Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 4 [Reprint 2020 ed.] 9783112345986, 9783112345979


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Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 4 [Reprint 2020 ed.]
 9783112345986, 9783112345979

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Deutsches Lesebuch für

höhere Mädchenschulen berausgegeben

Hon

Karl Kessel.

Teil IV.

Könn 1898,

A. Marcus und E. Webers Verlag.

Mustcrgedichtc. Zum Schulgebrauch allSgewählt von

Kart Messet.

IV. Teil. Bierte, umgearbeitete Auflage.

Kon» 1898, A. Marcus und E. Webers Verlag.

Vorbemerkung. Der vierte Teil dieses Lesebuches, der für die zwei oder drei

obersten Jahrgänge

höherer Mädchenschulen bestimmt

ist

(achtes, neuntes^ zehntes Schuljahr)/ wird hier in einer Form

dargeboteN/

wie sie von sehr vielen Seiten gewünscht worden

ist/ nämlich angeordnet nach zeitlicher Reihenfolge der Berfasser.

Damit jedes Stück möglichst

rasch

aufgestlnden werden

kann/ sind die Register/ bisher schon sehr mannigfach und sorg­

sam angelegt/ noch weiter vervollständigt worden.

Die Gedichte

sind an Umfang um etwa einen Bogen vermehrt, hauptsächlich

dadurch/ daß Schillers Gedichte diesmal in ihrem vollen Umfang abgedruckt worden sind/ indem der Berfasser darin seine eigene Auffassung

zurücktreten

Wünsche.

Auch

ist

ein

liest gegen vielfach ihm ausgesprochene

kurzer Abrist

der

Poetik

beigegeben

worden/ als Ergänzung zu der schon früher vorhandenen Metrik. Der wichtigste Teil der Metrik/ von Den Worten ab: Die

klassische Dichtung des Altertums" (Seite 256) bis Seite 259

(Mitte) ist von Herrn Geheimrat Professor Dr. Wilmanns

zu Bonn

für

die erste Auflage

dieses Buches eigens verfaßt

worden, wofür ich wiederholt dem gefeierten Germanisten meinen verbindlichen Dank ansspreche.

Die Poetik ist nach Wilhelm

Scherers Grundsätzen ausgearbeitet. Im Prosateil

sind

insbesondere

eine Anzahl historischer

Darstellungen von Ranke, Sybel, Treitschke und Scherer hinzu­ getreten,

dafür ist einiges andere weggeblieben,

um den Um­

fang des Bändchens nicht über Gebühr auszudehnen. Die Bezeichnung „Mustergedichte" und „Musterprosa" ist in

den Nebentitel verwiesen und als Hauptitel, um jede Mißdeutung auszuschließen,

die allgemein übliche Benennung Lesebuch ge­

wählt worden.

Sämtliche Stücke sind sorgfältig nach denjenigen Quellen

abgedruckt, die in den beigefügten Quellennachweisen verzeichnet

sind.

Etwaige Abweichungen vom Originaltexte sind daselbst ge­

nau angegeben.

die für die Zeichensetzung

Was die Grundsätze anlangt, maßgebend

gewesen sinh,

merkt werden: wenn

so

möge Folgendes ausdrücklich be­

sind,

diese Sätze vollständig

uni) Prädikat

sammengehören

d. h. ein eigenes Subjekt

eine Ausnahme

haben-

Imperativsätzen,

ein Komma,

Vor Sätzen mit „und" steht

1)

falls

die

(nimm und iß).

ein zwischen zwei

tritt

Imperative

beiden

innerlich

Vor Infinitiven

2)

zu­

mit zu

und um zu steht ein Komma, wenn die Infinitive als verkürzte

Sätze betrachtet werden müssen- wenn jedoch der Infinitiv ohne Zusätze steht oder nur ein sehr kurzer Zusatz ihm vorangeht, ist

das Komma

3)

weggelasscn.

eigenen Nebensatz

bilden,

zuliebe ein Komma. ein Ausrufezeichen. direkter Rede auch

des Vorhergehenden

steht

Bor Vergleichungen,

die keinen

zuweilen der Deutlichkeit

nur

4) Nach Heischesätzen steht in der Regel

5)

Ein Doppelpunkt (:) steht

da, wo

außer

vor

das Folgende als eine Folgerung

erscheint,

besonders wenn ein dies andeu-

6) Die direkte Rede ist stets in An­

tendes Bindewort fehlt.

führungszeichen (Gänsefüßchen) eingeschlosseu.

Der Apostroph blieb auf solche Fälle beschränkt, wo die richtige Auffassung

des Wortsinnes

durch

das

Vorhandensein

eines Apostrophs erleichtert wird.

Die Rechtschreibung

ist

nach Duden durchgeführt,

Bevorzugung von k und z anstatt c,

mit

soweit dies gestattet ist.

Es giebt immerhin auch Fälle, wo selbst Dudens Wörterbuch im Stiche läßt und man auf eigene Auslegung der amtlichen

Regeln angewiesen ist-

man kann eben nicht alle Fälle unter

bestimmte Regeln bringen, so daß oft genug mehrere Schreib­

weisen und mehrere Zeichensetzungen gleichberechtigt erscheinen.

Koblenz, im Oktober 1898.

Dr. Karl Kessel, Direktor der höheren Mädchenschule mib Lehrerinnen-Bildungsanstalt.

Erläuterungen von Gedichten dieser Sammlung findet man u. a. in folgenden Werken: Dietl ein (D), Die Poesie in der Volksschule/ 3 Bde., Berlin 1880. — Dietlein, Pollack re. (DP), Aus beut schen Lesebüchern, 3 Bde., Gera, Hofmann, 1. Bd. 1891, 4. Aufl.; 2. Bd. 1896, 4. Aufl.; 3. Bd. 1893, 3. Aufl. — Götzinger (Gö), Deutsche Dichter, 2 Bde., 5. Aufl., Aarau, 1876—77. — Gude (Gu), Erläuterungen deutscher Dichtungen, 5 Reihen, Leipzig, 1881, 7. Ausl. — Leimbach (Lb), Ausgewählte deutsche Dichtungen, erläutert, Leip­ zig, Kesselring, 1880—1896, bis jetzt 10 Bde. erschienen. — Lüben und Nacke (LN), Einführung in die deutsche Litteratur, 3 Teile, Leipzig, 1882—83, 9. Auflage. Nr. Nr. 42: DP 2, 154. 5: D2,40- DP 2,703- LN 1,303. 43: Gö 1, 640. 7: DP 2, 593; LN 1, 289. 45: DP 2, 76. 9: DP 2, 596. 46: DP 2, 717. 11: LN 1, 332. 12: Gö 1, 171. 48: Gö 1, 639. 52: DP 2, 717. 13: Gö 1, 178. 14: D 3, 297, Gö 1, 182; Gu 2, 59: DP 3, 573; Gö 2, 158; Lb 4, 171. 248; Lb 3, 113; LN 1, 474. 60: Gö 2, 62. 15: Gö 1, 183; Gu 2, 250; Lb 3, 61 : Gö 2, 255. 114. 16: DP 2, 536; Gu 1, 369; Lb 62: D 1, 69; DP 3, 358; Gö2, 1, 154. 167; Lb 4, 29; LR 2, 499. 17: DP 2, 581; Gu 1, 364; Lb 63: DP 3, 373; Gö 2, 190; Gu 1, 149. 1, 170; LN 2, 513. 21: Gö 1, 230; LN 2, 211. 64: D 1, 57; DP 3, 46; Gö 2, 22: Gö 1, 251; Gu 1, 86; Lb 207; Gu 1, 261; Lb 4,104; LN 2, 533. 4, II, 350; LN 2, 223. 25: DP 3, 576; 1, 462; Lb 3, 40; 65: D 1, 93; DP 3, 80; Gö 2, 2 53. 300; Gu 2, 200; 86 4, 181; LN 2, 665. 26: DP 2, 128; Lb 3, 25; LN 66 : Gö 2, 327. 2, 58. 27: DP 3, 426; Lb 3, 38; LN 68 : DP 3,18; Gö 2, 351; Gu 1, 2, 65. 278; Lb 4, 1; LN 2, 589. 70: Gö 2, 403. 30: LN 2, 312. 31: Gu 3, 213. 71: Gö 2, 389; Lb 3, 55. 33: Gö 1, 549. 76: DP 2, 509. 34: DP 2, 551; LN 2, 375. 78: D 2,1; DP 2,637; Lb 1,1. 35: D 2, 47; DP 2, 554; Gö 1, 79: DP 2, 149; Gö 2, 571; Gu 550; Gu 1, 319; LN 2, 347. 4, 130; LN 3, 225. 36: Gö 1, 586. 81: DP 3, 239. 37: D 1, 12; DP 3, 429; Gö 1, 82: DP 3, 202. 580; LN 2, 323. 83: DP 2, 668; Lb 3, 327. 38: Gö, 1 582. 86: D 1, 228; DP 3, 241; Gu 39: DP 3, 421; Gö 1, 590; Gu 4, 74; Lb 3, 157. 1, 147; LN 2, 333. 87: DP 2, 252. 40: Dl,l; DP 3,14; Gö 1,607; 88: Gu 3, 255; Lb 3, 163; LN Gu 1, 297; LN 2, 339. 3, 192. 41: DP 3, 173; Gö 1, 624; Gu 89: D 2, 170; DP 1, 346; Gu 3, 221; LN 2, 343. 1, 313.

90: DP 2, 349; Gu 4, 172. 159 : DP 2, 364; Gu 3, 252; LR 91: DP 2, 322; Lb 4, II, 271. 3, 434. 96: D 2, 182; DP 2, 359; Wit 160: DP 3, 233; Lb 3, 241; LN q 4QQ 3, 342. 97: D 1, 119; Lb 3, 277. 162: DP 471. 99: D 3, 102; DP 2, 392. 164: DP 3, 134; 2, 515. 165: DP 2, 436. 101: DP 2, 613. 102: D 2, 191; DP 1, 433; Gu 172: DP 3, 180; Gu 4, 251; Lb 4, 188. 1, 40; LN 3, 235. 103: D 2, 201; DP 2, 352; Gu 173: D 1 198; DP 2, 590; Gu 1, 242. 3,231; Lb 1,99; LN 3, 227. 174: DP 3, 13. 106: DP 2, 609. 108: D 1, 106; DP 3, 32; Gö 175: DP 2, 141; Gö 2, 579; Lb 2, 446; Gu 1, 287; Lb 4, II, 1, 126; LN 3, 236. 306; LSI 3, 367. 176 : DP 3, 188; LN 3, 647. 109: DP 2, 433 ff. 179: DP 2, 435. 110: DP 3, 27; Gö 2, 469; Gu 180: DP 2, 548. 3, 270; Lb 4, II, 315. 181 : DP 2, 623; Lb 6, 40. 113: D 2, 61; DP 2, 201; Gö 182: DP 3, 279. 2,528; Gu 4,176; Lb 3, 83. 183: DP 2, 634; Lb 3, 72. 115: Lb 3, 93. 186: D 3, 124; DP 2, 664; Gu 117: D 2, 147; DP 2, 336; Gb 2, 295; Lb 1, 227. 2, 515; Gu 4, 157. 187 : DP 2, 557; Lb 1, 258; LN 118: Lb 3, 250. 3, 554. 123: DP 2,598; Gu 2, 257; LN 190: DP 2, 626; LN 3, 547. 3, 485. 193 : D 3, 142; DP 3, 531, Lb 1, 127 : DP 2, 493. 268; LN 3, 551. 128: DP 2, 193. 196 : D 2, 32; DP 2, 429; Lb 129: DP 3, 248. 1, 309; LN 3, 582. 130: DP 3, 250. 197 : DP 2, 622; Gu 4, 327; LN 3, 578. 131: DP 3, 145. 202: DP 3, 79. 135: DP 2, 386. 206: Lb 3, 93. 139: DP 3, 158. 143, i: DP 2, 112. 207 : Lb 3, 256. 144: D 1, 172; DP 2, 167; Gu4, 212: DP 2, 481. 283; Lb 3, 272; LN 3, 469. 216: DP 3, 187; Lb 3, 232. 145 : D 1,176; DP 2, 204; Gu 4, 220: Lb 5, 334. 285; Lb 3, 286; LN 3, 471. 221 : Lb 3, 191. 148: DP 2, 619. 222: DP 2, 744. 226: Lb 6, 469. 151: DP 2, 695. 232: Lb 6, 470. 153: DP 2, 516. 158: DP 2, 445; Gu 4, 148. Man vgl. auch Biehoff (Goethes und Schillers Gedichte er­ läutert, Stuttgart); Düutzer (Kommentar zu Goethes und Schillers Gedichten); Hassenstein (Ludwig Uhland, Leipzig, 1887); Hessel (Dichtungen von Heine, nusgewäblt und erläutert, Bonn, Weber, 1887) u. a.

I.

Altere Dichtungen.

1. Aus dem 16. Jahrhundert und später. Martin Luther (1483—1546). 1.

Fra» Musika (1538).

Vorrede auf alle guten Gesaugbücher.

5

10

15

20

Für allen Freuden auf Erden Kann niemand kein feiner werden, Denn ich geb mit meim Singen Und mit manchem süßem Klingen. Hie kann nicht sein ein böser Mut, Wo da singen Gesellen gut. Hie bleibt kein Zorn, Zank, Haß noch Neid, Weichen muß alles Herzeleid,Geiz, Sorg und was sonst hart anleit, Fährt hin mit aller Traurigkeit. Auch ist ein jeder des wohl frei, Daß solche Freud kein Sünde sei, Sondern auch Gott viel baß gefällt, Denn alle Freud der ganzen Welt: Dem Teufel sie sein Werk zerstört Und verhindert viel böser Mörd. Das zeugt David, des Königes, That, Der dem Saul oft gewehret hat Mit gutem, süßem Harfenspiel, Daß er in großen Mord nicht fiel.

Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

1

25

30

35

40

Zum göttlichen Wort und Wahrheit Macht sie das Herz still und bereit: Solchs hat Elisäus bekannt, Da er den Geist durchs Harfen sand [2. Kön. 3, 15]. Die beste Zeit im Jahr ist mein. Da singen alle Vögelein, Himmel und Erden ist der voll, Viel gut Gesang da lautet wohl. Voran die liebe Nachtigall Macht alles fröhlich überall Mit ihrem lieblichen Gesangs Des muß sie haben immer Dank, Vielmehr der liebe Herre ®ott, Der sie also geschaffen hat., Zu sein die rechte Sängerin, Der Musiken ein Meisterin. Dem singt und springt sie Tag und Nachts Seins Lobes sie nichts müde macht: Den ehrt und lobt auch mein Gesang Und sagt ihm ein ewigen Dank.

Hans Sachs (1494—1576). 2. Johannes mit dem Jüngling (1553) *. Im Hofton Peter Zwingers.

1. Eusebius Beschreiben ist. Wie Johannes Evangelist Kam in der Frist Bei Patmos in ein Stätte, Stärket darin die Christen schwach, Allda er ein Jüngling ersach, Den er darnach Fleißig befehlen thäte

Sachs Eim Bischof, daß Er ihn fürbaß Väterlich sollt verwalten. Der ihn zog auf, Nach dem die Tauf Empfing auch von dem Alten,' Doch fort wen'g Achtung auf ihn hätt, Der Jung Leibs Wollust suchte Und sich zu böser Gsellschast that, Würd' ganz arg und verruchte, 2. Und ein Hauptmann der Mörder war, Mördet und raubt etliche Jahr. Als nun kam dar Johannes in die Statte Und wieder nach dem Jüngling fragt, Als ihm der Bischof solches sagt, Weinet und klagt. Zuhand Johannes hatte Allda begehrt Ein gsattelt Pferd Und ritt hin in den Walde. Der Mörder Häuf Fing ihn bald auf, Da sprach er: „Weist mich balde Zu euerm Hauptmann!" und darnach Kam er zu der Höhl endlich; Bald nun der Jüngling ihn ersach, Da floh er vor ihm schändlich. 3. Johannes aber ihm nachritt, Schrie: „O Sohn, fleuch dein Vater nit, Das ist mein Bitt, Du ärmster aller Armen! Dein Sünde will selb büßen ich,

Christum hab ich beten für dich, Genädiglich Wird er sich dein erbarmen."

[IV] 3

4 [IV]

Sachs.

Volkslieder.

Der Jung unwert Fiel auf die Erd, Bekennt sein Sund und Schulde, Im Seufzen lag Mit Wein'n und Klag. Johannes Gottes Hulde

Den Jüngling wieder leibet ein, Der sich wohl hielt aufrichtig. Drum keim Sünder die christlich Gmein Versage die Buß tüchtig.

3.

Volkslieder. L Mailied.

1. Herzlich thut mich erfreuen die fröhlich Sommerzeit, All mein Geblüt verneuen- der Mai viel Wollust geit. Die Lerch thut sich erschwingen mit ihrem hellen Schall, Lieblich die Vvgelin singen, voraus die Nachtigall. 2. Der Kuckuck mit feint Schreien macht fröhlich jedermann. Des Abends fröhlich reihen die Meidlin wohlgethan,' Spazieren zu den Brunnen pflegt man in dieser Zeit, All Welt sucht Freud und Wunne mit Reisen fern und weit. 3. Es grünet in den Walden, die Bäume blühen frei, Die Röslin auf den Felden, von Farben mancherlei. Ein Blümlin steht im Garten, das heißt Vergißnichtmein, Das edle Kraut Wegwarten macht guten Augenschein. 4. Ein Kraut wächst in der Auen, mit Namen Wohlgemut^ Liebt sehr den schönen Frauen, darzu Holunderblut. Die weiß und roten Rosen hält man in großer Acht, Kann Geld darum gelosen, schön Kränz man daraus macht. 5. Darumb lob ich den Summer, darzu den Maien gut, Der wendet allen Kummer und bringt viel Freud und Mut. Der Zeit will ich genießen, dieweil ich Pfennig hab, Und den es thut verdrießen, der fall die Stiegen ab! 2. O Straßburg.

1. O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt l Darinnen liegt begraben so manicher Soldat.

Volkslieder.

[IV] 5

2. So mancher, so schöner, auch tapferer Soldat, Der Vater und lieb Mutter böslich verlassen hat. 3. Verlassen, verlassen, es kann nicht anders sein! Zu Straßburg, ja zu Straßburg Soldaten müssen sein. 4. Der Vater, die Mutter, die gingen vors Hauptmanns Haus: „Ach, Hauptmann, lieber Herr Hauptmann, gebt mir meinen Sohn heraus!"

5. „Euern Sohn kann ich nicht geben für noch so vieles GeldEuer Sohn, der muß marschieren ins weit und breite Feld, 6. Ins weite, ins breite und auch noch vor den Feind, Wenn gleich sein schwarzbrauns Mädchen so bitter um ihn weint."

7. Sie weinet, sie greinet, sie klaget also sehr: „Ade, Herzallerliebster! wir sehn uns nimmermehr." 3. Schlachtgesang.

Kein seliger Tod ist in der Welt, Als wer fürm Feind erschlagen Auf grüner Heid, im freien FeldDars nicht hörn groß Wehklagen. 5 Im engen Bett, da einer allein Muß an den Todesreihen, Hie aber findt er Gesellschaft fein, Falln mit, wie die Kräuter im Maien. Ich sag ohn Spott: Und Pfeifengesang 10 Kein seliger Tod Wird man begraben, Ist in der Welt, Davon man thut haben Als so man fällt Unsterblichen Ruhm. Auf grüner Heid Mancher Held frumm 20 Ohn Klag und Leid! Hat zugesetzt Leib und Blute 15 Mit Trommelnklang Dem Vaterland zu gute. 4.

Der Flug der Liebe.

1. Wenn ich ein Vöglein wär 'Und auch zwei Flüglein hätt, Mög ich zu dir, Weil es aber nicht kann sein, Wleib ich allhier.

2. Bin ich gleich weit von dir, Bin ich doch im Schlaf bei dir Und red mit dir: Wenn ich erwachen thu, Bin ich allein.

6 LIV]

Volkslieder. 3. Es vergeht keine Stund in der Nachts

Da mein Herze nicht erwacht Und an dich gedenkt,

Daß du mir viel

tausendmal

Dein Herz geschenkt.

5. Gruß. 1. So viel Stern am Himmel stehen, So viel Schäflein, als da gehen In dem grünen grünen Feld,-

So viel Vöglein, als da fliegen, Als da hin und wieder fliegen,

So viel Mal sei du gegrüßt!

2. Weiß nicht, ob auf dieser Erden

Nach viel Trübsal und Beschwerden Ich dich Wiedersehen soll. Was für Wellen, was für Flammen

Schlagen über mir zusammen!

Ach, wie groß ist meine Not! 3. Ja, ich will dich nicht vergessen,

Wenn ich sollte unterdessen Auf dem Todbett schlafen ein.

Auf dem Kirchhof will ich liegen, Wie ein Kindlein in der Wiegen,

Das die Lieb thut wiegen ein.

Opitz.

2.

[IV] 7

17. Jahrhundert und erste Kätfte des 18. Jahr­ hunderts.

Martin Opitz von Boberfeld (1597—1639). 4. Ode. 1. Ich empfinde fast ein Grauen,

Daß, ich/ Plato, für und für Bin gesessen über dir:

Es ist Zeit/ hinaus zu schauen Und sich bei den frischen Quellen In dem Grünen zu ergehn/

Wo die schönen Blumen stehn Und die Fischer Netze stellen.

2. Wozu dienet das Studieren/ Als zu lauter Ungemach?

Unterdessen läuft die Bach Unseres Lebens/ das wir führen/ Ehe wir es inne werden/

Auf ihr letztes Ende hin:

Dann kömmt — ohne Geist und Sinn — Dieses alles in die Erden. 3. Holla, Junger, geh und frage/

Wo der beste Trunk mag sein:

Nimm den Krug und fülle Wein! Alles Trauern, Leid und Klage,

Wie wir Menschen täglich haben, Eh uns Klotho fortgeschafft.

Will ich in den süßen Saft,

Den die Traube giebt, vergraben!

4. Kaufe gleichfalls auch Melonen, Und vergiß des Zuckers nicht. Schaue nur, daß nichts gebricht!

Jener mag der Heller schonen. Der bei seinem Gold und Schätzen

Tolle sich zu kränken pflegt

8 [IV]

Opitz.

Gerhardt.

Und nicht satt zu Bette legt; Ich will, weil ich kann, mich letzen! 5. Bitte, meine gute Brüder: Auf die Musik und ein Glas! Kein Ding schickt sich, dünkt mich, baß, Als ein Trunk und gute Lieder. Laß ich schon nicht diel zu erben, Ei, so hab ich edlen Wein; Will mit andern lustig sein, Wann ich gleich allein muß sterben.

Paul Gerhardt (1607—1676). 5. Sommergesang.

1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud In dieser lieben Sommerzeit An deines Gottes Gaben! Schau an der schönen Gürten Zier, Und siehe, wie sie mir und dir Sich ausgeschmücket haben! 2. Die Bäume stehen voller Laub, Das Erdreich decket seinen Staub Mit einem grünen Kleide. Narzissus und die Tulipan, Die ziehen sich viel schöner an, Als Salomonis Seide. 3. Die Lerche schwingt sich in die Luft, Das Täublein fleugt aus seiner Kluft Und macht sich in die Wälder, Die hochbegabte Nachtigall Ergötzt und füllt mit ihrem Schall Berg, Hügel, Thal und Felder. 4. Die Glucke führt ihr Völklein aus, Der Storch baut und bewohnt sein Haus, Das Schwälblein speist ihr Jungen, Der schnelle Hirsch, das leichte Reh

Gerhardt.

[IV] 9

Ist froh und kommt aus seiner Höh Ins tiefe Gras gesprungen.

5.

Die Büchlein rauschen in dem Sand

Und malen sich und ihren Rand

Mit schattenreichen Mirten,' Die Wiesen liegen hart dabei

Und klingen ganz von Lustgeschrei Der Schaf und ihrer Hirten.

6.

Die unverdroßne Bienenschar

Zeucht hin und her, sucht hier und dar Ihr edle Honigspeise,

Des süßen Weinstocks starker Saft Kriegt täglich neue Stärk und Kraft

In seinem schwachen Reise.

7.

Der Weizen wächset mit Gewalt,

Darüber jauchzet jung und alt

Und rühmt die große Güte

Des, der so überflüssig labt

Und mit so manchem Gut begabt

Das menschliche Gemüte.

8.

Ich selbsten kann und mag nicht ruhn,

Des großen GotreS großes Thun Erweckt mir alle Sinnen:

Ich singe mit, wenn alles singt, Und lasse, was dem Höchsten klingt,

Aus meinem Herzen rinnen.

9.

Ach, denk ich, bist du hie so schön,

Und läßt dus uns so lieblich gehn

Auf dieser armen Erden, Was will doch wohl nach dieser Welt Dort in dem reichen Himmelszelt Und güldnem Schlosse werden?

6. Danklied für die Verkündigung des Friedens (1648). 1. Gottlob, nun ist erschollen das edle Fried- und Freudenwort, Daß nunmehr ruhen sollen die Spieß und Schwerter und ihr Mord!

10 [IV]

Gerhardt.

Wohlauf, und nimm nun wieder

dein Saitenspiel hervor,

O Deutschland! und sing Lieder

im hohen, vollen Chor!

Erhebe dein Gemüte,

und danke Gott und sprich:

Herr, deine Gnad und Güte

bleibt dennoch ewiglich! als schwere StrafundgroßenZorn,

2. Wir haben nichts verdienet,

Weil stets noch bei uns grünet

der freche, schnöde Sündendorn,

Wir sind fürwahr geschlagen

mit harter, scharfer Rut,

Und dennoch muß man fragen:

Wer ist, der Buße thut? Gott ist und bleibet treu,

Wir sind und bleiben böse,

Hilft, daß sich bei uns löse

der Ärieg und sein Geschrei.

3. Sei tausendmal willkommen,

du teure, werte Friedensgab !

Jetzt sehn wir, was für Frommen

dein Beiunswohnen in sich hab.

In dich hat Gott versenket

all unser Glück und Heil,' der driickt ihm selbst den Pfeil

Wer dich betrübt und kränket, Des Herzleids in das Herze

Die güldne Freudenkerze

und löscht aus Unverstand

mit seiner eignen Hand.

4. DaS drückt uns niemand besser in unsre Seel und Herz hinein, Als ihr zerstörten Schlösser und Städte voller Schutt und Stein!

Ihr vormals schönen Felder, Jetzt aber lauter Wälder

mit frischer Saat bestreut,

und dürre, wüste Heid!

Ihr Gräber, voller Leichen Der Helden, derer gleichen

und tapfrem Heldenschweiß

auf Erden man nicht weiß!

5. Hier trübe deine Sinnen,

o Mensch, und laß den Thränenbach

Aus beiden Augen rinnen!

geh in dein Herz und denke nach!

Was Gott bisher gesendet,

das hast du ausgelachch

Nun hat er sich gewendet

und väterlich bedacht,

Vom Grimm und scharfen Dringen

6. Ach, laß dich doch erwecken! Eh als das letzte Schrecken

Wer aber Christum liebet, Der Friede, den er giebet,

Er will die Lehre geben: Da sollt ihr bei Gott leben

zu deinem Heil zu ruhn:

mit Lieb und Gutesthun.

Ob er dich möchte zwingen

wach auf! wach auf! du harte Welt, dich schnell und plötzlich überfällt.

sei unerschrocknes Muts!

bedeutet alles Guts.

Das Ende naht herzu,

in ewgem Fried und Ruh!

Dach.

[IV] 11

Simon Dach (1608—1659). 7. Lied der Freundschaft.

1. Der Mensch hat nichts so eigen, so wohl steht ihm nichts anz und Freundschaft halten kann,

Als daß er Treu erzeigen,

soll treten in ein Band,

Wann er mit seines gleichen

Verspricht sich, nicht zu weichen,

mit Herzen, Mund und Hand.

2. Die Red ist uns gegeben, Für uns nur sollen leben Wir sollen uns befragen

damit wir nicht allein

und fern von Leuten sein: und sehn auf guten Rat,

so uns betreten hat.

Das Leid einander klagen,

3. Was kann die Freude machen,

die Einsamkeit verhehlt?

Das giebt ein doppelt Lachen,

was Freunden wird erzählt.

Der kann fein Leid vergessen,

der es von Herzen sagt:

Der muß sich selbst aussressen,

der in geheim sich nagt.

4. Gott stehet mir vor allen, Dann soll mir auch gefallen,

Mit diesen Bundsgesellen

die meine Seele liebt,'

der mir sich herzlich giebt.

verlach ich Pein und Not,

Geh auf den Grund der Höllen

und breche durch den Tod.

8. Annchen von Tharau 1. Annchen von Tharau ist, die mir gefällt,

Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.

Annchen von Tharau hat wieder ihr Herz

Auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz.

5

Annchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,

Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut! Käm alles Wetter gleich auf uns zu schlahn,

Wir find gesinnt, bei einander zu stahn,-

Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein 10 Soll unsrer Liebe Verknotigung fein. Recht als ein Palmenbaum über sich steigt,

Je mehr ihn Hagel und Regen anficht, 1 Gedichtet 1657 auf die Hochzeit der Anna Neander mit Johann Portatius, einem Freunde des Dichters. Das Original ist samländischniederdeutsch, die vorliegende hochdeutsche Übersetzung ist von'Herder.

12 [IV]

Dach.

Fleming.

So wird die Lieb in uns mächtig und groß Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Not. 15 Wurdest du gleich einmal von mir getrennt, Lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt: Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer, Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer. Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn, 20 Mein Leben schließ ich um deines herum.

Was ich gebiete, wird von dir gethan, Was ich verbiete, das läßt du mir stahn. Was hat die Liebe doch für ein Bestand, Wo nicht ein Herz ist, ein Mund, eine Hand, 25 Wo man sich peiniget, zanket und schlägt Und gleich den Hunden und Katzen beträgt? Annchen von Tharau, das wolln wir nicht thun; Du bist mein Täubchen, mein Schäfchen, mein Huhn. Was ich begehre, ist lieb dir und gut; 30 Ich laß den Nock dir, du läßt mir den Hut. Dies ist uns, Annchen, die süßeste Ruh, Ein Leib und Seele wird aus Ich und Du: Dies macht das Leben zürn himmlischen Reich, Durch Zanken wird es der Hölle gleich.

Paul Fleming (1609—1640). 9. Das treue Herze. 1. Ein getreues Herze wissen Hat des höchsten Schatzes Preis: Der ist selig zu begrüßen, Der ein treues Herze weiß!

Mir ist wohl bei höchstem Schmerze, Denn ich weiß ein treues Herze. 2. Läuft das Glücke gleich zu Zeiten Anders, als man will und meint,

Ein getreues Herz hilft streiten Wider alles, was ist feind. Mir ist wohl bei höchsten: Schmerze, Denn ich weist ein treues Herze. 3. Sein Vergnügen steht alleine In des andern Redlichkeit, Hält des andern Not für feine, Weicht nicht, auch bei böser Zeit. Mir ist wohl bei höchstem Schmerze, Denn ich weiß ein treues Herze. 4. Gunst, die kehrt sich nach dem Glücke, Geld und Reichtum, das zerstäubt, Schönheit läßt uns bald zurücke, Ein getreues Herze bleibt. Mir ist wohl bei höchstem Schmerze, Denn ich weiß ein treues Herze. 5. Eins ist da sein und geschieden: Ein getreues Herze hält, Giebt sich allezeit zufrieden, Steht auf, wenn es nieder fällt. Ich bin froh bei höchstem Schmerze, Denn ich weist ein treues Herze. 10. Gottvcrtrauen.

1. Laß dich nur nichts dauern 2. Was willst du heute sorgen Mit Trauern: Auf morgen? Der eine Sei stille! Wie Gott es fügt, Steht allem für, So sei vergnügt, Er gibt auch dir Mein Wille. Das deine. 3. Sei nur in allem Handel Ohn Wandel: Steh feste! Was Gott beschleußt, Das ist und heißt Das beste.

GrimmelShauscn.

14 [IV]

Christoph von Grimmelshausen (1625—1676). 11. Einsiedlers Abendlied. 1. Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall! Latz deine Stimm mit Freudenschall

Aufs Lieblichste erklingen! Komm, komm, und lob den Schöpfer dein,

Weil andere Vögel schlafen sein

Und nicht mehr mögen singen.

Latz dein

Stimmlein

Laut erschallen! denn vor allen kannst du loben Gott im Himmel hoch dort oben.

2. Obschon ist hin der Sonnenschein Und wir im Finstern müssen sein, So können wir doch singen

Von Gottes Güt und seiner Macht, Weil uns kann hindern keine Nacht, Sein Lob zu vollenbringen.

Drum dein

Stimmlein

Laß erschallen, denn vor allen kannst du loben Gott im Himmel hoch dort oben. 3. Echo, der wilde Wiederhall,

Will sein bei diesem Freudenschall Und lässet sich auch hören: Verweist uns alle Müdigkeit,

Der wir ergeben allezeit,

Lehrt uns den Schlaf bethören. Drum dein

Stimmlein

Laß erschallen, denn vor allen kannst du loben Gott im Himmel hoch dort oben

4. Die Sterne, so am Himmel stehn,

Sich lassen zum Lob Gottes sehn Und Ehre ihm beweisen Die Eul auch, die nicht singen kann,

Zeigt doch mit ihrem Heulen an,

Daß sie Gott auch thu preisen.

Grimmelshausen. Drum dein

15 [IV]

Stimmlein

Laß erschallen, denn vor allen kannst du loben Gott im Himmel hoch dort oben. 5. Nun her, mein liebstes Vögelein:

Wir wollen nicht die faulsten sein Und schlafend liegen bleiben-

Vielmehr bis daß die Morgenrot Erfreuet diese Wälder öd, In Lob Gottes vertreiben.

Laß dein

Stimmlein

Laut erschallen, denn vor allen kannst du loben Gott im Himmel hoch dort oben.

II. Dichtungen aus -er Metten Halste -es 18. Jahrhun-rrts. Borklassische Dichter, besonders Fabeldichter, vgl. man Hagedorn, 1708—1754 (II. Teil)- Gellert, 1715—

1769 (I. II. III.); Gleim, 1719-1803 (II. III.); Lichtwer, 1719—1783 (I.); Pfeffcl, 1736-1809 (I. II.).

Die Klassische Zeit der deutschen Dichtung. 1. KtopstocK. Friedrich Gottlieb Klopstock (1724—1803). 12. Hermann und Thusnelda (1752). 1. „Ha! dort kommt er, mit Schweiß/ mit Römerblute, Mit dem Staube der Schlacht bedeckt! so schön war Hermann niemals! So hals ihm Nie von dem Auge geflammt! 2. Komm! ich bebe vor Lust! reich mir den Adler Und das triefende Schwert! komm, atm' und ruh hier Aus in meiner Umarmung Von der zu schrecklichen Schlacht! 3. Ruh hier, daß ich den Schweiß der Stirn abtrockne Und der Wange das Blut! Wie glüht die Wange! Hermann! Hermann! so hat dich Niemals Thusnelda geliebt! 4. Selbst nicht/ da du zuerst im Eichenschatten Mit dem bräunlichen Arm mich wilder faßtest!

Fliehend blieb ich und sah dir Schon die Unsterblichkeit an.

Klopstock.

[IV] 17

5. Die nun dein ist! Erzählts in allen Hainen, Daß Augustus nun bang mit seinen Göttern Nektar trinket! daß Hermann, Hermann unsterblicher ist!" — 6. „Warum lockst du mein Haar? Liegt nicht der stumme, Tote Vater vor uns? O, hätt Augustus Seine Heere geführt: er Läge noch blutiger da!" — 7. „Laß dein sinkendes Haar mich, Hermann, heben, Daß es über dem Kranz in Locken drohe! Siegmar ist bei den Göttern! Folg du, und wein ihm nicht nach!" 13. Der Eislauf (1764).

1. Vergraben ist in ewige Nacht Der Erfinder großer Name zu oft! Was ihr Geist grübelnd entdeckt, nutzen wir,' Aber belohnt Ehre sie auch? 2. Wer nannte dir den kühneren Mann, Der zuerst am Maste Segel erhob? Ach, verging selber der Ruhm dessen nicht, Welcher dem Fuß Flügel erfand? 3. Und sollte der unsterblich nicht sein, Der Gesundheit uns und Freuden erfand, Die das Roß mutig im Lauf niemals gab, Welche der Reihn selber nicht hat? 4. Unsterblich ist mein Name dereinst! Ich erfinde noch dem schlüpfenden Stahl Seinen Tanz! Leichteres Schwungs fliegt er hin, Kreiset umher, schöner zu sehn. 5. Du kennest jeden reizenden Ton Der Musik, drum gieb dem Tanz Melodie! Mond und Wald höre den Schall ihres Horns, Wenn sie des Flugs Eile gebeut. 6. O Jüngling, der den Wasserkothurn Zu beseelen weiß und flüchtiger tanzt, Hessel, Lesebuch IV.

Gedickte.

2

18 [IV]

Klopstock.

Laß der Stadt ihren Kamin!

Komm mit mir,

Wo des Kristalls Ebne dir winkt! 7. Sein Licht hat er in Düfte gehüllt:

Wie erhellt des Winters werdender Tag Sanft den See!

Glänzenden Reif, Sternen gleich,

Streute die Nacht über ihn aus.

8. Wie schweigt um uns das weiße Gefild! Wie ertönt vom jungen Froste die Bahn! Fern verrät deines Kothurns Schall dich mir,

Wenn du dem Blick, Flüchtling, enteilst. 9. Wir haben doch zum Schmause genug Bon des Halmes Frucht und Freuden des Weins?

Winterluft reizt die Begier nach dem Mahl,Flügel am Fuß reizen sie mehr.

10. Zur Linken wende du dich, ich will Zu der Rechten hin halbkreisend mich drehn,-

Nimm den Schwung, wie du mich ihn nehmen siehst:

Also, iiiin fleug schnell mir vorbei! 11. So gehen wir den schlängelnden Gang An dem langen Ufer schwebend hinab.

Künstle nicht! Stellung wie die, lieb ich nicht,

Zeichnet dir auch freister 1 nicht nach. 12. Was horchst du nach der Insel hinauf?

Unerfahrne Läufer tönen dort her! Huf und Last gingen noch nicht übers Eis,

Netze noch nicht unter ihm fort. 13. Sonst späht dein Ohr ja alles- vernimm, Wie der Todeston wehklagt aus der Flut!

O, wie tönts anders! wie hallts, wenn der Frost Meilen hinab spaltet den See! 14. Zurück! laß nicht die schimmernde Bahn

Dich verführen, weg vom Ufer zu gehn!

Denn wo dort Tiefen sie deckt, strömts vielleicht, Sprudeln vielleicht Quellen empor.

1 Preis!er war damals Professor an der Malerakademie zu Kopen­ hagen. Dort ist auch die vorliegende Ode entstanden.

Klopstock.

[IV] 19

15. Den ungehörten Wogen entströmt, Dem geheimen Quell entrieselt der Tod! Glittst du auch leicht, wie dies Laub, ach! dorthin,

Sänkest du doch, Jüngling, und stürbst.

14. Die frühen Gräber (1764). 1. Willkommen! o, silberner Mond, Schöner, stiller Geführt der Nacht! Du entfliehst? eile nicht, bleib, Gedankenfreund! Sehet, er bleibt! das Gewölk wallte nur hin. 2. Des Maies Erwachen ist nur Schöner noch wie die Sommernacht, Wenn ihm Tau, hell wie Licht, aus der Locke traust Und zu dem Hügel herauf rötlich er kommt. 3. Ihr Edleren, ach, es bewächst Eure Male schon ernstes Moos! O, wie war glücklich ich, als ich noch mit euch Sahe sich röten den Tag, schimmern die Nacht!

15. Die Sommernacht (1766). 1. Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab In die Wälder sich ergießt und Gerüche Mit den Düften von der Linde In den Kühlungen wehn, 2. So umschatten mich Gedanken an das Grab Der Geliebten, und ich seh in dem Walde Nur es dämmern, und es weht mir Von der Blüte nicht her. 3. Ich genoß einst, o ihr Toten, es mit euch.

Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung, Wie verschönt warst von dem Monde Du, o schöne Natur!

Claudius.

20 [IV]

2. Der Göttinger Aichterkreis. Matthias Claudius (1740—1815). *16. Abendlied. 1.

Der Mond ist aufgegangen.

Die goldnen Sternlein prangen

Am Himmel hell und klarDer Wald steht schwarz und schweiget.

Und aus den Wiesen steiget Der weiße Nebel wunderbar.

2.

Wie ist die Welt so stille

Und in der Dämmrung Hülle So traulich und so hold!

Als eine stille Kammer,

Wo ihr des Tages Jammer Verschlafen und vergessen sollt. 3.

Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen

Und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, Die wir getrost belachen,

Weil unsre Augen sie nicht sehn.

4.

Wir stolze Menschenkinder

Sind eitel arme Sünder

Und wissen gar nicht vielWir spinnen Luftgespinste Und suchen viele Künste Und kommen weiter von dem Ziel.

5.

Gott, laß uns dein Heil schauen.

Auf nichts Vergünglichs trauen,

Nicht Eitelkeit uns freun!

Laß uns einfältig werden Und vor dir hier auf Erden

Wie Kinder fromm und fröhlich fein t

6.

Wollst endlich sonder Grämen

Aus dieser Welt uns nehmen

[IV] 21

Claudius. Durch einen sanften Tod!

Und wenn du uns genommen, Laß uns in Himmel kommen, Du unser Herr und unser Gott!

7.

So legt euch denn, ihr Brüder,

In Gottes Namen nieder; Kalt ist der Abendhauch. Verschon uns, Gott! mit Strafen,

Und laß uns ruhig schlafen

Und unsern kranken Nachbar auch!

17. Bei dem Grabe meines Vaters. 1.

Friede sei um diesen Grabstein her,

Sanfter Friede Gottes!

Ach, sie haben

Einen guten Mann begraben,

Und mir war er mehr2.

Träufte mir von Segen, dieser Mann,

Wie ein milder Stern aus bessern Welten-

Und ich kanns ihm nicht vergelten, Was er mir gethan. 3.

Er entschlief, sie gruben ihn hier ein.

Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben, Und ein Ahnen von dem ewgen Leben

Düft um sein Gebein,

4.

Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr,

Freundlich wird erwecken! — Ach, sie haben Einen guten Mann begraben,

Und mir war er mehr.

18. Der Tod. Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer, Tönt so traurig, wenn er sich bewegt

Und nun aufhebt seinen schweren Hammer

Und die Stunde schlägt.

22 [IV]

Stolberg.

Claudius.

19. Die Liebe. Die Liebe hemmet nichts-

sie kennt nicht Thür noch Rieget

Und dringt durch alles fidj; Sie ist ohn Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel Und schlägt sie ewiglich.

20. Wohlthaten. Wohlthaten, still und rein gegeben, Sind Tote, die im Grabe leben,

Sind Blumen, die im Sturm bestehn,

Sind Sternlein, die nicht untergehn.

Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750—1819). 21. Der Felsenstrom. Unsterblicher Jüngling! du strömest hervor Aus der Felsenkluft.

Kein Sterblicher sah

Die Wiege des Starken- es hörte kein Ohr-

Das Lallen des Edlen im sprudelnden Ouell.

5

Wie bist du so schön in silbernen Locken!

Wie bist du so furchtbar Im Donner der hallenden Felsen umher!

Dir zittert die Tanne.

Du stürzest die Tanne

Mit Wurzel und Haupt. 10 Dich fliehen die Felsen.

Du haschest die Felsen

Und wälzest sie spottend wie Kiesel dahin.

Dich kleidet

die Sonne in Strahlen des Ruhmes.

Sie malet mit Farben des himmlischen Bogens

Die schwebenden Wolken der stäubenden Flut.

15

Was eilst du hinab zum grünlichen See? Ist dir nicht wohl beim näheren Himmel? Nicht wohl im hallenden Felsen?

Nicht wohl im hangenden Eichengebüsch?

O, eile nicht so zum grünlichen See! 20 Jüngling, du bist noch stark wie ein Gott,

Frei wie ein Gott.

Zwar lächelt dir unten die ruhende Stille, Die wallende Bebung des schweigenden Sees, Bald silbern vom schwimmenden Monde, 25 Bald golden und rot im westlichen Strahl: O Jüngling, was ist die seidene Ruhe, Was ist das Lächeln des freundlichen Mondes, Der Abendsonne Purpur und Gold Dem, der in Banden der Knechtschaft sich fühlt? 30 Noch strömest du wild, wie dein Herz gebeut. Dort unten herrschen oft ändernde Winde, Oft Stille des Todes im dienstbaren See. O, eile nicht so 511m grünlichen See! Jüngling, noch bist du stark wie ein Gott, 35 Frei wie ein Gott.

Johann Heinrich Voß (1751—1826). 22. Der siebzigste Geburtstag. Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens, Saß der redliche Tamm, seit vierzig Jahren des Dorfes Organist, im geerbten und künstlich gebildeten Lehnstuhl, Mit braunnarbichtem Jucht voll schwellender Haare bepolstert. 5 Oft die Hände gefaltet und oft mit lauterem Murmeln Las er die tröstenden Sprüch nnb Ermahnungen. Aber allmählich Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer. Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Jacke,Denn er feierte heute den siebzigsten frohen Geburtstag, 10 Und ihm hatte sein Sohn, der gelehrte Pastor in Marlitz, Jüngst vier Flaschen gesandt voll alten balsamischen Rheinweins Und gelobt, wenn der Schnee in den hohlen Wegen es irgend Zuließ, ihn zu besuchen mit seiner jungen Gemahlin. Eine der Flaschen hatte der alte Mann bei der Mahlzeit 15 Fröhlich des Siegels beraubt und mit Mütterchen auf die Gesundheit Ihres Sohnes geklingt und seiner jungen Gemahlin, Die er so gerne noch sähe vor seinem seligen Ende.

24 [VI] Auf der Postille lag

Voß.

sein silberfarbenes Haupthaar,

von violettenem Sammets

Seine Brill und die Mütze

20 Mit Fuchspelze verbrämt und geschmückt mit goldener Troddel. und die Fenster mit reinen Gardinen

Mütterchen hatte das Bett

Ausgeziert, die Stube gefegt und mit Sande gestreuet, Über den Tisch die Decke mit roten Blumen gebreitet des Feigenbaums an dem Fenster,

Und die bestäubten Blätter

25 Auch der Winterlevkoj und des Rosenbusches gereinigt, Samt dem grünenden Korb

Maililien hinter dem Ofen.

die zinnernen Teller und Schüsseln

Ringsum blinkten gescheurt

Auf dem Gesims, und es hingen

30 Desem und Mangelholz

ein paar stettinische Krüge,

die Feuerkieke von Messing,

Blaugeblümt, an den Pflöcken,

und die zierliche Elle von Nußbaum.

vom Greise gestimmt und besaitet,

Aber das grüne Klavier,

Stand mit bebildertem Deckel

und schimmerte,- unten befestigt,

auf dem Pult ein offenes Choralbuch.

Hing ein Pedal,- es lag

Auch den eichenen Schrank, mit geflügelten Köpfen und Schnörkeln,

35 Schraubenförmigen Füßen

und Schlüsselschilden von Messing

(Ihre selige Mutter,

die Küsterin, kauft ihn zum Brautschatz),

Hatte sie abgestäubt

und mit glänzendem Wachse gebohnet.

ein Hund und ein züngelnder Löwe,

Oben stand auf Stufen

Beide von Gips, Trinkgläser mit eingeschliffenen Bildern, 40 Zween Theetöpfe von Zinn und irdene Tassen und Äpfel.

Jetzo erhob sie sich

vom binsenbeflochtenen Spinnstuhl,

auf knirrendem Sande zur Wanduhr

Langsam, trippelte leise

Hin und knüpfte die Schnur

Daß den Greis nicht weckte

des Schlaggewichts an den Nagel, das klingelnde Glas und der Kuckuck-

45 Sah dann hinaus, wie des Schnees

dichtstöbernde Flocken am

Fenster

Nieselten, und wie der zuckende Sturm Rauscht' und verwehte die Spuren

in den Eschen des Hofes

der hüpfenden Krähn an der

Scheune.

Und sie schüttelt' das Haupt

und flüsterte halb, was sie dachte:

„Lieber Gott, wie es stürmt

und der Schnee in den Gründen sich aufhäuft!

50 Arme reisende Leute!

Kein Mensch wohl jagte bei solchem

Votz.

[IV] 25

Wetter den Hund aus der Thüre, wer seines Viehs sich erbarmet! Ab er mein Sohn kommt doch

zum Geburtstag! gar zu besonders

Wühlt mir das Herz! und seht,

wie die Katz auf dem Tritte des

Schnurrt und ihr Pfötchen leckt

Tisches und Bart und Nacken sich putzet!

55 Das bedeutet ja Fremde,

nach aller Vernünftigen Urteil!" mit zitternden Händen in Ordnung,

Sprachs und setzte die Tassen

Füllte die Zuckerdos

und scheuchte die sumsenden Fliegen,

Die ihr Mann mit der Klappe verschont, Nahm zwei irdene Pfeifen,

Tabak auf den zinnernen Teller.

60 Von dem Gesims und legte

mit leiser, heiserer Stimme

Jetzo ging sie und rief

Aus der Gesindestube

zur Wintergesellschaft -

mit grünen Posen gezieret,

Marie vom rummelnden Spulrad,

Wo sie gehaspeltes Garn

von der Wind abspulte zum Weben:

„Scharre mir Kohlen, Marie,

65 Kien und Torf hinein

aus dem tiefen Ofen, und lege

und dürres buchenes Stammholz-

Aber sacht, daß der Vater

vom Mittagsschlummer nicht aufwacht.

Sinkt das Feuer zu Glut,

dann schiebe den knorrigen Klotz nach-

Denn der alte Vater, das wissen wir, klaget beständig Über Frost und sucht die Sonne sogar in der Ernte. 70 Auch die Kinderchen hätten

ein warmes Stübchen wohl notig."

Also sprach sie; da scharrte Marie Legte Feurung hinein

aus dem Ofen die Kohlen,

und weckte die Glut mit dem Blasbalg,

Hustend, und schimpfte den Rauch und wischte die thränenden Augen.

Aber Mütterchen brannt am Feuerherd in der Pfanne 75 Über der Glut den Kaffee und rührt ihn mit hölzernem Löffel. Knatternd schwitzten die Bohnen

und bräunten sich, während ein dicker

Duftender Qualm aufstieg,

die Küch und die Diele durchräuchernd.

Und sie langte die Mühle herab Schüttete Bohnen darauf

vom Gesimse des Schornsteins,

und nahm sie zwischen die Kniee,

80 Hielt mit der Linken den Rumpf unddrehtedenKnopfmitderRechten-

Sammelt auch oft haushältrisch die hüpfenden Bohnen vom Schoße; Goß dann auf braunes Papier

den grobgemahlenen Kaffee.

Aber nun hielt sie mitten im Lauf Wandte sich gegen Marie,

die rasselnde Mühl an,

die den Ofen schloß, und gebot ihr:

Vosz.

26 [IV]

85

„Eile, Marie, und sperre den wachsamen Hund in den Holzstall, Daß/ wenn der Schlitten kommt, sein Gebell den Vater nicht wecke.

Aber versäumt auch Thoms, vor dunkler Nacht von dem Fischer Unsere Karpfen zu holen? Aus Vorsicht bring ihm den Beutel.

90

Wenn er auch etwas Holz, die Gans am Spieße zu braten, Splitterte! Bring ihm das Beil, und bedeut ihn. Dann im

Steig auf den Taubenschlag,

Also sprach sie; da eilte

95

100

Vorbeigehn und sieh, ob der Schlitten nicht

ankommt!" die fleißige Magd aus der Küche,

Nahm von der rußichten Wand das Beil und den maschigen Beutel; Lockte mit schimmligem Brote den treuen Monarch in den Holzstall, Krampte Die Thüre zu und ließ ihn kratzen und winseln; Lief durch den Schnee in die Scheune, wo Thoms mit gewaltiger Arbeit Häckerling schnitt, denn ihn fror, und bedeutet' ihn; eilte dann weiter, Stieg auf den Taubenschlag und pustete, rieb sich die Hände, Steckte sie unter die Schürz und schlug sich über die Schultern. Jetzo sah sie im Nebel des fliegenden Schnees, wie der Schlitten Dicht vor dem Dorfe vom Berg herklingelte; stieg von der Leiter Eilend herab und brachte der alten Mutter die Botschaft. Hastig enteilte die Mutter mit bebenden Knieen, ihr Herz schlug Ängstlich, ihr Atem war kurz, und im Laufen entflog der Pantoffel.

105

Jene ging zu der Pfort und öffnete. Näher und näher Kam das Gekling und das Klatschen der Peitsch und der Pferde Getrampel; Und nun schwebte der Schlitten herein durch die Pforte des Hofes, Hielt an der Thür, und es schnoben, beschneit und dampfend, die Pferde. Mütterchen eilte hinzu: „Willkommen!" rief sie, „Willkommen!"

110

Küßt' und umarmte den lieben Sohn, der zuerst aus dem Schlitten Sprang, und half der Tochter aus ihrem zottigen Fußsack, Löst' ihr die samtne Kapuz und küßte sie; Thränen der Freude Rannen von ihrem Gesicht auf die schönen Wangen der Tochter. „Aber wo bleibt mein Vater? er ist doch gesund am Geburtstag?"

Müller.

Botz.

115 Fragte der Sohn- da tuschte

mit winkenden Händen die Mutter:

„Still, er schläft! nun laßt die

Urrd dann weck ihn mit Küssen,

Armes Kind, das Gesicht Aber die Stub ist warm,

[IV] 27

beschneiten Mäntel euch abziehn-

du liebe, trauteste Tochter!

ist dir ganz rot Dort dem Ostwind. und gleich soll der Kaffee bereit sein!"

120 Also sprach sie und hängt' an gedrechselte Pflöcke die Mäntel, Öffnete leise die Klink und ließ die Kinder hineingehn. Aber die junge Frau

mit schönem, lächelnden Antlitz

Hüpfte hinzu und küßte

des Greises Wange- erschrocken

Sah er empor und hing

in seiner Kinder Umarmung.

Postille — Predigtbuch- Kalrnank — glänzender Wollenstoff Maililien — Maiblumen- Feuerkieke — Wärmepfanne für die FüßeDesem — Schnellwage- Posen — Federkiele, auf das Mundstück der Tabakspfeifen gesteckt.

Man vergleiche auch Bürger, 1747—1704 (II., III. Teil); Hölty, 1748-1776 (III.)- Miller, 1750—1814 (III.).

3. Sturm und Drang. Friedrich Müller (Maler Müller- 1749—1825). 23. Soldatknabschied.

1. Heute scheid ich, heute wandr ich, Keine Seele weint um mich.

Sinds nicht diese, sinds doch andre,

Die da trauern, wenn ich wandre:

Holder Schatz, ich denk an dich. 2. Auf dem Bachstrom hängen Weiden, In den Thälern liegt der Schnee!

Trautes Kind, daß ich muß scheiden, Muß nun unsre Heimat meiden,

Tief im Herzen thut mirs weh.

3. Hunderttausend Kugeln pfeifen Über meinem Haupte hin!

Wo ich fall, scharrt man mich nieder,

28 [IV]

Müller.

Herder.

Ohne Klang und ohne Lieder, Niemand fraget, wer ich bin.

4. Du allein wirst um mich weinen, Siehst du meinen Todesschein.

Trautes Kind, sollt er erscheinen, Thu im Stillen um mich weinen

Und gedenk auch immer mein!

5. Heb zum Himmel unsern Kleinen, Schluchz: nun tot der Vater dein!

Lehr ihn beten! gieb ihm Segen!

Reich ihm seines Vaters Degen! Mag die Welt sein Vater sein.

6. Hörst? die Trommel ruft zu scheiden: Drück ich dir die weiße Hand!

Still die Thränen! laß mich scheiden! Muß nun für die Ehre streiten,

Streiten für das Vaterland.

7. Sollt ich unter freiem Himmel Schlafen in der Feldschlacht ein,

Soll aus meinem Grabe blühen, Soll auf meinem Grabe glühen

Blümchen süß: Vergißnichtmein!

4.

Kerder.

Johann Gottfried von Herder (1744—1803). 24. Sprüche aus dem Morgenland. I. Verschiedener Umgang. 1. Sohn, die Freundschaft mit den Bösen, Mit Gleichgültigen und Guten Sei dir ja nicht einerlei.

2. Ein Tropfen Regenwasser Fiel auf ein glühend Eisen Und war nicht mehr,-

Herder.

3. Er fiel auf eine Blume Und glänzt' als eine Perle

Und blieb ein Tröpfchen Tau.

4. Er sank in eine Muschel

Zur segenreichen Stunde

Und ward zur Perle selbst. II. Freundschaft.

Wie der Schatten früh am Morgen Ist die Freundschaft mit den Bösen:

Stund auf Stunde nimmt sie ab. Aber Freundschaft mit den Guten Wächset wie der Abendschatten,

Bis des Lebens Sonne sinkt.

25. Das Kind der Sorge. 1. Einst saß am murmelnden Strome

Die Sorge nieder und sann; Da bildet im Traum der Gedanken

Ihr Finger ein leimernes Bild. 2. „Was hast du, sinnende Göttin?"

Spricht Zeus, der eben ihr naht. „Ein Bild, von Thone gebildet/

Belebst ich bitte dich, Gott." 3. „Wohlan denn, lebe! — Es lebet! Und mein sei dieses Geschöpf!" Dagegen redet die Sorge:

„Nein, laß es, laß es mir, Herr! 4. Mein Finger hat es gebildet." —

„Und ich gab Leben dem Thon," Sprach Jupiter.

Als sie so sprachen,

Da trat auch Tellus hinan.

5. „Mein ists! sie hat mir genommen Von meinem Schoße das Kind." —

„Wohlan!" sprach Jupiter, „wartet! Dort kommt ein Entscheider, Saturn."

[IV] 2A

Herder.

30 [IV]

6. Saturn sprach: „Habet es alle! So wills das hohe Geschick. Du, der das Leben ihm schenkte,

Nimm, wenn es stirbet, den Geist -

7. Du, Tellus, seine Gebeine, Denn mehr gehöret dir nicht -

Dir, seiner Mutter, o Sorge, Wird es im Leben geschenkt! 8. Du wirst, so lang es nur atmet,

Es nie verlassen, dein Kind.

Dir ähnlich, wird es von Tage

Zu Tage sich mühen ins Grab." 9. Des Schicksals Spruch ist erfüllet,

Und Mensch heißt dieses Geschöpf. Im Leben gehört es der Sorge,

Der Erd im Sterben und Gott.

26. Der gerettete Jüngling. Eine schöne Menschenseele finden

Ist Gewinn- ein schönerer Gewinn ist Sie erhalten, und der schönst und schwerste, Sie, die schon verloren war, zu retten.

5

Sankt Johannes, aus dem öden Patmos Wiederkehrend, war, was er gewesen,

Seiner Herden Hirt.

Er ordnet ihnen

Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.

In der Menge sah er einen schönen 10 Jüngling- fröhliche Gesundheit glänzte

Bom Gesicht ihm, und aus seinen Augen Sprach die liebevollste Feuerseele.

„Diesen Jüngling," sprach er zu dem Bischof, „Nimm in deine Hut! mit deiner Treue

15 Stehst du mir für ihn! hierüber zeuge

Mir und dir vor Christo die Gemeine!" Und der Bischof nahm den Jüngling zu sich, Unterwies ihn, sah die schönsten Früchte

Herder.

[IV] 31

In ihm blühn, und weil er ihm vertraute,

20 Ließ er nach von seiner strengen Aufsicht. Und die Freiheit war ein Netz des JünglingsAngelockt von süßen Schmeicheleien,

Ward er müßig, kostete die Wollust, Dann den Reiz des fröhlichen Betruges,

25 Dann der Herrschaft Reiz- er sammelt um sich Seine Spießgesellen, und mit ihnen

Zog er in den Wald, ein Haupt der Räuber. Als Johannes in die Gegend wieder Kam, die erste Frag an ihren Bischof

30 War: „Wo ist mein Sohn?" — „Er ist gestorben!" Sprach der Greis und schlug die Augen nieder.

„Wann und wie?" — „Er ist Gott abgestorben, Ist (mit Thränen sag ich es) ein Räuber." —

„Dieses Jünglings Seele," sprach Johannes,

35 „Fordr ich einst von dir.

Jedoch wo ist er?" —

„Auf dem Berge dort!" — „Ich muß ihn sehen!"

Und Johannes, kaum dem Walde nahend,

Ward ergriffen- eben dieses wollt er. „Führet," sprach er, „mich zu eurem Führer!"

40

Vor ihn trat er, und der schöne Jüngling

Wandte sich- er konnte diesen Anblick Nicht ertragen.

„Fliehe nicht, o Jüngling,

Nicht, o Sohn, den waffenlosen Vater,

Einen Greis! Ich habe dich gelobet

45 Meinem Herrn und muß für dich antworten. Gerne geb ich, willst du es, mein Leben Für dich hin- nur dich fortan verlassen Kann ich nicht! Ich habe dir vertrauet,

Dich mit meiner Seele Gott verpfändet."

50 Weinend schlang der Jüngling seine Arme Um den Greis, bedeckete sein Antlitz,

Stumm und starr- dann stürzte statt der Antwort Aus den Augen ihm ein Strom von Thränen.

Auf die Kniee sank Johannes nieder,

32 [IV]

Herder.

55 Küßte seine Hand und seine Wange, Nahm ihn neugeschenket vom Gebirge,

Läuterte sein Herz mit süßer Flamme. Jahre lebten sie jetzt unzertrennet Mit einander- in den schönen Jüngling 60 Goß sich ganz Johannes schöne Seele. Sagt, was war es, was das Herz des Jünglings Also tief erkannt und innig festhielt Und es wiederfand und unbezwingbar

Rettete? Ein Sankt-Johannes-Glaube, 65 Zutraun, Festigkeit und Lieb und Wahrheit.

27. Erlkönigs Tochter.

5

10

15

20

Herr Oluf reitet spät und weit, Zu bieten auf seine Hochzeitleut Da tanzen die Elfen auf grünem Land, Erlkönigs Tochter reicht ihm die Hand. „Willkommen, Herr Oluf, was eilst von hier? Tritt her in den Reihen, und tanz mit mir!" — „Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag, Frühmorgen ist mein Hochzeittag." — „Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir! Zwei güldne Sporen schenk ich dir; Ein Hemd von Seide so weiß und fein, Meine Mutter bleichts mit Mondenschein." — „Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag, Frühmorgen ist mein Hochzeittag." — „Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir! Einen Haufen Goldes schenk ich dir." — „Einen Haufen Goldes nahm ich wohlDoch tanzen ich nicht darf noch soll." — „Und willt, Herr Oluf, nicht tanzen mit mir, Soll Seuch und Krankheit folgen dir!" Sie that einen Schlag ihm auf sein Herz, Noch nimmer fühlt er solchen Schmerz.

Herder.

[IV] 33

Goethe.

Sie hob ihn bleichend auf sein Pferd: „Reit heim nun zu deinem Fräulein wert!" 25 Und als er kam vor Hauses Thür, Seine Mutter zitternd stand dafür.

„Hör an, mein Sohn, sag an mir gleich, Wie ist deine Farbe blaß und bleich?" — „Und sollt sie nicht sein blaß und bleich? 30 Ich traf in Erlenkönigs Reich." — „Hör an, mein Sohn, so lieb und traut, Was soll ich nun sagen deiner Braut?" —

„Sagt ihr, ich sei im Wald zur Stund, Zu proben da mein Pferd und Hund." Frühmorgen, und als es Tag kaum war, Da kam die Braut mit der Hochzeitschar. Sie schenkten Met, sie schenkten Wein: „Wo ist Herr Oluf, der Bräutgam mein?" — „Herr Oluf, er ritt in Wald zur Stund, 40 Er probt allda sein Pferd und Hund." — Die Braut hob auf den Scharlach rot, Da lag Herr Oluf, und er war tot. 35

5.

Goethe.

Johann Wolfgang von Goethe

(1749—1832).

28. Der Wandrer (1771). Wandre r.

Gott segne dich, junge Frau, Und den säugenden Knaben An deiner Brust! Laß mich an der Felsenwand hier 5 In des Ulmbaums Schatten Meine Bürde werfen, Neben dir ausruhn! Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

F r a u.

Welch Gewerbe treibt dich Durch des Tages Hitze Den staubigen Pfad her?

Bringst du Waren aus der Stadt Im Land herum? Lächelst, Fremdling, Über meine Frage?

3

10

Goethe.

34 [IV] Wandre r.

15 Keine Waren bring ich aus der Stadt. Kühl wird nun der Abend,-

Zeige mir den Brunnen, Draus du trinkest, Liebes junges Weib!

Die ihr eures Meisters Andacht Tausend Enkeln zeigen solltet. 40 Frau.

Staunest, Fremdling, Diese Stein' an? Droben sind der Steine viel Um meine Hütte.

F r a u.

20 Hier den Felsenpfad hinauf! Geh voran! durchs Gebüsche Geht der Pfad nach der Hütte,

Drin ich wohne, Zu dem Brunnen, 25 Den ich trinke. Wandrer.

Spuren ordnender Menschen­ hand Zwischen dem Gesträuch? Diese Steine hast du nicht gefügt, Reichhinstreuendc Natur! Frau. 30 Weiter hinauf! Wandre r.

Von

gedeckt ein Architrav? Ich erkenne dich, bildenderGeist! Hast dein Siegel in den Stein geprägt. dem

MooS

Frau.

Weiter, Fremdling!

Wandrer. 35 Eine Inschrift, über die ich trete? Nicht zu lesen! Weggewandelt seid ihr, Tiefgegrabene Worte,

Wandrer. Droben?

45 Frau.

Gleich zur Linken Durchs Gebüsch hinan: Hier!

Wandrer. Ihr Musen und Grazien!

F r a u. Das ist meine Hütte.

50

Wandrer. Eines Tempels Trümmer!

Frau. Hier zur Seit hinab Quillt der Brunnen, Ten ich trinke.

W a n d r e r. Glühend webst du Über deinem Grabe,

Genius! über dir Ist zusammengestürzt Dein Meisterstück, O, du Unsterblicher! Frau. Wart, ich hole das Gefäß

Dir zum Trinken! Wandrer.

Epheu hat deine schlanke

55

60

Goethe.

[IV] 35

Schwimmend, ruhig atmet!

