226 30 10MB
German Pages 238 [285] Year 1901
Deutsches Lesebuch für
höhere Mädchenschulen herausgegeben
von
Kart Kesset.
Vierter Teil.
Zweite Abteilung: Prosa. Sechste, nmgearbeitete Auflage.
Könn 1901, A. Marcus und E. Webers Verlag.
I.
Aus dem 16. und 17. Jahrhundert.
Martin Luther
(1483—1546).
1. Aus der Bibelübersetzung.
Der zos. Psalm. Lobe den Herrn^ meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß
nicht, was er mir Guts gethan hat!
Der dir alle deine Sünde
vergiebt und heilet alle deine Gebrechen,
der dein Leben vom
Verderben erlöset, der dich krönet mit Gnade und Barmherzig
keit, der deinen Mund fröhlich machet, und du wieder jung wirst, wie ein Adeler. Der Herr schaffet Gerechtigkeit und Gericht allen, die un
recht leiden.
Er hat seine Wege Mose wissen lassen, die Kinder
Israel sein Thun.
Barmherzig und gnädig ist der Herr, ge-
düldig und von großer Güte.
noch
ewiglich Zorn halten.
Er wird nicht immer hadern,
Er handelt nicht mit uns nach
unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unser Missethat.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt er seine
Gnade walten über die, so ihn fürchten, so ferne der Morgen ist vom Abend, lässet er unser Übertretung von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmet, so erbarmet sich der Herr über die, so ihn fürchten.
Denn er kennet, was für ein Ge
mächt wir sind, er gedenket daran, daß wir Staub sind.
Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde: wenn der Wind darüber gehet, so
ist sie nimmer ba, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.
Die
Gnade aber des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über
die, so ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindskind bei
die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebots
denen,
daß sie darnach thun. Der Herr hat seinen Stuhl im Himmel bereit, und sein Reich herrschet über alles.
ihr
Lobet den Herrn, ihr, seine Engels
starken Heide, die ihr seine Befehl
höre die Stimme seines Worts!
Heerscharen,
seine Diener,
ausrichtet, daß
man
Lobet den Herrn, alle seine
die ihr seinen Willen thut!
Lobet
den Herrn, alle seine Werk, an allen Orten seiner Herrschaft l Lobe den Herrn, meine Seele! [Über die Grundsätze, die ihn bei der Bibelübersetzung leiteten,
spricht sich Luther in seinem „Sendbrief vom Dolmetschen" folgender maßen aus]:
Ich hab mich des geflissen im Dolmetschen, daß ich rein und klar deutsch geben möchte. Und ist uns wohl oft begegnet, daß wir vierzehn Tage, drei, vier Wochen haben ein einiges Wort gesucht und gefragt, Habens dennoch zuweilen nicht funden. Im
Hiob arbeiteten wir also, M. Philippus, Aurogallus und ich, daß wir in vier Tagen zuweilen kaum drei Zeilen konnten
fertigen.
Lieber, nun es verdeutscht und bereit ist, kanns ein
jeder lesen und meistern, läuft einer jetzt mit den Augen durch
drei, vier Blätter und stößt nicht einmal an-
wird aber nicht
gewahr, welche Wacken und Klötze da gelegen sind, da er jetzt^
über hin gehet, wie über ein gehobelt Brett, da wir haben müssen schwitzen und uns ängsten, ehe denn wir solche Wacken und Klötze aus dem Wege räumten,
fein dahergehen.
auf daß man könnte so
Es ist gut pflügen, wenn der Acker gereinigt
ist, aber den Wald und die Stöcke ausrotten und den Acker'
zurichten, da will niemand an.
Man muß nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muß die
Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das
Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen,
so ver
stehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.
Und was soll ich viel und lange sagen von Dolmetschen ? Sollte ich aller meiner Worte Ursachen und Gedanken anzeigen,
ich müßte wohl ein Jahr dran zu schreiben haben.
Was Dol
metschen für Kunst und Arbeit sei, das hab ich wohl erfahren. Solls gemeistert werden, so will ichs selber thun- wo ichs sel ber nicht thu, da lasse man mir mein Dolmetschen mit Frieden,
und mache ein jeglicher, was er will, für sich selbst und habe
ihm ein gut Jahr.
2. Aus der Borrede aus den Psalter. Ein menschlich Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer, welches die Sturmwinde von den vier Örtern der Welt
treiben.
Hie stoßet her Furcht
und Sorge vor Mkünftigem
Unfall - dort führet Grämen her und Traurigkeit von gegen wärtigem Übel. Hie weht Hoffnung und Vermessenheit von
zukünftigem Glück;
dort bläset her Sicherheit und Freude in
«gegenwärtigen Gütern. Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und den Grund herausschütten.
Denn wer
in Furcht und Not steckt, reifet viel anders von Unfall, denn der in Freuden schwebt- und wer in Freuden schwebt, redet
und singet viel anders von Freuden, denn der in Furcht steckt. Es gehet nicht von Herzen, spricht man, wenn ein Trauriger lachen oder ein Fröhlicher weinen soll, das ist: seines Herzens -Grund stehet nicht offen und ist nicht heraus.
Was ist aber das meiste im Psalter, denn solch ernstlich Reden in allerlei solchen Sturmwinden? Wo findet man feiner
Wort von Freuden, haben?
denn die Lobpsalmen
oder Dankpsalmen
Da siehest du allen Heiligen ins Herze, wie in schöne,
lustige Gärten, ja wie in den Himmel, wie feine, herzliche,
lustige Blumen darinnen aufgehen von allerlei schönen, fröh lichen Gedanken gegen Gott um seine Wohlthat.
Wiederum, wo
findest du tiefer, kläglicher, jämmerlicher Wort von Traurigkeit,
-enn die Klagepsalmen haben?
Da siehest du abermal allen
Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen,
so ver
stehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.
Und was soll ich viel und lange sagen von Dolmetschen ? Sollte ich aller meiner Worte Ursachen und Gedanken anzeigen,
ich müßte wohl ein Jahr dran zu schreiben haben.
Was Dol
metschen für Kunst und Arbeit sei, das hab ich wohl erfahren. Solls gemeistert werden, so will ichs selber thun- wo ichs sel ber nicht thu, da lasse man mir mein Dolmetschen mit Frieden,
und mache ein jeglicher, was er will, für sich selbst und habe
ihm ein gut Jahr.
2. Aus der Borrede aus den Psalter. Ein menschlich Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer, welches die Sturmwinde von den vier Örtern der Welt
treiben.
Hie stoßet her Furcht
und Sorge vor Mkünftigem
Unfall - dort führet Grämen her und Traurigkeit von gegen wärtigem Übel. Hie weht Hoffnung und Vermessenheit von
zukünftigem Glück;
dort bläset her Sicherheit und Freude in
«gegenwärtigen Gütern. Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und den Grund herausschütten.
Denn wer
in Furcht und Not steckt, reifet viel anders von Unfall, denn der in Freuden schwebt- und wer in Freuden schwebt, redet
und singet viel anders von Freuden, denn der in Furcht steckt. Es gehet nicht von Herzen, spricht man, wenn ein Trauriger lachen oder ein Fröhlicher weinen soll, das ist: seines Herzens -Grund stehet nicht offen und ist nicht heraus.
Was ist aber das meiste im Psalter, denn solch ernstlich Reden in allerlei solchen Sturmwinden? Wo findet man feiner
Wort von Freuden, haben?
denn die Lobpsalmen
oder Dankpsalmen
Da siehest du allen Heiligen ins Herze, wie in schöne,
lustige Gärten, ja wie in den Himmel, wie feine, herzliche,
lustige Blumen darinnen aufgehen von allerlei schönen, fröh lichen Gedanken gegen Gott um seine Wohlthat.
Wiederum, wo
findest du tiefer, kläglicher, jämmerlicher Wort von Traurigkeit,
-enn die Klagepsalmen haben?
Da siehest du abermal allen
4 [IV]
Luther.
Heiligen ins Herze, wie in den Tod, ja wie in die Hölle.
finster und dunkel ists Zorns Gottes!
Wie
da von allerlei betrübtem Anblick des-
Also auch, wo sie von Furcht und Hoffnung,
reden, brauchen sie
solcher Worte, daß dir -kein Maler alsa
könnte die Furcht oder Hoffnung abmalen und kein Cicero oder Redkündiger also vorbilden. Und wie gesagt, ist das das allerbeste, daß sie solche Wort gegen Gott und mit Gott reden, welches macht, daß zweifältiger Ernst und Leben in den Worten sind.
sonst gegen Menschen in so stark von Herzen,
Denn wo man
solchen Sachen redet, gehet cs nicht
brennet, lebt
und
dringet nicht so fast.
Daher kommts auch, daß der Psalter aller Heiligen Büchlin ist
und ein jeglicher, in waserlei Sachen er ist, Psalmen und Wort drinnen findet, die sich auf seine Sachen reimen und ihm sb
eben sind, als wären sie allein um seinen Willen also gesetzt^ daß er sie auch selbst nicht besser setzen, noch finden kann, noch
wünschen mag.
3. Aus der Hauspostille. (Aus einer Predigt über Matth. 6, 24—34.) Wie wir an uns selbst, uqti unserm Leib und Leben, arr
Augen, Ohren, Händen, Füßen und allen unsern Gliedmaßen
lernen und bekennen müssen, Gott sei gnädig, er habe uns viel gegeben und gütlich gethan: also stellet der Herr uns anderer
Kreaturen Exempel vor, trauen
und nicht
unsern Augen
sorgen.
über, uns
daß wir daran lernen sollen Gott Denn da fliegen die Vögelein vor-
zu
kleinen Ehren, daß
möchten unsere Hütlein gegen sie abthun
wir
und sagen:
wohl „Meirr
lieber Herr Doktor, ich muß je Hekennen, daß ich die Kunst
nicht kann, die du kannst. Du schläfst die Nacht über in deinem Nestlein-ohne alle Sorge- des Morgens stehest du wieder QufA
bist fröhlich und guter Dinge,
setzest dich auf ein Bäumlein
und singest, lobest und dankest Gott- darnach suchest du deine Nahrung und findest sie."
Pfui, was hab ich alter Narr ge-
lernet, daß ichs nicht auch thue, der ich doch so viel Ursach dazn
habe!
-Kann das Vöglein sein Sorgen lassen und hält sich in
4 [IV]
Luther.
Heiligen ins Herze, wie in den Tod, ja wie in die Hölle.
finster und dunkel ists Zorns Gottes!
Wie
da von allerlei betrübtem Anblick des-
Also auch, wo sie von Furcht und Hoffnung,
reden, brauchen sie
solcher Worte, daß dir -kein Maler alsa
könnte die Furcht oder Hoffnung abmalen und kein Cicero oder Redkündiger also vorbilden. Und wie gesagt, ist das das allerbeste, daß sie solche Wort gegen Gott und mit Gott reden, welches macht, daß zweifältiger Ernst und Leben in den Worten sind.
sonst gegen Menschen in so stark von Herzen,
Denn wo man
solchen Sachen redet, gehet cs nicht
brennet, lebt
und
dringet nicht so fast.
Daher kommts auch, daß der Psalter aller Heiligen Büchlin ist
und ein jeglicher, in waserlei Sachen er ist, Psalmen und Wort drinnen findet, die sich auf seine Sachen reimen und ihm sb
eben sind, als wären sie allein um seinen Willen also gesetzt^ daß er sie auch selbst nicht besser setzen, noch finden kann, noch
wünschen mag.
3. Aus der Hauspostille. (Aus einer Predigt über Matth. 6, 24—34.) Wie wir an uns selbst, uqti unserm Leib und Leben, arr
Augen, Ohren, Händen, Füßen und allen unsern Gliedmaßen
lernen und bekennen müssen, Gott sei gnädig, er habe uns viel gegeben und gütlich gethan: also stellet der Herr uns anderer
Kreaturen Exempel vor, trauen
und nicht
unsern Augen
sorgen.
über, uns
daß wir daran lernen sollen Gott Denn da fliegen die Vögelein vor-
zu
kleinen Ehren, daß
möchten unsere Hütlein gegen sie abthun
wir
und sagen:
wohl „Meirr
lieber Herr Doktor, ich muß je Hekennen, daß ich die Kunst
nicht kann, die du kannst. Du schläfst die Nacht über in deinem Nestlein-ohne alle Sorge- des Morgens stehest du wieder QufA
bist fröhlich und guter Dinge,
setzest dich auf ein Bäumlein
und singest, lobest und dankest Gott- darnach suchest du deine Nahrung und findest sie."
Pfui, was hab ich alter Narr ge-
lernet, daß ichs nicht auch thue, der ich doch so viel Ursach dazn
habe!
-Kann das Vöglein sein Sorgen lassen und hält sich in
Luther.
[IV] 5
Tschudi.
solchem Fall wie ein lebendiger Heiliger und hat dennoch weder
Acker noch Scheunen, weder Kasten noch Keller, es singet, lobet Gott, ist fröhlich und guter Dinge,- denn es weiß, daß es einen
hat, der für es sorget,
der heißet unser Vater im Himmel:
warum thun wirs denn auch nicht, die wir den Vorteil haben, daß wir können arbeiten, das Feld bauen, die Früchte ein sammeln, aufschütten und auf die Not behalten? schändliche Sorgen nicht lassen.
nen wir das
Dennoch kön
Darum sollten
wir dies Exempel von den Vögelein nicht vergessen.
ohne alle Sorge, fröhlich und guter Dinge. sie auch sorgen?
Sie sind
Und warum wollten
Sie haben einen reichen Küchenmeister und
Kellner, der heißt der Vater im Himmel, der hat eine Küche,
die so weit als die Welt ist.
Darum, sie fliegen hin, wo sie
hin wollen, finden sie die Küche wohl bestellet. lische Vater,
Derselbe himm
sagt Christus hier, wollte euer Küchenmeister und
Kellner auch gerne sein, wenn ihrs nur glauben könntet oder haben wolltet.
Ägidius Tschudi
(1505—1572).
4. Wilhelm Teil. Derselben Zeit (1307) that der Geßler, Landvogt zu Uri und Schwyz,
den Landleulen daselbst nicht weniger, denn der
von Landenberg den Unterwaldern großen Drang, den Edeln und Unedeln, hielt sie streng und hart und nahm ihm vor, eine
Feste in Uri zu bauen, damit er und andere Landvögte nach ihm desto sicherer allda wohnen möchten, w^nn Aufruhr ent stehen sollte, und auch das Land in desto größerer Furcht und
Gehorsam bleiben müßte,- ließ also Steine, Kalk, Sand und Zimmerholz auf einen Bühl, bei Altdorf gelegen, fahren, fing
an, den Bau ins Werk zu richten, und wenn man ihn fragte,
wie die Feste heißen würde, sprach er: Zwing Uri unter die Stagen."
„Ihr Name wird sein
Das verdroß die edlen Land
sassen und gemeinen Landleute in Uri gar übel, und war ihnen
Luther.
[IV] 5
Tschudi.
solchem Fall wie ein lebendiger Heiliger und hat dennoch weder
Acker noch Scheunen, weder Kasten noch Keller, es singet, lobet Gott, ist fröhlich und guter Dinge,- denn es weiß, daß es einen
hat, der für es sorget,
der heißet unser Vater im Himmel:
warum thun wirs denn auch nicht, die wir den Vorteil haben, daß wir können arbeiten, das Feld bauen, die Früchte ein sammeln, aufschütten und auf die Not behalten? schändliche Sorgen nicht lassen.
nen wir das
Dennoch kön
Darum sollten
wir dies Exempel von den Vögelein nicht vergessen.
ohne alle Sorge, fröhlich und guter Dinge. sie auch sorgen?
Sie sind
Und warum wollten
Sie haben einen reichen Küchenmeister und
Kellner, der heißt der Vater im Himmel, der hat eine Küche,
die so weit als die Welt ist.
Darum, sie fliegen hin, wo sie
hin wollen, finden sie die Küche wohl bestellet. lische Vater,
Derselbe himm
sagt Christus hier, wollte euer Küchenmeister und
Kellner auch gerne sein, wenn ihrs nur glauben könntet oder haben wolltet.
Ägidius Tschudi
(1505—1572).
4. Wilhelm Teil. Derselben Zeit (1307) that der Geßler, Landvogt zu Uri und Schwyz,
den Landleulen daselbst nicht weniger, denn der
von Landenberg den Unterwaldern großen Drang, den Edeln und Unedeln, hielt sie streng und hart und nahm ihm vor, eine
Feste in Uri zu bauen, damit er und andere Landvögte nach ihm desto sicherer allda wohnen möchten, w^nn Aufruhr ent stehen sollte, und auch das Land in desto größerer Furcht und
Gehorsam bleiben müßte,- ließ also Steine, Kalk, Sand und Zimmerholz auf einen Bühl, bei Altdorf gelegen, fahren, fing
an, den Bau ins Werk zu richten, und wenn man ihn fragte,
wie die Feste heißen würde, sprach er: Zwing Uri unter die Stagen."
„Ihr Name wird sein
Das verdroß die edlen Land
sassen und gemeinen Landleute in Uri gar übel, und war ihnen
Tschudi.
6 [IV] dieser Bau merkte,
so weich
ein
großer Dorn in Augen.
Wie er nun
ward er grimm zornig über sie, dräuete, und
zahm
machen,
daß
man
das
er wolle sie
sie um einen Finger
möchte winden.
Und
ließ um St. Jakobstag
zu Altdorf am Platz bei
den Linden, da männiglich vorübergehen mußte, eine Stange
gebieten,
aufrichten und einen Hut obendrauf legen und
ließ
bei Verlierung des Gutes und bei Leibesstrafe:
daß jeder, so
da vorüberginge, sollte mit Neigen und Baretabziehen Ehr und Reverenz beweisen ,
als ob der König selbst oder er an seiner
Statt persönlich da wäre. Und hatte dabei einen steten Wächter und Hüter bei Tageszeit sitzen, aufzupassen und die anzugeben, die dem Gebot nicht statt thäten. Dieser große Übermut drückte
die Landleute noch
wirsch, als der Bau des Schlosses,-
doch
durften sie sich nicht darwider setzen, wegen des Königs augen scheinlicher Ungnade und
gewaltiger Macht, bei dem sie auch
keine Gnad zu finden verhoffen konnten.
In selbigen Tagen fügte sichs, daß der Landvogt Geßler,
als er von Uri gen Küßnacht auf seine Burg spazieren wollte, durch das Land zu Schwyz ritt, darüber er auch Landvogt war.
Nun saß zu Steinen in Schwyz ein weiser, ehrbarer Mann von altem Geschlecht, Werner von Stauffach genannt.
Werner hatte zu Steinen dieshalb
Derselbe
der Bruck ein schön neu
Haus gebaut. Wie nun der Landvogt Geßler zum selben Haus
kommt und ihn
der Stauffacher,
der vor dem Haus stund,
freundlich empfing und bewillkommt als seinen Herrn, fragt ihn der Landvogt, wes das Haus wäre — welches er sonst wohl wußte, denn er etwa gegen andere gedrohet, er wollte ihm das
Haus nehmen.
Der Stauffacher gedachte wohl, daß er nicht
in Gutem fragte, wußte wohl, daß er ihm aufsässig war, von wegen daß er allweg handlich darwider, daß man sich nicht an die Fürsten von Österreich ergebe, sondern beim römischen Reich
und alten Freiheiten bleibe- denn dieser Stauffacher hatte viel Anhang
und
großes Ansehen
bei
den Landleuten.
Also gab
er dem Landvogt Antwort: „Herr, das Haus ist meines Herrn, des Königs, und Euer und mein Lehen."
Der Landvogt sprach:
bin an meines Herrn, des Königs, Statt Regent im
^Jch
Land- ich will nicht, daß Bauern Häuser bauen ohne mein
Verwilligen, will auch nicht, daß ihr also frei lebet, als ob ihr selbst Herrn seiet- ich werd euchs unterstehen zu wehren!" und ritt hiemit vorwärts.
Diese Rede beschwert den Stauffacher
fast, und er setzte sie sich zu Herzen.
Nun war er ein ver
nünftiger, verständiger Mann, hatte auch eine weise, sinnreiche Frau, die wohl an ihm merkte, daß er betrübt war und ihm
etwas Schweres anlag, und öffnete es doch nicht.
Nun hätte
sie gern gewußt, was ihm doch gebrest, und hub soviel an, -aß er ihr anzeigt, was Red der Landvogt mit ihm getrieben,
und versprach sich keines andern,
sein Haus,
Herberg,
als daß er ihm Mittlerzeit
Hab und Gut nehmen
Da sie
werde.
das vernahm, sprach sie: „Mein lieber Ehewirt, du weißt, daß
sich mancher fromme Landmann in unserm Land auch ob des Landvogts Wüterei beklagt- so zweifelt nicht, daß viel biderber Landleute in Uri und Unterwalden auch das tyrannische Joch drücke,
wie man dann täglich hört,
daß sie ihre Not klagen.
Darum wäre gut und vonnöten, daß euer etliche, die einander
vertrauen dürfen, heimlich zu Rat zusammen gingen und Nach^edenken hätten,
möchtet,
wie ihr der mutwilligen Gewalt abkommen
und einander verhießet, beizustehen und bei der Ge so würde euch Gott ohne Zweifel nicht
rechtigkeit zu schirmen,
verlassen und die Unbilligkeit helfen dämmen, so wir ihn von
Herzen anrufen."
Fragte ihn darauf, ob er in den Ländern
Uri und Unterwalden zu jemand achtbare Bekanntschaft hätte, denen er vertrauen, seine Not klagen und von diesen Dingen mit ihnen Unterrede
haben
dürfte.
Er gab Antwort:
„Ja,
ich kenne allda vornehme Herrenleut, denen ich wohl vertrauen darf."
Also gedachte Staaffacher in ihm selbst, der Frauen Rat möchte nicht böse sein, folgte ihr, fuhr gen Uri, lag da etliche
Tage still,
zu losen,
wie
Da hörte er groß Klag
von
wegen
des
Baus
der
gemeine Mann
und Unwillen der
gesinnt
wäre.
wider den Landvogt
Feste Zwinguri
und
insonders
von des Huts wegen, dem man Reverenz beweisen mußte, und
Tschudi.
8 [IV]
merkte, daß alles Landvolk ungeduldig und dem Landvogt feind
waren und durften sich doch öffentlich nicht merken lassen, denn keiner wußte, was er im Fall der Not am arldern für Rücken
und Beistand Hütte.
Doch vertraut er diesmal sein Anliegen
allein einem namhaften, weisen Ehrenmann von Uri, Walther Fürst genannt,
ihm
was
vom Landvogt
vorgeworfen, sagt ihm auch dabei,
seines Hauses halb
wie er durch seines Ehege
mahls Rat bewegt worden, ihm als seinem Vertrauten solches
zu klagen und Rats zu Pflegen, ob es nicht gut und vonnöten^ sich wider solche tyrannische Gewalt zu setzen und heimlich sich
zusammen zu verbinden und um Helfer sich zu bewerben.
Der
Landmann von Uri lobte der Frauen Rat und zeigte ihm an
Arnolden von Melchthal, Diener
der des Landvogts zu Unterwalden
zerschlagen,
einen Finger
wie sich
derselbe noch
bei
ihnen in Uri aufhielte, wandelte aber vielmalen heimlich gen Unterwalden zu den Seinen und wäre ein tapferer verständiger
Mann, wiewohl noch jung, hätte auch eine große Blutsfreund schaft in seinem Land, ward er auch
und
berufen, und
sei ihm
wohl zu trauen.
Also
wurden also diese drei Männer:
Walther Fürst von Uri, Werner von Stauffach von Schwyz und Arnold von Melchthal von Unterwalden, der Sachen einig.
Des
schwuren
einen Eid zu Gott und den Heiligen zu
sie
sammen, und wurden nachfolgende Bedingungen von ihnen^ab-
geredet, nämlich:
daß
ihro
jeder sollte in seinem Land seine
Blutsfreunde und andere vertraute Leute heimlich werben um
Hilfe und Beistand,
die an
sich ziehen
und zu ihnen in ihr
Bündnis und Eidesgelübde bringen, wieder ihre alte Freiheit zu erobern und die tyrannischen Landvögte zu vertreiben.
Solches ward jedem,
so in dieses Bündnis ging, vorher
eröffnet: daß sie nicht begehrten, jemand, weder Geistlichen noch
Weltlichen, des Seinen, was ihm von Recht und Gewohnheit
gehört, zu berauben,
sondern allein vor böser Gewalt sich zu
beschirmen und ihre alte Freiheit zu handhaben. Es war auch abgeredet, wenn etwas vorfiele, daß vonnöten sei, sich zu unterreden, daß dann sie drei einander berufen und
nachts zusammen kommen wollten vor dem Mythenstein, so im
See steht,
unter Seelisberg an einem Ende^
heißt im Rütlis
und ob Gott seine Gnade verliehe^ daß sich ihre Gesellschaft mehrete^ daß dann ihr jeder zween, drei oder mehr mit ihm in
das gemeldete Rütli bringen möchte.
Also fuhr der Stauffacher
wieder heim gen Schwyz und Erni von Melchthal mit Kunrat
Baumgarten
aus Alzellen, der zur
Stund auch
den Bund
schwur, heimlich miteinander gen Unterwalden- da praktiziert der eine ob dem Wald, der andere nid dem Wald, und geschah dies
alles im Herbst. Man fördert und treibt den Handel aufs ernstlichste, denn man besorgt, so man lange Zeit sollte mit umgehen, möchte es
ausbrechen, ehe man einigen gemeinen Ratschlag gethan hätte, und ihnen zu großem Nachteil gereichen.
Deshalb ein endlicher
Tag angesetzt ward in das Rütli, und sollte jeder der gemel deten drei Eidgenossen mit ihm bringen neun oder zehn Mann, die weisesten und anschlägigsten, einen endlichen Beschluß und Ratschlag zu thun, auf welche Zeit sie die Sache angreifen
wollten.
Diese nächtliche Tagleistung ward gehalten am Mitt
woch vor Sant Martinstag.
Darnach am Sonntag nach Otmari, was der 18. Winter
monats, ging ein redlicher, frommer Landmann von Uri, Wil
helm Teil genannt,
der auch heimlich in der Bundsgesellschaft
war, zu Altdorf etlichmal vor dem aufgehängten Hut vorüber und
that ihm keine Reverenz an, wie der Landvogt Geßler geboten
hatte- das ward dem Landvogt angezeigt. darnach, am Montag,
Also morgendes
beruft er den Tell vor sich, fragt ihn
trutzlich, warum er seinen Geboten nicht gehorsam wäre und
dem König, auch ihm zu Verachtung, dem Hut keine Reverenz
bewiesen hätte.
Der Tell gab Antwort:
„Lieber Herr, es ist
ungefähr mjb nicht aus Verachtung geschehen, verzeihet mirs! Wär
ich witzig, so hieß ich nicht der Tellnicht mehr geschehen!"
bitte um Gnade, es soll
Nun war der Tell ein guter Armbrust
schütz, daß man ihn besser kaum fand, und hatte hübsche Kin
der, die ihm lieb waren- die beschickte der Landvogt und sprach: „Tell, welches unter denen Kindern ist dir das liebste?"
Der
Tell antwortet: „Herr, sie sind mir alle gleich lieb." Ta sprach
Tschudi.
10 [IV] der Landvogt:
„Wohlan, Tell, du bist ein guter, berühmter
Schütz, wie ich höre,- nun wirst du deine Kunst vor mir müssen bewähren und deiner Kinder einem einen Apfel ab dem Scheitel
seines Hauptes müssen schießen.
du
den Apfel
Schusses,
so
treffest,
denn
triffst
du ihn nicht
dein Leben."
dich
kostet es
Darum hab eben acht, daß des ersten
Der Teil, erschrak,
bat den Landvogt um Gottes willen, daß er ihn des Schusses
erließe,
denn es unnatürlich wäre,
Kind sollte schießen,-
daß er gegen sein liebes
er wolle lieber sterben.
Der Landvogt
sprach: „Das mußt du thun, oder du und das Kind sterben." daß ers thun mußt, bat Gott inniglich,
Der Tell sah wohl,
daß er ihn und sein lieb Kind behüte, nahm seine Armbrust, spannte sie, legte den Pfeil
hinten in das Göller,-
auf und steckte noch einen Pfeil
und legt der Landvogt dem Kind, das
nicht mehr denn sechs Jahr alt war, selbst den Apfel auf sein
Haupt.
Also schoß der Tell dem Kind den Apfel ab dem
Haupt, daß er das Kind nicht verletzt.
Da nun der Schuß
geschehen war, verwundert sich der Landvogt des meisterlichen
Schusses, lobt den Tellen seiner Kunst und fragte ihn, was das bedeute, daß er noch einen Pfeil hinten ins Göller ge steckt hätte.
Der Tell
erschrak abermals
Frage bedeute nichts Gutes.
und gedachte, die
Doch hätte 'er gern die Sache
glimpflich verantwortet und sprach, es wäre also der Schützen Gewohnheit.
Der Landvogt merkt wohl, daß ihm der Tell
entsaß, und sprach: „Tell, und fürchte dich
nun sag mir fröhlich die Wahrheit
nicht darum!
du sollst deines Lebens sicher
sein! denn die gegebene Antwort nehm ich nicht an, es wird etwas
anders
bedeutet
haben."
Da
redet
Wilhelm Tell:
„Wohlan, Herr, sintemalen Ihr mich meines Lebens versichert
habt, so will ich Euch
die gründliche Wahrheit ,sagen, daß
meine endliche Meinung gewesen, wenn ich mein Kind getroffen hätte, daß ich Euch mit dem andern Pfeil erschossen und ohne
Zweifel Euer nicht
gefehlt wollte haben."
Da der Landvogt
dieses hört, sprach er: „Nun wohlan, Tell, ich hab dich deines Lebens gesichert, das will ich dir halten,- dieweil ich aber deinen bösen Willen gegen mich verstehe, so will ich dich führen lassen
an einen Ort und allda einlegen, Mond nimmermehr sehen sollst,
daß du weder Sonne noch
damit ich vor dir sicher sei."
Hieß hiemit seine Diener ihn sahen und angehends gebunden
nach Flüelen führen. ^Er fuhr auch mit ihnen und nahm des Tellen Schießzeug, Kocher, Pfeil und Armbrust auch mit ihm,
wollts ihm selbst behalten- also saß der Landvogt samt den Dienern und dem gebundenen Tellen in ein Schiff, wollte gen Brunnen
fahren
und
den Tellen
darnach
über Land
durch
Schwyz in sein Schloß gen Küßnacht führen und allda in einem
finstern Turm sein Leben lassen enden- des Tellen Schießzeug ward
im Schiff auf den Bieten oder Gransen
beim Steuer
ruder gelegt.
Wie sie nun auf den See kamen und hinauf fuhren bis an Axen das Ecke, da fügte Gott, daß ein solcher grausamer, ungestümer Sturmwind
einfiel,
hatten, ärmiglich zu ertrinken.
daß sie
sich
alle verwogen
Nun war der Tell ein starker
Mann und konnte fast wohl auf dem Wasser- da sprach der
Diener einer zum Landvogt: „Herr, Ihr sehet Eure und unsre Not und Gefahr unsers Lebens, darin wir stehen, und daß
die Schiffmeister erschrocken und des Fahrens nicht wohl be richtet- nun
ist der Tell ein starker Mann und kann wohl
schiffen- man sollte ihn jetzt in der Not brauchen!" Der Land
vogt sprach zum Tellen: Gefahr zu helfen,
„Wenn du uns getrautest aus dieser
so wollte ich dich deiner Bande ledigen."
Der Tell gab Antwort: „Ja, Herr, ich getraue uns mit Gottes
Hilfe wohl hiedannen zu helfen."
Also ward er aufgebunden,
stand an das Steuerruder und fuhr redlich dahin- doch lugt er
allweg auf das Schießzeug, das zunächst bei ihm lag, und auf einen Vorteil, hinauszuspringen - und wie er kam nah zu einer Platten (die seither fren Namen des Tellen Platte behalten und
ein Heilighäuslein dahin gebaut ist), bedeuchte ihm, daß er da selbst wohl hinausspringen
und
entrinnen möchte, schrie den
Knechten zu, daß sie handlich zugingen, bis man vor dieselbe Platten käme, denn sie hätten dann das böseste überwundenund
als
er neben
die Platten kam,
drückte er den Hintern
Gransen mit Macht an die Platten, erwischte sein Schießzeug
Tschudi.
12 [IV]
Schupp.
und sprang hinaus auf die Platten, stieß das Schiff mit Ge
walt von ihm und ließ sie auf dem See schweben und schwanken. Der Teil aber lies über Morsach
durch das Land Schwyz bis
auf die Höhe an der Landstraße zwischen Arth und Küßnacht,
da eine hohle Gasse ist und Gestäude darob: darin lag er ver borgen, denn er wußte, daß der Landvogt allda vorbeireiten würde gen Küßnacht zu seiner Burg. Der Landvogt und seine Diener kamen mit großer Not
und Arbeit
übern See
gen Brunnen,
ritten
darnach
durch
Schwyzerland,' und wie sie der gemeldeten hohlen Gasse nahe-
ten, hört er allerlei Anschläge
des Landvogts wider ihn.
Er
aber hatte seine Armbrust gespannt und durchschoß den Land
vogt mit einem Pfeil, daß er ab dem Roß fiel und von Stund an tot war.
Johann Balthasar Schupp
(i6io—1661).
5. Sprachreinigung im Deutschen. (An den Dichter Johann Rist in Königsberg.) Ich bitte, Er wolle die hochlöbliche fruchtbringende Gesell schaft nach Standesgebühr
in
meinem Namen
salutieren und
sagen, daß ich dafür halte, daß die Intention der hochlöbllchen
Stifter
dieser Gesellschaft
gut gewesen sei.
Allein sie sollen
selbst erwägen, ob die Mittel, die sie bishero gebraucht haben,
die deutsche Sprache zu befördern, allenthalben dienlich seien. Der tapfere Kriegsheld, der von N., hat seinen Esprit genug
sam an Tag gegeben in Versetzung des verfolgten Davids und anderer Schriften.
Allein, daß er alle fremde Wörter, welche
die Bauern nicht mehr für fremd halten, hat wollen
deutsch
geben, darüber hab ich oftmals unter dem Lesen den Kopf ge schüttelt.
Unter andern nennet er sich an einem Ort, wo ich
mich recht erinnere, Obergebietiger in Rostock.
mals alle Bauern in
Wenn ich da
ganz Mecklenburg gefragt hätte: „Wer
ist Obergebietiger in Rostock?" so würden sie sich verwundert
Tschudi.
12 [IV]
Schupp.
und sprang hinaus auf die Platten, stieß das Schiff mit Ge
walt von ihm und ließ sie auf dem See schweben und schwanken. Der Teil aber lies über Morsach
durch das Land Schwyz bis
auf die Höhe an der Landstraße zwischen Arth und Küßnacht,
da eine hohle Gasse ist und Gestäude darob: darin lag er ver borgen, denn er wußte, daß der Landvogt allda vorbeireiten würde gen Küßnacht zu seiner Burg. Der Landvogt und seine Diener kamen mit großer Not
und Arbeit
übern See
gen Brunnen,
ritten
darnach
durch
Schwyzerland,' und wie sie der gemeldeten hohlen Gasse nahe-
ten, hört er allerlei Anschläge
des Landvogts wider ihn.
Er
aber hatte seine Armbrust gespannt und durchschoß den Land
vogt mit einem Pfeil, daß er ab dem Roß fiel und von Stund an tot war.
Johann Balthasar Schupp
(i6io—1661).
5. Sprachreinigung im Deutschen. (An den Dichter Johann Rist in Königsberg.) Ich bitte, Er wolle die hochlöbliche fruchtbringende Gesell schaft nach Standesgebühr
in
meinem Namen
salutieren und
sagen, daß ich dafür halte, daß die Intention der hochlöbllchen
Stifter
dieser Gesellschaft
gut gewesen sei.
Allein sie sollen
selbst erwägen, ob die Mittel, die sie bishero gebraucht haben,
die deutsche Sprache zu befördern, allenthalben dienlich seien. Der tapfere Kriegsheld, der von N., hat seinen Esprit genug
sam an Tag gegeben in Versetzung des verfolgten Davids und anderer Schriften.
Allein, daß er alle fremde Wörter, welche
die Bauern nicht mehr für fremd halten, hat wollen
deutsch
geben, darüber hab ich oftmals unter dem Lesen den Kopf ge schüttelt.
Unter andern nennet er sich an einem Ort, wo ich
mich recht erinnere, Obergebietiger in Rostock.
mals alle Bauern in
Wenn ich da
ganz Mecklenburg gefragt hätte: „Wer
ist Obergebietiger in Rostock?" so würden sie sich verwundert
und gesagt haben: „Obergebietiger? Obergebietiger?
Was ist
das für ein Ding?" Allein, wenn ich gefragt hätte: „Wer ist Kommandant in Rostock?" so wurde jedermann geantwortet haben: „91. von N., der ehrliche, tapfere Kavalier, ist Kommandant."
Ich versichere meinen hochgeehrten Herrn, daß darin die Zierlichkeit der deutschen Sprache nicht besiehe, und wann sie auch schon darin bestünde, so frage ich die hochlöbliche frucht
bringende Gesellschaft, was mit diesen grammatikalischen Din gen, damit sich etliche Leute wollen groß machen,
dem römi
Im Hessen
schen Reich und der deutschen Nation gedienet sei.
land ist ein Prokurator gewesen, genannt der dicke Lorenz, welcher sich der Zierlichkeit im deutschen Reden sonderlich hatte
befleißigen wollen.
Einsmals hatte er zu seinem Jungen sagen
wollen: „Jung, hole mir mein Messer!"
Damit er nun kund
mache, daß ein Unterschied sei zwischen ihm und einem gemeinen
hessischen Bauern, hat er gesagt: „Page, bringe mir mein brotschneidendes Instrument!"
Einsmals hatte er zu seiner Frau
sagen wollen:
„Frau,
ich hab
etwas zu thun!"
daß er
noch
es hat neun geschlagen,
ein hessischer Cicero sei, hat er
meiner Seelen,
du mein
gehe zu Bett,
Damit nun die Frau wisse,
ander Ich,
gesagt:
„Du Hälfte
meine Gehilfin, meine
Augenlust, das gegossene Erz hat den neunten Ton von sich gegeben,
erhebe dich auf die Säulen deines Körpers und ver
füge dich in das mit Federn gefüllte Eingeweide!" — Jener Phantast wollte zu seinem Jungen sagen, daß er ihm die Stie seln ausziehen sollte,
da sagte er:
„Du, der du geringer bist
als ich, entledige meinen Unterteil des Leibes von der überge zogenen anatomierten Haut!"
