Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 4, Abteilung 2 Prosa [6., umgearb. Aufl. Reprint 2020] 9783112374443, 9783112374436


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Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 4, Abteilung 2 Prosa [6., umgearb. Aufl. Reprint 2020]
 9783112374443, 9783112374436

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Deutsches Lesebuch für

höhere Mädchenschulen herausgegeben

von

Kart Kesset.

Vierter Teil.

Zweite Abteilung: Prosa. Sechste, nmgearbeitete Auflage.

Könn 1901, A. Marcus und E. Webers Verlag.

I.

Aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Martin Luther

(1483—1546).

1. Aus der Bibelübersetzung.

Der zos. Psalm. Lobe den Herrn^ meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß

nicht, was er mir Guts gethan hat!

Der dir alle deine Sünde

vergiebt und heilet alle deine Gebrechen,

der dein Leben vom

Verderben erlöset, der dich krönet mit Gnade und Barmherzig­

keit, der deinen Mund fröhlich machet, und du wieder jung wirst, wie ein Adeler. Der Herr schaffet Gerechtigkeit und Gericht allen, die un­

recht leiden.

Er hat seine Wege Mose wissen lassen, die Kinder

Israel sein Thun.

Barmherzig und gnädig ist der Herr, ge-

düldig und von großer Güte.

noch

ewiglich Zorn halten.

Er wird nicht immer hadern,

Er handelt nicht mit uns nach

unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unser Missethat.

Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt er seine

Gnade walten über die, so ihn fürchten, so ferne der Morgen ist vom Abend, lässet er unser Übertretung von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmet, so erbarmet sich der Herr über die, so ihn fürchten.

Denn er kennet, was für ein Ge­

mächt wir sind, er gedenket daran, daß wir Staub sind.

Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde: wenn der Wind darüber gehet, so

ist sie nimmer ba, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.

Die

Gnade aber des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über

die, so ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindskind bei

die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebots

denen,

daß sie darnach thun. Der Herr hat seinen Stuhl im Himmel bereit, und sein Reich herrschet über alles.

ihr

Lobet den Herrn, ihr, seine Engels

starken Heide, die ihr seine Befehl

höre die Stimme seines Worts!

Heerscharen,

seine Diener,

ausrichtet, daß

man

Lobet den Herrn, alle seine

die ihr seinen Willen thut!

Lobet

den Herrn, alle seine Werk, an allen Orten seiner Herrschaft l Lobe den Herrn, meine Seele! [Über die Grundsätze, die ihn bei der Bibelübersetzung leiteten,

spricht sich Luther in seinem „Sendbrief vom Dolmetschen" folgender­ maßen aus]:

Ich hab mich des geflissen im Dolmetschen, daß ich rein und klar deutsch geben möchte. Und ist uns wohl oft begegnet, daß wir vierzehn Tage, drei, vier Wochen haben ein einiges Wort gesucht und gefragt, Habens dennoch zuweilen nicht funden. Im

Hiob arbeiteten wir also, M. Philippus, Aurogallus und ich, daß wir in vier Tagen zuweilen kaum drei Zeilen konnten

fertigen.

Lieber, nun es verdeutscht und bereit ist, kanns ein

jeder lesen und meistern, läuft einer jetzt mit den Augen durch

drei, vier Blätter und stößt nicht einmal an-

wird aber nicht

gewahr, welche Wacken und Klötze da gelegen sind, da er jetzt^

über hin gehet, wie über ein gehobelt Brett, da wir haben müssen schwitzen und uns ängsten, ehe denn wir solche Wacken und Klötze aus dem Wege räumten,

fein dahergehen.

auf daß man könnte so

Es ist gut pflügen, wenn der Acker gereinigt

ist, aber den Wald und die Stöcke ausrotten und den Acker'

zurichten, da will niemand an.

Man muß nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muß die

Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das

Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen,

so ver­

stehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.

Und was soll ich viel und lange sagen von Dolmetschen ? Sollte ich aller meiner Worte Ursachen und Gedanken anzeigen,

ich müßte wohl ein Jahr dran zu schreiben haben.

Was Dol­

metschen für Kunst und Arbeit sei, das hab ich wohl erfahren. Solls gemeistert werden, so will ichs selber thun- wo ichs sel­ ber nicht thu, da lasse man mir mein Dolmetschen mit Frieden,

und mache ein jeglicher, was er will, für sich selbst und habe

ihm ein gut Jahr.

2. Aus der Borrede aus den Psalter. Ein menschlich Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer, welches die Sturmwinde von den vier Örtern der Welt

treiben.

Hie stoßet her Furcht

und Sorge vor Mkünftigem

Unfall - dort führet Grämen her und Traurigkeit von gegen­ wärtigem Übel. Hie weht Hoffnung und Vermessenheit von

zukünftigem Glück;

dort bläset her Sicherheit und Freude in

«gegenwärtigen Gütern. Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und den Grund herausschütten.

Denn wer

in Furcht und Not steckt, reifet viel anders von Unfall, denn der in Freuden schwebt- und wer in Freuden schwebt, redet

und singet viel anders von Freuden, denn der in Furcht steckt. Es gehet nicht von Herzen, spricht man, wenn ein Trauriger lachen oder ein Fröhlicher weinen soll, das ist: seines Herzens -Grund stehet nicht offen und ist nicht heraus.

Was ist aber das meiste im Psalter, denn solch ernstlich Reden in allerlei solchen Sturmwinden? Wo findet man feiner

Wort von Freuden, haben?

denn die Lobpsalmen

oder Dankpsalmen

Da siehest du allen Heiligen ins Herze, wie in schöne,

lustige Gärten, ja wie in den Himmel, wie feine, herzliche,

lustige Blumen darinnen aufgehen von allerlei schönen, fröh­ lichen Gedanken gegen Gott um seine Wohlthat.

Wiederum, wo

findest du tiefer, kläglicher, jämmerlicher Wort von Traurigkeit,

-enn die Klagepsalmen haben?

Da siehest du abermal allen

Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen,

so ver­

stehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.

Und was soll ich viel und lange sagen von Dolmetschen ? Sollte ich aller meiner Worte Ursachen und Gedanken anzeigen,

ich müßte wohl ein Jahr dran zu schreiben haben.

Was Dol­

metschen für Kunst und Arbeit sei, das hab ich wohl erfahren. Solls gemeistert werden, so will ichs selber thun- wo ichs sel­ ber nicht thu, da lasse man mir mein Dolmetschen mit Frieden,

und mache ein jeglicher, was er will, für sich selbst und habe

ihm ein gut Jahr.

2. Aus der Borrede aus den Psalter. Ein menschlich Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer, welches die Sturmwinde von den vier Örtern der Welt

treiben.

Hie stoßet her Furcht

und Sorge vor Mkünftigem

Unfall - dort führet Grämen her und Traurigkeit von gegen­ wärtigem Übel. Hie weht Hoffnung und Vermessenheit von

zukünftigem Glück;

dort bläset her Sicherheit und Freude in

«gegenwärtigen Gütern. Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und den Grund herausschütten.

Denn wer

in Furcht und Not steckt, reifet viel anders von Unfall, denn der in Freuden schwebt- und wer in Freuden schwebt, redet

und singet viel anders von Freuden, denn der in Furcht steckt. Es gehet nicht von Herzen, spricht man, wenn ein Trauriger lachen oder ein Fröhlicher weinen soll, das ist: seines Herzens -Grund stehet nicht offen und ist nicht heraus.

Was ist aber das meiste im Psalter, denn solch ernstlich Reden in allerlei solchen Sturmwinden? Wo findet man feiner

Wort von Freuden, haben?

denn die Lobpsalmen

oder Dankpsalmen

Da siehest du allen Heiligen ins Herze, wie in schöne,

lustige Gärten, ja wie in den Himmel, wie feine, herzliche,

lustige Blumen darinnen aufgehen von allerlei schönen, fröh­ lichen Gedanken gegen Gott um seine Wohlthat.

Wiederum, wo

findest du tiefer, kläglicher, jämmerlicher Wort von Traurigkeit,

-enn die Klagepsalmen haben?

Da siehest du abermal allen

4 [IV]

Luther.

Heiligen ins Herze, wie in den Tod, ja wie in die Hölle.

finster und dunkel ists Zorns Gottes!

Wie

da von allerlei betrübtem Anblick des-

Also auch, wo sie von Furcht und Hoffnung,

reden, brauchen sie

solcher Worte, daß dir -kein Maler alsa

könnte die Furcht oder Hoffnung abmalen und kein Cicero oder Redkündiger also vorbilden. Und wie gesagt, ist das das allerbeste, daß sie solche Wort gegen Gott und mit Gott reden, welches macht, daß zweifältiger Ernst und Leben in den Worten sind.

sonst gegen Menschen in so stark von Herzen,

Denn wo man

solchen Sachen redet, gehet cs nicht

brennet, lebt

und

dringet nicht so fast.

Daher kommts auch, daß der Psalter aller Heiligen Büchlin ist

und ein jeglicher, in waserlei Sachen er ist, Psalmen und Wort drinnen findet, die sich auf seine Sachen reimen und ihm sb

eben sind, als wären sie allein um seinen Willen also gesetzt^ daß er sie auch selbst nicht besser setzen, noch finden kann, noch

wünschen mag.

3. Aus der Hauspostille. (Aus einer Predigt über Matth. 6, 24—34.) Wie wir an uns selbst, uqti unserm Leib und Leben, arr

Augen, Ohren, Händen, Füßen und allen unsern Gliedmaßen

lernen und bekennen müssen, Gott sei gnädig, er habe uns viel gegeben und gütlich gethan: also stellet der Herr uns anderer

Kreaturen Exempel vor, trauen

und nicht

unsern Augen

sorgen.

über, uns

daß wir daran lernen sollen Gott Denn da fliegen die Vögelein vor-

zu

kleinen Ehren, daß

möchten unsere Hütlein gegen sie abthun

wir

und sagen:

wohl „Meirr

lieber Herr Doktor, ich muß je Hekennen, daß ich die Kunst

nicht kann, die du kannst. Du schläfst die Nacht über in deinem Nestlein-ohne alle Sorge- des Morgens stehest du wieder QufA

bist fröhlich und guter Dinge,

setzest dich auf ein Bäumlein

und singest, lobest und dankest Gott- darnach suchest du deine Nahrung und findest sie."

Pfui, was hab ich alter Narr ge-

lernet, daß ichs nicht auch thue, der ich doch so viel Ursach dazn

habe!

-Kann das Vöglein sein Sorgen lassen und hält sich in

4 [IV]

Luther.

Heiligen ins Herze, wie in den Tod, ja wie in die Hölle.

finster und dunkel ists Zorns Gottes!

Wie

da von allerlei betrübtem Anblick des-

Also auch, wo sie von Furcht und Hoffnung,

reden, brauchen sie

solcher Worte, daß dir -kein Maler alsa

könnte die Furcht oder Hoffnung abmalen und kein Cicero oder Redkündiger also vorbilden. Und wie gesagt, ist das das allerbeste, daß sie solche Wort gegen Gott und mit Gott reden, welches macht, daß zweifältiger Ernst und Leben in den Worten sind.

sonst gegen Menschen in so stark von Herzen,

Denn wo man

solchen Sachen redet, gehet cs nicht

brennet, lebt

und

dringet nicht so fast.

Daher kommts auch, daß der Psalter aller Heiligen Büchlin ist

und ein jeglicher, in waserlei Sachen er ist, Psalmen und Wort drinnen findet, die sich auf seine Sachen reimen und ihm sb

eben sind, als wären sie allein um seinen Willen also gesetzt^ daß er sie auch selbst nicht besser setzen, noch finden kann, noch

wünschen mag.

3. Aus der Hauspostille. (Aus einer Predigt über Matth. 6, 24—34.) Wie wir an uns selbst, uqti unserm Leib und Leben, arr

Augen, Ohren, Händen, Füßen und allen unsern Gliedmaßen

lernen und bekennen müssen, Gott sei gnädig, er habe uns viel gegeben und gütlich gethan: also stellet der Herr uns anderer

Kreaturen Exempel vor, trauen

und nicht

unsern Augen

sorgen.

über, uns

daß wir daran lernen sollen Gott Denn da fliegen die Vögelein vor-

zu

kleinen Ehren, daß

möchten unsere Hütlein gegen sie abthun

wir

und sagen:

wohl „Meirr

lieber Herr Doktor, ich muß je Hekennen, daß ich die Kunst

nicht kann, die du kannst. Du schläfst die Nacht über in deinem Nestlein-ohne alle Sorge- des Morgens stehest du wieder QufA

bist fröhlich und guter Dinge,

setzest dich auf ein Bäumlein

und singest, lobest und dankest Gott- darnach suchest du deine Nahrung und findest sie."

Pfui, was hab ich alter Narr ge-

lernet, daß ichs nicht auch thue, der ich doch so viel Ursach dazn

habe!

-Kann das Vöglein sein Sorgen lassen und hält sich in

Luther.

[IV] 5

Tschudi.

solchem Fall wie ein lebendiger Heiliger und hat dennoch weder

Acker noch Scheunen, weder Kasten noch Keller, es singet, lobet Gott, ist fröhlich und guter Dinge,- denn es weiß, daß es einen

hat, der für es sorget,

der heißet unser Vater im Himmel:

warum thun wirs denn auch nicht, die wir den Vorteil haben, daß wir können arbeiten, das Feld bauen, die Früchte ein­ sammeln, aufschütten und auf die Not behalten? schändliche Sorgen nicht lassen.

nen wir das

Dennoch kön­

Darum sollten

wir dies Exempel von den Vögelein nicht vergessen.

ohne alle Sorge, fröhlich und guter Dinge. sie auch sorgen?

Sie sind

Und warum wollten

Sie haben einen reichen Küchenmeister und

Kellner, der heißt der Vater im Himmel, der hat eine Küche,

die so weit als die Welt ist.

Darum, sie fliegen hin, wo sie

hin wollen, finden sie die Küche wohl bestellet. lische Vater,

Derselbe himm­

sagt Christus hier, wollte euer Küchenmeister und

Kellner auch gerne sein, wenn ihrs nur glauben könntet oder haben wolltet.

Ägidius Tschudi

(1505—1572).

4. Wilhelm Teil. Derselben Zeit (1307) that der Geßler, Landvogt zu Uri und Schwyz,

den Landleulen daselbst nicht weniger, denn der

von Landenberg den Unterwaldern großen Drang, den Edeln und Unedeln, hielt sie streng und hart und nahm ihm vor, eine

Feste in Uri zu bauen, damit er und andere Landvögte nach ihm desto sicherer allda wohnen möchten, w^nn Aufruhr ent­ stehen sollte, und auch das Land in desto größerer Furcht und

Gehorsam bleiben müßte,- ließ also Steine, Kalk, Sand und Zimmerholz auf einen Bühl, bei Altdorf gelegen, fahren, fing

an, den Bau ins Werk zu richten, und wenn man ihn fragte,

wie die Feste heißen würde, sprach er: Zwing Uri unter die Stagen."

„Ihr Name wird sein

Das verdroß die edlen Land­

sassen und gemeinen Landleute in Uri gar übel, und war ihnen

Luther.

[IV] 5

Tschudi.

solchem Fall wie ein lebendiger Heiliger und hat dennoch weder

Acker noch Scheunen, weder Kasten noch Keller, es singet, lobet Gott, ist fröhlich und guter Dinge,- denn es weiß, daß es einen

hat, der für es sorget,

der heißet unser Vater im Himmel:

warum thun wirs denn auch nicht, die wir den Vorteil haben, daß wir können arbeiten, das Feld bauen, die Früchte ein­ sammeln, aufschütten und auf die Not behalten? schändliche Sorgen nicht lassen.

nen wir das

Dennoch kön­

Darum sollten

wir dies Exempel von den Vögelein nicht vergessen.

ohne alle Sorge, fröhlich und guter Dinge. sie auch sorgen?

Sie sind

Und warum wollten

Sie haben einen reichen Küchenmeister und

Kellner, der heißt der Vater im Himmel, der hat eine Küche,

die so weit als die Welt ist.

Darum, sie fliegen hin, wo sie

hin wollen, finden sie die Küche wohl bestellet. lische Vater,

Derselbe himm­

sagt Christus hier, wollte euer Küchenmeister und

Kellner auch gerne sein, wenn ihrs nur glauben könntet oder haben wolltet.

Ägidius Tschudi

(1505—1572).

4. Wilhelm Teil. Derselben Zeit (1307) that der Geßler, Landvogt zu Uri und Schwyz,

den Landleulen daselbst nicht weniger, denn der

von Landenberg den Unterwaldern großen Drang, den Edeln und Unedeln, hielt sie streng und hart und nahm ihm vor, eine

Feste in Uri zu bauen, damit er und andere Landvögte nach ihm desto sicherer allda wohnen möchten, w^nn Aufruhr ent­ stehen sollte, und auch das Land in desto größerer Furcht und

Gehorsam bleiben müßte,- ließ also Steine, Kalk, Sand und Zimmerholz auf einen Bühl, bei Altdorf gelegen, fahren, fing

an, den Bau ins Werk zu richten, und wenn man ihn fragte,

wie die Feste heißen würde, sprach er: Zwing Uri unter die Stagen."

„Ihr Name wird sein

Das verdroß die edlen Land­

sassen und gemeinen Landleute in Uri gar übel, und war ihnen

Tschudi.

6 [IV] dieser Bau merkte,

so weich

ein

großer Dorn in Augen.

Wie er nun

ward er grimm zornig über sie, dräuete, und

zahm

machen,

daß

man

das

er wolle sie

sie um einen Finger

möchte winden.

Und

ließ um St. Jakobstag

zu Altdorf am Platz bei

den Linden, da männiglich vorübergehen mußte, eine Stange

gebieten,

aufrichten und einen Hut obendrauf legen und

ließ

bei Verlierung des Gutes und bei Leibesstrafe:

daß jeder, so

da vorüberginge, sollte mit Neigen und Baretabziehen Ehr und Reverenz beweisen ,

als ob der König selbst oder er an seiner

Statt persönlich da wäre. Und hatte dabei einen steten Wächter und Hüter bei Tageszeit sitzen, aufzupassen und die anzugeben, die dem Gebot nicht statt thäten. Dieser große Übermut drückte

die Landleute noch

wirsch, als der Bau des Schlosses,-

doch

durften sie sich nicht darwider setzen, wegen des Königs augen­ scheinlicher Ungnade und

gewaltiger Macht, bei dem sie auch

keine Gnad zu finden verhoffen konnten.

In selbigen Tagen fügte sichs, daß der Landvogt Geßler,

als er von Uri gen Küßnacht auf seine Burg spazieren wollte, durch das Land zu Schwyz ritt, darüber er auch Landvogt war.

Nun saß zu Steinen in Schwyz ein weiser, ehrbarer Mann von altem Geschlecht, Werner von Stauffach genannt.

Werner hatte zu Steinen dieshalb

Derselbe

der Bruck ein schön neu

Haus gebaut. Wie nun der Landvogt Geßler zum selben Haus

kommt und ihn

der Stauffacher,

der vor dem Haus stund,

freundlich empfing und bewillkommt als seinen Herrn, fragt ihn der Landvogt, wes das Haus wäre — welches er sonst wohl wußte, denn er etwa gegen andere gedrohet, er wollte ihm das

Haus nehmen.

Der Stauffacher gedachte wohl, daß er nicht

in Gutem fragte, wußte wohl, daß er ihm aufsässig war, von wegen daß er allweg handlich darwider, daß man sich nicht an die Fürsten von Österreich ergebe, sondern beim römischen Reich

und alten Freiheiten bleibe- denn dieser Stauffacher hatte viel Anhang

und

großes Ansehen

bei

den Landleuten.

Also gab

er dem Landvogt Antwort: „Herr, das Haus ist meines Herrn, des Königs, und Euer und mein Lehen."

Der Landvogt sprach:

bin an meines Herrn, des Königs, Statt Regent im

^Jch

Land- ich will nicht, daß Bauern Häuser bauen ohne mein

Verwilligen, will auch nicht, daß ihr also frei lebet, als ob ihr selbst Herrn seiet- ich werd euchs unterstehen zu wehren!" und ritt hiemit vorwärts.

Diese Rede beschwert den Stauffacher

fast, und er setzte sie sich zu Herzen.

Nun war er ein ver­

nünftiger, verständiger Mann, hatte auch eine weise, sinnreiche Frau, die wohl an ihm merkte, daß er betrübt war und ihm

etwas Schweres anlag, und öffnete es doch nicht.

Nun hätte

sie gern gewußt, was ihm doch gebrest, und hub soviel an, -aß er ihr anzeigt, was Red der Landvogt mit ihm getrieben,

und versprach sich keines andern,

sein Haus,

Herberg,

als daß er ihm Mittlerzeit

Hab und Gut nehmen

Da sie

werde.

das vernahm, sprach sie: „Mein lieber Ehewirt, du weißt, daß

sich mancher fromme Landmann in unserm Land auch ob des Landvogts Wüterei beklagt- so zweifelt nicht, daß viel biderber Landleute in Uri und Unterwalden auch das tyrannische Joch drücke,

wie man dann täglich hört,

daß sie ihre Not klagen.

Darum wäre gut und vonnöten, daß euer etliche, die einander

vertrauen dürfen, heimlich zu Rat zusammen gingen und Nach^edenken hätten,

möchtet,

wie ihr der mutwilligen Gewalt abkommen

und einander verhießet, beizustehen und bei der Ge­ so würde euch Gott ohne Zweifel nicht

rechtigkeit zu schirmen,

verlassen und die Unbilligkeit helfen dämmen, so wir ihn von

Herzen anrufen."

Fragte ihn darauf, ob er in den Ländern

Uri und Unterwalden zu jemand achtbare Bekanntschaft hätte, denen er vertrauen, seine Not klagen und von diesen Dingen mit ihnen Unterrede

haben

dürfte.

Er gab Antwort:

„Ja,

ich kenne allda vornehme Herrenleut, denen ich wohl vertrauen darf."

Also gedachte Staaffacher in ihm selbst, der Frauen Rat möchte nicht böse sein, folgte ihr, fuhr gen Uri, lag da etliche

Tage still,

zu losen,

wie

Da hörte er groß Klag

von

wegen

des

Baus

der

gemeine Mann

und Unwillen der

gesinnt

wäre.

wider den Landvogt

Feste Zwinguri

und

insonders

von des Huts wegen, dem man Reverenz beweisen mußte, und

Tschudi.

8 [IV]

merkte, daß alles Landvolk ungeduldig und dem Landvogt feind

waren und durften sich doch öffentlich nicht merken lassen, denn keiner wußte, was er im Fall der Not am arldern für Rücken

und Beistand Hütte.

Doch vertraut er diesmal sein Anliegen

allein einem namhaften, weisen Ehrenmann von Uri, Walther Fürst genannt,

ihm

was

vom Landvogt

vorgeworfen, sagt ihm auch dabei,

seines Hauses halb

wie er durch seines Ehege­

mahls Rat bewegt worden, ihm als seinem Vertrauten solches

zu klagen und Rats zu Pflegen, ob es nicht gut und vonnöten^ sich wider solche tyrannische Gewalt zu setzen und heimlich sich

zusammen zu verbinden und um Helfer sich zu bewerben.

Der

Landmann von Uri lobte der Frauen Rat und zeigte ihm an

Arnolden von Melchthal, Diener

der des Landvogts zu Unterwalden

zerschlagen,

einen Finger

wie sich

derselbe noch

bei

ihnen in Uri aufhielte, wandelte aber vielmalen heimlich gen Unterwalden zu den Seinen und wäre ein tapferer verständiger

Mann, wiewohl noch jung, hätte auch eine große Blutsfreund­ schaft in seinem Land, ward er auch

und

berufen, und

sei ihm

wohl zu trauen.

Also

wurden also diese drei Männer:

Walther Fürst von Uri, Werner von Stauffach von Schwyz und Arnold von Melchthal von Unterwalden, der Sachen einig.

Des

schwuren

einen Eid zu Gott und den Heiligen zu­

sie

sammen, und wurden nachfolgende Bedingungen von ihnen^ab-

geredet, nämlich:

daß

ihro

jeder sollte in seinem Land seine

Blutsfreunde und andere vertraute Leute heimlich werben um

Hilfe und Beistand,

die an

sich ziehen

und zu ihnen in ihr

Bündnis und Eidesgelübde bringen, wieder ihre alte Freiheit zu erobern und die tyrannischen Landvögte zu vertreiben.

Solches ward jedem,

so in dieses Bündnis ging, vorher

eröffnet: daß sie nicht begehrten, jemand, weder Geistlichen noch

Weltlichen, des Seinen, was ihm von Recht und Gewohnheit

gehört, zu berauben,

sondern allein vor böser Gewalt sich zu

beschirmen und ihre alte Freiheit zu handhaben. Es war auch abgeredet, wenn etwas vorfiele, daß vonnöten sei, sich zu unterreden, daß dann sie drei einander berufen und

nachts zusammen kommen wollten vor dem Mythenstein, so im

See steht,

unter Seelisberg an einem Ende^

heißt im Rütlis

und ob Gott seine Gnade verliehe^ daß sich ihre Gesellschaft mehrete^ daß dann ihr jeder zween, drei oder mehr mit ihm in

das gemeldete Rütli bringen möchte.

Also fuhr der Stauffacher

wieder heim gen Schwyz und Erni von Melchthal mit Kunrat

Baumgarten

aus Alzellen, der zur

Stund auch

den Bund

schwur, heimlich miteinander gen Unterwalden- da praktiziert der eine ob dem Wald, der andere nid dem Wald, und geschah dies

alles im Herbst. Man fördert und treibt den Handel aufs ernstlichste, denn man besorgt, so man lange Zeit sollte mit umgehen, möchte es

ausbrechen, ehe man einigen gemeinen Ratschlag gethan hätte, und ihnen zu großem Nachteil gereichen.

Deshalb ein endlicher

Tag angesetzt ward in das Rütli, und sollte jeder der gemel­ deten drei Eidgenossen mit ihm bringen neun oder zehn Mann, die weisesten und anschlägigsten, einen endlichen Beschluß und Ratschlag zu thun, auf welche Zeit sie die Sache angreifen

wollten.

Diese nächtliche Tagleistung ward gehalten am Mitt­

woch vor Sant Martinstag.

Darnach am Sonntag nach Otmari, was der 18. Winter­

monats, ging ein redlicher, frommer Landmann von Uri, Wil­

helm Teil genannt,

der auch heimlich in der Bundsgesellschaft

war, zu Altdorf etlichmal vor dem aufgehängten Hut vorüber und

that ihm keine Reverenz an, wie der Landvogt Geßler geboten

hatte- das ward dem Landvogt angezeigt. darnach, am Montag,

Also morgendes

beruft er den Tell vor sich, fragt ihn

trutzlich, warum er seinen Geboten nicht gehorsam wäre und

dem König, auch ihm zu Verachtung, dem Hut keine Reverenz

bewiesen hätte.

Der Tell gab Antwort:

„Lieber Herr, es ist

ungefähr mjb nicht aus Verachtung geschehen, verzeihet mirs! Wär

ich witzig, so hieß ich nicht der Tellnicht mehr geschehen!"

bitte um Gnade, es soll

Nun war der Tell ein guter Armbrust­

schütz, daß man ihn besser kaum fand, und hatte hübsche Kin­

der, die ihm lieb waren- die beschickte der Landvogt und sprach: „Tell, welches unter denen Kindern ist dir das liebste?"

Der

Tell antwortet: „Herr, sie sind mir alle gleich lieb." Ta sprach

Tschudi.

10 [IV] der Landvogt:

„Wohlan, Tell, du bist ein guter, berühmter

Schütz, wie ich höre,- nun wirst du deine Kunst vor mir müssen bewähren und deiner Kinder einem einen Apfel ab dem Scheitel

seines Hauptes müssen schießen.

du

den Apfel

Schusses,

so

treffest,

denn

triffst

du ihn nicht

dein Leben."

dich

kostet es

Darum hab eben acht, daß des ersten

Der Teil, erschrak,

bat den Landvogt um Gottes willen, daß er ihn des Schusses

erließe,

denn es unnatürlich wäre,

Kind sollte schießen,-

daß er gegen sein liebes

er wolle lieber sterben.

Der Landvogt

sprach: „Das mußt du thun, oder du und das Kind sterben." daß ers thun mußt, bat Gott inniglich,

Der Tell sah wohl,

daß er ihn und sein lieb Kind behüte, nahm seine Armbrust, spannte sie, legte den Pfeil

hinten in das Göller,-

auf und steckte noch einen Pfeil

und legt der Landvogt dem Kind, das

nicht mehr denn sechs Jahr alt war, selbst den Apfel auf sein

Haupt.

Also schoß der Tell dem Kind den Apfel ab dem

Haupt, daß er das Kind nicht verletzt.

Da nun der Schuß

geschehen war, verwundert sich der Landvogt des meisterlichen

Schusses, lobt den Tellen seiner Kunst und fragte ihn, was das bedeute, daß er noch einen Pfeil hinten ins Göller ge­ steckt hätte.

Der Tell

erschrak abermals

Frage bedeute nichts Gutes.

und gedachte, die

Doch hätte 'er gern die Sache

glimpflich verantwortet und sprach, es wäre also der Schützen Gewohnheit.

Der Landvogt merkt wohl, daß ihm der Tell

entsaß, und sprach: „Tell, und fürchte dich

nun sag mir fröhlich die Wahrheit

nicht darum!

du sollst deines Lebens sicher

sein! denn die gegebene Antwort nehm ich nicht an, es wird etwas

anders

bedeutet

haben."

Da

redet

Wilhelm Tell:

„Wohlan, Herr, sintemalen Ihr mich meines Lebens versichert

habt, so will ich Euch

die gründliche Wahrheit ,sagen, daß

meine endliche Meinung gewesen, wenn ich mein Kind getroffen hätte, daß ich Euch mit dem andern Pfeil erschossen und ohne

Zweifel Euer nicht

gefehlt wollte haben."

Da der Landvogt

dieses hört, sprach er: „Nun wohlan, Tell, ich hab dich deines Lebens gesichert, das will ich dir halten,- dieweil ich aber deinen bösen Willen gegen mich verstehe, so will ich dich führen lassen

an einen Ort und allda einlegen, Mond nimmermehr sehen sollst,

daß du weder Sonne noch

damit ich vor dir sicher sei."

Hieß hiemit seine Diener ihn sahen und angehends gebunden

nach Flüelen führen. ^Er fuhr auch mit ihnen und nahm des Tellen Schießzeug, Kocher, Pfeil und Armbrust auch mit ihm,

wollts ihm selbst behalten- also saß der Landvogt samt den Dienern und dem gebundenen Tellen in ein Schiff, wollte gen Brunnen

fahren

und

den Tellen

darnach

über Land

durch

Schwyz in sein Schloß gen Küßnacht führen und allda in einem

finstern Turm sein Leben lassen enden- des Tellen Schießzeug ward

im Schiff auf den Bieten oder Gransen

beim Steuer­

ruder gelegt.

Wie sie nun auf den See kamen und hinauf fuhren bis an Axen das Ecke, da fügte Gott, daß ein solcher grausamer, ungestümer Sturmwind

einfiel,

hatten, ärmiglich zu ertrinken.

daß sie

sich

alle verwogen

Nun war der Tell ein starker

Mann und konnte fast wohl auf dem Wasser- da sprach der

Diener einer zum Landvogt: „Herr, Ihr sehet Eure und unsre Not und Gefahr unsers Lebens, darin wir stehen, und daß

die Schiffmeister erschrocken und des Fahrens nicht wohl be­ richtet- nun

ist der Tell ein starker Mann und kann wohl

schiffen- man sollte ihn jetzt in der Not brauchen!" Der Land­

vogt sprach zum Tellen: Gefahr zu helfen,

„Wenn du uns getrautest aus dieser

so wollte ich dich deiner Bande ledigen."

Der Tell gab Antwort: „Ja, Herr, ich getraue uns mit Gottes

Hilfe wohl hiedannen zu helfen."

Also ward er aufgebunden,

stand an das Steuerruder und fuhr redlich dahin- doch lugt er

allweg auf das Schießzeug, das zunächst bei ihm lag, und auf einen Vorteil, hinauszuspringen - und wie er kam nah zu einer Platten (die seither fren Namen des Tellen Platte behalten und

ein Heilighäuslein dahin gebaut ist), bedeuchte ihm, daß er da­ selbst wohl hinausspringen

und

entrinnen möchte, schrie den

Knechten zu, daß sie handlich zugingen, bis man vor dieselbe Platten käme, denn sie hätten dann das böseste überwundenund

als

er neben

die Platten kam,

drückte er den Hintern

Gransen mit Macht an die Platten, erwischte sein Schießzeug

Tschudi.

12 [IV]

Schupp.

und sprang hinaus auf die Platten, stieß das Schiff mit Ge­

walt von ihm und ließ sie auf dem See schweben und schwanken. Der Teil aber lies über Morsach

durch das Land Schwyz bis

auf die Höhe an der Landstraße zwischen Arth und Küßnacht,

da eine hohle Gasse ist und Gestäude darob: darin lag er ver­ borgen, denn er wußte, daß der Landvogt allda vorbeireiten würde gen Küßnacht zu seiner Burg. Der Landvogt und seine Diener kamen mit großer Not

und Arbeit

übern See

gen Brunnen,

ritten

darnach

durch

Schwyzerland,' und wie sie der gemeldeten hohlen Gasse nahe-

ten, hört er allerlei Anschläge

des Landvogts wider ihn.

Er

aber hatte seine Armbrust gespannt und durchschoß den Land­

vogt mit einem Pfeil, daß er ab dem Roß fiel und von Stund an tot war.

Johann Balthasar Schupp

(i6io—1661).

5. Sprachreinigung im Deutschen. (An den Dichter Johann Rist in Königsberg.) Ich bitte, Er wolle die hochlöbliche fruchtbringende Gesell­ schaft nach Standesgebühr

in

meinem Namen

salutieren und

sagen, daß ich dafür halte, daß die Intention der hochlöbllchen

Stifter

dieser Gesellschaft

gut gewesen sei.

Allein sie sollen

selbst erwägen, ob die Mittel, die sie bishero gebraucht haben,

die deutsche Sprache zu befördern, allenthalben dienlich seien. Der tapfere Kriegsheld, der von N., hat seinen Esprit genug­

sam an Tag gegeben in Versetzung des verfolgten Davids und anderer Schriften.

Allein, daß er alle fremde Wörter, welche

die Bauern nicht mehr für fremd halten, hat wollen

deutsch

geben, darüber hab ich oftmals unter dem Lesen den Kopf ge­ schüttelt.

Unter andern nennet er sich an einem Ort, wo ich

mich recht erinnere, Obergebietiger in Rostock.

mals alle Bauern in

Wenn ich da­

ganz Mecklenburg gefragt hätte: „Wer

ist Obergebietiger in Rostock?" so würden sie sich verwundert

Tschudi.

12 [IV]

Schupp.

und sprang hinaus auf die Platten, stieß das Schiff mit Ge­

walt von ihm und ließ sie auf dem See schweben und schwanken. Der Teil aber lies über Morsach

durch das Land Schwyz bis

auf die Höhe an der Landstraße zwischen Arth und Küßnacht,

da eine hohle Gasse ist und Gestäude darob: darin lag er ver­ borgen, denn er wußte, daß der Landvogt allda vorbeireiten würde gen Küßnacht zu seiner Burg. Der Landvogt und seine Diener kamen mit großer Not

und Arbeit

übern See

gen Brunnen,

ritten

darnach

durch

Schwyzerland,' und wie sie der gemeldeten hohlen Gasse nahe-

ten, hört er allerlei Anschläge

des Landvogts wider ihn.

Er

aber hatte seine Armbrust gespannt und durchschoß den Land­

vogt mit einem Pfeil, daß er ab dem Roß fiel und von Stund an tot war.

Johann Balthasar Schupp

(i6io—1661).

5. Sprachreinigung im Deutschen. (An den Dichter Johann Rist in Königsberg.) Ich bitte, Er wolle die hochlöbliche fruchtbringende Gesell­ schaft nach Standesgebühr

in

meinem Namen

salutieren und

sagen, daß ich dafür halte, daß die Intention der hochlöbllchen

Stifter

dieser Gesellschaft

gut gewesen sei.

Allein sie sollen

selbst erwägen, ob die Mittel, die sie bishero gebraucht haben,

die deutsche Sprache zu befördern, allenthalben dienlich seien. Der tapfere Kriegsheld, der von N., hat seinen Esprit genug­

sam an Tag gegeben in Versetzung des verfolgten Davids und anderer Schriften.

Allein, daß er alle fremde Wörter, welche

die Bauern nicht mehr für fremd halten, hat wollen

deutsch

geben, darüber hab ich oftmals unter dem Lesen den Kopf ge­ schüttelt.

Unter andern nennet er sich an einem Ort, wo ich

mich recht erinnere, Obergebietiger in Rostock.

mals alle Bauern in

Wenn ich da­

ganz Mecklenburg gefragt hätte: „Wer

ist Obergebietiger in Rostock?" so würden sie sich verwundert

und gesagt haben: „Obergebietiger? Obergebietiger?

Was ist

das für ein Ding?" Allein, wenn ich gefragt hätte: „Wer ist Kommandant in Rostock?" so wurde jedermann geantwortet haben: „91. von N., der ehrliche, tapfere Kavalier, ist Kommandant."

Ich versichere meinen hochgeehrten Herrn, daß darin die Zierlichkeit der deutschen Sprache nicht besiehe, und wann sie auch schon darin bestünde, so frage ich die hochlöbliche frucht­

bringende Gesellschaft, was mit diesen grammatikalischen Din­ gen, damit sich etliche Leute wollen groß machen,

dem römi­

Im Hessen­

schen Reich und der deutschen Nation gedienet sei.

land ist ein Prokurator gewesen, genannt der dicke Lorenz, welcher sich der Zierlichkeit im deutschen Reden sonderlich hatte

befleißigen wollen.

Einsmals hatte er zu seinem Jungen sagen

wollen: „Jung, hole mir mein Messer!"

Damit er nun kund

mache, daß ein Unterschied sei zwischen ihm und einem gemeinen

hessischen Bauern, hat er gesagt: „Page, bringe mir mein brotschneidendes Instrument!"

Einsmals hatte er zu seiner Frau

sagen wollen:

„Frau,

ich hab

etwas zu thun!"

daß er

noch

es hat neun geschlagen,

ein hessischer Cicero sei, hat er

meiner Seelen,

du mein

gehe zu Bett,

Damit nun die Frau wisse,

ander Ich,

gesagt:

„Du Hälfte

meine Gehilfin, meine

Augenlust, das gegossene Erz hat den neunten Ton von sich gegeben,

erhebe dich auf die Säulen deines Körpers und ver­

füge dich in das mit Federn gefüllte Eingeweide!" — Jener Phantast wollte zu seinem Jungen sagen, daß er ihm die Stie­ seln ausziehen sollte,

da sagte er:

„Du, der du geringer bist

als ich, entledige meinen Unterteil des Leibes von der überge­ zogenen anatomierten Haut!"

Es hat ein jegliche Sprach ihren eigenen Genius.

der

weise Kaiser Karl der Fünfte

sagte,

wann

er

Daher

mit

dem

Frauenzimmer reden wolle, so wolle er französisch reden, denn

es sei eine liebliche Sprache- wann er mit Königen reden wolle, so wolle er italienisch oder spanisch reden, denn es seien ma­ jestätische Sprachen,- wann er mit seinen Feinden reden wolle,

so wolle er deutsch reden.

14 [IV]

Leibnitz.

Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibnitz (1646—1716). 6. Über Verbesserung der deutschen Sprache. Es ist bekannt, daß die Sprache ein Spiegel des Ver­

standes, und

die Völker, wenn

daß

schwingen, auch zugleich

sie

den

Verstand

hoch

die Sprache wohl ausüben, loelches

der Griechen, Römer und Araber Beispiele zeigen.

daß die Deutschen ihre Sprache

Ich finde,

bereits hoch gebracht in allen

dem, so mit den fünf Sinnen zu begreifen und auch dem ge­ meinen Mann

vorkommt-

absonderlich in leiblichen Dingen^

auch Kunst- und Handwerkssachen, weil nämlich die Gelehrten fast allein mit dem Latein beschäftigt gewesen und die Mutter­

sprache dem gemeinen Lauf überlassen.

Und halt ich dafür>

daß keine Sprache in der Welt sei, die zum Exempel von Erz und Bergwerken reicher und nachdrücklicher rede, als die deutsche.

Dergleichen kann man von allen andern gemeinen Lebensarten

und Professionen sagen, als von Jagd- und Weidwerk, von der Schiffahrt und dergleichen, wie denn alle die Europäer, so auf dem großen Weltmeer fahren, die Namen der Winde und viel andere Seeworte von den Deutschen, nämlich von den Sachsen,

Normannen und Niederländern entlehnet.

Es ereignet sich aber einiger Abgang in unserer Sprache

in den Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch Betrachtung erreichen kann, als bei Ausdrückung der Ge­

mütsbewegungen,

auch

Beschaffenheiten,

so

hören:

der Tugenden

und Laster und

vieler

zur Sittenlehre und Regierungskunst ge­

dann ferner bei den noch mehr

abgezogenen und ab­

gefeimten Erkenntnissen, so die Liebhaber der Weisheit in ihrer

Denkkunst auf die Bahn bringen, welches alles dem gemeinen

deutschen Mann etwas entlegen und nicht so üblich, dahingegen der Gelehrte und Hofmann sich des Lateins oder anderer frem­

den Sprachen in dergleichen fast allein und zu viel beflissen: also, daß es den Deutschen nicht am Vermögen, sondern am

Willen gefehlet, ihre Sprache durchgehends zu erheben.

Denn

weil alles, was der gemeine Mann treibet, wohl in Deutsch

gegeben, so ist kein Zweifel, daß dasjenige, so vornehmen und

gelehrten Leuten mehr vorkommt, von diesen, wenn sie gewollt, auch sehr Wohl, wo nicht besser, in reinem Deutsch hätte ge­

geben werden können. Nun wäre zwar

dieser Mangel bei den logischen und

metaphysischen Kunstwörtern noch in etwa zu verschmerzen, ja, ich habe es zu Zeiten unserer ansehnlichen Hauptsprache zum

Lobe angezogen,

daß

sie nichts als rechtschaffene Dinge sage

und ungegründete Grillen nicht einmal nenne.

Daher ich bei

den Italienern und Franzosen zu rühmen gepfleget, wir Deutsche

hätten einen sonderbaren Probierstein der Gedanken, der andern unbekannt. Und wenn sie dann begierig gewesen, etwas davon

zu wissen, so habe ich ihnen bedeutet, daß es unsere Sprache selbst sei. Denn was sich darin ohne entlehnte und ungebräuch­

liche Worte vernehmlich sagen lasse, das sei wirklich was Recht­

schaffenes- aber leere Worte, da nichts hinterund gleichsam nur

ein leichter Schaum müßiger Gedanken, nehme die reine deutsche Allein es ist gleichwohl an dem, daß in der

Sprache nicht an.

Denkkunst auch nicht wenig Gutes enthalten, so sich durch alle anderen Wissenschaften und Lehren ergießet, einen unbeweglichen

Grund legt,

darauf die Rechtslehre und insonderheit auch die

Regierungskunst samt den Gesetzen aller Lande zu bauen. finde aber hierin die deutsche Sprache noch

Ich

etwas mangelhaft

und zu verbessern.

Hat es

demnach

die Meinung nicht, daß man in der

Sprache zum Puritaner werd^e und mit einer abergläubischen

Furcht ein fremdes,

aber' bequemes Wort als eine Todsünde

vermeide, dadurch aber sich selbst entkräfte und seiner Rede den Nachdruck nehme.

Fruchtbringenden

Also ist auch gewiß, und

Glieder

der

daß einige der Herrn

andern

deutschen

Gesell­

schaften hierin zu weit gegangen und dadurch andere gegen sich

ohne Not

erreget,

zumal

sie

den Stein

einmal

auf

heben

wollen und alles Krumme schlecht zu machen gemeinet, welches unmöglich. Wie es mit der deutschen Sprache hergegangen, kann man

aus den Reichsabschieden sehen.

Im Jahrhundert der Refor­

mation redete man ziemlich rein deutsch, außer weniger italieni-

Hessel, Lesebuch. IV. Prosa.

2

scher, zum Teil auch spanischer Worte, so vermittelst des kaiser­

lichen Hofes und einiger fremden Bedienten zuletzt eingeschlichen Solches aber, wenn es mäßiglich geschieht, ist weder zu ändern, noch ebensosehr zu tadeln, zu Zeiten auch wohl zu loben, zumal

wenn neue und

gute Sachen zusamt ihren Namen aus der

Fremde zu uns kommen.

Allein wie der dreißigjährige Krieg

eingerissen und überhand genommen, fremden und einheimischen Völkern

da ist Deutschland von

wie mit einer Wasserflut

überschwemmt worden und nicht weniger unsere Sprache, als

unser Gut in die Rabuse gegangen, und siehet man, wie die Reichsakta solcher Zeit mit Worten angefüllt sind, deren sich

freilich unsere Vorfahren geschämt haben würden. [Leibnitz macht nun Vorschläge, wie der verloren gegangene Reichtum der deutschen Sprache wieder zu gewinnen fei, und meint unter anderm]:

Solches könnte geschehen durch Aufsuchung guter Wörter,

die schon vorhanden, aber jetzo fast verlassen, mithin zu rechter Zeit nicht beifallen, wie auch ferner durch Wiederbringung alter verlegener Worte, so

von besonderer Güte.

Solches zu

reichen, wäre gewissen gelehrten Leuten aufzutragen,

er­

daß sie

eine Besichtigung, Musterung und Ausschuß anstellen und desfalls in guten deutschen Schriften sich ersehen möchten, zu wel­ chem Ende die Schriften des vorigen Seculi, die Werke Luthers und anderer Theologen, die alten Reichshandlungen, die Landes--

ordnungen und Willküre der Städte und

und

weltliche Schriften,

allerhand geistliche

sogar des Reineke Voß,

des Frosch­

mäuselers, des deutschen Rabelais, des übersetzten Amadis, deK

österreichischen Teuerdanks, des nürnbergischen Hans Sachsem und anderer nützlich zu gebrauchen.

Aus -em 18. Jahrhundert.

Iustus Möser (1720—1794). 7. Die gute selige Fra«.

Ich habe meine Frau im vierzigsten Jahre verloren, und

meine

Umstände

erfordern,

daß ich

mich wieder

verheirate.

Allein so viele Mühe ich mir auch dieserhalb bereits gegeben, so

kann ich doch keine finden, die mir ansteht und der lieben Se­ ligen einigermaßen gleich ist.

Ich höre von keiner, oder man

sagt mir sogleich: „Diese Person hat sehr vielen Verstand, eine

schöne Lektüre und ein überaus zärtliches Herz.

Sie spricht

französisch, auch wohl englisch und italienisch, spielt, singt und tanzt vortrefflich und ist die artigste Person von der Welt." Zu meinem Unglück ist mir aber mit allen diesen Voll­

kommenheiten gar nichts gedient.

Ich wünsche eine rechtschaffene,

christliche Frau, von gutem Herzen,

gesunder Vernunft, einem

bequemen, häuslichen Umgänge und lebhaftem, doch eingezoge­ nem Wesen/

eine fleißige und emsige Haushälterin, eine rein­

liche, verständige Köchin und eine aufmerksame Gärtnerin.

Und

diese ist es, welche ich jetzt nirgends mehr finde. Der Himmel weiß, daß ich es nie verlangt habe, allein

meine Selige stand alle Morgen um fünf Uhr auf, und ehe es sechse schlug, war das ganze Haus aufgeräumet, jedes Kind an­ gezogen und bei der Arbeit, dqs Gesinde in seinem Beruf und

des Winters an manchem Morgen oft schon mehr Garn gesponnen, als jetzt in manchen Haushaltungen binnen einem ganzen Jahr

gewonnen wird.

Das Frühstück ward nur beiläufig eingenom­

men; jedes nahm das (einige in die Hand und arbeitete seinen

Gang fort.

Mein Tisch war zu rechter Zeit gedeckt und mit

welche sie selbst mit Wahl und Rein­

zween guten Gerichten,

lichkeit simpel, aber gut zubereitet hatte, besetzt. Käse und Butter, Äpfel, Birnen und Pflaumen, oder

trocken, waren von ihrer Zubereitung.

Freund zu uns,

so

wurden

frisch

Kam ein guter

einige Gläser mit Eingemachtem

aufgesetzt, und sie verstand alle Künste, so dazu gehörten, ohne

es eben mit einer Menge von Zucker verschwenderisch zu zwin­

gen,- was nicht davon genossen wurde, blieb in dem sorgfältig bewahrten Glase. Ihre Pickels übertrafen alles, was ich jemals

gegessen habe- und ich weiß nicht, wie sie den Essig so unver­ gleichlich machen konnte. Sie machte alle Jahr ein Bitters für

den Magen, wogegen Dr. Hills und Stoughtons Tropfen nichts sind.

Ihren Hollundersaft kochte sie selbst, und in keinem Non­

nenkloster fand man besseres Krauseminzenwasser, als das ihrige. In unserm ganzen Ehestände hat keines aus dem Hause dem

Apotheker einen Groschen gebracht, und wenn sie etwas Lächer­ liches nennen wollte, so war es ein Kräuterthee aus der Apo­ theke. acht.

Auf jedes Stück Holz,

das ins Feuer kam,

hatte sie

Nie ward ein großes Feuer gemacht, ohne mehrere Ab­

sichten auf einmal zu erfüllen. das Gesinde

von

Sie wußte, wie viel Stunden

einem Pfund Thran brennen mußte.

Lichter zog sie selbst und

Ihre

wußte des Morgens an den Enden

genau, ob jedes sich zu rechter Zeit des Abends niedergelegt

hatte.

im Hause

Das Bier ward

gemacht und

der Hopfen

daheim

Braunschweig eingeführet wird.

nicht aus ihrer Tasche.

gebraut,

das Malz selbst

besser gezogen, als er von Der Schlüssel zum Keller kam

Sie wußte genau, wie lange ein Faß

laufen und wie viel ein Brot wiegen mußte.

Butter und Speck

gab sie selbst aus, und ohne geizig zu sein,

bemerkte sie das

Gelinde so genau,

daß nichts davon verbracht werden konnte.

Ebenso machte sie es, mit der Milch.

Sie kannte jedes Huhn,

das legte, und fütterte nach der Jahreszeit so, daß kein Korn

zu viel oder zu wenig

gegeben

wurde.

Das Holz kaufte sie

zu rechter Jahreszeit und ließ die Mägde des Winters alle Tage

zwei Stunden sägen, um sie bei einer heilsamen Bewegung zu

Im Sommer ward des Abends nie warm gegessen.

bewahren.

Die warmen Suppen schienen ihr eine lächerliche Erfindung der

Franzosen- und bei dem kalten Essen konnte das Geschirr auch mit kaltem Wasser gewaschen werden.

Man brauchte alsdann

kein Feuer, und bei Winterabenden ward bei dem letzten Feuer im Ofen gekocht.

Was in der Dämmerung geschehen konnte,

geschah nicht bei Lichte, und die Arbeit war darnach abgepatzt.

Ihre schmutzige Wäsche untersuchte sie alle Sonnabend und hing solche des Winters einige Tage auf Leinen, damit sie nicht zu

feucht weggelegt und stockig werden möchte.

Wenn die Bettücher

in der Mitte zu sehr abgenutzt schienen, schnitt sie solche los und

kehrte die Außenseite gegen die Mitte.

Auch die Hemden wußte

sie auf eine ähnliche Art umzukehren und die Strümpfe bis drei Mal anzuknütten.

zwei

Alles, was sie und ihre Kinder

trugen, ward im Hause gemacht, und sie verstand sich auch sehr gut auf einen Mannsschlafrock.

Sie konnte ihn in einem Tage Im Stopfen ging ihr keine

mit eigener Hand fertig machen. Frau

vor-

alle Jahre

einige Stücke Linnen

wurden

Haushaltung gemacht und

einige

hernach zusammen bleichen ließ.

in der

greis zugekauft, welche sie Sie bükete solches selbst und

bewahrte es soviel wie möglich vor der gewaltsamen Behandlung Das Garn zu einem Stücke mußte von einer

des Bleichers. Hand und von

einer Art Flachs

gesponnen sein.

Von

dem

besten ward gezwirnt, und keine Nadel oder Nähnadel konnte

verloren gehen, weil nicht ausgefegt werden durfte,

ohne daß

sie zugegen war. Ihr Garten war zu rechter Zeit und mit selbstgezogenem

Samen bestellt.

Im Frühjahr

erholte sie

sich in

demselben

von der langen Winterarbeit, indem sie säete und jätete. Früchte

lachten dem Auge

halben Dünger gebrauchte, untergruben.

entgegen,

ob sie gleich

den ihre Nachbarn

Die

kaum

den

ohne Verstand

Da sie allem Unkraut zeitig widerstand, so hatte sie

mcht die halbe Arbeit. Alles, was sie pflanzte, geriet recht wunderbarlich, und ihr Vieh gab bei kluger Fütterung bessere und mehr

Milch, als andere mit doppeltem Futter erhalten konnten.

Keine

Feder wurde verloren, und kein Brocken fiel auf die Erde.

Das Bewußtsein ihrer guten Eigenschaften gab ihr einen Alles^ was bei Tische mit Appetit

ganz vortrefflichen Anstand.

gegessen wurde, war die schmeichelhafteste Lobrede für sie.

Tischzeug konnte nicht bewundert werden,

Das-

ohne daß nicht bcr

Ihre emsigen, reinlichen und muntern

Ruhm davon auf sie fiel.

Kinder verkündigten der Mutter Lob vor allen Augen; und die

Ordnung im Hause, die Fertigkeit, womit alles von statten ging,, und die Zufriedenheit, womit sie vieles ohne Beschwerde geben konnte, erheiterten ihre Blicke dergestalt, daß alle Gäste davon

entzückt wurden.

Keiner Frau ist mehr geschmeichelt und keiner-

weniger Schmeichelhaftes

gesagt

worden.

Ihr Blick breitete

Lust und Zufriedenheit über alles aus, und ich kann es nicht genug sagen, wie artig

sie jede Gesellschaft mit in den Plan

ihrer Arbeiten ziehen konnte. In der Dämmerung schälten mir Äpfel mit ihr oder pflückten Hopfen, und wer sein ihm zuge­

teiltes Werk zuerst fertig hatte, bekam von ihr einen $hifcT Man glaube es oder nicht, der eine hielt den Zwirn, der andere wickelte ihn auf,

der dritte

las Erbsen

oder

andere Samen

aus, der vierte machte Dochte zu Lichtern, und ich glaube, wir

hätten ihr zu Gefallen gern mitgesponnen, wenn wir es ver­

standen hätten.

,/Spinnen", sagte sie uns oft, „giebt allezeit

warme Füße und würde sehr gut gegen die Hypochondrie sein." Wenn wir unsere Arbeit gut gemacht hatten, setzten wir uns^

nachdem die Jahreszeit war, an das Darrenfeuer und tranken ein Glas. Septemberbier, welches damals noch nicht so schwach, gebraut wurde,

daß es

in dem

ersten Monat

sauer

werden

mußte, oder wir thaten uns sonst mit Plaudern etwas zu gute. Nach ihrem Tode — ach, ich kann ohne Thränen nicht daran

denken

Töchter fertig,-

— fand

ich die Brautwagen

und wie ich alles,

sechzehnjährigen Ehestände in

was sie

für unsre

während

Vier-

unserm,

der Haushaltung erzeugt hatte,

überschlug, belief es sich höher, als das Geld, was sie in aller-

Zeit von mir empfangen

hatte.

So

vieles

Fleiß, Ordnung und Haushaltung gewonnen.

hatte

sie

durch

Gotthold Ephraim Lessing

(1729—1781).

8. Einige Fabel«. I.

Der Esel mit dem Löwen.

Als der Esel mit dem Löwen, der ihn statt seines Jägerhvrns brauchte, nach dem Walde ging, begegnete ihm ein an­

derer Esel von seiner Bekanntschaft und rief ihm zu: „Guten

Tag, mein Bruder!" — „Unverschämter!" war die Antwort. — „Und warum das?" fuhr jener Esel fort, „bist du des­

wegen, weil du mit einem Löwen gehst, besser als ich? mehr

als ein Esel?" II. Der Löwe mit dem Esel.

Als der Löwe mit dem Esel, der ihm durch seine fürchter­

liche Stimme die Tiere sollte jagen helfen, nach dem Walde ging, rief ihm eine naseweise Krähe von dein Baume zu: „Ein schöner Gesellschafter!

Schämst du dich nicht, mit einem Esel

zu gehen?" — „Wen ich brauchen kann," versetzte der Löwe„dem kann ich ja wohl meine Seite gönnen."

So denken

die Großen alle, wenn sie

einen Niedrigen

ihrer Gemeinschaft würdigen. III. Die Pfaue« und die Krühen.

Eine

stolze Krähe schmückte sich mit den ausgefallenen

Federn der fqrbigen Pfauen und mischte sich kühn, als,sie ge­

nug geschmückt zu sein glaubte, unter diese der Juno. mit

glänzenden Bögel

Sie ward erkannt, und schnell fielen die Pfauen

scharfen Schnäbeln

auf sie,

ihr

den

betrügerischen Putz

auszureißen. „Lasset nach!" schrie sie endlich, „ihr habt nun alle das eurige wieder!"

Doch

die

Pfauen,

welche

einige

von

den

eigenen, glänzenden Schwingfcdern der Krähe bemerkt hatten,

versetzten: „Schweig, armselige Närrin - auch diese können nicht dein sein!" — und hackten weiter.

IV. Der Rabe und der Fuchs.

Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleischs das der er­

zürnte Gärtner

für die Katzen

seines Nachbars

hingewarfen

hatte, in seinen Klauen fort. Und eben wollte er es auf einer alten Eiche verzehren,

als sich ein Fuchs

herbeischlich und ihm zurief: „Sei mir ge­

segnet, Vogel des Jupiters!^ — „Für wen siehst du mich cm?" fragte der Rabe. — „Für wen ich dich ansehe?" erwiderte der

Fuchs,

„bist du nicht der rüstige Adler,

der täglich

von der

Rechten des Zeus auf diese Eiche herab kömmt, mich Armen zu speisen?

Warum verstellst du dich?

Sehe ich denn nicht in

der siegreichen Klaue die erflehte Gabe, die mir dein Gott durch dich zu schicken noch fortfährt?"

Der Rabe erstaunte und freute sich innig, für einen Adler

Ich muß, dachte er, den Fuchs aus diesem

gehalten zu werden.

Irrtume nicht bringen. — Großmütig dumm ließ er ihm also

seinen Raub herabfallen und flog stolz davon. Der Fuchs fing das Fleisch lachend auf und fraß es mit

boshafter Freude.

Doch bald verkehrte sich die Freude in ein

schmerzhaftes Gefühl,- das Gift fing an zu wirken, und er verreckte.

Möchtet ihr euch nie etwas andres als Gift erloben, ver­ dammte Schmeichler! V.

Der Wylf lag

Der Wolf auf dem Todbette.

in den letzten Zügen

und schickte

prüfenden Blick auf sein vergangenes Leben zurück.

einen

„Ich bin

freilich ein Sünder", sagte er; „aber doch, hoffe ich, keiner von den größten.

Einstmals,

Ich habe Böses gethan, aber auch erinnere ich mich,

kam mir

ein

viel Gutes.

blökendes Lamm,

welches sich von der Herde verirret hatte, so nahe, daß ich es

gar leicht hätte würgen können, und ich that ihm nichts. ebev dieser "Zeit hör'te ich' die Spöttereien

eines Schafes mit

Zu

und SchmähuNgett

der bewundernswürdigsten Gleichgültigkeit

an, ob ich schon keine schützenden Hunde zu fürchten hatte."

„Und das alles kann ich dir bezeugen," fiel ihm Freund Fuchs, der ihm zum Tode bereiten half, ins Wort

„Denn

ich erinnere mich noch gar wohl aller Umstände dabei. zu eben jener Zeit,

würgtest, das

als du dich

dir der

Es war

an dem Beine so jämmerlich

gutherzige Kranich

aus

hernach

dem

Schlunde zog." VI. Herkules.

Als Herkules in den Himmel ausgenommen ward, machte

er

seinen Gruß

unter allen Göttern

der Juno

ganze Himmel und Juno erstaunte darüber.

zuerst.