Götterbildung umkleidet,'

Du, geboren über Resten

65 Wie du emporstrebst Säulenpaar!

Heiliger Vergangenheit, Ruh ihr Geist auf dir!

Und bu, einsame Schwester dort.

Welchen der umschwebt,

Wie ihr,

Wird in Götterselbstgefühl

Aus dem Schutts

70 Düstres Moos auf dem heiligen Haupt,

Majestätisch

trauernd

herab­

schaut

Jedes Tags genießen.

Voller Keim, blüh auf,

Des glänzenden Frühlings Und leuchte vor deinen Gesellen!

Zu euern Füßen,

Und welkt die Blütenhülle weg,

Eure Geschwister!

Dann steig aus deinem Busen

des

Brombeergesträuches

Die volle Frucht

105

Schatten

Und reife der Sonn entgegen!

Deckt sie Schutt und Erde,

Frau. Gesegn es Gott! — Und schläft

Und hohes Gras wankt drüber hin!

Schätzest du so, Natur, Deines Meisterstücks

er noch?

Ich habe nichts zum frischen

Meister­ stück?

80 Unempfindlich zertrümmerst du Dein Heiligtum? Säest Disteln drein?

Frau. Wie der Knabe schläft! Willst du in der Hütte ruhn,

85 Fremdling? Willst du hier Lieber in dem Freien bleiben?

Trunk, Als ein Stück Brot, das ich dir

bieten kann.

Wandrer. Ich danke dir!

Schlafe, Lieber! schlaf!

Wandrer. do Süß ist deine Ruh!

Wies, in himmlischer Gesundheit

HO

Wie herrlich alles blüht umher Und grünt!

Frau. Mein Mann wird bald Nach Hause sein Vom Feld.

O, bleibe, bleibe, 115

Es ist kühl! Nimm den Knaben,

Daß ich Wasser schöpfen gehe!

100

Herrlicher Schmuck,

Auf die zertrümmerten

75 In

95

Mann,

Und iß mit uns das Abendbrot!

Wandrer. Ihr wohnet hier?

Frau. Da, zwischen dem Gemäuer her!

Goethe.

36 [IV]

Die Hütte baute noch mein Vater 120 Aus Ziegeln und des Schuttes Steinen. Hier wohnen wir. Es gab mich einem Ackersmann Und starb in unsern Armen.— Hast du geschlafen^ liebes Herz? 125 Wie ermunter ist und spielen will!

Du Schelm!

Wandrer. Natur! du ewig keimende. Schaffst jeden zum Genuß des Lebens, Hast deine Kinder alle mütterlich 130 Mit Erbteil ausgestattet, einer Hütte. Hoch baut die Schwalb an das Gesims, Unfühlend, welchen Zierat Sie verklebtDie Raup umspinnt den goldnen Zweig 135 Zum Winterhaus für ihre BrutUnd du stickst zwischen der Ver­ gangenheit Erhabne Trümmer Für deine Bedürfniß Eine Hütte, o Mensch, 140 Genießest iiber Gräbern! — Leb wohl, du glücklich Weib! Frau. Du willst nicht bleiben?

Wandrer. Gott erhalt end'), Segn euern Knaben! F r a ii. Glück auf den Weg! Wandrer. Wohin führt mich der Pfad

Dort übern Berg? Frau. Nach Cuma. W a n d r e r. Wie weit ists hin? F r a u. Drei Meilen gut. W a n d r e r. Leb wohl!

O, leite meinen Gang, Natur! Den Fremdlings-Reisetritt, Den über Gräber Heiliger Vergangenheit Ich wandle. Leit ihn zum Schutzort, Borm Nord gedeckt, Und wo dem Mittagsstrahl Ein Pappelwäldchen wehrt. Und kehr ich dann Am Abend heim Zur Hütte, Vergoldet vom letzten Sonnen­ strahl, Laß mich empfangen solch ein Weib, Den Knaben auf dem Arm!

29. Das Veilchen (1772). 1. Ein Veilchen auf der Wiese stand. Gebückt in sich und unbekannt-

Goethe.

[IV] 37

Es war ein herzigs Veilchen. Da kam eine junge Schäferin

Mit leichtem Schritt und munterm Sinn Daher, daher, Die Wiese her und sang. 2. „Ach!" denkt das Veilchen, „wär ich nur Die schönste Blume der Natur, Ach! nur ein kleines Weilchen,

Bis mich das Liebchen abgepflückt

Und an dem Busen matt gedrückt!

Ach! nur, ach! nur

Ein Viertelstündchen lang!" 3. Ach! aber, ach! das Mädchen kam

Und nicht in acht das Veilchen nahm,

Ertrat das arme Veilchen. Es sank und starb und freut' sich noch: „Und sterb ich denn, so sterb ich doch

Durch sie, durch sie, Zu ihren Füßen doch!"

30. Mahomets Gesang (1773)T. A.

Seht den Felsenquell,

Freudehell, Wie ein Sternenblick! F. Über Wolken

5 Nährten seine Jugend

Gute Geister

Zwischen Klippen im Gebüsch. A.

Jünglingfrisch

Tanzt er aus der Wolke

10 Auf die Marmorfelsen nieder,

Jauchzet wieder Nach dem Himmel.

1 Für ein vom Dichter entworfenes Drama „Mahomet" be­ stimmt, als Wechselgesang Alis und Fatemas an Mahomet.

Goethe.

38 [IV]

F.

Durch die Gipfelgänge

Jagt er bunten Kieseln nach, 15 A. Und mit frühem Führertritt Reißt er seine Bruderquellen

Mit sich fort. F. Drunten werden in dem Thal Unter seinem Fußtritt Blumen,

20 Und die Wiese Lebt von seinem Hauch. A. Doch ihn hält kein Schattenthal, Keine Blumen, Die ihm seine Knie umschlingen, 25 Ihm mit Liebesaugen schmeicheln: Nach der Ebne dringt sein Lauf Schlangenwandelnd. F. Bäche schmiegen Sich gesellig an. Nun tritt er 30 In die Ebne silberprangend, A. Und die Ebne prangt mit ihm, Und die Flüsse von der Ebne Und die Bäche von den Bergen Jauchzen ihm und rufen: 35 A. F. „Bruder, Bruder, nimm die Brüder mit! F. Mit zu deinem alten Barer, Zu dem ewgen Ozean, Der mit ausgespannten Armen 40 Unser wartet, Die sich, ach! vergebens öffnen, Seine sehnenden zu fassen,' A. Denn uns frißt in öder Wüste Gierger Sand; die Sonne droben 45 Saugt an unserm Blut,' ein Hügel Hemmet uns zum Teiche! Bruder, Nimm die Brüder von der Ebne, Nimm die Brüder von den Bergen

Goethe. A. F.

50

A.

Mit, zu deinem Vater mit!" — „Kommt ihr alle!" —

Und nun schwillt er

Herrlicher- ein ganz Geschlechte

Trägt den Fürsten hoch empor.

Und im rollenden Triumphe 55 Giebt er Ländern Namen, Städte Werden unter seinem Fuß. F.

Unaufhaltsam rauscht er weiter,

Läßt der Türme Flammengipfel, Marmorhäuser, eine Schöpfung

60 Seiner Fülle, hinter sich. A.

Zedernhüuser trägt der Atlas

Auf den Riesenschultern: sausend Wehen über seinem Haupte

Tausend Flaggen durch die Lüfte, 65 Zeugen seiner Herrlichkeit. F.

Und so trägt er seine Brüder,

Seine Schätze, seine Kinder,

Dem erwartenden Erzeuger

Freudebrausend an das Herz.

31. Der König in Thnle (1774). 1. Es war ein König in Thule, Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab.

2. Es ging ihm nichts darüber, Er leert' ihn jeden Schmaus,-

Die Augen gingen ihm über,

So oft er trank daraus. 3. Und als er kam zu sterben, Zählt' er seine Städt im Reich, Gönnt' alles seinem Erben,

Den Becher nicht zugleich.

[IV] 39

Goethe.

40 [IV]

4.

Er saß beim Königsmahle/

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale Dort auf dem Schloß am Meer.

5. Dort stand der

alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

6.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer.

Die Augen thäten ihm sinken, Trank nie einen Tropfen mehr.

32. Auf dem See (1775). Und frische Nahrung, neues Blut Saug ich auS freier Welt;

Wie ist Natur so hold und gut, Die mich am Busen hält! 5 Die Wette wieget unsern Äahn

Im Rudertakt hinauf, Und Berge, wolkig himmelan, Begegnen unserm Lauf.

Aug, mein Aug, was sinkst du nieder?

10 Goldne Träume, kommt ihr wieder?

Weg, du Traum! so gold du bist; Hier auch Lieb und Leben ist. Auf der Welle blinken

Tausend schwebende Sterne,-

15 Weiche Nebel trinken Rings die türmende Ferne-

Morgenwind umflügelt Die beschattete Bucht,

Und im See bespiegelt

20

Sich die reifende Frucht.

Goethe.

33. Jägers Abendlied (1775). 1. Im Felde schleich ich still und wild,

Gespannt mein Feuerrohr,

Da schwebt so licht dein liebes Bild, Dein süßes Bild mir vor.

2. Du wandelst jetzt wohl still und mild

Durch Feld und liebes Thal, Und ach! mein schnell verrauschend Bild,

Stellt sich dirs nicht einmal? 3. Des Menschen, der die Welt durchstreift

Voll Unmut und Verdruß, Nach Osten und nach Westen schweift, Weil er dich lassen muß.

4. Mir ist es, denk ich nur an dich, Als in den Mond zu sehn-

Ein stiller Friede kommt auf mich,

Weiß nicht, wie mir geschehn.

34. Meeresstille und glückliche Fahrt (um 1777).

Tiefe Stille herrscht im Wasser, Ohne Regung ruht das Meer, Und bekümmert sieht der Schiffer-

Glatte Fläche ringsumher.

5

Keine Luft von keiner Seite! Todesstille fürchterlich! In der ungeheuren Weite

Reget keine Welle sich.

Die Nebel zerreißen, 10

Der Himmel ist Helle, Und Äolus löset

Das ängstliche Band. Es säuseln die Winde, Es rührt sich der Schiffer.

15

Geschwinde! Geschwinde!

[IV] 41

Es teilt sich die Welle, Es naht sich die FerneSchon seh ich das Land. 35. Wandrers Nachtlied (1776).

Der du von dem Himmel bist, Alles Leid und Schmerzen stillest, Den, der doppelt elend ist, Doppelt mit Erquickung füllest — Ach, ich bin des Treibens müde! Was soll all der Schmerz und Lust' Süßer Friede------Komm, ach! komm in meine Brust! 36. Ein gleiches (1780).

Über allen Gipfeln Ist RuhJn allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch: Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur! balde Ruhest du auch. 37. Der Fischer (vor 1778).

1. Das Wasser rauscht', das Wasser sciwoll, Ein Fischer saß daran, Sah nach dem Angel ruhevoll, Kühl bis ans Herz hinan. Und wie er sitzt, und wie er lauscht, Teilt sich die Flut empor: Aus dem bewegten Wasser rauscht Ein feuchtes Weib hervor. 2. Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm: „Was lockst du meine Brut Mit Menschenwitz und Menschenlist

[IV] 43

Goethe. Hinauf in Todesglut?

Ach, wüßtest btt/ wies Fischlein ist So wohlig auf dem Grund, Du stiegst herunter, wie du bist, Und würdest erst gesund.

3. Labt sich die liebe Sonne nicht,

Der Mond sich nicht im Meer?

Kehrt wellenatmend ihr Gesicht Nicht doppelt schöner her?

Lockt dich der tiefe Himmel nicht Das feuchtverklärte Blau? Lockt dich dein eigen Angesicht

Nicht her in ewgen Tau?"

4. Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, Netzt' ihm den nackten FußSein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll, Wie bei der Liebsten Gruß. Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihmDa wars um ihn geschehn:

Halb zog sie ihn, halb sank er hin Und ward nicht mehr gesehn.

38. Gesang der Geister über den Wassern (1779). Erster Geist. Des Menschen Seele Gleicht dem Wasser.

Zweiter Geist. Vom Himmel kommt esErster Geist. Zum Himmel steigt es,

5

Erster Geist. Strömt von der hohen,

Steilen Felswand Der reine Strahl,

10

Dann stäubt er lieblich

In Wolkenwellen Zum glatten Fels,

Und leicht empfangen,

Zweiter Geist. Und wieder nieder

Wallt er verschleiernd,

Zur Erde muß es,

Leisrauschend

Ewig wechselnd.

Zur Tiefe nieder.

15

44 [IV]

Goethe.

Zweiter G e i st. Ragen Klippen

Wind ist der Welle

Dem Sturz entgegen,

Lieblicher Buhler -

Erster Geist.

20 Schäumt er unmutige Stufenweise

Zweiter Geist. Wind mischt vom Grund aus 30

Zum Abgrund.

Schäumende Wogen.

Erster Geist. Erster Geist.

Im flachen Bette Schleicht er das Wiesenthal

Hin-

Seele des Menschen, Wie gleichst du dem Wasser!

Zweit er Geist.

25 Und in dem glatten See Weiden ihr Antlitz

Zweiter Geist.

Schicksal des Menschen, Wie gleichst du dem Wind!

35

Alle Gestirne.

*39. Erlkönig (1781). 1. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem KindEr hat den Knaben wohl in dem Arm,

Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. 2. „Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?" — „Siehst, Vater, du den (Srlföniß nicht? Den Erlenkönig mit Kron und Schweif?" — „Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif." —

3.

„Du liebes Kind, komm, geh mit mir!

Gar schöne Spiele spiel ich mit dir-

Manch bunte Blumen sind an dem Strand,

Meine Mutter hat manch gülden Gewand." —

4. „Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, Was Erlenkönig mir leise verspricht?" —

„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!

In dürren Blättern säuselt der Wind." —

5.

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?

Meine Töchter sollen dich warten schönMeine Töchter führen den nächtlichen Reihn

Und wiegen und tanzen und singen dich ein." —

Goethe.

6.

„Mein Vater, mein Vater, und sieht du nicht dort

Erlkönigs Töchter am düstern Ort?" — „Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:

Es scheinen die alten Weiden so grau." —

7. „Ich liebe

dich, mich reizt deine schöne Gestalt,-

Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." — „Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!

Erlkönig hat mir ein Leids gethan!" —

8.

[IV] 45

Dem Vater grausets, er reitet geschwind.

Er hält in Armen das ächzende Kind,

Erreicht den Hof mit Mühe und Not-

Jn seinen Armen das Kind war tot.

40. Der Sänger (1782). 1. „Was hör ich draußen vor dem Thor,

Was auf der Brücke schallen?

Laß den Gesang vor unserm OhrIm Saale wiederhallen!" Der König sprachs, der Page lief-

Der Knabe sunt, der König rief:

„Laßt mir herein den Alten!"

2. „Gegrüßet

seid mir, edle Herrn,

Gegrüßt ihr, schöne Damen!

Welch reicher Himmel!

Stern bei Stern!

Wer kennet ihre Namen?

Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit

Schließt, Augen, euch! hier ist nicht Zeit, Sich staunend zu ergötzen."

3. Der Sänger drückt die Augen ein Und schlug in vollen Tönen -

Die Ritter schauten mutig drein Und in den Schoß die Schönen.

Der König, dem das Lied gefiel,

Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel,

Eine goldne Kette reichen.

Goethe.

46 [IV]

4. „Die goldne Kette gieb mir nichts Die Kette gieb den Rittern, Bor deren kühnem Angesicht Der Feinde Lanzen splittern!

Gieb sie dem Kanzler, den du hast, Und laß ihn noch die goldne Last

Zu andern Lasten tragen!

5. Ich singe, wie der Vogel singt, Der in den Zweigen wohnet,-

Das Lied, das aus der Kehle dringt, Ist Lohn, der reichlich lohnet. Doch, darf ich bitten, bitt ich eins:

Laß mir den besten Becher Weins In purem Golde reichen!"

6. Er setzt' ihn an, er trank ihn aus: „O, Trank voll süßer Labe! O, wohl dem hochbeglückten Haus,

Wo das ist kleine Gabe! Ergehts euch wohl, so denkt an mich, Und danket Gott so warm, als ich Für diesen Trunk euch danke."

41.

Aus Wilhelm Meister (1782 und später). Mignon.

1.

I.

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,

Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

Tie Mirte still und hoch der Lorbeer steht? Kennst du es wohl? — Dahin! Dahin Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

2.

Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,

Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,

Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:

Was hat man dir, du armes Kind, gethan? Kennst du es wohl? — Dahin! Dahin

Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.

Goethe. 3.

Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?

Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg-

Jn Höhlen wohnt der Drachen alte BrutEs stürzt der Fels und über ihn die Flut.

Kennst du ihn wohl? — Dahin! Dahin Geht unser Weg! o Vater, laß uns ziehn!

1.

Mignon. II. Heiß mich nicht rcben, heiß mich schweigen,

Denn mein Geheimnis ist mir PflichtIch möchte dir mein ganzes Innre zeigen,

Allein das Schicksal will es nicht.

2.

Zur rechten Zeit vertreibt der Sonne Lauf

Die finstre Nacht, und sie muß sich erhellen -

Der harte Fels schließt seinen Busen auf, Mißgönnt der Erde nicht die tiefverborgnen Quellen.

3.

Ein jeder sucht im Arm des Freundes Nuh,

Dort kann die Brust in Klagen sich ergießen -

Allein ein Schwur drückt mir die Lippen zu,

Und nur ein Gott vermag sie aufzuschließen.

1.

Mignon. III. So laßt mich scheinen, bis ich werde-

Zieht mir das weiße Kleid nicht aus! Ich eile von der schönen Erde Hinab in jenes feste Haus.

2.

Dort ruh ich eine kleine Stille,

Dann öffnet sich der frische Blick-

Ich lasse dann die reine Hülle,

Den Gürtel und den Kranz zurück. 3.

,

Und jene himmlischen Gestalten,

Sie fragen nicht nach Mann und Weib,

Und keine Kleider, keine Falten

Umgeben den verklärten Leib. 4.

Zwar lebt ich ohne Sorg und Mühe,

Doch fühlt ich tiefen Schmerz genung.

Vor Kummer altert' ich zu früheMacht mich auf ewig wieder jung!

[IV] 47

48 [IV]

Goethe.

Harfenspieler. 1.

Wer nie sein Brot mit Thränen aß,

Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend saß/ Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!

2.

Ihr führt ins Leben uns hinein,

Ihr laßt den Armen schuldig werden, Dann überlaßt ihr ihr: der Pein/ Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.

42. Gefunden (1813). 1. Ich ging im Walde

„Soll ich zum Welken

So für mich hin,

Gebrochen sein?"

Und nichts zu suchen,

4. Ich grubs mit allen

Das war mein Sinn.

Den Würzlein aus,

2. Im Schatten sah ich

Zum Garten trug ichs

Ein Blümchen stehn,

Am hübschen Haus

Wie Sterne leuchtend. Wie Äuglein schön.

Am stillen Ort/

5. Und pflanzt' es wieder

3. Ich wollt es brechen,

9cun zweigt eS immer

Da sagt es fein:

Und bliiht so fort.

43. Episteln (1794). I. Edler Freund, du wünschest

daS Wohl des Menschengeschlechtes,

Unserer Deutschen besonders

und ganz vorzüglich des nächsten

Bürgers, und fürchtest die Folgen

5 Leider ost sie gesehn.

gefährlicher Bücher/ wir haben

Was sollte man, oder was könnten

Biedere Männer vereint,

was könnten die Herrscher bewirken?

Ernst und wichtig erscheint mir die Frage, In vergnüglicher Stimmung.

doch trifft sie mich eben

Im warmen, heiteren Wetter

Glänzet fruchtbar die Gegend, mir bringen liebliche Lüfte 10 Über die wallende Flut süß duftende Kühlung herüber, Und dem Heitern erscheint

Schwebt die Sorge mir nur

die Welt auch heiter, und ferne

in leichten Wölkchen vorüber.

[IV] 49

Goethe.

Sag ich, wie ich es denke/

so scheint durchaus mir: es bildet

Nur das Leben den Mann/

und wenig bedeuten die Worte.

15) Denn zwar hören wir gern,

was unsre Meinung bestätigt. die Meinung- was uns zuwider

Aber das Hören bestimmt nicht

dem künstlichen Redner;

Wäre, glaubten wir wohl

doch eilet

gewohnte Bahnen zu suchen.

Unser befreites Gemüt,

und willig gehorchen, so mußt du

Sollen wir freudig horchen

20 Schmeicheln. Sprichst du zum Volke, zu Fürsten und Königen, allen

worin als wirklich erscheinet.

Magst du Geschichten erzählen,

sie selber zu leben begehrten.

Was sie wünschen und was Also hört ich einmal

am wohlgepflasterten Ufer

allwo man geflügelte Löwen

Jener neptunischen Stadt,

25 Göttlich verehrt, ein Märchen erzählen.

Im Kreise geschlossen,

sich um den zerlumpten Rhapsoden.

Drängte das horchende Volk

„Einst," so sprach er, „verschlug mich der Sturm ans Ufer der Insel,

Die Utopien heißt.

Ich weiß nicht, ob sie ein andrer

Dieser Gesellschaft jemals betrat-

sie lieget im Meere,

Ich ward gar freundlich empfangen,

30 Links von Herkules Säulen.

In ein Gasthaus führte man mich,

Essen und Trinken sand

woselbst ich das beste

und weiches Lager und Pflege.

So verstrich ein Monat geschwind.

Ich hatte des Kummers

Völlig vergessen und jeglicher Not-

da fing sich im stillen

wie wird die Zeche dir leider

35 Aber die Sorge nun an:

Nach der Mahlzeit bekommen?

Denn nichts enthielte der Seckel

Reiche mir weniger! bat ich den WirtDesto mehr.

Da wuchs mir die Angst,

Essen und sorgen und sagte zuletzt: 40 Billig zu machen, Herr Wirt!

Sah von der Seite mich an,

er brachte nur immer

ich konnte nicht länger

Ich bitte, die Zeche

Er aber mit finsterem Auge ergriff den Knittel und schwenkte

Unbarmherzig ihn über mich her

und traf mir die Schultern,

Traf den Kopf und hätte beinah

mich zu tobe geschlagen.

Eilend lief ich davon

und suchte Richter- nrnu holte

45) Gleich den Wirt, der ruhig erschien

Also müß es allen ergehn, Unserer Insel verletzen

die das heilige Gastrecht

und unanständig und gottlos

Zeche verlangen vom Manne, Hessel, Lesebuch IV.

und bedächtig versetzte:

Gedichte.

der sie doch höflich bewirtet. 4

50 [IV]

Goethe.

Sollt ich solche Beleidigung dulden Nein! es hätte fürwahr

50

Mir im Busen gewohnt,

wofern ich dergleichen gelitten.

Darauf sagte der Richter zu mir:

Denn Ihr habt die Strafe verdient,

Vergesset die Schläge!

ja, schärfere Schmerzen,-

und mitbewohnen die Insel,

Aber wollt Ihr bleiben

55

im eigenen Hause?

statt meines Herzens ein Schwamm nur

Müsset Ihr Euch erst würdig

beweisen und tüchtig zum Bürger.

Ach! versetzt ich, mein Herr,

ich habe leider mich niemals

So hab ich auch keine Talente,

Gerne zur Arbeit gefügt.

Die den Menschen bequemer ernähren,' man hat mich im Spott nur

Haus Ohnsorge genannt

und mich von Hause vertrieben.

versetzte der Richter- du sollst dich

O, so sei uns gegrüßt!

60

Oben setzen zu Tisch,

wenn sich die Gemeine versammelt, den du verdienest, erhalten.

Sollst im Rate den Platz, Aber hüte dich Wohl,

65

daß nicht ein schändlicher Rückfall

Dich zur Arbeit verleite,

daß man nicht etwa das Grabscheit

Oder das Ruder bei dir

im Hause finde! du wärest

Gleich auf immer verloren

und ohne Nahrung unb Ehre.

Aber aus dem Markte zu sitzen,

die Tänze der Mädchen, der Knaben

Unserer Sänger, zu sehn

die du gelobest und schwörest!"

Spiele, das werde dir Pflicht,

70

und heiter waren die Stirnen

So erzählte der Mann,

Aller Hörer geworden, Solche Wirte zu finden,

die Anne geschlungen zu hören lustige Lieder

Uber dem schwellenden Bauch,

und alle wünschten des Tages,

ja, solche Schläge 311 dulden.

II. Würdiger Freund, du runzelst die Stirn? dir scheinen die Scherze

Nicht am rechten Orte zu sein?

die Frage war ernsthaft?

Und besonnen verlangst du die Antwort? da weiß ich, beim Himmel! Nicht, wie eben sich mir

5

der Schalk im Busen bewegte.

Doch ich fahre bedächtiger fort.

Meinetwegen die Menge

Du sagst mir: „So möchte

sich halten im Leben und Lesen,

Wie sie könnte- doch denke dir nur

die Töchter im Hause,

Die mir der kuppelnde Dichter mit allem Bösen bekannt macht!"

Dem ist leichter geholfen,

10

Denken möchte.

Die Mädchen

versetz ich, als es ein andrer

sind gut und machen sich gerne

Was zu schaffen. Da gib nur dem einen die Schlüssel zum Keller, Daß es die Weine des Vaters besorge, sobald sie, vom Winzer Oder von: Kaufmann geliefert, die weiten Gewölbe bereichern. Manches zu schaffen hat ein Mädchen, die vielen Gefäße, 15 Leere Fässer und Flaschen in reinlicher Ordnung zu halten. Dann betrachtet sie oft des schäumenden Mostes Bewegung, Gießt das Fehlende zu, damit die wallenden Blasen Leicht die Öffnung des Fasses erreichen, trinkbar und Helle Endlich der edelste Saft sich künftigen Jahren vollende. 20 Unermüdet ist sie alsdann, zu füllen, zu schöpfen, Daß stets geistig der Trank und rein die Tafel belebe. Laß der andern die Küche zum Reich- da giebt es, wahrhaftig! Arbeit genug, das tägliche Mahl durch Sommer und Winter Schmackhaft stets zu bereiten und ohne Beschwerde des Beutels. 25 Denn im Frühjahr sorget sie schon, im Hofe die Küchlein Bald zu erziehen und bald die schnatternden Enten zu füttern. Alles, was ihr die Jahrszeit giebt, das bringt sie bei Zeiten Dir auf den Tisch und weiß mit jeglichem Tage die Speisen Klug zu wechseln, und reift nur eben der Sommer die Früchte, 30 Denkt sie an Vorrat schon für den Winter. Im kühlen Gewölbe Gährt ihr der kräftige Kohl und reifen im Essig die Gurken,Aber die luftige Kammer bewahrt ihr die Gaben Pomonens. Gerne nimmt sie das Lob vom Vater und allen Geschwistern, Unb mißlingt ihr etwas, dann ists ein größeres Unglück, 35 Als wenn dir ein Schuldner entläuft und den Wechsel zurückläßt. Immer so ist das Mädchen beschäftigt und reifet im Stillen Häuslicher Tugend entgegen, den klugen Mann zu beglücken. Wiinfchtsie dann endlich zu lesen, so wählt sie gewißlich ein Kochbuch, Deren Hunderte schon die eifrigen Pressen uns gaben. 40 Eine Schwester besorget den Garten, der schwerlich zur Wildnis, Deine Wohnung romantisch und feucht zu umgeben, verdammt ist, Sondern, in zierliche Beete geteilt, als Vorhof der Küche, Nützliche Kräuter ernährt und jugendbeglückende Früchte. Patriarchalisch erzeuge so selbst dir ein kleines, gedrängtes 45 Königreich, und bevölkre dein Haus mit treuem Gesinde! Hast du der Töchter noch mehr, die lieber sitzen und stille

52 [IV]

Goethe.

Weibliche Arbeiten verrichten, da ists noch besser- die Nadet Ruht im Jahre nicht leicht: denn noch so häuslich im Hause, Mögen sie öffentlich gern als müßige Damen erscheinen. 50 Wie sich dasNähen und Flicken vermehrt, das Waschen und Bügeln, Hundertfältig, seitdem in weißer arkadischer Hülle Sich das Mädchen gefällt, mit langen Röcken und Schleppen und Staub erreget im Tanzsaal!' Gassen kehret und Gärten Wahrlich! wären mir nur

55 Niemals wär ich verlegen

der Mädchen ein Dutzend im Hause, um Arbeit, sie machen sich Arbeit

Selber genug- es sollte kein Buch im Lause des Jahres Über die Schwelle mir kommen, vom Bücherverleiher gesendete

44. Trost in Thränen (1803).

1. Wie kommts, daß du so traurig bist, Da alles froh erscheint? Man sieht dirs an den Augen an, Gewiß, du hast geweint. 2. „Und hab ich einsam auch geweint, So ists mein eigner Schmerz, Und Thränen fließen gar so süß, Erleichtern mir das Herz." 3. Die frohen Freunde laden dich: O, komm an unsre Brust! Und was du auch verloren hast, Vertraure den Verlust! 4. „Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht. Was mich, den Armen, quält. Ach! nein, verloren hab ichs nicht, So sehr es mir auch fehlt." 5. So raffe denn dich eilig auf! Du bist ein junges Blut. In deinen Jahren hat man Kraft Und zum Erwerben Mut.

6. „Ach! nein, erwerben kann ichs nicht, Es steht mir gar zu fern.

Goethe. Es weilt so hoch, es blinkt so schön, Wie droben jener Stern/7 7. Die Sterne, die begehrt man nicht, Man freut sich ihrer Pracht,

Und mit Entzücken blickt man auf In jeder heitern Nacht. 8. „Und mit Entzücken blick ich auf So manchen lieben Tag,Verweinen laßt die Nächte mich, So lang ich weinen mag!"

Spruchdichtungen. 45. Die Frösche. Ein großer Teich war zugefroren,Tie Fröschlein, in der Tiefe verloren, Durften nicht ferner quaken noch springen, Bersprachen sich aber, im halben Traum, 5 Fänden sie nur da oben Raum, Wie Nachtigallen wollten sie singen. Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz, Nun ruderten sie und landeten stolz Und saßen am Ufer weit und breit 10 Und quakten wie vor alter Zeit.

4(k Beherzigung. 1. Ach, was soll der Mensch verlangen? Ist es besser, ruhig bleiben? klammernd fest sich anzuhangen? Ist es besser, sich zu treiben? 2. Soll er sich ein Häuschen bauen? Soll er unter Zelten leben? Soll er auf die Felsen trauen? Selbst die festen Felsen beben. 3. Eines schickt sich nicht für alle! Sehe jeder, wie ers treibe, Sehe jeder^ wo er bleibe. Und wer steht, daß er nicht falle!

[IV] 53

Goethe.

54 [IV]

47. Ein gleiches. Feiger Gedanken

Allen Gewalten

Bängliches Schwanken,

Zum Trutz sich erhalten,

Weibisches Zagen, Ängstliches Klagen

Nimmer sich beugen,

Wendet kein Elend,

Rufet die Arme

Macht dich nicht frei.

Der Güter herbei.

Kräftig sich zeigen

48. Kophtisches Sieb1. Geh! gehorche meinen Winken,

Nutze deine jungen Tage, Lerne zeitig klüger sein:

Auf des Glückes großer Wage

5 Steht die Zunge selten ein; Du mußt steigen oder sinken, Du mußt herrschen und gewinnen Oder dienen und verlieren, Leiden oder triumphieren,

10 Amboß oder Hammer sein.

49. Seins von allen. Wenn du dich selber machst zum Knecht, Bedauert dich niemand, gehts dir schlecht; Machst du dich aber selbst zum Herrn, Die Leute sehn es auch nicht gern;

Und bleibst du endlich, wie du bist, So sagen sie, daß nichts an dir ist.

50. Gesellschaft. Aus einer großen Gesellschaft heraus

Ging einst ein stiller Gelehrter zu Haus.

Man fragte: „Wie seid Ihr zufrieden gewesen?" „Wärens Bücher", sagt er, „ich würd sie nicht lesen". 1 Als Arie für eine von Goethe geplante Oper bestimmt, welche den Titel führen sollte „Der Groß-Kophta". Gedichtet 1789.

Goethe.

51. Wanderlied. Bleibe nicht am Boden heften! Frisch gewagt und frisch hinaus! Kopf und Arm mit heitern Kräften, Überall sind sie zu HausWo wir uns der Sonne freuen, Sind wir jede Sorge losDaß wir uns in ihr zerstreuen,

Darum ist die Welt so groß.

52. Erinnerung. Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Verne nur das Glück ergreifen,

Denn das Gliick ist immer da.

53. Das Beste. Wenn dirs in Slops und Herzen schwirrt, Was willst du Beßres haben? Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, Der lasse sich begraben.

54. Sprüche in Reimen. 1. Das Schlimmste, was uns widerfährt, Das werden wir vom Tag gelehrt. Wer in dem Gestern Heute sah, Dem geht das Heute nicht allzunah Und wer im Heute sieht das Morgen, Der wird sich rühren, wird nicht sorgen.

2. Was verkürzt mir die Zeit? Thätigkeit! Was macht sie unerträglich lang? Müßiggang! Was bringt in Schulden? Harren und Dulden I Was macht gewinnen? Nicht lange besinnen! Was bringt zu Ehren? Sich wehren!

[IV] 55

56 [IV]

Goethe.

3. Wie das Gestirn

Ohne Hast,

Aber ohne Rast, Drehe sich jeder

Um die eigne Last.

4. Wie die Pflanzen zu wachsen belieben, Darin wird jeder Gärtner sich üben, Wo aber des Menschen Wachstum ruht,

Dazu jeder selbst das Beste thut.

Willst du dir aber das Beste thun,

So bleib nicht auf dir selber ruhn, Sondern folg eines Meisters Sinn/ Mit ihm zu irren ist dir Gewinn. 5.

Willst du dir ein gut Leben zimmern, Mußt ums Vergangne dich nicht bekümmern, Und wäre dir auch was verloren, Muszt immer thun wie neu geboren-

5 Was jeder Tag will, sollst du fragen, Was jeder Tag will, wird er sagen,Mußt dich an eignem Thun ergötzen,

Was andre thun, das wirst du schätzen; Besonders keinen Menschen hassen, 10 Und das Übrige Gott überlassen!

55. Spruche in vier Zeilen. 1.

Daß Glück ihm günstig sei, Was hilfts dem Stöffel?

Denn regnets Brei, Fehlt ihm der Löffel.

Goethe.

[IV] 57

2. Der entschließt sich doch gleich, Den heiß ich brav und kühn!

Er springt in den Teich, Dem Regen zu entfliehn.

3. Die Welt ist nicht aus Brei und Mus geschaffen, Deswegen haltet euch nicht, wie Schlaraffen! Harte Bissen giebt es zu kauen: Wir müssen erwürgen oder sie verdauen.

4. Ein Mann, der Thränen streng entwöhnt, Mag sich ein Held erscheinen,Doch Wenns im Innern sehnt und dröhnt, Geb ihm ein Gott — zu weinen.

5. Epheu und ein zärtlich Gemüt Heftet sich an und grünt und blüht. Kann es weder Stamm noch Mauer finden, Es muß verdorren, es muß verschwinden.

6. Liegt dir gestern klar und offen, Wirkst du heute kräftig frei, Kannst auch auf ein Morgen hoffen, Das nicht minder glücklich sei.

7. Über ein Ding wird viel geplaudert, Viel beraten und lange gezaudert, Und endlich giebt ein böses Muß Der Sache widrig den Beschluß.

8. Wär nicht das Auge sonnenhaft, Die Sonne könnt es nie erblickenLäg nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie könnt uns Göttliches entzücken!

58 [IV]

Goethe.

9. Wer mit dem Leben spielt. Kommt nie zurecht,-

Wer sich nicht selbst befiehlt, Bleibt immer ein Knecht.

10. Willst du der getreue Eckart sein Und jedermann vor Schaden warnen? 's ist auch eine Rolle, sie trägt nichts ein:

Sie laufen dennoch nach den Garnen.

11. Wohl unglückselig ist der Mann, Der unterläßt das, was er kann,

Und unterfängt sich, was er nicht versteht,-

Kein Wunder, daß er zu Grunde geht.

12. Zwischen heut und morgen Liegt eine lange Frist:

Lerne schnell besorgen,

Da du noch munter bist!

56. Sprüche in einem Reimpaar.

1.

Alles in der Welt läßt sich ertragen,

Nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.

2.

Anbete du das Feuer hundert Jahr,

Dann fall hinein, dich frißts mit Haut und Haar.

3. Dem ist

es schlecht in seiner Haut,

Der in seinen eignen Busen schaut.

4. Der Mensch erfährt, er sei auch, wer er mag, Ein letztes Glück und einen letzten Tag.

5.

Du mußt dich niemals mit Schwur vermessen:

Von dieser Speise will ich nicht essen!

6. Entzwei und

gebiete! tüchtig Wort.

Verein und leite! beßrer Hort.

7.

Ein schönes Ja, ein schönes Nein,

Nur geschwind! soll mir willkommen sein.

[IV] 59

Goethe.

8. Es ließe sich alles trefflich schlichten, Könnte man die Sachen zweimal verrichten. 9. Genieße, was der Schmerz dir hinterließ!

Ist Not vorüber, sind die Nöte süß.

10. Glaube nur, du hast viel gethan, Wenn dir Geduld gewöhnest an.

11. Jedem redlichen Bemühn Sei Beharrlichkeit vcrliehn!

12. Mit einem Herren steht es gut,

Der, was er befohlen, selber thut.

13. Nur heute, heute nur laß dich nicht fangen, So bist du hundertmal entgangen.

14. Soll dein Kompaß dich richtig leiten,

Hüte dich vor Magnetstein, die dich begleiten. 15. Sollen die Dohlen dich nicht umschrein,

Mußt nicht Knopf auf dem Kirchturm sein.

16. Thu nur das Rechte in deinen Sachen!

Das andre wird sich von selber machen. 17. Wer ist ein unbrauchbarer Mann? Der nicht befehlen und auch nicht gehorchen kann.

18. Wer recht will thun, immer und mit Lust, Der hege wahre Lieb in Sinn und Brust. 19. Wer sich nicht nach der Decke streckt,

Dem bleiben die Fiiße unbedeckt. 20. Wie fruchtbar ist der kleinste Kreis,

Wenn man ihn wohl zu pflegen weiß. 21. Willst du nichts Unnützes kaufen, Mußt du nicht auf den Jahrmarkt laufen.

57. Sprüche in Distichen. Früchte bringet das Leben

1. dem Mann- doch hangen sie selten

Rot und lustig am Zweig,

wie uns ein Apfel begrüßt.

2. Wer ist der glücklichste Mensch? der fremdes Verdienst zu em­ pfinden

Weiß und an fremdem Genuß

sich, wie an eignem, zu freun.

60 [IV]

Goethe.

Irrtum verläßt uns nie;

3. doch ziehet ein höher Bedürfnis

Immer den strebenden Geist

leise zur Wahrheit hinan.

4.

Dieser ist mir der Freund, der mit mir Strebenden wandelt; Lädt er zum Sitzen mich ein, stehl ich für heute mich weg. 5. Willst du, mein Sohn, frei bleiben, so lerne was Rechtes, und halte Dich genügsam, und nie blicke nach oben hinauf! 6.

Willst du schon zierlich erscheinen und bist nicht sicher? vergebens! Nur aus vollendeter Kraft blicket die Anmut hervor.

58. Der Dichter über sich selbst und seine Kunst.

1. Gern wär ich Überliefrung los Und ganz original, Doch ist das Unternehmen groß Und führt in manche Qual. 5 Als Autochthone rechnet ich Es mir zur höchsten Ehre, Wenn ich nicht gar zu wunderlich Selbst Überliefrung wäre: Vom Vater hab ich die Statur, 10 Des Lebens ernstes Führen, Von Mütterchen die Frohnatur Und Lust zu fabulieren. Urahnherr war der Schönsten hold, Das spukt so hin und wieder, 15 Urahnfrau liebte Schmuck und Gold, Das zuckt wohl durch die Glieder. Sind nun die Elemente nicht Aus dem Komplex zu trennen, Was ist denn an dem ganzen Wicht 20 Original zu nennen?

Goethe. 2.

PV] 61

Iphigenie.

(Dem Schauspieler Krüger nach der Darstellung des Orest in ein Prachtexemplar der Iphigenie, am 31. Mai 1827.)

Was der Dichter diesem Bande Glaubend, hoffend anvertraut,

Werd im Kreise deutscher Lande

Durch des Künstlers Wirken lernt! So im Handeln, so im Sprechen

Liebevoll verkünd es weit:

Alle menschliche Gebrechen Sühnet reine Menschlichkeit. 3.

Natur und Kunst (1802).

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen

Und haben sich, eh man es denkt, gefunden Der Widerwille ist auch mir verschwunden,

Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen, Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden

Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden, Mag frei Natur im Herzen wieder glühen. So ists mit aller Bildung auch beschaffen:

Bergebens werden ungebundne Geister

Nach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer Großes will, muß sich zusammen raffen,-

Jn der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,

Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben. 4.

Die Nektartropfen (1781).

Als Minerva, jenen Liebling, Den Prometheus, zu begünstgen,

Eine volle Nektarschale Von dem Himmel niederbrachte

5 Seine Menschen zu beglücken Und den Trieb zu holden Künsten

Ihrem Busen einzuflößen: Eilte sie mit schnellen Füßen,

Goethe.

62 [IV]

Daß 10 Und Und Auf

sie Jupiter nicht sehedie goldne Schale schwankte, es fielen wenig Tropfen den grünen Boden nieder.

Emsig waren drauf die Bienen Hinterher und saugten fleißig 15 Sitarn der Schmetterling geschäftig. Auch ein Tröpfchen zu erhaschen -

Selbst die ungestalte Spinne Kroch herbei und sog gewaltig. Glücklich haben sie gekostet, 20 Sie und andre zarte Tierchen Denn sie teilen mit dem Menschen

Nun das schönste Glück, die Kunst.

5.

Gedichte.

Gedichte sind gemalte Fensterscheiben: Sieht man vom Markt in die Kirche hinein, Da ist alles dunkel und düster Und so siehts auch der Herr Philister5 Der mag denn wohl verdrießlich sein Und lebenslang verdrießlich bleiben. Kommt aber nur einmal herein, Begrüßt die heilige Kapelle! Da ists auf einmal farbig Helle, 10 Geschieht und Zierat glänzt in Schnelle, Bedeutend wirkt ein edler ScheinDies wird euch Kindern Gottes taugen, Erbaut euch und ergötzt die Augen.

6. All unser redlichstes Bemühn Glückt nur im unbewußten Momente Wie möchte denn die Rose^blühn,

Wenn sie der Sonne Herrlichkeit erkennte?

Goethe.

Schiller. i.

O, ihr Tags- und Splitterrichter,

Splittert nur nicht alles klein! Denn, führwahr, der schlechtste Dichter Wird noch euer Meister sein.

8. Zart Gedicht, wie Regenbogen,

Wird nur auf dunklen Grund gezogen/

Darum behagt dem Dichtergenie

Das Element der Melancholie.

9. Meine Dichterglut war sehr gering,

So lang ich dem Guten entgegenging, Dagegen brannte sie lichterloh, Wenn ich vor drohendem Übel floh.

10. Ein reiner Reim wird wohl begehrt,

Doch den Gedanken rein zu haben, Die edelste von allen Gaben,

Das ist mir alle Reime wert. 11. Wisset nur, daß Dichterworte

Um des Paradieses Pforte Immer leise klopfend schweben,

Sich erbittend ewges Leben.

6. Schiller.

Friedrich von Schiller (1759—1805). 59. Das Mädchen aus der Fremde (1796). 1. In einem Thal bei armen Hirten Erschien mit jedem jungen Jahr,

Sobald die ersten Lerchen schwirrten, Ein Mädchen, schön und wunderbar.

[IV] 63

Schiller.

64 [IV]

2. Sie war nicht in dem Thal geboren. Man wußte nicht, woher sie fern;

Und schnell war ihre Spur verloren, Sobald das Mädchen Abschied nahm.

3. Beseligend war ihre Nähe, Und alle Herzen wurden weit/ Doch eine Würde, eine Höhe

Entfernte die Vertraulichkeit.

4. Sie brachte Blumen mit und Früchte, Gereift auf einer andern Flur, In einem andern Sonnenlichte,

In einer glücklichern Natur а. Und teilte jedem eine Gabe,

Dem Früchte, jenem Blumen aus/ Der Jüngling und der Greis am Stabe,

Ein jeder ging beschenkt nach Haus.

б. Willkommen waren alle Gäste/ Doch nahte sich ein liebend Paar, Dem reichte sie der Gaben beste,

Der Blumen allerschönste dar.

60. Sprüche des Konfucius (1795 und 1797).

I. Dreifach ist der Schritt der Zeit: Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,

Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, Ewig still steht die Vergangenheit.

5

Keine Ungeduld beflügelt

Ihren Schritt, wenn sie verweilt/

Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt Ihren Lauf, wenn sie enteilt/

Keine Reu, kein Zaubersegen

10 Kann die stehende bewegen. Möchtest du beglückt und weise

Endigen des Lebens Reise,

Schiller. Nimm die zögernde zum 9?cit, Nicht zum Werkzeug deiner That-

15 Wähle nicht die fliehende zum Freunds

Nicht die bleibende zum Feind!

II. Dreifach ist des Raumes Maß: Rastlos fort ohn Unterlaß Strebt die Länge- fort ins Weite

Endlos gießet sich die Breite5 Grundlos senkt die Tiefe sich.

Dir ein Bild sind sie gegeben: Rastlos vorwärts mußt du streben,

Nie ermüdet stille stehn, Willst du die Vollendung sehn-

10 Mußt ins Breite dich entfalten,

Soll sich dir die Welt gestalten In die Tiefe mußt du steigen,

Soll sich dir das Wesen zeigen.

Nur Beharrung führt zum Ziel-

15 Nur die Fülle führt zur Klarheit, Und im Abgrund wohnt die Wahrheit.

61. Hoffnung (1797). 1. Es reden und träumen die Menschen viel Von bessern künftigen Tagen -

Nach einem glücklichen, goldenen Ziel Sieht man sie rennen und jagen. Die Welt wird alt und wird wieder jung,

Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

2.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,

Sie umflattert den fröhlichen Knaben,

Den Jüngling begeistert ihr Zauberschein, Sie wird mit dem Greis nicht begraben:

Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf, Noch am Grabe Pflanzt er — die Hoffnung auf. 5

Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

]IV] 05

Schiller.

66 [IV]

3. Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn, Erzeugt im Gehirne des Thoren,

Im Herzen kündet es laut sich an: Zu was Besserm sind wir geboren,

Und was die innere Stimme spricht, Das täuscht die hoffende Seele nicht.

62. Der Taucher (vollendet am 14. Juni 1797). Ballade. 1. „Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, Zu tauchen in diesen Schlund?

Einen goldnen Becher werf ich hinab,

Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.

Wer mir den Becher kann wieder zeigen, Er mag ihn behalten, er ist sein eigen."

2.

Der König spricht es und wirft von der Höh

Der Klippe, die schroff und steil

Hinaushängt in die unendliche See, Den Becher in der Charybde Geheul.

„Wer ist der Beherzte, ich frage wieder, Zu tauchen in diese Tiefe nieder?"

3. Und die Ritter, die Knappen um ihn her

Vernehmens und schweigen still,

Sehen hinab in das wilde Meer, Und keiner den Becher gewinnen will. Und der König zum dritten Mal wieder fraget: „Ist keiner, der sich hinunter waget?"

4. Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor. Und ein Edelknecht, sanft und keck,

Tritt aus der Knappen zagendem Chor, Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg, Und alle die Männer umher und Frauen

Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.

5. Und wie er tritt an des Felsen Hang Und blickt in den Schlund hinab,

Schiller.

[IV] 67

Die Wasser, die sie hinunter schlang, Die Charybde jetzt brüllend wiedergab,

Und wie mit des fernen Donners Getose

Entstürzen sie schäumend dem finstern Schoße. 6. Und es wallet und siedet und brauset und zischt, Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,

Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,

Und Flut auf Flut sich ohn Ende drängt Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,

Als wollte das Meer noch ein Meer gebären. 7. Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt, Und schwarz aus dem weißen Schaum

klafft hinunter ein gähnender Spalt,

Grundlos, als gings in den Höllenraum, Und reißend sieht man die brandenden Wogen Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.

8. Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt, Der Jüngling sich Gott befiehlt,

Und — ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört

Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,

Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer

Schließt sich der Rachen- er zeigt sich nimmer. 9. Und stille wirds über dem Wasserschlund, In der Tiefe nur brauset es hohl, Und bebend hört man von Mund zu Mund:

Hochherziger Jüngling, fahre wohl! Und hohler und hohler hört mans heulen,

Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen. 10. Und würfst du die Krone selber hinein Und sprächst: wer mir bringet die Kron,

Der soll sie tragen und König sein! Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn.

Was die heulende Tiefe da unten verhehle,

Das erzählt keine lebende, glückliche Seele. 11. Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefaßt,

Schoß gäh in die Tiefe hinab-

68 [IV]

Schiller.

Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast Hervor aus dem alles verschlingenden Grab — Und heller und heller, wie Sturmes Sausen, Hört mans näher und immer näher brausen. 12. Und es wallet und siedet und brauset und zischt. Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt, Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, Und Well auf Well sich ohn Ende drängt, Und wie mit des fernen Donners Getose Entstürzt es brüllend dem finstern Schoße. 13. Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß Da hebet sichs schwanenweiß, Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß. Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß, Und er ists! und hoch in seiner Linken Schwingt er den Becher mit freudigem Winken. 14. Und atmete lang und atmete tief Und begrüßte das himmlische Licht. Mit Frohlocken es einer dem andern rief: „Er lebt! er ist da! es behielt ihn nicht! Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle Hat der Brave gerettet die lebende Seele." 15. Und er kommt- es umringt ihn die jubelnde Schars Zu des Königs Füßen er sinkt, Den Becher reicht er ihm knieend dar, Und der König der lieblichen Tochter winkt, Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande Und der Jüngling sich also zum König wandte: 16. „Lang lebe der König! Es freue sich,

Wer da atmet im rosigen Licht! Da unten aber ists fürchterlich, Und der Mensch versuche die Götter nicht Und begehre nimmer und nimmer zu schauen, Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen. 17. Es riß mich hinunter blitzesschnell, Da stürzt' mir aus felsigem Schacht

Schiller.

[IV] 69

Wildflutend entgegen ein reißender Quell Mich packte des Doppelstroms wütende Machte Und wie einen Streifel mit schwindelndem Drehen Trieb michs um, ich konnte nicht widerstehen. 18. Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief In der höchsten schrecklichen Not, Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff, Das erfaßt ich behend und entrann dem Tod, Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen, Sonst wär er ins Bodenlose gefallen.

19. Denn unter mir lags noch bergetief In purpurner Finsternis da. Und obs hier dem Ohre gleich ewig schlief, Das Auge mit Schaudern hinunter sah, Wies von Salamandern und Molchen und Drachen Sich regt in dem furchtbaren Höllenrachen. 20. Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch, Zu scheußlichen Klumpen geballt, Der stachlichte Noche, der Klippenfisch, Des Hammers grauliche Ungestalt, Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne. 21. Und da hing ich und wars mir mit Grausen bewußt: Von der menschlichen Hilfe so weit, Unter Larven die einzige siihlende Brust, Allein in der gräßlichen Einsamkeit, Tief unter dem Schall der menschlichen Rede Bei den Ungeheuern der traurigen Öde. 22. Und schaudernd dacht ichs, da krochs heran, Regte hundert Gelenke zugleich, Will schnappen nach mir- in des Schreckens Wahn Laß ich los der Koralle umklammerten Zweig, Gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben, Doch es war mir zum Heil, er riß mich nach oben." 23. Der König darob sich verwundert schier Und spricht: „Der Becher ist dein,

70 [IV]

Schiller.

Und diesen Ring noch bestimm ich dir, Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein, Versuchst dus noch einmal und bringst mir Kunde, Was du sahst auf des Meers tief unterstem Grunde.^

24. Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl, Und mit schmeichelndem Munde sie fleht: „Laßt, Vater, genug sein das grausame Spiel! Er hat Euch bestanden, was keiner besteht, Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen, So mögen die Ritter den Knappen beschämen." 25. Drauf der König greift nach dem Becher schnell. In den Strudel ihn schleudert hinein: „Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell, So sollst du der trefflichste Ritter mir sein Und sollst sie als Ehgemahl heut noch umarmen, Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen." 26. Da ergreifts ihm die Seele mit Himmelsgewalt, Und es blitzt aus den Augen ihm kühn, Und er siehet erröten die schöne Gestalt Und sieht sie erbleichen und sinken hinDa treibts ihn, den köstlichen Preis zu erwerben, Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben. 27. Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück, Sie verkündigt der donnernde Schall,Da bückt sichs hinunter mit liebendem Blick, Es kommen, es kommen die Wasser all, Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder, Den Jüngling bringt keines wieder.

63. Der Handschuh (vollendet am 18. Juni 1797). Erzählung. Bor seinem Löwengarten, Das Kampfspiel zu erwarten, Saß König Franz Und um ihn die Großen der Krone

Lchiller. 5 Und rings auf hohem Balköne

Die Damen in schönem Kranz. Und wie er winkr mit dem Finger,

Auf thut sich der weite Zwinger,

Und hinein mit bedächtigem Schritt

10 Ein Löwe tritt Und sieht sich stumm

Rings um, Mit langem Gähnen, Und schüttelt die Mähnen

15 Und streckt die Glieder Und legt sich nieder. Und der König winkt wieder,

Da öffnet sich behend Ein zweites Thor-

20 Daraus rennt Mit wildem Sprunge

Ein Tiger hervor.

Wie der den Löwen erschaut,

Brüllt er laut,

25 Schlägt mit dem Schweis Einen furchtbaren Reif

Und recket die Zunge, Und im Kreise scheu

Umgeht er den Leu,

30 Grimmig schnurrend -

Drauf streckt er sich murrend Zur Seite nieder. Und der König winkt wieder. Da speit das doppelt geöffnete Haus

45 Zwei Leoparden auf einmal aus, Die stürzen mit mutiger Kampfbegier

Auf das TigertierDas packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,

Und der Leu mit Gebrüll 40 Richtet sich auf- da wirds still,

[IV] 71

Schiller.

72 [IV]

Und herum im Kreis, Von MordsuchL heiß, Lagern sich die gräulichen Katzen. Da fällt von des Altans Rand 45 Ein Handschuh von schöner Hand Zwischen den Tiger und den Leun Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges spottender Weis Wendet sich Fräulein Kunigund: 50 „Herr Ritter, ist Eure Liebe so heiß, Wie Ihr mir schwört zu jeder Stund, Ei, so hebt mir den Handschuh auf!" Und der Ritter in schnellem Lauf Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger 55 Mit festem Schritte,

Und aus der Ungeheuer Mitte Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger. Und mit Erstaunen und mit Grauen Sehens die Ritter und Edelfrauen, 60 Und gelassen bringt er den Handschuh zurück, Da schallt ihm sein Lob aus jedem MundeAber mit zärtlichem Liebesblick — Er verheißt ihm sein nahes Glück — Empfängt ihn Fräulein Kunigunde. 65 Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht: „Den Dank, Dame, begehr ich nicht!" Und verläßt sie zur selben Stunde.

64. Die Kraniche des Jbykus (Juli 1797). Ballade. 1. Der Der Zog

Zum Kampf der Wagen und Gesänge, auf Korinthus Landesenge Griechen Stämme froh vereint, Jbykus, der Götterfreund.

Schiller. Ihm schenkte des Gesanges Gabe,

Der Lieder süßen Mund ApollSo wandert er an leichtem Stabe

Aus Rhegium, des Gottes voll. 2. Schon winkt auf hohem Bergesrücken

Akrokorinth des Wandrers Blicken,

Und in Poseidons Fichtenhain Tritt er mit frommem Schauder ein. Nichts regt sich um hin her, nur Schwärme

Von Kranichen begleiten ihn,

Die fernhin nach des Südens Wärme

In graulichem Geschwader ziehn. 3. „Seid nur gegrüßt, befreundte Scharen, Die mir zur See Begleiter waren!

Zum guten Zeichen nehm ich euch; Mein Los, es ist dem euren gleich:

Bon fernher kommen wir gezogen

Und flehen um ein wirtlich Dach; Sei uns der Gastliche gewogen,

Der von dem Fremdling wehrt die Schmach!^

4. Und munter fordert er die Schritte Und sieht sich in des Waldes Mitte,'

Da sperren auf gedrangem Steg Zwei Mörder plötzlich seinen Weg.

Zum Kampfe muß er sich bereiten,

Doch bald ermattet sinkt die Hand; Sie hat der Leier zarte Saiten, Doch nie des Bogens Kraft gespannt.

5. Er ruft die Menschen an, die Götter, Sein Flehen dringt zu keinem Retter,' Wie weit er auch die Stimme schickt, Nichts Lebendes wird hier erblickt.

„So muß ich hier verlassen sterben,

Auf fremdem Boden, unbeweint, Durch böser Buben Hand verderben,

Wo auch kein Rächer mir erscheint!"

[IV] 73

74 [IV]

Schiller. 6. Und schwer getroffen sinkt er nieder Da rauscht der Kraniche GefiederEr hört/ schon kann er nicht mehr sehn. Die nahen Stimmen furchtbar krähn. „Von euch, ihr Kraniche dort oben, Wenn keine andre Stimme spricht/ Sei meines Mordes Klag erhoben!" Er ruft es/ und sein Auge bricht. 7. Der nackte Leichnam wird gefunden/ Und bald/ obgleich entstellt von Wunden/ Erkennt der Gastfreund in Korinth

Die Züge/ die ihm teuer sind. z/Und muß ich so dich wiederfinden Und hoffte/ mit der Fichte Kranz Des Sängers Schläfe zu umwinden/ Bestrahlt von seines Ruhmes Glanz!" 8. Und jammernd hörens alle Gäste/ Versammelt bei Poseidons Feste/ Ganz Griechenland ergreift der SchmerzVerloren hat ihn jedes Herz. Und stürmend drängt sich zum Prytanen Das Volk/ es fordert seine Wut/ Zu rächen des Erschlagnen Manen/ Zu sühnen mit des Mörders Blut. 9. Doch wo die Spur, die aus der Menge/ Der Völker flutendem Gedränge/ Gelocket von der Spiele Pracht/ Den schwarzen Thäter kenntlich macht? Sinds Räuber/ die ihn feig erschlagen? Thats neidisch ein verborgner Feind? Nur Helios vermags zu sagen. Der alles Irdische bescheint. 10. Er geht vielleicht mit frechem Schritte

Jetzt eben durch der Griechen Mitte, Und während ihn die Rache sucht, Genießt er seines Frevels Frucht.

Schiller.

[IV] 75

Auf ihres eignen Tempels Schwelle Trotzt er vielleicht den Göttern, mengt Sich dreist in jene Menschenwelle,

Die dort sich zum Theater drängt. 11. Denn Bank an Bank gedränget sitzen,

Es brechen fast der Biihne Stützen, Herbeigeströmt von fern und nah,

Der Griechen Völker wartend da-

Dumpfbrausend wie des Meeres Wogen, Von Menschen wimmelnd, wächst der Bau

In weiter stets geschweiftem Bogen Hinauf bis in des Himmels Blau. 12. Wer zählt die Völker, nennt die Namen,

Die gastlich hier zusammen kamen? Von Theseus Stadt, von Aulis Strand,

Von Phocis, vom Spartanerland, Von Asiens entlegner Küste,

Von allen Inseln kamen sie Und horchen von dem Schaugerüfte

Des Chores grauser Melodie,

13. Der, streng und ernst, nach alter Sitte, Mit langsam abgemeßnem Schritte Hervortritt aus dem Hintergrund,

Umwandelnd des Theaters Rund. So schreiten keine irdschen Weiber! Die zeugete kein sterblich Haus!

Es steigt das Riesenmaß der Leiber

Hoch über menschliches hinaus.

14. Ein schwarzer Mantel schlägt die Lenden, Sie schwingen in entfleischten Händen

Der Fackel düsterrote GlutIn ihren Wangen fließt kein Blut.

Und wo die Haare lieblich flattern, Um Menschenstirnen freundlich wehn, Da sieht man Schlangen hier und Nattern

Die giftgeschwollnen Bäuche blähn.

76 [IV]

Schiller. 15. Und schauerlich^ gedreht im Kreise, Beginnen sie des Hymnus Weise, Der durch das Herz zerreißend dringt, Die Bande um den Sünder schlingt. Besinnungraubend, herzbethörend Schallt der Erinnyen Gesang, Er schallt, des Hörers Mark verzehrend, Und duldet nicht der Leier Klang: 16. „Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle Bewahrt die kindlich reine Seele! Ihm dürfen wir nicht rächend nahn, Er wandelt frei des Lebens Bahn. Doch wehe, wehe, wer verstohlen Des Mordes schwere That vollbracht! Wir heften uns an seine Sohlen, Das furchtbare Geschlecht der Nacht; 17. Und glaubt er fliehend zu entspringen, Geflügelt sind wir da, die Schlingen Ihm werfend um den flüchtgen Fuß, Daß er zu Boden fallen muß. So jagen wir ihn, ohn Ermatten, Verjöhnen kann uns keine Neil, Ihn fort und fort bis zu den Schatten Und geben ihn auch dort nicht frei." 18. So singend, tanzen sie den Reigen, Und Stille, wie des Todes Schweigen, Liegt überm ganze Hause schwer, Als ob die Gottheit nahe wär. Und feierlich, nach alter Sitte, Umwandelnd des Theaters Rund, Mit langsam abgemeßnem Schritte, Verschwinden sie im Hintergrund. 19. Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet Noch zweifelnd jede Brust und bebet Und huldiget der furchtbarn Macht, Die richtend im Verborgnen wacht,

Schiller.

[IV] 77

Die unerforschlich, unergründet

Des Schicksals dunkeln Knäuel flicht Dem tiefen Herzen sich verkündet,

Doch fliehet vor dem Sonnenlicht. 20. Da hört man auf den höchsten Stufen

Auf einmal eine Stimme rufen:

„Sieh da! sieh da, Timotheus, Die Kraniche des Jbykus!" —

Und finster plötzlich wird der Himmels

Und über dem Theater hin

Sieht man in schwärzlichem Gewimmel Ein Kranichheer vorüberziehn.

21. „Des Jbykus?" — Der teure Name

Rührt jede Brust mit neuem Grame, Und wie im Meere Well auf Well,

So läufts von Mund zu Munde schnell:

„Des Jbykus, den wir beweinen,

Den eine Mörderhand erschlug? Was ists mit dem? Was kann er meinen? Was ists mit diesem Kranichzug?" — 22. Und lauter immer wird die Frage, Und ahnend fliegts mit Blitzesschlage

Durch alle Herzen:

„Gebet acht!

Das ist der Eumeniden Macht!

Der fromme Dichter wird gerochen, Der Mörder bietet selbst sich dar:

Ergreift ihn, der das Wort gesprochen

Und ihn, an dens gerichtet war!" 23. Doch dem war kaum das Wort entfahren, Möcht ers im Busen gern bewahren-

Umsonst! der schreckenbleiche Mund

Macht schnell die Schuldbewußten kund. Man reißt und schleppt sie vor den Richter, Die Szene wird zum Tribunal, Und es gestehn die Bösewichter,

Getroffen von der Rache Strahl.

Schiller.

78 [IV]

65. Das Lied von der Glocke (1799). Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango1. Festgemauert in der Erden Steht die Form, aus Lehm gebrannt.

Heute muß die Glocke werden! Frischs Gesellen! seid zur Hand.

5

Von der Stirne heiß Rinnen muß der Schweiß/ Soll das Werk den Meister loben Doch der Segen kommt von oben.

Zum Werke/ das wir ernst bereiten/

10 Geziemt sich wohl ein ernstes WortWenn gute Reden sie begleiten/

Dann fließt die Arbeit munter fort. So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten.

Was durch die schwache Kraft entspringt15 Den schlechten Mann muß man verachten/ Der nie bedacht, was er vollbringt.

Das ists ja, was den Menschen zieret. Und dazu ward ihm der Verstand,

Daß er im innern Herzen spiiret, 20 Was er erschafft mit seiner Hand.

Nehmet Holz vom Fichtenstamme, Doch recht trocken laßt es sein, Daß die eingepreßte Flamme

Schlage zu dem Schwalch hinein! 25

Kocht des Kupfers Brei, Schnell das Zinn herbei!

Daß die zähe Glockenspeise Fließe nach der rechten Weise!

Was in des Dammes tiefer Grube 30 Die Hand mit Feuers Hilfe baut, Hoch auf des Turmes Glockenstube,

1 D. h. Lebende ruf ich, Tote beklag ich, Blitze zerschlag ich.

Schiller. Da wird es von uns zeugen laut. Noch dauern wirds in späten Tagen Und rühren vieler Menschen Ohr

35 Und wird mit dem Betrübten klagen,

40

45

50

55

60

65

Und stimmen zu der Andacht Chor. Was unten tief dem Erdensohne Das wechselnde Verhängnis bringt, Das schlägt an die metallne Krone, Die es erbaulich weiter klingt. Weiße Blasen seh ich springen: Wohl! die Massen sind im Fluß. Laßts mit Aschensalz durchdringen, Das befördert schnell den Guß! Auch vom Schaume rein Muß die Mischung sein, Daß vom reinlichen Metalle Rein und voll die Stimme schalle. Denn mit der Freude Feierklange Begrüßt sie das geliebte Kind Auf seines Lebens erstem Gange, Den es in Schlafes Arm beginntIhm ruhen noch im Zeitenschoße Die schwarzen und die heitern Lose, Der Mutterliebe zarte Sorgen Bewachen seinen goldnen Morgen — Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe, Er stürmt ins Leben wild hinaus, Durchmißt die Welt am Wanderstabe, Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus. Und herrlich, in der Jugend Prangen, Wie ein Gebild aus Himmelshöhn, Mit züchtigen, verschämten Wangen Sieht er die Jungfrau vor sich stehn. Da faßt ein namenloses Sehnen Des Jünglings Herz, er irrt allein,

[IV] 79

80 [IV]

Schiller. Aus seinen Augen brechen Thränen, Er flieht der Brüder wilden Reihn.

70 Errötend folgt er ihren Spuren Und ist von ihrem Gruß beglückt,

Das Schönste sucht er auf den Fluren, Womit er seine Liebe schmückt. O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen, 75 Der ersten Liebe goldne Zeit!

Das Auge sieht den Himmel offen,

Es schwelgt das Herz in Seligkeit. O! daß sie ewig grünen bliebe, Die schöne Zeit der jungen Liebe!