Es hat ein jegliche Sprach ihren eigenen Genius.
der
weise Kaiser Karl der Fünfte
sagte,
wann
er
Daher
mit
dem
Frauenzimmer reden wolle, so wolle er französisch reden, denn
es sei eine liebliche Sprache- wann er mit Königen reden wolle, so wolle er italienisch oder spanisch reden, denn es seien ma jestätische Sprachen,- wann er mit seinen Feinden reden wolle,
so wolle er deutsch reden.
14 [IV]
Leibnitz.
Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibnitz (1646—1716). 6. Über Verbesserung der deutschen Sprache. Es ist bekannt, daß die Sprache ein Spiegel des Ver
standes, und
die Völker, wenn
daß
schwingen, auch zugleich
sie
den
Verstand
hoch
die Sprache wohl ausüben, loelches
der Griechen, Römer und Araber Beispiele zeigen.
daß die Deutschen ihre Sprache
Ich finde,
bereits hoch gebracht in allen
dem, so mit den fünf Sinnen zu begreifen und auch dem ge meinen Mann
vorkommt-
absonderlich in leiblichen Dingen^
auch Kunst- und Handwerkssachen, weil nämlich die Gelehrten fast allein mit dem Latein beschäftigt gewesen und die Mutter
sprache dem gemeinen Lauf überlassen.
Und halt ich dafür>
daß keine Sprache in der Welt sei, die zum Exempel von Erz und Bergwerken reicher und nachdrücklicher rede, als die deutsche.
Dergleichen kann man von allen andern gemeinen Lebensarten
und Professionen sagen, als von Jagd- und Weidwerk, von der Schiffahrt und dergleichen, wie denn alle die Europäer, so auf dem großen Weltmeer fahren, die Namen der Winde und viel andere Seeworte von den Deutschen, nämlich von den Sachsen,
Normannen und Niederländern entlehnet.
Es ereignet sich aber einiger Abgang in unserer Sprache
in den Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch Betrachtung erreichen kann, als bei Ausdrückung der Ge
mütsbewegungen,
auch
Beschaffenheiten,
so
hören:
der Tugenden
und Laster und
vieler
zur Sittenlehre und Regierungskunst ge
dann ferner bei den noch mehr
abgezogenen und ab
gefeimten Erkenntnissen, so die Liebhaber der Weisheit in ihrer
Denkkunst auf die Bahn bringen, welches alles dem gemeinen
deutschen Mann etwas entlegen und nicht so üblich, dahingegen der Gelehrte und Hofmann sich des Lateins oder anderer frem
den Sprachen in dergleichen fast allein und zu viel beflissen: also, daß es den Deutschen nicht am Vermögen, sondern am
Willen gefehlet, ihre Sprache durchgehends zu erheben.
Denn
weil alles, was der gemeine Mann treibet, wohl in Deutsch
gegeben, so ist kein Zweifel, daß dasjenige, so vornehmen und
gelehrten Leuten mehr vorkommt, von diesen, wenn sie gewollt, auch sehr Wohl, wo nicht besser, in reinem Deutsch hätte ge
geben werden können. Nun wäre zwar
dieser Mangel bei den logischen und
metaphysischen Kunstwörtern noch in etwa zu verschmerzen, ja, ich habe es zu Zeiten unserer ansehnlichen Hauptsprache zum
Lobe angezogen,
daß
sie nichts als rechtschaffene Dinge sage
und ungegründete Grillen nicht einmal nenne.
Daher ich bei
den Italienern und Franzosen zu rühmen gepfleget, wir Deutsche
hätten einen sonderbaren Probierstein der Gedanken, der andern unbekannt. Und wenn sie dann begierig gewesen, etwas davon
zu wissen, so habe ich ihnen bedeutet, daß es unsere Sprache selbst sei. Denn was sich darin ohne entlehnte und ungebräuch
liche Worte vernehmlich sagen lasse, das sei wirklich was Recht
schaffenes- aber leere Worte, da nichts hinterund gleichsam nur
ein leichter Schaum müßiger Gedanken, nehme die reine deutsche Allein es ist gleichwohl an dem, daß in der
Sprache nicht an.
Denkkunst auch nicht wenig Gutes enthalten, so sich durch alle anderen Wissenschaften und Lehren ergießet, einen unbeweglichen
Grund legt,
darauf die Rechtslehre und insonderheit auch die
Regierungskunst samt den Gesetzen aller Lande zu bauen. finde aber hierin die deutsche Sprache noch
Ich
etwas mangelhaft
und zu verbessern.
Hat es
demnach
die Meinung nicht, daß man in der
Sprache zum Puritaner werd^e und mit einer abergläubischen
Furcht ein fremdes,
aber' bequemes Wort als eine Todsünde
vermeide, dadurch aber sich selbst entkräfte und seiner Rede den Nachdruck nehme.
Fruchtbringenden
Also ist auch gewiß, und
Glieder
der
daß einige der Herrn
andern
deutschen
Gesell
schaften hierin zu weit gegangen und dadurch andere gegen sich
ohne Not
erreget,
zumal
sie
den Stein
einmal
auf
heben
wollen und alles Krumme schlecht zu machen gemeinet, welches unmöglich. Wie es mit der deutschen Sprache hergegangen, kann man
aus den Reichsabschieden sehen.
Im Jahrhundert der Refor
mation redete man ziemlich rein deutsch, außer weniger italieni-
Hessel, Lesebuch. IV. Prosa.
2
scher, zum Teil auch spanischer Worte, so vermittelst des kaiser
lichen Hofes und einiger fremden Bedienten zuletzt eingeschlichen Solches aber, wenn es mäßiglich geschieht, ist weder zu ändern, noch ebensosehr zu tadeln, zu Zeiten auch wohl zu loben, zumal
wenn neue und
gute Sachen zusamt ihren Namen aus der
Fremde zu uns kommen.
Allein wie der dreißigjährige Krieg
eingerissen und überhand genommen, fremden und einheimischen Völkern
da ist Deutschland von
wie mit einer Wasserflut
überschwemmt worden und nicht weniger unsere Sprache, als
unser Gut in die Rabuse gegangen, und siehet man, wie die Reichsakta solcher Zeit mit Worten angefüllt sind, deren sich
freilich unsere Vorfahren geschämt haben würden. [Leibnitz macht nun Vorschläge, wie der verloren gegangene Reichtum der deutschen Sprache wieder zu gewinnen fei, und meint unter anderm]:
Solches könnte geschehen durch Aufsuchung guter Wörter,
die schon vorhanden, aber jetzo fast verlassen, mithin zu rechter Zeit nicht beifallen, wie auch ferner durch Wiederbringung alter verlegener Worte, so
von besonderer Güte.
Solches zu
reichen, wäre gewissen gelehrten Leuten aufzutragen,
er
daß sie
eine Besichtigung, Musterung und Ausschuß anstellen und desfalls in guten deutschen Schriften sich ersehen möchten, zu wel chem Ende die Schriften des vorigen Seculi, die Werke Luthers und anderer Theologen, die alten Reichshandlungen, die Landes--
ordnungen und Willküre der Städte und
und
weltliche Schriften,
allerhand geistliche
sogar des Reineke Voß,
des Frosch
mäuselers, des deutschen Rabelais, des übersetzten Amadis, deK
österreichischen Teuerdanks, des nürnbergischen Hans Sachsem und anderer nützlich zu gebrauchen.
Aus -em 18. Jahrhundert.
Iustus Möser (1720—1794). 7. Die gute selige Fra«.
Ich habe meine Frau im vierzigsten Jahre verloren, und
meine
Umstände
erfordern,
daß ich
mich wieder
verheirate.
Allein so viele Mühe ich mir auch dieserhalb bereits gegeben, so
kann ich doch keine finden, die mir ansteht und der lieben Se ligen einigermaßen gleich ist.
Ich höre von keiner, oder man
sagt mir sogleich: „Diese Person hat sehr vielen Verstand, eine
schöne Lektüre und ein überaus zärtliches Herz.
Sie spricht
französisch, auch wohl englisch und italienisch, spielt, singt und tanzt vortrefflich und ist die artigste Person von der Welt." Zu meinem Unglück ist mir aber mit allen diesen Voll
kommenheiten gar nichts gedient.
Ich wünsche eine rechtschaffene,
christliche Frau, von gutem Herzen,
gesunder Vernunft, einem
bequemen, häuslichen Umgänge und lebhaftem, doch eingezoge nem Wesen/
eine fleißige und emsige Haushälterin, eine rein
liche, verständige Köchin und eine aufmerksame Gärtnerin.
Und
diese ist es, welche ich jetzt nirgends mehr finde. Der Himmel weiß, daß ich es nie verlangt habe, allein
meine Selige stand alle Morgen um fünf Uhr auf, und ehe es sechse schlug, war das ganze Haus aufgeräumet, jedes Kind an gezogen und bei der Arbeit, dqs Gesinde in seinem Beruf und
des Winters an manchem Morgen oft schon mehr Garn gesponnen, als jetzt in manchen Haushaltungen binnen einem ganzen Jahr
gewonnen wird.
Das Frühstück ward nur beiläufig eingenom
men; jedes nahm das (einige in die Hand und arbeitete seinen
Gang fort.
Mein Tisch war zu rechter Zeit gedeckt und mit
welche sie selbst mit Wahl und Rein
zween guten Gerichten,
lichkeit simpel, aber gut zubereitet hatte, besetzt. Käse und Butter, Äpfel, Birnen und Pflaumen, oder
trocken, waren von ihrer Zubereitung.
Freund zu uns,
so
wurden
frisch
Kam ein guter
einige Gläser mit Eingemachtem
aufgesetzt, und sie verstand alle Künste, so dazu gehörten, ohne
es eben mit einer Menge von Zucker verschwenderisch zu zwin
gen,- was nicht davon genossen wurde, blieb in dem sorgfältig bewahrten Glase. Ihre Pickels übertrafen alles, was ich jemals
gegessen habe- und ich weiß nicht, wie sie den Essig so unver gleichlich machen konnte. Sie machte alle Jahr ein Bitters für
den Magen, wogegen Dr. Hills und Stoughtons Tropfen nichts sind.
Ihren Hollundersaft kochte sie selbst, und in keinem Non
nenkloster fand man besseres Krauseminzenwasser, als das ihrige. In unserm ganzen Ehestände hat keines aus dem Hause dem
Apotheker einen Groschen gebracht, und wenn sie etwas Lächer liches nennen wollte, so war es ein Kräuterthee aus der Apo theke. acht.
Auf jedes Stück Holz,
das ins Feuer kam,
hatte sie
Nie ward ein großes Feuer gemacht, ohne mehrere Ab
sichten auf einmal zu erfüllen. das Gesinde
von
Sie wußte, wie viel Stunden
einem Pfund Thran brennen mußte.
Lichter zog sie selbst und
Ihre
wußte des Morgens an den Enden
genau, ob jedes sich zu rechter Zeit des Abends niedergelegt
hatte.
im Hause
Das Bier ward
gemacht und
der Hopfen
daheim
Braunschweig eingeführet wird.
nicht aus ihrer Tasche.
gebraut,
das Malz selbst
besser gezogen, als er von Der Schlüssel zum Keller kam
Sie wußte genau, wie lange ein Faß
laufen und wie viel ein Brot wiegen mußte.
Butter und Speck
gab sie selbst aus, und ohne geizig zu sein,
bemerkte sie das
Gelinde so genau,
daß nichts davon verbracht werden konnte.
Ebenso machte sie es, mit der Milch.
Sie kannte jedes Huhn,
das legte, und fütterte nach der Jahreszeit so, daß kein Korn
zu viel oder zu wenig
gegeben
wurde.
Das Holz kaufte sie
zu rechter Jahreszeit und ließ die Mägde des Winters alle Tage
zwei Stunden sägen, um sie bei einer heilsamen Bewegung zu
Im Sommer ward des Abends nie warm gegessen.
bewahren.
Die warmen Suppen schienen ihr eine lächerliche Erfindung der
Franzosen- und bei dem kalten Essen konnte das Geschirr auch mit kaltem Wasser gewaschen werden.
Man brauchte alsdann
kein Feuer, und bei Winterabenden ward bei dem letzten Feuer im Ofen gekocht.
Was in der Dämmerung geschehen konnte,
geschah nicht bei Lichte, und die Arbeit war darnach abgepatzt.
Ihre schmutzige Wäsche untersuchte sie alle Sonnabend und hing solche des Winters einige Tage auf Leinen, damit sie nicht zu
feucht weggelegt und stockig werden möchte.
Wenn die Bettücher
in der Mitte zu sehr abgenutzt schienen, schnitt sie solche los und
kehrte die Außenseite gegen die Mitte.
Auch die Hemden wußte
sie auf eine ähnliche Art umzukehren und die Strümpfe bis drei Mal anzuknütten.
zwei
Alles, was sie und ihre Kinder
trugen, ward im Hause gemacht, und sie verstand sich auch sehr gut auf einen Mannsschlafrock.
Sie konnte ihn in einem Tage Im Stopfen ging ihr keine
mit eigener Hand fertig machen. Frau
vor-
alle Jahre
einige Stücke Linnen
wurden
Haushaltung gemacht und
einige
hernach zusammen bleichen ließ.
in der
greis zugekauft, welche sie Sie bükete solches selbst und
bewahrte es soviel wie möglich vor der gewaltsamen Behandlung Das Garn zu einem Stücke mußte von einer
des Bleichers. Hand und von
einer Art Flachs
gesponnen sein.
Von
dem
besten ward gezwirnt, und keine Nadel oder Nähnadel konnte
verloren gehen, weil nicht ausgefegt werden durfte,
ohne daß
sie zugegen war. Ihr Garten war zu rechter Zeit und mit selbstgezogenem
Samen bestellt.
Im Frühjahr
erholte sie
sich in
demselben
von der langen Winterarbeit, indem sie säete und jätete. Früchte
lachten dem Auge
halben Dünger gebrauchte, untergruben.
entgegen,
ob sie gleich
den ihre Nachbarn
Die
kaum
den
ohne Verstand
Da sie allem Unkraut zeitig widerstand, so hatte sie
mcht die halbe Arbeit. Alles, was sie pflanzte, geriet recht wunderbarlich, und ihr Vieh gab bei kluger Fütterung bessere und mehr
Milch, als andere mit doppeltem Futter erhalten konnten.
Keine
Feder wurde verloren, und kein Brocken fiel auf die Erde.
Das Bewußtsein ihrer guten Eigenschaften gab ihr einen Alles^ was bei Tische mit Appetit
ganz vortrefflichen Anstand.
gegessen wurde, war die schmeichelhafteste Lobrede für sie.
Tischzeug konnte nicht bewundert werden,
Das-
ohne daß nicht bcr
Ihre emsigen, reinlichen und muntern
Ruhm davon auf sie fiel.
Kinder verkündigten der Mutter Lob vor allen Augen; und die
Ordnung im Hause, die Fertigkeit, womit alles von statten ging,, und die Zufriedenheit, womit sie vieles ohne Beschwerde geben konnte, erheiterten ihre Blicke dergestalt, daß alle Gäste davon
entzückt wurden.
Keiner Frau ist mehr geschmeichelt und keiner-
weniger Schmeichelhaftes
gesagt
worden.
Ihr Blick breitete
Lust und Zufriedenheit über alles aus, und ich kann es nicht genug sagen, wie artig
sie jede Gesellschaft mit in den Plan
ihrer Arbeiten ziehen konnte. In der Dämmerung schälten mir Äpfel mit ihr oder pflückten Hopfen, und wer sein ihm zuge
teiltes Werk zuerst fertig hatte, bekam von ihr einen $hifcT Man glaube es oder nicht, der eine hielt den Zwirn, der andere wickelte ihn auf,
der dritte
las Erbsen
oder
andere Samen
aus, der vierte machte Dochte zu Lichtern, und ich glaube, wir
hätten ihr zu Gefallen gern mitgesponnen, wenn wir es ver
standen hätten.
,/Spinnen", sagte sie uns oft, „giebt allezeit
warme Füße und würde sehr gut gegen die Hypochondrie sein." Wenn wir unsere Arbeit gut gemacht hatten, setzten wir uns^
nachdem die Jahreszeit war, an das Darrenfeuer und tranken ein Glas. Septemberbier, welches damals noch nicht so schwach, gebraut wurde,
daß es
in dem
ersten Monat
sauer
werden
mußte, oder wir thaten uns sonst mit Plaudern etwas zu gute. Nach ihrem Tode — ach, ich kann ohne Thränen nicht daran
denken
Töchter fertig,-
— fand
ich die Brautwagen
und wie ich alles,
sechzehnjährigen Ehestände in
was sie
für unsre
während
Vier-
unserm,
der Haushaltung erzeugt hatte,
überschlug, belief es sich höher, als das Geld, was sie in aller-
Zeit von mir empfangen
hatte.
So
vieles
Fleiß, Ordnung und Haushaltung gewonnen.
hatte
sie
durch
Gotthold Ephraim Lessing
(1729—1781).
8. Einige Fabel«. I.
Der Esel mit dem Löwen.
Als der Esel mit dem Löwen, der ihn statt seines Jägerhvrns brauchte, nach dem Walde ging, begegnete ihm ein an
derer Esel von seiner Bekanntschaft und rief ihm zu: „Guten
Tag, mein Bruder!" — „Unverschämter!" war die Antwort. — „Und warum das?" fuhr jener Esel fort, „bist du des
wegen, weil du mit einem Löwen gehst, besser als ich? mehr
als ein Esel?" II. Der Löwe mit dem Esel.
Als der Löwe mit dem Esel, der ihm durch seine fürchter
liche Stimme die Tiere sollte jagen helfen, nach dem Walde ging, rief ihm eine naseweise Krähe von dein Baume zu: „Ein schöner Gesellschafter!
Schämst du dich nicht, mit einem Esel
zu gehen?" — „Wen ich brauchen kann," versetzte der Löwe„dem kann ich ja wohl meine Seite gönnen."
So denken
die Großen alle, wenn sie
einen Niedrigen
ihrer Gemeinschaft würdigen. III. Die Pfaue« und die Krühen.
Eine
stolze Krähe schmückte sich mit den ausgefallenen
Federn der fqrbigen Pfauen und mischte sich kühn, als,sie ge
nug geschmückt zu sein glaubte, unter diese der Juno. mit
glänzenden Bögel
Sie ward erkannt, und schnell fielen die Pfauen
scharfen Schnäbeln
auf sie,
ihr
den
betrügerischen Putz
auszureißen. „Lasset nach!" schrie sie endlich, „ihr habt nun alle das eurige wieder!"
Doch
die
Pfauen,
welche
einige
von
den
eigenen, glänzenden Schwingfcdern der Krähe bemerkt hatten,
versetzten: „Schweig, armselige Närrin - auch diese können nicht dein sein!" — und hackten weiter.
IV. Der Rabe und der Fuchs.
Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleischs das der er
zürnte Gärtner
für die Katzen
seines Nachbars
hingewarfen
hatte, in seinen Klauen fort. Und eben wollte er es auf einer alten Eiche verzehren,
als sich ein Fuchs
herbeischlich und ihm zurief: „Sei mir ge
segnet, Vogel des Jupiters!^ — „Für wen siehst du mich cm?" fragte der Rabe. — „Für wen ich dich ansehe?" erwiderte der
Fuchs,
„bist du nicht der rüstige Adler,
der täglich
von der
Rechten des Zeus auf diese Eiche herab kömmt, mich Armen zu speisen?
Warum verstellst du dich?
Sehe ich denn nicht in
der siegreichen Klaue die erflehte Gabe, die mir dein Gott durch dich zu schicken noch fortfährt?"
Der Rabe erstaunte und freute sich innig, für einen Adler
Ich muß, dachte er, den Fuchs aus diesem
gehalten zu werden.
Irrtume nicht bringen. — Großmütig dumm ließ er ihm also
seinen Raub herabfallen und flog stolz davon. Der Fuchs fing das Fleisch lachend auf und fraß es mit
boshafter Freude.
Doch bald verkehrte sich die Freude in ein
schmerzhaftes Gefühl,- das Gift fing an zu wirken, und er verreckte.
Möchtet ihr euch nie etwas andres als Gift erloben, ver dammte Schmeichler! V.
Der Wylf lag
Der Wolf auf dem Todbette.
in den letzten Zügen
und schickte
prüfenden Blick auf sein vergangenes Leben zurück.
einen
„Ich bin
freilich ein Sünder", sagte er; „aber doch, hoffe ich, keiner von den größten.
Einstmals,
Ich habe Böses gethan, aber auch erinnere ich mich,
kam mir
ein
viel Gutes.
blökendes Lamm,
welches sich von der Herde verirret hatte, so nahe, daß ich es
gar leicht hätte würgen können, und ich that ihm nichts. ebev dieser "Zeit hör'te ich' die Spöttereien
eines Schafes mit
Zu
und SchmähuNgett
der bewundernswürdigsten Gleichgültigkeit
an, ob ich schon keine schützenden Hunde zu fürchten hatte."
„Und das alles kann ich dir bezeugen," fiel ihm Freund Fuchs, der ihm zum Tode bereiten half, ins Wort
„Denn
ich erinnere mich noch gar wohl aller Umstände dabei. zu eben jener Zeit,
würgtest, das
als du dich
dir der
Es war
an dem Beine so jämmerlich
gutherzige Kranich
aus
hernach
dem
Schlunde zog." VI. Herkules.
Als Herkules in den Himmel ausgenommen ward, machte
er
seinen Gruß
unter allen Göttern
der Juno
ganze Himmel und Juno erstaunte darüber.
zuerst.
Der
„Deiner Feindin,"
rief man ihm zu, „begegnest du so vorzüglich?" — „Ja, ihr selbst," erwiderte Herkules, „nur ihre Verfolgungen sind es, die mir zu den Thaten Gelegenheit gegeben, womit ich den Himmel
verdient habe." Der Olymp billigte die Antwort des neuen Gottes, und
Juno ward versöhnt. VII. Die Gaus.
Die Federn einer Gans beschämten den neugeborenen Schnee. Stolz auf dieses blendende Geschenk der Natur, glaubte sie eher zu einem Schwane, als zu dem, was sie war, geboren zu sein.
Sie sonderte sich von ihres gleichen ab und schwamm einsam und majestätisch auf dem Teiche herum.
Bald dehnte sie ihren
Hals, dessen verräterischer Kürze sie mit aller Macht abhelfen
wollte. in
Bald suchte sie ihm die prächtige Biegung zu geben,
welcher der Schwan das würdigste Ansehen
des Apollo hat.
eines Vogels
Doch vergebens- , er war zu steif,
aller ihrer Bemühung brachte sie es nicht weiter,
und
mit
als daß sie
den Zeitpunkt erlebt und genutzt,
wo
es deutlich wurde, daß
alle Staatsglieder in gleicher Betriebsamkeit ihre Tage zubringen,
in gleichem Wirken und Schaffen jeder nach seiner Art erst ge winnen und dann genießen sollte. Wie sehr dieses gelungen war, ließ sich in diesen Tagen
gewahr werden, als eben der Hauptmarkt sich versammelte, den man gar wohl eine Messe nennen konnte.
Der Fürst
hatte
seine Gemahlin gestern durch das Gewimmel der aufgehäuften Waren zu Pferde geführt und sie bemerken lassen, wie gerade hier das Gebirgsland mit dem flachen Lande
einen
glücklichen.
Umtausch treffe,- er wußte sie an Ort und Stelle auf die Be
triebsamkeit seines Länderkreises aufmerksam zu machen.
Wenn sich nun der Fürst fast ausschließlich in diesen Ta gen mit den ©einigen über diese zudringenden Gegenstände unter hielt, auch besonders mit dem Finanzminister anhaltend arbeitete,, so behielt doch auch der Landjägermeister sein Recht, auf dessen
Vorstellung es unmöglich war,
der Versuchung zu widerstehen,-
an diesen günstigen Herbsttagen eine schon verschobene Jagd zu. unternehmen, sich selbst und den vielen angekommenen Fremdew
ein eigenes und seltenes Fest zu eröffnen. Die Fürstin blieb ungern zurück,- man hatte sich vorge
nommen, weit in das Gebirg hineinzudringen, um die friedlichem Bewohner der dortigen Wälder durch einen unerwarteten Kriegs zug zu beunruhigen.
Scheidend versäumte der Gemahl nicht,
einen Spazierritt vorzuschlagen, den
sie im Geleit Friedrichs^,
des fürstlichen Oheims, unternehmen sollte.
„Auch lasse ich,"
sagte er, „dir unsern Honorio als Stall- und Hofjunker, der für alles sorgen wird."
Und im Befolg dieser Worte gab er im.
Hinabsteigen einem wohlgebildeten jungen Mann die nötigen Auf träge und verschwand sodann bald mit Gästen und Gefolge.
Die Fürstin, die ihrem Gemahl noch
in den Schloßhof
hinab mit dem Schnupftuch nachgewinkt hatte, begab sich in die Hintern Zimmer, welche nach dem Gebirg eine freie
Aussicht
ließen, die um desto schöner war, als das Schloß selbst von dem Fuße herauf in einiger Höhe stand und so vor- als hinterwärts
mannichfaltige bedeutende Ansichten gewährte. Sie fand das treff liche Teleskop noch in der Stellung, wo man es gestern Abend gelassen hatte, als man, über Busch, Berg und Waldgipfel die
hohen Ruinen der uralten Stammburg betrachtend, sich unterhielt, die in der Abendbeleuchtung merkwürdig hervortraten, indem als dann die größten Licht- und Schattenmassen den deutlichsten Be
griff von einem so
konnten.
ansehnlichen Denkmal alter Zeit verleihen
Auch zeigte sich heute früh durch die
annähernden
Gläser recht auffallend die herbstliche Färbung jener mannichfal-
tigen Baumarten, die zwischen dem Gemäuer ungehindert und
ungestört durch lange Jahre emporftrebten.
Die schöne Dame
richtete jedoch das Fernrohr etwas tiefer, nach einer öden, stei
nigen Fläche, über welche der Jagdzug weggehen mußte, sie er
harrte den Augenblick mit Geduld und betrog sich nicht,' denn
bei der Klarheit und Vergrößerungsfähigkeit des Instruments er
kannten ihre glänzenden Augen deutlich den Fürsten und
den
Oberstallmeister,' ja, sie enthielt sich nicht, abermals mit dem
Schnupftuche zu winken, als sie ein augenblickliches Stillhalten
und Rückblicken mehr vermutete als gewahr ward. Lürst Oheim, Friedrich mit Namen, trat sodann, angemeldet, mit seinem Zeichner herein, der ein großes Portefeuille unter
dem Arm trug.
„Liebe Cousine^, sagte der alte, rüstige Herr,
,chier legen wir die Ansichten der Stammburg vor, gezeichnet,
um von verschiedenen Seiten anschaulich zu machen, wie der mäch tige Trutz- und Schutzbau von alten Zeiten her dem Jahr und seiner .Witterung sich entgegenstemmte, und wie doch hie und da sein Gemäuer weichen, da und dort in wüste Ruinen Zusammen stürzen mußte.
Nun haben wir manches gethan, um diese Wild
nis zugänglicher zu machen; denn mehr bedarf es nicht, um jeden
Wanderer, jeden Besuchenden in Erstaunen zu setzen, zu entzücken." Indem nun der Fürst die einzelnen Blätter deutete, sprach
Hessel, Lesebuch IV. Prosa.
4
er weiter: „Hier^ wo man, den Hohlweg durch die äußern Ring mauern heraufkommend, vor die eigentliche Burg gelangt, steigt uns
ein Felsen entgegen von den festesten des ganzen Gebirgs- hierauf
nun steht gemauert ein Turm, doch niemand wüßte zu sagen, wo ttie Natur aufhört, Kunst und Handwerk aber anfangen.
Ferner
sieht man seitwärts Mauern angeschlossen und Zwinger terrassen mäßig herab sich erstreckend.
Doch ich sage nicht recht,- denn es
ist eigentlich ein Wald, der diesen uralten Gipfel umgiebt: seit
hundertundfünfzig Jahren hat keine Axt hier geklungen, und über
all sind die mächtigsten Stämme emporgewachsen.
Wo ihr euch
an den Mauern andrängt, stellt sich der glatte Ahorn, die rauhe
Eiche, die schlanke Fichte mit Schaft und Wurzeln entgegen,' um diese müssen wir uns herumschlängeln und unsere Fußpfade ver ständig
führen.
Seht
nur,
wie trefflich
unser Meister
dies
Charakteristische auf dem Papier ausgedrückt hat, wie kenntlich
die verschiedenen Stamm- und Wurzelarten zwischen das Mauer werk verflochten und die mächtigen Äste durch die Lücken durchs geschlungen sind!
Es ist eine Wildnis wie keine, ein zufällig
einziges Lokal, wo die alten Spuren längst verschwundener Men schenkraft mit der ewig lebenden und fortwirkenden Natur sich
in dem ernstesten Streit erblicken lassen." Ein anderes Blatt aber vorlegend, fuhr er fort: „Was
sagt ihr nun zum Schloßhofe, der, durch das Zusammenstürzen des alten Thorturmes unzugänglich, niemand betreten ward.
seit undenklichen Jahren von
Wir suchten ihm von der Seite beizu
kommen, haben Mauern durchbrochen, Gewölbe gesprengt und so einen bequemen, aber geheimen Weg bereitet.
es keines Aufräumens,-
hier findet sich
Inwendig bedurfte
ein flacher Felsgipfel,
von der Natur geplättet, aber doch haben mächtige Bäume hie und da zu wurzeln Glück und Gelegenheit gefunden: sie sind saöhte, aber entschieden ausgewachsen,- nun erstrecken sie ihre Äste
bis in die Galerien hinein, auf denen der Ritter sonst auf und ab schritt, ja durch Thüren durch und Fenster in die gewölbten Säle, aus denen wir sie nicht vertreiben wollen,- sie sind eben
Herr geworden und mögens bleiben.
Tiefe Blätterschichten weg
räumend, haben wir den merkwürdigsten Platz geebnet gefunden,
-essen gleichen in der Welt vielleicht nicht wieder zu sehen ist.
Rach allem diesem aber ist es immer noch bemerkenswert und an Ort und Stelle zu beschauen, daß auf den Stufen, die in
-en Hauptturm hinaufführen, ein Ahorn Wurzel geschlagen und
sich zu einem so tüchtigen Baume gebildet hat, mit Not daran vorbeidringen kann,
grenzten Aussicht wegen zir besteigen.
man bequem im Schatten;
daß man nur
um die Zinne der unbe
Aber auch hier verweilt
denn dieser Baum ist es,
über das Ganze wunderbar hoch in die Luft hebt.
der sich
Danken wir
-also dem wackern Künstler, der uns so löblich in verschiedenen
Bildern von allem überzeugt, als wenn wir gegenwärtig wären,er hat die schönsten Stunden des Tages und der Jahreszeit
dazu angewendet und sich wochenlang um diese Gegenstände her
umbewegt.
In dieser Ecke ist für ihn und den Wächter, den
wir ihm zugegeben, eine kleine, angenehme Wohnung eingerichtet. Sie sollten nicht glauben, meine Beste, welch eine schöne Ausund Ansicht er ins Land, in Hof und Gemäuer sich dort bereitet
hat.
Nun aber,
da alles so rein nnd charakteristisch umrissen
ist, wird er es hier unten mit Bequemlichkeit ausführen.
Wir
wollen mit diesen Bildern unsern Gartensaal zieren, und niemand soll über unsere regelmäßigen Parterre, Lauben und schattigen Gänge seine Augen spielen lassen, der nicht wünschte, sich dort oben in dem wirklichen Anschauen des Alten und Neuen, des Starren,
Unnachgiebigen,
Schmiegsamen,
Unzerstörlichen
Unwiderstehlichen
seine
und
des Frischen,
Betrachtungen
anzu
stellen."
Honorio trat ein und meldete, die Pferde seien vorgeführt,da sagte die Fürstin, zum Oheim gewendet: „Reiten wir hinauf,
und lassen Sie mich in der Wirklichkeit sehen, was Sie mir hier im Bilde zeigten!
Seit ich hier bin, höre ich von diesem Unter
nehmen und werde jetzt erst recht verlangend,
mit Augen zu
fehen, was mir in der Erzählung unmöglich schien und in der
Nachbildung unwahrscheinlich bleibt." — „Noch nicht, meine Liebe!" versetzte der Fürst, „was Sie hier sahen, ist, was es werden kann,
und wird,-
jetzt stockt noch manches im Beginnen,-
die Kunst
muß erst vollenden, wenn sie sich vor der Natur nicht schämen
Goethe.
50 [IVJ
soll." — „Und so reiten wir wenigstens hinaufwärts, und wäre-
es nur bis an den Fuß.
Ich habe große Lust, mich heute weit
in der Welt umzusehen." — „Ganz nach Ihrem Willen!" ver setzte der Fürst. „Lassen Sie uns aber durch die Stadt reiten," fuhr die Dame fort, „über den großen Marktplatz, wo eine zahllose Menge-
von Buden die Gestalt einer kleinen Stadt,
eines Feldlagers
Es ist, als wären die Bedürfnisse und Be
angenommen hat.
schäftigungen sämtlicher Familien des Landes umher, nach außen
gekehrt,
in diesem Mittelpunkt versammelt, an das Tageslicht
gebracht worden-
denn hier sieht der aufmerksame Beobachter
alles, was der Mensch leistet und bedarf; man bildet sich einen. Augenblick ein, es sei kein Geld nötig, jedes Geschäft könne hier
durch Tausch abgethan werden- und so ist es auch im Grunde.. Seitdem der Fürst gestern mir Anlaß zu diesen Übersichten ge geben, ist es mir gar angenehm zu denken, wie hier, wo Gebirg. und flaches Land aneinander grenzen, beide so deutlich aussprechen^
was sie brauchen, und was sie wünschen.
Wie nun der Hoch-^
länder das Holz seiner Wälder in hundert Formen umzubilderr
weiß, das Eisen zu einem jeden Gebrauch zu vermannichfaltigen,so kommen jene drüben mit den vielfältigsten Waren ihm ent
gegen,
an denen man den Stoff kaum unterscheiden und derr
Zweck oft nicht erkennen mag." „Ich weiß," versetzte der Fürst, „daß mein Neffe hierauf
die größte Aufmerksamkeit wendet- denn gerade zu dieser Jahres zeit kommt es hauptsächlich darauf an, daß man mehr empfange
als gebe- dies zu bewirken ist am Ende die Summe des ganzerr
Staatshaushaltes,
so wie der kleinsten häuslichen Wirtschaft.
Verzeihen Sie aber, meine Beste, ich reite niemals gern durch. Markt und Messe-
bei jedem Schritt ist man gehindert und-
aufgehalten, und dann flammt mir das ungeheure Unglück wie der in die Einbildungskraft, das sich mir gleichsam in die Augerr
eingebrannt, als ich eine solche Güter- und Warenbreite Feuer aufgehen sah.
in
Ich hatte mich kaum" —
„Lassen Sie uns die schönen Stunden nicht versäumen!^ fiel ihm die Fürstin ein, da der würdige Mann sie schon einige-
mal mit ausführlicher Beschreibung jenes Unheils geängstigt hatte, töte er sich nämlich,
auf einer großen Reise begriffen, abends
im besten Wirtshause auf dem Markte, der eben von einer Haupt' messe wimmelte, höchst ermüdet zu Bette gelegt und nachts durch Geschrei und Flammen, die sich gegen seine Wohnung wälzten,
gräßlich aufgeweckt worden.
Die Fürstin eilte, führte,
das Lieblingspferd zu besteigen, und
statt zum Hinterthore bergauf,
zum Vorderthore berg
unter ihren widerwillig bereiten Begleiter- denn wer wäre nicht
gern an ihrer Seite geritten, wer wäre ihr nicht gern gefolgt! Und so war auch Honorio von der sonst so ersehnten Jagd willig
zurückgeblieben, um ihr ausschließlich dienstbar zu sein. Wie vorauszusehen, durften sie auf dem Markt nur Schritt
^ür Schritt reiten; aber die schöne Liebenswürdige erheiterte jeden
Aufenthalt durch eine geistreiche Bemerkung.
„Ich wiederhole,"
■sagte sie, „meine gestrige Lektion, da denn doch die Notwendigkeit unsere Geduld prüfen will."
Und wirklich drängte sich die ganze
Menschenmaffe dergestalt an die Reitenden heran, daß sie ihren
Weg nur langsam fortsetzen konnten.
Das Volk schaute mit
Freuden die junge Dame, und auf so viel lächelnden Gesichtern zeigte sich das entschiedene Behagen, zu sehen, daß die erste Frau
im Lande auch die schönste und anmutigste sei. Unter einander gemischt standen Bergbewohner, die zwischen
Felsen, Fichten und Föhren ihre stillen Wohnsitze hegten, Flach länder von Hügeln, Auen und Wiesen her, Gewerbsleute der
kleinen Städte, und was sich alles versammelt hatte. Nach einem ■ruhigen Überblick bemerkte die Fürstin ihrem Begleiter, wie alle l>iese, woher sie auch seien, mehr Stoff als nötig zu ihren Kleidern genommen, mehr Tuch und Leinwand, mehr Band zum Besatz. „Ist es doch, als ob die Weiber nicht brauschig und die Männer
nicht pausig genug sich gefallen könnten." „Wir wollen ihnen das ja lassen," versetzte der Oheim; „wo auch der Mensch seinen Überfluß hinwendet, ihm ist wohl
dabei, am wohlsten, wenn er sich damit schmückt und aufputzt." Die schöne Dame winkte Beifall.
So waren sie nach und nach auf einen freien Platz gelangt,
der zur Borstadt hinführte, wo am Ende vieler kleiner Buden
und Kramstände ein größeres Brettergebäude in die Augen peIA das sie kaum erblickten, als ein ohrzerreißendes Gebrülle ihnen
entgegentönte.
Die Fütterungsstunde der dort zu Schau stehenden,
wilden Tiere schien heranzukommen: der Löwe ließ seine Wald-
und Wüstenstimme aufs kräftigste hören,- die Pferde schauderten^ und man konnte der Bemerkung nicht entgehen, wie in dem fried
lichen Wesen und Wirken der gebildeten Welt der König
Einöde sich so furchtbar verkündige.
der
Zur Bude näher gelangt,,
durften sie die bunten kolossalen Gemälde nicht übersehen, die
mit heftigen Farben und kräftigen Bildern jene fremden Tiere
darstellten, welche der friedliche Staatsbürger zu schauen unüber
windliche Lust empfinden sollte.
Der grimmig ungeheure Tiger
sprang auf einen Mohren los, im Begriff,« ihn zu zerreißen,- ein Löwe stand ernsthaft majestätisch, als wenn er keine Beute, seiner würdig, vor sich sähe- andere wunderliche bunte Geschöpfe ver dienten neben diesen mächtigen weniger Aufmerksamkeit.
