bereits in rechtlich verbindlichen Normen enthalten sein. Sie müssen es jedoch nicht. Das Recht regelt insoweit nur das „ethische Minimum“800. Die §§ 242, 826 und § 138 gehen darüber hinaus und spiegeln die herrschende Sozialmoral wieder801. Ob ein Rechtsgeschäft (!)802 gegen die guten Sitten verstößt, ist „aus der Zusammenfassung von Inhalt, Motiv und Zweck zu entnehmenden Gesamt792 Mugdan II, 1899, S. 406. 793 RGZ 48, 114, 124; BGHZ
69, 295, 297; BGH NJW 1999, 2266, 2267; BGH NZA 2006, 1354, 1355. 794 Mugdan I, 1899, S. 469. 795 Mugdan I, 1899, S. 469. 796 Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 46, Rn. 8: „Die Gefahr der moralischen Eigenwertung“. 797 Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, § 18, S. 364. 798 In diese Richtung auch Wertenbruch, BGB, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., 2017, § 19, Rn. 2, die fehlende Definition des sittenwidrigen Geschäfts stelle kein „Defizit“ dar. 799 Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1152. 800 Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1152. 801 Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1152. 802 Richtigerweise weist Flume daraufhin, dass es bei § 138 um die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts und nicht die der Handlung geht. Die Sittenwidrigkeit der Handlung ist eine
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
charakter, nach den objektiven und subjektiven Momenten“803 zu bestimmen. Der maßgebliche Zeitpunkt ist die Vornahme des Geschäfts804. Zur sichereren Rechtsanwendung gilt es auf die in der Kasuistik entwickelten Fallgruppen zu rekurrieren, wobei stets berücksichtigt werden sollte, dass diese nicht abschließend sind. § 138 Abs. 2 behandelt das sog. „Wuchergeschäft“. Dieses liegt dann vor, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, welches unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels am Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche „erbeutet“ wurde. Der Ausdruck „insbesondere“ lässt erkennen, dass es sich beim Wuchergeschäft um einen speziellen, gesetzlich geregelten Fall eines sittenwidrigen Geschäfts handelt. § 138 Abs. 2 ist im Verhältnis zu § 138 Abs. 1 lex specialis805. Diese Erkenntnis wird dadurch verstärkt, dass § 138 Abs. 2 nur auf gegenseitige Verträge Anwendung findet806, da dieser eine „Leistung“ und „Gegenleistung“ verlangt. Liegen die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 bei gegenseitigen Verträgen nicht vor, ist der Rekurs auf § 138 Abs. 1 nicht gänzlich versperrt. Erforderlich werden für solche „wucherähnlichen Geschäfte“ jedoch zusätzliche Umstände, die, wie z. B. die verwerfliche Gesinnung807, dem Rechtsgeschäft ein über die Umstände des § 138 Abs. 2 hinaus anstößiges Gepräge verleihen808. Anders als bei § 134 ist die Rechtsfolge bei § 138 Abs. 1 und bei § 138 Abs. 2 stets die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Einen Hilfsanker, wie es diesen bei § 134 („wenn sich nicht aus dem Geschäft ein anderes ergibt“) gibt, ist in § 138 nicht zu finden.
2. Die subjektiven Voraussetzungen der §§ 134, 138 Auch bei den subjektiven Voraussetzungen unterscheiden sich die §§ 134, 138. Bei § 134 wird die subjektive Seite nur dort nötig, wo das Verbotsgesetz selbst eine solche Voraussetzung aufstellt. Ist in dem Verbotsgesetz nur der objektiFrage des § 826, Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, § 18, S. 368; auch Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Aufl., 2016, Rn. 681. 803 RGZ 56, 229, 231; 63, 346, 350; 68, 97, 98; BGH LM § 138 (Aa) Nr. 7a. 804 BGH NJW 1996, 1274, 1276; Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1156; Köhler, BGB, Allgemeiner Teil, 41. Aufl., 2017, § 13, Rn. 21; Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 46, Rn. 26. 805 Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 46, Rn. 49: „Sonderfall“; ebenso Armbrüster, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 138, Rn. 140; Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1158: „Spezialfall“. 806 Köhler, BGB, Allgemeiner Teil, 41. Aufl., 2017, § 13, Rn. 36. 807 BGH NJW 2014, 393. 808 Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 46, Rn. 49; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Aufl., 2016, Rn. 711; Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1193.
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ve Tatbestand enthalten, kann zwar der Vorsatz bzw. die Fahrlässigkeit bei der Abwägung, ob der Verbotsgesetzverstoß zur Nichtigkeit des Vertrages führen muss, berücksichtigt werden809. Der Verschuldensmaßstab stellt jedoch keine echte Voraussetzung dar810. Bei § 138 Abs. 1 ist die subjektive Seite umstritten. Die Rechtsprechung und überwiegende Auffassung811 verlangen sie in der schwachen Form, dass die Beteiligten die tatsächlichen Umstände, die die Sittenwidrigkeit begründen, gekannt haben oder sich dieser Kenntnis bewusst entzogen haben müssen, während eine andere Auffassung sie gleich ablehnt812. Bei § 138 Abs. 2 werden die subjektiven Voraussetzungen dagegen bereits aus dem Tatbestand erkennbar (Ausbeutung der Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel am Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche).
3. Verhältnis der §§ 134, 138 zu § 139 Sowohl § 134 als auch § 138 haben die Nichtigkeit eines „Rechtsgeschäfts“ zur Folge. Dabei ist unter dem Rechtsgeschäft nicht stets der ganze Vertrag nach §§ 145 ff. zu verstehen, auch wenn es in der Regel um die Nichtigkeit von Verträgen gehen wird. Ein Rechtsgeschäft kann auch eine einseitige (empfangsoder nicht empfangsbedürftige) Willenserklärung, etwa eine Kündigungserklärung, eine Aufrechnungs- oder etwa eine Anfechtungserklärung sein813. Auch gilt es darauf hinzuweisen, dass ein Vertrag i. S. v. §§ 145 ff. lediglich die Abgabe von zwei inhaltlich übereinstimmenden, aufeinander bezogenen Willenserklärungen, die die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) enthalten, voraussetzt. Diese Erkenntnis ist auf die dem BGB zugrundeliegende Erklärungstheorie zurückzuführen814. Sie lässt sich aber auch aus § 151 HS. 1 herauslesen („Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, …“). Ein Vertrag im weiteren Sinne, also ein Konglomerat von Willenserklärungen815, kann freilich neben den wesentlichen Vertragsbestandteilen
809 BGHZ 132, 313, 318; Vossler, in: BeckOGK, BGB, 15. 06. 2018, § 134, Rn. 68; Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1110. 810 BGHZ 122, 115, 122; 116, 268, 276; Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, 1983, S. 23; Sack/Seibl, in: Staudinger, 2017, § 134, Rn. 82; Vossler, in: BeckOGK, BGB, 15. 06. 2018, § 134, Rn. 68; Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1110; Wolf/ Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012b; Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 45, Rn. 22. 811 BGH NJW 2004, 2671, 2673; BGH NJW 1982, 1455; BGH NJW 1956, 706, 707; Sack/Fischinger, in: Staudinger, 2017, § 138, Rn. 145 ff. m. w. N. 812 Jakl, in: BeckOGK, BGB, 01. 07. 2018, § 138, Rn. 150 ff.; Armbrüster, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 138, Rn. 129 ff.; Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 46, Rn. 19 ff. 813 Vossler, in: BeckOGK, BGB, 15. 06. 2018, § 134, Rn. 45. 814 Vgl. dazu Wertenbruch, BGB, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., 2017, § 12, Rn. 1 ff. 815 Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1446; Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 47.
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noch viele weitere Vereinbarungen in sich aufnehmen (accidentialia negotii), die ebenfalls als Rechtsgeschäfte zu qualifizieren sind und als solche gegen die §§ 134, 138 verstoßen können. Zu fragen ist demnach, wie weit sich die Nichtigkeit nach §§ 134, 138 erstreckt. Dabei ist vorwegzunehmen, dass der Vertrag gesamtnichtig ist, so sich die Verbotswidrigkeit bzw. die Sittenwidrigkeit auf die wesentlichen Vertragsvereinbarungen bezieht. Ohne sie können die anderen Vertragsvereinbarungen keine rechtliche Wirksamkeit haben. Nicht geklärt ist dagegen die Frage, welche Auswirkungen die Nichtigkeit nach §§ 134, 138 von nicht wesentlichen Vertragsbestandteilen auf den gesamten Vertrag hat. Gangbar sind zwei dogmatische Wege: (1) Ergibt sich aus der Auslegung des Verbotsgesetzes bzw. aus der Auslegung der die Sittenwidrigkeit auslösenden Umstände, dass die Nichtigkeit nicht bloß eine Vertragsklausel (= Rechtsgeschäft) berührt, sondern den gesamten Vertrag erfasst, resultiere die Gesamtnichtigkeit bereits aus §§ 134, 138816. (2) Andererseits kann man der Auffassung sein, dass die Frage der Auswirkungen einer nach §§ 134, 138 nichtigen Vertragsklausel auf den gesamten Vertrag in § 139 geregelt wird817. Die besseren Argumente sprechen für die zweite Lösung. Sicherlich kann aus dem Verbotsgesetz bzw. aus der Schwere der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände nicht bloß die Nichtigkeit einer Vertragsklausel, sondern die Ablehnung des gesamten Vertrages resultieren. Dennoch sind die §§ 134, 138 als Einbruchsstellen für die gesamte Rechtsordnung und die herrschende Sozialmoral ins Zivilrecht zu sehen. Als solche geben sie das zivilrechtliche Korsett für den Einbruch vor. Sie legen also die Rechtsfolge (= Nichtigkeit) und den von der Rechtsfolge umfassten Gegenstand fest. Der letztere ist ein „Rechtsgeschäft“ und nicht der gesamte Vertrag. Die Auswirkungen eines nichtigen Rechtsgeschäfts auf den gesamten Vertrag regelt vielmehr § 139. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass § 139 von einem „Teil eines Rechtsgeschäfts“ spricht, sodass angenommen werden könnte, damit sei der Teil einer Vertragsklausel gemeint. § 139 ist freilich auf „zusammengesetzte Rechtsgeschäfte“, 816 So der BGH in Bezug auf „Ohne-Rechnung-Abreden“ bei Werkverträgen, BGH BauR 2013, 1852, 1853; BGH BauR 2014, 1141, 1142; BGH BauR 2015, 1655, 1656; BGH BauR 2017, 1808, 1809; dem BGH folgend, Armbrüster, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 134, Rn. 106; Vossler, in: BeckOGK, BGB, 15. 06. 2018, § 134, Rn. 89. 817 Bis zur Änderung seiner Rechtsprechung (vgl. die vorherige Fußnote) war auch der BGH dieser Ansicht, NJW‑RR 2008, 1050 Rn. 6: „Die Ohne-Rechnung-Abrede ist gem. §§ 134, 138 BGB nichtig. Ob das zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führt, richtet sich nach § 139 BGB“; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1446; Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 47, 50; Dölle, BauR 2015, 393, 396; in diese Richtung auch Peter, JA 2014, 248, 250; Popescu, ZfBR 2015, 3, 5.
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also auch auf Verträge anwendbar818. Insofern ist dem BGB‑Gesetzgeber mangelnde Präzision bzgl. der Verwendung der Rechtsbegriffe anzulasten. Die von der 1. Kommission819 und 2. Kommission820 ausgearbeiteten Vorgängerregelungen des § 139 bezogen sich nur auf aufgrund der Anfechtung nichtig gewordene Rechtsgeschäfte. Doch wurden die Folgen der „Nichtigkeit und Anfechtbarkeit“ sodann von der Redaktionskommission im Dritten Titel des Zweiten Abschnitts des Ersten Buches („Allgemeiner Theil“) einheitlich gestaltet und gemeinsamen Regelungen unterstellt821. Eine Differenzierung zwischen einem nach §§ 134, 138 nichtigen Rechtsgeschäft und einem aufgrund der Anfechtung nichtig gewordenen Rechtsgeschäft ist in § 139 nicht enthalten. Auch die heutige systematische Stellung des § 139, platziert sogleich nach §§ 134–138, spricht für dieses Ergebnis. Schließlich trägt § 139 auch dem (hypothetischen) Willen der Vertragsschließenden Rechnung, indem er im Falle einer nichtigen Vertragsklausel zwar grundsätzlich die Gesamtnichtigkeit anordnet, jedoch die Tür für die Aufrechterhaltung des Vertrages („wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde“) offenhält. Diese Tür wird indes sogleich geschlossen, wenn das Verbotsgesetz oder die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände den gesamten Vertrag zum Fall bringen sollen. Der Eingang von gesetzgeberischen Zwecken der nichtigkeitsauslösenden Normen ist in § 139 nicht verwehrt, sondern angezeigt822. In diesem Fall können sich die Parteien auch bei einem vorhandenen hypothetischen Willen zum Festhalten am Vertrag nicht über die Verbotswidrigkeit bzw. Sittenwidrigkeit hinwegsetzen823. Insofern kommt auch die hier vertretene Auffassung zur Gesamtnichtigkeit, ebenso wie dies die erstgenannte Auffassung, indes sogleich über §§ 134, 138, tut. Dennoch beachtet die zweite Auffassung die Dogmatik der §§ 134–139 und ermöglicht in Einzelfällen differenzierende Lösungswege.
4. Die Normzwecke der §§ 134, 138 Die Normzwecke der §§ 134, 138, 139 bestehen darin, einem gegen ein Verbotsgesetz oder gegen das Sittengebot verstoßenden Rechtsgeschäft die zivilrechtliche Wirksamkeit zu nehmen. Damit ist ausgedrückt, dass in einem Konflikt 818 BGH NJW‑RR 2008, 1050 Rn. 8; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1146; Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 47; Roth, in: Staudinger, BGB, 2015, § 139, Rn. 27. 819 Mugdan I, 1899, S. 475. 820 Mugdan I, 1899, S. 735. 821 Entwurf des BGB nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, 1892 I. Buch, Allgemeiner Teil, S. 30. Dritter Titel des … trägt den Namen: „Folgen der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit“. 822 Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1446; Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 47; Canaris, FS Steindorff, 1990, 519, 535, 539. 823 Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1446; Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 47.
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zwischen der Vertragsfreiheit der Parteien auf der einen und den Rechts- bzw. Sittengeboten der Gesellschaft auf der anderen Seite im Einzelfall den Letzteren Vorrang einzuräumen ist824. Damit geht der Entzug der durch den rechtsgeschäftlichen Akt ausgelösten Rechte und Pflichten einher825. Insbesondere dürfen, abgesehen von der in äußersten Fällen möglichen Korrektur über § 242, keine Rechte und Pflichten im Rahmen eines verbots- oder sittenwidrigen Vertrages entstehen. Die §§ 134, 138, 139 verhindern eine nach dem Vertragsrecht vorgesehene Kontrahierung und bringen im Falle der Gesamtnichtigkeit das ganze Gewährschuldverhältnis zu Fall. Der Gesetzgeber will postulieren: die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Gestaltung der Rechtslage und der daraus resultierenden Rechtsvorteile kommen nur dem zu Gute, der sich auch an die Rechts- bzw. Moralordnung hält. Halten sich die Parteien nicht daran, müssen sie mit einem von ihnen nicht intendierten und in der Regel auch ungünstigeren (z. B. keine Beweislastumkehr nach § 280 Abs. 1 S. 2, die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3, Exkulpationsmöglichkeit nach § 831, längere Verjährungsfristen) Ausgleich nach den gesetzlichen Schuldverhältnissen, insbesondere nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.), Deliktsrecht (§§ 823 ff.) und nach den Regelungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 985 ff.) abfinden. Ob zu solchen Verhältnissen auch das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag gehört, gilt es nun aufzuzeigen. Dafür ist die Analyse der Rechtsbzw. Pflichtenstruktur der echten Geschäftsführung ohne Auftrag notwendig. Für die spätere Auseinandersetzung mit § 817 S. 2 gilt jedoch bereits mitzunehmen, dass bei der Frage der Nichtigkeit des Vertrages nach §§ 134, 138, 139 immer zwei Normzwecke entscheidend sind. Der erste Zweck ergibt sich aus §§ 134, 138, 139. Diese geben ein zivilrechtliches Korsett vor, in das die Verbotsgesetze bzw. Sittengebote einfließen und zivilrechtliche Auswirkungen haben können. Welche Auswirkungen das sind, geben die §§ 134, 138, 139 vor – Nichtigkeit des Vertrages. Ob die verletzten Verbotsgesetze bzw. die Sittengebot der vorgegebenen Wirkung entsprechen, entscheidet sich sodann nach ihren eigenen Zwecken. In Ergebnis bedingen sich beide Normzwecke und sind in ihrer Verschmelzung entscheidend.
824 Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Aufl., 2012a, § 45, Rn. 1, S. 526, § 46, Rn. 1, S. 534; Köhler, BGB, Allgemeiner Teil, 41. Aufl., 2017, § 13, Rn. 1 ff.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 4. Aufl., 1992 II, § 17, S. 342; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Aufl., 2016, Rn. 645, Rn. 681. 825 Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl., 2016, Rn. 1089: „Das Bürgerliche Gesetzbuch leistet mit dieser Vorschrift [§ 134] dem Verbotsgesetz Hilfestellung auf der Rechtsfolgenseite“.
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II. Auftrags- bzw. vertragsrechtliche Haftungsstruktur des Geschäftsführers ohne Auftrag Der Großteil der wesentlichen Rechten und Pflichten aus der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ist nicht in §§ 677 ff. ausgestaltet, sondern ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des Auftragsrechts. Diese Vorschriften gilt es zunächst zu beleuchten und ihre Interessenstruktur herauszuarbeiten.
1. Haftungsgefüge nach §§ 681 S. 2, 666–668 und nach §§ 683 S. 1, 670 a) § 666 Bevor auf die Informationspflicht nach § 666 einzugehen sein wird, lohnt es sich zunächst das System der Informationspflichten im ganzen Privatrecht vor Augen zu führen. Eine Systematisierung von gesetzlichen Informationspflichten des materiellen Rechts hat Stürner in seiner Habilitationsschrift, die von der Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess handelte, vorgenommen. Eine Generalklausel für Informationspflichten ist im positiven Recht nicht vorhanden. Vielmehr gibt es verstreute Informationspflichten, die indes für ganz unterschiedliche Rechtslagen und für bestimmte Interessenstrukturen vorgesehen sind826. Diese kann man in fünf Gruppen einteilen: (1) Informationsrechte aus Rechtsverhältnissen, bei denen einem Teil die Wahrnehmung oder Achtung der Interessen der anderen Partei aufgetragen wird – auftragsrechtliche oder auftragsähnliche Verhältnisse (§ 666)827 (2) Informationsrechte aus Rechtsverhältnissen, bei denen an den Tatbestand des rechtswidrigen Eingriffs in einen fremden Rechtskreis angeknüpft wird – unechte angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 687 Abs. 2 S. 1 i. V. m. 681 S. 2, 666), Informationsansprüche bei Urheberrechtsverletzungen (§ 97 Abs. 1 S. 2 UrhG), Informationsansprüche des Erben gegenüber dem Erbschaftsbesitzer (§ 2027 Abs. 1), gegenüber dem Störer des Erbschaftsbesitzes (§ 2027 Abs. 2) oder des Scheinerben gegenüber dem Erben (§ 2362 Abs. 2)828 (3) Informationsrechte, die der Klärung des Anspruchsinhalts oder der Klärung bestehender Einwendungen eines Hauptrechts dienen, dessen anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind – bzgl. der Klärung des Anspruchsinhalts etwa: § 260 Abs. 1 Alt. 1 (Herausgabeansprüche), §§ 1379, 2314 (Zahlungsansprüche unter Ehegatten), § 1605 (Auskunft über Vermögensverhältnisse gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten), § 87c HGB (Auskunft über Umstände, die für die Berechnung des Provisionsanspruchs 826 827
Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1977, S. 287. Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1977, S. 287 f. 828 Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1977, S. 289 f.
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des Handelsvertreters wesentlich sind); bzgl. der Klärung bestehender Einwendungen etwa: § 809 Alt. 1 (Besichtigungsanspruch einer Sache), § 810 (Einsichtsrecht in die Urkunden), § 1214 Abs. 1 (Rechenschaftspflicht des Pfandgläubigers bei Nutzungsziehungsrecht), § 2057 (Auskunftspflichten der Miterben über Zuwendungen), §§ 2011 S. 2, 2012 Abs. 1 S. 2 (Auskunftspflicht des Fiskus bzw. des Nachlasspflegers über den Bestand des Nachlasses), § 74c Abs. 2 HGB (Auskunftspflicht des Gehilfen gegenüber dem Prinzipal über anderweitigen Erwerb)829 (4) Informationsrechte, die der zweckentsprechenden Nutzung oder dem uneingeschränkten Genuss eines erworbenen Rechts dienen – etwa § 402 (Auskunftsanspruch des Zedenten gegenüber dem Zessionar über Informationen, die zur Geltendmachung der Forderung nötig sind)830 (5) und Informationsrechte aus besonderem sozialem Kontakt – etwa § 809 Alt. 2 (Besichtigungsrecht gegenüber dem Besitzer), § 2028 (Auskunftsanspruch des Erben gegenüber dem Hausgenossen des Erblassers über die Führung von erbschaftlichen Gegenständen)831 Die hier im Fokus stehende Vorschrift des § 666 ist eindeutig der ersten Gruppe zuzuordnen. Die 1. Kommission postulierte: „Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber auf Verlangen auch schon vor Erledigung des Auftrags Auskunft über den Stand des aufgetragenen Geschäfts zu erteilen …, sowie dem Auftraggeber über die Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Die erstgenannte Verpflichtung folgt aus dem Wesen des Auftragsverhältnisses von selbst und braucht im Gesetze so wenig ausgesprochen zu werden, als die Verpflichtung des Auftraggebers [gemeint ist der Auftragnehmer], nöthigenfalls auch unaufgefordert dem Auftraggeber, wo dessen Interesse es erheischt, die erforderlichen Nachrichten zu geben oder Anzeige von der Ausführung des Auftrages zu erstatten …“832
Es mag wenig überraschen, dass Stürner sie später als eine „Mustervorschrift“833 oder Ehmann als „Musterregelung“834 für alle Verhältnisse, bei denen es um die Wahrnehmung oder Achtung von Interessen der anderen Partei835, oder, spre829
Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1977, S. 290 f. Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1977, S. 291. Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1977, S. 291 f. 832 Mugdan II, 1899, S. 300. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 833 Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1977, S. 287; auch Winkler von Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten im deutschen Zivilrecht, 1986, S. 31. 834 Ehmann, AcP 188, 1988, 230, 254. 835 BGH BB 2016, 2063 Rn. 11; BGH NJW 2015, 3657 Rn. 17; Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 666, Rn. 1: „Die Regelung des § 666 lässt sich ebenso wie diejenige des § 665 zur Weisungsbindung bzw zur Abweichung von Weisungen als Ausdruck des subordinationsrechtlichen Charakters des Auftrags verstehen“; Riesenhuber, in: BeckOGK, BGB, 01. 06. 2018, § 666, Rn. 3, 11; Fischer, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 666, Rn. 1; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 666, Rn. 1; Berger, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, 830 831
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chend in der Terminologie von Martinek836, Bergmann837 und Omlor838, bei Subordinationsverhältnissen, apostrophierte. Das rechtliche Skelett für diese Verhältnisse bildet das Auftragsrecht (§§ 662 ff.). Damit ist freilich nicht ausgesagt, dass das Auftragsrecht eine Art Generalverhältnis darstellt und die sein Haftungsgefüge enthaltenen Verhältnisse (paradigmatisch Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 oder Zahlungsdienstevertrag nach § 675c) davon spezielle Ausprägungen mit einem einheitlichen Geschäftsbesorgungsbegriff sind (so die Einheitstheorie839). Vielmehr spiegeln alle diese Verhältnisse eigenständige Regelungsthematiken wieder und entfernen sich aufgrund ihrer Souveränität und ihres z. T. eigenständigen „engen“ Geschäftsbesorgungsbegriffs vom Auftragsrecht (so die vorzugswürdige Trennungstheorie840). Dennoch nehmen sie in sich wesentliche Pflichten und Rechte aus dem Auftragsrecht durch Verweisungen auf ihre entsprechende Anwendung (§ 675 Abs. 1, § 675c Abs. 1) auf, da sie derselben Grundgruppe – den Interessenwahrnehmungsverhältnissen – zuzuordnen sind841. Es handelt sich um auftragsähnliche Verhältnisse842. Das Auftragsverhältnis nimmt dabei die Stellung eines Prototyps ein843. So ist der auftragsähnliche Charakter beim Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 und bei Zahlungsdiensten nach § 675c kaum zu bestreiten. Doch auch bei der entsprechenden Anwendung des § 666 auf den Vereinsvorstand (§ 27 Abs. 3), den Testamentsvollstrecker (§ 2218) und auf den geschäftsführenden Gesellschafter (§ 713) ist der Interessenwahrnehmungscharakter deutlich zu erkennen. Sicherlich muss auch der Vereinsvorstand die Interessen des Vereins, der Testamentsvollstrecker die Interessen des Erblassers und der geschäftsführende Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft wahren. Durch die entsprechende Anwendung des § 666 werden dem Verein, dem Erblasser unter Zuhilfenahme des Staates und den Gesellschaftern Kontrollrechte eingeräumt, um festzustellen, ob das Interesse des jeweiligen § 666, Rn. 1; Hönn, in: jurisPK‑BGB, 8. Aufl., 2017, § 666, Rn. 1: „Die Vorschrift ist Konsequenz der Fremdnützigkeit“; Löhnig, Treuhand, 2006, S. 214 ff. 836 Martinek, in: Staudinger, 2006, Vorbem. zu §§ 662 ff., Rn. 23 ff. 837 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 47. 838 Martinek/Omlor, in: Staudinger, 2017, Vorbem zu §§ 662 ff, Rn. 28 ff. 839 Die heutigen Vertreter der Einheitstheorie sind: Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 662, Rn. 9 ff.; Ehmann, in: Erman, 12 Aufl., 2008, vor §§ 662 ff, Rn. 15 ff.; Lammel, in: HKK, 2013, §§ 662–675b, Rn. 12 ff. 840 Martinek/Omlor, in: Staudinger, 2017, Vorbem zu §§ 662 ff, Rn. 15 ff.; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 662, Rn. ); Berger, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 675, Rn. 5; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, § 113, Rn. 883. 841 Martinek/Omlor, in: Staudinger, 2017, Vorbem zu §§ 662 ff, Rn. 26. 842 Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1977, S. 287; Lüke, JuS 1986, 2, 4; Taupitz, Die zivilrechtliche Pflicht zur unaufgeforderten Offenbarung eigenen Fehlverhaltens, 1989, S. 40 ff.; Lammel, Vertragsschuldverhältnisse, 1974, S. 271 f.; Rausch, Stärkung des Informationsanspruchs durch das arca-nigra-Verfahren, 2010, S. 41, Rn. 47. 843 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 662, Rn. 2.
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„Geschäftsherrn“ geachtet wird. § 666 ist neben noch zu erörternden Vorschriften ein Teil des Governance-Systems des Auftragsrechts844.
b) § 667 Ebenso wie § 666 ist die Herausgabepflicht nach § 667 der Ausdruck des subordinationsrechtlichen Charakters845. Die 1. Kommission drückte es so aus: „Die Verpflichtung zur Herausgabe des Zuwachses und der Zubehörungen versteht sich, soweit sie erhalten oder erlangt sind, im Hinblicke auf den Wortlaut der Vorschrift und die Natur des Auftragsverhältnisses von selbst.“846
§ 667 und sein „Komplementärinstitut“ – der Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 – stellen zwei zentrale Normen für die Abwicklung und Auseinandersetzung zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten für die Zeit nach der Durchführung des Auftrags dar847. Durch beide Normen sollen Vermögensverhältnisse bereinigt und die dem Auftragsrecht gerechten Konsequenzen gezogen werden848. Beim § 667 soll es darum gehen, das abzuschöpfen, was der Beauftragte „zu viel“ hat und nicht das, was der Auftraggeber „zu wenig“ hat849. Aus diesem Grunde ist auch nicht verständlich, dass Schäfer850, soweit ersichtlich als einziger, den § 667 nicht auf die Fremdnützigkeit des Auftrags zurückführt, sondern auf das Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit851. Der Beauftragte soll vielmehr durch die Geschäftsführung keine Nach-, aber auch keine Vorteile haben852. Die Vorschrift hat daher eine Abschöpfungsfunktion853, die 844
Riesenhuber, in: BeckOGK, BGB, 01. 06. 2018, § 666, Rn. 2. Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 667, Rn. 1; Riesenhuber, in: BeckOGK, BGB, 01. 06. 2018, § 667, Rn. 2: „Wesenselemente des Auftrags als Tätigkeit im fremden Interesse“; Fischer, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 667, Rn. 1; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 667, Rn. 1; Berger, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 667, Rn. 1: „Beide Ansprüche [aus § 667] folgen aus der besonderen Rechtsnatur des Auftrags, bei dem der Auftraggeber Herr des vom Beauftragten besorgten Geschäfts bleibt und der Beauftragte fremdnützig im Interesse des Auftraggebers tätig wird“; Hönn, in: jurisPK‑BGB, 8. Aufl., 2017, § 667, Rn. 1; Böger, System der vorteilsorientierten Haftung im Vertrag, 2012, S. 502, 561; Helms, Gewinnherausgabe als haftungsrechtliches Problem, 2007, S. 372; Mülbert, ZHR 172, 2008, 170, 197. 846 Mugdan II, 1899, S. 301. Hervorhebungen stammen vom Verfasser. 847 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 667, Rn. 2. 848 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 667, Rn. 2. 849 So prägnant formuliert von Riesenhuber, in: BeckOGK, BGB, 01. 06. 2018, § 667, Rn. 2. 850 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 667, Rn. 1. 851 Nicht nachvollziehbar ist dabei Schäfer’s Verweis auf die Kommentierung von Mansel zu § 667, Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 667, Rn. 1, der darauf hindeuten soll, dass Mansel den gleichen Standpunkt einnimmt. Dabei schreibt der Letztere ausdrücklich: „Zweck ist die Abschöpfung des bei dem Beauftragten entstandenen Vorteils, nicht aber der Ausgleich eines bei dem Auftraggeber entstandenen Vermögensausfalls“. 852 BGH NJW‑RR 1992, 561; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 667, Rn. 1. 853 Auch wenn Rusch, Gewinnhaftung bei Verletzung von Treuepflichten, 2003 109, 845
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Schäfer sodann selbst formuliert854, und keine Ausgleichsfunktion. Auch die analoge Anwendung des § 667 auf andere Rechtsverhältnisse, auf die der Gesetzgeber nicht ausdrücklich verwiesen hat, entscheidet sich vornehmlich danach, ob das in Betracht kommende Verhältnis dem Auftragsverhältnis bzw. dem Subordinationsverhältnis nah kommt855.
c) § 668 § 668 ergänzt den Herausgabeanspruch aus § 667 und hat auch seinen Grund in der Fremdnützigkeit des Auftrags856. Der Beauftragte soll aus dem Auftragsverhältnis „plus/minus null“ hervorgehen857. Auf der Seite des Auftraggebers entspricht die Verzinsungspflicht nach §§ 670, 256 der des Beauftragten nach § 668858.
d) § 670 Wie bereits zu § 667 ausgeführt, stellt § 670 sein Komplementärinstitut dar. Der Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 beruht auf dem Gedanken, dass der Beauftragte aus dem Auftragsverhältnis keinen Vermögensvorteil erhalten, aber auch keinen Vermögensnachteil erleiden soll. Insofern beruht § 670, ebenso wie die §§ 666–668, auf dem Prinzip der Interessenwahrung859. In seiner direkten Anwendung ist § 670 eng mit der Unentgeltlichkeit des Auftrags verknüpft. „Wegen der Unentgeltlichkeit verdient das eigene Vermögen des Beauftragten Verschonung und Freistellung von Belastungen“860. In seiner entsprechenden Anwendung wird dieses Prinzip freilich nicht durch202 ff., und Helms, Gewinnherausgabe als haftungsrechtliches Problem, 2007, S. 372 ff., 390, 472 f., den § 667 2. Alt. auf die Verletzung der Treuepflicht zurückführen, ist darin kein Prinzip der ausgleichenden Gerechtigtkeit zu sehen, sondern neben dem üblichen Sanktionsarsenal – Schadensersatzrecht – stehende zusätzliche Reaktion (Helms, S. 473), die letztendlich aus der Interessenwahrungspflicht des Beauftragten resultiert. Rusch (S. 204) formuliert es so: „Damit erweist sich die Gewinnherausgabe als Folge einer Verletzung der Treuepflicht. Wie schon heausgearbeitet wurde, ist eine ‚auftragsrechtliche Treuepflicht‘ oder ‚Loyalitätspflicht‘ anerkannt, wonach der Beauftragte verpflichtet ist, nach besten Kräften die Interessen des Auftraggebers zu wahren“; ähnlich Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 1999, S. 422 ff., 427. 854 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 667, Rn. 1. 855 Rusch, Gewinnhaftung bei Verletzung von Treuepflichten, 2003 109, S. 209 ff. 856 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 668, Rn. 1; Riesenhuber, in: BeckOGK, BGB, 01. 06. 2018, § 668, Rn. 2; Fischer, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 668, Rn. 2; Berger, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 668, Rn. 1; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 668, Rn. 1. 857 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 668, Rn. 1. 858 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 668, Rn. 1. 859 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 1; Berger, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 670, Rn. 1; Fischer, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 670, Rn. 1; Hönn, in: jurisPK‑BGB, 8. Aufl., 2017, § 670, Rn. 1. 860 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 2.
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gehalten. So ist § 670 auch auf einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Abs. 1 anwendbar. Daneben stellt auch die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677, 683 S. 1, 670 ein solches Beispiel dar. Aufgrund der überzeugenden Anwendung des § 1835 Abs. 3861, wonach dem Geschäftsführer auch eine Vergütung geschuldet wird, wird sie zu einem entgeltlichen Verhältnis. Dennoch sollte die Abkoppelung des § 670 vom Prinzip der Unentgeltlichkeit nicht zu der Annahme führen, beim § 670 handele es sich in seiner entsprechenden Anwendung um eine ganz anders gerichtete Vorschrift, als sie es in der direkten Anwendung darstellt. Es bleibt dabei, dass § 670 der Ausdruck des Subordinationsprinzips ist. Subordinationsverhältnisse können sowohl unentgeltlich als auch entgeltlich sein. Die Entgeltlichkeit steht nicht in einem Exklusivitätsverhältnis zur Subordination. Auch die überzeugende analoge Anwendung des § 670 auf „risikotypischen Schäden“862 verändert den subordinationsrechtlichen Charakter der Vorschrift nicht. Denkbar wäre in diesem Fall, den § 670 als einen Schadensersatzanspruch zu qualifizieren und als solchen der schadensrechtlichen Ausgleichfunktion863 zu unterstellen. Dagegen spricht jedoch, dass jeder Schadensersatzanspruch grundsätzlich ein Verschulden voraussetzt (= Verschuldensprinzip), welches in § 670 nicht enthalten ist. Außerdem handelt es sich bei „risikotypischen Schäden“ gerade um solche, die aus einer mit der Auftragsdurchführung verbundenen Gefahr resultieren und weder vom Auftraggeber noch vom Beauftragten verschuldet sind864. Es wäre daher gerade im Sinne der Fremdnützigkeit des Auftrags und der damit einhergehenden Entscheidung des Gesetzgebers den Beauftragten schadlos zu stellen, auch solche Vermögensopfer dem § 670 zu unterstellen, die unfreiwillige, jedoch unverschuldete Einbußen an Rechten und Rechtsgütern darstellen865. Hier manifestiert sich der subordinationsrechtliche Charakter des Auftragsverhältnisses in besonderer Weise.
2. Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Subordinationsverhältnis In die Kategorie der Subordinationsverhältnisse gehört auch das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Dies erkennt man an der entsprechen861 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 10; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 58; Seiler, in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 683, Rn. 24; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 683, Rn. 6; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 871; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1118; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 683, Rn. 11. 862 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 17 ff. m. w. N.; Riesenhuber, in: BeckOGK, BGB, 01. 06. 2018, § 670, Rn. 61 ff. m. w. N. 863 Oetker, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 249, Rn. 8. 864 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 17. 865 Martinek/Omlor, in: Staudinger, BGB, 2017, § 670, Rn. 23.
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung
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den Anwendung der oben erörterten auftragsrechtlichen Vorschriften. Zentral und ausdrücklich formuliert ist der Interessenwahrnehmungscharakter in § 677 HS. 2, in dem es heißt, dass der Geschäftsführer das Geschäft so zu führen hat „wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert“. Die Interessenwahrnehmungspflicht nach § 677 HS. 2 und die §§ 666–668 sind nach der vorzugswürdigeren Auffassung ebenso auf die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 681 S. 2) anzuwenden866. Da die Übernahme der Geschäftsführung nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entspricht (streng subjektives Prinzip), benachteiligt der Gesetzgeber den echten unberechtigten Geschäftsführer insoweit, als er für ihn eine Ausgleichsmöglichkeit über das Bereicherungsrecht – §§ 684 S. 1 i. V. m. §§ 818 ff. – vorsieht, womit insbesondere das Risiko der Entreicherung (§ 818 Abs. 3) verbunden ist. Das Haftungsgefüge nach § 677 HS. 2 und §§ 666–668 bleibt jedoch unberührt. Bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ist demnach ein auftragsrechtliches und als solches vertragsrechtliches Haftungsgefüge vorzufinden. Dieses wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass dem Geschäftsherrn im Falle einer nicht interessengerechten Durchführung des Geschäfts ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 zusteht, der im Gegensatz zu deliktsrechtlichen Ansprüchen (§§ 823 ff.) die besonders vorteilhafte Beweislastumkehr nach § 280 Abs. 1 S. 2 enthält. Außerdem besteht im Vertragsrecht keine Exkulpationsmöglichkeit nach § 831. Lediglich der Schadensersatzanspruch nach § 678 und die selten zur Anwendung kommenden Vorschriften der §§ 679, 680, 681 S. 1, 682, 685, 686 haben einen GoA-spezifischen Niederschlag. Sie sind freilich alle dadurch motiviert, dass zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer naturgemäß eine vertragliche Grundlage („ohne von ihm beauftragt … zu sein“) fehlt. Deshalb bedarf es auf der einen Seite Regelungen zur notwendigen Berücksichtigung des Geschäftsherrnwillens (§ 678), der sonst seine Beachtung in der vertraglichen Grundlage gefunden hätte. Damit wird dem Interesse des Geschäftsherrn, seine Angelegenheiten entsprechend seinen Vorstellungen auszuführen, genüge getan. Andererseits wird der zu weitgehende Geschäftsherrnwille dann beschränkt, wenn etwa öffentliche Belange (§ 679) in Rede stehen oder wenn das Geschäft zur Gefahrenabwehr ausgeführt wird (§ 680). Damit wird die fremdnützige Menschenhilfe gefördert und den Interessen der Allgemeinheit entsprochen. Auch § 681 S. 1 kann nur vor dem Hintergrund des fehlenden Vertrags bzw. der sonstigen fehlenden Berechtigung verstanden werden. Die Anzeigeund Wartepflicht nach § 681 S. 1 macht nur dann Sinn, wenn der Geschäftsherr von der Geschäftsführung keine Kenntnis hat, wenn er also keinen Vertrag mit 866
Kapitel 5, G., 3., c), bb), (d), ccc), S. 169 ff.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
dem Geschäftsführer geschlossen hat oder von der Berechtigung des Geschäftsführers weiß. Resümierend ist demnach festzuhalten, dass die echte Geschäftsführung ohne Auftrag ein auftrags- und damit vertragsrechtliches Haftungsgefüge eines Interessenwahrnehmungsverhältnisses enthält. Die §§ 677 ff. sollen zur Anwendung gelangen, wenn es nicht zu einem Vertrag gekommen ist oder es an einer sonstigen Berechtigung fehlt. Sie sind demnach insbesondere dann anzuwenden, wenn die Geschäftsführung üblicherweise Leistungsgegenstand eines Vertrages geworden wäre867. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag ist, im Gegensatz zum Bereicherungsrecht, Deliktsrecht und den Regelungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, ein vertragsähnliches Gewährschuldverhältnis und nicht ein Rückgewährschuldverhältnis (so die §§ 812 ff.) oder gesetzliches Ausgleichverhältnis (so §§ 823 ff. und §§ 985 ff.). Dieser Unterschied wird sogleich noch bedeutend. Die Vertragsähnlichkeit beruht freilich nicht auf der vertragsähnlichen Obligationsbegründung, wie jene die Quasikontrakttheorie zu rechtfertigen versucht. Nach der hier vertretenen Theorie haben das abstrakte und konkrete Interesse zwar Schnittmengen, weisen jedoch auch deutliche Unterschiede auf868. Vielmehr besteht die Vertragsähnlichkeit in der inhaltlichen Ausgestaltung der Haftungsstruktur der echten Geschäftsführung ohne Auftrag, die sehr auftragsrechtlich geprägt ist.
3. Entsprechende Anwendung von auftragsrechtlichen Haftungsnormen auf vertragliche oder vertragsähnliche Verhältnisse Die Gemeinsamkeiten zwischen dem Auftragsverhältnis und den Verhältnissen, auf die die Vorschriften aus dem Auftragsrecht entsprechende Anwendung finden, bleiben nicht nur bei ihrem Charakter stehen. Sie alle, abgesehen von dem hier in Frage stehenden Institut der echten Geschäftsführung ohne Auftrag, erfordern darüber hinaus die Abgabe und den Zugang von wirksamen Willenserklärungen auf beiden Seiten. Beim Auftragsvertrag, Geschäftsbesorgungsvertrag und Zahlungsdienstevertrag muss dieses Erfordernis offensichtlich nicht weiter ausgeführt zu werden. Wird mit dem Vereinsgeschäftsführer ein Anstellungsvertrag geschlossen, der als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren ist, so haftet dieser ohnehin nach §§ 675 Abs. 1, 666, 667, 668, 670. Wird kein Vertrag geschlossen, so muss der Vereinsgeschäftsführer nach der überzeugenden h. M. gleichwohl die Bestellung rechtsgeschäftlich annehmen, da mit dem Vorstandsamt Geschäftsführungspflichten, auch die nach § 27 Abs. 3 i. V. m. §§ 664–670 verbunden sind869. Ein, zwar gesetzliches, Schuldverhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben, mit einer umfangreichen Anwendung 867 868
Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1448. Kapitel 5, E., I., 2., S. 124 ff. 869 BGH NJW 1975, 2101; BayObLGZ 1981, 275, 277; Weick, in: Staudinger, 2005, § 27,
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung
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des Auftragsrechts (§ 2218 Abs. 1), kann nur entstehen, wenn der Erstere dieses Amt auch annimmt (§ 2202 Abs. 1). Bei der Annahme nach § 2202 Abs. 1 handelt es sich um eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung870, sodass auch hier nicht ganz ohne vertragsähnliche Elemente ausgekommen werden kann, die letztendlich die Entstehung der subordinationsrechtlichen Pflichten nach § 666–668 und den Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 begründen. Schließlich regeln die Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis in ihrem Gesellschaftsvertrag, der dahingehende Willenserklärungen erfordert.
III. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag Damit nähert man sich dem Kern der Thematik. Die entsprechende Anwendung der §§ 666–668, 670 hat ihren Grund im subordinationsrechtlichen Charakter, damit in der Auftragsähnlichkeit dieser Verhältnisse. Da alle diese Verhältnisse (abgesehen von der hier in Frage stehenden echten Geschäftsführung ohne Auftrag) die Abgabe von wirksamen Willenserklärungen voraussetzen, sind auch die Vorschriften über die Behandlung von Willenserklärungen auf sie direkt (!) anwendbar. Zu diesen gehören insb. die §§ 134, 138, 139. So ist ein Auftrag nach § 134 unwirksam, wenn der Beauftragte zu einer Tätigkeit beauftragt wird, die die Umgehung der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zum Inhalt hat871, oder nach § 138 sittenwidrig und nichtig, wenn eine Weiterleitung von Geldmitteln im Rahmen eines sittenwidrigen Schenkkreises vereinbart wird872. Ein Steuerberatungsvertrag, der als Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 einzuordnen ist, ist etwa nach § 134 unwirksam, wenn der Steuerberauter unerlaubt eine fremde Rechtsangelegenheit geschäftsmäßig besorgt873. Ein Rechtsanwaltsberatungsvertrag, der ebenfalls als ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 einzuordnen ist, ist nach § 138 sittenwidrig und nichtig, wenn dieser ein Erfolgshonorar vorsieht874. Sind die dahingehenden Willenserklärungen nach §§ 134, 138, 139 unwirksam, kommen für den vermögensrechtlichen Ausgleich sogleich die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. Es fehlt ja der „Auftrag“ i. S. v. § 677 HS. 1. Ließe man sodann im Falle von nichtigen WillenserklärunRn. 10; Schöpflin, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 27, Rn. 6; Arnold, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2015, § 27, Rn. 13; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 27, Rn. 1. 870 Allg. Auffassung: Leitzen, in: BeckOGK, BGB, 01. 09. 2018, § 2202, Rn. 2; Lange, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 2202, Rn. 3; Zimmermann, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 2202, Rn. 5 ff. 871 OLG Jena v. 26. 09. 2009 – 7 U 21/09, Rn. 36. 872 BGH NJW 2012, 3366 Rn. 18, 19. 873 BGH NJW 2000, 1560, 1561. 874 BGHZ 29, 142, 148; BGH NJW 2009, 3297 Rn. 15 ff.
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gen nach §§ 134, 138 die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu, würden die Ansprüche aus §§ 666–668 bzw. aus § 670, aufgrund ihrer entsprechenden Anwendung nach § 681 S. 2 und § 683 S. 1, wiederaufleben, oder im Falle der entsprechenden Anwendung des § 1835 Abs. 3 gar weitergehen, als das Auftragsrecht es vorsieht. Das vertragsrechtliche Haftungsgefüge, welches durch die §§ 134, 138, 139 gerade verhindert werden sollte, würde durch die §§ 677 ff. wieder zum Leben erweckt. Damit bestünde die unmittelbare Gefahr die gesetzgeberische Entscheidung durch die Anwendung der §§ 677 ff. zu konterkarieren. Es entstünde genau die gegenteilige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber einer nichtigkeitsauslösenden Norm gerade nicht bezweckte. Um eine Harmonisierung zwischen dem Auftragsrecht, auftragsähnlichen Recht, damit auch dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag, zu erreichen, gilt es die §§ 134, 138, 139 analog anzuwenden. Dies rechtfertigt sich aus den genannten teleologischen Gründen und aus dem vertragsähnlichen Haftungsgefüge der Obligation nach §§ 677 ff. Im Gegensatz zur analogen Anwendung der §§ 104–115 kann hier nicht eine fehlende Regelungslücke entgegengehalten werden. Eine Vorschrift, die die Rechtsfolgen einer gegen ein Verbotsgesetz oder gegen das Sittenwidrigkeitsverbot verstoßenden Geschäftsführung regeln würde, existiert im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht. Angesichts der Erkenntnis, dass es sich bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag um ein vertragsähnliches Gewährschuldverhältnis handelt, müssen die Rechtsfolgen eines gegen ein Verbotsgesetz bzw. gegen ein Sittengebot verstoßenden Rechtsgeschäfts, wie bei vertraglichen Verhältnissen, enthalten sein und können nicht das Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ausklammern. Die analoge Anwendung der §§ 134, 138 ist auch historisch und systematisch angezeigt. Die Qualifizierung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag durch den Gesetzgeber als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung und die Aufforderung, die Regeln über die Behandlung von Willenserklärungen entsprechend anzuwenden, verleitet zu dieser Schlussfolgerung. Systematisch schließt sich das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff.) unmittelbar den Regelungen zum Auftragsvertrag (§§ 662 ff.) an. Außerdem sind die §§ 677 ff. zwischen zwei vertraglichen Schuldverhältnissen – dem Auftrag und der Verwahrung – eingebettet875. Beides drückt eine besondere Nähe zu vertraglichen Regelungen aus. Dennoch sollte bei der analogen Anwendung der §§ 134, 138, 139 immer der Zweck des Verbotsgesetzes bzw. des Sittengebotes im Auge behalten werden. Entscheidend ist demnach eine schutzzweckorientierte Auslegung bzw. eine schutzzweckorientierte Reduktion. Sollen nach dem Zweck des Verbotsgesetzes bzw. des Sittengebotes zwar die vertraglichen Schuldverhältnisse zu Fall ge875
Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1448.
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung
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bracht werden, der Ausgleich nach der echten Geschäftsführung ohne Auftrag jedoch ausnahmsweise möglich sein, ist die Analogie unbegründet. Dadurch wird dem Gesetzgeberwillen genüge getan. Diese Fälle sind bei der Gesamtnichtigkeit nach §§ 134, 138, 139 jedoch, soweit ersichtlich, noch nicht vorgekommen, und dürften ohnehin eine selten auftretende Anomalie darstellen. Dies hängt damit zusammen, dass der Ausgleich von nichtigen Verträgen nach §§ 134, 138, 139 vorrangig nach dem Bereicherungsrecht zu lösen ist.
IV. Ablehnung der analogen Anwendung des § 817 S. 2 auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag Statt der analogen Anwendung wäre daran zu denken, die nach §§ 134, 138, 139 nichtig gewordenen Verträge nach dem Prinzip der Spezialität dem Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.) zu unterstellen. Diesem Ansatz widerspricht die von der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ausgehenden Legitimierungsfunktion, die das Verhältnis der beiden gesetzlichen Schuldverhältnissen tatbestandlich, nach dem Merkmal des Rechtsgrundes löst876. Außerdem wäre an die analoge Anwendung des § 817 S. 2 zu denken. Bevor diese Frage einer eingehenden Untersuchung unterworfen wird, lohnt es sich, zunächst die Funktion des § 817 S. 2 und seinen Anwendungsbereich in den Blick zu nehmen.
1. Der Anwendungsbereich des § 817 S. 2 im Bereicherungsrecht Der Anwendungsbereich der von § 817 S. 2 erfassten Ansprüche ist ein altes und bis heute nicht vollständig gelöstes Problem877. Dies hängt unmittelbar mit der umstrittenen Normzweckproblematik des § 817 S. 2 zusammen. Offensichtlich ist, dass § 817 S. 2 in seinem direkten Anwendungsbereich lediglich die Leistungskondiktion aus § 817 S. 1 erfasst. Dies ergibt sich aus seiner systematischen Stellung im Anschluss an § 817 S. 1, aber auch aus dem Wortlaut, der einen direkten Bezug auf § 817 S. 1 nimmt. Verstößt nur der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein Verbotsgesetz oder gegen das Sittengebot (= einseitiger Verstoß), steht dem Leistenden ein Kondiktionsanspruch aus § 817 S. 1 zu. Ist jedoch dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß anzulasten (= beidseitiger Verstoß), kann das bereits Geleistete grundsätzlich („es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand“) nicht mehr zurückgefordert werden.
876
Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), S. 162 ff. Bufe, AcP 157, 1958, 215: „Seit dem Bestehen des Bürgerlichen Gesetzbuches haben theoretische Behandlung und praktische Anwendung des § 817 Satz 2 BGB zu den größten Schwierigkeiten geführt.“ 877
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
Der Anwendungsbereich wäre indes ausgehöhlt, wenn sich § 817 S. 2 nur auf § 817 S. 1 bezöge. Meistens878 wird bei einem Verbotsgesetz- oder Sittengebotsverstoß auch das Verpflichtungsgeschäft nach §§ 134, 138 nichtig sein, sodass eine allgemeine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 eingriffe. Aus diesem Grunde wird überwiegend befürwortet, die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 auf alle Leistungskondiktionen entsprechend auszuweiten879. Die Begründung basiert auf zwei Säulen. Zum einen ist dies die bereits erwähnte Normzweckaushöhlung der Kondiktionssperre. Zum anderen ist dies der Vergleich der Interessenlagen. Wenn sich auf § 817 S. 2 derjenige berufen könne, dem, ebenso wie dem Empfänger – die Konstellation des § 817 S. 2 in seiner direkten Anwendung – ein Verstoß zur Last fällt, müsse dies erst recht derjenige tun können (= Erst-Recht-Schluss)880, dem ein solcher Verstoß nicht zur Last fällt – die klassische Konstellation der Leistungskondiktionen aus § 812881. Damit ist auch die Ausweitung der Kondiktionssperre in die zweite Richtung geschlagen. § 817 S. 2 findet im Grundsatz eine analoge Anwendung auch auf die Fälle der einseitigen Verstöße882. Die (analoge) Anwendung des § 817 S. 2 auf alle bereicherungsrechtlichen Leistungskondiktionen ist heute allgemein anerkannt und wird nicht mehr ernsthaft883 angegriffen884. Anders sieht die Lage bei Rückforderungsausansprüchen aus anderen gesetzlichen Schuldverhältnissen aus, allen voran aus den Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag und aus denen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, aber auch aus dem Deliktsrecht. Bevor die Standpunkte erörtert werden, sollte auf die Normzweckproblematik eingegangen werden, da die Letztere die maßgebliche Entscheidungsgrundlage sowohl für allgemein anerkannte, aber auch die umstrittene Ausweitung des Anwendungsbereiches darstellt.
878 Wazlawik, ZGS 2007, 336, 339 gibt die h. M. sogar so wieder, dass die Gesetzesverstöße nach § 817 und §§ 134, 138 „identisch“ wären. 879 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 817, Rn. 11; Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 817, Rn. 11; Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 817, Rn. 11; Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 817, Rn. 10. 880 Klöhn, AcP 210, 2010, 804, 807. 881 Die schlagende Wirkung dieses Erst-Recht-Schlusses schwächt bedeutend die Überzeugungskraft der von Bufe, AcP 157, 1958, 215, 258 vertretenen Ansicht, wonach § 817 S. 2 nur auf beidseitige Verstöße anzunwenden ist. 882 RGZ 151, 70, 74; ablehnend Wazlawik, ZGS 2007, 336, 342 ff. 883 Im Jahr 1925 hatte sich etwa Heck, AcP 124, 1925, 1 ff. noch gegen die Ausweitung des § 817 S. 2 auf andere bereicherungsrechtliche Kondiktionen ausgesprochen. 884 RGZ 151, 70, 72.
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2. Normzweckproblem des § 817 S. 2 a) Normzwecktheorien Die Rechtsprechung des RG885 und sodann auch des BGH886 maß § 817 S. 2 stets den Charakter einer zivilrechtlichen Strafvorschrift bei. Die Möglichkeit zur vermögensrechtlichen Rückabwicklung soll demjenigen genommen werden, der verbotswidrig oder sittenwidrig handele. Er werde auf diesem Wege sanktioniert. Philipp Heck sah in der Ausschlussklausel des § 817 S. 2 den Ausdruck eines „Gleichgewichtsurteils“, oder eine „Neutralitätserklärung“ in Verbindung mit dem allgemeinen Besitzvorzuge, die auf einer „Schuldkompensation“ beruhe887. Die Schuldkompensation bedeute, dass niemand fremdes Verschulden geltend machen dürfe, der sich in gleichem Verschulden befinde. „Wer im Glashause sitzt, soll nicht mit Steinen werfen“888. Canaris und Larenz889, sowie die ihnen folgende Vertreter890, sehen den Normzweck des § 817 S. 2 im Prinzip der Generalprävention und stellen eine Parallelität des § 817 S. 2 mit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion her. Die Letztere beruhe schließlich ebenfalls auf diesem Prinzip und müsse mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergänzt werden. Die überwiegende Auffassung erblickt dagegen die Funktion des § 817 S. 2 in der Rechtschutzverweigerung891. Die Kondiktionsakteure könnten die „Autorität des Staates und der Rechtspflege“ nicht zur Rückforderung einer verbots- bzw. sittenwidrigen Leistungen in Anspruch nehmen892. Sie müssen sich demnach mit dem eingetretenen status quo, also mit dem Vermögenszustand, der zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens eingetreten ist, abfinden, auch dann, wenn nach diesem Zustand die eine Partei nur Vermögensnachteile erlitten, während die andere Partei nur Vermögensvorteile gezogen habe. Die letztere Ansicht vermag zu überzeugen. Gegen sie wird zwar eingewandt, dass es mit dem Strafcharakter unvereinbar wäre, wenn nur der Vorleistende bestraft würde, während der genauso wenig schutzwürdige Empfänger einen 885 886
RGZ 151, 70, 72; RGZ 99, 161, 167. BGH NJW 1951, 643; BGH NJW 1963, 950, 951; BGH NJW 1964, 1791, 1793 f.; BGH NJW 1975, 638. 887 Heck, AcP 124, 1925, 1, 33. 888 Heck, AcP 124, 1925, 1, 33. 889 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 68, III., 3., S. 162 f. 890 Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 817, Rn. 2; Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 817, Rn. 10; in diese Richtung auch Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 1057, 1054; Armgardt, NJW 2006, 2070, 2072 f.; Lorenz, FS W. Lorenz, 2001, 193, 200 f.; Klöhn, AcP 210, 2010, 804, 817 f.; kritisch zur Präventionsfunktion Sonnenschein, JZ 1976, 497, 502. 891 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., 1988, S. 63; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 6 V b), S. 204 ff.; Martinek, JZ 2009, 364, 365; v. Caemmerer, SJZ 1950, 646, 649. 892 Bufe, AcP 157, 1958, 215, 255; Klöhn, AcP 210, 2010, 804, 818.
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Vermögensvorteil behalten könnte893. „Wenn schon der Gauner bestraft werden soll, warum dann in die Tasche eines anderen Gauners?“894. Umso empfindlicher wird diese Divergenz, wenn die Vorleistung eine besonders große bzw. hohe Vermögensübertragung verursachte895. Das Privatrecht zielt indes vielmehr auf die Wiedergutmachung des eingetretenen Schadens im Schadensersatzrecht und Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen ab896. Eine darüber hinausgehende Bestrafung der Akteure kann dem Privatrecht nicht abgewonnen werden. Nicht überzeugen kann der Schuldkompensationsansatz von Heck in Wucherfällen, bei denen typischerweise der Sittenverstoß nur auf der Seite des Leistenden liegt, es also nichts zu kompensieren gibt897. Außerdem ist die Schuldkompensation vielmehr im Schadensersatzrecht und nicht im Bereicherungsrecht zu verankern898. Im Gegensatz zur Strafzwecktheorie der Rechtsprechung stellt die überwiegende Meinung nicht den Anspruch an sich Vermögensverhältnisse beider Parteien zu vergleichen, sondern sie legt eine getrennte Betrachtung zugrunde und verwehrt demjenigen einen bereicherungsrechtlichen Rechtschutz, der diesen in Anspruch nehmen möchte, aber aufgrund der Verbots- bzw. Sittenwidrigkeit nicht verdient. Der Zufall der Vorleistung soll den Parteien zum Verhängnis werden899. Die daraus resultierende faktische Empfängerbegünstigung ist eine hinzunehmende Kehrseite der Rechtschutzverweigerung gegenüber dem Vorleistenden900. Andererseits darf der Empfänger die Leistung nicht aufgrund seiner Schutzbedürftigkeit behalten, sondern weil sie einen zufälligen „faktischen Reflex“ dafür darstellt, dass auch ihm kein Rechtsschutz zur Verfügung stehen kann901. Es sollte dabei auch nicht unerwähnt bleiben, dass es nicht die Aufgabe des Zivilrechts ist, unberechtigten Vermögensvorteil beim Empfänger zu verhindern, sofern der korrespondierende Vermögensnachteil auf der Seite des Leis893 Bufe, AcP 157, 1958, 215, 254: „ ein Strafgedanke könne dem § 817 Satz 2 unmöglich innewohnen“; v. Caemmerer, SJZ 1950, 646, 649; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 68, III., 3., S. 162; Canaris, FS Steindorff, 1990, 519, 523; Honsell, FS Westermann, 2008, 315, 334. 894 Medicus, GS Dietz, 1973, 61, 67. 895 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 68, III., 3., S. 162; Medicus, GS Dietz, 1973, 61, 62; Honsell, FS Westermann, 2008, 315, 334. 896 Bufe, AcP 157, 1958, 215, 254. 897 Medicus, GS Dietz, 1973, 61, 67. 898 Bufe, AcP 157, 1958, 215, 255. 899 Wohl a. A. Martinek, in: jurisPK‑BGB, 8. Aufl., 24. 08. 2017, 2017, § 817, Rn. 3, der die disproportionalen Wirkungen des § 817 S. 2 auch unter der Zugrundelegung des Rechtsschutzverweigerungsgedankens problematisch sieht; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 6 V, S. 203. 900 Dauner, JZ 1980, 495, 499. 901 Armgardt, JR 2009, 177, 179.
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tenden diesen nicht unbillig trifft902. Außerdem erscheint die heraufbeschworene „disproportionale Wirkung“903 des § 817 S. 2 dann als entschärft, wenn man bedenkt, dass für die Kondiktionssperre auch die Erfüllung von subjektiven Voraussetzungen nötig ist. „Denn wer um die Sitten- oder Gesetzeswidrigkeit des Geschäfts weiß oder davor geradezu die Augen verschließt und dennoch vorleistet, vertraut bezüglich der Erbringung der Gegenleistung allein seinem Partner und nicht der Rechtsordnung und kann sich daher nicht beklagen, wenn dieses Vertrauen enttäuscht wird“904. Insoweit ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn Bufe dieses Verhalten als einen vom Willen getragenen „Verzicht auf einen Rückforderungsanspruch“ qualifizierte und darin den gleichen Rechtsgedanken, der sich vor allem in § 814 niedergeschlagen hat, erspürte905.
b) Zwischen der extensiven Auslegung und den Restriktionsversuchen aa) Spannungsverhältnis zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2 Die Ausweitung des § 817 S. 2 zunächst auf bereicherungsrechtliche Leistungskondiktionen, sodann die von manchen befürwortete Ausweitung auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag906, das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis907 und die unerlaubten Handlungen908 lösten eine Gegenbewegung hin zur einer restriktiveren Behandlung des § 817 S. 2 auch im Bereicherungsrecht aus. Diese erscheint auch angebracht. Denn nicht bei jedem nach § 134 oder nach § 138 nichtigen Vertrag darf die Kondiktionssperre nach § 817 S. 2 greifen. Wäre dies so, so wäre durch die Sperre des § 817 S. 2, die den auf Grundlage dieser Verträge eingetretenen Vermögenszustand einfriert, genau die gegenteilige Rechtsfolge eingetreten, die der Gesetzgeber mit der nichtigkeitsauslösenden Norm über die §§ 134, 138 bezweckte. Der verbotswidrige Zustand wird durch § 817 S. 2 902
Canaris, FS Steindorff, 1990, 519, 525. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 6 V, S. 203. Canaris, FS Steindorff, 1990, 519, 527; v. Caemmerer, SJZ 1950, 646, 651: „aber sein Vertrauen auf die Redlichkeit der ihm bei unerlaubten Geschäften gemachten Zusagen verdient keinen Schutz“. 905 Bufe, AcP 157, 1958, 215, 258. 906 LG Saarbrücken ZfBR 2015, 75, 84; Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 817, Rn. 16; ders., in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 677, Rn. 43 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., 1988, § 7 IV 2b, S. 63. 907 Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 817, Rn. 18 ff.; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1451 f.; Jerger, NZBau 2014, 415, 419; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 68, III., 3e, S. 165 ff.; Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 817, Rn. 14; wohl auch Stadler, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 817, Rn. 9; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 6 V 1 f., S. 213 ff., § 20 I, 1, c, S. 672; die analoge Anwendung auf § 985 beschränkend, Klöhn, AcP 210, 2010, 804, 840; Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 817, Rn. 13; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 817, Rn. 11; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., 1988, § 7 IV 2b, S. 63. 908 Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 817, Rn. 17; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1453 ff. 903 904
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im Endergebnis perpetuiert909 und verursacht „paradoxe Resultate“, die dazu führen, dass die §§ 134, 138 in der Bedeutungslosigkeit versinken910. Richtigerweise beschrieb Honsell das durch die extensive Auslegung des § 817 S. 2 ausgelöste Verhältnis der §§ 134, 138 und § 817 S. 2 als eine Antinomie911. Die Gefahr der Gesetzesvereitelung ist das eigentliche, bis heute noch nicht gänzlich gelöste Problem zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2. Insofern bedarf es auf der einen Seite einer über die direkte Anwendung hinausgehenden analogen Anwendung des § 817 S. 2 auf alle Leistungskondiktionen, um eine Normzweckaushöhlung des § 817 S. 2 selbst zu vermeiden. Andererseits darf diese extensive Anwendung auch nicht so weit gehen, dass die Normzwecke der §§ 134, 138 ausgehöhlt werden. Klar ist, dass der Gesetzgeber bei verbots- bzw. sittenwidrigen Verträgen grundsätzlich das vertragliche Gewährschuldverhältnis zu Fall bringen und eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. ermöglichen will. Nur in Ausnahmefällen, als „ultima ratio“912, darf dabei die Kondiktionssperre aus § 817 S. 2 greifen. Problematisch ist jedoch, wo die Grenze in diesem Spannungsverhältnis zu ziehen ist.
bb) Anwendungsbereichsunterschiede zwischen § 817 S. 2 und §§ 134, 138 Dabei ist vorwegzunehmen, dass § 817 S. 2 grundsätzlich dort nicht eingreift, wo die Verbots- bzw. Sittenwidrigkeit nur einen Vertragspartner betrifft. Dennoch führt dieser Unterschied nicht dazu, dass die §§ 134, 138 effektiv an Bedeutung gewinnen. Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 134 tritt grundsätzlich dann nicht ein, wenn lediglich ein einseitiger Verbotsgesetzverstoß vorliegt (s. o.), sodass sich die Frage nach einem bereicherungsrechtlichen Ausgleich bei einseitigen Verbotsgesetz- bzw. Sittengebotsverstößen bereits nicht stellt. Ist jedoch bei einseitiger Vorwerfbarkeit ausnahmsweise eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach §§ 134, 139 anzunehmen, stellt dies ebenfalls keinen ernstzunehmenden Zugewinn dar, da die überwiegende Auffassung richtigerweise die Anwendung des § 817 S. 2 auch auf manche Verträge (insb. Wucher), die an einer einseitigen Verbotswidrigkeit, bzw. Sittenwidrigkeit leiden, ausweitet. Ein weiterer Unterschied ergibt sich aus dem Vergleich von § 817 S. 1 und den Leistungskondiktionen aus § 812. § 817 S. 1 gewährt dem Wortlaut nach dem Leistenden ein Rückforderungsrecht nur dann, wenn der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein Verbotsgesetz bzw. gegen die guten Sitten verstößt. Das Rückforderungsrecht nach § 817 S. 2 ist demnach ausgeschlos909 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 1; ebenso Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2014, § 3, Rn. 100; Martinek, JZ 2009, 364; Klöhn, AcP 210, 2010, 804, 808. 910 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 2. 911 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 2. 912 Martinek, JZ 2009, 364, 365.
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sen, wenn dem Leistenden „gleichfalls“ ein solcher Verstoß zur Last fällt, also dann, wenn dieser durch das Bewirken der Leistung gegen ein Verbotsgesetz bzw. gegen ein Sittengebot verstößt913. § 817 S. 2 nimmt somit keinen Bezug auf den zugrundliegenden Vertrag, sondern auf den Annahme- bzw. den Leistungsbewirkungszweck. Die Mangelhaftigkeit des Grundgeschäfts ist nicht mit dem mangelhaften Annahme- bzw. Leistungsbewirkungszweck zu gleich zusetzen914. Dieser Unterschied wird jedoch durch die analoge Anwendung des § 817 S. 2 auf alle Leistungskondiktionen überwunden, sodass auch er keine praktischen Folgen bzgl. des Anwendungsbereiches der §§ 134, 138 nach sich zieht. Anwendungsbereichsunterschiede herrschen jedoch dort, wo die §§ 134, 138 naturgemäß nicht zur Anwendung kommen können. Das ist dann der Fall, wenn es schon gar nicht zum Vertragsschluss gekommen ist oder der Vertragsschluss aufgrund anderer Gesichtspunkte als die Verbots- bzw. die Sittenwidrigkeit, etwa im Falle der Anfechtung nach §§ 119, 142 oder im Falle der Geschäftsunfähigkeit bzw. beschränkter Geschäftsfähigkeit, nichtig ist. Auch in diesem Fall wird eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erforderlich, in deren Rahmen es zur Anwendung des § 817 S. 2 kommen kann. Außerdem enthält § 817 S. 2 subjektive Voraussetzungen. § 134 kommt dagegen auch dann zur Anwendung, wenn die subjektive Seite fehlt (s. o.). Bei § 138 Abs. 1 ist dies umstritten. Bei § 138 Abs. 2 ergeben sich die subjektiven Voraussetzungen bereits aus dem Wortlaut. Insofern kann insb. bei § 134 zwar das Vertragsverhältnis zu Fall gebracht werden, ohne dass im Rückabwicklungsverhältnis es zur Anwendung des § 817 S. 2 kommt, da es dem Verbotsgesetz-, bzw. Sittengebotsverstoß am subjektiven Merkmal mangelt.
cc) Lösung des Spannungsproblems zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2 (1) Historischer Ansatz von Honsell Nach dem Dargelegten erscheint es so, dass in den allermeisten Fällen die Rechtsfolge von §§ 134, 138 durch § 817 S. 2 (analog) wieder kassiert werde. Dem versuchte Honsell entgegenzutreten, indem er auf den historischen Anwendungsbereich des § 817 S. 1 – der condictio ob turpem causam – rekurrierte. Das römische Recht ging von einem numerus clausus der schuldrechtlichen Verträge aus. Den Grundsatz der Vertragsfreiheit bzgl. der Schaffung neuer Vertragstypen, so wie ihn das deutsche BGB kennt und der seine gesetzliche Kodifizierung in § 311 Abs. 1 erfahren hat, war den Römern fremd915. Bei einem Austausch der Leistungen, ohne dass ein Vertrag aus dem Spektrum des nume913 Ebenso
Buck-Heeb, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 817, Rn. 3; vgl. dazu auch Omlor/Meier, JuS 2018, 42, 48 m. w. N. 914 Ebenso Buck-Heeb, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 817, Rn. 14. 915 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 70.
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rus clausus vorlag, konnte der Leistende seine Leistung dennoch zurückfordern, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg (datio ob rem) nicht eintrat. Dies war etwa dann der Fall, wenn geleistet wurde, um den anderen zu einem Vertragsschluss zu bewegen und es zu diesem im Ergebnis nicht kam. Die zuständige Kondiktion hieß condictio ob rem916. Sie wurde dem Leistenden auch dann zugestanden, wenn mit der Leistung ein verwerflicher Zweck verfolgt wurde, dieser jedoch nur auf der Seite des Empfängers (= einseitiger Verstoß), wie etwa bei den Erpressungsfällen917, vorlag918. Andererseits war die condictio ob rem ausgeschlossen, wenn beide Parteien mit der Leistung verwerfliche Zwecke verfolgten919. Es galt der Grundsatz: in pari turpitudine melior est causa possidentis920. Im deutschen BGB hat die condictio ob rem ihren Platz in § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 in Gestalt der sog. Zweckverfehlungskondiktion gefunden. Sie stellt nach Honsell eine gegenüber dem § 817 S. 1 allgemeine Regelung dar. § 817 S. 1 regele dagegen eine spezielle Zweckverfehlungskondiktion, nach der dem Leistenden ein Rückforderungsrecht dann zusteht, wenn der vom Empfänger verfolgte Zweck verwerflicher Natur ist921. Dass es sich bei § 817 S. 1 um eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Zweckverfehlungskondiktion handelt, kann bereits an dem Wortlaut erkannt werden. In § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 heißt es: „der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt“. In § 817 S. 1 heißt es: „War der Zweck der Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat“. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 regelt demnach eine Kondiktion, nach der neben dem vertraglichen Zweck (obligandi bzw. donandi causa), also der Leistung zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit922, ein weiterer außervertraglicher Zweck, also die Leistung zur Erreichung eines zukünftigen Zwecks – causa futura923 –, Inhalt des Rechtsgeschäfts geworden und nicht erreicht ist, ohne dabei die Verbotswidrigkeit bzw. Sittenwidrigkeit in den Blick zu nehmen. § 817 S. 1 regelt auch eine Kondiktion, nach der neben dem vertraglichen Zweck ein weiterer außervertraglicher Zweck Inhalt des Rechtsgeschäfts geworden und nicht erreicht ist. Er setzt jedoch voraus, dass dieser außervertragliche Zweck verbotswidriger bzw. sittenwidriger Natur war. 916
Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 73 f. Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 84 f. 918 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 76, condictio ob rem umfasste insbesondere „verpflichtungsfeindliche Geschäfte“. 919 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 86. 920 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 88 f. 921 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 77, 80 ff. 922 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 84. 923 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 84. 917
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Dieses Verhältnis zwischen condictio ob rem und der condictio ob turpem causam wurde durch die 1. Kommission aufgrund der Implementierung des Sühnegedankens aufgegeben. Die ratio legis war ab nun die Strafe für den sittenwidrig handelnden Empfänger924. Die 2. Kommission hatte aufgrund der besseren Übersichtlichkeit und systematischer Richtigkeit dagegen wieder an das römische Kondiktionensystem angeknüpft, ohne zunächst einen allgemeinen Kondiktionstatbestand zu schaffen, und unterschied dabei zwischen vier speziellen Kondiktionsarten925. Darin war auch die condictio ob turpem causam enthalten. Mit der Schaffung der allgemeinen Kondiktion (condictio sine causa) verlagerte die 2. Kommission sie sodann in einen eigenständigen Tatbestand und fasste sie mit der Kondiktionssperre des heutigen § 817 S. 2 zusammen926.
(2) Stellungnahme zu Honsells Ansatz Honsell ist in Bezug auf die Eigenart der allgemeinen Zweckverfehlungskondiktion – Rückforderung wegen des nicht erreichten außervertraglichen zukünftigen Zweckes – und auf ihr Verhältnis zur condictio ob turpem causam zuzustimmen927. Diese Ansicht vermag den inneren Grund dieser Kondiktionsarten zu erklären und verdient zweifelsfrei Anerkennung. Honsell zieht indes aus dieser Ansicht weitergehende Schlüsse hinsichtlich des § 817 S. 2. Sein Argument ist: Da das römische Kondiktionensystem durch die 2. Kommission wiederbelebt wurde und die Ausdehnung der Kondiktionssperre aus § 817 S. 2 auf alle Kondiktionsarten nicht bezweckt war928, beziehe sich § 817 S. 2 auf den historischen Anwendungsbereich der Deliktsanstiftung929, nicht dagegen auf die im Spektrum des numerus clausus des römischen Rechts geregelten Verträge – Kauf-, Miet-, Pacht- oder Darlehensverträge930. Außerdem beschränke sich die (analoge) Anwendung des § 817 S. 2 auf die causa futura931. Diesen Schlussfolgerungen gilt es entgegenzutreten. Zum einen ist der Ausschluss der Kauf-, Miet-, Pacht- oder Darlehensverträge aus dem Anwendungsbereich des § 817 S. 2 nicht überzeugend. Das deutsche Privatrecht kennt keinen numerus clausus der schuldrechtlichen Verträge. Aus diesem Grunde können die condictio ob rem und ihre spezielle Ausprägung – condictio ob turpem causam – nicht mehr den gleichen Anwendungsbereich wie im römischen Recht für 924 Motive II, 1888, S. 849; Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 100. 925 Mugdan II, 1899, S. 1170. 926 Mugdan II, 1899, S. 1173. 927 Auch Buck-Heeb, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 817, Rn. 1. 928 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 107 f. 929 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 138 ff. 930 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 140. 931 Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 147 ff.
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sich beanspruchen. Da, wo es heute aufgrund der Vertragsfreiheit Verträge gibt, wird die Rückabwicklung regelmäßig nach der condictio indebiti stattfinden, während sie sich im römischen Recht nach der condictio ob rem vollzog. Die Vertragsfreiheit hat den Anwendungsbereich der Zweckverfehlungskondiktion insoweit deutlich zurückgedrängt, wodurch v. Caemmerers Feststellung, die condictio ob rem sei ein „historisches Überbleibsel“932, an Aktualität gewinnt. Auch die Begrenzung des § 817 S. 2 auf die causa futura trägt im Ergebnis keine Früchte. Diesbezüglich ist ein Erst-Recht-Schluss anzuführen. Wenn eine Rückforderung nach § 817 S. 2 bereits dann ausgeschlossen werden kann, wenn mit der Leistung ein zukünftiger, verwerflicher, jedoch außervertraglicher Zweck verfolgt wurde – der innere Grund der Kondiktion aus § 817 S. 1 –, müsse erst recht die Möglichkeit zum Ausschluss der Rückforderung in den Fällen bestehen, wenn der verwerfliche Zweck vertraglich ausgestaltet ist, wenn also die Verbotswidrigkeit bzw. die Sittenwidrigkeit bereits den gegenwärtigen, vertraglichen Zweck betrifft. Insofern kann sich die Einschränkung der extensiven analogen Anwendung des § 817 S. 2 nicht nach dem für das deutsche BGB fremden numerus clausus des römischen Vertragssystems richten, noch sich auf eine causa futura beschränken.
(3) Einschränkung des Anwendungsbereiches nach dem Zweck des Verbotsgesetzes bzw. des Sittengebots Das Verhältnis zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2 ist zusammen mit der ganz herrschenden Meinung933 nur nach dem Sinn und Zweck der Norm zu entscheiden. Es ist eine teleologische Auslegung bzw. eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Dabei ist der Bezugspunkt des Normzwecks bei §§ 134, 138 und § 817 S. 2 unterschiedlich. Während der Normzweck bei §§ 134, 138 sich auf die Wirksamkeit des Vertrages bzw. des Gewährschuldverhältnisses bezieht, ist er bei § 817 S. 2 bzgl. der Rückforderung bzw. des Rückgewährschuldverhältnisses zu erfragen. Diese feine Unterscheidung ist bisher nicht deutlich zum 932
v. Caemmerer, SJZ 1950, 646, 649. v. Caemmerer, SJZ 1950, 646, 649; Fabricius, JZ 1963, 85 ff.; Martinek, JZ 2009, 364; Medicus, GS Dietz, 1973, 61, 68 ff.; Dauner, JZ 1980, 495, 504; Armgardt, JR 2009, 177, 178; ders., NJW 2006, 2070, 2072; Weyer, WM 2002, 627, 629 f.; Sonnenschein, JZ 1976, 497, 498; Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1452; Martinek, in: jurisPK‑BGB, 8. Aufl., 24. 08. 2017, 2017, § 817, Rn. 34; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, 15. Aufl., 2017, § 817, Rn. 1; Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 817, Rn. 14; Stadler, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., 2018, § 817, Rn. 8; Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 817, Rn. 22 ff.; Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 817, Rn. 23; von Sachsen Gessaphe, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 817, Rn. 23; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., 1988, § 7 IV 2b, S. 64; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 68, III., 3., c), S. 163; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 6 V, S. 209 ff.; Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2014, § 3, Rn. 100; Looschelders, Schuldrecht, BT, 12. Aufl., 2017, Rn. 1057; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 42. Aufl., 2018, § 41, Rn. 9. 933
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Ausdruck gekommen, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass man § 134 und § 817 S. 2 einseitig entweder auf den Zweck der letzteren oder auf den Zweck der nichtigkeitsauslösenden Norm beurteilt hat (s. auch o.). In Wahrheit sind es immer zwei Zwecke. Zum einen ist dies der Zweck der §§ 134, 138 und zum anderen der des § 817 S. 2. Beide geben ein zivilrechtliches Korsett vor, das im Zivilrecht die Implementierung von Verbotsgesetzen bzw. Sittengeboten erlaubt. Sie stellen einen „Kanal“ auf, durch den die Verbotsgesetze bzw. Sittengebote einfließen können, freilich nur nach der von §§ 134, 138 und § 817 S. 2 vorgegebenen Richtung. Ob Verbotsgesetze bzw. die Sittengebote dieser bereits vorgegebenen Richtung entsprechen, entscheidet sich dagegen nicht nach dem Zweck der §§ 134, 138 bzw. § 817 S. 2, sondern nach dem Normzweck des jeweiligen Verbotsgesetzes bzw. des Sittengebotes. Da die §§ 134, 138 und § 817 S. 2 unterschiedliche Anknüpfungsgegenstände und auch unterschiedliche Rechtsfolgen haben, kann und wird es so sein, dass das Vertragsverhältnis nach §§ 134, 138 zu Fall gebracht werden kann, dagegen die Rückabwicklung nach §§ 812 ff. nicht durch § 817 S. 2 ausgeschlossen ist. Vereinbaren etwa die Gesellschafter einer GmbH mit ihrer Gesellschaft, dass die Gesellschaftereinlagen an sie zurückbezahlt werden, verstoßen sie gegen das Verbot der Einlagenrückzahlung nach § 30 Abs. 1 GmbHG934. Der Letztere ist ein Verbotsgesetz, sodass diese Vereinbarung nach § 134 nichtig ist. Nun stellt sich die Frage, ob die Einlagen wieder an die Gesellschaft nach §§ 812 ff. zurückzuzahlen sind. Der Rückzahlung stünde § 817 S. 2 entgegen. Dies würde freilich mit dem Normzweck des § 30 Abs. 1 GmbHG kollidieren, der den Schutz der Gesellschaftsgläubiger bezweckt. Dieser wäre unterlaufen, wenn der eingetretene Vermögenszustand durch § 817 S. 2 eingefroren wäre. Aus teleologischen Gründen darf § 817 S. 2 demnach nicht angewandt werden. Paradigmatisch für sittenwidrige Abreden, bei denen die Rückabwicklung nicht nach § 817 S. 2 ausgeschlossen ist, sind insbesondere die berüchtigt gewordenen Schneeballsysteme und Schenkkreise. Überzeugend verneinte der BGH bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die Anwendung des § 817 S. 2, da ansonsten das Sittengebot „im Ergebnis konterkariert [werde] und die Initiatoren solcher ‚Spiele‘ zum Weitermachen geradezu ein[ge]laden [würden], wenn sie die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder – ungeachtet der Nichtigkeit der das ‚Spiel‘ tragenden Abreden – behalten dürfen“935. Gleiche Probleme treten auch bei Verstößen gegen Preisvorschriften936 oder bei Bordellkäufen937 934
Der Fall ist auf Fabricius, JZ 1963, 85, 87 zurückzuführen. BGH NJW 2006, 45, 46; BGH NJW‑RR 2009, 345; BGH NJW 1997, 2314 ff. bzgl. „Schneeballprinzips“; dazu Schmidt-Recla, JZ 2008, 60 ff. 936 Vgl. dazu Fabricius, JZ 1963, 85, 87 f,; Martinek, in: jurisPK‑BGB, 8. Aufl., 24. 08. 2017, 2017, § 817, Rn. 41. 937 Vgl. dazu Martinek, in: jurisPK‑BGB, 8. Aufl., 24. 08. 2017, 2017, § 817, Rn. 46 ff.; Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 817, Rn. 11 ff. 935
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auf. Auch bei Transaktionen, die gegen Devisenvorschriften verstoßen, muss § 817 S. 2 teleologisch reduziert werden938. In bestimmten Fällen wird also der Normzweck zwar die Vertragsnichtigkeit, nicht jedoch den Ausschluss des bereicherungsrechtlichen Rückgewährschuldverhältnisses zur Folge haben (vgl. die Skizze unten: der von § 817 S. 2 nicht erfasster Rückabwicklungsbereich). Dabei wird man nicht sagen können, dass die §§ 134, 138 einen gegenüber § 817 S. 1 weitergehenden Anwendungsbereich haben. Richtig ist zwar, dass bei einem nach §§ 134, 138 nichtigen Vertrag eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. zu vollziehen ist, somit sich auch die Frage nach § 817 S. 2 und seiner teleologischen Reduktion stellen wird. Andererseits wird die Rückabwicklung und damit auch der mögliche Ausschluss der Rückabwicklung nach § 817 S. 2 auch dann in Frage stehen, wenn es gar nicht zum Vertragsschluss gekommen ist oder sich die Nichtigkeit des Verpflichtungsvertrages aus anderen Gründen als nach §§ 134, 138, etwa wegen Anfechtung (§§ 119, 142) oder wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff.) ergibt, die „Annahme“ i. S. v. § 817 S. 2 jedoch verbots- bzw. sittenwidrig ist. Es handelt sich insofern um einen gegenüber den §§ 134, 138 überschießenden Anwendungsbereich des § 817 S. 2 (siehe nachfolgende Skizze). Dies hat unmittelbar damit zu tun, dass der Rechtsgrund bei Leistungskondiktionen sich richtigerweise nicht nach dem Vorliegen des Kausalverhältnisses beurteilt (s. o. die frühere h. M.), sondern danach, ob der Zweck der Leistung erreicht wurde (so die heutige h. M.). In den Fällen, in denen es gar nicht zum Vertragsschluss kam, kann das Gewährschuldverhältnis naturgemäß nicht durch §§ 134, 138 zu Fall gebracht werden, jedoch kann die Rückforderung dennoch nach § 817 S. 2 ausgeschlossen sein. Resümierend hat § 817 S. 2 im Rückabwicklungsverhältnis gegenüber den §§ 134, 138 im Gewährschuldverhältnis einen teils engeren, teils weiteren Anwendungsbereich. Graphisch kann das Verhältnis zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2 folgendermaßen wiedergegeben werden (siehe Abb. 5).
3. Analoge Anwendung des § 817 S. 2 auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag? Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die analoge Anwendung des § 817 S. 2 auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag stets mit dem Argument abgelehnt, bei § 817 S. 2 handele es sich um eine Ausnahmevorschrift, die sich nur auf Bereicherungsrecht beschränke und zudem einen für das Zivilrecht fremden Strafcharakter habe939. Den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683 S. 1, 670 verneint der BGH mit der Begründung, die vom Geschäftsführer getätig938 939
BGHZ 41, 341; BGHZ 63, 365; Martinek, JZ 2009, 364, 365. BGH NJW 1963, 950, 951; dem folgend OLG Stuttgart NJW‑RR 1994, 876, 877.
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung Gewährschuldverhältnis
§§ 134, 138
Rückgewährschuldverhältnis
§§ 812 ff.