80

Wie sich schon die Pfeifen bräunen! Dieses Stäbchen tauch ich ein, Sehn wirs überglast erscheinen,

Wirds zum Gusse zeitig sein. Jetzt, Gesellen, frisch! 85

Prüft mir das Gemisch,

Ob das Spröde mit dem Weichen Sich vereint zum guten Zeichen. Denn wo das Strenge mit dem Zarten, Wo Starkes sich und Mildes paarten,

90 Da giebt es einen guten Klang. Drum prüfe, wer sich ewig bindet,

Ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.

Lieblich in der Bräute Locken 95 Spielt der jungfräuliche Kranz,

Wenn die hellen Kirchenglocken Laden zu des Festes Glanz. Ach, des Lebens schönste Feier

Endigt auch den Lebensmai,

100 Mit dem Gürtel, mit dem Schleier Reißt der schöne Wahn entzwei. Die Leidenschaft flieht,

Die Liebe muß bleiben;

Schiller.

[IV] 81

Die Blume verblüht,

105 Die Frucht muß treiben,Der Mann muß hinaus

Ins feindliche Leben,

Muß wirken und streben Und pflanzen und schaffen,

110 Erlisten, erraffen, Muß wetten und wagen,

Das Glück zu erjagen. Da strömet herbei die unendliche Gabe, Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe/ 115 Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.

Und drinnen waltet

Die züchtige Hausfrau, Die Mutter der Kinder, Und herrschet weise

120 Im häuslichen Kreise Und lehret die Mädchen

Und wehret den Knaben Und reget ohn Ende

Die fleißigen Hände 125 Und mehrt den Gewinn Mit ordnendem Sinn Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden Und sammelt int reinlich geglätteten Schrein

130 Die schimmernde Wolle, den schneeigen Lein

Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer Und ruhet nimmer. Und der Vater mit frohem Blick Von des Hauses weitschauendem Giebel 135 Überzählet sein blühend Glück,

Siehet der Pfosten ragende Bäume Und der Scheunen gefüllte Räume

Und die Speicher, vom Segen gebogen, Und des Kornes bewegte Wogen, Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

6

Schiller.

82 [IV]

140

Rühmt sich mit stolzem Mund:

Fest, wie der Erde Grund, Gegen des Unglücks Macht Steht mir des Hauses Pracht! Doch mit des Geschickes Mächten

145

Ist kein ewger Bund zu flechten, Und das Unglück schreitet schnell.

Wohl! Nun kann der Guß beginnen Schön gezacket ist der Bruch. Doch bevor wirs lassen rinnen,

150

Betet einen frommen Spruch!

Stosst den Zapfen aus!

Gott bewahr das Haus!

Rauchend in des Henkels Bogen Schießts mit feuerbraunen Wogen.

155

Wohlthätig ist des Feuers Macht, Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht, Und was er bildet, was er schafft,

Das dankt er dieser Himmelskraft -

Doch furchtbar wird die Himmelskraft,

160

Wenn sie der Fessel sich entrafft,

Einhertritt auf der eignen Spur, Die freie Tochter der Natur.

Wehe! wenn sie, losgelassen, Wachsend ohne Widerstand,

165

Durch die volkbelebten Gassen

Wälzt den ungeheuern Brand! Denn die Elemente hassen Das Gebild der Menschenhand.

Aus der Wolke

170

Quillt der Segen,

Strömt der RegenAus der Wolke, ohne Wahl,

Zuckt der Strahl.

Hört ihrs wimmern hoch vom Turm?

175

Das ist Sturm!

Schiller. Rot wie Blut Ist der Himmel,-

Das ist nicht des Tages Glut! Welch Getümmel

180 Straßen auf! Dampf wallt auf! Flackernd steigt die Feuersäule,

Durch der Straße lange Zeile

Wächst es fort mit Windeseile. 185 Kochend, wie aus Ofens Rachen, Gliihn die Lüfte, Balken krachen,

Pfosten stürzen, Fenster klirren,

Kinder jammern, Mütter irren,

Tiere wimmern

190 Unter Trümmern, Alles rennet, rettet, flüchtet,

Taghell ist die Nacht gelichtet. Durch der Hände lange Kette Um die Wette

195 Fliegt der Eimer, hoch im Bogen

Spritzen Quellen Wasserwogen. Heulend kommt der Sturm geflogen,

Der die Flamme brausend sucht. Prasselnd in die dürre Frucht

200 Fällt sie, in des Speichers Räume, In der Sparren dürre Bäume,

Und als wollte sie im Wehen Mit sich fort der Erde Wucht Reißen in gewaltger Flucht,

205 Wächst sie in des Himmels Höhen, Riesengroß!

Hoffnungslos Weicht der Mensch der Götterftärke:

Müßig sieht er seine Werke 210 Und bewundernd untergehen.

[IV] 83

Schiller.

84 [IV]

Leergebrannt Ist die Stätte,

Wilder Stürme rauhes Bette. In den öden Fensterhöhlen

215

Wohnt das Grauen,

Und des Himmels Wolken schauen

Hoch hinein. Einen Blick Nach dem Grabe

220

Seiner Habe Sendet noch der Mensch zurück —

Greift fröhlich dann zum Wanderstabe; Was Feuers Wut ihm auch geraubt, Ein süßer Trost ist ihm geblieben:

225 Er zählt die Häupter seiner Lieben, Und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt. In die Erd ists ausgenommen,

Glücklich ist die Form gefüllt.

Wirds auch schön zu Tage kommen,

230

Daß es Fleiß und Kunst vergilt? Wenn der Guß mißlang? Wenn die Form zersprang?

Ach! vielleicht, indem wir hoffen, Hat uns Unheil schon getroffen.

235

Dem dunkeln Schoß der Heilgen Erde Vertrauen wir der Hände That, Vertraut der Sämann seine Saat

Und hofft, daß sie entkeimen werde Zum Segen, nach des Himmels Rat.

240

Noch köstlicheren Samen bergen

Wir trauernd in der Erde Schoß Und hoffen, daß er aus den Särgen Erblühen soll zu schönerm Loos.

Von dem Dome,

245

Schwer und bang, Tönt die Glocke

Schiller. Grabgesang. Ernst begleiten ihre Trauerschläge

Einen Wandrer auf dem letzten Wege.

250

Ach! die Gattin ists, die teure. Ach! es ist die treue Mutter,

Die der schwarze Fürst der Schatten Wegführt aus dem Arm des Gatten, Aus der zarten Kinder Schar,

255 Die sie blühend ihm gebar, Die sie an der treuen Brust Wachsen sah mit Mutterlust —

Ach! des Hauses zarte Bande Sind gelöst auf immerdar,

260

Denn sie wohnt im Schattenlande,

Die des Hauses Mutter warDenn es fehlt ihr treues Walten,

Ihre Sorge wacht nicht mehr, An verwaister Stätte schalten

265

Wird die Fremde, liebeleer.

Bis die Glocke sich verkiihlet, Laßt die strenge Arbeit ruhn!

Wie im Laub der Vogel spielet,

Mag sich jeder gütlich thun.

270

Winkt der Sterne Licht,

Ledig aller Pflicht

Hört der Bursch die Vesper schlagenMeister muß sich immer plagen.

Munter fördert seine Schritte

275

Fern im wilden Forst der Wandrer Nach der lieben Heimathütte. Blökend ziehen heim die Schafe,

Und der Rinder

Breitgestirnte, glatte Scharen

280

Kommen brüllend,

Die gewohnten Ställe füllend. Schwer herein

[IV] 85

Schiller.

86 [IV]

Schwankt der Wagen, Kornbeladen -

285 Bunt von Farben,

Auf den Garben Liegt der Kranz,

Und das junge Volk der Schnitter Fliegt zum Tanz.

290 Markt und Straße werden stillerUm des Lichts gesellge Flamme

Sammeln sich die Hausbewohner,

Und das Stadtthor schließt sich knarrend. Schwarz bedecket 295 Sich die Erde, Doch den sichern Bürger schrecket

Nicht die Nacht, Die den Bösen gräßlich wecket,

Denn das Auge des Gesetzes wacht.

300

Heilge Ordnung, segenreiche Himmelstocher, die das Gleiche

Frei und leicht und freudig bindet, Die der Städte Bau gegründet,

Die herein von den Gefilden 305 Rief den ungesellgen Wilden,

Eintrat in der Menschen Hütten, Sie gewöhnt zu sanften Sitten

Und das teuerste der Bande Wob, den Trieb zum Vaterlande! 310

Tausend fleißge Hände regen,

Helfen sich in munterm Bund, Und in feurigem Bewegen

Werden alle Kräfte kund. Meister rührt sich und Geselle 315 In der Freiheit heilgem Schutz,

Jeder freut sich seiner Stelle,

Bietet dem Verächter Trutz. Arbeit ist des Bürgers Zierde,

chiller. Segen ist der Mühe Preis -

320 Ehrt den König seine Würde, Ehret uns der Hände Fleiß.

325

330

335

340

345

350

Holder Friede, Süße Eintracht, Weilet, weilet Freundlich über dieser Stadt! Möge nie der Tag erscheinen, Wo des rauhen Krieges Horden Dieses stille Thal durchtoben, Wo der Himmel, Den des Abends sanfte Röte Lieblich malt, Von der Dörfer, von der Städte Wildem Brande schrecklich strahlt! Nun zerbrecht mir das Gebäude, Seine Absicht hats erfüllt, Daß sich Herz und Auge weide An dem wohlgelungnen Bild! Schwingt den Hammer, schwingt, Bis der Mantel springt! Wenn die Glock soll auferstehen, Muß die Form in Stücken gehen. Der Meister kann die Form zerbrechen Mit weiser Hand, zur rechten ZeitDoch wehe, wenn in Flammenbächen Das glühnde Erz sich selbst befreit! Blindwütend, mit des Donners Krachen Zersprengt es das geborstne Haus, Und wie aus offnem Höllenrachen Speit es Verderben zündend ausWo rohe Kräfte sinnlos walten, Da kann sich kein Gebild gestalten Wenn sich die Völker selbst befrein, Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn. Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte

[IV] 87

Schiller.

88 [IV]

355 Der Feuerzunder still gehäuft, Das Volk, zerreibend seine Kette,

360

365

370

375

380

385

Zur Eigenhilfe schrecklich greift! Da zerret an der Glocke Strängen Der Aufruhr, daß sie heulend schallt Und, nur geweiht zu Friedensklängen, Die Losung anstimmt zur Gewalt. Freiheitund Gleichheit! hört man schallen Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr. Die Straßen füllen sich, die Hatten, Und Würgerbanden ziehn umher. Da werden Weiber zu Hyänen Und treiben mit Entsetzen Scherz: Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen, Zerreißen sie des Feindes Herz. Nichts Heiliges ist mehr, es lösen Sich alle Bande frommer Scheu; Der Gute räumt den Platz dem Bösen, Und alle Laster walten frei. Gefährlich ists, den Leu zu wecken, Verderblich ist des Tigers ZahnJedoch der schrecklichste der Schrecken, Das ist der Mensch in seinem Wahn. Weh denen, die dem Ewigblinden Des Lichtes Himmelsfackel leihn! Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden Und äschert Städt und Länder ein. Freude hat mir Gott gegeben: Sehet! wie ein goldner Stern Aus der Hülse, blank und eben, Schält sich der metallne Kern. Von dem Helm zum Kranz Spielts, wie Sonnenglanz. Auch des Wappens nette Schilder Loben den erfahrnen Bilder.

Schiller.

390 Herein! herein! Gesellen alle, schließt den Reihen,

Daß wir die Glocke taufend weihen: Concordia soll ihr Name sein! Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine

395 Versammle sie die liebende Gemeine! Und dies sei fortan ihr Beruf,

Wozu der Meister sie erschuf:

Hoch überm niedern Erdenleben Soll sie, im blauen Himmelszelt,

400 Die Nachbarin des Donners, schweben Und grenzen an die Sternenwelt,

Soll eine Stimme sein von oben, Wie der Gestirne helle Schar, Die ihren Schöpfer wandelnd loben

405 Und führen das bekränzte Jahr. Nur ewigen und ernsten Dingen Sei ihr metallner Mund geweiht,

Und stündlich mit den schnellen Schwingen

Berühr im Fluge sie die Zeit.

410 Dem Schicksal leihe sie die ZungeSelbst herzlos, ohne Mitgefühl,

Begleite sie mit ihrem Schwünge

Des Lebens wcchselvolles Spiel. Und wie der Klang im Ohr vergehet,

415 Der mächtig tönend ihr entschallt, So lehre sie, daß nichts bestehet,

Daß alles Irdische verhallt.

Jetzo mit der Kraft des Stranges

Wiegt die Glock mir aus der Gruft,

420

Daß sie in das Reich des Klanges

Steige, in die Himmelsluft I Ziehet, ziehet, hebt!

Sie bewegt sich, schwebt! Freude dieser Stadt bedeute,

425

Friede sei ihr erst Geläute!

[IV] 89

90 [IV]

Schiller.

66. Sehnsucht (1802).

1. Ach, aus dieses Thales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt ich doch den Ausgang finden, Ach, wie fühlt ich mich beglückt! Dort erblick ich schöne Hügel, Ewig jung und ewig grün! Hätt ich Schwingen, hätt ich Flügel, Nach den Hügeln zög ich hin. 2. Harmonien hör ich klingen, Töne süßer Himmelsruh, Und die leichten Winde bringen Mir der Düfte Balsam zu. Goldne Früchte seh ich glühen, Winkend zwischen dunkelm Laub, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub. 3. Ach, wie schön muß sichs ergehen Dort im ewgen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen, O, wie labend muß sie sein! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust Seine Wellen sind gehoben, Daß die Seele mir ergraust. 4. Einen Nachen seh ich schwanken, Aber, ach! der Fährmann fehlt. Frisch hinein und ohne Wanken! Seine Segel sind beseelt. Du mußt glauben, du mußt wagen, Denn die Götter leihn kein PfandNur ein Wunder kann dich tragen In das schöne Wunderland!

Schiller.

«7. Der Pilgrim (1803). 1. Noch in meines Lebens Lenze

War id), und ich wandert aus, Und der Jugend frohe Tänze Ließ ich in des Vaters Haus.

2. All mein Erbteils meine Habe

Warf ich fröhlich glaubend hin, Und am leichten Pilgerstabe

Zog ich fort mit Kindersinn.

3. Denn mich trieb ein mächtig Hoffen

Und ein dunkles Glaubenswort:

„Wandle!" riefs, „der Weg ist offen, Immer nach dem Aufgang fort! 4. Bis zu einer goldnen Pforten Du gelangst, da gehst du ein,

Denn das Irdische wird dorten Himmlisch, unvergänglich fein."

5. Abend wards und wurde Morgen, Nimmer, nimmer stand ich still -

Aber immer bliebs verborgen, Was ich suche, was ich will.

6.

Berge lagen mir im Wege,

Ströme hemmten meinen Fuß, Über Schlünde baut ich Stege, Brücken durch den wilden Fluß.

7.

Und zu eines Stroms Gestaden

Kam ich, der nach Morgen floßFroh vertrauend seinem Faden,

Warf ich mich in seinen Schoß.

8.

Hin zu einem großen Meere

Trieb mich seiner Wellen Spiel Vor mir liegts in weiter Leere, Näher bin ich nicht dem Ziel.

9. Ach!

kein Steg will dahin führen,

Ach! der Himmel über mir

[IV] 91

92 [IV]

Schiller. Will die Erde nie berühren, Und das Dort ist niemals hier!

68. Der Graf von Habsburg

(1803).

Ballade.

1. Zu Aachen in seiner Kaiserpracht, Im altertümlichen Saale,

Satz König Rudolfs heilige Macht Beim festlichen Krönungsmahle.

Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins, Es schenkte der Böhme des perlenden Weins, Und alle die Wühler, die sieben,

Wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt,

Umstanden geschäftig den Herrscher der Welt, Die Würde des Amtes zu üben. 2. Und rings erfüllte den hohen Balkon Das Volk in freudgem GedrängeLaut mischte sich in der Posaunen Ton

Das jauchzende Rufen der Menge. Denn geendigt nach langem verderblichen Streit

War die kaiserlose, die schreckliche Zeit, Und ein Richter war wieder auf Erden,

Nicht blind mehr walret der eiserne Speer, Nicht fiirchtet der Schwache, der Friedliche mehr,

Des Mächtigen Beute zu werden. 3. Und der Kaiser ergreift den goldnen Pokal Und spricht mit zufriedenen Blicken:

,,Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Mahl, Mein königlich Herz zu entzücken Doch den Sänger vermiß ich, den Bringer der Lust,

Der mit süßem Klang mir bewege die Brust

Und mit göttlich erhabenen Lehren.

So hab ichs gehalten von Jugend an, Und was ich als Ritter gepflegt und gethan,

Nicht will ichs als Kaiser entbehren."

Schiller.

[IV] 93

4. Und sieh! in der Fürsten umgebenden Kreis Trat der Sänger im langen Talare.

Ihm glänzte die Locke silberweiß, Gebleicht von der Fülle der Jahre.

„Süßer Wohllaut schläft in der Saiten Gold/ Der Sänger singt von der Minne Sold,

Er preiset das Höchste, das Beste, Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt, Doch sage, was ist des Kaisers wert An seinem herrlichsten Feste?" 5. „Nicht gebieten werd ich dem Sänger", spricht Der Herrscher mit lächelndem Munde,-

„Er steht in des größeren Herren Pflicht, Er gehorcht der gebietenden Stunde:

Wie in den Lüften der Sturmwind saust, Man weiß nicht, von wannen er kommt und braust, Wie der Quell aus verborgenen Tiefen,

So des Sängers Lied aus dem Innern schallt Und wecket der dunkeln Gefühle Gewalt,

Die im Herzen wunderbar schliefen."

6. Und der Sänger rasch in die Saiten fällt

Und beginnt sie mächtig zu schlagen:

„Aufs Weidwerk hinaus ritt ein edler Held,

Den flüchtigen Gemsbock zu jagen. Ihm folgte der Knapp mit dem Jägergeschoß,

Und als er auf seinem stattlichen Roß In eine Au kommt geritten,

Ein Glöcklein hört er erklingen fern: Ein Priester wars mit dem Leib des Herrn-

Voran kam der Meßner geschritten. 7. Und der Graf zur Erde sich neiget hin,

Das Haupt mit Demut entblößet, Zu verehren mit gläubigem Christensinn,

Was alle Menschen erlöset. Ein Bächlein aber rauschte durchs Feld,

Von des Gießbachs reißenden Fluten geschwellt,

94 [IV]

Schiller. Das hemmte der Wanderer Tritte,

Und beiseit legt jener das Sakraments Von den Füßen zieht er die Schuhe behend, Damit er das Bächlein durchschritte.

8. Was schaffst du? redet der Gras ihn an,

Der ihn verwundert betrachtet.

Herr, ich walle zu einem sterbenden Mann, Der nach der Himmelskost schmachtet.

Und da ich mich nahe des Baches Steg, Da hat ihn der strömende Gießbach hinweg Im Strudel der Wellen gerissen.

Drum daß dem Lechzenden werde sein Heil, So will ich das Wässerlein jetzt in Eil

Durchwaten mit nackenden Füßen. 9. Da setzt ihn der Graf auf sein ritterlich Pferd Und reicht ihm die prächtigen Zäume, Daß er labe den Kranken, der sein begehrt,

Und die heilige Pflicht nicht versäume. Und er selber auf seines Knappen Tier

Vergnüget noch weiter des Jagens Begier,Der andre die Reise vollführet,

Und am nächsten Morgen, mit dankendem Blick, Da bringt er dem Grafen sein Roß zurück, Bescheiden am Zügel geführet.

10. Nicht wolle das Gott, rief mit Demutssinn Der Graf, daß zum Streiten und Jagen Das Roß ich beschritte fürderhin, Das meinen Schöpfer getragen!

Und magst dus nicht haben zu eignem Gewinst, So bleib es gewidmet dem göttlichen Dienst! Denn ich hab es dem ja gegeben, Von dem ich Ehre und irdisches Gut Zu Lehen trage und Leib und Blut

Und Seele und Atem und Leben. 11. So mög Euch Gott, der allmächtige Hort, Der das Flehen der Schwachen erhöret,

Schiller.

[IV] 95

Zu Ehren Euch bringen hier und dort, So wie Ihr jetzt ihn geehret. Ihr seid ein mächtiger Graf, bekannt

Durch ritterlich Walten im Schweizerland/-

Euch blühn sechs liebliche Töchter.

So mögen sie, rief er begeistert aus, Sechs Kronen Euch bringen in Euer Haus

Und glänzen die spätsten Geschlechter!"

12. Und mit sinnendem Haupt saß der Kaiser da, Als dächt er vergangener Zeiten,-

Jetzt, da er dem Sänger ins Auge sah, Da ergreift ihn der Worte Bedeuten,-

Die Züge des Priesters erkennt er schnell

Und verbirgt der Thränen stürzenden Quell

In des Mantels purpurnen Falten. Und alles blickte den Kaiser an Und erkannte den Grafen, der das gethan, Und verehrte das göttliche Walten.

69. Distichen. 1.

Tugend des Weibes.

er stürzet sich wagend ins Leben,

Tugenden brauchet der Mann,

in den bedenklichen Kampf.

Tritt mit dem stärkeren Glück

Eine Tugend genüget dem Weib: Lieblich dem Herzen, dem Aug

sie ist da, sie erscheinet

lieblich erscheine sie stets!

2. Weibliches Urteil.

Männer richten nach Gründen,Liebe,- wo es nicht liebt,

des Weibes Urteil ist seine

hat schon gerichtet das Weib.

3. Pflicht für jeden.

Immer strebe zum Ganzen,

und kannst du selber kein Ganzes

Werden: als dienendes Glied

schließ an ein Ganzes dich an!

4. Aufgabe.

Keiner sei gleich dem andern, Wie das zu machen? Es sei

doch gleich sei jeder dem Höchsten! jeder vollendet in sich.

Schiller.

96 [IV]

5. Der Schlüssel.

Willst du dich selber erkennen,

so sieh, wie die andern es treiben!

Willst du die andern verstehn,

blick in dein eigenes Herz!

6. Inneres und Äußeres.

„Gott nur siehet das Herz."

— Drum eben, weil Gott nur das Herz sieht,

Sorge/ daß wir doch auch

etwas Erträgliches sehn.

7. Freund und Feind.

Teuer ist mir der Freund/

doch auch den Feind kann ich nützen/

Zeigt mir der Freund, was ich kann,

lehrt mich der Feind,

was ich soll. 8. Das Höchste. Suchst du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren.

Was sie willenlos ist,

sei du es wollend — das ists!

9. Erwartung und Erfüllung.

In den Ozean schifft

mit tausend Blästen der Jüngling/ treibt in den Hafen der Greis.

Still, auf gerettetem Bot,

10. Wissenschaft. Einem ist sie die hohe, Eine tüchtige Kuh,

die himmlische Göttin, dem andern die ihn mit Butter versorgt.

11. Die zwei Tugendwege. Zwei sind

der Wege,

auf welchen

der Mensch

zur Tugend

emporstrebt/

Schließt sich der eine dir zu,

thut sich der

Handelnd erreicht der Glückliche sie,

Wohl ihm, den sein Geschick

andre dir auf:

der Leidende duldend.

liebend auf beiden geführt!

12. Wahl.

Kannst du nicht allen gefallen

durch deine That und dein Kunst­

werk, Mach es wenigen recht!

vielen gefallen ist schlimm.

13. Der Meister. Jeden anderen Meister

erkennt man an dem, was er ausspricht;

Was er weise verschweigt,

zeigt mir den Meister des Stils.

14. Dilettant.

Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache, Die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu sein ? 15. Der epische Hexameter.

Schwindelnd trägt er dich fort auf rastlos strömenden Wogen, Hinter dir siehst du, du siehst vor dir nur Himmel und Meer. 16. Distichon.

Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule, Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.

7.

Schiller nahestehend.

Friedrich Hölderlin (1770—1843). 70. Die Nacht.

Ringsum ruhet die Stadt, still wird die erleuchtete Gasse, Und mit Fackeln geschmückt, rauschen die Wagen hinweg. Satt gehn heim, von Freuden des Tags zu ruhen, die Menschen, Und Gewinn und Verlust wäget ein sinniges Haupt 5 Wohl zufrieden zu Haus,- leer steht von Trauben und Blumen Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt. Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten- vielleicht, daß Dort ein Liebender spielt oder ein einsamer Mann Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen, 10 Jmmerquillend und frisch, rauschen an duftendem Beel. Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken, Und der Stunden gedenk, rufet ein Wächter die Zahl. Jetzt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf, Sieh! und das Ebenbild unserer Erde, der Mond, Io Kommet geheim nun auch - die schwärmerische, die Nacht kommt Boll mit Sternen und wohl wenig bekümmert um uns, Glänzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den Menschen, Über Gebirgeshöhn traurig und prächtig herauf. Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

7

Hölderlin.

98 [IV]

71. Der Wanderer. Aber jetzt kehr ich zurück an den Rhein, Und es wehen, wie einst,

Und das strebende Herz

besänftigen mir die vertrauten,

mich in den Armen gewiegt,

Friedlichen Bäume, die einst

5 Und

das heilige Grün,

der Zeuge des ewigen, schönen

wandelt zum Jüngling mich um.

Lebens der Welt, es erfrischt,

Alt bin ich geworden indes,

mich bleichte der Eispol,

Und im Feuer des Süds

fielen die Locken mir aus. umfängst du in lächelnder Blüte

Doch wie Aurora den Tithon, 10

in die glückliche Heimat,

zärtliche Lüfte mich an.

Vaterlandserde, den Sohn.

Warm und fröhlich wie einst,

Seliges Land! kein Hügel in dir

wächst ohne den Weinstock,

regnet im Herbste das Obst.

Nieder ins schwellende Gras

den Fuß die gliihenden Berge,

Fröhlich baden im Strome

Kränze von Zweigen und Moos

kühlen ihr sonniges Haupt.

zur Schulter des herrlichen Ahnherrn,

15 Und wie die Kinder hinauf

Sreigen am dunkeln Gebirg

Festen und Hütten hinauf.

Friedsam geht aus dem Walde der Hirsch ans freundliche Tagslicht-

Hoch in heiterer Luft

Aber unten im Thal, 20

siehet der Falke sich um.

wo die Blume sich nährt von der Quelle,

Streckt das Dörfchen vergniigt

Und vom Berge herab

über die Wiese sich aus.

von fern die geschäftige Mühle,

Still ists hier- kaum rauscht

knarrt das gefesselte Rad.

Lieblich tönt die gehämmerte Sens und die Stimme des Landmanns, Der am Pfluge dem Stier,

lenkend, die Schritte gebeut,

die im Grase sitzt mit dem Söhnlein,

25 Lieblich der Mutter Gesang, Das die Sonne des Mais

schmeichelt in lächelnden Schlaf.

Aber drüben am See, wo die Ulme das alternde Hofthor Übergrünt und den Zaun wilder Holunder umblüht, Da umfängt mich das Haus

30

und des Gartens heimliches Dunkel,

Wo mit den Pflanzen mich einst Wo ich froh wie das Eichhorn spielt' Oder ins duftende Heu Heimatliche Natur,

liebend mein Vater erzog, auf den lispelnden Ästen

träumend die Stirne verbarg.

wie bist du treu mir geblieben!

Zärtlich pflegend wie einst,

nimmst du den Flüchtling noch auf.

Hölderlin.

35 Noch gedeihn die Pfirsiche mir,

noch wachsen gefällig

Mir ans Fenster, wie sonst, Lockend röten sich noch

köstliche Trauben herauf -

die süßen Früchte des Kirschbaums, reichen die Zweige sich selbst.

Und der pflückenden Hand

in des Walds unendliche Laube

Schmeichelnd zieht mich, wie sonst,

40

Ans dem Garten der Pfad

oder hinab an den Bach.

Um das Auge, wie sonst,

Vaterlandssonne, dein Licht!

aus deinem freudigen Kelche,

Feuer trink ich und Geist Schläfrig lässest du nicht

werden mein alterndes Haupt.

Die du einst mir die Brust

erwecktest vom Schlafe der Kindheit

Und mit sanfter Gewalt

Mildere Sonne, zu dir

mir

es wärmt mich und spielt

Und die Pfade rötest du mir,

45

[IV] 99

höher und weiter mich triebst,

kehr ich getreuer und weiser,

Friedlich zu werden und froh

unter den Blumen zu ruhn.

72. An den Äther. Treu und freundlich wie du, erzog der Götter und Menschen Keiner, o Vater Äther! mich auf. Noch ehe die Mutter

und ihre Brüste mich tränkten,

In die Arme mich nahm

Faßtest du zärtlich mich an

5

und gossest himmlischen Trank mir,

Mir den heiligen Odem

zuerst in den keimenden Busen.

Glicht von irdischer Kost

gedeihen einzig die Wesen,

Aber du nährest sie all

mit deinem Nektar, o Vater!

Und es drängt sich und rinnt Die beseelende Lust

10

aus deiner ewigen Fülle

durch alle Röhren des Lebens.

Darum lieben die Wesen dich auch

Unaufhörlich hinauf

Himmlischer! sucht nicht dich

mit ihren Augen die Pflanze,

Streckt nach dir die schüchternen Arme

Daß er dich finde, zerbricht

15

und ringen und streben

nach dir in freudigem Wachstum.

Daß er, belebt von dir,

der gefangene Same die Hülse -

in deiner Welle sich bade,

Schüttelt der Wald den Schnee

Auch die Fische kommen Über die glänzende Fläche

Aus der Woge zu dir-

der niedrige Strauch nicht?

wie ein überlästig Gewand ab.

herauf und hüpfen verlangend

des Stroms, als begehrten auch auch den edeln Tieren der Erde

diese

Hölderlin.

100 [IV]

20 Wird zum Fluge der Schritt, Die geheime Liebe

wenn oft das gewaltige Sehnen,

zu dir sie ergreift, sie hinaufzieht.

Stolz verachtet den Boden das Roß,

In die Höhe sein Hals,

wie gebogener Stahl strebt

mit der Hufe berührt es den Sand kaum.

der Fuß der Hirsche den Grashalm,

Wie zum Scherze berührt

25 Hüpft, wie ein Zephyr, über

den Bach, der reißend hinabschäumt,

Hin und wieder schweift, kaum sichtbar, durch die Gebüsche. Aber des Äthers Lieb- linge, sie, die glücklichen Vögel,

in der ewigen Halle des Vaters.

Wohnen und spielen vergnügt

der Pfad ist keinem bezeichnet,

Raums genug ist für alle-

30 Und es regen sich frei im Hause die Großen und Kleinen. Über dem Haupt frohlocken sie mir, und es sehnt sich auch rnein Herz. Wunderbar zu ihnen hinauf; Winkt es von oben herab,

wie die freundliche Heimat und auf die Gipfel der Alpen

von da dem eilenden Adler,

Möcht ich wandern und rufen

35 Daß er, wie einst in die Arme des Zeus den seligen Knaben, Aus der Gefangenschaft in des Äthers Halle mich trage. Thöricht treiben wir uns

umher- wie die irrende Rebe,

Wenn ihr der Stab gebricht,

woran zum Himmel sie aufwächst,.

Breiten wir über den Boden uns aus und suchen und wandern 40 Durch die Zonen der Erd- o Vater Äther! vergebens -

Denn es treibt uns die Lust, Uns zu sättigen, und

in

deinen Gärten zu wohnen.

wir uns, in den freieren Ebnen

In die Meersflut werfen

es umspielt die unendliche Woge

Unsern Kiel, es freut sich das Herz

45 Dennoch genügt ihm nichtWo die leichtere Welle

an den Kräften des Meergotts..

denn der tiefere Ozean reizt uns,

sich regt — o, wer dort an jene

Goldnen Küsten das wandernde Schiff Aber indes ich hinauf

zu treiben vermöchte!

in die dämmernde Ferne mich sehne,

Wo du fremde Gestad umfängst mit bläulicher Woge, 50 Kömmst du säuselnd herab von des Fruchtbaums blühenden Wipfeln, Vater Äther! und sänftigest selbst das strebende Herz mir-

Und ich lebe nun gern,

wie zuvor, mit den Blumen der Erde.

Hölderlin.

[IV] 101

73. Der gefesselte Strom.

1.

Was schläfst und träumst du, Jüngling, gehüllt in dich,

Und säumst am kalten Ufer, geduldiger, Und achtest nicht des Ursprungs, du, des Ozeans Sohn, des Titanenfreundes'?

2.

Die Liebesboten, welche der Vater schickt, Kennst du die Leben atmenden Lüfte nicht? Und trifft das Wort dich nicht, das hell von

Oben der wachende Gott dir sendet? —

3. Schon tönt, schon tönt es ihm in der Brust! es quillt, Wie da er noch im Schoße der Felsen spielt',

Ihm auf,' und nun gedenkt er seiner Kraft, der Gewaltige, nun, nun eilt er, 4. Der Zauberer, er spottet der Felsen nun

Und nimmt und bricht und wirft die zerbrochenen Im Zorne, spielend, da und dort zum

Schallenden Ufer- und von der Stimme

5.

Des Göttersohns erwachen die Berge rings, Es regen sich die Wälder, es hört die Kluft Den Herold fern, und schaudernd regt im Busen der Erde sich Freude wieder.

6. Der neue Frühling dämmert, es blüht um ihnEr aber wandelt hin zu Unsterblichen -

Denn nirgend darf er bleiben, als wo

Ihn in die Arme der Vater aufnimmt.

Man vergleiche auch: (III. Teil).

Luise Brachmann, 1777—1802

III. Dichtungen uns -er ersten Hülste des 19. Jahrhunderts.

1. Womanlische Dichter.

Novalis (Friedrich von Hardenberg)

74. 1.

(1772—1801).

An einen Freund.

Was paßt, das muß sich ründen/

Was gut ist, sich verbinden/

was sich versteht/ sich finden/

was liebt/ zusammen sein. was krumm ist/ muß sich gleichen.

Was hindert/ muß entweichen/ Was fern ist/ sich erreichen/

was keimt/ das muß gedeihn.

2. Gieb treulich mir die Hände/ Den Blick vor deinem Ende

sei Bruder mir und wende

nicht wieder weg von mir!

Ein Tempel, wo wir knieeN/

ein Ort, wohin wir ziehen/

Ein Glück/ für das wir glühen/

ein Himmel mir und dir!

75. Bergmannslied.

1.

wer ihre Tiefen mißt

Der ist der Herr der Erde/

Und jeglicher Beschwerde

in ihrem Schoß vergißt.

2. Wer ihrer Felsenglieder

Und unverdrossen nieder

geheimen Bau versteht

zu ihrer Werkstatt geht. und inniglich vertraut

3. Er ist mit ihr verbündet

als wär sie eine Braut.

Und wird von ihr entzündet/

4. Er sieht ihr alle Tage

mit neuer Liebe zu

Und scheut nicht Fleiß noch Plage5. Die mächtigen Geschichten

Ist sie ihm zu berichten

sie

läßt ihm keine Ruh.

der längst verfloßnen Zeit

mit Freundlichkeit bereit.

Novalis.

6.

Der Vorwelt heilge Wiste

Und in die Nacht der Klüfte

7.

umwehn sein Angesicht,

Er trifft auf allen Wegen

9.

ein wohlbekanntes Land,

den Werken seiner Hand.

Ihm folgen die Gewässer

Und alle Felsenschlösser

[IV] 103

strahlt ihm ein ewges Licht.

Und gern kommt sie entgegen

8.

Tieck.

hilfreich den Berg hinauf,

thun ihre Schätz ihm auf.

Er führt des Goldes Ströme

Und schmückt die Diademe

in seines Königs Haus

mit edlen Steinen aus.

10. Zwar reicht er treu dem König

11. Sie mögen sich erwürgen

Er bleibt auf den Gebirgen

den glückbegabten Arm,

und bleibt mit Freuden arm.

Doch frägt er nach ihm wenig

am Fuß um Gut und Geld,

der frohe Herr der Welt.

Ludwig Tieck (1773—1853).

76. 1.

Herbstlicd.

Feldeinwärts flog ein Vögelein

Und sang im muntern Sonnenschein Mit süßem, wunderbarem Ton:

Ade! ich fliege nun davon. Weit! weit!

2.

reis ich noch heut.

Ich horchte auf den Feldgesang,

Mir ward so wohl und doch so bang,-

Mit frohem Schmerz, mit trüber Lust Stieg wechselnd bald und sank die Brust.

Herz! Herz! brichst du vor Wonn oder Schmerz?

3.

Doch als ich Blätter fallen sah,

Da sagt ich: Ach! der Herbst ist da,

Der Sommergast, die Schwalbe, zieht, Vielleicht so Lieb und Sehnsucht flieht, Weit! weit!

4.

rasch mit der Zeit.

Doch rückwärts kam der. Sonnenschein,

Dicht zu mir drauf das Vögelein,

Es sah mein thränend Angesicht

104 ]IV]

Tieck.

Arndt.

Und sang: die Liebe wintert nicht, Nein! nein!

ist und bleibt Frühlingsschein.

Man vergl. auch

2.

Arndt, Schenkendorf, Fouquö.

Ireiheitssänger.

Ernst Moritz Arndt (1769—1860). 77. 1.

Los des Schönen (1802).

Die Nose blühet auf Dornen,

Die Nachtigall singet im Leide,

Was hoffest du irdische Freude,

Wo nirgends das Schöne besteht? Die Blüten verwelkten lind starben,

Dann klangen die Sicheln für Garben, Doch manche der lieblichsten Blüten Hat fruchtlos der Winter verweht.

2.

Hier steh ich, pflücke mir Blumen,

Der Liebsten den Hügel zu schmücken *. Ich hoffte, in Freuden zu pflücken,

Was brachte der lustige Mai.

Nun lieget mir still und begraben Die schönste der irdischen Gaben,

Drum pflück ich die Blumen mit Thränen,

Die brachte der lustige Mai. 3.

Klingt stiller, zärtliche Saiten,

Klingt still um die schlummernde Schöne! Sie kannte den Wohllaut der Töne,

Der Seelen melodischen Klang.

Haucht, Blumen, die lieblichsten Düste! Die schläft in dem Schweigen der Grüfte,

Ging, Veilchen zu pflücken und Rosen, Oft spielend die Auen entlang.

1 Arndts Gattin starb im Jahre 1801. Er vermählte sich 1817 zum zweiten Male, mit einer Schwester Schleiermachers.

Arndt.

78. 1.

Des Deutschen Vaterland (1813). „Was ist des Deutschen Vaterland?

Jsts Preußenland, ists Schwabenland?

Jsts/ wo am Rhein die Rebe blüht? Jsts/ wo am Belt die Möwe zieht?" — //O nein/ nein/ nein!

Sein Vaterland muß größer sein." —

2.

//Was ist des Deutschen Vaterland?

Jsts Baierland, ists Steierland? Jsts/ wo des Marsen Rind sich streckt? Ists, wo der Märker Eisen reckt?" —

z/O nein, nein, nein!

Sein Vaterland muß größer sein." —

3. „Was ist des Deutschen Vaterland? Jsts Pommerland? Westfalenland? Jsts/ wo der Sand der Dünen weht?

Jsts/ wo die Donau brausend geht?" — z/O neinz nein, nein! Sein Vaterland muß größer sein." —

4.

„Was ist des Deutschen Vaterland?

So nenne mir das große Land! Ists Land der Schweizer? ists Tirol?" —

„Das Land und Volk gefiel mir wohlDoch neinz nein, nein!

Sein Vaterland muß größer sein." —

5.

,/Was ist des Deutschen Vaterland?

So nenne mir das große Land! Gewiß/ es ist das Österreich/ An Ehren und an Siegen reich?" —

,/O nein, nein, nein! Sein Vaterland muß größer sein/' —

6.

//Was ist des Deutschen Vaterland?

So nenne endlich mir das Land!" —

„So weit die deutsche Zunge klingt Und Gott im Himmel Lieder singt/

[IV] 105

106 [IV]

Arndt.

DaS soll es sein! Das, wackrer Deutscher, nenne dein! 7. Das ist des Deutschen Vaterland, Wo Eide schwört der Druck der Hand, Wo Treue hell vom Auge blitzt Und Liebe warm im Herzen sitzt — Das sott es sein! Das, wackrer Deutscher, nenne dein! 8. Das ganze Deutschland sott es sein! O Gott vom Himmel, sieh darein Und gieb uns rechten deutschen Mut, Daß wir es lieben treu und gut. Das soll es sein! Das ganze Deutschland soll es sein!"

79. Wer soll der Hüter sein? (1818). Auf den Tod Max von Schenkendorfs (t 11. Dez. 1817 zu Koblenz).

1. „Wer soll dein Hüter sein? Sprich, Vater Rhein! Mag dich der Schwerter Glanz, Mögen dich Wall und Schanz, Mag dich von Türmen Ein diamantner Kranz Hüten und schirmen?" — „Ach nein! durch Felsenburg Dringet die List hindurch, Solches schirmt nie genug Gegen den welschen Trug." — 2. „Wer soll denn Hüter sein? Sprich, Vater Rhein!" — „Eins kann nur Hüter sein," So spricht der Vater Rhein, „Eins kann nur dauern,Lanzen und Schwerterschein, Felsen und Mauern,

Wären sie noch so dicht, Sprenget der Höllenwicht,Bau diamantne Burg, Er dringet doch hindurch." — 3. „Was soll das eine sein? Sprich, Vater Rhein!" — „Herz mutz das eine sein!" Spricht Vater Rhein — „Das wird es treffen, Herz, das kein Lügenschein Nimmer kann äffen. Auch ohne Schanz und Wall Brauset mein Wogenschwall Fröhlich in Freiheit hin, Wann ich des mächtig bin." — 4. „Soll das das eine sein?" — „Ja, das allein! Treues und deutsches Herz,

Tapfer in Ernst und Scherz, Er hat vom deutschen Land, Er hat vom welschen Tand Das ist die Mauer, Treues und deutsches Herz Mächtig geklungen, Daß Ehre auferstand, Bleibt auf die DauerBrechet die Schwerter klein, Wo er gesungen. Reißet die Wälle ein, Bei dir, wonach er rang, Schleifet die Felsenburg — Sang er den Schwanensang: Mit diesem fecht ichs durch!" — Hier sollt er Zeichen sein, 5. „Wohl dir des Hüters dein! Hier sollt er Hüter sein. Dies soll es sein! 7. Wohl dir des Hüters dein! Wohl dir! ein deutsches Herz, Jauchze nun, Rhein! Tapfres und treues Herz, Brause in Wonne fort, Köstliche Gabe, Heilige Landespfort! Senken wir hier in Schmerz Klinge in Freuden, Nieder zum Grabe. Klinge des Sängers Wort Das sei dir Schild und Hort, Künftigen Zeiten! Brausende Landespfort! Und in dem grünen Glanz Das soll ein Zeichen sein Liege sein Grab als Schanz! Ewig am freien Rhein! Liege als Ehrenwall 6. Wohl dir des Hüters dein! Bor deiner Wogen Schwall!" Er hat vom Rhein, 80.

Grablied (1818).

1. Geht nun hin und grabt mein Grab! Denn ich bin des Wanderns müde, Von der Erde scheid ich ab, Denn mir ruft des Himmels Friede, Denn mir ruft die süße Ruh Von den Engeln droben zu. 2. Geht nun hin und grabt mein Grab! Meinen Lauf hab ich vollendet, Lege nun den Wanderstab Hin, wo alles Irdische endet, Lege selbst mich nun hinein In das Bette sonder Pein.

108 [IV]

Arndt. 3. Was soll ich bienieden noch In dem dunkeln Thale machen? Denn wie mächtig, stolz und hoch Wir auch stellen unsre Sachen, Muß es doch wie Sand zergehn, Wann die Winde drüber wehn. 4. Darum, Erde, fahre wohl,

Laß mich nun in Frieden scheiden! Deine Hoffnung, ach! ist hohl, Deine Freuden sind nur Leiden, Deine Schönheit Unbestand, Eitel Wahn und Trug und Tand. 5. Darum letzte gute Nacht, Sonn und Mond und liebe Sterne! Fahret wohl mit eurer Pracht! Denn ich reis in weite Ferne, Reise hin zu jenem Glanz, Worin ihr erbleichet ganz. 6. Weinet nicht, daß nun ich will Von der Welt den Abschied nehmen, Daß ich aus dem Jrrland will, Aus den Schatten, aus den Schemen, Aus dem Eiteln, aus dem Nichts Hin ins Land des ewgen Lichts. 7. Weint nicht! mein Erlöser lebt; Hoch vom finstern Erdenstaube Hell empor die Hoffnung schwebt, Und der Himmelsheld, der Glaube, Und die ewige Liebe spricht: Kind des Vaters, zittre nicht!

Lchenkendorf.

[IV] 109

Max von Schenkendorf (1783—1817). 81.

Ans den Tod der Königin Lnise (f 19.

1.

Juli

1810).

Rose, schöne Königsrose,

Hat auch dich der Sturm getroffen? Gilt kein Beten mehr, kein Hoffen Bei dem schreckenvotlen Lose?

2.

Seid ihr, hochgeweihte Glieder,

Schon dem düstern Reich verfallen?

Haupt, um das die Locken wallen,

Sinkest du zum Schlummer nieder?

3.

Sink in Schlummer! aufgefunden

Ist das Ziel, nach dem dkl schrittest,

Ist der Kranz, um den du littest, Ruhe labt am Quell der Wunden.

4.

Auf, Gesang, vom Klagethale

Schweb empor zu lichten Hallen,

Wo die Siegeshymnen schallen!

Singe Tröstung dem Gemahle!

5).

Sink an deiner Völker Herzen,

Du im tiefsten Leid Verlorner, Du zum Martyrtum Erkorner,

Auszubluten deine Schmerzen.

6.

Herr und König, schau nach oben,

Wo sie leuchtet gleich den Sternen,

Wo in Himmels weiten Fernen

Alle Heilige sie loben! (Man vergl. auch

III.

Fouquö,

Brandenburgisches Erntelied,

Teil.)

82. Freiheit (1813). 1.

Freiheit, die ich meine,

Komm mit deinem Scheine,

die mein Herz erfüllt, süßes Engelbild!

2. Magst du nie dich zeigen Führest deinen Reigen

der bedrängten Welt?

nur am Sternenzelt?

Schenkendorf.

110 [IV]

in dem lustgen Wald,

3. Auch bei grünen Bäumen

Unter Blütenträumen

ist dein Aufenthalt.

4. Ach! das ist ein Leben, wenn es weht und klingt, Wenn dein stilles Weben

wonnig uns durchdringt,

süßen Freundesgruß,

5. Wenn die Blätter rauschen

Liebeswort und Kuß.

Wenn wir Blicke tauschen,

6. Aber immer weiter

nimmt das Herz den Lauf, steigt die Sehnsucht auf.

Auf der Himmelsleiter

7. Aus den stillen Kreisen

Will der Welt beweisen,

kommt mein Hirtenkind,

was es denkt und minnt.

8. Blüht ihm doch ein Garten,

Auch in jener harten

in ein Herz gesenkt,

9. Wo sich Gottes Flamme Das am alten Stamme

treu und liebend hängt,-

die für Ehr und Recht

10. Wo sich Männer finden, Mutig sich verbinden,

weilt ein frei Geschlecht.

11. Hinter dunkeln Wällen,

hinter ehrnem Thor

Kann das Herz noch schwellen

12. Für die Kirchenhatlen, Für die Liebsten fallen,

zu dem Licht empor.

für der Bäter Gruft,

wenn die Freiheit ruft —

frisch und rosenrot'

13. Das ist rechtes Glühen, Heldenwangen blühen

schöner auf im Tod.

Gottes Lieb und Lust,

14. Wollest auf uns lenken Wollest gern dich senken

in die deutsche Brust, gläubig, kühn und zart!

15. Freiheit, holdes Wesen,

Hast ja lang erlesen

reift ihm doch ein Feld

steinerbauten Welt:

dir die deutsche Art.

83. Frühlingsgruß an das Vaterland (1814). 1. Wie mir deine Freuden

winken

nach

der Knechtschaft,

nach dem Streit! Vaterland, ich muß versinken

Wo die hohen Eichen sausen,

hier in deiner Herrlichkeit. himmelan das Haupt gewandt,

Wo die starken Ströme brausen,

alles das ist deutsches Land.

[IV] 111

Schenkendorf. 2.

Von

dem

Rheinfall hergegangen

komm

idj, von der

Donau Quell,

Und in mir sind aufgegangen

Liebessterne mild und Hell-

Niedersteigen will ich, strahlen

soll von mir der Freudenschein

In des Neckars frohen Thalen

und am silberblauen Main!

3. Weiter, weiter mußt du dringen,

du mein deutscher Frei­ heitsgruß,

Sollst vor meiner Hütte klingen

Wo noch deutsche Worte gelten,

an dem fernen Memelfluß! wo die Herzen, stark und weich,

Zu dem Freiheitskampf sich stellten, ist auch heilges deutsches Reich.

4. Alles ist in Grün gekleidet,

alles strahlt im jungen Licht,

Anger, wo die Herde weidet,

Hügel, wo man Trauben bricht.

Vaterland! in tausend Jahren

kam dir solch ein Frühling kaum:

Was die hohen Väter waren,

heißet nimmermehr ein Traum.

5. Aber einmal müßt ihr ringen noch in ernster Geisterschlacht

Und den letzten Feind bezwingen, der im Innern drohend wacht: Haß und Argwohn müßt ihr dämpfen,

Geiz und Neid und

böse Lust, Dann, nach schweren, langen Kämpfen

kannst du ruhen, deutsche

Brust. 6. Jeder ist dann reich an Ehren, reich an Demut und an Macht-

unsers Kaisers heilge Pracht.

So nur kann sich recht verklären Alte Sünden müssen sterben

in der gottgesandten Flut

Und an einen selgen Erben

fallen das entsühnte Gut.

7. Segen Gottes auf den Feldern,

in des Weinstocks heilgcr

Frucht, in den Hütten frohe Zucht-

Manneslust in grünen Wäldern,

Jn der Brust ein frommes Sehnen, Liebe spricht in zarten Tönen

ewger Freiheit Unterpfand-

nirgends wie im deutschen Land.

8. Ihr in Schlössern, ihr in Städten,

welche schmücken

unser Land, Ackersmann, der auf den Beeten deutsche Frucht in Garben band,

Traute, deutsche Brüder, höret Nimmer wird das Reich zerstöret,

meine Worte, alt und neu:

wenn ihr einig seid und treu!

112 [IV]

Schenkendorf.

84. Das Lied vom Rhein. 1. Es klingt ein Heller Klang,

In jedem Hochgesang

ein schönes deutsches Wort

der deutschen Männer fort:

Ein alter König hochgeboren,

Dem jedes deutsche Herz geschworen — Wie oft sein Name wiederkehrt,

Man hat ihn nie genug gehört.

2.

Das ist der heilge Rhein,

ein Herrscher, reich begabt,

die treue Seele labt.

Des Name schon, wie Wein,

Es regen sich in allen Herzen

Viel vaterländsche Lust und Schmerzen,

Wenn man das deutsche Lied beginnt

Vom Rhein, dem hohen Felsenkind. 3. Sie hatten ihm geraubt

der alten Würden Glanz.

den grünen Rebenkranz.

Von seinem Königshaupt

In Fesseln lag der Held geschlagen:

Sein Zürnen und sein stolzes Klagen,

Wir habens manche Nacht belauscht,

Von Geisterschauern hehr umrauscht. — ein furchtbar dräuend Lied:

4. Was sang der alte Held? „O, weh dir, schnöde Welt,

wo keine Freiheit blüht,

Von Treuen los und bar von Ehren! Und willst du nimmer wiederkehren,

Mein, ach! gestorbenes Geschlecht Und mein gebrochnes deutsches Recht? ä. O, meine hohe Zeit!

Als noch in Herrlichkeit

mein goldner Lebenstag!

mein Deutschland vor mir lag

Und auf und ab am Ufer wallten Die stolzen adligen Gestalten, Die Helden, weit und breit geehrt

Durch ihre Tugend und ihr Schwert!

6.

Es war ein frommes Blut

Voll kühnem Leuenmut

in ferner Riesenzeit,

und mild, als eine Maid.

Man singt es noch in späten Tagen,

Wie den erschlug der arge Hagen.

Schenkendorf.

[IV] 113

Körner.

Was ihn zu solcher That gelenkt,

In meinem Bette liegts versenkt.

7.

Du Sünder! wüte fort!

Der Nibelungen Hort

bald ist dein Becher voll,-

ersteht wohl, wenn er soll.

Es wird in dir die Seele grausen,

Wann meine Schrecken dich umbrausen -

Ich habe wohl und treu bewahrt

Den Schatz der alten Kraft und Art!" —

8.

Erfüllt ist jenes Wort:

Der Nibelungen Hort

der König ist nun frei,

ersteht und glänzet neu!

Es sind die alten deutschen Ehren, Die wieder ihren Schein bewähren:

Der Väter Zucht und Mut und Ruhm, Das heilge deutsche Kaisertum!

9.

Wir Huldgen unserm Herrn,

Die Freiheit sei der Stern!

wir trinken seinen Wein.

die Losung sei der Rhein!

Wir wollen ihm aufs neue schwören! Wir müssen ihm, er uns gehören.

Vom Felsen kommt er frei und hehr, Er fließe frei in Gottes Meer!

Karl Theodor Körner (1791—1813). 85. Bor Rauchs Büste der Königin Luise (1812). Du schläfst so sanft! — Die stillen Züge hauchen Noch deines Lebens schöne Träume wieder;

Der Schlummer nur senkt seine Flügel nieder,

Und Heilger Friede schließt die klaren Augen.

So schlummere fort, bis deines Volkes Brüder, Wenn Flammenzeichen von den Bergen rauchen, Mit Gott versöhnt, die rostgen Schwerter brauchen, Das Leben opfernd für die höchsten Güter.

Tief führt der Herr durch Nacht und durch VerderbenSo sollen wir im Kampf das Heil erwerben,

Daß unsre Enkel freie Männer sterben. Hc ssel, Lesebuch IV. Gedichte.

8

114 [IV]

Körner.

Kommt dann der Tag der Freiheit und der Rache:

Dann ruft dein Volk- dann, deutsche Frau: erwache, Ein guter Engel für die gute Sache!

86. Aufruf (1813). 1. Frisch auf, mein Volk! die Flammenzeichen rauchen,

Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht Du sollst den Stahl in Feindesherzen tauchen; Frisch auf, mein Volk! die Flammenzeichen rauchen.

Die Saat ist reif- ihr Schnitter, zaudert nicht! Das höchste Heil, das letzte, liegt im Schwerte. Drück dir den Speer ins treue Herz hinein:

Der Freiheit eine Gasse! wasch die Erde,

Das deutsche Land, mit deinem Blute rein!

2. Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen Es ist ein Kreuzzug, 's ist ein heilger Krieg! Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gewissen

Hat der Tyrann aus deutscher Brust gerissen:

Errette sie mit deiner Freiheit Sieg! Der Jammer deiner Greise ruft: erwache! Der Hütte Schutt verflucht die fremde Brut, Die Schande deiner Töchter schreit um Rache, Der Meuchelmord der Söhne schreit nach Blut. 3. Zerbrich die Pflugschar, lasz den Meißel fallen,

Die Leier still, den Webstuhl ruhig stehn! Verlasse deine Höfe, deine Hallen!

Vor dessen Antlitz deine Fahnen wallen,

Er will sein Volk in Waffenrüstung sehn. Denn einen großen Altar sollst du bauen

In seiner Freiheit ewgem Morgenrot, Mit deinem Schwert sollst du die Steine hauen, Des Tempels Grund sei seiner Helden Tod. 4. Was weint ihr, Mädchen, warum klagt ihr, Weiber,

Für die der Herr die Schwerter nicht gestählt,

Wenn wir entzückt die jugendlichen Leiber Hinwerfen in die Speere eurer Räuber,

Korner.

[IV] 115

Daß euch des Kampfes kühne Wollust fehlt? Könnt ihr doch froh zu Gottes Altar treten! Für Wunden gab er zarte Sorgsamkeit, Gab euch in euren herzlichen Gebeten Den schönen, reinen Sieg der Frömmigkeit. 5. Drum betet, daß die alte Kraft erwache,

Daß wir dastehn, das alte Volk des Siegs!

Die Märtyrer der Heilgen deutschen Sache, O, ruft sie an als Genien der Rache, Daß sie uns schützen in dem Sturm des Kriegs! Luise, schwebe segnend um den Gatten! Geist unsers Ferdinands, voran dem Zug! Und all ihr deutschen, freien Heldenschatten, Mit uns, mit uns und unsrer Fahnen Flug! 6. Der Himmel hilft, die Hölle muß uns weichen. Drauf, wackres Volk! drauf! ruft die Freiheit, drauf! Hoch schlägt dein Herz, hoch wachsen deine Eichen, Was ki'lmmern dich die Hügel deiner Leichen? Hoch pflanze da die Freiheitsfahne auf! Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke, In deiner Vorzeit heilgem Siegerglanz: Vergiß die treuen Toten nicht, und schmücke Auch unsre Urne mit dem Eichenkranz!

87.

Abschied vom Leben.

(Als ich in der Nacht vom 17. zum 18. Juni 1813 schwer verwundet und hilflos in einem Holze lag und zu sterben meinte.)

Die Wunde brennt,- die bleichen Lippen beben,Ich fühls an meines Herzens mattrem Schlage: Hier steh ich an den Marken meiner Tage — Gott, wie du willst! dir hab ich mich ergeben! Viel goldne Bilder sah ich um mich schweben: Das schöne Traumlied wird zur Totenklage. — Mut! Mut! Was ich so treu im Herzen trage, Das muß ja doch dort ewig mit mir leben-

116 [IV]

Körner.

Und was ich hier als Heiligtum erkannte,

Wofür ich rasch und jugendlich entbrannte, Ob ichs nun Freiheit, ob ichs Liebe nannte:

Als lichten Seraph seh ichs vor mir stehen. Und wie die Sinne langsam mir vergehen, Trägt mich ein Hauch zu morgenroten Höhen.

88.

Schwertlied.

(Wenige Stunden vor seinem Tode gedichtet).

1. „Du Schwert an meiner Linken, Was soll dein heitres Blinken? Schaust mich so freundlich an, Hab meine Freude dran." — Hurra!

2. „Mich trägt ein wackrer Reiter, Drum blink ich auch so heiter, Bin freien Mannes Wehr: Das freut dem Schwerte sehr." 3. „Ja, gutes Schwert, frei bin ich Und liebe dich herzinnig, Als wärst du mir getraut Als eine liebe Braut." 4. „Dir hab ichs ja ergeben, Mein lichtes Eisenleben. Ach, wären wir getraut! Wann holst du deine Braut?" 5. „Zur Brautnachts-Morgenröte Ruft festlich die TrompeteWenn die Kanonen schrein, Hol ich das Liebchen ein." 6. „O, seliges Umfangen! Ich harre mit Verlangen. Du, Bräutgam, hole mich! Mein Kränzchen bleibt für dich." 7. „Was klirrst du in der Scheide^ Du helle Eisenfreude,

Körner. So wild, so schlachtenfroh? Mein Schwert, was klirrst du so?"

8. „Wohl klirr ich in der Scheide; Ich sehne mich zum Streite Recht wild und schlachtenfroh: Drum, Reiter, klirr ich so."

9. „Bleib doch im engen Stübchen! Was willst du hier, mein Liebchen? Bleib still im Kämmerlein, Bleib, bald ho! ich dich ein!" 10. „Laß mich nicht lange warten! O, schöner Liebesgarten Boll Röslein blutigrot

Und aufgeblühtem Tod!" 11. „So komm denn aus der Scheide, Du Reiters Augenweide! Heraus, mein Schwert, heraus! Führ dich ins Vaterhaus." 12. „Ach, herrlich ists im Freien Im rüstgen Hochzeitsreihen! Wie glänzt im Sonnenstrahl So bräutlich hell der Stahl!"

13. Wohlauf, ihr kecken Streiter, Wohlauf, ihr deutschen Reiter! Wird euch das Herz nicht warm? Nehmts Liebchen in den Arm! 14. Erst that es an der Linken Nur ganz verstohlen blinken,' Doch an die Rechte traut Gott sichtbarlich die Braut! 15. Nun drückt den liebeheißen, Bräutlichen Mund von Eisen An eure Lippen fest! Fluch, wer die Braut verläßt!

[IV] 117

118 [IV]

Körner.

16.

Uhland.

Nun laßt das Liebchen fingen,

Daß Helle Funken springen! Der Hochzeitsmorgen graut. Hurra, du Eisenbraut! — Hurra!

Man bergt, auch Harnes, 1762—1802 (I. Steil); Fouqu6, 1777—1843 (III.); ferner Maßmann, 1797—1874 (III.); Sallet, 1812—1843(11.); Becker, 1819-1843 (III.); Schnecken­ burger, 1819—1849 (III.); Fontane, 1819—1898 (II.).

3. Schwäbische Dichter und ihnen verwandt. Ludwig Uhland (1787—1862).

*89.

Schäfers Sonntagslicd

1. Das ist der Tag des Herrn! Ich bin allein auf weiter Flur;

Noch eine Morgenglocke nur,

Nun Stille nah und fern!

2.

Anbetend knie ich hier.

O, süßes Graun! geheimes Wehn!

(1805).

Als knieten diele ungesehn

Und beteten mit mir.

3. Der Himmel, nah und fern. Er ist so klar und feierlich,

So ganz, als wollt er öffnen fid). Das ist der Tag des Herrn!

*90. Die Kapelle (1805). 1. Droben stehet die Kapelle, Schauet still ins Thal hinab, Drunten singt bei Wies und Quelle

Froh und hell der Hirtenknab.

2. Traurig tönt

das Glöcklein nieder,

Schauerlich der Leichenchor; Stille sind die frohen Lieder,

Und der Knabe lauscht empor.

3. Droben bringt man sie zu Grabe, Die sich freuten in dem Thal;

Hirtenknabe! Hirtenknabe!

Dir auch singt man dort einmal.

Nhland.

[IV] 119

*91. Das Schloß am Meere (1805). 1. „Haft du das

das hohe Schloß am Meer?

Schloß gesehen,

Golden und rosig wehen

die Wolken drüber her.

2. Es möchte sich niederneigen

in die spiegelklare Flut,

in der Abendwolken Glut."

Es möchte streben und steigen

3. „Wohl hab ich es gesehen,

Und den Mond darüber stehen

das hohe Schloß am Meer,

und Nebel weit umher."

4. „Der Wind und des Meeres Wallen, gaben sie frischen Klang ?

Vernahmst du aus hohen Hallen

5.

„Sähest du oben gehen

Der roten Mäntel Wehen,

7.

hört ich mit Thränen zu."

den König und sein Gemahl, der goldnen Kronen Strahl?

Führten sie nicht mit Wonne

Herrlich wie eine Sonne,

8.

lagen in tiefer Ruh,-

„Die Winde, die Wogen alle

Einem Klagelied aus der Halle

6.

Saiten und Festgesang?"

eine schone Jungfrau dar,

strahlend im goldnen Haar?"

„Wohl sah ich die Eltern beide,

Im schwarzen Trauerkleide,-

ohne der Kronen Licht,

die Jungfrau sah ich nicht."

92. Der Schäfer (1805). 1.

Der schöne Schäfer zog so nah

Vorüber an dem Königsschloß; Die Jungfrau von der Zinne sah, Da war ihr Sehnen groß.

2.

Sie rief ihm zu ein süßes Wort:

„O, dürft ich gehn hinab zu dir! Wie glänzen weiß die Lämmer dort,

Wie rot die Blümlein hier!" 3. Der Jüngling ihr entgegenbot:

„O, kämest du herab zu mir! Wie glänzen so die Wänglein rot,

Wie weiß die Arme dir!"

4. Und als er nun mit stillem Weh In jeder Früh vorübertrieb,

Da sah er hin, bis in der Höh Erschien sein holdes Lieb.

120 [IV]

Uhland.

5. Dann rief er freundlich ihr hinauf: „Willkommen, Königstöchterlein!" Ihr süßes Wort ertönte drauf: „Viel Dank, du Schäfer mein!"

6. Der Winter floh, der Lenz erschien, Die Blümlein blühten reich umher,Der Schäfer that zum Schlosse ziehn, Doch sie erschien nicht mehr. 7. Er rief hinauf so klagevoll: „Willkommen, Königstöchterlein!" Ein Geisterlaut herunter scholl: „Ade, du Schäfer mein!"

93. Die Bätergruft (1805). 1. Es ging wohl über die Heide zur alten Kapell empor Ein Greis im Wafsengeschmeide und trat in den dunkeln Chor.

2. Die Särge seiner Ahnen standen die Hall entlang, Aus der Tiefe thät ihn mahnen ein wunderbarer Gesang. 3. „Wohl hab ich euer Grüßen, ihr Heldengeister, gehört, Eure Reihe soll ich schließen'? Heil mir! ich bin es wert." 4. Es stand an kühler Stätte

ein Sarg noch ungefüllt,Den nahm er zum Ruhebette, zum Pfühle nahm er den Schild. 5. Die Hände thät er falten aufs Schwert und schlummert ein. Die Geisterlaute verhallten, da möcht es gar stille sein.

94. Die sterbenden Helden (1805).

1. Der Dänen Schwerter drängen Schwedens Heer Zum wilden Meer, Die Wagen klirren fern, es blinkt der Stahl Im Mondenstrahl, Da liegen, sterbend, auf dem Leichenfeld Der schöne Sven und Ulf, der graue Held.

2. „O Vater! daß mich in der Jugend Kraft Die Norne rafft!

Uhland.

[IV] 121

Nun schlichtet nimmer meine Mutter mir Der Locken ZierVergeblich spähet meine Sängerin Vom hohen Turm in alle Ferne hin." — 3. „Sie werden jammern, in der Nächte Graun Im Traum uns schaun. Doch sei getrost! bald bricht der bittre Schmerz

Ihr treues HerzDann reicht die Buhle dir bei Odins Mahl,

Die goldgelockte, lächelnd den Pokal." — 4. „Begonnen hab ich einen Festgesang Zum Saitenklang Von Königen und Helden grauer Zeit In Lieb und Streit. Verlassen hängt die Harfe nun, und bang

Erweckt der Winde Wehen ihren Klang." — 5. „Es glänzet hoch und her im Sonnenstrahl Allvaters Saal, Die Sterne wandeln unter ihm, es ziehn Die Stürme hin. Dort tafeln mit den Vätern wir in Ruh, Erhebe dann dein Lied und end es du!" —

6. „O Vater! daß mich in der Jugend Kraft Die Norne rafft! Noch leuchtet keiner hohen Thaten Bild Auf meinem SchildZwölf Richter thronen hoch und schauerlich, Die werten nicht des Heldenmahles mich." — 7. „Wohl wieget eines viele Thaten auf — Sie achten drauf — Das ist um deines Vaterlandes Not

Der Heldentod. Sieh hin! die Feinde fliehen. Blick hinan! Der Himmel glänzt, dahin ist unsre Bahn!"