„Wir wollen,"
sagte die Fürstin,
„bei unserer Rückkehr7
doch absteigen und die seltenen Gäste näher betrachten!" — „Es»
versetzte der Fürst,
ist wunderbar,"
Schreckliches immer aufgeregt sein will.
„daß
der Mensch durch
Drinnen liegt der Tiger-
ganz ruhig in seinem Kerker, und hier muß er grimmig auf einen
Mohren losfahren, damit man glaube, dergleichen inwendig eben falls zu sehen.
Es ist an Mord und Totschlag noch nicht genüge
an Brand und Untergang- die Bänkelsänger müssen es an jederEcke wiederholen.
Die guten Menschen wollen eingeschüchtert
sein, um hinterdrein erst recht zu fühlen, wie schön und löblich es sei, frei Atem zu holen." Was denn, aber auch Bängliches von solchen Schreckens--
bildern mochte übrig geblieben sein, alles und jedes
war so
gleich ausgelöscht, als man, zum Thore hinausgelangt, in die-
heiterste Gegend eintrat.
Der Weg führte zuerst am Flusse-
hinan, an einem zwar noch schmalen, nur leichte Kähne tragen den Wasser, das aber nach und nach als größter Strom seinen.
Namen behalten und ferne Länder beleben sollte. es
weiter
durch
Dann ginx
wohlversorgte Frucht- und Lustgärten sachte
hinaufwärts,
und man sah sich nach und nach in der aufge-
thanen wohlbewohnten Gegend um, bis erst ein Busch, sodann ein Wäldchen die Gesellschaft aufnahm und die anmutigsten Örtlichkeiten ihren Blick begrenzten und erquickten. Ein auf erst vor kurzem zum zweitenmal
wärts leitendes Wiesenthal,
gemäht, samtähnlich anzusehen,
von einer oberwärts lebhaft
auf einmal reich entspringenden Quelle gewässert,
empfing sie
freundlich, und so zogen sie einem höhern, freiern Standpunkt entgegen, den sie, aus dem Walde sich bewegend, nach einem lebhaften Stieg erreichten,
deutender
Entfernung
alsdann aber vor sich noch in be
über
neuen Baumgruppen
alte
das
Schloß, den Zielpunkt ihrer Wallfahrt, als Fels- und Wald
gipfel hervorragen sahen.
Rückwärts aber — denn niemals
gelangte man hierher, ohne sich umzukehren — erblickten sie durch zufällige Lücken der ^hohen Bäume das fürstliche Schloß
links, von der Morgensonne beleuchtet, den wohlgebauten höhern Teil der Stadt, von leichten Rauchwolken gedämpft, und sofort
nach der Rechten zu die untere Stadt,
den Fluß in einigen
Krümmungen, mit seinen Wiesen und Mühlen, gegenüber eine weite, nahrhafte Gegend.
Nachdem sie sich an dem Anblick ersättigt oder vielmehr, wie es uns bei dem Umblick auf so hoher Stelle zu geschehen
pflegt,
erst
recht
verlangend
weniger begrenzten Aussicht,
geworden
nach
ritten sie eine
einer
weitern,
steinige,
breite
Fläche hinan, wo ihnen die mächtige Ruine als ein grünge
krönter Gipfel ent gegenstand, wenig alte Bäume tief unten um seinen Fuß- sie ritten hindurch, und so fanden sie sich gerade vor der steilsten, unzugänglichsten Seite.
Mächtige Felsen stan
den von Urzeiten her, jedem Wechsel unangetastet, fest, wohlbegründet voran, und so türmte sichs aufwärts- das dazwischen Herabgestürzte lag in mächtigen Platten und Trümmern un regelmäßig übereinander und schien dem Kühnsten jeden Angriff zu verbieten.
Aber das Steile, Jähe scheint der Jugend zuzu
sagen ; dies zu unternehmen, zu erstürmen, zu erobern ist jun
gen Gliedern einem
ein Genuß.
Versuch-
Honorio
Die Fürstin bezeigte Neigung war
bei der Hand-
zu
der fürstliche
Goethe.
54 [IV] Oheim,
wenn schon
bequemer,
ließ sichs gefallen und wollte
sich doch auch nicht unkräftig zeigen,-
die Pferde sollten am
Fuße unter den Bäumen halten, und man wollte bis zu einem
gewissen Punkte gelangen, wo ein vorstehender mächtiger Fels einen Flächenraum darbot,
von wo man eine Aussicht hatte,
die zwar schon in den Blick des Vogels überging,
aber sich
doch noch malerisch genug hintereinander schob.
Die Sonne,
beinahe auf ihrer höchsten Stelle, ^verlieh
die klarste Beleuchtung: das fürstliche Schloß mit seinen Teilen,
und Türmen
Hauptgebäuden, Flügeln, Kuppeln stattlich,
in die untere konnte man bequem hineinsehen,
Fernrohr
erschien gar
die obere Stadt in ihrer völligen Ausdehnung, auf
sogar
Markte
dem
die Buden
auch
ja durch das
unterscheiden.
Honorio war immer gewohnt, ein so förderliches Werkzeug über
zuschnallen- man schaute den Fluß hinauf und hinab, diesseits das bergartige, terrassenweis unterbrochene, jenseits das aufglei
tende flache und in mäßigen Hügeln
unzählige-
Land, Ortschaften
abwechselnde fruchtbare
denn es war längst herkömm
lich, über die Zahl zu streiten, wie viel man deren von hier oben gewahr werde. Über die große Weite lag eine heitere Stille, wie es am Mittag zu sein pflegt, wo die Alten sagten,
der Pan schlafe, und alle Natur halte den Atem an, um ihn
nicht aufzuwecken. „Es ist nicht das erstemal," sagte die Fürstin „daß ich
auf so hoher,
weitumschauender Stelle die Betrachtung mache,
wie doch die klare Natur so reinlich und friedlich aussieht und den Eindruck verleiht, als wenn gar nichts Widerwärtiges in der Welt sein könne.
Und
wenn man
Menschenwohnung zürückkehrt,
oder eng,
dann
wieder in die
sie sei hoch oder niedrig,
so giebts immer etwas zu kämpfen, zu streiten,
weit zu
schlichten und zurecht zu legen." Honorio, der indessen durch das Sehrohr nach der Stadt
geschaut hatte, rief:
„Seht hin!
fängt es an zu brennen."
Seht hin!
Sie sahen hin und bemerkten weni
gen Rauch; die Flamme dämpfte der Tag. weiter um sich!"
rief man,
auf dem Markte
„Das Feuer greift
immer durch die Gläser schauend-
«auch wurde das Unheil den
Fürstin bemerklich.
guten unbewaffneten Augen der
Bon Zeit zu Zeit erkannte man eine rote
.Flammenglut- der Dampf stieg empor, und Fürst Oheim sprach:
„Laßt uns zurückkehren! das ist nicht gutdas Unglück zum zweitenmal zu erleben."
kommen,
den Pferden wieder zugingen,
„Reiten Sie hinein,
-em alten Herrn:
ich fürchtete immer, Als sie,
herabge
sagte die Fürstin zu
eilig,
aber nicht ohne
^den Reitknecht! Lassen Sie mir Honorio! wir folgen sogleich."
Der Oheim fühlte das Vernünftige, ja das Notwendige dieser Worte und ritt, so eilig als der Boden erlaubte, den wüsten, steinigen Hang hinunter.
Als die Fürstin aufsaß,
sagte Honorio:
„Reiten Ew.
In der Stadt wie auf dem
Durchlaucht, ich bitte, langsam!
Schloß sind die Feueranstalten in bester Ordnung- man wird
sich durch einen so unerwartet außerordentlichen Fall nicht irre machen lassen.
Hier aber ist ein böser. Boden, kleine Steine
und kurzes Gras-
schnelles Reiten ist unsicher-
wir hineinkommen,
wird das Feuer schon nieder sein."
ohnehin,
bis Die
Fürstin glaubte nicht daran: sie sah den Rauch sich verbreiten,
sie glaubte einen aufflammenden Blitz gesehen, einen Schlag ge
hört zu haben, und nun bewegten sich in ihrer Einbildungskraft alle die Schreckbilder, welche des trefflichen Oheims wiederholte
Erzählung von dem erlebten Jahrmarktsbrande leider nur zu tief eingesenkt harte. Fürchterlich wohl war jener Fall, überraschend und ein
dringlich genug,
um zeitlebens
eine Ahnung und Vorstellung
'wiederkehrenden Unglücks ängstlich zurückzulassen, als zur Nacht zeit auf dem großen,
budenreichen Marktraum ein plötzlicher
Brand Laden auf Laden ergriffen hatte, ehe noch die in und an
diesen leichten Hütten Schlafenden aus tiefen Träumen geschüttelt wurden, der Fürst selbst, als ein ermüdet angelangter, erst ein* geschlafener Fremder, ans Fenster sprang, alles fürchterlich er leuchtet sah, Flamme nach Flamme, rechts und links sich über
springend,
ihm
entgegenzüngelte.
Dom Wiederschein gerötet,
Die Häuser des Marktes,
schienen schon zu glühen,
sich jeden Augenblick zu entzünden
drohend,
und in Flammen aufzu-
schlagen- unten wütete das Element unaufhaltsam, die Bretter prasselten, die Latten knackten, Leinwand flog auf, und ihre düstern, an den Enden flammend ausgezackten Fetzen trieben in der Höhe sich umher, als wenn die bösen Gessler, in ihrem Elemente um- und umgestultet, sich mutwillig tanzend verzehren und da und dort aus den Gluten wieder auftauchen wollten. Dann aber mit kreischendem Geheul rettete jeder, was zur Hand lag- Diener und Knechte mit den Herren bemühten fidjr von Flammen ergriffene Ballen fortzuschleppen, von dem brennenden Gestell noch einiges Wegzureißen, um es in die Kiste zu Packen, die sie denn doch zuletzt den eilenden Flammen zum Raube lassen mußten. Wie mancher wünschte nur einen Augen blick Stillstand dem heranprasselnden Feuer, nach der Möglich keit einer Besinnung sich umsehend, und er war mit aller feiner Habe schon ergriffen: an der einen Seite brannte, glühte schon, was an der anderen noch in finsterer Nacht stand. Hartnäckige Charaktere, Willensstärke Menschen widersetzten sich grimmig, dem grimmigen Feinde und retteten manches, mit Verlust ihrer Augenbrauen und Haare. Leider nun erneuerte sich vor dem schönen Geiste der Fürstin der wüste Wirrwarr: nun schien der heitere morgendliche Gesichtskreis umnebelt, ihre Augen ver düstert, Wald und Wiese hatten einen wunderbaren, bänglichen Anschein. In das friedliche Thal einreitend, seiner labenden Kühle nicht achtend, waren sie kaum einige Schritte von der lebhaften Quelle des nahen fließenden Baches herab, als die Fürstin ganz unten im Gebüsche des Wiesenthals etwas Seltsames er blickte, das sie alsobald für den Tiger erkannte: heranspringend, wie sie ihn vor kurzem gemalt gesehen, kam er entgegen, unb> dieses Bild zu den furchtbaren Bildern, die sie so eben be schäftigten, machte den wundersamsten Eindruck. „Flieht, gnä-^ dige Fraul" rief Honorio, „flieht!" Sie wandte das Pferd' um, dem steilen Berg zu, wo sie herabgekommen waren. Dev Jüngling aber, dem Untier entgegen, zog die Pistole und schoß, als er sich nahe genug glaubte; leider jedoch war gefehlt, der Tiger sprang seitwärts, das Pferd stutzte: das ergrimmte Tier
aber verfolgte seinen Weg aufwärts, unmittelbar der Fürstin
nach.
Sie
steinige
sprengte, hinan,
Strecke
was
das
Pferd vermochte,
kaum fürchtend,
die
steile,
daß ein zartes Ge
schöpf, solcher Anstrengung ungewohnt, sie nicht aushalten werde. Es übernahm sich, von der bedrängten Reiterin angeregt, stieß am kleinen Gerölle des Hanges an und wieder an und stürzte zu letzt nach heftigem Bestreben kraftlos zu Boden. Die schöne Dame,
entschlossen und gewandt, verfehlte nicht, sich strack auf ihre Füße
zu stellen,- auch das Pferd richtete sich auf, aber der Tiger nahte
schon, obgleich nicht mit heftiger Schnelle,- der ungleiche Boden, die scharfen Steine schienen seinen Antrieb zu hindern, und nur daß Honorio unmittelbar hinter ihm herflog, neben ihm gemäßigt
herauftritt, schien seine Kraft aufs neue anzuspornen und zu reizen.
Beide Renner erreichten zugleich den Ort, wo die Fürstin am Pferde stand- der Ritter beugte sich herab, schoß und traf mit der
zweiten Pistole das Ungeheuer durch den Kopf, daß es sogleich niederstürzte und ausgestreckt in seiner Länge erst recht die Macht
und Furchtbarkeit sehen ließ, von der nur noch das Körper
liche übriggeblieben da lag.
Honorio war vom Pferde gesprun
gen und kniete schon auf dem Tiere, dämpfte seine letzten Be
wegungen und hielt den gezogenen Hirschfänger in der rechten
Hand.
Der Jüngling war schön,- er war herangesprengt, wie
ihn die Fürstin oft im Lanzen- und Ringelspiele gesehen hatte: eben so traf in der Reitbahn seine Kugel im Vorbeisprengen
den Türkenkopf auf dem Pfahl gerade unter dem Turban in
die Stirne, eben so spießte er, flüchtig heransprengend, mit dem blanken Säbel das Mohrenhaupt
vom Boden
auf-
in allen
solchen Künsten war er gewandt und glücklich- hier kam beides zu statten. „Gebt ihm den Rest!"
sagte die Fürstin-
„ich fürchte,
er beschädigt Euch noch mit den Krallen." — „Verzeiht!" er widerte der Jüngling, „er ist schon tot genug, und ich mag
das Fell nicht verderben, das nächsten Winter auf Euerm Schlitten
glänzen soll." — „Frevelt
nicht!"
sagte
die Fürstin-
„alles,, was von
Frömmigkeit im tiefen Herzen wohnt, entfaltet sich in solchem
Goethe.
58 [IV]
Augenblick." — „Auch ich," rief Honoris, „war nicht frömmer als jetzt eben- deshalb aber denke ich ans Freudigste, ich blicke dieses Fell nur an, wie es Euch zur Lust begleiten kann." —
„Es würde mich immer an diesen schrecklichen Augenblick innern", versetzte sie.
er
„Ist es doch", erwiderte der Jüngling
mit glühender Wange, „ein unschuldigeres Triumphzeichen, als wenn die Waffen erschlagener Feinde vor dem Sieger her zur
Schau getragen wurden." — „Ich werde mich an Eure Kühn heit und Gewandtheit dabei erinnern und darf nicht hinzusetzen, daß Ihr auf meinen Dank und auf
lebenslänglich rechnen könnt.
Leben mehr im Tiere-
die Gnade des Fürsten
Aber steht auf!
bedenken
wir das
Schon ist kein
weitere!
vor allen
Dingen steht auf 1"
„Da ich nun einmal kniee", versetzte der Jüngling,
ich mich in einer Stellung befinde,
die
„da
mir auf jede andere
Weise untersagt wäre, so laßt mich bitten, von der Gunst, von
der Gnade, die Ihr mir zuwendet,
sichert zu werden.
in diesem Augenblick ver
Ich habe schon so oft Euern hohen Gemahl
gebeten um Urlaub und Vergünstigung
einer
weitern Reise.
Wer das Glück hat, an Eurer Tafel zu sitzen, wen Ihr beehrt, Eure Gesellschaft unterhalten zu dürfen, der muß die Welt ge sehen haben.
Reisende strömen von allen Orten her, und wenn
von einer Stadt, von einem wichtigen Punkte irgend eines Welt
teils gesprochen wird, ergeht an den Eurigen jedesmal die Frage,
ob er daselbst gewesen sei.
Niemand traut man Verstand zu,
als wer das alles gesehen hat; es ist, als wenn man sich nur
für andere zu unterrichten hätte." „Steht auf!" wiederholte die Fürstin, „Ich möchte nicht gern gegen die Überzeugung meines Gemahls irgend etwas wün schen und bitten- allein wenn ich nicht irre, so ist die Ursache,
warum er Euch bisher zurückhielt, sicht war,
bald gehoben.
Euch zum selbständigen Edelmann
Seine Ab
herangereift zu
sehen, der sich und ihm auch auswärts Ehre machte, wie bis her am Hofe- und ich dächte, Eure That wäre ein so empfehlen der Reisepaß, als ein junger Mann nur in die Welt mitnehmen kann."
Daß anstatt einer jugendlichen Freude eine gewisse Trauer
über sein Gesicht zog, hatte die Fürstin nicht Zeit zu bemerken^
noch er, seiner Empfindung Raum zu geben-
denn hastig den
Berg herauf, einen Knaben an der Hand, kam eine Frau ge radezu auf die Gruppe los,
die
wir kennen,
Honyrio sich besinnend aufgestanden, als
und kaum war
sie sich heulend und
schreiend über den Leichnam her warf und an dieser Handlung, so wie an einer obgleich reinlich anständigen, doch bunten und
seltsamen Kleidung sogleich erraten ließ,
sie sei die Meisterin
und Wärterin dieses dahin gestreckten Geschöpfes, wie denn der schwarzäugige, schwarzlockige Knabe, der eine Flöte in der Hand hielt, gleich der Mutter weinend, weniger heftig, aber tief gerührt, neben ihr kniete.
Den gewaltsamen Ausbrüchen der Leidenschaft dieses un glücklichen Weibes folgte, zwar unterbrochen stoßweise, ein Strom
von Worten, wie ein Bach sich in Absätzen von Felsen zu Felsen stürzt.
sich
Eine natürliche Sprache, kurz und abgebrochen, machte
eindringlich und
rührend-
würde man sie in
vergebens
unseren Mundarten übersetzen wollen, den ungefähren Inhalt dürften wir nicht verfehlen. Tier! ermordet ohne Not!
„Sie haben dich ermordet, armes Du warst zahm und hättest dich
gern ruhig niedergelassen und auf uns gewartet:
denn deine
Fußballen schmerzten dich, und deine Krallen hatten keine Kraft
mehr!
Die heiße Sonne fehlte dir, sie zu reifen!
Du warst
der schönste deines gleichen- wer hat je einen königlichen Tiger so herrlich ausgestreckt im Schlafe gesehn,
wie du nun hier
liegst, tot, um nicht wieder aufzustehen!
Wenn du des Mor»
gens aufwachtest beim frühen Tagschein
und den Rachen auf
sperrtest, ausstreckend die rote Zunge, so
schienst du uns zu
lächeln, und wenn schon brüllend, nahmst du doch spielend dein Futter aus den Händen einer Frau, von
Kindes!
den Fingern eines
Wie lange begleiteten wir dich auf deinen Fahrten!
wie lange war deine Gesellschaft uns wichüg und fruchtbar! Uns, uns ganz eigentlich kam die Speise von den Fressern und süße Labung von den Starken. Wehe! wehe!"
So wird es nicht mehr fchu
60 [IV]
Goethe.
Sie hatte nicht ausgeklagt, als über die mittlere Höhe des Bergs am Schlosse herab Reiter heransprengten,
die also-
bald für das Jagdgefolge des Fürsten erkannt wurden, er selbst
voran.
Sie hatten, in den hinteren Gebirgen jagend, die Brand
wolken aufsteigen sehen und durch Thäler und Schluchten, wie auf gewaltsam hetzender Jagd,
sprcngend,
stutzten
und
den geraden Weg nach diesem
Ueber die steinige Blöße einher-
traurigen Zeichen genommen.
starrten
sie,
nun
die
unerwartete
Gruppe gewahr werdend, die sich auf der leeren Fläche merk würdig auszeichnete.
Nach
dem
ersten Erkennen verstummte
man, und nach einigem Erholen ward, was der Anblick nicht
selbst ergab,
mit wenigen Worten erläutert.
Fürst vor dem
So
stand
der
seltsamen, unerhörten Ereigllis, einen Kreis
umher von Reitern und Nacheilenden zu Fuße. war man nicht, was zu thun
war der Fürst beschäftigt, als
Unschlüssig
sei,- anzuordnen, auszuführen
ein Mann
sich in
den
Kreis
drängte, groß von Gestalt, bunt und wunderlich gekleidet, wie Frau und Kind. Und nun gab die Familie zusammen Schmerz und Überraschung zu erkennen. Der Mann aber, gefaßt, stand
in ehrfurchtsvoller Entfernung vor dem Fürsten und sagte: „Es ist nicht Klagenszeit! Ach, mein Herr und mächtiger Jäger, auch der Löwe ist los! auch hier nach dem Gebirg ist er hin,- aber
schont ihn! habt Barmherzigkeit, daß er nicht umkomme wie dies gute Tier!" „Der Löwe?" sagte der Fürst,- „hast du seine Spur?^ — //Ja, Herr! ein Bauer dort unten, der sich ohne Not auf einen Baum gerettet hatte, wies mich weiter hier links hinauf,-
aber ich sah den großen Trupp Menschen und Pferde vor mir, neugierig und hilfsbedürftig, eilte ich hierher." — „Also", be
orderte der Fürst, „muß sich die Jagd auf diese Seite ziehen.
Ihr ladet eure Gewehre,- geht sachte zu Werk! es ist kein Un glück, wenn ihr ihn in
die tiefen Wälder treibt.
Ende, guter Mann, werden wir Euer Geschöpf
sönnen; warum wäret Ihr unvorsichtig genug,
Aber am
nicht schonen sie entkommen
zu lassen?" — „Das Feuer brach aus", versetzte jener; „wir hielten uns still und gespannt; es verbreitete sich schnell, aber
fern von uns-
wir hatten Wasser genug zu unserer Verteidi
gung, aber ein Pulverschlag flog auf und warf die Brände bis
an uns heran, über uns weg- wir übereilten uns und sind nun unglückliche Leute." Noch war der Fürst mit Anordnungen beschäftigt,
wirten Augenblick schien alles zu stocken,
aber
als oben vom alten
Schloß herab eilig ein Mann heranspringend gesehen ward, den
rnan bald für den angestellten Wächter erkannte, der die Werk stätte des Malers bewachte, indem er darin seine Wohnung nahm
und seine Arbeiter beaufsichtigte.
Er kam außer Atem springend,
doch hatte er bald mit wenigen Worten angezeigt, oben hinter
der Hinteren Ringmauer habe sich
der Löwe im Sonnenschein
gelagert, am Fuße einer hundertjährigen Buche, und verhalte sich ganz ruhig. Ärgerlich aber schloß der Mann: „Warum habe ich gestern meine Büchse in die Stadt getragen,
um sie
Er wäre nicht wieder aufgestanden- das
uusputzen zu lassen!
Fell wäre doch mein gewesen,
und ich hätte mich dessen,
wie
Lillig, zeitlebens gebrüstet." Der Fürst, dem seine militärischen Erfahrungen auch hier statten kamen, da er sich wohl schon in Fällen gefunden hatte, wo von mehreren Seiten unvermeidliches Übel heran
drohte, sagte hierauf: „Welche Bürgschaft gebt Ihr mir, daß, tvenn wir Eures Löwen schonen,
er nicht im Lande unter den
Meinigen Verderben anrichtet?" — „Hier diese Frau und dieses Kind," erwiderte der Vater hastig, „erbieten sich, ihn zu zähmen,
ihn ruhig zu erhalten, bis ich den beschlagenen Kasten herauf
schaffe, da wir ihn
denn unschädlich und unbeschädigt wieder
^urückbringen werden." Der Knabe schien seine Flöte
versuchen zu wollen, ein
Instrument von der Art, das man sonst die sanfte, süße Flöte
^u nennen pflegte-
sie war kurz geschnäbelt wie die Pfeifen-
wer es verstand, wußte die anmutigsten Töne daraus hervorzulocken.
Indes hatte der Fürst den Wärtel
Löwe hinaufgekommen.
gefragt,
wie der
Dieser aber versetzte: „Durch den Hohl
weg, der, auf beiden Seiten vermauert, von jeher der einzige
Zugang war und der einzige bleiben soll - zwei Fußpfade, die
noch hinaufführten, haben wir dergestalt entstellt, daß niemandals durch jenen ersten engen Anweg zu dem Zauberschlosse ge langen könne,
wozu es Fürst Friedrichs Geist und Geschmack
ausbilden will." Nach einigem Nachdenken, wobei sich der Fürst nach dem Kinde umsah, das immer sanft gleichsam zu präludieren fortge
fahren hatte, wendete er sich zu Honorio und sagte: „Du haft
heute viel geleistet- vollende das Tagwerk!
haltet eure Büchsen bereit,
Weg-
Besetze den schmalerr
aber schießt nicht eher, als
bis ihr das Geschöpf nicht sonst zurückscheuchen könnt-
allen
falls macht ein Feuer an, vor dem er sich fürchtet, wenn er herunter will. Mann und Frau möge für das übrige stehen."
Eilig schickte Honorio sich an, die Befehle zu vollführen^ Das Kind verfolgte seine Melodie, die keine war, eine Tonfolge ohne Gesetz und vielleicht eben deswegen so herzergreifend- die
Umstehenden schienen wie bezaubert von der Bewegung einer
liederartigen Weise, als der Vater mit anständigem Enthusias mus zu reden anfing und fortfuhr:
„Gott hat dem Fürsten Weisheit gegeben und zugleich die
Erkenntnis, daß alle Gotteswerke weise sind, jedes nach feiner Art.
Seht den Felsen,
wie er fest steht und sich nicht rührt^.
der Witterung trotzt und
dem Sonnenschein!
Uralte Bäume
zieren sein Haupt, und so gekrönt schaut er weit umher- stürzt
aber ein Teil herunter, so will es nicht bleiben, was es war,
es fällt zertrümmert in viele Stücke und bedeckt die Seite des Hanges.
Aber auch da wollen sie nicht verharren-
springen sie tief hinab,
trägt er sie.
der Bach nimmt sie auf,
mutwillig, zum Flusse
Nicht widerstehend, nicht widerspenstig, eckig, nein,
glatt und abgerundet gewinnen sie schneller ihren Weg unb>
gelangen von Fluß zu Fluß, endlich zum Ozean, wo die Riesen, in Scharen daherziehen und in der Tiefe die Zwerge wimmeln.
Doch wer preist den Ruhm des Herrn, den die Sterne loben
von Ewigkeit zu Ewigkeit? umher?
Warum seht ihr aber im Fernen
Betrachtet hier die Biene! noch spät im Herbst sammelt
sie emsig und baut sich ein Haus, Meister und Geselle.
winkel- und wagerecht,
Schaut die Ameise da!
als-
sie kennt ihren
Weg und verliert ihn nicht-
sie baut sich eine Wohnung aus
Grashalmen, Erdbröslein und Kiefernadeln, sie baut es in die
Höhe und wölbet es zu- aber sie hat umsonst gearbeitet, denn das Pferd stampft und scharrt alles auseinander.
Seht hin!
es zertritt ihre Balken und zerstreut ihre Planken, ungeduldig schnaubt es und kann nicht rasten- denn der Herr hat das Roß zum Gesellen
Sturms,
des Windes gemacht und
daß es den Mann dahintrage,
die Frau, wohin sie begehrt.
zum Gefährten des wohin er will,
und
Aber im Palmenwalde trat er
auf, der Löwe- ernsten Schrittes durchzog er die Wüste- dort herrscht er über alles Getier, und nichts widersteht ihm.
Doch
der Mensch weiß ihn zu zähmen, und das grausamste der Ge schöpfe hat Ehrfurcht vor dem Ebenbilde Gottes, wornach auch
die Engel gemacht
Dienern.
sind,
die
dem Herrn dienen und seinen
Denn in der Löwengrube scheute sich Daniel nicht;
er blieb fest und getrost,
und das wilde Brüllen unterbrach
nicht seinen frommen Gesang."
Diese mit dem Ausdruck eines natürlichen Enthusiasmus gehaltene Rede begleitete das Kind hie und da mit anmutigen Tönen- als aber der Vater geendigt hatte, fing es mit reiner
Kehle, heller Stimme und geschickten Läufen zu intonieren an,
worauf der Vater die Flöte ergriff, im Einklang sich hören ließ, das Kind aber sang: „Aus den Gruben, hier im Graben Hör ich des Propheten SangEngel schweben, ihn zu laben, Wäre da dem Guten bang? Löw und Löwin hin und wieder Schmiegen sich um ihn heranJa, die sanften, frommen Lieder Habens ihnen angethan!"
Der Vater fuhr fort, die Strophe mit der Flöte zu begleiten,
die Mutter trat hie und da als zweite Stimme mit ein.
Ein
dringlich aber ganz besonders war, daß das Kind die Zeilen der Strophe nunmehr zu anderer Ordnung durch
einander schob
und dadurch wo nicht einen neuen Sinn hervorbrachte, doch das Gefühl in und durch sich selbst aufregend erhöhte. Hessel, Lesebuch IV. Prosa.
5
64 [IV]
Gvethe.
„Engel schweben auf und nieder. Uns in Tönen zu erlaben: Welch ein himmlischer Gesang! In den Gruben, in dem Graben, Wäre da dem Kinde bang? Diese sanften, frommen Lieder Lassen Unglück nicht heran: Engel schweben hin und wieder, Und so ist es schon gethan!^
Hierauf mit Kraft und Erhebung begannen alle drei: „Denn der Ewge herrscht auf Erden, Über Meere herrscht sein Blick:
Löwen sollen Lämmer werden, Und die Welle schwankt zurück! Blankes Schwert erstarrt im HiebeGlaub und Hoffnung sind erfüllt; Wunderthätig ist die Liebe, Die sich im Geber enthüllt.^
Alles war still, hörte, horchte/ und nur erst als die Töne verhallten, konme man den Eindruck bemerken und allenfalls beobachten.
gerührt.
Alles war wie beschwichtigt, jeder in seiner Art
Der Fürst,
als wenn er erst jetzt das Unheil über
sähe, das ihn vor kurzem bedroht hatte, blickte nieder auf seine Gemahlin, die, an ihn gelehnt, sich nicht versagte, das gestickte
Tüchlein hervorzuziehen und die Augen damit zu
bedecken:
es
that ihr wohl, die jugendliche Brust von dem Drucke erleichtert
zu fühlen, mit dem hatten.
die
vorhergehenden Minuten sie belastet
Eine vollkommene Stille beherrschte die Menge- man
schien die Gefahren vergessen zu haben, unten den Brand und
von oben das Erstehen eines bedenklich ruhenden Löwen. Durch einen Wink, die Pferde näher herbeizuführen, brachte
der Fürst zuerst wieder in die Gruppe Bewegung- dann wen dete er sich zu dem Weibe und sagte:
Ihr den entsprungenen Löwen,
wo
„Ihr glaubt
Ihr ihn
also, daß
antrefft,
durch
Euren Gesang, durch den Gesang dieses Kindes mit Hilfe dieser
Flötentöne beschwichtigen und ihn sodann unschädlich so wie un beschädigt in seinen Verschluß wieder zurückbringen könntet?" Sie bejahten es, versichernd und beteuernd- der Kastellan wurde
ihnen als Wegweiser zugegeben.
Nun entfernte der Fürst mit
wenigen sich eiligst/ die Fürstin folgte langsamer mit dem übri gen Gefolge/ Mutter aber und Sohn stiegen, von dem Wärtel,
der sich eines Gewehrs bemächtigt hatte, geleitet, steiler gegen
den Berg hinan. Vor dem Eintritt in den Hohlweg,
der den Zugang zu
Lem Schloß eröffnete, fanden sie die Jäger beschäftigt, dürres
Reisig zu häufen,
anzünden könnten.
damit sie
auf jeden Fall ein großes Feuer
„Es ist nicht not", sagte
die Frau, „es
wird ohne das alles in Güte geschehen."
auf einem Mauerstücke sitzend, erblickten sie
Weiterhin,
Honorio, seine Doppelbüchse in den Schoß
gelegt, auf einem
Posten, als wie zu jedem Ereignis gefaßt.
Aber die Heran
kommenden schien er kaum zu bemerken/
er saß wie in tiefen
Gedanken versunken, er sah umher, wie zerstreut.
Die Frau
sprach ihn an mit-der Bitte, das Feuer nicht anzünden zu lassen/ er schien jedoch ihrer Rede wenig Aufmerksamkeit zu schenken/
sie redete lebhaft fort und rief:
„Schöner junger Mann, du
Schone meinen
hast meinen Tiger erschlagen/ ich fluche dir nicht.
Löwen, guter junger Mannl ich segne dich."
Honorio
schaute
gerade vor sich hin, dorthin, wo
Sonne auf ihrer Bahn sich zu
„Du
senken begann.
die
schaust
nach Abend", rief die Frau, „du thust wohl daran/ dort giebts viel zu thun.
Eile nur,
säume nicht! du wirst überwinden.
Aber zuerst überwinde dich selbst!"
Hierauf schien er zu lächeln,
die Frau stieg weiter, konnte sich
aber nicht
enthalten, nach
dem Zurückbleibenden nochmals umzublicken/ eine rötliche Sonne überschien sein Gesicht, sie glaubte nie einen schönern Jüngling
gesehen zu haben.
„Wenn Euer Kind", sagte nunmehr der Wärtel, „flötend
und singend, wie Ihr überzeugt seid, den Löwen anlocken und beruhigen kann, so werden wir uns
desselben sehr leicht be-
meistern, da sich das gewaltige Tier ganz nahe an die durch brochenen
Gewölbe hingelagert hat,
durch
die wir, da
das
Hauptthor verschüttet ist, einen Eingang in den Schloßhof ge wonnen haben.
Lockt ihn
das Kind hinein,
so
kann ich die
Öffnung mit leichter Mühe schließen, und der Knabe, wenn es ihm gut deucht, durch eine der kleinen Wendeltreppen, die er
in der Ecke sieht, dem Tiere entschlüpfen.
Wir wollen uns
verbergen, aber ich werde mich so stellen, daß meine Kugel jeden Augenblick dem Kinde zu Hilse kommen fann."-------- „Die Um
stände sind alle nicht nötig.
Gott und Kunst, Frömmigkeit nni>
Glück müssen das Beste thun." „Es sei!" versetzte der Wärtel, „aber ich kenne meine
Erft führe ich Euch durch einen beschwerlichen Stieg,
Pflichten.
auf das Gemäuer hinauf, gerade dem Eingang gegenüber, den ich erwähnt habe- das Kind mag hinabsteigen, gleichsam in die
Arena des Schauspiels, und das besänftigte Tier dort herein locken."
Das geschah: Wärtel und Mutter sahen versteckt von
oben herab, wie das Kind die Wendeltreppen hinunter in dem klaren Hofraum sich zeigte und in der düstern Öffnung gegen
über verschwand, aber sogleich seinen Flötenton hören ließ, der sich nach und nach verlor und endlich verstummte.
Die Pause
war ahnungsvoll genug; den alten mit Gefahr bekannten Jäger beengte der seltene menschliche Fall.
Er sagte sich, daß er
lieber persönlich dem gefährlichen Tiere entgegenginge; die Mutter
jedoch, mit heiterm Gesicht übergebogen horchend, ließ nicht die mindeste Unruhe merken.
Endlich hörte man die Flöte wieder, das Kind trat aus der Höhle hervor mit glänzend befriedigten Augen,
der Löwe
hinter ihm drein, aber langsam und, wie es schien, mit einiger Beschwerde.
Er zeigte hie
und da Luft,
sich niederzulegen,
doch der Knabe führte ihn im Halbkreise durch die wenig ent blätterten, buntbelaubten Säume,
bis er sich endlich in
letzten Strahlen
sie
der Sonne,
die
durch
den
eine Ruinenlücke
hereinsandte, wie verklärt niedersetzte und sein beschwichtigendes
Lied abermals begann, dessen Wiederholung wir uns auch nicht entziehen können: „Aus den Gruben, hier im Graben Hör ich des Propheten Sang: Engel schweben, ihn zu laben; Wäre da dem Guten bang? Löw und Löwin hin und wieder
Schmiegen sich um ihn heran Ja, die sanften frommen Lieder Habens ihnen angethan!" Indessen hatte sich der Löwe ganz knapp an das Kind
hingelegt und ihm die schwere rechte Vordertatze auf den Schoß
die der Knabe, fortsingend,
gehoben,
gar bald bemerkte, daß
ein
scharfer
Sorgfältig
anmutig streichelte, aber
Dornzweig zwischen die
die
Ballen
eingestochen
Spitze
hervor, nahm lächelnd sein buntseidenes Halstuch vom
Nacken und verband
war.
zog
er
verletzende
die greuliche Tatze des Untiers,
so daß
die Mutter sich vor Freuden mit ausgestreckten Armen zurück
zog und vielleicht angewohnter Weise Beifall gerufen und ge klatscht hätte, wäre sie nicht durch einen derben Faustgriff des
Wärtels erinnert worden, daß die Gefahr nicht vorüber sei. Glorreich sang das Kind weiter, nachdem es mit wenigen
Tönen vorgespielt hatte: „Denn der Ewge herrscht auf Erden, Über Meere herrscht sein Blick: Löwen sollen Lämmer werden, Und die Welle schwankt zurückBlankes Schwert erstarrt im Hiebe; Glaub und Hoffnung sind erfülltWunderthätig ist die Liebe, Die sich im Gebet enthüllt." Ist es möglich zu denken, daß man in den Zügen eines jo
grimmigen
Despoten
Geschöpfes,
des
Tyrannen
der
Wälder,
des
des Tierreiches, einen Ausdruck von Freundlichkeit,
von dankbarer Zufriedenheit habe spüren können, so geschah es
hier: und wirklich sah das Kind in seiner Verklärung aus wie ein mächtiger, siegreicher Überwinder, jener zwar nicht wie der Überwundene — denn seine Kraft blieb in ihm verborgen —
aber doch wie der Gezähmte, wie der dem eigenen friedlichen Willen Anheimgegebene.
Das Kind flötete und sang so weiter,
nach seiner Art die Zeilen verschränkend und neue hinzufügend: „Und so geht mit guten Kindern So beschwören, fest zu bannen Seiger Engel gern zu Rat, Lieben Sohn ans zarte Änte, Ihn, des Waldes Hochtyrannen, Böses Wollen zu verhindern, Zu befördern schöne That. Frommer Sinn und Melodie."
Elisabeth Goethe.
68 [IV]
Elisabeth Goethe
(1731—1808).
16. Briefe an ihren Sohn «nd die Seinen. I. An Goethe t« Rom.
Frankfurt, den 17. November 1786.
Lieber Sohn.
Eine Erscheinung aus der Unterwelt hätte
mich nicht mehr in Verwunderung setzen können, als Dein Brief
aus Rom.
Jubilieren hätte ich vor Freude mögen, daß
der
Wunsch, der von frühester Jugend an in Deiner Seele lag, nun in Erfüllung gegangen ist.