Rückabwicklung von nicht nach §§ 134, 138 nichtigen Verträgen
§ 817 S. 2
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Überschießender Anwendungsbereich des §817 S. 2
Überschießender Anwendungsbereich des §817 S. 2
Von §817 S. 2 nicht erfasster Rückabwicklungsbereich
Abbildung 5: Verhältnis zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2
ten rechtswidrigen Aufwendungen seien nicht erforderlich940. Dagegen könne jedoch der Geschäftsherr die von ihm zugewendeten Vermögenswerte nach §§ 681 S. 2, 667 herausverlangen941. Wegen der fehlenden Analogiefähigkeit des § 817 S. 2 sei dieser auch nicht auf die Regelungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis anzuwenden942. Wenige Instanzgerichte943 und ein größer werdender Teil der Lehre944 befürworten dagegen die analoge Anwendung des § 817 S. 2. Im Bereich der §§ 985 ff. und der §§ 823 ff. ist dies auch überzeugend. Ansonsten entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn im Falle eines Doppelmangels der bereicherungs940
BGH BauR 2014, 1141, 1143 Rn. 14. BGH NJW 1963, 950. BGH NJW 1951, 643; BGH NJW 1964, 1791, 1792; BGH NJW 1975, 638, 640. 943 LG Saarbrücken ZfBR 2015, 75, 85: die Auffassung der Rechtsprechung des BGH, nach der es keinen Raum für die analoge Anwendung des § 817 S. 2 auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gibt, „begegnet Bedenken, weil dann die erhebliche[n] Wertungswidersprüche zwischen den bereicherungsrechtlichen Vorschriften und den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag entstehen … Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb bereicherungsrechtliche Ansprüche dem Rückforderungsausschluss nach § 817 S. 2 BGB unterliegen sollen und der Leistende über die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und dort § 683 BGB Aufwendungsersatz verlangen kann“; OLG Frankfurt als Berufungsinstanz zum vom BGH entschiedenen Urteil, NJW 1963, 950: „Das OLG hat in seinem ersten Urteil die Ansicht vertreten, daß die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB auch auf solche Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar sei“; nicht klar wird dagegen die Ablehnung der Ansprüche aus §§ 677 ff. bei nichtigen Verträgen durch das OLG Köln, NJW‑ RR 1994, 1540, 1541 ff., welches nur die Ansprüche aus §§ 812 ff. thematisiert und sie nach § 817 S. 2 ausschließt. 944 Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 817, Rn. 16; Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 817, Rn. 13; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., 1988, S. 64; Weiler, NJW 1997, 1053, 1054; in diese Richtung auch Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 817, Rn. 14 ff. 941 942
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
rechtliche Anspruch nach § 817 S. 2 (analog) zu verneinen, der dingliche Herausgabeanspruch dagegen zu gewähren wäre, obwohl der Mangel so schwerwiegend ist, dass er auch das Verfügungsgeschäft infiziert945. Außerdem müsste auch der Anspruch nach §§ 951, 816 Abs. 1 wegen Vermischung und Verarbeitung gewährt werden, obwohl dies nicht der Fall ist946. Auch im Deliktsrecht, welches grundsätzlich nur das Integritätsinteresse schützt, gibt es Schnittmengen mit dem Recht des Leistungsaustausches, der bei verbotswidrigen oder sittenwidrigen Geschäften nicht durch die Gewährung der Ansprüche §§ 823 ff. ins Gegenteil verkehrt wird947.
a) Vertragsähnliches Gewährschuldverhältnis Auf das Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag kann dagegen die analoge Anwendung des § 817 S. 2 kaum überzeugen. Der Unterschied zwischen den §§ 134, 138, 139 und § 817 S. 2 besteht darin, dass die Ersteren den Leistungsaustausch im Rahmen eines Gewährschuldverhältnisses verhindern sollen. Sie zielen also darauf ab, die anfänglichen Zuwendungen der Parteien beim Verstoß gegen ein Verbotsgesetz oder gegen das Sittengebot zu verhindern. Dagegen unterbindet § 817 S. 2 nicht den anfänglichen Leistungsaustausch, sondern den Rückaustausch der auf Grundlage eines verbotswidrigen oder sittenwidrigen und damit nichtigen Vertrages bereits gewährter Vermögenswerte948. Er verhindert damit die Rückforderung im Rahmen eines Rückgewährschuldverhältnisses. Bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag handelt es sich, wie oben aufgezeigt, aufgrund des auftrags- und damit vertragsrechtlichen Haftungsgefüges indes nicht um ein Rückgewähr-, sondern um ein vertragsähnliches Gewährschuldverhältnis. Diese bedeutsame Feinheit sah auch Weiler, als er bzgl. der Problematik um die nichtigen Verträge konstatierte: „Der Vertrag ist nichtig, das Rechtsverhältnis entsteht nicht. Nun soll [nach Auffassung des BGH] an dessen Stelle ein gesetzliches Schuldverhältnis treten, das nach seinem Sinn und Zweck nicht der Rückabwicklung gescheiterter Verträge, sondern der Durchführung und Abwicklung einer Geschäftsführung dient. Stattdessen werden die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag von der Rechtsprechung zur Rückabwicklung genutzt und dem Geschäftsführer die gleiche Sittenwidrigkeit, die bereits zur Nichtigkeit des Vertrages geführt hat, der Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruches entgegengesetzt“949. Der von ihm ebenso herausgearbeitete Unterschied wird indes gleich wieder verwischt, 945 Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1452; Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 56; v. Caemmerer, SJZ 1950, 646, 650. 946 v. Caemmerer, SJZ 1950, 646, 650. 947 Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1454. 948 Richtigerweise unterscheidet auch Weyer, WM 2002, 627, 629 zwischen der „Wirksamkeitsebene“ und der „Rückabwicklungsebene“. 949 Weiler, NJW 1997, 1053, 1054. Hervorhebungen stammen vom Verfasser.
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung
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als er, ohne auf die mögliche analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 einzugehen, sich für die analoge Anwendung des § 817 S. 2 entscheidet, der freilich als Kondiktionssperre auf Rückabwicklungsverhältnisse gemünzt ist.
b) Der nicht von § 817 S. 2 erfasster Rückabwicklungsbereich Die fehlende Beachtung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als ein vertragsähnliches Gewährschuldverhältnis führt auch zu widersinnigen Ergebnissen. In den Bereichen, in denen § 817 S. 2 aus teleologischen Gründen nicht greifen kann (s. o. die Skizze: der von § 817 S. 2 nicht erfasste Rückabwicklungsbereich), werden die Ansprüche aus §§ 677 ff. aufgrund von § 817 S. 2 nicht ausgeschlossen, obwohl die Leistungen der Parteien, wären sie Vertragsbestandteil geworden, nach §§ 134, 138 nivelliert wären. Insofern greift § 817 S. 2 zu kurz. Gegen diese Schlussfolgerungen wäre potentiell einzuwenden, dass die analoge Anwendung des § 817 S. 2 auf die Geschäftsführung ohne Auftrag weiter gehen kann, als seine Wirkung im Bereicherungsrecht ist. Man könnte sagen, die analoge Anwendung habe es an sich, dass sie sich von der direkten Anwendung einer Vorschrift naturgemäß unterscheiden müsse. Dieser Einwand ist indes aus gleich zwei schwerwiegenden Gründen unbegründet. Zum einen darf die analoge Anwendung bzgl. der Rechtsfolgen bereits methodisch nicht über die Rechtsfolgen der direkten Anwendung hinausgehen. Dies würde das Instrument der Analogie missbrauchen. Außerdem hätte die unterschiedliche Behandlung des § 817 S. 2 im Rahmen der §§ 677 ff. und §§ 812 ff. zur Folge, dass ein auf dieselbe Leistung gerichteter Anspruch im Rahmen der echten Geschäftsführung wegen § 817 S. 2 verneint wäre, während die selbe Vorschrift des § 817 S. 2 im Rahmen von §§ 812 ff. den Anspruch nicht auszuschließen vermochte. Eine solche paradoxe Behandlung von § 817 S. 2 kann kaum hingenommen werden.
c) § 817 S. 2 als Einwendung Auch die von § 817 S. 2 ausgelöste Rechtsfolge vermag nicht zu überzeugen. Bei § 817 S. 2 handelt es sich um eine Kondiktionssperre, damit um eine rechtsvernichtende Einwendung950. Als solche verhindert sie nicht die Entstehung des bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs (§§ 812 ff.), sondern vermag einen bereits entstandenen Herausgabeanspruch auszuschließen. Übertrüge man diese Erkenntnis auf die §§ 677 ff., so hätte dies zur Folge, dass zwar die obligationsbegründende Norm nach § 677 HS. 1 bei nichtigen Verträgen erfüllt, die sich indes aus §§ 677 ff. ergebenden Ansprüche nach § 817 S. 2 analog gesperrt wären. Damit könnten zwar die Parteien untereinander nichts verlangen, 950 Hadding, in: Soergel, 13. Aufl., 2012, § 817, Rn. 14; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 68 III 3., S. 162.
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Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie
jedoch hätte die Geschäftsführung durch § 677 HS. 1 ihre Legitimationswirkung erlangt, aufgrund derer andere gesetzliche Schulverhältnisse (§§ 985 ff., 812 ff., 823 ff.) bereits tatbestandlich ausgeschlossen wären. Dies ist insbesondere bzgl. der Anwendung des Bereicherungsrechts nicht akzeptabel, da die Rückabwicklung nichtiger Verträge zu seinem Kernanwendungsbereich gehört.
d) Ergebnis: das Zusammenspiel zwischen §§ 134, 138 und § 817 S. 2 Stattdessen vermögen die §§ 134, 138, 139 bereits die Obligationsbegründung zu unterbinden. Durch ihre analoge Anwendung auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag wäre die obligationsbegründende Norm nach § 677 HS. 1 nivelliert, die Legitimationswirkung wäre demnach nicht ausgelöst, sodass der Weg für den bereicherungsrechtlichen Rückaustausch, der sodann durch die (analoge) Anwendung des § 817 S. 2 im Einzelfall unterbunden werden könnte, frei wäre951. Durch dieses System würde man folglich zum einen den Normzweck der nichtigkeitsauslösenden Norm nicht konterkarieren, da das Schuldverhältnis der §§ 677 ff. mit dem auftragsrechtlichen Haftungsgefüge nicht wiederbelebt wäre. Andererseits könnte die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung wegen § 817 S. 2 unterbunden oder aus teleologischen Gründen wieder deaktiviert werden. Das Zusammenspiel zwischen §§ 134, 138 im Gewährschuldverhältnis und § 817 S. 2 im Rückgewährschuldverhältnis wäre damit erhalten, sodass auf diesem Wege den Normzwecken der §§ 134, 138, 817 S. 2 und den Zwecken der Verbotsgesetze bzw. Sittengebote am besten Genüge getan wäre. Insofern vermag die analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 zum einen das Wiederaufleben von vertraglich geprägten Ansprüchen (§§ 683 S. 1, 679, §§ 681 S. 2, 666, 667, 668) zu verhindern und damit dem Gesetzgeberwillen der nichtigkeitsauslösenden Norm genüge zu tun. Andererseits schließt sie durch ihre Rechtsfolge – die Nichtigkeit des Gewährschuldverhältnisses – die legitimierende Wirkung aus und lässt eine im Gegensatz zur vertretenen Theorie nach der Spezialität saubere tatbestandliche Lösung für das Eingreifen des Bereicherungsrechts zu. Sie ist aufgrund der rechtsgeschäftsähnlichen Natur der echten Geschäftsführung ohne Auftrag bedingt und wird systematisch unterstützt (s. o.).
951
Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1449.
Kapitel 6
Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie auf die Fallgruppen der Geschäftsführung ohne Auftrag Nun gilt es, die konkreten Auswirkungen der hier vorgestellten Konzeption auf die Fallgruppen zur echten Geschäftsführung ohne Auftrag aufzuzeigen. Am Ende wird in einer Tabelle zusammengestellt, welche Fälle in die Obligation der §§ 677 ff. gehören und welche (teilweise) ausgeschlossen werden.
A. Tilgung fremder Schulden Die Bezahlung bzw. Tilgung fremder Schulden (§ 267) stellt nach der überwiegenden Meinung einen typischen Fall der echten Geschäftsführung ohne Auftrag dar1. Das verwundert nicht, denn die Bezahlung einer fremden Schuld hat die Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit zur Folge, die regelmäßig seinem Willen entspricht2. Es handelt sich demnach in der Regel um eine willkommene, fremdnützige Geschäftsbesorgung. Da es sich bei der fremden Schuld regelmäßig um ein objektiv fremdes Geschäft des Geschäftsherrn handelt, wird der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers vermutet. Dennoch kann es sich bei der Tilgung der fremden Schuld um abstraktinteressenwidrige oder konkret-interessenwidrige Geschäfte handeln. Bei den Ersteren wird die Anwendung der §§ 677 ff. ganz ausgeschlossen. Bei den Letzteren handelt es sich um eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 684, 818 ff.
I. Abstrakt-interessenwidrige Tilgung fremder Schulden Abstrakt-interessenwidrig ist eine Geschäftsbesorgung dann, wenn der Geschäftsherr bereits das Ergebnis der Geschäftsführung (hypothetisch) ablehnt, sodass alle Geschäftsbesorgungsvarianten interessenwidrig sind. Für diese Fallgruppe heißt das konkret, dass der Geschäftsherr die Befreiung seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger ablehnt. Das liegt dann vor, wenn der 1 2
Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 8, S. 109, Rn. 22. RGZ 82, 206, 214 ff.; BGHZ 28, 359, 362; BGH BB 1969, 194; BGH NJW 2007, 63; BGH WM 2008, 2293, 2294 ff.; BGH NJW‑RR 2010, 1144.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
Geschäftsherr davon ausgeht, dass es zum einen an einer Verbindlichkeit gegenüber Drittem fehlt, oder dass die Verbindlichkeit bereits beglichen wurde. Die von der Rechtsprechung judizierten Fälle helfen, die Situationen besser vorzustellen.
1. Geschäftsherr geht von bereits beglichener Verbindlichkeit aus Der erste Fall des fehlenden abstrakten Geschäftswillens des Geschäftsherrn liegt dann vor, wenn dieser vom Eintritt der Erfüllung seiner Verbindlichkeit ausgeht. Dafür ist das Urteil des OLG Saarbrücken vom 03. 08. 20043 (etwas vereinfacht) heranzuziehen. Folgendes ereignete sich: Die Eheleute M und F nahmen 1989 bei der Bank B1 zunächst ein Darlehen in Höhe von 50.000 DM, sodann noch ein Darlehen in Höhe von 70.000 DM auf, um mit dem Letzteren eine entsprechende Darlehensverbindlichkeit gegenüber einer anderen Bank – B2 – abzulösen. Die Darlehensverbindlichkeit gegenüber B2 war durch eine am Grundstück der F bestellte Grundschuld i. H. v. 200.000 DM abgesichert. Diese Grundschuld wurde im Rahmen der Umschuldung an die B1 abgetreten und sollte alle bestehenden und künftigen Forderungen der B1 gegen die damals noch verheirateten Eheleute sowie gegen jeden von ihnen alleine umfassen. 1990 wurden die Eheleute geschieden. Im Jahr 1994 hatte F zur Begleichung der Schulden des M nach Aufforderung 74.000 DM an die B1 bezahlt. Diesen Betrag fordert F nun von M zurück. Dieser behauptet, dass er keine Schulden gegenüber B1 mehr gehabt habe, da seine Schwester seine Schulden gegenüber B1 durch die Zahlung von 80.000 DM bereits beglichen hätte. Tatsächlich schuldete M der B1 anfänglich 160.000 DM, die durch die Zahlung der Schwester i. H. v. 80.000 € und durch die F i. H. v. 74.000 DM beglichen wurden. Steht der F ein Aufwendungsersatzanspruch gegen M zu? Folgt man der h. M., so ist der Tatbestand des § 677 HS. 1 erfüllt. Es handelt sich zumindest um ein auch-fremdes Geschäft. Der Fremdgeschäftsführungswille ist demnach zu vermuten. Ob die Bezahlung durch F dem Übernahmewillen (§ 683 S. 1) des M entsprochen habe, könne nach Auffassung des OLG Saarbrücken dahinstehen, da sich jedenfalls ein Anspruch aus §§ 684 S. 1, 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. ergebe4. Der Behauptung des M, er sei davon ausgegangen, dass seine Schulden gegenüber B1 durch die Zahlung der Schwester beglichen wurden, glaubte das Gericht nicht. Ob dies berechtigt ist oder nicht, kann hier nicht geklärt werden. Unterstellt man jedoch, dass M tatsächlich an bereits beglichene Schulden glaubte, 3
OLG Saarbrücken, Az.: 4 U 627/03, 4 U 627/03 – 113 = OLGR Saarbrücken 2005,
4
OLG Saarbrücken, Az.: 4 U 627/03, 4 U 627/03 – 113, Rn. 22, 28.
139.
A. Tilgung fremder Schulden
313
er also von der Erfüllung nach § 362 Abs. 1 ausging, wäre die Bezahlung der F an B1 eine abstrakt-interessenwidrige Geschäftsbesorgung, auch wenn sich herausstellen sollte, so wie in diesem Fall, dass tatsächlich nicht alle Schulden beglichen wurden. M glaubt in diesem Fall, der B1 nicht mehr verpflichtet zu sein. Er würde demnach zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung5 diese nicht vornehmen, sodass jede mögliche Geschäftsbesorgung seinem Willen widerspräche. Hier fehlt bereits das abstrakte Interesse. Der Fall ist vielmehr nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff.) zu lösen.
2. Geschäftsherr geht von fehlender Verbindlichkeit aus Zu den abstrakt-interessenwidrigen Geschäften zählen auch die Fälle, bei denen der Geschäftsherr von der fehlenden Verbindlichkeit ausgeht. Dazu ist die Entscheidung des BGH vom 21. 12. 19786 heranzuziehen. Folgendes ereignete sich: Die Ehefrau F wurde durch eine Gasexplosion verletzt. Das beklagte Land – L – hat die gesetzliche Schadensersatzpflicht dem Grunde nach anerkannt. Für die Behandlung der F sind der Kläger – Ehemann M –, die gemeinsame Tochter T und die Schwiegermutter B nach Z umgezogen. Dadurch wurden die unerlässlichen Besuche der F durch die Familienangehörigen sichergestellt. Vor der Übersiedlung forderte M das Land auf, für sämtliche Kosten der Übersiedlung aufzukommen. Das Land hat dies abgelehnt. M fordert nun die Erstattung der Umzugs- und Aufenthaltskosten. Der BGH hat den Aufwendungsersatzanspruch nach (!) §§ 677, 683 S. 1, 670 anerkannt. Es liege jedenfalls ein auch-fremdes Geschäft vor7. Auch der Fremdgeschäftsführungswille sei gegeben8. Das Land habe die Schadensersatzpflicht dem Grunde nach anerkannt und es dem M überlassen, alles zur Heilung Erforderliche zu veranlassen. Das sei ausreichend für den Übernahmewillen. Dass das Land Besuche von Zeit zur Zeit für zuträglicher als die ständige Anwesenheit hielt, könne an diesem Ergebnis nichts ändern9. Dem BGH muss widersprochen werden. Das Land akzeptierte zwar die Schadensersatzverpflichtung. Eine Verpflichtung zur Übernahme aller zur Übersiedlung erforderlicher Kosten lehnte es dagegen ausdrücklich ab. Dieser entgegenstehende Wille lag auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme vor. Die Übersiedlungskosten zählte das Land demnach nicht zu seinen 5 Nachfolgender entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn ist unbeachtlich, vgl. hier das Urteil des OLG Zweibrücken v. 27. 05. 2002 – 7 U 176/01, nach dem der Geschäftsherr die Kaufreue erst später manifestiert hatte. 6 BGH, Az.: VII ZR 91/77 = NJW 1979, 598. 7 BGH NJW 1979, 598 f. 8 BGH NJW 1979, 598, 599. 9 Vgl. BGH NJW 1979, 598, 599.
314
Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
Verpflichtungen. Alle Geschäftsführungen, die diese Kosten betreffen, waren folglich interessenwidrig. Es handelt sich um eine abstrakt-interessenwidrige Geschäftsbesorgung. Nach der hier vertretenen Konzeption fehlt demnach der abstrakte Geschäftswille des Landes, sodass § 677 HS. 1 nicht erfüllt ist. Zu denken wäre dagegen daran, den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn nach § 679 außer Acht zu lassen. Dafür ist erforderlich, dass ansonsten eine im öffentlichen Interesse entgegenstehende Pflicht nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Erforderlich dafür ist ein gesteigertes10 bzw. qualifiziertes11 öffentliches Interesse. Als Orientierung könnten eine dringende Gefährdung12 von subjektiven Rechtsgütern, wie etwa Leben, Gesundheit, Körper oder wichtiger Sachgüter13 bzw. der gesetzlich typisierte Fall der nicht oder nicht rechtzeitigen Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht dienen. Es muss sich um eine erhöhte Bedürftigkeit an der Geschäftsbesorgung für die Allgemeinheit handeln, wobei eine solche nicht nur dann anzunehmen ist, wenn Güter der Allgemeinheit, sondern auch wenn Individualrechtsgüter betroffen sind14. Eine solche dringende Gefährdung bzw. erhöhte Bedürftigkeit ist hier nicht anzuerkennen. Richtig ist zwar, dass Krankenhausbesuche die Gesundung der F, damit das Rechtsgut Gesundheit betreffen. Andererseits ist für die Behandlung primär der behandelnde Arzt bzw. das Krankenhaus verantwortlich. Dies ist hier sichergestellt. Die Krankenhausbesuche tragen vielmehr dazu bei, die Gesundung zu fördern. Eine erhöhte Bedürftigkeit bzw. Dringlichkeit ist demnach nicht anzuerkennen, wobei anzumerken ist, dass dies in anders gelagerten Fällen durchaus denkbar ist15. Ein Ausgleich nach §§ 677 ff. scheidet demnach aus. Fehlt der abstrakte Geschäftsherrnwille, kann es keinen konkreten Übernahmewillen geben. Somit scheidet auch ein Ausgleich nach §§ 684 S. 1, 818 ff. aus. Im Grunde geht es hier um die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, damit um Schadensersatzrecht. Bei §§ 684 S. 1, 818 ff. geht es dagegen um die Abschöpfung der Bereicherung. Vielmehr sind die Kosten im Rahmen einer deliktischen Schadensersatzpflicht (§ 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 839 i. V. m. Art. 34 GG) auszugleichen. Das ist freilich nur dann möglich, wenn die Legitimationswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als 10 11
Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 679, Rn. 4. Zitelmann, AcP 99, 1906, 1, 115; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 679,
Rn. 7. 12 Das Merkmal der Dringlichkeit befürwortend Zitelmann, AcP 99, 1906, 1, 115; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 14; a. A. Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 679, Rn. 21. 13 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 679, Rn. 6. 14 Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 14. 15 So etwa in den vom LG Stuttgart entschiedenen Fall, NJW 1961, 972, 973, bei dem es um die Behandlung als solche ging; auch im Fall des OLG Köln NJW 1965, 350, der freilich nicht auf § 679 abstellte.
A. Tilgung fremder Schulden
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ein Rechtfertigungsgrund nicht entfaltet wird. Durch die zweigliedrige subjektive Theorie ist dies sichergestellt. Insofern vollzieht sich der Ausgleich nach dem für solche Fälle vorgesehenen Deliktsrecht. Die Übersiedlungskosten sind auch ersatzfähig. Der BGH nahm damals noch das Gegenteil an16. Nach der heute h. M. können freilich auch Familienangehörige als mittelbar Geschädigte diese Kosten nach §§ 823 ff., 249 ff. ersetzt verlangen. Richtig ist zwar, dass das Deliktsrecht grundsätzlich nur den unmittelbar Geschädigten schützt. Vermögensnachteile, die beim mittelbar Geschädigten wie den nahen Angehörigen entstehen, schuldet der Schädiger nur in den vom Gesetz zugelassenen Ausnahmefällen nach §§ 844, 84517. Dennoch sind die mit den Krankenhausbesuchen bei mittelbar Geschädigten entstehenden Kosten ausnahmsweise zu ersetzen, wenn und soweit diese Besuche für die Gesundung des Patienten nach seiner Befindlichkeit medizinisch notwendig sind18. Ausnahmsweise sind auch die Übernachtungskosten ersatzfähig, so diese unvermeidbar gewesen sind19. Der Kreis der Ersatzberechtigten beschränkt sich freilich auf die „nahen Angehörigen“20. Aufgrund der Tatsache, dass die Übersiedlung für die Besuche der F hier unerlässlich gewesen ist, sind die Übersiedlungskosten nach §§ 823, 249 ff. ersatzfähig. Zu den nahen Angehörigen zählt freilich die Schwiegermutter der F nicht.
II. Konkret-interessenwidrige Tilgung fremder Schulden Bei der konkret-interessenwidrigen Tilgung fremder Schulden handelt es sich um eine Geschäftsbesorgung, deren Ergebnis der Geschäftsherr befürwortet, aber die vom Geschäftsführer konkret gewählte Schuldentilgung ablehnt. Es fehlt demnach der Übernahmewille nach § 683 S. 1, sodass eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt. Der Übernahmewille betrifft dabei alle den Beginn der konkreten Geschäftsbesorgung betreffenden Aspekte, insb. den Willen des Geschäftsherrn, das Geschäft überhaupt durch einen anderen besorgen zu lassen21. So ist eine Geschäftsbesorgung konkret-interessenwidrig, wenn der Geschäftsherr durch die Tilgung des Geschäftsführers Einreden gegen den Gläubiger verloren hätte22 oder wenn der Geschäftsherr es vorzieht, gegenüber seinem Gläubiger als gegenüber dem Geschäftsführer zu haften23. In beiden Fällen akzeptiert der Geschäftsherr seine Schuld gegenüber 16 17
BGH NJW 1979, 598. BGH NJW 1991, 2340, 2341. 18 BGH NJW 1991, 2340, 2341. 19 BGH NJW 1991, 2340, 2341. 20 BGH NJW 1991, 2340, 2341. 21 Vgl. Kapitel 5, B., III., 2., S. 112; Kapitel 5, D., II., 1., a), S. 118. 22 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 8, Rn. 22, S. 110. 23 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 8, Rn. 22, S. 110.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
dem Gläubiger, bekennt sich somit zu seiner Verpflichtung, will jedoch seine Einreden behalten, demnach das Geschäft noch nicht ausführen (Wann?), oder will gegenüber seinem Gläubiger haften (Frage der Geschäftsbesorgung durch einen anderen überhaupt24). Übernimmt demnach der Geschäftsführer eine konkret-interessenwidrige Geschäftsbesorgung, ist der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. eröffnet, da das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn gegeben ist. Der Geschäftsherr haftet freilich nach §§ 684 S. 1, 818 ff. auf die noch vorhandene Bereicherung mit allen für ihn verbundenen Risiken des Bereicherungsrechts. Diese sind freilich gerechtfertigt, weil der Geschäftsführer den Interessen des Geschäftsherrn nicht vollkommen entsprochen hat.
III. Ergebnis Im Ergebnis fallen demnach solche Tilgungen fremder Schulden aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. heraus, bei denen der Geschäftsherr (1) von einer begründeten, aber bereits beglichenen Schuld oder (2) von einer gar nicht existenten Schuld zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsführer ausgeht. Ob diese Schuld tatsächlich bestand, ist für den abstrakten Geschäftswillen irrelevant. Es kommt auf den abstrakten Willen des Geschäftsherrn an. Andererseits kann § 679 auch diese Geschäftsbesorgungen in §§ 677 ff. integrieren, so ein öffentliches Interesse an der Geschäftsbesorgung besteht. Die Eliminierung der genannten Fälle ist gerechtfertigt, denn eine klarere, unangemessenere Einmischung in fremde Angelegenheiten ist kaum vorstellbar. Eine solche Schuld würde der Geschäftsherr selbst nicht tilgen wollen. Somit sind alle dahingehenden möglichen Geschäftsbesorgungen interessenwidrig.
B. Abschleppfälle I. Differenzierung zwischen den Abschleppfällen Die Abschleppfälle sind gleich an mehreren Punkten problembehaftet. Hier sollte zunächst eine differenzierende Klarstellung erfolgen. Das gemeinsame Merkmal der meisten Abschleppfälle besteht darin, dass es sich um Drei-Personen-Verhältnisse handelt. Es gibt den Auftraggeber des Abschleppvorgangs, denjenigen, der den Abschleppvorgang vollzieht, und denjenigen, dessen Fahrzeug abgeschleppt wird. Zwei-Personen-Konstellationen sind zwar vorstellbar, wenn etwa ein Fahrzeug auf dem im Eigentum des Abschleppunternehmers stehenden Parkplatz verkehrswidrig abgestellt wird und der Abschleppunternehmer dieses Fahrzeug selbst abschleppt. Sie dürften jedoch sehr selten vorkommen. 24
Kapitel 6, F., II., 2., S. 129.
B. Abschleppfälle
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Sodann ist nach der Person zu unterscheiden, die die Ansprüche gegen den Falschparker aus §§ 677 ff. geltend macht. Zum einen kann es der Auftraggeber des Abschleppvorgangs sein, der in der Regel Eigentümer oder Mieter des Parkplatzes ist. Seine Geschäftsführung besteht im Abschluss des Vertrages mit dem Abschleppunternehmer, sodass er etwa Befreiung von der Verbindlichkeit nach §§ 677, 683 S. 1, 679, 257 verlangen könnte. Die Geschäftsführung kann auch in der Zahlung der Vergütung an den Abschleppunternehmer bestehen. In diesem Fall käme ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 677, 683 S. 1, 670 in Betracht. Die letztere Fallkonstellation gehört zu der Gruppe von Selbsthilfeaufwendungen. Andererseits kann auch der Abschleppunternehmer Ansprüche aus §§ 677 ff. stellen. Seine Geschäftsführung besteht in der Ausführung des Abschleppvorgangs. Da der Abschleppunternehmer seinem Auftraggeber zur Geschäftsführung im Rahmen eines vertraglichen Verhältnisses verpflichtet ist, er demzufolge pflichtgebunden ist, wird diese Fallgruppe im Rahmen der Fälle zum pflichtgebundenen Geschäftsführer oder der Fälle des „auch-fremden-Geschäfts“ behandelt. Freilich handelt es sich bei den Abschleppfällen als Selbsthilfeaufwendungen auch um ein auch-fremdes Geschäft25. Der Auftraggeber handelt zum einen im eigenen als auch im Interesse des Falschparkers. Der Unterschied besteht indes darin, dass er keiner dritten Person zur Ausführung des Abschleppvorgangs verpflichtet ist.
II. Abschleppfälle als Selbsthilfeaufwendungen 1. Meinungsstand In der hier interessierenden Konstellation wird auf die Geschäftsführung des Grundstückinhabers bzw. auf die eines sonst zum Besitz Berechtigten abgestellt. Die zu dieser Konstellation vorgeschlagenen Lösungsansätze sind ganz unterschiedlich. Die Rechtsprechung des V. Zivilsenats des BGH gründete den Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten in mehreren aktuellen Urteilen auf den Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 858 ff26. Begründet wurde dies mit der Verletzung des aus §§ 858 ff. resultierenden Schutzgesetzes. Die in §§ 858 ff. geregelte verbotene Eigenmacht berechtige den Besitzer nach § 859 sich dieser zu erwehren (§ 859 Abs. 1) und sich des Besitzes „sofort“ wieder zu bemächtigen (§ 859 Abs. 3). Die Anwendung der §§ 677 ff. und der mögliche Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683 S. 1, 670 bzw. der nach §§ 684
25 26
So richtig AG Frankfurt a. M. NJW 1990, 730, 731; Stöber, DAR 2006, 486, 488. BGHZ 181, 233, 236 ff., Rn. 11 ff. = BGH NJW 2009, 2530 Rn. 11 ff.; BGH NJW 2012, 528 ff.; BGH NJW 2012, 3373 Rn. 6 ff.; BGH NJW 2014, 3727 Rn. 13 ff.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
S. 1, 818 ff. wurden nicht erwähnt27. Dieser Auffassung folgen auch eine ernstzunehmende Reihe von Instanzgerichten28 und ein Teil der Literatur29. Derselbe V. Zivilsenat des BGH vollzog indes im Jahr 2016 eine Wende und befürwortete die Anwendung der §§ 677 ff. und den daraus resultierenden Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 683 S. 1, 67030. Das objektiv fremde Geschäft bestehe darin, dass der ordnungswidrig parkende Autofahrer wegen verbotener Eigenmacht die Besitzstörung zu beseitigen habe, was der Besitzer nach § 862 Abs. 1 verlangen könne31. Der Fremdgeschäftsführungswille sei zu vermuten. Der Umstand, dass der Besitzer auch im eigenen Interesse tätig geworden sei, schließe den Fremdgeschäftsführungswillen nicht aus. Es handele sich um das anerkannte auch-fremde Geschäft32. Die Übernahme der Geschäftsführung liege auch im Interesse des Besitzstörers, da dieser von seiner Pflicht nach § 1004 Abs. 1 S. 1 frei werde33. Auf den Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 858 ff. und seine bis dahin existierende, konträre Auffassung ist der V. Zivilsenat mit keiner Silbe eingegangen34. Dieser Auffassung war bereits das OLG München als Berufungsgericht35. Sie wird auch sonst in der instanzlichen Rechtsprechung36 und der Literatur37 vertreten. Teilweise wird eingewandt, dass der Übernahmewille des Geschäftsherrn nach § 683 S. 1 entgegenstehe, dieser freilich nach § 679 unbeachtlich sei38. Andere lehnen w iederum die Anwendung des § 679 ab39 und schlagen die Anwendung der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag vor (§§ 684 27 Lediglich OLG Karlsruhe, in OLGZ 1978, 206, nahm dies in Betracht, zweifelte jedoch an diesen Ansprüchen. 28 OLG Karlsruhe OLGZ 1978, 206; AG Bonn NJW‑RR 1992, 1439 in Bezug auf den Einsatz von Ersatzbussen aufgrund des ordnungswidrigen Parkens; LG Frankfurt a. M. NJW‑RR 2003, 311; AG Konstanz, Urt. v. 31. 08. 2006 – 4 C 465/06; AG Magdeburg NJOZ, 2008, 3662, 3663 ff.; AG Augsburg, Urt. v. 20. 12. 2007 – 22 C 5276/07. 29 Lorenz, NJW 2009, 1025 f.; Janssen, NJW 1995, 624, wobei beide auch Ansprüche aus §§ 677 ff. annehmen. 30 BGH, Urt. v. 11. 03. 2016 – V ZR 102/15 = NJW 2016, 2407 ff. 31 BGH NJW 2016, 2407, 2408 Rn. 6. 32 BGH NJW 2016, 2407, 2408 Rn. 6. 33 BGH NJW 2016, 2407, 2408 Rn. 8. 34 Lediglich in Bezug auf die Kosten zur Ermittlung des Halters erwog der Senat einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 858 Abs. 1, verneinte diesen jedoch aufgrund des fehlenden Verschuldens, BGH NJW 2016, 2407, 2409 Rn. 20. 35 OLG München, Bschl. v. 05. 03. 2015 – 27 U 4886/14. 36 LG Mühlhausen, Urt. v. 23. 11. 2006 – 1 S 119/06. 37 Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2550, 2551; Baldinger/Jordans, NZV 2005, 75, 76 f.; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 56; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 677, Rn. 15; Schulze, in: NK‑BGB, 9. Aufl., 2017, § 677, Rn. 9. 38 Janssen, NJW 1995, 624, 625; Lorenz, NJW 2009, 1025, 1027; Baldinger/Jordans, NZV 2005, 75, 77; Koch, NZV 2010, 336, 340. 39 AG Frankfurt a. M. NJW‑RR 1990, 730, 731; Dörner, JuS 1978, 666, 669; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 21.
B. Abschleppfälle
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S. 1, 818 ff.)40. Außerdem wird in der Literatur vertreten, dass Ansprüche nach §§ 683 S. 1, 670 und nach § 823 nebeneinander stehen41. Schließlich gab es schon lange diejenigen, die Ansprüche aus §§ 677 ff. bei Abschlepp- und ähnlichen Fällen gänzlich ablehnten42.
2. Die Lösung nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie a) Abstrakte Interessenwidrigkeit der Abschleppfälle als Selbsthilfeaufwendungen Die Problematik um die Abschleppfälle trifft den Kern der GoA‑Doktrin. Für jeden dürfte ersichtlich sein, dass das Abschleppen des Fahrzeugs nicht in seinem Willen und auch nicht im Interesse des Inhabers bzw. des Halters des Fahrzeugs nach § 683 S. 1 liegen kann43. Eine dahingehende Argumentation der Rechtsprechung und der Literatur ist genauso abstrus wie die Umfassung dieser Fallgruppe durch die Regelungen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Es dürfte bereits der wirkliche Wille des Geschäftsherrn entgegenstehen. Die Argumentation, der wirkliche Wille des Geschäftsherrn sei bei Abschleppfällen nicht ermittelbar, weil der Besitzstörer von der Geschäftsführung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme keine Kenntnis habe44, geht fehl. Durch das (ordnungswidrige) Abstellen des Fahrzeugs auf den Parkplatz bringt der Geschäftsherr zum Ausdruck, dass er sein Fahrzeug an diesem Ort parken will. Vielfach wird dieser Wille mit dem Vorsatz zur Begehung einer Besitzstörung begleitet sein oder jedenfalls fahrlässig geschehen. Auch im Falle der Fahrlässigkeit kann an dem Parkwillen des Geschäftsherrn nicht gerüttelt werden. Demnach bringt der Geschäftsherr zum Ausdruck, dass er sein Fahrzeug dort wieder holen möchte, wo er es abgestellt hat. Damit wird zugleich manifestiert, dass jede mögliche Verlegung des Fahrzeugs auf einen anderen Ort dem Geschäftsherrn unerwünscht ist. Unerwünscht ist ihm nicht nur die konkrete Ausführung des Abschleppvorgangs, sondern bereits das Ergebnis dieser Geschäftsführung. Das Ergebnis dieser Geschäftsführung besteht freilich darin, dass sich das Fahrzeug auf dem Parkplatz des Abschleppunternehmers befindet. Alle möglichen Handlungsvarianten entsprechen demnach nicht seinem Willen. Aufgrund des entstehenden abstrakten Geschäftswillens des Geschäftsherrn darf bereits der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. nicht eröffnet sein.
40
Stöber, DAR 2006, 486, 489; ders., DAR 2008, 72, 73; ders., DAR 2009, 539, 541. Dörner, JuS 1978, 666, 671; Janssen, NJW 1995, 624 ff.; Lorenz, NJW 2009, 1025 ff.; Baldinger/Jordans, NZV 2005, 75 ff.; Koch, NZV 2010, 336 ff. 42 Vgl. Gursky, JZ 1992, 312, 313; Bezzenberger, JZ 2005, 373, 374 f. 43 So auch Dörner, JuS 1978, 666, 668; Stöber, DAR 2006, 486, 488; ders., DAR 2008, 72, 73; ders., DAR 2009, 539, 541. 44 BGH NJW 2016, 2407, 2408 Rn. 11 ff.; Baldinger/Jordans, NZV 2005, 75, 77. 41
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Dieser Argumentation darf auch nicht vorgeworfen werden, dass dem Geschäftsherrn im Grunde die Entstehung einer Schuld und ihre Begleichung unerwünscht sei. Lorenz45 und Janssen46 ist zuzustimmen, wenn sie diese Punkte für die Frage nach dem Übernahmewillen im Rahmen von § 683 S. 1 außer Acht lassen. Die §§ 677 ff. dürfen richtigerweise nicht bloß aus dem Grund scheitern, weil dem Geschäftsherrn die Kosten unerwünscht sind47. Diese betreffen nicht die Anspruchsvoraussetzungen, sondern die vom Willen des Geschäftsherrn unabhängigen Rechtsfolgen aus §§ 677 ff.48. Hier wird freilich nicht an die Kostenentstehung, sondern an das Ergebnis und die konkrete Art der Ausführung des Geschäfts angeknüpft.
b) Einschlägigkeit des Rechts der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff.) Nach der hier vertretenen zweigliedrigen subjektiven Theorie werden demnach die §§ 677 ff. nicht ausgelöst. Dies erscheint auch sachgerecht, denn das Parken des Fahrzeugs auf einem fremden Parkplatz stellt eine Eigentumsverletzung nach §§ 823 Abs. 1, 903, die Verletzung des Rechts zum Besitz als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 und eine Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 i. V. m. § 858 dar. Bei diesen Fällen steht der unerlaubte Eingriff des ordnungswidrig Parkenden in diese Rechte und nicht eine fremdnützige willkommene Geschäftsführung im Vordergrund49. Der neueren Rechtsprechung des BGH und einem großen Teil der Literatur ist demnach nicht zuzustimmen. Vielmehr ist die alte Rechtsprechung des BGH zu befürworten. Zum Eigentumsrecht gehört nach § 903 S. 1 das Recht, die Sache nach Belieben zu nutzen und jeden von der Einwirkung auszuschließen50. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks vollständig aufgehoben ist (z. B. weil nur ein Parkplatz im Eigentum steht) oder nur ein Teil des Grundstücks „zugeparkt“ ist. In beiden Fällen liegt ein Eingriff in das Eigentumsrecht vor. Ist der Geschäftsführer nicht Eigentümer, sondern berechtigter Besitzer, so stellt sein Besitzrecht ein sonstiges Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 dar51. Die Vorschriften zur verbotenen Eigenmacht sind zumindest zugunsten 45 46
Lorenz, NJW 2009, 1025, 1027. Janssen, NJW 1995, 624 f. 47 Offenbar a. A. Koch, NZV 2010, 336, 339; Stöber, DAR 2006, 486, 488; ders., DAR 2008, 72, 73. 48 So prägnant Lorenz, NJW 2009, 1025, 1027. 49 Ebenso Hoffstetter, NJW 1978, 256. 50 BGH NJW 2009, 2530, 2531 in Bezug auf den Abschleppfall; Hoffstetter, NJW 1978, 256. 51 Medicus, AcP 165, 1965, 115, 136; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl., 2014, Rn. 1302; Spickhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2005, § 823, Rn. 98; Teichmann, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 823, Rn. 15 f.; Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 823, Rn. B 168; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 16, Rn. 42; a. A. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, 1994, § 76 II, S. 396.