Der

„Deiner Feindin,"

rief man ihm zu, „begegnest du so vorzüglich?" — „Ja, ihr selbst," erwiderte Herkules, „nur ihre Verfolgungen sind es, die mir zu den Thaten Gelegenheit gegeben, womit ich den Himmel

verdient habe." Der Olymp billigte die Antwort des neuen Gottes, und

Juno ward versöhnt. VII. Die Gaus.

Die Federn einer Gans beschämten den neugeborenen Schnee. Stolz auf dieses blendende Geschenk der Natur, glaubte sie eher zu einem Schwane, als zu dem, was sie war, geboren zu sein.

Sie sonderte sich von ihres gleichen ab und schwamm einsam und majestätisch auf dem Teiche herum.

Bald dehnte sie ihren

Hals, dessen verräterischer Kürze sie mit aller Macht abhelfen

wollte. in

Bald suchte sie ihm die prächtige Biegung zu geben,

welcher der Schwan das würdigste Ansehen

des Apollo hat.

eines Vogels

Doch vergebens- , er war zu steif,

aller ihrer Bemühung brachte sie es nicht weiter,

und

mit

als daß sie

den Zeitpunkt erlebt und genutzt,

wo

es deutlich wurde, daß

alle Staatsglieder in gleicher Betriebsamkeit ihre Tage zubringen,

in gleichem Wirken und Schaffen jeder nach seiner Art erst ge­ winnen und dann genießen sollte. Wie sehr dieses gelungen war, ließ sich in diesen Tagen

gewahr werden, als eben der Hauptmarkt sich versammelte, den man gar wohl eine Messe nennen konnte.

Der Fürst

hatte

seine Gemahlin gestern durch das Gewimmel der aufgehäuften Waren zu Pferde geführt und sie bemerken lassen, wie gerade hier das Gebirgsland mit dem flachen Lande

einen

glücklichen.

Umtausch treffe,- er wußte sie an Ort und Stelle auf die Be­

triebsamkeit seines Länderkreises aufmerksam zu machen.

Wenn sich nun der Fürst fast ausschließlich in diesen Ta­ gen mit den ©einigen über diese zudringenden Gegenstände unter­ hielt, auch besonders mit dem Finanzminister anhaltend arbeitete,, so behielt doch auch der Landjägermeister sein Recht, auf dessen

Vorstellung es unmöglich war,

der Versuchung zu widerstehen,-

an diesen günstigen Herbsttagen eine schon verschobene Jagd zu. unternehmen, sich selbst und den vielen angekommenen Fremdew

ein eigenes und seltenes Fest zu eröffnen. Die Fürstin blieb ungern zurück,- man hatte sich vorge­

nommen, weit in das Gebirg hineinzudringen, um die friedlichem Bewohner der dortigen Wälder durch einen unerwarteten Kriegs­ zug zu beunruhigen.

Scheidend versäumte der Gemahl nicht,

einen Spazierritt vorzuschlagen, den

sie im Geleit Friedrichs^,

des fürstlichen Oheims, unternehmen sollte.

„Auch lasse ich,"

sagte er, „dir unsern Honorio als Stall- und Hofjunker, der für alles sorgen wird."

Und im Befolg dieser Worte gab er im.

Hinabsteigen einem wohlgebildeten jungen Mann die nötigen Auf­ träge und verschwand sodann bald mit Gästen und Gefolge.

Die Fürstin, die ihrem Gemahl noch

in den Schloßhof

hinab mit dem Schnupftuch nachgewinkt hatte, begab sich in die Hintern Zimmer, welche nach dem Gebirg eine freie

Aussicht

ließen, die um desto schöner war, als das Schloß selbst von dem Fuße herauf in einiger Höhe stand und so vor- als hinterwärts

mannichfaltige bedeutende Ansichten gewährte. Sie fand das treff­ liche Teleskop noch in der Stellung, wo man es gestern Abend gelassen hatte, als man, über Busch, Berg und Waldgipfel die

hohen Ruinen der uralten Stammburg betrachtend, sich unterhielt, die in der Abendbeleuchtung merkwürdig hervortraten, indem als­ dann die größten Licht- und Schattenmassen den deutlichsten Be­

griff von einem so

konnten.

ansehnlichen Denkmal alter Zeit verleihen

Auch zeigte sich heute früh durch die

annähernden

Gläser recht auffallend die herbstliche Färbung jener mannichfal-

tigen Baumarten, die zwischen dem Gemäuer ungehindert und

ungestört durch lange Jahre emporftrebten.

Die schöne Dame

richtete jedoch das Fernrohr etwas tiefer, nach einer öden, stei­

nigen Fläche, über welche der Jagdzug weggehen mußte, sie er­

harrte den Augenblick mit Geduld und betrog sich nicht,' denn

bei der Klarheit und Vergrößerungsfähigkeit des Instruments er­

kannten ihre glänzenden Augen deutlich den Fürsten und

den

Oberstallmeister,' ja, sie enthielt sich nicht, abermals mit dem

Schnupftuche zu winken, als sie ein augenblickliches Stillhalten

und Rückblicken mehr vermutete als gewahr ward. Lürst Oheim, Friedrich mit Namen, trat sodann, angemeldet, mit seinem Zeichner herein, der ein großes Portefeuille unter

dem Arm trug.

„Liebe Cousine^, sagte der alte, rüstige Herr,

,chier legen wir die Ansichten der Stammburg vor, gezeichnet,

um von verschiedenen Seiten anschaulich zu machen, wie der mäch­ tige Trutz- und Schutzbau von alten Zeiten her dem Jahr und seiner .Witterung sich entgegenstemmte, und wie doch hie und da sein Gemäuer weichen, da und dort in wüste Ruinen Zusammen­ stürzen mußte.

Nun haben wir manches gethan, um diese Wild­

nis zugänglicher zu machen; denn mehr bedarf es nicht, um jeden

Wanderer, jeden Besuchenden in Erstaunen zu setzen, zu entzücken." Indem nun der Fürst die einzelnen Blätter deutete, sprach

Hessel, Lesebuch IV. Prosa.

4

er weiter: „Hier^ wo man, den Hohlweg durch die äußern Ring­ mauern heraufkommend, vor die eigentliche Burg gelangt, steigt uns

ein Felsen entgegen von den festesten des ganzen Gebirgs- hierauf

nun steht gemauert ein Turm, doch niemand wüßte zu sagen, wo ttie Natur aufhört, Kunst und Handwerk aber anfangen.

Ferner

sieht man seitwärts Mauern angeschlossen und Zwinger terrassen­ mäßig herab sich erstreckend.

Doch ich sage nicht recht,- denn es

ist eigentlich ein Wald, der diesen uralten Gipfel umgiebt: seit

hundertundfünfzig Jahren hat keine Axt hier geklungen, und über­

all sind die mächtigsten Stämme emporgewachsen.

Wo ihr euch

an den Mauern andrängt, stellt sich der glatte Ahorn, die rauhe

Eiche, die schlanke Fichte mit Schaft und Wurzeln entgegen,' um diese müssen wir uns herumschlängeln und unsere Fußpfade ver­ ständig

führen.

Seht

nur,

wie trefflich

unser Meister

dies

Charakteristische auf dem Papier ausgedrückt hat, wie kenntlich

die verschiedenen Stamm- und Wurzelarten zwischen das Mauer­ werk verflochten und die mächtigen Äste durch die Lücken durchs geschlungen sind!

Es ist eine Wildnis wie keine, ein zufällig

einziges Lokal, wo die alten Spuren längst verschwundener Men­ schenkraft mit der ewig lebenden und fortwirkenden Natur sich

in dem ernstesten Streit erblicken lassen." Ein anderes Blatt aber vorlegend, fuhr er fort: „Was

sagt ihr nun zum Schloßhofe, der, durch das Zusammenstürzen des alten Thorturmes unzugänglich, niemand betreten ward.

seit undenklichen Jahren von

Wir suchten ihm von der Seite beizu­

kommen, haben Mauern durchbrochen, Gewölbe gesprengt und so einen bequemen, aber geheimen Weg bereitet.

es keines Aufräumens,-

hier findet sich

Inwendig bedurfte

ein flacher Felsgipfel,

von der Natur geplättet, aber doch haben mächtige Bäume hie und da zu wurzeln Glück und Gelegenheit gefunden: sie sind saöhte, aber entschieden ausgewachsen,- nun erstrecken sie ihre Äste

bis in die Galerien hinein, auf denen der Ritter sonst auf und ab schritt, ja durch Thüren durch und Fenster in die gewölbten Säle, aus denen wir sie nicht vertreiben wollen,- sie sind eben

Herr geworden und mögens bleiben.

Tiefe Blätterschichten weg­

räumend, haben wir den merkwürdigsten Platz geebnet gefunden,

-essen gleichen in der Welt vielleicht nicht wieder zu sehen ist.

Rach allem diesem aber ist es immer noch bemerkenswert und an Ort und Stelle zu beschauen, daß auf den Stufen, die in

-en Hauptturm hinaufführen, ein Ahorn Wurzel geschlagen und

sich zu einem so tüchtigen Baume gebildet hat, mit Not daran vorbeidringen kann,

grenzten Aussicht wegen zir besteigen.

man bequem im Schatten;

daß man nur

um die Zinne der unbe­

Aber auch hier verweilt

denn dieser Baum ist es,

über das Ganze wunderbar hoch in die Luft hebt.

der sich

Danken wir

-also dem wackern Künstler, der uns so löblich in verschiedenen

Bildern von allem überzeugt, als wenn wir gegenwärtig wären,er hat die schönsten Stunden des Tages und der Jahreszeit

dazu angewendet und sich wochenlang um diese Gegenstände her­

umbewegt.

In dieser Ecke ist für ihn und den Wächter, den

wir ihm zugegeben, eine kleine, angenehme Wohnung eingerichtet. Sie sollten nicht glauben, meine Beste, welch eine schöne Ausund Ansicht er ins Land, in Hof und Gemäuer sich dort bereitet

hat.

Nun aber,

da alles so rein nnd charakteristisch umrissen

ist, wird er es hier unten mit Bequemlichkeit ausführen.

Wir

wollen mit diesen Bildern unsern Gartensaal zieren, und niemand soll über unsere regelmäßigen Parterre, Lauben und schattigen Gänge seine Augen spielen lassen, der nicht wünschte, sich dort oben in dem wirklichen Anschauen des Alten und Neuen, des Starren,

Unnachgiebigen,

Schmiegsamen,

Unzerstörlichen

Unwiderstehlichen

seine

und

des Frischen,

Betrachtungen

anzu­

stellen."

Honorio trat ein und meldete, die Pferde seien vorgeführt,da sagte die Fürstin, zum Oheim gewendet: „Reiten wir hinauf,

und lassen Sie mich in der Wirklichkeit sehen, was Sie mir hier im Bilde zeigten!

Seit ich hier bin, höre ich von diesem Unter­

nehmen und werde jetzt erst recht verlangend,

mit Augen zu

fehen, was mir in der Erzählung unmöglich schien und in der

Nachbildung unwahrscheinlich bleibt." — „Noch nicht, meine Liebe!" versetzte der Fürst, „was Sie hier sahen, ist, was es werden kann,

und wird,-

jetzt stockt noch manches im Beginnen,-

die Kunst

muß erst vollenden, wenn sie sich vor der Natur nicht schämen

Goethe.

50 [IVJ

soll." — „Und so reiten wir wenigstens hinaufwärts, und wäre-

es nur bis an den Fuß.

Ich habe große Lust, mich heute weit

in der Welt umzusehen." — „Ganz nach Ihrem Willen!" ver­ setzte der Fürst. „Lassen Sie uns aber durch die Stadt reiten," fuhr die Dame fort, „über den großen Marktplatz, wo eine zahllose Menge-

von Buden die Gestalt einer kleinen Stadt,

eines Feldlagers

Es ist, als wären die Bedürfnisse und Be­

angenommen hat.

schäftigungen sämtlicher Familien des Landes umher, nach außen

gekehrt,

in diesem Mittelpunkt versammelt, an das Tageslicht

gebracht worden-

denn hier sieht der aufmerksame Beobachter

alles, was der Mensch leistet und bedarf; man bildet sich einen. Augenblick ein, es sei kein Geld nötig, jedes Geschäft könne hier­

durch Tausch abgethan werden- und so ist es auch im Grunde.. Seitdem der Fürst gestern mir Anlaß zu diesen Übersichten ge­ geben, ist es mir gar angenehm zu denken, wie hier, wo Gebirg. und flaches Land aneinander grenzen, beide so deutlich aussprechen^

was sie brauchen, und was sie wünschen.

Wie nun der Hoch-^

länder das Holz seiner Wälder in hundert Formen umzubilderr

weiß, das Eisen zu einem jeden Gebrauch zu vermannichfaltigen,so kommen jene drüben mit den vielfältigsten Waren ihm ent­

gegen,

an denen man den Stoff kaum unterscheiden und derr

Zweck oft nicht erkennen mag." „Ich weiß," versetzte der Fürst, „daß mein Neffe hierauf

die größte Aufmerksamkeit wendet- denn gerade zu dieser Jahres­ zeit kommt es hauptsächlich darauf an, daß man mehr empfange

als gebe- dies zu bewirken ist am Ende die Summe des ganzerr

Staatshaushaltes,

so wie der kleinsten häuslichen Wirtschaft.

Verzeihen Sie aber, meine Beste, ich reite niemals gern durch. Markt und Messe-

bei jedem Schritt ist man gehindert und-

aufgehalten, und dann flammt mir das ungeheure Unglück wie­ der in die Einbildungskraft, das sich mir gleichsam in die Augerr

eingebrannt, als ich eine solche Güter- und Warenbreite Feuer aufgehen sah.

in

Ich hatte mich kaum" —

„Lassen Sie uns die schönen Stunden nicht versäumen!^ fiel ihm die Fürstin ein, da der würdige Mann sie schon einige-

mal mit ausführlicher Beschreibung jenes Unheils geängstigt hatte, töte er sich nämlich,

auf einer großen Reise begriffen, abends

im besten Wirtshause auf dem Markte, der eben von einer Haupt' messe wimmelte, höchst ermüdet zu Bette gelegt und nachts durch Geschrei und Flammen, die sich gegen seine Wohnung wälzten,

gräßlich aufgeweckt worden.

Die Fürstin eilte, führte,

das Lieblingspferd zu besteigen, und

statt zum Hinterthore bergauf,

zum Vorderthore berg­

unter ihren widerwillig bereiten Begleiter- denn wer wäre nicht

gern an ihrer Seite geritten, wer wäre ihr nicht gern gefolgt! Und so war auch Honorio von der sonst so ersehnten Jagd willig

zurückgeblieben, um ihr ausschließlich dienstbar zu sein. Wie vorauszusehen, durften sie auf dem Markt nur Schritt

^ür Schritt reiten; aber die schöne Liebenswürdige erheiterte jeden

Aufenthalt durch eine geistreiche Bemerkung.

„Ich wiederhole,"

■sagte sie, „meine gestrige Lektion, da denn doch die Notwendigkeit unsere Geduld prüfen will."

Und wirklich drängte sich die ganze

Menschenmaffe dergestalt an die Reitenden heran, daß sie ihren

Weg nur langsam fortsetzen konnten.

Das Volk schaute mit

Freuden die junge Dame, und auf so viel lächelnden Gesichtern zeigte sich das entschiedene Behagen, zu sehen, daß die erste Frau

im Lande auch die schönste und anmutigste sei. Unter einander gemischt standen Bergbewohner, die zwischen

Felsen, Fichten und Föhren ihre stillen Wohnsitze hegten, Flach­ länder von Hügeln, Auen und Wiesen her, Gewerbsleute der

kleinen Städte, und was sich alles versammelt hatte. Nach einem ■ruhigen Überblick bemerkte die Fürstin ihrem Begleiter, wie alle l>iese, woher sie auch seien, mehr Stoff als nötig zu ihren Kleidern genommen, mehr Tuch und Leinwand, mehr Band zum Besatz. „Ist es doch, als ob die Weiber nicht brauschig und die Männer

nicht pausig genug sich gefallen könnten." „Wir wollen ihnen das ja lassen," versetzte der Oheim; „wo auch der Mensch seinen Überfluß hinwendet, ihm ist wohl

dabei, am wohlsten, wenn er sich damit schmückt und aufputzt." Die schöne Dame winkte Beifall.

So waren sie nach und nach auf einen freien Platz gelangt,

der zur Borstadt hinführte, wo am Ende vieler kleiner Buden

und Kramstände ein größeres Brettergebäude in die Augen peIA das sie kaum erblickten, als ein ohrzerreißendes Gebrülle ihnen

entgegentönte.

Die Fütterungsstunde der dort zu Schau stehenden,

wilden Tiere schien heranzukommen: der Löwe ließ seine Wald-

und Wüstenstimme aufs kräftigste hören,- die Pferde schauderten^ und man konnte der Bemerkung nicht entgehen, wie in dem fried­

lichen Wesen und Wirken der gebildeten Welt der König

Einöde sich so furchtbar verkündige.

der

Zur Bude näher gelangt,,

durften sie die bunten kolossalen Gemälde nicht übersehen, die

mit heftigen Farben und kräftigen Bildern jene fremden Tiere

darstellten, welche der friedliche Staatsbürger zu schauen unüber­

windliche Lust empfinden sollte.

Der grimmig ungeheure Tiger­

sprang auf einen Mohren los, im Begriff,« ihn zu zerreißen,- ein Löwe stand ernsthaft majestätisch, als wenn er keine Beute, seiner würdig, vor sich sähe- andere wunderliche bunte Geschöpfe ver­ dienten neben diesen mächtigen weniger Aufmerksamkeit.

„Wir wollen,"

sagte die Fürstin,

„bei unserer Rückkehr7

doch absteigen und die seltenen Gäste näher betrachten!" — „Es»

versetzte der Fürst,

ist wunderbar,"

Schreckliches immer aufgeregt sein will.

„daß

der Mensch durch

Drinnen liegt der Tiger-

ganz ruhig in seinem Kerker, und hier muß er grimmig auf einen

Mohren losfahren, damit man glaube, dergleichen inwendig eben­ falls zu sehen.

Es ist an Mord und Totschlag noch nicht genüge

an Brand und Untergang- die Bänkelsänger müssen es an jederEcke wiederholen.

Die guten Menschen wollen eingeschüchtert

sein, um hinterdrein erst recht zu fühlen, wie schön und löblich es sei, frei Atem zu holen." Was denn, aber auch Bängliches von solchen Schreckens--

bildern mochte übrig geblieben sein, alles und jedes

war so­

gleich ausgelöscht, als man, zum Thore hinausgelangt, in die-

heiterste Gegend eintrat.

Der Weg führte zuerst am Flusse-

hinan, an einem zwar noch schmalen, nur leichte Kähne tragen­ den Wasser, das aber nach und nach als größter Strom seinen.

Namen behalten und ferne Länder beleben sollte. es

weiter

durch

Dann ginx

wohlversorgte Frucht- und Lustgärten sachte

hinaufwärts,

und man sah sich nach und nach in der aufge-

thanen wohlbewohnten Gegend um, bis erst ein Busch, sodann ein Wäldchen die Gesellschaft aufnahm und die anmutigsten Örtlichkeiten ihren Blick begrenzten und erquickten. Ein auf­ erst vor kurzem zum zweitenmal

wärts leitendes Wiesenthal,

gemäht, samtähnlich anzusehen,

von einer oberwärts lebhaft

auf einmal reich entspringenden Quelle gewässert,

empfing sie

freundlich, und so zogen sie einem höhern, freiern Standpunkt entgegen, den sie, aus dem Walde sich bewegend, nach einem lebhaften Stieg erreichten,

deutender

Entfernung

alsdann aber vor sich noch in be­

über

neuen Baumgruppen

alte

das

Schloß, den Zielpunkt ihrer Wallfahrt, als Fels- und Wald­

gipfel hervorragen sahen.

Rückwärts aber — denn niemals

gelangte man hierher, ohne sich umzukehren — erblickten sie durch zufällige Lücken der ^hohen Bäume das fürstliche Schloß

links, von der Morgensonne beleuchtet, den wohlgebauten höhern Teil der Stadt, von leichten Rauchwolken gedämpft, und sofort

nach der Rechten zu die untere Stadt,

den Fluß in einigen

Krümmungen, mit seinen Wiesen und Mühlen, gegenüber eine weite, nahrhafte Gegend.

Nachdem sie sich an dem Anblick ersättigt oder vielmehr, wie es uns bei dem Umblick auf so hoher Stelle zu geschehen

pflegt,

erst

recht

verlangend

weniger begrenzten Aussicht,

geworden

nach

ritten sie eine

einer

weitern,

steinige,

breite

Fläche hinan, wo ihnen die mächtige Ruine als ein grünge­

krönter Gipfel ent gegenstand, wenig alte Bäume tief unten um seinen Fuß- sie ritten hindurch, und so fanden sie sich gerade vor der steilsten, unzugänglichsten Seite.

Mächtige Felsen stan­

den von Urzeiten her, jedem Wechsel unangetastet, fest, wohlbegründet voran, und so türmte sichs aufwärts- das dazwischen Herabgestürzte lag in mächtigen Platten und Trümmern un­ regelmäßig übereinander und schien dem Kühnsten jeden Angriff zu verbieten.

Aber das Steile, Jähe scheint der Jugend zuzu­

sagen ; dies zu unternehmen, zu erstürmen, zu erobern ist jun­

gen Gliedern einem

ein Genuß.

Versuch-

Honorio

Die Fürstin bezeigte Neigung war

bei der Hand-

zu

der fürstliche

Goethe.

54 [IV] Oheim,

wenn schon

bequemer,

ließ sichs gefallen und wollte

sich doch auch nicht unkräftig zeigen,-

die Pferde sollten am

Fuße unter den Bäumen halten, und man wollte bis zu einem

gewissen Punkte gelangen, wo ein vorstehender mächtiger Fels einen Flächenraum darbot,

von wo man eine Aussicht hatte,

die zwar schon in den Blick des Vogels überging,

aber sich

doch noch malerisch genug hintereinander schob.

Die Sonne,

beinahe auf ihrer höchsten Stelle, ^verlieh

die klarste Beleuchtung: das fürstliche Schloß mit seinen Teilen,

und Türmen

Hauptgebäuden, Flügeln, Kuppeln stattlich,

in die untere konnte man bequem hineinsehen,

Fernrohr

erschien gar

die obere Stadt in ihrer völligen Ausdehnung, auf

sogar

Markte

dem

die Buden

auch

ja durch das

unterscheiden.

Honorio war immer gewohnt, ein so förderliches Werkzeug über­

zuschnallen- man schaute den Fluß hinauf und hinab, diesseits das bergartige, terrassenweis unterbrochene, jenseits das aufglei­

tende flache und in mäßigen Hügeln

unzählige-

Land, Ortschaften

abwechselnde fruchtbare

denn es war längst herkömm­

lich, über die Zahl zu streiten, wie viel man deren von hier oben gewahr werde. Über die große Weite lag eine heitere Stille, wie es am Mittag zu sein pflegt, wo die Alten sagten,

der Pan schlafe, und alle Natur halte den Atem an, um ihn

nicht aufzuwecken. „Es ist nicht das erstemal," sagte die Fürstin „daß ich

auf so hoher,

weitumschauender Stelle die Betrachtung mache,

wie doch die klare Natur so reinlich und friedlich aussieht und den Eindruck verleiht, als wenn gar nichts Widerwärtiges in der Welt sein könne.

Und

wenn man

Menschenwohnung zürückkehrt,

oder eng,

dann

wieder in die

sie sei hoch oder niedrig,

so giebts immer etwas zu kämpfen, zu streiten,

weit zu

schlichten und zurecht zu legen." Honorio, der indessen durch das Sehrohr nach der Stadt

geschaut hatte, rief:

„Seht hin!

fängt es an zu brennen."

Seht hin!

Sie sahen hin und bemerkten weni­

gen Rauch; die Flamme dämpfte der Tag. weiter um sich!"

rief man,

auf dem Markte

„Das Feuer greift

immer durch die Gläser schauend-

«auch wurde das Unheil den

Fürstin bemerklich.

guten unbewaffneten Augen der

Bon Zeit zu Zeit erkannte man eine rote

.Flammenglut- der Dampf stieg empor, und Fürst Oheim sprach:

„Laßt uns zurückkehren! das ist nicht gutdas Unglück zum zweitenmal zu erleben."

kommen,

den Pferden wieder zugingen,

„Reiten Sie hinein,

-em alten Herrn:

ich fürchtete immer, Als sie,

herabge­

sagte die Fürstin zu

eilig,

aber nicht ohne

^den Reitknecht! Lassen Sie mir Honorio! wir folgen sogleich."

Der Oheim fühlte das Vernünftige, ja das Notwendige dieser Worte und ritt, so eilig als der Boden erlaubte, den wüsten, steinigen Hang hinunter.

Als die Fürstin aufsaß,

sagte Honorio:

„Reiten Ew.

In der Stadt wie auf dem

Durchlaucht, ich bitte, langsam!

Schloß sind die Feueranstalten in bester Ordnung- man wird

sich durch einen so unerwartet außerordentlichen Fall nicht irre machen lassen.

Hier aber ist ein böser. Boden, kleine Steine

und kurzes Gras-

schnelles Reiten ist unsicher-

wir hineinkommen,

wird das Feuer schon nieder sein."

ohnehin,

bis Die

Fürstin glaubte nicht daran: sie sah den Rauch sich verbreiten,

sie glaubte einen aufflammenden Blitz gesehen, einen Schlag ge­

hört zu haben, und nun bewegten sich in ihrer Einbildungskraft alle die Schreckbilder, welche des trefflichen Oheims wiederholte

Erzählung von dem erlebten Jahrmarktsbrande leider nur zu tief eingesenkt harte. Fürchterlich wohl war jener Fall, überraschend und ein­

dringlich genug,

um zeitlebens

eine Ahnung und Vorstellung

'wiederkehrenden Unglücks ängstlich zurückzulassen, als zur Nacht­ zeit auf dem großen,

budenreichen Marktraum ein plötzlicher

Brand Laden auf Laden ergriffen hatte, ehe noch die in und an

diesen leichten Hütten Schlafenden aus tiefen Träumen geschüttelt wurden, der Fürst selbst, als ein ermüdet angelangter, erst ein* geschlafener Fremder, ans Fenster sprang, alles fürchterlich er­ leuchtet sah, Flamme nach Flamme, rechts und links sich über­

springend,

ihm

entgegenzüngelte.

Dom Wiederschein gerötet,

Die Häuser des Marktes,

schienen schon zu glühen,

sich jeden Augenblick zu entzünden

drohend,

und in Flammen aufzu-

schlagen- unten wütete das Element unaufhaltsam, die Bretter prasselten, die Latten knackten, Leinwand flog auf, und ihre düstern, an den Enden flammend ausgezackten Fetzen trieben in der Höhe sich umher, als wenn die bösen Gessler, in ihrem Elemente um- und umgestultet, sich mutwillig tanzend verzehren und da und dort aus den Gluten wieder auftauchen wollten. Dann aber mit kreischendem Geheul rettete jeder, was zur Hand lag- Diener und Knechte mit den Herren bemühten fidjr von Flammen ergriffene Ballen fortzuschleppen, von dem brennenden Gestell noch einiges Wegzureißen, um es in die Kiste zu Packen, die sie denn doch zuletzt den eilenden Flammen zum Raube lassen mußten. Wie mancher wünschte nur einen Augen­ blick Stillstand dem heranprasselnden Feuer, nach der Möglich­ keit einer Besinnung sich umsehend, und er war mit aller feiner Habe schon ergriffen: an der einen Seite brannte, glühte schon, was an der anderen noch in finsterer Nacht stand. Hartnäckige Charaktere, Willensstärke Menschen widersetzten sich grimmig, dem grimmigen Feinde und retteten manches, mit Verlust ihrer Augenbrauen und Haare. Leider nun erneuerte sich vor dem schönen Geiste der Fürstin der wüste Wirrwarr: nun schien der heitere morgendliche Gesichtskreis umnebelt, ihre Augen ver­ düstert, Wald und Wiese hatten einen wunderbaren, bänglichen Anschein. In das friedliche Thal einreitend, seiner labenden Kühle nicht achtend, waren sie kaum einige Schritte von der lebhaften Quelle des nahen fließenden Baches herab, als die Fürstin ganz unten im Gebüsche des Wiesenthals etwas Seltsames er­ blickte, das sie alsobald für den Tiger erkannte: heranspringend, wie sie ihn vor kurzem gemalt gesehen, kam er entgegen, unb> dieses Bild zu den furchtbaren Bildern, die sie so eben be­ schäftigten, machte den wundersamsten Eindruck. „Flieht, gnä-^ dige Fraul" rief Honorio, „flieht!" Sie wandte das Pferd' um, dem steilen Berg zu, wo sie herabgekommen waren. Dev Jüngling aber, dem Untier entgegen, zog die Pistole und schoß, als er sich nahe genug glaubte; leider jedoch war gefehlt, der Tiger sprang seitwärts, das Pferd stutzte: das ergrimmte Tier

aber verfolgte seinen Weg aufwärts, unmittelbar der Fürstin

nach.

Sie

steinige

sprengte, hinan,

Strecke

was

das

Pferd vermochte,

kaum fürchtend,

die

steile,

daß ein zartes Ge­

schöpf, solcher Anstrengung ungewohnt, sie nicht aushalten werde. Es übernahm sich, von der bedrängten Reiterin angeregt, stieß am kleinen Gerölle des Hanges an und wieder an und stürzte zu­ letzt nach heftigem Bestreben kraftlos zu Boden. Die schöne Dame,

entschlossen und gewandt, verfehlte nicht, sich strack auf ihre Füße

zu stellen,- auch das Pferd richtete sich auf, aber der Tiger nahte

schon, obgleich nicht mit heftiger Schnelle,- der ungleiche Boden, die scharfen Steine schienen seinen Antrieb zu hindern, und nur daß Honorio unmittelbar hinter ihm herflog, neben ihm gemäßigt

herauftritt, schien seine Kraft aufs neue anzuspornen und zu reizen.

Beide Renner erreichten zugleich den Ort, wo die Fürstin am Pferde stand- der Ritter beugte sich herab, schoß und traf mit der

zweiten Pistole das Ungeheuer durch den Kopf, daß es sogleich niederstürzte und ausgestreckt in seiner Länge erst recht die Macht

und Furchtbarkeit sehen ließ, von der nur noch das Körper­

liche übriggeblieben da lag.

Honorio war vom Pferde gesprun­

gen und kniete schon auf dem Tiere, dämpfte seine letzten Be­

wegungen und hielt den gezogenen Hirschfänger in der rechten

Hand.

Der Jüngling war schön,- er war herangesprengt, wie

ihn die Fürstin oft im Lanzen- und Ringelspiele gesehen hatte: eben so traf in der Reitbahn seine Kugel im Vorbeisprengen

den Türkenkopf auf dem Pfahl gerade unter dem Turban in

die Stirne, eben so spießte er, flüchtig heransprengend, mit dem blanken Säbel das Mohrenhaupt

vom Boden

auf-

in allen

solchen Künsten war er gewandt und glücklich- hier kam beides zu statten. „Gebt ihm den Rest!"

sagte die Fürstin-

„ich fürchte,

er beschädigt Euch noch mit den Krallen." — „Verzeiht!" er­ widerte der Jüngling, „er ist schon tot genug, und ich mag

das Fell nicht verderben, das nächsten Winter auf Euerm Schlitten

glänzen soll." — „Frevelt

nicht!"

sagte

die Fürstin-

„alles,, was von

Frömmigkeit im tiefen Herzen wohnt, entfaltet sich in solchem

Goethe.

58 [IV]

Augenblick." — „Auch ich," rief Honoris, „war nicht frömmer als jetzt eben- deshalb aber denke ich ans Freudigste, ich blicke dieses Fell nur an, wie es Euch zur Lust begleiten kann." —

„Es würde mich immer an diesen schrecklichen Augenblick innern", versetzte sie.

er­

„Ist es doch", erwiderte der Jüngling

mit glühender Wange, „ein unschuldigeres Triumphzeichen, als wenn die Waffen erschlagener Feinde vor dem Sieger her zur

Schau getragen wurden." — „Ich werde mich an Eure Kühn­ heit und Gewandtheit dabei erinnern und darf nicht hinzusetzen, daß Ihr auf meinen Dank und auf

lebenslänglich rechnen könnt.

Leben mehr im Tiere-

die Gnade des Fürsten

Aber steht auf!

bedenken

wir das

Schon ist kein

weitere!

vor allen

Dingen steht auf 1"

„Da ich nun einmal kniee", versetzte der Jüngling,

ich mich in einer Stellung befinde,

die

„da

mir auf jede andere

Weise untersagt wäre, so laßt mich bitten, von der Gunst, von

der Gnade, die Ihr mir zuwendet,

sichert zu werden.

in diesem Augenblick ver­

Ich habe schon so oft Euern hohen Gemahl

gebeten um Urlaub und Vergünstigung

einer

weitern Reise.

Wer das Glück hat, an Eurer Tafel zu sitzen, wen Ihr beehrt, Eure Gesellschaft unterhalten zu dürfen, der muß die Welt ge­ sehen haben.

Reisende strömen von allen Orten her, und wenn

von einer Stadt, von einem wichtigen Punkte irgend eines Welt­

teils gesprochen wird, ergeht an den Eurigen jedesmal die Frage,

ob er daselbst gewesen sei.

Niemand traut man Verstand zu,

als wer das alles gesehen hat; es ist, als wenn man sich nur

für andere zu unterrichten hätte." „Steht auf!" wiederholte die Fürstin, „Ich möchte nicht gern gegen die Überzeugung meines Gemahls irgend etwas wün­ schen und bitten- allein wenn ich nicht irre, so ist die Ursache,

warum er Euch bisher zurückhielt, sicht war,

bald gehoben.

Euch zum selbständigen Edelmann

Seine Ab­

herangereift zu

sehen, der sich und ihm auch auswärts Ehre machte, wie bis­ her am Hofe- und ich dächte, Eure That wäre ein so empfehlen­ der Reisepaß, als ein junger Mann nur in die Welt mitnehmen kann."

Daß anstatt einer jugendlichen Freude eine gewisse Trauer

über sein Gesicht zog, hatte die Fürstin nicht Zeit zu bemerken^

noch er, seiner Empfindung Raum zu geben-

denn hastig den

Berg herauf, einen Knaben an der Hand, kam eine Frau ge­ radezu auf die Gruppe los,

die

wir kennen,

Honyrio sich besinnend aufgestanden, als

und kaum war

sie sich heulend und

schreiend über den Leichnam her warf und an dieser Handlung, so wie an einer obgleich reinlich anständigen, doch bunten und

seltsamen Kleidung sogleich erraten ließ,

sie sei die Meisterin

und Wärterin dieses dahin gestreckten Geschöpfes, wie denn der schwarzäugige, schwarzlockige Knabe, der eine Flöte in der Hand hielt, gleich der Mutter weinend, weniger heftig, aber tief gerührt, neben ihr kniete.

Den gewaltsamen Ausbrüchen der Leidenschaft dieses un­ glücklichen Weibes folgte, zwar unterbrochen stoßweise, ein Strom

von Worten, wie ein Bach sich in Absätzen von Felsen zu Felsen stürzt.

sich

Eine natürliche Sprache, kurz und abgebrochen, machte

eindringlich und

rührend-

würde man sie in

vergebens

unseren Mundarten übersetzen wollen, den ungefähren Inhalt dürften wir nicht verfehlen. Tier! ermordet ohne Not!

„Sie haben dich ermordet, armes Du warst zahm und hättest dich

gern ruhig niedergelassen und auf uns gewartet:

denn deine

Fußballen schmerzten dich, und deine Krallen hatten keine Kraft

mehr!

Die heiße Sonne fehlte dir, sie zu reifen!

Du warst

der schönste deines gleichen- wer hat je einen königlichen Tiger so herrlich ausgestreckt im Schlafe gesehn,

wie du nun hier

liegst, tot, um nicht wieder aufzustehen!

Wenn du des Mor»

gens aufwachtest beim frühen Tagschein

und den Rachen auf­

sperrtest, ausstreckend die rote Zunge, so

schienst du uns zu

lächeln, und wenn schon brüllend, nahmst du doch spielend dein Futter aus den Händen einer Frau, von

Kindes!

den Fingern eines

Wie lange begleiteten wir dich auf deinen Fahrten!

wie lange war deine Gesellschaft uns wichüg und fruchtbar! Uns, uns ganz eigentlich kam die Speise von den Fressern und süße Labung von den Starken. Wehe! wehe!"

So wird es nicht mehr fchu

60 [IV]

Goethe.

Sie hatte nicht ausgeklagt, als über die mittlere Höhe des Bergs am Schlosse herab Reiter heransprengten,

die also-

bald für das Jagdgefolge des Fürsten erkannt wurden, er selbst

voran.

Sie hatten, in den hinteren Gebirgen jagend, die Brand­

wolken aufsteigen sehen und durch Thäler und Schluchten, wie auf gewaltsam hetzender Jagd,

sprcngend,

stutzten

und

den geraden Weg nach diesem

Ueber die steinige Blöße einher-

traurigen Zeichen genommen.

starrten

sie,

nun

die

unerwartete

Gruppe gewahr werdend, die sich auf der leeren Fläche merk­ würdig auszeichnete.

Nach

dem

ersten Erkennen verstummte

man, und nach einigem Erholen ward, was der Anblick nicht

selbst ergab,

mit wenigen Worten erläutert.

Fürst vor dem

So

stand

der

seltsamen, unerhörten Ereigllis, einen Kreis

umher von Reitern und Nacheilenden zu Fuße. war man nicht, was zu thun

war der Fürst beschäftigt, als

Unschlüssig

sei,- anzuordnen, auszuführen

ein Mann

sich in

den

Kreis

drängte, groß von Gestalt, bunt und wunderlich gekleidet, wie Frau und Kind. Und nun gab die Familie zusammen Schmerz und Überraschung zu erkennen. Der Mann aber, gefaßt, stand

in ehrfurchtsvoller Entfernung vor dem Fürsten und sagte: „Es ist nicht Klagenszeit! Ach, mein Herr und mächtiger Jäger, auch der Löwe ist los! auch hier nach dem Gebirg ist er hin,- aber

schont ihn! habt Barmherzigkeit, daß er nicht umkomme wie dies gute Tier!" „Der Löwe?" sagte der Fürst,- „hast du seine Spur?^ — //Ja, Herr! ein Bauer dort unten, der sich ohne Not auf einen Baum gerettet hatte, wies mich weiter hier links hinauf,-

aber ich sah den großen Trupp Menschen und Pferde vor mir, neugierig und hilfsbedürftig, eilte ich hierher." — „Also", be­

orderte der Fürst, „muß sich die Jagd auf diese Seite ziehen.

Ihr ladet eure Gewehre,- geht sachte zu Werk! es ist kein Un­ glück, wenn ihr ihn in

die tiefen Wälder treibt.

Ende, guter Mann, werden wir Euer Geschöpf

sönnen; warum wäret Ihr unvorsichtig genug,

Aber am

nicht schonen sie entkommen

zu lassen?" — „Das Feuer brach aus", versetzte jener; „wir hielten uns still und gespannt; es verbreitete sich schnell, aber

fern von uns-

wir hatten Wasser genug zu unserer Verteidi­

gung, aber ein Pulverschlag flog auf und warf die Brände bis

an uns heran, über uns weg- wir übereilten uns und sind nun unglückliche Leute." Noch war der Fürst mit Anordnungen beschäftigt,

wirten Augenblick schien alles zu stocken,

aber

als oben vom alten

Schloß herab eilig ein Mann heranspringend gesehen ward, den

rnan bald für den angestellten Wächter erkannte, der die Werk­ stätte des Malers bewachte, indem er darin seine Wohnung nahm

und seine Arbeiter beaufsichtigte.

Er kam außer Atem springend,

doch hatte er bald mit wenigen Worten angezeigt, oben hinter

der Hinteren Ringmauer habe sich

der Löwe im Sonnenschein

gelagert, am Fuße einer hundertjährigen Buche, und verhalte sich ganz ruhig. Ärgerlich aber schloß der Mann: „Warum habe ich gestern meine Büchse in die Stadt getragen,

um sie

Er wäre nicht wieder aufgestanden- das

uusputzen zu lassen!

Fell wäre doch mein gewesen,

und ich hätte mich dessen,

wie

Lillig, zeitlebens gebrüstet." Der Fürst, dem seine militärischen Erfahrungen auch hier statten kamen, da er sich wohl schon in Fällen gefunden hatte, wo von mehreren Seiten unvermeidliches Übel heran­

drohte, sagte hierauf: „Welche Bürgschaft gebt Ihr mir, daß, tvenn wir Eures Löwen schonen,

er nicht im Lande unter den

Meinigen Verderben anrichtet?" — „Hier diese Frau und dieses Kind," erwiderte der Vater hastig, „erbieten sich, ihn zu zähmen,

ihn ruhig zu erhalten, bis ich den beschlagenen Kasten herauf­

schaffe, da wir ihn

denn unschädlich und unbeschädigt wieder

^urückbringen werden." Der Knabe schien seine Flöte

versuchen zu wollen, ein

Instrument von der Art, das man sonst die sanfte, süße Flöte

^u nennen pflegte-

sie war kurz geschnäbelt wie die Pfeifen-

wer es verstand, wußte die anmutigsten Töne daraus hervorzulocken.

Indes hatte der Fürst den Wärtel

Löwe hinaufgekommen.

gefragt,

wie der

Dieser aber versetzte: „Durch den Hohl­

weg, der, auf beiden Seiten vermauert, von jeher der einzige

Zugang war und der einzige bleiben soll - zwei Fußpfade, die

noch hinaufführten, haben wir dergestalt entstellt, daß niemandals durch jenen ersten engen Anweg zu dem Zauberschlosse ge­ langen könne,

wozu es Fürst Friedrichs Geist und Geschmack

ausbilden will." Nach einigem Nachdenken, wobei sich der Fürst nach dem Kinde umsah, das immer sanft gleichsam zu präludieren fortge­

fahren hatte, wendete er sich zu Honorio und sagte: „Du haft

heute viel geleistet- vollende das Tagwerk!

haltet eure Büchsen bereit,

Weg-

Besetze den schmalerr

aber schießt nicht eher, als

bis ihr das Geschöpf nicht sonst zurückscheuchen könnt-

allen­

falls macht ein Feuer an, vor dem er sich fürchtet, wenn er herunter will. Mann und Frau möge für das übrige stehen."

Eilig schickte Honorio sich an, die Befehle zu vollführen^ Das Kind verfolgte seine Melodie, die keine war, eine Tonfolge ohne Gesetz und vielleicht eben deswegen so herzergreifend- die

Umstehenden schienen wie bezaubert von der Bewegung einer

liederartigen Weise, als der Vater mit anständigem Enthusias­ mus zu reden anfing und fortfuhr:

„Gott hat dem Fürsten Weisheit gegeben und zugleich die

Erkenntnis, daß alle Gotteswerke weise sind, jedes nach feiner Art.

Seht den Felsen,

wie er fest steht und sich nicht rührt^.

der Witterung trotzt und

dem Sonnenschein!

Uralte Bäume

zieren sein Haupt, und so gekrönt schaut er weit umher- stürzt

aber ein Teil herunter, so will es nicht bleiben, was es war,

es fällt zertrümmert in viele Stücke und bedeckt die Seite des Hanges.

Aber auch da wollen sie nicht verharren-

springen sie tief hinab,

trägt er sie.

der Bach nimmt sie auf,

mutwillig, zum Flusse

Nicht widerstehend, nicht widerspenstig, eckig, nein,

glatt und abgerundet gewinnen sie schneller ihren Weg unb>

gelangen von Fluß zu Fluß, endlich zum Ozean, wo die Riesen, in Scharen daherziehen und in der Tiefe die Zwerge wimmeln.

Doch wer preist den Ruhm des Herrn, den die Sterne loben

von Ewigkeit zu Ewigkeit? umher?

Warum seht ihr aber im Fernen

Betrachtet hier die Biene! noch spät im Herbst sammelt

sie emsig und baut sich ein Haus, Meister und Geselle.

winkel- und wagerecht,

Schaut die Ameise da!

als-

sie kennt ihren

Weg und verliert ihn nicht-

sie baut sich eine Wohnung aus

Grashalmen, Erdbröslein und Kiefernadeln, sie baut es in die

Höhe und wölbet es zu- aber sie hat umsonst gearbeitet, denn das Pferd stampft und scharrt alles auseinander.

Seht hin!

es zertritt ihre Balken und zerstreut ihre Planken, ungeduldig schnaubt es und kann nicht rasten- denn der Herr hat das Roß zum Gesellen

Sturms,

des Windes gemacht und

daß es den Mann dahintrage,

die Frau, wohin sie begehrt.

zum Gefährten des wohin er will,

und

Aber im Palmenwalde trat er

auf, der Löwe- ernsten Schrittes durchzog er die Wüste- dort herrscht er über alles Getier, und nichts widersteht ihm.

Doch

der Mensch weiß ihn zu zähmen, und das grausamste der Ge­ schöpfe hat Ehrfurcht vor dem Ebenbilde Gottes, wornach auch

die Engel gemacht

Dienern.

sind,

die

dem Herrn dienen und seinen

Denn in der Löwengrube scheute sich Daniel nicht;

er blieb fest und getrost,

und das wilde Brüllen unterbrach

nicht seinen frommen Gesang."

Diese mit dem Ausdruck eines natürlichen Enthusiasmus gehaltene Rede begleitete das Kind hie und da mit anmutigen Tönen- als aber der Vater geendigt hatte, fing es mit reiner

Kehle, heller Stimme und geschickten Läufen zu intonieren an,

worauf der Vater die Flöte ergriff, im Einklang sich hören ließ, das Kind aber sang: „Aus den Gruben, hier im Graben Hör ich des Propheten SangEngel schweben, ihn zu laben, Wäre da dem Guten bang? Löw und Löwin hin und wieder Schmiegen sich um ihn heranJa, die sanften, frommen Lieder Habens ihnen angethan!"

Der Vater fuhr fort, die Strophe mit der Flöte zu begleiten,

die Mutter trat hie und da als zweite Stimme mit ein.

Ein­

dringlich aber ganz besonders war, daß das Kind die Zeilen der Strophe nunmehr zu anderer Ordnung durch

einander schob

und dadurch wo nicht einen neuen Sinn hervorbrachte, doch das Gefühl in und durch sich selbst aufregend erhöhte. Hessel, Lesebuch IV. Prosa.

5

64 [IV]

Gvethe.

„Engel schweben auf und nieder. Uns in Tönen zu erlaben: Welch ein himmlischer Gesang! In den Gruben, in dem Graben, Wäre da dem Kinde bang? Diese sanften, frommen Lieder Lassen Unglück nicht heran: Engel schweben hin und wieder, Und so ist es schon gethan!^

Hierauf mit Kraft und Erhebung begannen alle drei: „Denn der Ewge herrscht auf Erden, Über Meere herrscht sein Blick:

Löwen sollen Lämmer werden, Und die Welle schwankt zurück! Blankes Schwert erstarrt im HiebeGlaub und Hoffnung sind erfüllt; Wunderthätig ist die Liebe, Die sich im Geber enthüllt.^

Alles war still, hörte, horchte/ und nur erst als die Töne verhallten, konme man den Eindruck bemerken und allenfalls beobachten.

gerührt.

Alles war wie beschwichtigt, jeder in seiner Art

Der Fürst,

als wenn er erst jetzt das Unheil über­

sähe, das ihn vor kurzem bedroht hatte, blickte nieder auf seine Gemahlin, die, an ihn gelehnt, sich nicht versagte, das gestickte

Tüchlein hervorzuziehen und die Augen damit zu

bedecken:

es

that ihr wohl, die jugendliche Brust von dem Drucke erleichtert

zu fühlen, mit dem hatten.

die

vorhergehenden Minuten sie belastet

Eine vollkommene Stille beherrschte die Menge- man

schien die Gefahren vergessen zu haben, unten den Brand und

von oben das Erstehen eines bedenklich ruhenden Löwen. Durch einen Wink, die Pferde näher herbeizuführen, brachte

der Fürst zuerst wieder in die Gruppe Bewegung- dann wen­ dete er sich zu dem Weibe und sagte:

Ihr den entsprungenen Löwen,

wo

„Ihr glaubt

Ihr ihn

also, daß

antrefft,

durch

Euren Gesang, durch den Gesang dieses Kindes mit Hilfe dieser

Flötentöne beschwichtigen und ihn sodann unschädlich so wie un­ beschädigt in seinen Verschluß wieder zurückbringen könntet?" Sie bejahten es, versichernd und beteuernd- der Kastellan wurde

ihnen als Wegweiser zugegeben.

Nun entfernte der Fürst mit

wenigen sich eiligst/ die Fürstin folgte langsamer mit dem übri­ gen Gefolge/ Mutter aber und Sohn stiegen, von dem Wärtel,

der sich eines Gewehrs bemächtigt hatte, geleitet, steiler gegen

den Berg hinan. Vor dem Eintritt in den Hohlweg,

der den Zugang zu

Lem Schloß eröffnete, fanden sie die Jäger beschäftigt, dürres

Reisig zu häufen,

anzünden könnten.

damit sie

auf jeden Fall ein großes Feuer

„Es ist nicht not", sagte

die Frau, „es

wird ohne das alles in Güte geschehen."

auf einem Mauerstücke sitzend, erblickten sie

Weiterhin,

Honorio, seine Doppelbüchse in den Schoß

gelegt, auf einem

Posten, als wie zu jedem Ereignis gefaßt.

Aber die Heran­

kommenden schien er kaum zu bemerken/

er saß wie in tiefen

Gedanken versunken, er sah umher, wie zerstreut.

Die Frau

sprach ihn an mit-der Bitte, das Feuer nicht anzünden zu lassen/ er schien jedoch ihrer Rede wenig Aufmerksamkeit zu schenken/

sie redete lebhaft fort und rief:

„Schöner junger Mann, du

Schone meinen

hast meinen Tiger erschlagen/ ich fluche dir nicht.

Löwen, guter junger Mannl ich segne dich."

Honorio

schaute

gerade vor sich hin, dorthin, wo

Sonne auf ihrer Bahn sich zu

„Du

senken begann.

die

schaust

nach Abend", rief die Frau, „du thust wohl daran/ dort giebts viel zu thun.

Eile nur,

säume nicht! du wirst überwinden.

Aber zuerst überwinde dich selbst!"

Hierauf schien er zu lächeln,

die Frau stieg weiter, konnte sich

aber nicht

enthalten, nach

dem Zurückbleibenden nochmals umzublicken/ eine rötliche Sonne überschien sein Gesicht, sie glaubte nie einen schönern Jüngling

gesehen zu haben.

„Wenn Euer Kind", sagte nunmehr der Wärtel, „flötend

und singend, wie Ihr überzeugt seid, den Löwen anlocken und beruhigen kann, so werden wir uns

desselben sehr leicht be-

meistern, da sich das gewaltige Tier ganz nahe an die durch­ brochenen

Gewölbe hingelagert hat,

durch

die wir, da

das

Hauptthor verschüttet ist, einen Eingang in den Schloßhof ge­ wonnen haben.

Lockt ihn

das Kind hinein,

so

kann ich die

Öffnung mit leichter Mühe schließen, und der Knabe, wenn es ihm gut deucht, durch eine der kleinen Wendeltreppen, die er

in der Ecke sieht, dem Tiere entschlüpfen.

Wir wollen uns

verbergen, aber ich werde mich so stellen, daß meine Kugel jeden Augenblick dem Kinde zu Hilse kommen fann."-------- „Die Um­

stände sind alle nicht nötig.

Gott und Kunst, Frömmigkeit nni>

Glück müssen das Beste thun." „Es sei!" versetzte der Wärtel, „aber ich kenne meine

Erft führe ich Euch durch einen beschwerlichen Stieg,

Pflichten.

auf das Gemäuer hinauf, gerade dem Eingang gegenüber, den ich erwähnt habe- das Kind mag hinabsteigen, gleichsam in die

Arena des Schauspiels, und das besänftigte Tier dort herein­ locken."

Das geschah: Wärtel und Mutter sahen versteckt von

oben herab, wie das Kind die Wendeltreppen hinunter in dem klaren Hofraum sich zeigte und in der düstern Öffnung gegen­

über verschwand, aber sogleich seinen Flötenton hören ließ, der sich nach und nach verlor und endlich verstummte.

Die Pause

war ahnungsvoll genug; den alten mit Gefahr bekannten Jäger beengte der seltene menschliche Fall.

Er sagte sich, daß er

lieber persönlich dem gefährlichen Tiere entgegenginge; die Mutter

jedoch, mit heiterm Gesicht übergebogen horchend, ließ nicht die mindeste Unruhe merken.

Endlich hörte man die Flöte wieder, das Kind trat aus der Höhle hervor mit glänzend befriedigten Augen,

der Löwe

hinter ihm drein, aber langsam und, wie es schien, mit einiger Beschwerde.

Er zeigte hie

und da Luft,

sich niederzulegen,

doch der Knabe führte ihn im Halbkreise durch die wenig ent­ blätterten, buntbelaubten Säume,

bis er sich endlich in

letzten Strahlen

sie

der Sonne,

die

durch

den

eine Ruinenlücke

hereinsandte, wie verklärt niedersetzte und sein beschwichtigendes

Lied abermals begann, dessen Wiederholung wir uns auch nicht entziehen können: „Aus den Gruben, hier im Graben Hör ich des Propheten Sang: Engel schweben, ihn zu laben; Wäre da dem Guten bang? Löw und Löwin hin und wieder

Schmiegen sich um ihn heran Ja, die sanften frommen Lieder Habens ihnen angethan!" Indessen hatte sich der Löwe ganz knapp an das Kind

hingelegt und ihm die schwere rechte Vordertatze auf den Schoß

die der Knabe, fortsingend,

gehoben,

gar bald bemerkte, daß

ein

scharfer

Sorgfältig

anmutig streichelte, aber

Dornzweig zwischen die

die

Ballen

eingestochen

Spitze

hervor, nahm lächelnd sein buntseidenes Halstuch vom

Nacken und verband

war.

zog

er

verletzende

die greuliche Tatze des Untiers,

so daß

die Mutter sich vor Freuden mit ausgestreckten Armen zurück­

zog und vielleicht angewohnter Weise Beifall gerufen und ge­ klatscht hätte, wäre sie nicht durch einen derben Faustgriff des

Wärtels erinnert worden, daß die Gefahr nicht vorüber sei. Glorreich sang das Kind weiter, nachdem es mit wenigen

Tönen vorgespielt hatte: „Denn der Ewge herrscht auf Erden, Über Meere herrscht sein Blick: Löwen sollen Lämmer werden, Und die Welle schwankt zurückBlankes Schwert erstarrt im Hiebe; Glaub und Hoffnung sind erfülltWunderthätig ist die Liebe, Die sich im Gebet enthüllt." Ist es möglich zu denken, daß man in den Zügen eines jo

grimmigen

Despoten

Geschöpfes,

des

Tyrannen

der

Wälder,

des

des Tierreiches, einen Ausdruck von Freundlichkeit,

von dankbarer Zufriedenheit habe spüren können, so geschah es

hier: und wirklich sah das Kind in seiner Verklärung aus wie ein mächtiger, siegreicher Überwinder, jener zwar nicht wie der Überwundene — denn seine Kraft blieb in ihm verborgen —

aber doch wie der Gezähmte, wie der dem eigenen friedlichen Willen Anheimgegebene.

Das Kind flötete und sang so weiter,

nach seiner Art die Zeilen verschränkend und neue hinzufügend: „Und so geht mit guten Kindern So beschwören, fest zu bannen Seiger Engel gern zu Rat, Lieben Sohn ans zarte Änte, Ihn, des Waldes Hochtyrannen, Böses Wollen zu verhindern, Zu befördern schöne That. Frommer Sinn und Melodie."

Elisabeth Goethe.

68 [IV]

Elisabeth Goethe

(1731—1808).

16. Briefe an ihren Sohn «nd die Seinen. I. An Goethe t« Rom.

Frankfurt, den 17. November 1786.

Lieber Sohn.

Eine Erscheinung aus der Unterwelt hätte

mich nicht mehr in Verwunderung setzen können, als Dein Brief

aus Rom.

Jubilieren hätte ich vor Freude mögen, daß

der

Wunsch, der von frühester Jugend an in Deiner Seele lag, nun in Erfüllung gegangen ist.

Einen Menschen, wie Du bist, mit

Deinen Kenntnissen, mit Deinem großen Blick vor alles, waK

gut, groß und schön ist, der so ein Adlerauge hat,

muß so

eine Reise auf sein ganzes übriges Leben vergnügt und glück­

lich machen, und nicht allein Dich, sondern alle, die das Glück haben, in Deinem Wirkungskreis zu leben. Ewig werten mir die Worte der seligen Klettenbergern im Gedächtnis bleiben:

„Wenn dein Wolfgang nach Mainz reiset, bringt er mehr Kennt­ nisse mit als andere, die von Paris oder London zurückkommen.^ Aber sehen hätte ich Dich mögen beim ersten Anblick der Peters­

kirche.

Doch Du versprichsts ja, mich in der Rückreise zu be­

suchen, das mußt Du mir alles haarklein erzählen. fähr vier Wochen schrieb Fritz

von Stein,

Vor unge­

er wäre Deinet­

wegen in großer Verlegenheit, kein Biensch, selbst der Herzog nicht,

tvüßten,

wo Du wärest,

Böhmen u. s. w.

jedermann glaubte Dich in

Dein mir so sehr lieber und interessanter

Brief vom 4. November kam Mittwochs den 15. dito Abends um 6 Uhr bei mir an. — Denen Bethmännern habe ich ihren Brief auf so eine drollige Weise in die Hände gespielt, daß sie gewiß auf mich nicht raten.

Bon meinem innern und äußern Befinden folgt hier ein genauer und treuer Abdruck: Mein Leben fließt still dahin wie ein klarer Bach.

Unruhe und Gelümmelt war von jeher meine

Sache nicht, und ich danke der Vorsehung vor meine Tage. Tausend würde so ein Leben zu eintönig vorkommen, mir nicht!

so ruhig mein Körper ist, so thätig ist das, was in mir denket — da kann ich so einen ganzen geschlagenen Tag

zubringen, erstaune, daß es Abend ist,

ganz allein

und bin vergnügt wie

eine Göttin, und mehr als vergnügt und zufrieden sein braucht

Das Neueste von Deinen alten

man wohl in dieser Welt nicht.

Bekannten ist, daß Papa la Roche nicht mehr in Speier ist, sondern sich ein Haus in Offenbach gekauft hat und sein Leben

allda zu beschließen gedenket.

Deine übrigen Freunde sind alle

noch, die sie waren, keiner hat so Riesenschritte wie Du gemacht. Wir waren aber auch immer die Lakaien, sagte einmal der ver­

storbene Max Mohrs.

Wenn du herkommst, so müssen

diese

Menschenkinder alle eingeladen und herrlich traktiert werden: Wildbrets, Braten, Geflügel, wie Sand am Meer — es • soll eben pompos hergehen.

Lieber Sohn,

da fällt mir nun ein

unterthäniger Zweifel ein, ob dieser Brief wohl in Deine Hände kommen möchte:

ich weiß nicht,

wo du in Rom wohnest, Du

bist halb inkognito, wie du schreibest. Du wirst doch, ehe Du kommst, noch

Wollen das Beste hoffen.

etwas von Dir hören

lassen, so glaube ich, jede Postschäße brächte mir meinen einzig Geliebten — und betrogene Hoffnung ist meine Sache gar nicht.

Lebewohl, Bester!

Und gedenke öfters an Deine treue Mutter

Elisabethe Goethe. II. Über lateinische Lettern.

(Aus Briefen an Christiane und an ihren Sohn). Den 12. März 1798.

Nun ein Wort über unser Gespräch bei Deinem Hiersein über die lateinischen Lettern — den Schaden, den sie der Mensch­ heit thun, will ich Dir ganz handgreiflich darthun.

Sie sind

wie ein Lustgarten, der Aristokraten gehört, wo niemand als Noblesse — und Leute mit Stern und Bändern hineindürfen —

unsere deutschen Buchstaben sind wie der Prater in Wien, wo

der Kaiser Joseph drüber schreiben ließ: Für alle Menschen. — Wären Deine Schriften mit den fatalen Aristokraten gedruckt, so allgemein wären sie bei all ihrer Vortrefflichkeit nicht ge­

worden — Schneider — Näherinnen — Mägde — alles liest es

Elisabeth Goethe.

70 [IV]

— jedes findet etwas, das so ganz für sein Gefühl paßt —

genug, sie gehen mit der Litteraturzeitung, Doktor Hufnagel,

u. a. m. pele mele im Prater spazieren, ergötzen sich, segnen den Autor und taffen ihn hoch leben!!!