Einen Menschen, wie Du bist, mit
Deinen Kenntnissen, mit Deinem großen Blick vor alles, waK
gut, groß und schön ist, der so ein Adlerauge hat,
muß so
eine Reise auf sein ganzes übriges Leben vergnügt und glück
lich machen, und nicht allein Dich, sondern alle, die das Glück haben, in Deinem Wirkungskreis zu leben. Ewig werten mir die Worte der seligen Klettenbergern im Gedächtnis bleiben:
„Wenn dein Wolfgang nach Mainz reiset, bringt er mehr Kennt nisse mit als andere, die von Paris oder London zurückkommen.^ Aber sehen hätte ich Dich mögen beim ersten Anblick der Peters
kirche.
Doch Du versprichsts ja, mich in der Rückreise zu be
suchen, das mußt Du mir alles haarklein erzählen. fähr vier Wochen schrieb Fritz
von Stein,
Vor unge
er wäre Deinet
wegen in großer Verlegenheit, kein Biensch, selbst der Herzog nicht,
tvüßten,
wo Du wärest,
Böhmen u. s. w.
jedermann glaubte Dich in
Dein mir so sehr lieber und interessanter
Brief vom 4. November kam Mittwochs den 15. dito Abends um 6 Uhr bei mir an. — Denen Bethmännern habe ich ihren Brief auf so eine drollige Weise in die Hände gespielt, daß sie gewiß auf mich nicht raten.
Bon meinem innern und äußern Befinden folgt hier ein genauer und treuer Abdruck: Mein Leben fließt still dahin wie ein klarer Bach.
Unruhe und Gelümmelt war von jeher meine
Sache nicht, und ich danke der Vorsehung vor meine Tage. Tausend würde so ein Leben zu eintönig vorkommen, mir nicht!
so ruhig mein Körper ist, so thätig ist das, was in mir denket — da kann ich so einen ganzen geschlagenen Tag
zubringen, erstaune, daß es Abend ist,
ganz allein
und bin vergnügt wie
eine Göttin, und mehr als vergnügt und zufrieden sein braucht
Das Neueste von Deinen alten
man wohl in dieser Welt nicht.
Bekannten ist, daß Papa la Roche nicht mehr in Speier ist, sondern sich ein Haus in Offenbach gekauft hat und sein Leben
allda zu beschließen gedenket.
Deine übrigen Freunde sind alle
noch, die sie waren, keiner hat so Riesenschritte wie Du gemacht. Wir waren aber auch immer die Lakaien, sagte einmal der ver
storbene Max Mohrs.
Wenn du herkommst, so müssen
diese
Menschenkinder alle eingeladen und herrlich traktiert werden: Wildbrets, Braten, Geflügel, wie Sand am Meer — es • soll eben pompos hergehen.
Lieber Sohn,
da fällt mir nun ein
unterthäniger Zweifel ein, ob dieser Brief wohl in Deine Hände kommen möchte:
ich weiß nicht,
wo du in Rom wohnest, Du
bist halb inkognito, wie du schreibest. Du wirst doch, ehe Du kommst, noch
Wollen das Beste hoffen.
etwas von Dir hören
lassen, so glaube ich, jede Postschäße brächte mir meinen einzig Geliebten — und betrogene Hoffnung ist meine Sache gar nicht.
Lebewohl, Bester!
Und gedenke öfters an Deine treue Mutter
Elisabethe Goethe. II. Über lateinische Lettern.
(Aus Briefen an Christiane und an ihren Sohn). Den 12. März 1798.
Nun ein Wort über unser Gespräch bei Deinem Hiersein über die lateinischen Lettern — den Schaden, den sie der Mensch heit thun, will ich Dir ganz handgreiflich darthun.
Sie sind
wie ein Lustgarten, der Aristokraten gehört, wo niemand als Noblesse — und Leute mit Stern und Bändern hineindürfen —
unsere deutschen Buchstaben sind wie der Prater in Wien, wo
der Kaiser Joseph drüber schreiben ließ: Für alle Menschen. — Wären Deine Schriften mit den fatalen Aristokraten gedruckt, so allgemein wären sie bei all ihrer Vortrefflichkeit nicht ge
worden — Schneider — Näherinnen — Mägde — alles liest es
Elisabeth Goethe.
70 [IV]
— jedes findet etwas, das so ganz für sein Gefühl paßt —
genug, sie gehen mit der Litteraturzeitung, Doktor Hufnagel,
u. a. m. pele mele im Prater spazieren, ergötzen sich, segnen den Autor und taffen ihn hoch leben!!!
Was hat Hufeland übel
gethan, fein vortreffliches Buch mit den vor die größte Menschen-
hälfte unbrauchbaren Lettern drucken zu lassen — sollen denn nur Leute von Stand aufgeklärt werden? soll denn der Ge
ringere von allem Guten ausgeschlossen sein? und das wird er, wenn dieser neumodischen Fratze nicht Einhalt gethan wird.
Von Dir, mein lieber Sohn, hoffe ich, daß ich nie ein solches menschenfeindliches Produkt zu sehen bekomme.
Den 25. Dezember 1807.
Seine Eugenie, das ist ein Meisterstück — aber die Groß mutter hat aufs neue die lateinischen Lettern und den kleinen
Druck zum Adrachmelech gewünscht,- er lasse ja nichts mehr so in die Welt ausgehn! — halte fest an deutschem Sinn —
deutschen Buchstaben,' denn wenn das Ding so fortgeht, so wird in 50 Jahren kein Deutsch mehr weder geredet noch geschrieben
— und Du und Schiller, Ihr seid hernach klassische Schrift
steller, wie Horaz, Livius, Ovid, und wie sie alle heißen; denn wo keine Sprache mehr ist, da ist auch kein Volk — was werden alsdann die Professoren Euch zergliedern — auslegen — und der Jugend einbleuen — darum, so lang es geht: deutsch, deutsch
geredet, geschrieben und gedruckt! III. A« Christiane.
Den 23. September 1797.
Liebe Freundin! Zwei-,
ja dreifachen Dank bin ich Ihnen schuldig:
vor
die Huflandischen Bücher — vor die außerordentlichen schönen und wohlgeratnen
Strümpfe,
die mir
wie
angegossen
sind
und mich diesen Winter vor der Kälte wohl beschützen sollen — und endlich,
daß Sie mir doch ein klein Fünkchen Licht von
meinem Sohn angezündet haben/ vermutlich wissen Sie also,
Gestern waren es vier Wochen, daß er von hier
wo er ist.
und ich habe noch keine Zeile von ihm gesehen.
weggereist ist,
die nach seiner Abreise bei mir eingelaufen sind,
Die Briefe,
liegen ruhig auf meinem Tisch, da ich nickt weiß, wo er ist —
und ich sie also unmöglich ihm nachsckicken kann. Da ich von Ihnen, liebe Freundin,
höre,
daß er wohl
und vergnügt ist, so bin ich ruhig und will alles andre ge abwarten.
duldig brillant:
Unsere Messe
ist diesmal
außerordentlich
königliche Bräute, zukünftige Kurfürstinnen, Prinzen,
dito Prinzessinnen, Grafen, Barone mit und ohne Stern u. s. w. Es ist ein Fahren, Reiten, Gehen durcheinander, das spaßhaft anzuschauen ist.
Mittlerweile wir nun hier gaffen, klaffen und
ein wahres Schlaraffenleben führen,
sind Sie,
meine Liebe,
arbeitsam, sorgsam, wirtschaftlich, damit, wenn der Hätschelhans zurückkommt,
er Kammern und Speicher angefüllt von allem
Guten vorfinden wird.
Nehmen Sie auch dafür meinen besten
Dank, denn ein wirtschaftliches Weib ist das
edelste Geschenk
da das Gegenteil alles zerrüttet und
vor einen Biedermann,
Unglück und Jammer über die ganze Familie verbreitet. Sie bei Gott
denen Ihnen
und
Menschen
beiwohnenden
Bleiben
edlen Grundsätzen,
werden Wohlgefallen
und
haben,
an Ihnen
auch wird die Ernte die Mühe reichlich belohnen.. Grüßen Sie den lieben Augst und danken ihm durch einen Kuß vor seinen lieben Brief! . Gott erhalte ihn zu unser aller Freude gesund und lasse ihn in die Fußstapfen seines Vaters treten!
Amen.
Behalten Sie mich indessen in gutem, liebevollem Andenken, und
seien Sie versichert,
daß ich bis ans Ende meiner Tage sein
werde dero treue Mutter und Freundin Goethe.
Den 5ten November 1797. Liebe Freundin, hier kommen die Kastanien, ich wünsche,
daß sie wohl schmecken und ebenso bekommen mögen, es giebt dieses Jahr nicht viele, sie halten immer gleichen Schritt mit dem Wein, wenn der nicht im Überfluß gerät, so geraten sie auch nicht.
Jetzt wünsche ich nur, daß mein Sohn sie mit ver
zehren helfen möchte.
—
Sollten Sie wohl glauben,
daß ich
noch bis auf den heutigen Tag keine Silbe von ihm gesehen
habe?
weiß nicht, in welcher Himmelsgegend er sich befindet,
weiß eben nichts, platterdings gar nichts, das ist doch wirklich Wenn ich gefragt werde,
kurios.
wo er ist,
so sage ich:
in
der Schweiz — weiter weiß ich keine Antwort zu geben —
müssen es eben abwarten — endlich wird das Inkognito doch ein Ende nehmen,
und wir werden erfahren,
wo er eigentlich Wir, meine liebe
ist, was er treibt, und wenn er zurückkommt.
Freundin, leben jetzt in großem Jubel, weil es, Gott sei Dank, endlich Friede geworden ist und wir keine Kriegsunruhen mehr
zu befürchten haben!
Unser rechtes Gaudium geht freilich erst
an, wenn das Reich auch dabei ist, und das kann noch diesen Winter über dauern, bis alles ins Reine gebracht ist — aber Furcht und Angst ist
im Geiste
das
doch verschwunden,
Friedensfest feiern,
und
ich
höre schon
sehe
schon
alle Glocken
läuten — potz Fischen! Was wollen wir da Vivat rufen! Sie
wissen, meine Liebe, wie nahe ich an der Hauptwache wohne, da wird der werte Friede ausgetrompetet und ausgepaukt — das wird ein Leben sein!!! Mittlerweile werden wir doch auch
etwas von meinem Sohn erfahren — das giebt dann noch eine
große Freude, die letzte gebe uns Gott je eher, je lieber, Amen. Haben Sie
die Güte, Ihrem Herrn Bruder recht
schön
zu
danken für die zwei vortrefflichen Taschenbücher, die sind in-
und äußerlich ganz herrlich — das eine wird nur zur Parade alle Sonntage und Festtage gebraucht — das ist so schön, daß es
nur die besten Freunde
von
mir in
die Hände
nehmen
dürfen — und der Inhalt hat außerordentliche Wirkung ge
macht,
jedermann findet es ganz vortrefflich — unser Senior
Doktor Hufnagel hat ein Brautpaar mit den Worten,
womit
Hermann und Dorothea eingesegnet worden, zusammengegeben und dabei gesagt,
eine bessere Kopulationsrede wüßte er nicht.
Ich hoffe, sein langes Stillschweigen bringt uns wieder so etwas
Gutes, womit wir freudig überrascht werden sollen.
Leben Sie
wohl, grüßen und küssen den lieben Augst — und sagen ihm,
daß der Christtag im Anmarsch ist, nicht ermangeln würde,
und daß die Großmutter
ihr gethanes Versprechen
zu
halten!
[IV] 73
Elisabeth Goethe.
daß ich für jetzt und immer bin
Übrigens sein Sie versichert,
Ihre wahre Freundin und Mutter Goethe. IV. An ihren Enkel August Goethe.
Den 21 ten Juli 1798.
Lieber Augst! So oste ich ein so schön und deutlich geschriebenes Heft
von Dir erhalte, so freue ich mich, daß Du so geschickt bist, die Dinge so ordentlich und anschaulich vorzutragen, auch schäme ich mich nicht, zu bekennen, daß Du mehr von diesen Sachen, die
von so großem Nutzen sind, weißt, als die Großmutter.
ich so gerne schriebe wie Du,
Wenn
so könnte ich Dir erzählen, wie
elend die Kinder zu der Zeit meiner Jugend erzogen wurden-
Danke Du Gott und Deinen lieben Eltern,
die Dich
alles
Nützliche und Schöne so gründlich sehen und beurteilen lernen, daß andere,
die dieses Glück der Erziehung nicht haben,
im
30. Jahre noch alles vor Unwissenheit anstaunen, wie die Kuh
ein neues Thor.
Nun ist es aber auch Deine Pflicht, Deinen
lieben Eltern recht gehorsam zu sein und ihnen vor die viele Mühe, die sie sich geben, Deinen Verstand zu bilden, recht viele,
viele Freude zu machen, auch den lieben Gott zu bitten, Vater und Mutter gesund zu erhalten, damit sie Dich zu allem Guten ferner anführen können.
Ja, lieber Augst!
Ich weiß
aus
Erfahrung, was das heißt, Freude an seinem Kinde erleben —
Dein lieber Vater hat mir nie, nie Kummer oder Verdruß
verursacht — drum hat ihn auch der liebe Gott gesegnet, daß
er über viele,
viele empor gekommen
ist und hat ihm einen
großen und ausgebreiteten Ruhm gemacht,
allen rechtschaffenen Leuten hochgeschätzt.
und er wird von
Da nimm ein Exempel
und Muster dran, denn so einen Vater haben und nicht alles anwenden, auch brav zu werden, das läßt sich von so einem
lieben Sohn nicht denken,
wieder so
wie mein-Augst ist.
interessante Nachrichten
gesammelt haft,
Wenn Du so
schicke
sie mir. — Ich bin und bleibe Deine treue und gute Groß
mutter Goethe.
V. An ihre Enkelin Luise NieoloviuS.
(Glückwunschbrief zur Geburt ihres Urenkels, Johann Georg Eduard Nicolovius.) Den 5. April 1796.
Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge thut — ja wohl, an Euch, an mir, an uns
allen hat er sich aufs neue als den manifestiert, der freundlich
ist und dessen Güte ewiglich währet — gelobet sei sein heiliger
Name, Amen! Lieben Kinder! Gott segne Euch in Eurem neuen Stand!
Der Vater- und Muttername
ist
ehrwürdig —
o
was vor Freuden warten Eurer! und glückliches Knäblein, die
Erziehung solcher vortrefflichen Eltern und Großeltern zu ge nießen — wie sorgfältig wirst Du, mein kleiner Liebling, nach
Leib und Seele gepflegt werden! wie frühe wird guter Same in Dein junges Herz gesät werden — wie bald alles, was das schöne Ebenbild Gottes,
was Du an Dir trägst,
verunzieren
könnte, ausgerottet sein — Du wirst zunehmen an Alter, Weis heit und Gnade bei Gott und
den Menschen!
Die Urgroß
mutter kann zu allem diesem Guten nichts beitragen, die Ent
fernung ist zu groß.
Sei froh, lieber Johann Georg Eduard,
die Urgroßmutter kann keine Kinder erziehen,
schickt sich
gar
nicht dazu — thut ihnen allen Willen, wenn sie lachen und
freundlich sind, und prügelt sie, Mäuler machen,
wann sie greinen oder schiefe
ohne auf den Grund zu gehen,
warum sie
lachen, warum sie greinen — aber lieb will ich Dich haben, mich herzlich Deiner freuen, Deiner vor Gott oste und viel gedenken, Dir meinen urgroßmütterlichen Segen geben, ja, das kann, das
werde ich. — Nun habe ich dem jungen Weltbürger deutlich ge sagt, was er von -mir zu erwarten hat, jetzt mit Euch, meinen lieben großen Kindern, noch ein paar Wörter
-
Meinen besten Dank vor Eure mir so liebe und
teure
Briefe — sie thun meinem Herzen immer wohl und machen wich überaus glücklich — besonders die Nachricht, daß das Päck chen wohl angekommen wäre, denn darüber hatte ich große Be sorgnis, machte mich sehr froh — denn denkt nur!! wenn der
Urgroßmutter ihr Machwerk,
worüber die gute Matrone so
manchen lieben langen Tag gesessen und geklöppelt hat, verloren gegangen oder zu spät gekommen,
wäre
das wäre mir gar
kein Spaß gewesen.
Der kleine Junge hat mir den Kopf vor lauter Freude so verrückt, daß die eigentliche Gratulation,
die doch nach der
ordentlichen Ordnung zu Anfang stehen sollte, jetzt hintennach kommt — bedeutet aber ebensoviel und geht ebenso
Herzen.
aus dem
Gott lasse Euch Freude und Wonne in großem Maß
an Eurem Kindlein erleben! es sei Eure Stütze auch in Eurem Alter! es sei Euch das, was Ihr Euren Eltern und der Groß
mutter seid! das ist der beste Wunsch, besser weiß ich keinen. — Liebe Frau Gevatterin!
(der Titel macht mir großen Spaß),
wenn dieses zu Ihren Händen kommt, da ist Sie wieder frisch und flink, aber höre Sie,
sei Sies nicht gar zu sehr — gehe
Sie nicht zu früh in die Aprilluft, denn der hat seine Nöcken, wie die alte Gertraud im Wandsbecker Boten.
Bleibe Sie hübsch
in Ihrem Kämmerlein, bis der Mai kommt, damit kein Katarrh
und Husten Sie beschweren möge — nun, ich hoffe, Sie wird guten
Rat ännehmen. Nun, lieber Herr.Gevatter! Tausend Dank noch mals vor alle Eure Liebe
—
vor Eure schönen Briefe,
der
Luise ihre mit cingeschlossen, vor die gute, herzerfreuende Nach
richt, vor die Gevatterschaft, vor alles Liebes und Gutes, wo mit Ihr schon so manchmal mein Herz erfreut habt — Gott lohne Euch dafür!
Behaltet mich lieb!
Ihr lebt und schwebt
in dem Herzen derjenigen, die ist und bleibt Eure treue GroßGoethe.
und Urgroßmutter
N. S.
Der vortrefflichen Frau Gräfin von Stolberg,
wie nicht minder der lieben Tante Jacobi meinen besten Dank vor
ihre Liebe und Freundschaft
segne sie davor!
gegen meine Luise — Gott
Der Scharlot habe ich
sogleich den Brief
überschickt — Himmel! was wird die vor Freude greinen! Das ist ein herzgutes, aber kurioses Geschöpf: die greint bei Freude,
die greint bei Leide, wenns regnet und wenn die Sonne scheint, verdirbt ihre Augen ganz ohne Not und macht dem Urenkelein
keine Spitzen!
Friedrich von Schiller ' i ;r>u- \wb> 17. Das Schaffen des Dichieis (1*^84) Ein Dichter nehme sich ja in acht,
Sowie der Dichter selbst blon leiden
den Schmerz zu besingen.
der Teil ist, muß seine Empfindung identischen Allgemeinheit
mitten im Schmerz
zu einer
unausbleiblich non
ihrer
iniDollfontmencn Individua
Aus der sanftem und sernenden Erinnerung
lität cherabsinken.
mag er dichten, und dann desto besser für ihn, je mehr er an sich erfahren hat, was er besingt, aber ja niemals unter der gegenwärtigen Herrschaft des Affekts,
sinnlichen soll.
den er uns schön ver
Selbst in Gedichten, von denen man zu sagen
pflegt, daß die Liebe, die Freundschaft u. s. w. selbst dem Dichter
den Pinsel dabei geführt habe, hatte er damit anfangen müssen, sich
selbst fremd
zu werden, den Gegenstand
rung von seiner Individualität los schaft aus einer mildernden Ferne
zu
seiner Begeiste
wickeln, seine Leiden Das Ideal-
anzuschauen.
schöne wird schlechterdings nur durch eine Freiheit des Geistes, durch eine Selbstthätigkeit möglich, welche die Übermacht der
Leidenschaft aufhebt.
18. Aus Schillers Briefen au Goethe. I. Schiller an Goethe über sich selbst. Jena, den 31. August 1794.
Unsere späte, aber mir manche schöne Hoffnung erweckende
Bekanntschaft ist mir abermals ein Beweis, wieviel besser man oft thut, den Zufall machen zu lassen, als ihm durch zu viele Wie lebhaft auch immer mein Ver
Geschäftigkeit vorzugreifen.
langen war, in ein näheres Verhältnis zu Ihnen zu treten,
als zwischen dem Geist des Schriftstellers und seinem aufmerk samsten Leser möglich ist,
so
begreife
ich
doch
nunmehr voll
kommen, daß die so sehr verschiedenen Bahnen, auf denen Sie und ich wandelten,
mit Nutzen hoffen,
uns nicht wohl früher,
zusarnmenführen
daß wir,
konnten.
als gerade jetzt,
Nun
kann ich
aber
so viel von dem Wege noch übrig fein mag,
Friedrich von Schiller ' i ;r>u- \wb> 17. Das Schaffen des Dichieis (1*^84) Ein Dichter nehme sich ja in acht,
Sowie der Dichter selbst blon leiden
den Schmerz zu besingen.
der Teil ist, muß seine Empfindung identischen Allgemeinheit
mitten im Schmerz
zu einer
unausbleiblich non
ihrer
iniDollfontmencn Individua
Aus der sanftem und sernenden Erinnerung
lität cherabsinken.
mag er dichten, und dann desto besser für ihn, je mehr er an sich erfahren hat, was er besingt, aber ja niemals unter der gegenwärtigen Herrschaft des Affekts,
sinnlichen soll.
den er uns schön ver
Selbst in Gedichten, von denen man zu sagen
pflegt, daß die Liebe, die Freundschaft u. s. w. selbst dem Dichter
den Pinsel dabei geführt habe, hatte er damit anfangen müssen, sich
selbst fremd
zu werden, den Gegenstand
rung von seiner Individualität los schaft aus einer mildernden Ferne
zu
seiner Begeiste
wickeln, seine Leiden Das Ideal-
anzuschauen.
schöne wird schlechterdings nur durch eine Freiheit des Geistes, durch eine Selbstthätigkeit möglich, welche die Übermacht der
Leidenschaft aufhebt.
18. Aus Schillers Briefen au Goethe. I. Schiller an Goethe über sich selbst. Jena, den 31. August 1794.
Unsere späte, aber mir manche schöne Hoffnung erweckende
Bekanntschaft ist mir abermals ein Beweis, wieviel besser man oft thut, den Zufall machen zu lassen, als ihm durch zu viele Wie lebhaft auch immer mein Ver
Geschäftigkeit vorzugreifen.
langen war, in ein näheres Verhältnis zu Ihnen zu treten,
als zwischen dem Geist des Schriftstellers und seinem aufmerk samsten Leser möglich ist,
so
begreife
ich
doch
nunmehr voll
kommen, daß die so sehr verschiedenen Bahnen, auf denen Sie und ich wandelten,
mit Nutzen hoffen,
uns nicht wohl früher,
zusarnmenführen
daß wir,
konnten.
als gerade jetzt,
Nun
kann ich
aber
so viel von dem Wege noch übrig fein mag,
in Gemeinschaft durchwandeln werden, und mit um so größerm
Gewinn,
da die letzten Gefährten auf einer langen Reise sich
immer am meisten zu sagen haben.
Erwarten Sie bei mir keinen großen materialen Reich tum an Ideen,-
dies ist es,
was ich bei Ihnen finden werde.
Mein Bedürfnis und Streben ist, aus wenigem viel zu machen,
und wenn Sie meine Armut an allem, Kenntnis nennt,
vielleicht,
gen sein.
was
man erworbene
näher kennen sollten,
einmal
so finden Sie
daß es mir in manchen Stücken damit mag gelun Weil mein Gedankenkreis kleiner ist,
so durchlaufe
ich ihn eben darum schneller und öfter und kann eben darum
meine kleine Barschaft besser nutzen und eine Mannigfaltigkeit,
die dem Inhalte fehlt,
durch die Form erzeugen.
Sie haben
ein Königreich zu regieren, ich nur eine etwas zahlreiche Familie
von Begriffen,
die ich herzlich gern zu einer kleinen Welt er
weitern möchte. II. Schiller an Goethe über seinen körperlichen Zustand.
Jena, den 7. September 1794. Mit Freuden
nehme
ich Ihre
gütige Einladung
nach
Weimar an, doch mit der ernstlichen Bitte, daß Sie in keinem einzigen Stück Ihrer
mögen, den
häuslichen Ordnung
auf
mich
rechnen
denn leider nötigen mich meine Krämpfe gewöhnlich, dem Schlaf zu
ganzen Morgen
widmen,
weil
sie
mir
des Nachts keine Ruhe lassen, und überhaupt wird es mir nie so gut,
auch den Tag über auf eine bestimmte Stunde sicher
zählen zu dürfen.
Sie werden
mir also
erlauben,
mich in
Ihrem Hause als einen völlig Fremden zu betrachten, auf den
nicht geachtet wird,
und dadurch,
daß ich mich ganz isoliere,
der Verlegenheit zu entgehen, jemand anders von meinem Be finden abhängen zu lassen. Menschen wohl macht,
Die Ordnung, die jedem andern
ist mein gefährlichster Feind,
denn ich
darf nur in einer bestimmten Zeit etwas Bestimmtes vornehmen
müssen,
so bin ich sicher,
daß es mir nicht möglich sein wird.
19t Aus Schillers Briefen an Körner. I. Über Wallenstein. Jena, den 21. März 1796.
In meinen Arbeiten, wo ich seit Neujahr zu keiner Ent
scheidung kommen konnte, bin ich nun endlich ernstlich bestimmt und zwar für den Wallenstein.
Seit etlichen Tagen habe ich
meine Papiere vor, weil ich doch schon manches, den Plan be treffend, darüber notiert, und ich gehe mit großer Freude und ziemlich vielem
Mute
diese neue Art
an
von Leben.
Von
meiner alten Art und Kunst kann ich freilich wenig dabei brau
Soviel weiß
sein, um es damit zu wagen.
gutem ich
schon weit
aber ich hoffe in der neuen nun
chen-
Wege,
von
mir
und
erreiche
fordere,
ich
auch
erreiche
so
diesem Fache sonst geleistet
habe.
das
ich
ich, ich
genug
zu
bin
auf
nicht,
lange
doch mehr,
was
als ich in
Eine große Freude wird
mirs sein, mit Dir darüber zu reden- denn wenn Du kommst,
hoffe ich in dem Plan schon wichtige Fortschritte
gemacht zu
haben.
Jena, 28. November 1796. Ich brüte noch immer ernstlich
über dem Wallenstein,
aber noch immer liegt das unglückselige Werk endlos vor mir da.
formlos und
Du mußt aber nicht denken, als ob ich
meine dramatische Fähigkeit, so weit ich sie mag besessen haben,
überlebt hätte- nein, ich bin bloß deswegen unbefriedigt, weil
meine Begriffe von der Sache und
meine Anforderungen an
mich selbst jetzt bestimmter und klarer und die letzteren strenger
sind.
Keins meiner alten Stücke hat soviel Zweck und Form,
als der Wallenstein jetzt schon hat- aber ich weiß jetzt zu ge nau, was ich will und was ich soll, als daß ich mir das Ge schäft so leicht machen könnte. . Der Stoff ist, ich darf wohl sagen, im höchsten Grade
ungeschmeidig für einen solchen Zweck; was ihn davon ausschließen
Staatsaktion und hat,
sollte.
in Rücksicht
Es
er hat beinahe alles, ist
im
Grund
eine
auf den poetischen Ge
brauch, alle Unarten an sich, die eine poetische Handlung nur
kann:
haben
abstraktes Objekt,
ein unsichtbares
kleine und
viele Mittel, zerstreute Handlungen, einen furchtsamen Schritt,
eine für den Vorteil des Poeten viel zu kalte, trockene Zweck mäßigkeit, ohne doch diese bis zur Vollendung und dadurch zu einer poetischen Größe zu treibens denn am Ende mißlingt der Die Base, worauf
Entwurf doch nur durch Ungeschicklichkeit.
Wallenstein seine Unternehmung gründet, ist die Armee, mit
hin für mich eine unendliche Fläche, die ich nicht vors Auge
und nur mit unsäglicher Kunst vor die Phantasie bringen kann. Ich kann also das Objekt, worauf er ruht, nicht zeigen und ebenso wenig das, wodurch er fällt:
Stimmung der Armee,
der
Hof,
der
das ist ebenfalls die Kaiser.
— Auch die
er bewegt wird, Rachsucht und
Leidenschaften selbst, wodurch
Ehrbegierde, sind von der kältesten Gattung.
Sein Charakter
endlich ist niemals edel und darf es nie sein, und durchaus
kann er nur furchtbar,' nie eigentlich groß erscheinen.
Um ihn
nicht zu erdrücken, darf ich ihm nichts Großes gegenüberstellen, .er hält mich dadurch notwendig nieder.
Mit einem Wort, es
ist mir fast alles abgeschnitten, wodurch ich diesem Stoffe nach
meiner gewohnten Art beikommen könnte, von dem Inhalte
habe ich fast nichts zu erwarten,
alles muß durch eine glück
liche Form bewerkstelligt werden, und
nur durch eine kunst
reiche Führung der Handlung kann ich ihn zu einer schönen Tragödie machen . . .
stein in Prosa
ziemlich
Arbeit
Humboldt meint, ich solle den Wallen
schreibeneinerlei, ob
mir ich
ist
in Rücksicht
es
Jamben
auf
die
oder Prosa mache.
Durch die ersten würde er mehr poetische Würde, durch die
Prosa
mehr
Ungezwungenheit
erhalten.
Da ich
im strengen Sinne für die theatralische Vorstellung so
wird es
wohl
beffer gethan sein,
ihn
aber
bestimme,
Humboldts» hierin zu
folgen.
Jena, 20. November 1797.
Ich habe in diesem Monat durch Nichtschlafen wieder viele Zeit verloren- welches mir doppelt leid war, weil ich mit dem Wallenstein recht im Train war.
Es ist nun entschiedm, daß
ich ihn in Jamben mache- ich begreife kaum, wie ich es je an»
Hessel, Lesebuch IV. Prosa.
6
Schiller.
80 [IV]
ders habe wollen können, es ist unmöglich, ein Gedicht in Prosa zu schreiben.
Alles, was ich schon gemacht, muß anders werden
und ist es zum Teil schon.
Es hat in der neuen Gestalt ein
ganz anderes Ansehen und ist jetzt erst eine Tragödie zu nennen. Dein S.
Lebewohl für heute
II. Über die Braut von Messina und Wilhelm Tell.
Weimar, 9. September 1802. Ich arbeite jetzt mit ziemlichen Ernst an einer Tragödie,
deren Sujet Du aus meiner Erzählung kennst.
Es sind die
feindlichen Brüder oder, wie ich es taufen werde, die Braut von Messina. Über dem langen Hin- und Herschwanken von einem Stoffe zum andern habe ich zuerst nach diesem gegriffen
und zwar aus dreierlei Gründen: 1) war ich damit in Absicht auf den Plan, der sehr einfach ist, am weitesten- 2) bedurfte ich eines gewissen Stachels von Neuheit in' der Form und
einer
solchen Form, die einen Schritt näher zur antiken Tragödie wäre,
welches hier der Fall ist- denn das Stück läßt sich wirklich zu
einer äschyleischen Tragödie an- 3) mußte ich etwas wählen, was nicht de longue haleine ist,
weil ich
nach
der langen Pause
notwendig bedarf, wieder etwas fertig vor mir zu sehen.
Ich
muß auf jeden Fall am Ende des Jahres damit zu stände sein, weil es Ende Januars zum Geburtstag unserer Herzogin aufge
führt zu werden bestimmt ist.
Alsdann geht es hurtig an den
Warbeck, wozu der Plan jetzt auch viel weiter gerückt ist, und unmittelbar nach diesem an den Wilhelm Tell- denn dies ist das Stück, von dem ich Dir einmal schrieb, daß es mich lebhaft anziehe.
Du hast vielleicht schon im vorigen Jahre davon reden
hören, daß ich einen Wilhelm Tell bearbeite-
denn selbst vor
meiner Dresdner Reise wurde deshalb aus Berlin und Hamburg bei mir angefragt.
Es war mir niemals in den Sinn gekommen.
Weil aber die Nachfrage nach diesem Stück immer wiederholt wurde, so wurde ich aufmerksam daraus und fing an, Tschudis schweizerische Geschichte zu studieren.
Nun ging mir ein Licht
auf- denn dieser Schriftsteller hat einen so treuherzigen, herodotischen, ja, fast homerischen Geist, daß er einen poetisch zu stim-
men imstande ist. — Ob nun gleich der Tell einer dramatischen
Behandlung nichts weniger als günstig scheint, da die Handlung
Lem Ort und der Zeit nach ganz zerstreut auseinander liegt, da sie großenteils eine Staatsaktion ist und, das Märchen mit
Lem Hut und Apfel ausgenommen, der Darstellung widerstrebt, so habe ich doch bis jetzt soviel Poetische Operationen damit vor
genommen, daß sie aus dem Historischen heraus und ins Poe tische eingetreten ist. Übrigens brauche ich Dir nicht zu sagen, daß es eine verteufelte Aufgabe ist-
denn
wenn ich auch von
nllen Erwartungen, die das Publikum und das Zeitalter gerade zu diesem Stoffe mitbringt, wie billig abstrahiere, so bleibt mir doch eine sehr hohe poetische Forderung zu erfüllen, weil hier
ein ganzes, lokalbedingtes Volk, ein ganzes und entferntes Zeit
alter und, was die Hauptsache ist, ein ganz örtliches, ja beinahe individuelles und einziges Phänomen mit dem Charakter der
.höchsten Notwendigkeit und Wahrheit bracht werden.
soll zur Anschauung ge
Indes stehen schon die Säulen des Gebäudes
;fcft, und ich hoffe, einen soliden Bau zustande zu bringen.
20. Aus einem Briese Schillers an seine Braut. Freitag Abends.
(8. Jannar 1790.)
Die Zweifel, die Du Dir aufwirfst, meine Liebe, ob Du
mir auch wirklich das seist, was Du wünschest, enthalten einen
stillen Vorwurf gegen mich, ob ich gleich weiß, keinen machen wolltest.
daß Du mir
Diese Zweifel hättest Du nicht, wenn
meine Liebe für Dich einen lebhafteren Ausdruck gehabt hätte, wenn ich mehr Worte dafür gehabt hätte, was Du meinem Herzen bist.
Aber diese Zweifel werden bei Dir aufhören, wenn Du
mich ganz kennst, wenn Du mit meinem Wesen vertraut genug
geworden bist, um zu wissen, in welche Sprache sich meine Em
pfindungen kleiden.
Auch meine Liebe ist still, wie mein ganzes
übriges Wesen — nicht aus einzelnen, raschen Aufwallungen, aus dem ganzen Zusammenklang meines Lebens wirst Du sie
kennen lernen.
Es wird
noch
ein schönes Studium für uns
beide geben, bis wir einander abgelernt haben, welche Saite am
men imstande ist. — Ob nun gleich der Tell einer dramatischen
Behandlung nichts weniger als günstig scheint, da die Handlung
Lem Ort und der Zeit nach ganz zerstreut auseinander liegt, da sie großenteils eine Staatsaktion ist und, das Märchen mit
Lem Hut und Apfel ausgenommen, der Darstellung widerstrebt, so habe ich doch bis jetzt soviel Poetische Operationen damit vor
genommen, daß sie aus dem Historischen heraus und ins Poe tische eingetreten ist. Übrigens brauche ich Dir nicht zu sagen, daß es eine verteufelte Aufgabe ist-
denn
wenn ich auch von
nllen Erwartungen, die das Publikum und das Zeitalter gerade zu diesem Stoffe mitbringt, wie billig abstrahiere, so bleibt mir doch eine sehr hohe poetische Forderung zu erfüllen, weil hier
ein ganzes, lokalbedingtes Volk, ein ganzes und entferntes Zeit
alter und, was die Hauptsache ist, ein ganz örtliches, ja beinahe individuelles und einziges Phänomen mit dem Charakter der
.höchsten Notwendigkeit und Wahrheit bracht werden.
soll zur Anschauung ge
Indes stehen schon die Säulen des Gebäudes
;fcft, und ich hoffe, einen soliden Bau zustande zu bringen.
20. Aus einem Briese Schillers an seine Braut. Freitag Abends.
(8. Jannar 1790.)
Die Zweifel, die Du Dir aufwirfst, meine Liebe, ob Du
mir auch wirklich das seist, was Du wünschest, enthalten einen
stillen Vorwurf gegen mich, ob ich gleich weiß, keinen machen wolltest.
daß Du mir
Diese Zweifel hättest Du nicht, wenn
meine Liebe für Dich einen lebhafteren Ausdruck gehabt hätte, wenn ich mehr Worte dafür gehabt hätte, was Du meinem Herzen bist.
Aber diese Zweifel werden bei Dir aufhören, wenn Du
mich ganz kennst, wenn Du mit meinem Wesen vertraut genug
geworden bist, um zu wissen, in welche Sprache sich meine Em
pfindungen kleiden.
Auch meine Liebe ist still, wie mein ganzes
übriges Wesen — nicht aus einzelnen, raschen Aufwallungen, aus dem ganzen Zusammenklang meines Lebens wirst Du sie
kennen lernen.
Es wird
noch
ein schönes Studium für uns
beide geben, bis wir einander abgelernt haben, welche Saite am
82 [IV]
Schiller.
W. v. Humboldt.
willigsten und am wohlklingendsten tönt, bis jedes von uns die
zarten Stellen im Herzen oder in der Laune des andern kennte durch die man sich am gefälligsten berührt und
fehl geht.
am wenigsten
Ich sehe voraus, meine Liebe, daß wir noch allerlei
Erfahrungen über einander machen werden, die eine schöne Be schäftigung für uns versprechen.
Schon allein dieses, daß jedes
von uns da seine Wünsche anknüpft, wo das andere reich ist, dieses zu lernen ist keine so leichte Kunst, aber sie belohnt augen blicklich und unaussprechlich.
Ich könnte Dich auf allerlei Eigenheiten in mir vorbereiten, aber lieber will ich sie von Dir selbst
finden lassen.
Deine
Blicke in meine Seele müssen Dein eigen sein,- was Du selbst entdeckst, wirst Du desto glücklicher und desto feiner anwenden. Irre Dich nicht an den seltsamen Gestalten meiner Seele, die oft in schnellen Übergängen wechseln. Sie haben mit unsrer
Liebe nichts zu thun.
Diese schnelle Beweglichkeit meiner Seele
ist eine Eigenheit in mir,
wöhnen mußt.
daran Du Dich nach und nach ge
Wie freue ich mich der Zukunft, die uns alles
dieses mit einem sanften Lichte unvermerkt aufhellen wird.
Heute ist Dein Brief an meine Mutter fortgegangen.
Es wird ein glücklicher Augenblick für sie sein, wenn sie ihn erhält.
Wilhelm von Humboldt
(1767—1835).