B. Abschleppfälle
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des unmittelbaren berechtigten Besitzers als Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 zu qualifizieren, da sie nach ihrem Schutzzweck die individuellen Güter des Besitzers schützen52. Für Folgen der Verletzung dieser Rechtsgüter sind die Schadensersatzregelungen nach §§ 823 ff. zuständig53. Diese werden auch nicht am fehlenden Verschulden scheitern54, da Privatparkplätze, wie die bereits zitierten gerichtlichen Entscheidungen zeigen, meistens mit Schildern versehen sind, aus denen Parkverbote zu entnehmen sind, die der ordnungswidrig Parkende auch erkennen konnte. Wahrscheinlich deshalb war das Verschulden in den gerichtlichen Entscheidungen nicht problematisch. Auch wenn diese Schilder fehlen sollten, dürfte es zu der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gehören, darauf zu achten, dass das Parken von Fahrzeugen nur in bestimmten Bereichen erlaubt ist. Auch an der haftungsausfüllenden Kausalität mangelt es nicht, da die Abschleppkosten vom Schutzzweck des § 903 bzw. der §§ 858 ff. umfasst sind und der Auftraggeber zu diesen herausgefordert wurde55 (Herausforderungsformel56). Der Kausalitätszusammenhang wird durch eine solche mittelbare Schädigung nicht unterbrochen. Die im Rahmen der Herausforderungsformel erforderlich werdende Prüfung des Angemessenheitsverhältnisses zwischen dem Zweck der Handlung und ihren Risiken muss angesichts der Befugnis, sich mittels verbotener Eigenmacht nach § 859 Abs. 3 des Besitzes „sofort“ zu bemäch52 BGHZ 20, 169, 171; 114, 305, 313 f.; BGH NJW 2009, 2530, 2531; Wagner, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 823, Rn. 524; Baldinger/Jordans, NZV 2005, 75, 79; Hoffstetter, NJW 1978, 256. 53 Richtigerweise ergeben sich auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus § 1004, BGH NJW‑RR 2001, 1476 ff. 54 Das Verschulden wurde vom LG Hamburg, Urt. v. 23. 04. 2008 – 317 S 175/07 beim Halter des Fahrzeugs etwa für den Fall abgelehnt, wenn nicht der Halter, sondern der Führer des Fahrzeugs ordnungswidrig parkt. Dem ist zuzustimmen. Sodann leitet das LG einen Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 gegen den Halter ab. Dieser ist aufgrund der abstrakten Interessenwidrigkeit abzulehnen. Vielmehr müsste sich der Grundstücksbesitzer an den Führer des Fahrzeugs halten und diesen Anspruch auf §§ 823, 903, 858 ff. gründen. Beim Führer fehlte das Verschulden nicht. 55 So richtigerweise Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2550, 2552; Baldinger/Jordans, NZV 2005, 75, 78 f.; Koch, NZV 2010, 336 f.; a. A. AG Berlin-Wedding NJW‑RR 1991, 353; Stöber, DAR 2006, 486, 489; ders., DAR 2009, 539, 541, der einen Anspruch aus § 823 deshalb ablehnt, weil es hier um den haftungsausfüllenden Tatbestand gehe, der durch die §§ 249 ff. und nicht durch die Herausforderungsformel bestimmt werde. Stöber verwechselt hier zwei Punkte: Kausalität und Schaden. Die haftungsausfüllende Kausalität betrifft die Frage, ob der eingetretene Schaden durch die Rechts(guts)verletzung verursacht wurde. Ist nach der verletzten Norm die Vermeidung der eingetretenen Schäden nicht bezweckt, bleiben sie außer Betracht. Die §§ 249 ff. betreffen den Umfang eines bereits kausal eingetretenen Schadens und entscheiden über ihre Ersatzfähigkeit. Insoweit findet die Herausforderungsformel sowohl beim haftungsbegründenden als auch beim haftungsausfüllenden Tatbestand Anwendung. Dies entspricht auch der allgemeinen Auffassung, Fn. 55. 56 Vgl. zu dieser BGH MDR 1996, 586; Schiemann, in: Staudinger, BGB, 2017, § 249, Rn. 48 ff.; Meier/Lenze, MDR 2017, 6, 8 f.; Meier/Teichmann VersR, 2017, 1352, 1353 f.; Baldinger/Jordans, NZV 2005, 75, 78 f.
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tigen, dahingehend zurücktreten, dass der Besitzer nicht etwa eine gewisse Zeit die Besitzstörung dulden muss57. Ansonsten würde das Selbsthilferecht leerlaufen. Insoweit wäre auch die Anwendung der Warte- und Anzeigepflicht nach § 681 S. 1 sinnwidrig. Dennoch müssen die Kosten der Beseitigung der Besitzstörung, wie sonst auch, verhältnismäßig sein. Die Heranziehung der Herausforderungsformel zeigt freilich auch, dass es sich bei den Abschleppkosten nicht um Aufwendungen, sondern vielmehr um Schäden handelt. Diese Formel vermag die zuweilen schwierige Abgrenzung zwischen Aufwendungen als freiwillige Vermögensopfer und Schäden als unfreiwillige Vermögensopfer zu lösen. Sind ihre Voraussetzungen erfüllt, so wie hier, ist es kaum vertretbar, die gleichen Kosten als Aufwendungen zu sehen. Sie stehen zu den Schäden in einem Exklusivitätsverhältnis58. Die Qualifizierung der Abschleppkosten als Schaden bestätigt freilich die eingangs aufgestellte These, dass es hier um die Verletzung von fremden subjektiven Rechtsgütern bzw. Rechten geht, wofür ein Ausgleich nach §§ 823 ff. vorgesehen ist.
c) § 679 als einzige Möglichkeit Diesem Ergebnis kann auch nicht die Anwendung des § 679 entgegenstehen. Richtigerweise wird sie in diesen Konstellationen abgelehnt59. Es gehört nicht zum qualifizierten Interesse der Allgemeinheit, dafür zu sorgen, dass Rechte bzw. Rechtsgüter als solche nicht verletzt werden. Für § 679 ist vielmehr eine Dringlichkeit bzw. eine Notsituation erforderlich60. Solche Fälle sind auch bei Abschleppkonstellationen vorstellbar. Wenn etwa ein Fahrzeug so abgestellt wird, dass es andere Verkehrsteilnehmer konkret in ihren Rechtsgütern, insb. Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, gefährdet, ist ein öffentliches Interesse nach § 679 anzunehmen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das ordnungswidrig geparkte Fahrzeug in einer dringenden Situation Flucht- und Rettungswege blockiert61. Hier wäre die Anwendung der §§ 677 ff. aufgrund der Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn angezeigt. Nur diese Abschleppfälle dürfen auch weiterhin dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. angehören. Sie verdanken dieses Ergebnis freilich nicht einem angeblichen Willen bzw. Interesse des Geschäftsherrn am Abschleppvorgang oder 57 AG München NJW‑RR 2002, 200; Baldinger/Jordans, NZV 2005, 75, 79; a. A. AG Frankfurt NJW‑RR 1989, 83; Stöber, DAR 2006, 486. 58 Melullis, WRP 1982, 1, 3 in Bezug auf die Qualifizierung der Abmahnkosten als Aufwendungen. Die Problematik um die Abschlepp- und Abmahnkostenfälle ist freilich vergleichbar; Loritz, GRUR 1981, 883, 886. 59 OLG Naumburg NJW‑RR 2006, 764; AG Frankfurt a. M. NJW 1990, 730, 731; Dörner, JuS 1978, 666, 669; Allmansberger, DAR 2007, 393, 394; Stöber, DAR 2008, 72, 73; ders., DAR 2009, 539, 541; Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 679, Rn. 21. 60 Vgl. Kapitel 5, H., V., 3., S. 261. 61 AG Frankfurt a. M. NJW 1990, 730, 731; Stöber, DAR 2006, 486, 488; ders., DAR 2008, 72, 73.
B. Abschleppfälle
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an der Tilgung seiner Schadensersatzschuld, sondern dem gesteigerten öffentlichen Interesse an der Besorgung dieses Geschäfts nach § 679. Dabei dürfte es sich jedoch, wie die Praxis zeigt, eher um Ausnahmefälle handeln.
III. Abschleppfälle in der Konstellation des pflichtgebundenen Geschäftsführers 1. Meinungsstand Äußerst problematisch erscheint auch das Verhältnis zwischen dem Abschleppunternehmen und dem Besitzstörer. Die Begründungen sind äußerst unterschiedlich. Dennoch überwiegt die Gruppe, die die §§ 677 ff. ablehnen möchte. Manche ordnen auch diesen Fall der echten berechtigten62 (ggf. mit Hilfe des § 67963) oder der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ein64. Andere verneinen dagegen die Führung eines fremden Geschäfts65. Dritte bezweifeln das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens und lehnen auf diesem Wege die §§ 677 ff. ab66. Andere wiederum sehen das Problem des pflichtgebundenen Geschäftsführers auf einer tieferen Ebene des bürgerlichrechtlichen Anspruchssystems. Bei Dreiecksverhältnissen gehe es immer um die Ausschließlichkeit der Leistungsbeziehung67. Wer demnach auf eigene Schuld leiste, leiste stets für sich68. Der III. Zivilsenat des BGH lehnte in einer aktuellen Entscheidung die Anwendung der §§ 677 ff. für den Fall ab, wenn in dem zwischen dem Abschleppunternehmen und dem Grundstückbesitzer bzw. sonst zum Besitz Berechtigten geschlossenen Vertrag die Entgeltfrage umfassend geregelt sei. Aufgrund des Vorrangs der vertraglichen Rechte gegenüber den gesetzlichen, damit aufgrund des Vorrangs der Privatautonomie69, müsse die echte Geschäftsführung ohne Auftrag zurücktreten.
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LG Braunschweig NJW 1966, 1820, 1821; LG Stuttgart VersR 1973, 517. LG München I NJW 1976, 898. 64 Stöber, DAR 2008, 72, 73, wobei er diese nur dann befürwortet, wenn der Fremdgeschäftsführungswille des Abschleppdiensts, den er bei diesen Fällen ablehnt, zu unterstellen ist. 65 In diese Richtung LG München I NJW 1978, 48; für einen anderen Fall des pflichtgebundenen Geschäftsführers, BGH NJW 1974, 96, 97; Medicus, JZ 1967, 63, 65. 66 LG München I NJW 1978, 48; Schwark, JuS 1984, 321, 328; Woitkewitsch, MDR 2005, 1023; Allmansberger, DAR 2007, 393; Stöber, DAR 2008, 72, 73. 67 Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 677, Rn. 64; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 9; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 95. 68 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 9. 69 BGH, Urt. v. 21. 02. 2012 – III ZR 275/11 = VersR 2013, 1538 ff.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
2. Abstrakte Interessenwidrigkeit der Abschleppfälle in der Konstellation des pflichtgebundenen Geschäftsführers Die neueren Tendenzen, die Abschleppfälle in der Konstellation des pflichtgebundenen Geschäftsführers aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. zu eliminieren, verdienen vollkommene Zustimmung. Das gilt unabhängig davon, ob die Abschleppkosten als Selbsthilfeaufwendungen oder, wie hier, in der Konstellation des pflichtgebundenen Geschäftsführers getätigt werden. Der Wille des Geschäftsherrn bzgl. des Ergebnisses der Geschäftsführung ändert sich nicht dadurch, dass er nun vom Abschleppunternehmer in Anspruch genommen wird. In beiden Konstellationen fehlt bereits das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn.
a) Widersprüchlichkeit der Argumentation Auffallend ist, dass beide Konstellationen der Abschleppfälle unterschiedlich behandelt und in Bezug auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 677 HS. 1 unterschiedlich begründet werden. Auch bei Selbsthilfeaufwendungen könnte man an dem von der überwiegenden Auffassung geforderten Merkmal des fremden Geschäfts zweifeln. Man könnte der Auffassung sein, dass die Beseitigung der Besitzstörung ausschließlich ein Geschäft des Grundstückseigentümers bzw. des sonst zum Besitz Berechtigten sei. Zu zweifeln wäre auch am Fremdgeschäftsführungswillen. Man könnte der Auffassung sein, dass der Grundstückseigentümer bzw. der sonst zum Besitz Berechtigte ausschließlich im eigenen und nicht im Interesse des Besitzstörers handelt, genauso wie der Abschleppunternehmer aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung zur Ausführung des Abschleppvorgangs ausschließlich im eigenen Interesse tätig wird. Beides wird dort freilich nicht vertreten. Die Wandelbarkeit der Begründungen abhängig von der Person des Anspruchstellers, die freilich beide ein auch-fremdes Geschäft führen und auch beide im Doppelinteresse handeln, zeigt, dass die Merkmale des „fremden Geschäfts“ und des „Fremdgeschäftsführungswillen“ nicht über die erforderliche Abgrenzungs- und Differenzierungskraft verfügen und auch nicht vermögen, den Anwendungsbereich der §§ 677 ff. auf die ihnen zugedachten Fälle zu beschränken. Sie werden willkürlich angewandt. In den Fällen, in denen man die Haftung gegenüber dem Geschäftsherrn nicht zulassen möchte, wie hier, werden sie aktiviert und den Fällen in denen die Haftung aufrechterhalten werden soll, wie bei Selbsthilfeaufwendungen, werden sie als unproblematisch abgestuft. Das ist widersprüchlich.
B. Abschleppfälle
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b) Kein Ausschluss der §§ 677 ff. durch die Merkmale des „fremden Geschäfts“ und des „Fremdgeschäftsführungswillens“ Nach der überzeugenden Auffassung ist das Merkmal des fremden Geschäfts keine Voraussetzung der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677 HS. 170. Insoweit ist der Auffassung eine Absage zu erteilen, die aufgrund des Fehlens des fremden Geschäfts die §§ 677 ff. ausschließt. Auch die eigene vertragliche Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber dem Dritten schließt die echte Geschäftsführung ohne Auftrag nicht aus. Für die Letztere ist es nicht erforderlich, dass der Geschäftsführer ausschließlich im fremden Interesse handelt. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Theorie der Menschenhilfe wurde deutlich gemacht, dass ein ausschließlich altruistisches Verhalten nach dem Willen sowohl der 1. Kommission als auch der 2. Kommission nicht erforderlich war71. Ausreichend ist, wenn der Geschäftsführer das Geschäft im eigenen und im fremden Interesse besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille muss nicht einmal in dominanter Form ausgeprägt sein72. Ausreichend ist bereits, wenn ein solcher Wille bloß vorhanden ist. Demnach kann auch der Auffassung nicht gefolgt werden, die auf den fehlenden Fremdgeschäftsführungswillen abstellt. Dieser Wille, wenn auch in einem äußerst geringen Umfange, ist auch gegenüber dem Besitzstörer vorhanden. Das Problem besteht hier nicht bei konfligierenden Willen, sondern, worauf Bergmann berechtigterweise hinweist, bei konfligierenden Interessen73. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass der Fremdgeschäftsführungswille des Abschleppunternehmers äußerst gering sein wird. Anders kann es auch nicht sein. Der Abschleppunternehmer ist dem Auftraggeber aus dem Werk- Auftragsoder Geschäftsbesorgungsvertrag verpflichtet, die Interessen des Auftraggebers und weniger des Besitzstörers wahrzunehmen. Einen ausgeprägten Willen die Interessen des Besitzstörers wahrzunehmen, verbietet ihm bereits die vertragliche Grundlage, die zwischen ihm und dem Auftraggeber besteht74. Dennoch bleibt der Fremdgeschäftsführungswille in einer schwachen Form ausgeprägt.
c) § 679 als einzige Möglichkeit Lediglich § 679 kann die Pforten in die §§ 677 ff. öffnen, wenn ein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung besteht. An dieses werden jedoch zu Recht 70
Kapitel 5, G., II., S. 244 ff. Kapitel 4, A., III., 2., S. 30 ff. Meier/Bülte, BauR 2017, 1442, 1448. 73 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 179. 74 Noch deutlicher ist dies bei einem wegen einer Markenrechtsverletzung beauftragten Anwalt zu sehen, der als abmahnender Anwalt im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§§ 675 ff.) gegenüber dem Verletzten und nicht gegenüber dem Verletzter zur Interessewahrnehmung verpflichtet ist. Er wird es vielmehr aufgrund des Subordinationsvertrages die Interessen des Verletzers nicht wahrnehmen dürfen, dazu Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 464. 71 72
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
hohe Anforderungen gestellt (s. o.). Nur bei einem gesteigerten öffentlichen Interesse, wie dies etwa bei dem bereits zitierten Fall des blockierten Flucht- und Notweges gegeben ist, ist der Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich.
d) Die Ansprüche des Abschleppunternehmers Im Ergebnis werden die meisten Abschleppfälle in der Konstellation des pflichtgebundenen Geschäftsführers, strikt parallel zu den Abschleppfällen als Selbsthilfeaufwendungen, auf diesem Wege aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. verbannt. Der Abschleppunternehmer hat mehrere Wege, seine Vergütung zu verlangen. Er schließt mit dem Auftraggeber des Abschleppvorgangs in der Regel einen Werkvertrag (§§ 631 ff.), einen Auftrag (§§ 662 ff.) oder einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 f.) ab. Im ersten Fall kann er seine Vergütung nach § 631 Abs. 2, beim Auftrag seine Aufwendungen nach §§ 662, 670 und beim Geschäftsbesorgungsvertrag nach §§ 675, 670 verlangen. Häufig lassen sich die Abschleppunternehmer die Ansprüche des Grundstückseigentümers bzw. des sonst zum Besitz Berechtigten gegenüber dem Besitzstörer abtreten (§ 398)75. In diesem Fall kann er Ansprüche nach §§ 398, 823, 903, 858 ff. dem Besitzstörer vorhalten. Werden diese Rechte nicht abgetreten und soll nach dem Inhalt dieser Verträge der Abschleppunternehmer einen Ausgleich beim Besitzstörer suchen, so kann er dies zwar nicht nach Deliktsrecht (§§ 823 ff.) tun, da seine eigenen Rechtsgüter und Rechte nicht verletzt wurden, es käme jedoch der bereicherungsrechtliche Ausgleich (§§ 812 ff.) in Betracht. Mit der Ausführung des Abschleppvorgangs befreit der Abschleppunternehmer den Besitzstörer von seiner deliktischen Schadensersatzpflicht nach § 823. Auch bei der Tilgung dieser „fremden“ Schuld handelt es sich nicht um eine echte Geschäftsführung ohne Auftrag, weil auch diesbezüglich der abstrakte Geschäftsherrnwille fehlt (s. o.). Diese Fälle wurden bei der vorherigen Fallgruppe bereits dem Bereicherungsrecht zugeordnet. Im Rahmen des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs greifen beim pflichtgebundenen Abschleppunternehmer wiederum die bereicherungsrechtlichen Grundsätze zu den Mehrpersonenverhältnissen ein, bei denen es um die Ausschließlichkeit der Leistungsbeziehungen, insb. um den Vorrang der Leistungs- vor der Nichtleistungskondiktion, geht. Insoweit wird an das hinter den einzelnen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen liegende bürgerlich-rechtliche Anspruchssystem angeknüpft und entsprechend diesem System sachgerechter Ausgleich geschaffen76. Damit werden der Einwendungserhalt77, der Schutz vor Einwendungen Dritter78 und gerechte
75 76
Woitkewitsch, MDR 2005, 1023 f. Beuthien, JuS 1987, 841, 844; ders., in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 9. 77 Canaris, FS Karl Larenz, 1973, 799, 802. 78 Canaris, FS Karl Larenz, 1973, 799, 802.
B. Abschleppfälle
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Verteilung des Insolvenzrisikos79 als grundlegende Prinzipien80 dieses Systems beibehalten. Dieses System darf durch die Anwendung der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht unterlaufen werden. Doch auch im Falle der Anwendung der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag wäre ein Direktanspruch zwischen Abschleppunternehmer und Besitzstörer gegeben. Daher muss auch dieser ausgeschlossen werden81. Danach leistet der Abschleppunternehmer vorrangig an seinen Vertragspartner und nicht an den Besitzstörer. Demnach muss er seinen Ausgleich auch bei diesem suchen. Dieses Ergebnis liegt auch im Sinne des BGH, der die Privatautonomie bei einem direkten Anspruch des Abschleppunternehmers gegen den Besitzstörer als gefährdet sieht82. Nur im Wege des ausnahmsweisen, durch Wertungsgesichtspunkte begründeten Durchgriffs der Nichtleistungskondiktion könnte der Abschleppunternehmer den Besitzstörer nach §§ 812 ff. direkt in Anspruch nehmen83. Die Anwendung der §§ 677 ff. auf diese Fälle führte auch sonst zu sachwidrigen Rechtsfolgen84. Der Abschleppunternehmer müsste nach § 681 S. 1 die Entschließung des Besitzstörers abwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Er unterläge außerdem den Auskunfts-, Benachrichtigungsund Rechenschaftspflichten nach § 681 S. 2 i. V. m. § 666. Ganz abenteuerlich wäre jedoch die Herausgabepflicht nach § 681 S. 2 i. V. m. § 667. Zwar könnte der Abschleppunternehmer nach §§ 683 S. 1, 670 oder nach §§ 684 S. 1, 818 ff. einen Aufwendungsersatz (beim § 684 S. 1 beschränkt auf die Bereicherung) verlangen, der Besitzstörer könnte jedoch im Gegenzug einen Vergütungsauskehranspruch nach §§ 681 S. 2, 667 entgegenhalten85.
e) Ergebnis Im Ergebnis würde die hier vorgeschlagene Lösung zum einen die Anwendung der §§ 677 ff. nicht an den kaum abgrenzungsfähigen und wenig überzeugenden Merkmalen des „fremden Geschäfts“ oder des „Fremdgeschäftsführungswillens“ ausschließen, sondern einen tatbestandlichen Ausschluss aufgrund des fehlenden abstrakten Interesses des Geschäftsherrn produzieren. Damit wäre auch die Legitimationswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Rechtsgrund i. S. v. § 812 oder als ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 nicht 79
Canaris, FS Karl Larenz, 1973, 799, 803; Beuthien, JuS 1987, 841, 844. Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 42. Aufl., 2018, § 40, Rn. 9. Beuthien, JuS 1987, 841, 845. 82 BGH VersR 2013, 1538, 1539. 83 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 95 will in diesen Fällen die §§ 677 ff. anwenden. 84 Darauf weist Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 9 richtigerweise hin. 85 Beuthien, JuS 1987, 841, 848. 80 81
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
ausgelöst. Die §§ 812 ff. könnten direkt angewandt werden. Andererseits würden dort, wie sonst auch bei Mehrpersonenverhältnissen, die dazu entwickelten bereicherungsrechtlichen Grundsätze greifen, die einen sachgerechten Ausgleich schaffen, indem sie die Ausschließlichkeit der Leistungsbeziehungen beachten und damit eine Direktkondiktion grundsätzlich verwehren. Alle diese Schwierigkeiten wären durch die zweigliedrige subjektive Theorie vermieden und das optimale Verhältnis zwischen den gesetzlichen Schuldverhältnissen beibehalten.
C. Abmahnfälle Auch die Abmahnfälle zählen zu den umstrittensten Fallgruppen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Fallkonstellationen sind folgende. Ein Unternehmer begeht gegenüber dem anderen Unternehmer eine Urheberrechtsverletzung (§§ 1 ff. UrhG) bzw. eine Verletzung der dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte (§§ 70 ff. UrhG), eine Markenrechtsverletzung bzw. eine Verletzung sonstiger Kennzeichen (§ 1 MarkenG) oder einen Wettbewerbsverstoß (Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen nach § 3 UWG oder unzumutbarer Belästigungen nach § 7 UWG), woraufhin der Verletzte einen Rechtsanwalt mit der Abmahnung des Verletzers beauftragt. Der Rechtsanwalt mahnt diesen ab und verlangt in der Regel die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Daraufhin verlangt der Verletzte den Ersatz der ihm aus der Beauftragung des Rechtsanwalts entstandenen Kosten. In den publizierten Gerichtsentscheidungen ging es in der überwältigenden Mehrheit um das Aufwendungsersatzbegehren des Verletzten gegenüber dem Verletzer. Vorstellbar ist, wie bei Abschleppfällen, freilich auch, dass auch der Rechtsanwalt (dort der Abschleppunternehmer) etwa für den Fall, dass sein Auftraggeber nicht zahlungsfähig bzw. zahlungswillig ist, die Abmahnkosten direkt vom Verletzer fordert. Häufig treten als Kläger jedoch auch soziale Fachverbände auf, die nach ihren Satzungen sich das Ziel der Wahrnehmung gewerblicher Interessen gesetzt haben.
I. Meinungsstand Seit der „Fotowettbewerb“-Entscheidung86 des BGH aus dem Jahr 1969 hat dieser sich stets für einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 ausgesprochen. Den problematischen Übernahmewillen des Geschäftsherrn nach § 683 S. 1 bejahte der BGH mit der Begründung, durch die Abmahnung erhalte der Verletzer die Gelegenheit, einen kostspieligen Rechtsstreit zu 86 BGH NJW 1970, 243 = GRUR 1970, 189; dem BGH folgend Kisseler, WRP 1977, 151, 154 f.; Jakobs, GRUR 1984, 692 f.; Ulrich, WRP 1995, 282–286, 283.
C. Abmahnfälle
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vermeiden, was in seinem Interesse liege87. Auch nach der Kodifizierung entsprechender Aufwendungs- bzw. Schadensersatzansprüche in den jeweiligen Spezialgesetzen, nämlich des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG und nach § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG und des Schadensersatzanspruchs nach § 14 Abs. 6 S. 1 MarkenG, hat der BGH den Aufwendungsersatzanspruch aus der echten Geschäftsführung ohne Auftrag stets neben dem jeweiligen speziellen Anspruch gewährt. Diese Rechtsprechung gilt bis heute unverändert fort88. Dabei war sie bereits zu ihren Anfängen heftig umstritten. So führte Klaka in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung aus, dass er Bedenken bzgl. der Konstruktion eines Aufwendungsersatzanspruches aus §§ 677, 683 S. 1, 670 habe, weil der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn nicht ersichtlich sei89. Auch die vom BGH herangezogenen Entscheidungen des Reichsgerichts (RGZ 167, 55) und des BGH (NJW 1966, 1360) seien mit den hier zur Debatte stehenden markenrechtlichen Verletzungen nicht vergleichbar, weil es in der ersteren Entscheidung um die Beseitigung einer drohenden Unterhöhlung eines Bahndamms und in der zweiteren Entscheidung um die Abwendung einer drohenden Grundwasserverseuchung ging, also um solche Geschäftsbesorgungen, bei denen der Geschäftsherr sich „dankbar“ zeigen werde90. Auch Kurbjuhn lehnte diese Konstruktion mit der Begründung ab, es fehle am fremden Geschäft und auch am mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn91. Den aus der Fotowettbewerb-Entscheidung resultierenden Standpunkt übertrug der BGH in seiner „Goldene Armbänder“-Entscheidung92 sodann auf Abmahnungen im Wettbewerbsrecht. Auch zu dieser Entscheidung gab es damals die ablehnende Anmerkung, diesmal von Pietzcker93. Die herrschende Literatur lehnt einen Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 ab94. Manche lehnen bereits das Vorliegen des fremden Geschäfts ab95. Andere 87
BGH NJW 1970, 243, 245. Zum Markenrecht: BGH NJW 1970, 243 = GRUR 1970, 189; BGH WRP 2004, 1032, BGH WRP 2011, 1057, 1058, BGH CR 2012, 179, Rn. 20 ff. = WRP 2012, 330, 332, Rn. 20 ff.; BGH GRUR 2012, 759, Rn. 10 ff. in Bezug auf den Patentanwalt; zum Wettbewerbsrecht: BGH WRP 1990, 276, 277; BGH NJW 1992, 429, 430; BGH NJW 2004, 2448, BGH WRP 2007, 67, 68; BGH WRP 2008, 1513, 1517; BGH WRP 2010, 258, 259, wobei er hier bei einer nachträglichen Abmahnung den Anspruch aufgrund des fehlenden mutmaßlichen Willens ausschloss; BGH WRP 2010, 525, 526; BGH WRP 2010, 1035, 1039; BGH WRP 2010, 1169, 1171; zum Urheberrecht: BGH WRP 2008, 1449, 1453; BGH WRP 2016, 73, 79, Rn. 59 ff.; BGH WRP 2017, 79, 85, Rn. 61a ff. 89 Klaka, GRUR 1970, 190, 191. 90 Klaka, GRUR 1970, 190, 191. 91 Kurbjuhn, NJW 1970, 604, 605. 92 BGH NJW 1973, 901, 903 = GRUR 1973, 384, 385. 93 Pietzcker, GRUR 1973, 385, 386. 94 Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 142, die Rechtsprechung des BGH sei überholt. 95 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 57 f.; Loritz, GRUR 1981, 883, 885: „Dies ist wirklichkeitsfremd“; Einsiedler, WRP 2003, 354. 88
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
lehnen den Fremdgeschäftsführungswillen ab96, dritte beides97. Einige erblicken keinen Übernahmewillen des Geschäftsherrn98. Manche sehen aufgrund möglicher Schadensersatzansprüche aus Verzug (§ 286)99, aus Delikt (§ 823)100 oder aufgrund von prozessualen Vorschriften nach § 91 ff. ZPO, insbesondere nach § 93 ZPO101, und speziellen Aufwendungs- bzw. Schadensersatzansprüchen nach UWG, MarkenG und UrhG, wiederum keine Notwendigkeit zur Heranziehung der Regelungen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag102. Bärenfänger betrachtet die Heranziehung der §§ 677 ff. im Markenrecht als unzulässig, weil dadurch das diesem Rechtsgebiet immanente Verschuldensprinzip unterlaufen werde103. Tatsächlich gab es auch vereinzelte Versuche der Instanzrechtsprechung der Auffassung des BGH zu widersprechen bzw. eine andere Lösung anzubieten. Mutig folgte das AG Lüdenscheid in seiner Entscheidung dem BGH nicht. Das Amtsgericht führte aus, die Rechtsprechung des BGH sei zu „konstruiert und lebensfremd“. Stattdessen bot es eine mögliche Haftung nach § 823 an104. Bereits im Jahr 1958 schlug dagegen das OLG München eine analoge Anwendung des § 93 ZPO vor105. Dieser Auffassung folgt bis heute ein Teil der Literatur106.
96
Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 464. Melullis, WRP 1982, 1, 2; Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 463 f. Klaka, GRUR 1970, 190, 191; Kurbjuhn, NJW 1970, 604, 605; Prellinger, NJW 1982, 211: „Dabei muss auch begrüßt werden, daß sich wiederum ein Amtsrichter gefunden hat [Verweis auf AG Lüdenscheid NJW 1981, 2361, das die Anwendung der §§ 677 ff. ablehnte], der die sogenannte Pauschalgebühr der Abmahnvereine als nicht erstattungsfähig ansieht, insbesondere deshalb, weil § 683 BGB nun wirklich keine Anspruchsgrundlage dafür bietet, denn der Abmahner handelt nicht im Interesse des Abgemahnten, er führt nicht dessen Geschäft. Handelt denn der Anwalt, der einen Gegner zur Zahlung auffordert, in dessen Interesse? Wohl kaum, ganz abgesehen davon, daß die Forderung ja auch bestreitbar sein kann – was ganz sicher bei den Abmahnungen der Fall ist“; Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 463 ff.; Schulz, WRP 1990, 658, 661 f.; Krenz, GRUR 1995, 31, 33; Einsiedler, WRP 2003, 354, 355; Jennewein, WRP 2000, 129. 99 Schulz, WRP 1990, 658, 662 f. 100 Loritz, GRUR 1981, 883, 886 ff. 101 Kupisch, NJW 1958, 1879, 1880; Klaka, GRUR 1970, 190, 191; Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 462. 102 Oppermann, AcP 193, 1993, 497, 517 ff.; Scharen, Der Wettbewerbsprozeß, 2005, S. 253 f., Rn. 16; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 10. Aufl., 2016, § 25, Rn. 15, S. 391. 103 Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 464. 104 AG Lüdenscheid NJW 1981, 2361, 2362. 105 OLG München NJW 1958, 999, 1002, kritisch Habscheid, NJW 1958, 1002. 106 Kupisch, NJW 1958, 1879, 1880; Klaka, GRUR 1970, 190, 191; Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 463. 97 98
C. Abmahnfälle
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II. Stellungnahme 1. Abstrakte Interessenwidrigkeit der Abmahnung Das Ergebnis der Geschäftsführung bei den Abmahnfällen ist der Hinweis des Verletzten auf die vom Verletzter begangenen Gesetzesverstöße und das Angebot zur Unterzeichnung einer strafbewährten Unterlassungserklärung. Der Zweck der Abmahnung besteht in der Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens. Diese soll nach Auffassung des BGH im Interesse des Verletzten liegen. Dem ist freilich nicht zuzustimmen. In der Regel werden die vom Verletzer begangenen Gesetzesverstöße vorsätzlich begangen, um einen ökonomischen Vorteil auf dem Markt zu bekommen. Die Gesetzesverletzung und damit auch das drohende gerichtliche Verfahren werden in Kauf genommen, damit also mit einem Willensmoment untermauert. Auch wenn der Verletzer bloß fahrlässig handelt, ändert dies nichts an dem Umstand, dass er die Handlung selbst vornehmen wollte. Diese steht indes in einem konträren Verhältnis zu der Abmahnung, die ihn darauf hinweist, dass er diese Handlung hätte unterlassen müssen. Die Abmahnung stellt vielmehr ein sehr aggressives Mittel der Beseitigung der Rechtsverletzung dar107. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Anzahl der Fälle, in denen der Verletzer nicht schuldhaft handelt, äußerst gering sein dürfte. Es ist es vielmehr eine Fiktion. Meistens wird zwar der Verletzer in Unkenntnis der Rechtslage handeln, doch entlastet ihn diese Unkenntnis nicht, weil es gerade im Wettbewerb, bei der Nutzung fremder Urheber- bzw. Markenrechte, keinen Raum gibt, die gesetzlichen Vorschriften zu ignorieren108. Vielmehr müssen die auf diesen Gebieten operierenden Akteure sich über die Gesetzeslage informieren, sodass die Vernachlässigung dieser Informationspflichten ein schweres Verschulden darstellt109. Sollte es tatsächlich am Verschulden des Verletzers fehlen, ist dennoch nicht einzusehen, warum die Vermeidung des gerichtlichen Verfahrens im Interesse des Verletzers liegen sollte. Zum einen wird der Geschäftsherr das gerichtliche Verfahren dann anstreben, wenn er der Auffassung ist, sich rechtskonform verhalten zu haben. Durch dieses wird er die Rechtslage klären wollen. Anderenfalls wird der Geschäftsherr die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wünschen, wenn er zwar von der begangenen Gesetzesverletzung ausgeht, nach der Klageerhebung seine Schuld gem. § 93 ZPO indes sofort anerkennen möchte, um somit der Kostenlast zu entgehen110. Durch die Abmahnung wird ihm diese Möglichkeit genommen. Es scheint sogar der zentrale Zweck der Abmahnung
107 108
Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 464: „aggressivstes Angriffsmittel“. So treffend Melullis, WRP 1982, 1, 3. 109 So richtig Melullis, WRP 1982, 1, 3. 110 So richtig Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 463.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
zu sein, dem Verletzter diese Möglichkeit zu nehmen111. Der Abmahnende wird nämlich erst aufgrund der berechtigten Abmahnung von der Kostenlast befreit. Außerdem wird er die Abmahnung und die mit ihr verbundene Abgabe der Unterlassungserklärung nicht wollen, wenn es sich etwa um einen „Versuchsballon“ handelt112, oder wie Schulz berechtigterweise anführt, wenn der Verletzer Zeit gewinnen will, um die Früchte der Rechtsverletzung vollständig ernten zu können, bzw. wenn er auf einen angenehmeren Abmahner warten möchte113. In allen diesen Fällen wird die Geschäftsbesorgung durch den Verletzten dem Verletzer gegen seinen Willen aufgedrängt. Hier von der Entsprechung der Abmahnung mit dem Interesse des Verletzers zu sprechen, ist tatsächlich lebensfremd und konstruiert. Es fehlt bereits das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn. Das Ergebnis der Geschäftsführung liegt nicht in seinem Willen und auch nicht in seinem Interesse. Dies bringt der Geschäftsherr durch seine rechtsverletzende Handlung zum Ausdruck. Insofern ist bei den Abmahnfällen genauso zu entscheiden wie bei den Abschleppfällen. Die §§ 677 ff. sind aufgrund der abstrakten Interessenwidrigkeit der Geschäftsbesorgung bereits tatbestandlich ausgeschlossen. Nur im Falle eines gesteigerten öffentlichen Interesses nach § 679 werden die §§ 677 ff. zur Anwendung gebracht. Dabei ist dieses qualifizierte öffentliche Interesse nicht, wie teilweise in der Literatur vorgeschlagen wird114, stets, etwa bei Wettbewerbsverstößen, vorhanden. Zwar verfolgen die Regelungen des UWG neben den Individualinteressen vornehmlich die Interessen der Allgemeinheit115, doch wird eine dringliche Notlage nicht bei jeder Wettbewerbsverletzung vorliegen. Wenn etwa ein Wettbewerber belästigende Telefonanrufe tätigt, ohne, dass dadurch bereits dem Unternehmen selbst ernstzunehmende Nachteile entstehen, kann ein qualifiziertes öffentliches Interesse nicht festgestellt werden. Nur wenn durch eine Wettbewerbsverletzung ein rechtswidriger Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegt, der fast zum Erliegen des Betriebs kommt, wird ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Erhaltung des sich rechtmäßig verhaltenden Unternehmens und des ordnungsgemäß funktionierenden Wettbewerbs deutlich. Diese Fälle dürften freilich Seltenheitswert haben.
111 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 294; Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 463. 112 Schulz, WRP 1990, 658, 661. 113 Schulz, WRP 1990, 658, 661 f. 114 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 295; Krenz, GRUR 1995, 31, 33. 115 Die „Zwecktrias“ des UWG – Schutz des Mitbewerbers, Verbrauchers und sonstiger Marktteilnehmer und die Interessen der Allgemeinheit, Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 10. Aufl., 2016, § 3, Rn. 9 ff., S. 20 f.
C. Abmahnfälle
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2. Das fremde Geschäft und der Fremdgeschäftsführungswille Das Merkmal des fremden Geschäfts ist nicht Bestandteil der obligationsbegründenden Norm nach § 677 HS. 1116. Demnach kann der Auffassung, die die Ausführung des Geschäfts des Verletzers bemängelt, bei den Abmahnfällen kein Gehör verschafft werden. Selbst wenn von der Erforderlichkeit des fremden Geschäfts im Rahmen von § 677 HS. 1 auszugehen wäre, ist die geführte Auseinandersetzung um das Vorliegen eines fremden Geschäfts bei den Abmahnfällen müßig. Es erschließt sich nicht, warum zu den Geschäften des Geschäftsherrn die Beseitigung der begangenen und die Unterlassung weiterer Rechtsverletzungen nicht gehören soll. Durch die Rechtsverletzung entsteht vielmehr eine subjektive Rechtspflicht zur Beseitigung der Rechtsverletzung und zur Unterlassung weiterer Rechtsverletzungen. Dabei gehört zu den Gegenständen der Geschäftsbesorgung neben der Wahrnehmung von Rechten insbesondere die Besorgung von subjektiven Rechtspflichten117. Insofern können die Versuche der Literatur118, die §§ 677 ff. aufgrund des fehlenden fremden Geschäfts zu Fall zu bringen, nicht von Erfolg gekrönt sein. Genauso müßig ist die Diskussion um das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens. In der Regel wird der Abmahnende primär seine eigenen Interessen verfolgen. Doch ist nicht auszuschließen, dass er auch die Interessen des Verletzers verfolgt119. Der Fremdgeschäftsführungswille muss außerdem nicht überwiegen. Ausreichend ist, dass dieser bloß vorhanden ist. Somit lässt sich auch bei der Ablehnung eines objektiv fremden Geschäfts und der widerleglichen Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens nicht mit Sicherheit sagen, dass dieser nicht vorhanden ist. Demnach zeigt sich auch bei den Abmahnfällen, dass die Merkmale des fremden Geschäfts und des Fremdgeschäftsführungswillens keine tauglichen Abgrenzungskriterien für die Frage sein können, welche Geschäftsbesorgungen den Regelungen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag unterfallen sollen und welche nicht. Hier zeigt sich zugleich die Schwäche derjenigen dogmatischen Theorien zur echten Geschäftsführung ohne Auftrag, insbesondere der von Wittmann und Bergmann vertretenen eingliedrigen subjektiven Theorien, die den Fremdgeschäftsführungswillen zum zentralen obligationsbegründenden Merkmal erheben.
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Dazu Kapitel 5, G., II., S. 244 ff. Dazu Kapitel 5, A., I., S. 93 ff. und Kapitel 5, D., I., S. 116 ff. 118 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 57 f.; Loritz, GRUR 1981, 883, 885: „Dies ist wirklichkeitsfremd“; Einsiedler, WRP 2003, 354. 119 I. E. auch Schulz, WRP 1990, 658, 661. 117
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
3. Keine Notwendigkeit zur Heranziehung der §§ 677 ff. bei den Abmahnfällen Faute de mieux120 griff der BGH auf die Regelungen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag in seiner „Fotowettbewerb“-Entscheidung zurück. Dies ist rechtspolitisch verständlich. Er wollte die Kosten demjenigen aufbürden, der die Rechtsverletzung begangen hat. Zur Auswahl standen ihm damals neben den §§ 677 ff. auch die Regelungen des Deliktrechts. Wahrscheinlich erschienen diese dem BGH zu riskant, da sie zum einen Verschulden voraussetzen, andererseits aber auch nur eine begrenzte Anzahl von Rechtsgütern und Rechten (§ 823 Abs. 1) schützen bzw. nur individualschützende Gesetze (§ 823 Abs. 2) umfassen. Diese Sorgen sind unbegründet, da das Verschulden nur in äußersten Ausnahmefällen fehlen dürfte (s. o.). Außerdem sind die Schutzvorschriften aus dem UWG, UrhG und MarkenG darauf gerichtet, auch individuelle Interessen zu schützen, sodass sie als Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 zu qualifizieren sind. Das Deliktsrecht wäre auch materiell das sachnähere Rechtsgebiet, weil es bei den Abmahnfällen vordergründig um die aus der Verletzung fremder Rechtspositionen entstandenen Kosten geht121. Die Rechtsverfolgungskosten gehören dabei nach allgemeiner Auffassung zu den ersatzfähigen Schadensposten122. Nach der aktuellen Rechtslage kann die Diskussion um möglicherweise sachnähere Regelungen des Deliktsrechtsrechts oder um die vorgeschlagene entsprechende Anwendung der §§ 91 ff. ZPO dahinstehen. Sowohl im Wettbewerbs- als auch im Patent- und im Urheberrecht sind spezielle Anspruchsgrundlagen vorgesehen. In § 12 Abs. 1 S. 2 UWG und in § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG sind spezielle Aufwendungsersatzansprüche kodifiziert. Das Markenrecht sieht zwar keinen Aufwendungsersatzanspruch, sondern einen Schadensersatzanspruch in § 14 Abs. 6 S. 1 MarkenG vor. Andererseits wiederspräche die Gewährung eines verschuldensunabhägigen Aufwendungsersatzanspruchs auch den Wertungen des Patentrechts123. Der Gesetzgeber hat die bestandenen Gesetzeslücken geschlossen. Es besteht daher auch keine Notwendigkeit auf diesen Rechtsgebieten, mit einer äußerst merkwürdigen Argumentation eines angeblich bestehenden Geschäftsherrninteresses noch einen zusätzlichen Aufwendungsersatzanspruch nach der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu gewähren. Vielfach wird der Verletzer nicht vom Verletzten, sondern von sozialen Fachverbänden in Anspruch genommen. Auch diese Geschäftsführung widerspricht dem abstrakten Interesse des Geschäftsherrn. Wie bei den Abschlepp120
Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 10. Aufl., 2016, § 25, Rn. 15, S. 391. Melullis, WRP 1982, 1, 4: „deliktische Natur des Wettbewerbsverstoßes“. 122 Melullis, WRP 1982, 1, 4; Oetker, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 249, Rn. 180 ff. m. w. N. 123 Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 464. 121
D. Nichtige Verträge nach §§ 134, 138, 139
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fällen ändert die Person des Anspruchstellers nichts an der Interessenwidrigkeit der Geschäftsführung. Die sog. Abmahnvereine haben im Wettbewerbsrecht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG eine Klagebefugnis124. Die Abmahnkosten können sie zwar nicht mittels einer deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlage zurückverlangen, doch steht ihnen auch ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu.
4. Ergebnis Im Ergebnis ist der überwiegenden Auffassung zuzustimmen. Abmahnfälle gehören nicht in den Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Nach der hier vertretenen zweigliedrigen subjektiven Theorie gelingt der Ausschluss dieser Fallgruppe tatbestandlich im Rahmen der obligationsbegründenden Norm nach § 677 HS. 1. Bei den Abmahnfällen besteht bereits kein abstraktes Interesse des Geschäftsherrn an der Geschäftsführung. Somit sind alle möglichen Handlungsvarianten interessenwidrig. Nur das gesteigerte öffentliche Interesse nach § 679 kann die §§ 677 ff. wieder zur Anwendung bringen. Dabei handelt es sich freilich um seltene Ausnahmefälle.