Was hat Hufeland übel

gethan, fein vortreffliches Buch mit den vor die größte Menschen-

hälfte unbrauchbaren Lettern drucken zu lassen — sollen denn nur Leute von Stand aufgeklärt werden? soll denn der Ge­

ringere von allem Guten ausgeschlossen sein? und das wird er, wenn dieser neumodischen Fratze nicht Einhalt gethan wird.

Von Dir, mein lieber Sohn, hoffe ich, daß ich nie ein solches menschenfeindliches Produkt zu sehen bekomme.

Den 25. Dezember 1807.

Seine Eugenie, das ist ein Meisterstück — aber die Groß­ mutter hat aufs neue die lateinischen Lettern und den kleinen

Druck zum Adrachmelech gewünscht,- er lasse ja nichts mehr so in die Welt ausgehn! — halte fest an deutschem Sinn —

deutschen Buchstaben,' denn wenn das Ding so fortgeht, so wird in 50 Jahren kein Deutsch mehr weder geredet noch geschrieben

— und Du und Schiller, Ihr seid hernach klassische Schrift­

steller, wie Horaz, Livius, Ovid, und wie sie alle heißen; denn wo keine Sprache mehr ist, da ist auch kein Volk — was werden alsdann die Professoren Euch zergliedern — auslegen — und der Jugend einbleuen — darum, so lang es geht: deutsch, deutsch

geredet, geschrieben und gedruckt! III. A« Christiane.

Den 23. September 1797.

Liebe Freundin! Zwei-,

ja dreifachen Dank bin ich Ihnen schuldig:

vor

die Huflandischen Bücher — vor die außerordentlichen schönen und wohlgeratnen

Strümpfe,

die mir

wie

angegossen

sind

und mich diesen Winter vor der Kälte wohl beschützen sollen — und endlich,

daß Sie mir doch ein klein Fünkchen Licht von

meinem Sohn angezündet haben/ vermutlich wissen Sie also,

Gestern waren es vier Wochen, daß er von hier

wo er ist.

und ich habe noch keine Zeile von ihm gesehen.

weggereist ist,

die nach seiner Abreise bei mir eingelaufen sind,

Die Briefe,

liegen ruhig auf meinem Tisch, da ich nickt weiß, wo er ist —

und ich sie also unmöglich ihm nachsckicken kann. Da ich von Ihnen, liebe Freundin,

höre,

daß er wohl

und vergnügt ist, so bin ich ruhig und will alles andre ge­ abwarten.

duldig brillant:

Unsere Messe

ist diesmal

außerordentlich

königliche Bräute, zukünftige Kurfürstinnen, Prinzen,

dito Prinzessinnen, Grafen, Barone mit und ohne Stern u. s. w. Es ist ein Fahren, Reiten, Gehen durcheinander, das spaßhaft anzuschauen ist.

Mittlerweile wir nun hier gaffen, klaffen und

ein wahres Schlaraffenleben führen,

sind Sie,

meine Liebe,

arbeitsam, sorgsam, wirtschaftlich, damit, wenn der Hätschelhans zurückkommt,

er Kammern und Speicher angefüllt von allem

Guten vorfinden wird.

Nehmen Sie auch dafür meinen besten

Dank, denn ein wirtschaftliches Weib ist das

edelste Geschenk

da das Gegenteil alles zerrüttet und

vor einen Biedermann,

Unglück und Jammer über die ganze Familie verbreitet. Sie bei Gott

denen Ihnen

und

Menschen

beiwohnenden

Bleiben

edlen Grundsätzen,

werden Wohlgefallen

und

haben,

an Ihnen

auch wird die Ernte die Mühe reichlich belohnen.. Grüßen Sie den lieben Augst und danken ihm durch einen Kuß vor seinen lieben Brief! . Gott erhalte ihn zu unser aller Freude gesund und lasse ihn in die Fußstapfen seines Vaters treten!

Amen.

Behalten Sie mich indessen in gutem, liebevollem Andenken, und

seien Sie versichert,

daß ich bis ans Ende meiner Tage sein

werde dero treue Mutter und Freundin Goethe.

Den 5ten November 1797. Liebe Freundin, hier kommen die Kastanien, ich wünsche,

daß sie wohl schmecken und ebenso bekommen mögen, es giebt dieses Jahr nicht viele, sie halten immer gleichen Schritt mit dem Wein, wenn der nicht im Überfluß gerät, so geraten sie auch nicht.

Jetzt wünsche ich nur, daß mein Sohn sie mit ver­

zehren helfen möchte.



Sollten Sie wohl glauben,

daß ich

noch bis auf den heutigen Tag keine Silbe von ihm gesehen

habe?

weiß nicht, in welcher Himmelsgegend er sich befindet,

weiß eben nichts, platterdings gar nichts, das ist doch wirklich Wenn ich gefragt werde,

kurios.

wo er ist,

so sage ich:

in

der Schweiz — weiter weiß ich keine Antwort zu geben —

müssen es eben abwarten — endlich wird das Inkognito doch ein Ende nehmen,

und wir werden erfahren,

wo er eigentlich Wir, meine liebe

ist, was er treibt, und wenn er zurückkommt.

Freundin, leben jetzt in großem Jubel, weil es, Gott sei Dank, endlich Friede geworden ist und wir keine Kriegsunruhen mehr

zu befürchten haben!

Unser rechtes Gaudium geht freilich erst

an, wenn das Reich auch dabei ist, und das kann noch diesen Winter über dauern, bis alles ins Reine gebracht ist — aber Furcht und Angst ist

im Geiste

das

doch verschwunden,

Friedensfest feiern,

und

ich

höre schon

sehe

schon

alle Glocken

läuten — potz Fischen! Was wollen wir da Vivat rufen! Sie

wissen, meine Liebe, wie nahe ich an der Hauptwache wohne, da wird der werte Friede ausgetrompetet und ausgepaukt — das wird ein Leben sein!!! Mittlerweile werden wir doch auch

etwas von meinem Sohn erfahren — das giebt dann noch eine

große Freude, die letzte gebe uns Gott je eher, je lieber, Amen. Haben Sie

die Güte, Ihrem Herrn Bruder recht

schön

zu

danken für die zwei vortrefflichen Taschenbücher, die sind in-

und äußerlich ganz herrlich — das eine wird nur zur Parade alle Sonntage und Festtage gebraucht — das ist so schön, daß es

nur die besten Freunde

von

mir in

die Hände

nehmen

dürfen — und der Inhalt hat außerordentliche Wirkung ge­

macht,

jedermann findet es ganz vortrefflich — unser Senior

Doktor Hufnagel hat ein Brautpaar mit den Worten,

womit

Hermann und Dorothea eingesegnet worden, zusammengegeben und dabei gesagt,

eine bessere Kopulationsrede wüßte er nicht.

Ich hoffe, sein langes Stillschweigen bringt uns wieder so etwas

Gutes, womit wir freudig überrascht werden sollen.

Leben Sie

wohl, grüßen und küssen den lieben Augst — und sagen ihm,

daß der Christtag im Anmarsch ist, nicht ermangeln würde,

und daß die Großmutter

ihr gethanes Versprechen

zu

halten!

[IV] 73

Elisabeth Goethe.

daß ich für jetzt und immer bin

Übrigens sein Sie versichert,

Ihre wahre Freundin und Mutter Goethe. IV. An ihren Enkel August Goethe.

Den 21 ten Juli 1798.

Lieber Augst! So oste ich ein so schön und deutlich geschriebenes Heft

von Dir erhalte, so freue ich mich, daß Du so geschickt bist, die Dinge so ordentlich und anschaulich vorzutragen, auch schäme ich mich nicht, zu bekennen, daß Du mehr von diesen Sachen, die

von so großem Nutzen sind, weißt, als die Großmutter.

ich so gerne schriebe wie Du,

Wenn

so könnte ich Dir erzählen, wie

elend die Kinder zu der Zeit meiner Jugend erzogen wurden-

Danke Du Gott und Deinen lieben Eltern,

die Dich

alles

Nützliche und Schöne so gründlich sehen und beurteilen lernen, daß andere,

die dieses Glück der Erziehung nicht haben,

im

30. Jahre noch alles vor Unwissenheit anstaunen, wie die Kuh

ein neues Thor.

Nun ist es aber auch Deine Pflicht, Deinen

lieben Eltern recht gehorsam zu sein und ihnen vor die viele Mühe, die sie sich geben, Deinen Verstand zu bilden, recht viele,

viele Freude zu machen, auch den lieben Gott zu bitten, Vater und Mutter gesund zu erhalten, damit sie Dich zu allem Guten ferner anführen können.

Ja, lieber Augst!

Ich weiß

aus

Erfahrung, was das heißt, Freude an seinem Kinde erleben —

Dein lieber Vater hat mir nie, nie Kummer oder Verdruß

verursacht — drum hat ihn auch der liebe Gott gesegnet, daß

er über viele,

viele empor gekommen

ist und hat ihm einen

großen und ausgebreiteten Ruhm gemacht,

allen rechtschaffenen Leuten hochgeschätzt.

und er wird von

Da nimm ein Exempel

und Muster dran, denn so einen Vater haben und nicht alles anwenden, auch brav zu werden, das läßt sich von so einem

lieben Sohn nicht denken,

wieder so

wie mein-Augst ist.

interessante Nachrichten

gesammelt haft,

Wenn Du so

schicke

sie mir. — Ich bin und bleibe Deine treue und gute Groß­

mutter Goethe.

V. An ihre Enkelin Luise NieoloviuS.

(Glückwunschbrief zur Geburt ihres Urenkels, Johann Georg Eduard Nicolovius.) Den 5. April 1796.

Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge thut — ja wohl, an Euch, an mir, an uns

allen hat er sich aufs neue als den manifestiert, der freundlich

ist und dessen Güte ewiglich währet — gelobet sei sein heiliger

Name, Amen! Lieben Kinder! Gott segne Euch in Eurem neuen Stand!

Der Vater- und Muttername

ist

ehrwürdig —

o

was vor Freuden warten Eurer! und glückliches Knäblein, die

Erziehung solcher vortrefflichen Eltern und Großeltern zu ge­ nießen — wie sorgfältig wirst Du, mein kleiner Liebling, nach

Leib und Seele gepflegt werden! wie frühe wird guter Same in Dein junges Herz gesät werden — wie bald alles, was das schöne Ebenbild Gottes,

was Du an Dir trägst,

verunzieren

könnte, ausgerottet sein — Du wirst zunehmen an Alter, Weis­ heit und Gnade bei Gott und

den Menschen!

Die Urgroß­

mutter kann zu allem diesem Guten nichts beitragen, die Ent­

fernung ist zu groß.

Sei froh, lieber Johann Georg Eduard,

die Urgroßmutter kann keine Kinder erziehen,

schickt sich

gar

nicht dazu — thut ihnen allen Willen, wenn sie lachen und

freundlich sind, und prügelt sie, Mäuler machen,

wann sie greinen oder schiefe

ohne auf den Grund zu gehen,

warum sie

lachen, warum sie greinen — aber lieb will ich Dich haben, mich herzlich Deiner freuen, Deiner vor Gott oste und viel gedenken, Dir meinen urgroßmütterlichen Segen geben, ja, das kann, das

werde ich. — Nun habe ich dem jungen Weltbürger deutlich ge­ sagt, was er von -mir zu erwarten hat, jetzt mit Euch, meinen lieben großen Kindern, noch ein paar Wörter

-

Meinen besten Dank vor Eure mir so liebe und

teure

Briefe — sie thun meinem Herzen immer wohl und machen wich überaus glücklich — besonders die Nachricht, daß das Päck­ chen wohl angekommen wäre, denn darüber hatte ich große Be­ sorgnis, machte mich sehr froh — denn denkt nur!! wenn der

Urgroßmutter ihr Machwerk,

worüber die gute Matrone so

manchen lieben langen Tag gesessen und geklöppelt hat, verloren gegangen oder zu spät gekommen,

wäre

das wäre mir gar

kein Spaß gewesen.

Der kleine Junge hat mir den Kopf vor lauter Freude so verrückt, daß die eigentliche Gratulation,

die doch nach der

ordentlichen Ordnung zu Anfang stehen sollte, jetzt hintennach kommt — bedeutet aber ebensoviel und geht ebenso

Herzen.

aus dem

Gott lasse Euch Freude und Wonne in großem Maß

an Eurem Kindlein erleben! es sei Eure Stütze auch in Eurem Alter! es sei Euch das, was Ihr Euren Eltern und der Groß­

mutter seid! das ist der beste Wunsch, besser weiß ich keinen. — Liebe Frau Gevatterin!

(der Titel macht mir großen Spaß),

wenn dieses zu Ihren Händen kommt, da ist Sie wieder frisch und flink, aber höre Sie,

sei Sies nicht gar zu sehr — gehe

Sie nicht zu früh in die Aprilluft, denn der hat seine Nöcken, wie die alte Gertraud im Wandsbecker Boten.

Bleibe Sie hübsch

in Ihrem Kämmerlein, bis der Mai kommt, damit kein Katarrh

und Husten Sie beschweren möge — nun, ich hoffe, Sie wird guten

Rat ännehmen. Nun, lieber Herr.Gevatter! Tausend Dank noch­ mals vor alle Eure Liebe



vor Eure schönen Briefe,

der

Luise ihre mit cingeschlossen, vor die gute, herzerfreuende Nach­

richt, vor die Gevatterschaft, vor alles Liebes und Gutes, wo­ mit Ihr schon so manchmal mein Herz erfreut habt — Gott lohne Euch dafür!

Behaltet mich lieb!

Ihr lebt und schwebt

in dem Herzen derjenigen, die ist und bleibt Eure treue GroßGoethe.

und Urgroßmutter

N. S.

Der vortrefflichen Frau Gräfin von Stolberg,

wie nicht minder der lieben Tante Jacobi meinen besten Dank vor

ihre Liebe und Freundschaft

segne sie davor!

gegen meine Luise — Gott

Der Scharlot habe ich

sogleich den Brief

überschickt — Himmel! was wird die vor Freude greinen! Das ist ein herzgutes, aber kurioses Geschöpf: die greint bei Freude,

die greint bei Leide, wenns regnet und wenn die Sonne scheint, verdirbt ihre Augen ganz ohne Not und macht dem Urenkelein

keine Spitzen!

Friedrich von Schiller ' i ;r>u- \wb> 17. Das Schaffen des Dichieis (1*^84) Ein Dichter nehme sich ja in acht,

Sowie der Dichter selbst blon leiden­

den Schmerz zu besingen.

der Teil ist, muß seine Empfindung identischen Allgemeinheit

mitten im Schmerz

zu einer

unausbleiblich non

ihrer

iniDollfontmencn Individua­

Aus der sanftem und sernenden Erinnerung

lität cherabsinken.

mag er dichten, und dann desto besser für ihn, je mehr er an sich erfahren hat, was er besingt, aber ja niemals unter der gegenwärtigen Herrschaft des Affekts,

sinnlichen soll.

den er uns schön ver­

Selbst in Gedichten, von denen man zu sagen

pflegt, daß die Liebe, die Freundschaft u. s. w. selbst dem Dichter

den Pinsel dabei geführt habe, hatte er damit anfangen müssen, sich

selbst fremd

zu werden, den Gegenstand

rung von seiner Individualität los schaft aus einer mildernden Ferne

zu

seiner Begeiste­

wickeln, seine Leiden­ Das Ideal-

anzuschauen.

schöne wird schlechterdings nur durch eine Freiheit des Geistes, durch eine Selbstthätigkeit möglich, welche die Übermacht der

Leidenschaft aufhebt.

18. Aus Schillers Briefen au Goethe. I. Schiller an Goethe über sich selbst. Jena, den 31. August 1794.

Unsere späte, aber mir manche schöne Hoffnung erweckende

Bekanntschaft ist mir abermals ein Beweis, wieviel besser man oft thut, den Zufall machen zu lassen, als ihm durch zu viele Wie lebhaft auch immer mein Ver­

Geschäftigkeit vorzugreifen.

langen war, in ein näheres Verhältnis zu Ihnen zu treten,

als zwischen dem Geist des Schriftstellers und seinem aufmerk­ samsten Leser möglich ist,

so

begreife

ich

doch

nunmehr voll­

kommen, daß die so sehr verschiedenen Bahnen, auf denen Sie und ich wandelten,

mit Nutzen hoffen,

uns nicht wohl früher,

zusarnmenführen

daß wir,

konnten.

als gerade jetzt,

Nun

kann ich

aber

so viel von dem Wege noch übrig fein mag,

Friedrich von Schiller ' i ;r>u- \wb> 17. Das Schaffen des Dichieis (1*^84) Ein Dichter nehme sich ja in acht,

Sowie der Dichter selbst blon leiden­

den Schmerz zu besingen.

der Teil ist, muß seine Empfindung identischen Allgemeinheit

mitten im Schmerz

zu einer

unausbleiblich non

ihrer

iniDollfontmencn Individua­

Aus der sanftem und sernenden Erinnerung

lität cherabsinken.

mag er dichten, und dann desto besser für ihn, je mehr er an sich erfahren hat, was er besingt, aber ja niemals unter der gegenwärtigen Herrschaft des Affekts,

sinnlichen soll.

den er uns schön ver­

Selbst in Gedichten, von denen man zu sagen

pflegt, daß die Liebe, die Freundschaft u. s. w. selbst dem Dichter

den Pinsel dabei geführt habe, hatte er damit anfangen müssen, sich

selbst fremd

zu werden, den Gegenstand

rung von seiner Individualität los schaft aus einer mildernden Ferne

zu

seiner Begeiste­

wickeln, seine Leiden­ Das Ideal-

anzuschauen.

schöne wird schlechterdings nur durch eine Freiheit des Geistes, durch eine Selbstthätigkeit möglich, welche die Übermacht der

Leidenschaft aufhebt.

18. Aus Schillers Briefen au Goethe. I. Schiller an Goethe über sich selbst. Jena, den 31. August 1794.

Unsere späte, aber mir manche schöne Hoffnung erweckende

Bekanntschaft ist mir abermals ein Beweis, wieviel besser man oft thut, den Zufall machen zu lassen, als ihm durch zu viele Wie lebhaft auch immer mein Ver­

Geschäftigkeit vorzugreifen.

langen war, in ein näheres Verhältnis zu Ihnen zu treten,

als zwischen dem Geist des Schriftstellers und seinem aufmerk­ samsten Leser möglich ist,

so

begreife

ich

doch

nunmehr voll­

kommen, daß die so sehr verschiedenen Bahnen, auf denen Sie und ich wandelten,

mit Nutzen hoffen,

uns nicht wohl früher,

zusarnmenführen

daß wir,

konnten.

als gerade jetzt,

Nun

kann ich

aber

so viel von dem Wege noch übrig fein mag,

in Gemeinschaft durchwandeln werden, und mit um so größerm

Gewinn,

da die letzten Gefährten auf einer langen Reise sich

immer am meisten zu sagen haben.

Erwarten Sie bei mir keinen großen materialen Reich­ tum an Ideen,-

dies ist es,

was ich bei Ihnen finden werde.

Mein Bedürfnis und Streben ist, aus wenigem viel zu machen,

und wenn Sie meine Armut an allem, Kenntnis nennt,

vielleicht,

gen sein.

was

man erworbene

näher kennen sollten,

einmal

so finden Sie

daß es mir in manchen Stücken damit mag gelun­ Weil mein Gedankenkreis kleiner ist,

so durchlaufe

ich ihn eben darum schneller und öfter und kann eben darum

meine kleine Barschaft besser nutzen und eine Mannigfaltigkeit,

die dem Inhalte fehlt,

durch die Form erzeugen.

Sie haben

ein Königreich zu regieren, ich nur eine etwas zahlreiche Familie

von Begriffen,

die ich herzlich gern zu einer kleinen Welt er­

weitern möchte. II. Schiller an Goethe über seinen körperlichen Zustand.

Jena, den 7. September 1794. Mit Freuden

nehme

ich Ihre

gütige Einladung

nach

Weimar an, doch mit der ernstlichen Bitte, daß Sie in keinem einzigen Stück Ihrer

mögen, den

häuslichen Ordnung

auf

mich

rechnen

denn leider nötigen mich meine Krämpfe gewöhnlich, dem Schlaf zu

ganzen Morgen

widmen,

weil

sie

mir

des Nachts keine Ruhe lassen, und überhaupt wird es mir nie so gut,

auch den Tag über auf eine bestimmte Stunde sicher

zählen zu dürfen.

Sie werden

mir also

erlauben,

mich in

Ihrem Hause als einen völlig Fremden zu betrachten, auf den

nicht geachtet wird,

und dadurch,

daß ich mich ganz isoliere,

der Verlegenheit zu entgehen, jemand anders von meinem Be­ finden abhängen zu lassen. Menschen wohl macht,

Die Ordnung, die jedem andern

ist mein gefährlichster Feind,

denn ich

darf nur in einer bestimmten Zeit etwas Bestimmtes vornehmen

müssen,

so bin ich sicher,

daß es mir nicht möglich sein wird.

19t Aus Schillers Briefen an Körner. I. Über Wallenstein. Jena, den 21. März 1796.

In meinen Arbeiten, wo ich seit Neujahr zu keiner Ent­

scheidung kommen konnte, bin ich nun endlich ernstlich bestimmt und zwar für den Wallenstein.

Seit etlichen Tagen habe ich

meine Papiere vor, weil ich doch schon manches, den Plan be­ treffend, darüber notiert, und ich gehe mit großer Freude und ziemlich vielem

Mute

diese neue Art

an

von Leben.

Von

meiner alten Art und Kunst kann ich freilich wenig dabei brau­

Soviel weiß

sein, um es damit zu wagen.

gutem ich

schon weit

aber ich hoffe in der neuen nun

chen-

Wege,

von

mir

und

erreiche

fordere,

ich

auch

erreiche

so

diesem Fache sonst geleistet

habe.

das

ich

ich, ich

genug

zu

bin

auf

nicht,

lange

doch mehr,

was

als ich in

Eine große Freude wird

mirs sein, mit Dir darüber zu reden- denn wenn Du kommst,

hoffe ich in dem Plan schon wichtige Fortschritte

gemacht zu

haben.

Jena, 28. November 1796. Ich brüte noch immer ernstlich

über dem Wallenstein,

aber noch immer liegt das unglückselige Werk endlos vor mir da.

formlos und

Du mußt aber nicht denken, als ob ich

meine dramatische Fähigkeit, so weit ich sie mag besessen haben,

überlebt hätte- nein, ich bin bloß deswegen unbefriedigt, weil

meine Begriffe von der Sache und

meine Anforderungen an

mich selbst jetzt bestimmter und klarer und die letzteren strenger

sind.

Keins meiner alten Stücke hat soviel Zweck und Form,

als der Wallenstein jetzt schon hat- aber ich weiß jetzt zu ge­ nau, was ich will und was ich soll, als daß ich mir das Ge­ schäft so leicht machen könnte. . Der Stoff ist, ich darf wohl sagen, im höchsten Grade

ungeschmeidig für einen solchen Zweck; was ihn davon ausschließen

Staatsaktion und hat,

sollte.

in Rücksicht

Es

er hat beinahe alles, ist

im

Grund

eine

auf den poetischen Ge­

brauch, alle Unarten an sich, die eine poetische Handlung nur

kann:

haben

abstraktes Objekt,

ein unsichtbares

kleine und

viele Mittel, zerstreute Handlungen, einen furchtsamen Schritt,

eine für den Vorteil des Poeten viel zu kalte, trockene Zweck­ mäßigkeit, ohne doch diese bis zur Vollendung und dadurch zu einer poetischen Größe zu treibens denn am Ende mißlingt der Die Base, worauf

Entwurf doch nur durch Ungeschicklichkeit.

Wallenstein seine Unternehmung gründet, ist die Armee, mit­

hin für mich eine unendliche Fläche, die ich nicht vors Auge

und nur mit unsäglicher Kunst vor die Phantasie bringen kann. Ich kann also das Objekt, worauf er ruht, nicht zeigen und ebenso wenig das, wodurch er fällt:

Stimmung der Armee,

der

Hof,

der

das ist ebenfalls die Kaiser.

— Auch die

er bewegt wird, Rachsucht und

Leidenschaften selbst, wodurch

Ehrbegierde, sind von der kältesten Gattung.

Sein Charakter

endlich ist niemals edel und darf es nie sein, und durchaus

kann er nur furchtbar,' nie eigentlich groß erscheinen.

Um ihn

nicht zu erdrücken, darf ich ihm nichts Großes gegenüberstellen, .er hält mich dadurch notwendig nieder.

Mit einem Wort, es

ist mir fast alles abgeschnitten, wodurch ich diesem Stoffe nach

meiner gewohnten Art beikommen könnte, von dem Inhalte

habe ich fast nichts zu erwarten,

alles muß durch eine glück­

liche Form bewerkstelligt werden, und

nur durch eine kunst­

reiche Führung der Handlung kann ich ihn zu einer schönen Tragödie machen . . .

stein in Prosa

ziemlich

Arbeit

Humboldt meint, ich solle den Wallen­

schreibeneinerlei, ob

mir ich

ist

in Rücksicht

es

Jamben

auf

die

oder Prosa mache.

Durch die ersten würde er mehr poetische Würde, durch die

Prosa

mehr

Ungezwungenheit

erhalten.

Da ich

im strengen Sinne für die theatralische Vorstellung so

wird es

wohl

beffer gethan sein,

ihn

aber

bestimme,

Humboldts» hierin zu

folgen.

Jena, 20. November 1797.

Ich habe in diesem Monat durch Nichtschlafen wieder viele Zeit verloren- welches mir doppelt leid war, weil ich mit dem Wallenstein recht im Train war.

Es ist nun entschiedm, daß

ich ihn in Jamben mache- ich begreife kaum, wie ich es je an»

Hessel, Lesebuch IV. Prosa.

6

Schiller.

80 [IV]

ders habe wollen können, es ist unmöglich, ein Gedicht in Prosa zu schreiben.

Alles, was ich schon gemacht, muß anders werden

und ist es zum Teil schon.

Es hat in der neuen Gestalt ein

ganz anderes Ansehen und ist jetzt erst eine Tragödie zu nennen. Dein S.

Lebewohl für heute

II. Über die Braut von Messina und Wilhelm Tell.

Weimar, 9. September 1802. Ich arbeite jetzt mit ziemlichen Ernst an einer Tragödie,

deren Sujet Du aus meiner Erzählung kennst.

Es sind die

feindlichen Brüder oder, wie ich es taufen werde, die Braut von Messina. Über dem langen Hin- und Herschwanken von einem Stoffe zum andern habe ich zuerst nach diesem gegriffen

und zwar aus dreierlei Gründen: 1) war ich damit in Absicht auf den Plan, der sehr einfach ist, am weitesten- 2) bedurfte ich eines gewissen Stachels von Neuheit in' der Form und

einer

solchen Form, die einen Schritt näher zur antiken Tragödie wäre,

welches hier der Fall ist- denn das Stück läßt sich wirklich zu

einer äschyleischen Tragödie an- 3) mußte ich etwas wählen, was nicht de longue haleine ist,

weil ich

nach

der langen Pause

notwendig bedarf, wieder etwas fertig vor mir zu sehen.

Ich

muß auf jeden Fall am Ende des Jahres damit zu stände sein, weil es Ende Januars zum Geburtstag unserer Herzogin aufge­

führt zu werden bestimmt ist.

Alsdann geht es hurtig an den

Warbeck, wozu der Plan jetzt auch viel weiter gerückt ist, und unmittelbar nach diesem an den Wilhelm Tell- denn dies ist das Stück, von dem ich Dir einmal schrieb, daß es mich lebhaft anziehe.

Du hast vielleicht schon im vorigen Jahre davon reden

hören, daß ich einen Wilhelm Tell bearbeite-

denn selbst vor

meiner Dresdner Reise wurde deshalb aus Berlin und Hamburg bei mir angefragt.

Es war mir niemals in den Sinn gekommen.

Weil aber die Nachfrage nach diesem Stück immer wiederholt wurde, so wurde ich aufmerksam daraus und fing an, Tschudis schweizerische Geschichte zu studieren.

Nun ging mir ein Licht

auf- denn dieser Schriftsteller hat einen so treuherzigen, herodotischen, ja, fast homerischen Geist, daß er einen poetisch zu stim-

men imstande ist. — Ob nun gleich der Tell einer dramatischen

Behandlung nichts weniger als günstig scheint, da die Handlung

Lem Ort und der Zeit nach ganz zerstreut auseinander liegt, da sie großenteils eine Staatsaktion ist und, das Märchen mit

Lem Hut und Apfel ausgenommen, der Darstellung widerstrebt, so habe ich doch bis jetzt soviel Poetische Operationen damit vor­

genommen, daß sie aus dem Historischen heraus und ins Poe­ tische eingetreten ist. Übrigens brauche ich Dir nicht zu sagen, daß es eine verteufelte Aufgabe ist-

denn

wenn ich auch von

nllen Erwartungen, die das Publikum und das Zeitalter gerade zu diesem Stoffe mitbringt, wie billig abstrahiere, so bleibt mir doch eine sehr hohe poetische Forderung zu erfüllen, weil hier

ein ganzes, lokalbedingtes Volk, ein ganzes und entferntes Zeit­

alter und, was die Hauptsache ist, ein ganz örtliches, ja beinahe individuelles und einziges Phänomen mit dem Charakter der

.höchsten Notwendigkeit und Wahrheit bracht werden.

soll zur Anschauung ge­

Indes stehen schon die Säulen des Gebäudes

;fcft, und ich hoffe, einen soliden Bau zustande zu bringen.

20. Aus einem Briese Schillers an seine Braut. Freitag Abends.

(8. Jannar 1790.)

Die Zweifel, die Du Dir aufwirfst, meine Liebe, ob Du

mir auch wirklich das seist, was Du wünschest, enthalten einen

stillen Vorwurf gegen mich, ob ich gleich weiß, keinen machen wolltest.

daß Du mir

Diese Zweifel hättest Du nicht, wenn

meine Liebe für Dich einen lebhafteren Ausdruck gehabt hätte, wenn ich mehr Worte dafür gehabt hätte, was Du meinem Herzen bist.

Aber diese Zweifel werden bei Dir aufhören, wenn Du

mich ganz kennst, wenn Du mit meinem Wesen vertraut genug

geworden bist, um zu wissen, in welche Sprache sich meine Em­

pfindungen kleiden.

Auch meine Liebe ist still, wie mein ganzes

übriges Wesen — nicht aus einzelnen, raschen Aufwallungen, aus dem ganzen Zusammenklang meines Lebens wirst Du sie

kennen lernen.

Es wird

noch

ein schönes Studium für uns

beide geben, bis wir einander abgelernt haben, welche Saite am

men imstande ist. — Ob nun gleich der Tell einer dramatischen

Behandlung nichts weniger als günstig scheint, da die Handlung

Lem Ort und der Zeit nach ganz zerstreut auseinander liegt, da sie großenteils eine Staatsaktion ist und, das Märchen mit

Lem Hut und Apfel ausgenommen, der Darstellung widerstrebt, so habe ich doch bis jetzt soviel Poetische Operationen damit vor­

genommen, daß sie aus dem Historischen heraus und ins Poe­ tische eingetreten ist. Übrigens brauche ich Dir nicht zu sagen, daß es eine verteufelte Aufgabe ist-

denn

wenn ich auch von

nllen Erwartungen, die das Publikum und das Zeitalter gerade zu diesem Stoffe mitbringt, wie billig abstrahiere, so bleibt mir doch eine sehr hohe poetische Forderung zu erfüllen, weil hier

ein ganzes, lokalbedingtes Volk, ein ganzes und entferntes Zeit­

alter und, was die Hauptsache ist, ein ganz örtliches, ja beinahe individuelles und einziges Phänomen mit dem Charakter der

.höchsten Notwendigkeit und Wahrheit bracht werden.

soll zur Anschauung ge­

Indes stehen schon die Säulen des Gebäudes

;fcft, und ich hoffe, einen soliden Bau zustande zu bringen.

20. Aus einem Briese Schillers an seine Braut. Freitag Abends.

(8. Jannar 1790.)

Die Zweifel, die Du Dir aufwirfst, meine Liebe, ob Du

mir auch wirklich das seist, was Du wünschest, enthalten einen

stillen Vorwurf gegen mich, ob ich gleich weiß, keinen machen wolltest.

daß Du mir

Diese Zweifel hättest Du nicht, wenn

meine Liebe für Dich einen lebhafteren Ausdruck gehabt hätte, wenn ich mehr Worte dafür gehabt hätte, was Du meinem Herzen bist.

Aber diese Zweifel werden bei Dir aufhören, wenn Du

mich ganz kennst, wenn Du mit meinem Wesen vertraut genug

geworden bist, um zu wissen, in welche Sprache sich meine Em­

pfindungen kleiden.

Auch meine Liebe ist still, wie mein ganzes

übriges Wesen — nicht aus einzelnen, raschen Aufwallungen, aus dem ganzen Zusammenklang meines Lebens wirst Du sie

kennen lernen.

Es wird

noch

ein schönes Studium für uns

beide geben, bis wir einander abgelernt haben, welche Saite am

82 [IV]

Schiller.

W. v. Humboldt.

willigsten und am wohlklingendsten tönt, bis jedes von uns die

zarten Stellen im Herzen oder in der Laune des andern kennte durch die man sich am gefälligsten berührt und

fehl geht.

am wenigsten

Ich sehe voraus, meine Liebe, daß wir noch allerlei

Erfahrungen über einander machen werden, die eine schöne Be­ schäftigung für uns versprechen.

Schon allein dieses, daß jedes

von uns da seine Wünsche anknüpft, wo das andere reich ist, dieses zu lernen ist keine so leichte Kunst, aber sie belohnt augen­ blicklich und unaussprechlich.

Ich könnte Dich auf allerlei Eigenheiten in mir vorbereiten, aber lieber will ich sie von Dir selbst

finden lassen.

Deine

Blicke in meine Seele müssen Dein eigen sein,- was Du selbst entdeckst, wirst Du desto glücklicher und desto feiner anwenden. Irre Dich nicht an den seltsamen Gestalten meiner Seele, die oft in schnellen Übergängen wechseln. Sie haben mit unsrer

Liebe nichts zu thun.

Diese schnelle Beweglichkeit meiner Seele

ist eine Eigenheit in mir,

wöhnen mußt.

daran Du Dich nach und nach ge­

Wie freue ich mich der Zukunft, die uns alles

dieses mit einem sanften Lichte unvermerkt aufhellen wird.

Heute ist Dein Brief an meine Mutter fortgegangen.

Es wird ein glücklicher Augenblick für sie sein, wenn sie ihn erhält.

Wilhelm von Humboldt

(1767—1835).

21. Schillers Charakterbild. Was jedem Beobachter an Schiller am meisten als bezeich­

nend auffallen mußte,-war, daß in einem höherem Sinn, als

vielleicht je bei einem andern, der Gedanke das Element seines Lebens war.

Anhaltend selbstthätige Beschäftigung des Geistes

verließ ihn fast nie und wich nur den heftigeren Anfällen seines körperlichen Übels. Sie schien ihm Erholung, nicht Anstrengung. Dies zeigte sich au« meisten im Gespräch, für das Schiller ganz eigentlich wie geboren schien.

Er suchte nie nach einem bedeu­

tenden Stoff der Unterredung, er überließ es mehr dem Zufall,

82 [IV]

Schiller.

W. v. Humboldt.

willigsten und am wohlklingendsten tönt, bis jedes von uns die

zarten Stellen im Herzen oder in der Laune des andern kennte durch die man sich am gefälligsten berührt und

fehl geht.

am wenigsten

Ich sehe voraus, meine Liebe, daß wir noch allerlei

Erfahrungen über einander machen werden, die eine schöne Be­ schäftigung für uns versprechen.

Schon allein dieses, daß jedes

von uns da seine Wünsche anknüpft, wo das andere reich ist, dieses zu lernen ist keine so leichte Kunst, aber sie belohnt augen­ blicklich und unaussprechlich.

Ich könnte Dich auf allerlei Eigenheiten in mir vorbereiten, aber lieber will ich sie von Dir selbst

finden lassen.

Deine

Blicke in meine Seele müssen Dein eigen sein,- was Du selbst entdeckst, wirst Du desto glücklicher und desto feiner anwenden. Irre Dich nicht an den seltsamen Gestalten meiner Seele, die oft in schnellen Übergängen wechseln. Sie haben mit unsrer

Liebe nichts zu thun.

Diese schnelle Beweglichkeit meiner Seele

ist eine Eigenheit in mir,

wöhnen mußt.

daran Du Dich nach und nach ge­

Wie freue ich mich der Zukunft, die uns alles

dieses mit einem sanften Lichte unvermerkt aufhellen wird.

Heute ist Dein Brief an meine Mutter fortgegangen.

Es wird ein glücklicher Augenblick für sie sein, wenn sie ihn erhält.

Wilhelm von Humboldt

(1767—1835).

21. Schillers Charakterbild. Was jedem Beobachter an Schiller am meisten als bezeich­

nend auffallen mußte,-war, daß in einem höherem Sinn, als

vielleicht je bei einem andern, der Gedanke das Element seines Lebens war.

Anhaltend selbstthätige Beschäftigung des Geistes

verließ ihn fast nie und wich nur den heftigeren Anfällen seines körperlichen Übels. Sie schien ihm Erholung, nicht Anstrengung. Dies zeigte sich au« meisten im Gespräch, für das Schiller ganz eigentlich wie geboren schien.

Er suchte nie nach einem bedeu­

tenden Stoff der Unterredung, er überließ es mehr dem Zufall,

den Gegenstand herbeizuführen, aber von jedem aus leitete er das

Gespräch zu einem allgemeinen Gesichtspunkt, und man sah sich nach wenigen Zwischenreden in den Mittelpunkt einer den Geist anregenden Diskussion versetzt.

Er behandelte den Gedanken

immer als ein gemeinschaftlich zu gewinnendes Resultat, schien immer des Mitredenden zll bedürfen, wenn dieser sich auch bewußt blieb, die Idee allein von ihm zu empfangen, und ließ ihn nie müßig werden.

Hierin unterschied sich sein Gespräch am meisten

von dem Herderschen.

Nie vielleicht hat ein Mann schöner ge­

sprochen als Herder, wenn man, was bei Berührung irgend einer leicht bei ihm anklingenden Seite nicht schwer war, ihn in auf­ gelegter Stimmung antraf.

Alle seltenen Eigenschaften dieses

mit Recht bewunderten Mannes schienen, so geeignet waren sie für dasselbe, im Gespräch ihre Kraft zu verdoppeln.

Der Ge­

danke verband sich mit dem Ausdruck, mit der Anmut und Würde, die, da sie in Wahrheit allein der Person angehören, nur vom Gegenstände herzukommen scheinen.

So floß die Rede ununter­

brochen hin in der Klarheit, die doch noch dem eignen Erahnen

übrig läßt, und in dem Helldunkel, das doch nicht hindert, den

Gedanken bestimmt zu erkennen.

Aber wenn die Materie erschöpft

war, so ging man zu einer neuen über.

Man förderte nichts

durch Einwendungen, man hätte eher gehindert.

Man hatte ge

hört, man konnte nun selbst reben, aber man vermißte die Wechsel­ thätigkeit des Gesprächs. Schiller sprach nicht eigentlich schön. Aber sein Geist strebte

immer in Schärfe und Bestimmtheit einem neuen geistigen Ge­ winne

zu, er beherrschte dies Streben und schwebte in voll­

kommener Freiheit über seinem Gegenstände.

Daher benutzte

er in leichter Heiterkeit jede sich darbietende Nebenbeziehung, und daher war sein Gespräch so reich an den Worten, die das Ge­

präge glücklicher Geburten des Augenblicks an sich tragen.

Die

Freiheit that aber dem Gange der Untersuchung keinen Abbruch. Schiller hielt immer den Faden fest,

führen mußte,

der zu ihrem Endpunkt

und wenn die Unterredung

Zufall gestört wurde, so brach er nicht

des Zieles ab.

nicht durch einen

leicht vor Erreichung

W. v. Humboldt.

84 [IV]

im Gespräch

Sowie Schiller

immer

Denkens neuen Boden zu gewinnen suchte,

dem so

Gebiete

des

war überhaupt

seine geistige Beschäftigung immer eine von angestrengter Selbst­

thätigkeit.

Auch seine Briefe zeigen dies deutlich.

sogar keine andere.

Er kannte

Bloßer Lektüre überließ er sich nur spät

abends und in seinen leider so häufig schlaflosen Nächten. Seinen

Tag nahmen seine Arbeiten ein oder bestimmte Studien für die­ selben, wo also der Geist durch die Arbeit und zugleich in Spannung gehalten wird.

Das

die Forschung:

bloße von keinem

andern unmittelbaren Zweck als dem des Wissens geleitete Stu­ dieren, das für den damit Vertrauten einen so unendlichen Reiz

hat, daß man sich verwahren muß, dadurch nicht zu sehr von be­ stimmterer Thätigkeit abgehalten zu werden, kannte er nicht und-

achtete es nicht genug. Nur weil er die allerdings höhere Anstrengung des Geistes^

welche selbstthätig aus ihren eigenen Tiefen schöpft, mehr schätzte^ konnte er sich weniger mit der geringeren befreunden.

Es ist

aber auch merkwürdig, aus welchem kleinen Vorrat des Stoffes Schiller eine sehr vielseitige Weltansicht gewann.

Selbst von

Deutschland hatte er nur einen Teil gesehen, nie die Schweiz^

von der sein Tell doch so lebendige Schilderungen enthält.

Wer

einmal am Rheinfall steht, wird sich beim Anblick unwillkürlich an die schöne Strophe des Tauchers erinnern, welche dies ver­

wirrende Wassergewühl malt, das den Blick gleichsam fesselnd verschlingt- doch lag auch dieser keine eigene Ansicht zu Grunde.

Aber was Schiller durch eigene Ansicht gewann, das ergriff er mit einem Blick, der ihm hernach auch das anschaulich machte^ was ihm bloß fremde Schilderung zuführte.

Auf ganz ähnliche Weise eignete er sich den Geist der griechischen Dichtung an, ohne sie je anders als aus Übersetzun­ gen zu kennen.

Die Kraniche des Jbykus und das Sieges­

fest tragen die Farbe des Altertums so rein und treu an sich^ als man es nur von irgend einem modernen Dichter erwarten

kann, und zwar auf die schönste und geistvollste Weise.

Der

Dichter hat den Sinn des Altertums in sich ausgenommen, er bewegt sich darin mit Freiheit, und so entspringt eine neue, in

allen ihren Teilen nur ihn atmende Dichtung.

Beide Stücke

stehen aber wieder in einem merkwürdigen Gegensatz gegen ein­

Die Kraniche des Jbhkus erlaubten eine ganz epische

ander.

Ausführung- was den Stoff dem Dichter innerlich wert machte, war die daraus hervorspringende Idee der Gewalt künstlerischer

Darstellung über die menschliche Brust. Diese Macht der Poesie, einer unsichtbaren, bloß durch den Geist geschaffenen,

in

der

Wirklichkeit verfliegenden Kraft gehörte wesentlich in den Jdeen-

kreis, der Schiller

lebendig

beschäftigte.

Schon

acht

Jahre,

ehe er sich zur Ballade in ihm gestaltete, schwebte ihm dieser

Stoff vor, wie deutlich aus den Künstlern,

aus den Versen

hervorgeht: Vom Eumenidenchor geschrecket, Zieht sich der Mord, auch nie entdecket, Das Los des Todes aus dem Lied. Diese Idee erlaubte aber auch eine vollkommen antike Ausfüh-

führung,' das Alterum besaß alles, um sie in ihrer ganzen Rein­ heit und Stärke hervortreten zu lassen.

Daher ist alles in der

ganzen Erzählung unmittelbar aus ihm entnommen, besonders

das Erscheinen und der Gesang der Eumeniden.

Der äschylische

bekannte Chor ist so kunstvoll in die moderne Dichtungsform, in Reim und Silbenmaß verwebt, daß nichts hon seiner stillen

Größe aufgegeben scheint.

betrachtender Natur.

Das Sieg essest ist lyrischer und

Hier konnte und mußte der Dichter aus

der Fülle seines Busens hinzufügen, was nicht im Ideen- und

Gefühlskreise des Altertums lag.

Aber im übrigen ist alles

im Sinne der homerischen Dichtung eben so rein als im andern

Gedicht.

Das Ganze ist nur wie in einer höheren, mehr ab­

gesondert gehaltenen Geistigkeit ausgeprägt, als dem alten Sän­ ger eigen ist, und enthält gerade dadurch seine größesten Schön­

heiten.

22.

Goethes Hermann und Dorothea.

I. Wirkung des Gedichtes im Ganzen.

Die schlichte Einfachheit des geschilderten Gegenstandes und

die Größe und Tiefe der dadurch hervorgebrachten Wirkung, diese

allen ihren Teilen nur ihn atmende Dichtung.

Beide Stücke

stehen aber wieder in einem merkwürdigen Gegensatz gegen ein­

Die Kraniche des Jbhkus erlaubten eine ganz epische

ander.

Ausführung- was den Stoff dem Dichter innerlich wert machte, war die daraus hervorspringende Idee der Gewalt künstlerischer

Darstellung über die menschliche Brust. Diese Macht der Poesie, einer unsichtbaren, bloß durch den Geist geschaffenen,

in

der

Wirklichkeit verfliegenden Kraft gehörte wesentlich in den Jdeen-

kreis, der Schiller

lebendig

beschäftigte.

Schon

acht

Jahre,

ehe er sich zur Ballade in ihm gestaltete, schwebte ihm dieser

Stoff vor, wie deutlich aus den Künstlern,

aus den Versen

hervorgeht: Vom Eumenidenchor geschrecket, Zieht sich der Mord, auch nie entdecket, Das Los des Todes aus dem Lied. Diese Idee erlaubte aber auch eine vollkommen antike Ausfüh-

führung,' das Alterum besaß alles, um sie in ihrer ganzen Rein­ heit und Stärke hervortreten zu lassen.

Daher ist alles in der

ganzen Erzählung unmittelbar aus ihm entnommen, besonders

das Erscheinen und der Gesang der Eumeniden.

Der äschylische

bekannte Chor ist so kunstvoll in die moderne Dichtungsform, in Reim und Silbenmaß verwebt, daß nichts hon seiner stillen

Größe aufgegeben scheint.

betrachtender Natur.

Das Sieg essest ist lyrischer und

Hier konnte und mußte der Dichter aus

der Fülle seines Busens hinzufügen, was nicht im Ideen- und

Gefühlskreise des Altertums lag.

Aber im übrigen ist alles

im Sinne der homerischen Dichtung eben so rein als im andern

Gedicht.

Das Ganze ist nur wie in einer höheren, mehr ab­

gesondert gehaltenen Geistigkeit ausgeprägt, als dem alten Sän­ ger eigen ist, und enthält gerade dadurch seine größesten Schön­

heiten.

22.

Goethes Hermann und Dorothea.

I. Wirkung des Gedichtes im Ganzen.

Die schlichte Einfachheit des geschilderten Gegenstandes und

die Größe und Tiefe der dadurch hervorgebrachten Wirkung, diese

86 [IV]

W. v. Humboldt.

beiden Stücke sind es, welche in Goethes Hermann und Dorothea die Bewunderung des Lesers am stärksten und unwillkürlichsten

an sich reißen. In der bloßen Schilderung einer einfachen Handlung er­

kennen wir das treue und vollständige Bild der Welt und der

Menschheit. Der Dichter erzählt die Verbindung eines Sohnes

aus

einer wohlhabenden Bürgerfamilie mit einer Ausgewanderten-

er thut nichts, als die einzelnen Momente dieser Handlung, die einzelnen Teile dieses Stoffs auseinanderlegen, Umstände entwickeln,

die Reihe der

wie sie natürlich und notwendig ausein­

ander entspringen- er ist nie mit etwas anderem, als mit seinem

Gegenstände beschäftigt- alle Hindernisse, durch die er den Kno­

ten der Handlung schürzt, alle Mittel, durch die er chn wieder löst, sind allein aus diesem und aus den Charakteren der han­

delnden Personen genommen- alles, wodurch er die Teilnahme des Lesers gewinnt, ist allein in diesem Kreise enthalten,

und

nie tritt er in seiner eignen Individualität hervor, nie schweift er in eine eigne Betrachtung oder eine eigne Empfindung aus.

Und auf welchen Standpunkt sieht sich dadurch der Leser ver­ setzt!

Das Leben in seinen größten und wichtigsten Verhält­

nissen und der Mensch in allen bedeutenden Momenten seines Daseins stehen auf einmal vor ihm da, und er durchschaut sie

mit lebendiger Klarheit.

Was seinem Herzen das Wichtigste ist, sein Nachdenken und

seine Beobachtung am

anhaltendsten

beschäftigt,

sieht

er

mit

wenigen, aber meisterhaften Zügen in überraschender Wahrheit geschildert — den Wechsel der Alter und Zeiten, die fortschrei­

tende Umällderung in Sitten und Denkungsart, die.Hauptstufen menschlicher Kultur und vor allem das Verhältnis häuslicher Bürgertugend und stillen Familienglücks zu dem Schicksal von Nationen und dem Strome außerordentlicher Ereignisse.

Indem

er nur den Begebenheiten einer einzelnen Familie zuzuhören glaubt, fühlt er seinen Geist in ernste und allgemeine Betrach­

tungen versenkt,

rissen, sein

sein Herz zu wehmutsvoller Rührung hinge­

ganzes Gemüt hingegen zuletzt wieder durch ein-

fache,

aber gediegene Weisheit beruhigt.

Denn

die wichtige

Frage, die sich in unsrer Zeit überall jedem aufdrängen muß: wie soll bei dem allgemeinen Wechsel,

in welchem Meinungen,

Sitten, Verfassungen und Nationen fortgerissen werden,

der

einzelne sich verhalten? findet er nicht allein in den mannich-

faltigsten Gestalten aufgeworfen,

sondern auch so beantwortet,

daß die Antwort ihm mit der Belehrung zugleich Kraft zum Handeln und Mut zum Ausharren in die Seele haucht.

II. Inhalt des siebente» und achten Gesanges. Bis hierher hat der Dichter seine Hauptwirkung nur vor­

bereitet- jetzt heben erst seine höchsten und glänzendsten Momente

an, jetzt auch kann erst Dorotheens Gestalt in dem ganzen Reiz ihrer Schönheit erscheinen. Dieser Punkt ist durch ein vollkommen neues und treff­

liches Gleichnis auf eine bedeutende Weise bezeichnet.

Wie der

Wanderer das Bild der sinkenden Sonne noch nach ihrem Ver­

schwinden vor seinen Augen schweben sieht, so sieht Hermann das Bild seiner Geliebten,

und wie er sich umdreht,

steht sie

selbst vor ihm da. Diese so natürliche und doch so grenzende Erscheinung

höhere,

versetzt den Leser auf einmal in

mehr phantastische Stimmung,

des Gedichtes,

nahe ans Wunderbare eine

die nun bis ans Ende

nur immer steigend und wechselnd,

fortdauert.

So wie er hier ihr Scheinbild und ihre wahre Gestalt dicht

nebeneinander erblickt,

so wird sie ihm nun immerfort bald in

der ruhigen Besonnenheit,

in

der thätigen Gewandtheit,

heiter und glücklich durchs Leben führt,

die

bald in der schwärme­

rischen Größe, in der hohen Begeisterung gezeigt, die über das

Leben hinausgeht.

Der Ton,

den der Dichter jetzt,

da er noch reiner und

stärker als bisher auf die bloße Phantasie einwirken will, erst anstimmt, ist der der Heiterkeit und Anmut.

er sie leicht und künstlerisch bewegt, wenn er zuletzt kühner in

zu­

Dadurch erhält

dadurch macht er,

daß,

die Saiten seiner Leier eingreift,

vollere und mächtigere Akkorde anschlägt,

sein Lied doch nur

W. v. Humboldt.

88 [IV]

immer ein schönes Spiel der Kunst bleibt,

nie zur drückenden

Wahrheit wird.

Am Brunnen sehen wir das liebende Paar- auf der Mauer

des Quells sitzend, sehen sie sich im Spiegel des Wassers und grüßen sich dreister und freundlicher in diesem Bilde,

wirklichen Blicke es wagen.

in

dieser Schilderung!

sammenkunft

am

Welche

Brunnen

als ihre

Welche Wahrheit und Lieblichkeit

ruft

schöne Bilder

aus

jener

diese Zu­

patriarchalischen Zeit

zurück, wo Fürstentöchter selbst Wasser zu schöpfen kamen und

der Bund der Liebe und Ehe oft am rieselnden Quell geschlossen

wurde!

In diesem Ton ist auch die ganze Unterredung gehalten.

Vorzüglich erscheint immer das Mädchen leicht,

gewandt

und

besonnen,' sie kommt dem Jüngling immer gefällig und freundlich

zuvor;

aber wo er,

schwer und gepreßt ist,

dessen Herz immer von seinen Gefühlen seine Empfindungen reden lassen will,

da schneidet sie ihm immer, und immer natürlich und gerade, ohne künstlich auszuweichen,

auf eine kurze,

heitere und ver­

ständige Weise den Weg dazu ab.

Haben wir Dorotheen bisher rüstig und thätig, mutvoll und entschlossen, lieblich und heiter gesehn, so tritt sie nun groß und

erhuben auf.

Nicht daß der Dichter ihrem Bilde gerade neue

Züge hinzufügte:

aber er weiß unsrer Einbildungskraft einen

andren Schwung zu geben.

Der Tag neigt sich zum Abends

die Sonne geht unter, Gewitterwolken hängen drohend

Himmel herab, und wie die Natur um sie her,

vom

werden auch

die Gefühle der beiden Liebenden düstrer und schwerer.

Hier

wachsen ihre Gestalten vor unsern Augen von Schritt zu Schritt, ein schöner Moment,

eine große

und malerische Schilderung

folgt auf die andere: erst, wie sie, entgegen der sinkenden Sonne, durch das hohe, wankende Korn gehn,' dann, wie sie, unter dem

Baume sitzend, unter welchem Hermann am Morgen noch um seine Vertriebene geweint hatte, auf die Wohnung seiner Eltern, auf das Fenster am Giebel hinabschauen,' endlich, wie sie, aus­

gleitend auf den Stufen des Weinbergs, ihm auf die Schulter

sinkt und er mit dem Arme die Fallende emporhält.

Jede dieser

Schilderungen ist über allen Ausdruck dichterisch, und in allen

zusammen lebt eine so echt darstellende Kunst, daß sie den Gegen­

stand nicht

allein in allen

seinen Umrissen,

immer in der Größe und Farbe malen,

sondern zugleich

welche

die Stimme

der Einbildungskraft in dem jedesmaligen Augenblick fordert.

Alle drei sind von den herrlichsten Naturbeschreibungen begleitet,erst strahlt noch

die Sonne hier und

da

aus

dem Wolken­

schleier, in den sie verhüllt ist, hervor und wirft mit glühenden Blicken eine ahnungsvolle Beleuchtung über das Feld,' dann in

dem Augenblick, wo sie ruhig unter dem Birnbaum sitzen, es Nacht,

ist

aber der Mond glänzt voll vom Himmel herunter,

und in Massen geschieden, liegen Lichter, hell wie der Tag, und

Schatten dunkeler Nächte- endlich überblickt auch dieser sie nur noch mit schwankenden Lichtern und läßt sie zuletzt,

vom Ge­

witter umhüllt, in völligem Dunkel.

In diesem letzten Moment, wo die Gefühle der beiden Liebenden, die überhaupt im Menschen so gern und leicht die Farbe

des Tags

und

der Natur

annehmen, "den

Gipfel erreicht haben, Hermann mit

äußersten

qualvoller Ungeduld der

Entscheidung seines Schicksals und der Auflösung der Verwirrung, die er angerichtet, entgegensieht, Dorothea durch die Stille der

Natur um sie her und das freundliche Gespräch mit dem Jüng­

ling, den sie liebt,

ihre

sehnsuchtsvollsten Hoffnungen

belebt

fühlt, kommt alles zugleich zusammen, auch das Gemüt des Lesers aufs höchste zu spannen und in seinem Innersten zu be­

wegen.

Man sieht nicht mehr Hermann und Dorothea allein,

man erblickt in ihnen die männliche und weibliche Größe selbst,

in ihren vollsten Gefühlen von den höchsten Kräften gehalten. 23.

Aus den Briesen an eine Freundin. I. Über das Lernen von Gedichten.

Tegel, 7. April 1833.

Sie

klagen

aber einiges aus.

im

ganzen

über Ihr Gedächtnis,

nehmen

Mehr können wenige von sich sagen.

Das

Gedächtnis ist nach Gegenständen verteilt, und in niemand ist es für alle gleich gut.

Das angenehmste ist ein leichtes Ge-

zusammen lebt eine so echt darstellende Kunst, daß sie den Gegen­

stand nicht

allein in allen

seinen Umrissen,

immer in der Größe und Farbe malen,

sondern zugleich

welche

die Stimme

der Einbildungskraft in dem jedesmaligen Augenblick fordert.

Alle drei sind von den herrlichsten Naturbeschreibungen begleitet,erst strahlt noch

die Sonne hier und

da

aus

dem Wolken­

schleier, in den sie verhüllt ist, hervor und wirft mit glühenden Blicken eine ahnungsvolle Beleuchtung über das Feld,' dann in

dem Augenblick, wo sie ruhig unter dem Birnbaum sitzen, es Nacht,

ist

aber der Mond glänzt voll vom Himmel herunter,

und in Massen geschieden, liegen Lichter, hell wie der Tag, und

Schatten dunkeler Nächte- endlich überblickt auch dieser sie nur noch mit schwankenden Lichtern und läßt sie zuletzt,

vom Ge­

witter umhüllt, in völligem Dunkel.

In diesem letzten Moment, wo die Gefühle der beiden Liebenden, die überhaupt im Menschen so gern und leicht die Farbe

des Tags

und

der Natur

annehmen, "den

Gipfel erreicht haben, Hermann mit

äußersten

qualvoller Ungeduld der

Entscheidung seines Schicksals und der Auflösung der Verwirrung, die er angerichtet, entgegensieht, Dorothea durch die Stille der

Natur um sie her und das freundliche Gespräch mit dem Jüng­

ling, den sie liebt,

ihre

sehnsuchtsvollsten Hoffnungen

belebt

fühlt, kommt alles zugleich zusammen, auch das Gemüt des Lesers aufs höchste zu spannen und in seinem Innersten zu be­

wegen.

Man sieht nicht mehr Hermann und Dorothea allein,

man erblickt in ihnen die männliche und weibliche Größe selbst,

in ihren vollsten Gefühlen von den höchsten Kräften gehalten. 23.

Aus den Briesen an eine Freundin. I. Über das Lernen von Gedichten.

Tegel, 7. April 1833.

Sie

klagen

aber einiges aus.

im

ganzen

über Ihr Gedächtnis,

nehmen

Mehr können wenige von sich sagen.

Das

Gedächtnis ist nach Gegenständen verteilt, und in niemand ist es für alle gleich gut.

Das angenehmste ist ein leichtes Ge-

90 [IV]

W. v. Humboldt.

dächtnis für Gedichte.

Ist das mit wahrem Geschmack in der

Auswahl und mit Talent im Hersagen verbunden^ so giebt es

keine andere das Leben gleich verschönende Gabe.

Zum guten

Hersagen gehört aber unendlich viel: zuerst freilich nur Dinge, die jede gute Erziehung jedem geben kann, richtiges Verstehen

des Sinnes, eine gute, deutliche, von Provinzialfehlern freie Aussprache,-

aber dann freilich Dinge,

welche nur angeboren

schon in sich seelenvolles Organ,

ein

feiner musikalischer Sinn für den Fall des Silbenmaßes,

ein

wahrhaft dichterisches Gefühl und hauptsächlich ein Gemüt,

in

werden:

ein glückliches,

dem alle menschlichen Empfindungen rein und stark wiederklingen.

Der Genuß,

den

ein

solches Wiedergeben

wahrhaft

Gedichte gewährt, ist in der That ein unendlicher.

schöner

Er ist mir

oft und int höchsten Grade geworden, und ich rechne das zu

den

schönsten Stunden

des

Lebens.

Aber

auch

das

eigene

Auswendiglernen und Auswendigwissen von Gedichten oder von

Stellen aus Gedichten verschönert das einsame Leben und erhebt oft in bedeutenden Momenten.

Ich trage mich von Jugend an

mit Stellen aus dem Homer, aus Goethe und Schiller, die mir

in jedem wichtigen Augenblicke wiederkehren und mich auch in den

letzten des Lebens nicht verlassen werden.