122 [IV]

Uhland.

95. Der König auf dem Turme (1804). 1. Da liegen sie alle, die grauen Höhn, Die dunkeln Thäler in milder RuhDer Schlummer waltet, die Lüfte wehn Keinen Laut der Klage mir zu.

2. Für alle hab ich gesorgt und gestrebt, Mit Sorgen trank ich den funkelnden WeinDie Nacht ist gekommen, der Himmel belebt, Meine Seele will ich erfreun. 3. O, du goldne Schrift durch den Sterneraum! Zu dir ja schau ich liebend empor. Ihr Wunderklänge, vernommen kaum, Wie besäuselt ihr sehnlich mein Ohr! 4. Mein Haar ist ergraut, mein Auge getrübt Die Siegeswaffen hängen im Saal, Habe Recht gesprochen und 9iedjt geübt, Wann darf ich rasten einmal? 5. O, selige Rast, wie verlang ich dein! O, herrliche Nacht, wie säumst du so lang? Da ich schaue der Sterne lichteren Schein Und höre volleren Klang!

*96. Des Knaben Berglied (1806).

1. Ich bin vom Berg der Hirtenknab, Seh auf die Schlösser all herab. Die Sonne strahlt am ersten hier, Am längsten weilet sie bei mir. Ich bin der Knab vom Berge! 2. Hier ist des Stromes Mutterhaus, Ich trink ihn frisch vom Stein heraus Er braust vom Fels in wildem Lauf, Ich fang ihn mit den Armen auf. Ich bin der Knab vom Berge! 3. Der Berg, der ist mein Eigentum, Da ziehn die Stürme rings herum-

Uhland.

[IV] 123

Und heulen sie von Nord und Siii), So überschallt sie doch mein Lied: Ich bin der Knab vom Berge! 4. Sind Blitz und Donner unter mir,

So steh ich hoch im Blauen hierIch kenne sie und rufe zu: Laßt meines Vaters Haus in Ruh! Ich bin der Knab vom Berge!

5. Und wann die Sturmglock einst erschallt, Manch Feuer auf den Bergen wallt, Dann steig ich nieder, tret ins Glied Und schwing mein Schwert und sing mein Lied: Ich bin der Knab vom Berge!

97. Der schwarze Ritter (1806). 1. Pfingsten war, das Fest der Freude,

Das da feiern Wald und Heide. Hub der König an zu sprechen: „Auch aus den Hallen Der alten Hofburg allen Soll ein reicher Frühling bre­ chen !" 2. Trommeln und Drommeten schallen, Rote Fahnen festlich wallen. Sah der König vom Balköne In Lanzenspielen Die Ritter alle fielen Vor des Königs starkem Sohne. 3. Aber vor des Kampfes Gitter Ritt zuletzt ein schwarzer Ritter. „Herr ! wie ist Eur Nam und Zeichen?" —

„Würd ich es sagen, Ihr möchtet zittern und zagen Bin ein Fürst von großen Rei­ chen." 4. Als er in die Bahn gezogen, Dunkel ward des Himmels Bogen, Und das Schloß begann zu beben. Beim ersten Stoße Der Jüngling sank vom Rofie, Konnte kaum sich wieder heben. 5. Pfeif und Geige ruft zu Tänzen, Fackeln durch die Säle glänzen Wankt ein großer Schatten drinnen. Er that mit Sitten Des Königs Tochter bitten, Thät den Tanz mit ihr beginnen.

124 [IV]

Uhland.

6. Tanzt im schwarzen Kleid Don Eisen, Tanzet schauerliche Weisen, Schlingt sich kalt um ihre Glieder. Von Brust und Haaren Entfallen ihr die klaren Blümlein welk zur Erde nieder. 7. Und zur reichen Tafel kamen Alle Ritter, alle Damen. Zwischen Sohn und Tochter innen Mit bangem Mute Der alte König ruhte,

Sah sie an mit stillem Sinnen.

8. Bleich die Kinder beide schienen Bot der Gast den Becher ihnen: „Goldner Wein macht euch

genesen."

Die Kinder tranken, Sie thäten höflich danken: „Kühl ist dieser Trunk gewesen." 9. An des Vaters Brust sich schlangen Sohn und Tochter/ ihre Wangen Thäten völlig sich entfärben.

Wohin der graue, Erschrockne Vater schaue, Sieht er eins der Kinder sterben 10. „Weh! die holden Kinder beide Nahmst du hin in Jugendfreude,' Nimm auch mich, den Freude­ losen!" Da sprach der Grimme Mit hohler, dumpfer Stimme: „Greis, im Frühling brech ich Rose n."

98. Der Wirtin Töchterlein (1809). 1. Es zogen drei Bursche wohl über den Rhein, Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein: 2. „Frau Wirtin! hat Sie gut Bier und Wein? Wo hat Sie Ihr schönes Töchterlein?" — 3. „Mein Bier und Wein ist frisch und klar, Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr." 4. Und als sie traten zur Kammer hinein, Da lag sie in einem schwarzen Schrein. 5. Der erste, der schlug den Schleier zurück Und schaute sie an mit traurigem Blick: 6. „Ach, lebtest du noch, du schöne Maid! Ich würde dich lieben von dieser Zeit."

7. Der zweite deckte den Schleier zu Und kehrte sich ab und weinte dazu:

Uhland.

8.

[IV] 125

„Ach, daß du liegst auf der Totenbahr!

Ich hab dich geliebet so manches Jahr."

9.

Der dritte hub ihn wieder sogleich

Und küßte sie an den Mund so bleich:

10. „Dich liebt ich immer, dich lieb ich noch heut Und werde dich lieben in Ewigkeit."

*99. Die Rache (1810). 1. Der Knecht hat erstochen den edeln Herrn, Der Knecht wär selber ein Ritter gern. 2. Er hat ihn erstochen im dunkeln Hain

Und den Leib versenket im tiefen Rhein,

3. Hat angeleget die Rüstung blank, Auf des Herren Roß sich geschwungen frank.

4. Und

als er sprengen will über die Brück,

Da stutzet das Roß und bäumt sich zurück.

5.

Und als er die güldnen Sporen ihm gab,

Da schleuderts ihn wild in den Strom hinab.

6.

Mit Arm, mit Fuß er rudert und ringt,

Der schwere Panzer ihn niederzwingt.

100. Märznacht (1810). Horch! wie brauset der Sturm

und der schwellende Strom in

der Nacht hin!

Schauriges süßes Gefühl!

lieblicher Frühling, du nahst!

101. Das Schisflein (1810). 1. Ein Schifflein ziehet leise Den Strom hin seine Gleise.

3. Von seinem Wanderstabe Schraubt jener Stift und Habe

Es schweigen, die drin wandern,

Und mischt mit Flötentönen

Denn keiner kennt den andern.

Sich in des Hornes Dröhnen.

2. Was zieht hier aus dem Felle

4. Das Mädchen saß so blöde,

Der braune Weidgeselle?

Als fehlt ihr gar die Rede,

Ein Horn, das sanft erschallet,-

Jetzt stimmt sie mit Gesänge

Das Ufer wiederhallet.

Zu Horn und Flötenklange.

126 [IV]

Uhland.

5. Die Rudrer auch sich regen Mit taktgemäßen Schlägen -

6. Hart stößt es auf amStrande Mau trennt sich in die Lande

Das Schiff hinunter flieget,

Wann treffen wir uns, Brüder

Von Melodie gewieget.

Auf einem Schifflein wieder?

*102. Einkehr (1811). 1. Bei einem Wirte, wundermild, Da war ich jüngst zu gaste:

Ein goldner Apfel war sein Schild An einem langen Aste.

2. Es war der gute Apfelbaum, Bei dem ich eingekehret;

Mit süßer Kost und frischem Schaum Hat er mich wohl genähret.

3. Es kamen in sein grünes Haus

Viel leichtbeschwingte Gäste Sie sprangen frei und hielten Schmaus

Und sangen auf das Beste. 4. Ich fand ein Bett zu süßer Ruh

Ailf weichen, grünen Matten Der Wirt, er deckte selbst mich zu

Mit seinem kühlen Schatten. 5. Nun fragt ich nach der Schuldigkeit, Da schüttelt er den Wipfel.

Gesegnet sei er allezeit

Von der Wurzel bis zum Gipfel!

* 103. Siegfrieds Schwert (1812). 1. Jung Siegfried war ein stolzer Knab, Ging von des Vaters Burg herab -

2. Wollt rasten nicht in Vaters Haus, Wollt wandern in alle Welt hinaus.

3. Begegnet ihm manch Ritter wert

Mit festem Schild und breitem Schwert.

4. Siegfried nur einen Stecken trug, Das war ihm bitter und leid genug.

Uhland.

[IV] 127

5. Und als er ging im finstern Wald, Kam er zu einer Schmiede bald.

6. Da sah er Eisen und Stahl genug, Ein lustig Feuer Flammen schlug.

7. „O Meister, liebster Meister mein! Laß du mich deinen Gesellen sein!

8. Und lehr du mich mit Fleiß und Acht, Wie man die guten Schwerter macht!"

9. Siegfried den Hammer wohl schwingen kunnt, Er schlug den Amboß in den Grund.

10. Er schlug, daß weit der Wald erklang Und alles Eisen in Stücken sprang. 11. Und non der letzten Eisenftang Macht er ein Schwert, so breit und lang.

12. „Nun hab ich geschmiedet ein gutes Schwert, Nun bin ich wie andre Ritter wert, 13. Nun schlag ich wie ein andrer Held

Die Riesen und Drachen in Wald und Feld."

104. Ruyethal (1812). Wann im letzten Abendstrahl Goldne Wolkenberge steigen Und wie Alpen sich erzeigen,

Frag ich oft mit Thränen: Liegt wohl zwischen jenen

Mein ersehntes Ruhethal?

105. Die verlorene Kirche (1812). 1. Man höret ost im fernen Wald

Von obenher ein dumpfes Läuten, Doch niemand weiß, von wann es hallt, Und kaum die Sage kann es deuten.

Von der verlornen Kirche soll Der Klang ertönen mit den WindenEinst war der Pfad von Wallern voll,

Nun weiß ihn keiner mehr zu finden.

128 [IV]

Uhland. 2. Jüngst ging ich in dem Walde weit,

Wo kein betretner Steig sich dehnet/ Aus der Verderbnis dieser Zeit

Hatt ich zu Gott mich hingesehnet.

Wo in der Wildnis alles schwieg, Vernahm ich das Geläute wieder;

Je höher meine Sehnsucht stieg, Je näher, voller klang es nieder. 3. Mein Geist war so in sich gekehrt,

Mein Sinn vom Klange hingenommen, Daß mir es immer unerklärt,

Wie ich so hoch hinauf gekommen. Mir schien es mehr denn hundert Jahr, Daß ich so hingeträumet hätte,

Als über Nebeln sonnenklar

Sich öffnet eine freie Stätte. 4. Der Himmel war so dunkelblau,

Die Sonne war so voll und glühend,

Und eines Münsters stolzer Bau

Stand in dem goldnen Lichte blühend. Mir dünkten Helle Wolken ihn Gleich Fittichen emporzuheben,

Und seines Turmes Spitze schien Im selgen Himmel zu verschweben. 5. Der Glocke wonnevoller Klang Ertönte schütternd in dem Turme/ Doch zog nicht Menschenhand den Strang,

Sie ward bewegt von heilgem Sturme.

Mir wars, derselbe Sturm und Strom

Hätt an mein klopfend Herz geschlagen/ So trat ich in den hohen Dom

Mit schwankem Schritt und freudgem Zagen. 6. Wie mir in jenen Hallen war,

Das kann ich nicht mit Worten schildern.

Die Fenster glühten dunkelklar

Mit aller Märtrer frommen Bildern/

Uhland.

[IV] 129

Dann sah ich, wundersam erhellt, Das Bild zum Leben sich erweitern, Ich sah hinaus in eine Welt

Von Heilgen Frauen, Gottesstreitern.

7. Ich kniete nieder am Altar,

Von Lieb und Andacht ganz durchstrahlet. Hoch oben an der Decke war Des Himmels Glorie gemalet-

Doch als ich wieder sah empor, Da war gesprengt der Kuppel Bogen, Geöffnet war des Himmels Thor

Und jede Hülle weggezogen. 8. Was ich für Herrlichkeit geschaut

Mit still anbetendem Erstaunen, Was ich gehört für selgen Laut, Als Orgel mehr und als Posaunen: Das steht nicht in der Worte Macht,-

Doch wer darnach sich treulich sehnet, Der nehme des Geläutes acht, Das in dem Walde dumpf ertönet! 106.

Freie Kunst (1812).

1. Singe, wem Gesang gegeben, Sing doch in der Jugend Drang!

In dem deutschen Dichterwald, Nur im Blütenmond erheben Das ist Freude, das ist Leben, Nachtigallen ihren Sang. Wenns von allen Zweigen schallt.

5. Kann mans nicht in Bücher

2. Nicht an wenig stolze Namen

binden,

Ist die Liederkunst gebannt-

Was die Stunden dir verleihn:

Ausgestreuet ist der Samen Über alles deutsche Land.

Gieb

ein

fliegend Blatt den Winden!

3. DeinesvollenHerzensTriebe, Muntre Jugend hascht es ein. Gieb sie keck im Klange frei!

Säuselnd wandle deine Liebe,

6. Fahret wohl, geheime Kun-

den,

Donnernd uns dein Zorn vorbei! Nekromantik, Alchymie! 4. Singst du nicht dein gan- Formel hält uns nicht gebunden,

zes Leben, H e ss e l, Lesebuch IV. Gedichte.

Unsre Kunst heißt Poesie.

9

130 [IV]

Uhland. 8. Nicht in kalten Marmor-

7. Heilig achten wir die Geister,

steinen,

Aber Namen sind uns Dunst/

Würdig ehren wir die Meister, Nicht in Tempeln dumpf und tot: Aber frei ist uns die Kunst.

In den frischen Eichenhainen

Webt und rauscht der deutsche

Gott.

107. An das Vaterland (1813). 1. Dir möcht ich diese Lieder weihen, Geliebtes deutsches Vaterland!

Denn dir, dem neuerstandnen, freien,

Ist all mein Sinnen zugewandt;

2. Doch Heldenblut ist dir geflossen, Dir sank der Jugend schönste Zier. Nach solchen Opfern, heilig großen, Was gälten diese Lieder dir?

108. Des Sängers Fluch (1811 und 1814). ein Schloß, so hoch und hehr,

1. Es stand in alten Zeiten

Weit glänzt es über die Lande

bis an das blaue Meer,

Und rings von duftgen Gärten

ein blütenreicher Kranz,

Drin sprangen frische Brunnen

in Regenbogenglanz.

2. Dort saß ein stolzer König,

an Land und Siegen reich,

so finster und so bleich;

Er saß auf feinern Throne

Denn was er sinnt, ist Schrecken, Und was er spricht, ist Geißel,

und was er blickt, ist Wut,

und was er schreibt, ist Blut.

3. Einst zog nach diesen: Schlosse Der Alte mit der Harfe,

ein edles Sängerpaar,

der andre grau von Haar;

Der ein in goldnen Locken,

der saß auf schmuckem Roß,

Es schritt ihm frisch zur Seite

der blühende Genoß.

4. Der Alte sprach zum Jungen: Denk unsrer tiefsten Lieder,

„Nun sei bereit, mein Sohn!

stimm an den vollsten Ton,

Nimm alle Kraft zusammen,

die Lust und auch den Schmerz!

Es gilt uns heut, zu rühren

des Königs steinern Herz."

5. Schon stehn die beiden Sänger Und auf dem Throne sitzen

im hohen Säulensaal,

der König und sein Gemahl,-

Uhland.

[IV] 131

Der König furchtbar prächtig, wie blutger Nordlichtschein, Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein. 6. Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll,Dann strömte himmlisch Helle des Jünglings Stimme vor, Des Alten Sang dazwischen, wie dumpfer Geisterchor. 7. Sie singen von Lenz und Liebe, von seiger goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit, Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt, Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt. 8. Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott, Des Königs trotzge Krieger, sie beugen sich vor Gott. Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust, Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust. 9. „Ihr habt mein Volk verführet,- verlockt ihr nun mein Weib?" Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib, Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durch­ dringt, Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt. 10. Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm. Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß, Er bindt ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß. 11. Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis, Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen PreisAn einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt, Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt: 12. „Weh euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite, noch Gesang, Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt, Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt! 13. Weh euch, ihr duftgen Gärten im holden Maienlicht! Euch zeig ich dieses Toten entstelltes Angesicht, Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt, Daß ihr in künftgen Tagen versteint, verödet liegt.

Uhland.

132 [IV]

14. Weh dir, verruchter Mörder, Umsonst sei all dein Ringen

Dein Name sei vergessen,

in ewge Nacht getaucht,

Sei, wie ein letztes Röcheln,

in leere Luft verhaucht!"

15. Der Alte hats gerufen,

Die Mauern liegen nieder, Noch eine hohe Säule

du Fluch des Sängertumsl

nach Kränzen blutgen Ruhms!

der Himmel hats gehört,

die Hallen sind zerstört;

zeugt von verschwundner Pracht-

Auch diese, schon geborsten,

kann stürzen über Nacht.

16. Und rings statt duftger Gärten

ein ödes Heideland:

Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,

Des Königs Namen meldet Versunken und vergessen!

kein Lied, kein Heldenbuch-

Das ist des Sängers Fluch.

109. Frühlingsliedcr. 1. Frühlingsglaube (1812). 1. Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schaffen an allen Enden.

O, frischer Duft! o, neuer Klang!

Nun, armes Herze, sei nicht bang!

Nun muß sich alles, alles wenden. 2. Die Welt wird schöner mit jedem Tag,

Man weiß nicht, was noch werden mag:

Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Thal; Nun, armes Herz, vergiß der Qual!

Nun muß sich alles, alles wenden.

2. Frühlingsruhe (1812). 1. O, legt mich nicht ins dunkle Grab,

Nicht unter die grüne Erd hinab! Sott ich begraben sein,

Lieg ich ins tiefe Grab hinein.

2. In Gras und Blumen lieg ich gern, Wenn eine Flöte tönt von fern,

Und wenn hoch obenhin Die hellen Frühlingswolken ziehn.

UHIand.

[IV] 133

3. Frühliugstrost (1833).

Was zagst du, Herz, in solchen Tagen, Wo selbst die Dorne Rosen tragen? 4. Künftiger Frühling (1827).

Wohl blühet jedem Jahre

Er ist dir noch beschieden

Sein Frühling mild und licht, Am Ziele deiner Bahn, Auch jener große, klare — Du ahnest ihn hienieden, Getrost! er fehlt dir nicht,Und droben bricht er an.

5. Frühlingslied des Rezensenten (1812). 1. Frühling ists, ich laß es gelten, Und mich freuts, ich muß gestehen, Daß man kann spazieren gehen, Ohne just sich zu erkälten. 2. Störche kommen an und Schwalben, Nicht zu fri'lhe, nicht zu frühe! Blühe nur, mein Bäumchen, blühe! Meinethalben, meinethalben! 3. Ja! ich fühl ein wenig Wonne, Denn dw Lerche singt erträglich, Philomele nicht alltäglich, Nicht so übel scheint die Sonne. 4. Daß es keinen überrasche, Mich im grünen Feld zu sehen! Nicht verschmäh ich auszugehen, Kleistens Frühling in der Tasche.

110. Bertran de Born (1829). 1. Droben, auf dem schroffen Steine, Raucht, in Trümmern, Autafort, Und der Burgherr steht gefesselt Vor des Königs Zelte dort: „Kamst du, der mit Schwert und Liedern Aufruhr trug von Ort zu Ort,

Der die Kinder aufgewiegelt Gegen ihres Vaters Wort? 2. Steht vor mir, der sich gerühmet In vermeßner Prahlerei, Daß ihm nie mehr als die Hälfte Seines Geistes nötig sei? Nun der halbe dich nicht rettet,

Uhland.

134 [IV]

Ruf den ganzen doch herbei,

Und ich trug das Banner vor. dein Schloß dir Jenem Todespfeil entgegen, Der ihn traf vor Montforts Thor. baue, Deine Ketten brech entzwei!" — 6. Blutend lag er mir im Arme3. „Wie du sagst, mein Herr Nicht der scharfe, kalte Stahl —

Daß

er neu

und König, Daß er sterb in deinem Fluche, Steht vor dir Vertrau de Born, Das war seines Sterbens Qual. Der mit einem Lied entflammte Strecken wollt er dir die Rechte Über Meer, Gebirg und ThalPerigord und Ventadorn, Als er deine nicht erreichet, Der dem mächtigen Gebieter Driickt er meine noch einmal. Stets im Auge war ein Dorn, 7. Da, wie Autafort dort oben, Dem zuliebe Königskinder Ward gebrochen meine KraftTrugen ihres Vaters Zorn. 4. Deine Tochter saß im Saale, Nicht die ganze, nicht die halbe Festlich, eines Herzogs Braut, Blieb mir: Saite nicht, noch Und da sang vor ihr mein Bote, Dem ein Lied ich cnwertraut; Sang, was einst ihr Stolz ge­ wesen, Ihres Dichters Sehnsuchtslaut, Bis ihr leuchtend Braut­

geschmeide Ganz von Thränen war betaut. 5. Aus des ^lbaunis Schlum­ merschatten Fuhr dein bester Sohn empor, Als mit zorngen Schlachtge­ sängen Ich bestürmen ließ sein Ohr. Schnell war ihm das Roß ge­ gürtet,

111.

Schaft. Leicht hast du den Arm gebunden. Seit der Geist mir liegt in HaftNur zu einem Trauerliede Hat er sich noch aufgerafft." 8. Und der König fcnft die Stirne: „Meinen Sohn hast du verführt, Hast der Tochter Herz verzaubert, Hast auch meines nun gerührt. Nimm die §anb, du Freund des Toten, Die verzeihend ihm gebührt! Weg die Fesseln! deines Geistes Hab ich einen Hauch verspürt."

Der Waller (1829).

1. Auf Galiziens Felsenstrande Spendet ihres Segens Hort. Ragt ein heilger Gnadenort, Dem Verirrten in der Wildnis Wo die reine Gottesmutter Glänzt ein goldner Leitstern dort.

Uhland.

[IV] 135

Dem Berstürmten auf dem Meere Denen nm* am Thor der Kirche Öffnet sich ein stiller Port. Hinzuknieen ist erlaubt. 2. Rührt sich dort die Abend­ 6. Und nach allen keuchet einer, Dessen Auge trostlos irrt, glocke, Hallt es weit die Gegend nach, Den die Haare wild umflattern, In den Städten, in den Klöstern Dem ein langer Bart sich wirrtEinen Reif von rosigem Eisen Werden alle Glocken wach. Und es schweigt die Meeres­ Trägt er um den Leib geschirrt, woge, Ketten auch um Arm und Beine, Die noch kaum sich tobend brach, Das ihm jeder Tritt erklirrt. Und der Schisser kniet am Ruder, 7. Weil erschlagen er den Bru­ Bis er leis sein Ave sprach. der 3. An dem Tage, da man feiert Einst in seines Zornes Hast, Der Gepriesnen Himmelfahrt, Ließ er aus dem Schwerte schmie­ Wo der Sohn, den sie geboren, den Sich als Gott ihr offenbart, Jenen Ring, der ihn umfaßt. Da in ihrem Heiligtume Fern vom Herde, fern vom Hofe Wirkt sie Wunder mancher Art,- Wandert er und will nicht Rast, Wo sie sonst im Bild nur wohnet, Bis ein himmlisch Gnadenwunder Fühlt man ihre Gegenwart. Sprenget seine Kettenlast. 4. Bunte Kreuzesfahnen ziehen 8. Trüg er Sohlen auch von Durch die Felder ihre Bahn, Eisen, Mit bemalten Wimpeln grüßet Wie er wallet ohne Schuh, Jedes Schiff und jeder Kahn, Lange hätt er sie zertreten, Auf dem Felsenpfade klimmen Und noch ward ihm nirgend Ruh, Waller, festlich angethan Nimmer findet er den Heilgen, Eine volle Himmelsleiter, Der an ihm ein Wunder thuSteigt der schroffe Berg hinan. Alle Gnadenbilder sucht er, 5. Doch den heitern Pilgern Keines winkt ihm Frieden zu. folgen 9. Als nun der den Fels er­ Andre, barfuß und bestaubt, stiegen Angethan mit harnen Hemden, Und sich an der Pforte neigt, Asche tragend auf dem Haupt,' Tönet schon das Abendläuten, Solche sinds, die der Gemein­ Dem die Menge betend schweigt. schaft Nicht betritt sein Fuß die Hallen^ Frommer Christen sind beraubt, Drin der Jungfrau Bild sich zeigte

136 [IV]

Uhland.

Farbenhell im Strahl der Sonne,

Die zum Meere niedersteigt.

11. Alle Pilger gehn getröstet,

Nur der eine rührt sich nicht,

10. Welche Glut ist ausgegossen Liegt noch immer an der Schwelle Über Wolken, Meer und Flur! Mit dem bleichen Angesicht. Blieb der goldne Himmel offen, Fest noch schlingt um Leib und Als empor die Heilge fuhr?

Glieder

Blüht noch auf den Rosenwolken Sich der Fesseln schwer GewichtIhres Fußes lichte Spur?

Aber frei ist schon die Seele,

Schaut die Reine selbst hernieder Schwebet in dem Meer von Licht. Aus dem glänzenden Azur?

112.

Die Bidassoabrücke (1834).

1. Auf der Bidassoabrücke

Unstet, mit zerrißner Fahne,

Steht ein Heilger, altergrau,

Blut beräufelt ihren Pfad*.

Segnet rechts die spanschen Berge,

4. Auf der Bidassoabrücke

Segnet links den fränkschen Gau. Lehnen sie die Büchsen bei,

Wohl bedarfs an

dieser Stelle Binden sich die frischen Wunden,

Milden Trostes himmelher,

Zählen, wer noch iibrig sei-

Wo so mancher von der Heimat Lange harren sie Vermißter,

Scheidet ohne Wiederkehr. 2. Auf der Bidassoabrücke

Spielt ein zauberhaft Gesicht: Wo der eine Schatten siehet,

Doch ihr Häuflein wächset nicht.

Einmal wirbelt noch die Trommel,

Und ein alter Kriegsmann spricht: 5. „Rollt die Fahne denn zu­ sammen,

Sieht der andre goldnes Licht-

Wo dem einen Rosen lachen,

Die der Freiheit Banner war!

Sieht der andre diirren Sand;

Nicht zum erstenmale wandelt

Jedem ist das Elend finster,

Diesen Grenzweg ihre Schar-

Jedem glänzt sein Vaterland.

Nicht zum erstenmale sucht sie

3. Friedlich rauscht die Bidassoa

Eine Freistatt in der Fern-

Zu der Herde Glockenklang,

Doch sie zieht, nicht arm an Ehre,

Aber im Gebirge dröhnet

Zieht nicht ohne günstgen Stern:

Knall auf Knall den Tag entlang-

6. Der von vorgen Freiheits­

kämpfen

Und am Abend steigt hernieder

Eine Schar zum Flußgestad,

Mehr als einer Narben führt,

1 Dies geschah im Oktober 1830. Spaniens, 3. Band, S. 93.)

(Baumgarten, Geschichte

Uhland.

Heute, da wir alle bluten, Mina! bliebst du unberührt Ganz und heil ist uns der Retter, Noch verbürgt ist Spaniens Glück. Schreiten wir getrost hinüber!

Kerner.

[IV] 137

Müde saß er dort und still, Blickt noch einmal nach den

Bergen, Wo die Sonne sinken will. Seine Hand, zur Brust gehalten, Einst noch kehren wir zurück." Hemmt nicht mehr des BlutesLauf7. Mina rafft sich auf vom Auf der Bidassoabrücke Brachen alte Wunden auf. Steine,

Justinuö Kerner (1786—1862). *113. Der reichste Fürst. 1. Preisend mit viel schönen Reden Ihrer Länder Wert und Zahl, Saßen viele deutsche Fürsten Einst zu Worms im Kaisersaal. 2. „Herrlich", sprach der Fürst von Sachsen, „Ist mein Land und seine Macht, Silber hegen seine Berge Wohl in manchem tiefen Schacht." — 3. „Seht mein Land in üppger Fülle!" Sprach der Kurfürst von dem Rhein, „Goldne Saaten in den Thälern, Auf den Bergen edlen Wein!" — 4. „Große Städte, reiche Klöster," Ludwig, Herr zu Baiern, sprach, „Schaffen, daß mein Land den euren Wohl nicht steht an Schätzen nach." 5. Eberhard, der mit dem Barte, Württembergs geliebter Herr, Sprach: „Mein Land hat kleine Städte, Trägt nicht Berge silberschwer 6. Doch ein Kleinod hälts verborgen: Daß in Wäldern, noch so groß, Ich mein Haupt kann kühnlich legen Jedem Unterthan in Schoß."

138 [IV]

Kerner.

7. Und es rief der Herr von Sachsen, Der von Baiern, der vom Rhein: „Graf im Bart! Ihr seid der reichste, Euer Land trägt Edelstein!"

114. Sehnsucht. 1. O, könnt ich, einmal los von all dem Menschentreiben, Natur! in deinem Schoß ein herzlich Kind verbleiben!

2. Mich rief ein Traum so schwer aus deinen Mutterarmen, Seitdem kann nimmermehr das kranke Herz erwärmen. 3. Der Menschen Treiben, ach! das hält mich nun gefangen, Das folgt mir störend nach, wo Erd und Himmel prangen. 4. Doch ist dies Treiben mir so fremd und so unherzlich, Und, Mutter! ach, nach dir zieht mich ein Heimweh schmerzlich. 5. O, nimm dein reuig Kind in deine Mutterarme, Daß dirs am Busen lind zu neuer Lieb erwärme! 6. Wie ists ergangen mir, daß ich verirrt so lange! Mutter! zu dir, zu dir! wie ist mir weh und bange, 7. Bis ich, wie Blum und Quell, dir darf im Herzen bleiben! Mutter! o, führ mich schnell hin, wo kein Menschentreiben!

115. Poesie. Poesie ist tiefes Schmerzen, und es kommt das echte Lied Einzig aus dem Menschenherzen, das ein tiefes Leid dnrchglüht. Doch die höchsten Poesieen schweigen, wie der höchste Schmerz, Nur wie Geisterschatten ziehen stumm sie durchs gebrochne Herz.

116. Die schwäbische Dichterschule. „Wohin soll den Fuß ich lenken, ich, ein fremder Wandersmann, Daß ich eure Dichterschule, gute Schwaben, finden kann?" — „Fremder Wanderer! o, gerne will ich solches sagen dir:

Geh durch diese lichten Matten in das dunkle Waldrevier, 5 Wo die Tanne steht, die hohe, die als Mast einst schifft durchs Meer, Wo von Zweig zuZweig sich schwinget singend lustger Vögel Heer, Wo das Reh mit klaren Augen aus dem dunkeln Dickicht sieht

Kerner.

Schwab.

Und der Hirsch, der schlanke, setzet

[IV] 139

über Felsen von Granit-

Trete dann aus Waldes Dunkel, wo im goldnen Sonnenstrahl 10 Grüßen Berge dich von Reben, Neckars Blau im tiefen Thal! Wo ein goldnes Meer von Ähren durch die Ebnen wogt und wallt, Drüber in den blauen Lüsten Jubelruf der Lerche schalltWo der Winzer, wo der Schnitter singt ein Lied durch Berg und Flur: Da ist schwäbischer Dichter Schule, und ihr Meister heißt—Natur!"

Gustav Schwab (1792—1850). *117. Das Gewitter. 1. Urahne, Großmutter, Mutter und Kind In dumpfer Stube beisammen sindEs spielet das Kind, die Mutter sich schmückt, Großmutter spinnet, Urahne gebückt Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl — Wie wehen die Lüfte so schwül! 2. Das Kind spricht: „Morgen ists Feiertag, Wie will ich spielen im grünen Hag, Wie will ich springen durch Thal und Höhn, Wie will ich pflücken viel Blumen schön: Dem Anger, dem bin ich hold!" — Hört ihrs, wie der Donner grollt? 3. Die Mutter spricht: Morgen ists Feiertag, Da halten wir alle fröhlich GelagJch selber, ich rüste mein Feierkleid: Das Leben, es hat auch Lust nach Leid, Dann scheint die Sonne wie Gold!" — Hört ihrs, wie der Donner grollt? 4. Großmutter spricht: „Morgen ists Feiertag, Großmutter hat keinen Feiertag: Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid, Das Leben ist Sorg und viel ArbeitWohl dem, der that, was er sollt!" — Hört ihrs, wie der Donner grollt?

140 [IV]

Schwab.

Hauff.

5. Urahne spricht: „Morgen ists Feiertag, Am liebsten morgen ich sterben mag: Ich kann nicht singen und scherzen mehr,

Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer, Was thu ich noch auf der Welt?" — Seht ihr, wie der Blitz dort fällt? 6. Sie hörens nicht, sie sehens nicht,

Es flammet die Stube wie lauter Licht: Urahne, Großmutter, Mutter und Kind Vom Strahl miteinander getroffen sind, Vier Leben endet ein Schlag — Und morgen ists Feiertag.

Wilhelm Hauff (1802—1827). 118. Soldatenliebe. 1. Steh ich in finstrer Mitternacht So einsam auf der stillen Wacht, So denk ich an mein fernes LiebOb mirs auch treu und hold verblieb? 2. Als ich zur Fahne fortgemüßt, Hat sie so herzlich mich geküßt, Mit Bändern meinen Hut geschmückt Und weinend mich ans Herz gedrückt. 3. Sie liebt mich noch, sie ist mir gut, Drum bin ich froh und wohlgemut Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht, Wenn es ans treue Lieb gedacht. 4. Jetzt bei der Lampe mildem Schein Gehst du wohl in dein Kämmerlein Und schickst dein Nachtgebet zum Herrn Auch für den Liebsten in der Fern.

5. Doch wenn du traurig bist und weinst, Mich von Gefahr umrungen meinst — Sei ruhig, bin in Gottes Hut: Er liebt ein treu Soldatenblut.

Hauff.

Mörike.

[IV] 141

6. Die Glocke schlägt, bald naht die Rund Und löst mich ab zu dieser Stund-

Schlaf wohl im stillen Kämmerlein,

Und denk in deinen Träumen mein!

Eduard Mörike (1804—1875). 119. Gebet. Herr! schicke, was du willr, Ein Liebes oder Leides -

Ich bin vergnügt, daß beides Aus deinen Händen quillt.

Wollest mit Freuden Und wollest mit Leiden

Mich nicht überschütten! Doch in der Mitten

Liegt holdes Bescheiden.

120. In der Frühe. Kein Schlaf noch kühlt das Auge mir, Doch gehet schon der Tag Herfür An meinem Kammerfenster.

Es wühlet mein verstörter Sinn

Noch zwischen Zweifeln her und hin

Und schaffet Nachtgespenster. — Ängste, quäle

Dich nicht länger, meine Seele!

Freu dich! schon sind da und dorten Morgenglocken wach geworden

121. Er ists. Frühling läßt sein blaues Band

Wieder flattern durch die Lüfte Süße, wohlbekannte Düfte

Streifen ahnungsvoll das Land.

142 [IV]

Mörike.

Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. — Horch, von fern ein leiser Harfentvn! Frühling, ja, du bists! Dich hab ich vernommen!

122. Schön-Rohtraut. 1. Wie heißt König Ringangs Töchterlein? Rohtraut, Schön-Rohtraut. Was thut sie denn den ganzen Tag, Da sie wohl nicht spinnen und nähen mag? Thut fischen und jagen. O, daß ich doch ihr Jäger wär! Fischen und Jagen freute mich sehr. — Schweig stille, mein Herze! 2. Und über eine kleine Weil, Rohtraut, Schön-Rohtraut, So dient der Knab auf Ringangs Schloß In Jägertracht und hat ein Roß, Mit Rohtraut zu zagen. O, daß ich doch ein Königssohn wär! Rohtraut, Schön-Rohtraut lieb ich so sehr. — Schweig stille, mein Herze! 3. Einsmals sie ruhten am Eichenbaum, Da lacht Schön-Rohtraut: Was siehst mich an so wunniglich? Wenn du das Herz hast, küsse mich! Ach! erschrak der Knabe. Doch denket er: mir ists vergunnt, Und küsset Schön-Rohtraut auf den Mund. — Schweig stille, mein Herze! 4. Darauf sie ritten schweigend heim, Rohtraut, Schön-Ro^traut-

Es jauchzt der Knab in seinem Sinn: Und würdst du heute Kaiserin, Mich sollts nicht kränken.

Mörike.

Lenau.

[IV] 143

Ihr tausend Blätter im Walde, wißt, Ich hab Schön-Rohtrauts Mund geküßt! — Schweig stille, mein Herze!

Nikolaus Lenau (1802—1850). 123. Der Postillion. 1. Lieblich war die MaienSilberwölklein flogen, [nacht, Ob der holden Frühlingspracht Freudig hingezogen. 2. Schlummernd lagen Wies und Hain,

Jeder Pfad verlassen,Niemand als der Mondenschein Wachte auf der Straßen. 3. Leise nur das Liiftchen sprach, Und es zog gelinder Durch das stille Schlafgemach All der Frühlingskinder. 4. Heimlich nur das Bäch­ lein schlich, Denn der Blüten Träume Dufteten gar wonniglich Durch die stillen Räume. 5. Rauher war mein Postil­ lion, Ließ die Geißel knallen, Über Berg und Thal davon Frisch sein Horn erschallen.

6. Und von flinken Rossen vier Scholl der Hufe Schlagen, Die durchs blühende Revier Trabten mit Behagen.

7. Wald und Flur, im schnel­ len Zug Kaum gegrüßt — gemieden! Und vorbei, wie Traumesflug, Schwand der Dörfer Frieden. 8. Mitten in dem Maienglück Lag ein Kirchhof innen, Der den raschen Wanderblick Hielt zu ernstem Sinnen. an Berges­ rand War die bleiche Mauer, Und das Kreuzbild Gottes stand Hoch, in stummer Trauer. 10. Schwager ritt auf seiner Bahn Stiller jetzt und trüber, Und die Rosse hielt er an, Sah zum Kreuz hinüber: 11. „Halten muß hier Roß und Rad,

9. Hingelehnt

Mags Euch nicht gefährden: Drüben liegt mein Kamerad In der kühlen Erden! 12. Ein gar herzlieber Gesell!

Herr, 's ist ewig schade! Keiner blies das Horn so hell, Wie mein Kamerade!

Lenau.

144 [IV]

15. Und des Hornes heller

13. Hier ich immer halten

muß,

Ton

Dem dort unterm Nasen

Klang vom Berge wieder —

Zum getreuen Brudergruß

Ob der tote Postillion

Sein Leiblied zu blasen!^

Stimmt in seine Lieder? — 16. Weiter gings durch Feld

14. Und dem Kirchhof sandt er zu

und Hag,

Frohe Wandersänge,

Mit verhängtem Zügel-

Daß es in die Grabesruh

Lang mir noch im Ohre lag

Seinem Bruder dränge.

Jener Klang vom Hügel.

124. Blick in den Strom. 1. Sahst du ein Glück vorübergehn, Das nie sich wiederfindet,

Jsts gut, in einen Strom zu sehn,

Wo alles wogt und schwindet. 2. O, starre nur hinein, hinein!

Du wirst es leichter missen,

Was dir, und solls dein Liebstes sein, Vom Herzen ward gerissen. 3. Blick unverwandt hinab zum Fluß, Bis deine Thränen fallen!

Und sieh durch ihren warmen Guß

Die Flut hinunterwallen! 4. Hinträumend wird Vergessenheit

Des Herzens Wunde schließen.

Die Seele sieht mit ihrem Leid Sich selbst vorüberfließen.

Primula veris. I.

1. Liebliche Blume,

2. Leiser, denn alle

Bist du so früh schon

Blumen der Wiese

Wiedergekommen?

Hast du geschlummert,

Sei mir gegrüßet,

Liebliche Blume,

Primula veris!

Primula veris!

Lenau.

3. Dir nur vernehmbar.

[IV] 145

4. Mir auch im Herzen

Blühte vor Zeiten,

Lockte das erste,

Sanfte Geflüster

Schöner denn alle

Weckenden Frühlings,

Blumen der Liebe,

Primula veris!

Primula veris!

II. 4. Blume, du glaubst es,

1. Liebliche Blume,

Primula veris!

Daß der ersehnte,

Holde, dich nenn ich

Göttliche Frühling

Blume des Glaubens.

Endlich gekommen, 5. Öffnest die Brust ihm/

2. Gläubig dem ersten

Winke des Himmels

Aber es dringen

Eilst du entgegen, Öffnest die Brust ihm.

Lauernde Fröste - Tödlich ins Herz dir.

3. Frühling ist kommen!

6.

Mag es verwelken!

Ging doch der Blume

Mögen ihn Fröste, Trübende Nebel

Gläubige Seele

Wieder verhüllen:

dummer verloren!

126. Bitte. 1. Weil auf mir, du dunkles Auge, Übe deine ganze Macht,

Ernste, milde, träumerische,

Unergründlich siiße Nacht!

2. Nimm mit deinem Zauberdunkel Diese Welt von hinnen mir, Daß du über meinem Leben Einsam schwebest für und für!

127. Schilflied. 1. Auf dem Teich, dem regungslosen, Weilt des Mondes holder Glanz, Flechtend seine bleichen Rosen

In des Schilfes grünen Kranz. Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

146 [IV]

Lenau.

Rückert.

2. Hirsche wandeln dort am Hügels Blicken in die Nacht empor-

Manchmal regt sich das Geflügel Träumerisch im tiefen Rohr. 3. Weinend muß mein Blick sich senken Durch die tiefste Seele geht

Mir ein süßes Deingedenken,

Wie ein stilles Nachtgebet.

4. Gegner der WomantiK.

Friedrich Rückert (1788—1866) *128. Barbarossa. 1. Der alte Barbarossa,

der Kaiser Friederich,

Im unterirdschen Schlosse

hält er verzaubert sich,

Er ist niemals gestorben,

er lebt darin noch jetzt,' zum Schlaf sich hingesetzt.

Er hat im Schloß verborgen

des Reiches Herrlichkeit

2. Er hat hinabgenommen

mit ihr, zu seiner Zeit.

Und wirst einst wiederkommen

Der Stuhl ist elfenbeinern,

darauf der Kaiser sitzt-

Der Tisch ist marmelsteinern,

worauf sein Haupt er stützt.

3. Sein Bart ist nicht von Flachse, Ist durch den Tisch gewachsen,

sein Aug halb offen zwinkt-

Er nickt als wie im Traume, Und je nach langem Raume

er ist von Feuersglut,

worauf sein Kinn ausruht.

er einem Knaben winkt.

4. Er spricht im Schlaf zum Knaben:

„Geh hin vors Schloß,

o Zwerg, Und sieh, ob noch die Raben

Und wenn die alten Raben

herfliegen um den Berg! noch fliegen immerdar,

So muß ich auch noch schlafen

verzaubert hundert Jahr."

129. Geharnischtes Sonett. Die Geister der gefallnen Freiheitshelden,

Laut rufen sie hernieder aus Walhalle:

Rückert.

[IV] 147

„Viel Sänger sind auf Erden, die mit Schalle Von unserm Preis den Nachgebliebnen melden.

Auf, holt von ihnen zu des Himmels Felden Herauf uns einen, der uns sei für alle.

Daß er uns finge, was uns wohlgefalle,

Beim Mahle zwischen Hermann und Thusnelden!" Da sank im Kampfgewühl ein Held vom Rosse,

Den hoben auf das ihre zwei Walküren

Und führten ihn empor samt Schwert und Leier. Nun sitzt er droben im kristallnen Schlosse, Wo ich ihn sehe goldne Saiten rühren,

Wenn Geister mir vom Auge ziehn den Schleier.

130. Körners Geist (1814). 1. Bedeckt mit Moos und Schorfe, ein Eichbaum, hoch und stark, Steht bei Wöbblin, dem Dorfe

2.

Darunter ist von Steine

in Mecklenburger Mark; ein neues Grab gemacht,

Draus steigt im Mondenscheine

ein Geist um Mitternacht,

3. Er richtet auf die Rinden

Den Namen, der zu finden

4.

des Baums den Blick und liest

dort eingegraben ist;

Dann sucht er mit den Händen

5.

sich singend auf sein Grab:

„Ich war in Iugendbrause

7. Ich war ein

in Lützows wilder Schar

freier Jäger

mein Schwertlied klang so klar.

Und auch eiu Zitherschläger, Nun reiten die Genossen

Da ich vom Roß geschossen

9. Ihr

ein rascher Reitersmann,

ich Ruh und Rast gewann.

Bis hier im dunklen Hause

8.

nimmt sie vom Ast herab

Langt dann nach einer Leier,

Und setzt in stiller Feier

6.

ein Schwert, das liegt am Ort,

sich dieses Schwert sofort,

Und gürtet um die Lenden

allein auf ihrer Fahrt,

und hier begraben ward.

mögt nur weiter traben,

bis daß ihr kommt ans Ziel:

Ihr habet mich begraben, wie es mir wohlgefiel;

10.

Es sind die beiden Lieben,

Im Tode mir geblieben:

11. Ich seh auch meinen Namen, Geschnitten in den Rahmen

die mir im Leben wert,

die Leier und das Schwert, daß er unsterblich sei,

der Eiche schön und frei.

Rückert.

148 [IV]

12. Es sind die schönsten Kränze gegeben meiner Gruft, Die sich in jedem Lenze erneun mit frischem Duft. 13. Die Eich ob meinem Scheitel, wie ist der Kranz so groß? Mein Ringen war nicht eitel, ich ruh in ihrem Schoß 14. Man hat in Fürstengrüften bestatten mich gewollt Hier in den frischen Düften

ihr ruhn mich lassen sollt!"

131. Abendlied. 1. Ich stand auf Berges Halde, als heim die Sonne ging, Und sah, wie überm Walde des Abends Goldnetz hing. 2. Des Himmes Wolken tauten der Erde Frieden zu, Bei Abendglockenlauten ging die Natur zur Ruh. 3. Ich sprach: O Herz, empfinde der Schöpfung Stille nun, Und schick mit jedem Kinde der Flur dich auch zu ruhn! 4. Die Blumen alle schließen die Augen allgemach, Und alle Wellen fließen besänftiget im Bach. 5. Nun hat der müde Sylphe sich unters Blatt gesetzt, Und die Libell am Schilfe entschlummert taubenetzt. 6. Es ward dein goldnen Käfer zur Wieg ein Rosenblatt/ Die Herde mit dem Schäfer sucht ihre Lagerstatt. 7. Die Lerche sucht aus Lüften ihr feuchtes Netz im Klee Und in des Waldes Schlüften ihr Lager Hirsch und Reh. 8. Wer sein ein Hüttchen nennet, ruht nun darin sich ausUnd wen die Fremde trennet, den trägt ein Traum nach Haus. 9. Mich fasset ein Verlangen, daß ich zu dieser Frist Hinauf nicht kann gelangen, wo meine Heimat ist.

132. Aus dem Liebesfrühling. I. Du meine Seele, du mein Herz, Du meine Wonn, o, du mein Schmerz, Du meine Welt, in der ich lebe,

Mein Himmel du, darein ich schwebe,

5 O, du mein Grab, in das hinab Ich ewig meinen Kummer gab!

Rückert.

[IV] 149

Du bist die Ruh, du bist der Frieden, Du bist der Himmel, mir beschieden! Daß du niid) liebst, macht mich mir wert,

10 Dein Blick hat mich vor mir verklärt.

Du hebst mich liebend über mich, Mein guter Geist, mein beßres Ich!

II. Der Himmel hat eine Thräne geweint,

Die hat sich ins Meer zu verlieren gemeint. Die Muschel kam und schloß sie ein:

„Du sollst nun meine Perle sein,

5 Du sollst nicht vor den Wogen zagen, Ich will hindurch dich ruhig tragen!"

— O, du mein Schmerz, du meine Lust,

Du Himmelsthrän in meiner Brust! Gieb, Himmel, daß ich in reinstem Gemüte

10 Den reinsten deiner Tropfen hüte!

III. Ich bin mit meiner Liebe

vor Gott gestanden,

zu seinen Handen.

Ich stellte diese Triebe

Ich bin von diesen Trieben

nun unbetreten:

Ich kann dich, Liebster, lieben

zugleich und beten.

133. Kindertotenlieder. I. Du bist vergangen,

über Nacht verblüht,

Wie eine Blum Auf die umsonst 5

der Frühtau sprüht.

Es sprüht umsonst

Wie auf dich

eh ichs gedacht,

verblüht über Nacht.

Wie eine Blume

der frühe Tau,

meine Thränen lau.

Es sprühn meine Thränen

Und du bist nicht Und du bist nicht

10 Meine Blume,

lau auf dich,

erwacht für mich. für mich erwacht,

verblüht über Nacht.

150 [IV]

Rücken. II. 1. Oft denk ich- sie sind nur ausgegangen.

Bald werden sie wieder nach Haus gelangen. Der Tag ist schön, of sei nicht bang! Sie machen nur einen weiteren Gang.

2. Ja wohl/ sie sind nur ausgegangen Und werden bald nach Haus gelangen.

O, sei nicht bang! der Tag ist schön. Sie machen den Gang zu jenen Höhn.

3. Sie sind uns nur voraus gegangen Und werden nicht hier nach Haus verlangen.

Wir holen sie ein auf jenen Hohn Im Sonnenschein.

Der Tag ist schön!

134. Das Meer der Hoffnung. 1. Hoffnung auf Hoffnung geht zu Scheiter,

Aber das Herz hofft immer weiter/

Wie sich Wog über Woge bricht/

Aber das Meer erschöpft sich nicht. 2. Daß die Wogen sich senken und heben/ Das ist eben des Meeres Leben,

Und dasi es hoffe von Tag zu Tag, Das ist des Herzens Wogenschlag.

135. Schiffahrt. 1. Wie ein Schifflein auf dem Schwebt das Leben überm Tod/

Oben, unten, ringsumher Von Gefahren stets umdroht.

2. Eine schwache Bretterwand Trennet dich von deinem Grab/

Eines Hauches Unbestand Wiegt sich schaukelnd auf unb ab.

3. Seien Lüfte noch so klar. Sei die Tiefe noch so

In Gefahr ist immerdar. Wer durchs Leben schiffen will.

[IV] 151

Rückert.

136. Dem Liebcsiinger. 1. Wenn du willst in Menschenherzen

Alle Saiten rühren ein, Stimme du den Ton der Schmerzen, Nicht den Klang der Freuden an!

2. Mancher ist wohl, der erfahren Hat auf Erden keine LustKeiner, der nicht still bewahren

Wird ein Weh in seiner Brust.

137. Reisegesellschaft. 1. Wo der Schicksalswege

Kreuzen sich so viel

Und auf eignem Stege Jeder sucht sein Ziel:

2. Hoffe nicht, daß einer

Mit dir halte Schritt Länger, als auf deiner Bahn ist seine mit!

3. Näher nur berühren Hier sich dann und wann

Zwei der Weg' und führen Auseinander dann-

4.

Und wer eine Weile

Mit dir teilt den Gang: Hoffe nicht, er teile Ihn sein lebelang!

5. Denke, daß er immer Noch kann seitwärts gehn,

Eh im Abendschimmer

Dir die Berge stehn!

138. Der Schmuck der Mutter

(Gascl).

Mensch! es ist der Schöpfung Pracht

Nicht für dich allein gemacht:

Einen Teil hat sich zur Lust

Die Natur hervorgebracht.

5

Darum singt die Nachtigall,

Wo du schlummerst, in der Nacht Und die schönste Blume blüht, Eh des Tages Aug erwacht -

Und der schönste Schmetterling

10

Fliegt, wo niemand sein hat achtPerle ruht in Meeresschoß

Und der Edelstein im Schacht.

Rückert.

152 [IV]

Kind! da reichlich Aug und Ohr

Dir mit Füllen ist bedacht,

15 Gönn der Mutter etwas auch, Das sie zum Geschmeid sich macht!

139. Aus der Jugendzeit.

1. Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit Klingt ein Lied mir immerdar O, wie liegt so weit, o, wie liegt so weit, Was mein einst war!

2. Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang, Die den Herbst und Frühling bringt —

Ob das Dorf entlang, ob das Dorf entlang Das jetzt noch klingt?

3. „Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, Waren Kisten und Kasten schwer -

Als ich wieder kam, als ich wieder kam,

War alles leer."

4. O, du Kindermund, o, du Kindermund, Unbewußter Weisheit froh, Vogelsprachekund, vogelsprachekund,

Wie Salomo! 5. O, du Heinratflur, o, du Heimatflur,

Laß zu deinem Heilgen Raum Mich noch einmal nur, mich noch einmal nur Entfliehn im Traum!

6. Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, War die Welt mir voll so sehr-

Als ich wieder kam, als ich wieder kam,

War alles leer.

7. Wohl die Schwalbe kehrt, wohl die Schwalbe kehrt, Und der leere Kasten schwoll Ist das Herz geleert, ist das Herz geleert,

Wirds nie mehr voll.

8. Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt Dir zurück, wonach du weinst-

Rücken.

[IV] 153

Doch die Schwalbe singt, doch die Schwalbe fingt Im Dorf, wie einst: 9. „Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, Waren Kisten und Kasten schwer,-

Als ich wieder kam, als ich wieder kam, War alles leer."

140, Der Himmel. Der Himmel ist in Gottes Hand gehalten Ein großer Brief von azurblauem Grunde, Der seine Farbe hielt bis diese Stunde Und bis an der Welt Ende sie wird halten. In diesem großen Briese ist enthalten Geheimnisvolle Schrift aus Gottes Munde,Allein die Sonne ist darauf das runde Glanzsiegel, das den Brief nicht läßt entfalten. Wenn nun die Nacht das Siegel nimmt vom Briefe, Dann liest das Auge dort in tausend Zügen Nichts als nur eine große Hieroglyphe: „Gott ist die Lieb, und Liebe kann nicht lügen!" Nichts als dies Wort, doch das von solcher Tiefe, Daß kein Verstand kann der Auslegung gnügen.

141. Angereihte Perlen. 1. O, blicke, wenn den Sinn dir will die Welt verwirren, Zum ewgen Himmel auf, wo nie die Sterne irren! 2. Weißt, wo es keinen Herrn und keinen Diener giebt? Wo eins dem andern dient, weil eins das andre liebt. 3. Wer einem Fremdling nicht sich freundlich mag erweisen, Der war wohl selber nie im fremden Land auf Reisen. 4. Du wirst nicht musterhaft durch Jagd nach andrer Fehlern, Und nie wirst du berühmt durch fremden Ruhmes Schmälern. 5. Ich bin ein Blatt des BaumS, der ewig neue trägt,Heil mir! es bleibt mein Stamm, wenn mich der Wind verschlägt. 6. Wie groß für dich du seist, Dornt Ganzen bist du nichtig,Doch als des Ganzen Glied bist du als kleinstes wichtig.

154 [IV]

9R liefert.

7. Die kleinste Biene steht dem Feind so ritterlich, Weil sie für sich nicht ist, sie suhlt ihr Volk in sich.

8. Der Prüfstein trügt dich nie: Gut ist, was wohl dir thut, Und das ist schlimm, o Herz, wobei dir schlimm zu Mut.

9. Die Strafe macht dich frei von dem Gefühl der Schuld/ Drum straft dich, Kind, nicht Zorn des Vaters, sondern Huld.

10. Daß sie die Perle trägt, das macht die Muschel krank: Dem Himmel sag für Schmerz, der dich veredelt, Dank!

11. Vor jedem steht ein Bild des, was er werden soll:

So lang er das nicht ist, ist nicht sein Friede voll. 12. Das Wünschen thut es nicht, Anstrengung muß es machen/

Dem schlafenden Löwen läuft das Wild nicht in den Rachen. 13. Das Gute thust du nicht, um zu empfinden LustDie Lust empfindest du, weil du das Gute thust.

14. Das Gute thun ist leicht, selbst Schwachen eine Lust/ Das Böse ineiden schwer, Kampf einer Heldenbrust.

la. Das Gute wissen — weit ist noch das Thun davon/ Das Böse kenneii — ist deo Bösen Anfang schon.

142. Vicrzeilen. 1. Wer oben steht, such oben sich zu halten;

Wer uiiten ist, der trachr hinauf! Ruh ilnd Bewegiiiig siiid die zwei Gewalten, Durch die die Welt sich hält iiu Lauf.

2. Wenli die Wässerleiii kämen zuhauf, Gäb es wohl einen Fluß-

Weil jedes nimmt seinen eigenen Lauf,

Eins ohne das andre vertrockiien muß. 3. Rulleii, tretend hinter ein Eins,

Würden Tausende zählen/ Weil sie den Führer nicht wählen,

Zählen sie alle zusammen keins. 4. Erfahren ward seit tausend Jahren,

Doch du verfolgst umsonst die Spur: Dir paßt nicht, was für sich ein anderer erfuhr,

Du mußt cs wieder für dich selbst erfahren.

Rückert. 5- Willst du, daß wir mit hinein In das Haus dich bauen,

Laß es dir gefallen, Stein,

Daß wir dich behauen!

6. Auf das, was dir nicht werden kann, Sollst du den Blick nicht kehren!

Oder ja, sieh recht es an, So siehst du gewiß, du kannsts entbehren.

7. Prahl nicht heute: morgen will

Dieses oder das ich thun! Schweige doch bis morgen still,

Sage dann: das that ich nun!

8. Nicht der ist auf der Welt verwaist, Dessen Barer und Mutter gestorben,

Sondern der für Herz und Geist

Keine Lieb und fein Wissen erworben. 9. Gäbest du doch hier und dort Dein gutes Geld auch aus vergebens! Was machst du denn so viel Aufhebens

Um ein vergebnes gutes Wort? 10. Wenn das Gute würde vergolten,

So wär es keine Kunst, es zu thunAber ein Verdienst ist es nun,

Zu thun, wofür du wirst gescholten. 11. Das sind die Weisen,

Die durch Irrtum zur Wahrheit reisen.

Die bei dem Irrtum verharren, Das sind die Narren.

12. Der Erfolg ist offenbar, Die Absicht aber ist niemals klar-

Drum wird man alle Menschengeschichten

Ewig nach dem Erfolge richten.

13. Wenn ganz gleich die Gewicht in jeder Der zwei Schalen der Wage liegen:

Leg in die eine noch eine Feder, Und sie wird überwiegen.

[IV] 155

156 [IV]

Rückert. 14. Wo du nicht willst, da wird kein Grund dich beugen/

Doch ist nur wo deine Lust dabei, So wirst du leicht dich überzeugen,

Daß nötig es und nützlich sei. 15. Am Abend wird man klug Für den vergangnen Tag, Doch niemals klug genug

Für ben, der kommen mag.

16. Manch artges Büchlein läßt sich einmal lesen, Zu dem der Leser nie dann wiederkehrt -

Doch was nicht zweimal lesenswert gewesen, Das war nicht einmal lesenswert.

143. Aus der Weisheit des Brahmanen. 1. Ursprung der Rose. Den Rosenzweig benagt ein Lämmchen aus der Weide,

Es thuts nur sich zur Lust, es thuts nicht ihm zu leide -

Dafür hat Rosendorn dem Lämmchen abgezwackt Ein Flöckchen Wolle nur, es ward davon nicht nackt. 5 Das Flöckchen hielt der Dorn in scharfen Fingern fest; Da kam die Nachtigall und wollte baun ihr Nest.

Sie sprach: Thu auf die Hand und gieb das Flöckchen mir, Und ist mein Nest geballt, sing ich zum Danke dir.

Er gab, sie nahm und baut, und als sie nun gesungen, 10

Da ist am Rosendorn vor Lust die Nos entsprungen.

2. Die beiden Palmen.

Die beiden Palmen, die dort alternd stehn beisammen, Sie danken nicht ihr Heil dem Grund, aus dem sie stammen,

Sie danken es dem Hauch des Himmels, PoesieSie stehn, weil einmal sprach ein Dichter scheidend hie: 5

„Ihr beiden Palmen, gebt mir eitern Abschiedsgruß, Weil ich von allem, was mir lieb ist, scheiden muß!

Nie rastet das Geschick, zu scheiden und zu trennen Auf Erden alle, die sich lieben und sich kennen.

Rückert.

[IV] 157

Ihr aber, bleibet ungeschieden mir, ihr beiden!

10

Doch wird das Unglück auch einst kommen, euch zu scheiden."

Der Dichter sprachs und ging den schweren Abschiedsgang, Doch in den Lüften hier blieb seines Liedes Klang. Es ging von Ohr zu Ohr das Siel), von Mund zu Munde,

Und nie droht Azt und Beil dem Heilgen Palmenbunde.

15

Da kam der König her auf seinem Siegeszug-

Die Palme stand im Weg dem Wagen, der ihn trug. Des Beiles Schärfe war schon angelegt dem FußDer Fuhrmann aber sprach des Dichters Abschiedsgruß:

„Ihr Palmen, bleibet ungeschieden mir, ihr beiden!

20

Doch wird das Unglück auch schon kommen, euch zu scheiden!" Das war der beiden Heil- der König rief: „Halt ein!

Ich will das Unglück, das sie scheiden soll, nicht sein. Dem Dichterworte mag zur Ehre sich bequemen Mein Siegeswagen wohl, den Umweg hier zu nehmen.

25

Zhr aber steht, biv euch Sturm oder Alter bricht!

Tas mag das Unglück sein, von dein der Dichter spricht!"

3. Auszug um Auszug. Bon einem König wird erzählt, daß im Palast

Er hatte sich gehäuft die größte Bücherlast. Und zog der König aus, so zogen auf den Pfaden

Hundert und ein Kamel mit Büchern nach beladen.

5

Da ward er doch gewahr am Ende, daß ihm sei Beschwerlich auf der Fahrt die große Bücherei, Und ließ zu besserer Bequemlichkeit beim Reisen

Auszüge machen von hundert und einem Weisen. Bon diesen ward gemacht ein Auszug, den beim Zug

10

Des Königes gemach ein starkes Maultier trug.

Doch noch bequemer wollt er haben seine Sachen, Und aus dem Auszug ließ er einen Auszug machen. Ein artges Büchlein ward nun aus

der Maultierbürde,

Das auf der Reise selbst der König trug mit Würde.

15

Doch immer noch zu sehr belästigte das ihn,

Des Auszugs Auszug ließ er aus noch einmal ziehn.

158 [IV]

Rückert.

Da zogen sie ihm aus dem ausgezognen Buch

Den Kern zusammen kurz in einen einzgen Spruchs Den faßt er ins Gemüt und konnt ihn leicht behalten,

20 Um seines Heils danach und seines Reichs zu walten. Ob ihm dies Heil gelang? Wenn ers nicht ganz vollbracht,

So wars nur, weil er selbst den Auszug nicht gemacht. Das aber ist gewiß, das aus dem Bücherwust

Du machen für dein Heil solch einen Auszug mußt.

4. Sechs Wörter.

Sechs Wörter nehmen mich in Anspruch jeden Tag: Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag.

Ich soll ist das Gesetz,

von Gott ins Herz geschrieben,

Das Ziel, nach welchem ich bin von mir selbst getrieben.

5

Ich muß, das ist die Schrank, in welcher mich die Welt

Von einer, die Natur von andrer Seite hält. Ich kann, das ist das Maß der mir verliehnen Kraft Der That, der Fertigkeit, der Kunst und Wissenschaft. Ich will, die höchste Kron ist dieses, die mich schmückt,

10 Der Freiheit Siegel, das mein Geist sich aufgedrückt. Ich darf, das ist zugleich die Inschrift bei dem Siegel, Beim aufgethanen Thor der Freiheit auch ein Riegel.

Ich mag, das endlich ist,

was zwischen allen schwimmt,

Ein Unbestimmtes, das der Augenblick bestimmt.

15

Ich soll, ich muß, ich kann, ich will,

ich darf, ich mag,

Die sechse nehmen mich in Anspruch jeden Tag.

Nur wenn du stets mich lehrst, weiß ich, was jeden Tag

Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag. 5. Am rechten Ort das rechte Wort. Wenn du am rechten Ort

das rechte Wort zu sagen

Hast unterlassen, bleibt es immer zu beklagen.

Wenn in Gedanken dann dus sagest hinterher, Wird die Versäumnis dir nur fühlbar um so mehr.

5

Doch unterlaß nur nicht, und sage dir es fein!

Vielleicht ein andermal wirst du dann klüger sein.

Rückert.

[IV] 159

6. Höchste Freiheit.

Wenn Freiheit du begehrst, des Menschen höchste Zierde, Herrsch über Leidenschaft und Neigung und Begierde! Doch bilde dir nicht viel auf diese Herrschaft ein! Des freien Willens Stolz ist Gott gehorsam sein. 7. Duldung.

In allen Zonen liegt die Menschheit auf den Knien

Vor einem Göttlichen, das sie empor soll ziehn. Verachte keinen Brauch und keine Flehgeberde, Womit ein armes Herz emporringt von der Erde! 5 Ein Kind mit Lächeln kämpft, ein andres mit Geschrey Daß von der Mutter Arm es ausgenommen sei. 8. Gottvertrauen.

Als wie ein Kind im Schlaf empor sein Auge schlägt Und alsobald sein Haupt befriedigt wieder legt, Weil nah das Angesicht sich ihm der Mutter zeigt, Die wachend iiber ihr geliebtes Kind sich neigt: 5 Beglückt, wer so den Traum des Erdenlebens lebt, Und wenn dazwischen er den Blick zum Himmel hebt, Die Mutterliebe sieht herniederschauen heiter Und lächelnd winken ihm: Ich wache, schlaf nur weiter! 9. Glückes Übermaß.

Wen unerwartet Glück mit Unmaß überschüttet, Gefördert wir dadurch sein Heil nicht, nur zerrüttet,' Wie, überströmt mit Öl, statt mäßig angefrischt,

An ihrer Lebcnsfüll oft eine Lamp erlischt. 10. Der Quell in der Wüste.