D. Nichtige Verträge nach §§ 134, 138, 139 I. Meinungsstand Im Kapitel 5, K.125 wurde erörtert, dass die nach §§ 134, 138, 139 nichtigen Verträge eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf das gesetzliche Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag rechtfertigen. Der BGH hat seit jeher indes keine Schwierigkeit darin gesehen, die nach §§ 134, 138, 139 nichtigen Verträge auf dieses Verhältnis anzuwenden126. Dritte befürworteten eine analoge Anwendung des § 817 S. 2, wobei dadurch nicht das ganze Verhältnis nach §§ 677 ff. zu Fall gebracht wäre, sondern die einzelnen Ansprüche, insbesondere der Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670127. 124
Zur Einschränkung der Klagebefugnis Jahn/Pirrwitz, GRUR 1988, 884 ff. 277 ff. 126 BGHZ 101, 393, 399 f.; BGHZ 111, 308, 311; BGH NJW‑RR 1993, 200. 127 LG Saarbrücken ZfBR 2015, 75, 85: die Auffassung des BGH, nach der es keinen Raum für die analoge Anwendung des § 817 S. 2 auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gebe, „begegnet Bedenken, weil dann die erhebliche[n] Wertungswidersprüche zwischen den bereicherungsrechtlichen Vorschriften und den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag entstehen … Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb bereicherungsrechtliche Ansprüche dem Rückforderungsausschluss nach § 817 S. 2 BGB unterliegen sollen und der Leistende über die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und dort § 683 BGB Aufwendungsersatz verlangen kann“; OLG Frankfurt als Berufungsinstanz zum vom BGH entschiedenen Urteil, NJW 1963, 950: „Das OLG hat in seinem ersten Urteil die 125 S.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
Auch der BGH schloss diesen Anspruch aus, indem er auf die fehlende Erforderlichkeit (§ 670) der rechtswidrigen Aufwendungen verwies128. Im Grunde geht es hier vordergründig um das Verhältnis zwischen dem Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag und dem Bereicherungsrecht. Für die Rückabwicklung der nichtigen Verträge nach §§ 134, 138, 139 ist das Letztere zuständig, was besonders an den speziellen Kondiktionssperren nach §§ 814, 815, 817 S. 2 zu sehen ist. Deshalb hat sich ein Teil der Literatur dafür ausgesprochen, das Verhältnis beider gesetzlicher Schuldverhältnisse nach dem Spezialitätsverhältnis zu beurteilen129. Während die meisten Stimmen dieser Gruppe bei allen nichtigen Verträgen den Vorrang des Bereicherungsrechts sehen, stellt Bergmann auf das Kriterium der Subordination ab. Bei nichtigen Subordinationsverträgen befürwortet er den Vorrang der echten Geschäftsführung ohne Auftrag, bei nichtigen Koordinationsverträgen dagegen den Vorrang des Bereicherungsrechts130.
II. Stellungnahme Es wurde bereits ausführlich erörtert, warum das Verhältnis zwischen den §§ 677 ff. und §§ 812 ff. nicht nach dem Prinzip der Spezialität, sondern tatbestandlich zu begreifen ist. Die echte berechtigte und unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag stellen Rechtsgründe i. S. v. § 812 dar. Insoweit wird auf die dahingehenden Ausführungen verwiesen131. Auch die analoge Anwendung des § 817 S. 2 überzeugt nicht. Diesbezüglich sei ebenso auf die bereits geführte Diskussion zu rekurrieren132. Es ist dabei in Erinnerung zu rufen, dass die echte Geschäftsführung ohne Auftrag aufgrund ihrer Haftungsstruktur ein auftrags- und damit vertragsähnliches Gewährschuldverhältnis ist, auf welches die Anwendung des § 817 S. 2 nicht konzipiert ist. Dieser bezweckt vielmehr die Sperrung der Rückabwicklung133. Außerdem vermag die analoge Anwendung Ansicht vertreten, daß die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB auch auf solche Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar sei“; nicht klar wird dagegen die Ablehnung der Ansprüche aus §§ 677 ff. bei nichtigen Verträgen durch das OLG Köln, NJW‑RR 1994, 1540, 1541 ff., welches nur die Ansprüche aus §§ 812 ff. thematisiert und sie nach § 817 S. 2 ausschließt; Schwab, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 817, Rn. 16; Wendehorst, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 817, Rn. 13; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., 1988, S. 64; Weiler, NJW 1997, 1053, 1054; in diese Richtung auch Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 817, Rn. 14 ff. 128 BGH NJW 1992, 2021, 2022; BGH NJW 1993, 3196; BGH NJW 2000, 1560, 1562; BGH NJW 2011, 373, 374 Rn. 18; BGH BauR 2014, 1141, 1143, Rn. 14. 129 Vgl. Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), S. 162 ff. 130 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 408 ff. 131 Vgl. Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), S. 162 ff. 132 Kapitel 5, G., IV., S. 295 ff. 133 Kapitel 5, K., II., S. 285 ff.
D. Nichtige Verträge nach §§ 134, 138, 139
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des § 817 S. 2 nicht alle nach §§ 134, 138, 139 nichtigen Verträge zu umfassen134. Der Vorrang der §§ 677 ff. bei nichtigen Subordinationsverträgen135 überzeugt nicht, weil dadurch die Normzwecke der Verbotsgesetze und Sittengebote konterkariert werden136. Vielmehr müssen alle nichtigen Verträge mittels einer analogen Anwendung der §§ 134, 138, 139 aus dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag eliminiert werden. Dies ist aufgrund der Qualifizierung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung historisch bedingt137. Auch die systematische Stellung der §§ 677 ff. zwischen zwei vertraglichen Schuldverhältnissen sowie die Anknüpfung an den „Auftrag“ drängen auf dieses Ergebnis hin138. Die Auffassung des BGH ist abzulehnen. Der Verweis auf die fehlende Erforderlichkeit von rechtswidrigen Aufwendungen ist zwar zutreffend, beantwortet freilich nicht die Frage, wie mit sonstigen Ansprüchen aus §§ 677 ff., insb. mit Schadensersatzansprüchen nach §§ 280, 677 HS. 2 und nach § 678, mit Warteund Anzeigeansprüchen nach § 681 S. 1, mit Auskunfts-, Benachrichtigungsund Rechenschaftspflichten nach § 682 S. 1, 666, die ebenso vorkommen können und die allesamt kein Erforderlichkeitskriterium enthalten, zu verfahren ist. Befürwortet man diese Ansprüche, müsste notwendigerweise § 677 HS. 1 erfüllt sein. Ist § 677 HS. 1 erfüllt, dürften die §§ 812 ff. bereits tatbestandlich nicht zur Anwendung gelangen. Dies gilt auch in Bezug auf das Recht des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 985 ff.) und das der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff.). Die grundsätzliche Anwendung von nichtigen Verträgen auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag beraubt aufgrund der jedenfalls bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag angenommenen Legitimationswirkung das Bereicherungsrecht seines Kernanwendungsbereiches. Die hier vorgeschlagene Lösung vermag diese Probleme zu lösen. Die analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 verhindert die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Dadurch wird den Normzwecken der Verbotsgesetze bzw. der Sittengebote genüge getan. Zugleich wird die Legitimationswirkung nicht ausgelöst, sodass die §§ 812 ff. direkt zur Anwendung gelangen könnten. Die durch die §§ 134, 138, 139 vorgesehene Rückabwicklung nach §§ 812 ff. kann freilich durch § 817 S. 2 deaktiviert werden. Das notwendige Zusammenspiel zwischen §§ 134, 138, 139 und § 817 S. 2 wird auf diesem Wege beibehalten. Im Ergebnis werden die nach §§ 134, 138, 139 nichtigen Verträge aus dem Anwendungsbereich verbannt. 134
Kapitel 5, J., IV., 2., b), bb, S. 300 ff. Dazu Kapitel 4, D., III., 3., c), S. 86 ff. 136 Kapitel 5, K., III., S. 293 ff. 137 Kapitel 5, I., S. 262 ff. 138 Kapitel 5, K., III., S. 293 f. 135
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
E. Schönheitsreparaturen Die Fallgruppe der Schönheitsreparaturen ist in der letzten Dekade auf die Bühne der wissenschaftlichen Diskussion gerückt. Die Fallgestaltung ist folgende. Im Mietvertrag wird eine Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen vereinbart. Der Mieter führt diese vertragsgemäß aus. Danach stellt sich heraus, dass die formularvertragliche Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 unwirksam ist. Der Mieter fordert vom Vermieter nun den Ersatz seiner Aufwendungen. Als Anspruchsgrundlagen kommen in Betracht: (1) ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 wegen Verletzung der vorvertraglichen Pflicht des Vermieters zur Verwendung von wirksamen AGB (2) ein mietrechtlicher Aufwendungsersatzanspruch nach § 536a Abs. 2 Nr. 1, (3) ein mietrechtlicher Aufwendungsersatzanspruch nach § 539 Abs. 1 i. V. m. §§ 677 ff., (4) bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818, (5) und gegebenenfalls ein Anspruch aus §§ 951, 812, 818, für den Fall, dass der Vermieter zugleich Eigentümer der Mietsache ist. Der Anspruch aus c. i. c. setzt Verschulden voraus. Zwar wird dieses nach § 280 Abs. 1 S. 2 vermutet. Nicht auszuschließen ist indes, dass es widerlegt wird139. Außerdem ist die Voraussetzung des Schadens nicht unproblematisch. Der Übergang zwischen Schäden und Aufwendungen ist zwar zuweilen fließend, dennoch kann aufgrund der entwickelten Herausforderungsformel140 eine Abgrenzung vorgenommen werden. Zwar handelt der Mieter aufgrund einer, wenn auch unwirksamen, aber dennoch vertraglichen Pflicht, sodass die Freiwilligkeit der Aufwendungen eingeschränkt ist. Dennoch ging der Mieter den Mietvertrag durch Abgabe seiner Willenserklärung freiwillig ein. Die mit der Ausführung von Schönheitsreparaturen verbundenen Kosten können daher nicht unbedingt als unfreiwillige Vermögensdispositionen, also als Schäden gewertet werden. Vielmehr handelt es sich um Aufwendungen. Die mietrechtlichen Aufwendungsersatzansprüche könnten hier Abhilfe schaffen. Die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 werden freilich meistens nicht erfüllt sein. Danach kann der Mieter den Ersatz seiner erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist. Der „Verzug“ verlangt die Erfüllung der in § 286 geregelten Voraussetzungen. Neben einem, nicht stets vorhandenen und ggf. widerlegten Verschulden nach § 286 Abs. 4, ist insbesondere eine Mahnung erforderlich. Da der Mieter die Schönheitsreparaturen in der irrigen Annah139
Lehmann-Richter, WuM 2005, 747. die Eingehung einer vertraglichen Pflicht kann zuweilen durchaus „unfreiwillig“ sein, etwa dann, wenn ein Fußballverein nur dann in der 1. Bundesliga teilnehmen kann, wenn er der Rechts- und Verfahrungsordnung des Deutschen Fußballbundes (DFB) zustimmt, dazu Meier/Lenze, MDR 2017, 6, 8. 140 Auch
E. Schönheitsreparaturen
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me ausführt, zu diesen verpflichtet zu sein, wird er den Vermieter vorher nicht abmahnen. Auch die Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 wird in diesen Fällen regelmäßig nicht anzunehmen sein. Insoweit kommt es nun auf den Anspruch nach § 539 Abs. 1 an, der nach der ganz h. M. eine Rechtsgrundverweisung141 in das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag enthält. Alternativ dazu steht die bereicherungsrechtliche Kondiktion nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818. Das Konkurrenzverhältnis dieser beiden Ansprüche schwingt im Hintergrund der Diskussion um die richtige Anspruchsgrundlage für den Ersatz der aufgrund von unwirksamen Vertragsklausel vorgenommenen Schönheitsreparaturen mit.
I. Meinungsstand Nach § 539 Abs. 1 kann der Mieter vom Vermieter Ersatz seiner Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen. Da es sich um eine Rechtsgrundverweisung handelt, müssen auch die obligationsbegründenden Voraussetzungen nach § 677 HS. 1 erfüllt sein. Im Ergebnis wird von der überwiegenden Auffassung ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 abgelehnt. Manche lehnen bereits das Vorliegen eines fremden Geschäfts ab142. Andere vermissen den Fremdgeschäftsführungswillen143. Dritte lehnen den Übernahmewillen nach § 683 S. 1 ab144 und verweisen ggf. auf den Anspruch nach §§ 684 S. 1, 818 ff145. In der Minderheit befindet sich die Auffassung, die in diesen Fällen eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag erblickt146. Überwiegend ist dagegen die Ansicht erkennbar, in dieser Fallgruppe das Bereicherungsrecht zur Anwendung zu bringen, was der Überlegung geschuldet sein wird, dass das Bereicherungsrecht für die Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen zuständig ist, für die es an einer wirksamen vertraglichen Grundlage fehlt. Ansonsten könnten die bereicherungsrechtlichen Kondiktionssperren nach §§ 814, 815, 817 S. 2 unterlaufen werden147. Der BGH argumentiert mietrechtlich-wirtschaftlich („Ent141 BGH NZM 2009, 541; Gsell, NZM 2010, 71, 73; Bieber, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 539, Rn. 8; Langenberg, in: Schmidt-Futterer, 5. Aufl., 2017, § 539, Rn. 25; Teichmann, in: Jauernig, 17. Aufl., 2018, § 539, Rn. 2; Zehelein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 539, Rn. 1; Emmerich, in: BeckOGK, BGB, 01. 07. 2018, § 539, Rn. 15. 142 BGH NJW 2009, 2590, 2591 f.; LG Berlin GE 2007, 517, 518; AG Köln WuM 2006, 261, 262; AG München NZM 2001, 1030. 143 Börstinghaus, WuM 2005, 675, 677, es fehle regelmäßig am Fremdgeschäftsführungswillen; zweifelnd auch Sternel, NZM 2007, 545, 549; Lange, NZM 2007, 785, 787. 144 Sternel, NZM 2007, 545, 549. 145 Dötsch, NZM 2007, 275, 279. 146 LG Karlsruhe NJW 2006, 1983; Lehmann-Richter, WuM 2005, 747, 750. 147 Diesen Verdacht hegte auch Lorenz, NJW 2009, 2576.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
geltthese“148), indem er darauf verweist, dass der Mieter mit der Vornahme von Schönheitsreparaturen eine Leistung erbringen will, die rechtlich und wirtschaftlich als ein Teil des Mietzinses anzusehen sei. Die Leistung eines Mietentgelts stelle schließlich ebenso keine Wahrnehmung von Vermieterinteressen und damit auch keine Geschäftsführung ohne Auftrag dar149. Auch er wendet im Ergebnis die §§ 812 ff. an.
II. Stellungnahme 1. Fremdes Geschäft, Fremdgeschäftsführungswille, Übernahmewille, Entgeltthese Die Diskussion um das Vorliegen eines fremden Geschäfts oder des Fremdgeschäftsführungswillens ist, wie so oft, müßig. Das fremde Geschäft ist bereits kein Tatbestandsmerkmal des § 677 HS. 1150. Unterstellt man das Gegenteil, ist nicht einzusehen, warum die „Verschönerung“ der Mietsache nicht mehr das Geschäft des Vermieters sein soll151, auch wenn er diese Aufgabe durch eine unwirksame Klausel auf den Mieter „übertrug“. Vielmehr stellte er sicher, dass Schönheitsreparaturen an der Mietsache vorgenommen werden. Durch die Vorformulierung der Schönheitsreparaturklausel und die Abgabe einer dahingehenden Willenserklärung „kümmerte“ sich der Vermieter um diese Angelegenheit. Sie gehört damit (auch) in seinen Rechtskreis. Auch die Ablehnung des Fremdgeschäftsführungswillens ist, wie so oft, nicht überzeugend152. Richtig ist zwar, dass der Mieter mit der Vornahme der Schönheitsreparaturen primär die Erfüllung seiner, wenn auch unwirksamen, vertraglichen Pflicht beabsichtigt. Doch schwingt stets der Wille mit, dies auch für den Vermieter zu tun. Dem Mieter ist der Zweck der vom Vermieter gestellten Klausel erkennbar. Der Vermieter will sicherstellen, dass Abnutzungen an der Mietsache wieder beseitigt werden. Er will also die Mietsache möglichst in dem Zustand zurückbekommen, in dem er sie dem Mieter überlassen hatte. Der Zweck dieser Klausel besteht in der Vermeidung eines Wertverlustes an der Mietsache, um diese nach der Beendigung des Mietverhältnisses mit dem gleichen Erfolg weitervermieten zu können. Mit der Vornahme der Schönheitsreparaturen schwingt dieser, vom Vermieter beabsichtigte, Zweck stets mit. Folglich führt der Mieter das Geschäft auch für den Vermieter aus. Da der Fremdgeschäftsführungswille nicht in dominanter Form ausgeprägt sein muss, 148
Blank, NZM 2010, 97, 98. BGH NJW 2009, 2590, 2592; zustimmend Lorenz, NJW 2009, 2576. Kapitel 5, G., II., S. 244 ff. 151 I. E. auch Gsell, NZM 2010, 71, 76: „so wird wohl kaum jemand bestreiten können, dass die Renovierung einer fremden Wohnung sich objektiv als Geschäft des Vermieters/Eigentümers darstellt“; Lange, NZM 2007, 785, 787. 152 I. E. auch Dötsch, NZM 2008, 108, 109. 149 150
E. Schönheitsreparaturen
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reicht es in diesen Fällen, wenn der Fremdgeschäftsführungswille parallel vorhanden ist. Auch liegt der nach § 683 S. 1 erforderliche Übernahmewille des Vermieters vor. Durch die Stellung der Vertragsklausel zu Schönheitsreparaturen ist ausgedrückt, dass ihre Vornahme durch den Mieter geschehen soll. Alle den Übernahmewillen des Geschäftsherrn konstituierenden Aspekte sind erfüllt. Notwendigerweise muss bei einem konkreten Interesse des Geschäftsherrn an der Übernahme der Geschäftsführung auch das abstrakte Interesse im Sinne der zweigliedrigen subjektiven Theorie gegeben sein. Tatbestandlich kann insoweit kaum an der Geschäftsführung ohne Auftrag gezweifelt werden. Auch die Anknüpfung des BGH an die Entgeltthese ist nicht überzeugend. Begreift der BGH die unwirksam vereinbarte Verpflichtung des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen als einen Teil des Mietentgelts, so verhilft er einer solchen Klausel wieder zur Wirksamkeit, indem er diese auf der gleichen Ebene wie die wirksam vereinbarte Miete betrachtet153.
2. Ein spezifisch mietrechtliches Problem Bei dem ganzen Meinungsspektrum und den Begründungsbemühungen wird nicht genug beachtet, dass es sich hier um ein spezifisch mietrechtliches Problem handelt. Seine Lösung kann daher auch nur im Rahmen des Mietrechts liegen.
a) Der Begriff der Schönheitsreparaturen Unter Schönheitsreparaturen ist die Beseitigung der durch vertragsgemäßen Gebrauch einhergehenden Abnutzung der Mietsache zu verstehen154. Zur Präzisierung wird auf § 28 Abs. 4 S. 4 der Zweiten Berechnungsverordnung155 abgestellt156. Danach umfassen Schönheitsreparaturen Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. Es handelt sich demnach um sog. Dekorationsmängel157.
b) Schönheitsreparaturen als Beseitigung von Mängeln? Nach dem gesetzlichen Leitbild unterfallen die Schönheitsreparaturen dem Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Erhaltung des vertragsgemäßen 153
Schrader, ZJS 2009, 426, 427; zustimmend Gsell, NZM 2010, 71, 76. Häublein, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 535, Rn. 114. BGBl. 1990, I. S. 2178, zuletzt geändert BGBl. 2007, I. S. 2614. 156 Langenberg, in: Schönheitsreparaturen I, 5. Aufl., 2015, Rn. 2, die Definition habe sich durch die jahrelange allgemeine Handhabung verfestigt, sodass das (heutige) Fehlen einer bundeseinheitlichen Regelung sich nicht auswirke. 157 Häublein, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 535, Rn. 114. 154 155
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
Zustandes nach § 535 Abs. 1 S. 2 Alt. 2. Zur Ausführung von Schönheitsreparaturen ist demnach grundsätzlich der Vermieter verpflichtet, während der Mieter die durch den vertragsgemäßen Gebrauch einhergehende Abnutzung nach § 538 nicht zu vertreten hat. Bereits dem Begriff nach handelt es sich hier um Reparaturen, also um Geschäftsführungen, die darauf gerichtet sind, den tatsächlichen Zustand auf den vertragsgemäßen Zustand zu bringen. Der tatsächliche Zustand weicht demnach von dem vertragsgemäßen Zustand nach unten ab. Bei Schönheitsreparaturen handelt es dabei sich um Beseitigungen von Abnutzungsspuren158, somit um Beseitigungen von (geringfügigen) Mängeln. Insoweit ist beim Begriff des „Mangels“ kein Unterschied zwischen dem Mietrecht auf der einen Seite und etwa dem Kauf- oder Werkvertragsrecht auf der anderen Seite festzustellen. Auch hier gilt die Definition, dass ein Mangel dann vorliegt, wenn die „Istbeschaffenheit“ von der „Sollbeschaffenheit“ abweicht159. So erkannte Blank160 und auch andere161, dass in der Ausführung von objektiv erforderlichen Schönheitsreparaturen eine „Maßnahme der Mangelbeseitigung“ liege. Diese Einordnung wird schließlich durch die Gesetzgebungsunterlagen bestätigt. Im Rahmen der Mietrechtsreform im Jahr 2001 äußerte sich der Gesetzgeber ausdrücklich zu den Schönheitsreparaturen, in dem er diese zum Gegenstand der Erhaltungspflicht nach § 535 Abs. 1 S. 2 machte: „Der Gesetzentwurf sieht an dieser Stelle davon ab, eine gesetzliche Regelung zu den so genannten Schönheitsreparaturen, das heißt den durch Abnutzung notwendig gewordener Maler- und Tapezierarbeiten zu treffen. Damit wird an dem gesetzlichen Leitbild festgehalten, dass der Vermieter, der grundsätzlich die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit auch in diesem Zustand zu erhalten hat, auch zur Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtet“162
Schließlich ging der Gesetzgeber auf den mietrechtlichen Mangelbegriff ein, den er, ebenso wie im Kauf- und Werkvertragsrecht (§§ 434, 633), subjektiv auslegte:
158
Häublein, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 535, Rn. 114. BGH NJW‑RR 1991, 204; BGH NJW 2000, 1714, 1715; BGH NJW 2011, 514; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, 5. Aufl., 2017, § 536, Rn. 19; Häublein, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 536, Rn. 3; vgl. auch Bieber, NZM 2006, 683. 160 Blank, NZM 2010, 97, 99. 161 Gsell, NZM 2010, 71, 75: „Konsequenterweise müsste der BGH auch Bereicherungsansprüche zumindestens insoweit für gesperrt erachten, als durch die mieterseitig durchgeführten Schönheitsreparaturen Mängel der Mietsache beseitigt wurden“; auch Dötsch, NZM 2007, 275, 278; ders., NZM 2008, 108, 110. 162 BT‑Drucks. 14/4553, S. 40. 159
E. Schönheitsreparaturen
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„Ob die zugesicherte Eigenschaft neben dem Fehler im Mietrecht, wo der subjektive Fehlbegriff gilt, tatsächlich große eigenständige Bedeutung hat, kann bezweifelt werden“163.
Insoweit kann festgehalten werden, dass es bei Schönheitsreparaturen um Maßnahmen zu Mangelbeseitigung handelt. Eine andere Frage ist dagegen, ob das mietrechtliche Gewährleistungsrecht bei jedem, noch so geringen Abweichen nach unten ausgelöst wird. Dem ist gerade nicht so. Nach § 536 Abs. 1 S. 1 ist der Mieter von der Entrichtung der Miete befreit, wenn die Mietsache einen Mangel aufweist, „der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt“, bzw. die Miete ist herabgesetzt, wenn die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt dabei außer Betracht (§ 536 Abs. 1 S. 1). Auch § 536a stellt auf einen Mangel „im Sinne des § 536“ ab und parallelisiert die Anforderungen. Aus dem Wortlaut von § 536 und § 536a ist demnach eine Zweiteilung zu entnehmen. Danach gibt es solche Mängel, die die Gewährleistungsansprüche des Mieters auslösen – qualifizierte Mängel. Und es gibt solche Mängel, die die Erheblichkeitsschwelle nach § 536 nicht zu erreichen vermögen. Zu diesen gehören jene, die im Wege der Schönheitsreparaturen beseitigt werden. Dennoch bleibt es dabei, dass es sich in beiden Fällen um Mängel handelt. Der Wortlaut von § 536 und § 536a und die mit dem Kauf- und Werkvertragsrecht gemeinsame Mangeldefinition provozieren somit folgende Schlussfolgerungen. Auch im Mietrecht liegt ein Mangel vor, wenn der tatsächliche Zustand von dem vertragsgemäßen Zustand abweicht. Die Frage, ob eine erhebliche Abweichung vorliegt, ist für den Mangelbegriff (zunächst) irrelevant. Der Mieter hat einen Beseitigungs- bzw. einen Erhaltungsanspruch gegen den Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2. Es handelt sich dabei um Erfüllungsansprüche. Eine Minderung nach § 536 bzw. Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche nach § 536a kommen freilich nur dann in Betracht, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs vorliegt. Resümierend stehen dem Mieter bei geringfügigen Mängeln nur Erfüllungsansprüche, während ihm bei erheblichen Mängeln Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche nach §§ 536, 536a zustehen.
c) Das Verhältnis zwischen § 536a Abs. 2 und § 539 Abs. 1 Nimmt der Mieter Schönheitsreparaturen vor, so kommen für die von ihm getätigten Aufwendungen der Anspruch nach § 536a Abs. 2 und § 539 Abs. 1 in Betracht. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Ansprüchen ist auch Gegenstand einer wissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahre gewesen. Der BGH hat die Frage dahingehend beantwortet, dass § 536a Abs. 2 nur mangelbedingte 163
BT‑Drucks. 14/4553, S. 40.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
Aufwendungen, während der § 539 Abs. 1 nicht mangelbedingten Aufwendungen umfasst164. Diese Auffassung ist auch überzeugend165. § 536a setzt einen Mangel voraus („Mangel im Sinne von § 536“). Daher muss die Aufwendung notwendigerweise mangelbedingt sein. Daraus kann freilich nicht sogleich darauf geschlossen werden, dass § 539 Abs. 1 nur nicht-mangelbedingte Aufwendungen umfasst. Auch der Wortlaut des § 539 Abs. 1 deutet nicht auf dieses Ergebnis hin. Dort ist die Rede von Aufwendungen, „die der Vermieter ihm nicht nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat“. Die Schlussfolgerung kann daher sein, dass der Mieter den Ersatz von jenen Aufwendungen, den er nicht nach § 536a Abs. 2 bekommt, nach § 539 Abs. 1 verlangen darf166. Diese Position hätte jedoch einen schwerwiegenden teleologischen Einwand gegen sich. Die Anwendung des § 539 Abs. 1 bei mangelbedingten Aufwendungen würde die in § 536a Abs. 1 geforderten Verzugsvoraussetzungen unterlaufen167. Insbesondere das Erfordernis der Mahnung wäre ausgehöhlt. Der § 536a Abs. 2 wäre seines Anwendungsbereiches weitgehend beraubt, da der Mieter den Ersatz von seinen mangelbedingten Aufwendungen in der Regel nach § 539 Abs. 1 bekäme. Zugleich wäre das Recht des Vermieters zur „zweiten Andienung“ bei dieser unberechtigten Selbstvornahme verletzt168. Daher umfasst § 536a Abs. 2 nach der überzeugenden h. M.169 nur mangelbedingte Aufwendungen, während § 539 Abs. 1 alle anderen der Verbesserung der Mietsache dienenden Aufwendungen umfasst, die nicht an den Mangel anknüpfen. Lehmann-Richter meint, der Vorrang des § 536a Abs. 2 bei mangelbedingten Aufwendungen sei bei rechtsgrundlos erbrachten Schönheitsreparaturen nicht gerechtfertigt, da der Mieter gerade von seiner eigenen Verpflichtung ausgehe und ihm nicht bewusst werde, dass er eine Aufgabe des Vermieters übernehme. Der Grund für die fehlende Kenntnis stamme dabei vom Vermieter als dem Verwender der unwirksamen Formularklausel, sodass er den vom § 536a Abs. 2 bezweckten Schutz nicht verdiene170. Dem ist freilich nicht beizupflichten. Hinge der Vorrang des § 536a Abs. 2 gegenüber § 539 Abs. 1 von der Kenntnis des Mieters ab, so müsste der Vorrang des Ersteren auch dann verneint werden, wenn der Mieter, ohne dass ihm die Vornahme von Schönheitsreparaturen 164
BGH NZM 2008, 279, 280. Derleder, NZM 2002, 676, 681; Dauner-Lieb/Dötsch, NZM 2004, 641, 645; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, 5. Aufl., 2017, § 536a, Rn. 167; Bieber, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 539, Rn. 6; a. A. Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457, 1461. 166 Dies wäre auch eine zulässige Wortlautauslegung, BGH NZM 2008, 279, 280. 167 Eckert, NZM 2001, 409, 412; Dauner-Lieb/Dötsch, NZM 2004, 641, 645. 168 BGH NZM 2008, 279, 280. 169 Derleder, NZM 2002, 676, 681; Gsell, NZM 2010, 71, 73 f.; Zehelein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 539, Rn. 3; Langenberg, in: Schmidt-Futterer, 5. Aufl., 2017, § 539, Rn. 3; Bieber, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 539, Rn. 6; Emmerich, in: BeckOGK, BGB, 01. 07. 2018, § 539, Rn. 7. 170 Lehmann-Richter, WuM 2005, 747. 165
E. Schönheitsreparaturen
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in irgendeiner Weise überbürdet wurde, diese ausführt. Geht der Mieter nämlich von der irrigen, vom Vermieter veranlassten, aber nicht vertraglich fixierten Vorstellung aus, die Mieter seien nach der Gesetzeslage zur Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtet171, so müsste nach dieser Auffassung der Weg zu § 539 Abs. 1 nicht versperrt sein, obwohl dies ein Fall des § 536a Abs. 2 ist172. Außerdem stammt zwar die Verwendung von unwirksamen AGBen aus der Sphäre des Vermieters, doch bleibt er dennoch schutzbedürftig, weil ihm diesbezüglich ein Verschulden oft nicht vorzuwerfen ist (s. o.).
d) Schlussfolgerungen bzgl. Schönheitsreparaturen Für die hier diskutierte Thematik der Schönheitsreparaturen bedeutet das Verhältnis zwischen § 536a Abs. 2 und § 539 folgendes: Da es sich bei Schönheitsreparaturen um die Beseitigung von Mängeln handelt, kann als Aufwendungsersatzanspruch auch nur § 536a Abs. 2 in Betracht kommen. Seine Voraussetzungen werden dagegen nicht erfüllt sein, da es sich bei Schönheitsreparaturen zum einen nicht um erhebliche Mängel handelt. Zum anderen lägen auch die Verzugsvoraussetzungen nicht vor. Der Weg zu § 539 Abs. 1 bleibt dennoch versperrt173. Dieser umfasst nur nicht-mangelbedingte Aufwendungen. Hier ist vielmehr ein Erst-Recht-Schluss angebracht. Kann der Mieter keinen Aufwendungsersatz für erhebliche Mängel nach § 539 Abs. 1 verlangen, ist nicht einzusehen, warum er dies bei geringfügigen Mängeln dürfen soll. Daher kann der auf die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag verweisende § 539 Abs. 1 nicht greifen, sodass sich die Frage nach der Erfüllung der in §§ 677 ff. geregelten Voraussetzungen nicht stellt. Auch die direkte Anwendung der §§ 677 ff. widerspräche dem Zweck des § 536a Abs. 2 und unterliefe die Verzugsvoraussetzungen. Somit gelangt die echte Geschäftsführung ohne Auftrag aus spezifisch mietrechtlichen Erwägungen nicht zu Anwendung. Weil der Mieter indes eine Erfüllungsverpflichtung des Vermieters erfüllt (§ 535 Abs. 1 S. 2), die die Erheblichkeitsschwelle von §§ 536, 536a nicht erreicht, befreit er diesen von dieser Verpflichtung. Dies geschieht aufgrund einer unwirksamen Klausel. Der Weg zum Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. ist dadurch eröffnet. Daraus ergibt sich auch der Anspruch des Mieters.
171 Diese Vorstellung ist nicht fernliegend. Vielmehr herrscht in der Laienssphäre der Mieter die Vorstellung, zu den Schönheitsreparaturen verpflichtet zu sein, Kraemer, NZM 2003, 417. 172 In diesem Fall wird § 539 Abs. 1 versperrt, Blank, NZM 2010, 97, 99. 173 Ebenso i. E. wohl auch Eckert, NZM 2001, 409, 412, wenn er schreibt: „Beide Leistungen – Mangelbeseitigung und Schönheitsreparaturen – sind vertragliche Hauptleistungen unabhängig davon, ob der Vermieter oder der Mieter sie schuldet“; in diese Richtung auch Gsell, NZM 2010, 71, 75.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
III. Ergebnis Im Ergebnis ist die Anwendung der §§ 677 ff. aufgrund spezifisch mietrechtlicher Erwägungen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen § 536a Abs. 1 und § 539 Abs. 1 versperrt. Dies gilt sowohl bzgl. der Anwendung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag über den Verweis des § 539 Abs. 1 als auch für die direkte Anwendung. Vielmehr ergibt sich ein Anspruch des Mieters aus § 812 ff.
F. Selbstaufopferung im Straßenverkehr Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 27. 11. 1962174 gehören auch die Fälle des sich opfernden Verkehrsteilnehmers zur Abwendung der für ihn und andere Verkehrsteilnehmer drohenden Gefahren zu einer nicht unumstrittenen Fallgruppe der echten Geschäftsführung ohne Auftrag.
I. Meinungsstand Dem BGH lag in seiner Grundsatzentscheidung folgender Fall zu Grunde: Der Geschäftsführer befuhr mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h eine Landstraße, auf der ihm drei Fahrradfahrer im Alter von 10–11 Jahren entgegenkamen. Als die Distanz zwischen den Beteiligten 6 Meter betrug, bog plötzlich einer der Fahrradfahrer nach links in die Fahrbahn des Geschäftsführers. Dieser riss den Wagen nach rechts und geriet mit seinem Fahrzeug auf einen Acker, auf dem sein Wagen auf die rechte Seite schlug. Der Geschäftsführer brach sich dabei den Arm und war längere Zeit arbeitsunfähig. Er verlangte den Ersatz der entstandenen Kosten. Der BGH hat einen Ersatzanspruch aus der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677, 683 S. 1, 670 zugebilligt. Der Geschäftsführer habe ein objektiv fremdes Geschäft besorgt, da dieser den Fahrradfahrer davor bewahrte, verletzt oder getötet zu werden175. Der Fremdgeschäftsführungswille sei aufgrund des objektiv fremden Geschäfts zu vermuten176. Die Geschäftsführung setze jedoch voraus, dass es sich um ein nach § 7 Abs. 2 StVG a. F. unabwendbares Ereignis handele. Auch dieses bejahte der BGH mit der Begründung, dass das Fahren des Fahrradfahrers keinen Anlass gab, von einer späteren Verkehrswidrigkeit auszugehen177. Den Umfang der Ersatzpflicht setzte jedoch der BGH auf 50 % mit der Begründung herab, die Beteiligten hätten die Ge174 175
BGHZ 38, 270 = NJW 1963, 390. BGH NJW 1963, 390, 391. 176 BGH NJW 1963, 390, 391. 177 BGH NJW 1963, 390, 391.
F. Selbstaufopferung im Straßenverkehr
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fahrenlage zusammen verursacht, auch wenn sie zufällig in sie hineingeraten waren178. Entscheidend für die Herabsetzung sei demnach eine bloße Verursachung179. Die Auffassung des BGH stieß sowohl auf Zustimmung180 als auch auf Ablehnung. Das OLG Koblenz bemängelte bereits vor der BGH‑Entscheidung das Fehlen eines fremden Geschäfts181. Die anderen erblickten dagegen keinen Fremdgeschäftsführungswillen182. Auch der Haftungsumfang wurde kritisiert183.
II. Stellungnahme Die Fallgruppe der Selbstaufopferungsfälle gehört auch nach der hier vertretenen Auffassung in den Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Frage, ob ein fremdes Geschäft vorliegt, bedarf auch hier keiner Klärung. Das fremde Geschäft ist kein Tatbestandsmerkmal der obligationsbegründenden Norm nach § 677 HS. 1184. Insoweit ist auch die Frage, ob es sich um einen Fall der höheren Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG185 oder ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 StVG handelt, irrelevant186. Die Frage des Mitverschuldens ist im Rahmen von § 670 nach der analogen Anwendung des § 254 zu beurteilen187, sodass sich die Haftung im schlimmsten Fall auf Null reduzieren kann. Der Fremdgeschäftsführungswille liegt entgegen der teilweise vertretenen Auffassung vor. Mit der Abwendung der Gefahr wird der Geschäftsführer sowohl eigene als auch fremde Interessen verfolgen. Ein Überwiegen des Fremdgegenüber dem Eigengeschäftsführungswillen ist nicht erforderlich. Zulässig ist auch, dass der Geschäftsführer primär seine Interessen verfolgt188. Auch der nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie geforderte abstrakte Geschäftsherrnwille liegt vor. Durch die Geschäftsführung werden in der 178 179
BGH NJW 1963, 390, 392. So auch schlussfolgernd Hagen, NJW 1966, 1893, 1894. 180 Imlau, NJW 1963, 1039; Lange, JZ 1963, 550; Canaris, JZ 1963, 655; Deutsch, AcP 165, 1965, 193. 181 OLG Koblenz NJW 1953, 1632, 1633. 182 Deutsch, AcP 165, 1965, 193, 199, jedenfalls dann, wenn ein Zusammenstoß zweier PKW verhindert werden soll, bei dem auch die Rechtsgüter des Geschäftsführers betroffen sind. Dies ist bei Selbstaufopferungsfällen im Straßenverkehr freilich immer der Fall; auch OLG Koblenz NJW 1953, 1632, 1633 zweifelte am Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens aufgrund einer plötzlich auftretenden Gefahrenlage, bei der der Geschäftsführer vielmehr reflexartig handele, um die entstandene Gefahr zu meistern. 183 Hagen, NJW 1966, 1893 ff. 184 Kapitel 5, G., II., S. 244 ff. 185 Kritisch im Falle der höheren Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG eine Haftung nach §§ 677 ff. zuzulassen Rebler, MDR 2013, 254, 256. 186 OLG Oldenburg VersR 2005, 807, 808. 187 BGH NJW 1961, 359, 360; BGH NJW 1963, 390, 392. 188 So auch Hagen, NJW 1966, 1893, 1897.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
Regel bedeutende Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit betroffen, an deren Erhaltung der Geschäftsherr besonders interessiert ist189. Für den Fall, dass der Geschäftsherr kein Interesse an ihrer Erhaltung hat, etwa dann, wenn er eine vorsätzliche Selbstschädigung oder einen Suizid im Straßenverkehr begehen möchte, ist sein Wille nach § 679 unbeachtlich, da zum qualifizierten öffentlichen Interesse insbesondere solche bedeutenden Individualrechtsgüter190 wie die bereits genannten gehören. Auch der entgegenstehende Übernahmewille des Geschäftsherrn ist nach §§ 683 S. 2, 679 unbeachtlich, sodass es sich in diesen Fällen um eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handelt. Im dem vom BGH entschiedenen Fall ist der Geschäftsherr ein Minderjähriger. Dabei hindert die fehlende oder beschränkte Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn nicht die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag191. Dennoch sind aufgrund der erhöhten Schutzbedürftigkeit des minderjährigen Geschäftsherrn die Wertungen der §§ 104 ff. heranzuziehen192. Besteht eine Haftung des Minderjährigen nicht, ist an den Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677, 683, 670 gegen die Eltern zu denken. Dieser wird berechtigterweise überwiegend zugestanden193. Canaris sieht dagegen eine über § 832 hinausgehende Haftung der Eltern kritisch, da die Wertungen des § 832 durch die Anwendung der §§ 677 ff. gegenüber den Eltern unterlaufen würden194. Dem ist entgegenzutreten. Bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag handelt es sich um einen Rechtfertigungsgrund, sodass die bedeutende Voraussetzung der Widerrechtlichkeit, die auch im § 832 ausgedrückt ist, nicht gegeben ist.
G. Erbensucherfälle Auch die Erbensucherfälle gehören zu den umstrittenen Fallgruppen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Bei ihnen zeigt sich, dass die von der überwiegenden Meinung getragene Dogmatik zur Geschäftsführung ohne Auftrag auf Fälle stößt, die mit ihr nicht bewältigt werden können. Diese Fälle sind folgendermaßen ausgestaltet. Ein gewerblich tätiger Erbensucher begibt sich auf die Suche nach den rechtmäßigen Erben. Als er diesen findet, schlägt er ihm den Abschluss eines Vertrages vor, dessen Inhalt die Weitergabe der vom Er189 190
Friedrich, VersR 2005, 1660, 1661. Kapitel 5, I., V., 3., S. 261 f. 191 Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Subordinationsverhältnis, 2010, S. 75. 192 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 683, Rn. 18. 193 OLG Oldenburg VersR 1972, 1178; OLG‑Hamm VersR 2002, 1254; OLG Celle VersR 1976, 448. 194 Canaris, JZ 1963, 655, 660.
G. Erbensucherfälle
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bensucher ermittelten Informationen ist. Geht der Erbe darauf ein, kommt ein Vertrag zustande, nach dem sich das Verhältnis der beiden Parteien bestimmt. Lehnt er den Vertragsabschluss ab, stellt sich die Frage, ob der Erbensucher für seine Tätigkeit eine Vergütung bzw. Aufwendungsersatz für die von ihm ermittelten Informationen verlangen kann.
I. Meinungsstand Wie so oft bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, werden auch hier unterschiedliche Auffassungen vertreten, wenn auch konstatiert werden muss, dass die überwiegende Meinung im Ergebnis jegliche Ansprüche aus den §§ 677 ff. ablehnt. In seiner Grundsatzentscheidung im Jahr 1999 sprach sich der BGH gegen diese Ansprüche aus195. Zwar sei nicht auszuschließen, dass es sich bei der Tätigkeit des Erbensuchers um ein auch-fremdes Geschäft handele196, dennoch seien die §§ 677 ff. aus abstrakt-generellen Erwägungen nicht anzuwenden. Der Erbensucher verschaffe sich durch seine Ermittlungstätigkeit das Material, das er dem Erben gegen Entgelt „verkaufen“ möchte197. Es handele sich demnach um eigene Aufwendungen im Vorfeld eines Vertragsschlusses, die nach Regeln des Privatrechts unvergütet bleiben müssen, da jede Seite das Risiko des Scheiterns der Vertragsverhandlungen trage198. Dies sei der Ausdruck der im Privatrecht angelegten und auf die Privatautonomie zurückzuführenden Risikoverteilung, die durch die Gewährung von Aufwendungsersatzansprüchen aus §§ 677, 683 S. 1, 670 unterlaufen werde199. Demnach kommen die §§ 677 ff. nicht zur Anwendung. Das Ergebnis könne auch nicht anders sein, da der Erbe bei Bemühen mehrerer Erbensucher mehrfach den Aufwendungsersatzansprüchen ausgesetzt wäre200. Seine Rechtsprechung bestätigte der BGH in den Jahren 2006201 und 2016202. Vor der Grundsatzentscheidung des BGH lehnte bereits das OLG Frankfurt die Anwendung der §§ 677 ff. mit der Begründung eines fehlenden objektiv fremden Geschäfts ab203. Andere bezweifelten das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens204. Dritte befürworten die Ablehnung der §§ 677 ff., plädieren jedoch dann für ihre Anwendung, wenn das öffentliche Interesse nach § 679 erfüllt ist. Die Vertragsfreiheit müsse hinter 195 196
BGH NJW 2000, 72 = JZ 2000, 521. BGH NJW 2000, 72. 197 BGH NJW 2000, 72, 73. 198 BGH NJW 2000, 72, 73. 199 BGH NJW 2000, 72, 73. 200 BGH NJW 2000, 72, 73. 201 BGH NJW‑RR 2006, 656. 202 BGH NJW‑RR 2016, 842, 843 Rn. 17. 203 OLG Frankfurt, Bschl. v. 11. 09. 1997 – 13 W 38/98, OLGR Frankfurt 1998, 375. 204 Schulze, JZ 2000, 523, 524; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 205.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
das öffentliche Interesse treten205. Manche lehnen den Übernahmewillen nach § 683 S. 1 ab. Der Erbe habe mit der Ablehnung des Vertrages einen entgegenstehenden Willen geäußert206. Das OLG Celle befürwortete dagegen den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670, beschränkt auf die übliche Vergütung der Erbensuchertätigkeit207. Auch der österreichische Oberste Gerichtshof208 sowie der französische Cour de Poitiers209 gewähren einen Aufwendungsersatzanspruch aus den zur negotiorum gestio einschlägigen Vorschriften ihrer Rechtsordnungen. Im deutschen Recht sprach sich neben dem OLG Celle neuerdings Dornis für die Anwendung der §§ 677 ff. aus210. Die überwiegende Lehre folgte dagegen dem BGH211, wenn auch zum Teil seine Begründung als misslungen beurteilt wurde212.