Besseres thun,

Denn man kann nichts

als mit einem großen Gedanken hinübergehen.

II. Herrschaft des Geistes über körperliche Zustande.

Burgörner, 6. September 1825.

Es ist eine schöne Eigenschaft im Menschen und ein ihm von dem Schöpfer ausschließlich vor den übrigen Erdengeschöpfen

eingeräumter Vorzug,

daß er immer fühlt,

daß er durch den

Gedanken und durch den Entschluß jeden körperlichen Einfluß,

wie stark er sein möge, hemmen und beherrschen kann.

Es sagt

dem Menschen eine innere Stimme, daß er frei und unabhängig ist, sie rechnet ihm das Gute und das Böse an; und aus der

Beurteilung seiner selbst, die immer stärker und strenger sein

muß als die anderer, muß man jene ganz körperlichen Einflüsse völlig hinweglassen. Gelingt

es

dem Geist,

die Krankheit oder Kränklichkeit

W. v. Humboldt.

[IV] 91

A. b. Humboldt.

ganz aus sich zu entfernen und bloß in den Körper zu bannen, so ist unendlich viel gewonnen, und so erträgt sich danach körper­ liches Übel mit Fassung und wirklicher, nicht scheinbarer Ruhe

und erträgt sich nicht bloß, sondern hat sehr oft auch noch etwas die Seele schön und sanft Reinigendes. Ich selbst bin zwar mehrere Male und ein paar Mal

sehr gefährlich krank gewesen, aber an dauernder Kränklichkeit,

eigentlich schwacher Konstitution habe ich nie gelitten.

Ich bin

aber oft mit Personen umgegangen, Männern und Frauen, in denen dieser Zustand der tägliche war,

und die nicht einmal

irgend wahrscheinliche Hoffnung hatten, sich je anders als durch

Zu diesen Menschen gehörte Schiller

den Tod herauszuwickeln.

vorzüglich.

Er litt sehr,

eingetroffen

ist, daß

litt dauernd und wußte,

diese

wie auch

beständigen Leiden nach und nach

seinen Tod herbeiführen würden.

Bon ihm aber konnte man

wirklich sagen, daß er die Krankheit in dem Körper verschlossen hielt.

Denn zu welcher Stunde man zu ihm kommen, wie man

ihn antreffen mochte,

so war sein Geist ruhig und heiter und

aufgelegt zu freundschaftlicher Mitteilung und interessantem und

selbst tiefem Gespräch.

Er pflegte sogar wohl zu sagen,

daß

man bester bei einem gewissen, doch freilich nicht zu angreifen­ den Übel arbeite, und ich habe ihn in solchen wirklich sehr un­ erfreulichen Zuständen Gedichte und prosaische Aufsätze machend

gefunden, denen man diesen Ursprung gewiß nicht ansah.

Alexander von Humboldt (1769—1859). 24. Aus den Ansichten der Natur. I. Tierlebeu in den Steppen Südamerikas.

Wenn unter dem senkrechten Strahl der nie bewölkten Sonne die verkohlte Grasdecke in Staub zerfallen ist,

klafft

der erhärtete Boden auf, als wäre er von mächtigen Erdstößen erschüttert.

Berühren ihn dann entgegengesetzte Luftströme, deren

Streit sich in kreisender Bewegung ausgleicht,

Ebene einen seltsamen Anblick.

so gewährt die

Als trichterförmige Wolken,

W. v. Humboldt.

[IV] 91

A. b. Humboldt.

ganz aus sich zu entfernen und bloß in den Körper zu bannen, so ist unendlich viel gewonnen, und so erträgt sich danach körper­ liches Übel mit Fassung und wirklicher, nicht scheinbarer Ruhe

und erträgt sich nicht bloß, sondern hat sehr oft auch noch etwas die Seele schön und sanft Reinigendes. Ich selbst bin zwar mehrere Male und ein paar Mal

sehr gefährlich krank gewesen, aber an dauernder Kränklichkeit,

eigentlich schwacher Konstitution habe ich nie gelitten.

Ich bin

aber oft mit Personen umgegangen, Männern und Frauen, in denen dieser Zustand der tägliche war,

und die nicht einmal

irgend wahrscheinliche Hoffnung hatten, sich je anders als durch

Zu diesen Menschen gehörte Schiller

den Tod herauszuwickeln.

vorzüglich.

Er litt sehr,

eingetroffen

ist, daß

litt dauernd und wußte,

diese

wie auch

beständigen Leiden nach und nach

seinen Tod herbeiführen würden.

Bon ihm aber konnte man

wirklich sagen, daß er die Krankheit in dem Körper verschlossen hielt.

Denn zu welcher Stunde man zu ihm kommen, wie man

ihn antreffen mochte,

so war sein Geist ruhig und heiter und

aufgelegt zu freundschaftlicher Mitteilung und interessantem und

selbst tiefem Gespräch.

Er pflegte sogar wohl zu sagen,

daß

man bester bei einem gewissen, doch freilich nicht zu angreifen­ den Übel arbeite, und ich habe ihn in solchen wirklich sehr un­ erfreulichen Zuständen Gedichte und prosaische Aufsätze machend

gefunden, denen man diesen Ursprung gewiß nicht ansah.

Alexander von Humboldt (1769—1859). 24. Aus den Ansichten der Natur. I. Tierlebeu in den Steppen Südamerikas.

Wenn unter dem senkrechten Strahl der nie bewölkten Sonne die verkohlte Grasdecke in Staub zerfallen ist,

klafft

der erhärtete Boden auf, als wäre er von mächtigen Erdstößen erschüttert.

Berühren ihn dann entgegengesetzte Luftströme, deren

Streit sich in kreisender Bewegung ausgleicht,

Ebene einen seltsamen Anblick.

so gewährt die

Als trichterförmige Wolken,

92 [IV]

A. v. Humboldt.

die mit ihren Spitzen an der Erde hingleiten, steigt der Sand dampfartig durch die luftdünne Mitte des Wirbels empor — gleich den rauschenden Wasserhosen, die der erfahrene Schiffer fürchtet. Ein trübes, strohfarbiges Halblicht wirft die nun scheinbar niedrigere Himmelsdecke auf die verödete Flur. Der Horizont tritt plötzlich näher. Er verengt die Steppe, wie das Gemüt des Wanderers. Die heiße, staubige Erde, die im nebelartig verschleierten Dunstkreise schwebt, vermehrt die er­ stickende Luftwärme. Statt Kühlung führt der Ostwind neue Glut herbei, wenn er über den langerhitzten Boden hinweht. Auch verschwinden allmählich die Lachen, welche die gelb­ gebleichte Fächerpalme vor der Verdünstung schützte. Wie im eisigen Norden die Tiere durch Kälte erstarren, so schlummert hier unbeweglich das Krokodil und die Boaschlange, tief ver­ graben im trocknen Letten. Überall verkündigt Dürre den

Tod, und überall verfolgt den Dürstenden, im Spiele des ge­ bogenen Lichtstrahls, das Trugbild des wellenschlagenden Wasser­ spiegels. In dichte Staubwolken gehüllt und von Hunger und brennendem Durste geängstigt, schweifen die Pferde und Rinder umher, diese dumpfaufbrüllend, jene mit langgestrecktem Halse gegen den Wind anschnaubend, um durch die Feuchtigkeit des Luft­ stroms die Nähe einer nicht ganz verdampften Lache zu erraten. Bedächtiger und verschlagener suchen die Maultiere auf andere Art ihren Durst zu lindern. Eine kugelförmige und dabei vielrippige Pflanze, der Melonenkaktus, verschließt unter seiner stachligen Hülle ein wasserreiches Mark. Mit dem Vorder­ fuße schlägt das Maultier die Stacheln seitwärts und wagt es

dann erst, die Lippen behutsam zu nähern und den kühlen Distelsaft zu trinken. Aber das Schöpfen aus dieser lebendi­ gen vegetabilischen Quelle ist nicht immer gefahrlos- denn oft sieht man Tiere, welche von Kaktusstacheln am Hufe gelähmt sind. Folgt auf die brennende Hitze des Tages die Kühlung der gleichlangen Nacht, so können Rinder und Pferde selbst

dann nicht der Ruhe sich erfreuen. Ungeheure Fledermäuse saugen ihnen während des Schlafes vampirartig das Blut aus oder hängen sich an dem Rücken fest, wo sie eiternde Wunden

erregen, in welche Moskitos und eine Schar stechender Insekten

sich ansiedeln.

So führen

die Tiere ein schmerzvolles Leben,

wenn vor der Glut der Sonne das Wasser auf dem Erdboden verschwindet.

Tritt endlich nach langer Dürre die wohlthätige Regen­

zeit ein, so verändert sich plötzlich die Szene in der Steppe. Das tiefe Blau des bis dahin nie bewölkten Himmels wird Kaum erkennt man bei Nacht den schwarzen Raum im

lichter.

Sternbild des südlichen Kreuzes.

Wie ein entlegenes Gebirge

erscheint einzelnes Gewölk im Süden.

Dünste sich über den Zenith aus.

Nebelartig breiten die

Den belebenden Regen ver­

kündigt der ferne Donner.

Kaum ist die Oberfläche der Erde benetzt, so überzieht sich die duftende Steppe mit mannigfaltigen Gräsern.

Vom Lichte

gereizt, entfalten krautartige Mimosen die schlummernden Blätter

wie der Frühgesang der

und begrüßen die aufgehende Sonne,

Bögel und die sich öffnenden Blätter der Wasserpflanzen.

Pferde

und Rinder weiden nun im frohen Genuß des Lebens.

Im

hochaufschießenden Grase versteckt sich der schöngefleckte Jaguar und erhascht die vorüberziehenden Tiere im leichten Sprunge,

katzenartig, wie der asiatische Tiger. Bisweilen sieht man —

an

den Ufern



so

der Sümpfe

langsam und schollenweise erheben.

erzählen

den

die Eingeborenen

befeuchteten Letten

sich

Mit heftigem Getöse,

wie

beim Ausbruche kleiner Schlammvulkane, wird die aufgewühlte

Erde hoch in die Luft geschleudert. ist, flieht die Erscheinung,-

Wer des Anblicks kundig

denn eine riesenhafte Wasserschlange

oder ein gepanzertes Krokodil steigen aus der Gruft hervor, durch den ersten Regenguß aus dem Scheintode erwecket. Schwellen nun allmählich die Flüsse,

welche die Ebene

südlich begrenzen, der Arauca, der Apure und der Payara, so

zwingt die Natur dieselben Tiere, welche in der ersten Jahres­ hälfte auf dem wafferleeren,

staubigen Boden vor Durst ver­

schmachteten, als Amphibien zu leben.

Ein Teil der Steppe er­

scheint nun wie ein unermeßliches Binnenwasser.

Die Mutter­

pferde ziehen sich mit den Füllen auf die höheren Bänke zurück,

94 [IV]

A. v. Humboldt.

welche inselförmig Uber dem Seespiegel hervorragen.

Tage verengt sich der trockene Raum.

Mit jedem

Aus Mangel an Weide

schwimmen die zusammengedrängten Tiere stundenlang umher

und nähren sich kärglich von der blühenden Grasrispe, die sich über dem braungefärbten, gärenden Wasser erhebt.

ertrinken,

Biele Füllen

viele werden von den Krokodilen erhascht,

mit dem

Nicht selten bemerkt man Pferde und Rinder, die, dem Rachen dieser blut­ zackigen Schwänze zerschmettert und verschlungen.

gierigen Eidechsen entschlüpft, die Spur des spitzigen Zahnes am Schenkel tragen. Wo der seichte Strom eine Sandbank übrig läßt, da liegen

mit offenem Rachen, unbeweglich wie Felsstücke hingestreckt, oft mit Bögeln

bedeckt,

die ungeschlachten Körper der Krokodile.

Den Schwanz um einen Baumast befestigt,

zusammengerollt,

lauert am Ufer, ihrer Beute gewiß, die tigerfleckige Boaschlange.

Schnell vorgestreckt, ergreift sie in der Furt den jungen Stier

oder das schwächere Wildpret und zwängt den Raub, in Geifer gehüllt, mühsam durch den schwellenden Hals.

Wenn aber in der Steppe Tiger und Krokodile mit Pfer­ den und Rindern kämpfen, so sehen wir dagegen an ihrem waldi­

gen Ufer, in den Wildnissen der Guayana, ewig den Menschen gegen den Menschen gerüstet.

Mit unnatürlicher Begier trinken

hier ganze Völkerstämme das ausgesogene Blut ihres Feindes,andere würgen ihn, scheinbar waffenlos, und doch zum Morde

vorbereitet, mit vergiftetem Daumnagel.

Die schwächern Hor­

den, wenn sie das sandige Ufer betreten, vertilgen sorgsam mit

den Händen die Spur ihrer schüchternen Tritte. So bereitet der Mensch auf der untersten Stufe tierischer Roheit,

so im Scheinglanze

ein mühevolles Leben.

seiner höheren Bildung sich stets

So verfolgt den Wanderer über den

weiten Erdkreis, über Meer und Land, wie den Geschichtsforscher durch alle Jahrhunderte das einförmige, trostlose Bild des ent­

zweiten Geschlechts. Darum versenkt, wer im. ungeschlichteten Zwist der Völker nach geistiger Ruhe strebt,

gern den Blick in das stille Leben

der Pflanzen und in der heiligen Naturkraft inneres Wirken:

oder hingegeben dem angestammten Triebe, der seit Jahrtausen­ den der Menschen Brust durchglüht, blickt er ahnungsvoll auf­ wärts zu den hohen Gestirnen, welche in ungestörtem Einklang

die alte, ewige Bahn vollenden. II. Die Gruft eiurs «utergegaugeuen Bölkerstammes.

Am südlichen Eingänge des Raudals von Atures^,

am

rechten Ufer des Flusses, liegt die unter den Indianern weit berufene Höhle von Ataruipe.

Die Gegend umher

hat einen

großen und ernsten Naturcharakter, der sie gleichsam zu einem Nationalbegräbnisse eignet.

ohne Gefahr herabzurollen,

wand.

Man erklimmt mühsam, selbst nicht

eine steile,

Es würde kaum möglich sein,

völlig nackte Granit­

auf der glatten Fläche

festen Fuß zu fassen, träten nicht große Feldspatkristalle,

der

Verwitterung trotzend, zolllang aus dem Gesteine hervor.

Kaum ist die Kuppe erreicht,

so

wird man

durch eine

weite Aussicht über die umliegende Gegend überrascht.

Aus

dem schäumenden Flußbette erheben sich mit Wald geschmückte Hügel.

Jenseit des Stromes, über das westliche Ufer hinweg,

ruht der Blick auf der unermeßlichen Grasflur. Am Horizont erfcheint, wie drohend aufziehendes Gewölk, das Gebirge. So die Ferne,' aber nahe umher ist alles öde und eng.

Im tief­

gefurchten Thale schweben einsam der Geier und die krächzen­

den Caprimulge (Ziegenmelker).

An

der nackten Felswand

schleicht ihr schwindender Schatten hin. Dieser Kessel ist von Bergen begrenzt, deren abgerundete

Gipfel ungeheure Granitkugeln tragen. Kugeln beträgt 40 bis 50 Fuß.

Der Durchmesser dieser

Sie scheinen die Unterlage

nur in einem einzigen Punkte zu berühren, eben als müßten sie bei dem schwächsten Erdstoße herabrollen.

Der Hintere Teil des Felsthals ist mit dichtem Laubholze 1 Der Raubal, so nennen die Spanier diese Art von Wasser­ fällen, wird durch einen Archipelagus von Inseln und Klippen ge­ bildet, welche das 8000 Fuß weite Flußbett des Orinoko dermaßen verengen, daß oft kaum ein 20 Fuß breites freies Fahrwasser übrig bleibt (Anmerkung des Verfassers). Hessel, Lesebuch IV. Prosa. 7

96 [IV] bedeckt.

A. v. Humboldt. öffnet sich die Höhle von

An diesem schattigen Orte

Ataruipe- eigentlich nicht eine Höhle, sondern ein Gewölbe, eine

weit überhängende Klippe,

eine Bucht, welche die Wasser, als

sie einst diese Höhe erreichten, ausgewaschen

haben.

Ort ist die Gruft eines vertilgten Völkerstammes.

ohngefähr 600 wohlerhaltene Skelette,

Dieser

Wir zählten

in eben so vielen Kör­

ben, welche von den Stielen des Palmenlaubes geflochten sind.

Diese Körbe,

die die Indianer Mapires nennen,

bilden eine

Art viereckiger Säcke, die nach dem Alter des Verstorbenen von verschiedener Größe sind.

Ihre Skelette sind

so vollständig,

daß keine Rippe fehlt.

Neben den Mapires oder Körben findet man auch Urnen

von halbgebranntem Thone, welche die Knochen von ganzen Fa­ milien zu enthalten scheinen. '

Die größern dieser Urnen sind 3 Fuß hoch und 51/2 Fuß lang,

von angenehmer ovaler Form,

grünlich, mit Henkeln in

Gestalt von Krokodilen und Schlangen,

an dem obern Rande

mit Mäandern und Labyrinthen geschmückt.

gen

Diese Verzierun­

sind ganz denen ähnlich, welche die Wände des mexikani­

schen Palastes bei Mitla bedecken.

Man findet sie unter allen

Zonen, auf den verschiedensten Stufen menschlicher Kultur,- unter

Griechen und Römern,

wie auf den Schildern der Otahaiter,-

überall, wo rhythmische Wiederholung regelmäßiger Formen dem Auge schmeichelte. Die Ursachen dieser Ähnlichkeiten beruhen

mehr auf psychischen Gründen, Geistesanlagen,

auf der innern Natur unserer

als sie Gleichheit der Abstammung und alten

Verkehr der Völker beweisen. Unsere Dolmetscher konnten keine sichere Auskunft über das Alter dieser Gefäße geben.

Die mehrsten Skelette schienen

indes nicht über hundert Jahre alt zu sein.

Es geht die Sage

unter den Guareken-Jndianern, die tapferen Aturer haben sich,

von menschenfressenden Kariben bedrängt, auf die Klippen der

Katarakten gerettet- ein trauriger Wohnsitz, in welchem der.be­ drängte Völkerstamm und

mit ihm seine Sprache

unterging.

In dem unzugänglichen Teile des Raudals befinden sich ähn­

liche Grüfte:

ja,

es ist wahrscheinlich,

daß die letzte Familie

der Situier erst spät ausgestorben sei.

Denn in Maypures (ein

sonderbares Faktum) lebt noch ein alter Papagei, von dem die

Eingeborenen behaupten,

daß man ihn darum nicht verstehe,

weil er die Sprache der Aturer rede. Wir verließen die Höhle bei einbrechender Nacht,

nach­

dem wir mehrere Schädel und das vollständige Skelett eines bejahrten Mannes, zum größten Ärgernis unserer indianischen

Führer,

Das Skelett ist, wie ein großer

gesammelt hatten.

Teil unserer Sammlungen, in einem Schiffbruch untergegangen, der an der afrikanischen Küste unserm Freupde und ehemaligen

Reisegefährten, dem jungen Franziskanermönch Juan Gonzalez, das Leben kostete. In ernster Stimmung entfernten wir uns von der Gruft

eines untergegangenen Bölkerstanimes.

und kühlen Nächte,

sind.

Es war eine der heitern

die unter den Wendekreisen so gewöhnlich

Mit farbigen Ringen umgeben, stand die Mondscheibe

hoch im Zenith.

Sie erleuchtete den Saum des Nebels, der in

scharfen Umrissen, wolkenartig, den schäumenden Fluß bedeckte.

Zahllose Insekten gossen ihr rötliches Phosphorlicht über die Von lebendigem Feuer glühte der Boden,

krautbedeckte Erde.

als habe die sternenvolle Himmelsdecke sich auf die Grasflur

niedergesenkt. Rankende Bignonien, duftende Vanille und gelb­ blühende Banisterien schmückten den Eingang der Höhle, über dem Grabe rauschen die Gipfel der Palmen.

So sterben dahin die Geschlechter der Menschen.

Es ver­

hallt die rühmliche Kunde der Völker.

Doch wenn jede Blüte

des

der Zeiten

Geistes

welkt,

schaffender Kunst aus

wenn

im Sturm

zerstieben,

dem Schoße der Erde.

so

entsprießt

ewig

die Werke

neues Leben

Rastlos entfaltet ihre Knospen

die zeugende Natur — unbekümmert, ob der frevelnde Mensch, ein nie versöhntes Geschlecht, die reifende Frucht zertritt.

III. Aus dem 19. Jahrhundert.

Aus der Zeit von Deutschlands KrheLung. Luise, Königin von Preußen 25.

(1776—1810).

Brief an ihren Vater aus dem Jahre 1809.

Bester Vater!

immer, doch für jetzt.

Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für

Für mein Leben hoffe ich nichts mehr-

Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, in dieser Fü­

gung des Himmels bin ich jetzt ruhig und in solcher Ruhe^ wenn auch nicht irdisch glücklich,

geistig glückselig.

doch, was mehr sagen will^

Es wird mir immer klarer, daß alles so Die göttliche Vorsehung

kommen mußte, wie es gekommen ist.

leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, andere Ordnung der Dinge werden,

hat und in sich selbst

sind

eingeschlafen

da

und

es

soll eine

die alte sich überlebt

als abgestorben zusammenstürzt.

auf den

Lorbeern Friedrichs

Wiv

des Großen,

welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf.

Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt

sie uns.

Das siehet niemand klarer ein als der König.

eben hatte ich mit ihm darüber eine lange Unterredung, er sagte in sich gekehrt wiederholentlich:

Noch

und

„Das muß auch bei

uns anders werden!" Gewiß wird es besser werden: das verbürgt der Glaube an das vollkommenste Wesen.

Aber es kann nur gut werden

in der Welt durch die Guten.

Deshalb glaube ich auch nicht.

-aß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem jetzt freilich glänzenden Thron ist.

Er

von seinem Glück

ist

geblendet, und er meint alles zu vermögen.

Dabei ist er ohne

olle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das -Gleichgewicht und fällt.

Ich glaube fest an Gott, also auch an

eine sittliche Weltordnung.

Diese sehe ich in der Herrschaft der

Gewalt nicht,- deshalb bin ich der Hoffnung, daß auf die jetzige

böse Zeit eine bessere folgen wird.

Diese hoffen, wünschen und

erwarten alle bessern Menschen, und

durch die Lobredner der

jetzigen und ihres großen Helden darf man sich nicht irre machen

lassen.

Ganz unverkennbar ist alles, was geschehen ist und

geschieht, nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben

soll,

sondern nur die Bahnung des Weges zu einem bessern

Ziele hin.

Dieses Ziel scheint aber in weiter Entfernung zu

liegen, wir werden es wahrscheinlich darüber hinsterben.

nicht

erreicht sehen und

Wie Gott will! alles, wie er will!

Aber

ich finde Trost, Kraft und Mut und Heiterkeit in dieser Hoff­

nung, die tief in meiner Seele liegt. Ist doch alles in der Welt nur Übergang! Wir müssen durch. Sorgen wir nur da­ für, daß wir mit jedem Tage reifer und besser werden. Hier, lieber Vater, haben Sie mein politisches Glaubens­ bekenntnis, so gut ich als eine Frau es formen und zusammen­

setzen kann.

Sie sehen wenigstens daraus,

daß Sie auch im

Anglück eine fromme, ergebene Tochter haben, und daß die Grundsätze christlicher Gottesfurcht,

die ich Ihren Belehrungen

und Ihrem frommen Beispiele verdanke, ihre Früchte getragen haben und tragen werden, so lange Odem in mir ist.

Gern werden Sie, lieber Vater, hören, daß das Unglück,

welches uns getroffen, in unser eheliches und häusliches Leben nicht eingedrungen ist, vielmehr dasselbe befestigt und uns noch

werter gemacht hat.

Der König, der beste Mensch, ist gütiger

und liebevoller, als je. den Bräutigam zu sehen.

Oft glaube ich in ihm den Liebhaber,

Mehr in Handlungen, wie er ist,

er sitzt und rechnet im Schweiße seines Angesichts und rennt und läuft, ohne sich viel umzusehen, vom Hafen nach der Börse^

von der Börse nach dem Strand, und da ist es sehr verzeihlich wenn

er an

Poeten,

der,

der Ecke von Cheapside

einen

einen Bilderladen angaffend,

steht, etwas unsanft auf die Seite stößt.

armen deutschen

ihm in dem Wege „Goddamn!"

Das Bild aber, welches ich an der Ecke von Cheapside angaffte, war der Übergang der Franzosen über die Beresina. Als ich, aus dieser Betrachtung aufgerüttelt, wieder auf die tosende Straße blickte,

wo

ein

buntscheckiger Knäuel von

Männern, Weibern, Kindern, Pferden, Postkutschen, darunter

auch ein Leichenzug, sich brausend, schreiend, ächzend und knarreyd dahinwälzte: da schien es mir, als sei ganz London'so eine Beresinabrücke, wo jeder in wahnsinniger Angst, um sein bißchen

Leben zu fristen,

sich durchdrängen will,

wo der kecke Reiter

den armen Fußgänger niederstampft, wo derjenige, der zu Boden

fällt, auf immer verloren ist, wo die besten Kameraden fühllos^ einer über die Leiche des

dahineilen und Tausende^

andern,

die, sterbensmatt und blutend, sich vergebens an den Planken der Brücke festklammern wollten,

in

die

kalte Eisgrube

be£

Todes Hinabstürzen.

Wie viel heiterer und wohnlicher ist es dagegen in unserem

lieben Deutschland!

Wie traumhaft gemach, wie sabbatlich ruhig,

bewegen sich hier die Dinge! Ruhig zieht die Wache auf, im ruhigen

Sonnenschein glänzen die Uniformen und Häuser, an den Fliesen

flattern die Schwalben, auf den genug.

hallenden Straßen ist Platz,

Ich hatte mir vorgenommen, über die Großartigkeit

Londons, wovon ich so viel gehört^ nicht zu erstaunen.

die Prügel,

die er empfangen sollte,

Aber

der sich vornahm,

es ging mir wie dem armen Schulknaben,

nicht zu fühlen.

Die

Sache bestand eigentlich in dem Umstande, daß er die gewöhn­

lichen Hiebe mit dem gewöhnlichen Stocke, wie gewöhnlich, auf dem Rücken erwartete, Tracht Schläge

auf

und

einem

dünnen Röhrchen empfing.

statt

dessen

eine ungewöhnliche

ungewöhnlichen Platze

mit

einem

Ich erwartete große Paläste und

sah nichts als lauter kleine Häuser.

Aber eben

die Gleich­

förmigkeit derselben und ihre unabsehbare Menge imponiert so gewaltig. Diese Häuser von Ziegelsteinen bekommen durch feuchte Luft und Kohlendampf gleiche Farbe, nämlich bräunliches Oliven­

grün- sie sind alle von derselben Bauart, gewöhnlich zwei oder

drei Fenster breit, drei hoch und oben mit kleinen, roten Schorn­

steinen geziert, die wie blutig ausgerissene Zähne aussehen, der­ gestalt,

daß die breiten,

regelrechten Straßen,

die sie bilden,

nur zwei unendlich lange kasernenartige Häuser zu sein scheinen. Dieses hat wohl seinen Grund in

dem Umstande,

daß jede

englische Familie, und bestände sie auch nur aus zwei Personen,

dennoch ein ganzes Haus, ihr eignes Kastell, bewohnen will,

und reiche Spekulanten, ganze Straßen

verhökern.

solchem Bedürfnis entgegenkommend,

bauen, worin sie die Häuser einzeln wieder

In den Hauptstraßen der City,

demjenigen Teil

Londons, wo der Sitz des Handels und der Gewerke, wo noch altertümliche Gebäude zwischen den neuen zerstreut sind,

und

wo auch die Vorderseiten der Häuser mit ellenlangen Namen und Zahlen, gewöhnlich goldig und relief, bis ans Dach bedeckt

sind: da ist jene charakteristische Einförmigkeit der Häuser nicht so auffallend, um so weniger, da das Auge des Fremden un­

aufhörlich beschäftigt wird durch den wunderbaren Anblick neuer

und schöner Gegenstände,

ausgestellt sind.

die an den Fenstern der Kaufläden

Nicht bloß diese Gegenstände selbst machen

den größten Effekt, weil der Engländer alles, was er verferttgt,

auch vollendet liefert, und jeder Luxusartikel, jede Astrallampe

und jeder Stiefel, jede Theekanne und jeder Weiberrock uns so

132 [IV]

Heine.

finished und einladend entgegenglänzt,

sondern auch die Kunst

der Aufstellung, Farbenkontrast und Mannigfaltigkeit giebt den

englischen Kaufläden einen eignen Reiz- selbst die alltäglichsten Lebensbedürfnisse

erscheinen in

einem

überraschenden Zauber-

glanze, gewöhnliche Eßwaren locken uns durch ihre neue Be­ leuchtung,

sogar rohe Fische liegen so wohlgefällig appretiert,

daß uns der regenbogenfarbige Glanz ihrer Schuppen ergötzt,

rohes Fleisch liegt wie gemalt auf saubern, bunten Porzellanteller­ chen, mit lachender Petersilie umkränzt, ja, alles erscheint uns

wie gemalt und mahnt uns an die glänzenden und doch so be­

scheidenen Bilder des Franz Mieris.

Nur die Menschen sind

nicht so heiter wie auf diesen holländischen Gemälden, mit den

ernsthaftesten Gesichtern verkaufen sie die lustigsten Spielsachen, und Zuschnitt und Farbe ihrer Kleidung ist gleichförmig wie

ihre Häuser. Auf der entgegengesetzten Seite Londons,

die man das

Westende nennt, und wo die vornehmere und minder beschäftigte Welt lebt,

ist jene Einförmigkeit noch

vorherrschender-

doch

giebt es hier ganz lange, gar breite Straßen, wo alle Häuser

groß wie Paläste,

zeichnet sind,

aber äußerlich nichts weniger als ausge­

außer daß man hier,

wie an allen nicht ganz

ordinären Wohnhäusern Londons, die Fenster der ersten Etage

mit eisengittrigen Balkönen verziert sieht und auch au rez de chaussee /ein schwarzes Gitterwerk findet,

wodurch eine in die

Erde gegrabene Kellerwohnung geschützt, wird.

Auch findet man

in diesem Teile der Stadt große Squares: Reihen von Häusern

gleich den obenbeschriebenen,

die ein Viereck bilden, in dessen

Mitte ein von schwarzem Eisengitter verschlossener Garten mit

irgend

einer Statue befindlich ist.

Auf allen diesen Plätzen

und Straßen wird das Auge des Fremden nirgends beleidigt von baufälligen Hütten des Elends. Überall starrt Reichtum

und Vornehmheit, und hineingedrängt in abgelegene Gäßchen und dunkle feuchte Gänge wohnt die Armut mit ihren Lumpen und ihren Thränen. Der Fremde,

der die großen Straßen Londons durch­

wandert und nicht just in die eigentlichen Pöbelquartiere gerät^

sieht daher nichts oder sehr wenig von dem vielen Elend,

das

Nur hie und da am Eingänge eines

in London vorhanden ist.

dunklen Gäßchens steht schweigend ein zerfetztes Weib, mit einem Säugling an der abgehärmten Brust, und bettelt mit den Augen. Vielleicht, wenn diese Augen noch schön sind, schaut man einmal hinein — und erschrickt ob der Welt von Jammer,

die man

Die gewöhnlichen Bettler sind alte Leute,

darin geschaut hat.

die an den Straßenecken stehen und,

meistens Mohren,

was

im kotigen London sehr nützlich ist, einen Pfad für Fußgänger Die Armut in

kehren und dafür eine Kupfermünze verlangen.

Gesellschaft des Lasters und des Verbrechens schleicht erst des

Abends aus ihren Schlupfwinkeln.

Sie scheut das Tageslicht

um so ängstlicher, je grauenhafter ihr Elend kontrastiert mit tzem Übermute des Reichtums, der überall hervorprunkt,' nur

der Hunger treibt sie manchmal um Mittagszeit aus dem dunkeln Gäßchen, und da steht sie mit stummen, sprechenden Augen und

starrt flehend empor zu dem reichen Kaufmann,

der geschästig-

geldklimpernd vorübereilt, oder zu dem müßigen Lord, der wie

ein

satter

Gott

auf

hohem Roß

einherreitet

und auf

das

Menschengewühl unter ihm dann und wann einen gleichgültig

vornehmen Blick wirft,

als wären es winzige Ameisen,

oder

doch nur ein Haufen niedriger Geschöpfe, deren Lust und Schmerz mit seinen Gefühlen nichts gemein

hat — denn über dem

Menschengesindel, das am Erdboden festklebt, schwebt Englands Nobility, wie Wesen höherer Art, die das kleine England nur als ihr

Absteigequartier,

Italien

als ihren

Sommergarten,

Paris als ihren Gesellschaftssaal, ja die ganze Welt als ihr

Eigentum

betrachten.

schweben sie dahin,

Ohne Sorgen

und

ohne Schranken

und ihr Gold ist ein Talisman,

der ihre

tollsten Wünsche in Erfüllung zaubert. Arme Armut! wie peinigend muß dein Hunger sein, dort, wo andere im höhnenden Überflüsse schwelgen! Und hat man dir auch mit gleichgültiger Hand eine Brotkruste in den Schoß

geworfen, wie bitter müssen die Thränen sein, womit du sie er­ weichst!

Du vergiftest dich mit deinen eigenen Thränen.

Wohl

hast du recht, wenn du dich zu dem Laster und dem Verbrechen

134 [IV]

gesellst.

Heine.

Ranke.

Ausgestoßene Verbrecher tragen ost mehr Menschlichkeit

im Herzen,

als jene kühlen,

untadelhaften Staatsbürger der

Tugend, in deren bleichen Herzen die Kraft des Bösen erloschen ist, aber auch die Kraft des Guten.

Heschichtschreibung. Leopold van Ranke (1795—1886). 35. Maximilian I. Wenn Maximilian bei seinen Zeitgenossen ein rühmliches

Andenken hinterlassen hat, so rührt das nicht von dem Erfolge seiner Unternehmungen, sondern von seinen persönlichen Eigen­ schaften

her.

Alle

guten Gaben

hohem Grade zu teil geworden:

der Natur waren ihm in

Gesundheit bis in die spätern

Jahre — wenn sie etwa erschüttert

war,

reichte eine starke

Leibesübung, anhaltendes Wassertrinken hin, sie wieder herzu­ stellen — zwar nicht Schönheit, aber gute Gestalt, Kraft und

Geschicklichkeit des Leibes, so daß er seine Umgebung in jeder ritterlichen Übung in der Regel übertraf, bei jeder Anstrengung

ermüdete,- ein Gedächtnis, dem alles gegenwärtig blieb, was er jemals gehört oder erlebt oder in der Schule gelernt hatte,-

natürlich richtige scharfe Auffassung: seinen Leuten,

er täuschte sich nicht in

er bediente sich ihrer zu den Dienstleistungen,

die für sie selbst eben die angemessensten waren; dungsgabe ohne gleichen:

unter seinen Händen/

alles, was er berührte,

eine Erfin­

ward neu

auch in den Geschäften ein das Not­

wendige mit sicherm Gefühle treffender Geist/

wäre die Aus­

führung nur nicht so oft an andere Bedingungen seiner Lage geknüpft gewesen! eine Persönlichkeit überhaupt, welche Bewun­ derung und Hingebung erweckte, welche dem Volke zu reden gab.

Was erzählte man sich alles von seinen Jagden! wie er im Land ob der Ens einen gewaltigen Bären in freiem Hag

allein bestanden,

wie er in Brabant in hohlem Wege einmal

134 [IV]

gesellst.

Heine.

Ranke.

Ausgestoßene Verbrecher tragen ost mehr Menschlichkeit

im Herzen,

als jene kühlen,

untadelhaften Staatsbürger der

Tugend, in deren bleichen Herzen die Kraft des Bösen erloschen ist, aber auch die Kraft des Guten.

Heschichtschreibung. Leopold van Ranke (1795—1886). 35. Maximilian I. Wenn Maximilian bei seinen Zeitgenossen ein rühmliches

Andenken hinterlassen hat, so rührt das nicht von dem Erfolge seiner Unternehmungen, sondern von seinen persönlichen Eigen­ schaften

her.

Alle

guten Gaben

hohem Grade zu teil geworden:

der Natur waren ihm in

Gesundheit bis in die spätern

Jahre — wenn sie etwa erschüttert

war,

reichte eine starke

Leibesübung, anhaltendes Wassertrinken hin, sie wieder herzu­ stellen — zwar nicht Schönheit, aber gute Gestalt, Kraft und

Geschicklichkeit des Leibes, so daß er seine Umgebung in jeder ritterlichen Übung in der Regel übertraf, bei jeder Anstrengung

ermüdete,- ein Gedächtnis, dem alles gegenwärtig blieb, was er jemals gehört oder erlebt oder in der Schule gelernt hatte,-

natürlich richtige scharfe Auffassung: seinen Leuten,

er täuschte sich nicht in

er bediente sich ihrer zu den Dienstleistungen,

die für sie selbst eben die angemessensten waren; dungsgabe ohne gleichen:

unter seinen Händen/

alles, was er berührte,

eine Erfin­

ward neu

auch in den Geschäften ein das Not­

wendige mit sicherm Gefühle treffender Geist/

wäre die Aus­

führung nur nicht so oft an andere Bedingungen seiner Lage geknüpft gewesen! eine Persönlichkeit überhaupt, welche Bewun­ derung und Hingebung erweckte, welche dem Volke zu reden gab.

Was erzählte man sich alles von seinen Jagden! wie er im Land ob der Ens einen gewaltigen Bären in freiem Hag

allein bestanden,

wie er in Brabant in hohlem Wege einmal

einen Hirsch, der schon einen Anlauf wider ihn genommen, noch

in dem Momente erlegt- wie er im Brüßler Wald von einem wilden Schweine übereilt, ehe er von dem Pferd gestiegen, es zu seinen Füßen erstochen habe- besonders von den Gefährlichkeiten

seiner Gemsenjagd im höchsten Gebirg, den Jäger,

der ihm beigegeben war,

errettet hat:

wo er zuweilen wohl

selber von dem Sturze

er zeigte in allem behenden Mut, gleichsam eine

elastische Gegenwart des Geistes.

vor dem Feinde.

So erscheint er dann auch

Im Bereiche feindlicher Geschütze setzt er ans

Land, bildet seine Schlachtordnung und gewinnt den Sieg- im Scharmützel nimmt er es wohl mit vier oder fünfen allein auf-

in den Schlachten muß er sich oft eines gerade gegen ihn ausgeschickten Feindes

wehren:

in

zweikampfartigem Zusammentreffen

er­

denn immer voran findet man ihn, immer mitten im

Getümmel der Gefahr.

Proberr von Tapferkeit, die nicht allein

dienten, um in müßigen Stunden erzählt, im Teuerdank aus­

gezeichnet zu werden:

der venezianische Gesandte weiß nicht

uuszudrücken, welch ein Zutraun er bei den deutschen Soldaten

aller Art eben deshalb genoß, weil er sie in Gefahren niemals

verließ.

Als einen großen Feldherrn

können wir ihn nicht be­

allein für die Organisation einer Truppe, die Aus­

trachten:

bildung der verschiedenen Waffengattungen,

die Bildung eines

Heeres überhaupt wohnte ihm eine treffliche Gabe bei.

Miliz

der Landsknechte,

Die

von welcher der Ruf der deutschen

Fußvölker wieder erneuert worden, verdankte ihm ihre Begrün­ dung, ihre erste Einrichtung.

Das Geschützwesen hat er auf

einen ganz andern Fuß gebracht;

eben hier bewährte sich sein

erfinderischer Geist am glänzendsten, da übertraf er die Meister selbst:

seine Biographen schreiben ihm eine ganze Anzahl von

glücklichen Verbesserungen zu- auH die Spanier, die unter ihm dienten,

sagen sie,

angeleitet.

haufen bei

habe er zum Gebrauch des Handgeschützes

Die Widersetzlichkeit,

die sich in diesem Söldner­

der Unregelmäßigkeit seiner Finanzerträge oftmals

erhob, wußte er,

wo er persönlich zugegen war,

noch in der

Regel zu beseitigen- man erinnert sich, daß er in hohen Nöten

den Unmut der Leute durch die Possen eines Narren, den er rufen ließ, beschwichtigte. Überhaupt hatte er

ein

unvergleichliches Talent,

die

Menschen zu behandeln. Die Fürsten, welche seine Politik ver­ letzte, wußte er doch in persönlichem Umgang zu befriedigen: nie, sagte Kurfürst Friedrich von Sachsen, sei ihm ein höflicherer Mann vorgekommen. Die wilden Ritter, gegen die er Reich und Bund aufbietet, erfahren doch wieder solche Äußerungen

von ihm, daß es ihnen, wie Götz von Berlichingen sagt, eine Freude im Herzen ist und sie nie etwas gegen Kaiserliche Majestät oder das Haus Österreich gethan hätten. An den Festlichkeiten der Bürger in den Städten, ihren Tänzen, ihren Schießübungen nimmt er Anteil: nicht selten thut er selber den

besten Schuß mit der Armbrust- er setzt ihnen Preise aus, Damast für die Büchsenschützen, einige Ellen roten Samt für die Armbrustschützen- gern ist er unter ihnen- damit unterbricht er die schwierigen und ermüdenden Geschäfte des Reichstages. In dem Lager von Padua ritt er geradezu auf eine Marketen­ derin los und ließ sich zu essen geben- Johann von Landau, der ihn begleitete, wollte die Speise erst kredenzen- der Kaiser fragte nur, von wo die Frau sei- man sagte ihm: von Augs­ burg- „ah", rief er aus, „dann ist die Speise schon kredenzt, denn die von Augsburg sind fromme Leute." In

seinen Erblanden

saß

er noch oft in Person

zu

Gericht: nahm er einen Verschämten wahr, der dahinten stand, so rief er ihn zu sich heran. Von dem Glanz der höchsten

Würde war er selber am wenigsten bestochen. „Lieber Gesell", sagt er zu einem bewundernden Poeten, „du kennst wohl mich und andere Fürsten nicht recht." Alles, was wir von ihm lesen, zeigt eine frische Unmittelbarkeit der geistigen Auffassung,

Offenheit und Jngenuität des Gemütes. Er war ein tapferer Soldat, ein gutmütiger Mensch: man lieble und fürchtete ihn.

36. Karl V. in St. Just. In Estremadura, in der Vera von Placencia, die den alten Ruf gesunder Luft genießt, in der Mitte von Baum-

den Unmut der Leute durch die Possen eines Narren, den er rufen ließ, beschwichtigte. Überhaupt hatte er

ein

unvergleichliches Talent,

die

Menschen zu behandeln. Die Fürsten, welche seine Politik ver­ letzte, wußte er doch in persönlichem Umgang zu befriedigen: nie, sagte Kurfürst Friedrich von Sachsen, sei ihm ein höflicherer Mann vorgekommen. Die wilden Ritter, gegen die er Reich und Bund aufbietet, erfahren doch wieder solche Äußerungen

von ihm, daß es ihnen, wie Götz von Berlichingen sagt, eine Freude im Herzen ist und sie nie etwas gegen Kaiserliche Majestät oder das Haus Österreich gethan hätten. An den Festlichkeiten der Bürger in den Städten, ihren Tänzen, ihren Schießübungen nimmt er Anteil: nicht selten thut er selber den

besten Schuß mit der Armbrust- er setzt ihnen Preise aus, Damast für die Büchsenschützen, einige Ellen roten Samt für die Armbrustschützen- gern ist er unter ihnen- damit unterbricht er die schwierigen und ermüdenden Geschäfte des Reichstages. In dem Lager von Padua ritt er geradezu auf eine Marketen­ derin los und ließ sich zu essen geben- Johann von Landau, der ihn begleitete, wollte die Speise erst kredenzen- der Kaiser fragte nur, von wo die Frau sei- man sagte ihm: von Augs­ burg- „ah", rief er aus, „dann ist die Speise schon kredenzt, denn die von Augsburg sind fromme Leute." In

seinen Erblanden

saß

er noch oft in Person

zu

Gericht: nahm er einen Verschämten wahr, der dahinten stand, so rief er ihn zu sich heran. Von dem Glanz der höchsten

Würde war er selber am wenigsten bestochen. „Lieber Gesell", sagt er zu einem bewundernden Poeten, „du kennst wohl mich und andere Fürsten nicht recht." Alles, was wir von ihm lesen, zeigt eine frische Unmittelbarkeit der geistigen Auffassung,

Offenheit und Jngenuität des Gemütes. Er war ein tapferer Soldat, ein gutmütiger Mensch: man lieble und fürchtete ihn.

36. Karl V. in St. Just. In Estremadura, in der Vera von Placencia, die den alten Ruf gesunder Luft genießt, in der Mitte von Baum-

Pflanzungen, die von frischen Quellen und Bächen vom Gebirge belebt sind,

liegt das Hieronhmitenkloster Iuste,

aus zwei Klostergebäuden und einer Kirche

das damals

bestand,

an dem

Abhange eines Hügels, der es vor den Nordwinden schützt, in

Dahin hatte sich der Kaiser sogleich

vollkommener Einsamkeit.

nach seiner Ankunft in Spanien begeben.

Man dürfte nicht glauben, daß er ein Klosterbruder ge­ worden sei.

Er wohnte nicht in dem Kloster,

sondern an der

Kirche war ihm ein eigenes Haus erbaut, unfern davon waren Wohnungen für seine Dienerschaft

eingerichtet, die noch den

Auch

ganzen Apparat einer regelmäßigen Hofhaltung darstellt. ist es ein Irrtum,

anzunehmen,

den Geschäften entsagt habe. unausgesetztem Briefwechsel, die Gewalt wieder zu

daß er aller Teilnahme an

Mit seinem Sohne stand er in und dieser bat ihn noch zuweilen,

ergreifen:

in Spanien unternahm er

Unter andern finde ich, daß er

noch einiges auf eigene Hand.

nach dem Tode König Johanns III. vpn Portugal im Jahre 1557 jenen Francisco de Borja, der damals in den Jesuiten­

orden getreten war,

nach Lissabon schickte,

einer Visitation dortiger Kollegien,

unter dem Scheine

aber in der That,

um zu

bewirken, daß in die neue Huldigung der junge Don Carlos, sein Enkel, ausgenommen werde.

lag besonders darin, bedrängt

war

und

Der Unterschied gegen früher

er nicht von laufenden Geschäften

daß

keine Regierungspflicht

konnte der Einsamkeit und Ruhe, viel er wollte, genießen.

mehr

hatte.

Er

nach der ihn verlangte,

so

Seine Umgebung hatte Befehl, keine

Besuche anzunehmen, und in dem Kloster war es so still, als wäre er nicht anwesend.

durch ihn:

Oder vielmehr,

es ward noch stiller

er bemerkte mit Mißfallen, daß zuweilen Frauen

an die Pforte kamen und mit den Mönchen redeten- auf seinen

Wunsch ward es abgestellt.

Man hatte Zimmern,

dafür

gesorgt,

daß

der Blick. aus

der über die Klostergärten hinführte,

Fremdartiges gestört wurde.

seinen

durch nichts

Sein Vergnügen war,

wenn er

sich wohl befand, nach einer kleinen, ein paar Armbrustschüsse entfernten Einsiedelei zu lustwandeln, unter dem Schatten dicht-

Ranke.

138 [IV]

gepflanzter Kastanienbäume, welche vor der Sonne dieses Himmels zuweilen machte er den Weg auf einem Saumtiere-

schützten-

endlich war ihm auch dies unmöglich.

Besonders gerne wohnte

er dem Gesänge in der Kirche bei, wie er denn Geschmack und Unterscheidungsgabe für die Musik besaß- die Obern des Ordens

hatten nicht versäumt, ihre besten Stimmen in dem Kloster zu versammeln. Seine Wohnung war in eine solche Verbindung mit der Kirche gesetzt,

er in

daß

der Krankheit den

den Tagen

Gesang und die Feier der Messe in seinem Schlafzimmer hören

konnte. Und so hoffte er wohl,

Frieden zu erreichennoch atmet und lebt,

nicht entziehen,

das Ziel seiner Tage in tiefem

Jedoch vergeblich.

So lange der Mensch

kann er sich dem Kampfe der Elemente

Auch in dieser Ab­

welcher die Welt bewegt.

geschiedenheit ward Karl V. von den ihm, seit sie den Umsturz

seines Glückes veranlaßt,

gen erreicht. stantischer

Cazalla,

erst recht verhaßten neuen Meinun­

Plötzlich entdeckte man

in

Tendenz

Valladolid

kleine Gemeinden

und

Sevilla.

prote­

Augustin

der wäbrend des schmalkaldischen Krieges um ihn ge­

wesen und noch in Juste vor ihm gepredigt, wies sich selbst als ein Lutherischgläubiger aus.

ja erschüttert.

Der Kaiser war darüber betroffen,

Am Ende seiner Tage mußte er erleben,

ein Mann, der sein Gewissen eine Zeitlang

nungen

bekannte,

mit

denen

daß

geleitet, die Mei­

er sein ganzes Leben

gekämpft

hatte.

In seinem letzten Codieill, nur zwölf Tage vor seinem

Tode,

ermahnt er noch seinen Sohn und die spanische Regie­

rung auf das dringendste, die Ketzereien

unterdrücken.

in ihrem Keime zu

Doch scheint es fast, als habe er an menschlichen

Mitteln verzweifelt.

Er betete nur noch für die Einheit der

Kirche: „Jn'deine ^ände, o Herr", hört man ihn sagen, ,/habe ich deine Kirche übergeben."

Er starb in dem Gedanken, der

sein Leben ausgemacht: 21. September 1558.

Wilhelm I., deutscher Kaiser. 37. Sedam

Brief an die Königin Augusta.

Vendresse, südlich Sedan, 3. September 1870.

Du kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen

geschichtlichen Ereignisses, das sich zuge­

Umfang des großen

tragen hat.

Es ist wie ein Traum, selbst wenn man es Stunde

für Stunde hat abrollen sehen!

Wenn ich mir denke, daß nach

einem großen, glücklichen Kriege ich während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott,

der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten aus­ ersehen hat, das Geschehene zu vollbringen, und uns zu Werk­ zeugen seines Willens bestellt hat.

Nur in diesem Sinne vermag

ich das Werk aufzufassen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.

Nun folge ein Bild der Schlacht und deren Folgen in

gedrängter Kürze!

Die Armee war am Abend des 31. und

am 1. früh in den vorgeschriebenen Stellungen angelangt, rund um Sedan.

Die Bayern hatten den linken Flügel bei Bazeilles

an der Maas- daneben die Sachsen gegen Moncelle und Daigny,'

die Garde gegen Givonne noch im Anmarsch- das 5. und 11. Korps gegen St. Menges und Fleigneux.

Da hier die Maas

einen scharfen Bogen macht, so war von St. Menges bis Don­ chery kein Korps aufgestellt, in

berger,

diesem Orte aber Württem­

die zugleich den Rücken gegen Ausfälle von Mezieres

deckten- Kavallerie-Division Graf Stolberg in der Ebene von Donchery als rechter Flügel- in der Front gegen Sedan der

Rest der Bayern. Der Kampf begann trotz

dichten

Nebels bei Bazeilles

schon früh am Morgen, und es entspann sich nach und

ein sehr heftiges Gefecht,

wobei Haus für

Haus

werden mußte, was fast den ganzen Tag dauerte, welches

die

Erfurter

Division

Schöler

(aus

der

nach

genommen

und

in

Reserve,

Wilhelm I.

140 [IV] 4. Korps) eingreifen

mußte.

Als

ich um acht Uhr auf der

Front vor Sedan eintraf, begann die

große Batterie gerade

ihr Feuer gegen die Festungswerke. Auf allen Punkten entspann

sich nun ein gewaltiger Geschützkampf, der stundenlang währte, und während dessen von unserer Seite nach und nach Terrain

gewonnen wurde.

Sehr tief

Die genannten Dörfer wurden genommen. eingeschnittene

Schluchten

mit Wäldern

er­

schwerten das Vordringen der Infanterie und begünstigten die Verteidigung.

Die Dörfer Jlly und Floing wurden genommen,

und zog sich allmählich der Feuerkreis immer enger um Gedan zusammen.

Es war ein grandioser Anblick von unserer Stel­

auf einer dominierenden Höhe hinter

lung

jener genannten

Batterie,, rechts vom Dorfe Frenois vorwärts, oberhalb Pt.

Torey.

Der heftige Widerstand

des Feindes fing allmählich

an nachzulassen, was wir an den aufgelösten Bataillonen er­ kennen

konnten, die

zurückliefen.

eiligst

aus

den

Die Kavallerie suchte

Wäldern und Dörfern

einige Bataillone unseres

5. Korps anzugreifen, die vortreffliche Haltung bewahrten,- die

Kavallerie jagte durch die Bataillons-Intervallen durch, kehrte dann um und auf demselben Wege zurück, was sich

von verschiedenen Regimentern wiederholte, so

dreimal

daß das Feld

mit Leichen und Pferden besäet war, was wir alles von unserm

Standpunkte genau mit ansehen konnten.

Ich habe die Nummer

dieses braven Regiments noch nicht erfahren können.

Da sich der Rückzug des Feindes, auf vielen Stellen in Flucht auflöste und alles, Infanterie, Kavallerie und Artillerie

in die Stadt und nächste Umgebungen sich zusammendrängte, aber noch immer keine Andeutung sich zeigte, daß der Feind sich durch

Kapitulation aus dieser verzweifelten Lage zu ziehen beabsichüge,

so blieb nichts übrig, als durch die genannte Batterie die Stadt bombardieren zu lassen/ da es nach zwanzig Minuten ungefähr an mehreren Stellen bereits brannte, was mit den vielen brennen­

den Dörfern in dem ganzen Schlachtkreise einen erschütternden Eindruck machte — so ließ ich das Feuer schweigen und sendete

den Oberst-Leutnant v. Bronsart vom Generalstabe als Par­ lamentär mit weißer Fahne ab, der Armee und Festung die

Kapitulation antragend. ^Jhm begegnete bereits ein bayerischer Offizier, der mir meldete,

ein französischer Parlamentär

daß

mit weißer Fahne am Thore sich gemeldet habe.

Der Oberst-

Leutnant v. Bronsart wurde eingelassen, und auf seine Frage nach dem General en chef ward er unerwartet vor den Kaiser

geführt, der ihm sofort einen Brief an mich übergeben wollte. Da der Kaiser fragte, was für Aufträge er habe, und zur Antwort erhielt: „Armee und Festung zur Übergabe aufzu­ fordern", erwiderte er, daß er sich dieserhalb an den General

v. Wimpffen zu wenden

blessierten Mac

habe, der für den

Mahon soeben das Kommando übernommen habe, und daß er nunmehr seinen General-Adjutanten Reille mit dem Briefe an

mich

absenden werde.

Es

war sieben Uhr,

als Reille

und

Bronsart zu mir kamen- letzterer kam etwas voraus, und durch

der Kaiser an­

ihn erfuhren wir erst mit Bestimmtheit, daß

wesend sei.

Du kannst Dir den Eindruck denken/ den es auf

mich vor allem und alle machteund übergab mir den Brief

Reille

sprang vom Pferde

seines Kaisers, hinzufügend, daß

er sonst keine Aufträge habe.

Noch ehe ich den Brief öffnete,

sagte ich ihm: Aber ich verlange als erste Bedingung, daß die Armee die Waffen niederlege.

Der Brief fängt so'an: „N’ayant

pas pu" mourir ä la tete de mes troupes, je döpose mon epee ä Votre Majest6, alles weitere mir anheimstellend. Meine Antwort war,

daß

ich

die Art unserer Begeg­

nung beklage und um Sendung eines Bevollmächtigten ersuche, mit dem die Kapitulation abzrlschließen sei. Nachdem ich dem

General Reille

den Brief übergeben hatte, sprach ich

einige

Worte mit ihm

als

dieser

altem Bekannten,

und

so

endigte

Akt. -— Ich bevollmächtigte Moltke zum Unterhändler und gab

Bismarck

auf,

zurückzubleiben,

falls

politische

Fragen

zur

Sprache kämen- ritt dann zu meinem Wagen und' fuhr hierher,

auf der Straße überall von

ziehenden stimmten.

Trains

begrüßt,

stürmischen Hurras der heran­

die

Es war ergreifend!

überall

die Bolkshymne

an­

Alles hatte Lichter angezündet^

so daß man zeitweise in einer improvisierten Illumination fuhr.

Um elf Uhr war ich hier und

trank mit meiner Umgebung

auf das Wohl der Armee, die solches Ereignis erkämpfte.

Da ich

Moltke

am

Morgen des 2. noch keine Meldung

die Kapitulationsverhandlungen

über

die in Donchery stattfinden

sollten,

erhalten

von hcatte^

fuhr ich verabredeter­

so

maßen nach dem Schlachtfeld um acht Uhr früh und begeAnete Moltke, der mir entgegenkam, um meine Einwilligung zur vor­

geschlagenen Kapitulation zu erhalten, und mir anzeigte,

daß

der Kaiser früh fünf Uhr Sedan verlassen habe und auch mach Da derselbe mich zu sprechen wünschte

Doncherh gekommen sei.

und

sich in

der

mit Park

Nähe ein Schlößchen

wählte ich dies zur Begegnung.

Um

befand,

zehn Uhr kam ich

so auf

der Höhe vor Sedan an; um zwölf Uhr erschienen Moltke und

Bismarck mit der vollzogenen Kapitulations-Urkunde;

um

ein

Uhr setzte ich mich mit Fritz in Bewegung, von der KavallerieStabswache begleitet.

Ich

stieg vor dem Schlößchen ab,

wo

Der Besuch währte eine Viertel­

der Kaiser mir entgegenkam.

stunde. , Ich begrüßte ihn mit Darreichung

Worten:

Sire,

le sort

der Hand und den

a d£cid£

armes

des

entre

nous,

mais il m’est bien penible de revoir Votre Majest6 dans

cette Situation.

Wir waren

beide

sehr

bewegt.

Er fragte,

was ich über ihn beschlösse, worauf ich ihm Wilhelmshöhe vor­ schlug, was er annahm; er fragte nach Belgien oder durch Frankreich,

dem Weg,

ob über

was letzteres angeordnet war,

jedoch noch geändert werden könne (was auch geschehen

mitnehmen

Er bat seine Umgebung

zu

ist).

dürfen, die Generäle

Reille, Moskwa, Prinz Murat II. rc., ebenso, daß er seinen

Hausstand beibehalten dürfe, was alles ich natürlich accordierte. Dann

lobte

Armee,

er meine

vorzüglich

die

Artillerie,

die

nicht ihres gleichen habe (was sich in diesem Kriege vollkommen

erwiesen hat), tadelte

Abschied sagte ich

die

ihm,

Jndisziplin

seiner

daß ich glaubte, ihn

Armee.

Beim

hinreichend

zu

kennen, um überzeugt zu sein, daß er den Krieg nicht gewünscht

habe,

aber

glaubte, zu demselben

gezwungen zu

sein!

Er:

Vous avez parfaitement raison, mais Vopinion publique in y

a forcd.

Ich:

Vopinion publique forc6 par le ministöre,

ich hätte bei der Ernennung dieses Ministeriums sofort gefühlt,

Wilhelm I.

[IV] 143

Moltke.

daß der mit demselben eingetretene Prinzipienwechsel nicht zum

Heil seiner Regierung ausfallen werde,

was er achselzuckend

Die ganze Konversation schien ihm Wohlzuthun, und

bejahte.

ich darf glauben, daß ich ihm seine Lage sehr erleichtert habe, unb wir schieden beide tief bewegt. — Was ich alles empfand, nachdem ich vor drei Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner

Macht gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben. Nach dieser Begegnung beritt ich von halb drei bis halb acht Uhr

die ganze Armee vor Sedan.

Truppen,

das

Wiedersehen

des

Der Empfang

der

dezimierten Garde-Korps —

alles kann ich Dir heute nicht beschreiben,' ich war tief

das

ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.

Nun lebe wohl — mit bewegtem Herzen am Schluffe eines solchen Briefes! Wilhelm.

Helmut Graf von Moltke (18OO—1890). 38.

Bo« der Belagerung von Paris.

(Aus einem Briefe an seinen Bruder Adolf.)

Versailles, den 22. Dezember 1870.