In einer Wüste fließt ein Quell durch Gottes Kraft, Der hat für Durstige des Wegs die Eigenschaft: Wer nn Vorübergehn nur schöpfet mit der Hand, Der geht erquickt und kühl hinweg im Sonnenbrand. 5 Doch wer sich niederläßt am Quell und trinkend ruht, Der trinkt sich durstig und verdurstet an der Flut. Ihr Pilger dieses Wegs, laßt es gesagt euch sein: Schöpft im Vorübergehn nur mit der Hand allein!

160 [IV]

Rückert. Platen. 11. Poesie.

Hauch Gottes^ Poesie! o, fomm, mich anzuhauchen, In deinen Rosenduft die kalte Welt zu tauchen!

Was du anlächelst/ lacht/ was du anblickest/ glänzt/ Die Eng erweitert sich/ und Weites wird begrenzt. Durch dich ist ewig/ was im Augenblick geschwunden/

5

Was ich gelebt/ gedacht/ genossen und empfunden.

12. Der Dichter über sich selbst. Kann jeder doch die Welt nur seinem Sinn anpassen/

Und was ich fassen soll/ muß ich in Verse fassen. Drum/ ob an manchem Vers von mir du habest nichts/

So denk: den hat fiir sich der Meister des Gedichts. Hätt ich den Vers/ an dem du nichts hast/ nicht gemacht/

5

Hätt ich auch die, woran du viel hast/ nicht erdacht.

August Graf von Platen-Hallermnnde (1796—1835). 144. Das Grab im Bnscnto. (410 1. Nächtlich am Busento lispeln

n. Chr.)

bei Cosenza dumpfe Viebcr,

Aus den Wassern schallt es Antwort/ unb in Wirbeln klingt es wieder.

2. Und den Fluß hinan, hinunter

ziehn die Schatten tapfrer Goten/

Die den Alarich beweinen,

ihres Volkes besten Toten.

3. Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben/

seine Schulter blond umgaben.

Während noch die Jugendlocken

4.

reihten sie sich um die Wette/

Und am Ufer des Busento

Um die Strömung abzulciteN/

gruben sie ein frisches Bette.

5. In der wogenleeren Höhlung

wühlten sie empor die Erde/

Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung/auf dem Pferde/ 6. Deckten dann mit Erde wieder

Daß die hohen Stromgewächse

wüchsen aus beut Heldengrabe.

7. Abgelenkt zum zweiten Male/

Mächtig in ihr altes Bette

ihn und seine stolze Habe/

ward der Fluß herbeigezogen:

schäumten die Busentowogen.

Platen.

8.

Und es sang ein Chor von Männern:

[IV] 161 „Schlaf in deinen

Heldenehren! Keines Römers schnöde Habsucht

soll dir je das Grab versehren!"

9. Sangens, und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere.— wälze sie von Meer zu Meere!

Wälze sie, Busentowelle,

145. Der Pilgrim vor St. Just. 1. Nacht ists, und Stürme sausen für und für, Hispanische Mönche, schließt mir auf die Thür!

2. Laßt hier mich ruhn, bis Glockenton mich weckt, Der zum Gebet euch in die Kirche schreckt!

3. Bereitet mir, was euer Haus vermag: Ein Ordenskleid und einen Sarkophag!

4. Gönnt mir die

kleine Zelle, weiht mich ein! —

Mehr als die Hälfte dieser Welt war mein. 5. Das Haupt, das nun der Schere sich bequemt,

Mit mancher Krone Wards bediademt.

6.

Die Schulter, die der Kutte nun sich bückt,

Hat kaiserlicher Hermelin geschmückt.

7. Nun bin ich

vor dem Tod den Toten gleich

Und fall in Trümmer, wie das alte Reich.

146. Pindars Tod. Ich möchte, wenn ich sterbe, wie die lichten

Gestirne, schnell und unbewußt erbleichen, Erliegen möcht ich einst des Todes Streichen, Wie Sagen uns von Pindaros berichten.

Ich will ja nicht im Leben oder Dichten

Den großen Unerreichlichen erreichen, Ich möcht, o Freund, ihm nur im Tode gleichen.

Doch höre nun die schönste der Geschichten:

Er saß im Schauspiel, vom Gesang beweget,

Und hatte, der ermüdet war, die Wangen

Auf seines Lieblings schönes Knie geleget. Als nun der Chöre Melodien verklangen, Will wecken ihn, der ihn so sanft geheget, Doch zu den Göttern war er heimgegangen. He ssel, Lesebuch IV.

Gedichte.

11

Platen.

162 [IV]

147. Parabasen I. Deutsche Dichtung.

Seit ältester Zeit

hat hier es getönt,

und so oft im erneuenden Umschwung In verjüngter Gestalt

ausstrebte die Welt,

klang auch ein germanisches Lied nach. Zwar lange verhallt

ist jener Gesang,

den einst des Arminius Heerschar in des Siegs Festschritt,

Anstimmend gejauchzt

auf römischen Gräbern getanzt ihn,-

5 Doch blieb von der Zeit

des gewaltigen Karls

wohl noch ein gewaltiges Lied euch, von der mächtigen Frau,

Ein gewaltiges Lied

die erst als zarteste Jungfrau

Dasteht und verschämt,

voll schüchterner Huld,

dem erhabenen Helden die Hand reicht, durchs Leben gestählt,

Bis dann sie zuletzt,

durch glühende Rache gehärtet, Graunvoll auftritt,

in den Händen ein Schwert

imb das Haupt des enthaupteten Bruders.

10 Auch lispelt um euch

der melodische Hauch

aus späteren Tagen des Ruhms noch,

Als mächtigen Gangs

zu des Heilands Gruft

die gepanzerten Friedriche wallten,-

An den Höfen erscholl

der Gesang damals

aus fürstlichem Mund, und der Kaiser, Dem als Mitgift

die Gestade Homers

darbrachte die Tochter des Normanns, Sang lieblichen Ton.

Kaum aber erlosch

sein Stamm in dem herrlichen Knaben,

15 Der, unter dem Beil

hinsterbend, erlag

kapetingischer teuflischer Unthat,

1 So hießen in der altgriechischen Komödie gewisse einge­ schobene, nicht zum Stück gehörende ernstere Ansprachen des Chor­ führers an die Zuhörer.

Platen. Schwieg auch der Gesang,

[IV] 163

und die göttliche Kunst

fiel unter die Meister des Handwerks. sie die heilige Kraft,

Spät wieder erhub

als neue befruchtende Regung Weit über die Welt

aus Deutschlands Gaun

der begeisterte sächsische Mönch trug-

Doch strebte sie nun

langsamer empor,

weil blutiger Kriege Verderbnis

20 Das entvölkerte Reich

Jahrhunderte lang

preisgab der unendlichen Roheit -

Weil Wechsel des Lauts

erst hemmte das Lied,

da der bibelentfaltende Luther Durch männlichern Ton

auf immer vertrieb

die melodische rheinische Mundart. Doch sollte das Wort

um so reicher erblühn,

und es lehrte zugleich es Melanchthon Den gediegenen Klang,

den einst anschlug

die beglücktere Muse von Hellas.

die germanische Kunst,

25 Und so reifte heran

um entgegen zu gehn der Vollendung! Lang schlich sie dahin,

lang schleppte sie noch

nachahmende Fessel und seufzte, Bis Klopstock naht

und die Welt fortreißt

in erhabener Odenbeflüglung Und das Maß herstellt

und die Sprache beseelt

und befreit von der gallischen Knechtschaft Zwar starr noch und herb

und zuweilen Versteint,

auch nicht jedwedem genießbar, 30 Doch ihm folgt bald

das Gefällige nach

und das Schöne mit goethischer Sanftheit. II. Schönheit.

Weltgeheimnis ist die Schönheit, das uns lockt in Bild und Wort.

Wollt ihr sie dem Leben rauben,

zieht mit ihr die Liebe fort:

Was noch atmet, zuckt und schaudert, alles sinkt in Nacht und Graus,

Und des Himmels Lampen löschen

mit dem letzten Dichter aus.

164 [IV]

Eichendorff.

5. Wachklänge der Wornantik. Joseph Freiherr von Eichendorff (1788—1856)» 148. Abschied.

(Im Walde bei Lubowitz in Oberschlesien.)

1. O Thäler weit, o Höhen!

o, schöner, grüner Wald,

Du meiner Lust und Wehen

andächtger Aufenthalt!

Da draußen, stets betrogen,

saust die geschäftge Welt,

Schlag noch einmal die Bogen

um mich, du grünes Zelt!

2. Wenn es beginnt zu tagen,

die Erde dampft und blinkt,.

daß dir dein Herz erklingt:

Die Vögel lustig schlagen,

Da mag vergehn, verwehen

das trübe Erdenleid,

in junger Herrlichkeit!

Da sollst du auferstehen

3. Da steht im Wald geschrieben

Ich habe treu gelesen

ein stilles, ernstes Wort

und was des Menschen Hort.

Von rechtem Thun und Lieben

die Worte, schlicht und wahr,

Und durch mein ganzes Wesen

wards unaussprechlich klar.

4. Bald werd ich dich verlassen,

Auf buntbewegten Gassen Und mitten in deni Leben

Mich Einsamen erheben,

fremd in der Fremde gehn.

des Lebens Schauspiel sehn/

wird deines Ernsts Gewalt so wird mein Herz nicht alt.

149. Sehnsucht. 1. Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land.

2. Das Herz mir im Leib entbrennte, Da hab ich mir heimlich gedacht:

Ach, wer da mitreisen könnte In der prächtigen Sommernacht!

3. Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang,

Ich hörte im Wandern sie singen

Die stille Gegend entlang:

Elchendorff.

4. Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht. 5. Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondenschein, 6. Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht, Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtgen Sommernacht.

150. Die Stille. 1. Es weiß und rät es doch keiner, Wie mir so wohl ist, so wohl! Ach, müßt es nur einer, nur einer, Kein Mensch es sonst wissen soll! 2. So still ists nicht draußen im Schneee, So stumm und verschwiegen sind Die Sterne nicht in der Höhe, Als meine Gedanken sind. 3. Ich wünscht, es wäre schon morgen, Da fliegen zwei Lerchen auf, Die überfliegen einander, Mein Herze folgt ihrem Lauf. 4. Ich wünscht, ich wäre ein Vöglein Und zöge über das Meer, Wohl über das Meer und weiter, Bis daß ich im Himmel wär!

151. Sonntag. 1. Die Nacht war kaum verblühet, Nur eine Lerche sang Die stille Luft entlang. Wen grüßt sie schon so frühe?

[IV] 165

166 [IV]

Eichendorff.

2. Und draußen in dem Garten Die Bäume übers Haus Sahn weit ins Land hinaus, Als ob sie wen erwarten. 3. In festlichen Gewänden, Wie eine Kinderschar, Tauperlen in dem Haar, Die Blumen alle standen. 4. Ich dacht: ihr kleinen Bräute, Was schmückt ihr euch so sehr? Da blickt die eine her: „Still, still, 's ist Sonntag heute 5. Schon klingen Morgenglocken, Der liebe Gott nun bald Geht durch den stillen Wald." Da kniet ich froherschrocken. 152. Mondnacht. 1. Es war, als hätt der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nur träumen müßt. 2. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht,

Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. 3. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus.

153. Morgengebet. 1. O, wunderbares, tiefes Schweigen, Wie einsam ists noch auf der Welt! Die Wälder nur sich leise neigen,

Als ging der Herr durchs stille Feld.

Eichendorff.

[IV] 167

2. Ich fühl mich recht wie neu geschaffen, Wo ist die Sorge nun und Not? Was mich noch gestern wollt erschlaffen, Ich schäm mich des im Morgenrot. 3. Die Welt mit ihrem Gram und Glücke Will ich, ein Pilger, frohbereit Betreten nur wie eine Brücke Zu dir, Herr, übern Strom der Zeit.

154. Der Einsiedler. 1. Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Wie steigst du von den Bergen sacht! Die Lüfte alle schlafen, Ein Schiffer nur noch, wandermüd, Singt übers Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hafen. 2. Die Jahre wie die Wolken gehn Und lassen mich hier einsam stehn, Die Welt hat mich vergessen Da tratst du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen. 3. O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat mich so müd gemacht, Das weite Meer schon dunkeltLaß ausruhn mich von Lust und Not, Bis daß das ewge Morgenrot Den stillen Wald durchfunkelt.

155. Auf meines Kindes Tod.

I. 1. Von fern die Uhren schlagen, es ist schon tiefe Nacht, Die Lampe brennt so düster, dein Bettlein ist gemacht. 2. Die Winde nur noch gehen wehklagend um das Haus,

Wir sitzen einsam drinnen

und lauschen ost hinaus.

168 [IV]

Hensel.

Eichendorff.

du klopfen an die Thür,

3. Es ist, als müßtest leise Du hältst dich nur verirret

und kämst nun müd zurück.

4. Wir armen, armen Thoren! wir irren ja, im Graus du fandst ja längst nach Haus!

Des Dunkels noch verloren —

II. du schläfst in guter Ruh/

1. Dort ist so tiefer Schatten, Es deckt mit grünen Matten

der liebe Gott dich zu. sich auf dein Bett herein,

2. Die alten Weiden neigen

sie singen treu dich ein.

Die Vöglein in den Zweigen,

3. Und wie in goldnen Träumen Rings in den stillen Bäumen —

geht linder Frühlingswind

schlaf wohl, mein süßes Kind!

III. 1. Mein liebes Kind, ade! Ich konnt ade nicht sagen,

Als sie dich fortgetragen,

Vor tiefem, tiefem Weh.

2. Jetzt auf lichtgrünem Plan Stehst du im Mirtenkranze

Und lächelst aus dem Glanze

Mich still voll Mitleid an. 3. Und Jahre nahn und gehn,

Wie bald bin ich verstoben — O, bitt für mich da droben,

Daß wir uns Wiedersehn!

Luise Hensel (1798—1876). 156. Scheidegruß. 1. O, wie bitter ist das Wandern,

Wenn die Seele rückwärts zieht Und ein liebes Auge lange

Weinend noch herüber sieht. 2. Und ein Tüchlein flattert ferne,

Bis dich birgt des Waldes Saum-

Siehst es winken, sieht es blinken,

Wehen noch durch deinen Traum. 3. Ach! die Sonne scheint dir trübe,

Und dich freut kein Lerchenlied —

Bitter, bitter ist das Wandern, Wenn die Seele rückwärts zieht.

Hensel.

157. Die Kinder in der Fremde. 1. Ach! Mutter, bleibst so lange, Es wird uns Kindern bange, Der Abend ist so kalt!

Die Winde schaurig wehen, Und lange Schatten gehen, Und Löwen brüllen durch den Wald.

2. Weit sind wir heut gegangen Und tragen nun Verlangen Nach unsrer Mutter Schoß,Komm, trockne unsre Thränen, Lös auf dies bange Sehnen, Mach unsre müden Herzen los! 3. Du sagtest uns am Morgen, Wir sollten ohne Sorgen Von deiner Schwelle gehn,Wenn wir den Berg erklommen, Und wenn die Nacht gekommen, Dann würden wir dich Wiedersehn. 4. Wir mußten mühsam wallen, Und viele sind gefallen, Und mancher ging voran. Oft mußten wir auch weinen; Durch Dornen und auf Steinen, Durch Hitz und Sturm ging unsre Bahn. 5. Nun geht der Tag zu Ende, Drum heben wir die Hände Und suchen deine Hand,' Thu auf die traute Zelle! Sind wieder an der Stelle, Da du uns hast hinausgesandt. 6. Laß uns in grünen Wiegen In weißen Hemdlein liegen, So tief und still und dicht! Laß Thränen uns befeuchten,

[IV] 169

170 [IV]

Hensel.

Wilhelm Müller.

Laß auf uns niederleuchten Dein ewig klares Mondgesicht!

7. Den Schleier, blau gewoben, Den breite weit aus oben,

Drin laß uns hoffend ruhn!

Einst wird es wieder tagen, Dann wird der Vater sagen:

Steht auf, ihr Kindlein, alle nun!

Wilhelm Müller (1794—1827). *158. Morgenlied. 1. „Wer schlägt so rasch an die Fenster mir

Mit schwanken, grünen Zweigen?" — „Der junge Morgenwind ist hier

Und will sich lustig zeigen. 2. Heraus, heraus, du Menschensohn!" — So ruft der kecke Geselle —

„Es schwärmt von Frühlingswonnen schon Vor deiner Kammerschwelle. 3. Hörst du die Käfer summen nicht?

Hörst du das Glas nicht klirren,

Wenn sie, betäubt von Duft und Licht, Hart an die Scheiben schwirren? 4. Die Sonnenstrahlen stehlen sich

Behende durch Blätter und Ranken

Und necken auf deinem Lager dich Mit blendendem Schweben und Schwanken. 5. Die Nachtigall ist heiser fast,

So lang hat sie gesungen, Und weil du sie gehört nicht hast, Ist sie vom Baum gesprungen.

6. Da schlug ich mit dem leeren Zweig An deine Fensterscheiben:

Heraus, heraus in das Frühlingsreich! Er wird nicht lange mehr bleiben."

Wilhelm Müller.

[IV] 171

*159. Der kleine Hydriot. Ich war ein kleiner Knabe,

stand fest kaum auf dem Sem,

Da nahm mich schon mein Vater mit in das Meer hinein Und lehrte leicht mich schwimmen an seiner sichern Hand Und in die Fluten tauchen bis nieder auf den Sand5 Ein Silberstückchen warf er dreimal ins Meer hinab, Und dreimal mußt ichs holen, eh ers zum Lohn mir gab. Dann reicht er mir ein Ruder, hieß in ein Bot mich gehn,

Er selber blieb zur Seite mir unverdrossen stehn, Wies mir, wie man die Woge mit scharfem Schlage bricht, 10 Wie man die Wirbel meidet und mit der Brandung ficht. Und von dem kleinen Kahne ging flugs ins große Schiff, Es trieben uns die Stürme um manches FelsenriffIch saß auf hohem Maste, schaut über Meer und Land: Es schwebten Berg und Türme vorüber mit dem Strand. 15 Der Vater hieß mich merken auf jedes Vogels Flug,

Auf aller Winde Wehen, auf aller Wolken Zug; Und bogen dann die Stürme den Mast bis in die Flut, Und spritzten dann die Wogen hoch über nieinen Hut, Da sah der Vater prüfend mir in das Angesicht — 20 Ich saß in meinem Korbe und rüttelte mich nicht — Da sprach er, und die Wange ward ihm wie Blut so rot: „Glück zu auf deinem Maste, du kleiner Hydriot!" Und heute gab der Vater ein Schwert mir in die Hand Und weihte mich zum Kämpfer für Gott und Vaterland. 25 Er maß mich mit den Blicken vom Kopf bis zu den Zehn,

Mir wars, als thät sein Auge hinab ins Herz mir sehnJch hielt mein Schwert gen Himmel und schaut ihn sicher an Und deuchte mich zur Stunde nicht schlechter als ein Mann. Da sprach er, und die Wange ward ihm wie Blut so rot: 30 „Glück zu mit deinem Schwerte, du kleiner Hydriot!"

160. Alexander Npsilanti auf Munkatsch. Alexander Apsilanti saß in Munkatsch hohem Turm. An den morschen Fenstergittern rüttelte der wilde Sturm, Schwarze Wolkenzüge flogen über Mond und Sterne hin,

172 [IV]

Wilhelm Müller.

Und der Griechenfürst erseufzte:

„Ach, daß ich gefangen bin!"

5 An des Mittags Horizonte hing sein Auge unverwandt:

„Lag ich doch in deiner @rbe, mein geliebtes Vaterland!" Und er öffnete das Fenster, sah ins öde Land hinein:

Krähen schwärmten in den Gründen, Adler um das FelsgesteinWieder fing er an zu seufzen: „Bringt mir keiner Botschaft her

10 Aus dem Lande meinerVäter?" Und dieWimper ward ihm schwer— Wars von Thränen? wars von Schlummer? — und sein Haupt

sank in die Hand. SehtZ sein Antlitz wird so helle — träumt er von dem Vaterland? Also saß er, und zum Schläfer trat ein schlichter Heldenmanu, Sah mit freudig ernstem Blicke lange den Betrübten an:

15 //Alexander Dpsilanti, sei gegrüßt und fasse Mut!

In dem engen Felsenpasse, wo geflossen ist mein Blut/ Wo in einem Grab die Asche von dreihundert Spartern liegt/ Haben über die Barbaren freie Griechen heut gesiegt.

Diese Botschaft dir zu bringen/ ward mein Geist herabgesandt. 20 Alexander Upsilanti, frei wird Hellas heilges Land \u Da erwacht der Fürst vom Schlummer/ ruft entzückt: //Leonidas \“ Und er fühlt/ von Freudenthränen sind ihm Aug und Wange naß.

Horch/ es rauscht ob seinem Haupte/ und ein Königsadler fliegt Aus dem Fenster, und die Schwingen in dem Mondenstrahl er wiegt!

161. Der Lindenbaum. 1. Am Brunnen vor dem Thore/ Jch träumt in seinem Schatten

Ich schnitt in seine Rinde

da steht ein Lindenbaum-

so manchen süßen Traum.

so manches liebe Wort-

Es zog in Freud und Leide

zu ihm mich immer fort.

2. Ich mußt auch heute wandern Da hab ich noch im Dunkeln

die Augen zugemacht. als riefen sie mir zu:

Und seine Zweige rauschten, Komm her zu mir, Geselle,

hier findst du deine Ruh!

3. Die kalten Winde bliesen

Der Hut flog mir vom Kopfe,

Nun bin ich manche Stunde Und immer hör ichs rauschen:

vorbei in tiefer Nacht,

mir grad ins Angesicht,

ich wendete mich nicht. entfernt von jenem Ort,

du fändest Ruhe dort!

Wilhelm Müller.

Heine.

[IV] 173

162. Bineta. 1. Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde Klingen Abendglocken dumpf und matt, Uns zu geben wunderbare Kunde Von der schönen, alten Wunderstadt. 2. In der Fluten Schoß hinabgcsunken, Blieben unten ihre Trümmer stehnIhre Zinnen lassen goldne Funken Wiederscheinend auf dem Spiegel sehn.

3. Und der Schiffer, der den Zauberschimmer Einmal sah im Hellen Abendrot, Nach derselben Stelle schifft er immer, Ob auch ringsumher die Klippe droht. 4. Aus des Herzens tiefem, tiefem Grunde Klingt es mir wie Glocken, dumpf und matt; Ach, sie geben wunderbare Kunde Von der Liebe, die geliebt es hat. 5. Eine schöne Welt ist da versunken, Ihre Trümmer blieben unten stehn, Lassen sich als goldne Himmelsfunken Oft im Spiegel meiner Träume sehn. 6. Und dann möcht ich tauchen in die Tiefen, Mich versenken in den Wiederschein, Und mir ist, als ob mich Engel riefen In die alte Wunderstadt herein.

Heinrich Heine (1797—1856).

163. Aus den Nordseeliedern. I. Meergruß. Thalatta! Thalatta! * Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer! 1 Im Jahre 401 v. Chr. Geb. erreichten die 10000 Mann grie­ chischer Hilfstruppen unter Xenophons Führung, nach beschwerlichen

174 [IV]

Heine.

Sei mir gegrüßt zehntausendmal

Aus jauchzendem Herzen, 5 Wie einst dich begrüßten

Zehntausend Griechenherzen,

Unglückbekämpfende, heimatverlangende, Weltberühmte Griechenherzen.

Es wogten die Fluten,

10 Sie wogten und brausten,Die Sonne goß eilig herunter Die spielenden Rosenlichter,'

Die aufgescheuchten Möwenzüge Flatterten fort, lautschreiend/

15 Es stampften die Rosse, es klirrten die Schilde, Und weithin erscholl es wie Siegesruf:

„Thalatta! Thalatta!" Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer!

Wie Sprache der Heimat rauscht mir dein Wasser,

20 Wie Träume der Kindheit seh ich es flimmern Auf deinem wogenden Wellengebiet, Und alte Erinnrung erzählt mir aufs neue

Von all dem lieben, herrlichen Spielzeug, Von all den blinkenden Weihnachtsgaben,

25 Von all den roten Korallenbäumen, Goldfischchen, Perlen und bunten Muscheln,

Die du geheimnisvoll bewahrst Dort unten im klaren Kristallhaus.

O, wie hab ich geschmachtet in öder Fremde!

30 Gleich einer welken Blume

In des Botanikers blecherner Kapsel Lag mir das Herz in der Brust.

Mir ist, als saß ich winterlange, Ein Kranker, in dunkler Krankenstube,

Irrfahrten, vom Euphrat her kommend, das schwarze Meer; sic be­ grüßten es, jubelnd und weinend sich zujauchzend: das Meer! das Meer! (Thalatta).

Heine

35

40

[IV] 175

Und nun verlaß ich sie plötzlich, Und blendend strahlt mir entgegen

Der smaragdne Frühling, der sonnengeweckte, Und es rauschen die weißen Blütenbäume, Und die jungen Blumen schauen mich an Mit bunten, duftenden Augen, Und es duftet und summt und atmet und lacht, Und im blauen Himmel singen die Vöglein — Thalatta! Thalatta! II. Abenddämmerung.

Am blassen Meeresstrande Saß ich gedankenbekümmert und einsam.

5

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20

Die Sonne neigte sich tiefer und warf Glührote Streifen auf das Wasser, Und die weißen, weiten Wellen, Von der Flut gedrängt, Schäumten und rauschten näher und näher — Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen, Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen, Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen — Mir war, als hört ich verschollne Sagen, Uralte, liebliche Märchen, Die ich einst als Knabe Von Nachbarskindern vernahm, Wenn wir am Sommerabend Auf den Treppensteinen der Hausthür Zum stillen Erzählen niederkauerten, Mit kleinen, horchenden Herzen Und neugierklugen Äugens Während die großen Mädchen Neben duftenden Blumentöpfen Gegenüber am Fenster saßen, Rosengesichter, Lächelnd und mondbeglänzt.

Heine.

176 [IV]

164. Aus dem Buch der Lieder. I. 1. Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh. Ihn schläfert/ mit weißer Decke Umhüllen ihn Eis und Schnee. 2. Er träumt von einer Palme, Die fern im Morgenland Einsam und schweigend trauert Auf brennender Felsenwand.

II. 1. Ich stand in dunkeln Träumen Und starrte ihr Bildnis an, Und das geliebte Antlitz Heimlich zu leben begann. 2. Um ihre Lippen zog sich Ein Lächeln wunderbar, Und wie von Wehmutsthränen Erglänzte ihr Augenpaar. 3. Auch meine Thränen flössen Mir von den Wangen herab — Und ach! ich kann es nicht glauben, Daß ich dich verloren hab!

III.

1.

Herz, mein Herz, sei nicht beklommen, Und ertrage dein Geschick! Neuer Frühling giebt zurück, Was der Winter dir genommen. 2. Und wie viel ist dir geblieben! Und wie schön ist noch die Welt! Und, mein Herz, was dir gefällt, Alles, alles darfst du lieben!

IV. 1. Du bist wie eine Blume So hold und schön und rein;

Heine.

[IV] 177

Ich schau dich an, und Wehmut Schleicht mir ins Herz hinein. 2. Mir ist, als ob ich die Hände Aufs Haupt dir legen sollt,

Betend, daß Gott dich erhalte So rein und schön und hold.

V. 1. Dämmernd liegt der Sommerabend Über Wald und grünen Wiesen,-

Goldner Mond im blauen Himmel Strahlt herunter, duftig labend. 2. Und Und Und 3.

An dem Bache zirpt die Grille, es regt sich in dem Wasser, der Wandrer hört ein Plätschern ein Atmen in der Stille. Dorten, an dem Bach alleine,

Badet sich die schöne ElfeArm und Nacken, weiß und lieblich, Schimmern in dem Mondenscheine.

VI. 1. Nacht liegt auf den fremden Wegen, Krankes Herz und müde Glieder! Ach! da fließt, wie stiller Segen, Süßer Mond, dein Ächt hernieder. 2. Süßer Mond! mit deinen Strahlen Scheuchest du das nächtge Grauen: Es zerrinnen meine Qualen, Und die Augen übertauen. 165.

Aus dem Neuen Frühling.

I. 1. Unterm weißen Baume sitzend, Hörst du fern die Winde schrillen, Siehst, wie oben stumme Wolken Sich in Nebeldecken hüllen; He ssel, Lesebuch IV. Gedichte.

12

Heine.

178 [IV1 2.

Siehst, wie unten ausgestorben

Wald und Flur, wie kahl geschoren — Um dich Winter, in dir Winter,

Und dein Herz ist eingefroren.

3.

Plötzlich fallen auf dich nieder

Weiße Flocken, und verdrossen Meinst du schon, mit Schneegestöber

Hab der Baum dich übergossen. 4.

Doch es ist kein Schneegestöber,

Merkst es bald mit freudgem Schrecken: Duftge Frühlingsblüten sind es, Die dich necken und bedecken.

5.

Welch ein schauersüßer Zauber!

Winter wandelt sich in Maie, Schnee verwandelt sich in Blüten,

Und dein Herz, es liebt auf neue!

II. 1.

Gekommen ist der Maie,

Die Blumen und Bäume blühn, Und durch die Himmelsbläue

Die rosigen Wolken ziehn. 2.

Die Nachtigallen singen

Herab aus der laubigen Höh,

Die weißen Lämmer springen Im weichen, grünen Klee. 3.

Ich kann nicht singen itnb springen,

Ich liege krank im Gras-

Ich höre fernes Klingen, Mir träumt, ich weiß nicht, was.

III. 1.

Leise zieht durch mein Gemüt

Liebliches Geläute, Klinge, kleines Frühlingslied,

Kling hinaus ins Weite!

Heine.

2.

Kling hinaus bis an das Haus,

Wo die Blumen sprießen! Wenn du eine Rose schaust,

Sag, ich laß sie grüßen!

166.

Aus „Seraphine". I.

1.

Es ragt ins Meer der Runenstein,

Da sitz ich mit meinen Träumen. Es pfeift der Wind, die Möwen schrein, Die Wellen, die wandern und schäumen.

2.

Ich habe geliebt manch schönes Kind

Und manchen guten Gesellen. Wo sind sie hin? — Es pfeift der Wind, Es wandern und schäumen die Wellen. II.

1.

Das Meer erstrahlt im Sonnenschein,

Als ob es golden wär.

Ihr Brüder, wenn ich sterbe, Versenkt mich in das Meer.

2.

Hab immer das Meer so lieb gehabt,

Cs hat mit sanfter Flut So oft mein Herz gekühlet,

Wir waren einander gut.

167. 1.

Der scheidende Sommer.

Das gelbe Laub erzittert,

Es fallen die Blätter herab — Ach! alles, was hold und lieblich, Verwelkt und sinkt ins Grab.

2.

Die Wipfel des Waldes umflimmert

Ein schmerzlicher Sonnenschein-

Das mögen die letzten Küsse Des scheidenden Sommers sein.

3.

Mir ist, als müßt ich weinen

Aus tiefstem Herzensgrund-

[IV] 179

180 [IV]

Heine.

Dies Bild erinnert mich wieder An unsere Abschiedsstund. 4. Ich mußte dich verlassen

Und wußte, du stürbest bald. Ich war der scheidende Sommer, Du warst der sterbende Wald.

168.

Childe Harold'.

1. Eine starke, schwarze Barke Segelt trauervoll dahin.

Die vermummten und verstummten Leicbenhüter sitzen drin. 2. Toter Dichter! stille liegt er Mit entblößtem Angesicht; Seine blauen Augen schauen Immer noch zum Himmelslicht. 3. Aus der Tiefe klingts, als riefe Eine kranke Nixenbraut, Und die Wellen, sie zerschellen An dem Kahn, wie Klagelaut.

169.

In der Fremde. I.

1. Es treibt dich fort von Ort zu Ort, Du weißt nicht mal, warum,Im Winde klingt ein sanftes Wort, Schaust dich verwundert um. 2. Die Liebe, die dahinten blieb, Sie ruft dich sanft zurück: O, komm zurück, ich hab dich lieb, Du bist mein einzges Glück! 3. Doch weiter, weiter! sonder Rast, Du darfst nicht stille stehn,Was du so sehr geliebet hast, Sollst du nicht Wiedersehn. 1 Am 19. April 1824 starb Lord Byron, der Dichter des Childe Harold, der Sänger des Meeres, zu Missolungi in Griechenland. Seine Leiche wurde zu Schiffe in die Heimat geführt.

Heine.

1.

[IV] 181

II. Ich hatte einst ein schönes Vaterland.

Der Eichenbaum Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.

Es war ein Traum. 2. Das küßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch

(Man glaubt es saunt. Wie gut es klang) das Wort: „Ich liebe dich!"

Es war ein Traum.

170.

Deutschland (1840).

1. Deutschland ist noch ein kleines Kind, Doch die Sonne ist seine Amme, Sie säugt es nicht mit stiller Milch, Sie säugt es mit wilder Flamme. 2. Bei solcher Nahrung wächst man schnell Und kocht das Blut in den Adern. Ihr Nachbarskinder, hütet euch, Mit dem jungen Burschen zu hadern! 3. Es ist ein täppisches Rieselein, Reißt aus dem Boden die Eiche Und schlägt euch damit den Rücken wund Und die Köpfe windelweiche. 4. Dem Siegfried gleicht er, dem edlen Fant, Von dem wir singen und sagen,Der hat, nachdem er geschmiedet sein Schwert, Den Amboß entzwei geschlagen. 5. Ja, du wirst einst wie Siegfried sein Und töten den häßlichen Drachen. Heisa! wie freudig vom Himmel herab Wird deine Frau Amme lachen! 6. Du wirst ihn töten und seinen Hort, Die Reichskleinodien, besitzen. Heisa! wie wird auf deinem Haupt Die goldne Krone blitzen.

Chamisso.

182 [IV]

6. Lyriker, die dem politischen Leven fern standen-

Adelbert von Chamisso (1781—1838). *171. Das Riesenspielzeug. 1. Burg Niedeck ist im Elsaß

Die Höhe, wo vor Zeiten

der Sage wohlbekannt,

die Burg der Riesen stand die Stätte wüst und leer:

Sie selbst ist nun verfallen,

Du fragest nach den Riesen?

du findest sie nicht mehr.

2. Einst kam das Riesenfräulein Und stieg hinab den Abhang Neugierig, zu erkunden,

aus jener Burg hervor.

und spielend vor dem Thor

Erging sich sonder Wartung

bis in das Thal (jinehi,

wies unten möchte sein.

3. Mit wen'gen raschen Schritten

Erreichte gegen Haslach

durchkreuzte sie den Wald,

das Land der Menschen bald,

und das bestellte Feld

Und Städte dort und Dörfer

Erschienen ihren Augen

gar eine fremde Welt.

4. Wie jetzt zu ihren Füßen

Bemerkt sie einen Bauer,

sie spähend niederschaut,

der seinen Acker baut-

Es kriecht das kleine Wesen

Es glitzert in der Sonne

einher so sonderbar, der Pflug so blank und klar.

5. „Ei, artig Spielding!" ruft sie,

„das nehm ich mit nach Haus!"

Sie knieet nieder, spreitet

behend ihr Tüchlein aus was da sich alles regt,

Und feget mit den Händen,

Zu Haufen in das Tüchlein, 6. Und

das sie zusammen schlägt,

eilt mit freudgen Sprüngen

— man

weiß, wie

Kinder sind — den Vater auf geschwind:

Zur Burg hinan und suchet

ein Spielding wunderschön!

„Ei, Vater, lieber Vater, So allerliebstes sah ich

noch nie auf unsern Höhn."

7. Der Alte saß am Tische

Er schaut sie ar: behaglich,

und trank den kühlen Wein,

er fragt das Töchterlein:

„Was Zappeliges bringst du

in deinem Tuch herbei?

Du hüpfest ja vor Freuden:

laß sehen, was es sei!"

Chamisso.

[IV] 183

8. Sie spreitet aus das Tüchlein Den Bauer aufzustellen,

und fängt behutsam an,

den Pflug und das Gespann -

sie zierlich aufgebaut,

Wie alles auf dem Tische

So klascht sie in die Hände

und springt und jubelt laut.

und wiegt sein Haupt und

9. Der Alte wird gar ernsthaft

spricht: „Was hast du angerichtet?

Wo du es hergenommen,

Das ist kein Spielzeug nicht!

da trag es wieder hin! was kommt dir in den Sinn?

Der Bauer ist kein Spielzeug:

10. Sollst gleich und ohne Murren Denn wäre nicht der Bauer,

so hättest du kein Brot:

Es sprießt der Stamm der Riesen 11. Burg Niedeck ist im Elsaß Sie selbst ist nun verfallen,

aus Bauernmark hervor,

da sei uns Gott davor!" —

Der Bauer ist kein Spielzeug,

Die Höhe, wo vor Zeiten

erfüllen mein Gebot!

der Sage wohlbekannt,

die Burg der Riesen stand -

die Stätte wüst und leer:

Und fragst du nach den Riesen,

du findest sie nicht mehr.

*172. Das Schloß Boncourt (1827). 1. Ich träum als Kind mich zuriicke Und schüttle mein greises Haupt -

Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder,

Die lang ich vergessen geglaubt?

2. Hoch ragt aus schattgen Gehegen Ein schimmerndes Schloß hervor,

Ich kenne die Türme, die Zinnen, Die steinerne Brücke, das Thor.

3. Es schauen vom Wappenschilde Die Löwen so traulich mich an, Ich grüße die alten Bekannten Und eile den Burghof hinan.

4. Dort liegt die Sphinx am Brunnen, Dort grünt der Feigenbaum,

Dort, hinter diesen Fenstern, Verträumt ich den ersten Traum.

Chamisso.

184 [IV]

5.

Ich tret in die Burgkapelle

Und suche des Ahnherrn ®rcib,

Dort ists, dort hängt vom Pfeiler

Das alte Gewaffen herab.

6.

Noch lesen, umflort, die Augen

Die Züge der Inschrift nicht, Wie hell durch die bunten Scheiben

Das Licht darüber auch bricht.

7. So stehst du, o Schloß meiner Väter,

Mir treu und fest in dem Sinn Und bist von der Erde verschwunden; Der Pflug geht über dich hin.

8.

Sei fruchtbar, o teurer Boden!

Ich segne dich mild und gerührt

Und segn ihn zwiefach, wer immer Den Pflug nun über dich führt.

9.

Ich aber will auf mich raffen,

Mein Saitenspiel in der Hand,

Die Weiten der Erde durchschweifen Und singen von Land zu Land.

*173. Die alte Waschfrau (1833). 1. Du siehst geschäftig bei dem Linnen

Die Alte dort in weißem Haar, Die rüstigste der Wäscherinnen

Im sechsundsiebenzigsten Jahr. So hat sie stets mit saurem Schweiß.

Ihr Brot in Ehr und Zucht gegessen Und ausgefüllt mit treuem Fleiß Den Kreis, den Gott ihr zugemessen.

2. Sie hat in ihren jungen Tagen

Geliebt, gehofft und sich vermählt; Sie hat des Weibes Los getragen, Die Sorgen haben nicht gefehlt;

Sie hat den kranken Mann gepflegt; Sie hat drei Kinder ihm geboren;

Chamisso.

Sie hat ihn in das Grab gelegt

Und Glaub und Hoffnung nicht verloren.

3. Da galtst die Kinder zu ernährenSie griff es an mit heiterm Mut,

Sie zog sie auf in Zucht und Ehren -

Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut. Zu suchen ihren Unterhalt,

Entließ sie segnend ihre Lieben, So stand sie nun allein und alt, Ihr war ihr heitrer Mut geblieben.

4. Sie hat gespart und hat gesonnen

Und Flachs gekauft und nachts gewacht, Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,

Das Garn dem Weber hingebrachtDer hats gewebt zu Leinewand -

Die Schere brauchte sie, die Nadel,

Und nähte sich mit eigner Hand

Ihr Sterbehemde sonder Tadel. 5. Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es, Verwahrts im Schrein am Ehrenplatz -

Es ist ihr Erstes und ihr Letztes, Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.

Sie legt es an, des Herren Wort

Am Sonntag früh sich einzuprägen; Dann legt sies wohlgefällig fort,

Bis sie darin zur Ruh sie legen.

6. Und ich, an meinem Abend, wollte, Ich hätte, diesem Weibe gleich,

Erfüllt, was ich erfüllen sollte In meinen Grenzen und Bereich-

Ich wollt, ich hätte so gewußt

Am Kelch des Lebens mich zu laben Und könnt am Ende gleiche Lust An meinem Sterbehemde haben.

[IVJ 185

Chamisso.

186 [IV]

174. Frisch gesungen.

1. Hab oft im Kreise der Lieben Und mir ein Liedlein gesungen, Hab einsam auch mich gehärmet Und habe wieder gesungen,

in duftigem Grase geruht

und alles war hübsch und gut. in bangem, düsterem Mut

und alles war wieder gut.

2. Und manches, was ich erfahren,

verkocht ich in stiller Wut,

Und kam ich wieder zu singen,

war alles auch wieder gut.

Sollst nicht uns lange klagen,

was alles dir wehe thut,

Nur frisch, nur frisch gesungen!

und alles wird wieder gut.

175. Die Kreuzschau. 1. Der Pilger, der die Höhen überstiegen, Sah jenseits schon das ausgespannte Thal

In Abendglut vor seinen Füßen liegen. 2. Auf duftges Gras, im milden Sonnenstrahl Streckt er ermattet sich zur Ruhe nieder, Indem er seinem Schöpfer sich befahl.

3. Ihm fielen zu die matten Augenlider,

Doch seinen wachen Geist enthob ein Traum Der irdschen Hülle seiner trägen Glieder.

4. Der Schild der Sonne ward im Himmelsraum Zu Gottes Angesicht, das Firmament

Zu seinem Kleid, das Land zu dessen Saum. 5. „Du wirst dem, dessen Herz dich Vater nennt,

Nicht, Herr, im Zorn entziehen deinen Frieden, Wenn seine Schwächen er vor dir bekennt.'

6. Daß, wen ein Weib gebar, sein Kreuz hienieden Auch duldend tragen muß, ich weiß es lange; Doch sind der Menschen Last und Leid verschieden.

7. Mein Kreuz ist allzu schwer; sieh, ich verlange ' Die Last nur angemessen meiner KraftIch unterliege, Herr, zu hartem Zwange."

8. Wie er so sprach zum Höchsten kinderhaft, Kam brausend her der Sturm, und es geschah, Daß aufwärts er sich fühlte hingerafft.

Chamisso.

[IV] 187

9. Und wie er Boden faßte, fand er da Sich einsam in der Mitte räumger Hallen,

Wo ringsum sonder Zahl er Kreuze sah.

10. Und eine Stimme hört er dröhnend hallen: „Hier aufgespeichert ist das Leid/ du hast

Zu wählen unter diesen Kreuzen allen!" 11. Versuchend ging er da, unschlüssig fast,

Von einem Kreuz zum anderen umher, Sich auszuprüfen die bequemre Last.

12. Dies Kreuz war ihm zu groß und das zu schwer, So schwer und groß war jenes andre nicht,

Doch scharf von Kanten drückt es desto mehr. 13. Das dort, das warf wie Gold ein gleißend Licht,

Das lockt' ihn, unversucht es nicht zu lassen Dem goldnen Glanz entsprach auch das Gewicht.

14. Er mochte dieses heben, jenes fassen,

Zu keinem neigte noch sich seine Wahl, Es wollte keines, keines für ihn passen. 15. Durchmustert hatt er schon die ganze Zahl —

Verlorne Müh! vergebens wars geschehen! Durchmustern mußt er sie zum andernmal.

16. Und nun gewahrt er, früher übersehen, Ein Kreuz, das leidlicher ihm schien zu sein, Und bei dem einen blieb er endlich stehen.

17. Ein schlichtes Marterholz, nicht leicht, allein Ihm paßlich und gerecht nach Kraft und Maß:

„Herr/" rief er, „so du willst, dies Kreuz sei mein!"

18. Und wie ers prüfend mit den Augen maß — Es war dasselbe, das er sonst getragen, Wogegen er zu murren sich vermaß.

Er lud es auf und trugs nun sonder Klagen.

188 [IV]

Droste-Hülshoff.

Annette Freiin von Droste-Hülshoff (1797—1848).

176. Der Knabe im Moor. 1. ö, schaurig ists, übers Moor zu gehn, Wenn es wimmelt vom Heiderauche, Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritte ein Quetschen springt, Wenn aus der Spalte es zischt und singt — O/ schaurig ists, übers Moor zu gehn, Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

2. Fest hält die Fibel das zitternde Kind Und rennt, als ob man es jage; Hohl über die Fläche sauset der Wind — Was raschelt drüben am Hage? Das ist der gespenstige Gräberknecht, Der dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu! es bricht, wie ein irres Rind:

Hinducket das Knäblein zage. 3. Vom Ufer starret Gestumpf hervor — Unheimlich nicket die Föhre, Der Knabe rennt, gespannt das Ohr, Durch Riesenhalme, wie Speere; Und wie es rieselt und knittert darin! Das ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinnlenor, Die den Haspel dreht im Geröhre! 4. Voran, voran! nur immer im Lauf! Boran! als woll es ihn holen; Vor seinem Fuße brodelt es auf, Es pfeift ihm unter den Sohlen, Wie eine gespenstige Melodei: Das ist der Geigenmann ungetreu, Das ist der diebische Fiedler Knauf,

Der den Hochzeitheller gestohlen!

Droste-Hülshoff. 5. Da birst das Moor, ein Seufzer geht Hervor aus der klaffenden Höhle; Weh, weh! da ruft die verdammte Margret: „Ho, hoh! meine arme Seele!" Der Knabe springt, wie ein wundes RehWär nicht Schutzengel in seiner Näh, Seine bleichenden Knöchelchen fände spät Ein Gräber im Moorgeschwele. 6. Da mählich gründet der Boden sich, Und drüben, neben der Weide,

Die Lampe flimmert so heimatlich, Der Knabe steht an der Scheide. Tief atmet er auf, zum Moor zurück Noch immer wirft er den scheuen Blick: „Ja, im Geröhre wars fürchterlich, O, schaurig wars in der Heide!"

177. Heidebilder. I. Die Heide nach dem Regen.

Es verrieselt, es verraucht! Mählich aus der Wolke taucht Neu hervor der Sonnenadel. In den feinen Dunst die Fichte 5 Ihre grünen Dornen streckt, Wie ein schönes Weib die Nadel In den Spitzenschleier steckt, Und die Heide steht im Lichte Zahllos blanker Tropfen, die 10 Am Wachholder zittern, wie Glasgehänge an dem Lüster. Überm Grund geht ein Geflüster, Jedes Kräutchen reckt sich auf,

Und in lang gestrecktem Lauf, 15 Durch den Sand des Pfades eilends

Blitzt das goldne Panzerhemd

[IV] 189

Droste-Hülshoff.

190 [IV]

Des SuricrS1,* am Halme weilend, Streicht die Grille sich das Naß Von der Flügel grünem Glas.

20 Grashalm glänzt, wie eine Klinge,

Und die kleinen Schmetterlinge, Blau, orange, gelb und weiß,

Jagen tummelnd sich im Kreis.

Alles Schimmer, alles Licht! 25

Bergwald mag und Welle nicht

Solche Farbentöne hegen, Wie die Heide nach dem Regen.

II. Der Weiher. Er liegt so still im Morgenlicht,

So friedlich wie ein fromm GewissenWenn Weste seinen Spiegel küssen, Des Ufers Blume fühlt es nicht -

5 Libellen zittern über ihn, Blaugoldne Stäbchen und Karmin, Und auf des Sonnenbildes Glanz Die Wasserspinne führt den Tanz-

Schwertlilienkranz am Ufer steht 10 Und horcht des Schilfes Schlummerliede. Ein lindes Säuseln kommt und geht,

Als flüstr es: Friede! Friede! Friede! III. Kinder am Ufer.

„O/ sieh doch! siehst du nicht die Blumenwolke Da drüben in dem tiefsten Weiherkolke?

O, das ist schön! hätt ich nur einen Stecken! Schmalzweiße Kelch mit dunkelroten Flecken,

5 Und jede Glocke ist frisiert so fein, Wie unser wächsern Engelchen im Schrein. Was meinst du, schneid ich einen Haselstab

Und wat ein wenig in die Furt hinab?

1 Buprestis, ein in allen Farben schimmernder Prachtkäfer, der sich im Heidekraut aufhält.

Droste-Hülshoff.

[IV] 191

Pah! Frösch und Hechte können mich nicht schrecken! — 10 Allein, ob nicht vielleicht der Wassermann

Dort in den langen Kräutern hocken kann? Ich geh, ich gehe schon — ich gehe nicht — Mich dünkt, ich sah am Grunde ein Gesicht —

Komm, laß uns lieber heim, die Sonne sticht!"

178. Das Gleichnis vom verdorrten Feigenbaum. (Aus dem geistlichen Jahr: Montag in der Charwoche.)

1. „Wie stehst du doch so dürr und kahl, Die trocknen Adern leer,

O Feigenbaum! Ein Totenkranz von Blättern fahl Hängt rasselnd um dich her, Wie Wellenschaum!" —

„O Mensch, ich muß hier stehn, ich muß

Dich grüßen mit dem Todesgruß, Daß du das Leben fassest,

Es nicht entlassest!" —

2. „Wie halt ich denn das Leben fest,

Daß es mir nicht entrinnt,

O Feigenbaum?" — „O Mensch, der Wille ist das best,

Die wahre Treu gewinnt. Hältst du im Zaum Die Hoffahrt und die Zweifelsucht,

Die Lauheit auch in guter Zucht:

Muß dir in diesem Treiben

Das Leben bleiben." — 3. „Wie bist du denn so völlig tot, So ganz und gar dahin,

O Feigenbaum?" — „O Mensch, wie üppges Morgenrot

Ließ ich mein Leben ziehn

Am Erdensaum

192 [IV]

Droste-Hülshoff.

Und Weh! und dachte nicht der Frucht. Da hat mich Gott der Herr verflucht, Daß ich muß allem Leben Ein Zeugnis geben." —

4. „Wer hat

dir solches zubereit

Durch heimlichen Verrat,

O Feigenbaum?" —

„O Mensch, des Herren Aug sieht weit, Es sieht des Würmleins Pfad

In Blattes Flaum. Ihm kannst du nicht entdecken, noch Entziehn, er sieht und weiß es doch;

Es lag schon auf der Wage

Am ersten Tage." —

5. „Du starbest wohl vor langer Zeit, Weil du so dürr und leer, O Feigenbaum?" —

„O Mensch, des Herren Hand reicht weit Und ist so schnell und schwer,

Du siehst es kaum. Er nimmt dir seines Lebens Hauch,

Du mußt vergehn wie Dunst und Rauch,

# Er braucht nicht Wort noch Stunden: Du bist verschwunden."—

6.

„Wo bleibt denn seine große Huld,

Was fruchtet denn die Reu, O Feigenbaum?" — „O Mensch, gedenk an deine Schuld,

Gedenk an seine Treu! Schau, in den Raum

Hat er mich gnadenvoll gestellt, Daß ich durch seine weite Welt Aus meines Elends Tiefe

Dir warnend riefe." —

7.

„Steht denn kein Hoffen mehr bei birA

Kein Hoffen in der Not,

Droste-Hülshoff.

Reinick.

[IV] 193

O Feigenbaum?" — „O Mensch, kein Hoffen steht bei mir, Denn ich bin tot, bin tot! O Lebenstraum, Hätt ich dein schweres Sein gefühlt,

Hätt ich nicht frech mit dir gespielt, Ich stände nicht gerichtet, Weh mir, vernichtet!"

Robert Reinick (1805—1852). *179. Frühlingsglocken. 1. Schneeglöckchen thut läuten: kling-ling-ling! Was hat das zu bedeuten? ei, gar ein lustig Ding! Der Frühling heut geboren ward, Ein Kind der allerschönsten Art,Zwar liegt es noch in weißem Bett, Doch spielt es schon so wundernett. Drum kommt, ihr Vögel, aus dem Süd Und bringet neue Lieder mit! Ihr Quellen all, Erwacht im Thal! Was soll das lange Zaudern? Sollt mit dem Kinde plaudern! 2. Maiglöckchen thut läuten: bim-bam-bam! Was hat das zu bedeuten? Frühling ist Bräutigam! Macht Hochzeit mit der Erde heut Mit großer Pracht und Festlichkeit. Wohlauf denn, Nelk und Tulipan, Und schwenkt die bunte Hochzeitfahn! Du, Ros und Lilie, schmückt euch fein, Brautjungfern sollt ihr heute sein! Ihr Schmetterling Sollt bunt und flink Den Hochzeitreigen führen, Die Vögel musizieren! Hess e l, Lesebuch IV. Gedichte.

13

194 [IV]

Reinick.

3. Blauglöckchen thut läuten: bim-bim-bim! Was hat das zu bedeuten? Ach, das ist gar zu schlimm! Heut Nacht der Frühling scheiden muß, Drum bringt man ihm den Abschiedsgruß: Glühwürmchen ziehn mit Lichtern hell, Es rauscht der Wald, es klagt der Quell, Dazwischen singt mit süßem Schall Aus jedem Busch die Nachtigall Und wird ihr Lied Sobald nicht müd, Ist auch der Frühling schon ferne,' Sie hatten ihn alle so gerne.

*180. 1.

Der Strom.

Tief in waldgrüner Nacht

Ist ein Bächlein erwacht, Kommt von Halde zu Halde gesprungenUnd die Blumen, sie stehn

Ganz verwundert und sehn In die Augen dem lustigen Jungen. 2. Und sie bitten: „Bleib hier In dem stillen Revier!" Wie sie drängen, den Weg ihm zu hindern! Doch er küßt sie im Flug, Und mit neckischem Zug Ist entschlüpft er den lieblichen Kindern. 3. Und nun springt er hinaus Aus dem still grünen Haus: „O, du weite, du strahlende Ferne! Dir gehör ich, o Welt!" Und er dünkt sich ein Held, Und ihm leuchten die Augen wie Sterne. 4. „Gebt mir Thaten zu thun! Darf nicht rasten, nicht ruhn, Soll der Vater, der alte, mich loben!" — Hoch zum Flusse geschwellt,

Reinick.

Feuchtersleben.

[IV] 195

Von dem Fels in die Welt Braust er nieder mit freudigem Toben. 5. „Gebt mir Thaten zu thun, Kann nicht rasten, nicht ruhn!" — Und schon hört man die Hämmer ihn schmettern, Und vorbei an dem Riff Trägt er sicher das Schiff In dem Kampfe mit Sturm und mit Wettern. 6. Immer voller die Lust, Immer weiter die Brust!

Und er wächst zum gewaltigen Strome Zwischen rankendem Wein Schauen Dörfer darein Und die Stadt und die Burgen und Dome. 7. Und er kommt an das Meer, Hell leuchtet es her, Wie verklärt von göttlichem Walten. Welch ein Rauschen im Wind? „Du mein Vater!" — „Mein Kind!"

Und er ruht in den Armen des Alten.

Ernst Freiherr von Feuchtersleben (1806—1849). 181. Nach altdeutscher Weise.

1. Es ist bestimmt in Gottes Rat, Daß man, was man am liebsten hat, Muß meiden Wiewohl nichts in dem Lauf der Welt Dem Herzen, ach! so sauer fällt, Als Scheiden! ja, Scheiden! 2. So dir geschenkt ein Knösplein was, So thu es in ein Wasserglas! — Doch wisse: Blüht morgen dir ein Röslein auf, Es welkt wohl noch die Nacht darauf Das wisse! ja, wisse!

196 [IV]

FeuchterSleben.

Stöber.

3. Und hat dir Gott ein Lieb beschert, Und hälft du sie recht innig teert,

Die deine — Es werden wohl acht Bretter sein,

Da legst du sie, wie bald! hinein;

Dann weine! ja weine! 4. Nur mußt du mich auch recht verstehn,

Ja, recht verstehn! Wenn Menschen auseinandergehn, So sagen sie: auf Wiedersehn!

Ja, Wiedersehn!

Adolf Stöber (1810—1892). 182. An Dichter und Leser. 1. Willst du dichten, sammle dich,

Sammle dich, wie zum Gebete!

Daß dein Geist andächtiglich Vor das Bild der Schönheit trete Daß du seine Züge klar,

Seine Fülle tief erschauest Und es dann getreu und wahr Wie in reinen Marmor hauest.

2. Willst du lesen ein Gedicht, Sammle dich, wie zum Gebete! Daß vor deine Seele licht

Das Gebild des Dichters trete! Daß durch seine Form hinan

Du den Blick dir aufwärts bahnest

Und, wies Dichteraugen sahn,

Selbst der Schönheit Urbild ahnest. Man vergleiche auch noch: Eberhard, 1779—1845 (I.Teil); Niinny, 1783-1847 (II.); Giesebrecht, 1792-1873 (III.); Deinhardstein, 1794-1859 (III.); Psarrins, 1800-1884

Hoffmann.

[IV] 197

. Doch ein Blutritt war es, ein Todesritt, Wohl wichen sie unsern Hieben,

Doch von zwei Regimentern, was ritt und was stritt, Unser zweiter Mann ist geblieben. 4. Die Brust durchschossen, die Stirn zerklafst, So lagen sie bleich auf dem Rasen,

In der Kraft, in der Jugend dahingeraffr — Venn, Trompeter, zum Sammeln geblasen!

5.

Und er nahm die Trompet, und er hauchte hinein-

Da — die mutig mit schmetterndem Grimme Uns geführt in den herrlichen Kampf hinein, Der Trompete versagte die Stimme!

6.

Nur ein klanglos Wimmern, ein Schrei voll Schmerz

Entquoll dem metallenen Munde -

Eine Kugel hatte durchlöchert ihr Erz — Um die Toten klagte die wunde!

7.

Um die Tapfern, die Treuen, die Wacht am Rhein,

Um die Brüder, die heut gefallen, — Um sie alle, es ging uns durch Mark und Bein, Erhub sie gebrochenes Lallen.

8.

Und nun kam die Nacht, und wir ritten hindann,

Rundum die Wachtfeuer lohten Die Rosse schnoben, der Regen rann —

Und wir dachten der Toten, der Toten! Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

210 [IV]

Freiligrath.

194. Das bessere Land. (Nach dem Englischen der Felicia Hemans.)

1. „Ein besseres Land nennst du entzückt?

Seine Kinder, sagst du, sind reich und beglückt?

Mutter, wo mag sein Ufer scheinen? Laß es uns suchen und nicht mehr weinen!

Isis, wo im Mirtenhain rastet der Hirt,

Wo die Feuerfliege das Laub durchschwirrt?"



— „Da nicht, da nicht, mein Kind!" 2. „Ist es, wo schlank die Palme steht,

Das Haupt von gefiederten Büscheln umweht?

Auf Inseln in ewig heitern Zonen, Wo duftende Wälder die Blütenkronen

Schütteln, wo Weihrauch die Staude schwitzt, Wo der Vogel des Paradieses blitzt?" —

— „Da nicht, da nicht, mein Kind!"

3. „Ist es, wo über Geschiebe von Gold

Brausend die Wette der Ströme rollt? Wo feurig im tiefen Dunkel der Minen Diamanten funkeln und rote Rubinen?

Wo die Perle glänzt am Korallenstrand?

O Mutter, ist dort das bessere Land?" — — „Da nicht, da nicht, mein Kind!

4. Kein Auge sah es, mein Sohn! kein Obr

Vernahm seiner Stimmen jauchzenden Chor. Seine Pracht — kein Trämnender sah im Schlummer

Solch Leuchten! — fern bleiben ihm Tod und Kummer!

Nie zerstört die Zeit seinen Glanz, seinen Dust,Jenseits der Wolken, jenseits der Gruft

Da ists, da ists, mein Kind!"

195.

Sobald das Kind sich zeigt.

(Aus Viktor Hugos Herbstblättern übersetzt.)

1.

Sobald das Kind sich zeigt, eilt alles ihm entgegen

Und jauchzt,- sein süßer Blick heißt sich die Freude regen,-

FreiUgrath.

[IV] 211

Es lächelt und verscheucht

Den Gram; die Stirnen glatt, die Augen macht es Helle Der Schuldige sogar wird froh, wenn auf der Schwelle Schuldlos das Kind sich zeigt.

2.

Mag lächelnd uns der Mai mit seinen Blumen grüßen,

Mag unser Kreis im Herbst sich am Kamine schließen,

Wo traut die Flamme glüht:

Zeigt sich das Kind, so zeigt die Lust sich, so verbittert

Uns nichts den Tag; man lacht, man ruft, die Mutter zittert, Wenn sie es wanken sieht.

3.

Die Nacht ist still; da führt den Geist der Traum von hinnen,

Da hört man klagend durch das Rohr die Welle rinnen,

Da liegt die Welt in Ruh.

Doch wenn das Morgenrot, ein Leuchtturm, auf die Blätter Des Waldes strahlt, dann jauchzt erwacht ihm das Geschmetter Des Hains, der Glocken zu.

4.

Mein Geist ist das Gefild, das farbge Blumen schmücken,

O Kind, wenn mild und warm die Glut von deinen Blicken

Durch seine Nächte bricht Der Wald, durch den für dich geweihte Stimmen ziehen Und dessen säuselnde Baumwipfel dir erglühen

Im goldnen Morgenlicht. 5.

Denn dieses offne Aug ist reich an süßem Schimmer!

Denn diese kleine Hand, gesegnet sei sie! nimmer That sie noch Böses!

Ist noch dein Herz!

Rein Noch teilst du nicht der Großen Mängel,

Gebenedeites Haupt, blondhaarger Knabe, Engel

Mit einem Heilgenschein! 6.

In unserm Kreise, Kind, bist du die Archentaube!

Dein zarter, schwacher Fuß ist Fremdling noch dem Staube Des Bodens - angethan

Mit Flügeln bist du noch, wir freun uns deines Glückes -

Dein Leib der Seele gleich an Reinheit - heitern Blickes Siehst du die Welt noch an. 7.

Wohl bist du schön! Wie treu! Was gleicht den süßen Tönen

Des kleinen Mundes hier?

Wie lieblich dieser Thränen

Freiligrath.

212 [IV]

Geibel.

So schnell versiegter Guß! Dein Lächeln!

O, wer tcinn, wie du, ba§> Aug erheben?

Die junge Seele reichst du willig dar dem Leben Und deinen Mund dem Kuß! 8.

O Herr! sprich über mich und über meine Freunde

Und Brüder, Ewger, sprich selbst über meine Feinde

Den harten Fluch nicht aus:

Durch einen Lenz, dem es an Blumen fehlt, zu gehen,

Den Käfig taubenlos, schwarmlos den Stock zu sehen Und kinderlos das Haus!

Emanuel Geibel (1815—1884).

*196. Hoffnung. 1. Und dräut der Winter noch so sehr

Mit trotzigen Gebärden, Und streut er Eis und Schnee umher, Es muß doch Frühling werden.

2. Und drängen die Nebel noch so dicht Sich vor den Blick der Sonne,

Sie wecket doch mit ihrem Licht

Einmal die Welt zur Wonne.

3. Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht!

Mir sott darob nicht bangenAuf leisen Sohlen über Nacht Kommt doch der Lenz gegangen.

4. Da wacht die Erde grünend auf,

Weiß nicht, wie ihr geschehen, Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf Und möchte vor Lust vergehen. 5. Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar Und schmückt sich mit Rosen und Ähren Und läßt die Brünnlein rieseln klar,

Als wären es Freudenzähren.

Geibel.

[IV] 213

6. Drum still! unb wie es frieren mag, O Herz, gieb dich zufrieden! Es ist ein großer Maientag Der ganzen Welt beschicken. 7. Unb wenn dir oft auch bangt und graut, Als sei die Höll auf Erden, 9ini* unverzagt auf Gott vertraut! Es muß doch Frühling werden.

197. Sanssouci. 1. Dies ist der Königspark. Rings Bäume, Blumen, Vasen! Sieh, wie ins Muschelhorn die Steintritonen blasen! Die Nymphe spiegelt klar sich in des Beckens Schoß: Sieh hier der Flora Bild in hoher Rosen Mitten, Die Laubengänge sieh, so regelrecht geschnitten, Als wärens Verse Boileaus! 2. Vorbei am luftgen Haus voll fremder Vögelstimmen Vaß uns den Hang empor zu den Terrassen klimmen, Die der Orange Wuchs umkränzt mit falbem Grün! Dort oben ragt, wo frisch sich Tann und Buche mischen, Das schmucklos heitre Schloß mit breiten Fensternischen, Darin des Abends Feuer glühn. 3. Dort lehnt ein Mann im Stuhl: sein Haupt ist vorgesunken, Sein blaues Auge sinnt, und oft in hellen Funken Entzündet sichs,- so sprüht aus dunkler Vuft ein Blitz. Ein dreigespitzter Hut bedeckt der Schläfe Weichen, Sein Krückstock irrt im Sand und schreibt verworrne Zeichen — Nicht irrst du, das ist König Fritz. 4. Er sitzt und sinnt und schreibt. Kannst du sein Brüten deuten? Denkt er an Kunersdorf, an Roßbach oder Leuthen, An Hochkirchs Nacht, durchglüht von Flammen hundertfach? Wie dort im roten Qualm gegrollt die Feldkanonen, Indes die Reiterei mit rasselnden Schwadronen Der Grenadiere Viereck brach *? 5. Schwebt ein Gesetz ihm vor, mit dem er weis und milde Sein schlachterstarktes Volk zu schöner Menschheit bilde,

214 [IV]

Geibel.

Ein Friedensgruß, wo jüngst die Kriegespauke scholl? Ersinnt er einen Reim, der seinen Sieg verkläre, Oder ein Epigramm, mit dem bei Tisch Voltaire, Der Schalk, gezüchtigt werden soll? 6. Vielleicht auch treten ihm die Bilder nah, die alten,

Da er im Mondenlicht in seines Schlafrocks Falten Die sanfte Flöt ergriff, des Vaters ÄrgernisDes treuen Freundes Geist will er heraufbeschwören, Dem — ach, um ihn — das Blei aus sieben Feuerröhren Die kühne Jünglingsbrust zerriß. 7. Träumt in die Zukunft er? Zeigt ihm den immer vollern.

Den immer kühnern Flug des Aars von Hohenzollern, Der schon den Doppelaar gebändigt, ein Gesicht? Gedenkt er, wie dereinst ganz Deutschland hoffend lausche Und bangend, wenn daher sein schwarzer Fittich rausche? O nein, das alles ist es nicht. 8. Er murrt: „O Schmerz, als Held gesandt sein einem Volke, Dem nie der Muse Bild erschien auf goldner Wolke, August sein auf dem Thron, wenn kein Horaz ihm singt! Was hilfts, vom fremden Schwan die weißen Federn borgen? Und doch, was bleibt uns sonst? — Erschein, erschein, v Morgen, Der uns den Götterliebling bringt!" 9. Er sprichts und ahnet nicht, daß jene Morgenröte Den Horizont schon küßt, daß schon der junge Goethe Mit seiner Rechten fast den vollen Kranz berührt, Er, der das scheue Kind, noch rot von süßem Schrecken, Die deutsche Poesie, aus welschen Taxushecken Zum freien Dichterwalde führt.