II. Stellungnahme 1. Fremdes Geschäft und Fremdgeschäftsführungswille Der Erbensucherfall zeigt, wie vielfältig die Begründungen sein können, wenn es darum geht, die echte Geschäftsführung ohne Auftrag abzulehnen. Jedenfalls nicht überzeugend ist die Ablehnung aufgrund des fehlenden objektiv fremden Geschäfts oder des Fremdgeschäftsführungswillens. Das fremde Geschäft ist kein Tatbestandsmerkmal der obligationsbegründenden Norm nach § 677 HS. 1213. Die Diskussion um den Fremdgeschäftsführungswillen ist müßig. Es versteht sich, dass der Erbensucher primär seine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen wird. Dies steht jedoch der Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens nicht entgegen. Vielmehr ist sein eigenes wirtschaftliches Interesse untrennbar mit der Interessenwahrnehmung für den Erben verbunden. Käme es zu einem Vertrag zwischen dem Erbensucher und dem Erben, wäre der Erstere dem Letzteren zur Interessenwahrung verpflichtet, da es sich beim Erbenermittlervertrag um einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 handelt214. Nichts anderes kann in der Phase vor dem Zustandekommen bzw. vor dem Scheitern des Zustandekommens des Vertrages gelten. Insoweit spricht vieles dafür, einen Fremdgeschäftsführungswillen stets anzunehmen. 205
Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 79. Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 683, Rn. 21, Fn. 65. OLG Celle, Urt. v. 11. 02. 1998 – 21 U 49/97, BeckRS 1998, 30885710. 208 OGH, Bschl. 12. 07. 2000 – 7 Ob 155/00w; dazu auch LG München BeckRS 2013, 11696. 209 Cour de Poitiers, Entscheidung v. 03. 10. 1907, D. P. 1908. 2. 332. 210 Dornis, JZ 2013, 592; Dornis, ZJS 2013, 216, 218 f. 211 Schulze, JZ 2000, 523; Falk, JuS 2003, 833, 838 f.; Emmerich, JuS 2000, 603 f.; Hau, NJW 2001, 2863, 284. 212 Ehmann LM § 677 BGB Nr. 40. 213 Kapitel 5, G., II., S. 244 ff. 214 BGH NJW‑RR 2016, 842, 843 Rn. 16. 206 207
G. Erbensucherfälle
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2. Schwächen des BGH‑Weges Der Begründungsstrang des BGH ist verständlich. In der Tat wäre die negative Vertragsfreiheit, zu der insb. die negative Abschlussfreiheit zählt, betroffen, wenn hier eine echte Geschäftsführung ohne Auftrag zur Anwendung gelänge. Es käme einem Kontrahierungszwang gleich, wenn der Erbe den Vertragsabschluss ablehnt und dennoch mit Aufwendungsersatzansprüchen nach §§ 677, 683 S. 1, 670 konfrontiert wird. Dennoch muss dieser Auffassung entgegengehalten werden, dass eine konstante Linie zwischen den Fällen in denen die negative Vertragsfreiheit verletzt ist, und denen, wo sie nicht verletzt ist, nicht zu erkennen ist. Das trägt zur Rechtsunsicherheit bei, was allen Lösungen, die die Anwendbarkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag als Vorfrage aufstellen, gemein ist. Eine tatbestandliche Lösung hat diese Probleme nicht215. Außerdem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass das Institut der echten Geschäftsführung ohne Auftrag durchaus dazu dienen kann, gerade den hier befürchteten Kontrahierungszwang zu beseitigen. Darauf wies Köndgen216 hin. Will etwa der Geschäftsherr einen Vertrag schließen und steht ihm nur ein möglicher Vertragspartner zur Seite, der aufgrund seiner Monopolstellung höhere Preise durchsetzen kann, so hilft insbesondere die echte Geschäftsführung ohne Auftrag mit der Beschränkung des Aufwendungsersatzanspruches nach §§ 677, 683 S. 1, 670 auf die erforderlichen Aufwendungen, diesen Missbrauch zu verhindern. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag stellt in diesem Zusammenhang ein milderes und freiheitsfreundlicheres Mittel dar. Beim Erbensucherfall steht dem Erben nicht nur ein Erbensucher als Vertragspartner zur Auswahl. Ihm können viele zur Auswahl stehen. Außerdem kann er selbst nach der Erbschaft suchen. Dennoch sollte klar sein, dass dem Erbensucher, so die §§ 677 ff. zur Anwendung gelängen, nur ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 auf die erforderlichen Aufwendungen zustünde. Insoweit ist die befürchtete „Vertragsfalle“217 durchaus entschärft.
3. Lösung nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie Die Situation dieser Fallgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass der Erbe, wüsste er von der möglichen Erbschaft, mehrere Wege gehen könnte, um an sein Erbe zu kommen. Er kann (1) die Erbschaft selbst ausfindig machen, oder (2) er kann die Ermittlung der Informationen einem anderen übertragen. (3) Schließlich kann er die Ermittlung der Erbschaft auch unterlassen. Die Schwierigkeit der Erbensucherfälle besteht freilich darin, dass der Erbe von seiner potentiellen Erbschaft keine Kenntnis hat. Ein wirklicher Wille des Geschäftsherrn bzgl. der 215
So befürwortet auch Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 129 eine tatbestandliche Lösung. 216 Köndgen, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 371, 383. 217 Emmerich, JuS 2000, 603, 604.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
Geschäftsführung kann zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Übernahme nicht festgestellt werden, da dieser Wille notwendigerweise, neben dem voluntativen Element zur Ermittlung der notwendigen Erbschaftsinformation, das kognitive Element von der potentiellen Erbschaftsposition voraussetzt. Insoweit trägt auch die Auffassung keine Früchte, die einen entgegenstehenden Übernahmewillen des Geschäftsherrn daraus ableitet, dass der Erbe, nachdem ihm der Erbensucher über eine potentielle Erbschaft informiert, den Vertragsschluss ablehnt218. Dies ist ein ganz anderer Fall.
a) Abstrakte Interessengemäßheit der Tätigkeit Da der subjektive Wille fehlt, muss auf das mutmaßliche Interesse des Geschäftsherrn abgestellt werden. Hier beginnen erst die Schwierigkeiten. Die entscheidende Frage ist, was der Erbe täte, wenn er von der potentiellen Erbschaft wüsste. Es kann vorgetragen werden, dass der Erbe die Ermittlungstätigkeit des Erbensuchers ablehnen würde, wenn das Erbe überschuldet ist. Freilich kommen in der Praxis (bislang) keine Fälle vor, in denen der Erbensucher, ohne dass er etwa vom Nachlassgericht beauftragt wird, nach einem Erben einer überschuldeten Erbschaft sucht, da sich sein Honorar prozentual nach dem positiven Nachlass richtet. Hier besteht kein wirtschaftliches Interesse des Erbensuchers, sodass sich die Frage kaum stellt. Geht man von dem kaum in der Praxis vorstellbaren Fall der Suche nach dem Erben einer überschuldeten Erbschaft aus, so kann auch hier das Geschäftsherrninteresse nicht abgelehnt werden. Zu dem Zeitpunkt, in dem der Geschäftsherr über die Aufnahme oder Ablehnung einer Ermittlungstätigkeit entscheiden würde, weiß der Erbe in der Regel nicht, ob seine Erbschaft eine positive oder eine negative Bilanz aufweist. Dennoch liegt die Ermittlungstätigkeit in seinem Interesse, da er entweder gewinnen oder jedenfalls nichts verlieren kann. Weist die Erbschaft eine positive Bilanz aus, so lohnte sich die Ermittlungstätigkeit. Weist die Erbschaft eine negative Bilanz aus, so kann die Erbschaft ausgeschlagen werden (§§ 1943–1945). Dem Erben drohen keine finanziellen Nachteile. Das dem Erbensucher zustehende Honorar kann dabei nicht berücksichtigt werden, denn es wird nach dem Willen bzgl. des Ergebnisses der Geschäftsführung und nicht hinsichtlich der aus den §§ 677 ff. resultierenden Aufwendungsersatzpflichten gefragt219. Richtigerweise dürfen die §§ 677 ff. nicht bloß aus dem Grund scheitern, weil dem Geschäftsherrn die Kosten unerwünscht sind. Vorstellbar ist freilich auch, dass der Erbe selbst bei einer negativen Bilanz die Erbschaft annehmen wird, weil etwa die Erbschaftsgegenstände für ihn einen ideellen Wert haben, der den finanziellen Schaden überwiegt. Bei allen Varianten besteht das Interesse des Geschäftsherrn eine Klarheit über die Erbschaft herbeizuführen und sodann womöglich 218 219
Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 683, Rn. 21, Fn. 65. Lorenz, NJW 2009, 1025, 1027; Janssen, NJW 1995, 624 f. bzgl. der Abschleppfälle.
G. Erbensucherfälle
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die Erbschaft anzunehmen. In der Terminologie der zweigliedrigen subjektiven Theorie besteht demnach das Interesse des Geschäftsherrn am Ergebnis der Geschäftsführung – Klarheit über die Erbschaft. So überraschend es auch klingen mag, besteht beim Erbensucherfall das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn.
b) Konkrete Interessenwidrigkeit der Tätigkeit Nun kommen wir zum Kern der Debatte. Für das konkrete Interesse nach § 683 S. 1 ist entscheidend, ob die die Übernahme der Geschäftsführung konstituierenden Aspekte ebenso dem Willen oder dem mutmaßlichen Interesse des Geschäftsherrn entsprechen. Zu diesen Aspekten gehört insbesondere die Frage, ob der Geschäftsherr die Geschäftsführung überhaupt einem anderen überließe220 oder ob er selbst tätig geworden wäre. Dabei ist vorweg zu sagen, dass die rechtsgeschäftliche Beauftragung eines Erbensuchers ebenso ein Tätigwerden des Geschäftsherrn ist. Seine Eigengeschäftsführung ist in der Abgabe einer Willenserklärung zu sehen. Die Differenzierung zwischen dem abstrakten und dem konkreten Interesse macht es möglich, das Problem des Erbensucherfalls zu erfassen. Es fehlt nicht das Interesse, Klarheit über die Erbschaft (Ergebnis der Geschäftsführung) zu verschaffen. Das Problem besteht vielmehr darin, dass der Erbensucher die Ermittlungstätigkeit „an sich gerissen“ hat. Der Geschäftsherr würde nach seinem mutmaßlichen Willen es nicht aus der Hand geben wollen, selbst Klarheit über sein Erbe zu erlangen. Insoweit besteht zwar das abstrakte, jedoch nicht das konkrete Interesse an der Geschäftsführung des Erbensuchers. Es handelt sich demnach um eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, sodass sich der Anspruch des Erbensuchers auf die beim Geschäftsherrn vorhandene Bereicherung nach §§ 684 S. 1, 818 ff. beschränkt. Dieser Anspruch umfasst selbstverständlich nicht den Nachlass, denn dieser gehörte dem Erben bereits vor der Tätigkeit des Erbensuchers. Vielmehr erlangt der Erbe den Wert der Erbensuchertätigkeit. Ihm könnte jedoch die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 drohen. Dies ist der Preis für die konkret-interessenwidrige Tätigkeit der Erbensucher. Dieses Ergebnis korrespondiert mit den Zwecken des Erbrechts. Zu Recht weist Dornis darauf hin, dass zu den Zielen des Erbrechts u. a. die Erhaltung des wirtschaftlichen und ideellen Zusammenhangs von Vermögen und Familie gehört221. Der Erbensucher fungiert in diesem Zusammenhang als Unterstützer bei der Verwirklichung dieses Ziels. Vergegenwärtigt man sich die Situation des Erben, so muss tatsächlich konstatiert werden, dass ohne die Tätigkeit des Erbensuchers der Erbe vielfach über den ihm zustehenden Nachlass nicht verfügen wird, was seinerseits dem Interesse des Erblassers widerspricht. Zwar er220 221
Kapitel 5, F., II., 2., S. 129. Dornis, JZ 2013, 592, 597.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
füllt diese Tätigkeit nicht das qualifizierte öffentliche Interesse, doch ist zusammen mit Falk zu erkennen, dass die Erbensucher durchaus eine sozial wertvolle Arbeit leisten und damit ein legitimes Schutzbedürfnis besteht222. Aus diesem Grunde kann dem Anspruch des Erbensuchers nach §§ 684, 818 ff. auch § 241a nicht entgegenstehen. Danach wird ein Anspruch des Unternehmers gegen den Verbraucher nicht begründet, wenn der Unternehmer u. a. Leistungen erbringt, die der Verbraucher nicht bestellt hat. Insoweit kann der Erbensucherfall grammatikalisch durchaus unter § 241a subsumiert werden. Der Erbensucher wird nämlich gewerblich tätig; der Erbe ist meistens Verbraucher und die Erbensuche ist nicht vom Erben bestellt. Dem Ausschluss des Anspruchs nach § 684, 818 ff. durch § 241a steht indes das telos des Letzteren entgegen. Dieses soll aggressive Geschäftspraktiken verhindern223. Es muss sich bei der unbestellten Leistung um eine unzulässige geschäftliche Handlung i. S. v. § 3 Abs. 1 UWG handeln224. Der § 241a geht nämlich auf Art. 27 der Verbraucherrechterichtlinie225 zurück, der seinerseits auf Art. 5 Abs. 5, Anhang I Nr. 29 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken226 verweist. Der unbestellten Leistung muss demnach eine spezifische Wettbewerbswidrigkeit227 anhaften, um die aus § 241a resultierenden Sanktionen auszulösen. Diese ist durch Belästigungen, Zwänge und sonstigen Manipulationen der Entscheidungsfindung des Verbrauchers gekennzeichnet228. Sind diese Gesichtspunkte nicht gegeben, ist die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers nicht begründet229. Übertragen auf den Erbensucher muss dagegen konstatiert werden, dass eine solche sozial wertvolle Aufgabe wie die Erbensuche nicht als eine unzulässige Geschäftspraxis qualifiziert werden kann. Sie verbindet vielmehr den Erben mit seiner Erbschaft, unterstützt also die Erreichung jenes Zustandes, den das Erbrecht bezweckt und den der Erblasser regelmäßig wünscht. Insoweit ist der in der Literatur vorgeschlagenen teleologischen Reduktion230 des § 241a beizupflichten. § 241a kann nur dann die gesetzlichen Ansprüche ausschließen, wenn eine aggressive, wettbewerbswidrige Geschäftspraxis vorliegt. Diese ist bei Erbensuchertätigkeit indes nicht gegeben. Dies ist bereits deshalb so, weil der Er222
Falk, JuS 2003, 833, 838. Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 206. Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 206. 225 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011, Abl. EU Nr. L 304/64. 226 Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005, Abl. EG Nr. L 149/22. 227 Olzen, in: Staudinger, BGB, 2015, § 241a, Rn. 41. 228 Dornis, ZJS 2013, 216, 224; ders., JZ 2013, 592, 595. 229 Olzen, in: Staudinger, BGB, 2015, § 241a, Rn. 41. 230 Olzen, in: Staudinger, BGB, 2015, § 241a, Rn. 41; Fritzsche, in: BeckOGK, BGB, 15. 02. 2018, § 241a, Rn. 80 und Rn. 42; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 2016; Hau, NJW 2001, 2863, 2865, wobei er ebenso die Unternehmereigenschaft akzentuiert; Finkenauer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 241a, Rn. 30. 223 224
H. Unechte Gesamtschuld
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bensucher bei Aufnahme der Ermittlungstätigkeit zum einen nicht weiß, ob er den Erben überhaupt findet. Zum anderen weiß er nicht mit welchen konkreten Erben er später, so er diese ausfindig macht, Vertragsverhandlungen aufnehmen wird231. Eine Konkurrenzsituation, die den Fällen des § 241a anhaftet, ist bei der Erbensuche gar nicht gegeben232. Handelt es sich bei der Geschäftsführung außerhalb der Erbensucherfälle dagegen um wettbewerbswidrige Geschäftsführungen, wird nach der hier vertretenen zweigliedrigen subjektiven Theorie in der Regel ohnehin das abstrakte Geschäftsherrninteresse fehlen. Eine aufdrängende Leistung des Geschäftsführers widerspricht dem Geschäftsherrnwillen. Die §§ 677 ff. wären demnach nicht ausgelöst. Ist in solchen Fällen ausnahmsweise das abstrakte Geschäftsherrninteresse gegeben, so verhilft die teleologische Auslegung des § 241a zum Ausschluss jeglicher Ansprüche aus §§ 677 ff.
III. Ergebnis Bei der auftragslosen Tätigkeit eines Erbensuchers handelt es sich nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie um eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Dem Erbensucher steht ein Anspruch aus §§ 677, 684 S. 1, 818 ff. zu.
H. Unechte Gesamtschuld I. Meinungsstand Sehr umstritten sind auch die Fälle der unechten Gesamtschuld. Sie kommen insbesondere bei Unterhaltspflichtigen in Betracht. Dieser erbringt gegenüber dem Geschädigten, der zugleich Unterhaltsberechtigter ist, Leistungen zur Beseitigung des durch den Schädiger entstandenen Schadens und verlangt nun Regress vom Letzteren. Eine direkte Anwendung des § 426 scheidet aus, da der Unterhaltsverpflichtete und der Schädiger nicht gleichrangig haften. Die Gleichrangigkeit zählt zum wesentlichen Merkmal der Gesamtschuld nach § 421233. Das wird auch aus der Vorschrift des § 843 Abs. 4 deutlich, nach der der deliktsrechtliche Anspruch nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat234. Teilweise wird eine analoge Anwendung des § 426 befürwortet. Die Rechtsprechung brachte dagegen seit der berühmten Dombrand-Entscheidung des RG die §§ 677 ff. zur Anwen231
Dornis, ZJS 2013, 216, 218 f. Dornis, ZJS 2013, 216, 224; ders., JZ 2013, 592, 596. 233 Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 421, Rn. 8; Kreße, in: BeckOGK, BGB, 01. 09. 2018, § 421, Rn. 40; Bydlinski, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 421, Rn. 12. 234 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 275. 232
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
dung235. Andere lehnten die Ansprüche aus §§ 677 ff. ab, weil der Unterhaltsberechtigte aufgrund des § 843 Abs. 4 seinen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger behalte, der Unterhaltsverpflichtete demnach kein Geschäft des Schädigers, sondern sein aus der Unterhaltsverpflichtung resultierendes Geschäft führe236. Der Unterhaltsverpflichtete könne den Schädiger sodann entweder aufgrund der Legalzession, etwa nach § 86 VVG oder nach § 116 SGB X, in Anspruch nehmen237. Subsidiär kommt auch ein Anspruch aus § 255 aus der Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Unterhaltsberechtigten an den Unterhaltsverpflichteten, ggf. entsprechend, zur Anwendung238. Dritte lehnen den Fremdgeschäftsführungswillen ab239.
II. Stellungnahme Überwiegend ist man sich einig240, dass die Schadensersatzverpflichtung nicht den Unterhaltsverpflichteten, sondern den Schädiger treffen soll. Er muss am Ende die Kosten aufgrund seiner verletzenden und schädigenden Handlung tragen. Zu Recht ist nicht nur die direkte, sondern auch die analoge Anwendung des § 426 abzulehnen. Für eine Analogie fehlt es aufgrund der fehlenden Gleichrangigkeit der Verpflichtungen, die ein ganz wesentliches Merkmal der Gesamtschuld nach § 421 darstellt, an einer vergleichbaren Interessenlage. Es gibt freilich auch keine Gesetzeslücke, da für den Ausgleich bei ungleichrangigen Schulden vielmehr die Vorschrift des § 255 maßgebend ist241. Die vorgeschlagenen Legalzessionen nach § 86 VVG und nach § 116 SGB X überzeugen zwar, sie haben jedoch ihren eigenen eingeschränkten Anwendungsbereich und können nicht auf alle möglichen Fälle angewandt werden.
1. Die nicht überzeugenden Begründungen zur Ablehnung der §§ 677 ff. Insoweit könnte die echte Geschäftsführung ohne Auftrag Abhilfe schaffen. Ihre Ablehnung aufgrund eines fehlenden fremden Geschäfts trägt keine Früch235
RGZ 82, 206, 215 ff.; OLG Koblenz NJW 1992, 2367 ff.; LG Köln MDR 1963, 677. RGZ 65, 162, 164; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 62; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 16; Esser/Weyers, Schuldrecht BT, Band II, Teilb. 2, 8. Aufl., 2000, § 46 II 2. 237 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 62. 238 Giesen, Jura 1996, 225, 232; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl., 2006, Rn. 1266; Esser/Weyers, Schuldrecht BT, Band II, Teilb. 2, 8. Aufl., 2000, § 46 II 2d, S. 15; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., 2017, § 8, Rn. 17; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 677, Rn. 62; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., 2012, § 677, Rn. 16; auch Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 116. 239 OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368. 240 Esser/Weyers, Schuldrecht BT, Band II, Teilb. 2, 8. Aufl., 2000, § 46 II 2d, S. 15; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 275. 241 Röver, in: BeckOGK, BGB, 01. 04. 2018, § 255, Rn. 14. 236
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te, da die obligationsbegründende Norm nach § 677 HS. 1 ein solches Merkmal nicht verlangt242. Vielmehr sind nach der Auffassung der 1. und der 2. Kommission objektiv eigene sowie objektiv neutrale Geschäfte von der echten Geschäftsführung ohne Auftrag umfasst, so sich ein Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers manifestiert hat. Die Ablehnung des Fremdgeschäftsführungswillens vermag auch nicht zu überzeugen. Zwar wird der Geschäftsführer primär seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommen wollen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass er auch für den Schädiger handelt. Der Wille, für einen anderen das Geschäft zu führen, muss dabei bloß mitvorhanden sein. Auch hier zeigt sich, dass die Merkmale des fremden Geschäfts und des Fremdgeschäftsführungswillens keine tragfähige Abgrenzung anbieten können.
2. Verbannung der Fälle der unechten Gesamtschuld aus dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag Die hier vertretene zweigliedrige subjektive Theorie vermag auch bei dieser Fallgruppe eine überzeugende Handhabung bereitzustellen. Die Leistungen des Unterhaltsverpflichteten an den Unterhaltsberechtigten zur Beseitigung des bereits entstandenen Schadens vermögen den Schadensersatzanspruch des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Schädiger nicht zu tilgen. Nach § 843 Abs. 4 wird dieser Schadensersatzanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat und diesen auch gewährt. Das Ergebnis dieser Geschäftsführung besteht folglich darin, dass die Schadensersatzschuld des Schädigers gegenüber dem Unterhaltsberechtigten stets bestehen bleibt. Dabei kann keine einzige Geschäftsbesorgungsvariante zur Tilgung der Schadensersatzschuld führen. Es gibt demnach bereits keine zwar konkretinteressenwidrigen Geschäftsbesorgungsvarianten, die als solche dem Übernahmewillen des Geschäftsherrn nach § 683 S. 1 nicht entsprechen, die jedoch mindestens abstrakt-interessengemäß sein könnten. Ausnahmslos alle dahingehenden Geschäftsführungen des Unterhaltsverpflichteten sind aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 843 Abs. 4 nicht schuldtilgend und damit interessenwidrig. Insoweit fehlt bereits das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn an der Geschäftsführung. Eine Geschäftsbesorgung, die rechtlich nicht zur Tilgung einer Schuld führen kann, würde der Geschäftsherr selbst nicht vornehmen. Es wäre eine unangemessene Einmischung in fremde Angelegenheiten. Die Anwendung der §§ 677 ff. in diesen Fällen wäre auch sinnwidrig. So ist es nicht nachzuvollziehen, warum der Unterhaltsverpflichtete nach § 681 S. 1 dem Schädiger die, ohnehin dem Letzteren nichts einbringende, Geschäftsbesorgung anzeigen und seine Entscheidung abwarten soll. Die Anzeige- und Wartepflicht kollidiert ohnehin mit der Unterhaltspflicht des Ersteren, die ihm 242
Kapitel 5, G., II., 244 ff.
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Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
auferlegt, alles Erforderliche zur Beseitigung des Schadens rechtzeitig vorzunehmen, ohne dass es dafür einer Zustimmung seitens des Schädigers bedarf. Nicht verständlich wäre auch die Anwendung der §§ 681 S. 2, 666, wonach der Geschäftsführer zur Auskunft, Benachrichtigung und Rechenschaft gegenüber dem Schädiger verpflichtet wäre. Diese schuldet der Unterhaltsverpflichtete vielmehr dem Geschädigten. Auch der § 679 verhilft in diesen Fällen nicht zur Begründung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag243. Dies ist bereits deshalb so, weil in den hier in Frage stehenden Fällen keine Gefahr der Nicht- oder nicht rechtzeitigen Erfüllung der Unterhaltspflichten oder der im öffentlichen Interesse liegenden Pflichten droht. Wird die Geschäftsführung durch den Schädiger nicht vorgenommen, so droht sie nicht, weil sie vom Unterhaltsverpflichteten vorgenommen wird, und umgekehrt. Eine Gefahr droht nur dann, wenn beide nicht zur Geschäftsbesorgung bereit sind, und ein Dritter für sie das Geschäft ausführt. Dies ist freilich ein möglicher Fall der Tilgung fremder Schulden.
3. § 255 und Legalzessionen als einschlägige Regelungen Der Ausgleich ist nach den bereits genannten Legalzessionen, so diese eingreifen, vorzunehmen. Außerhalb ihrer Anwendungsbereiche gilt es den § 255 heranzuziehen. Dies ist auch mit seinen Normzwecken vollkommen vereinbar, um nicht zu sagen, dieser wurde gerade für solche Fallgestaltungen geschaffen. Nach der ganz herrschenden Ausgleichstheorie244 soll durch § 255 ein doppelter Ausgleich des Geschädigten vermieden werden245. § 255 ist damit der Ausdruck des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots246. Die Gefahr der doppelten Bereicherung droht freilich nur dann, wenn der eine seiner Schuld nachkommende Schuldner die mit seiner Schuld inhaltlich korrespondierende Schuld des anderen Schuldners nicht zu tilgen vermag. Sonst gäbe es nach § 255 nichts abzutreten. Zu solchen Fallgestaltungen zählen insbesondere die nicht gleichrangigen Schulden. Es gibt demnach einen Schuldner, der dem Gläubiger „näher steht“, und denjenigen, der ihm „ferner steht“247. 243 Im Ergebnis auch Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 276. 244 Dieser Theorie steht die Liquidationstheorie entgegen, die den Zweck des § 255 darin
erblickt, dem Eigentümer das Liquidationsrisiko der aus dem Eigentum resultierenden Herausgabeansprüche abzunehmen, sodass die Sache oder ihr Surrogat noch vorhanden sein muss (Goette, VersR 1974, 526; auch Stamm, ZfBR 2007, 107, 108 ff. sieht einen engeren Anwendungsbereich des § 255). Berechtigterweise wird ihr entgegengehalten, dass der Wortlaut des § 255 sich nicht auf Herausgabeansprüche beschränkt, sondern abtretbare Ansprüche erfasst, Röver, in: BeckOGK, BGB, 01. 04. 2018, § 255, Rn. 26. 245 BGHZ 59, 97, 102; Röver, in: BeckOGK, BGB, 01. 04. 2018, § 255, Rn. 14; Lorenz, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 255, Rn. 1; Oetker, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 255, Rn. 1; Bittner, in: Staudinger, BGB, 2014, § 255, Rn. 4. 246 BGHZ 60, 358; Röver, in: BeckOGK, BGB, 01. 04. 2018, § 255, Rn. 14. 247 Röver, in: BeckOGK, BGB, 01. 04. 2018, § 255, Rn. 14.
I. Gefälligkeiten und die Geschäftsführung ohne Auftrag
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Der Kreis der vom § 255 erfassten Ansprüche ist weit. Zu solchen zählen der Verlust einer Sache aus dem Eigentums- oder Besitzrecht, aber auch aus dinglichen, schuldrechtlichen und sonstigen Rechten248. Neben dem Verlust einer Sache (Alt. 1) ist § 255 auch dann erfüllt, wenn es zu einem Rechtsverlust (Alt. 2) gekommen ist. Dabei erfüllen auch hier dingliche, schuldrechtliche und sonstige Rechte (Persönlichkeitsrechte, Immaterialgüterrechte) den Tatbestand des § 255. Unter dem „Verlust“ ist indes nicht nur eine völlige Zerstörung oder seine völlige Vernichtung, sondern auch seine Beschädigung oder vorübergehende Entwertung zu verstehen249. Insofern erfasst § 255 alle möglichen Störungen. Tatbestandlich droht folglich regelmäßig keine Gefahr, dass die hier in Frage stehenden Fälle der unechten Gesamtschuld nicht von § 255 erfasst wären, zumal ohnehin berechtigterweise als Hilfsanker eine analoge Anwendung des § 255 befürwortet wird250.
III. Ergebnis Im Ergebnis vermag die zweigliedrige subjektive Theorie die in keiner Weise im Interesse des Schädigers stehenden Geschäftsführungen aus dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zu eliminieren. Dadurch wird der Abwehrfunktion der §§ 677 ff. genüge getan. Unangemessene Einmischungen in fremde Angelegenheiten werden auf diesem Wege vermieden.
I. Gefälligkeiten und die Geschäftsführung ohne Auftrag Die Frage, ob Gefälligkeiten dem Tatbestand der §§ 677 ff. unterliegen, ist in der Literatur und Rechtsprechung wenig geklärt. Positionierungen gibt es dennoch. Nach der einen Auffassung unterfallen soziale Rechtsverhältnisse von vornherein nicht den rechtlichen Regelungen, damit weder einem rechtsgeschäftlichen noch einem gesetzlichen Schuldverhältnis (objektive Theorie)251. Nach der für die Abgrenzung zwischen einem Vertrag und einer Gefälligkeit herrschenden subjektiven Theorie soll es auf den Willen des/der Handelnden ankommen252. Diese Abgrenzung vollzieht sich zwischen Rechtsgeschäft und Gefälligkeit und kann nicht ohne Weiteres auf die Geschäftsführung ohne Auf248
Röver, in: BeckOGK, BGB, 01. 04. 2018, § 255, Rn. 27. BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 255, Rn. 5, 6.
249 Lorenz, in: 250 Fn. 236.
251 Ausführlich
Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 111 m. w. N. 252 Ausführlich Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 111 m. w. N.
360
Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
trag übertragen werden. Da der Rechtsbindungswille freilich normativiert wird und kaum Unterschiede zur objektiven Theorie festzustellen sind, plädieren manche dafür, diese Abgrenzung auch auf die §§ 677 ff. zu übertragen253.
I. BGH NJW 2015, 2880 und Meinungsstand Anlass für eine eingehendere Auseinandersetzung mit dieser Fallgruppe gibt nun ein aktuelles Urteil des BGH254. Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde. Die Großmutter fuhr ihre Enkelin, die in einer Mädchen-Fußballmannschaft spielt, zu einer Hallenkreismeisterschaft, an der ihre Enkelin teilnehmen sollte. Die Enkelin war kein Vereinsmitglied und gehörte auch nicht zu den „offiziell eingesetzten“ Helfern. Auf der Fahrt verunfallte die Großmutter und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Sie nimmt nun den Fußballverein in Anspruch. Der BGH lehnte ein Auftragsverhältnis aufgrund vorliegender reiner Gefälligkeit ab. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, sei ein Unterschied zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. und der außerrechtlichen Gefälligkeit ohne Auftrag zu machen255. Dabei erfolge die Abgrenzung u. a. nach der Art der Tätigkeit, ihrem Grund und Zweck, ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den Geschäftsherrn, der Umstände, in denen die Tätigkeit erbracht wird, und der Interessenlage der Parteien. Daraus folgert der BGH, dass Gefälligkeiten des täglichen Lebens den Tatbestand der §§ 677 ff. nicht erfüllen können256. Dabei ließ er den Streit zwischen der objektiven und subjektiven Theorie offen. Offen ließ er auch die Frage, ob hier überhaupt ein fremdes Geschäft und Fremdgeschäftsführungswille vorliegt. Der Entscheidung des BGH wurde im Ergebnis zugestimmt257, wenn auch Kritik in Bezug auf seine Begründung aufkam258. Manche lehnten den Fremdgeschäftsführungswillen ab259. Andere führten das Verhältnis zwischen Auftrag und Geschäftsführung ohne Auftrag an und verwiesen, wie der BGH, auf die entstehenden Wertungswidersprüche260. Staake erinnerte daran, dass die §§ 677 ff. neben den Fällen, in denen die Parteien sich rechtsgeschäftlich einigen können, auch solche Fälle umfassen, in denen eine solche Einigung unterbleibt261. Im Rahmen von Gefälligkeiten seien jedoch auch rechtlich erhebliche 253 254
Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 111. BGH, Urt. v. 23. 07. 2015 – III ZR 346/14, NJW 2015, 2880. 255 BGH NJW 2015, 2880. 256 BGH NJW 2015, 2880. 257 Bergmann, LMK 2015, 373131; Mäsch, JuS 2016, 70; Singbartl/Zintl, NJW 2015, 2881 f.; Niesler, jM 2016, 103; Krüger/Saberzadeh, npoR 2016, 23–24, 24. 258 Staake, Jura 2016, 651, 654 ff. 259 Singbartl/Zintl, NJW 2015, 2881, 2882; Staake, Jura 2016, 651, 656. 260 Mäsch, JuS 2016, 70, 71; Bergmann, LMK 2015, 373131. 261 Staake, Jura 2016, 651, 654.
I. Gefälligkeiten und die Geschäftsführung ohne Auftrag
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Abreden möglich262. Vielmehr liege in dem vom BGH entschiedenen Fall ein konkludenter Verzicht der Großmutter auf Aufwendungsersatzansprüche gegen die Eltern vor, während gegenüber dem Fußballverein es an einem Fremdgeschäftsführungswillen fehle263. Ein Erfolgsrezept scheint hier dennoch insgesamt nicht gefunden zu sein.
II. Stellungnahme Es erstaunt, dass bei den vorhandenen Positionen nicht erwogen wurde, auf die Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag zu rekurrieren. Bei dieser handelt es sich nach der überzeugenden und überwiegenden Auffassung um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung264. Diese Rechtsnatur ist historisch begründet265. Sie entspricht freilich auch der Definition der rechtsgeschäftsähnlichen Handlung. Mit der Ausführung des Geschäfts intendiert der Geschäftsführer zwar nicht die Auslösung der Rechtsfolgen nach §§ 677 ff. Es handelt sich eben nicht um eine Willenserklärung. Andererseits ist die Übernahme der Geschäftsführung durch den Geschäftsführer ebensowenig als ein bloßer Realakt anzusehen. Durch den für § 677 HS. 1 erforderlichen Fremdgeschäftsführungnswillen bringt der Geschäftsführer zum Ausdruck, dass er im Rechtsbereich des Geschäftsherrn tätig sein möchte. Er bewegt sich demnach auf einem Terrain der Vorstellungswelt des Geschäftsherrn, in dem sein Eingriff in fremde Angelegenheiten entweder als eine willkommene Hilfeleistung für den Geschäftsherrn oder als eine unangemessene Einmischung und damit als eine Verletzung fremder Angelegenheiten gewertet werden kann. Bedenkt man, dass in vielen Fallkonstellationen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag der Geschäftsführer den Geschäftsherrn gar nicht kennt, somit auch nur spärlich die Bedürfnisse des Geschäftsherrn einschätzen kann, wird das Bewusstsein um die genannten Antipoden noch eindringlicher. Abhängig von dieser Frage, die dem Geschäftsführer zumindest kognitiv aufscheint, werden auch die Rechtsfolgen, die sich der Geschäftsführer nicht im Einzelnen und schon gar nicht in der minutiösen Detailliertheit vorstellen muss, abhängen. Dem Geschäftsführer wird jedoch bewusst, dass er im Falle der Verletzung fremder Angelegenheiten mit Nachteilen (§§ 677 HS. 1, 280 oder § 678), und im Falle der willkommenen Hilfeleistung mit Entschädigungen (ob dies Aufwendungen oder Schäden sind, §§ 683 S. 1, 670) zu rechnen hat. Dem Eingriff in fremde Angelegenheiten haftet demnach ein gewisses privatautonomes Element an266, das in den Geschäftsführungs262 263
Staake, Jura 2016, 651, 654 ff. Staake, Jura 2016, 651, 656. 264 Dazu Kapitel 5, I., S. 262 ff. 265 Dazu Kapitel 5, I., S. 263 ff. 266 In diese Richtung auch Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 495, indem dieser die Geschäftsführung ohne Auftrag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung begreift,
362
Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
willen des Geschäftsführers gegossen ist und welches auf der einen Seite erlaubt, einen rechtserheblichen Unterschied zu Realakten festzustellen, auf der anderen Seite diesen Eingriff nicht den Willenserklärungen gleichzustellen, somit die echte Geschäftsführung ohne Auftrag in der Mittelposition und ganz im Sinne der 1. und der 2. Kommission als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung einzustufen. Diese Überlegungen treffen auf reine Gefälligkeiten nicht zu. Der Handelnde befindet sich nicht in der Gefahr, die Geschäftsführung wider dem Willen des Geschäftsherrn auszuführen. Der Beförderung durch die Großmutter haftet demnach kein privatautonomes Element an. Sollte es zu Ungereimtheiten bei der Beförderung kommen, wäre freilich der Fußballverein nicht auf die Idee gekommen, Schadensersatzansprüche nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 oder nach § 678 zu stellen. Das Spannungsverhältnis zwischen unangemessener Einmischung in fremde Angelegenheiten und der willkommenen fremdnützigen Geschäftsbesorgung tritt hier gar nicht zu Tage und beweist, dass es sich um einen von rechtlichen Erwägungen losgelösten Fall handelt. Weil dieses Spannungsverhältnis fehlt, eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung demnach nicht vorliegt, können Gefälligkeiten aufgrund ihrer von der Rechtsordnung losgelösten Natur auch nicht Geschäftsbesorgungen nach §§ 677 ff. sein. Der Grund für ihren tatbestandlichen Ausschluss liegt demnach in der Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung.
J. Suizidfälle Auch die Suizidfälle beschäftigen die Diskussion um die Dogmatik der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Fallgestaltung ist folgende. Der Geschäftsherr versucht mit einem entsprechenden Suizidwillen einen Selbstmord zu begehen. Der Geschäftsführer leistet Hilfe, indem er etwa den Geschäftsherrn medizinisch versorgt, und verlangt sodann vom Geretteten Aufwendungsersatz. In dieser Fallgestaltung prallen zwei Interessen aufeinander. Zum einen der Wille des Geschäftsherrn aus dem Leben zu scheiden. Dieser Wille besteht entweder in der wirklichen oder mutmaßlichen Form zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung fort. Auf der anderen Seite das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung seines Lebens. Die Frage ist demnach, welchem Interesse Vorrang einzuräumen ist.
weil sich diese im Vergleich zur unechten Geschäftsführung ohne Auftrag dadurch unterscheide, dass die erstere eine Willen voraussetzt, ein fremdes Geschäft für einen anderen zu besorgen.
J. Suizidfälle
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I. Meinungsstand Grundsätzlich ist der Wille des Geschäftsherrn nach § 683 S. 1 zu beachten. Dieser Suizidwille ist auch nicht sittenwidrig, denn es gibt kein Sittengebot das eigene Leben zu behalten. Demnach widerspräche die Geschäftsführung dem Willen des Geschäftsherrn. Deshalb plädieren manche dafür, einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 zu versagen und den Geschäftsführer auf die §§ 684 S. 1, 818 ff. bzw. auf die deliktsrechtlichen Vorschriften zu verweisen267. Bei dieser echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag käme § 678, so ein Schaden festzustellen ist, mit seiner strengen Haftung zur Anwendung. Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, befürworten manche eine teleologische Reduktion, da der Geschäftsführer treuwidrig handele (§ 242), wenn er dem Retter die Rettung vorhalte268. Andere befürworten die Unbeachtlichkeit des Geschäftsherrnwillens nach der analogen Anwendung der §§ 134, 138269, dritte nach §§ 683 S. 2, 679 (analog)270. Schließlich wird im Falle fehlender Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn nach §§ 104 ff. vorgeschlagen, diese analog heranzuziehen271.
II. Lösung nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie Die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn sowie des Geschäftsführers sind keine Voraussetzungen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Die analoge Anwendung der §§ 104 ff. ist nicht überzeugend272. Für den Geschäftsführer wurde dies bereits dargelegt. Hier fehlt aufgrund der speziellen Vorschrift des § 682 bereits an der planwidrigen Regelungslücke273. Für die analoge Anwendung auf den Geschäftsherrn fehlt es ebenso an der planwidrigen Regelungslücke. In § 679 hat der Gesetzgeber die Vorschrift eingeführt, nach der der Wille 267 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 683, Rn. 20; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 679, Rn. 15 im Falle einer herausgeforderten gefährlichen Rettungshandlung. 268 Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 679, Rn. 15. 269 Zwar nicht auf die analoge Anwendung der §§ 134, 138 abstellend, dennoch soll der tatsächliche Wille unbeachtlich sein, wenn er sich als gesetzes- oder sittenwidrig erweise, Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 683, Rn. 23. Dennoch plädiert Thole für Zurückhaltung bei der Annahme des Verbotsgesetz- bzw. Sittengebotsverstoßes. 270 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 15 ff.; Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 679, Rn. 13; Beuthien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 679, Rn. 15. 271 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 683, Rn. 20; zwar nicht auf die analoge Anwendung der §§ 104 ff. abstellend, jedoch sei der Geschäftsherr im Falle der Geisteskrankheit zur freien Willensbildung außerstande, Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 679, Rn. 12. 272 Dazu Kapitel 5, J., S. 268 ff.; i. E. auch Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 16. 273 Kapitel 5, J., IV., S. 276 f.