Lieber Adolf!.Die allgemeine Sehnsucht nach Be­ endigung dieses furchtbaren Krieges läßt in der Heimat ver­

gessen,

daß er erst fünf Monate dauert, man hofft alles von

einem Bombardement von Paris. folgt,

Daß dieses nicht schon er­

schreibt man zarter Rücksicht für die Pariser oder gar

dem Einfluß hoher Persönlichkeiten zu, militärisch Mögliche und Zweckmäßige

während hier nur das ins Auge

gefaßt

wird.

Bon drei Seiten sind mir schon die Verse zugeschickt:

Guter Moltke, gehst so stumm Immer um das Ding herumBester Moltke, sei nicht dumm, Mach doch endlich bum bum bum! Was es heißt, eine Festung anzugreifen, zu deren Verteidigung

eine Armee bereit steht, das hätte man doch aus Sewastopol Hessel, Lesebuch IV. Prosa.

10

Wilhelm I.

[IV] 143

Moltke.

daß der mit demselben eingetretene Prinzipienwechsel nicht zum

Heil seiner Regierung ausfallen werde,

was er achselzuckend

Die ganze Konversation schien ihm Wohlzuthun, und

bejahte.

ich darf glauben, daß ich ihm seine Lage sehr erleichtert habe, unb wir schieden beide tief bewegt. — Was ich alles empfand, nachdem ich vor drei Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner

Macht gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben. Nach dieser Begegnung beritt ich von halb drei bis halb acht Uhr

die ganze Armee vor Sedan.

Truppen,

das

Wiedersehen

des

Der Empfang

der

dezimierten Garde-Korps —

alles kann ich Dir heute nicht beschreiben,' ich war tief

das

ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.

Nun lebe wohl — mit bewegtem Herzen am Schluffe eines solchen Briefes! Wilhelm.

Helmut Graf von Moltke (18OO—1890). 38.

Bo« der Belagerung von Paris.

(Aus einem Briefe an seinen Bruder Adolf.)

Versailles, den 22. Dezember 1870.

Lieber Adolf!.Die allgemeine Sehnsucht nach Be­ endigung dieses furchtbaren Krieges läßt in der Heimat ver­

gessen,

daß er erst fünf Monate dauert, man hofft alles von

einem Bombardement von Paris. folgt,

Daß dieses nicht schon er­

schreibt man zarter Rücksicht für die Pariser oder gar

dem Einfluß hoher Persönlichkeiten zu, militärisch Mögliche und Zweckmäßige

während hier nur das ins Auge

gefaßt

wird.

Bon drei Seiten sind mir schon die Verse zugeschickt:

Guter Moltke, gehst so stumm Immer um das Ding herumBester Moltke, sei nicht dumm, Mach doch endlich bum bum bum! Was es heißt, eine Festung anzugreifen, zu deren Verteidigung

eine Armee bereit steht, das hätte man doch aus Sewastopol Hessel, Lesebuch IV. Prosa.

10

lernen können.

Sewastopol wurde erst Festung während des

Angriffes, alles Material konnte zur See herangeschafft werden.

Die Vorbereitungen dauerten zehn Monate,

der erste Sturm

kostete 10000, der zweite 13000 Menschen.

Um Paris zu bombardieren,

müssen wir erst die Fo^ts

Es ist auch zur Anwendung dieses Zwangsmittels nichts

haben.

versäumt- ich erwarte aber weit mehr von dem langsam, aber sicher

Paris

wirkenden nur

noch

meisten Häusern Winters,

Hunger.

Wir

wissen,

daß

seit

einzelne Gaslaternen brennen,

trotz

des

ungewöhnlich

Wochen in

daß

in den

frühen und streWen

bei völligem Mangel an Kohlen,

nicht geheizt wird.

Ein Schreiben des Generals B. an seine Gemahlin, mit Ballon aufgefangen,

giebt folgende Preise an:

ein Pfund Butter 20

Franken, ein Huhn 20 Franken, une dinde non truffäe, bien

entendu, 60 bis 70 Franken- hübsch beschreibt er sein Souper: Hering mit Mostrichsauce, außerdem ein reizendes kleines filet de boeuf dont on faisait fete. Paul, le cuisinier, avait fait des bassesses pour l’avoir, il a promis au boucher Mr. et madame M. un sauf conduit pour un des forts pour tächer

de voir les Prussiens.

Diese vertraulichen Mitteilungen zwischen Mann und Frau

charakterisieren die wirkliche Lage besser als alle Zeitungsberichte,

die nach der einen oder andern Richtung übertreiben. Die Hungers­ not ist noch nicht da, aber ihre Vorläuferin, die Teuerung. Die

Rotschild und die Pereire haben noch immer ihr dindon truffö, die untersten Klassen sind von der Regierung bezahlt und ernährt,

aber der ganze Mittelstand darbt und zwar

schon seit lange.

Solche Zustände sind auf die Dauer nicht haltbar. setzt

es voraus,

Freilich

daß wir in der Feldschlacht alle die Heere

schlagen, die sich immer von neuem gegen uns zusammenballen.

Wohl nur der Schreckensherrschaft der Advokaten ist es möglich,

solche Heere aufzutreiben, schlecht organisiert, ohne Fuhrwesen sie der rauhen Witterung auszusetzen, selbst ohne Ambulanzea und Ärzte. Die unglücklichen Menschen, bei allem Patriotismus und bei aller Tapferkeit sind sie nicht imstande, unsern jestge-

fügten, braven Truppen zu widerstehen, das Elend des Biwaks

Dezimiert sie schonungslos, und die Verwundeten liegen zu hun­ dert an dem Wege,

ohne jede Hilfe, bis unsere Ambulanzen,

uns welche die Franzosen schießen, sie finden.

Die Franktireurs

sind der Schrecken aller Ortschaften, sie beschwören das Verderben

über diese herauf.

Gott schenke einen bal­

Doch genug der traurigen Dinge.

digen, glücklichen Ausgang, und an dem zweifle ich nicht.... Wenn ich das Ende dieses Krieges erlebe,

mach Gastein gehen.

so möchte ich gleich

Wenn die tägliche Anspannung aufhört,

so brechen die Nerven zusammen, und gerade eine Winterkur in «Gastein ist mir sehr empfohlen ....................... 39.

Lebensregeln.

(Aus einem Briefe an seine Braut.)

Laß Dirs gesagt sein, gute Marie, daß Freundlichkeit

gegen jedermann die erste Lebensregel ist, die uns

manchen

Kummer sparen kann, und daß Du selbst gegen die, welche Dir nicht gefallen, verbindlich sein kannst,

zu werden.

ohne falsch und unwahr

Die wahre Höflichkeit und der feinste Weltton ist

die angeborene Freundlichkeit eines wohlwollenden Herzens.

Bei

mir hat eine schlechte Erziehung und eine Jugend voller Ent­ behrungen dies Gefühl oft erstickt, öfter auch die Äußerung des­ selben zurückgedrängt, und so stehe ich da mit der angelernten,

kalten, hochmütigen Höflichkeit, die selten jemand für sich gewinnt.

Du hingegen bist jung und hübsch, wirst, so Gott will,

keine

Entbehrung kennen lernen, jeder tritt Dir freundlich entgegen, so versäume denn auch nicht,

den Menschen wieder freundlich Dazu gehört allerdings,

zu begegnen und

sie

daß Du sprichst.

Es kommt gar nicht darauf an, etwas Geist­

zu gewinnen.

reiches zu sagen, sondern womöglich etwas Verbindliches,

und

geht das nicht, wenigstens fühlen zu machen, daß man etwas Verbindliches sagen möchte. Das Gezierte und Unwahre liegt Dir fern, es macht augenblicklich langweilig, denn nichts als

die Wahrheit kann Teilnahme erwecken.

Wirkliche Bescheidenheit

und Anspruchslosigkeit sind der wahre Schutz gegen die Krän­ kungen und Zurücksetzungen in der großen Welt- ja, ich möchte

Dezimiert sie schonungslos, und die Verwundeten liegen zu hun­ dert an dem Wege,

ohne jede Hilfe, bis unsere Ambulanzen,

uns welche die Franzosen schießen, sie finden.

Die Franktireurs

sind der Schrecken aller Ortschaften, sie beschwören das Verderben

über diese herauf.

Gott schenke einen bal­

Doch genug der traurigen Dinge.

digen, glücklichen Ausgang, und an dem zweifle ich nicht.... Wenn ich das Ende dieses Krieges erlebe,

mach Gastein gehen.

so möchte ich gleich

Wenn die tägliche Anspannung aufhört,

so brechen die Nerven zusammen, und gerade eine Winterkur in «Gastein ist mir sehr empfohlen ....................... 39.

Lebensregeln.

(Aus einem Briefe an seine Braut.)

Laß Dirs gesagt sein, gute Marie, daß Freundlichkeit

gegen jedermann die erste Lebensregel ist, die uns

manchen

Kummer sparen kann, und daß Du selbst gegen die, welche Dir nicht gefallen, verbindlich sein kannst,

zu werden.

ohne falsch und unwahr

Die wahre Höflichkeit und der feinste Weltton ist

die angeborene Freundlichkeit eines wohlwollenden Herzens.

Bei

mir hat eine schlechte Erziehung und eine Jugend voller Ent­ behrungen dies Gefühl oft erstickt, öfter auch die Äußerung des­ selben zurückgedrängt, und so stehe ich da mit der angelernten,

kalten, hochmütigen Höflichkeit, die selten jemand für sich gewinnt.

Du hingegen bist jung und hübsch, wirst, so Gott will,

keine

Entbehrung kennen lernen, jeder tritt Dir freundlich entgegen, so versäume denn auch nicht,

den Menschen wieder freundlich Dazu gehört allerdings,

zu begegnen und

sie

daß Du sprichst.

Es kommt gar nicht darauf an, etwas Geist­

zu gewinnen.

reiches zu sagen, sondern womöglich etwas Verbindliches,

und

geht das nicht, wenigstens fühlen zu machen, daß man etwas Verbindliches sagen möchte. Das Gezierte und Unwahre liegt Dir fern, es macht augenblicklich langweilig, denn nichts als

die Wahrheit kann Teilnahme erwecken.

Wirkliche Bescheidenheit

und Anspruchslosigkeit sind der wahre Schutz gegen die Krän­ kungen und Zurücksetzungen in der großen Welt- ja, ich möchte

behaupten, daß bei diesen Eigenschaften

eine große Blödigkeit

und Befangenheit nicht möglich ist. Wenn wir nicht anders scheinen

als wir sind^

wollen,

keine höhere Stellung usurpieren wollen,

als die uns zusteht^

so kann weder Rang noch Geburt, noch Menge und Glanz uns-

wesentlich aus der Fassung bringen. nicht

das

Gefühl

seiner

Meinung anderer suchen

muß,

Wer aber in sich selbst

findet,

Würde

der

sondern

sie

in

ber

liest stets in den Augen

anderer Menschen, wie jemand, der falsche Haare trägt, in jeden

Spiegel sieht, ob sich auch nicht etwas verschoben hat. — Ge­

steh ichs doch, gute Marie, daß ich diese schönen Lehren von mir selbst abstrahiere.

Zuversichtlichkeit

Mein ganzes Auftreten ist nur eine mit

und usage

du

monde

übertünchte Blödigkeit

Die langjährige Unterdrückung, in welcher ich aufgewachsen, hat meinem Charakter unheilbare Wunden geschlagen, mein Gemüt

niedergedrückt und den guten, edlen Stolz geknickt.

habe ich angefangen, aus mir selbst wieder

umgerissen

war, hilf Du mir fortan,

Spät erst

aufzubauen, was-

mich zu bessern.

Dich

selbst aber möchte ich edler und besser, und das ist gleichbedeutend mit glücklicher und zufriedener sehen, als ich es werden kann. Sei daher bescheiden und anspruchslos, so wirst Du ruhig und

unbefangen sein. Noch eins, liebe Marie: wenn Du schreibst, so lies doch immer den Brief, den Du beantwortest, noch einmal durch.

Es

sind nicht bloß die Fragen, die beantwortet sein wollen, sondern es ist gut, alle die Gegenstände zu berühren, welche darin ent-halten sind.

Sonst wird der Briefwechsel immer magerer, die

gegenseitigen Beziehungen schwinden, und man kommt bald da­

hin, sich nur Wichtiges mitteilen zu wollen.

Nun besteht abev

das Leben überhaupt nur aus wenig und selten Wichtigem. Die kleinen Beziehungen des Tages hingegen reihen sich zu Stunden^

Wochen und Monaten und machen seinem Glück und

Unglück. aus.

am Ende Darum

Unterhaltung so viel besser als die schriftliche,

das. Unbedeutendste sagt und wenig findet, der Mühe wert wäre.

das Leben mit

die

ist

mündliche

weil man

was

sich

zu schreiben,

Nun

ist es

bald Mitternacht-

wenn Du nicht noch mit Jeanette

Du

Gute Nacht, liebe, süße Seele!

grüße.

schläfst wohl schon/

plauderst,

die

ich

herzlich

Herzlich

Dein Hellmut. 40.

Bon der Reise. I.

Aus Spanien (Oktober 1846).

Äls wir an einem sonnigen Abend vorigen Monats in

Civita Becchia an Bord der Korvette „Amazone" gingen,

sah

das Meer so lächelnd aus, als wolle es zu einer Spazierfahrt einladen, und nachher führte es sich so abscheulich auf.

schlimmsten

Am

braltar zu gelangen.

Sech­

um bei konträrem Winde nach Gi­

zehn Tage brauchten wir,

war es,

wenn nach

Die See geht dann hoch, und das

Sturm Windstille eintrat.

Schiff, welches in den Segeln keinen Stützpunkt mehr findet, taumelt wie, betrunken,

man denkt,

die Maste müßten

ab­

brechen.

Endlich tauchte der Fels des Tarik aus der Flut empor^

ein

prächtiger Anblick.

Die

1400 Fuß

hohe schroffe Masse

hängt nur durch eine ganz flache Sandzunge mit dem euro­

päischen Kontinent zusammen und erscheint daher als ein mäch­ tiger, isolierter Gebirgskegel. lich

auf

afrikanischem

Affenberg bei Zeuta.

Boden

Ihm gegenüber erhebt sich ähn­

die

andere Herkulessäule,

der

Lange kämpften wir gegen die gewaltige

Strömung, welche hier stetig in das Mittelmeer fließt.

Endlich

warfen wir Anker, und die Festung grüßte mit einem königlichen

Salut unsere Trauerflagge.

Der erste Schritt ans Land führt in eine neue Welt,

ein wunderbares Gemisch von Spanisch und Englisch. Die Pracht und Üppigkeit eines südlichen Himmels und die Energie

und Betriebsamkeit des Nordens sind hier vereint.

Wie Riesen

standen die rotröckigen Hochländer zwischen den kleinen braunen

Spaniern mit ihren übergeworfenen Mänteln und den schmäch­

tigen Arabern,

Land,

welche vielfach

herüberkommen in das schöne

welches ihnen 700 Jahre gehörte.

Da lagen in un--

Nun

ist es

bald Mitternacht-

wenn Du nicht noch mit Jeanette

Du

Gute Nacht, liebe, süße Seele!

grüße.

schläfst wohl schon/

plauderst,

die

ich

herzlich

Herzlich

Dein Hellmut. 40.

Bon der Reise. I.

Aus Spanien (Oktober 1846).

Äls wir an einem sonnigen Abend vorigen Monats in

Civita Becchia an Bord der Korvette „Amazone" gingen,

sah

das Meer so lächelnd aus, als wolle es zu einer Spazierfahrt einladen, und nachher führte es sich so abscheulich auf.

schlimmsten

Am

braltar zu gelangen.

Sech­

um bei konträrem Winde nach Gi­

zehn Tage brauchten wir,

war es,

wenn nach

Die See geht dann hoch, und das

Sturm Windstille eintrat.

Schiff, welches in den Segeln keinen Stützpunkt mehr findet, taumelt wie, betrunken,

man denkt,

die Maste müßten

ab­

brechen.

Endlich tauchte der Fels des Tarik aus der Flut empor^

ein

prächtiger Anblick.

Die

1400 Fuß

hohe schroffe Masse

hängt nur durch eine ganz flache Sandzunge mit dem euro­

päischen Kontinent zusammen und erscheint daher als ein mäch­ tiger, isolierter Gebirgskegel. lich

auf

afrikanischem

Affenberg bei Zeuta.

Boden

Ihm gegenüber erhebt sich ähn­

die

andere Herkulessäule,

der

Lange kämpften wir gegen die gewaltige

Strömung, welche hier stetig in das Mittelmeer fließt.

Endlich

warfen wir Anker, und die Festung grüßte mit einem königlichen

Salut unsere Trauerflagge.

Der erste Schritt ans Land führt in eine neue Welt,

ein wunderbares Gemisch von Spanisch und Englisch. Die Pracht und Üppigkeit eines südlichen Himmels und die Energie

und Betriebsamkeit des Nordens sind hier vereint.

Wie Riesen

standen die rotröckigen Hochländer zwischen den kleinen braunen

Spaniern mit ihren übergeworfenen Mänteln und den schmäch­

tigen Arabern,

Land,

welche vielfach

herüberkommen in das schöne

welches ihnen 700 Jahre gehörte.

Da lagen in un--

geheurer Fülle die Trauben, die Orangen, Datteln und Oliven

aus Malaga, Valencia

und Granada

neben ^Katroffeln

und

Käsen aus England, die Hummer, fliegenden Fische und Del^ phine aus dem atlantischen neben dem gedörrten Stockfische aus

dem Eismeer. Über die flachen Dächer,

die Balköne und die Gärtchen

mit Granaten und Palmen ragen in drei Etagen die Galerien^ welche eine englische Meile weit in den Kalkmassen des Felsens

eingesprengt sind, mit ihren Feuerschlünden aus den schottischen Gießereien. Über das Gewimmel kleiner Fahrzeuge und zahl­ reicher Dampfböte erheben sich drei stolze Linienschiffe mit bcr

Flagge Britanniens.

Neben ihnen sah unsere „Amazone" aus

wie ein zierliches Kind.

Gibraltar ist in beständiger Zunahme^

aber seine eiserne Rüstung erlaubt ihm nur, wachsen.

in die Höhe zu

Die Grundstücke und Mieten sind unglaublich teuer.

Ein Kalkfels und eine Sandscholle bringen natürlich nichts her­

vor, und ursprünglich hausten dort nur Rebhühner und Affen.

Alles,

was Menschen bedürfen,

muß

zur See herangebracht

werden, selbst das Trinkwasser, und das ist der größte Mangel

dieser

sonst

Festung.

uneinnehmbaren

Auf

der

Landzunge

stehen nur 2000 Schritte entfernt die spanischen Posten mit geladenen Gewehren, nicht gegen einen Angriff, sondern gegen

den Schmuggelhandel gerüstet,

welcher hier im großen Stile

betrieben wird.

Eine Erlaubnis des Gouverneurs eröffnete mir den Zu­ tritt zu allen Festungswerken,

zum maurischen Schloß,

Oharesturm auf der höchsten Spitze des Berges.

zum

Bon boxtr

wo der Fels gegen Osten 1000 Fuß senkrecht abftürzt, blickt

man weit über die spanische Küste, auf die 10 000 Fuß hohen Schneegipfel der Sierra Nevada und auf die dunkelblaue Flut. Jenseits der Meerenge leuchten

die

afrikanischen Berge

von

Tanger und Zeuta hervor, und gegen Westen entfaltet sich die weite Bucht von Algesiras. man die Stadt,

des Meeres.

Wie auf der Landkarte übersieht

die Festungswerke und das herrliche Becken

Ich suchte mir ein Bild

einzuprägen, welches

ich in gleichem Reichtum nicht leicht wieder sehen werde.

Noch beleuchtete die untergehende Sonne prachtvoll den Hafen und die an

des

dem Berge emporsteigende Stadt, als ich englischen Dampfers „The Queen"

ein­

schiffte, und kräftig arbeitete dieser gegen die Strömung

an.

mich

an Bord

Der Vollmond stieg aus dem Mittelmeer empor und zeigte die hohen Berge zweier Weltteile in hellem Schein.

Die Luft war

mild und labend, und das Wasser sprühte lichte Funken unter

den Schlägen der Ruder.

Bald fuhren wir an dem Leuchtturm

von Tarifa bei Trafalgar vorüber ins atlantische Meer, welches diesmal glatt wie ein Spiegel dalag.

Wie müde ich auch von

den

war,

vorhergegangenen

Anstrengungen

konnte ich

mich

doch spät erst entschließen, mich niederzulegen, und war vor

Sonnenaufgang schon wieder auf Deck, um das Einlaufen in den Hafen von Cadix zu sehen. II. Schloß Wiudsor.

London, den 14. Juni 1857. Ich machte vormittags einen einsamen Spaziergang durch

die schönen Umgebungen von Windsor.

Der längs der ganzen

Südküste von England vorherrschende Kalk- und Kreidefels ver­ schwindet im Innern und ist von späteren Gebirgsformationen

überlagert.

Irgend eine

vulkanische Erschütterung hat indes

am rechten Ufer der Themse, vier Meilen

oberhalb London,

einen vereinzelten Kalkfelsen durch die Erddecke emporgehoben.

Auf und aus diesem Felsen ist das gewaltige Schloß erbaut,

welches denn auch seine ganze Ausdehnung bedeckt.

Er mag

in seiner größten Länge wohl gegen 1000 Schritt, in der Breite

2—300 Schritt haben,

wird durch den riesenhaften Keep auf

künstlichem Erdaufwurf in

zwei große Höfe geteilt

und

er­

hebt sich etwa 100 Fuß über die Felder und Wälder der Um­ gegend.

Nach drei Seiten fällt der Berg steil ab, besonders

gegen Osten zur Themse. ein einziges,

Man

darf sich Windsor nicht als

großes Gebäude vorstellen,

es sind eine ganze

Menge einzelner, meist turmartiger Bauten, rings umschlossen

von hohen, krenelierten Mauern.

Nur nach der von Süden

150 [IV]

Moltke.

Bismarck.

her vollkommen zugänglichen Seite,

einer

Rasenfläche mit einzelnen riesigen Eichen,

prächtigen

grünen

sind diese Türme

durch symmetrische Zwischenbauten zu einer eigentlichen Palast­

form verbunden.

Vor

Terrasse von Windsor.

liegt die

derselben

sogenannte

große

Die Verschiedenheit der einzelnen Teile

erklärt sich schon aus den Zeiträumen von Jahrhunderten, die

An

zwischen ihrer Erbauung liegen.

den überaus zierlichen,

aber nicht sehr großen Bau Eduards III. von 1356 lehnt sich

der Georgs III.,

endete.

der fast 500 Jahre später das Ganze voll­

Glücklicherweise hat man aber durch alle Zeitalter den­

selben ursprünglichen Stil beibehalten und so ein harmonisches

Ganze geschaffen.

Selbst die sehr rohe Außenseite ist geblieben.

Das nur grob behauene Gestein nirgends übertüncht.

ist von grauer Farbe und

Die Fugen sind durch einen Kalk ver­

bunden, dem man durch eine Beimischung von Kohle eine schwarze Farbe gegeben, und in welchen durchwegs schwarze Feuersteine

eingeklebt sind.

Es ist nicht zu leugnen, daß zum Beispiel die

Hauptfront durch Abputz ein außerordentlich viel reicheres und

prachtvolleres Aussehen

gewinnen

würde.

Das Ganze blickt

ungemein finster in unser zierliches Zeitalter. Die Fenster nach außen sind klein und schartenartig,- nur wo es darauf ankam, ein entsprechendes Licht in die Prachträume zu bringen, traten

dann jene großen balkonartigen Fenster hervor, zwischen deren

schöngeschnitzten

steinernen Pfosten

große Kristallscheiben

an­

bracht sind.

Otto Fürst von Bismarck 41. Seda«.

(1815—1898).

Brief an seine Gemahlin. Bendresse, 3. September.

Mein liebes Herz!

Vorgestern vor Tagesgrauen

verließ ich mein

hiesiges

Quartier, kehre heute zurück und habe in der Zwischenzeit die

große Schlacht von Sedan am

1. erlebt, in der wir gegen

150 [IV]

Moltke.

Bismarck.

her vollkommen zugänglichen Seite,

einer

Rasenfläche mit einzelnen riesigen Eichen,

prächtigen

grünen

sind diese Türme

durch symmetrische Zwischenbauten zu einer eigentlichen Palast­

form verbunden.

Vor

Terrasse von Windsor.

liegt die

derselben

sogenannte

große

Die Verschiedenheit der einzelnen Teile

erklärt sich schon aus den Zeiträumen von Jahrhunderten, die

An

zwischen ihrer Erbauung liegen.

den überaus zierlichen,

aber nicht sehr großen Bau Eduards III. von 1356 lehnt sich

der Georgs III.,

endete.

der fast 500 Jahre später das Ganze voll­

Glücklicherweise hat man aber durch alle Zeitalter den­

selben ursprünglichen Stil beibehalten und so ein harmonisches

Ganze geschaffen.

Selbst die sehr rohe Außenseite ist geblieben.

Das nur grob behauene Gestein nirgends übertüncht.

ist von grauer Farbe und

Die Fugen sind durch einen Kalk ver­

bunden, dem man durch eine Beimischung von Kohle eine schwarze Farbe gegeben, und in welchen durchwegs schwarze Feuersteine

eingeklebt sind.

Es ist nicht zu leugnen, daß zum Beispiel die

Hauptfront durch Abputz ein außerordentlich viel reicheres und

prachtvolleres Aussehen

gewinnen

würde.

Das Ganze blickt

ungemein finster in unser zierliches Zeitalter. Die Fenster nach außen sind klein und schartenartig,- nur wo es darauf ankam, ein entsprechendes Licht in die Prachträume zu bringen, traten

dann jene großen balkonartigen Fenster hervor, zwischen deren

schöngeschnitzten

steinernen Pfosten

große Kristallscheiben

an­

bracht sind.

Otto Fürst von Bismarck 41. Seda«.

(1815—1898).

Brief an seine Gemahlin. Bendresse, 3. September.

Mein liebes Herz!

Vorgestern vor Tagesgrauen

verließ ich mein

hiesiges

Quartier, kehre heute zurück und habe in der Zwischenzeit die

große Schlacht von Sedan am

1. erlebt, in der wir gegen

30,000 Gefangene machten und den Rest der französischen Armee,

der wir seit Bar le Duc nachjagten, wo

sie

sich

mit

Kaiser

dem

Gestern früh 5 Uhr,

in die Festung warfen,

kriegsgefangen

ergeben

mußte.

nachdem ich bis 1 Uhr früh mit Moltke

und den französischen Generälen über die abzuschließende Kapitu­

lation verhandelt hatte, weckte mich der General Reille, den ich

kenne, um mir zu sagen, daß Napoleon mich zu sprechen wünschte. Ich ritt ungewaschen und ungefrühstückt gegen Sedan, fand den

Kaiser im 'offenen Wagen mit drei Adjutanten und Pferde daneben haltend. wie in

den Tuilerien und fragte nach seinen Befehlen.

daß Seine Majestät drei Meilen davon,

an dem Orte,

Auf Napoleons Frage,

wo ich jetzt schreibe, sein Quartier habe.

wohin er sich begeben solle,

Er

ich sagte ihm der Wahrheit ge­

wünschte den König zu sehen,mäß,

drei zu

Ich saß ab, grüßte ihn^ebenso höflich

bot ich ihm,

da ich der Gegend

unkundig, mein Quartier in Donchery an, einem kleinen Orte

in der Nähe dicht bei Sedanseinen sechs Frailzosen,

er nahm es an und fuhr, von

von mir und von Karl,

der mir in­

zwischen nachgeritten war, geleitet, durch den einsamen Morgen nach

unserer Seite zu.

Bor

dem Ort wurde es

wegen der möglichen Menschenmenge,

ihm leid,

und er fragte mich,

ob

er in einem einsamen Arbeiterhause am Wege absteigen könne,ich ließ es besehen durch Karl, der meldete, es sei ärmlich und unrein,- „N'importe" meinte N., und ich

gebrechliche enge Stiege hinauf.'

stieg

mit ihm eine

In einer Kammer von zehn

Fuß Gevierte, mit einem fichtenen Tische und zwei Binsenstühlen, saßen wir eine Stunde, die andern waren unten.

Ein gewal­

tiger Kontrast mit unserm letzten Beisammensein,

67 in den

Tuilerien.

Unsere Unterhaltung war schwierig, wenn ich nicht

Dinge berühren wollte,

die den von Gottes gewaltiger Hand

Niehergeworfenen schmerzlich berühren mußten.

Ich hatte durch

Karl Offiziere aus der Stadt holen und Moltke bitten lassen zu kommen.

Wir schickten dann einen der ersteren auf Rekog­

noszierung und entdeckten eine halbe Meile davon in Fresnois

ein kleines Schloß mit Park.

einer

inzwischen

herangeholten

Dorthin geleitete ich ihn

Eskorte

vom

mit

Leib-Kürassier-

Bismarck.

152 [IV]

Sybel.

Regimente, und dort schlossen wir mit dem französischen Obevgeneral Wimpffen die Kapitulation^ vermöge deren 40- bis 60,000

Franzosen, genauer weiß ich es noch nicht, mit allem, was sie haben, unsere Gefangenen wurden.

Der vor- und gestrige Tag

kosten Frankreich 100,000 Mann und einen Kaiser. ging

letzterer

mit

Heut früh

all seinen Hofleuten, Pferden und Wagen

nach Wilhelmshöhe bei Kassel ab. Es ist ein weltgeschichtliches Ereignis, ein Sieg, für den

wir Gott dem Herrn in Demut danken wollen, und der den Krieg entscheidet, wenn wir auch letzteren gegen das kaiserlose Frankreich fortführen müssen.

Mit herzlicher Freude ersah ich heut

Ich muß schließen.

aus Deinen und Marias Briefen Herberts Eintreffen bei Euch.

Bill sprach ich gestern,

wie schon telegraphiert,

und umarmte

ihn angesichts Seiner Majestät vom Pferde herunter, während er stramm im Gliede stand.

Er ist sehr gesund und vergnügt.

Hans und Fritz Karl sah ich, beide Bülow bei 2. G. Dr. wohl

und munter. Lebwohl, mein Herz!

Grüße die Kinder!

Dein v. B.

Heinrich von Sybel (1817-1895). 42. Charakterbild Kaiser Wilhelm I. Wilhelm, Prinz von Preußen, war sechzig Jahre alt, als er im Herbste 1857 die Leitung der Staatsgeschäfte als Stell­

vertreter seines königlichen Bruders übernahm.

In seiner schlich­

ten Weise hat er es später oft ausgesprochen: in jungen Jahren habe ich niemals an die Möglichkeit meiner Thronbesteigung ge­

dacht,' ich habe damals gelernt, eine Infanteriedivision richtig zu führen, um Staatssachen aber habe ich mich wenig bekümmert.

In der That ging der junge Offizier in seinen militärischen Ar­ beiten mit Leib und Seele auf, zum Heile Preußens, denn unter tüchtiger Leitung ist der militärische Beruf eine treffliche Schule

für den künftigen Herrscher, durch die Gewöhnung an raschen

Bismarck.

152 [IV]

Sybel.

Regimente, und dort schlossen wir mit dem französischen Obevgeneral Wimpffen die Kapitulation^ vermöge deren 40- bis 60,000

Franzosen, genauer weiß ich es noch nicht, mit allem, was sie haben, unsere Gefangenen wurden.

Der vor- und gestrige Tag

kosten Frankreich 100,000 Mann und einen Kaiser. ging

letzterer

mit

Heut früh

all seinen Hofleuten, Pferden und Wagen

nach Wilhelmshöhe bei Kassel ab. Es ist ein weltgeschichtliches Ereignis, ein Sieg, für den

wir Gott dem Herrn in Demut danken wollen, und der den Krieg entscheidet, wenn wir auch letzteren gegen das kaiserlose Frankreich fortführen müssen.

Mit herzlicher Freude ersah ich heut

Ich muß schließen.

aus Deinen und Marias Briefen Herberts Eintreffen bei Euch.

Bill sprach ich gestern,

wie schon telegraphiert,

und umarmte

ihn angesichts Seiner Majestät vom Pferde herunter, während er stramm im Gliede stand.

Er ist sehr gesund und vergnügt.

Hans und Fritz Karl sah ich, beide Bülow bei 2. G. Dr. wohl

und munter. Lebwohl, mein Herz!

Grüße die Kinder!

Dein v. B.

Heinrich von Sybel (1817-1895). 42. Charakterbild Kaiser Wilhelm I. Wilhelm, Prinz von Preußen, war sechzig Jahre alt, als er im Herbste 1857 die Leitung der Staatsgeschäfte als Stell­

vertreter seines königlichen Bruders übernahm.

In seiner schlich­

ten Weise hat er es später oft ausgesprochen: in jungen Jahren habe ich niemals an die Möglichkeit meiner Thronbesteigung ge­

dacht,' ich habe damals gelernt, eine Infanteriedivision richtig zu führen, um Staatssachen aber habe ich mich wenig bekümmert.

In der That ging der junge Offizier in seinen militärischen Ar­ beiten mit Leib und Seele auf, zum Heile Preußens, denn unter tüchtiger Leitung ist der militärische Beruf eine treffliche Schule

für den künftigen Herrscher, durch die Gewöhnung an raschen

Entschluß^ sichern Befehl und unbedingte Pflichterfüllung.

Aller­

dings blieb dann seine Bildung für geraume Zeit eine einseitige,

wurde jedoch bei seinem ernsten Fleiß in ihrem Kreise um so

gründlicher.

Gründliche Arbeit aber

erzieht alle Kräfte

des

Geistes und macht sie geschickt, wo es erforderlich wird, auch auf früher unbekannten Gebieten sich bald zurecht zu finden. Er war ein gläubiger Christ, der mit einfacher Überzeugung auf

dem Bekenntnis der Vorfahren stand.

Seine Frömmigkeit war,

wie das Evangelium Matthäi am 6. es vorschreibt, ohne Prunken noch Kopfhängen, ohne Rechthaberei und Unduldsamkeit.

sie war das Brot seines Lebens, das Richtmaß seines Handelns.

Aber

der Trost seiner Schmerzen,

Aus seinem Glauben erwuchs

ihm ein unbedingtes Gottvertrauen, das sein ganzes Wesen er­ füllte und in allen Bedrängnissen aufrecht erhielt, dem alten Worte:

weil ich weiß,

ganz nach

daß ich ohnmächtig bin in

Gottes Hand, bin ich stark gegenüber aller Welt. So war er bis zur Ängstlichkeit gewissenhaft bei jeder Erwägung und ab­

solut furchtlos bei jeder Gefahr.

Es war dies nicht bloß der

ritterliche Mut aus Nervenreiz oder Ehrliebe, die Worte Furcht und Gefahr hatten für ihn überhaupt keinen Sinn.

durch das Leben, niemals zagend,

Er schritt

niemals prahlend,

stets in

innerem Gleichgewicht. Er gehörte nicht zu den genialen oder dämonischen Naturen, welche entweder durch überragende Geisteskräfte dem Jahrhun­

dert neue Bahnen vorzeichnen oder mit unwiderstehlicher Leiden­ schaft sich und ihr Volk von schwindelnder Höhe in furchtbare

Abgründe stürzen.

Nicht einmal geistreich in dem Sinne, wie

sein älterer Bruder geistreich war, wird man ihn nennen können. Sein ganzes Wesen war auf praktisches Wirken gerichtet und dazu befähigt-

er hatte die natürliche Gabe,

das Erreichbare

wahrzunehmen, und eine unbefangene Klarheit der Auffassung, welche sich namentlich in einer fast irrtumlosen Menschenkennt­

nis bewährte.

Dazu kam eine seltene Verbindung von Festig­

keit und Biegsamkeit des Geistes, wie sie den praktischen Staats­

mann charakterisiert.

Bis an sein Lebensende blieb er uner­

schütterlich in seinen konservativen Grundsätzen.

Weit entfernt

aber war der Prinz, hieraus die Notwendigkeit eines absolu­ tistischen Regiments zu folgern:

„Ich will nicht untersuchen,"

sagte er dem König Max von Bayern, „ob Konstitutionen heil­

sam sind.

Aber wo sie existieren, soll man sie halten und nicht

durch gezwungene Interpretationen verfälschen. Die konstitu­ tionelle Idee, daß die Negierungsmaßregeln an die Öffentlich­

keit gezogen und

das Volk gesetzlich

zur Teilnahme

an

der

Gesetzgebung berechtigt wird, ist in das Volksbewußtsein einge­

drungen.

Diesem entgegenzutreten

Mißtrauen

des Herrschers

zu vergleichen.

ist sehr gefährlich, da das Volk

bekundet.

und Anziehen der Zügel ist

weises Nachlassen

zu befestigen.

gegen

es

Durch

die Regierung

Sie ist mit der Regulierung

eines Flußbettes

Man muß die Ufer sichern,

die Dämme nicht

zu eng und nicht zu weit machen, vor Allem nicht quer in den

Fluß hineinbauen. tige Mitte."

Hoffentlich treffen wir in Preußen die rich­

Nicht minder bestimmt war seine Auffassung von

Preußens Stellung in Deutschland.

Wie sein Bruder, war er

nach seinen Jugenderinnerungen

von Herzen zu einer warmen Freundschaft mit dem österreichi­ schen Herrscherhause geneigt. Nur forderte er dabei die volle Gegenseitigkeit, die Gleichberecktigung Preußens und Österreichs,

die Anerkennung der Ehre und der Lebensbedingungen Preußens int deutschen Bunde: nie hätte er es sich gestaltet, aus Groß­ mut oder Edelsinn das kleinste der ihm anvertrauten Staats­ interessen seinen fürstlichen Brüdern Preis zu geben. Die Mängel

der deutschen Bundesverfassung lagen klar vor seinem Blicke, und

vom ersten Tage an bereitete

er seine Reformvorschläge vor.

Allerdings er selbst mit geringer Hoffnung auf Erfolg.

Einen

Krieg gegen Deutsche aber nur im Falle rechtloser Angriffe auf

Preußen, und nicht offensiv zur Neugestaltung des Bundes zu

beginnen, dieser Beschluß stand in seiner Seele fest — und hienach glaubte er, die Verwirklichung der deutschen Einheit selbst

nicht mehr zu erleben.

Im Begriffe, gegen die badischen Re­

bellen 1849 in das Feld zu gehen, schrieb er am 20. Mai an

den General von Natzmer: „Wer Deutschland regieren will, muß es sich erobern.

Ob die Zeit dieser Einheit schon gekommen ist,

weitz Gott allein.

Daß Preußen bestimmt ist,

an die Spitze

von Deutschland zu kommen, liegt in unserer ganzen Geschichte — aber das Wann und das Wie?

Darauf kommt es an."

So stellte er denn diese deutschen Hoffnungen, welche fort­ dauernd sein Herz bewegten und fortdauernd durch seinen Rechts­

sinn fern gehalten wurden,

der Zukunft anheim und wandte

seine ganze Kraft den nächsten Sorgen, der Verwaltung seines Preußen,

zu.

Die selbstlose,

rastlose Pflichttreue, welche er

hier bis zum letzten Atemzuge bewährte, greifenden Worte:

wie

seine Furchtlosigkeit

seines Wesens.

bis zu jenem er­

ich habe keine Zeit müde zu sein — ruhte auf

der

religiösen

Grundstimmung

Vielleicht ohne den Aussptuch

Vorfahren zu kennen,

seines großen

der sich den ersten Diener des Staates

nannte, hielt er den Herrscher von Gott berufen, dem Wohle

seines Volkes zu dienen.

In diesem Dienste war er streng,

aber strenger gegen sich als gegen jeden andern. ergriff er mit unermüdlichem Fleiße-

Die Geschäfte

was ihm früher gleich­

gültig gewesen, strebte er jetzt, als zu seinem Amt gehörig, zu lernen, und mit welchem Eifer hat er gelernt!

Als die große

Reform unserer Justizverfassung in Vorbereitung war, ließ er,

der Siebenzigjährige, sich noch einen Kursus über Rechtswissen­ schaft vortragen-

gewiß nicht,

sagte er,

um die Männer des

Faches zu meistern, aber um die Belehrung über etwaige Be­

denken zu verstehen, und um doch einen Begriff davon zu haben, was durch meine Unterschrift Gesetzeskraft erhalten soll.

Nach

seinem Tode fand man unter seinen Papieren zahlreiche eng­

geschriebene Bogen, bedeckt mit Auszügen aus allen Abschnitten

der ihm vorgelegten Entwürfe der Justizgesetze, Sinn und Bedeutung derselben sich

wodurch

klar gemacht hatte.

er Im

Vergleich mit seinem Bruder war ursprünglich sein ästhetisches

Interesse gering und das Maß seiner wiffenschaftlichen Kennt­ nisse bescheiden, aber auch hier wußte er, was dem Könige ob­

liegt, und unter keiner frühern Regierung ist in Preußen so viel und so erfolgreich für Kunst und Wissenschaft gewirkt worden, wie unter der seinigen.

Und auch hier erweckte die anfangs aus

Pflichtgefühl übernommene Arbeit seinem empfänglichen Sinne

156 [IV]

Sybel.

Teilnahme und Freude an

er bei

Als

ihrem Gegenstände.

einem Königsmanöver die Rheinprovinz bereiste und die Düssel­

dorfer Maler ihm ein glänzendes Künstlerfest gaben, schrieb er ihnen am folgenden Tage herzliche Dankesworte:

„Ich wurde

aus den Mühen der Gegenwart so freundlich in die

poetisch

verklärte Vergangenheit Deutschlands geführt, ich sah mich nach

der rauhen Arbeit der dem Schutze des Vaterlandes gewidmeten

Waffenübungen in eine

so

sinnig

geschaffene Märchenpracht

versetzt, daß ich mich nur schwer von diesem Reiche zauberischer

Mit gleich eingehendem

Gestaltung zu trennen vermochte."

Verständnis studierte er weiterhin

die Pläne für

das

neue

Reichstagsgebäude, und man weiß, wie er nach seinem praktischen Blicke wesentliche Verbesserungen desselben angegeben hat.

Die

Vollendung der Ausgrabungen in Olympia verdankt die Welt persönlichen Entscheidung.

seiner

So

ging

dies

durch

alle

Fächer hindurch: sein Leben war Arbeit, Arbeit in allen Ver­

waltungszweigen, Arbeit für das Glück der anderen. Anlaß sich

bot,

war er bereit,

Wo der

königliche Pracht in vollem

Maß zu entfalten,- im eigenen Dasein aber war er äußerst mäßig

und einfach, ein abgehärteter Soldat und ein sparsamer Haus­ Sein persönlicher Verkehr war überall bei königlicher

halter.

Haltung von innerer Freundlichkeit durchdrungen- er wünschte, die stille Heiterkeit der eigenen Seele seiner ganzen Umgebung

mitzuteilen.

Für die Widersacher seiner Politik hatte er stets

das hohe Wort:

Männern,

Nichts vergessen und Alles vergeben!

Den

die er einmal seiner Freundschaft gewürdigt,

blieb

er ein unerschütterlich treuer Freund, und niemals ist in seinem Herzen

die Quelle

der

die

reinsten Freude,

Menschen geboten ist, versiegt, der Freude,

dem

irdischen

andern Freude zu

machen.

Als er zwanzig Jahre später auf der Höhe

der Macht

und der Erfolge stand und ein ruchloser Verbrecher einen Mord­ versuch gegen ihn gewagt hatte, konnte der erste und vertrau­ teste seiner Dieners von ihm sagen:

!) Fürst Bismarck zu General Grant.

„Da haben wir einen

Nach Grants Aufzeich-

Treitschke.

Shbel. (Äreis, einen

besten Menschen

der

strebt man ihm nach dem Leben. schen

von

dieser Erde,

trotzdem

und

Niemals gab es einen Men­ großmütigern

bescheidenern,

einem

Charakter als den Kaiser.

[IV] 157

und

humanern

Er unterscheidet sich ganz und gar

von den in so hoher Stellung geborenen Menschen oder doch von den meisten derselben.

Sie legen wenig Gewicht auf die

Empfindungen und Wünsche anderer-

ihrer Abstammung

sei vieles

sie meinen,

erlaubt-

Menschen

ganze Erziehung

ihre

scheint dahin zu zielen, in ihnen die menschliche Seele zu er­ sticken.

Der Kaiser hält sich nickt für einen solchen Olympier- im

Gegenteil, er ist in jeder Beziehung Mensch und unterzieht sich jeder menschlichen Pflicht.

Er hat nie in seinem Leben jemand

Unrecht gethan, nie das Gefühl eines anderen verletzt, nie sich

einer Härte schuldig

Er ist

gemacht.

einer jener Menschen,

deren gütiges Naturell die Herzen gewinnt,

der sich fort und

fort mit dem Wohle seiner Umgebung und seiner Unterthanen beschäftigt, geschmückt mit allen hohen Eigenschaften eines Für­

sten und mit allen Tugenden eines Menschen.

Es ist unmög­

lich, sich einen schönern und wohlthuendern Typus eines Edel­

mannes zu denken."

Heinrich von Treitschke 43

(1834—1896).

Die Schlacht bei Belle-Alliance. i.

Auf den Höhen bei Belle-Alliance stellte Napoleon sein Heer auf, dahinter bei Rossomme die Reserve:

sein Plan war

einfach, durch einen oder mehrere Angriffe die Linien der Eng­

länder zu durchbrechen, auf ihrem linken Flügel.

wo möglich an der schwächsten Stelle,

Da die unsicheren Feuerwaffen jener

Zeit dem Angreifer erlaubten, mit ungebrochener Kraft nahe an den Verteidiger heranzugelangen, so hoffte der Imperator durch

nung mitgetheilt von Simon: L’empereur Guillaume et son rögne (Anmerkung des Verfassers).

Treitschke.

Shbel. (Äreis, einen

besten Menschen

der

strebt man ihm nach dem Leben. schen

von

dieser Erde,

trotzdem

und

Niemals gab es einen Men­ großmütigern

bescheidenern,

einem

Charakter als den Kaiser.

[IV] 157

und

humanern

Er unterscheidet sich ganz und gar

von den in so hoher Stellung geborenen Menschen oder doch von den meisten derselben.

Sie legen wenig Gewicht auf die

Empfindungen und Wünsche anderer-

ihrer Abstammung

sei vieles

sie meinen,

erlaubt-

Menschen

ganze Erziehung

ihre

scheint dahin zu zielen, in ihnen die menschliche Seele zu er­ sticken.

Der Kaiser hält sich nickt für einen solchen Olympier- im

Gegenteil, er ist in jeder Beziehung Mensch und unterzieht sich jeder menschlichen Pflicht.

Er hat nie in seinem Leben jemand

Unrecht gethan, nie das Gefühl eines anderen verletzt, nie sich

einer Härte schuldig

Er ist

gemacht.

einer jener Menschen,

deren gütiges Naturell die Herzen gewinnt,

der sich fort und

fort mit dem Wohle seiner Umgebung und seiner Unterthanen beschäftigt, geschmückt mit allen hohen Eigenschaften eines Für­

sten und mit allen Tugenden eines Menschen.

Es ist unmög­

lich, sich einen schönern und wohlthuendern Typus eines Edel­

mannes zu denken."

Heinrich von Treitschke 43

(1834—1896).

Die Schlacht bei Belle-Alliance. i.

Auf den Höhen bei Belle-Alliance stellte Napoleon sein Heer auf, dahinter bei Rossomme die Reserve:

sein Plan war

einfach, durch einen oder mehrere Angriffe die Linien der Eng­

länder zu durchbrechen, auf ihrem linken Flügel.

wo möglich an der schwächsten Stelle,

Da die unsicheren Feuerwaffen jener

Zeit dem Angreifer erlaubten, mit ungebrochener Kraft nahe an den Verteidiger heranzugelangen, so hoffte der Imperator durch

nung mitgetheilt von Simon: L’empereur Guillaume et son rögne (Anmerkung des Verfassers).

158 [IV]

Treitschke.

ungeheuere Massenschläge den zähen Gegner niederzuringen. So begann die Schlacht — ein beständiges Vordringen und Zurückstuten der Angreifer gleich der Brandung am steilen Strande — bis dann das Erscheinen der Preußen in Napoleons Rücken und rechter Flanke den Schlachtplan des Imperators völlig umstieß. Der Kampf verlief wie eine planvoll gebaute Tragödie: zu Anfang eine einfache Verwicklung, dann gewaltige Spannung und Steigerung, zuletzt das Hereinbrechen des alles zermalmenden Schicksals. Der letzte Ausgang hinterließ in der Welt darum den Eindruck einer überzeugenden, unabwendbaren Notwendigkeit, weil ein wunderbares Geschick jeder der drei Nationen und jedem der Feldherrn genau die Rolle zugewiesen

hatte, welche der eigensten Kraft ihres Charakters entsprach: die Briten bewährten in der Verteidigung ihre kaltblütige, eiserne Ausdauer, die Franzosen als Angreifer ihren ritterlichen, unbändigen Mut, die Preußen endlich die gleiche stürmische Verwegenheit im Angriff und dazu,

was am schwersten wiegt,

die Selbstverleugnung des begeisterten Willens.

Napoleon rechnete mit Sicherheit auf einen raschen Sieg, da er die Preußen fern im Südosten bei Namur wähnte. Unter solchen Umständen schien es unbedenklich, den Angriff auf die

Mittagszeit zu verschieben, bis die Sonne den durchweichten Boden etwas abgetrocknet hätte. Um den Gegner zu schrecken und die Zuversicht des eigenen Heeres zu steigern, veranstaltete der Imperator im Angesichte der Engländer eine große Heerschau- krank wie er war, von tausend Zweifeln und Sorgen gepeinigt, empfand er auch wohl selber das Bedürfnis, sich das Herz zu erheben an dem Anblick seiner Getreuen. So oft er späterhin auf seiner einsamen Insel dieser Stunde gedachte, überkam es ihn wie eine Verzückung, und er rief: „Die Erde war stolz, so viel Tapfere zu tragen!" Und fo standen sie denn zum letzten Male in Parade vor ihrem Kriegsherrn, die Veteranen von den Pyramiden, von Austerlitz und Borodino,

die so lange der Schrecken der Welt gewesen und jetzt aus dem Schiffbruch der alten Herrlichkeit nichts gerettet hatten als ihren Soldatenstolz, ihre Rachgier und die unzähmbare Liebe

ihrem

Helden.

Die Trommler

schlugen

spielte das Partant pour la Syrie!

an,

die

Feldmusik

In langen Linien die

Bärenmützen der Grenadiere, die Roßschweifhelme der Kürassiere, die betroddelten Tschakos der Voltigeure, die flatternden Fähnchen der Lanciers, eines der prächtigsten und tapfersten Heere, welche die Geschichte sah.

Die ganze prahlerische Glorie des Kaiser­

reichs erhob sich noch einmal, ein überwältigendes Schauspiel für die alten Soldatenherzen,-

noch einmal erschien der große

Kriegsfürst in seiner finsteren Majestät, so wie der Dichter sein

Bild kommenden Geschlechtern überliefert hat, mitten im Wetter­

leuchten der Waffen zu Fuß, in den Wogen reitender Männer^ Die brausenden Hochrufe wollten nicht enden.

Zehn Stunden

noch, und dies herrliche Heer mit seinem Trotze, seinem Stolze, seiner wilden Männerkraft war vernichtet bis auf die

letzte

Schwadron.

II. Um

*/z12

Uhr begann Napoleon

die

Schlacht,

ließ

seinen linken Flügel gen das Schloß Goumont vorgehen, während er zugleich auf seiner Rechten die Anstalten für den entschei­

Aber noch bevor diese Bewegung begann,

denden Stoß traf.

wurde der Imperator bereits durch eine unheimliche Nachricht

in der kalten Sicherheit seiner Berechnungen gestört. 1

um

Uhr

durch

aufgefangenen Brief,

einen

Er erfuhr

daß General

Bülow auf dem Marsche sei gegen die rechte Flanke der Fran­ zosen/ und während er auf der Höhe bei Roffomme an seinem

Kartentische stand,

glaubte er auch schon fern im Osten bei

dem hochgelegenen Dorfe Chapelle St. Lambert dunkle Truppen­ massen zu bemerken, die alsbald zwischen den Wellen des Bodens

wieder verschwanden.

Ein sofort ausgesendeter Adjutant be­

Gewaltsam suchte der Kaiser sich zu

stätigte die Vermutung.

beruhigen und sendete vorläufig zwei Kavalleriedivisionen ost­

wärts über den rechten Flügel der Schlachtstellung hinaus.

Es

war ja doch sicher nur das eine Korps Bülows, vielleicht nur ein Teil davon, und ehe die Preußen in die Schlacht eingreifen konnten, mußte Wellington geschlagen sein.

aber

sagte

Napoleon

mit

Heffel, Lesebuch IV. Prosa.

zuversichtlicher

Seinen Offizieren Miene,

Marschall

11

160 [IV]

Treitschke.

Grouchy ziehe zur Unterstützung der rechten Flanke herbei: die Armee durste von der Gefahr nichts ahnen. Währenddem war Erlon mit seinen vier Schlachthaufen vorgerückt,- schon während des Anmarsches erlitt er schwere Verluste, ganze Reihen in den tiefen Kolonnen wurden von den englischen Kanonenkugeln niedergerissen. Und jetzt ließ sich schon nicht mehr verkennen,

daß jedenfalls ein beträchtlicher Teil der Preußischen Armee im Anmarsch war und zwar in der Richtung auf das Dorf Plancenoit, das im Rücken des rechten Flügels der Franzosen lag. Aus Furcht vor dem Angriff der Preußen wagte der Im­ perator auch nicht mehr, die 24 Bataillone seiner Garde, die noch unberührt in Reserve standen, gegen die Engländer vor­ zuschicken, sondern beschloß, mit seiner gesamten Kavallerie das Zentrum Wellingtons zu durchbrechen: ein aussichtsloses Be­ ginnen, da die Hauptmasse des Fußvolks der Verbündeten noch unerschüttert war. Blücher war am Morgen von Wavre aufgebrochen. Die

alten Glieder wollten sich noch gar nicht erholen von dem bösen Sturze vorgestern, doch wer durste dem Helden heute von Ruhe und Schonung sprechen? Lieber, rief er aus, will ich mich auf dem Pferd festbinden lassen, als diese Schlacht versäumen! Wohlgemut ritt er inmitten der Regimenter, die sich mit un­ säglicher Anstrengung durch den tiefen Schlamm hindurch­ arbeiteten. Die Soldaten frohlockten, wo der Feldherr sich zeigte, traten mit lautem Zuruf an ihn heran, streichelten ihm die Knie,- er hatte für jeden ein ermunterndes Wort: „Kinder, ich habe meinem Bruder Wellington versprochen, daß wir kommen. Ihr wollt mich doch nicht wortbrüchig werden lassen?" Thielmann blieb mit dem dritten Armeekorps bei Wavre zurück, um den Rücken des Heeres gegen einen Angriff Grouchys zu

decken, der in der That am Nachmittag auf Wavre heranzog. Die übrigen drei Korps nahmen den Marsch auf Chapelle St. Lambert- um 10 Uhr waren die Spitzen, um 1 Uhr die Hauptmasse der Armee dort auf den Höhen angelangt. Gegen 4 Uhr ließ Bülow seine Truppen wohl verdeckt in und hinter dem Walde von Frichemont antreten: erst wenn eine genügende

Macht zur Stelle war,

sollte der überraschende Vorstoß er­

In tiefem Schweigen rückten die Regimenter in ihre

folgen.

Stellungen ein-

die Generale hielten am Rande des Waldes

und verfolgten mit gespannten Blicken den Gang der Schlacht. Als einer der Offiziere meinte, der Feind werde nun wohl von -en Engländern ablassen, und um sich den Rückzug zu sichern,

feine Hauptmacht Gneisenau:

gegen

die Preußen werfen,

„Sie kennen Napoleon schlecht.

da

erwiderte

Er wird gerade

jetzt um jeden Preis die englische Schlachtlinie zu zersprengen

juchen und gegen uns nur das Notwendige verwenden." III. Und so geschah es.

Don Frichemont anlangten,

Noch ehe die Preußen bei dem Walde

zwischen 3 und 4 Uhr, hatte der

zweite große Angriff der Franzosen begonnen.

Ney sprengte

mit 14 Regimentern schwerer Reiterei auf der Westseite der Bandstraße gegen die Vierecke der englischen Garde und der

Division Alten im Zentrum heran.

Lange wogte der Kampf

unentschieden hin und her, aber das Fußvolk hielt unerschütter­ lich aus.

Endlich zurückgeworfen, zog Ney auch die Kavallerie

Kellermanns an sich,

so daß er jetzt '26 Reiterregimenter zu

erneutem Angriff heranführte,

die größte Reitermaffe, welche

dies kriegerische Zeitalter jemals an einer Stelle thätig gesehen chatte.

Der Boden dröhnte von dem Hufschlag von zehntausend

-Pferden, ein Wald von Säbeln und Lanzen bedeckte die Thal­ mulde, stundenlang schwankte das Gefecht, zehn-, zwölfmal ward

die Attake gegen einzelne Bataillone erneuert. Nochmals behielt die Standhaftigkeit des englischen und deutschen Fußvolks die Oberhand.

Auch

dieser Angriff schei­

terte, die Schwadronen begannen zu weichen.

Auf den anderen Teilen des Schlachtfeldes gestaltete sich unterdessen der Gang der Ereigniffe weit günstiger für Napoleon.

Die Division Quiot, die schon an dem großen Angriff Erlons

lellgenommen hatte, ging von neuem vor, bestürmte die Meierei von La Haye Samte, und bald ergoß sich der Strom der An­ greifer weiter bis Mont St. Jean.

Die Mitte der Schlacht-

Treitschke.

162 [IV]

linie Wellingtons ward durchbrochen.

stieg.

jutakten

Hilfe.

Wellingtons Besorgnis

Schon seit mehreren Stunden hatte er wiederholt Ad-

an Blücher

gesendet mit

der

dringenden Bitte um

Kalt und streng stand er unter seinen Offizieren,

Uhr in der Hand, und sagte: „Blücher oder die Nacht!" Napoleon' jetzt im Stande war,

seine Garde gegen

die

Wenn

den er­

schütterten linken Flügel der Engländer zu verwenden, so konnte ihm der Sieg nicht fehlen. In diesem verhängnisvollen Zeitpunkte begann der An­

griff der Preußen.

Bereits klang fern vom Osten her, beiden

Teilen vernehmlich, Kanonendonner nach dem Schlachtfeld hin­ über — die erste Kunde von dem Gefechte, das sich bei Wavre,

im Rücken der Blücher'schen Armee, Grouchh entspann.

von Frichemont mittags,'

der

zwischen Thielmann und

Um die nämliche Zeit fiel vor dem Walde erste Schuß.

Es

war J/2 5 Uhr Nach­

gerade fünf Stunden lang hatte die Armee Welling­

tons den Kampf allein aushalten müssen.

BLlowS Batterien

fuhren staffelförmig auf den Höhen vor dem Walde auf:

ein

einzig schönes Schauspiel, wie dann die Brigaden des vierten

Korps mit Trommelklang und fliegenden Fahnen nacheinander

aus dem Gehölz heraustraten uud zwischen den Batterien hin­ durch sich in die Ebene gegen Planeenoit hinabsenkten.

Gneisenau fühlte sich in seinem ewig jungen Herzen wie bezaubert von der wilden Poesie des Krieges und

unterließ

selbst in seinem amtlichen Schlachtberichte nicht zu schildern, wie

herrlich dieser Anblick gewesen sei. Der Held von Dennewitz leitete den Angriff mit be­ sonnener Kühnheit wie in den großen Zeiten der Nordarmee.

Gleich

im Beginne des Gefechtes

Schwerin,

derselbe,

fiel

der allbeliebte Oberst

der vor einem Jahre der Hauptstadt die

Siegesbotschaft gebracht hatte.

Das Korps Lobaus ward zu­

rückgedrängt, unaufhaltsam drangen die Preußen vorwärts auf

Planeenoit.

Die brandenburgischen Dragoner hieben auf die

Zurückweichenden ein, die Batterien des ersten Korps bestrichen weithin den rechten Flügel des Feindes, und bis in das fran­

zösische Zentrum hinein verbreitete

sich

schon

kunde, dort auf der Rechten sei alles verspielt.

die Schreckens­

Gegen sieben Uhr war die Schlacht für Napoleon un­

zweifelhaft verloren.

Durch einen rechtzeitigen Rückzug konnte

noch mindestens die Hälfte des Heeres gerettet werden.

IV.

Es ergab sich aber notwendig aus dem Charakter des Imperators, daß er diesen Ausweg verschmähte und noch einen

dritten

allgemeinen Angriff

versuchte — diesmal nach zwei

Er ließ um sieben Uhr die 24 Bataillone

Seiten zugleich.

behielt nur zwei als letzte Reserve

seiner Garde heranrufen,

zur Hand, sendete zwölf nach Plancenoit gegen Bülow. übrigen zehn sollte Ney

zu einem neuen Angriff gegen das

englische Zentrum führen.