198. Lied des Alten im Bart. 1. Durch tiefe Nacht ein Brausen zieht Und beugt die knospenden Reiser,

Im Winde klingt ein altes Lied, Das Lied vom deutschen Kaiser. 2. Mein Sinn ist wild, mein Sinn ist schwer, Ich kann nicht lassen vom Lauschen:

Geibel. Es klingt, als zög in den Wolken ein Heer, Es klingt wie Adlers Rauschen.

3. Viel tausend Herzen sind entfacht Und harren wie das meine, Auf allen Bergen halten sie Wacht, Ob rot der Tag erscheine.

4. Deutschland, die schön geschmückte Braut, Schon schläft sie leis und leiser —

Wann weckst du sie mit Trompetenlaut, Wann führst du sie heim, mein Kaiser?

199. Bothwell. 1. Wie bebte Königin Marie, Als durchs geheime Pförtlein spat

Mit ungebognem Haupt und Knie In ihr Gemach Graf Bothwell trat!

2. Ihr schön Gesicht ward leichenweiß,Sie zuckt und sah ihn fragend an.

Er wischte von der Stirn den Schweiß Und sagte dumpf: „Es ist gethan. 3. Es ist gethan, dein süßer Mund War nicht für Buben solcher Art,

Heut Abend um die achte Stund Hielt Heinrich Darnley Himmelfahrt." —

4. Sie schrie empor: „Verzeih dir Gott!

Nimm all mein Gold, nimm hin und flieh!" Da lacht er laut in grimmern Spott:

„Was soll mir Gold für Blut, Marie? 5. Ich liebe dich, und wenn ich mich

Der Höll ergab zu dieser Frist, So wars um dich, allein um dich,

Weil du der schönste Teufel bist. 6. Die Hand, die einen König schlug, Greift auch nach einer Königin."

Er riefs, und Graun in jedem Zug, Starr wie ein Wachsbild sank sie hin.

[IV] 215

7. Er hub sie auf; sie fühlt es nicht, Daß ihr ins Fleisch sein Stahlhemd schnitt; Ihr lockig Haupthaar wallte dicht Ilm seine Schulter, wie er schritt. 8. Er stieß den Ring an ihre Hand, Er schwang sie vor sich fest aufs Roß Und jagt ins wetterschwüle Land Hinaus mit ihr gen Dunbarschloß. 9. Schwarz war die Nacht, als wäre rings Erloschen jeder Stern des Heils; Nur manchmal in den Wolken gings, Gleichwie das Blitzen eines Beils. 200. Schön Ellen.

1. „Nun gnade dir Gott, du belagerte Schar! Was frommt noch, daß ichs verschweige? Wir haben nicht länger Brot noch Wein; Das Pulver geht auf die steige. 2. Und kommt nicht Hilfe, und kommt sie nicht bald. Den wimmelnden Feind zu bestehen, So sehn wir die Sonne, die rot dort steigt, Wohl nimmermehr untergehen!" 3. Lord Edward sprachs: trüb standen umher Die tapferen Waffengenossen; Schon Ellen lehnt an des Feldstücks Rad, Vom bunten Plaid umflossen. 4. Sie starrt hinaus in die leere Luft, Als ob ein Zauber sie bannte, Und plötzlich fuhr sie empor, wie im Traum, Ihr dunkles Auge brannte: 5. „Nun schaut, ihr Brüder, nun schaut vom Turm! Und habt ihr nichts vernommen? Mir deucht, ich höre ganz fern den Marsch, Den Marsch: die Campbells kommen! 6. Ich höre die große Trommel dumpf, Ich höre des Pibrochs Weise;

Geibel.

[IV] 217

Wie einst am Tweed ich gesungen das Lied,

So spielt in den Winden es leise." — 7. „Ach, Mädchen/ was redest du? Traum und Trug!

Vom Turm ist nichts zu sehen. Als blaue Luft und gelber Sand

Und fern des Rohrfelds Wehen. 8. Doch unterm Wall, da wühlt der Feind, Viel tausend Waffen schimmern Die Äxte blitzen, mit denen sie schon Zum Sturm die Leitern zimmern."

9. Und die Tonne stieg in die Mittagshöh, Und die Sonne begann sich zu neigen. Sie luden die Stücke zum letztenmal. Sie drückten die Hand sich mit Schweigen.

10. Schön Ellen starrt in die leere Luft, Ihr bleiches Gesicht war erglommen:

„Ich Habs euch gesagt, und ich sag es aufs neu.

Ich hörs: die Campbells kommen!

11. Ich höre den dumpfen Trommelschlag Zum gellenden Pibrochstone,

Ich höre den schlitternden Schritt auf dem Grund,

Den Schritt der Bataillone." —

12. „Ach, Mädchen, wir spähen und spähen umsonst. Und schon bricht ein das Verderben -

Der Feind, schon legt er die Leitern an-

Nun gilts, mit Ehren zu sterben! 13. Fahrt wohl denn, Weib und Kind daheim,

Und ihr, Hochlands-Seen und Heiden! Und nun, Kameraden, gebt Feuer! mit Gott!

Und die Schwerter hervor aus den Scheiden! 14. Und die Salve kracht, und der Sturm ward heiß.

Und Dampf lag über den Wällen, Und als der Fähndrich zu Boden sank,

Da faßte die Fahne schön Ellen.

15. „Nun steht, ihr Brüder, nun steht! ganz nah, Ganz nah jetzt hör ich die Weise!"

z

Sie rief» und rief! da zerbarst das Gewölk, Und der Blick ward offen im Kreise, 16. Und da blitzt es heran durch das weite Gefild, Und da fallt § in Geschwadern gezogen Mit gewürfeltem Plaid und mit Federn vom Aar, Und Englands Banner flogen. 17. Und da brachs in den Feind, wie Hochlandssturm, Und jetzt, von allen vernommen, Hoch über dem Rauch fortwogte der Marsch, Der Marsch: die Campbells kommen! 18. Und der Feind zerstob, und sie zogen ins Thor, Und Ellen sang, wie sie bliesen: „Nun sind sie gekommen, wie Feuer vom Herrn, Der Name des Herrn sei gepriesen!" Am 17. November 1857 gelang cs Sir Campbell, Lucknow zu entsetzen, das in dem großen Aufstand in Ostindien von den Ein­ geborenen belagert war. Die in der Ballade erzählte Begebenheit beruht auf Wahrheit. Der berühmte schottische Marsch: „The Camp­ beils art*, coming, oho, oho“ hat denselben Rhythmus, wie das vorstehende Gedicht. Pibroch ist der Dudelsack der Schotten.

201. Das vergessene Lied.

1. Einstmals hab ich ein Lied gewußt, Einst, in goldenen Stunden, Sang ichs, da ich ein Kind noch war, Aber mir ists entschwunden. 2. Lieblich schwebte die Weise hin, Weich, wie Schwanengefieder,Ach! wohl such ich durch Feld und Wald, Finde nimmer sie wieder. 3. Manchmal mein ick, es wogt ihr Laut Über der Flur in den Winden; Aber er ist verhallt im Nu, Will ich ihn greifen und binden. 4. Oft auch, wenn ich bei Nacht entschlief, Streift urplötzlich und leise

Geibcl.

[IV] 219

Über mein Herz mit Traumeshand Die verlorene Weise. 5. Aber fahr ich vom Kissen auf, Kann ich mich nimmer besinnen Nur vom Auge noch fühl ich sacht Brennende Thränen rinnen. 6. Und doch mein ich: fand ich den Klang, All die heimlichen Schmerzen Könnt ich wieder, wie einst als Kind, Mir wegsingen vom Herzen.

202. Ich fuhr von St. Goar. Ich fuhr von Sankt Goar den grünen Rhein zu Berge, Ein Greis im Silberhaar war meines Nachens Ferge. Wir plauderten nicht viel, die Felsen sah ich gleiten Dahin im Wellenspiel und dachte vorger Zeiten. 5 Und als wir an der Pfalz bei Kaub vorüber waren, Kam Hellen Liederschalls ein Schiff zuthal gefahren. Ins weiße Segel schien der Abend, daß es glühte Studenten saßen drin, mit Laub umkränzt die Hüte. Da ging von Hand zu Hand der Kelch von grünem Glaste,10 Das schönste Mägdlein stand in goldnem Haar ant Maste Tie streute Rosen rot hinunter in die Wogen Und grüßte, wie im Bot wir sacht vorüberzogen. Und horch! nun unterschied das Singen ich der andern: Da wars mein eigen Lied, ich sang es einst vom Wandern — 15 Ich sangs vor manchem Jahr, berauscht vom Maienscheine, Da ich gleich jenen war Student zu Bonn am Rheine. Wie seltsam trafs das Ohr mir jetzt aus fremdem Munde, Ein Heimweh zuckt empor in meines Herzens Grunde. Ich lauschte, bis der Klang zerfloß in Windesweben, 20 Doch sah ich drauf noch lang das Schifflein glänzend schweben. Es zog dahin, dahin — still saß ich, rückwärts lugend: Mir wars, als führe drin von dannen meine Jugend.

220 [IV]

Geibel.

203. Wenn sich zwei Herzen scheiden. (Auf den Tod seiner Gattin gedichtet.)

1. Wenn sich zwei Herzen scheiden, Die sich dereinst geliebt,

Das ist ein großes Leiden,

Wies größres nimmer giebt. Es klingt das Wort so traurig gar:

Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! Wenn sich zwei Herzen scheiden,

Die sich dereinst geliebt. 2. Als ich zuerst empfunden,

Daß Liebe brechen mag,

Mir wars, als sei verschwunden Die Tonn am Hellen Tag.

Mir klangs im Ohre wunderbar: Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! Da ich zuerst empfunden,

Daß Liebe brechen mag.

3. Mein Frühling ging zur Rüste, Ich weiß es wohl, warum: Die Lippe, die mich küßte,

Ist worden kühl und stumm,

Das eine Wort nur sprach sie klar: Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar!

Mein Frühling ging zur Riiste, Ich weiß es wohl, warum.

204. Nachts am Meere. 1. Es schlief das Meer und rauschte kaum

Und war doch allen Schimmers voll,

Der durch der Wolken Silberslaum Vom lichten Monde niederquoll,-

Im Blau verschwamm die ferne Flut,

Wie Bernstein flimmerte der SandIch aber schritt in ernstem Mut Hinunter und hinauf den Strand.

Geibcl.

2. O, was in solcher stillen Nacht

Durch eine Menschenseele zieht, Bei Tag hats keiner nachgedacht Und spricht es aus kein irdisch Lied. Es ist ein Hauch, der wunderbar Aus unsrer ewgen Heimat weht,

Ein innig Schauen, tief und klar, Ein Lächeln halb und halb Gebet.

3. Da spurst du still und körperlos Ein segnend Walten um dich her,

Du fühlst, du ruhst in Gottes Schotz,

Und wo du wandelst, wallt auch er-

Die Thränen all sind abgethan, Die Dornen tragen Roscnglut, Es taucht die Liebe wie ein Schwan Aus deines Lebens dunkler Flut.

4. Genug, genug! halt ein, mein Lied! Denn was bei Nackt und Mondenlicht

Durch eine Menschenseele zieht,

Das sagt kein irdisches Gedicht Ein Hauch ists, der da wunderbar Von Edens Friedenspalmen weht,

Ein wortlos Schauen, tief und klar, Ein Lächeln halb und halb Gebet.

205. Aus dem klassischen Liederbuch. I. Frühlingsgesang.

Von Jbykus aus Rhegium. 1. Frühling ward es, und wieder blüht, Vom sanftströmenden Bach getränkt,

Der kydonische Apfelbaum xf

Wo jungfräulicher Nymphen ScharTief im Dunkel des Haines spielt Und die Blüte der Rebe schwillt

Unter schattendem Weinlaub. 1 D. h. der Quittenapfelbaum.

[IV] 221

222 [IV]

Geibel.

2. Doch nicht achtet der lieblichen Jahrszeit Eros und läßt mich ruhn. Nein, wie thrakischer Wintersturm, Wiederleuchtend von Blitzesschein, Fällt er, Kyprias wilder Sohn, Mit blindsengender Wut mich an Und erschüttert gewaltsam mir Die Grundfesten des Herzens.

II. Skolion des Kallistratos. 1. Tragen will ich das Schwert verhüllt in Mirten, Wie Harmodios und Aristogiton, Da von ihrer Hand fiel der Tyrann Und sie dem Volk Athens Freiheit und Recht erfümpft. 2. Nicht, Harmodios, ruhst du bei den Toten, Auf der Seligen Flur, so singt man, weilst du, Wo Achill, der schnellfüßige Held, Und Diomed mit ihm wandelt, des Tydeus Sohn. 3. Tragen will ich das Schwert verhüllt in Mirten, Wie Harmodios und Aristogiton, Da an Pallas hochheiligem Fest Ihnen Hipparch, der Zwingherrscher der Stadt, erlag. 4. Unvergänglicher Ruhm ist euer Erbteil, O Harmodios und Aristogiton, Da von eurer Hand fiel der Tyrann Und ihr dem Volk Athens Freiheit und Recht erkämpft. III. Das lecke Staatsschiff. Von Alkäos aus Lesbos.

1. Nicht mehr zu deuten weiß ich der Winde Stand, Denn bald von dorther wälzt sich die Wog heran Und bald von dort, und wir inmitten Treiben dahin, wie das Schiff uns fortreißt, 2. Mühselig ringend wider des Sturmes Gewalt Denn schon des Masts Fußende bespült die Flut, Und vom zerborstnen Segel trostlos Flattern die mächtigen Fetzen abwärts.

Geibel.

Kinkel.

[IV] 223

IV. Liebeslied.

Von der Dichterin Sappho aus Lesbos.

1. Hochbeglückt wie selige Götter deucht mir, Wem dir tief ins Auge zu schaun und lauschend An dem Wohllaut deines Gesprächs zu hangen Täglich vergönnt ist

2. Und am Sehnsucht weckenden Reiz des Mundes Doch mir schrickt im Busen das Herz zusammen,

Wenn du nahst, beklommen versagt die Stimme Jeglichen Laut mir. 3. Ach, der wortlos Starrenden rinnt urplötzlich

Durch die Glieder fliegende Glut- verworren

Flirrt es mir vor Augen, und dumpf betäubend Klingt es im Ohr mir.

Gottfried Kinkel (1815—1882). 206. Ein geistlich Abendlied. verrauscht des Abends Wehn,

1. Es ist so still geworden,

Nun hört man aller Orten Rings in die Thale senket

der Engel Füße gehn; sich Finsternis mit Macht —

und was dir bange macht!

Wirf ab, Herz, was dich kränket

2. Es ruht die Welt im Schweigen,

Stumm ihrer Freude Reigen Hat MiWn sie geschenket,

hat Dornen sie gebracht —

Wirf ab, Herz, was dich kränket

und was dir bange macht!

3. Und hast du heut gefehlet, Empfinde dich beseelet

ihr Tosen ist vorbei,

und stumm ihr Schmerzensschrei.

o, schaue nicht zurück:

von freier Gnade Glück!

Auch des Verirrten denket

der Hirt auf hoher Wacht —

Wirf ab, Herz, was dich kränket

und was dir bange macht!

4. Nun stehn im Himmelskreise

In gleichem, festem Gleise

die Stern in Majestät -

der goldne Wagen geht.

Und gleich den Sternen lenket

Wirf ab, Herz, was dich kränket

er deinen Weg durch Nacht — und was dir bange macht!

224 [IV]

Wolfgang Müller.

Wolfgang Müller (1816—1874). 207. Nächtliche Erscheinung zu Speier. 1. „Wach auf!" erklingts in des Schiffers Traum,

„Wach auf, du Wächter am Strome!" Und über ihm rauschet der Lindcnbaum, Und zwölfe schlägt es vom Dome. Groß vor ihm steht einer im dunkeln Gewand, Der Schiffer bringt ihn hinunter zum Strand, Halb schlafend, halb wachend, wie trunken. 2. Und während er träge löset den Kahn, Beginnt es um ihn zu leben, Viel riesige hohe Gestalten nahn, Er sieht sie nicht schreiten, nur schweben. Es tönet kein Worr, es rauschet kein Kleid, Wie Nebel durchziehn sie die Dunkelheit, So steigen sie all in den Nachen. 3. Er sieht sie mit Staunen, mit Schrecken an, Stößt schweigend und fürchtend vom Lande, Kaum braucht er zu rudern, eS flieget der Kahn, Bald sind sie am andern Strande. „Wir kommen zurück, da findst du den Lohn." Gleich Wolken verschwinden im Felde sie schon, Fern scheinen ihm Waffen zu klirren. 4. Er aber rudert sinnend zurück Durch der Nacht ernstfriedliche Feier, Wo sich die Heimat hebet dem Blick, Das dunkeltürmige Speier. Sitzt wach bis zum Morgen am Lindenbaum, Und war es Wahrheit, und war es ein Traum, Er hüllet es tief in den Busen. 5. Und sieh, es ruft ihn die vierte Nacht

Als Wächter wieder zum Strome. Wohl hält er schlaflos heute die Wacht, Da schlägt es zwölfe vom Dome.

Wolfgang Müller.

[IV] 225

„Hol über !z/ ruft es vom andern Strand/

„Hol über!" Da stößt er den Kahn vom Land

In stiller/ banger Erwartung. 6. Und wieder ist es die düstre Schar/

Die schwebend den Nachen besteiget. Der Kahn zieht wieder so wunderbar/ Doch jeder der Dunkeln schweiget.

Und als sie stoßen zu Speier ans Land/ Giebt jeder den Lohn ihm behend in die Hand-

Er aber harret und staunet.

7. Denn unter den Mänteln blinken voll Schein Viel Schwerter und Panzer und Schilde/ Goldkronen und funkelndes Edelgestein

Und Seiden- und SamtgebildeDann aber umhüllt sie wieder das Kleid,

Wie Nebel durchfliehn sie die Dunkelheit Und schwinden am mächtigen Dome.

8. Doch wachend bleibt er am Lindenbaum

Mit sinnendem, tiefem Gemüte Ja, Wahrheit war es, es war kein Traum.

Als blendend der Morgen erglühte: Er hält in den Händen das lohnende GeldDrauf glühen aus alter Zeit und Welt

Viel stolze Kaiserbilder.

9. Wohl sah er manchen Tag sie an In forschenden, stillen Gedanken,

Da riefen sie drüben um seinen Kahn, Das waren die flüchtigen Franken.

Geschlagen war die Leipziger Schlacht, Das Vaterland frei von des Fremdlings Macht: Der Fischer verstand die Erscheinung.

10. „Und löstet ihr, Kaiser, die Grabesnacht Und die ewigen Todesbande Und halft in der wilden, dreitägigen Schlacht Dem geängsteten Vaterlande, Hessel, Lesebuch IV.

Gedichte.

15

226 [IV]

Wolfgang Müller.

Herwegh.

Steigt oft noch auf und haltet es frei Bon Sünden und Schmach und Tyrannei, Denn es thut not des Wachens!"

Georg Herwegh (1817—1875). 208. Strophen aus der Fremde. 1. Ich möchte hingehn, wie das Abendrot Und wie der Tag mit seinen letzten Gluten — O, leichter, sanfter, ungefühlter Tod! — Mich in den Schoß des Ewigen verbluten. 2. Ich möchte hingehn, wie der heitre Stern, Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem BlinkenSo stille und so schmerzlos möchte gern Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken. 3. Ich möchte hingehn, wie der Blume Duft, Der freudig sich dem schönen Kelch entringet Und auf dem Fittich blütenschwangrer Vuft Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget. 4. Ich möchte hingehn, wie der Tau im Thal, Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken O, wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl, Auch meine lebensmüde Seele trinken! 5. Ich möchte hingehn, wie der bange Ton, Der aus den Saiten einer Harfe dringet Und, kaum dem irdischen Metall entflohn, Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust erklinget. — 6. Du wirst nicht hingehn, wie das Abendrot, Du wirst nicht stille, wie der Stern, versinken, Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod, Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken. 7. Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur, Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen Sanft stirbt es einzig sich in der Natur, Das arme Menschenherz muß stückweis brechen. Man vgl. auch Simrock, 1802—1876 (III).

IV.

Dichtungen aus -er zweiten Hälfte -es

19. Iahrhuu-erts. 1. Dichter, die vorwiegend Lyriker stnd. Adolf Graf von Schack (1815—1894). 209. Beim Sicgeseinzug in Berlin (1871).

5

10

15

20

Steiß empor. Herrlichste der Sonnen, Die über Deutschland geleuchtet; O, den Tag, den du bringst, Ganz und voll zu genießen, Ist es genug nicht des Glücks für ein Leben? Den sterbenden Greis Laß das Auge nicht schließen, Bevor er ihn erblickt, Und in der Wiege dem Säugling Öffne des Geistes Sehkraft, Daß sein Gedanke ihn fasse Und er einst noch den Enkeln künde: Ich habe den großen Tag erlebt! Horch! Trommelwirbel Und Fall von hunderttausend Tritten! Sie sind es, sie nahen, Die durch den Donner der Schlachten Über stürzender Brüder Leichen dahin Deutschlands Banner getragen!

Schack.

228 [IV]

Noch scheinen ihre Lanzen Vom Wirbelsturm des Kampfes 511 zittern.

Doch „Hoch!" erschallt eS, „Hoch!"

Durch des Volkes wogende Reihen,

25 Und mit dem Grün des Friedens bekränzt,

Wallen durchs Thor die Siegesfahnen. Gen Himmel flackert Im Sonnenlichte der Glanz Der wogenden Helme und Waffen,

30 Wie durch die geschmiickten Straßen Der Zug der Krieger sich wälzt —

Und Fanfarengeschmetter nun

Und Jubelruf von Millionen! Sie kommen, die glorreichen Fiihrer,

35 Die Lieblinge des Ruhmes, Die noch nach Jahrtausenden In ungeborner Völker

Gesängen leben werden! Aus ihrer Mitte hervor,

40 Wie Orion unter den anderen Sternen, Leuchtet der Herrliche, Der Retter Deutschlands! Laßt Platz für sein Roß, Ihr Weiber, die mit euern Kleinen

45 Heran ihr euch drängt, Um, seine Knie umklammernd, ihm zu danken. Daß er euch Haus und Herd

Vor Schande geschützt! Wohl mehr als des Krieges Gewühl

50 Liebt er, Kinder um sich spielen zu sehenAber noch einmal heut, zum letzten Male, Eh zur Pflugschar das Schwert sich wandelt.

In seines Heeres Mitte

Mit den krachenden Feuerschlünden 55 Muß er Zwiesprach halten: Horch! das sind die ehernen Stimmen,

Schack.

[IV] 229

Er kennt sie, Die ihn in zwanzig Siegesschlachten umdonnert, Vor denen hundert Festen 60 Und ein Reich in Trümmer gesunken. Von allen Türmen die Glocken fallen ein, O! und weiter, dahin durch den Blumenregen, Der von Fenstern und Dächern niederstäubt, Zieht er — achtlos vorüber an uns,

65 Denen an der Wimper die Freudenthräne zittert, Während die Lippe verstummt Und nur des Herzens Klopfen Dank ihm stammelt, Daß er uns ein Vaterland geschenkt.

210. Im Grase. 1. Um mich schwärmender Bienen Gesumm,Fernher Singen von Schnittern; Sommerlüfte, die heiß ringsum Über der Wiese zittern!

2. Hoch aus dunkelndem Himmelsblau, Drin die Wolken verschwimmen, Quillt es und rinnt hernieder wie Tau, Säuselt wie liebe Stimmen, 3. Gaukelt und lacht mir hinweg das Leid, Hebt die Erdengewichte, Bis die Seele, gelöst, befreit, Schwärmt in dem himmlischen Lichte. 211. Ans der Heimat. 1. Hier ist es, wo ich als Kind gestreift Und die Beere gepflückt, die am Abgrund reift Still wars, wie jetzt, im Laube Fernher nur hört ich durch Rankengeflecht Die Schläge der Axt und den pickenden Specht Und das Girren der wilden Taube.

230 [IV]

Schack.

Storm.

2. O, Träume, schön, wie Märchen der Feen, Umschwebten mich dort, wenn beim Abendwehn

Ich ruht am Felsenhange Und vor mir lag, wie im Traum ichs sah, Voll goldener Schlösser das Leben da — So lange das her, so lange! 3. Aus der Welt da draußen nun kehr ich zurück^ Wie Und Im Und

Märchen alles dahin: das Glück Hoffen und Lieb und Glaube! Walde lieg ich, wie einst ich lag, höre von ferne der Äxte Schlag

Und das Girren der wilden Taube.

Theodor Storm (1817—1888).

212. Abseits. 1. Es ist so still- die Heide liegt Im warmen Mittagssonnenstrahle, Ein rosenroter Schimmer fliegt Um ihre alten GräbermaleDie Kräuter blühn - der Heideduft Steigt in die blaue Sommerluft. 2. Laufkäfer hasten durchs Gesträuch In ihren goldnen Panzerröckchen, Die Bienen hängen Zweig um Zweig Sich an der Edelheide Glöckchen Die Vögel schwirren aus dem Kraut — Die Luft ist voller Lerchenlaut. 3. Ein halbverfallen niedrig Haus Steht einsam hier und sonnbeschienen Der Kätner lehnt zur Thür hinaus, Behaglich blinzelnd nach den Bienen Sein Junge auf dem Stein davor Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.

Storm.

Dohm.

[IV] 231

4. Staunt zittert durch die Mittagsruh Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten Dem Alten fällt die Wimper zu,

Er träumt von seinen Honigernten. Kein Klang der aufgeregten Zeit

Drang noch in diese Einsamkeit.

213. Im Walde. 1. Hier an der Bergeshalde Verstummet ganz der WindDie Zweige hängen nieder, Darunter sitzt das Kind.

2. Sie sitzt in Thymiane, Sie sitzt in lauter DuftDie blauen Fliegen summen Und blitzen durch die Luft. 3. Es steht der Wald so schweigend, Sie schaut so klug darein; Um ihre braunen Locken Hinfließt der Sonnenschein. 4. Der Kuckuck lacht von ferne, Es geht mir durch den Sinn: Sie hat die goldnen Augen Der Waldeskönigin.

Ernst Dohm (1819—1883). 214. Die Schlacht von Metz (am 14v 16. und 18. Aug. 1870). Das war eine Schlacht! Drei Tage lang Vom Morgen bis zur sinkenden Nacht Der männermordende Donner kracht 5 Und des Todes mähende Sichel klang. Das war eine Schlacht! Zwischen Kampf und Kampf

232 [IV]

Dohm.

Hat der Tod je einen Rasttag gemacht,

Umnebelt vom schwebenden Pulverdampf,

10 Satt und übersatt Des Blutes, das er zu gierig trank, Vom blutigen Mähen so mild und matt, Daß dem knöchernen Arm die Sichel entsank.

Das war eine Schlacht! 15 Und als des dritten Tages Gestirn Zur Rüste ging und von der Berge Firn Ihren Schattenschleier senkte die Nacht,

Da lagen Freund und Feind,

An die dreißigtausend! vereint,

20 Im stummen Tode friedlich gesellt — Ein unabsehbar Lcichenfeld.

Und auf das klaffende Völkergrab Lächelt der Mond vom Sternenzelt Schweigend des Todes Frieden herab.

25

Das war eine Schlacht! Die ihr, das Vaterland Zu schützen vor Gewaltthat und Schänd,

Euch selber zum blutigen Opfer gebracht —

Ihr treuen Toten, du und du, 30 Die im Gefecht

Mit dem Leben besiegelt Deutschlands Recht,

Niedergemäht von des Todes Mahd, Ausgesät als des Friedens Saat,

Fahrt wohl, zur ewigell Ruh!

35

Das war eine Schlacht!

Des Feindes Plan, so keck erdacht,

Zu schänden gemacht, Zerrissen, zerschlissen, wie sein Heer!

Er selbst nach knirschender Gegenwehr 40 Zurückgeworfen in die Feste Metz! Dort fest umsponnen mit ehernem Netz,

Mit eiserner Klammer regungslos, An den Fels geschmiedet bewegungslos,

Dohm.

Keller.

[IV] 233

Aller Hilf und alles Entrinnens bar, 45 Aufbäumend in ohnmächtigem Schmerz — Und der deutsche Aar Stückweis ihm zerhackend das zuckende Herz! Das war eine Schlacht! Westwärts in wehender Fahnen Pracht, 50 Mit klingendem Spiele, dran und drauf, In nimmer aufgehaltenem Lauf, Weit, weit übern Rhein Nach Frankreich hinein

Deutschlands Banner tragend, sein Recht und Ehr, 55 Im Sturmmarschtritt, Im Siegesschritt Wälzt gen Paris sich das deutsche Heer.

Gottfried Keller (1819—1890). 215. Waldlied. Arm in Arm und Kron an Krone steht der Eichenwald verschlungenHeut hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen. Fern am Rande fing ein junges Bäumchen an sich sacht zu wiegen, Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen 5 Kam es her in mächtgem Zuge, schwoll es an zu breiten Wogen; Hoch sich durch die Wipfel wälzend, kam die Sturmesflut gezogen. Und nun sang und pfiff es graulich in den Kronen, in den Lüften, Und dazwischen knarrt und dröhnt es unten in den Wurzelgrüften. Manchmal schwang die höchste Eiche gellend ihren Schaft alleine: 10 Donnernder erscholl nur immer drauf der Chor vom ganzen Haine! Eurer wilden Meeresbrandung hat das schöne Spiel geglichen, Alles Laub war, weißlich schimmernd, nach Nordosten hingestrichen. Also streicht die alte Geige Pan, der Alte, laut und leise, Unterrichtend seine Wälder in der alten Weltenweise. 15 In den sieben Tonen schweift er unerschöpflich auf und nieder, In den sieben alten Tönen, die umfassen alle Lieder. Und es lauschen still die jungen Dichter und die jungen Finken, Kauernd in den dunklen Büschen sie die Melodiken trinken.

234 [IV]

Lingg.

Meyer.

Hermann Lingg (geboren 1820).

216. Heimkehr. 1. In meine Heimat kam ich wieder, Es war die alte Heimat nod), Dieselbe Luft, dieselben Lieder,

Und alles war ein andres doch. 2. Die Welle rauschte wie vorzeiten,

Am Waldweg sprang wie sonst das Reh,

Von fern erklang ein Abendläuten, Die Berge glänzten aus dem See. 3. Doch vor dem Haus, wo uns vor Jahren Die Mutter stets empfing, dort sah Ich fremde Menschen fremd gebaren -

Wie weh, wie weh mir da geschah! 4. Mir war, als rief es aus den Wogen: Flieh, flieh! und ohne Wiederkehr!

Die du geliebt, sind fortgezogen Und kehren nimmer, nimmermehr!

Konrad Ferdinand Meyer (geboren 1825).

217. Der Gesang des Meeres. 1. Wolken, meine Kinder, wandern gehen Wollt ihr? fahret wohl! auf Wiedersehen!

Eure wandellustigen Gestalten Kann ich nicht in Mutterbanden halten.

2. Ihr langweilet euch auf meinen Wogen, Dort die Erde hat euch angezogen: Küsten, Klippen und des Leuchtturms Feuer:

Ziehet, Kinder! geht auf Abenteuer!

3. Segelt, kühne Schiffer, in den Lüften! Sucht die Gipfel! ruhet über Klüften! Brauet Stürme! blitzet! liefert Schlachten! Traget glühnden Kampfes Purpurtrachten!

Meyer.

Scheffel.

[IV] 235

4. Rauscht im Regen! murmelt in die Quellen! Füllt die Brunnen! rieselt in den Wellen! Braust in Strömen durch die Lande nieder — Kommet, meine Kinder/ kommet wieder!

218. Mit zwei Worten. 1. Am Gestade Palästinas/ auf und nieder/ Tag um Tag/ //London?" frug die Sarazenin/ wo ein Schiff vor Anker lag. //London!" bat sie lang vergebens/ nimmer müde/ nimmer zag/ Bis zuletzt an Bord sie brachte eines Notes Ruderschlag. 2. Sie betrat das Deck des Seglers/ und ihr wurde nicht gewehrt. Meer und Himmel. //London?" frug ficz von der Heimat abgekehrt/ Suchte, blickte, durch des Schiffers ausgestreckte Hand belehrt. Rach den Küsten, wo die Sonne sich in Abendglut verzehrt. . . 3. „Gilbert?" fragt die Sarazenin im Gedräng der großen Stadt, Und die Menge lacht und spottet, bis sie dann Erbarmen hat. „Tausend Gilbert giebts in London!" Doch sie sucht und wird nicht matt. „Labe dich mit Trank und Speise!" Doch sie wird von Thränen satt. 4. „Gilbert!" — „Nichts als Gilbert? weißt du keine andern Worte? nein?" „Gilbert!" . . „Hört, das wird der weiland Pilger Gilbert Decket sein, Den gebräunt in Sklavenketten glüher Wüste Sonnenschein, Dem die Bande löste heimlich eines Emirs Töchterlein!" 5. „Pilgrim Gilbert Becket!" dröhnt es, braust es längs der Themse Strand. Sich, da kommt er ihr entgegen, von des Volkes Mund genannt. Über seine Schwelle führt er, die das Ziel der Reise fand. Liebe wandert mit zwei Worten gläubig über Meer und Land.

Viktor Joseph von Scheffel (1826—1886).

219. Lied des Trompeters von Säckingen. 1. Alt-Heidelberg, du feine,

Du Stadt an Ehren reich.

236 [IV]

Scheffel.

Eichrodt.

Am Neckar und am Rheine Kein andre kommt dir gleich. 2. Stadt fröhlicher Gesellen,

An Weisheit schwer und Wein,

Klar ziehn des Stromes Wellen, Blauäuglein blitzen drein.

3. Und kommt aus lindem Süden Der Frühling übers Land,

So webt er dir aus Blüten Ein schimmernd Brautgewand.

4. Auch mir stehst du geschrieben Ins Herz gleich einer Braut, Es klingt wie junges Lieben

Dein Name mir so traut. 5. Und stechen mich die Dornen, Und wird mirs draus zu kahl,

Geb ich dem Roß die Spornen Und reit ins Neckarrhal.

Ludwig Eichrodt (1827—1889). 210. Die Kameraden.

1. Tief im Gebirg auf sonnigem Grund, Da liegen zwei Genossen,

Alle beide auf den Tod verwundt, Alle beide ins Herz geschossen.

2. Von ferne toset das Gefecht Herauf zum düstern Walde,

Die Schüsse knattern so regelrecht Und säubern Trift und Halde.

3. Die beiden aber liegen im Moos Und schauen treuen Blickes In des Himmels dunkelblauen Schoß

Und harren ihres Geschickes. 4. Sie liegen sich viel Schritte fern —

Das schmerzt mehr als die Wunde,

Eichrodt.

Hamerling.

[IV] 237

Sie wären bei einander so gern

In der bittern Todesstunde! 5. Und mit unendlicher Liebesmüh

Rücken sie näher und näher: „O Bruder, stirb mir nicht zu früh,

Ich sterbe sonst so eher!" 6. Sie haben sich mit stiller Glut

In ihre Arme geschlossen, Und ihre Thränen und ihr Blut In eins zusammen stossen.

7. Sie küssen sich und schauen sich an, Der eine und der ander,

Und lächeln freundlich dann und wann

Und sterben miteinander.

Robert Hamerling (1830—1889). 221. Baterlandslied. I. 1. Vaterland, du starkes,

wo blühn im Sonnenschein

Vom Elbstrom hundert Städte

Wo von den Alpenhängen

bis an den grünen Rhein,

bis an den Nordseestrand

Viel tausend Brüder wohnen — Gott segne dich, du starkes Land I 2. Vaterland, du schönes, wo stolz die Ströme gehn,

und ernst die Burgen stehn,

Wo hoch die Dome ragen

Wo sich in zwei Meeren

spiegelt der Ufer Rand

Und grün die Hügel glänzen — Gott segne dich, du schönes Landl

3. Vaterland, du kühnes,

wo eichenlaub-umkränzt

Noch Hermanns Schild nicht rostet,

Das Schwert der Hohenstaufen, Weiß beides noch zu führen — 4. Vaterland, du hehres,

Kühn und stolz begegnet

Gott segne dich, du kühnes Land! wo jedem dunklen Trug

lichten Geistes Flug,

Indes doch Lieb und Treue,

Glühet in den Seelen —

wo noch verborgen glänzt

und wo deutsche Hand

rein wie Opferbrand, Gott segne dich, du hehres Landl

Hamerling.

[IV] 238

5. Vaterland, du teures,

das wie ein holder Stern

auch in weiter Fern,

Erglänzet lieben Brüdern An welches treu gebunden

hält ein festes Band

Alle deutschen Herzen —

Gott segne dich, du teures Land!

6. Vaterland, du heilges — Für dein Banner gehn wir Wenn es allgemeinsam

wohlauf im Morgenrot!

freudig in den Tod,

weht am Nordseestrand

Und von den Alpen flattert —

Gott segne dich, du heilges Land !

II. umströme dich Glück und Heil!

1. Vaterland, geliebtes!

es werde dir zu teil!

Was Bestes bringen die Zeiten,

in neuen Strebens Drang,

Nur, fleh ich, nie mißachte,

Was deutschen Namens Ehre

gewesen ein Jahrtausend lang!

2. Entfache des Geistes Leuchte

Doch Pflege du das Herz auch! Tiesinniger Gefühle!

zu niegesehnem Glanz,

Pflege den keuschen Kranz

wahre duftig zart im frostgen Hauch der Gegenwart!

Die Blume deutschen Gemütes

für goldne Kränze flicht,

3. Was Wirklichkeit dir immer Mein Volk, der Ideale

Bilder stürze nicht!

du walle noch dahin!

Stehn ihre Tempel öde,

sich ewig jung der deutsche Sinn!

In ihrer Sternglut bade

4. Und weil es dir vertraut ward, So halt es hoch im Schimmer

das Banner des Ideals,

des ewigen Sonnenstrahls!

Hoch halt es unter den Völkern,

und walle damit voran

der Freiheit und des Rechtes Bahn!

Die Pfade der Gesittung,

5. Ruhmvoll ist deutsche Treue,

So bleibe, mein Volk, denn ewig

hoch gilt Germanenwort: des ewigen Rechtes Hort,-

Wem ist, wie dir, entbehrlich

Raub, Unrecht oder Trug?

Wer ist, du größtes der Völker,

so sehr wie du sich selbst genug?

des deutschen Namens Ruhm,

6. Herzensadel bleibe Recht und Wahrheit bleibe

Aus diese starken Säulen, Gründe für alle Zeiten

sein Palladiumvom Wandel der Zeit umkreist,

dein Weltreich dir, o, deutscher Geist!

Heyse.

[IV] 239

Paul Heyse (geboren 1830). 222. Über ein Stündlein. Dulde, gedulde dich fein! Über ein Stündlein

Ist deine Kammer voll Sonne. Über den First, wo die Glocken hangen,

5 Ist schon lange der Schein gegangen, Ging in Türmers Fenster ein. Wer am nächsten dem Sturm der Glocken,

Einsam wohnt er, oft erschrocken, Doch am frühsten tröstet ihn Sonnenschein. 10

Wer in tiefen Gassen gebaut, Hütt an Hüttlein lehnt sich traut,

Glocken haben ihn nie erschüttert, Wetterstrahl ihn nie umzittert, Aber spät sein Morgen graut.

15

Höh und Tiefe hat Lust und Veib.

Sag ihm ab, dem thörichten Neid! Andrer Gram birgt andre Wonne.

Dulde, gedulde dich fein! Über ein Stündlein 20 Ist deine Kammer voll Sonne.

223. Das Thal des Espingo. 1. Sie zogen zu Berg, an den Bächen dahin, Maurisches Volk, reisig und stolz.

Auf Kampf mit den Franken stand ihr Sinn,

In Fähnlein gings an den Bächen dahin, Drin Schnee der Pyrenäen schmolz. 2. In der feuchten Schlucht ihre Mäntel wehn,

Scharf von den Höhn tönet der Wind. Ihre Lanzen drohn, ihre Augen spähn —

Kein baskischer Hut in den Klippen zu sehn, Und die Baskenpfeile, die fliegen geschwind.

240 [IV]

Heyse. 3. Sie reiten über den ganzen Tag

Traurigen Pfad, hastigen Ritt. Endlos dünkt sie der Tannenhag,

Und das Maultier braucht schon der Geißel Schlag,

Und das schnaufende Roß geht müden Schritt.

4. Da neigt sich der Weg.

Aus den Klüften wild,

Plötzlich gesenkt, führt er zuthal.

Da liegt zu Füßen, ein schimmernd Bild, An die Berge geschmiegt das weite Gefild,

Falter fliegen im Sonnenstrahl.

5. Der Abend, wie lau! und die Wiesen, wie grün! Ulmengezweig wieget die Luft.

Jasmin und gelbe Narzissen blühn, Und die Halden entlang die Rosen glühn —

Die Näh und Weite schwimmen in Duft.

6. Da wird den Mauren das Herz bewegt. Seliger Zeit gedenken sie,

Wo sie Haurans schlanke Gazellen erlegt, Wo sie Märchen gelauscht und der Liebe gepflegt

Und die Rosen gepflückt von Engadi.

7. Und sie steigen hinab, und es löst sich das Heer. Liebliche Luft säuselt sie cm;

Wie in Rosenhainen um Bagdad her, So die Schwüle lindert der Hauch vom Meer, To haucht aus dem Grunde der See heran.

8. Ihre klugen Sorgen — wie bald sie vergehn!

Waffen und Wehr werfen sie ab. Ihre Sinne berauscht, wie von Wiedersehn! Sie schweifen umher, wo die Rosen stehn, Sie tauchen zum Bad in den See hinab.

9. O Heimatwonne! die Wachen im Zelt Lauschen mit Neid dem Jubel umher. So friedlich dünkt sie die schöne Welt;

Es lockt sie hinaus in das duftige Feld,

Und die wachen sollen — sie wachen nicht mehr.

Heyse. Greif.

[IV] 241

10. Sie wachen nicht mehr! Es wacht in der Nacht

Tücke, der Nacht lauerndes Kind. Sie schleicht sich hervor aus der Waldung sacht/ Sie kriecht zu den Zelten — habt acht, habt acht!

Die Baskenpfeile/ sie fliegen geschwind.

11. Zu spät! zu nah die grause Gefahr: Waffenentblößt, unter Rosen rot Zu Boden sinken sie Schar um Schar.

O, seliger Traum, der so tückisch war! O Heimatwonne, du brachtest den Tod!

Martin Greif (geboren 1839). 224. Frühling der Heide. Auch die Heide blühet Jahres einmal/

Und es ist kein Leben so trostlos/

Daß ihm die Freude nicht nahet Einmal. 5

Sommer ist Frühling der Heide,

Blumig liegt sie, die starr erst,

Bienendurchsummt, in genesener Frische, Keine Strecke ist ihr öde mehr,

Alle grünen. 10

Aufgebrochen ist die Blüte,

Die sie eigen erziehet, Und mit ihrer rosenroten Glocken Lieblicher Anmut,

Auf dem zierlichen Stengel genährt, 15 Schmücken sich Bräute selbst. Lieblicher noch als jene.

Auch was sonst sie an Zierden trägt. Ob auch spärlich.

Zeigt sein kräftig Dasein 20 In der fröhlich derben. Lebhaft leuchtenden Farbe.

Scharlach wechselt zumeist ihr

Mit tief gelbem Schmelze. Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

16

242 [IV]

Greif.

Dicht hin stehen die Sträucher so,

25 Alle lieben sich

Und verschlingen innig Ihre tausend Wurzeln. Auch die Heide blühet Jahres einmal,

Und es ist kein Leben so trostlos,

30 Daß ihm die Freude nicht nahet Einmal.

225. Am Wasserfall.

1. Junger Fluß, mach dich bereit: Dort hinab!

Auf, und saus mit Mächtigkeit In dein Grab!

2. Daß es dich hinuntertreibt, Fühlst du wohl,

Bist schon im Gewölk zerstäubt,

Brausest hohl. 3. Sieh, da kommst du schon herfür,

Grün und weiß, Gehst noch lang wie außer dir, Dampfend heiß.

226. Das erste Sommergras.

1. Ich weiß es nicht, was es wohl ist, Das mir zu Herzen geht,

Seh ich das erste Sommergras Vom Schnitter hingemäht. 2. Wohl sprießt das neue bald ihm nach, Und Sommer bleibt noch lang, Doch wird mir gar so trüb dabei, Hör ich der Sichel Klang.

227. Die einsame Wolke. 1. Sonne warf den letzten Schein Müd im Niedersinken, Eine Wolke nur allein

Schien ihr nachzuwinken.

Greif.

(IV] 243

2. Lange sie wie sehnend hing, Ferne den Genossen, Als die Sonne unterging,

War auch sie zerflossen.

228. Hochsommernacht. Stille ruht die weite Welt, Schlummer füllt des Mondes Horn,

Das der Herr in Händen hält.

Nur am Berge rauscht der Born — Zu der Ernte Hut bestellt,

Wallen Engel durch das Korn.

229. Nachtgefiihl. 1. O, stille Nacht,

O, Nacht der Stille, Zur Ruh gebracht

Der ganze Wille — 2. Zum Schlaf bereit Das Herz voll Sorgen.

O, schöne Zeit

Bis an den Morgen!

230. Die Bergföhre. 1. Ich wär ein hoher Baum geworden, Jedoch des Schneees Last, Der Föhn aus Süd, der Sturm aus Norden

Begruben früh mich fast.

2. So ward ich vom Geschick gezwungen, Zu werden, wie ich bin,

Wer nie mit harter Not gerungen, Versteht nicht meinen Sinn.

231. Auf dem Schlachtfeld von Wörth (1870). 1. Auf stillen Trauerwegen

Geh ich am Wanderstab,

Wohl möcht ich Blumen legen

Auf jedes junge Grab.

Greif.

244 [IV]

2. Verflogene Briefe melden Manch Liebeswort dem Wind,

Ich denk an all die Helden,

Die hier gefallen sind. 3. Tornister bei Tornister,

Von Freund und Feind zugleich, Als wären sie Geschwister,

Seit sie im Himmelreich —

4.

Als wären sie zu finden

Wie Klee im Roßgestampf,

Als müßt sich keiner winden Im letzten Todeskampf.

5.

Was ist in solchen Zeiten

Ein armes Mutterkind?

Die Toten ruhn zur Seiten,

Wie sie gefallen sind.

232. Wunsch am Abend. Sturm, gestillt zu leisem Hauch,

Welch ein Abendfrieden — Wär einst meinem Vc6eii auch

Solch ein End beschieden!

Vergl. auch Zirbes, geb. 1825 (II); W. Fischer, geb. 1833 (III).

2. Dichter vorwiegend frommer Lieder. Gerok, 1815—1890 (II); Sturm, 1816—1896 (I, II). 3. Kinderliederdichter. Görres, 1805—1852 (I, II); Güll, 1812—1879 (1,11, III); Kletke, 1813-1886 (I, II); Enslin, 1819—1875 (I, II); Löwenstein, 1819—1891 (I, II); Dieffenbach, geb. 1822 (II); Trojan, geb. 1837 (II, III).

4. Mundartliche Dichter. Reuter, 1810—1874 (III); Groth, geb. 1819 (III); Stieler, 1842—1885 (III); Rosegger, geb. 1843 (III).

[IV] 245

Das Wichtigste ans der Poetik und Metrik. I. Poetik. Die Poetik ist die Lehre von der Poesie oder Dichtkunst.

Das

Dichten ist ein allgemeines Gut, welches der Schöpfer dem Menschen­

geschlecht zur Erhöhung seiner Freuden, zum Trost und zur Minde­ rung seiner Schmerzen mit ins Leben gegeben hat.

Darum hat sich

die Dichtkunst überall auf Erden nach denselben Gesetzen entwickelt -

die Dichtungen ungesitteter Völker

geben uns Aufschlüsse über die

einstigen Anfänge der Dichtung bei den Kulturvölkern.

Die Fröh­

lichkeit des Naturmenschen, des sogenannten Wilden, äußert sich und

wird gesteigert durch rhythmisch bewegtes Springen und Jubeln:

Tanz und Chorlied. Letzteres versichert entweder einfach, daß Freude herrscht,

oder ruft

die Ursachen der Freude

ins Gedächtnis

oder

gaukelt der Phantasie bevorstehende Freuden vor, schildert z. B. eben bestandene Känlpfe oder malt die bevorstehende Wonne der Opfer­

schmäuse, der Rache, des friedlichen Wohnens zu Hause.

Alles das

wird den bloß zuschauenden Stammesgenossen zur Erhöhung ihres

Vergnügens noch weiter

versinnlicht durch

nachahmende Gebärden

und Worte, die teils die Sieger rühmen, teils die Feinde verspotten.

Aber cs wird nicht immer getanzt, man sitzt auch im Kreise und lauscht dem Erzähler, der von

den jüngsten Kämpfen berichtet oder

von früheren Heldenthaten der Vorfahren, der ab und zu die fröh­ liche Stimmung wohl noch hebt durch Erzählung spaßhafter Vorgänge

aus dem Leben der Menschen oder der umgebenden Tierwelt, die so vielfach das Menschenleben abspiegelt.

Rätsel auf, den Scharfsinn zu üben.

Oder man giebt sich ergötzliche

Wo religiöse Vorstellungen feste

Gestalt gewonnen haben, wo Gesetze die Glieder des Stammes zu­

sammenbinden, da kleidet man zu größerer Weihe und zu leichterem

Behalten auch die wichtigsten Lebensvorschriften in rhythmische Me­ lodie.

Und was die Gesamtheit gethan hat,

das übt auch der Ein­

zelne in der Einsamkeit: er jubelt in gegenwärtigem Glück, klagt im

246 [IV]

Das Wichtigste aus der Poetik und Metrik.

Leide und sehnt sich nach Lust und Freude, und das alles wird ihm zu Rhythmus und Gesang.

Er singt,

innern Drang des Herzens folgend.

die bestätigend einstimmen. Poesie gegeben,

die

Damit

wie

der Vogel singt, dem

Oft findet er willige Zuhörer, sind die Keime aller Arten der

wir danach gliedern dürfen in Vortragende Er­

zählung vergangener Zustände oder Epik, in gemeinsame oder auch rein persönliche Schilderung der Gegenwart und Ausmalung der Zu­ kunft oder Lyrik, in nachahmende Dichtung

oder Dramatik, in

lehrhafte Poesie oder Didaktik. Es kann also nicht

wohl von einein ursprünglichen Vorrang

einer Dichtungsart über die andere geredet werden, auch nicht wohl

der oder jener ein höheres Alter zugesprochen werden, höchstens dürfte

man sagen, daß diejenigen Gattungen später seien, die sich von Tanz, und Gesang losgelöst haben, also Didaktik und Prosaerzählung.

Ob

etwas Poesie ist oder nicht, dafür ist im allgemeinen die Form maß­

gebend,

d. h.

der Umstand,

ob

die

betreffenden

Sprachkunstwerke­

rhythmisch sind oder nicht- doch ist dies kein entscheidendes Merkmal,

da didaktische, epische und dramatische Dichtung sich schon sehr früh vom Rhythmus losgelöst haben, d. h. also in Form der Prosa ver­ faßt sein können, ohne darum aufzuhören Dichtung zu sein. Feste

Grenzbestimmungen innerhalb der Gattungen können nicht gezogen werden, da die Gattungen überall ineinander übergehen: die Dichter

schaffen eben Gedichte, ohne sich um die Poetik und ihre Einteilungen

311 kümmern,

so daß oft

ein und dasselbe Gedicht mit gleichem

Rechte zu dieser oder zu jener Gattung gerechnet werden kann.

Bei

der Gleichwertigkeit der Gattungen ist es auch gleichgültig, in welcher Reihenfolge wir sie besprechen. I. Die Lehrdichtung oder Didaktik will auf Verstand und Willen der andern einwirken, durch Belehrung, durch Vorführung wirklicher oder erfundener Geschichten,

durch Beispiele, durch Auf­

stellung von Lebensgrundsätzen. 1.

Die Fabel ist ein solches Beispiel aus einem andern Ge­

biete des Lebens und zwar so, daß die auftretenden Wesen, wer sie auch sein mögen, in jedem Fall als sprach- und vernunftbegabt erscheinen.

Die Fabeln enthalten eine Wahrheit oder eine Lehre, oft beides, auch wo es nicht ausdrücklich hinzugefügt ist. Es giebt auch Prosafabeln (Lesstng)Lesstng verlangt von der Fabel Kürze, es giebt aber auch breit aus­

gemalte Fabeln (Gellert), ebenso solche, die einfach Vorgänge des Tier­

lebens schildern, ohne daß sie als Beispiele für Lebensregeln gedacht

[IV] 247

Poetik. sind (Hey).

Auch die einem Drama zugrunde liegende Handlung

nennt man Fabel. 2. Gleichnis; Parabel; Allegorie.

Sehr verwandt mit der

Fabel ist die Parabel (Gleichnis)- dieselbe steht insofern höher, als sie

Vorgänge des höheren Seelenlebens, besonders religiöse Dinge ver­

anschaulichen will und zwar durch Vorführung ähnlicher Vorgänge aus andern Lebensgebieten.

Bei

dieser Erklärung ist besonders an

die biblischen Parabeln oder Gleichnisse gedacht, z. B. das vom Säe­ mann. — Allegorie ist eine Erzählung, die im Grunde auch ein Bei­

spiel ist, aber so, daß man neben dem Wortsinn einen tiefern, ver­ borgenen Sinn aunchmen mutz, welcher ini Grunde erst den beab­ sichtigten, eigentlichen Sinn darstellt.

Je mehr die Allegorie bereits

in sich verständlich ist, so daß der tiefere Sinn nur für die tiefer schauende

Erkenntnis vorhanden ist, für desto vollendeter gilt sie (Mahomets Ge­

sang- einfacher Sinn: Leben eines Stromes, tieferer Sinn: Wirken

eines Religionsstifters).

Diese Dichtungsart tritt auch in Prosa aus.

3. Das Rätsel ist nur eine Abart der Allegorie, manchmal ist die Auflösung in dichterischer Fassung beigesügt, meist jedoch fehlt siedas Rätsel tritt auch in Prosaform auf.

4. Die Spruchdichtung giebt Lebensweisheit ohne Umschweif ist bildliche Rede vorhanden, so ist sie doch nicht wesentlich, nicht ein­

mal beim Sprichwort (Einigkeit macht stark), wiewohl das Sprichwort meistens allerdings bildlich redet, dadurch daß es ein Beispiel, einen Einzelfall giebt in Ähnlichkeit vieler andern Fälle (Steter Tropfen höhlt den Stein).

Sprüche und Sprichwörter koyunen

poetischer wie in prosaischer Form vor.

sowohl in

Epigramm beißt Aufschrift,

auf ein Denkmal, Haus, Buch u. dgl., muß also mit wenig Worten bedeutsamen Sinn ausdrücken. Man nennt so auch sonstige

z. B.

sinnreiche unb kurze Sprüche, besonders

auch witzige und tadelnde,

gegen Personen oder Unsitten gerichtete (Goethe-Schillers Genien).

II. Die erzählende Dichtung (Epik) schildert einem wirklichen oder gedachten Zuhörerkreise Vergangenes, und zwar Wirk­ liches oder Erdachtes. Daraus erhellt, daß die meisten didaktischen Dichtungen im Grunde auch episch sind.

1. Das Epos (Epopöe)

oder Heldengedicht ist eine so lange

Erzählung, daß sie nur in Abschnitten (Gesängen) vorgetragcn werden kann.

Im Deutschen heißen die einzelnen Abschnitte auch Abenteuer

oder Aventüren, d. h. Begebenheiten.

Mit Ende des Mittelalters

Das Wichtigste aus der Poetik und Metrik.

248 [IV]

wurden diese langen Heldengedichte in Prosa umgesetzt, das ist

der

Anfang des Romans.

2. Das Märchen ist eine kleine Mär oder Erzählung, zum Zeitvertreib und zur Ergötzung vorgetragen, einerlei, ob

oder wirklich geschehen.

Später verstand

erfundene, meist wunderbare Geschichte.

erfunden

man unter Märchen eine

Das Märchen kann auch

belehrend sein (Der Arme und der Reiche), es kann auch sagenhafte Züge bergen (Dornröschen), in diesem Falle jedoch namenlose Sage,

also keine echte Sage- das Märchen zeigt meistens prosaische Form. 3. Die Sage ist ein nur mündlich fortgepflanzter geschichtlicher Bericht, der deshalb unzuverlässig geworden ist, ins Wunderbare und Märchenhafte gezogen. Die Sage haftet stets an bestimmten Örtern

oder Personen- sie ist meistens sehr kurz, ursprünglich Prosa, erst von

den Dichtern ausgesponnen und oft erst aus Dichtermunde in Allgemeinbesitz des Volkes übergegangen (Barbarossa).

4. Legenden sind fromme Sagen, Beispiele christlicher Tugend­ übung.

Das Wort bedeutet „Lese", d. h. die zum Lesen bestimmte

erklärende Beischrift zu gemalten Heiligenhistorien.

Von kirchlichen

Schriftstellern schon friihe und gerne fest ausgeprägt, sind die Legen­ den meist in ausführlichen Fassungen überliefert mit Häufung des Wunderbaren.

Da die Legenden erziehlich wirken sollten, so sind sie

zugleich als didaktische Dichtungen anzusprechen.

Sie kommen poetisch

und prosaisch vor. 5. Ballade und Romanze. Der Name Ballade ist durch Percys Sammlung altenglischer und schottischer ballads oder Volksgesänge (1750), seit Herder auch in Deutschland üblich geworden, und zwar für erzählende Gedichte von einer gewissen, doch nicht zu großen Aus­

führlichkeit- gleichzeitig kam auch für solche Dichtungen die Benennung Romanze auf, nach der in Südeuropa, besonders in Spanien üblichen

Bezeichnung.

Bürger, Goethe, Schiller, Uhland u. a. nannten ihre

erzählenden Dichtungen

Balladen, manchmal auch Romanzen-

ein

allgemein gültiger Unterschied zwischen Ballade und Romanze kann nicht angegeben werden.

In Prosadichtung

entspricht

beiden die

Novelle. 6.

Geschichtliche Erzählung oder Rhapsodie nennt man poetische

Schilderungen hervorragender geschichtlicher Begebenheiten.

Auch die

alten Balladen und historischen Volkslieder gehören meistens hierher,

da sie ursprünglich als bloße Erzählung geschichtlicher Begebenheiten gedacht sind.

[IV] 249

Poetik.

7. Die poetische Erzählung und der Schwank sind gleichfalls

nichts viel anderes als Märchen, Balladen oder Novellen, deren Stoff jedoch dem wirklichen Leben entnommen ist, so daß die erzählte Be­

gebenheit sich für eine wirklich geschehene, nicht erdachte

ausgiebt.

Unter Schwank versteht man die Schilderung lächerlicher Begeben­ heiten, das Lachen ist manchmal harmloses Lachen über eine komische

Lage, meist jedoch Schadenfreude und Spott über einen Gefoppten. 8. Idyll heißt Bildchen (Jdyllion).

Nach dem Vorgang des

griechischen Dichters Theokrit nennt man so Darstellungen friedlich­ behaglicher Zustände im

engen Kreise bürgerlichen oder bäuerlichen

Daseins (Voß).

III. Die Gefühlsdichrung oder Lyrik. 1. Das Lied ist der ursprünglich einsam erdachte und gesungene

Ausdruck des gegenwärtigen Seelenzustandes Hoffnungen und Befürchtungen für die Zukunft.

des Dichters, seiner Natur, Vaterland,

Liebe, Hingebung an den Beruf, Trauer, Klage, Freude, Wunsch, Sehnsucht, Hoffnung, Bitte, Spott, alles das und noch vieles mehr Die Gefühle des Liedes können auch als

ist Gegenstand des Liedes.

Gefühle vieler Gesinnungsgenossen gedacht sein (Chorlied), überhaupt

wendet sich das Lied auch an alle Gleichgestimmten.

2. Das Volkslied. in

früheren

Nach Herders Vorgang nennt man so die

Jahrhunderten

entstandenen

deutschen

Lieder,

welche

mangels schriftlicher Aufzeichnung sich in stets wechselnder und mannig­

facher Fassung erhalten haben und besonders im Ausdruck dadurch sehr verallgemeinert und abgeschliffen (einfach) geworden sind. Neuere

Dichter haben oft an Volkslieder angeknüpfr (Es zogen drei Bursche Volkstiimliche Lieder nennen wir Lieder von

wohl über den Rhein).

bekannten Verfassern, die in weiten Volkskreisen gesungen werden (Lorelei). 3. Das

geistliche Lied.

Ode.

Hymne.

Geistliche Lieder sind

teils zum kirchlichen Gebrauche gedichtet, teils zur außerkirchlichen Erbauung.

Ode ist das griechische Wort für Lied.

Wir bezeichnen

damit seit Klopstock hauptsächlich deutsche Lieder in griechischen Strophen­ formen, während Opitz noch ein Lied in ganz einfachem Versbau so

-genannt hatte.

Hymnen nennen wir vorzugsweise die altchristlichen

kirchlichen Gesänge und danach auch alle besonders feierlich gehaltenen

Loblieder (Heil dir im Siegerkranz). Lyrische Gedichte, die ein Erlebnis des Dichters schildern, sind

dadurch zugleich auch episch, um so mehr dann, wenn es im Grunde

250 [IV]

Das Wichtigste aus der Poetik und Metrik,

nicht der Dichter selbst ist, der in der ersten Person zu uns spricht (Schillers Pilgrim und Sehnsucht)- Anrufungen einer anderen Person,

sowie Gebete, sind eigentlich dramatisch, zumal das Gebet, welches als ein Gespräch mit Gott aufgefaßt werden mutz.

IV. Dir dramatische Dichtung. Von einer selbst noch so

kurzen Kennzeichnung des Dramas

mutz an dieser Stelle abgesehen werden- nur das sei herborgehoben, datz im Drama der Dichter völlig zurücktritt, nicht er redet zu uns,

sondern andere Personen- darum rechnen wir zu dieser Gattung jede Dichtung, die in Form einer Wechselrede gehalten ist, ohne zwischen­

liegende Erzählung, ja auch solche Dichtungen, die als Monolog be­ handelt sind, ohne daß der Dichter selbst der Redende ist (Luthers

Frau Musika- Platens Pilgrim vor St. Just). Für die Erkenntnis und Beurteilung einer Dichtung kommt es wesentlich auf drei Punkte an:

Erfindung (Invention), Anord­

nung (Disposition) und Darstellung (Elocution). Was die Erfindung, d. h. bcii Inhalt anlangt, so müssen

nur drei Stoffgebiete unterscheiden, denen die Dichtung entnonnnen sein kann, und zwar 1. die innere Welt (Goethe nennt es: die sitt­ liche Welt)- 2. die äußere Welt (physische Welt)- 3.

die Welt der

Phantasie, die überirdische Welt (Religion, Wunder, Aberglauben re.).

Bei der Anordnung handelt es sich besonders um Motive.

So nennt man jede

6)stnb(iinß in einer Dichtung, weil jede

solche das Motiv, d. h. das Treibende, die Ursache für alles Folgende ist. Goethe sagt in einem Aufsatz über epische und dramatische Dichtuiig: „Der Motive kenne ich fünferlei Arten: 1. vorwärtsschreitende, welche die Handlung fördern, deren bedient sich vorzüglich das Drama -

2. rückwärtsschreitende, welche die Handlung von ihrem Ziel fernen-

ent­

deren bedient sich das epische Gedicht fast ausschließlich- 3.

retardierende, welche den Gang aufhalten oder den Weg verlängern dieser bedienen sich beide Dichtarten mit dem größten Vorteil- 4. zu­

rückgreifende, durch die dasjenige, was vor der Epoche des Gedichts geschehen ist, herausgehoben wird; 5. vorgreifende, die dasjenige, was nach der Epoche des Gedichtes geschehen wird, antizipieren- beide

Arten braucht der epische, sowie der dramatische Dichter, um sein Gedicht vollständig zu machen."

Vor allem aber ist zu unterscheiden

zwischen Hauptmotiv und Rebenmotiven.

Idee oder der Grundgedanke.

Ersteres heißt auch die

[TV] 251

Poetik.

Bei der Darstellung unterscheiden wir deren innere und äußere Form.

Unter ersterer verstehen wir die Art der Auffassung

des Dichters; diese kann naturalistisch sein, d. h. die Natur wird mit

allen Zufälligkeiten nachgeahmt, gleichsam photographiert, oder rea­ listisch-typisch, wo die einzelnen Gestalten bei aller Naturwahrheit zu­ gleich typisch (vorbildlich) sind, d. h. die ihrer ganzen Gattung ge­

tragen

(Hermann und Dorothea), oder endlich

idealistisch, wie Iphigenie.

Die Darstellung kann außerdem entweder

meinsamen Züge

objektiv sein, den Gegenstand möglichst so darstellend, wie er an und für sich ist, oder subjektiv, die Dinge so wiedergebend, wie sie sich in der eigentümlich gefärbten Seele des Dichters spiegeln. Die äußere Form der dichterischen Darstellung zeigt vor allem

drei wesentliche Merkmale: Personifikation (Belebung), sinnlichkon treten und bildlichen Ausdruck.

Vom Dichter sagt Schiller :

„Er kommt aus dem kindlichen Alter der Welt, Wo die Völker sich jugendlich freuten,"

d. h. er steht der Natur näher als andere Menschen- er ist gewissermaßen ein Kind, ein Mensch im Naturzustände, er beurteilt alles

nach seinem eigenen Innern, darum ist ihrn die ganze Außenwelt be­ lebt und menschenähnlich- weil er reden kann, so meint er, alles um

ihn her müsse auch reden, denken, wollen und fühlen können, darum wird alles von ihm angeredet, ist ihm alles Person.