21. Schillers Charakterbild. Was jedem Beobachter an Schiller am meisten als bezeich
nend auffallen mußte,-war, daß in einem höherem Sinn, als
vielleicht je bei einem andern, der Gedanke das Element seines Lebens war.
Anhaltend selbstthätige Beschäftigung des Geistes
verließ ihn fast nie und wich nur den heftigeren Anfällen seines körperlichen Übels. Sie schien ihm Erholung, nicht Anstrengung. Dies zeigte sich au« meisten im Gespräch, für das Schiller ganz eigentlich wie geboren schien.
Er suchte nie nach einem bedeu
tenden Stoff der Unterredung, er überließ es mehr dem Zufall,
82 [IV]
Schiller.
W. v. Humboldt.
willigsten und am wohlklingendsten tönt, bis jedes von uns die
zarten Stellen im Herzen oder in der Laune des andern kennte durch die man sich am gefälligsten berührt und
fehl geht.
am wenigsten
Ich sehe voraus, meine Liebe, daß wir noch allerlei
Erfahrungen über einander machen werden, die eine schöne Be schäftigung für uns versprechen.
Schon allein dieses, daß jedes
von uns da seine Wünsche anknüpft, wo das andere reich ist, dieses zu lernen ist keine so leichte Kunst, aber sie belohnt augen blicklich und unaussprechlich.
Ich könnte Dich auf allerlei Eigenheiten in mir vorbereiten, aber lieber will ich sie von Dir selbst
finden lassen.
Deine
Blicke in meine Seele müssen Dein eigen sein,- was Du selbst entdeckst, wirst Du desto glücklicher und desto feiner anwenden. Irre Dich nicht an den seltsamen Gestalten meiner Seele, die oft in schnellen Übergängen wechseln. Sie haben mit unsrer
Liebe nichts zu thun.
Diese schnelle Beweglichkeit meiner Seele
ist eine Eigenheit in mir,
wöhnen mußt.
daran Du Dich nach und nach ge
Wie freue ich mich der Zukunft, die uns alles
dieses mit einem sanften Lichte unvermerkt aufhellen wird.
Heute ist Dein Brief an meine Mutter fortgegangen.
Es wird ein glücklicher Augenblick für sie sein, wenn sie ihn erhält.
Wilhelm von Humboldt
(1767—1835).
21. Schillers Charakterbild. Was jedem Beobachter an Schiller am meisten als bezeich
nend auffallen mußte,-war, daß in einem höherem Sinn, als
vielleicht je bei einem andern, der Gedanke das Element seines Lebens war.
Anhaltend selbstthätige Beschäftigung des Geistes
verließ ihn fast nie und wich nur den heftigeren Anfällen seines körperlichen Übels. Sie schien ihm Erholung, nicht Anstrengung. Dies zeigte sich au« meisten im Gespräch, für das Schiller ganz eigentlich wie geboren schien.
Er suchte nie nach einem bedeu
tenden Stoff der Unterredung, er überließ es mehr dem Zufall,
den Gegenstand herbeizuführen, aber von jedem aus leitete er das
Gespräch zu einem allgemeinen Gesichtspunkt, und man sah sich nach wenigen Zwischenreden in den Mittelpunkt einer den Geist anregenden Diskussion versetzt.
Er behandelte den Gedanken
immer als ein gemeinschaftlich zu gewinnendes Resultat, schien immer des Mitredenden zll bedürfen, wenn dieser sich auch bewußt blieb, die Idee allein von ihm zu empfangen, und ließ ihn nie müßig werden.
Hierin unterschied sich sein Gespräch am meisten
von dem Herderschen.
Nie vielleicht hat ein Mann schöner ge
sprochen als Herder, wenn man, was bei Berührung irgend einer leicht bei ihm anklingenden Seite nicht schwer war, ihn in auf gelegter Stimmung antraf.
Alle seltenen Eigenschaften dieses
mit Recht bewunderten Mannes schienen, so geeignet waren sie für dasselbe, im Gespräch ihre Kraft zu verdoppeln.
Der Ge
danke verband sich mit dem Ausdruck, mit der Anmut und Würde, die, da sie in Wahrheit allein der Person angehören, nur vom Gegenstände herzukommen scheinen.
So floß die Rede ununter
brochen hin in der Klarheit, die doch noch dem eignen Erahnen
übrig läßt, und in dem Helldunkel, das doch nicht hindert, den
Gedanken bestimmt zu erkennen.
Aber wenn die Materie erschöpft
war, so ging man zu einer neuen über.
Man förderte nichts
durch Einwendungen, man hätte eher gehindert.
Man hatte ge
hört, man konnte nun selbst reben, aber man vermißte die Wechsel thätigkeit des Gesprächs. Schiller sprach nicht eigentlich schön. Aber sein Geist strebte
immer in Schärfe und Bestimmtheit einem neuen geistigen Ge winne
zu, er beherrschte dies Streben und schwebte in voll
kommener Freiheit über seinem Gegenstände.
Daher benutzte
er in leichter Heiterkeit jede sich darbietende Nebenbeziehung, und daher war sein Gespräch so reich an den Worten, die das Ge
präge glücklicher Geburten des Augenblicks an sich tragen.
Die
Freiheit that aber dem Gange der Untersuchung keinen Abbruch. Schiller hielt immer den Faden fest,
führen mußte,
der zu ihrem Endpunkt
und wenn die Unterredung
Zufall gestört wurde, so brach er nicht
des Zieles ab.
nicht durch einen
leicht vor Erreichung
W. v. Humboldt.
84 [IV]
im Gespräch
Sowie Schiller
immer
Denkens neuen Boden zu gewinnen suchte,
dem so
Gebiete
des
war überhaupt
seine geistige Beschäftigung immer eine von angestrengter Selbst
thätigkeit.
Auch seine Briefe zeigen dies deutlich.
sogar keine andere.
Er kannte
Bloßer Lektüre überließ er sich nur spät
abends und in seinen leider so häufig schlaflosen Nächten. Seinen
Tag nahmen seine Arbeiten ein oder bestimmte Studien für die selben, wo also der Geist durch die Arbeit und zugleich in Spannung gehalten wird.
Das
die Forschung:
bloße von keinem
andern unmittelbaren Zweck als dem des Wissens geleitete Stu dieren, das für den damit Vertrauten einen so unendlichen Reiz
hat, daß man sich verwahren muß, dadurch nicht zu sehr von be stimmterer Thätigkeit abgehalten zu werden, kannte er nicht und-
achtete es nicht genug. Nur weil er die allerdings höhere Anstrengung des Geistes^
welche selbstthätig aus ihren eigenen Tiefen schöpft, mehr schätzte^ konnte er sich weniger mit der geringeren befreunden.
Es ist
aber auch merkwürdig, aus welchem kleinen Vorrat des Stoffes Schiller eine sehr vielseitige Weltansicht gewann.
Selbst von
Deutschland hatte er nur einen Teil gesehen, nie die Schweiz^
von der sein Tell doch so lebendige Schilderungen enthält.
Wer
einmal am Rheinfall steht, wird sich beim Anblick unwillkürlich an die schöne Strophe des Tauchers erinnern, welche dies ver
wirrende Wassergewühl malt, das den Blick gleichsam fesselnd verschlingt- doch lag auch dieser keine eigene Ansicht zu Grunde.
Aber was Schiller durch eigene Ansicht gewann, das ergriff er mit einem Blick, der ihm hernach auch das anschaulich machte^ was ihm bloß fremde Schilderung zuführte.
Auf ganz ähnliche Weise eignete er sich den Geist der griechischen Dichtung an, ohne sie je anders als aus Übersetzun gen zu kennen.
Die Kraniche des Jbykus und das Sieges
fest tragen die Farbe des Altertums so rein und treu an sich^ als man es nur von irgend einem modernen Dichter erwarten
kann, und zwar auf die schönste und geistvollste Weise.
Der
Dichter hat den Sinn des Altertums in sich ausgenommen, er bewegt sich darin mit Freiheit, und so entspringt eine neue, in
allen ihren Teilen nur ihn atmende Dichtung.
Beide Stücke
stehen aber wieder in einem merkwürdigen Gegensatz gegen ein
Die Kraniche des Jbhkus erlaubten eine ganz epische
ander.
Ausführung- was den Stoff dem Dichter innerlich wert machte, war die daraus hervorspringende Idee der Gewalt künstlerischer
Darstellung über die menschliche Brust. Diese Macht der Poesie, einer unsichtbaren, bloß durch den Geist geschaffenen,
in
der
Wirklichkeit verfliegenden Kraft gehörte wesentlich in den Jdeen-
kreis, der Schiller
lebendig
beschäftigte.
Schon
acht
Jahre,
ehe er sich zur Ballade in ihm gestaltete, schwebte ihm dieser
Stoff vor, wie deutlich aus den Künstlern,
aus den Versen
hervorgeht: Vom Eumenidenchor geschrecket, Zieht sich der Mord, auch nie entdecket, Das Los des Todes aus dem Lied. Diese Idee erlaubte aber auch eine vollkommen antike Ausfüh-
führung,' das Alterum besaß alles, um sie in ihrer ganzen Rein heit und Stärke hervortreten zu lassen.
Daher ist alles in der
ganzen Erzählung unmittelbar aus ihm entnommen, besonders
das Erscheinen und der Gesang der Eumeniden.
Der äschylische
bekannte Chor ist so kunstvoll in die moderne Dichtungsform, in Reim und Silbenmaß verwebt, daß nichts hon seiner stillen
Größe aufgegeben scheint.
betrachtender Natur.
Das Sieg essest ist lyrischer und
Hier konnte und mußte der Dichter aus
der Fülle seines Busens hinzufügen, was nicht im Ideen- und
Gefühlskreise des Altertums lag.
Aber im übrigen ist alles
im Sinne der homerischen Dichtung eben so rein als im andern
Gedicht.
Das Ganze ist nur wie in einer höheren, mehr ab
gesondert gehaltenen Geistigkeit ausgeprägt, als dem alten Sän ger eigen ist, und enthält gerade dadurch seine größesten Schön
heiten.
22.
Goethes Hermann und Dorothea.
I. Wirkung des Gedichtes im Ganzen.
Die schlichte Einfachheit des geschilderten Gegenstandes und
die Größe und Tiefe der dadurch hervorgebrachten Wirkung, diese
allen ihren Teilen nur ihn atmende Dichtung.
Beide Stücke
stehen aber wieder in einem merkwürdigen Gegensatz gegen ein
Die Kraniche des Jbhkus erlaubten eine ganz epische
ander.
Ausführung- was den Stoff dem Dichter innerlich wert machte, war die daraus hervorspringende Idee der Gewalt künstlerischer
Darstellung über die menschliche Brust. Diese Macht der Poesie, einer unsichtbaren, bloß durch den Geist geschaffenen,
in
der
Wirklichkeit verfliegenden Kraft gehörte wesentlich in den Jdeen-
kreis, der Schiller
lebendig
beschäftigte.
Schon
acht
Jahre,
ehe er sich zur Ballade in ihm gestaltete, schwebte ihm dieser
Stoff vor, wie deutlich aus den Künstlern,
aus den Versen
hervorgeht: Vom Eumenidenchor geschrecket, Zieht sich der Mord, auch nie entdecket, Das Los des Todes aus dem Lied. Diese Idee erlaubte aber auch eine vollkommen antike Ausfüh-
führung,' das Alterum besaß alles, um sie in ihrer ganzen Rein heit und Stärke hervortreten zu lassen.
Daher ist alles in der
ganzen Erzählung unmittelbar aus ihm entnommen, besonders
das Erscheinen und der Gesang der Eumeniden.
Der äschylische
bekannte Chor ist so kunstvoll in die moderne Dichtungsform, in Reim und Silbenmaß verwebt, daß nichts hon seiner stillen
Größe aufgegeben scheint.
betrachtender Natur.
Das Sieg essest ist lyrischer und
Hier konnte und mußte der Dichter aus
der Fülle seines Busens hinzufügen, was nicht im Ideen- und
Gefühlskreise des Altertums lag.
Aber im übrigen ist alles
im Sinne der homerischen Dichtung eben so rein als im andern
Gedicht.
Das Ganze ist nur wie in einer höheren, mehr ab
gesondert gehaltenen Geistigkeit ausgeprägt, als dem alten Sän ger eigen ist, und enthält gerade dadurch seine größesten Schön
heiten.
22.
Goethes Hermann und Dorothea.
I. Wirkung des Gedichtes im Ganzen.
Die schlichte Einfachheit des geschilderten Gegenstandes und
die Größe und Tiefe der dadurch hervorgebrachten Wirkung, diese
86 [IV]
W. v. Humboldt.
beiden Stücke sind es, welche in Goethes Hermann und Dorothea die Bewunderung des Lesers am stärksten und unwillkürlichsten
an sich reißen. In der bloßen Schilderung einer einfachen Handlung er
kennen wir das treue und vollständige Bild der Welt und der
Menschheit. Der Dichter erzählt die Verbindung eines Sohnes
aus
einer wohlhabenden Bürgerfamilie mit einer Ausgewanderten-
er thut nichts, als die einzelnen Momente dieser Handlung, die einzelnen Teile dieses Stoffs auseinanderlegen, Umstände entwickeln,
die Reihe der
wie sie natürlich und notwendig ausein
ander entspringen- er ist nie mit etwas anderem, als mit seinem
Gegenstände beschäftigt- alle Hindernisse, durch die er den Kno
ten der Handlung schürzt, alle Mittel, durch die er chn wieder löst, sind allein aus diesem und aus den Charakteren der han
delnden Personen genommen- alles, wodurch er die Teilnahme des Lesers gewinnt, ist allein in diesem Kreise enthalten,
und
nie tritt er in seiner eignen Individualität hervor, nie schweift er in eine eigne Betrachtung oder eine eigne Empfindung aus.
Und auf welchen Standpunkt sieht sich dadurch der Leser ver setzt!
Das Leben in seinen größten und wichtigsten Verhält
nissen und der Mensch in allen bedeutenden Momenten seines Daseins stehen auf einmal vor ihm da, und er durchschaut sie
mit lebendiger Klarheit.
Was seinem Herzen das Wichtigste ist, sein Nachdenken und
seine Beobachtung am
anhaltendsten
beschäftigt,
sieht
er
mit
wenigen, aber meisterhaften Zügen in überraschender Wahrheit geschildert — den Wechsel der Alter und Zeiten, die fortschrei
tende Umällderung in Sitten und Denkungsart, die.Hauptstufen menschlicher Kultur und vor allem das Verhältnis häuslicher Bürgertugend und stillen Familienglücks zu dem Schicksal von Nationen und dem Strome außerordentlicher Ereignisse.
Indem
er nur den Begebenheiten einer einzelnen Familie zuzuhören glaubt, fühlt er seinen Geist in ernste und allgemeine Betrach
tungen versenkt,
rissen, sein
sein Herz zu wehmutsvoller Rührung hinge
ganzes Gemüt hingegen zuletzt wieder durch ein-
fache,
aber gediegene Weisheit beruhigt.
Denn
die wichtige
Frage, die sich in unsrer Zeit überall jedem aufdrängen muß: wie soll bei dem allgemeinen Wechsel,
in welchem Meinungen,
Sitten, Verfassungen und Nationen fortgerissen werden,
der
einzelne sich verhalten? findet er nicht allein in den mannich-
faltigsten Gestalten aufgeworfen,
sondern auch so beantwortet,
daß die Antwort ihm mit der Belehrung zugleich Kraft zum Handeln und Mut zum Ausharren in die Seele haucht.
II. Inhalt des siebente» und achten Gesanges. Bis hierher hat der Dichter seine Hauptwirkung nur vor
bereitet- jetzt heben erst seine höchsten und glänzendsten Momente
an, jetzt auch kann erst Dorotheens Gestalt in dem ganzen Reiz ihrer Schönheit erscheinen. Dieser Punkt ist durch ein vollkommen neues und treff
liches Gleichnis auf eine bedeutende Weise bezeichnet.
Wie der
Wanderer das Bild der sinkenden Sonne noch nach ihrem Ver
schwinden vor seinen Augen schweben sieht, so sieht Hermann das Bild seiner Geliebten,
und wie er sich umdreht,
steht sie
selbst vor ihm da. Diese so natürliche und doch so grenzende Erscheinung
höhere,
versetzt den Leser auf einmal in
mehr phantastische Stimmung,
des Gedichtes,
nahe ans Wunderbare eine
die nun bis ans Ende
nur immer steigend und wechselnd,
fortdauert.
So wie er hier ihr Scheinbild und ihre wahre Gestalt dicht
nebeneinander erblickt,
so wird sie ihm nun immerfort bald in
der ruhigen Besonnenheit,
in
der thätigen Gewandtheit,
heiter und glücklich durchs Leben führt,
die
bald in der schwärme
rischen Größe, in der hohen Begeisterung gezeigt, die über das
Leben hinausgeht.
Der Ton,
den der Dichter jetzt,
da er noch reiner und
stärker als bisher auf die bloße Phantasie einwirken will, erst anstimmt, ist der der Heiterkeit und Anmut.
er sie leicht und künstlerisch bewegt, wenn er zuletzt kühner in
zu
Dadurch erhält
dadurch macht er,
daß,
die Saiten seiner Leier eingreift,
vollere und mächtigere Akkorde anschlägt,
sein Lied doch nur
W. v. Humboldt.
88 [IV]
immer ein schönes Spiel der Kunst bleibt,
nie zur drückenden
Wahrheit wird.
Am Brunnen sehen wir das liebende Paar- auf der Mauer
des Quells sitzend, sehen sie sich im Spiegel des Wassers und grüßen sich dreister und freundlicher in diesem Bilde,
wirklichen Blicke es wagen.
in
dieser Schilderung!
sammenkunft
am
Welche
Brunnen
als ihre
Welche Wahrheit und Lieblichkeit
ruft
schöne Bilder
aus
jener
diese Zu
patriarchalischen Zeit
zurück, wo Fürstentöchter selbst Wasser zu schöpfen kamen und
der Bund der Liebe und Ehe oft am rieselnden Quell geschlossen
wurde!
In diesem Ton ist auch die ganze Unterredung gehalten.
Vorzüglich erscheint immer das Mädchen leicht,
gewandt
und
besonnen,' sie kommt dem Jüngling immer gefällig und freundlich
zuvor;
aber wo er,
schwer und gepreßt ist,
dessen Herz immer von seinen Gefühlen seine Empfindungen reden lassen will,
da schneidet sie ihm immer, und immer natürlich und gerade, ohne künstlich auszuweichen,
auf eine kurze,
heitere und ver
ständige Weise den Weg dazu ab.
Haben wir Dorotheen bisher rüstig und thätig, mutvoll und entschlossen, lieblich und heiter gesehn, so tritt sie nun groß und
erhuben auf.
Nicht daß der Dichter ihrem Bilde gerade neue
Züge hinzufügte:
aber er weiß unsrer Einbildungskraft einen
andren Schwung zu geben.
Der Tag neigt sich zum Abends
die Sonne geht unter, Gewitterwolken hängen drohend
Himmel herab, und wie die Natur um sie her,
vom
werden auch
die Gefühle der beiden Liebenden düstrer und schwerer.
Hier
wachsen ihre Gestalten vor unsern Augen von Schritt zu Schritt, ein schöner Moment,
eine große
und malerische Schilderung
folgt auf die andere: erst, wie sie, entgegen der sinkenden Sonne, durch das hohe, wankende Korn gehn,' dann, wie sie, unter dem
Baume sitzend, unter welchem Hermann am Morgen noch um seine Vertriebene geweint hatte, auf die Wohnung seiner Eltern, auf das Fenster am Giebel hinabschauen,' endlich, wie sie, aus
gleitend auf den Stufen des Weinbergs, ihm auf die Schulter
sinkt und er mit dem Arme die Fallende emporhält.
Jede dieser
Schilderungen ist über allen Ausdruck dichterisch, und in allen
zusammen lebt eine so echt darstellende Kunst, daß sie den Gegen
stand nicht
allein in allen
seinen Umrissen,
immer in der Größe und Farbe malen,
sondern zugleich
welche
die Stimme
der Einbildungskraft in dem jedesmaligen Augenblick fordert.
Alle drei sind von den herrlichsten Naturbeschreibungen begleitet,erst strahlt noch
die Sonne hier und
da
aus
dem Wolken
schleier, in den sie verhüllt ist, hervor und wirft mit glühenden Blicken eine ahnungsvolle Beleuchtung über das Feld,' dann in
dem Augenblick, wo sie ruhig unter dem Birnbaum sitzen, es Nacht,
ist
aber der Mond glänzt voll vom Himmel herunter,
und in Massen geschieden, liegen Lichter, hell wie der Tag, und
Schatten dunkeler Nächte- endlich überblickt auch dieser sie nur noch mit schwankenden Lichtern und läßt sie zuletzt,
vom Ge
witter umhüllt, in völligem Dunkel.
In diesem letzten Moment, wo die Gefühle der beiden Liebenden, die überhaupt im Menschen so gern und leicht die Farbe
des Tags
und
der Natur
annehmen, "den
Gipfel erreicht haben, Hermann mit
äußersten
qualvoller Ungeduld der
Entscheidung seines Schicksals und der Auflösung der Verwirrung, die er angerichtet, entgegensieht, Dorothea durch die Stille der
Natur um sie her und das freundliche Gespräch mit dem Jüng
ling, den sie liebt,
ihre
sehnsuchtsvollsten Hoffnungen
belebt
fühlt, kommt alles zugleich zusammen, auch das Gemüt des Lesers aufs höchste zu spannen und in seinem Innersten zu be
wegen.
Man sieht nicht mehr Hermann und Dorothea allein,
man erblickt in ihnen die männliche und weibliche Größe selbst,
in ihren vollsten Gefühlen von den höchsten Kräften gehalten. 23.
Aus den Briesen an eine Freundin. I. Über das Lernen von Gedichten.
Tegel, 7. April 1833.
Sie
klagen
aber einiges aus.
im
ganzen
über Ihr Gedächtnis,
nehmen
Mehr können wenige von sich sagen.
Das
Gedächtnis ist nach Gegenständen verteilt, und in niemand ist es für alle gleich gut.
Das angenehmste ist ein leichtes Ge-
zusammen lebt eine so echt darstellende Kunst, daß sie den Gegen
stand nicht
allein in allen
seinen Umrissen,
immer in der Größe und Farbe malen,
sondern zugleich
welche
die Stimme
der Einbildungskraft in dem jedesmaligen Augenblick fordert.
Alle drei sind von den herrlichsten Naturbeschreibungen begleitet,erst strahlt noch
die Sonne hier und
da
aus
dem Wolken
schleier, in den sie verhüllt ist, hervor und wirft mit glühenden Blicken eine ahnungsvolle Beleuchtung über das Feld,' dann in
dem Augenblick, wo sie ruhig unter dem Birnbaum sitzen, es Nacht,
ist
aber der Mond glänzt voll vom Himmel herunter,
und in Massen geschieden, liegen Lichter, hell wie der Tag, und
Schatten dunkeler Nächte- endlich überblickt auch dieser sie nur noch mit schwankenden Lichtern und läßt sie zuletzt,
vom Ge
witter umhüllt, in völligem Dunkel.
In diesem letzten Moment, wo die Gefühle der beiden Liebenden, die überhaupt im Menschen so gern und leicht die Farbe
des Tags
und
der Natur
annehmen, "den
Gipfel erreicht haben, Hermann mit
äußersten
qualvoller Ungeduld der
Entscheidung seines Schicksals und der Auflösung der Verwirrung, die er angerichtet, entgegensieht, Dorothea durch die Stille der
Natur um sie her und das freundliche Gespräch mit dem Jüng
ling, den sie liebt,
ihre
sehnsuchtsvollsten Hoffnungen
belebt
fühlt, kommt alles zugleich zusammen, auch das Gemüt des Lesers aufs höchste zu spannen und in seinem Innersten zu be
wegen.
Man sieht nicht mehr Hermann und Dorothea allein,
man erblickt in ihnen die männliche und weibliche Größe selbst,
in ihren vollsten Gefühlen von den höchsten Kräften gehalten. 23.
Aus den Briesen an eine Freundin. I. Über das Lernen von Gedichten.
Tegel, 7. April 1833.
Sie
klagen
aber einiges aus.
im
ganzen
über Ihr Gedächtnis,
nehmen
Mehr können wenige von sich sagen.
Das
Gedächtnis ist nach Gegenständen verteilt, und in niemand ist es für alle gleich gut.
Das angenehmste ist ein leichtes Ge-
90 [IV]
W. v. Humboldt.
dächtnis für Gedichte.
Ist das mit wahrem Geschmack in der
Auswahl und mit Talent im Hersagen verbunden^ so giebt es
keine andere das Leben gleich verschönende Gabe.
Zum guten
Hersagen gehört aber unendlich viel: zuerst freilich nur Dinge, die jede gute Erziehung jedem geben kann, richtiges Verstehen
des Sinnes, eine gute, deutliche, von Provinzialfehlern freie Aussprache,-
aber dann freilich Dinge,
welche nur angeboren
schon in sich seelenvolles Organ,
ein
feiner musikalischer Sinn für den Fall des Silbenmaßes,
ein
wahrhaft dichterisches Gefühl und hauptsächlich ein Gemüt,
in
werden:
ein glückliches,
dem alle menschlichen Empfindungen rein und stark wiederklingen.
Der Genuß,
den
ein
solches Wiedergeben
wahrhaft
Gedichte gewährt, ist in der That ein unendlicher.
schöner
Er ist mir
oft und int höchsten Grade geworden, und ich rechne das zu
den
schönsten Stunden
des
Lebens.
Aber
auch
das
eigene
Auswendiglernen und Auswendigwissen von Gedichten oder von
Stellen aus Gedichten verschönert das einsame Leben und erhebt oft in bedeutenden Momenten.
Ich trage mich von Jugend an
mit Stellen aus dem Homer, aus Goethe und Schiller, die mir
in jedem wichtigen Augenblicke wiederkehren und mich auch in den
letzten des Lebens nicht verlassen werden.
Besseres thun,
Denn man kann nichts
als mit einem großen Gedanken hinübergehen.
II. Herrschaft des Geistes über körperliche Zustande.
Burgörner, 6. September 1825.
Es ist eine schöne Eigenschaft im Menschen und ein ihm von dem Schöpfer ausschließlich vor den übrigen Erdengeschöpfen
eingeräumter Vorzug,
daß er immer fühlt,
daß er durch den
Gedanken und durch den Entschluß jeden körperlichen Einfluß,
wie stark er sein möge, hemmen und beherrschen kann.
Es sagt
dem Menschen eine innere Stimme, daß er frei und unabhängig ist, sie rechnet ihm das Gute und das Böse an; und aus der
Beurteilung seiner selbst, die immer stärker und strenger sein
muß als die anderer, muß man jene ganz körperlichen Einflüsse völlig hinweglassen. Gelingt
es
dem Geist,
die Krankheit oder Kränklichkeit
W. v. Humboldt.
[IV] 91
A. b. Humboldt.
ganz aus sich zu entfernen und bloß in den Körper zu bannen, so ist unendlich viel gewonnen, und so erträgt sich danach körper liches Übel mit Fassung und wirklicher, nicht scheinbarer Ruhe
und erträgt sich nicht bloß, sondern hat sehr oft auch noch etwas die Seele schön und sanft Reinigendes. Ich selbst bin zwar mehrere Male und ein paar Mal
sehr gefährlich krank gewesen, aber an dauernder Kränklichkeit,
eigentlich schwacher Konstitution habe ich nie gelitten.
Ich bin
aber oft mit Personen umgegangen, Männern und Frauen, in denen dieser Zustand der tägliche war,
und die nicht einmal
irgend wahrscheinliche Hoffnung hatten, sich je anders als durch
Zu diesen Menschen gehörte Schiller
den Tod herauszuwickeln.
vorzüglich.
Er litt sehr,
eingetroffen
ist, daß
litt dauernd und wußte,
diese
wie auch
beständigen Leiden nach und nach
seinen Tod herbeiführen würden.
Bon ihm aber konnte man
wirklich sagen, daß er die Krankheit in dem Körper verschlossen hielt.
Denn zu welcher Stunde man zu ihm kommen, wie man
ihn antreffen mochte,
so war sein Geist ruhig und heiter und
aufgelegt zu freundschaftlicher Mitteilung und interessantem und
selbst tiefem Gespräch.
Er pflegte sogar wohl zu sagen,
daß
man bester bei einem gewissen, doch freilich nicht zu angreifen den Übel arbeite, und ich habe ihn in solchen wirklich sehr un erfreulichen Zuständen Gedichte und prosaische Aufsätze machend
gefunden, denen man diesen Ursprung gewiß nicht ansah.
Alexander von Humboldt (1769—1859). 24. Aus den Ansichten der Natur. I. Tierlebeu in den Steppen Südamerikas.
Wenn unter dem senkrechten Strahl der nie bewölkten Sonne die verkohlte Grasdecke in Staub zerfallen ist,
klafft
der erhärtete Boden auf, als wäre er von mächtigen Erdstößen erschüttert.
Berühren ihn dann entgegengesetzte Luftströme, deren
Streit sich in kreisender Bewegung ausgleicht,
Ebene einen seltsamen Anblick.
so gewährt die
Als trichterförmige Wolken,
W. v. Humboldt.
[IV] 91
A. b. Humboldt.
ganz aus sich zu entfernen und bloß in den Körper zu bannen, so ist unendlich viel gewonnen, und so erträgt sich danach körper liches Übel mit Fassung und wirklicher, nicht scheinbarer Ruhe
und erträgt sich nicht bloß, sondern hat sehr oft auch noch etwas die Seele schön und sanft Reinigendes. Ich selbst bin zwar mehrere Male und ein paar Mal
sehr gefährlich krank gewesen, aber an dauernder Kränklichkeit,
eigentlich schwacher Konstitution habe ich nie gelitten.
Ich bin
aber oft mit Personen umgegangen, Männern und Frauen, in denen dieser Zustand der tägliche war,
und die nicht einmal
irgend wahrscheinliche Hoffnung hatten, sich je anders als durch
Zu diesen Menschen gehörte Schiller
den Tod herauszuwickeln.
vorzüglich.
Er litt sehr,
eingetroffen
ist, daß
litt dauernd und wußte,
diese
wie auch
beständigen Leiden nach und nach
seinen Tod herbeiführen würden.
Bon ihm aber konnte man
wirklich sagen, daß er die Krankheit in dem Körper verschlossen hielt.
Denn zu welcher Stunde man zu ihm kommen, wie man
ihn antreffen mochte,
so war sein Geist ruhig und heiter und
aufgelegt zu freundschaftlicher Mitteilung und interessantem und
selbst tiefem Gespräch.
Er pflegte sogar wohl zu sagen,
daß
man bester bei einem gewissen, doch freilich nicht zu angreifen den Übel arbeite, und ich habe ihn in solchen wirklich sehr un erfreulichen Zuständen Gedichte und prosaische Aufsätze machend
gefunden, denen man diesen Ursprung gewiß nicht ansah.
Alexander von Humboldt (1769—1859). 24. Aus den Ansichten der Natur. I. Tierlebeu in den Steppen Südamerikas.
Wenn unter dem senkrechten Strahl der nie bewölkten Sonne die verkohlte Grasdecke in Staub zerfallen ist,
klafft
der erhärtete Boden auf, als wäre er von mächtigen Erdstößen erschüttert.
Berühren ihn dann entgegengesetzte Luftströme, deren
Streit sich in kreisender Bewegung ausgleicht,
Ebene einen seltsamen Anblick.
so gewährt die
Als trichterförmige Wolken,
92 [IV]
A. v. Humboldt.
die mit ihren Spitzen an der Erde hingleiten, steigt der Sand dampfartig durch die luftdünne Mitte des Wirbels empor — gleich den rauschenden Wasserhosen, die der erfahrene Schiffer fürchtet. Ein trübes, strohfarbiges Halblicht wirft die nun scheinbar niedrigere Himmelsdecke auf die verödete Flur. Der Horizont tritt plötzlich näher. Er verengt die Steppe, wie das Gemüt des Wanderers. Die heiße, staubige Erde, die im nebelartig verschleierten Dunstkreise schwebt, vermehrt die er stickende Luftwärme. Statt Kühlung führt der Ostwind neue Glut herbei, wenn er über den langerhitzten Boden hinweht. Auch verschwinden allmählich die Lachen, welche die gelb gebleichte Fächerpalme vor der Verdünstung schützte. Wie im eisigen Norden die Tiere durch Kälte erstarren, so schlummert hier unbeweglich das Krokodil und die Boaschlange, tief ver graben im trocknen Letten. Überall verkündigt Dürre den
Tod, und überall verfolgt den Dürstenden, im Spiele des ge bogenen Lichtstrahls, das Trugbild des wellenschlagenden Wasser spiegels. In dichte Staubwolken gehüllt und von Hunger und brennendem Durste geängstigt, schweifen die Pferde und Rinder umher, diese dumpfaufbrüllend, jene mit langgestrecktem Halse gegen den Wind anschnaubend, um durch die Feuchtigkeit des Luft stroms die Nähe einer nicht ganz verdampften Lache zu erraten. Bedächtiger und verschlagener suchen die Maultiere auf andere Art ihren Durst zu lindern. Eine kugelförmige und dabei vielrippige Pflanze, der Melonenkaktus, verschließt unter seiner stachligen Hülle ein wasserreiches Mark. Mit dem Vorder fuße schlägt das Maultier die Stacheln seitwärts und wagt es
dann erst, die Lippen behutsam zu nähern und den kühlen Distelsaft zu trinken. Aber das Schöpfen aus dieser lebendi gen vegetabilischen Quelle ist nicht immer gefahrlos- denn oft sieht man Tiere, welche von Kaktusstacheln am Hufe gelähmt sind. Folgt auf die brennende Hitze des Tages die Kühlung der gleichlangen Nacht, so können Rinder und Pferde selbst
dann nicht der Ruhe sich erfreuen. Ungeheure Fledermäuse saugen ihnen während des Schlafes vampirartig das Blut aus oder hängen sich an dem Rücken fest, wo sie eiternde Wunden
erregen, in welche Moskitos und eine Schar stechender Insekten
sich ansiedeln.
So führen
die Tiere ein schmerzvolles Leben,
wenn vor der Glut der Sonne das Wasser auf dem Erdboden verschwindet.
Tritt endlich nach langer Dürre die wohlthätige Regen
zeit ein, so verändert sich plötzlich die Szene in der Steppe. Das tiefe Blau des bis dahin nie bewölkten Himmels wird Kaum erkennt man bei Nacht den schwarzen Raum im
lichter.
Sternbild des südlichen Kreuzes.
Wie ein entlegenes Gebirge
erscheint einzelnes Gewölk im Süden.
Dünste sich über den Zenith aus.
Nebelartig breiten die
Den belebenden Regen ver
kündigt der ferne Donner.
Kaum ist die Oberfläche der Erde benetzt, so überzieht sich die duftende Steppe mit mannigfaltigen Gräsern.
Vom Lichte
gereizt, entfalten krautartige Mimosen die schlummernden Blätter
wie der Frühgesang der
und begrüßen die aufgehende Sonne,
Bögel und die sich öffnenden Blätter der Wasserpflanzen.
Pferde
und Rinder weiden nun im frohen Genuß des Lebens.
Im
hochaufschießenden Grase versteckt sich der schöngefleckte Jaguar und erhascht die vorüberziehenden Tiere im leichten Sprunge,
katzenartig, wie der asiatische Tiger. Bisweilen sieht man —
an
den Ufern
—
so
der Sümpfe
langsam und schollenweise erheben.
erzählen
den
die Eingeborenen
befeuchteten Letten
sich
Mit heftigem Getöse,
wie
beim Ausbruche kleiner Schlammvulkane, wird die aufgewühlte
Erde hoch in die Luft geschleudert. ist, flieht die Erscheinung,-
Wer des Anblicks kundig
denn eine riesenhafte Wasserschlange
oder ein gepanzertes Krokodil steigen aus der Gruft hervor, durch den ersten Regenguß aus dem Scheintode erwecket. Schwellen nun allmählich die Flüsse,
welche die Ebene
südlich begrenzen, der Arauca, der Apure und der Payara, so
zwingt die Natur dieselben Tiere, welche in der ersten Jahres hälfte auf dem wafferleeren,
staubigen Boden vor Durst ver
schmachteten, als Amphibien zu leben.
Ein Teil der Steppe er
scheint nun wie ein unermeßliches Binnenwasser.
Die Mutter
pferde ziehen sich mit den Füllen auf die höheren Bänke zurück,
94 [IV]
A. v. Humboldt.
welche inselförmig Uber dem Seespiegel hervorragen.
Tage verengt sich der trockene Raum.
Mit jedem
Aus Mangel an Weide
schwimmen die zusammengedrängten Tiere stundenlang umher
und nähren sich kärglich von der blühenden Grasrispe, die sich über dem braungefärbten, gärenden Wasser erhebt.
ertrinken,
Biele Füllen
viele werden von den Krokodilen erhascht,
mit dem
Nicht selten bemerkt man Pferde und Rinder, die, dem Rachen dieser blut zackigen Schwänze zerschmettert und verschlungen.
gierigen Eidechsen entschlüpft, die Spur des spitzigen Zahnes am Schenkel tragen. Wo der seichte Strom eine Sandbank übrig läßt, da liegen
mit offenem Rachen, unbeweglich wie Felsstücke hingestreckt, oft mit Bögeln
bedeckt,
die ungeschlachten Körper der Krokodile.
Den Schwanz um einen Baumast befestigt,
zusammengerollt,
lauert am Ufer, ihrer Beute gewiß, die tigerfleckige Boaschlange.
Schnell vorgestreckt, ergreift sie in der Furt den jungen Stier
oder das schwächere Wildpret und zwängt den Raub, in Geifer gehüllt, mühsam durch den schwellenden Hals.
Wenn aber in der Steppe Tiger und Krokodile mit Pfer den und Rindern kämpfen, so sehen wir dagegen an ihrem waldi
gen Ufer, in den Wildnissen der Guayana, ewig den Menschen gegen den Menschen gerüstet.
Mit unnatürlicher Begier trinken
hier ganze Völkerstämme das ausgesogene Blut ihres Feindes,andere würgen ihn, scheinbar waffenlos, und doch zum Morde
vorbereitet, mit vergiftetem Daumnagel.
Die schwächern Hor
den, wenn sie das sandige Ufer betreten, vertilgen sorgsam mit
den Händen die Spur ihrer schüchternen Tritte. So bereitet der Mensch auf der untersten Stufe tierischer Roheit,
so im Scheinglanze
ein mühevolles Leben.
seiner höheren Bildung sich stets
So verfolgt den Wanderer über den
weiten Erdkreis, über Meer und Land, wie den Geschichtsforscher durch alle Jahrhunderte das einförmige, trostlose Bild des ent
zweiten Geschlechts. Darum versenkt, wer im. ungeschlichteten Zwist der Völker nach geistiger Ruhe strebt,
gern den Blick in das stille Leben
der Pflanzen und in der heiligen Naturkraft inneres Wirken:
oder hingegeben dem angestammten Triebe, der seit Jahrtausen den der Menschen Brust durchglüht, blickt er ahnungsvoll auf wärts zu den hohen Gestirnen, welche in ungestörtem Einklang
die alte, ewige Bahn vollenden. II. Die Gruft eiurs «utergegaugeuen Bölkerstammes.