Mit stürmischem Hochruf eilten die

Bataillone bei Belle-Alliance an dem Imperator vorüber: war ja ihr Handwerk,

Die

den Sieg zu entscheiden.

es

Sie tauchen

dann in die unheimliche Bodenmulde hinab, wo dichte Haufen von Leichen und Pferden den Todesweg der französischen Reiter

bezeichnen, stürmen unter Trommelschlag, unbekümmert um die über die Felder,

ersteigen

den Abhang dicht vor der Front der britischen Garde.

Droben

Geschosse der englischen Batterien,

liegen indessen

Maitlands

Grenadiere

im Grase verborgen.

Als die ersten Bärenmützen auf der Höhe

weithin Wellingtons

durchdringender Ruf:

erscheinen, schallt

„Auf,

Garden!

fertig!" und mit einem Male steigt dicht vor den Augen der

entsetzten Franzosen eine rote Mauer auf, die lange Linie der englischen

Garde,

eine furchtbare

Salve kracht

auf wenige

Schritte Entfernung in die Reihen der Angreifer^ hinein.

kurzes wütendes Handgemenge,

Ein

dann werden die Blauen von

den Roten mit dem Bajonett den Abhang hinuntergeschleudert.

Neys Pferd bricht, von einer Kugel getroffen, unter dem Reiter zusammen, und wie sie den Führer fallen sehen,

hie Garden zur Flucht.

wenden sich

Der aber macht sich von seinem Tiere

los, springt auf, versucht mit zornigen Rufen die Weichenden

zu halten.

Umsonst-

denn mittlerweile sind die übrigen Ba­

taillone weiter links zwischen zwei Feuer geraten und gehen' ebenfalls zurück.

Die Kaisergarde stiebt auseinander/

ihr un»

glücklicher Führer irrt barhaupt, mit zerbrochenem Degen, auf dem Schlachtfelde umher und sucht vergeblich die Kugel, die ihn von seiner Gewissensangst und seinen finstern Ahnungen er­ lösen soll. Indem hatte Blücher schon den Schlag geführt, der die Vernichtung des napoleonischen Heeres entschied. Die Truppen Bülows gingen in drei Kolonnen im Sturmschritt auf Plancenoit

vor»

In und neben dem Dorfe hielten jene zwölf frischen

Bataillone der Kaisergarde, und sie fochten mit dem höchsten Mute, denn alle fühlten, daß hier die Entscheidung des ganzen Krieges lag. Die anstürmenden Preußen sahen sich im freien Felde den Kugeln der Verteidiger, die in den Häusern und hinter den hohen Mauern des Kirchhofs verdeckt standen, schutz­ los preisgegeben. Dieser letzte Kampf ward fast der blutigste dieses wilden Zeitalters/ das Korps Bülows verlor in viertehalb Stunden 6353 Mann, mehr als ein Fünftel seines Be­ standes. Der erste und der zweite Sturm ward abgeschlagen > da führte Gneisenau selbst die schlesischen und pommerischen Regimenter zum dritten Male vorwärts, und jetzt, gegen 8 Uhr, drangen sie ein. Noch ein letzter wütender Widerstand in der Dorfgasse, dann entwich die Garde in wilder Flucht. Auf der ganzen Linie erklang in langgezogenen Tönen das schöne Signal der preußischen Flügelhörner: Avancieren! Zugleicher­ zeit ward weiter nördlich das Korps Lobaus von Bülows Truppen in der Front, von Zielens Reitern in der Flanke gepackt und völlig zersprengt. Die beiden Heerteile der Preußen, vereinigten sich hier/ der furchtbare Ring, der den rechten Flügel der Franzosen auf drei Seiten umklammern sollte, war geschlossen. Bon Norden drängten die Engländer, von Osten

und Süden die Preußen heran.

V. Die Geschlagenen ergriff ein wahnsinniger Schrecken. Kein Befehl fand mehr Gehör, jeder dachte nur noch an sein armes Leben. Fußvolk und Reiter wirr durcheinander, flohen aufgelösten Massen auf und neben der Landstraße südwärts/

die Troßknechte zerhieben die Stränge und sprengten hinweg, so daß die

240 Kanonen allesamt bis auf etwa 27 in die

Hände der Sieger fielen.

Selbst der Ruf:

L'Empereur!

der

sonst augenblicklich jeden Weg dem kaiserlichen Wagen geöffnet hatte, verlor heute seinen Zauber/ der kranke Napoleon mußte zu Pferde davonjagen, obgleich er sich kaum im Sattel halten

konnte.

Die Sonne war schon hinter dicken Wolken versunken,

als die beiden Feldherren vor dem Hofe von Belle-Alliance

zusammentrafen,' sie umarmten Vierziger und der

sich herzlich,

feurige Greis.

der bedachtsame

Nahebei hielt Gneisenau.

Endlich doch ein ganzer und voller Sieg!

Endlich doch eine

reine Vergeltung für allen Haß und alle Schmach jener ent­ setzlichen sieben Jahre!

Es sang und klang in seiner Seele,'

er dachte an das herrlichste der friederizianischen Schlachtfelder, das er einst von seiner schlesischen Garnison aus so oft durch­ ritten hatte.

„Ist es nicht gerade wie bei Leuthen?" sagte er

zu Bardeleben und sah ihn mit strahlenden Augen an.

wirklich,

Und

wie einst bei Leuthen bliesen jetzt die Trompeten das

Herr Gott, dich loben wir! und die Soldaten stimmten mit ein.

Aber Gneisenau dachte auch an die Schreckensnacht nach der Schlacht von Jena, da er die Todesangst eines geschlagenen Heeres, die dämonische Wirkung

mitangesehen.

einer nächtlichen Verfolgung

Noch gründlicher als einst an der Katzbach sollte

der Sieg ausgebeutet werden.

„Wir haben", rief er aus, „ge­

zeigt, wie man siegt, jetzt wollen wir zeigen, wie man verfolgt!" Er befahl Bardeleben, mit einer Batterie den Fliehenden auf

den Hacken zu bleiben, immer aufs Geratewohl in das Dunkel

der Nacht hineinzuschießen, Er selber nahm,

fände.

mit sich,

damit der Feind nirgends Ruhe was von Truppen zur Hand war,

brandenburgische Ulanen und Dragoner, Infanterie

vom 15. und 25. und vom 1. pommerischen Regimente. So brauste die wilde Jagd auf der Landstraße dahin/

nirgends hielten die Flüchtigen Stand.

Erst bei Genappe ver­

suchten die Trümmer der kaiserlichen Garde den Ulanen zu

widerstehen/ doch kaum erklang, gegen 11 Uhr, der Sturmmarsch

deS preußischen Fußvolks, so brachen sie auseinander.

General

166 [IV]

Trettschke.

Lobau und mehr als 2000 Mann gerieten hier in Gefangen­ schaft- auch der Wagen Napoleons mit seinem Hut und Degen ward erbeutet. Welche Überraschung, als man die Sitzkissen

aufhob:

der

große Abenteurer

hatte

sich

die Mittel sichern

wollen für den Fall der Flucht, den Wagen über und über

mit Gold und Edelsteinen angefüllt.

Die armen pommerischen Bauerburschen standen vor dem Glanze fast ebenso ratlos wie einst die Schweizer bei Nancy vor dem Juwelenschatze des Burgunderherzogs.

Mancher ver­

kaufte einen kostbaren Stein für wenige Groschen.

Das präch^-

tige Silbergeschirr des Imperators behielten die Offiziere der Fünfundzwanziger und schenkten

der Lieblingstochter ihres

es

Königs als Tafelschmuck. Gneisenau aber und Prinz Wilhelm (der Ältere) ritten nach kurzem Verschnaufen rastlos weiter. Als sein Fußvolk nicht mehr weiter konnte, ließ Gneisenau einen Trommler auf ein Beutepferd aufsitzen-

der mußte schlagen,

was das Kalbfell aushalten wollte, und weiter ging es mit den Wie viele Scharen der Franzosen sind

Ulanen allein.

dann

noch vor dem Klange dieser einzigen Trommel auseinander ge­

laufen !

Die Straße war übersäet mit Waffen, Tornistern und

allerhand Getrümmer.

schöpften Verfolger ein.

Nach Sonnenaufgang hielten

die er­

Sie hatten die Zerrüttung des feind­

lichen Heeres so bis zur völligen Auflösung gesteigert, daß sich von den Kämpfern von Belle-Alliance nur 10 000 Mann, lauter

ungeordnete Haufen, nachher in Paris wieder zusammen fanden.

Mit stolzen Worten dankte Blücher dem unübertrefflichen Heere, das ermöglicht habe, was alle großen Feldherren bisher für unmöglich gehalten hätten: „So lange es beschichte giebt, wird

sie euer gedenken.

Auf euch, ihr unerschütterlichen Säulen der

preußischen Monarchie, ruht mit Sicherheit das Glück eures Königs

und

seines Hauses.

Nie

wird Preußen untergehen,

wenn eure Söhne und Enkel euch gleichen!"

sagte befriedigt:

Gneisenau aber

„Die Franzosen ahnen nicht bloß, sie wissen

jetzt, daß wir ihnen überlegen sind."

Wilhelm Oncken

(geboren 1838).

44. Bismarcks siebzigster Geburtstag. Die große Nationalfeier, die am 1. April 1885 zu Ehren

des Fürsten Bismarck stattfand,

des siebzigsten Geburtstags

ward von dem Kaiser selbst in wahrhaft kaiserlicher Weise et«

Pünktlich um elf Uhr erschien Seine Majestät, gefolgt

öffnet.

von dem Kronprinzen und den andern hier anwesenden Prinzen in

dem Reichskanzlerpalais

An

der Wilhelmstraße.

in

Treppe empfing Fürst Bismarck seinen erlauchten Besuch.

herzlichen,

der

In

gerührten und rührenden Worten brachte ihm der

Kaiser seine Glückwünsche dar.

Dann geleitete Fürst Bismarck

die Herrschaften nach dem Saale,

wo das von der kaiserlichen

Familie gewidmete Geburtstagsgeschenk: Die Kaiserproklamation in Versailles, Gemälde von Anton v. Werner,

stand.

noch

verhüllt

Die ganze Familie Bismarck war in dem Zimmer ver­

Die drei Enkel des Fürsten standen in anmutiger

sammelt.

Der Kaiser schob die Verhüllung zurück und be­

Gruppe da.

gann eine kleine Ansprache,

die Dienste,

worin er den Fürsten dankte für

die er ihm geleistet.

seine Stimme.

Da erstickte die Rührung

Fürst Bismarck faßte

und bückte sich tief,

die Hand

um sie zu küssen,

des Kaisers

da zog ihn der Kaiser

an sich und küßte ihn auf beide Wangen und die Stirne,- bei­ den glänzten Thränen in den Augen. war tief bewegt.

Dann trat

Die ganze Versammlung

der Kronprinz an den Reichs­

kanzler heran urid beglückwünschte ihn seinerseits auf das herz­ lichste.

Die Gedanken und Empfindungen aber, die den Kaiser

bei dieser Begegnung erfüllten, las die Nation in dem wunder­ bar schönen Briefe, der wörtlich lautete:

Berlin, 1. April 1885.

Mein lieber Fürst!

Wenn sich

in dem deutschen Lande und Volke das warme Verlangen zeigt, Ihnen bei der Feier Ihres 70. Geburtstages zu bethätigen, daß die

Erinnerung an alles, was Sie für die Größe des Vaterlandes gethan haben, in so vielen Dankbaren lebt, so ist es mir ein

Grimm.

Oncken.

168 [IV]

tiefgefühltes Bedürfnis, Ihnen heute auszusprechen, wie hoch es

mich erfreut,

daß solcher Zug des Dankes und der Verehrung

für Sie durch die Nation geht.

Es freut mich das für Sie

als wahrlich im höchsten Maße verdiente Anerkennung, und es erwärmt

mir das Herz,

daß

solche Gesinnungen

großer Verbreitung kund thun,'

der Gegenwart,

sich

in

so

denn es ziert die Nation in

und es stärkt die Hoffnung auf die Zukunft,

wenn sie Erkenntnis für

das Wahre

und Große

zeigt, und

wenn sie ihre hochverdienten Männer feiert und ehrt.

An

solcher Feier

teilzunehmen,

ist

und

mir

meinem

Hause eine besondere Freude, und wünschen wir Ihnen durch beifolgendes Bild auszudrücken, mit welchen Empfindungen dank­ barer Erinnerung wir dies thun- denn dasselbe vergegenwärtigt einen der größten Momente der Geschichte des Hohenzollern-

hauses, dessen niemals gedacht werden kann, ohne sich zugleich auch Ihrer Verdienste zu erinnern.

Sie, mein lieber Fürst, wissen, wie in mir jederzeit das vollste Vertrauen, die aufrichtigste Zuneigung und das wärmste

Dankgefühl für Sie leben wird! diesem nichts,

Ihnen sage ich daher mit

was ich Ihnen nicht oft genug ausgesprochen

habe, und ich denke, daß dieses Bild noch Ihren späten Nach­

kommen vor Augen stellen wird,

daß Ihr Kaiser und König

und sein Haus sich dessen wohl bewußt waren, was wir Ihnen zu

danken haben!

Mit diesen

Gesinnungen

und Gefühlen

endige ich diese Zeilen als über das Grab hinausdauernd Ihr dankbar treu ergebener Kaiser und König Wilhelm.

Litteraturgeschichte und Kunstgeschichte.

Die Brüder Jakob Grimm (1785—1863) und Wilhelm Grimm (1786—1859).

45. Das Märchen. Wir finden es wohl, wenn von Sturm und anderem Un­

glück,

das der Himmel schickt, eine ganze Saat zu Boden ge-

Grimm.

Oncken.

168 [IV]

tiefgefühltes Bedürfnis, Ihnen heute auszusprechen, wie hoch es

mich erfreut,

daß solcher Zug des Dankes und der Verehrung

für Sie durch die Nation geht.

Es freut mich das für Sie

als wahrlich im höchsten Maße verdiente Anerkennung, und es erwärmt

mir das Herz,

daß

solche Gesinnungen

großer Verbreitung kund thun,'

der Gegenwart,

sich

in

so

denn es ziert die Nation in

und es stärkt die Hoffnung auf die Zukunft,

wenn sie Erkenntnis für

das Wahre

und Große

zeigt, und

wenn sie ihre hochverdienten Männer feiert und ehrt.

An

solcher Feier

teilzunehmen,

ist

und

mir

meinem

Hause eine besondere Freude, und wünschen wir Ihnen durch beifolgendes Bild auszudrücken, mit welchen Empfindungen dank­ barer Erinnerung wir dies thun- denn dasselbe vergegenwärtigt einen der größten Momente der Geschichte des Hohenzollern-

hauses, dessen niemals gedacht werden kann, ohne sich zugleich auch Ihrer Verdienste zu erinnern.

Sie, mein lieber Fürst, wissen, wie in mir jederzeit das vollste Vertrauen, die aufrichtigste Zuneigung und das wärmste

Dankgefühl für Sie leben wird! diesem nichts,

Ihnen sage ich daher mit

was ich Ihnen nicht oft genug ausgesprochen

habe, und ich denke, daß dieses Bild noch Ihren späten Nach­

kommen vor Augen stellen wird,

daß Ihr Kaiser und König

und sein Haus sich dessen wohl bewußt waren, was wir Ihnen zu

danken haben!

Mit diesen

Gesinnungen

und Gefühlen

endige ich diese Zeilen als über das Grab hinausdauernd Ihr dankbar treu ergebener Kaiser und König Wilhelm.

Litteraturgeschichte und Kunstgeschichte.

Die Brüder Jakob Grimm (1785—1863) und Wilhelm Grimm (1786—1859).

45. Das Märchen. Wir finden es wohl, wenn von Sturm und anderem Un­

glück,

das der Himmel schickt, eine ganze Saat zu Boden ge-

schlagen wird,

daß noch bei niedrigen Hecken oder Sträuchen,

die am Wege stehen, ein kleiner Platz sich gesichert hat und eiyzelne Ähren aufrecht geblieben sind. Scheint dann die Sonne wieder günstig,

so

wachsen sie einsam und unbeachtet fort:

keine frühe Sichel schneidet sie für die großen Vorratskammern, aber im Spätsommer, wenn sie reif und voll geworden, kommen arme Hände, die sie suchen, und Ähre an Ähre gelegt, sorg­ fältig gebunden und höher geachtet,

als sonst ganze Garben,

werden sie heim getragen, und winterlang sind sie Nahrung,

vielleicht auch der einzige Samen für die Zukunft.

So ist es uns vorgekommen, wenn wir gesehen haben, wie von so vielem, was in früherer Zeit geblüht hat, nichts mehr übrig geblieben,

verloren war,

selbst die Erinnerung daran fast ganz

als unter dem Volke Lieder,

ein paar Bücher,

Sagen und diese unschuldigen Hausmärchen.

Ofen,

Die Plätze am

der Küchenherd, Bodentreppen, Feiertage noch gefeiert,

Triften und Wälder in ihrer Stille, vor allem die ungetrübte

die sie gesichert und einer

Phantasie sind die Hecken gewesen,

Zeit aus der anderen überliefert haben.

Wir wollen diese Märchen nicht rühmen oder gar gegen eine entgegengesetzte Meinung verteidigen: reicht hin,

sie zu schützen.

wieder von neuem erfreut,

Was

ihr bloßes Dasein

so mannigfach und immer

bewegt und belehrt hat, das trägt

seine Notwendigkeit in sich und ist gewiß aus jener ewigen Quelle gekommen,

die alles Leben betaut,

und wenn es auch

nur ein einziger Tropfen wäre, den ein kleines, zusammenge-

haltcnes Blatt gefaßt hat,

so schimmert er doch in dem ersten

Morgenrot.

Darum geht innerlich durch diese Dichtungen jene Reinheit,

um derentwillen uns Kinder so wunderbar und selig erscheinen: sie haben gleichsam dieselben blaulichweißen, makellosen, glänzen­

den Augen,

die nicht mehr wachsen können, während die an­

deren Glieder noch zart, schwach und zum Dienste der Erde

ungeschickt sind.

Das ist der Grund, warum wir durch unsre

Sammlung nicht bloß der Geschichte der Poesie und Mytho­

logie einen Dienst erweisen wollten,

sondern es zugleich Ab-

170 [IVJ

Grimm.

sicht war, daß die Poesie selbst,

die darin lebendig ist, wirke

und erfreue, wen sie erfreuen kann, also auch, daß es als ein Erziehungsbuch diene.

46. Die Sage. Es wird dem Menschen von Heimatswegen ein guter Engel beigegeben,

der ihn, wenn er ins Leben auszieht, unter der

vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet/ wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen,

wenn er die Grenze des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt.

Diese wohlthätige Begleitung ist das unerschöpfliche

Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen frischen und

belebenden Geist nahe zu bringen streben.

eigenen Kreis.

Jedes hat

Das Märchen ist poetischer,

seinen

die Sage histori­

scher/ jenes stehet beinahe nur in sich selber fest, in seiner an­

geborenen Blüte und Vollendung/

die Sage,

von einer ge­

ringeren Mannigfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem hafte, an einem

Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen.

Aus

dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich dem Märchen,

überall zu Hause sein könne,

sondern irgend eine Bedingung

voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvoll­

kommener vorhanden sein würde.

Kaum ein Flecken wird sich

in ganz Deutschland finden, wo es nicht ausführliche Märchen

zu hören gäbe, manche, an denen die Bolkssagen nur dünn und sparsam gesät zu sein pflegen.

und Unbedeutendheit zugegeben,

weit eigentümlicher/

Diese anscheinende Dürftigkeit

sind sie dafür innerlich auch

sie gleichen den Mundarten der Sprache,

in denen hin und wieder sonderbare Wörter und Bilder aus

uralten Zeiten hangen geblieben

sind, während

die Märchen

ein ganzes Stück alter Dichtung so zu sagen in einem Zuge zu uns übersetzen.

Die Märchen nähren unmittelbar,

wie die Milch, mild

und lieblich, oder der Honig, süß und sättigend, ohne irdische

Schwere/ dahingegen die Sagen schon zu einer stärkeren Speise

170 [IVJ

Grimm.

sicht war, daß die Poesie selbst,

die darin lebendig ist, wirke

und erfreue, wen sie erfreuen kann, also auch, daß es als ein Erziehungsbuch diene.

46. Die Sage. Es wird dem Menschen von Heimatswegen ein guter Engel beigegeben,

der ihn, wenn er ins Leben auszieht, unter der

vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet/ wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen,

wenn er die Grenze des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt.

Diese wohlthätige Begleitung ist das unerschöpfliche

Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen frischen und

belebenden Geist nahe zu bringen streben.

eigenen Kreis.

Jedes hat

Das Märchen ist poetischer,

seinen

die Sage histori­

scher/ jenes stehet beinahe nur in sich selber fest, in seiner an­

geborenen Blüte und Vollendung/

die Sage,

von einer ge­

ringeren Mannigfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem hafte, an einem

Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen.

Aus

dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich dem Märchen,

überall zu Hause sein könne,

sondern irgend eine Bedingung

voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvoll­

kommener vorhanden sein würde.

Kaum ein Flecken wird sich

in ganz Deutschland finden, wo es nicht ausführliche Märchen

zu hören gäbe, manche, an denen die Bolkssagen nur dünn und sparsam gesät zu sein pflegen.

und Unbedeutendheit zugegeben,

weit eigentümlicher/

Diese anscheinende Dürftigkeit

sind sie dafür innerlich auch

sie gleichen den Mundarten der Sprache,

in denen hin und wieder sonderbare Wörter und Bilder aus

uralten Zeiten hangen geblieben

sind, während

die Märchen

ein ganzes Stück alter Dichtung so zu sagen in einem Zuge zu uns übersetzen.

Die Märchen nähren unmittelbar,

wie die Milch, mild

und lieblich, oder der Honig, süß und sättigend, ohne irdische

Schwere/ dahingegen die Sagen schon zu einer stärkeren Speise

dienen,

eine einfachere, aber desto entschiedenere Farbe tragen

und mehr Ernst und Nachdenken fordern.

Der Geschichte stellen

sich beide, das Märchen und die Sage, gegenüber, insofern sie

das sinnlich Natürliche und Begreifliche stets mit dem Unbegreif­

lichen mischen.

glauben

Die Kinder

an

die Wirklichkeit der

Märchen, aber auch das Volk hat noch nicht ganz aufgehört, an seine Sagen zu glauben,

viel darin-

und sein Verstand sondert nicht

sie werden ihm aus den angegebenen Unterlagen

genug bewiesen, d. h. das unleugbar nahe und sichtliche Dasein der letzteren überwiegt noch den Zweifel über das damit ver­

knüpfte Wunder.

Um alles menschlichen Sinnen Ungewöhnliche, Natur eines Landstrichs besitzt,

was die

oder wessen ihn die Geschichte

gemahnt, sammelt sich ein Duft von Sage und Lied, wie sich

die Ferne des Himmels blau anläßt und zarter, feiner Staub um Obst und Blumen

Zusammenwohnen

setzt.

mit Felsen,

Aus

dem Zusammenleben und

Seen,

Trümmern,

Bäumen,

Pflanzen entspringt bald eine Art von Verbindung, die sich auf die Eigentümlichkeit jedes dieser Gegenstände gründet und zu

gewissen Stunden ihre Wunder zu vernehmen

berechtigt

ist.

Wie mächtig dies dadurch entstehende Band sei, zeigt an natür­ lichen Menschen jenes herzzerreißende Heimweh.

Ohne diese sie

begleitende Poesie müßten edele Völker vertrauern und

ver­

gehen- Sprache, Sitte und Gewohnheit würde ihnen eitel und

unbedeckt dünken, ja, hinter allem, was sie besäßen, eine ge­ wisse Einfriedigung fehlen.

Auf solche Weise verstehen wir das

Wesen und die Tugend der deutschen Volkssage,

welche Angst

und Warnung vor dem Bösen und Freude an dem Guten mit gleichen Händen austeilt. Noch geht sie an Örter und Stellen,

die unsere Geschichte längst nicht mehr erreichen kann,

vielmal

aber fließen sie beide zusammen und untereinander- nur daß

man zuweilen die an sich untrennbar gewordene Sage, wie in Strömen

das

aufgenommene

grünere Wasser

Flusses, noch lange zu erkennen vermag.

eines

andern

172 [IV]

Grimm.

47. Goethe und Schiller. (Aus Jakob Grimms Rede auf Schiller.) Längst waren uns Sprache und Dichtkunst

frühen Vorzeit ausgestorben,

der eignen

und nur Trümmer.sind

davon

übrig geblieben, die lebensvollen Gedichte des Mittelalters drückte

träge Vergessenheit-

als endlich der Staub wieder von ihnen

abgeschüttelt wurde,

vermochten sie nicht mehr warm an das

Volk zu treten, aus dessen Augen das Bild einer großen, ein­ heimischen Poesie entschwunden gewesen wäre,

hätten es nicht

plötzlich zwei fast unmittelbar am Horizont des vorigen Jahr­

aufleuchtende Gestirne hergcstellt und unsern Stolz

hunderts

von neuem emporgerichtet.

Ohne

sie

hätte

unsere Litteratur

doch nur niedere Stufen einnehmen können, durch sie ist sie zu

den höchsten erhoben worden.

Nach langem Ausruhen brachte

die Natur diese beiden Genien hervor,

deren Glanz sich über

die Grenzen ihres Vaterlandes, über das gesamte Europa aus­ breitet,

das ihnen nichts mehr an die Seite zu stellen hat-

ihre Werke sind bereits vorgedrungen in alle Sprachen,

denen

heute die Macht lebendiger, ausgebildeter Rede beiwohnt.

Was

Goethe und Schiller stehen sich so nahe auf

braucht es mehr?

der erhabenen Stelle,

die sie einnehmen,

wie im Leben selbst,

das sie eng und unauflöslich zusammen verband, daß unmöglich fiele, in der Betrachtung sie voneinander zu trennen.

Zwar

geht Goethe an Alter seinem Genoß um zehn Jahre voraus und überlebte den zu früh Geschiedenen noch zwanzig Jahre hin.

Nachdem,

sich nicht näher

wie zu geschehen pflegt,

getreten

und

fast

aus

sie erst eine zeitlang

dem Wege

gewichen

waren, wurde ihr Beisammensein wiederum ein volles Jahrzehnt

desto vertrauter und gewissermaßen sich bedingend.

anfangs Schillers

treibende Kraft

gemieden,

Hatte Goethe

dieser

in jenes

Ruhe sich nicht gleich finden können, so äußerten nachher beide,

in ergiebigster Fruchtbarkeit ihrer Werke begriffen, wechselsweise förderlichen, für unsere Litteratur den heilsamsten Einfluß auf­

einander.

In vielem einverstanden oder auch sich verständigend,

wandelte jeder von ihnen seine eigne Bahn,

und je sichtbarer

172 [IV]

Grimm.

47. Goethe und Schiller. (Aus Jakob Grimms Rede auf Schiller.) Längst waren uns Sprache und Dichtkunst

frühen Vorzeit ausgestorben,

der eignen

und nur Trümmer.sind

davon

übrig geblieben, die lebensvollen Gedichte des Mittelalters drückte

träge Vergessenheit-

als endlich der Staub wieder von ihnen

abgeschüttelt wurde,

vermochten sie nicht mehr warm an das

Volk zu treten, aus dessen Augen das Bild einer großen, ein­ heimischen Poesie entschwunden gewesen wäre,

hätten es nicht

plötzlich zwei fast unmittelbar am Horizont des vorigen Jahr­

aufleuchtende Gestirne hergcstellt und unsern Stolz

hunderts

von neuem emporgerichtet.

Ohne

sie

hätte

unsere Litteratur

doch nur niedere Stufen einnehmen können, durch sie ist sie zu

den höchsten erhoben worden.

Nach langem Ausruhen brachte

die Natur diese beiden Genien hervor,

deren Glanz sich über

die Grenzen ihres Vaterlandes, über das gesamte Europa aus­ breitet,

das ihnen nichts mehr an die Seite zu stellen hat-

ihre Werke sind bereits vorgedrungen in alle Sprachen,

denen

heute die Macht lebendiger, ausgebildeter Rede beiwohnt.

Was

Goethe und Schiller stehen sich so nahe auf

braucht es mehr?

der erhabenen Stelle,

die sie einnehmen,

wie im Leben selbst,

das sie eng und unauflöslich zusammen verband, daß unmöglich fiele, in der Betrachtung sie voneinander zu trennen.

Zwar

geht Goethe an Alter seinem Genoß um zehn Jahre voraus und überlebte den zu früh Geschiedenen noch zwanzig Jahre hin.

Nachdem,

sich nicht näher

wie zu geschehen pflegt,

getreten

und

fast

aus

sie erst eine zeitlang

dem Wege

gewichen

waren, wurde ihr Beisammensein wiederum ein volles Jahrzehnt

desto vertrauter und gewissermaßen sich bedingend.

anfangs Schillers

treibende Kraft

gemieden,

Hatte Goethe

dieser

in jenes

Ruhe sich nicht gleich finden können, so äußerten nachher beide,

in ergiebigster Fruchtbarkeit ihrer Werke begriffen, wechselsweise förderlichen, für unsere Litteratur den heilsamsten Einfluß auf­

einander.

In vielem einverstanden oder auch sich verständigend,

wandelte jeder von ihnen seine eigne Bahn,

und je sichtbarer

diese abwichen, desto mehr ist ihnen gelungen, sich auf das Er­ freulichste auszufüllen und zu ergänzen.

Ohne Zweifel äußern Landesart und in frühen Jugend­

jahren eingesogne, um nicht zu sagen angeborne Gewöhnungen

in dem übrigen Leben unauslöschliche Wirkung-

deshalb liegt

es für die nähere Beleuchtung der Eigentümlichkeit beider Dichter

nicht

ab,

von

einem

landschaftlichen

Unterschied

auszugehn.

Riehl in seinem schönen Buche von den Pfälzern, in welchen er fränkisches und alemannisches Blut, doch mit Vorgewicht des

ersten, gemischt findet und absondert, hat den heutigen Franken für rührig, geschmeidig, lebensklug erklärt, den Alemannen, von

Schwaben bis in die Schweiz hinein, für stolz, trotzig, grübelnd, demokratisch.

Nun erscheint uns auch Schiller ein empfind­

samer, phantasiereicher, freidenkender Schwab, Goethe ein Franke, mild,

gemessen,

heiter,

strebsam,

der tiefsten Bildung offen.

Man darf weiter gehen und diese Beiwörter zunächst noch in andere ihnen entsprechende oder verwandte umsetzen- jenen sehen

wir dem sentimentalen,

dramatischen Element,

diesen hingegen

dem naiven und epischen zugewandt, Schiller wird idealistisch,

Goethe realistisch gesinnt, Schiller farbiger, Goethe einfacher heißen dürfen, und sollte hier einmal eine Ähnlichkeit aus unsrer

älteren Poesie

würde

anschlagen, so

sich Goethes kristallene

Klarheit mit Gottfriede von Straßburg, Schillers geistiger Auf­

flug mit dem Wolframs von Eschenbach wohl vergleichen lassen. Bedeutsam aber und aufs Glücklichste vermittelnd war,

daß

sie beide nach Thüringen gezogen wurden und in diesem, mehr als sonst ein andres deutsches, Lande ihr Leben zubrachten,

freundlichen und anmutenden

gerade wie schon im Mittelalter

der thüringische Hof deutsche Sänger aller Gegenden um sich

versammelt, in Schutz und Pflege genommen hatte.

August Hagen (1797—1880). Die Singeschule der Nürnberger Meistersinger.

48.

[In dem Buche Norica, d. h. Nürnberger Geschichten, lätzt der Berfaffer den Kaufmann Jakob Heller aus Frankfurt a. M., in dessen Auftrag Albrecht Dürer ein berühmtes Heiligenbild gemalt hat, seine Erlebnisse auf einer Reise nach Nürnberg erzählen, um das Jahr 1518. Unter anderm berichtet er Folgendes]:

Ich ging in meiner Stube auf und ab, indem ich auf das Ich sah durch das Fenster und erblickte ein

Frühstück wartete.

Seil, das von St. Sebald nach dem Rathause gezogen war und

woran mitten ein gemaltes Schild hing. Alle Mühe, die ich mir gab, die Figuren darauf zu erkennen, war vergeblich, und

ich war im Begriff, zum Schenkwirt hinunter zu gehn und mir Bescheid zu holen. Peter Vischer,

In demselben Augenblick trat in mein Zimmer

der jüngere.

Er begrüßte

mich und meldete

mir, daß heute dem Kaiser zu Ehren eine Festschule gehalten

Ich sah ihn stutzig an, dann aber erinnerte ich mich,

würde.

daß

der

Peter Vischer

holdseligen Meistersingerkunst

beflissen

wäre, und ich wußte mir seine Worte zu erklären und zugleich, was es mit dem Aufhängen der Tafel für ein Bewenden hätte.

Peter erzählte mir,

lichen

Festen

teil

daß durch das Schild alle, nähmen,

zu

der

die an erbau­

Singeschule eingeladen

würden.

Unterdes war das Frühstück hereingetragen, und Bischer

ließ es sich gefallen,

dasselbe mit mir zu teilen.

Er erzählte

mir über die Entstehung und das Wesen der Meistersingerkunst gar vieles, dem ich gern ein aufmerksames Ohr lieh:

„Der

Meistersinger

hohe

Schule ist

Mainz,

Töchterschulen sind Nürnberg und Straßburg.

und

berg ward seit lange die holdselige Kunst besser gepflegt, irgendwo.

Wie

vor

fünfzig Jahren

der

die

Aber in Nürn­

als

Briefmaler Hans

Rosenplüt und der Barbier Hans Folz berühmt war, so jetzt der Leineweber Leonhard

Nunnenbeck und

vor

allen

dessen

Schüler, Hans Sachs, der Schuhmacher." — „Was haben jene

Figuren auf der Tafel zu bedeuten?" fragte ich ihn.

Tafel",

erwiderte er,

„Auf der

„seht Ihr oben ein Wappen mit einer

Krone, das ist der Meistersinger Wappen, und darunter zwölf Männer,

die

einen Garten

bestellen,

wildes Tier zunichte macht. berühmten Sänger,

deren Mühe aber ein

Die zwölf Männer sind die zwölf

die die erste Singeschule einrichteten,

und

das wilde Tier ist der Neid, der von außenher, und die Zwie­ tracht, die von innenher ihrem Gedeihen schadet.

Beruf

durchdrungen,

sangen

die

zwölf

Vom heiligen

Männer

die

Lieder,

Gott wohlgefällig waren und den Menschen angenehm.

Der

Kaiser Otto der Große, erlauchten Andenkens, bestätigte ihren Bund und

schenkte ihnen ein Wappen mit der Krone.

Sie

unterrichteten Jünglinge, und die Schüler wurden wieder Meister und so bis auf unsere Zeit.

Wer die Kunst erlernen will, der

geht zu einem Meister, der wenigstens einmal in der Singehalle

den Preis gewonnen hat, und dieser unterweist ihn unentgclb lich.

Er weiht ihn ein in die Geheimnisse der Tabulatur,

nennen wir die Gesetze der Dichtkunst.

begriffen,

so

Hat der Lehrling diese

so bittet er die Gesellschaft um seine Aufnahme,

er von löblichen Sitten sei und guten Willen zeige.

da

Der Auf­

genommene muß alsdann den Singestuhl in der Kirche besteigen und eine Probe seiner Kunst ablegen. wird sein Wunsch gewährt.

Gelingt sie ihm,

so

Feierlich gelobt er, der Kunst stets

treu zu sein, die Ehre der Gesellschaft wahrzunehmen, sich stets

friedlich zu betragen und kein Meisterlied durch Absingen auf der Gasse zu entweihen.

Dann zahlt er das Einschreibegeld und

giebt zwei Maß Wein zum besten.

Bei den gewöhnlichen Ver­

sammlungen der Meistersinger, und wenn sie sich in der Schenke zusammenfinden,

sind weltliche Lieder wohl erlaubt,

in den Festschulen.

nie aber

Die Festschulen finden dreimal im Jahre

statt, zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten in der Katharinen­ kirche.

Hier werden nur Gedichte vorgetragen,

deren Inhalt

aus der Bibel oder den heiligen Sagen geschöpft ist.

Wer am

fehlerfreisten singt, wird hier mit einer goldenen Kette geschmückt,

und mit einem Kranze, wer nach ihm am besten besteht.

grybe Fehler dagegen nachgewiesen werden, Hessel, Lesebuch IV.

Prosa.

Wem

der muß es durch 12

So fließt das Leben der Meistersinger unter

Strafgeld büßen.

erbaulichen Gesängen hin,

Kreise abgerufen wird,

einer aus dem frohen

und wenn

so versammeln sich seine Genossen um

sein Grab und singen ihm das letzte Lied." Da jetzt die Ratsuhr schlug, hatte

gemeint,

er würde

mich

Allein Vischer versprach mir,

so brach Vischer auf.

zur Katharinenkirche

um eine Stunde zurückzukehren,

da er erst andere Tracht anlegen müsse.

Er hielt Wort und

erschien jetzt ganz in schwarze Seide gehüllt,

schmackvollen Baret.

Ich

führen.

mit einem

ge­

Um das Fehlgehn hatte es keine Not, da

man nur dem Zuge der Menschen zu folgen brauchte, die alle nach der Festschule strömten.

leins hielt der Kirchner zu

Am Eingänge des kleinen Kirch­

einem Trinkgelde die Mütze

auf.

Das geschah darum, daß nicht alles Gesindel sich hineindrängte

und ehrliche Leute um die Erbauung brächte. Die Kirche war im Innern schön aufgeputzt,

und vom

Chor, den der Kaiser einnehmen sollte, hing eine kostbare Pur­ purdecke herab.

Gar feierlich nahm sich der Verein der edlen

Meistersinger aus, so umher auf den Bänken saßen, teils lang­

bärtige Greise, die aber noch alle rüstig erschienen, teils glatte

Jünglinge, die aber alle so still und ernst waren- als wenn sie Alle prangten

zu den sieben Weisen Griechenlands gehörten.

in Seidengewändern grün, falteten Spitzenkragen.

befand

sich

blau und

Unter den stattlich gekleideten Meistern

auch Hans Sachs

und

Größere Ruhe herrscht nicht beim Vischer sprachen,

schwarz mit zierlich ge­ sein Lehrer Nunnenbeck.

Nur ich

Hochamte.

der mir alles erklären mußte.

Kanzel befand sich der Singestuhl.

und

Neben der

Nur kleiner war er, sonst

wie eine Kanzel, den die Meistersinger auf ihre Kosten hatten bauen lassen, und der heute mit einem bunten Teppich geschmückt war.

Vorne im Chor sah man ein niedriges Gerüst aufge­

schlagen, worauf ein Tisch und ein Pult stand.

Dies war das

Gemerke, denn hier hatten diejenigen einen Platz, die die Fehler anmerken mußten, welche die Sänger in der Form, gegen die

Gesetze der Tabulatur, und im Inhalt,

gegen die Erzählung

der Bibel und der Heiligengeschichten begingen.

Diese Leute

hietzen Merker, und ihrer gab es drei.

Obgleich das Gemerk

mit schwarzen Vorhängen umzogen war, so konnte ich doch von meinem Sitz^ aus alles beobachten, was hier vorging, und ich sah an der einen Seite des Gerüstes die goldene Kette mit

vielen Schaustücken hangen, die der Davidsgewinner hieß, und

Len Kranz, der aus seidenen Blumen bestand. Jetzt rasselte es vor dem Eingänge, und der Kaiser Maxi­

milian mit dem ganzen Gefolge erschien

und zeigte sich

gnädig, indem er milde vom Chor hernieder sah.

gar

Aber er ver­

weilte nicht lange, denn ihm schien die holdselige Singekunst nicht smderlich zu behagen. Als der Kaiser sich zeigte, so geriet alles in lebhafte Be­

wegung.

Ein greiser Meister betrat den Singestuhl, und vom

Gemerkt

erscholl

das Wort:

Fanget an!

Es

war Konrad

Nachtigall, ein Schlosser, der so sehnsüchtig und klagend sang,

Laß er seinen Namen wohl mit Recht

führte.

Vom

himm­

lischen Jerusalem und von der Gründung des neuen sagte er viel Schönes in gar künstlichen Reimen und Redensarten.

dem Gemerke sah

wie

ich,

einer

der Meister

in

Auf

der Bibel

nachlas, der andere an den Fingern die Silben abzählte und -er dritte aufschrieb, zuflüsterten.

was diese beiden ihm von Zeit zu Zeit

Aber auch die Meister unten waren aufmerksam

nnd in stiller Thätigkeit.

Alle trieben mit den Fingern ein

närrisches Spiel, um genau die Versmaße wahrzunehmen.

An

ihrem Kopfschütteln erkannte ich, daß der Sprecher hie und da

ein Versehen begangen.

Nach dem Meister Nachtigall kam die

Reihe an einen Jüngling,

Fritz Kothner, einen Glockengießer,

der hatte die Schöpfungsgeschichte zum Gegenstand seines Gebichtes

gewählt.

baß es gut war.

Aber

hier

hieß

es

nicht:

Und Gott sahe,

Denn der Arme war verlegen,

es wollte

nicht gehn, und ein Merker hieß ihm, den Singestuhl zu ver­ laffen.

Der Meister hat versungen, raunte mir Vischer zu,

und da ich ihn fragte,

warum man ihn nicht hätte sein Stück

zu Ende bringen lassen, so erklärte er mir, daß er ein Laster

begangen.

Mit diesem Namen belegten nämlich

der Tabulatur einen Verstoß gegen

die Reime.

die Kenner

Dergleichen

Hagen.

178 [IV]

wunderliche Benennungen für Fehler gab es viele,

als blinde

Die Be­

Meinung, Klebsilbe, Stutze, Milbe, falsche Blumen.

zeichnungen der verschiedenen Tonweisen waren gar absonder­ lich,

als die Schwarz-Tintenweise,

weise,

die

Cupidinis

die abgeschiedene Vielfraß-

Handbogen-Weise.

der Hageblüt-

In

Weise ließ sich jetzt vom Singestuhl herab Leonhard Nunnen-deck vernehmen, ein ehrwürdiger Greis im schwarzen Gewände. Sein Kopf war glatt,

wie meine innere Hand,

Kinn schmückte ein schneeweißer Bart.

und nur das-

Alles bewunderte ihn^.

wie er gemäß der Apokalypse den Herrn beschrieb, Stuhl der Löwe, der Stier, der Adler und

an dessen.

der Engel ihm

Preis und Ehre und Dank gaben, der da thronet und lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit, wie die vier und zwanzig Ältesten, ihre Krone vor den Stuhl niederlegten und Preis und Ehre

und Dank ihm

gaben,

durch

dessen Willen

alle Dinge

ihr-

Wesen haben und geschaffen sind, und wie sie ihre Kleider hell gemacht haben im Blute des Lammes, wie die Engel, die um den Stuhl, um die Ältesten und um die vier Tiere standen^

auf ihr Angesicht niederfielen und Gott anbeteten. Als Nunnenbeck endigte, da waren alle voller Entzücken^

und namentlich leuchtete aus Hans Sachsens Gesicht hell die Freude hervor. sein.

Er rühmte sich des Lehrers,

wie der Lehren

Mir gefiel auch das Gedicht, das aber wohl mehr erhaben

als schön war. Da trat als der vierte und letzte Sänger wieder ein

Jüngling auf.

Was der sagte, war so recht nach meinem Sinn.

Er gehörte auch zur Weberzunft und hieß Michael Behaim, ber

mancherlei

Länder

(Böhme) genannt,

war.

gesehn.

Sein

Vater

hatte

sich

Behaim

da er aus Böhmen nach Franken gezogen

Mit rastloser Anstrengung übte sich unser Behaim in ber

Singkunst und verglich sich mit Recht mit einem Bergmannes

der mühsam gräbt und sucht, um edles Gold zu fördern.

Nie

war er früher in einer Festschule aufgetreten, da er nicht anders als mit Ruhm den Singestuhl besteigen wollte.

Sonder Zweifel-

hätte Michael Behaim den ersten Preis errungen, wenn nicht Nunnenbeck vorher gesungen.

Da Michael Behaim das Gedicht vorgetragen hatte,

verließen die Merker ihren Sitz.

so

Der erste trat zu Nunnen-

beck, und mit einem langen Glückwunsch hing er ihm den Davids-gewinner um, und der zweite Merker zierte Behaims Haupt mit -dem Kranze,

der ihm ganz wohl stand.

Diese Gaben waren

-aber nicht Geschenke, sondern nur Auszeichnungen für die Feier -es Tages. Das Fest in der Kirche war beendigt-, und alle drängten sich jetzt mit aufrichtiger Teilnahme zu den Begabten,

um ihnen freudig die Hände zu drücken.

August Friedrich Christian Vilmar (1800—1868).

49. Das deutsche Volkslied. Alle wahre Kunst, die des Wortes, wie des Bildes und

des Tones, ist tiefes Bedürfnis des menschlichen Geistes, nicht

Spiel der Willkür.

Diejenigen Erscheinungen der Poesie sind

also immer die bedeutendsten und ansprechendsten, welche die

wenigsten Spuren der Willkür, die meisten Zeugnisse eines tiefen,

reinen Bedürfnisses an sich tragen.

Und wo könnte es sich deut­

licher offenbaren, daß Poesie aus einem solchen kräftigen, gesunden

Naturdrange des Geistes hervorgehe, als da, wo dieselben Dich­

tungen weit und breit in ähnlicher Gestaltung entstehen, wie die

Keime des Frühlings und die Blüten des Mais aller Orten in gleicher Weise unaufhaltsam hervorbrechen, und wie der Finken­

schlag und Nachtigallengesang aus der Brust der Sänger mit »oller, ungehemmter Lust hervorquillt? wo alle oder doch eine

große Mehrzahl Gleichgesinnter und Gleichgestimmter dasselbe Be­ dürfnis fühlen? wo sie in den angeschlagenen Ton sofort mit «instimmen? wie im Vorfrühling bei Sonnenuntergang von einem

unbelaubten Baumgipfel das einsame Lied der Drossel erklingt, bald aber derselbe Klang von Wipfel zu Wipfel in immer lauteren,

helleren, jubelnden Tönen getragen wird, bis der ganze Wald

gleichsam in einen fröhlichen Frühlingsgesang zusammenstimmt, oder wie im grünen Dunkel des Gebüsches der Amselschlag dem Amselschlag mit langhingezogenem Wiederhall antwortet.

Da Michael Behaim das Gedicht vorgetragen hatte,

verließen die Merker ihren Sitz.

so

Der erste trat zu Nunnen-

beck, und mit einem langen Glückwunsch hing er ihm den Davids-gewinner um, und der zweite Merker zierte Behaims Haupt mit -dem Kranze,

der ihm ganz wohl stand.

Diese Gaben waren

-aber nicht Geschenke, sondern nur Auszeichnungen für die Feier -es Tages. Das Fest in der Kirche war beendigt-, und alle drängten sich jetzt mit aufrichtiger Teilnahme zu den Begabten,

um ihnen freudig die Hände zu drücken.

August Friedrich Christian Vilmar (1800—1868).

49. Das deutsche Volkslied. Alle wahre Kunst, die des Wortes, wie des Bildes und

des Tones, ist tiefes Bedürfnis des menschlichen Geistes, nicht

Spiel der Willkür.

Diejenigen Erscheinungen der Poesie sind

also immer die bedeutendsten und ansprechendsten, welche die

wenigsten Spuren der Willkür, die meisten Zeugnisse eines tiefen,

reinen Bedürfnisses an sich tragen.

Und wo könnte es sich deut­

licher offenbaren, daß Poesie aus einem solchen kräftigen, gesunden

Naturdrange des Geistes hervorgehe, als da, wo dieselben Dich­

tungen weit und breit in ähnlicher Gestaltung entstehen, wie die

Keime des Frühlings und die Blüten des Mais aller Orten in gleicher Weise unaufhaltsam hervorbrechen, und wie der Finken­

schlag und Nachtigallengesang aus der Brust der Sänger mit »oller, ungehemmter Lust hervorquillt? wo alle oder doch eine

große Mehrzahl Gleichgesinnter und Gleichgestimmter dasselbe Be­ dürfnis fühlen? wo sie in den angeschlagenen Ton sofort mit «instimmen? wie im Vorfrühling bei Sonnenuntergang von einem

unbelaubten Baumgipfel das einsame Lied der Drossel erklingt, bald aber derselbe Klang von Wipfel zu Wipfel in immer lauteren,

helleren, jubelnden Tönen getragen wird, bis der ganze Wald

gleichsam in einen fröhlichen Frühlingsgesang zusammenstimmt, oder wie im grünen Dunkel des Gebüsches der Amselschlag dem Amselschlag mit langhingezogenem Wiederhall antwortet.

Ein solches Einstimmen und Mitsingen setzen auch unsere Volkslieder voraus: in ihren bestimmten Kreisen sind sie eine£

solchen fröhlichen, klingenden

aus der tiefsten Brust der Genossen hervor­

Wiederhalles

gewiß-

es sind Lieder

der Gemein­

schaft und Geselligkeit, und so kündigen sie sich auch an:

als

Lieder der Landsknechte, der freilich rohen, aber in Streit und

Sturm, in Kampf und Krieg, in Lieb und Leid, in Not und

Tod treulich verbundenen, leichtsinnig fröhlichen Kriegsgenossen,

die mit lustigem, weitschallendem Gesänge auf und ab durch alle Gauen des deutschen Vaterlandes zogen und voll

brennender

Kriegslust heute vor Bünterlin (Pontarlier), morgen vor Nancys

und dann wieder vor Pavia im Tiergarten standen, freudig ihre

Haut zu Markte trugen, ihre Mahlzeit mit Spießen anrichteten

und mit Hellebarden schmalzten und auch die blutigen Wunden und die schwerste Verstümmelung (wenn ihnen ein Flügel vom Leibe gehauen war) mit lustigen Scherz- und Spottliedern be­

gleiteten, wie einst in der grauen Vorzeit des gewaltigen Helden­

tums der Sage der grimme Hagen von Tronei und Walther von Lengers am Wasichenstein

des ausgestochenen Auges unb

der abgehauenen Hand mit trotzigem Scherze gespottet hatten^

Andere Lieder kündigen sich an als Reiterliedlein, und sie atmen, den frischen, freien und leichten Sinn des „Hänselein, das über

die grüne Heide ausritt"- an den mutigen Rossen, die da wohl „hinten

zelten

und

traben" -

an

dem

lustigen Dahinfliegen

durch den grünen Wald und die weite, breite Heide, über die

Rennsteige und Weinstraßen- an dem. hohnneckenden Kampf mit

den Städtern und dem geordneten Reichsregimente- freilich auch an Beute und — Raub-

mit einem Worte,

sie atmen

den.

Sinn und Mut der Reitergesellen, der uns aus Götz von Ber-

lichingen und Hans von Selbitz, aus Lerse und Georg als ein Hauch des frischesten,

wahrsten Lebens entgegenweht.

Ebenso

sind die Bergreihen Gemeinschaftslieder der frommen und fleißigen Knappschaften, die zusammenstanden zum Morgengebet im Zechen-

hcms- zusammenstanden im dunkeln Schoß der Erde am müh­ seligen Tagewerke- zusammen an Feiertagen zu heiterm Gesang von dem funkelnden Erze der Tiefe und von

den lieblichen

Jungfrauen und treuen Gattinnen der heitern Oberwelt- die zusammenstanden, auch wenn der letzte Feiertag herankam und

das einstürzende Gewölbe der finstern Halde die im Leben Ver­

bundenen auch im grauenvollen Tode vereinigte.

Ebenso verhält es sich mit den Jägerliedern, den Trink­ liedern,

den Mailiedern und endlich auch mit den zahlreichen

Liebesliedern, welche alle zusammen in der Zeit,

als sie ent­

standen, als „gute Gesellenliedlein" zusammengefaßt

die fröhliche Gesellschaft der zusammen Gehörenden, des Handwerks, wie des Trinkhauses, ist der Kreis,

dem Tanzboden,

der

wurdenam Tische

auf der Jagd,

wie auf

in dem sie entstehen,

der sie

freudig mit lautem Wiederhall ant­

versteht,

und

wortet.

Ein allgemeines, formloses Publikum, wie den heutigen

ihnen

Dichtern, stand den Sängern des Volksliedes nicht vor Augen:

es ist ein bestimmter,

aber dem Dichter in Leben, Sinn und

Sitte nahe verwandter Kreis, den sie vor sich haben, und daher

rührt

konkrete Anschaulichkeit,

die

die Wahrheit,

welche aus

diesen Liedern, selbst aus denen geringeren Wertes uns so an­

sprechend

entgegen tritt, zum

Volkslieder,

größten Teile her.

den wir seit Herders Zeit für

Der Name

diese Dichtungen

gebrauchen, war damals gar nicht vorhanden- es gab eben nur

Landsknechtslieder,

Reiterliedlein,

Bergreihen

und

gute

Ge­

sellenliedlein.

Wilhelm Heinrich Riehl

(1823—1897).

50. Ludwig Richter, der Maler des deutschen Hauses. Mir deucht, wir haben seit dem sechzehnten Jahrhundert

keinen Künstler besessen, der das Haus- und Familienleben des deutschen Volkes so tief durchempfunden und so treu im Bilde

wiedergespiegelt

hat, wie Ludwig Richter

Holzschnittzeichnungen.

in

seinen zahllosen

Darum hat sich auch das deutsche Volk

alsbald zu Hause gefühlt in seinen Bildern-

er ist der volks­

tümlichste Zeichner der Gegenwart geworden.

In den tausend

Jungfrauen und treuen Gattinnen der heitern Oberwelt- die zusammenstanden, auch wenn der letzte Feiertag herankam und

das einstürzende Gewölbe der finstern Halde die im Leben Ver­

bundenen auch im grauenvollen Tode vereinigte.

Ebenso verhält es sich mit den Jägerliedern, den Trink­ liedern,

den Mailiedern und endlich auch mit den zahlreichen

Liebesliedern, welche alle zusammen in der Zeit,

als sie ent­

standen, als „gute Gesellenliedlein" zusammengefaßt

die fröhliche Gesellschaft der zusammen Gehörenden, des Handwerks, wie des Trinkhauses, ist der Kreis,

dem Tanzboden,

der

wurdenam Tische

auf der Jagd,

wie auf

in dem sie entstehen,

der sie

freudig mit lautem Wiederhall ant­

versteht,

und

wortet.

Ein allgemeines, formloses Publikum, wie den heutigen

ihnen

Dichtern, stand den Sängern des Volksliedes nicht vor Augen:

es ist ein bestimmter,

aber dem Dichter in Leben, Sinn und

Sitte nahe verwandter Kreis, den sie vor sich haben, und daher

rührt

konkrete Anschaulichkeit,

die

die Wahrheit,

welche aus

diesen Liedern, selbst aus denen geringeren Wertes uns so an­

sprechend

entgegen tritt, zum

Volkslieder,

größten Teile her.

den wir seit Herders Zeit für

Der Name

diese Dichtungen

gebrauchen, war damals gar nicht vorhanden- es gab eben nur

Landsknechtslieder,

Reiterliedlein,

Bergreihen

und

gute

Ge­

sellenliedlein.

Wilhelm Heinrich Riehl

(1823—1897).

50. Ludwig Richter, der Maler des deutschen Hauses. Mir deucht, wir haben seit dem sechzehnten Jahrhundert

keinen Künstler besessen, der das Haus- und Familienleben des deutschen Volkes so tief durchempfunden und so treu im Bilde

wiedergespiegelt

hat, wie Ludwig Richter

Holzschnittzeichnungen.

in

seinen zahllosen

Darum hat sich auch das deutsche Volk

alsbald zu Hause gefühlt in seinen Bildern-

er ist der volks­

tümlichste Zeichner der Gegenwart geworden.

In den tausend

Szenen, in welchen Richter die Plage und das Glück des häus­ lichen Lebens malt,

hat die Nation jenen deutschen Familien­

geist verkörpert wiedergeschaut, den sie besitzen sollte und großen­ teils nicht mehr besitzt.

Möge hier die Kunst eine Prophetin

neuer Entwickelungen sein!

Es klingt uns aus Richters Zeich­

nungen ein Ton entgegen, wie eines Volksliedes: der Stoff ist

aus dem täglichen Leben gegriffen, die Behandlung die natür­

lichste, und doch liegt ein dichterischer Zauber über diesen Dar­

stellungen, den man nicht definieren, den man auch nicht nach­ ahmen kann,

ohne der Meister selber zu sein.

Jeder meint,

gerade so würde er es auch gezeichnet haben,' und doch kann es kein anderer gerade so zeichnen. Richter schlägt

fast

alle Akkorde

in

der

der

deutschen

Häuslichkeit gewurzelten, volkstümlichen Gemütlichkeit an. tolle Treiben Jugend,

die

der Kinderstube,

schwärmerische Minne

Hochzeitzüge und Kindtaufen,

Das der

die Last der häuslichen

Arbeit und das Behagen des gesegneten Mahles im Familien­ kreise, die Not der armen Hütte und den Schmerz des Trauer­ hauses: — das alles und unzähliges andere weiß er mit weni­

gen, empfundenen Bleistiftzügen wie ein Gedicht vor uns hin­ zustellen.

Und

Hauses ist,

weil

er

der

geborene

Maler

des

deutschen

drum hat er auch den Hund so lieb und hat ihn

in hundertfältig verschiedener Charakteristik überall seinen Men­ schen

beigesellt und

dieses Tier

des Hauses

origineller,

viel­

seitiger und poetischer behandelt, als wohl irgend ein moderner Meister.

Mit den drolligen Hunden ist ihm

deutsche Spießbürger am possierlichsten gelungen.

dann auch

der

Ein Ehepaar

mit einer Rotte Kinder zu zeichnen, die nichts weiter thun, als am Mittagstisch Empfindung,

Kartoffeln essen,

und

eine solche Tiefe

der

des göttlichen und menschlichen Friedens in ein

solches Bildchen zu legen,

wie es Richter bei mehreren Dar­

stellungen der Art gethan, das vermag nur ein deutscher Meister,

ein Meister, welcher die ganze Bedeutung des Hauses für das deutsche Volksleben selber durchgelebt hat.

Richter legt seine

Szenen wohl auch gerne in den Frieden des Waldes oder in

'die

weite Landschaft gesegneter Feldfluren

oder in

heimliche

Gartenlauben:

da merken wir es seinen idealeren

aber auch

Mguren sogleich an,

daß sie in einem deutschen Hause daheim

sind und den Frieden dieses Hauses mitgebracht haben in Wald

und Feld und Garten. ^Richter giebt uns jedoch in der Regel nicht geradezu das moderne Haus,

er läßt gerne etwas von

der Romantik mittelalterlichen Lebens oder von dem schlichten Ernst altväterlicher Zustände in diese neue Welt herüberleuchten.

Ja,

es ist uns mitunter,

als gebe er weniger ein Bild des

jetzigen Hauses, denn ein Märchen vom deutschen Hause, welches anhebt mit den Worten: /,Es war einmal . .

Doch zeichnet

er wiederum auch nicht die Gestalten aus der „guten alten Zeit," wie sie wirklich gewesen sind,

er verschmelzt bloß

Motive mit den modernen Erscheinungen.

guten

ihre

So möchte ich die

Sitte des Hauses in der Wirklichkeit verjüngen helfen durch die Wiederaufnahme der verklärten guten Sitten der Vergangenheit, wie

es Richter

seinen Zeichnungen

als Künstler in

gethan.

Denn die alte Zeit mag ich gerne die gute alte Zeit nennen, aber immer in der Voraussetzung, daß unsere Zeit die bessere sei.

51. Rohrau. Ich

ging

von

Hamburg

Ein Idyll. —

der

letzten

Donaustadt — stromaufwärts nach Petronell

reindeutschen

und

bog

dann

gen Süden auf den Feldweg, welcher über einen flachen Höhen­ rücken nach Rohrau an der Leitha führt.

Schon aus ziemlicher

Ferne erblickt man die niedrigen Strohdächer des Dorfes, vorn überragt von der Turmruine der

1865 abgebrannten Kirche,

im Hintergründe von Baumgruppen des gräflich harrachischen

Schloßparks. Die sanft zur Leitha absteigende Thalsenkung ist baumlos, mit feuchten Äckern und nassen Wissen rechts und

links,

die Flußuser sind eben,

und Schilf und Rohr erinnern

oft genug an den Namen des Dorfes.