364
Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
des Geschäftsherrn unbeachtlich ist. Außerdem helfen die §§ 104 ff. dann nicht, wenn ein volljähriger Geschäftsführer sich wohlüberlegt dazu entschließt, aus dem Leben zu scheiden. Die analoge Anwendung der §§ 134, 138 auf den Geschäftsherrn vermag in diesem Fall ebenso nicht zu überzeugen274. Der Suizident verstößt mit seinem Selbstmordversuch nicht gegen ein Verbotsgesetz und handelt auch nicht sittenwidrig275. Ein Willensentschluss kann bereits gegenständlich nicht sittenwidrig sein. Sittenwidrig können Handlungen bzw. Rechtgeschäfte sein, nicht dagegen psychische Interna. Außerdem äußerte sich die 2. Kommission gegen die Außerachtlassung des Geschäftsherrnwillens bei einer (bloß) sittlichen Pflicht276. Die Heranziehung der §§ 134, 138 in Bezug auf den Geschäftsherrnwillen ist freilich auch nicht erforderlich. Mit § 679 schuf der Gesetzgeber eine Regelung, in der er all jene Fälle umfasst wissen wollte, in denen der Geschäftsherr mit seinem Willen „zu weit geht“. Dabei ist ein öffentliches Interesse i. S. v. § 679 nicht nur dann begründet, wenn der Geschäftsführer gewichtige Allgemeininteressen entgegenstehen, sondern insbesondere dann, wenn Individualinteressen des Geschäftsherrn betroffen sind. Zum solchen qualifizierten Interesse gehört insb. die Rettung der für unsere Rechtsordnung so bedeutenden Rechtsgütern wie Leben und körperliche Unversehrtheit. Der Suizidwille ist folglich nach § 679 unbeachtlich. Das Ergebnis kann auch nicht anders ausfallen. Der Geschäftsführung ist nach § 323c StGB zur Hilfeleistung verpflichtet277. Unterlässt er diese, macht er sich strafbar. Er hat demnach nur eine Alternative – zu retten. Verpflichtet ihn das Gesetz zum Handeln, kann es ihm auf der anderen Seite nicht den Aufwendungsersatz im Rahmen einer Angelegenheit verweigern, die nicht zu seinen gehört und in die er oft zufällig hineingerät. Das Ergebnis der Geschäftsführung ist die Rettung des Suizidenten – Leben. Dem steht der abstrakte Wille des Geschäftsherrn gegenüber – Tod. Dieser nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie auf der Ebene des § 677 HS. 1 zu beachtende Wille ist im Wege der direkten Anwendung des § 679 unbeachtlich. Dem Geschäftsherrnwillen widersprechen denklogisch auch sämtliche Rettungsvarianten des Geschäftsführers. Dieser konkret ausgestaltete Übernahmewille ist nach §§ 683 S. 2, 679 unbeachtlich. Insgesamt genießt das qualifizierte öffentliche Interesse den Vorrang vor dem geäußerten Willen des Geschäftsherrn. Diese Fallgruppe bleibt demnach auch weiterhin im Anwendungsbereich 274 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, 1981, S. 129 f.; Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 17: „mehr oder weniger gewagte Konstruktionen entsprechend § 138“. 275 Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2017, § 683, Rn. 20. 276 Mugdan II, 1899, S. 1199. 277 Ebenfalls darauf abstellend Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 18; Schwab, in: NK‑BGB, 3. Aufl., 2016, § 679, Rn. 13.
K. Auch-fremde Geschäfte
365
der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag278. Da die Geschäftsführung berechtigt ist, kann § 678 mit seiner strengen Haftung bereits gar nicht drohen, sodass es auch keiner teleologischen Reduktion bedarf. Diese Lösungsversuche sind konstruiert. Zugleich zeigt sich die differenzierte Wechselwirkungen zwischen § 677 HS. 1 und § 679 sowie zwischen § 683 S. 1 und §§ 683 S. 2, 679, die den Zwecken der echten Geschäftsführung ohne Auftrag gerecht werden. Diese Wechselwirkungen erlauben auf der einen Seite, dem Geschäftsherrn weiten Raum für seinen Willen zu geben und somit unangemessene Einmischungen zu verhindern. Auf der anderen Seite muss der Geschäftsherrnwille zurücktreten, aber nur dann, wenn auch ein qualifiziertes öffentliches Interesse festzustellen ist.
K. Auch-fremde Geschäfte I. (Grundsätzlich) nicht erfasste Fallgruppen An letzter Stelle gilt es nun die Frage zu klären, ob auch-fremde Geschäfte im Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag verbleiben. Folgendes kann vorab festgehalten werden. Aus den vorangegangenen Ausführungen ist zu entnehmen, dass folgende auch-fremden Geschäfte grundsätzlich von §§ 677 ff. nicht erfasst werden: yy Tilgung fremder Schulden, wenn der Geschäftsherr von einer bereits beglichenen oder nicht existenten Schuld ausgeht yy Abschleppfälle als Selbsthilfeaufwendungen yy Abschleppfälle in der Konstellation eines pflichtgebundenen Geschäftsführers yy Abmahnfälle yy nach §§ 134, 138, 139 nichtige Verträge yy Fälle der unechten Gesamtschuld yy Gefälligkeiten Die ersten vier Fallgruppen können ausnahmsweise eine echte Geschäftsführung ohne Auftrag begründen, wenn der Tatbestand des § 679 erfüllt ist. Dieser ist freilich nur bei einem qualifizierten öffentlichen Interesse anzunehmen. Die letzten drei Fallgruppen werden dagegen aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. restlos ausgeschlossen. Da bei allen diesen Fallgruppen naturgemäß auch-fremde Geschäfte vorliegen, oder jedenfalls vorkommen können, ist durch ihren (grundsätzlichen) Ausschluss eine deutliche Einschränkung der Auch-Gestion erreicht. 278
I. E. auch Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, § 683, Rn. 15.
366
Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie
II. Der gesetzgeberische Wille Es wurde bereits ausgeführt, dass der gesetzgeberische Wille nicht dahin ging, die §§ 677 ff. zu versperren279, wenn der Geschäftsführung auch in seinem Rechts- und Pflichtenkreis tätig wird, auch dann nicht, wenn er gerade dem Geschäftsherrn aufgrund eines nichtigen bzw. eines unwirksamen Vertrages „verpflichtet“ ist. Insoweit kann der Begriff des relativ fremden Geschäfts, wie er von Wollschläger vorgeschlagen wird280, keinen Bestand haben. Es widerspräche auch dem gesetzgeberischen Willen, alle auch-fremden Geschäfte aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. zu eliminieren. Insoweit wird diese Fallgruppe, freilich in einem deutlich eingeschränkten Umfang, auch weiterhin Gegenstand der echten Geschäftsführung ohne Auftrag bleiben.
III. Abstrakte Interessenwidrigkeit der auch-fremden Geschäfte Das maßgebliche Korrektiv ist nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie das abstrakte Interesse des Geschäftsherrn. Dieses bewirkt auch bei auch-fremden Geschäften eine wesentliche Einschränkung. Auch andere Gesichtspunkte können eine Rolle spielen. So werden die Vorschriften der §§ 677 ff. verdrängt, wenn Verwaltungsträger aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften die ihnen zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben wahrnehmen und zugleich ein Geschäft des Geschäftsherrn besorgen281. Eine Verdrängungswirkung ist freilich nur dann anzunehmen, wenn die speziellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften abschließend geregelt sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kostenfolge abschließend geregelt ist282, und sie insoweit keinen Rückgriff auf die echte Geschäftsführung ohne Auftrag erforderlich machen283. Sind die Vorschriften dagegen nicht abschließend geregelt, ist der Rückgriff auf §§ 677 ff. möglich. Zuweilen wird der entgegenstehende abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn in diesen Fällen unbeachtlich sein, weil die Geschäftsführung im Bereich der Gefahrenabwehr und damit häufig im öffentlichen Interesse nach § 679 liegt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Waldbrand durch einen Funkenflug eines von der Bundesbahn betriebenen Zuges verursacht wurde284
279
Motive II, 1888, S. 868; Kapitel 4, A., III., S. 30 ff.; Kapitel 4, C., II., S. 68 ff. Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976, S. 65 ff. BGH NJW 1963, 1825 – Brandlöschung; BGH NJW 1977, 530 – Rettung aus Seenot; BGH NJW 1976, 619 – Beseitigung von Straßenverkehrsverschmutzungen durch die Straßenbaubehörde; BGH NJW 2004, 513 – Entfernung von Tieren von der Autobahn. 282 BGH NJW 2004, 513, 514. 283 Thole, in: BeckOGK, BGB, 15. 05. 2018, § 677, Rn. 105 f., Rn. 108; Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 01. 05. 2018, § 677, Rn. 27. 284 BGH NJW 1963, 1825 stellt hier dagegen nicht auf § 679 ab. 280 281
367
L. Zusammenfassende Tabelle
oder wenn der Kapitän eines Schiffes die Besatzungsmitglieder und andere Personen eines in Seenot befindlichen Schiffes rettet285. Auch Verwendungen – Reparaturen, Bauten, Lagerung, Abwehr von Beschädigungen usw.286 – auf fremde Sachen können echte Geschäftsführungen ohne Auftrag begründen, wobei hier häufiger die §§ 677 ff. nicht greifen werden, da das Ergebnis der Geschäftsführung dem abstrakten Geschäftsherrnwillen oft widerspricht. Repariert etwa der Nachbar während meines Urlaubes meinen Briefkasten, so sind die §§ 677 ff. ausgeschlossen, wenn ich bereits einen neuen, noch einzubauenden Briefkasten gekauft habe. Das Ergebnis der Geschäftsführung – ein reparierter Briefkasten – entspricht nicht meinem abstrakten Geschäftswillen. Außerdem können auch bei dieser Fallgruppe spezielle Regelungen, wie etwa zu Verwendungen des Pfandgläubigers (§ 1216) oder des Mieters (§ 539287), greifen und die Regelungen der §§ 677 ff. verdrängen.
L. Zusammenfassende Tabelle Fallgruppe
Abstrakter Geschäftsherrnwille
§ 679
Tilgung fremder Schulden
(–) wenn der Geschäftsherr von einer nicht existenten Schuld ausgeht (–) wenn der Geschäftsherr von einer bereits beglichenen Schuld ausgeht
(+)
Abschleppfälle
(–)
(+)
Abmahnfälle
(–)
(+)
nach §§ 134, 138, 139 nichtige Verträge
analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139
Schönheitsreparaturen
Die §§ 677 ff. kommen aufgrund spezifischer mietrechtlicher Erwägungen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen § 536a Abs. 2 und § 539 Abs. 1 nicht zur Anwendung.
Selbstaufopferungsfälle
(+)
(+)
Erbensucherfälle
(+)
(+)
unechte Gesamtschuld
(–)
(–)
Gefälligkeiten
entsprechen nicht der rechtsgeschäftsähnlichen Rechtsnatur
Suizidfälle
(+)
(+)
auch-fremde Geschäfte
(+)/(–)
(+)
285 286
BGH NJW 1977, 530. Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 298. 287 Bergmann, in: Staudinger, BGB, 2015, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 298.
Kapitel 7
Zusammenstellung der Thesen Die vorliegende Untersuchung brachte folgende Ergebnisse:
Kapitel 4: Stand der Meinungen 1. Die klassische Theorie der Menschenhilfe kann nicht als dogmatische Grundlage der echten Geschäftsführung ohne Auftrag fungieren. Dagegen sprechen die Motive der 1. Kommission und die Protokolle der 2. Kommission. Dagegen spricht auch das in § 683 S. 1 verankerte subjektive Prinzip, das auf den Übernahmewillen des Geschäftsherrn abstellt. In §§ 677 ff. setzt sich vielmehr das liberalistische Prinzip gegenüber dem Prinzip der Menschenhilfe durch1. 2. Entgegen der überwiegenden Auffassung vertrat Josef Kohler nach der hier vorgenommenen Analyse nicht die klassische Theorie der Menschenhilfe im Sinne der freiwilligen, uneigennützigen und unaufdringlichen Geschäftsführung. Sein Beitrag „Die Menschenhülfe im Privatrecht“ muss vielmehr als der Ausdruck des subjektiven Prinzips interpretiert werden, welches den Willen des Geschäftsherrn weitgehend beachtet2. 3. Quasikontrakttheorien sind abzulehnen. Diese vermögen es nicht, die Systematik der §§ 677 ff. zu beachten und insbesondere die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 684) in das einheitliche gesetzliche Schuldverhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag einzubetten3. Ihnen stehen auch die Gesetzgebungsmaterialien entgegen, nach denen das Konstrukt eines Vertrages oder eines Quasivertrages ausdrücklich abgelehnt wurde4. Dennoch sollte der Verdienst der Quasikontrakttheorien nicht unerwähnt bleiben. Die Qualifizierung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung und ihre auftragsrechtliche Rechte- und Pflichtenstruktur demonstrieren eindrucksvoll die Nähe dieses Instituts zu den rechtsgeschäftlichen Verhältnissen5. 1
Kapitel 4, A., III., S. 27 ff. Kapitel 4, A., III., 3., 35 ff. 3 Kapitel 4, B., S. 50 ff. 4 Kapitel 4, B., I., 53 ff. 5 Kapitel 4, B., I., 1., d), S. 58, S. 61. 2
370
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
4. Die objektiven Theorien setzen sich durch den Verzicht auf den Fremdgeschäftsführungswillen in Widerspruch zum Gesetzgeberwillen. Dieser forderte ausdrücklich ein subjektives Element des Geschäftsführers auf der Ebene der obligationsbegründenden Norm6. Das von Wollschläger entwickelte Prinzip der Zuständigkeit ist vielmehr dem Bereicherungsrecht und weniger der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zuzuordnen7. Die methodischen Einwände gegen die Zuständigkeitstheorie verbieten auch sonst, sie als dogmatische Grundlage der §§ 677 ff. zu begreifen8. 5. Die eingliedrigen subjektiven Theorien von Wittmann und Bergmann vermögen dagegen vielmehr zu überzeugen. Die Implementierung des präsumptiven Willens des Geschäftsherrn in den normativ, nach den sozialen Wertungen, zu ermittelnden Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers versucht die Interessen des Geschäftsherrn zu beachten, um auf diesem Wege unangemessene Einmischungen in fremde Angelegenheiten zu verhindern. Das von Bergmann entwickelte Subordinationsmodell beschreibt zutreffend die Interessenwahrungsstruktur der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Der normativen Ermittlung des Fremdgeschäftsführungswillens stehen freilich die Gesetzgebungsmaterialien entgegen, die vielmehr auf den wirklichen bzw. empirischen Willen abstellen9. Die Deklassierung des Merkmals „ohne Auftrag oder sonstiger Berechtigung“ durch Wittmann zu einem vom Fremdgeschäftsführungswillen umfassten unselbstständigen Teil überzeugt genauso wenig10 wie die Forderung nach einem freiwilligen Verhalten des Geschäftsführers. Die Freiwilligkeit kann sogar bei Abgabe von Willenserklärungen eingeschränkt sein und ist auch sonst der Rechtssicherheit abträglich11. Außerdem ist Wittmanns Fixierung auf die klassische Theorie der Menschenhilfe verfehlt12. Nicht überzeugen kann auch die Einordnung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als Realakt. Auch der von Bergmann vorgeschlagene Anwendungsvorrang der §§ 677 ff. u. a. bei nach §§ 134, 138 nichtigen Subordinationsverträgen überzeugt wegen der Konterkarierung der Zwecke der Verbotsgesetze bzw. der Sittengebote nicht13. Ganz grundsätzliches Problem bei diesen Theorien ist jedoch die normative Ermittlung des Fremdgeschäftsführungswillens, die sie im Grunde zu objektiven Theorien macht14.
6
Kapitel 4, C., II., 68 ff. Kapitel 4, C., IV., 71. Kapitel 4, C., IV., S. 71 ff. 9 Kapitel 4, D., III., 1., S. 80 ff. 10 Kapitel 4, D., III., 2., a), S. 83. 11 Kapitel 4, D., III., 2., b), S. 83. 12 Kapitel 4, D., III., 2., c)., S. 84. 13 Kapitel 4, D., III., 3., c)., S. 86. 14 Kapitel 4, D., III., 4., S. 88. 7 8
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
371
Kapitel 5: Zweigliedrige subjektive Theorie A. Gegenstände der Geschäftsbesorgung 6. Die hier vertretene zweigliedrige subjektive Theorie nimmt ihren Ausgangspunkt in der Analyse der zur Geschäftsbesorgung führenden Momente durch den Geschäftsherrn selbst und fragt sich, ob die ermittelten Momente im Rahmen der gesetzlichen Schuldverhältnisses der echten Geschäftsführung ohne Auftrag berücksichtigt werden15. Dafür werden die Gegenstände und die Gründe der Geschäftsbesorgung untersucht. 7. Zu den Gegenständen der Geschäftsbesorgung zählen die subjektiven Pflichten, die subjektiven Rechte und das subjektive Unrecht16.
B. Gründe der Geschäftsbesorgung 8. Bei der Analyse der Geschäftsbesorgungsgründe wird an die Erkenntnisse der wirtschaftlich-psychologischen Forschung angeknüpft. Die Psychologie der Entscheidung hilft die Stadien der Entscheidungsfindung von der Problemformulierung bis zur Lösung des Problems in Form der Realisierung der ausgewählten Handlungsvariante nachzuvollziehen. Dabei wurde insbesondere herausgearbeitet, dass der Entscheidungsträger im Rahmen der Präzisierung des Zielsystems zunächst den von ihm vorgestellten und zu erreichenden Endzustand formulieren wird (outcome). Dieser Ergebnis- und Resultatswille kennzeichnet das abstrakte Interesse des Entscheidungsträgers17. Dieses umfasst alle Handlungsvarianten, die zu dem vom Entscheidungsträger gesetzten Ergebnis führen können (mögliche Handlungsvarianten). 9. Im nächsten Schritt wird das Spektrum der möglichen Handlungsvarianten auf die attraktivsten Handlungsvarianten begrenzt. Die attraktivsten Handlungsvarianten stellen solche Handlungen dar, die den Endzustand am besten zu erreichen vermögen. Zu den Attraktivitätsgesichtspunkten können unterschiedliche Aspekte- finanzieller, sozialer, gesellschaftlicher, religiöser, moralischer Art – zählen. Bedeutend ist, dass die Attraktivität der Handlungsvarianten nach den individuellen Gesichtspunkten des Entscheidungsträgers zu beurteilen ist. In diesem Schritt wird das Interesse des Entscheidungsträgers konkretisiert, sodass von einem konkreten Interesse zu sprechen ist18.
15 16
Kapitel 5, S. 91. Kapitel 5, A., IV., S. 105. 17 Kapitel 5, B., II., 2., b), S. 108. 18 Kapitel 5, B., II., 2., c), S. 108.
372
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
D. Übertragung der gewonnenen Erkenntnissse auf das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag 10. Übertragen auf die Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsherrn gilt es festzuhalten, dass dieser zunächst einen zu erreichenden Endzustand formulieren wird. Der darauf gerichtete Resultats- oder Ergebniswille bzw. das abstrakte Interesse umfasst alle möglichen Geschäftsbesorgungsvarianten. Die im weiteren Schritt vorzunehmende Begrenzung auf die attraktivsten Handlungsvarianten bezeichnet das konkrete Interesse. Das konkrete Interesse kann es ohne das abstrakte Interesse nicht geben, da das Erstere notwendigerweise das zu erreichende Ziel voraussetzt. Im Falle der Entsprechung des abstrakten und des konkreten Interesses handelt es sich bei der gewählten Geschäftsbesorgungsvariante um eine abstrakt- und konkret-interessengemäße, also gesamtinteressengemäße Handlungsvariante. Wird zwar eine mögliche Handlungsvariante gewählt, die freilich nicht zu den attraktivsten zählt, handelt es sich bei ihr um eine abstrakt-interessengemäße, aber um eine konkret-interessenwidrige Geschäftsbesorgungsvariante. Geht die gewählte Geschäftsbesorgungsvariante nicht nur am konkreten, sondern auch am abstrakten Interesse vorbei oder steht diese sogar im Widerspruch zu diesem, handelt es sich um eine abstrakt- und konkret-interessenwidrige, damit um eine gesamt-interessenwidrige Geschäftsbesorgungsvariante. Es gibt demnach (1) gesamt-interessengemäße (2) konkret-interessenwidrige und (3) gesamt-interessenwidrige Geschäftsbesorgungsvarianten19. Der Geschäftsherr wird nur eine interessengemäße Geschäftsbesorgungsvariante auswählen. 11. Übertragen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag nimmt der Geschäftsführer subjektive Rechte und subjektive Pflichten des Geschäftsherrn wahr. Die subjektiven Pflichten setzen als solche naturgemäß subjektive Rechte voraus. Damit greift der Geschäftsführer durch seine Geschäftsführung in die von diesen Geschäftsbesorgungsgegenständen gewährten Schutzbereiche ein. Dieser Eingriff bedarf einer Rechtfertigung. Über die subjektiven Rechte verfügt grundsätzlich der Rechteinhaber selbst. Er kann mit ihnen nach Belieben verfahren und andere von ihrer Einwirkung ausschließen. Ihm steht demnach eine Nutzungs- und Ausschlussfunktion zu. Sein Wille ist grundsätzlich entscheidend. Ausnahmsweise wird dieses System durchbrochen, wenn Rechte Dritter oder das Gesetz entgegenstehen. In diesem Fall muss die Willensfreiheit des Rechteinhabers zurücktreten. Insoweit hilft die Struktur des § 903 S. 1 dieses Grundsatz-Ausnahme-System paradigmatisch zu verstehen. Damit zeigen bereits die Geschäftsbesorgungsgegenstände, dass der Eingriff des Geschäftsfüh-
19
Kapitel 5, B., IV., S. 112.
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
373
rers in die Rechte des Geschäftsherrn einer rechtlichen Rechtfertigung nach dem Muster des § 903 S. 1 bedarf20. 12. Überträgt man die Gründe der Geschäftsbesorgung auf die §§ 677 ff., gilt es festzustellen, dass in § 683 S. 1, § 678 der Übernahmewille und in § 677 HS. 2 der Durchführungswille des Geschäftsherrn berücksichtigt werden21. Die Übernahme kennzeichnet den konkreten Beginn und die diesen konstituierende Momente (Übernahme der Geschäftsführung durch einen anderen überhaupt, die attraktivste Geschäftsbesorgungsvariante, Wo?, Wann?), also das „Ob“ der Geschäftsführung. Der Durchführungswille beschreibt die Art und Weise der Geschäftsführung, also das „Wie“ der Geschäftsführung. Anzumerken ist, dass im Rahmen von § 677 HS. 1 der Durchführungswille zugunsten der objektiven Beurteilung zurücktreten muss. Der Übernahmewille und der Durchführungswille beschreiben zusammen das konkrete Interesse. 13. Das abstrakte Interesse findet dagegen im Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag keine Berücksichtigung. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit, dieses in §§ 677 ff. zu implementieren, so man unangemessene Einmischungen in fremde Angelegenheiten vermeiden möchte. Als Grundlage bietet sich dafür das Merkmal „für einen anderen“ in der obligationsbegründenden Norm nach § 677 HS. 1 an22.
E. Inhaltliche Ausgestaltung der zweigliedrigen subjektiven Theorie 14. Nach der hier vorgeschlagenen zweigliedrigen subjektiven Theorie23 ist demnach auf der Ebene des § 677 HS. 1, im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „für einen anderen“, ein (1) abstrakter Ergebnis- bzw. Resultatswille des Geschäftsherrn (abstraktes Interesse) und (2) ein Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers zu verlangen24. Die zwei geforderten subjektiven Merkmale sind weder auf einander bezogen, noch stimmen sie in der Gänze miteinander überein. Vielmehr stehen sie im Verhältnis zueinander abstrakt da und erfüllen eigenständige Aufgaben. Der abstrakte Geschäftswille des Geschäftsherrn verhindert unangemessene Einmischungen in fremde Angelegenheiten, während der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers die Fremdnützigkeit des geschäftsführungsrechtlichen Handelns kennzeichnet. Das nach der überwiegenden Auffassung geforderte Merkmal des fremden Geschäfts ist dagegen kein Tatbestandsmerkmal der obligationsbegründenden Norm nach § 677 HS. 125. Durch diese Konzeption wird sichergestellt, dass der Anwen20 21
Kapitel 5, D., I., S. 116. Kapitel 5, D., II. 1., S. 118 ff. 22 Kapitel 5, D., II., 2., S. 121. 23 Zusammenfassende Graphik, Kapitel 5, E., IV., S. 128. 24 Kapitel 5, E., I., 2., S. 124. 25 Kapitel 5, E., I., 3., S. 126.
374
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
dungsbereich der §§ 677 ff. nur dann eröffnet ist, wenn zumindest dem groben Bereich des abstrakten Interesses durch die Geschäftsführung entsprochen wird. Damit wird dem Geschäftsherrn als Herrn seiner Interessen genüge getan. Steht sein abstrakter Wille bzw. Interesse bzgl. des Ergebnisses der Geschäftsführung ablehnend gegenüber, muss dieser Wille dann zurücktreten, wenn ein qualifiziertes öffentliches Interesse nach § 679 betroffen ist26. § 679 bezieht sich in seiner direkten Anwendung auf die obligationsbegründende Norm des § 677 HS. 1 und spiegelt auf diesem Wege das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Geschäftsherrn und der Allgemeinheit wieder. Diese Wechselwirkung kommt der Struktur des § 903 S. 1 nah. Sie unterscheidet sich freilich insoweit, dass § 903 S. 1 kein qualifiziertes öffentliches Interesse voraussetzt. Mit § 679 wird im Ergebnis sichergestellt, dass die Willensfreiheit des Geschäftsherrn weitgehend Beachtung findet. Andererseits bleibt dieser Wille unberücksichtigt, wenn bedeutende Interessen der Allgemeinheit betroffen sind. 15. An den äußeren Grenzen des Anwendungsbereiches werden solche Geschäftsbesorgungen ausgeschlossen, die die Besorgung des subjektiven Unrechts zum Inhalt haben. Das Mittel für diesen Ausschluss ist in der analogen Anwendung der §§ 134, 138, 139 zu finden27.
G. Überprüfung der zweigliedrigen subjektiven Theorie anhand der anerkannten Auslegungsmethoden I. Das Merkmal des abstrakten Geschäftswillens im Grundtatbestand des § 677 HS. 1 1. Historische Auslegung 16. Die Forderung nach einem abstrakten Interesse auf der Ebene des § 677 HS. 1 hält sich auf der Linie der 1. und 2. Kommission. Die Gesetzgebungsmaterialien erlauben einen Erst-Recht-Schluss28.
2. Grammatikalische Auslegung 17. Das abstrakte Interesse ist auch grammatikalisch begründet. Die personenbezogene Ausrichtung der Präposition „für“, der § 679 und der Subordinationscharakter der echten Geschäftsführung ohne Auftrag drängen auf dieses Ergebnis hin.29
26 27
Kapitel 5, E., II., S. 127. Kapitel 5, E., III., S. 127. 28 Kapitel 5, G., I., S. 131 ff. 29 Kapitel 5, G., II., S. 137 ff.
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
375
3. Teleologische Auslegung a) Schadloshaltungsfunktion 18. Die zweigliedrige subjektive Theorie wird insbesondere den Regelungsabsichten des Gesetzgebers gerecht. Dieser wollte unangemessene Einmischungen in fremde Angelegenheiten verhindern. Die von Wittmann ausgearbeiteten Funktionen der §§ 677 ff. – Schadloshaltungsfunktion, Abwehrfunktion und Legitimierungsfunktion – konkretisieren den Gesetzgeberwillen30. Der Schadloshaltungsfunktion wird die hier vertretene Konzeption gerecht31, indem nach ihr nur der Geschäftsführer eine völlige Schadloshaltung verdient, der eine gesamt-interessengemäße Geschäftsbesorgungsvariante wählte – echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S. 1). Die Schadloshaltung ist dagegen risikobehaftet, wenn der Geschäftsführer zwar dem abstrakten, jedoch nicht dem konkreten Interesse entsprach – echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 684). Ausgeschlossen ist die Schadloshaltung nach §§ 677 ff. für den Geschäftsführer, der gesamt-interessenwidrige Geschäfte besorgte. In diesem Fall drohen dem Geschäftsführer die Risiken des Bereicherungsrechts (Kondiktionssperren nach §§ 814, 815, 817 S. 2).
b) Abwehrfunktion 19. Das abstrakte und konkrete Interesse verhelfen zu einer differenzierten Beurteilung der Geschäftsführungen und erlauben auf diesem Wege die gesamtinteressenwidrigen Geschäfte abzuwehren. Damit wird der Abwehrfunktion genüge getan32.
c) Legitimierungsfunktion 20. Als besonders bedeutsam erwies sich die Analyse der Legitimierungsfunktion. Diese ermöglicht es, die echte Geschäftsführung ohne Auftrag und die von ihr ausgehende Legitimation im Verhältnis zum Bereicherungsrecht, Deliktsrecht und den Regelungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis optimal abzustimmen und die §§ 677 ff. systemkonform einzugliedern. Dabei wurde die Analyse des Begriffs des Rechts zum Besitz nach § 986, des Systems der Rechtsgründe im Rahmen von §§ 812 ff. und des Systems der Rechtfertigungsgründe im Rahmen von §§ 823 ff. notwendig33.
30 31
Kapitel 5, G., I., 3., S. 140. Kapitel 5, G., I, 3., a), S. 141 f. 32 Kapitel 5, G., I., 3., b), S. 142. 33 Kapitel 5, G., I., 3., c), S. 143.
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Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
aa) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Recht zum Besitz i. S. v. § 986 21. Die §§ 985 ff. und §§ 677 ff. enthalten in mehrfacher Hinsicht parallele Ansprüche: die Nutzungsersatzansprüche nach §§ 987, 988 auf der einen Seite und der Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn nach §§ 681 S. 2, 667 auf der anderen Seite. Zwar verpflichtet § 667 den Geschäftsführer zur Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen, jedoch kann sich eine Schadensersatzhaftung für verschuldetermaßen nicht gezogene Nutzungen nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 ergeben, sodass sich die Ansprüche gleichen können. Aufgrund der zusätzlichen Voraussetzungen der Pflichtverletzung und des Schadens beim zuletzt genannten Anspruch müssen sie es jedoch nicht in jedem Einzelfall34. Beim unentgeltlichen Besitzer, der nach § 988 nur auf tatsächlich gezogene Nutzungen haftet, ist dagegen ein Unterschied zum Geschäftsführer festzustellen. Der Letztere kann nach §§ 280 Abs. 1, 677 HS. 2 auch für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen haften35. Auch bei Verwendungsersatzansprüchen nach §§ 994 ff. sind parallele Ansprüche in §§ 677 ff. vorhanden. Beim Ersatz von objektiv notwendigen Verwendungen auf die Sache besteht auf der einen Seite der Anspruch aus § 994 Abs. 1 und auf der anderen Seite der Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 bzw. im Falle des fehlenden Übernahmewillens der Anspruch aus §§ 677, 684 S. 1, 818 ff. Da die gewöhnlichen Erhaltungskosten nach § 994 Abs. 2 nicht ersetzt werden, diese aber nach § 670 erforderlich sein werden, besteht in diesem Punkt eine Divergenz36. Die Divergenz kann auch im Ersatzumfang bestehen. Stand der Übernahme der Geschäftsführung der Wille des Geschäftsherrn entgegen und war dieser nicht nach §§ 683 S. 2, 679 unbeachtlich, haftet der Geschäftsherr nach §§ 684 S. 1, 818 ff. auf die vorhandene Bereicherung, die sich von den tatsächlich eingesetzten erforderlichen Aufwendungskosten regelmäßig unterscheiden wird37. Dagegen gewährt § 994 Abs. 1 einen dahingerichteten Anspruch. Beim bösgläubigen bzw. verklagten Besitzer haftet der Eigentümer nach § 994 Abs. 2 nach den Regelungen der §§ 677 ff. Hier ist freilich kein Kollisionsproblem festzustellen. Fehlt der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers, greifen die §§ 677 ff. nicht ein. Sie können daher auch nicht mit § 994 Abs. 2 konkurrieren. Besteht dagegen der Fremdgeschäftsführungswille, so vollzieht sich der Ausgleich nach §§ 677 ff. und 994 Abs. 2 identisch, da der Letztere eine partielle Rechtsgrundverweisung auf die §§ 677 ff. anordnet38. 34
Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (b), bbb), S. 146. Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (b), bbb), S. 146. 36 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (c), aaa), S. 148. 37 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (c), aaa), S. 148. 38 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (c), aaa), S. 148. 35
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Auch bei nützlichen Verwendungen wird partiell auf die §§ 677 ff. verwiesen. Dennoch gibt es eine Divergenz beim Ersatzumfang. § 996 beschränkt sich auf die noch vorhandene Bereicherung. §§ 683 S. 1, 670 umfasst dagegen alle Aufwendungen, die ex-ante betrachtet erfolgsversprechend waren, auch wenn sie sich im Ergebnis als erfolgslos entpuppt haben39. Liegt dagegen der Übernahmewille nach § 683 S. 1 nicht vor, so beschränkt sich der Anspruch des Geschäftsführers auf die noch vorhandene Bereicherung (§ 684 S. 1 i. V. m. §§ 818 ff.). Hier sind die Ansprüche identisch40. Außerdem ist noch der Unterschied bzgl. solcher Aufwendungen festzustellen, die bei Rechtshängigkeit bzw. bei Bösgläubigkeit des Geschäftsführers getätigt wurden. Diese stehen nicht in einem Exklusivitätsverhältnis zum Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers (s. o.). Ist die Rechtshängigkeit eingetreten oder liegt eine Bösgläubigkeit des Geschäftsführers vor, können sich dennoch Ansprüche aus §§ 677, 683, 684 ergeben. Auch hier gehen die §§ 677 ff. weiter. Die Ansprüche nach § 996 sind dagegen ausgeschlossen41. Im Verhältnis zwischen §§ 681 S. 1, 667 und § 985 ist die Kollision entschärft, da der Erstere nur ein unvollständiges, der Vergangenheit zugewandtes Recht zum Besitz darstellt. Dieses kann allenfalls ein Recht auf „Haben“, aber nicht auf „Behalten“ enthalten. Herausgabe kann der Geschäftsherr, der zugleich Eigentümer ist, nach beiden Regelungssystemen verlangen42. 22. Die teils engeren Ansprüche aus §§ 677 ff. sind stets der Interessenwidrigkeit des geschäftsführungsrechtlichen Handelns geschuldet43. Insoweit muss das Verhältnis zwischen §§ 677 ff. und §§ 985 ff. geklärt werden. Die überzeugenderen Argumente sprechen für die Lösung, nach der sowohl die echte berechtigte als auch die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ein Recht zum Besitz begründet. Dafür spricht die Historie44 und die auftragsrechtliche Rechte- und Pflichtenstruktur der echten Geschäftsführung ohne Auftrag45. Es wäre widersprüchlich, das Auftragsverhältnis als ein Recht zum Besitz (auch wenn es bloß ein Recht auf „Haben“ ist) anzuerkennen, ein im Wesentlichen identisches Institut der echten Geschäftsführung ohne Auftrag dagegen nicht. Dies gilt auch für die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, auf die die Regelungen nach §§ 677 ff. außer den §§ 683 S. 1, 670 ebenso Anwendung finden. Außerdem ist der echte unberechtigte Geschäftsführer ohne Auftrag im Rahmen von §§ 985 ff. als ein „nicht-so-be39 40
Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (c), bbb), S. 149. Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (c), bbb), S. 149. 41 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (c), bbb), S. 149. 42 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (a), S. 145. 43 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (b), ccc), S. 148; Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (1), (c), ccc), S. 150. 44 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (2), (a), S. 150. 45 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (2), (b), S. 151.
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rechtigter Besitzer“ zu begreifen, dem zwar eine pflichtwidrige Ausübung des Besitzrechts vorzuwerfen ist, dem freilich ebenso ein Recht zum Besitz zugestanden wird46. Auch auf den „nicht-so-berechtigten Besitzer“ werden die §§ 985 ff. nach der überzeugenderen herrschenden Auffassung nicht angewandt. Für den hier vertretenen Standpunkt spricht auch die in §§ 681 S. 2, 667 ausgedrückte Pflicht zum Besitz, die als solche notwendigerweise ein Recht zum Besitz enthalten muss47. Auch die §§ 677 ff. als ein umfassend regelndes Institut48, welches nicht nur auf die Sachen des Geschäftsherrn, sondern auf alle Aspekte der Geschäftsbesorgung bezogen ist, sprechen für eine tatbestandliche Verdrängungswirkung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. 23. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag kann dem Begriff des Besitzrechts nach § 986 freilich nur dann entsprechen, wenn im Rahmen der obligationsbegründenden Norm nach § 677 HS. 1, von der die Legitimationswirkung hinsichtlich §§ 985 ff. ausgeht, grundsätzlich ein subjektives Element des Geschäftsherrn zu verlangen ist. Das Recht zum Besitz nach § 986 stammt aus dem Eigentumsrecht des Geschäftsherrn. Zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer muss eine ununterbrochene Besitzrechtskette bestehen49. Über das Eigentum verfügt nach der Struktur des § 903 S. 1 grundsätzlich der Eigentümer50. Entscheidend ist demnach grundsätzlich sein Wille. Nur ausnahmsweise wird seine Willensfreiheit durch die Rechte Dritter und das Gesetz eingeschränkt. Dieses System bildet die Wechselwirkung zwischen § 677 HS. 1 und § 679 nach der zweigliedrigen subjektiven Theorie ab51. Da sie den abstrakten Geschäftswillen auf der Ebene der den Vorgang legitimierenden Norm nach § 677 HS. 1 verlangt, entspricht sie dem Willen des Eigentümers und der Nutzungsfunktion des Eigentumsrechts. Auf der anderen Seite muss der Wille des Eigentümers nach § 679 zurücktreten, wenn ein qualifiziertes öffentliches Interesse besteht.
bb) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsgrund für Vermögensverschiebungen 24. Kollisionen sind auch zwischen den §§ 677 ff. und den §§ 812 ff. festzustellen. Auch hier gilt es, das Verhältnis zwischen beiden Regelungssystemen abzustimmen, und auch hier sollte nach der überzeugenderen Auffassung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag eine tatbestandliche Dimension im Sinne eines rechtlichen Grundes nach § 812 beigemessen werden52. Dafür spricht die 46
Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (2), (e), S. 153. Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (2), (c), S. 152. Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (2), (d), S. 41. 49 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (4), S. 156. 50 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (5), S. 156. 51 Kapitel 5, G., I., 3., c), aa), (6), S. 159 ff. 52 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), (d), S. 165 ff. 47 48
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Einheitlichkeit des gesetzlichen Schuldverhältnisses der echten Geschäftsführung ohne Auftrag53, welche nicht nur die echte berechtigte, sondern auch die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag umfasst. Auf die Letzteren sind die §§ 677 ff. mit Ausnahme von § 683 S. 1 anwendbar54. Dafür spricht auch die Ausgestaltung des § 684 als eine Rechtsfolgenverweisung55. Schließlich spricht dafür die Historie und der Wille des Gesetzgebers, mit dem Merkmal des rechtlichen Grundes all jene Fälle zu umfassen, für die ein anderes Regelungssystem vorgesehen ist56. 25. Bei der Analyse des Rechtsgrundsystems galt es dabei den Rechtsgrundbegriff bei Leistungskondiktionen und den bei Nichtleistungskondiktion nach der vorzugswürdigeren herrschenden Trennungstheorie getrennt zu bestimmen57. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Leistungskondiktion für die Rückabwicklung fehlgeschlagener Güterbewegungen zuständig sind, während die Nichtleistungskondiktionen dem Güterschutz dienen58. 26. Der rechtliche Grund bei Leistungskondiktionen ist seit langem umstritten59. Es streitet die objektive Rechtsgrundtheorie, die einen rechtlichen Grund dann annimmt, wenn ein wirksames Kausalverhältnis besteht. Ihr steht die heute überwiegende subjektive Rechtsgrundtheorie gegenüber, die einen rechtlichen Grund dann annimmt, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg eintritt. Vorzugswürdig erscheint die Letztere, da sich erst durch die Zweckrichtung bestimmt, wem die Leistung zugedacht ist. Diese Theorie kann daher den problematischen Mehr-Personen-Verhältnissen Herr werden. Die Bedeutung der Zweckgerichtetheit der Leistung für den Rechtsgrund ist den bereicherungsrechtlichen Vorschriften zu entnehmen (§ 812 Abs. 2 S. 2, Alt. 2, § 815, § 817 S. 1). Diese Theorie vermag einen Gleichlauf mit der vorzugswürdigen Theorie der finalen Leistungsbewirkung im Erfüllungsrecht60 herzustellen, das ebenso wie die Leistungskondiktionen von der „Leistung“ ausgeht. 27. Da die vorzugswürdige herrschende Auffassung auf den Eintritt des mit der Leistung bezweckten Erfolges abstellt, erschien der herrschende subjektive Leistungsbegriff vorzugswürdig. Dieser begreift die Leistung als eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Diesem Verständnis steht die früher vertretene Auffassung gegenüber, die die Leistung als die reale Mehrung fremden Vermögens auffasst. Der subjektive Leistungsbegriff 53 54
Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), (d), aaa), S. 165. Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), (d), ccc), S. 169. 55 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), (d), bbb), S. 166. 56 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (1), (d), ddd), S. 169. 57 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (2), S. 170 f. 58 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (3), S. 171 f. 59 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (4), (a), S. 173 ff. 60 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (4), (d), S. 184 ff.