Am südlichen Eingänge des Raudals von Atures^,
am
rechten Ufer des Flusses, liegt die unter den Indianern weit berufene Höhle von Ataruipe.
Die Gegend umher
hat einen
großen und ernsten Naturcharakter, der sie gleichsam zu einem Nationalbegräbnisse eignet.
ohne Gefahr herabzurollen,
wand.
Man erklimmt mühsam, selbst nicht
eine steile,
Es würde kaum möglich sein,
völlig nackte Granit
auf der glatten Fläche
festen Fuß zu fassen, träten nicht große Feldspatkristalle,
der
Verwitterung trotzend, zolllang aus dem Gesteine hervor.
Kaum ist die Kuppe erreicht,
so
wird man
durch eine
weite Aussicht über die umliegende Gegend überrascht.
Aus
dem schäumenden Flußbette erheben sich mit Wald geschmückte Hügel.
Jenseit des Stromes, über das westliche Ufer hinweg,
ruht der Blick auf der unermeßlichen Grasflur. Am Horizont erfcheint, wie drohend aufziehendes Gewölk, das Gebirge. So die Ferne,' aber nahe umher ist alles öde und eng.
Im tief
gefurchten Thale schweben einsam der Geier und die krächzen
den Caprimulge (Ziegenmelker).
An
der nackten Felswand
schleicht ihr schwindender Schatten hin. Dieser Kessel ist von Bergen begrenzt, deren abgerundete
Gipfel ungeheure Granitkugeln tragen. Kugeln beträgt 40 bis 50 Fuß.
Der Durchmesser dieser
Sie scheinen die Unterlage
nur in einem einzigen Punkte zu berühren, eben als müßten sie bei dem schwächsten Erdstoße herabrollen.
Der Hintere Teil des Felsthals ist mit dichtem Laubholze 1 Der Raubal, so nennen die Spanier diese Art von Wasser fällen, wird durch einen Archipelagus von Inseln und Klippen ge bildet, welche das 8000 Fuß weite Flußbett des Orinoko dermaßen verengen, daß oft kaum ein 20 Fuß breites freies Fahrwasser übrig bleibt (Anmerkung des Verfassers). Hessel, Lesebuch IV. Prosa. 7
96 [IV] bedeckt.
A. v. Humboldt. öffnet sich die Höhle von
An diesem schattigen Orte
Ataruipe- eigentlich nicht eine Höhle, sondern ein Gewölbe, eine
weit überhängende Klippe,
eine Bucht, welche die Wasser, als
sie einst diese Höhe erreichten, ausgewaschen
haben.
Ort ist die Gruft eines vertilgten Völkerstammes.
ohngefähr 600 wohlerhaltene Skelette,
Dieser
Wir zählten
in eben so vielen Kör
ben, welche von den Stielen des Palmenlaubes geflochten sind.
Diese Körbe,
die die Indianer Mapires nennen,
bilden eine
Art viereckiger Säcke, die nach dem Alter des Verstorbenen von verschiedener Größe sind.
Ihre Skelette sind
so vollständig,
daß keine Rippe fehlt.
Neben den Mapires oder Körben findet man auch Urnen
von halbgebranntem Thone, welche die Knochen von ganzen Fa milien zu enthalten scheinen. '
Die größern dieser Urnen sind 3 Fuß hoch und 51/2 Fuß lang,
von angenehmer ovaler Form,
grünlich, mit Henkeln in
Gestalt von Krokodilen und Schlangen,
an dem obern Rande
mit Mäandern und Labyrinthen geschmückt.
gen
Diese Verzierun
sind ganz denen ähnlich, welche die Wände des mexikani
schen Palastes bei Mitla bedecken.
Man findet sie unter allen
Zonen, auf den verschiedensten Stufen menschlicher Kultur,- unter
Griechen und Römern,
wie auf den Schildern der Otahaiter,-
überall, wo rhythmische Wiederholung regelmäßiger Formen dem Auge schmeichelte. Die Ursachen dieser Ähnlichkeiten beruhen
mehr auf psychischen Gründen, Geistesanlagen,
auf der innern Natur unserer
als sie Gleichheit der Abstammung und alten
Verkehr der Völker beweisen. Unsere Dolmetscher konnten keine sichere Auskunft über das Alter dieser Gefäße geben.
Die mehrsten Skelette schienen
indes nicht über hundert Jahre alt zu sein.
Es geht die Sage
unter den Guareken-Jndianern, die tapferen Aturer haben sich,
von menschenfressenden Kariben bedrängt, auf die Klippen der
Katarakten gerettet- ein trauriger Wohnsitz, in welchem der.be drängte Völkerstamm und
mit ihm seine Sprache
unterging.
In dem unzugänglichen Teile des Raudals befinden sich ähn
liche Grüfte:
ja,
es ist wahrscheinlich,
daß die letzte Familie
der Situier erst spät ausgestorben sei.
Denn in Maypures (ein
sonderbares Faktum) lebt noch ein alter Papagei, von dem die
Eingeborenen behaupten,
daß man ihn darum nicht verstehe,
weil er die Sprache der Aturer rede. Wir verließen die Höhle bei einbrechender Nacht,
nach
dem wir mehrere Schädel und das vollständige Skelett eines bejahrten Mannes, zum größten Ärgernis unserer indianischen
Führer,
Das Skelett ist, wie ein großer
gesammelt hatten.
Teil unserer Sammlungen, in einem Schiffbruch untergegangen, der an der afrikanischen Küste unserm Freupde und ehemaligen
Reisegefährten, dem jungen Franziskanermönch Juan Gonzalez, das Leben kostete. In ernster Stimmung entfernten wir uns von der Gruft
eines untergegangenen Bölkerstanimes.
und kühlen Nächte,
sind.
Es war eine der heitern
die unter den Wendekreisen so gewöhnlich
Mit farbigen Ringen umgeben, stand die Mondscheibe
hoch im Zenith.
Sie erleuchtete den Saum des Nebels, der in
scharfen Umrissen, wolkenartig, den schäumenden Fluß bedeckte.
Zahllose Insekten gossen ihr rötliches Phosphorlicht über die Von lebendigem Feuer glühte der Boden,
krautbedeckte Erde.
als habe die sternenvolle Himmelsdecke sich auf die Grasflur
niedergesenkt. Rankende Bignonien, duftende Vanille und gelb blühende Banisterien schmückten den Eingang der Höhle, über dem Grabe rauschen die Gipfel der Palmen.
So sterben dahin die Geschlechter der Menschen.
Es ver
hallt die rühmliche Kunde der Völker.
Doch wenn jede Blüte
des
der Zeiten
Geistes
welkt,
schaffender Kunst aus
wenn
im Sturm
zerstieben,
dem Schoße der Erde.
so
entsprießt
ewig
die Werke
neues Leben
Rastlos entfaltet ihre Knospen
die zeugende Natur — unbekümmert, ob der frevelnde Mensch, ein nie versöhntes Geschlecht, die reifende Frucht zertritt.
III. Aus dem 19. Jahrhundert.
Aus der Zeit von Deutschlands KrheLung. Luise, Königin von Preußen 25.
(1776—1810).
Brief an ihren Vater aus dem Jahre 1809.
Bester Vater!
immer, doch für jetzt.
Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für
Für mein Leben hoffe ich nichts mehr-
Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, in dieser Fü
gung des Himmels bin ich jetzt ruhig und in solcher Ruhe^ wenn auch nicht irdisch glücklich,
geistig glückselig.
doch, was mehr sagen will^
Es wird mir immer klarer, daß alles so Die göttliche Vorsehung
kommen mußte, wie es gekommen ist.
leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, andere Ordnung der Dinge werden,
hat und in sich selbst
sind
eingeschlafen
da
und
es
soll eine
die alte sich überlebt
als abgestorben zusammenstürzt.
auf den
Lorbeern Friedrichs
Wiv
des Großen,
welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf.
Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt
sie uns.
Das siehet niemand klarer ein als der König.
eben hatte ich mit ihm darüber eine lange Unterredung, er sagte in sich gekehrt wiederholentlich:
Noch
und
„Das muß auch bei
uns anders werden!" Gewiß wird es besser werden: das verbürgt der Glaube an das vollkommenste Wesen.
Aber es kann nur gut werden
in der Welt durch die Guten.
Deshalb glaube ich auch nicht.
-aß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem jetzt freilich glänzenden Thron ist.
Er
von seinem Glück
ist
geblendet, und er meint alles zu vermögen.
Dabei ist er ohne
olle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das -Gleichgewicht und fällt.
Ich glaube fest an Gott, also auch an
eine sittliche Weltordnung.
Diese sehe ich in der Herrschaft der
Gewalt nicht,- deshalb bin ich der Hoffnung, daß auf die jetzige
böse Zeit eine bessere folgen wird.
Diese hoffen, wünschen und
erwarten alle bessern Menschen, und
durch die Lobredner der
jetzigen und ihres großen Helden darf man sich nicht irre machen
lassen.
Ganz unverkennbar ist alles, was geschehen ist und
geschieht, nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben
soll,
sondern nur die Bahnung des Weges zu einem bessern
Ziele hin.
Dieses Ziel scheint aber in weiter Entfernung zu
liegen, wir werden es wahrscheinlich darüber hinsterben.
nicht
erreicht sehen und
Wie Gott will! alles, wie er will!
Aber
ich finde Trost, Kraft und Mut und Heiterkeit in dieser Hoff
nung, die tief in meiner Seele liegt. Ist doch alles in der Welt nur Übergang! Wir müssen durch. Sorgen wir nur da für, daß wir mit jedem Tage reifer und besser werden. Hier, lieber Vater, haben Sie mein politisches Glaubens bekenntnis, so gut ich als eine Frau es formen und zusammen
setzen kann.
Sie sehen wenigstens daraus,
daß Sie auch im
Anglück eine fromme, ergebene Tochter haben, und daß die Grundsätze christlicher Gottesfurcht,
die ich Ihren Belehrungen
und Ihrem frommen Beispiele verdanke, ihre Früchte getragen haben und tragen werden, so lange Odem in mir ist.
Gern werden Sie, lieber Vater, hören, daß das Unglück,
welches uns getroffen, in unser eheliches und häusliches Leben nicht eingedrungen ist, vielmehr dasselbe befestigt und uns noch
werter gemacht hat.
Der König, der beste Mensch, ist gütiger
und liebevoller, als je. den Bräutigam zu sehen.
Oft glaube ich in ihm den Liebhaber,
Mehr in Handlungen, wie er ist,
er sitzt und rechnet im Schweiße seines Angesichts und rennt und läuft, ohne sich viel umzusehen, vom Hafen nach der Börse^
von der Börse nach dem Strand, und da ist es sehr verzeihlich wenn
er an
Poeten,
der,
der Ecke von Cheapside
einen
einen Bilderladen angaffend,
steht, etwas unsanft auf die Seite stößt.
armen deutschen
ihm in dem Wege „Goddamn!"
Das Bild aber, welches ich an der Ecke von Cheapside angaffte, war der Übergang der Franzosen über die Beresina. Als ich, aus dieser Betrachtung aufgerüttelt, wieder auf die tosende Straße blickte,
wo
ein
buntscheckiger Knäuel von
Männern, Weibern, Kindern, Pferden, Postkutschen, darunter
auch ein Leichenzug, sich brausend, schreiend, ächzend und knarreyd dahinwälzte: da schien es mir, als sei ganz London'so eine Beresinabrücke, wo jeder in wahnsinniger Angst, um sein bißchen
Leben zu fristen,
sich durchdrängen will,
wo der kecke Reiter
den armen Fußgänger niederstampft, wo derjenige, der zu Boden
fällt, auf immer verloren ist, wo die besten Kameraden fühllos^ einer über die Leiche des
dahineilen und Tausende^
andern,
die, sterbensmatt und blutend, sich vergebens an den Planken der Brücke festklammern wollten,
in
die
kalte Eisgrube
be£
Todes Hinabstürzen.
Wie viel heiterer und wohnlicher ist es dagegen in unserem
lieben Deutschland!
Wie traumhaft gemach, wie sabbatlich ruhig,
bewegen sich hier die Dinge! Ruhig zieht die Wache auf, im ruhigen
Sonnenschein glänzen die Uniformen und Häuser, an den Fliesen
flattern die Schwalben, auf den genug.
hallenden Straßen ist Platz,
Ich hatte mir vorgenommen, über die Großartigkeit
Londons, wovon ich so viel gehört^ nicht zu erstaunen.
die Prügel,
die er empfangen sollte,
Aber
der sich vornahm,
es ging mir wie dem armen Schulknaben,
nicht zu fühlen.
Die
Sache bestand eigentlich in dem Umstande, daß er die gewöhn
lichen Hiebe mit dem gewöhnlichen Stocke, wie gewöhnlich, auf dem Rücken erwartete, Tracht Schläge
auf
und
einem
dünnen Röhrchen empfing.
statt
dessen
eine ungewöhnliche
ungewöhnlichen Platze
mit
einem
Ich erwartete große Paläste und
sah nichts als lauter kleine Häuser.
Aber eben
die Gleich
förmigkeit derselben und ihre unabsehbare Menge imponiert so gewaltig. Diese Häuser von Ziegelsteinen bekommen durch feuchte Luft und Kohlendampf gleiche Farbe, nämlich bräunliches Oliven
grün- sie sind alle von derselben Bauart, gewöhnlich zwei oder
drei Fenster breit, drei hoch und oben mit kleinen, roten Schorn
steinen geziert, die wie blutig ausgerissene Zähne aussehen, der gestalt,
daß die breiten,
regelrechten Straßen,
die sie bilden,
nur zwei unendlich lange kasernenartige Häuser zu sein scheinen. Dieses hat wohl seinen Grund in
dem Umstande,
daß jede
englische Familie, und bestände sie auch nur aus zwei Personen,
dennoch ein ganzes Haus, ihr eignes Kastell, bewohnen will,
und reiche Spekulanten, ganze Straßen
verhökern.
solchem Bedürfnis entgegenkommend,
bauen, worin sie die Häuser einzeln wieder
In den Hauptstraßen der City,
demjenigen Teil
Londons, wo der Sitz des Handels und der Gewerke, wo noch altertümliche Gebäude zwischen den neuen zerstreut sind,
und
wo auch die Vorderseiten der Häuser mit ellenlangen Namen und Zahlen, gewöhnlich goldig und relief, bis ans Dach bedeckt
sind: da ist jene charakteristische Einförmigkeit der Häuser nicht so auffallend, um so weniger, da das Auge des Fremden un
aufhörlich beschäftigt wird durch den wunderbaren Anblick neuer
und schöner Gegenstände,
ausgestellt sind.
die an den Fenstern der Kaufläden
Nicht bloß diese Gegenstände selbst machen
den größten Effekt, weil der Engländer alles, was er verferttgt,
auch vollendet liefert, und jeder Luxusartikel, jede Astrallampe
und jeder Stiefel, jede Theekanne und jeder Weiberrock uns so
132 [IV]
Heine.
finished und einladend entgegenglänzt,
sondern auch die Kunst
der Aufstellung, Farbenkontrast und Mannigfaltigkeit giebt den
englischen Kaufläden einen eignen Reiz- selbst die alltäglichsten Lebensbedürfnisse
erscheinen in
einem
überraschenden Zauber-
glanze, gewöhnliche Eßwaren locken uns durch ihre neue Be leuchtung,
sogar rohe Fische liegen so wohlgefällig appretiert,
daß uns der regenbogenfarbige Glanz ihrer Schuppen ergötzt,
rohes Fleisch liegt wie gemalt auf saubern, bunten Porzellanteller chen, mit lachender Petersilie umkränzt, ja, alles erscheint uns
wie gemalt und mahnt uns an die glänzenden und doch so be
scheidenen Bilder des Franz Mieris.
Nur die Menschen sind
nicht so heiter wie auf diesen holländischen Gemälden, mit den
ernsthaftesten Gesichtern verkaufen sie die lustigsten Spielsachen, und Zuschnitt und Farbe ihrer Kleidung ist gleichförmig wie
ihre Häuser. Auf der entgegengesetzten Seite Londons,
die man das
Westende nennt, und wo die vornehmere und minder beschäftigte Welt lebt,
ist jene Einförmigkeit noch
vorherrschender-
doch
giebt es hier ganz lange, gar breite Straßen, wo alle Häuser
groß wie Paläste,
zeichnet sind,
aber äußerlich nichts weniger als ausge
außer daß man hier,
wie an allen nicht ganz
ordinären Wohnhäusern Londons, die Fenster der ersten Etage
mit eisengittrigen Balkönen verziert sieht und auch au rez de chaussee /ein schwarzes Gitterwerk findet,
wodurch eine in die
Erde gegrabene Kellerwohnung geschützt, wird.
Auch findet man
in diesem Teile der Stadt große Squares: Reihen von Häusern
gleich den obenbeschriebenen,
die ein Viereck bilden, in dessen
Mitte ein von schwarzem Eisengitter verschlossener Garten mit
irgend
einer Statue befindlich ist.
Auf allen diesen Plätzen
und Straßen wird das Auge des Fremden nirgends beleidigt von baufälligen Hütten des Elends. Überall starrt Reichtum
und Vornehmheit, und hineingedrängt in abgelegene Gäßchen und dunkle feuchte Gänge wohnt die Armut mit ihren Lumpen und ihren Thränen. Der Fremde,
der die großen Straßen Londons durch
wandert und nicht just in die eigentlichen Pöbelquartiere gerät^
sieht daher nichts oder sehr wenig von dem vielen Elend,
das
Nur hie und da am Eingänge eines
in London vorhanden ist.
dunklen Gäßchens steht schweigend ein zerfetztes Weib, mit einem Säugling an der abgehärmten Brust, und bettelt mit den Augen. Vielleicht, wenn diese Augen noch schön sind, schaut man einmal hinein — und erschrickt ob der Welt von Jammer,
die man
Die gewöhnlichen Bettler sind alte Leute,
darin geschaut hat.
die an den Straßenecken stehen und,
meistens Mohren,
was
im kotigen London sehr nützlich ist, einen Pfad für Fußgänger Die Armut in
kehren und dafür eine Kupfermünze verlangen.
Gesellschaft des Lasters und des Verbrechens schleicht erst des
Abends aus ihren Schlupfwinkeln.
Sie scheut das Tageslicht
um so ängstlicher, je grauenhafter ihr Elend kontrastiert mit tzem Übermute des Reichtums, der überall hervorprunkt,' nur
der Hunger treibt sie manchmal um Mittagszeit aus dem dunkeln Gäßchen, und da steht sie mit stummen, sprechenden Augen und
starrt flehend empor zu dem reichen Kaufmann,
der geschästig-
geldklimpernd vorübereilt, oder zu dem müßigen Lord, der wie
ein
satter
Gott
auf
hohem Roß
einherreitet
und auf
das
Menschengewühl unter ihm dann und wann einen gleichgültig
vornehmen Blick wirft,
als wären es winzige Ameisen,
oder
doch nur ein Haufen niedriger Geschöpfe, deren Lust und Schmerz mit seinen Gefühlen nichts gemein
hat — denn über dem
Menschengesindel, das am Erdboden festklebt, schwebt Englands Nobility, wie Wesen höherer Art, die das kleine England nur als ihr
Absteigequartier,
Italien
als ihren
Sommergarten,
Paris als ihren Gesellschaftssaal, ja die ganze Welt als ihr
Eigentum
betrachten.
schweben sie dahin,
Ohne Sorgen
und
ohne Schranken
und ihr Gold ist ein Talisman,
der ihre
tollsten Wünsche in Erfüllung zaubert. Arme Armut! wie peinigend muß dein Hunger sein, dort, wo andere im höhnenden Überflüsse schwelgen! Und hat man dir auch mit gleichgültiger Hand eine Brotkruste in den Schoß
geworfen, wie bitter müssen die Thränen sein, womit du sie er weichst!
Du vergiftest dich mit deinen eigenen Thränen.
Wohl
hast du recht, wenn du dich zu dem Laster und dem Verbrechen
134 [IV]
gesellst.
Heine.
Ranke.
Ausgestoßene Verbrecher tragen ost mehr Menschlichkeit
im Herzen,
als jene kühlen,
untadelhaften Staatsbürger der
Tugend, in deren bleichen Herzen die Kraft des Bösen erloschen ist, aber auch die Kraft des Guten.
Heschichtschreibung. Leopold van Ranke (1795—1886). 35. Maximilian I. Wenn Maximilian bei seinen Zeitgenossen ein rühmliches
Andenken hinterlassen hat, so rührt das nicht von dem Erfolge seiner Unternehmungen, sondern von seinen persönlichen Eigen schaften
her.
Alle
guten Gaben
hohem Grade zu teil geworden:
der Natur waren ihm in
Gesundheit bis in die spätern
Jahre — wenn sie etwa erschüttert
war,
reichte eine starke
Leibesübung, anhaltendes Wassertrinken hin, sie wieder herzu stellen — zwar nicht Schönheit, aber gute Gestalt, Kraft und
Geschicklichkeit des Leibes, so daß er seine Umgebung in jeder ritterlichen Übung in der Regel übertraf, bei jeder Anstrengung
ermüdete,- ein Gedächtnis, dem alles gegenwärtig blieb, was er jemals gehört oder erlebt oder in der Schule gelernt hatte,-
natürlich richtige scharfe Auffassung: seinen Leuten,
er täuschte sich nicht in
er bediente sich ihrer zu den Dienstleistungen,
die für sie selbst eben die angemessensten waren; dungsgabe ohne gleichen:
unter seinen Händen/
alles, was er berührte,
eine Erfin
ward neu
auch in den Geschäften ein das Not
wendige mit sicherm Gefühle treffender Geist/
wäre die Aus
führung nur nicht so oft an andere Bedingungen seiner Lage geknüpft gewesen! eine Persönlichkeit überhaupt, welche Bewun derung und Hingebung erweckte, welche dem Volke zu reden gab.
Was erzählte man sich alles von seinen Jagden! wie er im Land ob der Ens einen gewaltigen Bären in freiem Hag
allein bestanden,
wie er in Brabant in hohlem Wege einmal
134 [IV]
gesellst.
Heine.
Ranke.
Ausgestoßene Verbrecher tragen ost mehr Menschlichkeit
im Herzen,
als jene kühlen,
untadelhaften Staatsbürger der
Tugend, in deren bleichen Herzen die Kraft des Bösen erloschen ist, aber auch die Kraft des Guten.
Heschichtschreibung. Leopold van Ranke (1795—1886). 35. Maximilian I. Wenn Maximilian bei seinen Zeitgenossen ein rühmliches
Andenken hinterlassen hat, so rührt das nicht von dem Erfolge seiner Unternehmungen, sondern von seinen persönlichen Eigen schaften
her.
Alle
guten Gaben
hohem Grade zu teil geworden:
der Natur waren ihm in
Gesundheit bis in die spätern
Jahre — wenn sie etwa erschüttert
war,
reichte eine starke
Leibesübung, anhaltendes Wassertrinken hin, sie wieder herzu stellen — zwar nicht Schönheit, aber gute Gestalt, Kraft und
Geschicklichkeit des Leibes, so daß er seine Umgebung in jeder ritterlichen Übung in der Regel übertraf, bei jeder Anstrengung
ermüdete,- ein Gedächtnis, dem alles gegenwärtig blieb, was er jemals gehört oder erlebt oder in der Schule gelernt hatte,-
natürlich richtige scharfe Auffassung: seinen Leuten,
er täuschte sich nicht in
er bediente sich ihrer zu den Dienstleistungen,
die für sie selbst eben die angemessensten waren; dungsgabe ohne gleichen:
unter seinen Händen/
alles, was er berührte,
eine Erfin
ward neu
auch in den Geschäften ein das Not
wendige mit sicherm Gefühle treffender Geist/
wäre die Aus
führung nur nicht so oft an andere Bedingungen seiner Lage geknüpft gewesen! eine Persönlichkeit überhaupt, welche Bewun derung und Hingebung erweckte, welche dem Volke zu reden gab.
Was erzählte man sich alles von seinen Jagden! wie er im Land ob der Ens einen gewaltigen Bären in freiem Hag
allein bestanden,
wie er in Brabant in hohlem Wege einmal
einen Hirsch, der schon einen Anlauf wider ihn genommen, noch
in dem Momente erlegt- wie er im Brüßler Wald von einem wilden Schweine übereilt, ehe er von dem Pferd gestiegen, es zu seinen Füßen erstochen habe- besonders von den Gefährlichkeiten
seiner Gemsenjagd im höchsten Gebirg, den Jäger,
der ihm beigegeben war,
errettet hat:
wo er zuweilen wohl
selber von dem Sturze
er zeigte in allem behenden Mut, gleichsam eine
elastische Gegenwart des Geistes.
vor dem Feinde.
So erscheint er dann auch
Im Bereiche feindlicher Geschütze setzt er ans
Land, bildet seine Schlachtordnung und gewinnt den Sieg- im Scharmützel nimmt er es wohl mit vier oder fünfen allein auf-
in den Schlachten muß er sich oft eines gerade gegen ihn ausgeschickten Feindes
wehren:
in
zweikampfartigem Zusammentreffen
er
denn immer voran findet man ihn, immer mitten im
Getümmel der Gefahr.
Proberr von Tapferkeit, die nicht allein
dienten, um in müßigen Stunden erzählt, im Teuerdank aus
gezeichnet zu werden:
der venezianische Gesandte weiß nicht
uuszudrücken, welch ein Zutraun er bei den deutschen Soldaten
aller Art eben deshalb genoß, weil er sie in Gefahren niemals
verließ.
Als einen großen Feldherrn
können wir ihn nicht be
allein für die Organisation einer Truppe, die Aus
trachten:
bildung der verschiedenen Waffengattungen,
die Bildung eines
Heeres überhaupt wohnte ihm eine treffliche Gabe bei.
Miliz
der Landsknechte,
Die
von welcher der Ruf der deutschen
Fußvölker wieder erneuert worden, verdankte ihm ihre Begrün dung, ihre erste Einrichtung.
Das Geschützwesen hat er auf
einen ganz andern Fuß gebracht;
eben hier bewährte sich sein
erfinderischer Geist am glänzendsten, da übertraf er die Meister selbst:
seine Biographen schreiben ihm eine ganze Anzahl von
glücklichen Verbesserungen zu- auH die Spanier, die unter ihm dienten,
sagen sie,
angeleitet.
haufen bei
habe er zum Gebrauch des Handgeschützes
Die Widersetzlichkeit,
die sich in diesem Söldner
der Unregelmäßigkeit seiner Finanzerträge oftmals
erhob, wußte er,
wo er persönlich zugegen war,
noch in der
Regel zu beseitigen- man erinnert sich, daß er in hohen Nöten
den Unmut der Leute durch die Possen eines Narren, den er rufen ließ, beschwichtigte. Überhaupt hatte er
ein
unvergleichliches Talent,
die
Menschen zu behandeln. Die Fürsten, welche seine Politik ver letzte, wußte er doch in persönlichem Umgang zu befriedigen: nie, sagte Kurfürst Friedrich von Sachsen, sei ihm ein höflicherer Mann vorgekommen. Die wilden Ritter, gegen die er Reich und Bund aufbietet, erfahren doch wieder solche Äußerungen
von ihm, daß es ihnen, wie Götz von Berlichingen sagt, eine Freude im Herzen ist und sie nie etwas gegen Kaiserliche Majestät oder das Haus Österreich gethan hätten. An den Festlichkeiten der Bürger in den Städten, ihren Tänzen, ihren Schießübungen nimmt er Anteil: nicht selten thut er selber den
besten Schuß mit der Armbrust- er setzt ihnen Preise aus, Damast für die Büchsenschützen, einige Ellen roten Samt für die Armbrustschützen- gern ist er unter ihnen- damit unterbricht er die schwierigen und ermüdenden Geschäfte des Reichstages. In dem Lager von Padua ritt er geradezu auf eine Marketen derin los und ließ sich zu essen geben- Johann von Landau, der ihn begleitete, wollte die Speise erst kredenzen- der Kaiser fragte nur, von wo die Frau sei- man sagte ihm: von Augs burg- „ah", rief er aus, „dann ist die Speise schon kredenzt, denn die von Augsburg sind fromme Leute." In
seinen Erblanden
saß
er noch oft in Person
zu
Gericht: nahm er einen Verschämten wahr, der dahinten stand, so rief er ihn zu sich heran. Von dem Glanz der höchsten
Würde war er selber am wenigsten bestochen. „Lieber Gesell", sagt er zu einem bewundernden Poeten, „du kennst wohl mich und andere Fürsten nicht recht." Alles, was wir von ihm lesen, zeigt eine frische Unmittelbarkeit der geistigen Auffassung,
Offenheit und Jngenuität des Gemütes. Er war ein tapferer Soldat, ein gutmütiger Mensch: man lieble und fürchtete ihn.
36. Karl V. in St. Just. In Estremadura, in der Vera von Placencia, die den alten Ruf gesunder Luft genießt, in der Mitte von Baum-
den Unmut der Leute durch die Possen eines Narren, den er rufen ließ, beschwichtigte. Überhaupt hatte er
ein
unvergleichliches Talent,
die
Menschen zu behandeln. Die Fürsten, welche seine Politik ver letzte, wußte er doch in persönlichem Umgang zu befriedigen: nie, sagte Kurfürst Friedrich von Sachsen, sei ihm ein höflicherer Mann vorgekommen. Die wilden Ritter, gegen die er Reich und Bund aufbietet, erfahren doch wieder solche Äußerungen
von ihm, daß es ihnen, wie Götz von Berlichingen sagt, eine Freude im Herzen ist und sie nie etwas gegen Kaiserliche Majestät oder das Haus Österreich gethan hätten. An den Festlichkeiten der Bürger in den Städten, ihren Tänzen, ihren Schießübungen nimmt er Anteil: nicht selten thut er selber den
besten Schuß mit der Armbrust- er setzt ihnen Preise aus, Damast für die Büchsenschützen, einige Ellen roten Samt für die Armbrustschützen- gern ist er unter ihnen- damit unterbricht er die schwierigen und ermüdenden Geschäfte des Reichstages. In dem Lager von Padua ritt er geradezu auf eine Marketen derin los und ließ sich zu essen geben- Johann von Landau, der ihn begleitete, wollte die Speise erst kredenzen- der Kaiser fragte nur, von wo die Frau sei- man sagte ihm: von Augs burg- „ah", rief er aus, „dann ist die Speise schon kredenzt, denn die von Augsburg sind fromme Leute." In
seinen Erblanden
saß
er noch oft in Person
zu
Gericht: nahm er einen Verschämten wahr, der dahinten stand, so rief er ihn zu sich heran. Von dem Glanz der höchsten
Würde war er selber am wenigsten bestochen. „Lieber Gesell", sagt er zu einem bewundernden Poeten, „du kennst wohl mich und andere Fürsten nicht recht." Alles, was wir von ihm lesen, zeigt eine frische Unmittelbarkeit der geistigen Auffassung,
Offenheit und Jngenuität des Gemütes. Er war ein tapferer Soldat, ein gutmütiger Mensch: man lieble und fürchtete ihn.
36. Karl V. in St. Just. In Estremadura, in der Vera von Placencia, die den alten Ruf gesunder Luft genießt, in der Mitte von Baum-
Pflanzungen, die von frischen Quellen und Bächen vom Gebirge belebt sind,
liegt das Hieronhmitenkloster Iuste,
aus zwei Klostergebäuden und einer Kirche
das damals
bestand,
an dem
Abhange eines Hügels, der es vor den Nordwinden schützt, in
Dahin hatte sich der Kaiser sogleich
vollkommener Einsamkeit.
nach seiner Ankunft in Spanien begeben.
Man dürfte nicht glauben, daß er ein Klosterbruder ge worden sei.
Er wohnte nicht in dem Kloster,
sondern an der
Kirche war ihm ein eigenes Haus erbaut, unfern davon waren Wohnungen für seine Dienerschaft
eingerichtet, die noch den
Auch
ganzen Apparat einer regelmäßigen Hofhaltung darstellt. ist es ein Irrtum,
anzunehmen,
den Geschäften entsagt habe. unausgesetztem Briefwechsel, die Gewalt wieder zu
daß er aller Teilnahme an
Mit seinem Sohne stand er in und dieser bat ihn noch zuweilen,
ergreifen:
in Spanien unternahm er
Unter andern finde ich, daß er
noch einiges auf eigene Hand.
nach dem Tode König Johanns III. vpn Portugal im Jahre 1557 jenen Francisco de Borja, der damals in den Jesuiten
orden getreten war,
nach Lissabon schickte,
einer Visitation dortiger Kollegien,
unter dem Scheine
aber in der That,
um zu
bewirken, daß in die neue Huldigung der junge Don Carlos, sein Enkel, ausgenommen werde.
lag besonders darin, bedrängt
war
und
Der Unterschied gegen früher
er nicht von laufenden Geschäften
daß
keine Regierungspflicht
konnte der Einsamkeit und Ruhe, viel er wollte, genießen.
mehr
hatte.
Er
nach der ihn verlangte,
so
Seine Umgebung hatte Befehl, keine
Besuche anzunehmen, und in dem Kloster war es so still, als wäre er nicht anwesend.
durch ihn:
Oder vielmehr,
es ward noch stiller
er bemerkte mit Mißfallen, daß zuweilen Frauen
an die Pforte kamen und mit den Mönchen redeten- auf seinen
Wunsch ward es abgestellt.
Man hatte Zimmern,
dafür
gesorgt,
daß
der Blick. aus
der über die Klostergärten hinführte,
Fremdartiges gestört wurde.
seinen
durch nichts
Sein Vergnügen war,
wenn er
sich wohl befand, nach einer kleinen, ein paar Armbrustschüsse entfernten Einsiedelei zu lustwandeln, unter dem Schatten dicht-
Ranke.
138 [IV]
gepflanzter Kastanienbäume, welche vor der Sonne dieses Himmels zuweilen machte er den Weg auf einem Saumtiere-
schützten-
endlich war ihm auch dies unmöglich.
Besonders gerne wohnte
er dem Gesänge in der Kirche bei, wie er denn Geschmack und Unterscheidungsgabe für die Musik besaß- die Obern des Ordens
hatten nicht versäumt, ihre besten Stimmen in dem Kloster zu versammeln. Seine Wohnung war in eine solche Verbindung mit der Kirche gesetzt,
er in
daß
der Krankheit den
den Tagen
Gesang und die Feier der Messe in seinem Schlafzimmer hören
konnte. Und so hoffte er wohl,
Frieden zu erreichennoch atmet und lebt,
nicht entziehen,
das Ziel seiner Tage in tiefem
Jedoch vergeblich.
So lange der Mensch
kann er sich dem Kampfe der Elemente
Auch in dieser Ab
welcher die Welt bewegt.
geschiedenheit ward Karl V. von den ihm, seit sie den Umsturz
seines Glückes veranlaßt,
gen erreicht. stantischer
Cazalla,
erst recht verhaßten neuen Meinun
Plötzlich entdeckte man
in
Tendenz
Valladolid
kleine Gemeinden
und
Sevilla.
prote
Augustin
der wäbrend des schmalkaldischen Krieges um ihn ge
wesen und noch in Juste vor ihm gepredigt, wies sich selbst als ein Lutherischgläubiger aus.
ja erschüttert.
Der Kaiser war darüber betroffen,
Am Ende seiner Tage mußte er erleben,
ein Mann, der sein Gewissen eine Zeitlang
nungen
bekannte,
mit
denen
daß
geleitet, die Mei
er sein ganzes Leben
gekämpft
hatte.
In seinem letzten Codieill, nur zwölf Tage vor seinem
Tode,
ermahnt er noch seinen Sohn und die spanische Regie
rung auf das dringendste, die Ketzereien
unterdrücken.
in ihrem Keime zu
Doch scheint es fast, als habe er an menschlichen
Mitteln verzweifelt.
Er betete nur noch für die Einheit der
Kirche: „Jn'deine ^ände, o Herr", hört man ihn sagen, ,/habe ich deine Kirche übergeben."
Er starb in dem Gedanken, der
sein Leben ausgemacht: 21. September 1558.
Wilhelm I., deutscher Kaiser. 37. Sedam
Brief an die Königin Augusta.
Vendresse, südlich Sedan, 3. September 1870.
Du kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen
geschichtlichen Ereignisses, das sich zuge
Umfang des großen
tragen hat.
Es ist wie ein Traum, selbst wenn man es Stunde
für Stunde hat abrollen sehen!
Wenn ich mir denke, daß nach
einem großen, glücklichen Kriege ich während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott,
der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten aus ersehen hat, das Geschehene zu vollbringen, und uns zu Werk zeugen seines Willens bestellt hat.
Nur in diesem Sinne vermag
ich das Werk aufzufassen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.
Nun folge ein Bild der Schlacht und deren Folgen in
gedrängter Kürze!
Die Armee war am Abend des 31. und
am 1. früh in den vorgeschriebenen Stellungen angelangt, rund um Sedan.
Die Bayern hatten den linken Flügel bei Bazeilles
an der Maas- daneben die Sachsen gegen Moncelle und Daigny,'
die Garde gegen Givonne noch im Anmarsch- das 5. und 11. Korps gegen St. Menges und Fleigneux.
Da hier die Maas
einen scharfen Bogen macht, so war von St. Menges bis Don chery kein Korps aufgestellt, in
berger,
diesem Orte aber Württem
die zugleich den Rücken gegen Ausfälle von Mezieres
deckten- Kavallerie-Division Graf Stolberg in der Ebene von Donchery als rechter Flügel- in der Front gegen Sedan der
Rest der Bayern. Der Kampf begann trotz
dichten
Nebels bei Bazeilles
schon früh am Morgen, und es entspann sich nach und
ein sehr heftiges Gefecht,
wobei Haus für
Haus
werden mußte, was fast den ganzen Tag dauerte, welches
die
Erfurter
Division
Schöler
(aus
der
nach
genommen
und
in
Reserve,
Wilhelm I.
140 [IV] 4. Korps) eingreifen
mußte.
Als
ich um acht Uhr auf der
Front vor Sedan eintraf, begann die
große Batterie gerade
ihr Feuer gegen die Festungswerke. Auf allen Punkten entspann
sich nun ein gewaltiger Geschützkampf, der stundenlang währte, und während dessen von unserer Seite nach und nach Terrain
gewonnen wurde.