Die deutsche

Sprache ist, wie überhaupt die Sprachen in ihrer Urgestalt, tion Haus aus sinnlich, d. h. auch anscheinend ganz geistige Begriffe sind

im Grunde als sinnlich wahrnehmbare Dinge gedacht und benannt — so ist das Wort „Begriff" selbst eigentlich das, was mit den Händen

umgriffen, befühlt werden kann:

dein Dichter

paßt

deshalb die

Sprache besser in ihrer alten, der Natur näher stehenden Fornt, er

gebraucht mit Vorliebe Worte und Wendungen, die sinnlich klar und

greifbar, also konkret sind, liebt sprachlich veraltete Formen und Aus­ drücke, lehnt dagegen

das Abstrakte, Allgemeine, Neugebildete ab:

beeinflussen, inbetrachtdessen, beziehungsweise u. dgl. sind unpoetische Wörter.

Aber auch wo die Sprache selbst keine unmittelbaren Bilder

darbietet, schafft der Dichter durch gewisse Wendungen und Vergleiche

sich Bilder: er ist ein Seher, ein Schauer, auch denken will er nur durch und im Schauen; was er innerlich schaut, kleidet er in Worte, diese sind seine dichterische Sprache: daher liebt der Dichter die bild­

liche Rede.

Seit dem Altertum hat man die Verschiedenartigkeit des

Bilderschmucks der Rede untersucht, geordnet und fest benannt.

Wir

Das Wichtigste aus der Poetik und Metrik.

252 [IV]

beschränken uns darauf, die bekanntesten dieser Ausdrücke kurz zu erklären. Gewöhnlich unterscheidet man Figuren und Tropen und

zwar so, daß die Tropen als eine Unterabteilung der Figuren gelten: Figuren, )o sagt man, ändern nicht die Borstellung, sie schmücken und

verdeutlichen sie nur, wogegen der Tropus, zu deutsch: die Wendung,

die Vorstellung selbst ändert (wendet).

Die üblichen Erklärungen

jenes Unterschiedes weichen übrigens sehr von einander ab und sind oft willkürlich und unbestimmt. Figuren sind:

1. Das Epitheton ornans oder schmückende

Beiwort, ein im Hauptbegriff liegendes, also überflüssiges, nur schmücken­

des Adjektiv (fleißige Landleute, grüne Wiesen), zu unterscheiden von dem bestimmenden Adjektiv, das eine nicht im Begriff des Wortes liegende Eigenschaft nennt (auswandernde Landleute, abgemähte Wiesen). 2.

Die

Umschreibung nennt

die Dinge nicht bei

ihrem

Namen, sondern giebt rätselartige weitläufigere Beschreibungen (Kennst

du das Land, wo die Zitronen blühn?). 3. Vergleichung undGleichnis (Wie der Bienen dunkelnde

Geschwader... so goß sich eine Kriegeswolke aus.

Jungfrau von

Orleans, Prolog, 3. Austritt).

4. Anspielung oder Allusion ist eine Vergleichung mit bekannten Personen oder Dingen, wo der eigentliche Vergleich durch einen bloßen Hinweis ersetzt ist (Argusaugen, Hiobsbotschaft, Van­

dalismus). Tropen. 1. Metonymie, Vertauschung der Begriffe (Der Wald singt, d. h. die Vögel im Walde singen- Thron statt Herrschaft,

Stahl statt Schwert, Themsestadt für London).

2. Wortspiel (Das römische Reich sollte jetzt heißen römisch Arm. Wallensteins Lager). 3. Metapher (Übertragung) nennt man

deutete Gleichnis

(Es donnern die Höhen-

jedes nur ange­

Des Lebens Mai- Der

Sturm heult- Der silberne Bach- Lachende Fluren); es ist dies das häufigste aller Redebilder- die Sprache besteht im Grunde fast nur

aus Metaphern, da fast allen Berben ein Bild zu Grunde liegt (begreifen, überwinden). 4. Anrede oder Apostrophe: (Sei mir gegrüßt, mein Berg).

5. Historisches Präsens (Da legt sich die wilde Gewalt). 6. Übertreibung (Hyperbel), kann sowohl erhebend als lächerlich wirken.

[IV] 25S

Poetik.

7. Ironie

ist eigentlich

eine

erheuchelte Unwissenheit in

Dingen, die man recht wohl weiß, sodann die absichtliche Behauptung des Gegenteils dessen,

was man denkt, besonders zum Zweck der

Verspottung und Herabsetzung

(Brutus

ist ein ehrenwerter Mann).

8. Euphemismus ist schonende Bezeichnung dessen, was

man nicht nennen mag (Gottseibeiuns statt Teufel). 9. Asyndeton (Unverbunden): Fehlen der Bindewörter (Der

König sprachs, der Page lief, der Knabe kam, der König rief).

10. Polysyndeton (Vielverbunden) ist die Häufung von Bindewörtern (Und es wallet und siedet und brauset und zischt). 11. Steigerung (Gradation, Klimax), entweder aufwärts­

gehend (Verbannung, Kerker, Tod ergriff den Schuldigen.

Goethes

Tasso II, 4) oder abwärtsgehend (Wenn wir gut sind, so sind wir es überall, auf dem Throne, im Palast, in der Hütte).

12. Paradoxie ist ein Ausspruch, der anscheinend dem ge­

sunden Verstand widerstreitet, aber doch sinnvoll ist (Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das

Reich Gottes komme. Bergpredigt). 13. Tautologie sind mehrere verbundene Ausdrücke, die

eigentlich

dasselbe sagen (Art und Weise, Hohn und Spott)-

das

Deutsche liebt derartige Doppelbegriffe sehr, besonders wenn sie durch

Stabreim gebunden sind (Leib und Leben, Haus und Hof). Verwandt ist der Pleonasmus, doppelte Bezeichnung desselben Begriffs

(alter Greis, toter Leichnam)- so zu reden gilt als fehlerhaft, nicht als Schmuck der Rede.

14. Wiederholung, richtig gebraucht, ist in der poetischen

Sprache häufig und oft sehr wirkungsvoll (Es kann nicht sein, kann nicht sein, kann nicht sein. Wallenstein).

Bei jeder Strophe wieder­

kehrende Schlußzeilen heißen Kehrverse oder Kehrreime (Refrain).

15. Anakoluthie nennt man die besondere Art falschen Satzbaus, wo das Ende des Satzes dem Anfang nicht entspricht (In

Hermann und Dorothea zu Beginn des 7. Gesanges: Wie der wan­

dernde Mann.... wohin er die Blicke nur wendet).

16. Archais m u s

ist ein

altertümlicher

und

unmoderner

Ausdruck (sintemalen, insonderheit). 17. Sentenz (griechisch Gnome, deutsch Meinung)

ist ein

kurzer Spruch allgemeinern Inhalts.

Allitteration, Assonanz und anderes, was sich auf Rhythmus und Versmaß bezieht, wird im folgenden Abschnitt zur Sprache gebracht.

254 [IV]

Das Wichtigste aus der Poeiik und Metrik.

II.

Etwas vom deutschen Versbau.

Der Versbau ist im Deutschen an sehr einfache Gesetze ge­ bunden, da er sich lediglich nach der Betonung richtet, wohingegen die Metrik der Griechen auf Messung der Silbenlänge beruhte, d. h.

der Zeitdauer, die eine Silbe zur Aussprache erforderte.

Der Vor­

trag der griechischen Dichtungen war auf Gesang oder doch mindestens

auf taktgemäße Begleitung von Flöten berechnet, wir hingegen denken zunächst nur an das Sprechen.

Trotzdem hat man seit Opitz versucht,

griechische Versgesetze auf deutsche Dichtkunst anzuwenden.

Es wird

dies jedoch weder im Ganzen noch im Einzelnen jemals

gelingen

können, weil eben die Grundlage des Versbaues bei beiden Völkern von Halls aus verschieden ist.

Doch ist man nach dem Vorgang von

Opitz stillschweigend übereingekommeil, daß man die Länge der Silben, wie die griechische Verslehre sie kennt, gleich achten wolle der Be­

tonung, wie das Deutsche sie kennt, und die Kürze der Silben der

Tonlosigkeit oder auch der schwüchern Betonung.

Man hat ferner

die griechische Bezeichnung „Hebung" (was dort die Hebung des Fußes bedeutete beim Angeben des Taktes) gleichgesetzt mit „Betonung", und

mit dem Ausdruck „Senkung" (was im Griechischen das Stampfen mit dem Fuß zur Taktangabe bedeutete) hat man die Tonlosigkeir bezeichnet, indem man sich einredete, Hebung solle die Hebung der

Stimme, d. h. Betonung ausdrücken, Senkung aber die Senkung der

Stimme, also Tonlosigkeit.

Damit wäre angenommen, daß jedesmal

die betonten Silben hoch gesprochen würden, was manchmal zutrifft,

manchmal nicht, da es doch ganz auf den Sinn der Worte ankonnnt,

ob die Stimme in die Höhe geht oder sich senkt. Hören wir nunmehr, wie die griechischen Verstatte oder Vers­ füße — so genannt nach dem Fußstampfen zum Takt — in deutschen Gedichten sich ausnehmen. Wir nennen also nach Vorbild der Griechen einen Jambus

die Aufeinanderfolge einer unbetonten und einer betonten Silbe, wie in „gewiß". drei Jamben.

Die Worte: „es klingt ein heller Klang" sind demnach Eine jambische Zeile beginnt unbetont- der jambische

Gang der Verse heißt auch „steigender Rhythmus". — Umgekehrt ist

Metrik.

[IV] 255

ein Trochäus die Folge einer betonten und einer unbetonten Silbe,

z. B. „König".

Die Worte „Preisend mit viel schönen Reden" sind

vier Trochäen- der trochäische Gang der Verse wird auch „fallender

Rhythmus" genannt. — Der jambische Gang erscheint hüpfender,

wenn

zwei

unbetonte

Silben

der betonten

voraufgehen,

wie

in

„General", ein solcher Takt heißt Anapäst- „an den Höfen erscholl der Gesang" sind drei Anapäste- in jambischen Versgang werden oft Anapäste eingestreut, z. B. „zu tauchen in diesen Schlund". — Ähn­ lich erscheint der trochäische Rhythmus bewegter, wenn der betonten Silbe zwei unbetonte folgen - der so veränderte Takt oder Versfuß

heißt Daktylus, z. B. „lieblicher".

Die Worte „die ihn so lieblich

bescheint" sind zwei Daktylen mit einer Nachschlagsilbe. Eine Langzeile

von

sechs Daktylen,

die

aber beliebig mit

Trochäen vertauscht sein können, ist der Hexameter.

Wohlgemerkt:

der deutsche Hexameter, denn der echte griechische Hexameter zeigt Daktylen mit Spondeen gemischt, d. h. mit Verstatten von zwei

langen Silben, was in Deutschland zwei betonten Silben gleich­ zusetzen wäre.

Da dies aus mancherlei Gründen im Deutschen nicht

gut thunlich ist, so gestattet mail sich anstatt dessen, je nach Wahl auch Trochäen anzuwenden.

Der Hexameter ist der erzählende Vers

der Griechen, der Vers Horners.

Er zerfällt in zwei ungleiche Hälften,

deren erste betont, die zweite aber unbetont beginnt, denn der Vers hat eine Pause (Einschnitt, Eäsur) im dritten oder auch im vierten

Takt, man beachte: im Takt, nicht nach dem Takt!

Ist die Pause

iln vierten Versfuß, dann ist auch im zweiten Takt eine kleine Pause, so daß die Verszeile dann in drei Teile zerfällt.

Beispiele der ersten

und zweiten Art:

Himmlischer! sucht nicht dich . mit ihren Augen die Pflanze, Streckt nach dir > die schüchternen Arme ! der niedrige Strauch nicht? (Hölderlin: an den Äther.)

Der fünfte Takt des Hexameters darf nur sehr ausnahms­ weise zweisilbig sein, der sechste jedoch muß es sein.

Die zwei letzten

Takte des Hexameters für sich allein hetßen der adonische Vers- in

solchen bewegt sich Lenaus: Primula veris.

Wird dem Hexameter eine kürzere Verszeile beigefügt, die int

Grunde nur die zweimalige Setzung der ersten Hälfe des Hexameters ist und Pentameter heißt (Fünfmaß), so nennt man dies das elegische Versmaß- je zwei solcher Zeilen heißen ein Distichon (Mehrzahl:

die Distichen, d. h. Zweizeilen).

Ein Gedicht in diesem Versmaß hieß

Das Wichtigste aus der Poetik und Metrik,

256 [IV]

eine Elegie- in Distichen bildete man auch gern kurze Sprüche (Epi­

gramme, d. h. Aufschriften), so auch Schiller. Künstliche

Strophen

des

griechischen Altertums

sind unter

andern die alkäische Strophe des Dichters Alkäos und die sapphische

Strophe der Dichterin Sappho.

Oft haben jambische oder trochäische Verse eine überzählige Nachschlagsilbe oder, besser gesagt, eine Silbe zu wenig- in Preisend mit viel schönen Neben Ihrer Länder Wert und Zahl

besteht die erste Zeile aus vier Trochäen, die zweite gleichfalls aus vier Trochäen, aber mit einer fehlenden Silbe- an ihre Stelle tritt eine Pause.

Von Versen mit unbetonter letzter Silbe sagt man: sie

haben weiblichen Ausgang, wogegen männlicher Ausgang vorhanden ist, wenn die letzte Silbe der Zeile betont ist.

Auch Reime unter­

scheidet man gleichermaßen in männliche und weibliche, z. B. Dieb

— lieb ist ein männlicher, Diebe — Liebe ein weiblicher Reim. Die klassische Dichtung des Altertums kennt den Reim nur

zufällig, nicht als Versgesetz, erst daS lateinische christliche Kirchenlied hat aus der Volksdichtung der Römer den Reim ausgenommen.

Die

ursprünglich nationaldeutsche, heidnische Dichtungsform ist der Stab­ reim (Alliteration), d. h. der mehrmals wiederkehrende Anfangslaut

der sinnschweren Worte, z. B. Geld und Gut, Wehr und Waffen. Dieser Anfangsreim steckt uns noch tief im Blute, und er wird noch immer mehr oder weniger absichtlich sehr häufig in Poesie und Prcha

angewandt. Die christliche Zeit brachte den Endreim, d. h. den Gleich­ klang der Endwörter je zwei aufeinanderfolgender Zeilen von dein letzten betonten Vokal an. In jeder VerSzeile wurden vier Silben durch stärkere Betonung über die anderen erhoben.

Auf diese Silben

— wir nennen sie auch Hebungen — kam es vorzugsweise an: ihre Zahl war bestimmt, nicht so die der unbetonten Silben oder Sen­

kungen.

Die

Hebungen

konnten

unmittelbar

aufeinander folgen

oder durch Senkungen getrennt sein- vollends gleichgültig war es,

ob der Vers mit einer betonten Silbe anfing, oder ob der ersten

Hebung noch eine oder mehrere unbetonte Silben (Auftakt) voran­ gingen.

Jedoch ist von Anfang an das Bestreben wahrzunehmen,

Hebungen und Senkungen regelmäßig abwechseln zu lassen, und immer mehr wurde die alte Freiheit im Gebrauch der Senkungen eingeschränkt.

Man nennt diese Verse auch kurze Reimpaare- sie sind die weit­ aus

häufigste

Form

der erzählenden

Dichtung

des

Mittelalters.

Metrik.

[IV] 257

Einige epische Gedichte jedoch sind in Strophen abgefaßt, vor ollem dos Nibelungenlied. Die Nibelungenstrophe ist die berühmteste Strophenform der Zeit geworden. Sie besteht ous vier poorweis durch den Reim gebundenen Langzeilen- jede Langzeile ist durch einen Einschnitt (Pause, Cäsur) in zwei Teile von je drei Hebungen zerlegt, nur die letzte Holbzeile hat deren vier. Die Reime sind männlich, die Ausgänge vor dem Einschnitt jedoch weiblich. Die spätere Zeit führte auch Binnenreime an der Eäsurstelle ein, so wie sich dies bei der Eingangsstrophe des Nibelungenliedes selbst findet, setzte auch das Maß der letzten Halbzeile auf das der übrigen herab. Diese Abart, auch Hildebrands ton genannt, ward außerordentlich beliebt und hat alle Stürme der Zeit überdauert- besonders dem protestantischen Kirchengesang (Panl Gerhardt: Befiehl du deine Wege) verdanken wir das Fortbestehen dieses Hildebrandstones. Von größter Bedeutung für die Entwickelung des Versbaues zur regelmäßigen Abwechselung betonter und unbetonter Silben hin war das Erblühen einer vielgestaltigen Lyrik im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts. Die enge Verbindung der Poesie mit der Musik, die regelmäßige Wiederkehr derselben Weise (Melodie) in mehreren Strophen verlangte eine bestiuunte Silbenzahl für den einzelnen Vers, und so führte die Rücksicht auf die Betonung einerseits, auf die Silben­ zahl andrerseits zu einem regelmäßigen Wechsel von Hebung und Senkung. An den Auftakt stellte man weniger strenge Forderungen, doch soviel ist unverkennbar, daß man auch ihm gegenüber nicht gleich­ gültig war: es giebt viele Lieder, in denen Verse mit und ohne Auf­ takt nach bestimmtem Gesetz mit einander wechseln, so daß der steigende unb fallende (jambische und trochäische) Rhythmus jenem Zeitalter keine durchaus unbekannte Sache war. Ja, auch daktylische Rhythmen sind der mittelalterlichen Lyrik nicht völlig fremd (Walther v. d. Vogel­ weide: Wohl mir der Stunde, da ich sie erkannte). Die Strophenformen, welche der Minnegesang hervorgebracht hat, sind sehr mannigfaltig- die meisten sind dreiteilig gebaut, d. h. auf zwei metrisch und musikalisch sich völlig entsprechende Teile — die beiden Stollen oder der Aufgesang — folgt ein dritter von ihnen verschiedener Teil: der Abgesang. Die gefällige Versform, welche die mittelhochdeutsche Lyrik all­ mählich herausgebildet hatte, hielt sich leider nicht lange. Die Rück­ sicht auf die Silbenzahl hatte sich anfangs mit der älteren Rücksicht auf die Zahl der Hebungen glücklich vereinigt, allmählich riß jedoch Hejsel, Lesebuch IV. (Gedichte. 17

258 [IV]

Das Wichtigste aus der Poetik unb Metrik.

der jüngere Grundsatz die Herrschaft an sich, und wo überhaupt Re­ gelmäßigkeit im Versbau erstrebt ward, da ließ man sich daran ge­ nügen^ die Silben zu zählen. So ist es im Meistergesang, so ver­ fuhr auch der berühmteste Meistersänger, Hans Sachs. Dadurch entstanden Verse, welche für unser Gefühl nichts sind als Knittel­ verse- nur vermissen in ihnen die Rücksicht auf die Sprachbetonung und empfinden die Regelmäßigkeit, die in der Gleichheit der Silben­ zahl liegt, gar nicht als solche. Es ist nun zwar nicht zu verkennen, daß manche Dichter, durch ein natürliches Gefühl geleitet, in ihren Versen einen ziemlich regelmäßigen Wechsel zwischen Hebung und Senkung eintreten ließen, wie die alten Minnesänger, aber als Ge­ setz war dieser Wechsel nicht anerkannt. Es ist das große Verdienst von Martin Opitz, daß er es klar aussprach: „Nachmals ist auch ein jeder Vers entweder ein jambicus oder trochaieus- nicht zwar, daß wir auf Art der Griechen und Lateiner eine gewisse Größe der Silben können in acht nehmen- sondern daß wir aus den Aeeenten unb dem Tone erkennen, weiche Silbe hoch und welche niedrig gesetzt soll werden. Ein Jambus ist dieser: Er­ halt uns, Herr, bei deinem Wort, der folgende ein Trochäus: Mitreit wir inr Leben sind." Neben dem Jalttbus und Trochäus, auf welche Opitz hinweist, wird von jetzt ab am häufigsten daktylischer, auch anapästischer Rhyth­ mus gebraucht. Für die Litteraturperiode, die Opitz eingeleitet hat, ist derA l e xa n driner der charakteristische Vers, ein sechsfüßiger Jambus mit einer Pause nach dem dritten Fuß, der französischen mittelalterlichen Dichtung (Alexanderlied) entstamntend. Der sechsfüßige Iambus der antiken Drattien (Senar), den auch Schiller zuweilen verwandt hat, hat Pause im dritten oder vierten Verstatt. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts tritt der Alexandriner ganz zurück: vergeblich suchten später Dichter wie Rückert und Freiligrath ihn nüeder 511 Ehren zu bringen. Obwohl der Alexandriner nur dttrch eine einzige Silbe sich von unserm Hildebrandston unterscheidet, ist gerade dadurch sein Charakter ganz attders- für unser Ohr hat der Alexandriner etwas Unangenehmes und Eintöniges. Dagegen wurden um die Mitte des 18. Jahrhunderts nette Formen ausgenommen: für das Drama seit Lessings Nathan der fünffüßige reimlose Jambus (der Blankvers der Engländer), der eine Nachbildung des etfsilbigen italienischen Verses ist, für das Epos

Metrik.

[IV] 259

nach Klopstocks mächtigem Beispiel der Hexameter. Der letztgenannte Dichter suchte auch die künstlichen lyrischen Strophen der Alten neu zu beleben, aber obwohl es ihm nicht an Nachfolgern fehlte, sind sie doch nie recht heimisch geworden. Neben biefen neueren Maßen wurden auch die alten Reim­ paare nicht ganz vergessen, wenn sie auch in der gelehrten Litteratur gering geachtet wurden. Goethes Kunst weihte sie aufs neue. Als man dann dem deutschen Mittelalter ein liebevolles Studium zuwaudte, lebten auch andere Formen wieder auf: besonders wurde seit Uhland, Arndt, Rückert :c. die Nibelungen stroPhe ein be­ liebtes Maß, entweder in der Abart des Hildebrandstones, oder mehr idcr ursprünglichen Form angenähert (Hanierling, Vaterlandslied), auch vielfach dadurch verschleiert, daß die Dichter gerne je zwei Lang Zeilen zu einer Strophe von vier Kurzzeilen zusammenstellen, so schon Goethe im König von Thule, Heine in der Lorelei re. Schreibt nmii solche Gedichte in Langzeilen, wie es in vorliegender Sammlung öfters geschehen ist, dann wird es auch für das Auge deutlich erkenn­ bar, wie häufig diese echt nationale Strophenart noch immer ange­ wandt wird. Auch die dreiteilige Strophe ist nicht ausgestorben, wenngleich sie verhältnismäßig selten auftritt. Das Volkslied hat schon in früheren Jahrhunderten eine An­ zahl einfacher zweiteiliger Strophen geschaffen, die im Grunde nur Abänderungen der kurzen Reimpaare sind: sie haben in jeder Feite vier oder drei Betonungen und bestehen meist aus vier oder sechs oder acht Feilen mit mannigfacher Abwechselung in der Anordnung der Reime. Solche Strophen hat mit Vorliebe und Erfolg besonders Uhland erneuert, sie finden sich bei ihm, bei Wilhelm Müller, Hoff­ mann von Fallersleben, Eichendorff und andern als das weitaus überwiegende Vermaß, meistens jambisch, manchmal auch trochäisch gebildet. Seit dem 18. Jahrhundert sind auch italienische Versmaße be­ liebt worden- die Italiener haben meist elfsilbige Verszeilen mit fünf Betonungen, in jambischem Gange: da die italienische Sprache, ähn­ lich wie die französische, betonte Endungen hat, so ist es sehr leicht, in dieser Sprache zu reimen- infolgedessen liebt die italienische Dich­ tung künstliche Reimverschlingungen: DaS Sonett hat 14 Zeilen, zu 2 Strophen von je vier und 2 Strophen von je 3 Zeilen ge­ ordnet, mit zwei Gruppen verschlungener Reime, deren erste die bei­ den ersten Strophen beherrscht, die zweite die dritte und vierte

260 [IV]

Das Wichtigste aus der Poetik und Metrik.

Strophe. — Die Terzinen, die Strophe Dantes, sind dreizeilige Strophen, wo jedes Reimwort dreisach wiederkehrt, und zwar so, daß die erste und letzte Zeile jeder Strophe auf die mittlere Zeile der vorhergehenden Strophe reimt- der allererste Reim konuut demnach nur zweimal vor, und der lehren Strophe wird noch eine Zeile zugefügt, um der Mittelzeile derselben doch wenigstens einen Reim zu geben. — Die Stanze ist eine achtzeilige Strophe von elfsilbigen oder zehnsilbigeu Zeilen, von denen 1, 3, 5 und 2, 4, 6 mit­ einander mmcii, 7 und 8 aber ein Reiniwort für sich besitzen. Verse mit fünf Betonungen klingen im Deutschen durchweg etwas schwer, feierlich und fremdartig, sie werden darum nicht sehr­ häufig angewandt. Im Drama liegt die Sache andere», da der feh­ lende Reim dort die Sprache der Prosa nähert. Die -panier lieben vierzeilige Strophen, deren jede Zeile aus vier reimlosen Trochäen besteht, die durch Gleichklang der Vokale (Assonanz) verbunden sind. Herder, Scheffel im Trompeter von Säk kingen und andere haben solche Verse gebildet. Dem Orient ist das von Rückert und Platen besonders ge pflegte G a s e l entließen, d. h. Gedichte, deren beide ersten Zeilen sich Kimen, und wo dieser selbige Reim durch das ganze Gedicht hindurch sämtlichen geraden Zeilen gegeben wird, während die ungeraden Zeilen reimlos bleiben. Roch von anderer Seite hat der Orient auf die Form unserer Dichtung eingewirkt. Die althebrüischen Dichtungen der Bibel, be­ sondere die Psalmen, zeigen einen eigentümlichen freien rhythmischen Gang, der in Luthere deutscher Bibelübersetzung frei wiedergegeben i't, z. 55.:

Der Herr ist mein Hirte, nur wird nichte mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue Und führet mich zum frischen Wasser. Diese biblischen Rhythmen haben Maepherson angeregt, seine Ossianlieder zu dichten, in Deutschland Klopstock zu schwimgvollen Oden begeistert, vor allem aber den jungen Goethe zu jenen prächtigen Ge­ sängen veranlaßt: „Des Menschen Seele gleicht dem Wasser" und manchen ähnlichen. In seinen Fußtapfen sind dann viele gewandelt, von Heine an (Nordseelieder) bis zu Martin Greif (Frühling der Heide). Tiefe freien Rhythmen finden sich auch in ganz freien Reimen entfaltet, nach dem arabischen Vorbild der Maknmen, sie be-

[IV] 261

Metrik.

kommen dann leicht etwas Scherzhaftes/ wie in Rückerts und Gulls

Kindermärchen.

Die nach dein Rhythmus zu betonenden Silben müssen auch beint Lesen betont werden, wenn der Sinn es irgend gestattet- oft

sogar ist der Rhythmus ein Fingerzeig für die richtige Betonung,

z. B. bei Uhland: „Das Blühen will nicht enden", wo zu betonen sind die Silben: Blüh

ist.

will

end- das Wort nicht aber tonlos

Erlaubt jedoch der Sinn durchaus nicht, eine bestimmte Hebung

zu betonen, dann ist sie doch wenigstens etwas niehr hervorzuheben, als

der Sinn es eigentlich verlangt, wohingegen die dem Sinne nach zu

betonende Senkung etwas schwächer gesprochen werden muß, als sie es verdiente.

Dies nennt man „schwebende Betonung".

In Versen

versagte Dramen liest man besser völlig nach dem Sinn, ohne Be­ achtung der Berseirden, damit die Rede natürlicher erscheine-

das

regelmäßige Schaukeln der Jamben macht sich schon ganz von selbst für das Ohr geltend.

Man möge auch nicht — und das gilt für

alle Arten Gedichte — die einzelnen Verstakte durch Pausen trennen -

läse man z. B. Herrlich, | sprach der | Fürst von | Sachsen | so klänge das wie Geklapper, wogegen das Durchschneiden der Verstatte durch

Pausen natürlicher und doch nietodisch sprach | der Fürst | von Sachsen. |

sich anhört, also: Herrlich, ,

Nach

jeder Verszeile

soll eitle

die andere Zeile

Heine Pause gemacht werden, greift der Sinll

in

über, so muß diese Pause sehr kllrz sein, kann

unter Umständen so­

gar ganz unterdrückt werden.

Zuletzt noch eine Bemerkung über die Reiilie. Gleichklang, der

dem Ohr schmeicheln und zugleich

Sie silld ein

dem Verstand

sagen soll, das; die gereimten Zeilen eng zusammen gehören- es muß aber dem Gefühl des Dichters überlassen bleiben, zu elltscheiden, wie

lveit er im Gleichklaug gehen lvill: mit Unrecht

spricht man darunt

da, luo der Gleichklang nicht völlig ist, von „unreinen" Reimen und

tadelt solche sogar bei großen Dichtern.

Wirkliche Dichter leii)cn

nicht an Reimnot, ivo sogenannte unreine Reime vorliegen, sind sie beabsichtigt- z. B. bei Heine: Leise zieht durch mein Gemüt- bei

Eichendorff: Thür — zurück- vor allem wird Gleichklang nur für das Ohr, nicht fürs Auge verlangt- heimwärts — Herz ist also ein

reiner Reim.

Manchmal

kehrt

statt

des

Reims

dasselbe

Wort

wieder, es ist das gegen die Regel, findet sich aber bei den besten Dichtern.

262 [IV]

Kebtllsabriß der Dichter. Arndt Ernst Moritz, geb. 26. Dezember 1769 zu Lckwritz aus Rügen, unter schwedischer Herrschaft, t 29. Januar 1860 zu Bonn. Er studierte Theologie und Philosophie, durchreiste Deutschland, Un­ garn, Italien und Frankreich und liest sich 1800 als Dozent der Geschichte an der Universität Greifswald nieder. Während der Un­ terdrückung Deutschlands durch die Franzosen lebte er wiederholt in Schweden.' Unter fremdem Namen zurückgekehrt, trat er mit Blücher, Scharnhorst, Gneisenau u. a. in Verbindung und ging 1811 nach Petersburg, wo er bei dem früheren preußischen Minister von Stein eine Anstellung erhielt. Mit diesem reiste er 1813 nach Deutschland und arbeitete an der Erhebung des Volkes eifrig mit, besonders durch Schriften und Lieder. 1818 erhielt er eine Professur der Ge­ schichte an der neu gegründeten Universität Bonn, ward aber wegen angeblicher politischer Umtriebe 1820 seines Amtes enthoben. Friedrich Wilhelm IV. setzte ihn 1840 in seine Stellung wieder ein- 1854 legte er sein Lehramt wegen hohen Alters nieder. von Cbamisso Adelbert, geb. 31. Januar 1781 auf Schloß Boneourt in der Ehampogne, t 21. August 1838 zu Berlin In der Revolution floh er mit feinen Eltern, ward Page am Hof Friedrich Wilhelm II. von Preußen, später Leutnant, ging 1810 nach Frank­ reich, kehrte aber 1811 wieder nach Berlin zurück. 1815 bis 1818 machte er auf dem russischen Schiffe „Rurik" eine Weltumseglung mit. Er hat sich als Naturforscher ausgezeichnet und war lange Gustos des botanischen Gartens zu Berlin. Nur selten verraten Wendungen in seinen Gedichten, daß deutsch tticht seine Muttersprache war. Elaudius Matthias, geb. 15. August 1740 zu Neinseld in Holstein, t 21. Januar 1815 zu Hamburg. Sein Vater war Pfarrer, er studierte Jurisprudenz, wohnte kurze Zeit als Beamter in Darm­ stadt, dann aber seit 1777 in Wandsbeck bei Hamburg alc> Privatnmnn. Leine Stellung als Bankrevisor nobm wenig Zeit in An­ spruch. Er gab die Zeitung „der Wandsbecker Bote" heraus, in der ein großer Teil seiner Werke, auS Heinern Aufsätzen und Gedichten bestehend, erschien. Er ist hochberühmt als frommer und volkstüm­ licher Dichter und Schriftsteller. Seine Tochter ChUsNane starb im Alter von 20 Jahren. Sein Familienleben war äußerst glücklich. Dach Sinton, geb. 29. Juli 1608 zu Memel, f 15. April 1659 zu Königsberg. Er war Professor der Dichtkunst an der Univer­ sität zu Königsberg. Der Große Kurfürst schätzte ihn hoch. Dohm Ernst, geb. 24. Mai 1819 zu Breslau, f 5. Februar 1883 zu -Berlin. Er studierte Theologie und Philosophie, widmete sich aber ganz schriftstellerischer Thätigkeit, leitete insbesondere seit 1849 die Herausgabe des „Kladderadatsch". von Dr ost e-Hülshvff Annette, geb. 12. Januar 1798 zu. Hüls hoff bei Münster, f 24. Mai 1848 zu Meersburg am Bodensee. Ihre dichterische Begabung entwickelte sich sehr frühe, wurde jedoch von ihren Angehörigen wenig unterstützt. Ihre letzten Lebensjahre

Ledensabriß der Dichter.

[IV] 263

brachte sie auf deut Schlosse Meersburg am Bodensee zu, welches dem Gemahl ihrer Schwester, dem ats Sprachforscher bekannten Freiherrn von Labberg, gehörte. Die Sammlung „Das geistliche Jahr", wurden erst nach dem Tode der Dichterin veröffentlicht. von Eichendorfs Josephs geb. 10. März 1788 zu Lubowitz in Oberschlesien, f 26. November 1856 zu Neiße. Er studierte Rechts­ wissenschaft, machte den Freiheitskrieg in Lützows Freischar mit und wurde später Geheimer Rat im Ministerium in Berlin. Außer Ro­ manen und Erzählungen ist er durch seine Gedichte berühmt, welche in deit einfachen Fornien des Volksliedes geschrieben sind. Eichrodt Ludwig, geb. 2. Februar 1827 bruar 1892 zu Lahr in Baden. Er lebte seit richter in Lahr und zeichnete sich besonders als aus. Seine gesammelten Dichtungen umfassen

zu Durlach, f 2. Fe­ 1871 als Oberamts­ humoristischer Dichter zwei Bände.

von Feilchtersleben Ernst, geb. 29. April 1806 zu Wien, -I- 3. September 1849 ebenda. Er war Arzt in seiner Vaterstadt und veröffentlichte außer verschiedenen Dichtungen zahlreiche wissen­ schaftliche Werke. Besonders bekannt ist seine „Diätetik der Seele".

Fleming Paul, geb. 17. Oktober 1609 zu Hartenstein im Erzgebirge, f 2. April 1640 zu Hamburg. Er studierte in Leipzig Medizin und machte dann als Arzt Gesandtschaftsreisen nach Ruß­ land und Persien mit. In Reval verlobte er sich und wollte sich als Arzt dort niederlassen. Doch starb er, ehe er diesen Plan aus­ führen konnte, in Hamburg. Fleming ist neben Gerhardt der vor­ züglichste Liederdichter des 17. Jahrhunderts. Freiligrath Ferdinand, geb. 17. Juni 1810 zu Detmold, f 18. Mürz 1876 zu Kannstatt. Sein Vater war Lehrer; er selbst er­ lernte die Kaufmannschaft. Sein Beruf führte ihn nach Amsterdam, Soest, Barmen. Seine Gedichte machten schon sehr früh Aufsehendie Unterstützung Friedrich Wilhelm IV. erlaubte ihm, ganz der Poesie zu leben. In das Parteigetriebe der vierziger Jahre ver­ wickelt, floh er ins Ausland, lebte in der Schweiz, Belgien, England, bis er 1866 wieder nach Deutschland kam und in Kannstatt bei Stutt­ gart wohnte. Auch als Übersetzer ist er berühmt. Geibel Emanuel, geb. 18. Oktober 1815 zu Lübeck, t 6. April 1884 ebendaselbst, war der Sohn eines Pfarrers, studierte in Bonn und Berlin, ward Erzieher in Athen und veröffentlichte, zurückge­ kehrt, 1840 seine Gedichte. Friedrich Wilhelm IV. gewährte ihm ein Jahrgehalt. König Max II. von Bayern gab ihm eine Professur für deutsche Litteratur in München- doch hat Geibel nur selten Vorlesungen gehalten. Er lebte seit 1868 als Ehrenbürger in seiner Vaterstadt. Besonders begeisterte ihn der Gedanke eines mächtigen deutschen Kaiser­ reiches. Seine gesammelten Dichtungen um saften acht Bände. Gerhardt Paul, geb. 12. März 1607 zu Gräfenhainichen, f 7. Jttni 1676 zu Lübben. Von seinem Bildungsgang ist mir bekannt, daß er Theologie studiert hat- er erhielt aber erst nach dem 30jährigen Kriege 1651 eine Anstellung als Pfarrer in Berlin. Er verlor 1666 sein Amt infolge von Zwistigkeiten mit dem Großen Kurfürsten. Der Herzog von wachsen gab ihm eine Stelle in Lübben. Die Zahl der von ihm gedichteten Lieder beträgt gegen 130. von Goethe Johann Wolfgang, geb. 28. August 1749 zu

264 [IV]

Lebensabriß der Dichter.

Frankfurt a. M, t 22. März 1832 zu Weimar. Sein Vater war kaiserlicher Rat; er erhielt seinen Unterricht vom Vater selbst und voll einzelnen Lehrern, studierte vou 1765 bis 1771, mit Unterbrechung durch längere Krankheit, in Leipzig und Straßburg die Rechte. Kurze Zeit Advokat in Frankfurt, 1772 beim Kammergericht in Wetz­ lar thätig, lebte er bis 1775 in seiner Vaterstadt. Am 7. November 1775 kam er auf Einladung des Herzogs,, Karl August nach Weimar, wo er, nach und nach verschiedene hohe Ämter bekleidend, zuletzt Mi­ nister, bis zu seinem Tode verblieben ist. Er machte wiederholt größere Reisen, besonders 1786—1788 nach Italien. Als lyrischer Dichter ist Goethe unübertroffen, aber auch in allen andern Dichtungs­ arten Meister, besonders im Drama (Götz Don Berlichingen, Egmont, Iphigenie, Tasso, Faust), Epos (Hermann und Dorothea, Balladen), in der Prosadichtung (Werther, Wahrheit und Dichtung u. n.). Greif Martin, geb. 18. Juni 1839 zu Speier. Sein eigent­ licher Name ist Friedrich Hermann Frey. Von 1859 bis 1867 war er bairischer Offizier, seitdem aber lebt er ganz seinen dichterischen Steigungen in München. Außer Gedichteu hat er auch viele Dramen geschaffen, deren Stoye meist der deutschen Geschichte entnommen sind. von Griinmelshatlsen Christoph, geb. um 1625 zu Geln­ hausen, t 17. August 1676 zu Renchen im Schwarzwald. Von seinen Schriften fand der „Simplieissimus" die lveireste Verbreitung, die Geschichte eines Abenteurers, worin die Zustände während des 30jäbrigen Krieges geschildert sind. Grün Anastasius, eigentlich: Anton Graf von Auersperg, geb. 11. April 1806 zu Laibach, f 12. September 1876 zu Graz. Er studierte Rechtswissenschaft und widmete sich dann der Verlvaltung seiner Güter. Gleichzeitig entfaltete er eine einflußreiche politische Thätigkeit. Als Dichter ist er bekannt durch den Romanzeneyklus „Der letzte Ritter" (Maximilian T.), sowie durch zahlreiche Gedichte. Hamerling Robert, geb. 24. März 1830 zu Kirchbach am Wald in Niederösterreich, f 3. Juli 1889 zu Graz. Er studierte Philologie, lebte als Gyimmsiallehrer iu Graz und Triest, seit 1866 aber ausschließlich seinem dichterischen Berufe iu Graz. Außer lyrischeu Gedichten ist besonders sein Roman „Aspasia" berühmt geworden Hauff Wilhelut, geb. 29. November 1802 zu Stuttgart, t 18. November 1827 daselbst. Er studierte Theologie, widmete sich bald ausschließlich schriftstellerischer Arbeit unb starb als Herausgeber des „Morgenblattes". Er ist berühmt als Erzähler (Lichtenstein, Märchen). Heine Heinrich, geb. 13. Dezember 1797 zu Düsseldorf, f 17. Februar 1856 zu Paris. Bou jüdischen Eltern geboren, besuchte er das Gymnasium seiner Vaterstadt bis zur Prima, wurde erst Kauf­ mann, dann studierte er, von seinem reichen Oheim unterstützt, zu Bonn, Göttingen und Berlin Rechtswissenschaft. Um eine Anstellung als Jurist erhalten zu können, trat er 1825 zum Christentum über. Er zog es aber vor, nur als Schriftsteller thätig zu sein. Nach der Julirevolution siedelte er 1831 nach Paris über, wo er nach neun­ jährigem Krankenlager starb. Hensel Luise, geb. 30. März 1798 zu Linum (Brandenburg), f 18. Dezember 1876 zu Paderborn. Tochter eines Pfarrers, trat sie später zur katholischen Konfession über und wirkte lange Jahre

Lebensabriß der Dichter.

[IV] 265

als Erzieherin im Kloster Nonnenwerth bei Rolandseck. Die hat sich durch zahlreiche fromme Lieder bekannt gemacht. von Herder Johann Gottfried, geb. 25. August 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen, t 18. Dezember 1803 zu Weimar. Sohn eines Lehrers, studierte er zu Königsberg Theologie, ward Prediger in Riga, machte dann Reisen durch Europa,- in Straßburg ward er mit Goethe befreundet, der damals dort studierte. Als Hofprediger kam er nach Bückeburg und durch Goethes Vermittelung 1776 als Generalsuperintendent nach Weimar. Herder lenkte die Aufmerksamkeit zuerst nachdrücklich auf die Volkspoesie (stimmen der Völker)- unter seinen Dichtungen zeichnen sich besonders die Legenden aus. Auch der „Cid" ist allgeinein bekannt. Herwegh Georg, geb. 31. Mai 1817 zu Stuttgart, f 7. April 1875 zu Baden-Baden. Er studierte Theologie in Tübingen, ging aber bald zu ausschließlich schriftstellerischer Thätigkeit über. In die politischen Umtriebe der vierztger Jahre verwickelt, lebte er lange im Auslande, beteiligte sich 1849 am badischen Aufstande, mußte fliehen, kehrte aber später wieder nach Deutschland zurück. Heyse Paul, geb. 15. März 1830 zu Berlin, lebt^zu München. Sein Vater wie sein Großvater sind als deutsche Sprachforscher wohlbekannt. Er selbst studierte Philologie und wurde 1854 vom König Maximilian nach München berufen, um dort ganz als schrift­ steller wirken zu können. Er ist besonders hervorragend als Erzähler. Hofs m a ii ii von Fallersleben August Heinrich, geb. 2. April 1798 zu Fallersleben (Hannover), t 19. Januar 1874 zu Corvey an der Weser. Er studierte Sprachivissenschaft, lebte als Universitäts­ lehrer in Breslau, verlor aber seine Stellung in Folge der politi­ schen Verhältnisse, so daß er seit 1841 ohne feste Stellung an ver­ schiedenen Orten lebte. Zuletzt war er Bibliothekar in Corvey. Hölderlin Friedrich, geb. 29. März 1770 zu Lausten am Neckar, t 7. Juni 1842 zu Tübingen. Er studierte Theologie in Tübingen, ward dann Hauslehrer in Frankfurt a. M. und lebte darauf eine Zeitlang in Jena, wo er mir Schiller befreundet ward. Darauf ging er als Hauslehrer nach Bordeaux. In Frankfurt be­ reits hatte er seinen Roman „Hypcrion oder der Eremit in Griechen­ land" vollendet, der im modernen Griechenland spielt. Die lyrischen Gedichte Hölderlins sind alle in antiken Versformen gedichtet. Die Neigung des Dichters zur Schwermut steigerte sich nach und nach zum Wahnsinn. Zerrüttet kam er nach Deutschland zurück und lebte als Geisteskranker noch viele Jahre in Tübingen. Keller Gottfried, geb. 19. Juli 1819 zu Glattfelden bei Zürich, t 15. Juli 1890 zu Höttingen bei Zürich. Er bildete sich erst als Landschaftsmaler aus, studierte dann Philosophie und that sich viel­ fach als Schriftsteller hervor (Der grüne Heinrich, Die Leute von Seldwyla). Von 1861—1876 Züricher Staatsschreiber, lebte er seit­ dem ganz seinen schriftstellerischen Arbeiten. Kerner Justinns, geb. 18. September 1786 zu Ludwigsburg, f 23. Februar 1862 zu Weinsberg. Er war seit 1819 Arzt in Weinsberg. Mit Uhland und andern schwäbischen Dichtern war er eng befreundet, sein Haus wegen seiner Gastlichkeit berühmt. Im Leben war er heiter, doch seine Gedichte sind meist schwermütig.

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Lebensabriß der Dichter.

Kinkel Gottfried, geb. II. August 1815 zu Qberkassel bei Bonn, f 13. November 1882 zu Zürich. Er studierte Theologie, ward sodann Universitätslehrer in Bonn, bis er 1848 sich an der Revolution beteiligte und in Folge dessen in Spandau eingekerkert wurde. Er entfloh und lebte lange in England, seit 1866 als Pro­ fessor der Kunstgeschichte in Zürich. Klop st o ck Friedrich Gottlieb, geb. 2. Juli 1724 zu Quedlin­ burg, f 14. März 1803 zu Hani bürg. Er besuchte die Schule zu Schulpforte, studierte in Jena Theologie und schrieb als Student die drei ersten Gesänge des „Messias". Diese wurden 1748 in den „Bremischen Beiträgen" gedruckt. Bodmer in Zürich lud den jungen Dichter zu sich ein, 'konnte ihn aber nicht in der Schweiz festhalten. Ter König von Dänemark gab ihm ein Jahrgeld, damit er in Ruhe den Messias vollenden könne. Er zog nach Kopenhagen, 1754 nach Hamburg, wo er sich Mera Moller vermählte, die jedoch schon 1758 starb. Von 1763 — 1771 lebte Klopftock in Kopenhagen, von da ab wieder in Hamburg. 1792 vermählte er sich nochmals. — Klopstock hat die deutsche Poesie von der Herrschaft des Alexandriners befreit und statt dessen die antiten Versfvrinen eingesührt- nur in Kirchenliederrt wandte er den Reim an. Körner Karl Theodor, geb. 23. September 1791 zu Dresden, f 26. August 1813 bei Gadebusch in Mecklenburg. Sein Vater war der bekannte Fremtd Schillers- Theodor studierte Bergwissenschaft in Freiburg, Leipzig und Berlin- 1811 ging er nach Wien 11116 wurde dort zum Hoftheaterdichter ernannt. Am 19. März 1813 trat er in das Lützowsche Freieorps. Er fiel als Adjutant Lüßows in einem Gefechte. Die Sammlung seiner vaterländischen Lieder, die sein Vater später herausgab, heißt „Leier und Schwert". Seine zahl­ reichen Dramen sind als Jugeudwerle zu betrachten. Lenau Nikolaus, geb. 13. August 1802 zu Esatad in Südungarn, t 22. August 1850 bei Wien. Sein eigentlicher Name war Nikolaus Niembsch Edler von Strehlenau. Seine Jugend verbrachte er an verschiedenen Drten Ungarns, studierte zuerst Philosophie, dann Rechtswissenschaft, dann Landivirtschaft zu Preßburg und Wien, später Medizin in Heidelberg. 1832 unternahm er eine Reise nach Amerika und lebte von 1833 ab bald in Wien, bald in Württemberg, wo er sich enge an die schwäbischen Dichter anschloß. In seinen Dichtungen herrscht das schwermütige durchaus vor. Seine düstere Seelenstimmung ging von 1844 ab in unheilbaren Wahnsinn über. Lingg Hermann, geb. 22. Januar 1820 zu Lindau nm Bo­ densee. Er war bis 1851 bairischer Militärarzt, lebt aber seitdem nur seinem dichterischen Berufe in München. Luther (Martin), geb. 10. November 1483 zu Eisleben, t 18, Februar 1546 daselbst. Der berühmte Reformator gilt mit Recht zugleich als Reformator der deutschen Prosa, als der Begründer der neuhochdeutschen Sprache. Nicht als ob er diese Sprache geschaffen hätte, allein er hat sie mit universaler Meisterschaft gekannt, studiert, beherrscht und in seinen zahlreichen Schriften fixiert. Besonders seine Bibelübersetzung wurde tonangebend. Während seines Aufent­ haltes auf der Veste Koburg, zur Zeit des Augsburger Reichstags 1530, bearbeitete er, ausdrücklich für pädagogische Zwecke, u. a. eine Anzahl äsopischer Fabeln. Er hat über 30 Kirchenlieder gedichtet.

LebenSabriß der Dichter.

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auch mancherlei andere gelegentliche Poesien, so auch das Lob der Musika. Meyer Konrad Ferdinand, geb. 12. Oktober 1825 zu Zürich. Er studierte Philologie, lebt aber seit 1858 nur schriftstellerisch thätig zu Kilchberg bei Zürich. Mörike Eduard, geb. 8. September 1804 zu Ludwigsburg, t 4. Quni 1875 zu Stuttgart. Er studierte Theologie, war in ver­ schiedenen Orten Württembergs Pfarrer, von 1851 bis 1866 Lehrer am Katharinenstift zu Stuttgart. Müller Friedrich, gev. 13. Januar 1749 zu Kreuznach, f 23. April 1825 zu Rom. Er lebte seit 1776 als Maler in Rom, wid­ mete sich aber mehr nnd mehr dem Studiuni der römischen Alter­ tümer. Müller ist als Dichter berühmter geworden wie als Maler man rechnet ihn zu den Dichtern der „Sturm- und Drangperiode" er dichtete pfälzische Idyllen, auch Dramen (Faust, Niobe, Genovefa). Müller Wilhelm, geb. 7. Oktober 1794 zu Dessau, f 30. Sep­ tember 1827 daselbst. Er studierte zu Berlin Philologie, niachte als Freiwilliger den Befreiungskrieg mit und ivirkte von 1819 ab als Lehrer ani Gymnasium seiner Vaterstadt. Seine zahlreichen Gedichte sind in der einfachen Art der Volkslieder gehalten. Biele Lieder widmete er dem Freiheitskamps der Griechen. '

M Ü ller Wolfgang, geb. 5. März 1815 zu Königswinter, t 29. Juni 1893 zu Neuenahr. Er lebte als Arzt in Düsseldorf und Köln und hat mit Vorliebe rheinische Sagen dicyterisch gestaltet. Novalis (Friedrich von Hardenberg), geb. 2. Mai 1772 zu Wiederstedt bei Mansfeld, t 25. März 1801 zu Weißenfels. Er studierte Jurisprudenz und erhielt eine Anstellung bei den Salinen in Weißen­ fels. Zur Erlangung der dazu nötigen bergmännischen Kenntnisse besuchte er noch die Bergakademie in Freiberg. Er erfuhr 1797 den Schmerz, seine Braut durch den Tod zu verlieren. Bald darauf er­ griff ihn selbst ein Brustleidcn, dem er auch erlegen ist. Er gilt als das Haupt der „romantischen schule". Besonders berühmt ward sein Roninn „Heinrich von Ofterdingen", wie seine geistlichen Lieder. OpiY Martin, geb. 23. Dezember 1597 zu Bunzlau, f 20August 1639 zu Danzig. Er studierte an verschiedenen Hochschulen, lebte in Holland, Holstein und Siebenbürgen, daraus in Liegnilz als herzoglicher Rat. Jni Jahr 1624 erschien sein Büchlein „von der deutschen Poeterei", welches umwälzend auf die ganze deutsche Litte­ ratur gewirkt hat. Kaiser Ferdinand II. gab ihm den Lorbeerkranz als Dichter und erhob ihn in den Adelstand. Nach vielen Reisen trat er zu Danzig in die Dienste des Königs von Polen. Dort starb er an der Pest, ^ciuc Gedichte erlebten zahlreiche Auflagen. Platen August, Graf von Platen-Hallernuinde, geb. 24. Ok­ tober 1796 zu Ansbach, t 5. Dezember 1835 zu Syrakus. Er machte als bayrischer Offizier den Feldzug gegen Napoleon mit, studierte dann Philosophie und hielt sich von 1826 ab dauernd in Italien auf. Platen suchte, ähnlich wie früher Klopstock, die antiken Versformen auf deutsche Dichtungen anzuwenden. Reinick Robert, geb. 22. Februar 1805 zu Danzig, f 7. Fe­ bruar 1852 zu Dresden. Er lebte als Maler in Berlin und Düssel­ dorf, hielt sich von 1838—1841 in Italien auf, von 1844 ab in Dresden.

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Lebensabriß der Dichter.

Rückert Friedrich, geb. 16. Mai 1788 zu Schweinfurt, t 31. Januar 1866 zu Neuseß. Er studierte erst die Rechte, wandte sich jedoch bald der Sprachwissenschaft zu. Rückert wurde in Erlangen 1820 Professor der orientalischen Sprachen. Der König von Preußen berief ihn 1840 nach Berlin, doch legte er 1847 sein Amt nieder und zog sich auf das Gilt Neuseß bei Kobttrg zurück, uw er bis an sein Ende litterarischem Schaffen lebte. Sein Familienleben war sehr glücklich, obwohl ihm auch Leid nicht erspart blieb, so der Tod zweier seiner Kinder. Rückert war als Dichter unerutüdlich thätig- seine Stoffe entnahm er zum großen Teile deut Orient, doch ist er auch als va­ terländischer Sänger berühurt. Das Hauptwerk seines Lebens ist die „Weisheit des Brahmanen", eine Sammlung von beinahe 2000 kurzen Lehrgedichten, in denen er seine Lebenserfahrungen niedergelegt hat. Sachs Hans, geb. 5. November 1494 zu Nürnberg, f daselbst 19. Januar 1576. Er war Schuhmacher und in seiner Vaterstadt hochgeehrt als Meistersänger, er schrieb tausende von Dichterwerken, Meistergesänge, Schwänke, Fastnachtsspiele u s. iv., so daß er der fruchtbarste Dichter seiner Zett war. Hans Sachsens Dichtttitg wirkte tesonders auch auf den jungen Goethe eilt. Schack Adolf, Graf Volt, geb. 2. August 1815 zu Brüsewitz bei Schwerin-114. April 1894 zu Rom. Er studierte Rechtswissenschaft, be­ reiste wiederholt Südeuropa uttd den Orient, zuin Teil als preußischer Legatioitsrnt. Der deutsche Kaiser erhob ihn 1876 in deut Grafen­ stand. Nachdcin Schack sich durch Übersetzungen besannt gemacht hatte, veröffentlichte er seit deut sechziger Jahren viele eigene Dichtungen. vott scheffel Viktor Joseph, geb. 26. Februar 1826 zu Karlsruhe, t 9. April 1886 daselbst. Er studierte Rechtswissenschaft, tvar Beamter in Säckingen uiib andern Orten, dann Bibliothekar in Donaueschingen, lebte danit aber nur seilteun Dichterberutfe, teils am Bodensee, teils in Karlsruhe. Sein Roman Ekkehard uttd sein Epos „Der Trontpeter von Säckingem' sind die befannteften seiner Werke, v o n Schenken do rf Max, geb. 11. Dezember 1781 zu Tilsit, t 11. Dezember 1817 zu Koblenz. Er studierte in Königsberg die Rechte, ntachte trotz einer lammen Hand 1813 deut Feldzug mit, lvard nach dem Frieden Regieruitgsrat in Koblenz, und zwar auf seineit Wuttsch, da er eine besondere Vorliebe für den Rheilt hatte. Doch starb er schon nach zwei Jahren. Seilte vaterländischen Gedichte ittachelt ihn zu einem der hervorragendsten Freiheitssänger. von Schiller Friedrich, geb. 10. November 1759 zu Marbach am Neckar, t 9. Mai 1805 zu Weimar. Sein Vater tvar Hauptntann. Nachdein er seine Jtlgend an verschiedenen Orten Württembergs verlebt, nahm ihlt Herzog Karl Eugelt in bie Karlsschule auf, wo er Mediziit sttldierte. Dieser Beruf entsprach seiner Neigung nicht, eben­ sowenig die strenge Aufsicht in der Karlsschule. So' bildete sich eine glühende Sehnsucht nach Freiheit in ihnt aus, die als Grundgedanke seine meisten größeren Dichtungen durchzieht. Er wurde Regiments­ chirurg in Stuttgart- da er aber ohne Urlaub sich entfernt hatte, um der Aufführung des schon als Karlsschüler von ihm gedichteten Trauerspiels „Die Räuber" in Mannheim beizuwohnen, so muhte er schließlich dem Herzog geloben, nur noch medizinische Schriften drucken zu lassen. Dieser Zwang war ihm so unerträglich, daß er 1782 die Flucht ergriff. Er ging nach Mannheim als Theaterdichter, dort

Lebensabriß der Dichter.

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schuf er deu „Fiesko" uud „Kabale und Liebe". Auf Einladung Karners, der sich ihm brieflich genähert hatte, ging er 1785 nach Leipzig und lebte daun bis 1787 bei diesem in Dresden. Er vollendete 1788 dort den „Don Karlas", entsagte aber dann völlig der Dicht­ kunst und studierte eifrig Philosophie, besonders das Kantische Epstein, und Geschichte, um dadurch sich eine gesicherte Lebensstellung zu schaffen. 1789 ward er Professor der Geschichte in Jena und ver­ heiratete sich mit Eharlotte von Lengefeld. 1791 zeigten sich die ersten Anfänge des Brustletdeus, dem er später unterliegen sollte. 1793 brachte er mehrere Monate in seiner Heimat zu. 1794 schloff er enge Freundschaft mit Goethe und begann auch wieder dichterisch rhätig zu sein, angeregt durch Goethe und Wilhelm von Humboldt. Er schuf zunächst viele philosophische Gedichte, dann den „Wallenstein", an dem er bis 1799 dichtete, und zwischendurch zahlreiche Balladen. Er siedelte 1799 ganz nach Weimar über und lebte nur noch der Poesie. Nasch nacheinander schrieb er „Maria Stuart", die „Jung­ frau von Orleans", die „Braut von Messina" und „Wilhelm Tell". Er ward 1802 geadelt. Sein Leiden hatte inzwischen immer zugeuommen, und milteu in der Ausarbeilung des „Demetrius" starb er. Schwab Gustav, geb. 19. Juni 1792 zu Stuttgart, f 4. No­ vember 1850 daselbst. Er studierte Theologie, war Gymnasiallehrer in Stuttgart, später Pfarrer. Er hat nllffer eigenen Dichtungen besonders' auch übersetzt, die Sagen des klassischen Altertums, die deutschen Volksbücher und anderes für die Jugend erzählt. Stöber Adolf, geb. 7. Juli 1810 zu Straßburg, f 8. November 1892 zu Mülhausen im Elsaß. Er studierte Theologie in feiner Va­ terstadt, wurde 1840 Lehrer, dann Pfarrer in Mülhausen, zuletzt Konsistorialpräsident. Sein Vater Ehrenfried Stöber, wie sein äl­ terer Bruder August Stöber sind gleichfalls als Dichter bekannt. Stolberg Friedrich Leopold, Graf von, geb. 7. November 1750 zu Bramstedt in Holstein, f 5. Juli 1819 zu Sondermühlen. Er studierte Rechtswissenschaft in Göttingen, wo er mit seinem Bru­ der Christian, Voß und andern Mitbegründer des Hainbundes ward. Später trat er und sein Bruder in enge Freundschaft zu Goethe. Stolberg lebte längere Zeit als Regierungspräsident zu Eutin in Holstein, seit 1800 zu Müuster und auf seinem Gute bei Osnabrück. Storm Theodor, geb. 14. September 1817 zu Husum, t 4. Juli 1888 zu Hademarschen bei Hanerau. Er studierte Rechtswissen­ schaft, war Rechtsanwalt in seiner Vaterstadt, dann Richter in ver­ schiedenen Orten Preußens, bis er 1864 wieder in Husum als Amts­ richter angestellt wurde. Seit 1880 lebte er zurückgezogen in Hademarscheit. Storm hat außer Gedichten auch Novellen veröffentlicht. T erste egen Gerhard, geb. 25. November 1697 zu Mörs, f 3. April 1769 zu Mülheim a. d. Ruhr. Er machte die lateinische Schule seiner Vaterstadt durch, erlernte dann die Bandweberei und erwarb damit seinen Unterhalt. Er gehörte der reformierten Konfession an und ward mehr uud mehr ein echter Mystiker in mittelalterlicher Weise. Er lebte in Zurückgezogenheit in Mülheim, stets kränklich,' (eine Lieder sind in dein „geistlichen Blumengärtlein" gesannnelt. Tieck Ludwig, geb. 31. Mai 1773 zu Berlin, f 28. April 1853 daselbst. Er studierte an verschiedenen Hochschulen Geschichte und Altertumswissenschaft, widmete sich aber ausschließlich schriftstellerischer

270 [IV] Lebensabriß der Dichter.

Nachweis der Quellen.

Thätigkeit. Leine Werke bestehen in Gedichten, Novellen, Dramen, Übersetzungen (Shakespeare) und kritischen Arbeiten. Bon 1819 bis 1840 lebte er in Dresden, von da ab in Berlin und Potsdam. Uhland Ludwig, geb. 26. April 1787 zu Tübingen, f 13. November 1862 daselbst. Er studierte in seiner Vaterstadt die Rechts­ wissenschaft, machte 1810 eine Studienreise nach Paris, war eine zeitlang Advokat, dann im Württemberger Landtage hervorragend thätig, 1830—1833 Professor der Litteraturgeschichte in Tübingen. Er nahm feine Entlassung, da ihm der Urlattb zur Teilnahme am Landtag verweigert wurde, und entfaltete nun eine ausgedehnte Thätigkeit als Politiker wie als Gelehrter. Eine Erkältung, die er sich bei der Begräbnisfeier seines Freundes, des Dichters Kerner, Zugezogen, führt'e seinen Tod herbei. Die Stoffe seiner zahlreichen Balladen entnahm er mit Vorliebe dem Mittelalter. Uhland hat zwei Dramen geschrieben: „Ernst von Schwaben" und „Ludwig der Baier"- beide verherrlichen die deutsche Treue. Atlch als litterarhistorischer Forscher hat Uhland Bedeutendes geleistet. Bost Johann Heinrich, geb. 20. Februar 1751 zu Sommers­ dorf in Mecklenburg, f 29. März 1826 zu Heidelberg. Er studierte Philologie in Göttingen, wo er sich dem Hainbünde anschlosi. Als Rektor in Eutin gab er,,die berühmte Übersetzung des Homer heraus, welcher viele andere Übertragungen antiker Dichter folgten. Er­ dichtete auch Jdpllen, von denen Luise die berühtuteste, der 70. Ge­ burtstag die beste ist. Von 1805 ab war Vosi Professor in Heidelberg.

Nachweis -er (Quellen. Arndt: Gedichte, Leipzig, Weidmann, 1840 (Nr. 78 mit eine Strophe, Nr. 80 uni zwei Strophen gekürzt). Chamisso: Werke, 6 Bde., Leipzig, Weidmann, 1836 — 39. Claudius: Sämtliche Werke, 8 Teile, Wandsbeck, 1774—1812, beim Verfasser. Dach: Gesichte, herausgeg. von Qesterley, in: Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts, von Gödecke und Tittmann, 9. Bd., Leipzig, Brockhaus, 1876, S. 202 und 123 (Nr. 7 um eine Strophe ge­ kürzt). Nr. 8 aus Herders Werken, Ausg. von Suphahn, Berlin, Weidmann, 1885, Bd. 25, S. 176. Doh m: Kladderadatsch 1870, Nummer 40 (28. August), Berlin, Hofmann. Droste-Hüls ho ff: Gesauunelte Schriften, herausgegeben von L. Schücking, Stuttgart, Cotta, 1878, Bd. 1 und Bd. 4. Eichendorfs: Sämtliche Werke, 9. Aust., Leipzig, Günther, 1875 (Nr. 153 um eine Strophe gekürzt). Eichrodt: Gesammelte Dichtungen, Stuttgart, Bouz, 1890, Bd. 1, S. 320. Feuchters leben: Sämtliche Werke, herausgeg. von Friedr. Hebbel, 7 Bde., Wien, Gerold, 1851-1853, Bd. 1. S. 5.

270 [IV] Lebensabriß der Dichter.

Nachweis der Quellen.

Thätigkeit. Leine Werke bestehen in Gedichten, Novellen, Dramen, Übersetzungen (Shakespeare) und kritischen Arbeiten. Bon 1819 bis 1840 lebte er in Dresden, von da ab in Berlin und Potsdam. Uhland Ludwig, geb. 26. April 1787 zu Tübingen, f 13. November 1862 daselbst. Er studierte in seiner Vaterstadt die Rechts­ wissenschaft, machte 1810 eine Studienreise nach Paris, war eine zeitlang Advokat, dann im Württemberger Landtage hervorragend thätig, 1830—1833 Professor der Litteraturgeschichte in Tübingen. Er nahm feine Entlassung, da ihm der Urlattb zur Teilnahme am Landtag verweigert wurde, und entfaltete nun eine ausgedehnte Thätigkeit als Politiker wie als Gelehrter. Eine Erkältung, die er sich bei der Begräbnisfeier seines Freundes, des Dichters Kerner, Zugezogen, führt'e seinen Tod herbei. Die Stoffe seiner zahlreichen Balladen entnahm er mit Vorliebe dem Mittelalter. Uhland hat zwei Dramen geschrieben: „Ernst von Schwaben" und „Ludwig der Baier"- beide verherrlichen die deutsche Treue. Atlch als litterarhistorischer Forscher hat Uhland Bedeutendes geleistet. Bost Johann Heinrich, geb. 20. Februar 1751 zu Sommers­ dorf in Mecklenburg, f 29. März 1826 zu Heidelberg. Er studierte Philologie in Göttingen, wo er sich dem Hainbünde anschlosi. Als Rektor in Eutin gab er,,die berühmte Übersetzung des Homer heraus, welcher viele andere Übertragungen antiker Dichter folgten. Er­ dichtete auch Jdpllen, von denen Luise die berühtuteste, der 70. Ge­ burtstag die beste ist. Von 1805 ab war Vosi Professor in Heidelberg.