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erscheint überdies auch deshalb vorzugswürdiger, weil er den Rechtsgrund der Leistungskondiktionen widerspiegelt. Leistungskondiktionen sind für die Rückabwicklung von fehlgeschlagenen Güterbewegungen zuständig. Sie sind also solche dem Vertragsrecht angenähert. In diesem Bereich wird das Vermögen nicht zwecklos, sondern stets nach einer „schuldrechtlichen Planungsgrundlage“61 verschoben62. Mit der Leistung müssen demnach die subjektiven Zweckvorstellungen begleitet sein und ihre Berücksichtigung finden. 28. Nicht alle mit der Leistung verfolgten Zwecke des Leistenden sind freilich rechtlich erheblich. Mit der Fragestellung nach den rechtlich erheblichen Zwecken ist man zugleich in den dogmatischen Tiefen des Bereicherungsrechts angelangt. Auch hier stehen sich zwei Lager gegenüber. Die Anhänger der Kreß’schen Schule verlangen zur rechtlichen Erheblichkeit die rechtsgeschäftliche Vereinbarung des mit der Leistung verfolgten Zwecks. Demnach bilden die Zweckvereinbarung und die Zweckerreichung den rechtlichen Grund der bereicherungsrechtlichen Leistungskondiktionen63. Diese Lehre von Zweck ist mit der herrschenden Meinung abzulehnen64. Ihre Antastung des Abstraktions- und Trennungsprinzips, ihr Konflikt mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und dem Prinzip des fehlenden numerus clausus im Schuldrecht führen die Lehre vom Zweck zu einem kaum lösbaren Dogmenproblem. Dennoch sind die rechtlich erheblichen Zwecke auch nicht ganz objektiv zu bestimmen. Vielmehr ist der vermittelnden Auffassung beizupflichten, die nur solche Zwecke als rechtlich erheblich begreift, wenn diese in das Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Empfänger inkorporiert wurden. Dennoch, und in diesem Punkte ist eine leichte Annäherung an die Lehre vom Zweck zu sehen, muss es sich um solche Zwecke handeln, die die Parteien jeweils hätten erkennen können, sodass auf den Inkorporierungswillen der Parteien nicht verzichtet werden kann. 29. Bzgl. des Rechtsgrundes bei Leistungskondiktion folgt, dass Vermögensverschiebungen nur dann rückgängig gemacht werden dürfen, wenn die Parteien die von ihnen verfolgten Zwecke getragen von einem dahingehenden Willen inkorporiert haben und diese Zwecke nicht erreicht wurden65. Verschiebt also der Geschäftsführer sein Vermögen für den Geschäftsherrn, kann die echte Geschäftsführung ohne Auftrag nur dann einen Rechtsgrund darstellen, wenn der Geschäftsherr mit dem Zweck der Vermögensverschiebung einverstanden 61
Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, § 4, S. 80. Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 812, Rn. 1: „So betreffen die Fälle der Bereicherung ‚durch Leistung eines anderen‘ das Gebiet der geplanten, willentlichen Vermögensverschiebungen“; Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“ im Bereich der Eingriffskondiktion, 1972, S. 23. 63 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (4), (c), aaa), S. 178 ff. 64 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (4), (c), bbb), S. 181 ff., Kapitel 5, G., I., 3., (c), bb), (4), (c), ccc), S. 183 ff. 65 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (4), (e), S. 189. 62
Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
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war66. Damit muss die den Rechtsgrund auslösende Norm des § 677 HS. 1 einen Willen des Geschäftsherrn enthalten. Dies wird durch die zweigliedrige subjektive Theorie sichergestellt. 30. Bzgl. des Rechtsgrundes bei Nichtleistungskondiktionen streitet die Rechtswidrigkeitstheorie gegen die heute überwiegend vertretene Theorie vom Zuweisungsgehalt67. Vorzug verdient hier die Letztere, weil sie überzeugenderweise die Nichtleistungskondiktionen als Rechtsfortwirkungsansprüche wegen Verletzung subjektiver Rechte begreift68. Die Rechtswidrigkeitstheorie kann ohne Bezugnahme auf den Zuweisungsgehalt im Grunde nicht bestimmen, ob die Vermögensverschiebung rechtmäßig oder rechtswidrig war. Noch weniger vermag sie zu erklären, warum bei Bereicherungen, die auf rechtmäßigen menschlichen Handlungen beruhen, dennoch Nichtleistungskondiktionen zugestanden werden müssen69. 31. Da es sich bei Nichtleistungskondiktionen um Rechtsfortwirkungsansprüche wegen Verletzung subjektiver Rechte handelt, ist der Zuweisungsgehalt der Letzteren entscheidend. Nach diesem verfügt grundsätzlich der Rechtsinhaber über sein subjektives Recht. Ihm ist die umfassende Nutzungs- und Ausschlussfunktion zugewiesen. Ausnahmsweise muss sein Wille zurücktreten, wenn Rechte Dritter und das Gesetz entgegenstehen. Insofern ist hier wieder an die Struktur des § 903 S. 1 anzuknüpfen. Dies erscheint auch nicht verwunderlich, denn die Nichtleistungskondiktionen sind dem Deliktsrecht angenähert, bei dem es um den Schutz von subjektiven Rechten geht. Die Rechtmäßigkeit einer Handlung beurteilt sich dabei nach der Struktur des § 903 S. 1, d. h. vornehmlich nach dem Willen des Rechts- bzw. Rechtsgutsinhabers. Insoweit ist hier das gleiche System vorzufinden wie beim Recht zum Besitz nach § 986. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag kann dem Rechtsgrundsystem bei Nichtleistungskondiktionen nur dann entsprechen, wenn der Wille des Geschäftsherrn im Rahmen der legitimierenden Norm des § 677 HS. 1 zu beachten ist70. Dies stellt die zweigliedrige subjektive Theorie sicher. Andererseits wird davon bei einem qualifizierten öffentlichen Interesse nach § 679 Abstand genommen. Die Wechselwirkung zwischen § 677 HS. 1 und § 679 kommt der Struktur des § 903 S. 1 sehr nah.
66
Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (5), S. 189 ff. Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (6), (a), S. 192 ff. 68 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (6), (b), S. 195. 69 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (6), (c), S. 196 ff. 70 Kapitel 5, G., I., 3., c), bb), (7), S. 201 ff. 67
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Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
cc) Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als Ausschlussgrund der Widerrechtlichkeit 32. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag ist auch als ein Rechtfertigungsgrund zu verstehen71. Dafür spricht die Historie72 und der gesetzgeberische Wille, die Führung fremder Geschäfte nach §§ 677 ff. nicht als Delikte einzuordnen. Dafür sprechen die Anzeige- und Wartepflichten nach § 681 S. 373 und die Herausgabepflicht nach §§ 681 S. 2, 66774. Die letztere enthält eine Pflicht zum Besitz, die notwendigerweise ein Recht zum Besitz enthalten muss. Auch die Interessenwahrungspflicht nach § 677 HS. 2 wäre ansonsten sinnwidrig75. Schließlich drängt die Erkenntnis, dass es sich bei den §§ 677 ff. um ein umfassend regelndes Institut handelt76, das den Geschäftsherrn regelmäßig besser schützt und für den Geschäftsführer Aufwendungsersatzansprüche bereithält, auf dieses Ergebnis hin. 33. Beim Begriff der Rechtswidrigkeit muss die Vorschrift des § 826 außer Acht gelassen werden, da sie keine Rechtswidrigkeit, sondern Sittenwidrigkeit voraussetzt77. 34. Der Begriff der Rechtswidrigkeit ist heftig umstritten. Es steht die Lehre vom Handlungsunrecht der Lehre vom Erfolgsunrecht gegenüber78. Die besseren Gründe sprechen für die überwiegend vertretene Lehre vom Erfolgsunrecht. Diese wird dem telos der §§ 823 ff. – Schutz der subjektiven Rechtsgüter und Rechte bzw. Beachtung von individualschützenden Gesetzen i. S. v. § 823 Abs. 2 – gerecht79. Sie nimmt daher zutreffenderweise ihren Ausgangspunkt bei subjektiven Rechtspositionen und somit bei ihrem Inhaber80. Dieser entscheidet grundsätzlich, ob ein Eingriff in die subjektiven Rechtspositionen rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Ausnahmsweise wird ihm diese Entscheidung aufgrund entgegenstehender Rechte Dritter und des Gesetzes abgenommen. Insoweit ist an die Struktur des § 903 S. 1 anzuknüpfen. Die Lehre vom Handlungsunrecht vermischt dagegen unzulässigerweise die Voraussetzungen des Verschuldens und der Widerrechtlichkeit81, sie birgt die Gefahr der Auflösung fest umrissener Tatbestände82, weist eine Parallele zur weniger überzeugenden 71
Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (1), S. 202 ff. Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (1), (e), S. 205 f. 73 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (1), (c), S. 204. 74 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (1), (c), S. 204. 75 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (1), (d), S. 205. 76 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (1), (b), S. 203 f. 77 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (7), (d), S. 228. 78 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (7), (c), S. 219 ff. 79 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (7), (c), aaa), S. 219 f. 80 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (7), (c), bbb), S. 220 ff. 81 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (7), (c), eee), S. 224 f. 82 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (7), (c), fff ), S. 225 f. 72
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Theorie vom finalen Handlungsbegriff83 auf und kann den parallel eingreifenden negatorischen Rechtsschutz nicht erklären84. 35. Echte Geschäftsführung ohne Auftrag darf daher nur dann einen Rechtfertigungsgrund darstellen, wenn sie in das System des § 903 S. 1 integriert werden kann. Dieses System ist von der Nutzungsfunktion bzw. Ausschlussfunktion des Rechtspositioneninhabers auf der einen Seite und den Rechten Dritter und dem Gesetz auf der anderen Seite gekennzeichnet. So entspricht etwa die rechtfertigende Einwilligung der Nutzungsfunktion85, die Notwehr nach § 22786, der defensiver Notstand nach § 228, der aggressive Notstand nach § 90487 und die Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB88 dem Merkmal „Rechte Dritter“, während die Selbsthilfe nach §§ 229 ff.89 und das Festnahmerecht nach § 127 StPO90 vom Merkmal „Gesetz“ umfasst werden. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag stellt weder ein Recht Dritter, noch das „Gesetz“ i. S. v. § 903 S. 1 dar. Somit muss auf die Nutzungsfunktion rekurriert werden. Diese hängt vom Willen des Geschäftsherrn ab. Die mit § 677 HS. 1 verbundene Legitimierung zwingt daher auch hier dazu, den Willen des Geschäftsherrn grundsätzlich zu beachten. Dem wird die zweigliedrige subjektive Theorie gerecht91.
4. Systematische Auslegung 36. Auch die Stellung der Geschäftsführung ohne Auftrag, eingebettet zwischen vertraglichen Verhältnissen, die ohne Willenstatbestände nicht auskommen können, sowie die vielen Verweisungen ins Auftragsrecht geben eine Stütze für die hier vertretene Konzeption92.
II. Entbehrlichkeit des Merkmals „fremdes Geschäft“ im Grundtatbestand des § 677 HS. 1 37. Das Merkmal des fremden Geschäfts ist auf der Ebene des § 677 HS. 1 entbehrlich93. Die 1. Kommission lehnte eine Unterscheidung zwischen objektiv fremden und subjektiv fremden Geschäften ab94. Vielmehr entschied die 83
Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (7), (c), ggg), S. 225. Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (7), (c), hhh), S. 226. 85 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (8), (c), aaa), S. 229 ff. 86 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (8), (c), bbb), S. 233 ff. 87 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (8), (c), ccc), S. 234 ff. 88 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (8), (d), S. 240. 89 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (8), (c), ddd), S. 236 f. 90 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (8), (c), eee), S. 238 ff. 91 Kapitel 5, G., I., 3., c), cc), (9), S. 241 ff. 92 Kapitel 5, G., I., 4., S. 243. 93 Kapitel 5, G., II, S. 244 ff. 94 Kapitel 5, G., II., 1., S. 245 ff. 84
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Richtung des geschäftsführungsrechtlichen Handelns, ob die Obligation nach §§ 677 ff. ausgelöst wurde. Daher können theoretisch alle Geschäfte Gegenstand der Geschäftsführung ohne Auftrag sein, was dieses Merkmal als ein echtes Tatbestandsmerkmal disqualifiziert. Grammatikalisch ist in § 677 HS. 1 das Merkmal „für einen anderen“ und nicht etwa das Merkmal „Geschäft eines Anderen“ enthalten95. Die Ableitung des Merkmals des fremden Geschäfts aus § 687 ist aufgrund der Gegensätzlichkeit zwischen der echten und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zulässig96. Auch die §§ 679, 683 S. 2, 679 und § 686 deuten vielmehr auf seine Entbehrlichkeit hin97.
H. Die Bedeutung des § 679 für die Obligationsbegründung 38. Bei seiner direkten Anwendung bezieht sich § 679 auf die obligationsbegründende Norm nach § 677 HS. 1, während in seiner entsprechenden Anwendung nach §§ 683 S. 2, 679, 678 sein Bezugspunkt die Übernahme der Geschäftsführung darstellt. Im Rahmen von § 677 HS. 1 wird durch § 679 der entgegenstehende abstrakte Geschäftsherrnwille unbeachtlich. Die Wechselwirkung ist historisch begründet98. Insbesondere stellte die 1. Kommission einen Zusammenhang zwischen der obligationsbegründenden Norm und den öffentlichen Interessen her99. Sie ist auch aus der systematischen Stellung des § 679100 und seinem Wortlaut101 ableitbar, der, ebenso wie der Titel der Obligation, den Ausdruck „Geschäftsführung“ enthält. Diese Wechselwirkung erlaubt andererseits das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Geschäftsherrn und der Maßgeblichkeit seines Willens für die Obligationsbegründung einerseits und den Interessen der Allgemeinheit an der Ausführung des Geschäfts andererseits abzubilden102. Damit wird eine Kompromisslösung zwischen Verhinderung unangemessener Einmischungen in fremde Angelegenheiten und dem qualifizierten öffentlichen Interesse geschaffen. Die Wechselwirkung zwischen § 677 HS. 1 und § 679 kommt auch der Struktur des § 903 S. 1 nah. Hier schließt sich der Kreis, als dass Gegenstände der Geschäftsbesorgung subjektive Rechtspflichten und subjektive Rechte des Geschäftsherrn sind, die grundsätzlich ohne den Willen ihres Inhabers nicht auskommen können. Der Eingriff in diese Rechte muss daher nach der paradigmatischen Struktur des § 903 S. 1 gerechtfertigt werden. Ein Unterschied ist dennoch festzustellen. § 679 fordert ein qualifiziertes öffentliches Interesse, während bei § 903 S. 1 auch ein öf95 96
Kapitel 5, G., II., 2., S. 247. Kapitel 5, G., II., 3., a), S. 248 f. 97 Kapitel 5, G., II., 3., b), S. 244 ff. 98 Kapitel 5, H., I., S. 253 ff. 99 Kapitel 5, H., I., 2., S. 256 f. 100 Kapitel 5, H., III., S. 259. 101 Kapitel 5, H., II., S. 259. 102 Kapitel 5, H., IV., S. 259 ff.
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fentliches Interesse ausreichen kann. Diese Divergenz ist indes begründet. Im Rahmen von §§ 677 ff. als einem Subordinationsverhältnis wird dem Willen des Geschäftsherrn als Herrn seiner Interessen ein weitgehender Raum für die Entfaltung seiner Willensfreiheit zugestanden.
I. Rechtsnatur der Geschäftsführung ohne Auftrag 39. Echte Geschäftsführung ohne Auftrag stellt eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung dar103. Dies wird aus der Historie deutlich104. Eine gewisse Rechtserheblichkeit ist auch aus dem Spannungsverhältnis zwischen fremdnütziger willkommener Hilfeleistung auf der einen Seite und der unangemessenen Einmischung in fremde Angelegenheiten auf der anderen Seite begründet105.
J. Analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf die Geschäftsführung ohne Auftrag? 40. Eine analoge Anwendung der §§ 104 ff. auf den nicht oder nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer ist aufgrund der speziellen Regelung des § 682 unstatthaft106. Dieser Geschäftsführer behält die aus §§ 677 ff. für ihn resultierenden Rechte107, ist freilich dem Geschäftsherrn nur nach Bereicherungs- und Deliktsrecht verantwortlich108.
K. Analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 auf die Geschäftsführung ohne Auftrag 41. Dagegen ist die analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 begründet. Dies wird aus der Historie und der Einordnung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung deutlich109. Einer Vorschrift wie § 682, die eine Gesetzlücke geschlossen und damit den Weg für die entsprechende Anwendung versperrt hätte, gibt es in Bezug auf Verbotsgesetze und Sittengebote nicht. Die auftragsrechtliche und damit vertragsrechtliche Haftungsstruktur der Geschäftsführung ohne Auftrag verleitet dazu, bei nichtigen Verträgen nach §§ 134, 138, 139 genauso zu verfahren wie bei vertraglichen Verhältnissen110. Dadurch wird sichergestellt, dass die gesetzgeberischen Zwecke der Verbotsgesetze bzw. der Sittengebote durch die Anwendung der §§ 677 ff. nicht konterkariert werden. 103 104
Kapitel 5, I., S. 262 ff. Kapitel 5, I., I., S. 263 ff. 105 Kapitel 5, I., II., S. 266 f. 106 Kapitel 5, J., S. 268 ff. 107 Kapitel 5, J., III., S. 272 ff. 108 Kapitel 5, J., II., S. 270 ff. 109 Kapitel 5, K., S. 277. 110 Kapitel 5, K. II., S. 285 ff.
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Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
42. Die analoge Anwendung des § 817 S. 2 im Rahmen von §§ 677 ff. ist unbegründet. § 817 S. 2 deaktiviert eine Rückabwicklung111. Diese Vorschrift kann daher nur im Rahmen von Rückgewährschuldverhältnissen, in denen der Gesetzgeber dem Anspruchsteller den Rechtsschutz verweigert, ihre Anwendung finden. Die §§ 677 ff. stellen dagegen ein auftragsähnliches Gewährschuldverhältnis dar. Außerdem sind die Anwendungsbereiche zwischen §§ 134, 138, 139 und § 817 S. 2 verschieden. § 817 S. 2 hat einen teils engeren Anwendungsbereich112. Seine analoge Anwendung im Rahmen von §§ 677 ff. würde daher zu kurz greifen. Vielmehr ist die Wechselwirkung zwischen §§ 134, 138, 139 im Gewährschuldverhältnis auf der einen Seite und § 817 S. 2 im Rückgewährschuldverhältnis auf der anderen Seite beizubehalten. Dies wird durch die analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 sichergestellt113.
Kapitel 6: Anwendung der zweigliedrigen subjektiven Theorie auf die Fallgruppen der Geschäftsführung ohne Auftrag A. Tilgung fremder Schulden 43. Die hier vorgeschlagene Konzeption anwendend ergeben sich folgende praktische Auswirkungen auf die Fallgruppen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Geschäftsbesorgungen, die in der Tilgung fremder Schulden bestehen, können abstrakt-interessenwidrig und auch konkret-interessenwidrig sein114. Bei den Ersteren wird die Anwendung der §§ 677 ff. ganz ausgeschlossen. Bei den Letzteren handelt es sich um eine echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677, 684. Geht der Geschäftsherr etwa von einer bereits beglichenen Verbindlichkeit oder von einer nicht existenten Verbindlichkeit aus, ist der abstrakte Ergebnis- bzw. Resultatswille abzulehnen115. Bei diesen Tilgungen fremder Schulden werden die §§ 677 ff. nicht ausgelöst. Vorstellbar wäre, dass in Einzelfällen ein qualifiziertes öffentliches Interesse nach § 679 vorhanden ist. Dabei dürfte es sich um selten vorkommende Ausnahmefälle handeln. Bei den abstrakt-interessengemäßen, aber konkret-interessenwidrigen Geschäftsbesorgungen werden die §§ 677 ff. ausgelöst. Aufgrund der konkreten Interessenwidrigkeit muss sich der Geschäftsführer jedoch mit dem risikobehafteten Anspruch aus §§ 677, 684 begnügen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn durch die Geschäftsbesorgung des Geschäftsführers der Geschäftsherr seine Einreden gegenüber seinem Gläubiger verliert, oder wenn der Ge111
Kapitel 5, K., IV., 3., a), S. 308. Kapitel 5, K., IV., 3., b), S. 309 f. 113 Kapitel 5, K., IV., 3., d), S. 310. 114 Kapitel 6, A., S. 311 ff. 115 Kapitel 6, A., I., S. 311 ff. 112
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schäftsführer es vorzieht, gegenüber dem Gläubiger und nicht gegenüber dem Geschäftsführer zu haften116.
B. Abschleppfälle 44. Aus dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag werden aufgrund der abstrakten Interessenwidrigkeit die Abschleppfälle eliminiert117. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Abschleppfälle in der Konstellation von Selbsthilfeaufwendungen oder in der Konstellation des pflichtgebundenen Geschäftsführers handelt. Die Verlegung des Fahrzeugs an einen anderen Ort widerspricht unabhängig von der Person des Anspruchsstellers dem Ergebniswillen des Geschäftsherrn. Vielmehr stehen bei diesen Fällen der ungerechtfertigte Eingriff in das Eigentumsrecht bzw. Besitzrecht und der Eingriff in die individualschützenden Gesetze nach §§ 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 858 ff. (Selbsthilfeaufwendungen)118, sowie rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen119 – §§ 812 ff. – (pflichtgebundener Geschäftsführer) im Vordergrund. Insbesondere bei den Letzteren würde die Anwendung der §§ 677 ff. die bereicherungsrechtlichen Grundsätze zu Mehrpersonenverhältnissen – der Einwendungserhalt, der Schutz vor Einwendungen Dritter, gerechte Verteilung des Insolvenzrisikos – unterlaufen, indem nach dem Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ein Direktanspruch zugestanden wird. Auch sonst wären die aus §§ 677 ff. resultierenden Rechte bzw. Pflichten sinnwidrig. Das Merkmal des „fremden Geschäfts“ bzw. des Fremdgeschäftsführungswillens vermögen dabei nicht die Anwendungsbereiche der unerlaubten Handlungen und des Bereicherungsrechts zum Recht der echten Geschäftsführung ohne Auftrag abzugrenzen. Sie verfügen nicht über die erforderliche Abgrenzungs- und Differenzierungskraft. Dies zeigt sogleich, wie verfehlt die Beurteilung der Fallgruppen nach diesen Tatbestandsmerkmalen ist. Lediglich bei einem vorliegenden qualifizierten öffentlichen Interesse kann es bei Abschleppfällen Ansprüche aus §§ 677 ff. geben120. Es handelt sich jedoch um Ausnahmefälle.
C. Abmahnfälle 45. Auch die Abmahnfälle werden, vorbehaltlich der Anwendung des § 679, aus dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen121. Das Ergebnis der Geschäftsführung – Hinweis auf die begangene Gesetzesverletzung und das Angebot zur Unterzeichnung einer straf116 117
Kapitel 6, A., II., S. 315 f. Kapitel 6, B., S. 316 ff. 118 Kapitel 6, B., 2., b), S. 320 ff. 119 Kapitel 6, B., III., 2., d), S. 326 f. 120 Kapitel 6, B., II., 2., c), S. 322 f.; Kapitel 6, B., III., 2., c), S. 325 f. 121 Kapitel 6, C., II., S. 331 ff.
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bewährten Unterlassungserklärung – steht im Widerspruch zum Willen des Geschäftsherrn122. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Geschäftsherr die Gesetzesverletzung begehen, demnach nicht abgemahnt werden wollte. Nicht einzusehen ist auch, warum die Vermeidung des gerichtlichen Verfahrens im Interesse des Geschäftsherrn liegen sollte. Vielfach wird der Geschäftsherr klären wollen, ob tatsächlich eine von ihm begangene Gesetzesverletzung vorliegt. Außerdem wird der Geschäftsherr die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wünschen, da er nach Klageerhebung seine Schuld gem. § 93 ZPO sofort anerkennen und somit der Kostenlast entgehen könnte. Durch die Abmahnung wird ihm diese Möglichkeit genommen. Die Heranziehung der §§ 677 ff. ist auch sonst nicht notwendig, weil in § 12 Abs. 1 S. 1 UWG und in § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG spezielle, auf diese Materie zugeschnittene Aufwendungsersatzansprüche kodifiziert sind123. In § 14 Abs. 6 S. 1 MarkenG ist zwar kein Aufwendungsersatzanspruch, sondern ein Schadensersatzanspruch geregelt. Die Gewährung eines verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruchs nach § 677, 683 S. 1, 670 widerspräche aber auch dem das Kennzeichenrecht prägenden Verschuldensprinzip124. Außerdem stehen dem Verletzen Ansprüche aus unerlaubten Handlungen (§ 823) zur Verfügung125. Auch an den Abmahnfällen ist klar zu erkennen, dass die Ablehnung der §§ 677 ff. nach den Merkmalen „fremdes Geschäft“ oder Fremdgeschäftsführungswille nicht überzeugend ist. Diese Merkmale vermögen keine Abgrenzung zu der unangemessenen Einmischung in fremde Angelegenheiten anzubieten126.
D. Nichtige Verträge nach §§ 134, 138, 139 46. Die nach §§ 134, 138, 139 nichtigen Verträge werden aufgrund der analogen Anwendung der §§ 134, 138, 139 aus dem Anwendungsbereich der §§ 677 ff. ausgeschlossen127. Die analoge Anwendung hat zur Folge, dass die von Verbotsgesetzen bzw. Sittengeboten verfolgten Zwecke nicht durch die Anwendung der echten Geschäftsführung ohne Auftrag konterkariert werden. Diese Anwendung verhindert die Auslösung der von §§ 677 ff. ausgehenden Legitimierung. Dadurch wird das Bereicherungsrecht nicht seines Kernanwendungsbereiches – dem der nichtigen Verträge – beraubt und die Kondiktionssperren nach §§ 814, 815, 817 S. 2 werden nicht unterlaufen. Überdies führt die analoge Anwendung der §§ 134, 138, 139 dazu, dass die so bedeutsame Wechselwirkung dieser Vorschriften im Gewährschuldverhältnis zum § 817 S. 2 im Rückgewährschuldverhältnis gewahrt wird. 122 123
Kapitel 6, C., II., 1., S. 331. Kapitel 6, C., II., 3., S. 334 f. 124 Kapitel 6, C., II., 3., S. 334. 125 Kapitel 6, C., II., 3., S. 334. 126 Kapitel 6, C., II., 2., S. 333 f. 127 Kapitel 5, K., S. 277 ff.; Kapitel 6, D., S. 335 ff.
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E. Schönheitsreparaturen 47. Bei Vornahme von Schönheitsreparaturen aufgrund unwirksamer Ausführungspflichten des Mieters wird übersehen, dass es sich um ein spezifisch mietrechtliches Problem handelt128. Bei den Schönheitsreparaturen handelt es sich um Maßnahmen zur Behebung von Mängeln129. Nimmt der Mieter diese vor, obwohl er dazu nicht verpflichtet ist, stellt ihm das Mietrecht zwei Aufwendungsersatzansprüche nach § 536a Abs. 2 und § 539 Abs. 1 zur Verfügung. Bedeutend wird daher das Verhältnis beider Vorschriften zueinander. Nach der überzeugenden Auffassung umfasst § 536a Abs. 2 nur mangelbedingte, während § 539 Abs. 1 nur nicht mangelbedingte Aufwendungen umfasst130. Da es sich bei Schönheitsreparaturen um die Beseitigung von Mängeln handelt, ist der Anwendungsbereich des § 539 Abs. 1 mit seiner Verweisung in die §§ 677 ff. nicht eröffnet. Erst recht dürften die §§ 677 ff. nicht direkt zur Anwendung gelangen.
F. Selbstaufopferung im Straßenverkehr 48. Die Fälle der Selbstaufopferung im Straßenverkehr verbleiben auch nach der hier vertretenen zweigliedrigen subjektiven Theorie im Anwendungsbereich der §§ 677 ff. Diese Geschäftsbesorgungen entsprechen in der Regel sowohl dem abstrakten als auch dem konkreten Interesse des Geschäftsherrn131. Sollte der Wille des Geschäftsherrn der Geschäftsbesorgung entgegenstehen, hilft § 679 den Anwendungsbereich zu eröffnen132.
G. Erbensucherfälle 49. Als äußerst problematisch erweist sich die Fallgruppe der Erbensucherfälle. Anzuerkennen ist dennoch, dass das Ergebnis der Geschäftsführung – Klarheit über die Erbschaft und damit über ihre positive bzw. negative Bilanz – im Interesse des Geschäftsherrn liegt133. Weist die Erbschaft eine positive Bilanz aus, so wird die Ermittlungstätigkeit des Erbensuchers im abstrakten Interesse des Geschäftsherrn liegen. Weist die Erbschaft eine negative Bilanz aus, liegt die Ermittlungstätigkeit des Geschäftsherrn dennoch im Interesse des Geschäftsherrn. Aufgrund des Ausschlagungsrechts des Erben (§§ 1934–1945) drohen diesem keine finanziellen Nachteile. Vielmehr liegt bei Erbensucherfällen eine konkrete Interessenwidrigkeit der Geschäftsbesorgung vor134. Diese besteht darin, dass der Erbensucher wider Willen und Interesse des Geschäfts128
Kapitel 6, E., II., 2., S. 341 ff. Kapitel 6, E., II., 2., b), S. 342 f. Kapitel 6, E., II., 2., c), S. 343 ff. 131 Kapitel 6, F., II., S. 347. 132 Kapitel 6, F., II., S. 347 f. 133 Kapitel 6, G., II., 3., a), S. 352 f. 134 Kapitel 6, G., II., 3., b), S. 353 f. 129 130
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Kapitel 7: Zusammenstellung der Thesen
herrn die Ermittlungstätigkeit an sich gerissen hat. Es handelt sich demnach um eine risikobehaftete echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677, 684. Dieses Ergebnis korrespondiert mit den Zwecken des Erbrechts, insbesondere mit dem Willen des Erblassers und wird der sozial wertvollen Arbeit der Erbensucher gerecht135.
H. Unechte Gesamtschuld 50. Die Fälle der unechten Gesamtschuld gehören nach der hier vertretenen zweigliedrigen subjektiven Theorie restlos nicht dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag an136. Die Leistungen des Unterhaltsverpflichteten gegenüber dem Unterhaltsberechtigten vermögen den Schadensersatzanspruch des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Schädiger aufgrund der Vorschrift des § 843 Abs. 4 nicht zu tilgen. Eine Geschäftsbesorgung, die rechtlich nicht zur Tilgung einer Schuld führen kann, würde der Geschäftsherr selbst nicht vornehmen. Ausnahmslos alle Geschäftsbesorgungen in dieser Fallgruppe sind daher interessenwidrig137. Auch die aus §§ 677 ff. resultierenden Pflichten, insb. Warte- und Anzeigepflicht nach §§ 677, 681 S. 1 wären sinnwidrig. Doch auch § 679 kann hier nicht zur Anwendung der §§ 677 ff. verhelfen138. Dies ist bereits deshalb so, weil in den hier in Frage stehenden Fällen keine Gefahr der Nicht- oder nicht rechtzeitigen Erfüllung der Unterhaltspflichten oder im öffentlichen Interesse liegenden Pflichten droht. Vielmehr ist der Ausgleich nach den speziellen Legalzessionen nach § 86 VVG und nach § 116 SGB X, bzw. soweit diese nicht eingreifen, nach § 255 vorzunehmen139.
I. Gefälligkeiten und die Geschäftsführung ohne Auftrag 51. Nicht in den Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zählen auch solche Geschäftsbesorgungen, die aus Gefälligkeit vorgenommen werden. Dies hat mit der Rechtsnatur der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung zu tun140. Das der Geschäftsführung ohne Auftrag immanente Spannungsverhältnis zwischen der unangemessenen Einmischung in fremde Angelegenheiten und der willkommen fremdnützigen Geschäftsbesorgung tritt bei Gefälligkeiten gar nicht zu Tage und beweist, dass es sich um von rechtlichen Erwägungen losgelöste Fälle handelt141. 135
Kapitel 6, G., II., 3., b), S. 353 f. Kapitel 6, H., II., 2., S. 357 ff. Kapitel 6, H., II., 2., S. 357. 138 Kapitel 6, H., II., 2., S. 373. 139 Kapitel 6, H., II., 3., S. 358 f. 140 Kapitel 6, I., II. S. 361 ff. 141 Kapitel 6, I., II. S. 361 f. 136 137
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J. Suizidfälle 52. Weiterhin gehören auch die Suizidfälle dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag an142. Zwar wird zum Zeitpunkt der Übernahme der Rettung der wirkliche Suizidwille des Geschäftsherrn entgegenstehen. Dieser Wille ist freilich nach § 679 unbeachtlich143. Die Rettung des menschlichen Lebens gehört zum qualifizierten öffentlichen Interesse nach § 679. Die analoge Anwendung der §§ 104 ff. erscheint dagegen unbegründet144. Auch die analoge Anwendung der §§ 134, 138 in Bezug auf den Suizidwillen des Geschäftsherrn vermag nicht zu überzeugen145. Der Geschäftsherr verstößt mit seinem versuchten Suizid gegen kein Verbotsgesetz oder Sittengebot. Außerdem können psychische Interna ohnehin kein Gegenstand von Verbotswidrigkeit bzw. Sittenwidrigkeit sein. Auch bei dieser Fallgruppe zeigt sich die Wechselwirkung zwischen dem Willen des Geschäftsherrn auf der einen Seite und dem gesteigerten öffentlichen Interesse auf der anderen Seite. Dieses Spannungsverhältnis wird durch § 677 HS. 1 und § 679 abgebildet146.
K. Auch-fremde Geschäfte 53. Durch den Ausschluss vieler Fallgruppen aus dem Anwendungsbereich der echten Geschäftsführung ohne Auftrag wird auch die Fallgruppe der „auchfremden Geschäfte“ deutlich eingeschränkt147. Sie wird jedoch nicht restlos eliminiert. Dies widerspräche auch ansonsten dem gesetzgeberischen Willen148. Der Gesetzgeber wollte die §§ 677 ff. nicht versperren, wenn der Geschäftsführer sowohl im fremden als auch im eigenen Rechts- und Pflichtenkreis tätig wird. Dennoch wird es von Fall zu Fall abstrakt-interessenwidrige oder konkret-interessenwidrige Geschäftsbesorgungen geben149. Auch wird § 679 zuweilen zur Eröffnung des Anwendungsbereiches verhelfen150. Diese Fragen sind jedoch im Einzelfall konkret zu beantworten.
142
Kapitel 6, J., II., S. 363 ff. Kapitel 6, J., II., S. 363 f. Kapitel 6, J., II., S. 363. 145 Kapitel 6, J., II., S. 363 f. 146 Kapitel 6, J., II., S. 379 f. 147 Kapitel 6, K., I., S. 365. 148 Kapitel 6, K., II., S. 366 f. 149 Kapitel 6, K., III., S. 366. 150 Kapitel 6, K., III., S. 366 f. 143 144
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Sachregister Abmahnfälle 328 ff. Abschleppfälle 316 ff. – Abschleppunternehmer 316 ff. – Pflichtgebundener Geschäftsführer 323 ff. – Selbsthilfeaufwendungen 317 ff. Abstraktes Interesse 111 ff., 114, 121 f. – Abstrakter Geschäftswille 123, 131 ff. – Abstrakt-interessengemäße Geschäfte 352 f. – Abstrakt-interessenwidrige Geschäfte 113, 319 f., 324, 331 f., 366 f. – Gesamt-interessengerechte Geschäfte 113 – Gesamt-interessenwidrige Geschäfte 113, 125 Abwehrfunktion 73, 142 f. Actio negotiorum gestorum contraria 32, 34 – Actio contraria 56, 58 Actio negoriorum gestorum directa 32, 34 – Actio directa 56 Analoge Anwendung 268 ff., 277 ff., 293 ff., 306 ff. Anzeigepflicht 13, 17, 152, 270 Auch-fremdes-Geschäft 78, 365 ff. Auftrag 271, 285 ff. – Auftragsähnliche Verhältnisse 287 f. – Auftragsrechtliche Haftungsstruktur 271, 285 ff. Aufwendungsersatz 12 Auskunftspflicht 14, 17, 152, 270 Benachrichtigungspflicht 14, 17, 152, 270 Bereicherungsrecht 150 ff., 202 ff., 295 Besitzrechtskette 154
Delikt 205 Deliktsrecht 150 ff., 202 ff. Deliktsrechtliche Haftungstatbestände 207 ff. Denaturierung 22 Durchführung 8, 120 f., 136 Echte Geschäftsführung ohne Auftrag 7, 293 ff. – echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag 8, 9, 12, 128 f., 150 ff., 159 ff., 190 f., 241 f., 327 – echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag 10, 16, 125, 128 f., 161 f., 163 f., 191 f., 241 f., 327 Eigentum 156 f. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 143 ff. Eigentumsrecht 157 f., 211 f. Empirischer Wille 21, 125, 139 Erbensucher 348 ff. Erfüllungstheorien 184 ff. – Theorie der finalen Leistungsbewirkung 185 ff. – Theorie der realen Leistungsbewirkung 185 ff. – Tilgungsbestimmung 186 – Vertragstheorie 185 ff. Ergebniswille 108 f., 115 f., 124 Festnahmerecht 238 ff. Freiwilligkeit 74, 83 f. Fremdes Geschäft 3 ff., 21, 126, 244 ff., 325, 333, 340 f., 350 – objektiv eigen 5, 245 f. – objektiv neutral 5, 245 f. – subjektiv fremd 5, 245 f. Fremdgeschäftsführungsabsicht 74 Fremdgeschäftsführungsbewusstsein 7, 74
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Sachregister
Fremdgeschäftsführungswille 7, 21, 41, 74, 124, 325, 333, 340, 350 Gefälligkeiten 359 ff. Geschäftsbesorgungsgegenstände 92 ff., 115 ff. Geschäftsbesorgungsgründe 106 ff., 115 f., 118 ff. Gewährschuldverhältnis 284, 294, 308 f. Gewinnhaftung 243 Handlungsbegriff 225 f. Handlungsfreiheit 207 f. Handlungsvarianten 109 f. Herausgabepflicht 15, 16, 17, 18, 204, 270 Indikation 216 f. Individualinteressen 213 ff. Inkorporierter Zweck 181 Interdisziplinarität 107 ff. Interessenstrukturlehre 75 f. – Koalitionsverträge 75, 87 – Koordinationsverträge 75, 86 f. – Subordinationsverträge 75, 86 f. Interessenvertretung 139 Juristischer Zirkelschluss 19 Konkretes Interesse 112, 114, 118 f., 121 f., 134 – Konkreter Geschäftswille 123 – Konkret-interessenwidrige Geschäfte 113, 134, 315 f., 353 f. Kreß’sche Schule 178 – Abwicklungszwecke 178 – Austauschzweck 178 – Liberalitätszweck 178 Legitimierungsfunktion 73, 143 ff. Legitimierungswirkung 150 ff., 202 ff. Leistungskondiktion 170 ff. Leitbild 28, 50 Menschhilfe (s. bei Theorie der Menschenhilfe) Mutmaßlicher Wille 9, 130
Negatorischer Schutz 226 f. Nichtige Verträge 335 ff. Nichtigkeit 277 ff. Nichtleistungskondiktion 170 ff., 192 ff., 201 ff. Nicht-so-berechtigter-Besitzer 153 f. Nicht voll Geschäftsfähiger 268 ff. Normativer Wille 21 Normzweck 283 f., 297 ff. Normzwecktheorien 297 ff. Notstand 234 ff. – Aggressiver Notstand 234 f. – Defensiver Notstand 234 f. Notwehr 233 ff. – Dualistische Notwehrlehre 233 f. Numerus clausus 182 f. Nützlichkeit 138 Nutzungsersatzansprüche 145 f. Objektives Recht 223 f. Objektive Theorie 64 ff. – Zuständigkeitstheorie 64 ff. Öffentliches Interesse 127, 160, 252 ff., 261 f., 322, 325 f. Ökonomische Analyse des Rechts 52 Pflicht zum Besitz 152 Psychologie der Entscheidung 107 ff. Präsumtiver Wille 76, 139 Problemlösungsprozess 108 ff. Quasikontrakttheorie 50 ff. – Quasikontrakt 61 – Quasivertrag 55 f., 263 ff. – Theorie vom hypothetischen Vertrag 51 Rechenschaftspflicht 14, 17, 152 Rechtfertigungsgrund 22, 202 ff., 229 ff. – Ausschlussgrund der Widerrechtlichkeit 202 – Erfolgsunrecht 218 ff. – Handlungsunrecht 218 ff. – Rechtswidrigkeitsbegriff 217 ff., 227 ff. – Subjektive Rechte 209 ff. – Subjektive Rechtspositionen 220 ff. – Systematisierung 240 f.
Sachregister
– Widerrechtlichkeit 224 f. – Zuweisungsgehalt 222 Rechtfertigende Einwilligung 229 ff. Rechtsfolgenverweisung 10, 163, 166 f. Rechtsgrund 22, 162 ff., 192 ff., 201 ff. – Behaltensgrund 172 – Einheitstheorie 170 ff. – Finaler Leistungsbegriff 175 – Gesetzeskonkurrenztheorie 164 ff. – Güterschutz 172 – Objektive Rechtsgrundtheorie 173 ff. – Objektiver Leistungsbegriff 174 ff. – Rechtsgrundqualität 169 f. – Rechtswidrigkeitstheorie 192 ff. – Rückabwicklung fehlgeschlagener Güterbewegungen 172 – Subjektive Rechtsgrundtheorie 174 ff. – Subjektiver Leistungsbegriff 174 ff. – Tatbestandstheorien 162 ff. – Trennungstheorie 170 ff. – Zuweisungstheorie 195 ff. Rechtsgrundverweisung 10, 163 Rechtshandlungen 54 ff., 61 f. – Realakt 79 f., 263 ff. – Rechtsgeschäftsähnliche Handlung 54 ff., 61 f., 79 f., 82, 263 ff., 266 ff. Recht zum Besitz 22, 143 ff., 152, 154 ff., 159 f. – Absolute Besitzrechte – Relative Besitzrechte 155 f. Resultatswille (s. Ergebniswille) Rückabwicklungsbereich 309 Schadloshaltungsfunktion 73, 141 f. Schönheitsreparaturen 338 ff. – Entgeltthese 340 f. Selbstaufopferung 346 ff. Selbsthilfe 236 ff. Sittengebot 304 Sittenwidrige Handlungen 215 f. Sonstiges Recht 212 f. Sozialer Sinn 74, 76, 85 f. Spannungsverhältnis 299, 301 Subjektive Interessen 104, 116, 123 Subjektive Pflichten 92 f., 116, 123 Subjektive Rechte 93 ff., 116, 123 – Interessentheorien 94 ff. – Kombinationstheorien 100 ff.
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– Willenstheorien 98 ff. Subjektive Theorie 72 ff. – Funktionserweiterungen 73 – Funktionsveränderungen 73 – Funktionsverschiebungen 73 Subordinationstheorie Subordinationsverhältnis 287 ff., 290 f. – Interessenwahrnehmungsverhältnis 287 – Subordinationscharakter 288 f. – Subordinationsverträge 337 Suizidfälle 362 ff. Theorie der Menschenhilfe 25 ff., 84 f. – Hilfsbedürftigkeit 37, 41, 42, 113 f. – Hilfsmittel 40 f., 120 f. – vermeintliche Menschenhilfe 39 – wirkliche Menschenhilfe 39 Theorie der stillschweigenden Willenserklärung 77 f. Theorie vom hypothetischen Vertrag (s. Quasikontrakttheorie) Tilgung fremder Schulden 311 ff. Übernahme 8, 9, 118 f., 134, 136 – Übernahmewille 9, 78, 118 f., 129, 340 Unechte Gesamtschulden 355 ff. – Legalzessionen 358 f. Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag 7, 11, 130 – Angemaßte Geschäftsführung 5, 11, 18 – Irrtümliche Geschäftsführung 5, 11 – Vermeintliche Geschäftsführung 17 Unerlaubte Handlungen 320 ff. Verbindlichkeit 312 ff. Verbotsgesetz 304 Vermögen 207 Vertrag 263 – Vertragliche Haftungsstruktur 271, 285 ff. – Vertragsrechtliche Verhältnisse 292 f. Verwendungsersatzansprüche 148 f. Verzinsungspflicht 15, 17 Wartepflicht 13, 17
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Sachregister
Wirklicher Wille 81, 119, 125, 139 Zuständigkeitstheorie (s. objektive Theorie) Zweckerreichung 179 Zweckvereinbarung 179 f. Zweckverfehlungskondiktion 302 Zweigliedrige subjektive Theorie 91 ff., 124, 127, 351 f., 363 f. – Abstrakter Geschäftswille 123, 131 ff. – Abstraktes Interesse 111 ff., 114, 121 f. – Abstrakt-interessengemäße Geschäfte 352 f. – Abstrakt-interessenwidrige Geschäfte 113, 125 – Abwehrfunktion 73, 142 f. – Durchführung 8, 120 f., 136 – Empirischer Wille 21, 125, 139
– Ergebniswille 108 f., 115 f., 124 – Konkreter Geschäftswille 123 – Konkretes Interesse 112, 114, 118 f., 121 f., 134 – Konkret-interessenwidrige Geschäfte 113, 134, 315 f., 353 f. – Legitimierungsfunktion 73, 143 ff. – Öffentliches Interesse 127, 160, 252 ff., 261 f., 322, 325 f. – Resultatswille (s. Ergebniswille) – Schadloshaltungsfunktion 73, 141 f. – Subjektive Interessen 104, 116, 123 – Subjektive Rechte 93 ff. – Subjektive Rechtspflichten 92 f. – Übernahmewille 9, 78, 118 f., 129, 340 – Übernahme 8, 9, 118 f., 134, 136 – Wirklicher Wille 81, 119, 125, 139