Sehr tief
Die genannten Dörfer wurden genommen. eingeschnittene
Schluchten
mit Wäldern
er
schwerten das Vordringen der Infanterie und begünstigten die Verteidigung.
Die Dörfer Jlly und Floing wurden genommen,
und zog sich allmählich der Feuerkreis immer enger um Gedan zusammen.
Es war ein grandioser Anblick von unserer Stel
auf einer dominierenden Höhe hinter
lung
jener genannten
Batterie,, rechts vom Dorfe Frenois vorwärts, oberhalb Pt.
Torey.
Der heftige Widerstand
des Feindes fing allmählich
an nachzulassen, was wir an den aufgelösten Bataillonen er kennen
konnten, die
zurückliefen.
eiligst
aus
den
Die Kavallerie suchte
Wäldern und Dörfern
einige Bataillone unseres
5. Korps anzugreifen, die vortreffliche Haltung bewahrten,- die
Kavallerie jagte durch die Bataillons-Intervallen durch, kehrte dann um und auf demselben Wege zurück, was sich
von verschiedenen Regimentern wiederholte, so
dreimal
daß das Feld
mit Leichen und Pferden besäet war, was wir alles von unserm
Standpunkte genau mit ansehen konnten.
Ich habe die Nummer
dieses braven Regiments noch nicht erfahren können.
Da sich der Rückzug des Feindes, auf vielen Stellen in Flucht auflöste und alles, Infanterie, Kavallerie und Artillerie
in die Stadt und nächste Umgebungen sich zusammendrängte, aber noch immer keine Andeutung sich zeigte, daß der Feind sich durch
Kapitulation aus dieser verzweifelten Lage zu ziehen beabsichüge,
so blieb nichts übrig, als durch die genannte Batterie die Stadt bombardieren zu lassen/ da es nach zwanzig Minuten ungefähr an mehreren Stellen bereits brannte, was mit den vielen brennen
den Dörfern in dem ganzen Schlachtkreise einen erschütternden Eindruck machte — so ließ ich das Feuer schweigen und sendete
den Oberst-Leutnant v. Bronsart vom Generalstabe als Par lamentär mit weißer Fahne ab, der Armee und Festung die
Kapitulation antragend. ^Jhm begegnete bereits ein bayerischer Offizier, der mir meldete,
ein französischer Parlamentär
daß
mit weißer Fahne am Thore sich gemeldet habe.
Der Oberst-
Leutnant v. Bronsart wurde eingelassen, und auf seine Frage nach dem General en chef ward er unerwartet vor den Kaiser
geführt, der ihm sofort einen Brief an mich übergeben wollte. Da der Kaiser fragte, was für Aufträge er habe, und zur Antwort erhielt: „Armee und Festung zur Übergabe aufzu fordern", erwiderte er, daß er sich dieserhalb an den General
v. Wimpffen zu wenden
blessierten Mac
habe, der für den
Mahon soeben das Kommando übernommen habe, und daß er nunmehr seinen General-Adjutanten Reille mit dem Briefe an
mich
absenden werde.
Es
war sieben Uhr,
als Reille
und
Bronsart zu mir kamen- letzterer kam etwas voraus, und durch
der Kaiser an
ihn erfuhren wir erst mit Bestimmtheit, daß
wesend sei.
Du kannst Dir den Eindruck denken/ den es auf
mich vor allem und alle machteund übergab mir den Brief
Reille
sprang vom Pferde
seines Kaisers, hinzufügend, daß
er sonst keine Aufträge habe.
Noch ehe ich den Brief öffnete,
sagte ich ihm: Aber ich verlange als erste Bedingung, daß die Armee die Waffen niederlege.
Der Brief fängt so'an: „N’ayant
pas pu" mourir ä la tete de mes troupes, je döpose mon epee ä Votre Majest6, alles weitere mir anheimstellend. Meine Antwort war,
daß
ich
die Art unserer Begeg
nung beklage und um Sendung eines Bevollmächtigten ersuche, mit dem die Kapitulation abzrlschließen sei. Nachdem ich dem
General Reille
den Brief übergeben hatte, sprach ich
einige
Worte mit ihm
als
dieser
altem Bekannten,
und
so
endigte
Akt. -— Ich bevollmächtigte Moltke zum Unterhändler und gab
Bismarck
auf,
zurückzubleiben,
falls
politische
Fragen
zur
Sprache kämen- ritt dann zu meinem Wagen und' fuhr hierher,
auf der Straße überall von
ziehenden stimmten.
Trains
begrüßt,
stürmischen Hurras der heran
die
Es war ergreifend!
überall
die Bolkshymne
an
Alles hatte Lichter angezündet^
so daß man zeitweise in einer improvisierten Illumination fuhr.
Um elf Uhr war ich hier und
trank mit meiner Umgebung
auf das Wohl der Armee, die solches Ereignis erkämpfte.
Da ich
Moltke
am
Morgen des 2. noch keine Meldung
die Kapitulationsverhandlungen
über
die in Donchery stattfinden
sollten,
erhalten
von hcatte^
fuhr ich verabredeter
so
maßen nach dem Schlachtfeld um acht Uhr früh und begeAnete Moltke, der mir entgegenkam, um meine Einwilligung zur vor
geschlagenen Kapitulation zu erhalten, und mir anzeigte,
daß
der Kaiser früh fünf Uhr Sedan verlassen habe und auch mach Da derselbe mich zu sprechen wünschte
Doncherh gekommen sei.
und
sich in
der
mit Park
Nähe ein Schlößchen
wählte ich dies zur Begegnung.
Um
befand,
zehn Uhr kam ich
so auf
der Höhe vor Sedan an; um zwölf Uhr erschienen Moltke und
Bismarck mit der vollzogenen Kapitulations-Urkunde;
um
ein
Uhr setzte ich mich mit Fritz in Bewegung, von der KavallerieStabswache begleitet.
Ich
stieg vor dem Schlößchen ab,
wo
Der Besuch währte eine Viertel
der Kaiser mir entgegenkam.
stunde. , Ich begrüßte ihn mit Darreichung
Worten:
Sire,
le sort
der Hand und den
a d£cid£
armes
des
entre
nous,
mais il m’est bien penible de revoir Votre Majest6 dans
cette Situation.
Wir waren
beide
sehr
bewegt.
Er fragte,
was ich über ihn beschlösse, worauf ich ihm Wilhelmshöhe vor schlug, was er annahm; er fragte nach Belgien oder durch Frankreich,
dem Weg,
ob über
was letzteres angeordnet war,
jedoch noch geändert werden könne (was auch geschehen
mitnehmen
Er bat seine Umgebung
zu
ist).
dürfen, die Generäle
Reille, Moskwa, Prinz Murat II. rc., ebenso, daß er seinen
Hausstand beibehalten dürfe, was alles ich natürlich accordierte. Dann
lobte
Armee,
er meine
vorzüglich
die
Artillerie,
die
nicht ihres gleichen habe (was sich in diesem Kriege vollkommen
erwiesen hat), tadelte
Abschied sagte ich
die
ihm,
Jndisziplin
seiner
daß ich glaubte, ihn
Armee.
Beim
hinreichend
zu
kennen, um überzeugt zu sein, daß er den Krieg nicht gewünscht
habe,
aber
glaubte, zu demselben
gezwungen zu
sein!
Er:
Vous avez parfaitement raison, mais Vopinion publique in y
a forcd.
Ich:
Vopinion publique forc6 par le ministöre,
ich hätte bei der Ernennung dieses Ministeriums sofort gefühlt,
Wilhelm I.
[IV] 143
Moltke.
daß der mit demselben eingetretene Prinzipienwechsel nicht zum
Heil seiner Regierung ausfallen werde,
was er achselzuckend
Die ganze Konversation schien ihm Wohlzuthun, und
bejahte.
ich darf glauben, daß ich ihm seine Lage sehr erleichtert habe, unb wir schieden beide tief bewegt. — Was ich alles empfand, nachdem ich vor drei Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner
Macht gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben. Nach dieser Begegnung beritt ich von halb drei bis halb acht Uhr
die ganze Armee vor Sedan.
Truppen,
das
Wiedersehen
des
Der Empfang
der
dezimierten Garde-Korps —
alles kann ich Dir heute nicht beschreiben,' ich war tief
das
ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.
Nun lebe wohl — mit bewegtem Herzen am Schluffe eines solchen Briefes! Wilhelm.
Helmut Graf von Moltke (18OO—1890). 38.
Bo« der Belagerung von Paris.
(Aus einem Briefe an seinen Bruder Adolf.)
Versailles, den 22. Dezember 1870.
Lieber Adolf!.Die allgemeine Sehnsucht nach Be endigung dieses furchtbaren Krieges läßt in der Heimat ver
gessen,
daß er erst fünf Monate dauert, man hofft alles von
einem Bombardement von Paris. folgt,
Daß dieses nicht schon er
schreibt man zarter Rücksicht für die Pariser oder gar
dem Einfluß hoher Persönlichkeiten zu, militärisch Mögliche und Zweckmäßige
während hier nur das ins Auge
gefaßt
wird.
Bon drei Seiten sind mir schon die Verse zugeschickt:
Guter Moltke, gehst so stumm Immer um das Ding herumBester Moltke, sei nicht dumm, Mach doch endlich bum bum bum! Was es heißt, eine Festung anzugreifen, zu deren Verteidigung
eine Armee bereit steht, das hätte man doch aus Sewastopol Hessel, Lesebuch IV. Prosa.
10
Wilhelm I.
[IV] 143
Moltke.
daß der mit demselben eingetretene Prinzipienwechsel nicht zum
Heil seiner Regierung ausfallen werde,
was er achselzuckend
Die ganze Konversation schien ihm Wohlzuthun, und
bejahte.
ich darf glauben, daß ich ihm seine Lage sehr erleichtert habe, unb wir schieden beide tief bewegt. — Was ich alles empfand, nachdem ich vor drei Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner
Macht gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben. Nach dieser Begegnung beritt ich von halb drei bis halb acht Uhr
die ganze Armee vor Sedan.
Truppen,
das
Wiedersehen
des
Der Empfang
der
dezimierten Garde-Korps —
alles kann ich Dir heute nicht beschreiben,' ich war tief
das
ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.
Nun lebe wohl — mit bewegtem Herzen am Schluffe eines solchen Briefes! Wilhelm.
Helmut Graf von Moltke (18OO—1890). 38.
Bo« der Belagerung von Paris.
(Aus einem Briefe an seinen Bruder Adolf.)
Versailles, den 22. Dezember 1870.
Lieber Adolf!.Die allgemeine Sehnsucht nach Be endigung dieses furchtbaren Krieges läßt in der Heimat ver
gessen,
daß er erst fünf Monate dauert, man hofft alles von
einem Bombardement von Paris. folgt,
Daß dieses nicht schon er
schreibt man zarter Rücksicht für die Pariser oder gar
dem Einfluß hoher Persönlichkeiten zu, militärisch Mögliche und Zweckmäßige
während hier nur das ins Auge
gefaßt
wird.
Bon drei Seiten sind mir schon die Verse zugeschickt:
Guter Moltke, gehst so stumm Immer um das Ding herumBester Moltke, sei nicht dumm, Mach doch endlich bum bum bum! Was es heißt, eine Festung anzugreifen, zu deren Verteidigung
eine Armee bereit steht, das hätte man doch aus Sewastopol Hessel, Lesebuch IV. Prosa.
10
lernen können.
Sewastopol wurde erst Festung während des
Angriffes, alles Material konnte zur See herangeschafft werden.
Die Vorbereitungen dauerten zehn Monate,
der erste Sturm
kostete 10000, der zweite 13000 Menschen.
Um Paris zu bombardieren,
müssen wir erst die Fo^ts
Es ist auch zur Anwendung dieses Zwangsmittels nichts
haben.
versäumt- ich erwarte aber weit mehr von dem langsam, aber sicher
Paris
wirkenden nur
noch
meisten Häusern Winters,
Hunger.
Wir
wissen,
daß
seit
einzelne Gaslaternen brennen,
trotz
des
ungewöhnlich
Wochen in
daß
in den
frühen und streWen
bei völligem Mangel an Kohlen,
nicht geheizt wird.
Ein Schreiben des Generals B. an seine Gemahlin, mit Ballon aufgefangen,
giebt folgende Preise an:
ein Pfund Butter 20
Franken, ein Huhn 20 Franken, une dinde non truffäe, bien
entendu, 60 bis 70 Franken- hübsch beschreibt er sein Souper: Hering mit Mostrichsauce, außerdem ein reizendes kleines filet de boeuf dont on faisait fete. Paul, le cuisinier, avait fait des bassesses pour l’avoir, il a promis au boucher Mr. et madame M. un sauf conduit pour un des forts pour tächer
de voir les Prussiens.
Diese vertraulichen Mitteilungen zwischen Mann und Frau
charakterisieren die wirkliche Lage besser als alle Zeitungsberichte,
die nach der einen oder andern Richtung übertreiben. Die Hungers not ist noch nicht da, aber ihre Vorläuferin, die Teuerung. Die
Rotschild und die Pereire haben noch immer ihr dindon truffö, die untersten Klassen sind von der Regierung bezahlt und ernährt,
aber der ganze Mittelstand darbt und zwar
schon seit lange.
Solche Zustände sind auf die Dauer nicht haltbar. setzt
es voraus,
Freilich
daß wir in der Feldschlacht alle die Heere
schlagen, die sich immer von neuem gegen uns zusammenballen.
Wohl nur der Schreckensherrschaft der Advokaten ist es möglich,
solche Heere aufzutreiben, schlecht organisiert, ohne Fuhrwesen sie der rauhen Witterung auszusetzen, selbst ohne Ambulanzea und Ärzte. Die unglücklichen Menschen, bei allem Patriotismus und bei aller Tapferkeit sind sie nicht imstande, unsern jestge-
fügten, braven Truppen zu widerstehen, das Elend des Biwaks
Dezimiert sie schonungslos, und die Verwundeten liegen zu hun dert an dem Wege,
ohne jede Hilfe, bis unsere Ambulanzen,
uns welche die Franzosen schießen, sie finden.
Die Franktireurs
sind der Schrecken aller Ortschaften, sie beschwören das Verderben
über diese herauf.
Gott schenke einen bal
Doch genug der traurigen Dinge.
digen, glücklichen Ausgang, und an dem zweifle ich nicht.... Wenn ich das Ende dieses Krieges erlebe,
mach Gastein gehen.
so möchte ich gleich
Wenn die tägliche Anspannung aufhört,
so brechen die Nerven zusammen, und gerade eine Winterkur in «Gastein ist mir sehr empfohlen ....................... 39.
Lebensregeln.
(Aus einem Briefe an seine Braut.)
Laß Dirs gesagt sein, gute Marie, daß Freundlichkeit
gegen jedermann die erste Lebensregel ist, die uns
manchen
Kummer sparen kann, und daß Du selbst gegen die, welche Dir nicht gefallen, verbindlich sein kannst,
zu werden.
ohne falsch und unwahr
Die wahre Höflichkeit und der feinste Weltton ist
die angeborene Freundlichkeit eines wohlwollenden Herzens.
Bei
mir hat eine schlechte Erziehung und eine Jugend voller Ent behrungen dies Gefühl oft erstickt, öfter auch die Äußerung des selben zurückgedrängt, und so stehe ich da mit der angelernten,
kalten, hochmütigen Höflichkeit, die selten jemand für sich gewinnt.
Du hingegen bist jung und hübsch, wirst, so Gott will,
keine
Entbehrung kennen lernen, jeder tritt Dir freundlich entgegen, so versäume denn auch nicht,
den Menschen wieder freundlich Dazu gehört allerdings,
zu begegnen und
sie
daß Du sprichst.
Es kommt gar nicht darauf an, etwas Geist
zu gewinnen.
reiches zu sagen, sondern womöglich etwas Verbindliches,
und
geht das nicht, wenigstens fühlen zu machen, daß man etwas Verbindliches sagen möchte. Das Gezierte und Unwahre liegt Dir fern, es macht augenblicklich langweilig, denn nichts als
die Wahrheit kann Teilnahme erwecken.
Wirkliche Bescheidenheit
und Anspruchslosigkeit sind der wahre Schutz gegen die Krän kungen und Zurücksetzungen in der großen Welt- ja, ich möchte
Dezimiert sie schonungslos, und die Verwundeten liegen zu hun dert an dem Wege,
ohne jede Hilfe, bis unsere Ambulanzen,
uns welche die Franzosen schießen, sie finden.
Die Franktireurs
sind der Schrecken aller Ortschaften, sie beschwören das Verderben
über diese herauf.
Gott schenke einen bal
Doch genug der traurigen Dinge.
digen, glücklichen Ausgang, und an dem zweifle ich nicht.... Wenn ich das Ende dieses Krieges erlebe,
mach Gastein gehen.
so möchte ich gleich
Wenn die tägliche Anspannung aufhört,
so brechen die Nerven zusammen, und gerade eine Winterkur in «Gastein ist mir sehr empfohlen ....................... 39.
Lebensregeln.
(Aus einem Briefe an seine Braut.)
Laß Dirs gesagt sein, gute Marie, daß Freundlichkeit
gegen jedermann die erste Lebensregel ist, die uns
manchen
Kummer sparen kann, und daß Du selbst gegen die, welche Dir nicht gefallen, verbindlich sein kannst,
zu werden.
ohne falsch und unwahr
Die wahre Höflichkeit und der feinste Weltton ist
die angeborene Freundlichkeit eines wohlwollenden Herzens.
Bei
mir hat eine schlechte Erziehung und eine Jugend voller Ent behrungen dies Gefühl oft erstickt, öfter auch die Äußerung des selben zurückgedrängt, und so stehe ich da mit der angelernten,
kalten, hochmütigen Höflichkeit, die selten jemand für sich gewinnt.
Du hingegen bist jung und hübsch, wirst, so Gott will,
keine
Entbehrung kennen lernen, jeder tritt Dir freundlich entgegen, so versäume denn auch nicht,
den Menschen wieder freundlich Dazu gehört allerdings,
zu begegnen und
sie
daß Du sprichst.
Es kommt gar nicht darauf an, etwas Geist
zu gewinnen.
reiches zu sagen, sondern womöglich etwas Verbindliches,
und
geht das nicht, wenigstens fühlen zu machen, daß man etwas Verbindliches sagen möchte. Das Gezierte und Unwahre liegt Dir fern, es macht augenblicklich langweilig, denn nichts als
die Wahrheit kann Teilnahme erwecken.
Wirkliche Bescheidenheit
und Anspruchslosigkeit sind der wahre Schutz gegen die Krän kungen und Zurücksetzungen in der großen Welt- ja, ich möchte
behaupten, daß bei diesen Eigenschaften
eine große Blödigkeit
und Befangenheit nicht möglich ist. Wenn wir nicht anders scheinen
als wir sind^
wollen,
keine höhere Stellung usurpieren wollen,
als die uns zusteht^
so kann weder Rang noch Geburt, noch Menge und Glanz uns-
wesentlich aus der Fassung bringen. nicht
das
Gefühl
seiner
Meinung anderer suchen
muß,
Wer aber in sich selbst
findet,
Würde
der
sondern
sie
in
ber
liest stets in den Augen
anderer Menschen, wie jemand, der falsche Haare trägt, in jeden
Spiegel sieht, ob sich auch nicht etwas verschoben hat. — Ge
steh ichs doch, gute Marie, daß ich diese schönen Lehren von mir selbst abstrahiere.
Zuversichtlichkeit
Mein ganzes Auftreten ist nur eine mit
und usage
du
monde
übertünchte Blödigkeit
Die langjährige Unterdrückung, in welcher ich aufgewachsen, hat meinem Charakter unheilbare Wunden geschlagen, mein Gemüt
niedergedrückt und den guten, edlen Stolz geknickt.
habe ich angefangen, aus mir selbst wieder
umgerissen
war, hilf Du mir fortan,
Spät erst
aufzubauen, was-
mich zu bessern.
Dich
selbst aber möchte ich edler und besser, und das ist gleichbedeutend mit glücklicher und zufriedener sehen, als ich es werden kann. Sei daher bescheiden und anspruchslos, so wirst Du ruhig und
unbefangen sein. Noch eins, liebe Marie: wenn Du schreibst, so lies doch immer den Brief, den Du beantwortest, noch einmal durch.
Es
sind nicht bloß die Fragen, die beantwortet sein wollen, sondern es ist gut, alle die Gegenstände zu berühren, welche darin ent-halten sind.
Sonst wird der Briefwechsel immer magerer, die
gegenseitigen Beziehungen schwinden, und man kommt bald da
hin, sich nur Wichtiges mitteilen zu wollen.
Nun besteht abev
das Leben überhaupt nur aus wenig und selten Wichtigem. Die kleinen Beziehungen des Tages hingegen reihen sich zu Stunden^
Wochen und Monaten und machen seinem Glück und
Unglück. aus.
am Ende Darum
Unterhaltung so viel besser als die schriftliche,
das. Unbedeutendste sagt und wenig findet, der Mühe wert wäre.
das Leben mit
die
ist
mündliche
weil man
was
sich
zu schreiben,
Nun
ist es
bald Mitternacht-
wenn Du nicht noch mit Jeanette
Du
Gute Nacht, liebe, süße Seele!
grüße.
schläfst wohl schon/
plauderst,
die
ich
herzlich
Herzlich
Dein Hellmut. 40.
Bon der Reise. I.
Aus Spanien (Oktober 1846).
Äls wir an einem sonnigen Abend vorigen Monats in
Civita Becchia an Bord der Korvette „Amazone" gingen,
sah
das Meer so lächelnd aus, als wolle es zu einer Spazierfahrt einladen, und nachher führte es sich so abscheulich auf.
schlimmsten
Am
braltar zu gelangen.
Sech
um bei konträrem Winde nach Gi
zehn Tage brauchten wir,
war es,
wenn nach
Die See geht dann hoch, und das
Sturm Windstille eintrat.
Schiff, welches in den Segeln keinen Stützpunkt mehr findet, taumelt wie, betrunken,
man denkt,
die Maste müßten
ab
brechen.
Endlich tauchte der Fels des Tarik aus der Flut empor^
ein
prächtiger Anblick.
Die
1400 Fuß
hohe schroffe Masse
hängt nur durch eine ganz flache Sandzunge mit dem euro
päischen Kontinent zusammen und erscheint daher als ein mäch tiger, isolierter Gebirgskegel. lich
auf
afrikanischem
Affenberg bei Zeuta.
Boden
Ihm gegenüber erhebt sich ähn
die
andere Herkulessäule,
der
Lange kämpften wir gegen die gewaltige
Strömung, welche hier stetig in das Mittelmeer fließt.
Endlich
warfen wir Anker, und die Festung grüßte mit einem königlichen
Salut unsere Trauerflagge.
Der erste Schritt ans Land führt in eine neue Welt,
ein wunderbares Gemisch von Spanisch und Englisch. Die Pracht und Üppigkeit eines südlichen Himmels und die Energie
und Betriebsamkeit des Nordens sind hier vereint.
Wie Riesen
standen die rotröckigen Hochländer zwischen den kleinen braunen
Spaniern mit ihren übergeworfenen Mänteln und den schmäch
tigen Arabern,
Land,
welche vielfach
herüberkommen in das schöne
welches ihnen 700 Jahre gehörte.
Da lagen in un--
Nun
ist es
bald Mitternacht-
wenn Du nicht noch mit Jeanette
Du
Gute Nacht, liebe, süße Seele!
grüße.
schläfst wohl schon/
plauderst,
die
ich
herzlich
Herzlich
Dein Hellmut. 40.
Bon der Reise. I.
Aus Spanien (Oktober 1846).
Äls wir an einem sonnigen Abend vorigen Monats in
Civita Becchia an Bord der Korvette „Amazone" gingen,
sah
das Meer so lächelnd aus, als wolle es zu einer Spazierfahrt einladen, und nachher führte es sich so abscheulich auf.
schlimmsten
Am
braltar zu gelangen.
Sech
um bei konträrem Winde nach Gi
zehn Tage brauchten wir,
war es,
wenn nach
Die See geht dann hoch, und das
Sturm Windstille eintrat.
Schiff, welches in den Segeln keinen Stützpunkt mehr findet, taumelt wie, betrunken,
man denkt,
die Maste müßten
ab
brechen.
Endlich tauchte der Fels des Tarik aus der Flut empor^
ein
prächtiger Anblick.
Die
1400 Fuß
hohe schroffe Masse
hängt nur durch eine ganz flache Sandzunge mit dem euro
päischen Kontinent zusammen und erscheint daher als ein mäch tiger, isolierter Gebirgskegel. lich
auf
afrikanischem
Affenberg bei Zeuta.
Boden
Ihm gegenüber erhebt sich ähn
die
andere Herkulessäule,
der
Lange kämpften wir gegen die gewaltige
Strömung, welche hier stetig in das Mittelmeer fließt.
Endlich
warfen wir Anker, und die Festung grüßte mit einem königlichen
Salut unsere Trauerflagge.
Der erste Schritt ans Land führt in eine neue Welt,
ein wunderbares Gemisch von Spanisch und Englisch. Die Pracht und Üppigkeit eines südlichen Himmels und die Energie
und Betriebsamkeit des Nordens sind hier vereint.
Wie Riesen
standen die rotröckigen Hochländer zwischen den kleinen braunen
Spaniern mit ihren übergeworfenen Mänteln und den schmäch
tigen Arabern,
Land,
welche vielfach
herüberkommen in das schöne
welches ihnen 700 Jahre gehörte.
Da lagen in un--
geheurer Fülle die Trauben, die Orangen, Datteln und Oliven
aus Malaga, Valencia
und Granada
neben ^Katroffeln
und
Käsen aus England, die Hummer, fliegenden Fische und Del^ phine aus dem atlantischen neben dem gedörrten Stockfische aus
dem Eismeer. Über die flachen Dächer,
die Balköne und die Gärtchen
mit Granaten und Palmen ragen in drei Etagen die Galerien^ welche eine englische Meile weit in den Kalkmassen des Felsens
eingesprengt sind, mit ihren Feuerschlünden aus den schottischen Gießereien. Über das Gewimmel kleiner Fahrzeuge und zahl reicher Dampfböte erheben sich drei stolze Linienschiffe mit bcr
Flagge Britanniens.
Neben ihnen sah unsere „Amazone" aus
wie ein zierliches Kind.
Gibraltar ist in beständiger Zunahme^
aber seine eiserne Rüstung erlaubt ihm nur, wachsen.
in die Höhe zu
Die Grundstücke und Mieten sind unglaublich teuer.
Ein Kalkfels und eine Sandscholle bringen natürlich nichts her
vor, und ursprünglich hausten dort nur Rebhühner und Affen.
Alles,
was Menschen bedürfen,
muß
zur See herangebracht
werden, selbst das Trinkwasser, und das ist der größte Mangel
dieser
sonst
Festung.
uneinnehmbaren
Auf
der
Landzunge
stehen nur 2000 Schritte entfernt die spanischen Posten mit geladenen Gewehren, nicht gegen einen Angriff, sondern gegen
den Schmuggelhandel gerüstet,
welcher hier im großen Stile
betrieben wird.
Eine Erlaubnis des Gouverneurs eröffnete mir den Zu tritt zu allen Festungswerken,
zum maurischen Schloß,
Oharesturm auf der höchsten Spitze des Berges.
zum
Bon boxtr
wo der Fels gegen Osten 1000 Fuß senkrecht abftürzt, blickt
man weit über die spanische Küste, auf die 10 000 Fuß hohen Schneegipfel der Sierra Nevada und auf die dunkelblaue Flut. Jenseits der Meerenge leuchten
die
afrikanischen Berge
von
Tanger und Zeuta hervor, und gegen Westen entfaltet sich die weite Bucht von Algesiras. man die Stadt,
des Meeres.
Wie auf der Landkarte übersieht
die Festungswerke und das herrliche Becken
Ich suchte mir ein Bild
einzuprägen, welches
ich in gleichem Reichtum nicht leicht wieder sehen werde.
Noch beleuchtete die untergehende Sonne prachtvoll den Hafen und die an
des
dem Berge emporsteigende Stadt, als ich englischen Dampfers „The Queen"
ein
schiffte, und kräftig arbeitete dieser gegen die Strömung
an.
mich
an Bord
Der Vollmond stieg aus dem Mittelmeer empor und zeigte die hohen Berge zweier Weltteile in hellem Schein.
Die Luft war
mild und labend, und das Wasser sprühte lichte Funken unter
den Schlägen der Ruder.
Bald fuhren wir an dem Leuchtturm
von Tarifa bei Trafalgar vorüber ins atlantische Meer, welches diesmal glatt wie ein Spiegel dalag.
Wie müde ich auch von
den
war,
vorhergegangenen
Anstrengungen
konnte ich
mich
doch spät erst entschließen, mich niederzulegen, und war vor
Sonnenaufgang schon wieder auf Deck, um das Einlaufen in den Hafen von Cadix zu sehen. II. Schloß Wiudsor.
London, den 14. Juni 1857. Ich machte vormittags einen einsamen Spaziergang durch
die schönen Umgebungen von Windsor.
Der längs der ganzen
Südküste von England vorherrschende Kalk- und Kreidefels ver schwindet im Innern und ist von späteren Gebirgsformationen
überlagert.
Irgend eine
vulkanische Erschütterung hat indes
am rechten Ufer der Themse, vier Meilen
oberhalb London,
einen vereinzelten Kalkfelsen durch die Erddecke emporgehoben.
Auf und aus diesem Felsen ist das gewaltige Schloß erbaut,
welches denn auch seine ganze Ausdehnung bedeckt.
Er mag
in seiner größten Länge wohl gegen 1000 Schritt, in der Breite
2—300 Schritt haben,
wird durch den riesenhaften Keep auf
künstlichem Erdaufwurf in
zwei große Höfe geteilt
und
er
hebt sich etwa 100 Fuß über die Felder und Wälder der Um gegend.
Nach drei Seiten fällt der Berg steil ab, besonders
gegen Osten zur Themse. ein einziges,
Man
darf sich Windsor nicht als
großes Gebäude vorstellen,
es sind eine ganze
Menge einzelner, meist turmartiger Bauten, rings umschlossen
von hohen, krenelierten Mauern.
Nur nach der von Süden
150 [IV]
Moltke.
Bismarck.
her vollkommen zugänglichen Seite,
einer
Rasenfläche mit einzelnen riesigen Eichen,
prächtigen
grünen
sind diese Türme
durch symmetrische Zwischenbauten zu einer eigentlichen Palast
form verbunden.
Vor
Terrasse von Windsor.
liegt die
derselben
sogenannte
große
Die Verschiedenheit der einzelnen Teile
erklärt sich schon aus den Zeiträumen von Jahrhunderten, die
An
zwischen ihrer Erbauung liegen.
den überaus zierlichen,
aber nicht sehr großen Bau Eduards III. von 1356 lehnt sich
der Georgs III.,
endete.
der fast 500 Jahre später das Ganze voll
Glücklicherweise hat man aber durch alle Zeitalter den
selben ursprünglichen Stil beibehalten und so ein harmonisches
Ganze geschaffen.
Selbst die sehr rohe Außenseite ist geblieben.
Das nur grob behauene Gestein nirgends übertüncht.
ist von grauer Farbe und
Die Fugen sind durch einen Kalk ver
bunden, dem man durch eine Beimischung von Kohle eine schwarze Farbe gegeben, und in welchen durchwegs schwarze Feuersteine
eingeklebt sind.
Es ist nicht zu leugnen, daß zum Beispiel die
Hauptfront durch Abputz ein außerordentlich viel reicheres und
prachtvolleres Aussehen
gewinnen
würde.
Das Ganze blickt
ungemein finster in unser zierliches Zeitalter. Die Fenster nach außen sind klein und schartenartig,- nur wo es darauf ankam, ein entsprechendes Licht in die Prachträume zu bringen, traten
dann jene großen balkonartigen Fenster hervor, zwischen deren
schöngeschnitzten
steinernen Pfosten
große Kristallscheiben
an
bracht sind.
Otto Fürst von Bismarck 41. Seda«.
(1815—1898).
Brief an seine Gemahlin. Bendresse, 3. September.
Mein liebes Herz!
Vorgestern vor Tagesgrauen
verließ ich mein
hiesiges
Quartier, kehre heute zurück und habe in der Zwischenzeit die
große Schlacht von Sedan am
1. erlebt, in der wir gegen
150 [IV]
Moltke.
Bismarck.
her vollkommen zugänglichen Seite,
einer
Rasenfläche mit einzelnen riesigen Eichen,
prächtigen
grünen
sind diese Türme
durch symmetrische Zwischenbauten zu einer eigentlichen Palast
form verbunden.
Vor
Terrasse von Windsor.
liegt die
derselben
sogenannte
große
Die Verschiedenheit der einzelnen Teile
erklärt sich schon aus den Zeiträumen von Jahrhunderten, die
An
zwischen ihrer Erbauung liegen.
den überaus zierlichen,
aber nicht sehr großen Bau Eduards III. von 1356 lehnt sich
der Georgs III.,
endete.
der fast 500 Jahre später das Ganze voll
Glücklicherweise hat man aber durch alle Zeitalter den
selben ursprünglichen Stil beibehalten und so ein harmonisches
Ganze geschaffen.
Selbst die sehr rohe Außenseite ist geblieben.
Das nur grob behauene Gestein nirgends übertüncht.
ist von grauer Farbe und
Die Fugen sind durch einen Kalk ver
bunden, dem man durch eine Beimischung von Kohle eine schwarze Farbe gegeben, und in welchen durchwegs schwarze Feuersteine
eingeklebt sind.
Es ist nicht zu leugnen, daß zum Beispiel die
Hauptfront durch Abputz ein außerordentlich viel reicheres und
prachtvolleres Aussehen
gewinnen
würde.
Das Ganze blickt
ungemein finster in unser zierliches Zeitalter. Die Fenster nach außen sind klein und schartenartig,- nur wo es darauf ankam, ein entsprechendes Licht in die Prachträume zu bringen, traten
dann jene großen balkonartigen Fenster hervor, zwischen deren
schöngeschnitzten
steinernen Pfosten
große Kristallscheiben
an
bracht sind.
Otto Fürst von Bismarck 41. Seda«.
(1815—1898).
Brief an seine Gemahlin. Bendresse, 3. September.
Mein liebes Herz!
Vorgestern vor Tagesgrauen
verließ ich mein
hiesiges
Quartier, kehre heute zurück und habe in der Zwischenzeit die
große Schlacht von Sedan am
1. erlebt, in der wir gegen
30,000 Gefangene machten und den Rest der französischen Armee,
der wir seit Bar le Duc nachjagten, wo
sie
sich
mit
Kaiser
dem
Gestern früh 5 Uhr,
in die Festung warfen,
kriegsgefangen
ergeben
mußte.
nachdem ich bis 1 Uhr früh mit Moltke
und den französischen Generälen über die abzuschließende Kapitu
lation verhandelt hatte, weckte mich der General Reille, den ich
kenne, um mir zu sagen, daß Napoleon mich zu sprechen wünschte. Ich ritt ungewaschen und ungefrühstückt gegen Sedan, fand den
Kaiser im 'offenen Wagen mit drei Adjutanten und Pferde daneben haltend. wie in
den Tuilerien und fragte nach seinen Befehlen.
daß Seine Majestät drei Meilen davon,
an dem Orte,
Auf Napoleons Frage,
wo ich jetzt schreibe, sein Quartier habe.
wohin er sich begeben solle,
Er
ich sagte ihm der Wahrheit ge
wünschte den König zu sehen,mäß,
drei zu
Ich saß ab, grüßte ihn^ebenso höflich
bot ich ihm,
da ich der Gegend
unkundig, mein Quartier in Donchery an, einem kleinen Orte
in der Nähe dicht bei Sedanseinen sechs Frailzosen,
er nahm es an und fuhr, von
von mir und von Karl,
der mir in
zwischen nachgeritten war, geleitet, durch den einsamen Morgen nach
unserer Seite zu.
Bor
dem Ort wurde es
wegen der möglichen Menschenmenge,
ihm leid,
und er fragte mich,
ob
er in einem einsamen Arbeiterhause am Wege absteigen könne,ich ließ es besehen durch Karl, der meldete, es sei ärmlich und unrein,- „N'importe" meinte N., und ich
gebrechliche enge Stiege hinauf.'
stieg
mit ihm eine
In einer Kammer von zehn
Fuß Gevierte, mit einem fichtenen Tische und zwei Binsenstühlen, saßen wir eine Stunde, die andern waren unten.
Ein gewal
tiger Kontrast mit unserm letzten Beisammensein,
67 in den
Tuilerien.
Unsere Unterhaltung war schwierig, wenn ich nicht
Dinge berühren wollte,
die den von Gottes gewaltiger Hand
Niehergeworfenen schmerzlich berühren mußten.
Ich hatte durch
Karl Offiziere aus der Stadt holen und Moltke bitten lassen zu kommen.
Wir schickten dann einen der ersteren auf Rekog
noszierung und entdeckten eine halbe Meile davon in Fresnois
ein kleines Schloß mit Park.
einer
inzwischen
herangeholten
Dorthin geleitete ich ihn
Eskorte
vom
mit
Leib-Kürassier-
Bismarck.
152 [IV]
Sybel.
Regimente, und dort schlossen wir mit dem französischen Obevgeneral Wimpffen die Kapitulation^ vermöge deren 40- bis 60,000
Franzosen, genauer weiß ich es noch nicht, mit allem, was sie haben, unsere Gefangenen wurden.
Der vor- und gestrige Tag
kosten Frankreich 100,000 Mann und einen Kaiser. ging
letzterer
mit
Heut früh
all seinen Hofleuten, Pferden und Wagen
nach Wilhelmshöhe bei Kassel ab. Es ist ein weltgeschichtliches Ereignis, ein Sieg, für den
wir Gott dem Herrn in Demut danken wollen, und der den Krieg entscheidet, wenn wir auch letzteren gegen das kaiserlose Frankreich fortführen müssen.
Mit herzlicher Freude ersah ich heut
Ich muß schließen.
aus Deinen und Marias Briefen Herberts Eintreffen bei Euch.
Bill sprach ich gestern,
wie schon telegraphiert,
und umarmte
ihn angesichts Seiner Majestät vom Pferde herunter, während er stramm im Gliede stand.
Er ist sehr gesund und vergnügt.
Hans und Fritz Karl sah ich, beide Bülow bei 2. G. Dr. wohl
und munter. Lebwohl, mein Herz!
Grüße die Kinder!
Dein v. B.
Heinrich von Sybel (1817-1895). 42. Charakterbild Kaiser Wilhelm I. Wilhelm, Prinz von Preußen, war sechzig Jahre alt, als er im Herbste 1857 die Leitung der Staatsgeschäfte als Stell
vertreter seines königlichen Bruders übernahm.