Wir denken uns den Geburtsort großer Künstler so gern mit landschaftlicher Poesie geschmückt, und da sieht dann dieses

Rohrau, von Norden betrachtet, gar nicht darnach aus, als ob es die Wiege

eines

der

besten Meister deutscher Kunst,

und

Gartenlauben:

da merken wir es seinen idealeren

aber auch

Mguren sogleich an,

daß sie in einem deutschen Hause daheim

sind und den Frieden dieses Hauses mitgebracht haben in Wald

und Feld und Garten. ^Richter giebt uns jedoch in der Regel nicht geradezu das moderne Haus,

er läßt gerne etwas von

der Romantik mittelalterlichen Lebens oder von dem schlichten Ernst altväterlicher Zustände in diese neue Welt herüberleuchten.

Ja,

es ist uns mitunter,

als gebe er weniger ein Bild des

jetzigen Hauses, denn ein Märchen vom deutschen Hause, welches anhebt mit den Worten: /,Es war einmal . .

Doch zeichnet

er wiederum auch nicht die Gestalten aus der „guten alten Zeit," wie sie wirklich gewesen sind,

er verschmelzt bloß

Motive mit den modernen Erscheinungen.

guten

ihre

So möchte ich die

Sitte des Hauses in der Wirklichkeit verjüngen helfen durch die Wiederaufnahme der verklärten guten Sitten der Vergangenheit, wie

es Richter

seinen Zeichnungen

als Künstler in

gethan.

Denn die alte Zeit mag ich gerne die gute alte Zeit nennen, aber immer in der Voraussetzung, daß unsere Zeit die bessere sei.

51. Rohrau. Ich

ging

von

Hamburg

Ein Idyll. —

der

letzten

Donaustadt — stromaufwärts nach Petronell

reindeutschen

und

bog

dann

gen Süden auf den Feldweg, welcher über einen flachen Höhen­ rücken nach Rohrau an der Leitha führt.

Schon aus ziemlicher

Ferne erblickt man die niedrigen Strohdächer des Dorfes, vorn überragt von der Turmruine der

1865 abgebrannten Kirche,

im Hintergründe von Baumgruppen des gräflich harrachischen

Schloßparks. Die sanft zur Leitha absteigende Thalsenkung ist baumlos, mit feuchten Äckern und nassen Wissen rechts und

links,

die Flußuser sind eben,

und Schilf und Rohr erinnern

oft genug an den Namen des Dorfes.

Wir denken uns den Geburtsort großer Künstler so gern mit landschaftlicher Poesie geschmückt, und da sieht dann dieses

Rohrau, von Norden betrachtet, gar nicht darnach aus, als ob es die Wiege

eines

der

besten Meister deutscher Kunst,

und

Riehl.

184 [IV]

vollends gerade eines rechten Meisters der Naturpoesie in ber

Kunst, gehegt habe.

Nur der Hamburger Berg, gen Nordost

in großen und schönen Formen

abschließend,

deutet auf ver­

heißungsvolle Fernen. Rohrau liegt auf dem linken, niederösterreichischen LeithaUfer, hart am Wasser; ein Gang über die Brücke würde unS sofort auf ungarischen Boden bringen.

Wir bleiben aber auf

der deutschen Seite und durchschreiten die ganze lange Haupt­

straße des Dorfes bis zum letzten Hause linker Hand, wo der

Fahrweg nach Bruck ins Freie führt.

Eine Steintafel, in die

Mauer jenes Hauses gelassen, trägt die seltsam lakonische In­ schrift „Zum Haydn". Es ist Joseph Haydns Geburtshaus, arm, niedrig, schmal, den andern Bauernhäuser des Dorfes aufs Haar ähnlich, bloß aus einem Erdgeschoß mit vier Fenstern be­

stehend, Stall und Wohnräume gemeinsam von dem langgestreckten

Strohdache bedeckt.

Eine Steinbank vor

den Fenstern bildet

neben jener Tafel das einzige unterscheidende Wahrzeichen. Wir gehen durch das überwölbte Thor,

aus in den kleinen Hof und Garten führt,-

welches gerade­

ein im Hof spie­

lender Bauernbube errät schon, was wir suchen, und deutet auf

die Thüre

links im Thorgange,

auf die Küchenthüre-

allein

durch die Küche kommen wir dann in das Wohn- und Schlaf­

zimmer,

das einzige Zimmer des Hauses,

peinliches Gemach

mit

ein mäßig großes,

weißgetünchten Wänden und

brauner,

niedriger Holzdecke. Hier also wohnte vor hundert und mehr Jahren der ehr­

same Wagnermeister Matthias Haydn mit seinen zwanzig Kindern,

hier soll sein ältester Sohn Joseph 1732 geboren sein.

aber eine solche Familie

Platz gefunden

in

das gehört auch noch zu den vielen Rätseln,

Lebensgeschichte ruhen.

Wie

diesem Häuschen, die auf Haydns

Allein zunächst denkt man an gar keine

Rätsel, man ist vielmehr überrascht, alles genau so zu finden^

wie man sichs ungefähr vorgestellt hat- die enge, aber gemüt­ liche, altmodische, aber nette und reinliche Bauernstube kommt

uns ja ganz bekannt vor, dem

so bekannt,

alten Wagnermeister Matthias,

wie die Geschichte von der

am Sonntag Nach-

rnittage dort hinten am Ofen saß und mit Maria, seiner frommen Hausfrau, Lieder sang und auf der Harfe begleitete- und der

kleine,

fünfjährige Sepperl saß auf dem Boden daneben und

spielte die Geige dazu,

indem er mit des Vaters Zollstab auf

dem linken Arme auf und niederstrich.

meister von Hainburg,

Da tritt dann der Schul­

der Vetter, durch die Küche zur selben

Thüre herein, durch welche wir auch eingetreten sind, und daß der Kleine seinen Stab vollkommen taktgerecht führt, und

da jeder wahre Schulmeister als ein Prophet in Kinderaugen

und Kinderseelen muß lesen können, so ahnet er in dem takt­ festen Ärmchen auch gleich den künftigen Musiker und nimmt den kleinen Joseph mit nach Hamburg, wo es so viel schöner ist, als in Rohrau,

wo sich Stadt und Fluß und Berge und

Burgen zu einem großen Prachtbilde aufthun und

das arme

Bauernkind Gottes schöne Welt zum erstenmale so recht groß

und reich erschaut und allerlei große Dinge lernt, den Katechis­ mus und Lesen, Schreiben und Rechnen und Singen,

Geigen

und Blasen, ja sogar das Paukenschlagen. Allein die Hausfrau weckt uns aus unserm Traume —

es ist nicht mehr Frau Maria Haydn, die vorhin dort in der Ecke sang,

sondern die Frau Bürgermeisterin Prucker — und

reicht uns ein grün eingebundenes,

großes Fremdenbuch,

in

welches wir unsern Namen schreiben sollen, und viele Leute in

Rohrau glauben, das schöne Buch mit der Unzahl von Namen

und ^litterarischen Bemerkungen" sei eigentlich das Merkwürdigste im ganzen Hause.

Das Buch

erinnert

uns,

daß

inzwischen

bereits hundertunddreißig Jahre unmerklich durch dieses Zimmer gezogen sind, und daß seitdem bereits drei fremde Familien in

vier Generationen das Haus besessen und bewohnt haben, und

nun erst gewahren wir auch an der Wand eine mittelmäßige Lithographie,

die den kleinen Joseph selber wiederum als den

alten Haydn darstellt, und dieser alte Haydn ist dann auch schon

vor bald sechzig Jahren gestorben.

So schweben wir mitten inne zwischen Vergangenheit und

Gegenwart- dennoch aber bleibt bei uns der freundliche Gedanke Herr,

daß die Zeit mit wunderbar schonender Hand an dem

Riehl.

186 [IV]

armen, engen Heiligtum vorübergegangen sei, und daß sich gar selten wohl das Vaterhaus eines berühmten Mannes aus

so

lange vergangenen Tagen finden dürfte, welches uns heute noch

so ursprünglich und unberührt anblickt, wie das Haus in Rohrau.

Man hat es nicht aus litterarischer Pietät erhalten oder restauriert, wie andere „Geburtshäuser," sondern es blieb eben stehen, wie

Wie das Haus

es stand, weil es so einsam und abgelegen steht.

des kaiserlichen Rates am Hirschgraben in Frankfurt mit seinen

behäbigen, wohlgeordneten, sinnig ausgestatteten Gemächern nicht als die zufällige Stätte der Geburt, sondern als der notwendige Ausgangspunkt der ganzen Entwickelung Goethes uns bedeutsam

erscheint, so mußte Haydn auch in diesem strohgedeckten Bauern­ hause mit der einzigen Stube geboren

werden,

um ganz

zu

werden, was er geworden ist.

Allein das Leben Haydns ist bis auf diesen Tag noch

reicher von Mythen durchwoben, als irgend eines andern unserer großen Tonmeister.

Mythen

reden

die Wahrheit,

im Kerne

während sie in jedem äußeren Zuge uns aufs anmutigste be­ lügen können.

So

nur noch im Kerne,

berührt.

ist nun

aber auch Haydns Geburtshaus

ich meine im Gesamtbilde,

echt und un­

Namentlich ist es eine fromme Täuschung, daß jenes

niedere Zimmer,

welches gerade

so

aussieht,

wie

wirs

uns

gedacht haben, das Geburtszimmer des großen Meisters gewesen

sei. In den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts verwüstete Line Überschwemmung das Haydnhaus und machte einen Umbau nötig,

und das echte Geburtszimmer soll nicht links,

sondern

rechts von der Thorfahrt gelegen haben, wo sich jetzt gar kein

Wohnraum mehr findet.

Die Wohnstube ist demnach verloren

gegangen,- das Haus blieb uns aber doch in seinem historischen

und poetischen Charakter treu erhalten,

und nicht bloß

das

Haus, auch seine Umgebung, die Straße, das Dorf. Kein fremdartiger Neubau, keine Fabrik, keine Eisenbahn

stört den

altertümlichen,

bescheidenen Charakter des Bauern­

dorfes,- die Leute wissen auch, daß jenes Haus das Merkwürdigste

in ihrem ganzen Ort war und blieb.

Noch haut der gegen­

wärtige Wagnermeifter von Rohrau mit einem krummen Beile

seine Radfelgen aus, in dessen Eisen die Buchstaben M. H. und

die Jahreszahl 1727 eingeschlagen sind, und behauptet, es sei das Beil des alten Matthias Haydn, alle Wagner des Dorfes

hätten es seitdem gebraucht.

Die vordere Hälfte des Eisens

war schon öfters abgebrochen, ein neues Beil zu kaufen wäre besser und billiger gewesen,-

allein man hat immer wieder ein

neues Vorderstück an das alte Beil geschweißt, dem alten Haydn zu Ehren.

Der Name des großen Tonsetzers ist in Rohrau ausge^

storben, und von seiner Familie lebt dort nur noch ein Glied, eine Großnichte, die Schmiedmeisterin, eine Frau in den sechziger

Jahren. Von vier Dingen erzählten mir die Bauern als den histo­ rischen Denkwürdigkeiten ihres Dorfes: von der großen Über^

schwemmung, vom großen Brande, von der Cholera, die bei ihrem ersten Weltgange Rohrau zuerst in ganz Deutsch-Öster­

reich

besucht

habe,

und

Er

von Joseph Haydn.

einzige Lichtgestalt unter so vielen Trauerbildern.

schien

die

Der schönste

Tag aber soll gewesen sein, als man vor zwanzig und mehr Jahren

die Gedenktafel an Haydns Geburtshaus enthüllte- die blasende Musikbande,

welche daryals

dem Festzuge voran die Straße

heraufzog, lebt heute noch als etwas Einziges in älterer Leute Gedächtnis. Benachbarte Liedertafeln feiern manchmal in Haydns Geburtsort ein Frühlingsfest und sorgen also dafür, daß wenig­

stens ein schwächerer Abglanz jenes großen Tages sich zeitweise

wieder erneuere. Als von all dieser musikalischen Herrlichkeit geredet wurde, fragte ich die Erzähler, ob sie denn auch schon hahdnsche Musik gehört hätten.

„Ja

wunderbare Messen."

wohl,"

erwiderten

sie,

„in

der Kirche,

Den Bauern von Rohrau scheint Haydn

nur als Kirchenkomponist bekannt zu sein,

während ihn die

große musikalische Welt in dieser Eigenschaft am wenigsten kennt.

Nun ist jene Antwort höchst begreiflich,

denn wo

sollten die

Bauern auch haydnsche Symphonien, Quartette oder Oratorien gehört haben?. Ich habe aber bis hieher Rohrau nur von einer Seite

betrachtet, indem ich mich von Norden näherte und so das Dorf

bis

zum Südende, bis

zu Haydns Geburtshause durchschritt.

Mit diesem äußersten Hause aber ändert sich die ganze Szenerie, wir treten in eine liebliche, baumreiche Landschaft.

Nur eine

kleine Wiesenfläche trennt das Haus von dem gräflich harrachischen

Schlosse,

dem namengebenden Schlosse der ehemaligen Reichs­

grafschaft Rohrau.

Das gegenüberliegende Bauernhaus gab

uns ein Künstler-Brüderpaar, Joseph und Michael Haydn/ die

Geschichte des Grafenschlosses führt uns unerwartet zu einem Schwesternpaar,

welches,

durch Künstlerhand verklärt,

deutschen Volke bekannt ist —

allem

wenigstens all unserm Volke,

das seinen Schiller liest —: zur Gräfin Terzky und zur Her­ zogin von Friedland.

Karl von Harrach, Ferdinands II. Staats­

minister, erlangte vom Kaiser die Erhebung seiner Herrschaft Rohran zur Reichsgrafschaft (1627); seine beiden Töchter waren

die Gemahlinnen Wallensteins (in zweiter Ehe) und Terzkys. Ob die Urbilder dieser Frauengestalten, welche nun auf der

Bühne leben und leben werden, hier im Schlosse selbst geboren

sind, vermag ich nicht zu sagen;

jedenfalls

entstammten sie

diesem Hause und bezeichnen mit ihrem Vater den rasch erreichten

und

überschrittenen

Höhepunkt

des

historischen

Glanzes

der

Rohrauer Linie. Das Schloß ist tiefgelegen; Graben und Brücken deuten

auf den Grundplan einer ehemaligen Tiefburg, jetzt freilich ist

ein mäßig großer, traulicher Herrensitz daraus geworden, im Stile des achtzehnten Jahrhunderts nicht ganz architektonisch schmuck­ los aufgebaut, von hohen Bäumen und Alleen umschattet, von

einem wohlgepflegten Garten umgeben.

Ich habe ein besonderes

Gefallen an solchen gemütlichen Fürsten- und Adelsschlöffern

der Zopfzeit, und vorab fällt es mir allezeit gleich ein, wie die

keineswegs untadelhasten Edelleute dort vor hundert Jahren

sich so vergnügte Symphonien haben spielen lassen und Quar­ tette und Trios dazu, und wie da alles symphonisch blies und

geigte vom Grafen bis zum Bedienten und Bodenwichser hinab,

und das war doch

auch etwas Gutes.

Ohne

die

tausend

deutschen Adelssitze des vorigen Jahrhunderts hätten wir keine

haydnsche

und

mozartsche Symphonie,

und

die beethovensche

wäre dann später auch ausgeblieben. Wenn ich nun schon beim Anblick anderer alter Schlösser

gerne an solchen Gedanken hänge und Gärten, Säle und Zim­

mer darum befreundet mich anschauen,

Schlosse von Rohrau.

wie viel mehr beim

In der That, Bauernhaus und Herren­

haus bilden zusammen die richtige Signatur vom Geburtsorte

Haydns, des volkstümlichen, aber auch des vornehmen, feinen, klassischen Meisters.

Im Bauernhaus stand seine Wiege,

die

Wiege seiner klassischen Kammermusik aber stand in den Adels­ schlössern.

Zu Bauernhaus und Herrenhaus kommt aber in

Rohrau endlich ein drittes:

Park und Wald,

und den Wald

dürfen wir auch bei Haydn, dem Naturpoeten unter den Musi­

kern, nicht vergessen. Ich ging eigentlich zum Schlosse, um das Denkmal Haydns welches in der angrenzenden waldigen Au gegen

aufzusuchen,

die Leitha hinüber stehen sollte.

Die Bauern im Dorfe sagten

mir, der Weg dahin sei zwar strenge verboten, allein für Leute „meinesgleichen" gelte das wohl nicht,- übrigens sei der Weg auch schwer zu finden.

Ein Denkmal, so aufgestellt, daß mans

nicht finden kann, und obendrein nur auf verbotenem Wege erreichbar — das paßt wieder ganz für Haydn, der so unend­

lich viel still verschwiegene Anerkennung, so viel heimliche Liebe

und Treue gefunden hat,

der fleißig und unverdrossen gesucht

sein will und sich nirgends entgegendrängt. Ich wandte mich also in die waldige Au.

Schlagbäume,

die den Weg versperrten, bei jeder Kreuzung ein Pflock mit der Aufschrift:

„Verbotener Weg,"

eine Marderfalle

quer

über

meinen Pfad gestellt, zeigten mir, daß ich auf der rechten Spur zum Haydn-Monumente sei. waldeinsamer,-

Es ward immer stiller, heimlicher,

Rehe grasten am Saume der Lichtungen.

Ich

ging wie in einem Zaubergarten, umrauscht von der Waldpoesie frühlingsfreudiger haydnscher Symphonien,- der verbotene Weg

ward im Grase immer unsichtbarer und hörte zuletzt völlig auf,

ein Weg zu sein,- ich geriet ins Dickicht — weit und breit keine Spur von einem Denkmal — und stand endlich vor

einem

liefen Wassergraben, in dessen dunkler Flut Schilf und Binsen und überhängende Zweige sich spiegelten.

Hinüber konnte ich

nicht und schlug also seitwärts auf gut Glück eine veränderte

Richtung ein. Aus hohen Baumgruppen hervortretend, stand ich plötzlich vor einem Jägerhause-

drei grobe Hunde

begrüßten mich mit

wütendem Gebell, eine Magd, welche unfern arbeitete, lief auf

mein Anrufen davon und floh, statt zu antworten, hinein.

Ich folgte ihr.

ins Haus

Da trat mir unter der Thüre eine

anmutige junge Frau entgegen, begleitet von einem zahmen Reh. Sie erwiderte meine Frage nach dem Wege zu Haydns Denk­

mal mit der zürnenden Gegenfrage,

ob ich denn nicht gelesen

habe, daß alle Wege hierher verboten seien, wollte mir auch die Richtung nicht angeben, indem ich mich doch nicht zurecht­

finden würde.

Ich erklärte ihr, ich sei über hundert Stunden Wegs weit hieher gekommen, um Haydns Geburtshaus und sein Denkmal zu sehen, und würde daher jetzt auch gewiß nicht halbverrichteter Sache wieder

umkehren.

Schon

als

Knabe,

fuhr ich fort,

lange bevor Sie auf der Welt waren, habe ich von dem Denk­

steine zu Rohrau gehört und gelesen und die Noten, welche

auf dem Sockel stehen, viele Hundertmale gespielt, gepfiffen und gesungen, und die darunter eingegrabenen Verse von den „hol­

den Philomelen" und der „reizenden Schönen am schmelzenden Klavier" im stillen hergesagt: Lapidarftil endlich auch

jetzt will ich diesen Rohrauer

einmal in

den

wirklichen > Stein ge­

hauen sehn!

Meine wohlgesetzte Rede schien keinen Eindruck zu machen: die Frau mit dem Reh würdigte mich nicht einmal einer Ant­

wort, ging ins Haus zurück und ließ mich stehen. täuschte mich.

Allein ich

Es hatte sie doch wohl gerührt, daß der Ruhm

ihres verbotenen Heiligtums hundert Stunden weit gedrungen

sei.

Nach wenigen Minuten kam sie zurück, ein Tuch um den

Kopf geschlungen — der Märzsturm tobte gewaltig draußen — und erklärte mir,

sie wolle mir selbst den Weg zeigen.

So

gingen wir nun selbander in die waldige Au zurück und kamen

bald zu einer zwischen Bäumen versteckten kleinen Insel, in deren

Mitte ein schlichter Steiywürfel steht, gekrönt von Haydns Büste. Am oberen Teile des Sockels ist das Andante-Thema aus einer

der älteren D-Symphonien des Meisters eingehauen mit den vor­

hin schon fragmentarisch angedeuteten unterlegten Versen, deren größter Vorzug gegenwärtig darin besteht,

daß man sie, vom

Regen ausgewaschen, nicht mehr recht lesen kann.

inschrift besagt,

Denkstein im Jahre 1794 habe setzen lassen.

Werkes ist gering,

Ortes.

Die Haupt­

daß Karl Leonhard Graf von Harrach diesen Der Kunstwert des

aber es wird verklärt durch die Poesie des

In dem schweigenden Dickicht spricht es uns rührend

und erhebend zum Herzen. Doch nicht bloß der Ort, auch noch zwei andere Umstände

machen den Denkstein merkwürdig.

Er wurde dem Künstler bei

Lebzeiten gesetzt und zwar zur Zeit seines zweiten Londoner

Aufenthaltes, das heißt in den Tagen, wo man in Deutschland durch die Ruhmesspenden des Auslandes erst recht anfing zu

merken, was der Sohn der eigenen Heimat wert sei.

Ich weiß

keinen andern deutschen Tonsetzer des achtzehnten Jahrhunderts, dem man bei Lebzeiten schon ein Monument daheim errichtet hätte.

Andererseits wird

es

aber auch in jenem Jahrhundert

kaum wieder vorgekommen sein, daß ein Reichsgraf einen noch

lebenden Bauernsohn seines Dorfes im eigenen herrschaftlichen Parke monumental verherrlicht hat. Am Fuße des Denksteines hielt ich im Geiste eine Über­ schau der ganzen Szenerie: drüben hinter den Baumwipfeln die

Strohdächer

des Bauerndorfs, dann

das

alte

Herrenschloß,

ringsum Park und Wald und Wiese und Au, und im Vor­ dergrund ein anmutiges Frauenbild: das waren die echtesten an­

regenden Motive von Haydns Künstlerschaft, wofern man sie nur

ein wenig mit seinem kindlichen, frommen, lebensfrohen Gemüte zu erfassen vermag.

Ich hatte mich Rohrau genähert im Anblick

eines beschränkten, kargen Daseins und war Schritt für Schritt in ein reizendes, poesiegetränktes Idyll hineingewandert.

Die

schöne Frau aber, anfangs so strenge und wortkarg, war auch

zusehends frmndlicher und artiger geworden, als sie sah, daß Hessel, Lesebuch IV. Prosa.

13

wirklich nur die tiefe, durchs ganze Leben treu bewahrte Jugend­

liebe für den Sohn ihres Dorfes mich auf die verbotenen Wege

geführt.

Sie hatte mich anfangs wohl für eine Art Landstreicher

gehalten und verabschiedete sich von mir,

wie von einem ganz

achtbaren Manne, und doch hatten wir nur über Joseph Haydn

miteinander gesprochen. Als ich ins Dorf zurückgekehrt war, erzählte mir der Wirt,

die Wilddiebe schlichen sich gerne in den Park, darum verbiete man die Wege, und der Graf sei ein melancholischer Herr, der die tiefste Einsamkeit in seinen täglichen Spaziergängen beim Haydn-Denkmal suche. Überhaupt dünke die verwachsene Au gar

manchen etwas unheimlich. fort,

der Insel, Pußta*).

dann,

„In meiner Knabenzeit," so fuhr er

„hat der Platz ganz anders ausgesehen, wo jetzt Busch und Wald,

da war unfern

noch die freie,

offene

Dort haben wir Kinder gar oft gespielt und sprangen

wann es so halb dunkel zu werden begann,

nach der

buschigen Insel, um uns dort am rechten Schauer und Grausen

zu ergötzen,- denn wir glaubten,

der Haydn mit seiner Zopf­

perücke sei einer von den biblischen Heiden, die das Gesetz nicht haben und doch thun des Gesetzes Werk, und schauten scheu von allen Seiten nach dem gespenstigen Götzenbild, schlichen gebückt

rundum, einer den andern erschreckend, und wenn uns dann die Angst recht kalt über

den Rücken

lief,

platzten wir plötzlich

auseinander und jagten mit lautem Geschrei: der Heid! der Heid!

in die Pußta zurück."

Durch manchen helltönigen haydnschen Satz klingt es leise

wie eine Vorahnung jener Akkorde des süßen Schauers der ro­ mantischen Schule.

Und so erscheint zur Vollendung des Idylls

Haydn, der die Kindersymphonie geschrieben, den Kindern seines eigenen Dorfes als die im Schrecken magisch fesselnde Gespenster­ gestalt eines Kindermärchens. Das alles kann man bei einer Wanderung durch Rohrau sehen und erleben.

Es ist schade,

daß der alte Haydn nicht

*) Dem ungarischen Grenznachbar ist auch die kleine Heide oder Weidefläche bereits eine „Pußta" (Anmerkung des Verfassers).

selber mitgegangen ist; ich vermochte die Eindrücke nur in trockenen Worten zu schildern: er hätte gleich eine Symphonie in D-dur Laraus gemacht.

Anton Springer

(1825—1891).

52. Petri Fischzug von Raffael. [Am Karfreitag des Jahres 1483 wurde Raffael Santi zu UrHino in Umbrien geboren, am Karfreitag 1520 starb er zu Rom, 37 Jahre alt. Raffaels Vater war auch ein Maler; leider starb er schon, uls Raffael kaum 11 Jahre alt war. Von Perugino, dem berühmtesten Maler der umbrischen Schule, wurde Raffael in der Malerei aus­ gebildet. Als er alles gelernt hatte, was sein Meister stonnte, und moch mehr, zog er nach Florenz, in dessen reichem 5kunstleben er zur vollen Meisterschaft emporstieg. Im Jahre 1508 berief ihn der ge­ waltige Papst Julius II. nach Rom, damit er ihm einige Gemächer im vatikanischen Palaste mit Wandgemälden schmücke. Der folgende Papst, Leo X., gab dem Künstler gleichfalls viele Aufträge. So fertigte er

was mehr sagen will, als die bloße Thatsache der Vollendung: diese Vollendung ist völlig im Sinne der ersten Erbauer geschehen, meistens sogar getreu nach den alten Bauplänen; was Gerhard

von Riele, der erste Baumeister des Domes, und seine Nachfolger im Geiste geschaut, das steht jetzt sichtbar und greifbar da, kein Traumgebilde, sondern wirkliche Wirklichkeit. Zu Anfang unseres Jahrhunderts war Deutschland seiner

eigenen Vergangenheit entfremdet, die so großartige mittelalter­ liche Kunst war vergessen; die gotischen Dome standen zwar

sichtbarlich überall durchs Vaterland verstreut, aber wie ver­

zauberte Riesen der Vorwelt, wie volltönende Gedichte in selt­ samen, fremden Sprachen.

Memand verstand sie.

Aber am geisterhaftesten von allen war doch der Kölner

Dom.

Zu ganz gewaltiger Höhe, alle andern Kölner Kirchen

überragend,

stieg das „hohe Chor" in die Lüfte;

Mauer schloß es ab. ein altersschwarzer,

eine kahle

In ansehnlicher Entfernung davon ragte

mächtiger Turmstumpf in die Höhe, und

wie ein riesiges Fragezeichen erhob sich darüber der uralte Dom-

krahnen,

der einst dazu gedient,

die Bausteine heraufzuziehen,

nun aber verwittert, bemoost und zum Gebrauche längst untaug­ lich war.

Damals sang Schenkendorf sehnsüchtig und schüchtern

hoffend: „Seh ich immer noch erhoben Auf dem Dom den alten Krahn, Scheint mir nur das Werk verschoben, Bis die rechten Meister nahn."

Zwischen dem Turmstumpf und dem hohen Chor waren hier und da einige niedrige Säulen verborgen zwischen Häusern das den Raum ausfüllte, wo eigentlich

und allerei Bauwerk,

die Domkirche selbst stehen sollte.

Schneller,

als der Dichter

es geahnt, nahten die rechten Meister wirklich.

Wie die Zeit

der Fremdherrschaft und der äußern Schmach unsers Vater­

landes zugleich die Zeit des ruhmvollen Aufschwungs im Geistes­ leben der Deutschen gewesen ist,

die Zeit der Selbstbesinnung

und der Einkehr in die herrliche Vergangenheit, so war sie auch die Zeit der Wiederentdeckung der altdeutschen Kunst.

Sobald

man die Denkmäler nur einmal ernstlich fragte, thaten sie auch

den steinernen Mund auf und erzählten,

daß nicht die Goten

-er Völkerwanderung sie gebaut, sondern die Deutschen des 13. und 14. Jahrhunderts.

Gerade an dem verlassenen Wunder­

bau des Kölner Domes ward das und noch viel mehr entdeckt. In Köln lebte damals Sulpiz Boifferex, ein begeisterter Ver­

ehrer der Kunst des Mittelalters: er zeichnete und maß und

forschte am Dom viele Jahre lang, und über dem Meffen und Zeichnen wuchs ihm die richtige Erkenntnis nur so zu.

Im Jahre

1823 endlich erschien sein berühmtes Bilderwerk über den Dom.

Er fand auch die einst unter den Bauurkunden der Dombau­ hütte bewahrten,

zur französischen Zeit entführten alten Bau­

risse der noch unvollendeten Turmseite, und zwar, merkwürdig genug, auf dem Speicher des Gasthauses zur Traube in Darm­ stadt, wo man die riesigen Pergamente dazu benutzte, Bohnen

darauf zu trocknen. wies,

Aber Boifferee war es auch, welcher nach­

daß ein Ausbau des Domes möglich sei.

Er gewann

den Kronprinzen von Preußen schon 1816 für diesen kühnen Gedanken/ anfänglich besserte man nur die alten Schäden aus.

212 [IV]

Der Kölner Dom. aber unterdes wuchs die

dem gänzlichen Verfall zu wehren,

Zuversicht und der Mut, und 1842 legte der inzwischen König gewordene Friedrich Wilhelm selbst den Grundstein zum Weiter­

bau.

Das Begonnene wurde weitergeführt, die Türme nach

den alten Rissen gebaut, nur Nord- und Südportal nach Plänen des Dombaumeisters Zwirner völlig neu geschaffen, jedoch ganz im Sinne der alten Meister.

Der Dachreiter, d. h. der schlanke

Turm auf der Vierung, dem Kreuzungsort des Langschiffes und

Querschiffes, ist aus Eisen.

1862 stand der Bau,

ohne die

Türme, fertig da, und am 14. August 1880, genau 632 Jahre nach der Grundsteinlegung, prangten die Kreuzesblumen auf

den Zwillingstürmen.

Wo jetzt der Dom steht, da stand seit dem frühen Mittel­ alter ein großer romanischer Bau.

Als im 13. Jahrhundert

eine neue Bauweise aufkam, die von Nordfrankreich her auch in Deutschland Eingang fand, der jetzt so genannte gotische Baustil,

da dachten die Erzbischöfe daran, den Dom umbauen zu lassen,

zunächst wenigstens das Chor. Als gar ein Brand das romanische Chor zerstört hatte, da war die äußere Veranlassung gegeben: in aller Welt ließ der Erzbischof Konrad von Hochstädten den

Ruf erschallen, zum Neubau beizusteuern — in trüber Zeit.

Denn es war die Zeit des beginnenden Interregnums. Am 14. August 1248 wurde dxr Grundstein mit großer Feierlichkeit ge­

legt, wenn auch nicht in Anwesenheit des neugewählten deutschen Königs, Wilhelm von Holland, wie vielfach behauptet wird.

Im

Jahr 1322 stand das „Summum" oder hohe Chor fertig da.

Es war in wahrhaft riesigen Maßverhältniffen gebaut und galt sofort als das Wunderwerk seiner Zeit.

Teil der Kirche so sehr in Schatten,

Es stellte den übrigen daß man ohne weiteres

dazu überging, alles andere niederzureißen und den Bau weiter­

zuführen.

Im Jahre 1347 begann der Weiterbau.

Weil er, wie

gesagt, nicht von Haus aus beabsichtigt war, so ist die Annahme

durchaus unberechtigt, daß Gerhard von Riele, der erste Bau­ meister, bereits den Plan der ganzen jetzigen Kirche entworfen

habe.

Wohl mag ihr heutiges Bild im großen und ganzen

fertig vor seines Geistes Augen gestanden haben, wenn er auch

die Türme sich entschieden anders gedacht hat, als sie später aus-

geführt wurden.

entworfen.

Genaue Pläne hat er sicherlich nur vom Chore

Eine andere Annahme entspricht wohl unserm jetzigen

Verfahren, aber nicht dem der mittelalterlichen Werkleute.

geriet der Weiterbau bald ins Stocken.

Leider

Er war zu groß cmgc«

legt, als daß bei den beständigen Fehden jener Zeit, bei dem Verfall des Wohlstandes und des Zunftwesens eine Vollendung hätte erreicht werden können.

Immer lässiger ging der Bau,

und als man ihn 1437 ganz einstellte, war der südliche Turm

der nördliche sah eben aus der Erde

ungefähr 150 Fuß hoch,

heraus, und die Pfeiler der Kirche selbst hatten kaum die Höhe von 30 Fuß erreicht.

Zu Nord- und Südportal lagen nicht

einmal die Grundmauern.

Beschauen wir uns den Dom, wie er heute dasteht, von außen, so erscheint er dem nicht kunstverständigen Auge wie er­

stickt von Zieraten und unnützen Türmchen und allerlei tändelndem

Beiwerk.

einfach.

Die gotischen Kirchen zu verstehen, ist eben nicht so

Nur soviel sei gesagt, daß die mächtigen Kreuzgewölbe

des Innern nicht nur auf den Pfeilern inwendig aufruhen, sondern auch von außen gestützt werden durch einen Wald von sogenannten Strebepfeilern, welche den Dom umstehen, wie ein glänzendes Gefolge.

Untereinander sind diese Pfeiler wieder

durch Bögen verbunden, und all dieses Mauerwerk hat man nicht kahl gelassen, sondern hat es teils geradezu vielfach durchbrochen

gearbeitet, teils mit sogenanntem Maßwerk und Stabwerk völlig überspannen, kurz, über und über geschmückt. • Das Chor ist von

gleicher Höhe wie die Kirche, es schließt halbrund, und ihm vorge­ lagert sind sieben niedrigere, vieleckige Kapellen, daß das Ganze

einer Krone mit sieben Spitzen zu vergleichen ist.

Schaut man

von der Rheinseite her gegen das Chor, dann erscheint es wie

ein zerklüftetes Gebirge, beinahe sinneverwirrend kreuzen sich die Linien der Bögen, Giebel und Strebepfeiler,

der Fialen und

Wimperge, der Krabben und Kreuzesblumen, und doch stellt das

ganze Chor eine einzige, schöngeschwungene, deutlich erkennbare Halbkreislinie dar.

Eine fernere Eigentümlichkeit der reicheren gotischen Kirchen

214 [IV]

Der Kölner Dom.

ist der Fensterreichtum.

Da die Gewölbe, wie angedeutet, von

wahrhaft riesigen Säulen oder vielmehr Säulenbündeln, die im Innern der Kirche stehen, und außerdem von ebenso mächtigen

Strebepfeilern, die außen stehen, getragen und gehalten werden, so dienen die Umfassungsmauern nicht zum Zusammenhalten des

Baues, sondern sind bloßer Wandverschluß.

So hat man denn

die Mauern geradezu durch gewaltige Fenster ersetzt, welche die

ganzen Räume zwischen den Strebepfeilern ausfüllen

Sie sind

in Spitzbögen geschlossen, und ihr oberer Teil zeigt in Stein­ hauerarbeit wiederum das dieser Bauweise so eigentümliche reiche

und reizvolle Linienspiel: da wogen die Kreise und Halbkreise und Spitzbögen durcheinander, wie steinerne Musik. Hohe Spitzgiebel schirmen wie ein aufgeschlagener Hutrand die einzelnen Fenster. Die Türme endlich zeigen den himmelanstrebenden Zug der

mittelalterlichen Kunst so stark, wie kein anderes Bauwerk jener

Zeit.

Sie stehen an den westlichen Pforten, rechts und links,

einander völlig gleich gebildet.

Ihr Erdgeschoß birgt die drei

tiefen, mit Figuren geschmückten Eingangsthüren, welche gleichsam

die Arme weit öffnen, die Gläubigen zu locken.

Mächtige Wim­

perge (Spitzgiebel) bilden ein schützendes Dach über den Thoren.

Fenster von gewaltigster Höhe füllen die folgenden Turmgeschoffedann springt das Viereck in ein Achteck um,

an dessen Ecken

kleinere Türmchen, Fialen genannt, emporsteigen.

Acht Fenster

füllen wiederum die einzelnen Seiten des Achtecks.

Nun beginnt

die Turmspitze oder der Helm. einziger steinerner Zierat.

Es ist kein Dach, sondern ein

Sogar das Auge klettert nur mühsam

die steilen, achtseitigen Helmpyramiden hinan, die mit zahllosen

steinernen Kantenblättern (Krabben) wie mit Dornen besetzt sind,

und die in ihrer durchbrochenen Arbeit so leicht und schlank und mühelos in das unendliche Himmelsblau

hineinragen, welches

sie umgießt und ganz durchleuchtet — bis der Abschluß eMich, 550 Fuß über dem Erdboden, mit der wuchtigen Kreuzesblume

erreicht ist. So hoch war bis dahin noch kein Bauwerk sterb­ licher Menschen vorgedrungen in den Äther, selbst die Pyramiden Ägyptens nicht.

Das ist nun echt deutsche mittelalterliche Bau­

kunst, dieses ruhelose, rastlose, sehnsüchtige Streben nach oben,

nach der ewigen Heimat.

„Himmelan geht unsre Bahn!" diese

Worte sind aufs schärfste in erhabenem Sinnbild hier zu ver­

ständlichem Ausdruck gelangt.

Treten wir in das Innere des Domes, so erwartet uns zuvörderst der überraschende Anblick, daß die ganze Länge der mächtigen Kirchenhalle bis in das Chorhaupt hinein sofort uns vor Augen steht- denn auch die Turmhalle ist nichts für sich,

sondern schon ein Teil des inneren Kirchenraumes. sten

Türme

der

Erde ruhen

nicht

auf

Die höch­

zusammenhängenden

Mauern, sondern nur auf den zweimal neun Pfeilern, zwischen

welchen wir hier durchwandeln! Fünf Schiffe hat die in Kreuzes­

form gebaute Kirche, das Mittelschiff, 50 Fuß breit, erscheint

schmal gegen seine Höhe, die das dreifache beträgt.

Schwindelnd

schaut das Auge hinauf gegen die Kreuzgewölbe, die hoch über

uns schweben- ihnen entgegen klettern die mächtigen, himmel­ anstrebenden Säulenbündel, die oben sich fächerartig ausbreiten

und in die Gewölbe übergehen, so daß sie sich gegeneinander zu neigen

scheinen,

wie

die Baumkronen

in einem Buchenwald.

Neben dem Mittelschiff ziehen sich zu jeder Seite zwei ungleich

niedrigere Seitenschiffe hin.

Die Fenster, so

riesig sie sind,

lassen doch nicht den vollen Tag in das Gotteshaus, denn die

Glasmalereien dämpfen das Licht, und zwar strahlen die Chor­

fenster, die noch aus dem Mittelalter stammen, in harmonischem,

mildem Glanze, die modernen Fenster,

etwas aufdringlich, in

prächtigem, leuchtendem Golde. An Flächenraum wird der Kölner Dom von andern Kir­

chen noch übertroffen: St. Paul in London und der Mailänder Dom sind größer, St. Peter in Rom mehr als doppelt so groß. Allein der Blick die lange Halle entlang, während die Kreuz­

gewölbe über uns mitzuwandeln scheinen, gegen die anscheinend

aus endloser Ferne die dämmernde Kirche durchstrahlenden Chor­ fenster hin, das ist einzig, das finden wir weder im Mailänder

Dom, noch auch in der Peterskirche.

Es ergreift uns unwider­

stehlich ein Gefühl der Andacht: Gott ist gegenwärtig, kommt,

laßt uns anbeten in seinem heiligen Tempel! von Schenkendorf singt:

Es ist, wie Max

216 [IV]

Der Kölner Dom.

Ruth.

„Es ist ein Wald voü hoher Bäume, Die Zweige seh ich fröhlich blühn Und aus den Wipfeln fromme Traume Zunl fernen Reich der Geister ziehn. So kühner Sinn und ernstes Streben, Das aus den Steinen Blumen treibt, Es ist der Väter Art und Leben, Das nimmer auf der Erde bleibt. Das wollen diese Säulen sagen, Die himmelwärts die Blicke ziehn, Dazwischen, wie in grauen Tagen Im Eichenhain, die Beter knien. Es ist kein eitles Licht der Sonnen, Was durch die bunten Scheiben fällt, Ist Wiederfchein der ewgen Wonnen, Ist Strahl aus einer bessern Welt."

47. Ruth ^Beschreibung eines Bildes aus der Bilderbibel

von Schnorr von Carolsseld). Eine der schönsten Bilderbibeln, vielleicht die schönste, jeden­ falls aber die deutscheste, ist die von Schnorr von Carolsseld. Die Zeichnungen dieses Künstlers sind durchgehends innig, seelen­

voll, auf die Sache selbst gehend, nicht, wie z. B. die des fran­

zösischen Malers Dor^ sich verlierend in schmückendem Beiwerks Lichtwirkungen, geographischen, historischen Dingen, Landschaften,

Kunststücken aller Art.

Die Figuren sind bei Schnorr überall

groß, fast den oberen Rand des Bildes berührend, als entschie­ dene Hauptsache behandelt, die Linien, wie es für den Holzschnitt

sich ziemt, einfach, scharf, bestimmt, die Schatten nur angedeutet. Die Beschreibung eines dieser Bilder wird das Gesagte noch mehv erläutern.

Ich greife Ruth heraus, weil diese Zeichnung die an­

gedeuteten Vorzüge des Künstlers in besonders Hellem Lichte zeigt.

Jedermann kennt die liebliche Geschichte: Naemi, ein jüdi­

sches Weib aus Bethlehem, war mit ihrem Manne nach dem Lande

Moab gezogen, wo letzterer starb, und wo dann ihre beiden Söhne Weiber nahmen.

Die Söhne starben auch, und nun will Naemi

in ihre Heimat zurück.

Arpa, die eine Schwiegertochter, bleibt

im Lande ihrer Bäter, aber die andere, Ruth, will mit nach Juda.

216 [IV]

Der Kölner Dom.

Ruth.

„Es ist ein Wald voü hoher Bäume, Die Zweige seh ich fröhlich blühn Und aus den Wipfeln fromme Traume Zunl fernen Reich der Geister ziehn. So kühner Sinn und ernstes Streben, Das aus den Steinen Blumen treibt, Es ist der Väter Art und Leben, Das nimmer auf der Erde bleibt. Das wollen diese Säulen sagen, Die himmelwärts die Blicke ziehn, Dazwischen, wie in grauen Tagen Im Eichenhain, die Beter knien. Es ist kein eitles Licht der Sonnen, Was durch die bunten Scheiben fällt, Ist Wiederfchein der ewgen Wonnen, Ist Strahl aus einer bessern Welt."

47. Ruth ^Beschreibung eines Bildes aus der Bilderbibel

von Schnorr von Carolsseld). Eine der schönsten Bilderbibeln, vielleicht die schönste, jeden­ falls aber die deutscheste, ist die von Schnorr von Carolsseld. Die Zeichnungen dieses Künstlers sind durchgehends innig, seelen­

voll, auf die Sache selbst gehend, nicht, wie z. B. die des fran­

zösischen Malers Dor^ sich verlierend in schmückendem Beiwerks Lichtwirkungen, geographischen, historischen Dingen, Landschaften,

Kunststücken aller Art.

Die Figuren sind bei Schnorr überall

groß, fast den oberen Rand des Bildes berührend, als entschie­ dene Hauptsache behandelt, die Linien, wie es für den Holzschnitt

sich ziemt, einfach, scharf, bestimmt, die Schatten nur angedeutet. Die Beschreibung eines dieser Bilder wird das Gesagte noch mehv erläutern.

Ich greife Ruth heraus, weil diese Zeichnung die an­

gedeuteten Vorzüge des Künstlers in besonders Hellem Lichte zeigt.

Jedermann kennt die liebliche Geschichte: Naemi, ein jüdi­

sches Weib aus Bethlehem, war mit ihrem Manne nach dem Lande

Moab gezogen, wo letzterer starb, und wo dann ihre beiden Söhne Weiber nahmen.

Die Söhne starben auch, und nun will Naemi

in ihre Heimat zurück.

Arpa, die eine Schwiegertochter, bleibt

im Lande ihrer Bäter, aber die andere, Ruth, will mit nach Juda.

„Rede mir nicht drein",

so sprach sie,

sollte und wiederumkehren!

„daß ich dich verlassen

Wo du hingehst, da will ich auch

hingehen,- wo du bleibst, da bleibe ich auch.

Volk, und dein Gott ist mein Gott.

Dein Volk ist mein

Wo du stirbst, da sterbe

ich auch, da will ich auch begraben werden."

Diesen Wendepunkt

der Erzählung hat der Maler zum Vorwurf seines Bildes gewählt.

Wir sind im Freien.

Links schweift der Blick weit in die

Ferne, in ein hügeliges, anscheinend wohl bebautes Land,- Kuppeln und Häuser sind sichtbar, zum Teil in der Ferne verschwimmend-

ein Feldweg schlängelt sich bis in den Vordergrund.

Rechts da­

gegen ist der Gesichtskreis eingeengt durch hohe Berge, die offen­

bar kahl und öde sind,- an den Felsblöcken, die vorne zerstreut

liegen, klammern sich die Wurzeln einiger Bäume fest.

In dieser einsamen Landschaft sind drei Frauengestalten sichtbar: im Mittelgrund wankt den Feldweg entlang die eine, sich langsam entfernend von den beiden andern, die im Vordergrund in entgegengesetzter Richtung rüstig auf den Beschauer zuschreiten.

Jene einsame Frau ist Arpa, die nach Moabs gesegneten Gefilden, ihrer Heimat, zurückkehrt.

Wir erblicken sie nur von

der Rückseite, trotzdem ist uns ihre Seelenstimmung vollkommen

klar.

Ihr Haupt, vom Witwenschleier verhüllt, der im Winde

flattert, der linke Arm, der zum Auge erhoben ist, offenbar, um die Thränen zu trocknen, die ganze, nach rechts schwer auf den

stützenden Wanderstab sinkende Gestalt, welche bei dem folgenden

Schritte ebenso nach links hin schwanken wird: das alles verrät eine tief Traurige.

Ach, sie hat ja keine menschliche Stütze mehr,

da gehen die beiden fort, die ihre Seele liebt.

Auch der aller­

letzte Abschiedsgruß ist vorbei und lebewohl gesagt auf immer­ dar,- ohne noch ferner sich umzusehen, zieht Arpa ihre Straße, stille vor sich hin schluchzend,- ohne noch ferner sich umzusehen,

ziehen jene in die Weite. Die ältere Frau, Naemi, die Schwiegermutter der beiden jüngeren, ist ebenfalls noch ganz

schmerz,-

erfüllt von dem Trennungs­

der Schleier der Witwe umhüllt auch ihr Haupt und

läßt nur das Gesicht frei; das Gewand schleppt; zögernd nur hebt sich der Fuß.

Die Linke hat sie leise auf den Arm ihrer

Ruth.

218 fIV]

Begleiterin gelegt, nicht um sich zu stützen, sondern so, wie der thut, der in sanfter Überredung jemand bewegen will, etwas zu thun, dem der andre noch widerstrebt.

Der Kopf ist traurig

gesenkt, nur das Auge ist gehoben, das müde, thränenschwere

Auge, das bittend, ja beinahe flehend gegen Ruth sich aufschlägt. Wozu sie aber überreden will, das deutet die andere Hand an, welche rückwärts gewandt ist, nach Moab zu, dahin, wohin Arpa

jetzt eilt. Verlorne Worte! Denn nicht heimwärts strebt der Sinn der rüstigen Ruth, sondern vorwärts, voll Gottvertrauens, in die

ihr unbekannte Ferne.

„Rede mir nicht drein, daß ich dich ver­

lassen sollte und von dir umkehren!" ihrer Bewegungen.

so spricht es aus jeder

Verschwunden ist das Trennungsleid aus

ihren Zügen,' klar und frei ist das Auge, und wir blicken in das liebliche, jugendlich

»litten hinein,

volle und doch frauenhaft gereifte Antlitz

wie in eine vollerblühte Rose.

Mitten hinein,

denn indem sie sich ihrer Begleiterin zuwendet, wendet sie sich

auch dem Beschauer zu.

Der weite, schattengebende Reisehut sitzt

auf dem Hellen Haar, dessen reiches Gelock nach rückwärts flattert

vor dem Windhauch, den ihr entschlossenes Vorwärtsschreiten er­ regt.

Das Reisegewand ist bequem gegürtet — es schleppt nicht

nach — und auch die Arme sind frei; über die Schulter hängt

ein bescheidenes Bündel; die Rechte, die den Reisestab hält, hat

das Kleid zu einem Bausch ausgenommen, der wohl noch einigen Mundvorrat bergen mag.

Die Linke ist erhoben und zeigt vor­

wärts in das fremde Land, das Land ihrer Hoffnung, bald auch

ihr Heimatland, denn: „Wo du hingehst, da will ich auch hin­ gehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch;

dein Volk ist mein

Volk, und dein Gott ist mein Gott!"

Sie ist es doch eigentlich, welche die traurigere sein müßte, sie verläßt ihre Heimat, während Naemi in ihr altes Vaterland

wiederkehrt.

Aber Jugendmut und leichter Sinn und vor allem

treue Liebe und Anhänglichkeit machen es umgekehrt:

eigenen

Leides vergessend, tröstet sie fremden Schmerz; sie fühlt sich jetzt als die einzige Stütze der Mutter, da ist nicht Zeit zu klagen,

da heißt es: Augen helle, Gedanken frei, Kopf oben! Und ein solches Ringen im schweren Kampfe des Lebens schützt am besten

vor jenen aufreibenden Sorgen und Klagen um das^ was doch

nicht wiederkehrt, macht fröhliche Gedanken und frisches Herze.

Wie wunderbar ist die Kunst des Malers, der das alles darzustellen weiß, der überall durchdringt auf den Kern der

Sache, auf das rein Menschliche, auf das innerste Leben des Ge­

mütes, auf das Seelische der Handlung, und der zugleich auch edle, schöne Gestalten und wohlthuend wirkende Linien geschaffen hat-

alles mit wenig Strichen, ohne Künstelei, ohne einen Ruhm zu

suchen in möglichst getreuer Wiedergabe des Nebenwerkes, des Landschaftlichen, des Gesichtsschnittes, der Kleidertracht. Und so will es ein gesunder, deutscher Sinn haben, der

sucht in seiner Bibel, was die Leute thaten, sprachen und dachten, nicht, wie sie aussahen in Gesichtsfarbe und Kleidertracht zu ihren

Lebzeiten.

Am Ewigwahren, Bleibenden, für alle Zeiten Vor­

bildlichen, daran wollen wir uns erbauen.

Darum sprechen diese

Bilder zu unserm Herzen, eine wohlgelungene, erbauliche Predigt-

sie legen die heilige Schrift uns aus- sie decken manches uns auf, woran wir sonst achtlos vorübergegangen wären, ohne es zu finden- sie führen unsere Gedanken in die Tiefen der Schrift

und lehren uns immer neue Schätze aus ihr zu Tage fördern.

58. Chrie.

(5u allem Großen ist der erste Schritt der Mut).

(Einleitung.) Allgemeine Sprüche, mögen sie Dichterworte sein oder zu den Sprichwörtern gehören, enthalten entweder eine Wahrheit oder eine Lehre, oft auch liegt in einer Wahrheit zu­

gleich eine Lehre verborgen.

Unsere Aufgabe soll es sein, zu

untersuchen, ob und inwiefern unser Spruch Wahrheit ist, und

alsdann zu sehen, ob er nicht auch eine mahnende Lehre enthält. (1. Erklärung.)

Große Dinge sind

Dinge, abgesehen davon,

wichüge,

bedeutsame

ob sie für die ganze Menschheit, für

ein ganzes Volk oder nur für wenige Menschen, oder ob sie gar

nur für den einzelnen bedeutsam und wichtig sind.

Es kann sich

also handeln um Kriegszüge, um große Kulturthaten, wie Ent­ deckungsfahrten, Anlage von Kolonien, große gewerbliche Unter­

nehmungen, aber auch um Wagnisse und Entschlüsse, die das

vor jenen aufreibenden Sorgen und Klagen um das^ was doch

nicht wiederkehrt, macht fröhliche Gedanken und frisches Herze.

Wie wunderbar ist die Kunst des Malers, der das alles darzustellen weiß, der überall durchdringt auf den Kern der

Sache, auf das rein Menschliche, auf das innerste Leben des Ge­

mütes, auf das Seelische der Handlung, und der zugleich auch edle, schöne Gestalten und wohlthuend wirkende Linien geschaffen hat-

alles mit wenig Strichen, ohne Künstelei, ohne einen Ruhm zu

suchen in möglichst getreuer Wiedergabe des Nebenwerkes, des Landschaftlichen, des Gesichtsschnittes, der Kleidertracht. Und so will es ein gesunder, deutscher Sinn haben, der

sucht in seiner Bibel, was die Leute thaten, sprachen und dachten, nicht, wie sie aussahen in Gesichtsfarbe und Kleidertracht zu ihren

Lebzeiten.

Am Ewigwahren, Bleibenden, für alle Zeiten Vor­

bildlichen, daran wollen wir uns erbauen.

Darum sprechen diese

Bilder zu unserm Herzen, eine wohlgelungene, erbauliche Predigt-

sie legen die heilige Schrift uns aus- sie decken manches uns auf, woran wir sonst achtlos vorübergegangen wären, ohne es zu finden- sie führen unsere Gedanken in die Tiefen der Schrift

und lehren uns immer neue Schätze aus ihr zu Tage fördern.

58. Chrie.

(5u allem Großen ist der erste Schritt der Mut).

(Einleitung.) Allgemeine Sprüche, mögen sie Dichterworte sein oder zu den Sprichwörtern gehören, enthalten entweder eine Wahrheit oder eine Lehre, oft auch liegt in einer Wahrheit zu­

gleich eine Lehre verborgen.

Unsere Aufgabe soll es sein, zu

untersuchen, ob und inwiefern unser Spruch Wahrheit ist, und

alsdann zu sehen, ob er nicht auch eine mahnende Lehre enthält. (1. Erklärung.)

Große Dinge sind

Dinge, abgesehen davon,

wichüge,

bedeutsame

ob sie für die ganze Menschheit, für

ein ganzes Volk oder nur für wenige Menschen, oder ob sie gar

nur für den einzelnen bedeutsam und wichtig sind.

Es kann sich

also handeln um Kriegszüge, um große Kulturthaten, wie Ent­ deckungsfahrten, Anlage von Kolonien, große gewerbliche Unter­

nehmungen, aber auch um Wagnisse und Entschlüsse, die das

äußere oder innere Glück nur des Handelnden begründen sollen. Mag auch der Weg zur Vollbringung solcher Thaten weit sein

und viele Schritte dazu erforderlich, der erste Schritt ist jeden­ falls der Mut, so behauptet unser Spruch, d. h. der feste Wille, das zu thun, was wir uns vorgesetzt, die Freudigkeit, die aus

dem Bewußtsein hervorgeht, daß wir auf dem rechten Wege sind

und die Kraft und die Aussicht haben, zum Ziele zu gelangen. (2. Begründung.)

In der That scheint es völlig der Ver­

nunft entsprechend, wenn wir gerade das als den ersten Schritt zu allem Großen bezeichnen.

spruch:

Muß auch gemäß Moltkes Wahl­

erst wägs, dann wags!

und tollkühn erscheinen, so

die Erwägung, ob die Sache

soll anders der Mut nicht blind

ausführbar ist, vorhergehen,

ist das Abwägen als solches doch

Sache des Verstandes, der mutvolle Wille aber der erste Schritt zur eigentlichen That. Ist dieser Wille da, dann schwinden alle Zweifel

und Bedenken, nur das hohe Ziel schwebt uns vor, darum wer­ den wir Hand ans Werk legen und nicht eher ablassen, als bis das Begonnene zu Ende geführt ist.

Der erste Schritt ist alles,

und das ist der Mut: ohne Mut kein Entschluß, ohne Entschluß kein Anfang

der Ausführung

und ohne diesen kein Fortgang.

Der Mut ist das von uns gesprochene A, dem das B, das C

und schließlich alle andern Buchstaben bis zum Z folgen. (3. Gegenteil.)

Die Wahrheit unseres Satzes ist besonders

klar zu erkennen, wenn wir ihn gleichsam von der Rückseite be­

trachten und uns fragen, ob etwas Großes geschehen könne, wenn der Mut fehle.

Das müssen wir entschieden verneinen, denn

der Feige handelt überhaupt nicht, sondern flieht, der Bedächtige aber denkt stets nur an die Möglichkeit des Mißlingens, an die

Schwierigkeiten und

handelt darum

auch

Mutigen fehlen, die beherzt vorangehen,

nichts Großes.

nicht.

dann

Wenn

die

geschieht eben

Immer sind es einzelne Mutige, die den ersten

Schritt thun, wenn auch ihre Namen und ihre Thaten in den seltensten Fällen von der Geschichte dauernd ausgezeichnet werden. (4. Beispiele.)

Wenn es aber hier und da geschieht, dann

werden solche Beispiele Vorbilder für die kommenden Geschlechter. Wir denken an Winkelrieds That, an Cäsar, da er über den

Rubikon ging, an Themistokles, wie er in der Bucht von Sa­ lamis die Perserflotte erwartete, wir denken an Moses, der vor

Pharao trat, an David, der dem Goliath sich entgegenstellte.

Oder die christlichen Märtyrer steigen vor unserer Seele auf, die Erhebung Preußens 1813, Blücher und die Lützower.

Dichtung zeigt uns Gestalten wie Antigone,

Die

Johanna d'Arc,

die Heldenjungfrau Dorothea, die den eindringenden Feinden

gegenüber sich männlich zur Wehre setzte. hebung der Schweiz vor?

Wer bereitete die Er­

Stauffacher selbst war anfangs be­

kümmert und verzagt, der Mut seiner Hausfrau Gertrud war

der erste Schritt, dem alle andern von selbst folgten.

(5. Gleichnis.) Auch im Naturleben bewundern wir die Tiere,

denen Mut in die Seele gepflanzt ist. Stolz und edel dünkt uns der Löwe, die Hyäne feig und verächtlich; dem Löwen zu

gleichen gilt dem tapfern Krieger für ehrenvoll und Ziel seines Strebens.

Auch das Schlachtroß gebrauchen wir gern als Bild

des Mutes, und der Mut, den die Tiere entfalten bei Verteidigung ihrer Jungen, giebt auch Jesu Veranlassung zu dem lieblichen Bild

von der Henne, die ihre Küchlein unter ihre Flügel versammelt.

(6. Beistimmende Aussprüche.) wandt mit allem Großen.

In Iphigenie heißt es:

So erscheint der Mut ver­

Das sagen uns auch die Dichter. „Was nennt man groß? ...

was mit unwahrscheinlichem

Erfolg

als

der Mutigste begann."

Dem Mutigen hilft Gott) frisch gewagt, ist halb gewonnen,' dem

Mutigen gehört die Welt.

nicht sein!

Nur frisch hinein, es wird so tief

„Es sitzt keine Krone so fest, so hoch, der mutige

Springer erreicht sie doch", so lesen wir in Wallensteins Lager. Nur Muti nur Mut! rufen in allen Formen die Weisen, die Dichter, die Prediger uns zu.

(7. Ermahnender Schluß.)

Darum laßt uns bei jedem be­

deutsamen Werke, das wir vorhaben, zwar erwägen, dann aber mutvoll, ohne Bangen und Verzagtheit beginnen!

Sorgen be­

nimmt die Kraft zur Ausführung, läßt uns mit halber Seele in gefahrvollen Lagen kämpfen, aber wer mutig wagt, der hat schon halb gewonnen, zu allem Großen ist der ersteSchritt der Mut.