Nachweis -er (Quellen. Arndt: Gedichte, Leipzig, Weidmann, 1840 (Nr. 78 mit eine Strophe, Nr. 80 uni zwei Strophen gekürzt). Chamisso: Werke, 6 Bde., Leipzig, Weidmann, 1836 — 39. Claudius: Sämtliche Werke, 8 Teile, Wandsbeck, 1774—1812, beim Verfasser. Dach: Gesichte, herausgeg. von Qesterley, in: Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts, von Gödecke und Tittmann, 9. Bd., Leipzig, Brockhaus, 1876, S. 202 und 123 (Nr. 7 um eine Strophe ge­ kürzt). Nr. 8 aus Herders Werken, Ausg. von Suphahn, Berlin, Weidmann, 1885, Bd. 25, S. 176. Doh m: Kladderadatsch 1870, Nummer 40 (28. August), Berlin, Hofmann. Droste-Hüls ho ff: Gesauunelte Schriften, herausgegeben von L. Schücking, Stuttgart, Cotta, 1878, Bd. 1 und Bd. 4. Eichendorfs: Sämtliche Werke, 9. Aust., Leipzig, Günther, 1875 (Nr. 153 um eine Strophe gekürzt). Eichrodt: Gesammelte Dichtungen, Stuttgart, Bouz, 1890, Bd. 1, S. 320. Feuchters leben: Sämtliche Werke, herausgeg. von Friedr. Hebbel, 7 Bde., Wien, Gerold, 1851-1853, Bd. 1. S. 5.

Nachweis der Quellen.

[IV] 271

F lemi n g: Gedichte, in : Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts, von Gödecke und Tillmann, 2. Bd., Leipzig, Brockhaus, 1870, S. 182 (mit Weglassung der letzten Strophe), S. 86. Freiligrath: Gesammelte ^Dichtungen, 6 Bde., Stuttgart, Göschen, 1871. Geibe l: Gescunmelte Werke, 8 Bde., Stuttgart, Cotta, 1883 (Nr. 204 um eine atrophe gekürzt). Gerhardt: Geistliche Lieder, herausgeg. von PH. Wackernagel, 3. Ausl., Stuttgart, Liesching, 1861 (Nr. 5 ist gekürzt). Goethe: Werke in 36 Bden., herausgeg. von Gödeke, Stuttgart, Cotta, o. I. Die Verteilung der Textworte in Nr. 30 (Mahomets Gesang) und Nr. 38 (Gesang der Geister) an zwei Per­ sonen ist nach Viehosf, Goethes Gedichte, Stuttgart, Conradi, 1870, Bd. 2, S. 48 (Nr. 30) und nach Göhinger, Deutsche Dichter, 5. Ausl., Aarau, L-auerländer, 1876, Bd. 1, S. 584 (Nr. 38); Nr. 43 (Episteln) ist gekürzt. Greif: Gedichte, Leipzig, Amelang, 1895, 6. Auflage. Nr. 231 ist in der Fassung der 5. Auflage (1889) abgedruckt. Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicius Simplicissimus, Leipzig, Wigand, 4. Aufl. 1875, S. 26. Grün: Gedichte, 2. Aufl. Leipzig, Weidmann, 1838. Hamerli ng: Ein Schwanenlied der Romantik, Hamburg, Richter, 4. Aufl., 1873, S. 85 (die Einteilung in I und II, wie die kleine Textänderung in der ersten Zeile des 2. Liedes ist vom Dichter persönlich so gewünscht worden). Hauff: Prosaische und poetische Werke, 12 Bde. Berlin, Hempel, o. I., Bd. 1, S. 35. Heine: Werke, herausgeg. von Elster, Leipzig, bibliographisches In­ stitut, o. I., Bd. 1 und 2. Hensel: Lieder, Paderborn, Schöningh, 6. Aufl. 1887. Herder: Sämtliche Werke, herausgeg. vou Suphan, Berlin, Weid­ mann, 1885—88, Bd. 29, S. 75; 28, S. 179; 25, S. 443. Herwegh: Gedichte eines Lebendigen, 7. Aufl., Zürich und Winter­ thur, Litterarisches Comptoir, Bd. 1, S. 75. HeVse: Gedichte, Berlin, Hertz, 1872. Hoffinann von Fallersleben: Gedichte, Halle, Gesenius, o. I., Hölderlin: Sämtliche Werke, herausgeg. von Theodor Schwab, 2 Bde., Stuttgart u. Tübingen, 1846 (Nr. 71 mit Weglassung der ersten 18 Distichen). Keller: Gesammelte Gedichte, 2. Ausl., Berlin, Hertz, 43. Kerner: Ausgewählte poetische Werke, 2 Bde., Stuttgart, Cotta, 1878. Kinkel: Gedichte, Stuttgart, Cotta, 1843, S. 106. KloPstock: Werke, herausgeg. von Boxberger, Berlin, Hempel, o. I., Bd. 5. Körner: Werke, vollständigste Ausgabe, Berlin, Hempel, o. I. — Tagebuch und Kriegslieder. Nach der Originalhandschrift ooit Peschel, Freiburg, Fehsenfeld, 1893. Lenau: Gedichte, 2 Bde., Stuttgart, Cotta, 1857; Bd. 1. — Dichte­ rischer Nachlaß, herausgeg. von Anast. Grün, Stuttgart, Cotta, 1858, S. 153 (Nr. 124). Lingg: Gedichte, 2. Aufl., Stuttgart, Cotta 1855. Luther: Dichtungen in gebundener Rede, herausgeg. von Georg Dchleusner; Wittenberg, Wunschmann, 1892, Seite 70.

272 [IV]

Nachweis der Quellen.

Meyer Konrad Ferdinand: Gedickte, 5. Aufl., Leipzig, Häst'el, 1892Möri ke Eduard: Gedichte, 12. Aufl., Stuttgart, Göschen, 1897. Müller Friedrich: Werke, Heidelberg, Mohr, 1825, Bd. 2, S. 339. Müller Wilhelm: Gedichte, herausgeg. von Max Müller, Leipzig, Brockhaus, 1868 (in Nr. 160 ist die Schreibweise Munkacs in Munkatsch geändert worden). Müller Wolfgang: Lorelei, 4. Ausl., Leipzig, Brockhaus, 1873. Novalis: Gedichte, herausgeg. von W. Beyschlag, 3. Ausl. Leipzig, Böhme, 1886. Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, herausgeg. von Österlcy, Berlin u. Stuttgart, Spcmann, o. I. Platen: Gesammelte Werke, Stuttgart, Eotta, 1839 (Nr. 147, i ist aus der Parabase am Schlüsse des Lustspiels: Der romantische Ödipus- II ans der am Schlüsse des 1. Aktes des Lustspiels: Die verhängnisvolle Gabel). Reinick: Märchen-, Lieder- und Geschichtenbuch, Bielefeld, 1884. Deutscher Musenalmanach für das Jahr 1837, herausgeg. von Adelbert von Chamisso, Leipzig, Weidmann, S. 213. Rückert: Gesammelte Gedichte, 6 Bde., Erlangen, Heyder, 3. Aufl., 1838—39. — Gedichte. Neue Auswabl. 22. Aufl., besorgt von Huyssen, Frankfurt, Sauerläuder, 1886. — Weisheit des Brah­ manen, 10. Aust., Leipzig, Hirzcl, 1878 (die Überi ckriften fehlen im Original); 4 zweizeilige Sprüche, W. d. Br. S. 564, sind bei uns den angereihten Perleit als Nr. 12—15 angefügt). — Kiudertotenlieder, aus bcm 9Lachlasse, Frattkfurt a. M., 1872. Sachs: abgedruckt aus Schauenburg und Hoches Deutschem Lesebuch, 1. Teil, 2. Ausl., Essen, Bädeker, 1874. S ch a ck: Gesammelte Werke, 6 Bde., Stuttgart, Cotta, 1883, Bd. 4, S. 165, Bd. 1, S. 235, 428. Scheffel: Der Trompeter von Säckingen, 200. Aufl., Stuttgarts!892. Seyenkendo rf: Gedichte, 3. Aufl., herausgeg. von Hageu, Stutt­ gart, Cotta, 1862. Schiller: Werke, herausgeg. von H. Kurz, Leipzig, bibl. Iilstitut, o. I. Schwab: Gedichte, Leipzig, Reelam, 1882. ~ stöber: Gedichte, Halmover, Hahn, 1845, 3. Stolberg: Gedichte, herausgeg. twu Boie, Karlsruhe, 1783. Storni: Gedichte, 10. Aufl., Bet litt, Pütel, 1894. Tieck: Gedichte Dresden, Hilscher, 1821, Bd. 1, S. 120. Nhland: Gedichte und Dramen, 3 Teile, Stuttgart, Cotta, 1885, herausgeg. Don Holland. Volkslieder: Uhland, alte hoch- und niederdelitsche Volkslieder, 1. Bd. Liedersammlung, Stuttgart, Cotta, 1844. — G. Scherer, Jungbrlnuieu, Berlin, Hertz, 3. Anst. 1875, S. 278. — A. v. Arnim und Klem. Brentano: Des Knaben Wunderhorn, Alte deiltsche Lieder, neu bearbeitet von Ant. Birlinger und Wilh. Crecelius, Wiesbaden, Killinger, 1874, 2 Bde. Bd. 1, S. 222. — Herder: Stinlmen der Völker, Stuttgart, Cotta, 1846. Vost: Von den 3 Bearbeitungen des 70. Geburtstages ist hier die 2. gewählt, abgedruckt aus Ph. Wackernagels Auswahl deutscher Gedichte, Berlin, Duncker und Humblot, 1832, S. 8. Die 1. Bearbeitung hat 95 Zeilen, die 3. deren 232.

[IV] 273

Inhalt I Zusammenstellung gleichartiger Gedichte. (Die Zahlen sind die Nummern der Gedichte.) A.

Nach

dem

Inhalt.

I. Die Natur. 1. Frühling. 205 Geibel, Frühlingsgesang des Jbykus. — 165 Heine. Aus dem neuen Frühling. — 73 Höld erlin, Der gefesselte" Strom. — 123/ 125 Lenau, Der Postillion- Primula veris. — 120 Mörike, Er ists. — 158 Müller, Morgenlied. — 179 Re in ick, Frühlingsglockell. — 100, 109 Uhlan d, Märznacht - Frühlingslieder.

2. Sommer.

5 Gerhardt, Sommergesang. — 224, 226, 228 Greif, Früh­ ling der Heide- Das erste Sommergras- Hochsommernacht. — 164 Heine, Aus dem Buch der Lieder. — 14, 15 Kl opst o ck, Die frühen Gräber; Die Sonunernacht. — 210 Schack, Im Grase. — 212 Stör m, Abseits.

3. Herbst. 167 Heine, Der scheidende Sommer. — 76 Tieck, Herbstlied. — 102 Uhland, Einkehr.

4. Winter. 196 Geibel, Hoffnung, — 13 Klopstock, Der Eislauf. — 22 Bost, Der siebzigste Geburtstag.

5. Morgen; Tag. 153 Eichendorfs, Morgengebet. — 222 Heuse, Über ein Stündlein. — 120 Mörike, In der Frühe. — 158 Müller, Mor­ genlied. — 212 torin, Abseits. — 89 Uhland, Lchäsers Sonnragslied.

6. Abend; Nacht. 16 Claudius, Abendlied. - 149, 152, 154 Eichendorff, Sehnsucht- Mondnacht - Der Einsiedler. — 204 Geibel, Nachts am Meer. — 35, 36 Goethe, Wanderers Nachtlied. — 228, 229, 232 Greif, Hochsommernacht- Nachtgefühl- Wunsch am Abend. — 11 Grimmelshausen, Einsiedlers Abendlied. — 118 Hauff, Sol­ datenliebe. — 163, 2 164 5, (> Heine, Abenddämmerung- Aus dem Buch der Lieder. — 70 Höl derlin, Die Nacht. — 206 Kinkel, Abendlied. — 14, 15 Klopstock, Die frühen Gräber- Die Sommer­ nacht. — 123, 126, 127 Lenau, Der Postillion - Bitte- Schilflied. — 131 Rückert, Abendlied.

7. Tierwelt. 177 Dro st e, Heidebilder. —188 Freil igr ath,Schwalbenmärchen. — 45 Goethe, Die Frösche. — 11 Grimmelshausen, Einsiedlers H c f s e l, Vciebuct) IV. Gedichte. 18

274 [IV]

Inhalt I.

Abendsted. — 143 1 Rückert, Ursprung der Rose. — 212 Storm, Abseits. — 76 Tieck, Herbstlied.

8. Pflanzenwelt; Wald. 148 Eichendorff, Abschied. — 187 Freiligrath, Die Tanne. — 29,^42 Goethe, Das Veilchen- Gefunden. — 226,230 Greif, Das erste Sommergras; Die Bergföbre. — 215 Keller, Waldlied. — 125, 127 Lenau, Primula veris- Schilflied. — 161 Müller, Der Lindenbaum. — 143 i 9tliefert, Ursprung der Rose. — 213 Storm, Im Walde. — 102 Uh land, Einkehr.

9. Lust und Berge. Wasser und Meer. 227 Greif, Die einsame Wolke. — 184 Grün, Zwei Heimge­ kehrte. — 72 Hölderlin, An den Äther. — 215 Keller, Waldlied. — 75 Novalis, Bergmannslied. — 176, 177 Droste, Der Knabe im Moor- Heidebilder. — 204 Geibel, Nachts am Meere. — 30, 32,34,37,38 Goethe, Mahomets Gesang- Auf den: See- MeeresstilleDer Fischer- Gesang der Geister. — 225 Greif, Am Wasserfall. — 185 Grün, Begrünung des Meeres. — 163, 166, 168 Heine, Aus den Nordseeliedern- Aus Seraphine- Ehilde Harold. — 73 Hölder­ lin, Der gefesselte Strom. — 147 L euau, Blick in den Strom. — 217 Meyer, Gesang des Meeres. — 159, 162 M üller, Der klline Hydriot; Vineta. — 180 R einick, Der Ostrom. — 21 Stolberg, Der Felsenstrom. — 96, 101 Uhlaud, des Knaben Berglied- Das Schifflein.

11. Vaterland und Fremde. 10. Deutsches Land und Volk. 78 Arndt, Des Deutschen Vaterland. — 221 Hamerliug, Baterlandslicd. — 170 Heine, Deutschland. — 183 Hoffmann, Das Lied der Deutschen. — 176, 177 Dr vste, Der Knabe im MvorHeidebilder. — 186, 192 Freiligrath, Die Auswanderer- Am Baum der Menschheit. — 202 Geibel, Ich Jnbr von St. Göar. — 71 Hölderlin, Der Wanderer. — 211 Scha ck, Aus der Heimat. — 219 Scheffel, Lied des Trompeters von Säckingen. — 83, 84 Schenkendorf, Frühlingsgrutz an das Vaterland- DaS Lied vom Rhein. — 96 Uhl and, Des Knaben Berglied.

11. Deutsche Geschichte und Sage. 103 Uhland, Siegfrieds Schwert. — 12 Klop st o ck, Hermann und Thusnelda. — 128 Rückert, Barbarossa. — 113 Kerner, Der­ reich ste Fürst. — 6 Gerhardt, Danklied für die Verkündigung des Friedens. — 197 Geibel, Sansjouei. — 81 Schenkendorf, Auf den Tod der Königin Luise. — 85, 86 Körner, Bor Rauchs Büste der Königin Luise- Aufruf. — 129 Rückert, Geharnischtes Sonett. 207 Müller, Nächtliche Erscheinung zu Speier. — 198 Geibel, Lied des Alten im Barte. — 231 Greif, Auf dem Schlachtfeld von Wörth. — 193 Freiligrath, Die Trompete von Vionville. — 214 Dohm, Die Schlacht von Metz. — 209 Schack, Beim Siegeseinzug in Berlin.

12. Deutsche Freiheitskämpfe und Freiheitssänger. 78, 79 Arndt, Des Deutschen Vaterland- Wer soll der Hüter ein? — 86—88 Körner, Aufruf- Abschied vom Leben- Schwertlied.

Inhalt I.

[IV] 275

— 1*29/ 130, Rückert/ Geharnischtes Sonett- Körners Geist. — 82— 84 Schenkendvrf, Freiheit- Frühlingsgruß an das Vaterland Das Lied Dom Rhein. — 107 Uh land, An das Vaterland. — 214

D ohm, Die Schlacht von Metz. — 193 Freiligrath, Die Trom­ pete von Bionville.

13. Charakterbilder deutscher Männer und Frauen. 197 Geibel, Sanssouci. -- 85 Körner, Vor Rauchs Büste der Königin Luise. — 81 Swenkendorf, Aus den Tod der Königin Luise. — 129 Rnckert/ Geharnischtes Sonett. — 79 Arndt, Wer soll der Hüter sein. — 209 S chack. Beim Siegeseinzug in Berlin.

14. Charakterbilder deutscher Dichter. Poesie. Deutsche Dichtung: 147 löten, Parabasen. — Goethe: 197 Geibel, Sanssouei. — 58 Göthe, Der Dichter über sich selbst und seine Kunst. — Körner: 129, 130 Rückert, Geharnischtes SonettKörners Geist. — Schenkendorf: 79 Arndt, Wer soll der Hüter sein. — Rückert: 143 n, 12 Rückert, Aus der Weisheit des Brahtnanen. — Schwäbische Dichter: 116 Kerner, Die schwäbische Dichter­ schule. — Chamisso: 172 Das Schloß Boncourt. — Geidel: 202 Geibel, Ich fuhr von 2t. Goar. -- Poesie: 174 Chamisso, Frisch gesungen. — 201 Geibel, Das vergessene Lied. — 115 Kerner, Poesie. — 59 Schiller, Das Mädchen ans der Fremde. — 182 Stöber, An Dichter mib Leser. — 106, 108, 110 Uhland, Freie Kirnst- Des Sängers Fluch- Bertran de Born.

15. Ferne Zeiten und ferne Lande. 205 Geibel, Aus dem klassischen Liederbuch. — 146 Platen, Pindars Tod. — 94 Uhl and, Die sterbenden Helden. — 144 Pla­ ten, Das Grab im Busento. — 223 Heyse, Das Thal des Espingo. — 110 Uhland, Bertran de Born. — 145 Platen, Der Pilgrim vor St. Just. — 199 Geibel, Bothwell. — 188, 189 Freiligrath, Schwalbenmärchen- Ammonium. — 200 Geibel, Schön Ellen. — 169 Heine, In der Fremde. — 159, 160 Müller, Der kleine Hydriot- Alexander Dpsilnnti. — 111, 112 Uhland, Der Waller- Die Bidassoabrücke.

III. Menschenleben. 16. Gottvertrauen.

Lebensweisheit.

17—20 Claudius, Bei dem Grabe meines Vaters- Der TodDie Liebe- Wohlthaten. — 178 Droste, Der verdorrte Feigenbaum. — 153, 154 Eichendorfs. Morgengebet- Der Einsiedler. — 10 Fle­ ming, Gottvertrauen. — 190, 194 Freiligrath, C, lieb, so lang du lieben kannst; Das bessere Land. — 38, 45—58 Goethe, Gesang der Geister, Spruwdichrungen. — 24, 25 Herder, Sprüche aus dem Morgenland- Das Kind der Sorge. — 222 Heyse, Über ein Stünd­ lein. — 114 Kerner, Sehnsucht. — 124 Lenau, Blick in den ^troin. — 119, 120 Mörike, Gebet- In der Frühe. — 137, 138, 140—143 R ü ck e r t, Spruchdichtungen. — 60, 61, 69 Schiller, Spräche Distichen. — 105 Uhland, Die verlorene Kirche.

17. Kinderleben. 159 Müller, Der kleine Hydriot. — 179 R e inick, Frühlings­ glocken. — 133, 139 Rückert, Kindertotenlieder- Aus der Jugendzeit.

Inhalt I.

276 [IV] 18. Familienleben.

Frauenleben.

77 Arndt, Los des Schönen. — 173 Chamisso, Die alte Waschfrau. — 17 Claudius, Bei dem Grab meines Vaters. — 7, 8 Dach, Lied der Freundschaft- Annchen von Tharau. — 220 Eich­ rodt, Die Kameraden. — 9 Fleming, Tas treue Herze. — 191, 195 Freiligrath, Ruhe in der Geliebten- Sobald das Kind sich zeigt. — 203 Geibel, Wenn sich zwei Herzen scheiden. — 41, 43, 44 Goethe, Aus Wilhelm Meister- Episteln- Trost in Thränen. — 118 Hauff, Soldatenliebe. — 164, 165, 167 Heine, Aus dem Buch der Lieder- Aus dem neuen Frühling- Der scheidende Sommer. — 12,14 Klopstock, Hermann und Thusnelda- Die frühen Gräber. — 85 Körner, Vor Rauchs Büste der Königin Luise. — 132 Rückert, Aus dem Liebesfrühling. — 81 Sch en k en do rf. Auf den Tod der Königin Luise.

19. Feste. 151 Eichen dorff, Sonntag. — 89 Nhland, Schäfers Sonnragslied.

20. Heimat. Abschied. Wanderschaft. Heimat: 172 Chamisso, Das Schlost Boncourt. — 223 Heys e, Das Thal des Espingo. — 114 Kerner, Sehnsucht. — 216 Lingg, Heimkehr. — 139 Rückert, Alls der Jugendzeit. — 211 Schack, Aus der Heimat. — Abschied: 148 Eichendorff, Abschied. — 186 Frei­ ligrath, Die Auswallderer. — 167 Heine, Der scheidende Sommer. — 156 Hensel, Scheidegruß. — 23 Müller, Soldatenabschied. — 161 Müller, Der Lindenbaum. — Wanderschaft: 149, 150 Eichen­ dorfs, Sehnsucht- Die Stille. — 187, 188 Freilig ra th. Die TanneSchwalbenmärchen. — 28, 32—36, 41 Göthe, Der Wandrer- Auf dem See- Jägers Abendlied- Meeresstille und glückliche Fahrt- Wan­ derers Nachtlied- Ein gleiches- Mignoil. — 184 Gr ün, Zwei Heim­ gekehrte. — 163, 164, 166, 169 Heine, Aus den Nordseeliedern Aus dem Buch der Lieder- Aus Seraphine, In der Fremde. — 71 Hölderli n, Der Wanderer. — 120 M ö r ike, In der Frühe. — 137 Rü ckert, Reisegesellschaft.

21. Tod.

Grab.

Ewigkeit.

77, 79, 80 Arndt, Los des Schönen- Wer soll der Hüter fein; Grablied. — 17, 18 Claudius, Bei dein Grab meines Vaters- Der Tod. — 155 Eichendorfs, Auf meines Kindes Tod. — 220 Eich­ rodt, Die Kameraden. — 181 Feuchtersl e b en, Nach altdeutscher Weise. — 190, 193, 194 Freiligrath, O, lieb, so lang du lieben kannst- Die Trompete von Vionville- Das bessere Land. — 203 Geibel, Wenn sich zwei Herzen scheiden. — 39, 41 4 Göthe, Erl­ könig- Mignon. — 231 Greif, Auf dem Schlachtfelde von Wörth. — 168 Heine, Childe Harold. — 27 Herder, Erlkönigs Tochter. — 208 Herweg h, Strophen aus der Fremde. — 14 Klopstvck, Die frühen Gräber. — 87 Körner, Abschied vom Leben. — 144 Pl aten, Das Grab ün Buscnto. — 130, 133 Rückert, Körners Geist - Kin­ dertotenlieder. — 81 Schenken d orf, Auf den Tod der Königin Luise. — 117 Schwab, Das Gewitter. — 92—95, 97, 98, 108, 111 Uhl an d, Der Schäfer - Die Vätergruft- Die sterbenden Helden - Der König auf den: Turme- Der schwarze Ritter- Der Wirtin Töchterlein- Des Sängers Fluch- Der Waller. — 33 Volkslied, Schlachtgesang.

Inhalt I. B.

[IV] 277

N a cf) (Gattungen der Dichtkun st.

I. Lehrdichtung (Didaktik). 22. Fabel. 45 Goethe, Die Frösche.

23. Gleichnis.

Parabel.

Allegorie.

178 Droste, Der verdorrte Feigenbaum. — 196, 2053 Geibel, Hoffnung; Das lecke Staatsschiff. — 30, 34, 38, 42, 58 3 Göthe, Mahomets Gesang- Meeresstille und glückliche Fahrt- Gesang der Geister- Gefunden- Natur und Kunst. — 225,230 Greif, Am Wasser­ fall- Die Bergföhre. — 164, 170 Heine, Ein Fichtenbaum steht ein­ sam- Deutschland. — 157 Hensel, Die Kinder m der Fremde. — 25 Herder, Das Kind der Sorge. — 88 Körner, Schwertlied. — 1 Luther, Frau Musika. — 162 Müller, Vineta. — 180 Re in ick, Der Strom. — 134 Rückert, Das Meer der Hoffnung. — 105 U hland, Die verlorene Kirche.

24. Rätsel (vgl. Gedichte I—III). 25. Spruchdichtung. Epigramm. 18—20 Claudius, Sprüche. — 10 Fleming, Gottvertrauen. — 45—58 Goethe, Spruchdichtungen. — 24 Herder, Sprüche. — 74 Novalis, An einen Freund. — 141—143 Rückert, Spruch­ dichtungen. — 60, 61, 69 Schiller, Sprüche- Distichen.

II. Erzählende Dichtung (Epik). 26. Märchen. 188 Freiligrath, Schwalbenmärchen. — 43 i Goethe, Epistel. — 143 Rückert, Ursprung der Rose.

27. Sage. 171 Cha m iss o, Das Niesenspielzeug. — 27 Herder, Erlkönigs Tochter. — 207 Müller, Nächtliche Erscheinimg zu Speier. — 144 Plat en, Das Grab im Busento. — 128 R ü ckert, Barbarossa.

28. Fromme Sage (Legende). 175 Chantisso, Die Kreuzschau. — 26 Herder, Der gerettete Jüngling. — 2 Sachs, Johannes mit dem Jüngling.

29. Ballade und Romanze. 200 Geibel, Schön Ellen. — 31,37,39—41 Goeth e, Der König in Thule- Der Fischer- Erlkönig- Der Sänger- Mignon I. — 223 Heyse, Das Thal des Espingo. — 113 Kerner, Der reichste Fürst. — 218 Meyer, Mit zwei Worten. — 122 Mörike, Schön Roh­ traut. — 207 Müller, Nächtliche Erscheinung zu Speyer. — 144, 145 Platen, Das Grab im Busento- Der Pilgrim vor St. Just. 62—64, 68 Schiller, Der Taucher- Der Handschuh- Die Kraniche des Jbykus- Der Graf von Habsburg. — 117 Schwab, Das Ge­ witter. — 91-95, 97, 99, 108, 110—112 Uhland, Das Schloff am Meere- Der Schäfer- Die Vätergruft- Die sterbenden Helden- Der König aus dem Turme- Der schwarze Ritter- Die Rache- Des Sängers'Fluch- Vertrau de Born- Der Waller- Die Bidassoabrücke.

278 [IV]

Inhalt I.

30. Geschichtliche Erzählung (Rhapsodie). 214 Dohm, Die Schlacht von Metz. — 193 Frei!igrath, Die Trompete von Vionville. — 199 Geibel, Bothwell. — 160 Müller, Alexander Ypsilanti.

31. Poetische Erzählung. 220 Ei chrodt, Die Kameraden. — 186 Auswanderer. — 123 Lenau, Der Postillion.

Freiligrath, Die

32. Launige Erzählung. Schwank. 43 i Goethe, Epistel. — 184 Grün, Zwei Heinigekehrte. — 63 Schiller, Der Handschuh.

33. Idylle. 173 Chamisso, Die alte Waschfrau. — 177 Droste, Heide­ bilder. — 189 Freiligrarh, Ammonium. — 202 Geibel, Ich fuhr von St. Goar. — 28 Goethe, Der Wandrer. — 22 Vos;, Der siebzigste Geburtstag.

III. Gefühlsdirhlung (Lyrik). 34. Lied. 78,80 Arndt, Des Deutschen Vaterland- Grablied. — 16 Cla udius, Abendlied. — 7, 8 Dach, Lieder. — 148—151 Eichendorff, Lieder. — 181 Feuchter sieben, Nach altdeutscher Weise. — 9 Fleming, Das treue Herze. — 196, 198, 205 (Deibel, Lieder. — 29, 33,35, 36 Goethe, Lieder. - 221 Hamerliug, Vaterlandslied. — 163—170 Heine, Lieder. — 183 Hoffma u n, Das Lied der Deutschen. — 215 Keller, Waldlied. — 206 Kinkel, Ein geistlich Abendlied. — 88 Körner, Schwertlied. — 75 Novalis, Bergmannslied. — 4 Opitz, Ode. — 219 Scheffel, Lied des Trompeters. — 65 Schiller, Das Lied von der Glocke. — 76 Tieck, Herbftlied. - 89, 90, 96, 98, 102-104, 109 Uhlaud, Lieder.

35. Volkslied. 44 Goethe, Trost in Thränen. — 118 Hauff, Soldatenliebe. — 27 Herder, Erlkönigs Tochter. — 23 & filier, Soldateuabscküed. — 98 Uhland, Der Wirtin Töchterlein. — 3 Volkslieder.

36. Geistliches Lied; Ode, Hymne. Geistliches Lied: 80 Arndt: Grablied. —

16 Claudius, Abend­ lied. — 178 Droste, Das Gleichnis vom Feigenbaum. — 152—154 Eichendorff, Mondnacht,- Morgengebet- Der Einsiedler. — 10 Fl eming, Gottvertrauen. — 5, 6 Gerhardt, SommerqesangDanklied. — 11 Grimmelshau s en, Einsiedlers Abendlied. — 157 Hensel, Die Kinder in der Fremde. — 206 Kinkel, Ein geistlich Äbendlied. — Ode: 205 Geibel, Aus dem klassischen Liederbuch. — 73 Hölderlin, Der gefesselte ^trom. — 12—15 Klopstock, Oden. — 4 Opitz, Ode. — 21 Stolberg, Der Felsenstrom. — Hymne: 78 Arndt, Des Deutschen Vaterland. — 198 Geibel, Lied desAlten im Bart. — 30, 35, 38 Goethe, Mahomets Gesang- Wan­ drers Nachtlied- Gesang der Geister. — 183 Hoffmann, Das Lieb der Deutschen. — 70, 72 Höl derlin, Die Nacht - An den Äther. — 86 Körner, Aufruf. — 82 Schenkendorf, Freiheit. — 89 Uh­ land, Schäfers Sonntagslied.

Inhalt I.

[IV] 279

IV. Dramatische Dichtung. 37. Dialoge. Monologe. Stücke aus Dramen. Dialog: 78, 79 Arndt, Des Deutschen Vaterland- Wer soll der Hüter sein. — 194 Freiligrnth, Das bessere Land. — 28, 30, 38, 44 Goethe, Der Wandrer-' Mahomets Gesang- Gesang der Geister über den Wassern- Trost in Thränen. — 116 Kerner, Die schwä­ bische Dichterschule. — 12 Klop stock, Hermann und Thusnelda. — 88 Körner, ^chwertlied. — 91, 94 Uhland, Das Schloß am Meere Die sterbenden Helden. — Monolog: 177 Droste, Kinder am Ufer. — 154 Eichendorfs, Der Einsiedler. — 41 Goethe, Mignon. — 157 Hensel, Die Kinder in der Fremde. — 1 Luther, Frau Musika. — 159 Müller, Der kleine Hydriot. — 145 Platen, Der Pilgrim vor St. Just. — 68 Schiller, Das Lied von der Glocke. — Aus Dramen: 147 Platen, Parabasen.

C.

N a ch Formen der Dichtkunst.

I. Deutsche Formen. 38. Kurze Reimpaare. 20 Claudius, Wohlthaten. — 8 Dach, Annchen von Tharau. — 194 Freiligra th, Das bessere Land. — 39 Goethe, Erlkönig. — 88 Körner, ^chwertlled. — 1 Luther, Frau Musika. — 132 Rückert, Aus dem Liebesfrühling. — 98,J)9, 103 Uhland, Der Wirtin Töchterlein - Die Rache - Siegfrieds Schwert.

39. Hildebrandston.

Nibelnngenstrophe.

171, 172, 174 Cham isso, Das Riesenspielzeug- Das Schloß Boncourt- Frisch gesungen. — 7 Dach, Lied der Freundschaft. — 148—150, 152, 155 Eichendorfs, Lieder. — 6 Gerhardt, Dank­ lied. — 31 Goethe - Der König in Thule. — 221 Hamerling, Baterlandslied. — 206 Kinkel, Abendlied. — 159, 161 Müller, Der kleine Hydriot- Der Lindenbaum. — 128, 130, 131 Rückert, Barbarossa - Körners Geist- Abendlied. — 91, 93, 108 Uhland, Das Schloß am Meere- Die Vätergruft- Des Sängers Fluch. — 3 i, 2 Bo l kslieder, Mailied, O Straßburg.

40. Dreiteilige Strophe (Zwei Stollen und ein Abgesang). 78, 80 Arndt, Des Deutschen Vaterland- Grablied. — 173 Chamlsso, Die alte Waschfrau. — 176, 178 Drvste, Der Knabe im Moor- Der verdorrte Feigenbaum. — 9 Fleming, Das treue Herze. — 203 @ et bei, Wenn sich zwei Herzen scheiden. — 34—36, 40, 41 Goethe, Meeresstille und glückliche Fahrt- Wanderers Nacht­ lied- Ein gleiches- Der Sänger- Mignon I. — 120 Mörike, In der Frühe. — 207 Müller, Nächtliche Erscheinung zu Speier. — 2 Sachs, Johannes mit dem Jüngling. — 117 'Schwab, Das Gewitter. — 212 Storm, Abseits. — 94 Uhland, Die sterbenden Helden. — 3 Volkslied, Schlachtgesang.

41. Mundartliches.

Siehe Gedichte III.

II. Fremde Formen. 42. Altgriechische Formen. Hexameter: 43 Goethe, Epistel. — 70, 72 Hölderlin, Die Nacht- An den Äther. —

22 Voß,

Der siebzigste Geburtstag. —

280 [IV]

Inhalt I.

Distichen: 71 Hölderlin, DerWanderer. —69 Schiller, Distichen. — 100 Uhland, Märznacht. — Alkäische Strophe: 2053 Geibel, Das lecke Staatsschiff. — 73 Hölderlin, Der gefesselte Strom. — Sapphische Strophe: 205 1 Geibel: Liebeslied von Sappho. — Griechische Strophen: 12—15 Klopstock, Hermann und Thusnelda Der Eislauf- Die frühen Gräber- Die Sommernacht. — 21 Stol­ berg, Der Felsenstrom. — Adonischer Vers: 125 Lenau, Primula veris. 43. Italienische Formen. Sonett: 58 3 Goethe Natur und Kunst. — 85, 87 Körner, Vor Rauchs Büste der Königin Luise- Abschied vom Leben. — 146 Platen, Pindars Tod. — 129,140 Rückert, Geharnischtes SonettDer Himmel. — Stanzen: 192 Freitigrat h, Am Baum der Mensch­ heit. — 86 Körner, Aufruf. — Terzinen: 175 Chamisso, Die Kreuzschau.

44. Französische Form (Alexandriner). 195 Freitigrath, Sobald das Kind sich zeigt. — 197, 202 Gei­ bel, Sanssouci - Ich fuhr von St. Goar. — 114 Kerner, Sehn­ sucht. — 141, 143 Rückert, Angereihte Perlen- Aus der Weisheit des Brahmanen.

45. Englische Form (Blankvers). Man vergl. Gedichte III. 46. Morgenländische Formen. Gasel: 138 Rückert, Der Schmuck der Mutter. — Freie Rhyth­ men: 28, 30, 38 Goethe, Der Wandrer- Mahomets Gesang- Gesang der Geister. — 224 Greif, Frühling der Heide. — 163 Heine, Aus den Nordseeliedern. — 209 Schack, Beim Siegeseinzug in Berlin.

47. Andere angeeignete Formen. Trochäen: 24, 26 Herder, Sprüche aus dem Morgenland- Der gerettete Jüngling. — 215 Keller: Waldlied. — 113, 115, 116 Kerner, Der reichste Fürst; Poesie- Die schwäbische Dichterschale. — 126, 127 Lenau/ Bitte- Schilflied. — 218 Meyer, Mit zwei Worten. — 160 Müller, Alexander Apsilanti. — 162 Müller, Viueta. — 144, 147 2 Platen, Das Grab im Busento- Parabase. — Anapästen: 147 1 Platen, Parabnse.

Gedichte des Kanons der Unter- und Mittelstufe, die in diesem Teil nochmals abgedruckt sind:

171—173 Chamiss 0, Das Riesenspielzeug- Schlos; Boncourt Die alte Waschfrau. — 16 Claudius, Abendlied. — 186, 193 Freiligrath. Die Auswanderer- Die Trompete von Vionville. — 196 Geibel, Hoffnung. — 39, 42 Goethe, Erlkönig- Gefunden. — 183 Hoffmann, Das Lied der Deutschen. — 113 Kerner, Der reichste Fürst. — 158, 159 Wilhelm Müller, Morgenlied- Der kleine Hydriot. — 179, 180 Rein ick, Frühlingsglocken- Der Strom. — 128 Rückert, Barbarossa. — 117 Schwab, Das Gewitter. — 89, 90, 91, 96, 99, 102, 103 Uhland, Schäfers Sonntagslied- Die KapelleDas Schloß am Meere- Des Knaben Berglied- Die Rache- EinkehrSiegfrieds Schwert

[rv] 281

Inhalt II (Teil I

IV umfassend).

Arndt: 77 Los des Schönen- 78 Des Deutschen Vaterland- Wer soll der Hüter sein? 80 Grablied. I: Gebet eines kleinen Knaben an den heiligen Christ II: Drei Blümelein. III: Deutscher Trost- Das Lied vom FeldmarschallVaterlandslied- Die Leipziger Schlacht- Ballade- Des Schiffers Traum. Bechstein. I: Der Verdrießliche. II: Landgraf- Ludwig und der Löwe- Des Städtchens Name. Becker. III: Der deutsche Rhein. Bertuch. I: Das Lämmchen. Bornemann. III: Der alte Fritz. Brachmann. III: Kolumbus. Brentano. I: Herr Gott, du sollst gelobet sein. III: Die Gottes­ mauer. Bürger. II: Die Schatzgräber- Trost. III: Der brave MannDie Kuh. Chamisso: 171 Das Riesenspielzeug (auch I)172 Das Schloß Boncourt (auch III)- 173 Die alte Waschfrau (auch III); 174 Frisch gesungen- 175 Die Kreuzschau. III: Tragische Geschichte. Claudius: 16 Abendlied (auch III)- 17 Bei dem Grabe meines Vaters- 18 Der Tod- 19 Die Liebe- 20 Wohlthaten. I: Der Esel. II: An einem Maimorgen- Abendlied eines Bauersmannes. III: Die Sternseherin Life- Christiane. Curtman. I: Der König und der Müller. Dach: 7 Lied der Freundschaft; 8 Annchen von Tharau. Deinhardstein. III: Gesang des Bogels über dem Wald. Dieffenbach. I: Kinderlieber- Rätsel (9 Nummern). II: Der lustige Musikant- Die Bachstelze- Durchs Kornfeld. Dohm: 214 Die Schlacht von Metz. Droste-Hülshoff: 176 Der Knabe im Moor- 177 Heidebilder- 178 Das Gleichnis vom verdorrten Feigenbaum. Eberhardt. I: Der Peter in der Fremde. Eichendorff: 148 Abschied - 149 Sehnsucht - 150 Die Stille- 151 Sonntag- 152 Mondnacht- 153 Morgengebet- 154 Der Einsiedler 155 Auf meines Kindes Tod. II: Gottes Segen. III: Reiselied- Der frohe Wandersmann Der Jäger Abschied- Herbst. Eichrodt: 210 Die Kameraden. Engelhard. III: Das Ritterfrüulein auf der Burg Nideck. Enslin. I: Kinderlieber (8 Nummern). II. Lerchensang- Die Reise um die Erde- Das Tannenbäumchen. Falk. I: Allerdreifeiertagslied. Fechner. II: Die vier Hühnchen. III: Rätsel.

282 [IV]

Inhalt 11.

181 Nach altdeutscher Weise. III: Kteobis und Biton. Fleming: 9 Das treue Herze- 10 Gotrvertrauen. Fontane. II: Der alte Zieten. Förster. I: Die Forellen. Fouq ue. III: Brandenburgisches Erntelied- Kriegslied für die freiwilligen Jäger- Turmwächters Lied. Franz. 1: Fliege und Spinne- Die Wachtel- Die Birke und und Tanne. II: Hund und Kätzchen- Gute Nacht- Kaiserkrone. Freiligrath: 186 Die Auswanderer (auch in III)- 187 Die Tanne188 Schwalbenmärchen- 189 Ammonium- 190 O, lieb, so lang du lieben kannst- 191 Ruhe in der Geliebten- 192 Am Baum der Menschheit- 193 Die Trompete von Bionville (auch in III); 194 Das bessere Land- 195 Sobald das Kind sich zeigt. 111: Aus dem schlesischen Gebirge. Fröhlich III: Wiedersinden- Die Nützlichen - Turnen- Vorfrüh­ ling- Glaube- Lebensworte- Wörterkur. Geibel: 196 Hoffnung (auch in III)- 197 Sanssouei- 198 Lied des Alten im Bart- 199 Bothwell- 200 Schön Ellen- 201 Das ver­ gessene Lied- 202 Ich fuhr von St. Goar- 203 Wenn sich zwei Herzen scheiden- 204 Nachts am Meer- 205 Aus dem klassischen Liederbuch. II: Von des Kaisers Bart. 111: Der Zigeunerbube im Nor­ den- Friedrich Rotbart- Morgenwanderung- Aus dem Waldes Der Mai ist gekonnnen- Rheinsage- Lübeck- Gebet. Gellert. I: Der Blinde und der Lahme- Der grüne Esel- Der Bauer und sein Sohn. 11: Ter Tanzbär- Hans Nord- Die Geschichte von dem Hute. III: Der Maler- Die Ehre Gottes aus der Natur. Gerhardt. 5 Sommergesang- 6 Tanklied für die Verkündigung des Friedens. Gerok. II: Der kleine Desertör- Des deutschen Knaben Tisch­ gebet- Wie Kaiser Karl Schulmsitation hielt- Gewitter. Giesebrecht. 111: Der Lotse. Gleim. II: Die Gärtnerin lind die Biene- Die Milchfrau. III: Der Fischreiher- Siegeslied nach der Schlacht bei Prag. Görres. I: Die Kinder im Walde- Der faule Bakel. II: Eine Frage; Hans Teuerlich- St. Meinrads Raben. Goethe: 28 Der Wanderer- 29 Das Veilchen- 30 Mahomets Gesangs 31 Der König in Thule- 32 Auf dem See- 33 Jägers Abend­ lied- 34 Meeresstille und glückliche Fahrt- 35 Wandrers Nacht­ lied- 36 Ein gleiches- 37 Der Fischer - 38 Gesang der Geister über den Wassern - 39 Erlkönig- 40 Der Sänger- 41 Aus Wil­ helm Meister- 42 Gefunden (auch in I)- 43 Episteln - 44 Trost in Thränen- 45—5b Spruchdichtungen. I: Heidenröslein. II: Gutmann und Gutweib. III: Legende vom Hufeisen- Schweizerlied- Geistesgruß- Der Schatzgräber Der getreue Eckart- Der Zauberlehrling. Feuchtersleben: Fischer.

Inhalt II.

[IV] 283

Greif: III: Der fromme Hirtenknabe- Das Hüterkind - Rheinfahrt. Grimmelshausen: 11 Einsiedlers Abendlied. Groth. III: Matten Has- Opstan- Sünnschin-Tunkönig- SpatzAanten int Water. Grün: 184 Zwei Heimgekehrte- 185 Begrüßung des Meeres. Güll. I: Kinderlieder (10 Nummern). II: Vom kleinen Schneckchen- Vom Bauern und den Tauben- Vom Mäuslein- Rätsels Spatzenausflug- Abendglöcklein. III: Frühling. Hagedorn. II: Das Hühnchen und der Diamant- Der Hahn und der Fuchs. Hamerling: 221 Vaterlandslied. Harri es. I: Heil dir im Siegerkranz. Hauff: 1 18 Soldatenliebe. Hebel: II: Das Liedlein vom Kirfchbaum- Der Sommerabend. III: Das Habermus- Sommerlied- Das Spinnlein- Der Winter. Heine: 163 Aus den Nordfeeliedern- 164 Aus dem Buch der Lieder165 Aus dem Neuen Frühling- 166 Aus ^eraphine- 167 Der scheidende Sommer- 168 Childe Harold- 169 In der Fremde170 Deutschland. III: Kinderspiele- Lorelei- Nheinfahrt - Belsazer- Die Grena­ diere. Hensel: 156 Scheidegruß- 157 Die Kinder in der Fremde. I: Nachtgebet. II: Schneeluft- Raupenleben. Herder: 24 Sprüche aus dem Morgenland- 25 Das Kind der Sorge 26 Der gerettete Jüngling- 27 Erlkönigs Tochter. Herwegh: 208: Strophen aus der Fremde. Hey. I: Fabeln- Kinderlieber- Gebete (24 Nummern). II: Thu nichts Böses- Würmchen- Die Blumen- Die Jahreszeiten- Neujahr. Heyse: 222 Über ein Stündlein- 223 Das Thal des Espingo. Hoffmann von Fallersleben: 183 (auch III) Das Lied der Deutschen. I: Kinderlieder (19 Nummern). II: Bald ist der Frühling da Dann ist der Frühling da- Mein Lämmchen- Der LaubfroschLibellentanz- Des Vögleins Dank- Sommer und Wintersonntag- Kaiser Wilhelm. III: Morgenlied- VergißmeinnichtMein Vaterland- Heimat- Wo wohnt das Glück- Mein Lieben-^ Abendlied. Hölderlin: 70 Die Nacht - 71 Der Wanderer- 72 An den Äther- 73 Der gefesselte Stront. Holt ei. III: Lied des alten Unteroffiziers Watlheim an feinen Mantel- Frumme Wünsche. Hölty. III: Der alte Landmann an seinen Sohn- FrühlingsliedDas Feuer im Walde- Aufmunterung zur Freude- Auftrag. Kamp. I: Mailied- Der gute Mäher. Keller: 215 Waldlied.

284 [IV]

Inhalt II.

Kerner. 113 Der reichste Fürst (auch in III); 114 Sehnsucht- 115 Poesie- 116 Die schwäbische Dichterschule. III: Wanderlied- Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe- Der Wan­ drer in der Sägemühe. Kinkel' 206 Ein geistlich Abendlied. Klette. I: Kinderlieder (11 Nummern). II: So soll es fein; Was ich möchte- Der Blumenball- Das Glöcklein. Klopstock: 12 Hermann und Thusnelde- 13 Der Eislauf- 14 Die frühen Gräber- 15 Die Sommernacht. Knapp. II: Die Einladung. Kop is ch. I: Hütchen- II: Die Roggenmuhme - Die Zwerge auf dem Baum- Des kleinen Volkes Überfahrt- Wie Ralf dem Riesen half; Kaspars Löffel- Die Jungfrau am Drachenfels- Friedrichs des Zweiten Kutscher- III: Die Heinzelmännchen- Das grüne Tier und der Naturkenncr- Puck- Blücher am Rhein- Der Trom­ peter. Körner: 85 Vor Rauchs Büste der Königin Luise- 86 Aufruf- 87 Abschied vom Leben - 88 Schwertlied. III: Zur Nacht- Lützows wilde Jagd- Gebet während der Schlacht. Krummache^. I: Erdbeerlied- Alpenlied - Winterlied. III: Das Lied von: Samenkorn. Kugler. III: Nudelsburg. Lenau: 123 Der Postillion; 124 Blick in den Strom- 225 Primula oeris; 126 Bitte- 127 Schilflied. Lichtwer. I: Die Katzen und der Hattsherr. Lingg: 216 Heimkehr. III: Feierabend- Heerbannlied. Löwenstein. 1: Kinderlieder (13 Nummern). II: Reinheit; Von den Engeln- Jungfer Köchin- Rätsel; Der Fuchs und die HühnerApril- Juni- Schlittenfahrt; Tie sieben Schwaben; Abendlied Die Ewigkeit. Luther: 1 Frau Musika. Ma gmann. III: Gelübde. Meyer Konrad Ferdinand: 217 Der Gesang des Meeres; 218 Mit zwei Worten. Miller. III: Zufriedenheit. Mörike: 119 Gebet; 120 In der Frühe; 121 Er ists- 122 SchönRohtraut. Mosen. II: Heinrich der Löwe- Der Kreuzschnabel- Aus der Fremde. III: Der Trompeter an der Katzbach; Andreas Hofer. Müller Friedrich: 23 Soldatenabschied. Müller Wilhelm: 188 Morgenlied (auch in II)- 159 Der kleine Hydriot (auch in III)- 160 Alexander 'Ipsilanti auf Munkatsch- 161 Der Lindenbaum- 162 Vineta. I: Müllers Wanderschaft. II: Die Forelle. III: Das Früh­ lingsmahl- Frühlingseinzug- Kinderlust.

Inhalt II.

[IV] 285

Müller Wolfgang: 207 Nächtliche Erscheinung zu Speier. II: Wikher. III: Schwert und Pflug- Der Mönch von Heister­ bach. Novalis: 74 An einen Freund- 75 Bergmannslied. Opitz: 4 Ode. Pfarrius. II: Wie es den Sorgen erging. III: Die Gründung Kreuznachs - Der Trunk aus dem Stiefel. Pfeffel. I: Der Ochs und der Esel. II: Die zwei Hunde. Platen: 144 Das Grab im Busento - 145 Der Pilgrim vor St. Just 146 Pindars Tod- 147 Parabasen. III: Harmosan. Reinick: 179 Frühlingsglocken (auch II)- 180 Der Strom (auch III). I: Kinderlieber (5 Nummer). II: Gänse- Wunderliches Spiel. III: Weihnachtslied- Juchhe- sonntags am Rhein- Deutscher Rat. Reuter. III: De Koppweihdag. Rosegger. III: Mei weißes lamperl. Rottmann. III: Die Marktschuhe. Rückert: 128 Barbarossa (auch in I)- 129 Geharnischtes Lonetr130 Körners Geist- 131 Abendlied- 132 Aus dem Liebesfrühling133 Kindertotenlieder- 134 Das Meer der Hoffnung- 135 Schiff­ fahrt- 136 Dem Liebesänger- 137 Reisegesellschaft- 138 Der Schmuck der Mutter- 139 Aus der Jugendzeit- 140 Der Himmel 141 Angereihte Perlen- 142 Vierzeilen- 143 Aus der Weisheit des Brahmanen. I: Kinderlieber, Märchen und Sagen (7 Nummern). II: Der betrogene Teufel- Der Nagel- Katerstolz und Fuchses Rat. III: Des fremden Kindes heilger Christ- Aus dem RätselmannTod und Leben- Chidher- Auf die Schlacht an der KatzbachRätsel - Aus den Makamen des Hariri. Sachs: 2 Johannes mit dem Jüngling. Sallet. II: Elfenwirtschaft- DerDerfflinger- Zieten-Die Stern­ schnuppe. Schack: 209 Beim Siegeseinzug in Berlin- 210 Im Grase- 211 Aus der Heimat. Scheffel: 219 Lied des Trompeters von Säckingen. Schenkendorf: 81 Auf den Tod der Königin Luise- 82 Freiheit- 83 Frühlingsgruß an das Vaterland- 84 Das Lied vom Rhein. III: Muttersprache- Vaterland- Soldatenmvrgenlied- Auf Scharnhorsts Tod. Schiller: 59 Das Mädchen aus der Fremde- 60 Sprüche des Confueius- 61 Hoffnung- 62 Der Taucher- 63 Der Handschuh- 64 Die Kraniche des Jbykus- 65 Das Lied von der Glocke- 66 Sehnsucht; 67 Der Pilgrim- 68 Der Graf von Habsburg- 69 Distichen. I: Der Schütz- Rätsel. III: Pförtners Morgenlied- BergliedDer Alpenjäger- Rätsel- Hektors Abschied- Der Ring des Polykrates- Die Bürgschaft- Pompeji und Herkulanum.

286

Inhalt II.

Schmid. II: Die Kinder bei der Krippe- Der Holzhacker- Trost im Leiden. Schneckenburger. III: Die Wacht am Rhein. Schnezler. II: Die Lilien im Mummelsee- Heimweh. Schwab: 117 Das Gewitter (auch in III). III: Der Reiter und der Bodensee. Seidl. III: Der tote Soldat. Simrock. II: Drusus Tod- Die Schule der Stutzer- Habsburgs Mauern- Der Schmied von Solingen- Die 9 in der Wetterfahne. III: St. Ritza- Die Siebenschläfer- Warnung vor dem Rhein. Spitta. III: Abendfeier- Geduld- Abschied. Stiel er. III: An Anfrag. Stöber Adolf: 182 An Dichter und Leser. II: Frühlingsgefahren- Petri Flucht und Rückkehr- Das Grab im neuen Münster zu Würzburg. Stolberg: 21 Der Felsenstrom. Storm: 212 Abseits- 213 Im Walde. III: In Bulemanns Haus. Sturm. I: Gott grüße dich- Der Bauer und sein Kind. II: BelleAlliance- Ein Kunststück- Mein Vaterland- Wanderlied. Tieck: 76 Herbülied. Trojan. II: Der Dornbusch- Neues von Draußen- HeidekrautZwergwanderschaft. III: Sechse und einer- Die Käferwage- Zum Blumenpflücken- Maßliebchen- Herbst- Wiederfinden. Uhland: 89 Schäfers Sonntagslied (auch in III)- 90 Die Kapelle (auch in I)- 91 Das Schloß am Meere (auch in III)- 92 Der Schäfer93 Die Bätergruft- 94 Die sterbenden Helden - 95 Der König auf dem Turme- 96 Des Knaben Berglied (auch in II)- 97 Der schwarze Ritter- 98 Der Wirtin Töchterlein- 99 Die Rache (auch in III)- 100 Mürznacht - 101 Das Schifslein- 102 Einkehr (auch in I); 103 Siegfrieds Schwert (auch in I)- 104 Ruhethal, 105 Die verlorene Kirche - 106 Freie Kunst- 107 An das Vaterland 108 Des Sängers Fluch - 109 Frühlingslieder- 110 Vertrau de Born - 111 Der Waller- 112 Die Bidassoabrücke. I: Der weiße Hirsch - Der gute Kamerad - Das Schwert. II: Rolands Swildträger. III: Schwäbische Kunde- König Karls Meerfahrt-„Der blinde König- Taillefer- Das Glück von Eden, hall- Der Überfall im Wildbad- Normännischer Brauch. Vogl. II: Heinrich der Vogler. III: Das Erkennen. Volkslieder: 3 Mailied- O Straßburg- Schlachtgesang- Der Flug der Liebe- Gruß. I: Unter der Überschrift Verschiedenes etwa 12 Nummern. II: Vom Wasser und vom Wein- Das Federspiel- WachtelwachtRätselfragen. Boß: 22 Der siebzigste Geburtstag. Wackernagel. III: Geduld bringt Rosen. Zirbes. II: Das verlorene Schühlein.

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Inhalt III. Die mit Sternchen (*) bezeichneten Gedichte bilden den Kanon der Unter- und Mittelstufe. — Die Zahlen in Klammer sind die Seiten­ zahlen der vorigen Auflage (1897). Nicht aufgefübrt in diesem Ver­ zeichnis sind die Anfänge von Goethes, Rückerts und Schillers Spruch­ dichtungen. Seite

Seite

Aber jetzt kebr ich . . (128)t 98 Ach, aus dieses Thales (192)i 90 (13) 21 Ach, es ist so dunkel . Ach, Mutter, bleibst . (117) 169 Alexander Apsilanti . (155) 171 Alt Heidelberg, _ du seine . (184) 235 Ant Baum der Menschheit (—) 208 Ant blassen Meeresstrande (108)) 175 Am Brunnen vor dem (155) 172 Ant Gestade Palästinas (149) 235 (15) 11 Annchen von Tharau Arm in Arm und Kron (133) 233 (98) 241 Auch die Heide blühet (38) 203 Auf dem stillen . . . Auf dein Teich . . . (144) 145 Auf der Bidassaobrücke (216) 136 (34) 201 Auf des Berges . . Auf die PosttUe gebückt (224) 23 Auf Galiziens ... (214) 134 Auf stillen Trauerwegen (100) 243 Aus der Jugendzeit . (173) 152 Aus des Meeres tiefem (156) 173 Bedeckt mit Moos. . (167) 147 *ÜBei einem Wirte . . (200) 126 *Burg Niedeck . . (6) 182 Da liegen sie alle . . (211) 122 Dämmernd liegt . . (110) 177 Das gelbe Laub erzittert (113) 179 *Das ist der Tag . . (202) 118 Das Meer erstrahlt . (113) 179 Das war eine Schlacht (16) 231 Das Wasser rauscht . (65) 42 *Der alte Barbarossa (166) 146 Der Dänen Schwerter (209) 120 Der du von dem Hintntel (76) 42 Der Himmel hat eine (170)........ 149 Der Himmel ist . . (174) 153 Der ist der Herr der Erde (-) 102 *Der Knecht hat . . (204) 125 Der Mensch hat nichts . (14) 11 *Der Mond ist. . . (12) 20 Der Pilger, der die Höhen (10) 186

Der schöne Schäfer zog (207)i 119 Des Menschen Seele (72) 43 ^Deutschland . . . (126) 197 Deutschland ist noch . (115) 181 Die Geister der gefallnen (167) 146 Die Liebe hemmet nichts (14) 22 Tie linden Lüfte . . (204) 132 Die Nacht war kaum (26) 165 Die Rose blühet auf . (4) 104 Dies ist der Königspark (47) 213 Die Wunde brennt . (142) 115 Dir lnöcht ich diese . (220) 130 Dort ist so tiefer Schatten (28) 168 Dreifach ist der Schritt (192) 64 Droben auf dem schroffen (213) 133 ^Droben stehet . . . (202) 118 Du bist vergangen (170) 149 Du bist wie eine Blume (HO) 176 Dulde, gedulde dich fein (124) 239 Du meine Seele . . (169) 148 (49) 214 Durch tiefe Nacht . . Du schläfst so sanft (139) 113 Du Schwert an . . (143) 116 *Du siehst geschäftig . (8) 184 (79) 48 Edler Freund, du . . (42) 210 Ein besseres Land . . Eine schöne Menschenseele (120) 30 Eine starke, schwarze Barke(113) 180 Ein Fichten bäum . . (109) 176 Ein getreues Herze . (30) 12 Ein Schifflein ziehet leise (205) 125 Einstmals hab ich ein Lied (53) 218 Einst saß am murmelnden (119) 29 Ein Veilchen auf der . (66) 36 Es ging wohl über die (208) 120 Es ist bestimmt in Gottes (30) 195 Es ist so still . . . (197) 230 Es ist so still geworden (135) 223 Es klingt ein heller . (147) 112 Es ragt ins Meer (112) 179 Es reden und träumen (192) 65 (24) 164 Es schienen so golden

288 [IV]

Inhalt III.

Seite Es schlief das Meer . (55)) 220 Es stand in alten Zeiten (211)I 130 Es treibt dich fort (115)i 180 Es verrieselt, es verraucht (19)I 189 Es war als hätte der . (26)I 166 Es war ein König in Thule (66)i 39 Es weiß und rät es . (25)I 165 Es zogen drei Bursche (206)i 124 Eusebius Beschreiben ist (—)i 2 Feldeinwärts flog . . (199)i 103 Festgemauert . . . (192) 78 Freiheit, die ich meine (189) 109 Fremdling, laß deine. (39) 205 Friede sei um diesen . (13) 21 Frisch auf, mein Volk (141) 114 Frühling ists, ich laß es (205) 133 Frühling läßt . . . (151) 141 Frühling ward es . . (59) 221 1 Für allen Freuden (—) 8 (58) Geh aus, mein Herz . Geht nun hin, und grabt (6) 107 Gekommen ist der Maie (112) 178 (59) 9 Gottlob, nun ist . . (67) 33 Gott segne dich, junge (10) 186 Hab oft im Kreise . . (138) 16 Ha, dort kommt er ---Hast du das Schloß . (203) 119 (77) 47 Heiß mich nicht reden Herr Oluf reitet spät (121) 32 Herr, schicke, was du willst (150) 141 4 Herzlich thut mich erfreuen (—) Herz, mein Herz, sei nicht (110) 176 Hellte scheid ich . . (152) 27 Hier all der Bergeshalde (198) 231 (184) 229 Hier ist es, wo ich Hochbeglückt wie selige . (57) 223 Hoffnung aus Hoffnung (171) 150 Horch, wie brauset (205) 125 Ich bin mit meiiler Liebe (170) 149 '^Jch bin voul Berg . (202) 122 7 Ich empfinde säst . . (159) (54) 219 Ich fuhr von St. Goar ^Jch gillg im Walde . (60) 48 Ich hatte einst eilt (115) 181 "Ich kann den Blick . (32) 200 Ich möchte hin gehn . (123) 226 Ich möchte, ivenn ich sterbe (151) 161 Ich stand auf Berges (169) 148 Ich stand in dunkeln . (209) 176 *Jch träum als Kind. (7) 183 Ich wär ein hoherBaum (100) 243 'Ich war ein kleiner (154) 171

Seite Ich weiß es nicht . . (99)i 242 Im Felde schleich ich . (74) 41 In einem Thal bei . (192) 63 In meine Heimat kam ich (148) 234 Junger Fluß . . . (99) 242 *Jung^ Siegfried . . (201) 126 Kein Schlaf noch kühlt (150) 141 Kein seiger Tod ist . (223) 5 Kennst du das Land . (76) 46 Komnt, Trost der Nacht (101) 14 Komm, Trost der Welt (27) 167 Laß dich nur nichts dauern (31) 13 Leise zieht . . . . (112) 178 Liebliche Blume . . (147) 144 Lieblich war die . . (145) 143 Man höret oft im fernen (220) 127 Mein liebes Kind, ade! (28) 168 Mensch, es ist . . . (173) 151 Nacht ists .... (161) 161 Nächtlich am Busento . (160) 160 (111) 177 Nacht liegt auf den Nicht mehr , zu - deuten (57) 222 Noch in meines Lebens (192) 91 Nun gnade dir Gott . (51) 216 Oft denk ichz sie sind (170) 150 O, könnt ich einmal los (134) 138 O, legt mich nicht . . (204) 132 C, liebz so lang du . (40) 206 O, schaurig ists . . (18) 188 O, stille Nacht . . . (100) 243 O Straßburg . . . (222) 4 O Tbäler weit, o Höhen (24) 164 O, wie bitter ist das. (116) 168 O, wunderbares, tiefes (27) 166 Pfingsten war, das Fest (208) 123 Poesie ist tiefes . . (135) 138 (133) 137 ^Preisend mit viel Ringsum ruhet . . (127) 97 Rose, schöne Königsrose (185) 109 Sahst du ein Glück . (146) 144 ^Schneeglöckchen thut . (164) 193 (70) 37 Seht den Felsenqnell Seit ältester Zeit . . (162) 162 (33) 209 *Sie haben Tod . . Sie zogen zu Berg . (124) 239 Singe, lucm Gesang . (222) 129 Sobald das Kind sich zeigt (—) 210 Sohn, die Freundschaft (118) 28 ^o laß mich sitzen . . (41) 207 (78) 47 So laßt mich scheinen . Sonne warf den letzten (99) 242 Soviel Stern am . . (223) 6

Inhalt III.

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Steh ich in finstrer . (106) 140 Weil auf mir, du . . Steig empor . . . (181) 227 Weltgeheinmis . . . Stille ruht die weite (100)243 Wenn der Schimmer . Sturm, gestillt zu . . (99) 244 Wenn du willst in . Tiefe Stille herrscht . (75) 41 Wenn ich ein Vöglein Tief im Gebirg . . (29) 236 Wenn sich zwei Herzen *Tief in w al d grün er . (165) 194 Wer nie sein Brot . Thalatta, Thalatta . (107) 173 *Wer reitet so spät . Tragen will ich . . (56) 222 *Wer schlägt so rasch . Treu und freundlich . (129) 99 Wer soll dein Hüter sein Über allen Gipfeln . (76) 42 Wer wagt es . . . Uni mich schwärmender (183) 229 Wie bebte Königin Marie ;}:Unb dräut der . . . (46) 212 Wie der Schatten . . Und frische Nahrung . (74) 40 Wie ein Schifflein. . Unermeßlich und . . (104) 198 Wie heißt König . . Unsterblicher Jüngling (196) 22 Wie kommts, daß du Unterm weißen Baume (111) 177 Wie mir deine Freuden *Urahne, Großmutter . (194) 139 Wie stehst du doch . Vaterland, du starkes (104) 237 Willkommen, o . . . Vergraben ist in ewige (136) 17 Willst du dichten . . Von fern die Uhren (28) 167 Wo dec Schicksalswege Vor seinem Löwengarten (192) 70 Wohin soll den Fuß . Wach auf, erklingts . (157) 224 Wohl blühet jedem . Wann im letzten . . (206) 127 Wohlthaten, still . . Was hör ich draußen. (63) 45 Wolken, meine Kinder Was ist des Deutschen (1) 105 Zu Aachen .... Was paßt, das muß sich (—) 102 Zum Kampf .... Was schläfst und träumst (131) 101 Zwei Wandrer . . . Was zagst du, Herz . (205) 133

Hauff

145 163 19 151 5 220 48 44 170 106 66 215 29 150 142 52 110 191 19 196 151 138 133 22 234 92 72 198

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Arudt 104 Chamiffo .... 182 Claudius.... 20 Dach 11 Dohm 231 Droste-Hülshoff . 188 Eichendorff . . . 164 Eichrodt .... 236 Feuchtersleben. . 195 Fleming .... 12 Freiligrath 200-212 Geibel . . 212-223 Gerhardt .... 8 Goethe . . . 33—63 Greif 241 Grimmelshausen. 14 Grün 198 Hamerling . . . 237

(147) (163) (139) (171) (223) (50) (78) (62) (153) (2) (192) (49) (118) (171) (151) (78) (186) (22) (139) (195) (172) (135) (205) 14 149 (192) (192) (102)

Heine 173 Müller, Wolfgang 224 Hensel 168 Novalis .... 102 Herder .... 28 Opitz 7 Herwegh .... 226 Platen 160 Heyse 239 Reinick 193 Hoffmann .197 Rückert . .146-160 Hölderlin ... 97 Sachs 2 Keller 233 Schack 227 Kerner 137 Scheffel ... 235 Kinkel 223 Schenkendorf . . 109 Klopstock ... 16 Schiller . . 63-97 Körner 113 Schwab .... 139 Lenau 143 Stöber, Adolf . 196 Lingg 234 Stolberg.... 22 Luther 1 Storm 230 Meyer, K. F. . 234 Tieck 103 Mörike 141 Uhland. . .118-137 Müller, Friedrich 27 Volkslieder... 4

140 Müller, Wilhelm 170 Boß

Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.

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