222 [IV]

Kebensabriß der Schriftsteller. Arndt Ernst Moritz, geb. 26. Dezember 1769 zu Schoritz auf Rügen, f 29. Januar 1860 zu Bonn. Vgl. Gedichte. Fürst von Bismarck Otto, geb. 1. April 1815 zu Schön­ hausen, t 30. Juli 1898 zu Friedrichsruh. Er studierte zu Göttingen und Berlin die Rechtswissenschaft, bewirtschaftete dann seine väter­ lichen Güter, wurde Legationssekretär bei der preußischen Bundes­ tagsgesandtschaft zu Frankfurt, später Gesandter in Petersburg und Paris, seit dem 8. Oktober 1862 Ministerpräsident, nach Gründung des deutschen Reiches Reichskanzler. Am 20. März 1890 nahm er seine Entlassung und lebte bis zu seinem Tode in Friedrichsruh. Brentano Klemens, geb. 8. September 1778 zu Ehrenbreit­ stein, f 28. Juli 1842 zu Aschaffenburg. Er machte sich besonders verdient durch die Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn". Seine Märchen sind erst nach seinem Tode vollständig gedruckt worden. Goethe Elisabeth, geb. 19. Februar 1731 zu Frankfurt a. M., 113. September 1809 ebenda. Sie war die Tochter des Sradtschultheißen Textor, heiratete am 20. August 1748 den um vieles älteren Kaiserlichen Rat Johann Kaspar Goethe und wurde am 28. August 1749 Mutter von Johann Wolfgang Goethe. Nach dem Tode ihres Gatten (1782) blieb sie in Frankfurt wohnen, wo sie still für sich lebte, in geselligem Zusammensein besonders mit der Jugend, Theater und Musik liebend, in regem brieflichen Verkehr mit den Ihrigen. Sie ließ sich gern Frau A;a nennen, nach der Mutter der Haimons­ kinder. von Goethe Johann Wolfgang, geb. 28. August 1749 zu Frankfurt a. M., f 22. März 1832 zu Weimar. Vgl. Gedichte. Brüder Grimm: 1) Jakob, geb. 4. Januar 1785 zu Hanau, t 20. September 1863 zu Berlin. Er studierte Rechtswiffenschast zu Marburg, war Universitätsprofessor zu Göttingen und Berlin, als Erforscher altdeutscher Sprache und Litteratur hochberühmt. 2) Wilhelm, geb. 24. Februar 1786 zu Hanau, f 16. De­ zember 1859 zu Berlin. Sein äußeres Leben verlief genau wie das seines Bruders, auch wiffenschaftlich verfolgte er ähnliche Ziele. Beide Brüder zusammen gaben 1812 die Kinder- und Hausmärchen heraus, 1816 die deutschen Sagen. Hagen August, geb. 12. April 1797 zu Königsberg in Preußen, t 15. Februar 1880 daselbst. Er studierte Medizin, dann Kunst undLitteratur, durchreiste Italien und wurde 1831 Professor der Kunstund Litteraturgeschichte an der Universität seiner Vaterstadt. Heine Heinrich, geb. 13. Dezember 1797 zu Düsseldorf, f 17 Februar 1856 zu Paris. Vgl. Gedichte. von Herder Johann Gottfried, geb. 25. August 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen, f 18. Dezember 1803 zu Weimar. Vgl. Gedichte.

von Humboldt Alexander, geb. 14. September 1769 zu Berlin, f 6. Mai 1859 daselbst. Als Naturforscher durchwanderte er mit dem Botaniker Bonpland von 1799—1804 Süd- und Mittelamerika, besonders das Orinokoaebiet, lebte dann in Paris und Ber­ lin, unternahm 1829—30 eine Forschungsreise nach dem asiatischen Rußland und hielt sich dann wieder dauernd in Berlin auf.

von Humboldt Wilhelm, geb. 22.Juni 1767 zu Potsdam, f 8. April 1835 zu Tegel. Er ist Alexanders Bruder, als Sprach­ gelehrter und als Staatsmann hervorragend. Bon 1789 ab lebte er in Erfurt, Weimar und Jena, innig befteundet mit Schiller- 1800 trat er in den Staatsdienst, ward 1808 preußischer Nnterrichtsminister und zog sich 1819 aus der staatlichen Laufbahn zurück. Jäger Oskar, geb. 26. Oktober 1830 zu Stuttgart, lebt seit 1865 zu Köln als Eymnastaldirektor. Er schrieb u. a. die Geschickte der Griechen, die Geschichte der Römer, die Geschichte des 19. Jahr­ hunderts und eine Weltgeschichte in vier Bänden. Jahn Friedrich Ludwig, geb. 11. August 1778 zu Lanz in der Priegnitz, f 15. Oktober 1852 zu Freiburg a. d. Unstrut. Als Gym­ nasiallehrer in Berlin eröffnete er 1810 die erste Turnanstalt in der Hasenheide, daher Turnvater genannt, nahm im Lüüowfchen Korps an den Befreiungskriegen teil und stand dann an oer Spitze des Turnwesens. Die Verfolgungen der Turnsache betrafen auch ihn, so daß er von 1825 ab zurückgezogen in Freiburg a. d. Unstrut lebte. von Leibnitz Gottftied Wilhelm, Freiherr, geb. 3. Juli 1646 zu Leipzig, f 14. November 1716 zu Hannover. Er war Rat des Herzogs von Hannover, seit 1700 Präsident der neugestifteten Aka­ demie der Wissenschaften in Berlin; er war gleich berühmt als Mathe­ matiker, Philosoph, Rechtsgelehrter und Staatsmann. Lessing Gotthold Ephraim, geb. 22. Januar 1729 zu Kamenz in der Oberlausitz, f 15. Februar 1781 zu Braunschweig. Er stu­ dierte in Leipzig und Wittenberg, war dann in Berlin als Schrift­ steller thätig, wo er sich besonders mit Nicolai, Ramler, Mendelssohn befreundete. Im siebenjährigen Kriege Sekretär des Generals Tauenzien, empfing er die Anregung zu seinem Lustspiel „Minna von Barn­ helm" (1764); 1766 erschien sein „Laokoon"; 1767 ward er Drama­ turg in Hamburg (Hamburgische Dramaturgie), 1770 Bibliothekar in Wolfenbüttel. Das Trauerspiel „Emilia Galotti" erschien 1772, sein Schauspiel „Nathan der Weise" 1779. Vermählt war Lesfing seit 1776 mit Eva König, die-jedoch bereits 1778 starb. Lesfing ist gleich C als Gelehrter, Dichter und Prosaschriftsteller, der Vorgänger -hes und Schillers. Luise, Königin von Preußen, geb. 10. März 1776 zu Han­ nover, f 19. Juli 1810 auf Hohenzieritz in Mecklenburg. Ihr Vater war der Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz; sie vermählte sich am 24. Dez. 1793 mit bem damaligen Kronprinzen, späteren König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Luther Martin, geb. 10. November 1483 zu Eisleben, t 18. Februar 1546 daselbst. Vgl. Gedichte. Graf von Moltke Helmut, geb. 26. Oktober 1800 zu Parchim in Mecklenburg, f 24. April 1891 zu Berlin. Sein Vater war erst preußischer, dann dänischer Offizier, darum trat der Sohn auch zuHessel, Lesebuch IV. Prosa. 15

224 [IV]

Lebensabrih der Schriftsteller.

nächst in dänischen, 1823 aber in preußischen Militärdienst. Als Hauptmann unternahm er 1835 eine Reise nach dem Orient. Er kehrte 1839 zurück, ward in den Generalstab versetzt, ging mit dem Prinzen Heinrich von Preußen 1845 nach Italien und wurde 1846 Chef des Generalstabes. Er vermählte sich 1841 mit Mary von Burt, der Stieftochter seiner Schwester- seine Ehe war kinderlos, seine Gattin starb im Jahre 1868. Möser Justus, geb. 14. Dezember 1740 zu Osnabrück, t 8. Januar 1794 daselbst. Er lebte als Advokat in seiner Vaterstadt, berühmt als Ratgeber seines Fürsten, als Staatsmann, Patriot und Schriftsteller. Seine Osnabrückischen Geschichten und seine patriotischen Phantasien gelten als klassische Schriften.

Ranke Leopold von, geb. 21. Dezember 1795 zu Wiehe in Thüringen, f 23. Mai 1886 zu Berlin. Sohn eines Rechtsanwalts, studierte er Theologie und Philologie, war erst Gymnasiallehrer zu Frankfurt a. d. O., seit 1825 Professor der Geschichte an der Berliner Universität. Er liebte in der Geschichte die Persönlichkeiten darzustellen, weniger die Kulturgeschichte. Seine sämtlichen Werke umfassen 54 Bände. Noch im Jahre 1880 begann er eine große „Weltgeschichte", von der er noch 7 Bände selbst schrieb. Riehl Wilhelm Heinrich, geb. 6. Mai 1823 zu Biebrich, f 16. Juni 1897 zu München, wo er als Profeffor der Kulturgeschichte an der Universität gewirkt hatte. Er hat zahlreiche kulturgeschichtliche Schriften verfaßt, so die „Familie", das „Wanderbuch", die „Pfälzer", die „Kulturhistorischen Novellen." Scherer Wilhelm, geb. 26. April 1841 zu Schönborn in Niederösterreich, f 6. August 1886 zu Berlin. Er wirkte als Pro­ fessor der deutschen Sprache und Litteratur seit 1872 an der Uni­ versität zu Straßburg, seit 1877 in Berlin - sein bedeutendstes Werk ist seine Geschichte der deutschen Litteratur. von Schiller Friedrich, geb. 10. November 1759 zu Marbach, t 9. Mai 1805 zu Weimar. Vgl. Gedichte. Schleiermacher Friedrich Ernst, geb. 21. November 1768 zu Breslau, f 12. August 1834 zu Berlin. Er wirkte in Berlin seit Gründung der Berliner Universität als Professor der Theologie und Universttätsprediger. Seine sämtlichen Werke umfassen 33 Bände. Schupp Johann Balthasar, geb. 1. März 1610 zu Gießen, f 26. Oktober 1661 zu Hamburg. Er war Pfarrer zu Braubach am Rhein, hielt die Friedenspredigt in Münster 1648 und ward dann als Prediger nach Hamburg berufen. Vielgereist, war er einer der wenigen frischen und volkstümlichen Schriftsteller jenes Zeitalters.

Springer Anton, geb. 13. Juli 1825 zu Prag, t 31. Mai 1891 zu Leipzig. Er wirkte als Universttätsprofeffor in Bonn, Straß­ burg und seit 1873 in Leipzig- besonders bekannt sind seine Bilder aus der neueren Kunstgeschichte und sein Raffael und Michelangelo. Sybel Heinrich von, geb. 2. Dezember 1817 zu Düsseldorf, t 1. August 1895 zu Marburg. Er studierte unter Ranke Geschichte und wirkte seit 1841 als Universitätslehrer in Bonn, Marburg, München, seit 1861 wieder in Bonn. 1875 wurde er Direktor der preußischen Staatsarchive. Seine Hauptwerke sind die Geschichte der

Lebensabriß der Schriftsteller.

Nachweis der Quellen.

[IV] 225

Revolutionszeit 1789—95 und die Begründung des deutschen Reichs Lurch Wilhelm I. (7 Bände). Trei tschke Heinrich bonz geb. 15. September 1834 zu Dres­ den, f 28. April 1896 zu Berlin. Er wirkte als Lehrer an den Uni-versitäten zu Leipzig, Freiburg, Kiel, Heidelberg und seit 1874 zu Berlin. Nach Rankes Tod ward er zum Historiographen des preußi­ schen Staates ernannt. Sein Hauptwerk ist die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, die von 1879 ab in 5 Bänden erschienen ist. Tschudi Ägidius, geb. 1505 zu Kirchmatt bei Glarus, f 28. Februar 1572 zu Glarus. Er ist der Vater der schweizerischen Ge­ schichtschreibung- seine helvetische Chronik erschien erst nach seinem Tode. Vilmar August Friedrich Christian, geb. 21. November 1800 LU Solz in Kurhessen, f 30. Juli 1868 zu Marburg. Er war Pro­ fessor der Theologie in Marburg, hat sich jedoch am meisten durch seine Geschichte der deutschen Nationallitteratur bekanrkt gemacht. Wilhelm I, Deutscher Kaiser, geb. 22. März 1797 zu Berlin, -f 9. März 1888 ebenda, seit dem 18. Januar 1871 Deutscher Kaiser.

Nachweis der Uuellen. Arndt: Katechismus für den deutschen 5kriegs- und Wehrmann, Sommer 1812, in den Schriften für u. an s. lieben Deutschen, Leipzig, Weidmann, 1845, 1. Teil (Nr. 27); Geist der Zeit, 3. Teil, London, Boosey, 1813 (Nr. 28); Der Rhein, Deutsch­ lands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze, in den Schriften an und für seine lieben Deutschen, 2. Teil (Nr. 29). Bismarck: Bismarckbriefe 1844—1870. Bielefeld und Leipzig, Velhagen u. Klastng, 2. Aufl., 1877. Goethe Elisabeth: Frau Rath. Briefwechsel von Katharina Eli­ sabeth Goethe. Nach den Originalen mitaetetlt von Robert Keil, Leipzig, Brockhaus, 1871 (I, V.). — Briefe von Goethes Mutter. Neu herausg. von Stein. Leipzig, Reclam, o. I. Goethe: Bernays, Der junge Goethe, Leipzig, Hirzel, 1875, 3. Teil (Nr. 13). — Goethes Briefe an Frau von Stein. In 4 Bänden, mit Einleitung von Heinemann. Stuttgart, Cotta, o. I., Bd. 1. — Werke in 6 Bden., Stuttgart, Cotta, 1860, Bd. 3 (Nr. 15). Grimm: Kinder- und Hausmärchen, große Ausg., -18 Aust., Berlin, Hertz, 1882, Vorrede (gekürzt); Deutsche Sagen, Berlin, Nicolai, 1816, Vorrede (gekürzt); Jakob Grimm, kleinere Schriften, Ber­ lin, Dümmler, 1864, Bd. 1, aus einer Rede auf Schiller, ge­ halten zu Berlin am 10. November 1859 in der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften. Hagen: Norica, 5. Aust., Leipzig, Weber, 1876. Heine: Werke, herausg. von Elster, Leipzig, Bibliographisches Institut, o. I., Bd. 3. Unbedeutend gekürzt. Herder: Werke, herausg. von Wollheim da Fonseca, Berlin, Hempel, o. I., Nr. 12,1 aus der Schrift von deutscher Art und Kunst (1773) und zwar aus dem Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian

Lebensabriß der Schriftsteller.

Nachweis der Quellen.

[IV] 225

Revolutionszeit 1789—95 und die Begründung des deutschen Reichs Lurch Wilhelm I. (7 Bände). Trei tschke Heinrich bonz geb. 15. September 1834 zu Dres­ den, f 28. April 1896 zu Berlin. Er wirkte als Lehrer an den Uni-versitäten zu Leipzig, Freiburg, Kiel, Heidelberg und seit 1874 zu Berlin. Nach Rankes Tod ward er zum Historiographen des preußi­ schen Staates ernannt. Sein Hauptwerk ist die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, die von 1879 ab in 5 Bänden erschienen ist. Tschudi Ägidius, geb. 1505 zu Kirchmatt bei Glarus, f 28. Februar 1572 zu Glarus. Er ist der Vater der schweizerischen Ge­ schichtschreibung- seine helvetische Chronik erschien erst nach seinem Tode. Vilmar August Friedrich Christian, geb. 21. November 1800 LU Solz in Kurhessen, f 30. Juli 1868 zu Marburg. Er war Pro­ fessor der Theologie in Marburg, hat sich jedoch am meisten durch seine Geschichte der deutschen Nationallitteratur bekanrkt gemacht. Wilhelm I, Deutscher Kaiser, geb. 22. März 1797 zu Berlin, -f 9. März 1888 ebenda, seit dem 18. Januar 1871 Deutscher Kaiser.

Nachweis der Uuellen. Arndt: Katechismus für den deutschen 5kriegs- und Wehrmann, Sommer 1812, in den Schriften für u. an s. lieben Deutschen, Leipzig, Weidmann, 1845, 1. Teil (Nr. 27); Geist der Zeit, 3. Teil, London, Boosey, 1813 (Nr. 28); Der Rhein, Deutsch­ lands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze, in den Schriften an und für seine lieben Deutschen, 2. Teil (Nr. 29). Bismarck: Bismarckbriefe 1844—1870. Bielefeld und Leipzig, Velhagen u. Klastng, 2. Aufl., 1877. Goethe Elisabeth: Frau Rath. Briefwechsel von Katharina Eli­ sabeth Goethe. Nach den Originalen mitaetetlt von Robert Keil, Leipzig, Brockhaus, 1871 (I, V.). — Briefe von Goethes Mutter. Neu herausg. von Stein. Leipzig, Reclam, o. I. Goethe: Bernays, Der junge Goethe, Leipzig, Hirzel, 1875, 3. Teil (Nr. 13). — Goethes Briefe an Frau von Stein. In 4 Bänden, mit Einleitung von Heinemann. Stuttgart, Cotta, o. I., Bd. 1. — Werke in 6 Bden., Stuttgart, Cotta, 1860, Bd. 3 (Nr. 15). Grimm: Kinder- und Hausmärchen, große Ausg., -18 Aust., Berlin, Hertz, 1882, Vorrede (gekürzt); Deutsche Sagen, Berlin, Nicolai, 1816, Vorrede (gekürzt); Jakob Grimm, kleinere Schriften, Ber­ lin, Dümmler, 1864, Bd. 1, aus einer Rede auf Schiller, ge­ halten zu Berlin am 10. November 1859 in der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften. Hagen: Norica, 5. Aust., Leipzig, Weber, 1876. Heine: Werke, herausg. von Elster, Leipzig, Bibliographisches Institut, o. I., Bd. 3. Unbedeutend gekürzt. Herder: Werke, herausg. von Wollheim da Fonseca, Berlin, Hempel, o. I., Nr. 12,1 aus der Schrift von deutscher Art und Kunst (1773) und zwar aus dem Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian

226 [IV]

Nachweis der Quellen.

und die Lieder alter Völker a. a. O. Bd. 5; das Totenlied selbst steht Bd. 5, S. 26; Nr. 11, III aus der Vorrede zu den (Stimmen der Völker in Liedern, Bd. 5. A. von Humboldt: Ansichten der Natur, Stuttgart, Cotta, 1826I: aus dem Aufsatz über Steppen und Wüsten; II: aus dem Aufsatz über die Wasserfälle des Orinoko; beioes gekürzt. W. von Humboldt: Briefwechsel zwischen Schiller und W. v. Hum­ boldt, Stuttgart, Cotta, o. I. (gekürzt). — Über Goethes Her­ mann und Dorothea. Gesammelte Werke, 4 Bde., Berlin, Rei­ mer, 1843. — Briefe an eine Freundin, Ausg. in einem Band, Leipzig, Brockhaus, 1860. äger: Geschichte der Griechen, Gütersloh, 1866 (gekürzt). ahn: Deutsche Turnkunst von Jahn und Eiselen, Berlin, auf Kosten der Herausgeber, 1816 (Nr. 30). — Nr. 31 und 32 aus Jahns Werken, h^rausg. von Euler, Hof, Lion, 1887, Bd. 2, zuerst ge­ druckt im „Turner", 1846, S. 293, und Bd. 2, 2. Abteilung. Leibnitz: Deutsche Schriften, herausg. von Guhrauer, Berlin, Veit & Comp., 1838, Bd. 1, mit vielen Auslassungen; aus dem Aufsatz: Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesse­ rung der deutschen Sprache. L e s s i n,g: Werke, Berlin, Hempel, o. I. Die Verse aus Homer stndder Übersetzung von Voß entlehnt. Luise, Königin von Preußen, abaedruckt aus Ehlert, Charakterzüge aus dem Leben Friedrich Wilhelm III., Magdeburg, HeinrichsHofen, 1845, 2. Teil, 2. Abteilung, mit geringen Auslassungen. Luther: Sämtliche Werke, Erlanger Ausgabe, 65 Bände deutsche Schriften, herausg. von Jrmischer, Erlangen, Heyder 1826—1855. Nr. 1 aus dem Sendbrief vom Dolmetschen (1530), Bd. 65; die Probe der Bibelübersetzung ist abgedruckt aus Bindseil und Nie­ meyer, Dr. Martin Luthers Bibelübersetzung, nach der letzten Originalausgabe kritisch bearbeitet. 3. Teil, Halle, Cansteinsche Bibelanstalt, 1850. — Nr. 2 aus der Vorrede auf den Psalter(1531) Bd. 63. — Nr. 3 aus der Hauspostille, Bd. 5. Moltke: Gesammelte Schriften und Denkwürdigkeiten des General­ feldmarschalls Grafen Helmut von Moltke. Berlin, Mittler, 1892. — Wanderbuch, 2. Aufl. Berlin, Pätel, 1879 (Nr. 40, I). Oncken: Unser Heldenkaiser, Berlin, Schall u. Grund, 1897 Ranke: Abgedruckt aus Keferstein, Charakterbilder aus L. v. RankeK historischen Werken. Frankfurt, Völcker, 1869, 2. Aufl. Riehl: Die Familie, 6. Abdruck, Stuttgart, Cotta, 1862, Buch 2r Kapitel 4 (Nr. 50). — Wanderbuch, Stuttgart, Cotta, 1869 (Nr. 51), mit einigen vom Verfasser für den Abdruck in der 1. Auflage dieser vorliegenden Sammlung persönlich angegebenen Kürzungen. Scherer: Geschichte der deutschen Litteratur, 4. Aufl. Berlin, Weid­ mann, 1887, gekürzt. Schiller: Werke, herausg. von Maltzahn, Berlin, Hempel, o. I. — Nr. 17 aus der Rezension von Bürgers Gedichten. — Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, 2. Ausg., Stuttgart, Cotta, 1862, Bd. 1. — Schillers Briefwechsel mit Körner, 2. Aufl. Leipzigs Veit, 1874. — Schiller und Lotte, herausg. von Fielitz, Stutt­ gart, Cotta, 1879, Bd. 2. Schleiermacher: Sämtliche Werke, Berlin, Reimer, 1846—1864. Predigten, Bd. 4 (I); Bd. 1 (II, III).

0

Nachweis der Quellen.

Erläuterungen.

[IV] 227

Schupp: Aus dem „deutschen Lehrmeister, ein Diseurs von Er­ lernung und Fortpflanzung der freien Künste und Wissenschaften in deutscher Sprache. Gehalten mit dem edlen Daphnis aus Cimbrien" [d. h. mit dem Dichter Johann Rist aus Königsbergl ­ abgedruckt aus Wackernagels Proben der deutschen Prosa seit dem Jahre 1500, Basel, Schweighauser, 3. Ausg. 1896, Bd. 1. Springer: Raffael und Michelangelo, Leipzig, Seemann, 1878. Shbel: Die Begründung des deutschen Reiches durch Wilhelm I., München u. Leipzig, Oldenbourg, 1889, 2. Bd., gekürzt. Treitschke: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1. Teil, Leipzig, Hirzel, 1879 (gekürzt). Tschudi: Chronicon Helveticum, herausg. von Jselin, Basel, bei Hanß Jacob Bischoff, 1734, Teil 1; etwas gekürzt und der jetzigen Schriftsprache gemäß sprachlich geändert. Vilmar: Handbüchlein für Freunde des deutschen Volksliedes, 2 Aufl., Marburg, Koch, 1868. Wilhelm L, Deutscher Kaiser: Nr. 37 abgedruckt aus Hahn, Kaiser Wilhelms Gedenkbuch, Berlin, Hertz, o. I. Der Abschnitt über die Unterredung mit Napoleon ist beigefügt aus Oncken, Unser Heldenkaiser, Berlin, 1897. Anhang: Nr. 55 aus einem Aufsatz (Reiseskizzen aus Griechen­ land) von K. H. im Wetzlarer Gymnastalprogramm für 1874; für den Abdruck in dieser Sammlung etwas geändert. — Nr. 56 nach einem Aufsatz „Der Kölner Dom als Kunstwerk gewürdigt" von K. H., in der Zeitschrift für weibliche Bildung, Leipzig, Teubner, 1881, frei bearbeitet. — Nr. 57 aus Musterprosa, 1. Aufl., III, S. 53. — Nr. 58 aus der. Schulpraxis, von K. H.

Erläuterungen. 4. Bühl — Hügel; Stäae (Stege) — Steigbügel; wirsch = ärger, englisch worse; handlich — eifrig, tüchtig; fast — fest, sehr; gebresten = fehlen, krank sein; biderbe — bieder; losen — lauschen; Tagleistung — Tagung, Versammlung; Wintermonat — November; beschicken = holen lassen; Göller — Köcher; entsitzen — aus dem Sitz oder aus der Ruhe kommen, ausweichen (entsetzen = aus der Ruhe bringen); sich verwegen (verwögen) — sich ohne Sicherheit des Ausgangs einer Sache unterziehen; ärmiglich — armselig; Bieten oder Gransen — Seitenbord des Schiffes. 5. Versetzung —Übersetzung; Obergebietiger ist ein mitteldeutscher Ausdruck, der schon zu Schupps Zeiten veraltet war; Prokurator das, Ivas jetzt Staatsanwalt heißt. 6. Es ereignet sich — man fleht, es liegt vor Augen. Noch Lesstng schreibt: es eräugnet sich, da es von Auge herzuleiten ist; Abgang — Mangel; abgezogen — wörtliche Übersetzung von abstrakt; Liebhaber der Weisheit — ebenso von Philosophen; Denkkunst — Wissenschaft vom Denken, Logik: abfeimen — den Feim (Schaum) wegnehmen, klären, abgefeimt also — geklärt; metaphysisch ist ziemlich dasselbe wie philosophisch; schlecht — gerade, schlicht; Retchsabschiede

Nachweis der Quellen.

Erläuterungen.

[IV] 227

Schupp: Aus dem „deutschen Lehrmeister, ein Diseurs von Er­ lernung und Fortpflanzung der freien Künste und Wissenschaften in deutscher Sprache. Gehalten mit dem edlen Daphnis aus Cimbrien" [d. h. mit dem Dichter Johann Rist aus Königsbergl ­ abgedruckt aus Wackernagels Proben der deutschen Prosa seit dem Jahre 1500, Basel, Schweighauser, 3. Ausg. 1896, Bd. 1. Springer: Raffael und Michelangelo, Leipzig, Seemann, 1878. Shbel: Die Begründung des deutschen Reiches durch Wilhelm I., München u. Leipzig, Oldenbourg, 1889, 2. Bd., gekürzt. Treitschke: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1. Teil, Leipzig, Hirzel, 1879 (gekürzt). Tschudi: Chronicon Helveticum, herausg. von Jselin, Basel, bei Hanß Jacob Bischoff, 1734, Teil 1; etwas gekürzt und der jetzigen Schriftsprache gemäß sprachlich geändert. Vilmar: Handbüchlein für Freunde des deutschen Volksliedes, 2 Aufl., Marburg, Koch, 1868. Wilhelm L, Deutscher Kaiser: Nr. 37 abgedruckt aus Hahn, Kaiser Wilhelms Gedenkbuch, Berlin, Hertz, o. I. Der Abschnitt über die Unterredung mit Napoleon ist beigefügt aus Oncken, Unser Heldenkaiser, Berlin, 1897. Anhang: Nr. 55 aus einem Aufsatz (Reiseskizzen aus Griechen­ land) von K. H. im Wetzlarer Gymnastalprogramm für 1874; für den Abdruck in dieser Sammlung etwas geändert. — Nr. 56 nach einem Aufsatz „Der Kölner Dom als Kunstwerk gewürdigt" von K. H., in der Zeitschrift für weibliche Bildung, Leipzig, Teubner, 1881, frei bearbeitet. — Nr. 57 aus Musterprosa, 1. Aufl., III, S. 53. — Nr. 58 aus der. Schulpraxis, von K. H.

Erläuterungen. 4. Bühl — Hügel; Stäae (Stege) — Steigbügel; wirsch = ärger, englisch worse; handlich — eifrig, tüchtig; fast — fest, sehr; gebresten = fehlen, krank sein; biderbe — bieder; losen — lauschen; Tagleistung — Tagung, Versammlung; Wintermonat — November; beschicken = holen lassen; Göller — Köcher; entsitzen — aus dem Sitz oder aus der Ruhe kommen, ausweichen (entsetzen = aus der Ruhe bringen); sich verwegen (verwögen) — sich ohne Sicherheit des Ausgangs einer Sache unterziehen; ärmiglich — armselig; Bieten oder Gransen — Seitenbord des Schiffes. 5. Versetzung —Übersetzung; Obergebietiger ist ein mitteldeutscher Ausdruck, der schon zu Schupps Zeiten veraltet war; Prokurator das, Ivas jetzt Staatsanwalt heißt. 6. Es ereignet sich — man fleht, es liegt vor Augen. Noch Lesstng schreibt: es eräugnet sich, da es von Auge herzuleiten ist; Abgang — Mangel; abgezogen — wörtliche Übersetzung von abstrakt; Liebhaber der Weisheit — ebenso von Philosophen; Denkkunst — Wissenschaft vom Denken, Logik: abfeimen — den Feim (Schaum) wegnehmen, klären, abgefeimt also — geklärt; metaphysisch ist ziemlich dasselbe wie philosophisch; schlecht — gerade, schlicht; Retchsabschiede

228 [IV]

Erläuterungen.

— Reichstagsbeschlüsse- in die Rabuse gehen — zur Beute werden, verloren gehen- Reichsakta und Reichöhandlungen — Reichstagsver­ handlungen- verlegene Worte — bei Seite gelegte, nicht gebrauchte Wörter- Willküre — Verordnungen, Gesetze. 7. Pickels — in Essig eingemachte Früchte- lnütten — strickens greis — grau- büken (süddeutsch bauchen) — die Wäsche oder dasLeinen in Wasser einweichen, dem Holzaschenlauge zugesetzt ist- Darren­ feuer — das Feuer, das zum Darren (Dörren) des Obstes angezündet ist- Brautwagen — Ausstattung, da diese besonders in Westfalen auf einem Wagen feierlich der Braut in ihr neues Heim nachgefahren wurde. 9. Ausweg — Abweg - Plagiarius — Fälscher- Plutus — Gott des Reichtums. 10. Felgen — die krummen Holzstücke des Radkreises- Nabe — die hohle, um die Achse laufende Walze am Rad. 11. Bona fide — in gutem Glauben. Maffei, ein italienischer Dichter (f 1755), hat, wie Voltaire, ein Drama „Mcrope" geschrieben. 12. Kajak — das Männerbot der Grönländer, einsitzig, dasvielsitzige Weiberbot heiht Omajak- Kadenz — Tonfotge. 13, II. Geniste — Ginster, lateinisch genista (planta genista, die Wappenpflanze der Familie Plantagenet). 15. Parterre — hier Blumenbeet- brauschig — wulstig (Brausche — Beule)- pausig — aufgeblasen (Pausbacken). 23. Tegel bei Berlin war der Familiensih der Familie Hum­ boldt, wo die beiden berühmten Brüder auch begraben sind - Burgörner war Humboldts Landgut in Thüringen. 24. Bignonien, eine tropische Pflanzenfamilie, die unter andernr das Palisanderholz liefert, und zu der die bei uns als Zierbäume ge­ pflanzten Katalpa (Trompetenbaum) und Paulownia gehören. 36, 1. Codicill — Testament. 40, 1. Die „Amazone" führte an Bord die Leiche des im Sep­ tember 1846 zu Rom verstorbenen Prinzen Heinrich von Preußen, dessen persönlicher Adjutant der damalige Major v. Moltke gewesen war. Während das Schiff um Europa herumfuhr, stieg Moltke zu Cadix ans Land und benutzte die folgenden Wochen zu einer Reise durch Spanien, das er bis zur Bidassoabrücke durchwanderte. Alser pünktlich in Hamburg zum Empfange des Leichengeleites eingetroffen war, mußte er dorr noch wochenlang auf die Ankunft der Amazone warten, die durch schlimmes Wetrer so lange aufgehalten worden war. 40. Keep — der große freistehende Wartturm in der Mitte der mittelalterlichen Burgen, deutsch Bergfried, französisch Donjon genannt- krenelierte Mauern — mit Schießscharten versehene Mauern. 41. Dieser Brief ist nicht an seine Adresse gelangt, sondern mit der ganzen Post von Franktireurs aufgefangen und von einer franzö­ sischen Zeitung veröffentlicht worden - Bill ist Bismarcks Sohn Wilhelm. 43, 111. Die Überbringung der Siegesbotschaft durch den Grafen. Schwerin ist in dem Stücke „Der Siegesbote" (Teil III, Prosa) von Gräfin Schwerin, seiner Gemahlin, erzählt. 53. Periakten — eine unsern Kulissen entsprechende BorrichtunA 5cr griechischen Bühne.

Inhalt I.

[IV] 229

Inhalt I.

Zusammenstellung gleichartiger Prosastücke. (Die Zahlen beziehen sich auf die Nummern der Lesestücke.)

A. Nach dem Inhalt. I. Vaterland und Fremde. 1.

Deutsche Sprache.

54 Scherer, Mfilaß. — 1 Luther, Aus der Bibelübersetz.ung. — 5 Schupp, Sprachreinigung im Deutschen. — 6 Leibnitz, Über Verbesserung der deutschen Sprache. — 30 Jahn, Die deutsche Sprache. — 16 Elisabeth Goethe, Über lateinische Lettern. 2. Deutsche Sage, Geschichte, Kultur «ud Kunst. 37 Jahn, Die Raben des Asenberges. — 54 Scherer, Ulfilas. — 4 T s ch u d i, Wilhelm Tell. — 35, 36 R a n k e, Maximilian L; Karl V. in St. Just. — 28, 20 Arndt, Am Vorabende des Be­ freiungskrieges- Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutsch­ lands Grenze. — 45 Schleiermacher, Aus seinen Predigten. — 43 Treitschke, Die Schlacht bei Belle-Alliance. — 37 Wilhelm I., Sedan. — 41 Bismarck, Sedan. — 42 Sybel, Charakterbild Kaiser Wilhelm I. — 38 Moltke, Bon der Belagerung von Paris. — 7 Möser, Die gute selige Frau. — 16 Elisabeth Goethe, Briefe. — 50, 51 Riehl, Ludwig Richter- Rohrau. — 56 Der Kölner Dom.

3.

Charakterbilder deutscher Männer und Frauen.

Maximilian I.: 38. — Karl V.: 36. — Wilhelm I., dentscher Kaiser: 42. - Goethe: 14, 16, 18, 19,22. — Elisabeth Goethe: 16. — Schiller: 18—21, 23. — Königin Luise: 30, 31. — Ludwig Richter: 50. — Haydn: 51. — Moltke: 39, 40.

4. Ferne Zeiten und Lande. 53 Jäger, Aufführung derOrestie desÄschylos. — 14 Goethe, Briefe aus der Schweiz. — 34 Heine, London. — 40 Moltke, Aus Spanien- Schloß Windsor. — 24 A. v. Humboldt, Aus den Ansichten der Natur (Südamerika).

II. Dichtung und bildende Dünste. 5.

Didaktische Dichtung.

8, 9 Lessing, Einige Fabeln- Aus den Abhandlungen über die Fabel. 6.

Epische Dichtung.

33 Brentano, Das Märchen vom Rhein und dem Müller Rad­ lauf. — 45, 46 Grimm, Das Märchen- Die Sage. — 37 Jahn,

230 [IV]

Inhalt I.

Die Raben des Asenberges. — 48 H a g e n, Die Singeschule der Nürnberger Meistersinger. — 22 W. v. Humboldt, Uber Goethes Hermann und Dorothea. — 15 Goethe, Novelle. — 13 Goethe, Aus Werthers Leiden (Roman). 7.

Lyrische Dichtung.

Volksdichtung.

17 Schiller, Das Schaffen des Dichters. — 23 W. v o n Humboldt, Uber das Lernen von Gedichten. — 10 Lessing, Aus Laokoon. — 12 Herder, Aus den Stimmen der Völker. — 36 Iahn, Das Volkslied. 8.

Dramatische Dichtung.

11 L e s s i n g, Aus der Hamburgischen Dramaturgie. — Antikes Drama: 53 Jäger, Die Aufführung der Orestie des Aschylos. — Goethes Dramen: 16 Elisabeth Goethe, Briefe. — Schillers Dramen: 18,19, 21 Aus Schillers Briefen an Goethe und an Körner. 9.

Bildende Künste und Musik.

55 Die Akropolis von Athen. — 10 Lessing, Aus Laokoon. — 56 Der Kölner Dom. — 52 Springer, Petri Fischzug von Raffael. — 57 Ruth. Beschreibung eines Bildes von Schnorr v. Carolsfeld. — 50 Riehl, Ludwig Richter. — 12 Herder, Aus den Stimmen der Völker. — 36 Jahn, Das Volkslied. — 49 Vilmar, Das deutsche Volkslied. — 51 Riehl, Rohrau (Haydn).

B. Nach der Form der Darstellung. 10. Beschreibung und Schilderung.

47 Treitschke, Die Schlacht bei Belle-Alliance. — 41 Bismarck, Sedan. — 37 Wilhelm L, Sedan. — 38 Moltke, Bon der Be­ lagerung von Paris. — 13, 14 Goethe, Am Brunnen- Briefe aus der Schweiz. — 34 Heine, London. — 24 A. von Humboldt, Aus den Ansichten der Natur. — 40 Moltke, Bon der Reise. — 5\ Riehl, Rohrau. — 55—57 Die Akropolis von Athen- Der Kölner Dom- Ruth, Beschreibung eines Bildes. — 52 Springer, Petri Fischzug von Raffael. 11. Erzählung (Novelle, Roman).

15 Goethe, Novelle. — 13 Goethe, Aus Werthers Leiden. 12. Rede (Rhetorische Prosa).

3 Luther, Aus der Hauspostille. — 26 Schleiermacher, Aus seinen Predigten. — 28 Grimm, Aus der Rede auf Schiller. 13. Abhandlung.

2 Luther, Aus der Vorrede auf den Psalter. — 9—11 Les­ sing, Aus den Abhandlungen über die Fabel- Aus Laokoon- Aus der Hamburgischen Dramaturgie. — 12 H.erder, Aus den Stimmen der Völker. — 22 W. v. Humboldt, Über Goethes Hermann und Dorothea. — 27, 29 Arndt, Über Freiheit und Vaterland- Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze. — 45, 46 Grimm, Das Märchen- Die Sage. — 58 Chrie: Zu allem Großen ist der erste Schritt der Mut.

Inhalt I. Inhalt II. 14.

[IV] 231

Brief.

14 Goethe, Briefe an Frau von Stein. — 16 Elisabeth G o e th e, Briefe an ihren Sohn und die Seinen. — 18—20 Schiller, Briefe an Goethe, Körner und an seine Braut. — 23 W.v. Humboldt, Briese an eine Freundin. — 25 Luise, KöniginvonPreußen, Brief an ihren Vater. — 37, 40 W i l h e l m I., Briefe an seine Ge­ mahlin und an Bismarck. — 38 M o l t k e, Briefe an seinen Bruder And an seine Gemahlin. — 41 Bismarck, Brief an seine Gemahlin.

Inhalt II

(die Prosa aller vier Teile umfassend).

L Aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Luther (1483-1546). II: 4 Fabeln nach Äsop. Etliche (4) Fabeln Äsops verdeutscht- Der reichste Fürst- Brief Luthers an seinen Sohn Hänschen. IV: 1—3 Aus der Bibelübersetzung,- Aus der Vorrede auf den PsalterAus der Hauspostille. Tschudi (1505-1572). IV: 4 Wilhelm Tell. Schupp (1610—1661). III: Freund' in der Not. IV: 5 Sprachreinigung im Deutschen. Leibnitz (1646—1716). IV: 6 Über Verbesserung der deutschen Sprache. III:

II. Nus dem 18. Jahrhundert.

1. Klassische Zeit. Gellert (1715—1769). III: Gellert bet Friedrich dem Großen. Möser (1726-1794). IV: 7 Die gute, selige Frau. Lessing (1729-1781). IV: 8—11 Einige Fabeln- Aus den Abhandlungen über die Fabel- Aus Laokoon- Aus der Hamburgischen Dramaturgie, Wieland (1733—1813). III: Der Streit um des Esels Schatten. Jung-Stilling (1740-1817). III: Heinrich Stillings Ahnen. Herder (1744—1803). II: Zwei morgenländische Sagen. IV: 12 Aus den Stimmen der Völker in Liedern. Archenholz (1745—1812). II: Der gefangene Husar. III: Gemälde der preußischen Armee vor und unter Friedrich d. Gr. Bürger (1747—1794). II: Baron Münchhausen. Goethe (1749-1832). IV: 13-15 Aus Werthers LeidenBriefe aus der Schweiz- Novelle. Elisabeth Goethe (1731-1809). IV: 16 Briefe an ihren Sohn und die Seinen. Forster (1754—1794). III: Matrosenleben.

Inhalt I. Inhalt II. 14.

[IV] 231

Brief.

14 Goethe, Briefe an Frau von Stein. — 16 Elisabeth G o e th e, Briefe an ihren Sohn und die Seinen. — 18—20 Schiller, Briefe an Goethe, Körner und an seine Braut. — 23 W.v. Humboldt, Briese an eine Freundin. — 25 Luise, KöniginvonPreußen, Brief an ihren Vater. — 37, 40 W i l h e l m I., Briefe an seine Ge­ mahlin und an Bismarck. — 38 M o l t k e, Briefe an seinen Bruder And an seine Gemahlin. — 41 Bismarck, Brief an seine Gemahlin.

Inhalt II

(die Prosa aller vier Teile umfassend).

L Aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Luther (1483-1546). II: 4 Fabeln nach Äsop. Etliche (4) Fabeln Äsops verdeutscht- Der reichste Fürst- Brief Luthers an seinen Sohn Hänschen. IV: 1—3 Aus der Bibelübersetzung,- Aus der Vorrede auf den PsalterAus der Hauspostille. Tschudi (1505-1572). IV: 4 Wilhelm Tell. Schupp (1610—1661). III: Freund' in der Not. IV: 5 Sprachreinigung im Deutschen. Leibnitz (1646—1716). IV: 6 Über Verbesserung der deutschen Sprache. III:

II. Nus dem 18. Jahrhundert.

1. Klassische Zeit. Gellert (1715—1769). III: Gellert bet Friedrich dem Großen. Möser (1726-1794). IV: 7 Die gute, selige Frau. Lessing (1729-1781). IV: 8—11 Einige Fabeln- Aus den Abhandlungen über die Fabel- Aus Laokoon- Aus der Hamburgischen Dramaturgie, Wieland (1733—1813). III: Der Streit um des Esels Schatten. Jung-Stilling (1740-1817). III: Heinrich Stillings Ahnen. Herder (1744—1803). II: Zwei morgenländische Sagen. IV: 12 Aus den Stimmen der Völker in Liedern. Archenholz (1745—1812). II: Der gefangene Husar. III: Gemälde der preußischen Armee vor und unter Friedrich d. Gr. Bürger (1747—1794). II: Baron Münchhausen. Goethe (1749-1832). IV: 13-15 Aus Werthers LeidenBriefe aus der Schweiz- Novelle. Elisabeth Goethe (1731-1809). IV: 16 Briefe an ihren Sohn und die Seinen. Forster (1754—1794). III: Matrosenleben.

Inhalt II.

232 [IV]

Schiller (1759—1805). IV: 17—20 Das Schaffen des Dichters; Aus Schillers Briefen an Goerhe, an Körner und an seine Braut. Jean Paul (1763—1825). III: Erinnerungen ans der Kinder­ zeit- Der vergnügte Alumnus Wuz. Humboldt Wilhelm (1767-1835). IV: 21-23 Schillers Charakterbild- Goethes Hermann und Dorothea- Aus den Briefen an eine Freundin. Humboldt Alexander (1769—1859). IV: 24 Aus den An­ sichten der Natur.

2. Jugendschriftsteller. Feddersen (1736—1788). I: Der König und der Page. Salzmann (1744—1811). I: Das Raupennest - Die fremden Tiere. Campe (1746—1818). I: Die drei Goldfischchen- Wittington. II: Demosthenes.

Meitzner (1753—1807).

I: Dreizehn Fabeln.

II: 5 Fabeln.

Liebeskind (1758—1793). II: 3 morgenländische Erzählungen. Schlez (1759—1839). II: 3 Geschichten von Meister Hämmerlein. Löhr (1764- 1823) I: Die Himbeeren- Die Jahrmarktspuppen.

III. Aus dem 19. Jahrhundert. 1. Aus der Zeit von Deutschlands Erhebung. Nettelbeck

(1738—1824) III:

Nettelbeck

beim

preußischen

Königspaar.

Luise, Königin von Preutzen (1776—1810). IV: 25 Brief an ihren Barer aus dem Jahre 1809. Schleiermacher (1768—1834). IV: 26 Aus Schleiermachers Predigten. Arndt (1769—1860). III: Das preußische Volk und Heer im Jahre 1813- Vier deutsche Männer- Aus Arndts Kinderzeit. IV: 27—29 Von Freiheit und Vaterland- Am Vorabend des Be­ freiungskrieges- Der Rhein, Deutschlands Strom, nicht Deutsch­ lands Grenze. Ehlert (1770—1852). II: Herzensgute des Königs Friedrich Wilhelm III.- Der Fasan- Die Freiwilligen aus der Mark bei Friedrich dem Großen- Bier Geschichten von der Königin Luise- Drei Geschichten vom alten Heim. III: Königin Luise von Preußen. Hippel (1776—1843). III: Aufruf des Königs von Preußen 1813. Gräfin Schwerin (1785—1863). III: Der Siegesbote. Jahn (1787-1852). III: Friedrich Friesen. IV: 30—32 Die deutsche Sprache - Das Volkslied- Die Raben des Asenberges. Körner (1791-1813). III: Briefe aus dem Jahre 1813.

S. Krzähkung und Schilderung. Hebel (1760—1826). I: Seltsamer Spazierritt- Das seltsame Rezept- Der kluge Richter- Das Mittagessen im Hofr Ein gutes Rezepr- König Friedrich und sein Nachbar. II: Die Erschaffung der Erde- Kindesdank- Einer oder der andere-. Man muß mit den Wölfen heulen- Einmal ist keinmal- Ein Narr sagt viel, worauf kein Weiser antwortet- Der Star von Segringen. III: Der geheilte Patient- Die Wachtel- Ist der Mensch ein wunder­ liches Geschöpf- Es ist nicht alles Gold, was glänzt- Rom ist nicht in einem Tage erbaut worden- Frisch gewagt ist halb ge­ wonnen- Unverhofftes Wiedersehen- Der Schneider in Pensa. Brentano (1778—1842). II: Wie Gockel, Hinkel und Gackeleia verzaubert erwachen. III: Das Märchen von Komanditchen. IV: 33 Das Märchen von dem Rhein und dem Müller Radlauf. Falkmann (1782—1844). III: Der Tag eines Jägers- Die Mühle. Mendelssohn (1794-1874). III: Der Rhein. Biernatzki (1795-1840). III: Die Hallig. Jmmermann (1796—184^). III: Der Hofschulze-Der Oberhof. Heine (1797—1856) III: Der Klabotermann- Aus der Harzreise. IV: 34 London. Horn (1798—1867) II: König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und der märkische Bauer. Kügelgen (1802—1867) III: Erinnerungen aus dem Früh­ ling 1813. Richter (1803—1884). III: Aus dem Anfang des 19. Jahr­ hunderts. Glaubrecht (1806—1859). III: Der Jmmeker. Auerbach (1812-1882). II: Bon Kleidern. Caspari (1815—1861). II: Das Alter soll man ehren- Alexan­ der und sein Arzt- Die Fabel vom Magen und den Gliedern- Kanut am Meere- Die Hussiten vor Naumburg- Du sollst nicht lügen- Ehr­ lichkeit- Die drei Hausräte- Die Wachtel und ihre Kinder- Von der Gerechtigkeit Gottes. Reichenau (1818—1879). III: Hausmütterchen- Wie die Groß­ mutter schreiben lernte. Allmers (geb. 1821). III: Das niedersächsische Bauernhaus; Ein Tag auf dem Marschhof. Frommel (1828-1896). II: Kaiser Wilhelm I. in Gastein. Trojan (geb. 1837). I: Die Kornblume- Nachtgewitter auf dem Land- Bom Abnehmen der Früchte- Der Sperling im Winter- Die Weihnachtsbescherung. t II: Das Abenteuer im Walde- Linsenfcld-Unkraut im ZimmerKleinigkeiten- Der Königsschuß in Mecklenburg- Eisenbahnfahrt durch die norddeutsche Ebene.

234 [IV]

Inhalt II.

III: Vor Tau und Tag- Von den Ameisen- Ein Hauskobold- Ver­ dächtige Wörtchen. Rosegger (geb. 1843). II: Der Gansräuber- Eine Geschichte Dom Erzherzog Johann von Österreich- Das Waldspinnlein. III: Waldlilie im Schnee. Verfasser ungenannt. I: Sechszehn Fabeln und Erzählungen. II: Zwölf Schilderungen deutscher Städte und Landschaften. III: Der Strom im Winter- Sommer am Rhein.

3. Märchen und Sagen. Grimm (Jakob 1785-1863 und Wilhelm, 1786-1859). I: Die Sternthaler- Der Wolf und die sieben jungen Geißlein- Das Rotkäppchen- Der Fuchs und die Katze- Der Fuchs und die GänseDas Lumpengesindel- Strohhalm, Kohle und Bohne- Die Bremer Stadtmusikanten- Der Nagel - Muttergottesgläschen - Die drei Spinne­ rinnen- Frau Hütt- Der Wolf und der Mensch- Die drei BrüderDoktor Allwisiend- Hans im Glück- Der Reiche und der ArmeSneewittchen. II: Das Hirtenbüblein- Der Zaunkönig und der Bär- Der Wolf und der Fuchs- Der alte Sultan- Der Frieder und das Kather­ lieschen- Der Zwerg und die Wunderblume- Der Bauer und sein Kobold- Die Füße der Zwerge- Frau Holle- SimelibergDornröschen- Des kleinen Volkes Hochzeitsfest- Der tausend­ jährige Rosenstock zu Hildesheim. III: Die kluge Else- Die Boten des Todes- Sechse kommen durch die ganze Welt- Die weiße Schlange- Der ^»chwanritter- Der Rattenfänger zu Hameln- Richmodis von Aducht- Der Glocken­ guß zu Breslau- Der Gemsjäger- Der Grenzlauf- Die Gänse­ magd- Der Hase und der Igel- D'brösmelt uf ent tisch- Das bürli im Himel. Kerner (1786—1862). II: Das Märchen vom Lichte. Bechstein (1801—1860). I: Gott Überall- Das Märchen vom Mann im Monde- Vom Hähnchen und Hühnchen- Das Märchen vom Schlaraffenland- Der Hase und der Fuchs- Hänsel und GretelMann und Frau im Esstakrug. II: Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack- Drei Geschichten von den Wasungern- Jungfrau Lorenz. II I: Aschenbrödel. Simrock (1802—1876). II: Der Katze die Schelle anhängen. Bastler (1816-1879). II: Das Amen der Steine- Rübezahl wird ein Esel- Wie Eulensptegel ein Schneider wird- Die Schöppen­ stedter verschreiben ein Gewitter- Pipins Kraftprobe- Drei Sagen vom Kiffhäuser- Wie Landgraf Ludwig eines Krämers Geselle ward- Die Gründung der Stadt Karlsruhe. Müllenhoff (1818-1884). I: Der Müller ohne Sorgen- Das brave Mütterchell. II. Das Licht der treuen Schwester. Euslin (1819—1875). II: Frankfurts Gründung. Leander (1830—1889). II: Der Wunschring.

Inhalt II.

[IV] 23fr

Seidel (geb. 1842). II: Der Zwerg und die Gerstenähre. Berfaffer ungenannt. I: Rumpelstilzchen - Der gestiefelte Kater. II: Bom Eulenspiegel- Von den Schildbürgern- Sechszehn Sagen aus deutschen Gauen.

4.

Geschichtsschreibung.

Lude« (1780—1847). Ranke (1795-1886).

III: Deutschland. IV: 35, 36 Maximilian I.- Karl V. in

St. Just.

Wilheim I., deutscher Kaiser (1797—1888). IV: 37 Sedan. Moltke (1800-1891). III: Der Araber und sein Pferd. IV: 38—40 Von der Belagerung von Paris- Lebensregeln- Von der Reise. Bismarck (1815-1898). IV: 41 Sedan. Sydel (1817—1895). IV: 42 Charakterbild Kaiser Wilhelm I. Fontane (1819—1898). III: Im Spreewald- Friedrich der Große im Dossebruch- Paretz. Baur (1826—1897). III: Bier Freiheitssänger- Prinzeß Wilhelm von Preußen Müller (1828-1877). III: Die alten Deutschen. Rogge (geb. 1831). II: Der Kronprinz nach der Schlacht bei Wörth- Kaiser Wilhelm I. im Elsaß. Treitschke (1834-1896). IV: 43 Die Schlacht bei BelleAlliance. Oncken (geb. 1838). III: Wie König Wilhelm deutscher Kaiser wurde. IV: 44 Bismarcks 70. Geburtstag. Willmann (geb. 1839). III: Krösus und Solon- Des Polhkrates Glück und Fall. Lindner (geb. 1843). III: Fünf Heerführer im Kriege von 1870- Kriegsleben 1870 und 1871.

5. Litteratur- und Kunstgeschichte. Grimm (Jakob 1785-1863 und Wilhelm, 1786-1859). IV: 45—47 Das Märchen- Die Sage- Goethe und Schiller. Hagen (1797—1880). IV: 48 Die Singeschule der Nürnberger Meistersinger. Bilmar (1800-1868). IV: 49 Das deutsche Volkslied. Riehl (1823—1897). III: Hausinschriften. IV: 50,51 Ludwig Richter, der Maler des deutschen Hauses- Rohrau. Springer (1825—1891). IV: 52 Petri Fischzug von Raffael. Jr Jager (geb. 1830). IV: 53 Die Aufführung der Orestie des Äschhlos.

Linnig (geb. 1832). III: Wieland der Schmied- Der gehörnte Siegfried- Der Nibelungenhort- Siegfrieds Tod- Gudrun. Scherer (1841—1886). IV: 54 Ulfilas.

236 [IV]

Inhalt II.

Verfasser ungenannt. IV: 55—58 Die Akropolis von Achen- Der Kölner Dom- Ruth, Beschreibung eines Bildes- Ehrte.

6. ZugendschriftsteHer. Jacobs (1764—1847). I: Das Kind und die Wölfe. Krummacher (1767—1845). I: Das Rotkehlchen-

Der Morgentraum. II: Die kleine Wohlthäterin- Der Rhein. Schmid (1768—1854). I: Zwanzig kleine Erzählungen. II: Bier kleine Erzählungen. Schubert (1780—1860). I: Der Geiger in der Wolfsgrube. III: Johann Friedrich Oberlin, Pfarrer im Steinthal. Franz (1794—1843). I: Seltene Freundschaft- Henne und Küchlein- Die Kinder, die in die weite Welt gehen wollten. Curtman (1802—1875). I: Achtzehn kleine Erzählungen. II: Das Hospiz auf dem großen St. Bernhard. III: Maria Prochaska. Remick (1805-1852). I: Der Wein. II: Der Pfennig- Der Dieb. Kellner (1811—1892). I: Gespensterfurcht- Das Mäuschen und der Löwe- Die vier Jahreszeiten. Kletke (1813—1886). I: Wie die Bögel singen lernten. Gude (1814-1898). I: Sonntagsruhe. II: Der Löwe ist los- Der Geißbub. Racke (1821—1856). I: Der Uhrmacher. Colöhoru (1821—1896). II: Der Wald in den vier Jahreszeiten. Dieffenbach (geb. 1822). 1: Dieb! Dieb- Das Vogelnest. Spyri (geb. 1827). III: Wie Heidi wieder heimkam zum Großvater. Sutermeister (geb. 1832). II: Der Fuchs und die SchneckeJunker Prahlhans- Der Schweinehirt. Fischer (geb. 1833). III: Zachur mit dem Sacke; Das Wasser. Hummel (geb. 1839). I: Von mancherlei Beeren- Von mancher­ lei Nüssen- Eine Schwalbengeschichte. Stein (geb. 1840). II: Die liebe Dorel.

Inhalt

III.

Die Zahlen in Klammer sind die Seitenzahlen der vorigen Auflage. Sette

27. 28. 29. 41.

33. 13. 14. 15.

16.

45. 46. 47. 48.

34. 12. 24. 21. 22. 23.

53.

30. 31. 32. 6. 8. 9. 10. 11.

Arndt: Von Freiheit und Vaterland.............................................. (97) 106 Am Vorabend des Befreiungskrieges.............................. (99) 107 Der Rhein, Deutschlands Strom................................. (100) 109 Bismarck: Sedan. Brief an seine Gemahlin....................................(193) 150 Brentano: Das Märchen von dem Rhein und dem Müller Radlauf (—) 116 Goethe: Aus Werthers Leiden........................................................ (31) 35 Briefe aus der Schweiz an Frau von Stein . . . (35) 39 Novelle.................................................................................. (41) 45 Elisabeth Goethe: Briefe an ihrenSohn u. a.................................................... (64) 68 Grimm (Jakob und Wilhelm): Das Märchen...................................................................... (114) 168 Die Sage........................................................................... (115) 170 Goethe und Schiller........................................................... (117) 172 Hagen: Die Singeschule der Nürnberger Meistersinger. . . (131) 174 Heine: London . . ................................. (119) 1?9 Herder: Aus den Stimmen der Völker in Liedern .... (28) 32 A. von Humboldt: Aus den Ansichten derNatur.......................................... (102) 91 W. von Humboldt: Schillers Charakterbild..........................................................(81) 82 Goethes Hermann und Dorothea................................... (84) 85 Aus den Briefen an eine Freundin............................... (88) 89 Jäger: Die Aufführung der Orestie des Äschhlos im Dionysostheater zu Athen, 458 v. Chr. Geb............................. (160) 195 Jahn: Die deutsche Sprache...................................................... (109) 111 Das Volkslied......................................................................(111) 113 Die Raben des Asenberges............................................(112) 114 .. Leibnitz: Über Verbefferung der deutschen Sprache .... (14) 14 Lessing: Einige Fabeln........................................................................ (17) Aus den Abhandlungen über dieFabel............................. (20) Aus Laokoon......................................................................... (22) Aus der Hamburgischen Dramaturgie............................... (26)

21 24 26 30

238 [IV]

Inhalt III.

Seite

25.

1. 2. 3. 38. 39. 40. 7. 44. 35. 36. 50. 51.

54.

17. 18. 19. 20. z 26.

5. 52. 42. 43. 4.

49. 37. 55. 56. 57. 58.

Luise, Königin von Preußen: Bries an ihren Vater aus dem Jahre 1809 . . . (136) Luther: Aus der Bibelübersetzung............................................ (1) Aus der Vorrede auf den Psalter............................. (3) Aus der Hauspostille.................................................. (4) Moltke: Bon der Belagerung von Paris............................. (185) (186) Lebensregeln...................................................................... Bon der Reise................................................................. (188) Möser: Die gute selige Frau.................................................... (-) Oncken: Bismarcks siebzigster Geburtstag............................... (-) Ranke: Maximilian I..................................................................... (124) Karl V. in St. Just....................................................... (127) Riehl: Ludwig Richter, der Maler des deutschen Hauses. . (146) Rohrau. Ein Idyll....................................................... (148) Scherer: Ulfilas................................................................................... (175) Schiller: (73) Das Schaffen des Dichters....................................... (74) Aus Schillers Briefen an Goethe............................. (75) Aus Schillers Briefen an Körner............................. Aus einem Briefe Schillers an seine Braut . . . (80) Schleiermacher: (94) Aus Schleiermachers Predigten..................................... Schupp: (12) Sprachreinigung im Deutschen . :.......................... Springer: Petri Fischzug von Raffael....................................... (158) Sybel: Charakterbild Kaiser Wilhelm I.................................... (141) Treitschke: Die Schlacht bei Belle-Alliance.................................. (166) Tschudi: (5) Wilhelm Tell.................................................................... Vilmar: (129) Das deutsche Volkslied.................................................... Wilhelm L, deutscher Kaiser: Sedan. Brief an die Königin Augusta..................... (179) Anhang: Die Akropolis von Athen............................................ (195) Der Kölner Dom............................................................ (201) Ruth. Beschreibung eines Bildes............................. (207) Chrie. Zu allem Großen ist der erste Schritt der Mut (210)

98

1 8 4 143 145 147

17 167 134 136 181 183

201 76 76 78 81

102

12 193

152

157.

5 179 139

204 210 216 219