In seiner schlich
ten Weise hat er es später oft ausgesprochen: in jungen Jahren habe ich niemals an die Möglichkeit meiner Thronbesteigung ge
dacht,' ich habe damals gelernt, eine Infanteriedivision richtig zu führen, um Staatssachen aber habe ich mich wenig bekümmert.
In der That ging der junge Offizier in seinen militärischen Ar beiten mit Leib und Seele auf, zum Heile Preußens, denn unter tüchtiger Leitung ist der militärische Beruf eine treffliche Schule
für den künftigen Herrscher, durch die Gewöhnung an raschen
Bismarck.
152 [IV]
Sybel.
Regimente, und dort schlossen wir mit dem französischen Obevgeneral Wimpffen die Kapitulation^ vermöge deren 40- bis 60,000
Franzosen, genauer weiß ich es noch nicht, mit allem, was sie haben, unsere Gefangenen wurden.
Der vor- und gestrige Tag
kosten Frankreich 100,000 Mann und einen Kaiser. ging
letzterer
mit
Heut früh
all seinen Hofleuten, Pferden und Wagen
nach Wilhelmshöhe bei Kassel ab. Es ist ein weltgeschichtliches Ereignis, ein Sieg, für den
wir Gott dem Herrn in Demut danken wollen, und der den Krieg entscheidet, wenn wir auch letzteren gegen das kaiserlose Frankreich fortführen müssen.
Mit herzlicher Freude ersah ich heut
Ich muß schließen.
aus Deinen und Marias Briefen Herberts Eintreffen bei Euch.
Bill sprach ich gestern,
wie schon telegraphiert,
und umarmte
ihn angesichts Seiner Majestät vom Pferde herunter, während er stramm im Gliede stand.
Er ist sehr gesund und vergnügt.
Hans und Fritz Karl sah ich, beide Bülow bei 2. G. Dr. wohl
und munter. Lebwohl, mein Herz!
Grüße die Kinder!
Dein v. B.
Heinrich von Sybel (1817-1895). 42. Charakterbild Kaiser Wilhelm I. Wilhelm, Prinz von Preußen, war sechzig Jahre alt, als er im Herbste 1857 die Leitung der Staatsgeschäfte als Stell
vertreter seines königlichen Bruders übernahm.
In seiner schlich
ten Weise hat er es später oft ausgesprochen: in jungen Jahren habe ich niemals an die Möglichkeit meiner Thronbesteigung ge
dacht,' ich habe damals gelernt, eine Infanteriedivision richtig zu führen, um Staatssachen aber habe ich mich wenig bekümmert.
In der That ging der junge Offizier in seinen militärischen Ar beiten mit Leib und Seele auf, zum Heile Preußens, denn unter tüchtiger Leitung ist der militärische Beruf eine treffliche Schule
für den künftigen Herrscher, durch die Gewöhnung an raschen
Entschluß^ sichern Befehl und unbedingte Pflichterfüllung.
Aller
dings blieb dann seine Bildung für geraume Zeit eine einseitige,
wurde jedoch bei seinem ernsten Fleiß in ihrem Kreise um so
gründlicher.
Gründliche Arbeit aber
erzieht alle Kräfte
des
Geistes und macht sie geschickt, wo es erforderlich wird, auch auf früher unbekannten Gebieten sich bald zurecht zu finden. Er war ein gläubiger Christ, der mit einfacher Überzeugung auf
dem Bekenntnis der Vorfahren stand.
Seine Frömmigkeit war,
wie das Evangelium Matthäi am 6. es vorschreibt, ohne Prunken noch Kopfhängen, ohne Rechthaberei und Unduldsamkeit.
sie war das Brot seines Lebens, das Richtmaß seines Handelns.
Aber
der Trost seiner Schmerzen,
Aus seinem Glauben erwuchs
ihm ein unbedingtes Gottvertrauen, das sein ganzes Wesen er füllte und in allen Bedrängnissen aufrecht erhielt, dem alten Worte:
weil ich weiß,
ganz nach
daß ich ohnmächtig bin in
Gottes Hand, bin ich stark gegenüber aller Welt. So war er bis zur Ängstlichkeit gewissenhaft bei jeder Erwägung und ab
solut furchtlos bei jeder Gefahr.
Es war dies nicht bloß der
ritterliche Mut aus Nervenreiz oder Ehrliebe, die Worte Furcht und Gefahr hatten für ihn überhaupt keinen Sinn.
durch das Leben, niemals zagend,
Er schritt
niemals prahlend,
stets in
innerem Gleichgewicht. Er gehörte nicht zu den genialen oder dämonischen Naturen, welche entweder durch überragende Geisteskräfte dem Jahrhun
dert neue Bahnen vorzeichnen oder mit unwiderstehlicher Leiden schaft sich und ihr Volk von schwindelnder Höhe in furchtbare
Abgründe stürzen.
Nicht einmal geistreich in dem Sinne, wie
sein älterer Bruder geistreich war, wird man ihn nennen können. Sein ganzes Wesen war auf praktisches Wirken gerichtet und dazu befähigt-
er hatte die natürliche Gabe,
das Erreichbare
wahrzunehmen, und eine unbefangene Klarheit der Auffassung, welche sich namentlich in einer fast irrtumlosen Menschenkennt
nis bewährte.
Dazu kam eine seltene Verbindung von Festig
keit und Biegsamkeit des Geistes, wie sie den praktischen Staats
mann charakterisiert.
Bis an sein Lebensende blieb er uner
schütterlich in seinen konservativen Grundsätzen.
Weit entfernt
aber war der Prinz, hieraus die Notwendigkeit eines absolu tistischen Regiments zu folgern:
„Ich will nicht untersuchen,"
sagte er dem König Max von Bayern, „ob Konstitutionen heil
sam sind.
Aber wo sie existieren, soll man sie halten und nicht
durch gezwungene Interpretationen verfälschen. Die konstitu tionelle Idee, daß die Negierungsmaßregeln an die Öffentlich
keit gezogen und
das Volk gesetzlich
zur Teilnahme
an
der
Gesetzgebung berechtigt wird, ist in das Volksbewußtsein einge
drungen.
Diesem entgegenzutreten
Mißtrauen
des Herrschers
zu vergleichen.
ist sehr gefährlich, da das Volk
bekundet.
und Anziehen der Zügel ist
weises Nachlassen
zu befestigen.
gegen
es
Durch
die Regierung
Sie ist mit der Regulierung
eines Flußbettes
Man muß die Ufer sichern,
die Dämme nicht
zu eng und nicht zu weit machen, vor Allem nicht quer in den
Fluß hineinbauen. tige Mitte."
Hoffentlich treffen wir in Preußen die rich
Nicht minder bestimmt war seine Auffassung von
Preußens Stellung in Deutschland.
Wie sein Bruder, war er
nach seinen Jugenderinnerungen
von Herzen zu einer warmen Freundschaft mit dem österreichi schen Herrscherhause geneigt. Nur forderte er dabei die volle Gegenseitigkeit, die Gleichberecktigung Preußens und Österreichs,
die Anerkennung der Ehre und der Lebensbedingungen Preußens int deutschen Bunde: nie hätte er es sich gestaltet, aus Groß mut oder Edelsinn das kleinste der ihm anvertrauten Staats interessen seinen fürstlichen Brüdern Preis zu geben. Die Mängel
der deutschen Bundesverfassung lagen klar vor seinem Blicke, und
vom ersten Tage an bereitete
er seine Reformvorschläge vor.
Allerdings er selbst mit geringer Hoffnung auf Erfolg.
Einen
Krieg gegen Deutsche aber nur im Falle rechtloser Angriffe auf
Preußen, und nicht offensiv zur Neugestaltung des Bundes zu
beginnen, dieser Beschluß stand in seiner Seele fest — und hienach glaubte er, die Verwirklichung der deutschen Einheit selbst
nicht mehr zu erleben.
Im Begriffe, gegen die badischen Re
bellen 1849 in das Feld zu gehen, schrieb er am 20. Mai an
den General von Natzmer: „Wer Deutschland regieren will, muß es sich erobern.
Ob die Zeit dieser Einheit schon gekommen ist,
weitz Gott allein.
Daß Preußen bestimmt ist,
an die Spitze
von Deutschland zu kommen, liegt in unserer ganzen Geschichte — aber das Wann und das Wie?
Darauf kommt es an."
So stellte er denn diese deutschen Hoffnungen, welche fort dauernd sein Herz bewegten und fortdauernd durch seinen Rechts
sinn fern gehalten wurden,
der Zukunft anheim und wandte
seine ganze Kraft den nächsten Sorgen, der Verwaltung seines Preußen,
zu.
Die selbstlose,
rastlose Pflichttreue, welche er
hier bis zum letzten Atemzuge bewährte, greifenden Worte:
wie
seine Furchtlosigkeit
seines Wesens.
bis zu jenem er
ich habe keine Zeit müde zu sein — ruhte auf
der
religiösen
Grundstimmung
Vielleicht ohne den Aussptuch
Vorfahren zu kennen,
seines großen
der sich den ersten Diener des Staates
nannte, hielt er den Herrscher von Gott berufen, dem Wohle
seines Volkes zu dienen.
In diesem Dienste war er streng,
aber strenger gegen sich als gegen jeden andern. ergriff er mit unermüdlichem Fleiße-
Die Geschäfte
was ihm früher gleich
gültig gewesen, strebte er jetzt, als zu seinem Amt gehörig, zu lernen, und mit welchem Eifer hat er gelernt!
Als die große
Reform unserer Justizverfassung in Vorbereitung war, ließ er,
der Siebenzigjährige, sich noch einen Kursus über Rechtswissen schaft vortragen-
gewiß nicht,
sagte er,
um die Männer des
Faches zu meistern, aber um die Belehrung über etwaige Be
denken zu verstehen, und um doch einen Begriff davon zu haben, was durch meine Unterschrift Gesetzeskraft erhalten soll.
Nach
seinem Tode fand man unter seinen Papieren zahlreiche eng
geschriebene Bogen, bedeckt mit Auszügen aus allen Abschnitten
der ihm vorgelegten Entwürfe der Justizgesetze, Sinn und Bedeutung derselben sich
wodurch
klar gemacht hatte.
er Im
Vergleich mit seinem Bruder war ursprünglich sein ästhetisches
Interesse gering und das Maß seiner wiffenschaftlichen Kennt nisse bescheiden, aber auch hier wußte er, was dem Könige ob
liegt, und unter keiner frühern Regierung ist in Preußen so viel und so erfolgreich für Kunst und Wissenschaft gewirkt worden, wie unter der seinigen.
Und auch hier erweckte die anfangs aus
Pflichtgefühl übernommene Arbeit seinem empfänglichen Sinne
156 [IV]
Sybel.
Teilnahme und Freude an
er bei
Als
ihrem Gegenstände.
einem Königsmanöver die Rheinprovinz bereiste und die Düssel
dorfer Maler ihm ein glänzendes Künstlerfest gaben, schrieb er ihnen am folgenden Tage herzliche Dankesworte:
„Ich wurde
aus den Mühen der Gegenwart so freundlich in die
poetisch
verklärte Vergangenheit Deutschlands geführt, ich sah mich nach
der rauhen Arbeit der dem Schutze des Vaterlandes gewidmeten
Waffenübungen in eine
so
sinnig
geschaffene Märchenpracht
versetzt, daß ich mich nur schwer von diesem Reiche zauberischer
Mit gleich eingehendem
Gestaltung zu trennen vermochte."
Verständnis studierte er weiterhin
die Pläne für
das
neue
Reichstagsgebäude, und man weiß, wie er nach seinem praktischen Blicke wesentliche Verbesserungen desselben angegeben hat.
Die
Vollendung der Ausgrabungen in Olympia verdankt die Welt persönlichen Entscheidung.
seiner
So
ging
dies
durch
alle
Fächer hindurch: sein Leben war Arbeit, Arbeit in allen Ver
waltungszweigen, Arbeit für das Glück der anderen. Anlaß sich
bot,
war er bereit,
Wo der
königliche Pracht in vollem
Maß zu entfalten,- im eigenen Dasein aber war er äußerst mäßig
und einfach, ein abgehärteter Soldat und ein sparsamer Haus Sein persönlicher Verkehr war überall bei königlicher
halter.
Haltung von innerer Freundlichkeit durchdrungen- er wünschte, die stille Heiterkeit der eigenen Seele seiner ganzen Umgebung
mitzuteilen.
Für die Widersacher seiner Politik hatte er stets
das hohe Wort:
Männern,
Nichts vergessen und Alles vergeben!
Den
die er einmal seiner Freundschaft gewürdigt,
blieb
er ein unerschütterlich treuer Freund, und niemals ist in seinem Herzen
die Quelle
der
die
reinsten Freude,
Menschen geboten ist, versiegt, der Freude,
dem
irdischen
andern Freude zu
machen.
Als er zwanzig Jahre später auf der Höhe
der Macht
und der Erfolge stand und ein ruchloser Verbrecher einen Mord versuch gegen ihn gewagt hatte, konnte der erste und vertrau teste seiner Dieners von ihm sagen:
!) Fürst Bismarck zu General Grant.
„Da haben wir einen
Nach Grants Aufzeich-
Treitschke.
Shbel. (Äreis, einen
besten Menschen
der
strebt man ihm nach dem Leben. schen
von
dieser Erde,
trotzdem
und
Niemals gab es einen Men großmütigern
bescheidenern,
einem
Charakter als den Kaiser.
[IV] 157
und
humanern
Er unterscheidet sich ganz und gar
von den in so hoher Stellung geborenen Menschen oder doch von den meisten derselben.
Sie legen wenig Gewicht auf die
Empfindungen und Wünsche anderer-
ihrer Abstammung
sei vieles
sie meinen,
erlaubt-
Menschen
ganze Erziehung
ihre
scheint dahin zu zielen, in ihnen die menschliche Seele zu er sticken.
Der Kaiser hält sich nickt für einen solchen Olympier- im
Gegenteil, er ist in jeder Beziehung Mensch und unterzieht sich jeder menschlichen Pflicht.
Er hat nie in seinem Leben jemand
Unrecht gethan, nie das Gefühl eines anderen verletzt, nie sich
einer Härte schuldig
Er ist
gemacht.
einer jener Menschen,
deren gütiges Naturell die Herzen gewinnt,
der sich fort und
fort mit dem Wohle seiner Umgebung und seiner Unterthanen beschäftigt, geschmückt mit allen hohen Eigenschaften eines Für
sten und mit allen Tugenden eines Menschen.
Es ist unmög
lich, sich einen schönern und wohlthuendern Typus eines Edel
mannes zu denken."
Heinrich von Treitschke 43
(1834—1896).
Die Schlacht bei Belle-Alliance. i.
Auf den Höhen bei Belle-Alliance stellte Napoleon sein Heer auf, dahinter bei Rossomme die Reserve:
sein Plan war
einfach, durch einen oder mehrere Angriffe die Linien der Eng
länder zu durchbrechen, auf ihrem linken Flügel.
wo möglich an der schwächsten Stelle,
Da die unsicheren Feuerwaffen jener
Zeit dem Angreifer erlaubten, mit ungebrochener Kraft nahe an den Verteidiger heranzugelangen, so hoffte der Imperator durch
nung mitgetheilt von Simon: L’empereur Guillaume et son rögne (Anmerkung des Verfassers).
Treitschke.
Shbel. (Äreis, einen
besten Menschen
der
strebt man ihm nach dem Leben. schen
von
dieser Erde,
trotzdem
und
Niemals gab es einen Men großmütigern
bescheidenern,
einem
Charakter als den Kaiser.
[IV] 157
und
humanern
Er unterscheidet sich ganz und gar
von den in so hoher Stellung geborenen Menschen oder doch von den meisten derselben.
Sie legen wenig Gewicht auf die
Empfindungen und Wünsche anderer-
ihrer Abstammung
sei vieles
sie meinen,
erlaubt-
Menschen
ganze Erziehung
ihre
scheint dahin zu zielen, in ihnen die menschliche Seele zu er sticken.
Der Kaiser hält sich nickt für einen solchen Olympier- im
Gegenteil, er ist in jeder Beziehung Mensch und unterzieht sich jeder menschlichen Pflicht.
Er hat nie in seinem Leben jemand
Unrecht gethan, nie das Gefühl eines anderen verletzt, nie sich
einer Härte schuldig
Er ist
gemacht.
einer jener Menschen,
deren gütiges Naturell die Herzen gewinnt,
der sich fort und
fort mit dem Wohle seiner Umgebung und seiner Unterthanen beschäftigt, geschmückt mit allen hohen Eigenschaften eines Für
sten und mit allen Tugenden eines Menschen.
Es ist unmög
lich, sich einen schönern und wohlthuendern Typus eines Edel
mannes zu denken."
Heinrich von Treitschke 43
(1834—1896).
Die Schlacht bei Belle-Alliance. i.
Auf den Höhen bei Belle-Alliance stellte Napoleon sein Heer auf, dahinter bei Rossomme die Reserve:
sein Plan war
einfach, durch einen oder mehrere Angriffe die Linien der Eng
länder zu durchbrechen, auf ihrem linken Flügel.
wo möglich an der schwächsten Stelle,
Da die unsicheren Feuerwaffen jener
Zeit dem Angreifer erlaubten, mit ungebrochener Kraft nahe an den Verteidiger heranzugelangen, so hoffte der Imperator durch
nung mitgetheilt von Simon: L’empereur Guillaume et son rögne (Anmerkung des Verfassers).
158 [IV]
Treitschke.
ungeheuere Massenschläge den zähen Gegner niederzuringen. So begann die Schlacht — ein beständiges Vordringen und Zurückstuten der Angreifer gleich der Brandung am steilen Strande — bis dann das Erscheinen der Preußen in Napoleons Rücken und rechter Flanke den Schlachtplan des Imperators völlig umstieß. Der Kampf verlief wie eine planvoll gebaute Tragödie: zu Anfang eine einfache Verwicklung, dann gewaltige Spannung und Steigerung, zuletzt das Hereinbrechen des alles zermalmenden Schicksals. Der letzte Ausgang hinterließ in der Welt darum den Eindruck einer überzeugenden, unabwendbaren Notwendigkeit, weil ein wunderbares Geschick jeder der drei Nationen und jedem der Feldherrn genau die Rolle zugewiesen
hatte, welche der eigensten Kraft ihres Charakters entsprach: die Briten bewährten in der Verteidigung ihre kaltblütige, eiserne Ausdauer, die Franzosen als Angreifer ihren ritterlichen, unbändigen Mut, die Preußen endlich die gleiche stürmische Verwegenheit im Angriff und dazu,
was am schwersten wiegt,
die Selbstverleugnung des begeisterten Willens.
Napoleon rechnete mit Sicherheit auf einen raschen Sieg, da er die Preußen fern im Südosten bei Namur wähnte. Unter solchen Umständen schien es unbedenklich, den Angriff auf die
Mittagszeit zu verschieben, bis die Sonne den durchweichten Boden etwas abgetrocknet hätte. Um den Gegner zu schrecken und die Zuversicht des eigenen Heeres zu steigern, veranstaltete der Imperator im Angesichte der Engländer eine große Heerschau- krank wie er war, von tausend Zweifeln und Sorgen gepeinigt, empfand er auch wohl selber das Bedürfnis, sich das Herz zu erheben an dem Anblick seiner Getreuen. So oft er späterhin auf seiner einsamen Insel dieser Stunde gedachte, überkam es ihn wie eine Verzückung, und er rief: „Die Erde war stolz, so viel Tapfere zu tragen!" Und fo standen sie denn zum letzten Male in Parade vor ihrem Kriegsherrn, die Veteranen von den Pyramiden, von Austerlitz und Borodino,
die so lange der Schrecken der Welt gewesen und jetzt aus dem Schiffbruch der alten Herrlichkeit nichts gerettet hatten als ihren Soldatenstolz, ihre Rachgier und die unzähmbare Liebe
ihrem
Helden.
Die Trommler
schlugen
spielte das Partant pour la Syrie!
an,
die
Feldmusik
In langen Linien die
Bärenmützen der Grenadiere, die Roßschweifhelme der Kürassiere, die betroddelten Tschakos der Voltigeure, die flatternden Fähnchen der Lanciers, eines der prächtigsten und tapfersten Heere, welche die Geschichte sah.
Die ganze prahlerische Glorie des Kaiser
reichs erhob sich noch einmal, ein überwältigendes Schauspiel für die alten Soldatenherzen,-
noch einmal erschien der große
Kriegsfürst in seiner finsteren Majestät, so wie der Dichter sein
Bild kommenden Geschlechtern überliefert hat, mitten im Wetter
leuchten der Waffen zu Fuß, in den Wogen reitender Männer^ Die brausenden Hochrufe wollten nicht enden.
Zehn Stunden
noch, und dies herrliche Heer mit seinem Trotze, seinem Stolze, seiner wilden Männerkraft war vernichtet bis auf die
letzte
Schwadron.
II. Um
*/z12
Uhr begann Napoleon
die
Schlacht,
ließ
seinen linken Flügel gen das Schloß Goumont vorgehen, während er zugleich auf seiner Rechten die Anstalten für den entschei
Aber noch bevor diese Bewegung begann,
denden Stoß traf.
wurde der Imperator bereits durch eine unheimliche Nachricht
in der kalten Sicherheit seiner Berechnungen gestört. 1
um
Uhr
durch
aufgefangenen Brief,
einen
Er erfuhr
daß General
Bülow auf dem Marsche sei gegen die rechte Flanke der Fran zosen/ und während er auf der Höhe bei Roffomme an seinem
Kartentische stand,
glaubte er auch schon fern im Osten bei
dem hochgelegenen Dorfe Chapelle St. Lambert dunkle Truppen massen zu bemerken, die alsbald zwischen den Wellen des Bodens
wieder verschwanden.
Ein sofort ausgesendeter Adjutant be
Gewaltsam suchte der Kaiser sich zu
stätigte die Vermutung.
beruhigen und sendete vorläufig zwei Kavalleriedivisionen ost
wärts über den rechten Flügel der Schlachtstellung hinaus.
Es
war ja doch sicher nur das eine Korps Bülows, vielleicht nur ein Teil davon, und ehe die Preußen in die Schlacht eingreifen konnten, mußte Wellington geschlagen sein.
aber
sagte
Napoleon
mit
Heffel, Lesebuch IV. Prosa.
zuversichtlicher
Seinen Offizieren Miene,
Marschall
11
160 [IV]
Treitschke.
Grouchy ziehe zur Unterstützung der rechten Flanke herbei: die Armee durste von der Gefahr nichts ahnen. Währenddem war Erlon mit seinen vier Schlachthaufen vorgerückt,- schon während des Anmarsches erlitt er schwere Verluste, ganze Reihen in den tiefen Kolonnen wurden von den englischen Kanonenkugeln niedergerissen. Und jetzt ließ sich schon nicht mehr verkennen,
daß jedenfalls ein beträchtlicher Teil der Preußischen Armee im Anmarsch war und zwar in der Richtung auf das Dorf Plancenoit, das im Rücken des rechten Flügels der Franzosen lag. Aus Furcht vor dem Angriff der Preußen wagte der Im perator auch nicht mehr, die 24 Bataillone seiner Garde, die noch unberührt in Reserve standen, gegen die Engländer vor zuschicken, sondern beschloß, mit seiner gesamten Kavallerie das Zentrum Wellingtons zu durchbrechen: ein aussichtsloses Be ginnen, da die Hauptmasse des Fußvolks der Verbündeten noch unerschüttert war. Blücher war am Morgen von Wavre aufgebrochen. Die
alten Glieder wollten sich noch gar nicht erholen von dem bösen Sturze vorgestern, doch wer durste dem Helden heute von Ruhe und Schonung sprechen? Lieber, rief er aus, will ich mich auf dem Pferd festbinden lassen, als diese Schlacht versäumen! Wohlgemut ritt er inmitten der Regimenter, die sich mit un säglicher Anstrengung durch den tiefen Schlamm hindurch arbeiteten. Die Soldaten frohlockten, wo der Feldherr sich zeigte, traten mit lautem Zuruf an ihn heran, streichelten ihm die Knie,- er hatte für jeden ein ermunterndes Wort: „Kinder, ich habe meinem Bruder Wellington versprochen, daß wir kommen. Ihr wollt mich doch nicht wortbrüchig werden lassen?" Thielmann blieb mit dem dritten Armeekorps bei Wavre zurück, um den Rücken des Heeres gegen einen Angriff Grouchys zu
decken, der in der That am Nachmittag auf Wavre heranzog. Die übrigen drei Korps nahmen den Marsch auf Chapelle St. Lambert- um 10 Uhr waren die Spitzen, um 1 Uhr die Hauptmasse der Armee dort auf den Höhen angelangt. Gegen 4 Uhr ließ Bülow seine Truppen wohl verdeckt in und hinter dem Walde von Frichemont antreten: erst wenn eine genügende
Macht zur Stelle war,
sollte der überraschende Vorstoß er
In tiefem Schweigen rückten die Regimenter in ihre
folgen.
Stellungen ein-
die Generale hielten am Rande des Waldes
und verfolgten mit gespannten Blicken den Gang der Schlacht. Als einer der Offiziere meinte, der Feind werde nun wohl von -en Engländern ablassen, und um sich den Rückzug zu sichern,
feine Hauptmacht Gneisenau:
gegen
die Preußen werfen,
„Sie kennen Napoleon schlecht.
da
erwiderte
Er wird gerade
jetzt um jeden Preis die englische Schlachtlinie zu zersprengen
juchen und gegen uns nur das Notwendige verwenden." III. Und so geschah es.
Don Frichemont anlangten,
Noch ehe die Preußen bei dem Walde
zwischen 3 und 4 Uhr, hatte der
zweite große Angriff der Franzosen begonnen.
Ney sprengte
mit 14 Regimentern schwerer Reiterei auf der Westseite der Bandstraße gegen die Vierecke der englischen Garde und der
Division Alten im Zentrum heran.
Lange wogte der Kampf
unentschieden hin und her, aber das Fußvolk hielt unerschütter lich aus.
Endlich zurückgeworfen, zog Ney auch die Kavallerie
Kellermanns an sich,
so daß er jetzt '26 Reiterregimenter zu
erneutem Angriff heranführte,
die größte Reitermaffe, welche
dies kriegerische Zeitalter jemals an einer Stelle thätig gesehen chatte.
Der Boden dröhnte von dem Hufschlag von zehntausend
-Pferden, ein Wald von Säbeln und Lanzen bedeckte die Thal mulde, stundenlang schwankte das Gefecht, zehn-, zwölfmal ward
die Attake gegen einzelne Bataillone erneuert. Nochmals behielt die Standhaftigkeit des englischen und deutschen Fußvolks die Oberhand.
Auch
dieser Angriff schei
terte, die Schwadronen begannen zu weichen.
Auf den anderen Teilen des Schlachtfeldes gestaltete sich unterdessen der Gang der Ereigniffe weit günstiger für Napoleon.
Die Division Quiot, die schon an dem großen Angriff Erlons
lellgenommen hatte, ging von neuem vor, bestürmte die Meierei von La Haye Samte, und bald ergoß sich der Strom der An greifer weiter bis Mont St. Jean.
Die Mitte der Schlacht-
Treitschke.
162 [IV]
linie Wellingtons ward durchbrochen.
stieg.
jutakten
Hilfe.
Wellingtons Besorgnis
Schon seit mehreren Stunden hatte er wiederholt Ad-
an Blücher
gesendet mit
der
dringenden Bitte um
Kalt und streng stand er unter seinen Offizieren,
Uhr in der Hand, und sagte: „Blücher oder die Nacht!" Napoleon' jetzt im Stande war,
seine Garde gegen
die
Wenn
den er
schütterten linken Flügel der Engländer zu verwenden, so konnte ihm der Sieg nicht fehlen. In diesem verhängnisvollen Zeitpunkte begann der An
griff der Preußen.
Bereits klang fern vom Osten her, beiden
Teilen vernehmlich, Kanonendonner nach dem Schlachtfeld hin über — die erste Kunde von dem Gefechte, das sich bei Wavre,
im Rücken der Blücher'schen Armee, Grouchh entspann.
von Frichemont mittags,'
der
zwischen Thielmann und
Um die nämliche Zeit fiel vor dem Walde erste Schuß.
Es
war J/2 5 Uhr Nach
gerade fünf Stunden lang hatte die Armee Welling
tons den Kampf allein aushalten müssen.
BLlowS Batterien
fuhren staffelförmig auf den Höhen vor dem Walde auf:
ein
einzig schönes Schauspiel, wie dann die Brigaden des vierten
Korps mit Trommelklang und fliegenden Fahnen nacheinander
aus dem Gehölz heraustraten uud zwischen den Batterien hin durch sich in die Ebene gegen Planeenoit hinabsenkten.
Gneisenau fühlte sich in seinem ewig jungen Herzen wie bezaubert von der wilden Poesie des Krieges und
unterließ
selbst in seinem amtlichen Schlachtberichte nicht zu schildern, wie
herrlich dieser Anblick gewesen sei. Der Held von Dennewitz leitete den Angriff mit be sonnener Kühnheit wie in den großen Zeiten der Nordarmee.
Gleich
im Beginne des Gefechtes
Schwerin,
derselbe,
fiel
der allbeliebte Oberst
der vor einem Jahre der Hauptstadt die
Siegesbotschaft gebracht hatte.
Das Korps Lobaus ward zu
rückgedrängt, unaufhaltsam drangen die Preußen vorwärts auf
Planeenoit.
Die brandenburgischen Dragoner hieben auf die
Zurückweichenden ein, die Batterien des ersten Korps bestrichen weithin den rechten Flügel des Feindes, und bis in das fran
zösische Zentrum hinein verbreitete
sich
schon
kunde, dort auf der Rechten sei alles verspielt.
die Schreckens
Gegen sieben Uhr war die Schlacht für Napoleon un
zweifelhaft verloren.
Durch einen rechtzeitigen Rückzug konnte
noch mindestens die Hälfte des Heeres gerettet werden.
IV.
Es ergab sich aber notwendig aus dem Charakter des Imperators, daß er diesen Ausweg verschmähte und noch einen
dritten
allgemeinen Angriff
versuchte — diesmal nach zwei
Er ließ um sieben Uhr die 24 Bataillone
Seiten zugleich.
behielt nur zwei als letzte Reserve
seiner Garde heranrufen,
zur Hand, sendete zwölf nach Plancenoit gegen Bülow. übrigen zehn sollte Ney
zu einem neuen Angriff gegen das
englische Zentrum führen.
Mit stürmischem Hochruf eilten die
Bataillone bei Belle-Alliance an dem Imperator vorüber: war ja ihr Handwerk,
Die
den Sieg zu entscheiden.
es
Sie tauchen
dann in die unheimliche Bodenmulde hinab, wo dichte Haufen von Leichen und Pferden den Todesweg der französischen Reiter
bezeichnen, stürmen unter Trommelschlag, unbekümmert um die über die Felder,
ersteigen
den Abhang dicht vor der Front der britischen Garde.
Droben
Geschosse der englischen Batterien,
liegen indessen
Maitlands
Grenadiere
im Grase verborgen.
Als die ersten Bärenmützen auf der Höhe
weithin Wellingtons
durchdringender Ruf:
erscheinen, schallt
„Auf,
Garden!
fertig!" und mit einem Male steigt dicht vor den Augen der
entsetzten Franzosen eine rote Mauer auf, die lange Linie der englischen
Garde,
eine furchtbare
Salve kracht
auf wenige
Schritte Entfernung in die Reihen der Angreifer^ hinein.
kurzes wütendes Handgemenge,
Ein
dann werden die Blauen von
den Roten mit dem Bajonett den Abhang hinuntergeschleudert.
Neys Pferd bricht, von einer Kugel getroffen, unter dem Reiter zusammen, und wie sie den Führer fallen sehen,
hie Garden zur Flucht.
wenden sich
Der aber macht sich von seinem Tiere
los, springt auf, versucht mit zornigen Rufen die Weichenden
zu halten.
Umsonst-
denn mittlerweile sind die übrigen Ba
taillone weiter links zwischen zwei Feuer geraten und gehen' ebenfalls zurück.
Die Kaisergarde stiebt auseinander/
ihr un»
glücklicher Führer irrt barhaupt, mit zerbrochenem Degen, auf dem Schlachtfelde umher und sucht vergeblich die Kugel, die ihn von seiner Gewissensangst und seinen finstern Ahnungen er lösen soll. Indem hatte Blücher schon den Schlag geführt, der die Vernichtung des napoleonischen Heeres entschied. Die Truppen Bülows gingen in drei Kolonnen im Sturmschritt auf Plancenoit
vor»
In und neben dem Dorfe hielten jene zwölf frischen
Bataillone der Kaisergarde, und sie fochten mit dem höchsten Mute, denn alle fühlten, daß hier die Entscheidung des ganzen Krieges lag. Die anstürmenden Preußen sahen sich im freien Felde den Kugeln der Verteidiger, die in den Häusern und hinter den hohen Mauern des Kirchhofs verdeckt standen, schutz los preisgegeben. Dieser letzte Kampf ward fast der blutigste dieses wilden Zeitalters/ das Korps Bülows verlor in viertehalb Stunden 6353 Mann, mehr als ein Fünftel seines Be standes. Der erste und der zweite Sturm ward abgeschlagen > da führte Gneisenau selbst die schlesischen und pommerischen Regimenter zum dritten Male vorwärts, und jetzt, gegen 8 Uhr, drangen sie ein. Noch ein letzter wütender Widerstand in der Dorfgasse, dann entwich die Garde in wilder Flucht. Auf der ganzen Linie erklang in langgezogenen Tönen das schöne Signal der preußischen Flügelhörner: Avancieren! Zugleicher zeit ward weiter nördlich das Korps Lobaus von Bülows Truppen in der Front, von Zielens Reitern in der Flanke gepackt und völlig zersprengt. Die beiden Heerteile der Preußen, vereinigten sich hier/ der furchtbare Ring, der den rechten Flügel der Franzosen auf drei Seiten umklammern sollte, war geschlossen. Bon Norden drängten die Engländer, von Osten
und Süden die Preußen heran.
V. Die Geschlagenen ergriff ein wahnsinniger Schrecken. Kein Befehl fand mehr Gehör, jeder dachte nur noch an sein armes Leben. Fußvolk und Reiter wirr durcheinander, flohen aufgelösten Massen auf und neben der Landstraße südwärts/
die Troßknechte zerhieben die Stränge und sprengten hinweg, so daß die
240 Kanonen allesamt bis auf etwa 27 in die
Hände der Sieger fielen.
Selbst der Ruf:
L'Empereur!
der
sonst augenblicklich jeden Weg dem kaiserlichen Wagen geöffnet hatte, verlor heute seinen Zauber/ der kranke Napoleon mußte zu Pferde davonjagen, obgleich er sich kaum im Sattel halten
konnte.
Die Sonne war schon hinter dicken Wolken versunken,
als die beiden Feldherren vor dem Hofe von Belle-Alliance
zusammentrafen,' sie umarmten Vierziger und der
sich herzlich,
feurige Greis.
der bedachtsame
Nahebei hielt Gneisenau.
Endlich doch ein ganzer und voller Sieg!
Endlich doch eine
reine Vergeltung für allen Haß und alle Schmach jener ent setzlichen sieben Jahre!
Es sang und klang in seiner Seele,'
er dachte an das herrlichste der friederizianischen Schlachtfelder, das er einst von seiner schlesischen Garnison aus so oft durch ritten hatte.
„Ist es nicht gerade wie bei Leuthen?" sagte er
zu Bardeleben und sah ihn mit strahlenden Augen an.
wirklich,
Und
wie einst bei Leuthen bliesen jetzt die Trompeten das
Herr Gott, dich loben wir! und die Soldaten stimmten mit ein.
Aber Gneisenau dachte auch an die Schreckensnacht nach der Schlacht von Jena, da er die Todesangst eines geschlagenen Heeres, die dämonische Wirkung
mitangesehen.
einer nächtlichen Verfolgung
Noch gründlicher als einst an der Katzbach sollte
der Sieg ausgebeutet werden.
„Wir haben", rief er aus, „ge
zeigt, wie man siegt, jetzt wollen wir zeigen, wie man verfolgt!" Er befahl Bardeleben, mit einer Batterie den Fliehenden auf
den Hacken zu bleiben, immer aufs Geratewohl in das Dunkel
der Nacht hineinzuschießen, Er selber nahm,
fände.
mit sich,
damit der Feind nirgends Ruhe was von Truppen zur Hand war,
brandenburgische Ulanen und Dragoner, Infanterie
vom 15. und 25. und vom 1. pommerischen Regimente. So brauste die wilde Jagd auf der Landstraße dahin/
nirgends hielten die Flüchtigen Stand.
Erst bei Genappe ver
suchten die Trümmer der kaiserlichen Garde den Ulanen zu
widerstehen/ doch kaum erklang, gegen 11 Uhr, der Sturmmarsch
deS preußischen Fußvolks, so brachen sie auseinander.
General
166 [IV]
Trettschke.
Lobau und mehr als 2000 Mann gerieten hier in Gefangen schaft- auch der Wagen Napoleons mit seinem Hut und Degen ward erbeutet. Welche Überraschung, als man die Sitzkissen
aufhob:
der
große Abenteurer
hatte
sich
die Mittel sichern
wollen für den Fall der Flucht, den Wagen über und über
mit Gold und Edelsteinen angefüllt.
Die armen pommerischen Bauerburschen standen vor dem Glanze fast ebenso ratlos wie einst die Schweizer bei Nancy vor dem Juwelenschatze des Burgunderherzogs.
Mancher ver
kaufte einen kostbaren Stein für wenige Groschen.
Das präch^-
tige Silbergeschirr des Imperators behielten die Offiziere der Fünfundzwanziger und schenkten
der Lieblingstochter ihres
es
Königs als Tafelschmuck. Gneisenau aber und Prinz Wilhelm (der Ältere) ritten nach kurzem Verschnaufen rastlos weiter. Als sein Fußvolk nicht mehr weiter konnte, ließ Gneisenau einen Trommler auf ein Beutepferd aufsitzen-
der mußte schlagen,
was das Kalbfell aushalten wollte, und weiter ging es mit den Wie viele Scharen der Franzosen sind
Ulanen allein.
dann
noch vor dem Klange dieser einzigen Trommel auseinander ge
laufen !
Die Straße war übersäet mit Waffen, Tornistern und
allerhand Getrümmer.
schöpften Verfolger ein.
Nach Sonnenaufgang hielten
die er
Sie hatten die Zerrüttung des feind
lichen Heeres so bis zur völligen Auflösung gesteigert, daß sich von den Kämpfern von Belle-Alliance nur 10 000 Mann, lauter
ungeordnete Haufen, nachher in Paris wieder zusammen fanden.
Mit stolzen Worten dankte Blücher dem unübertrefflichen Heere, das ermöglicht habe, was alle großen Feldherren bisher für unmöglich gehalten hätten: „So lange es beschichte giebt, wird
sie euer gedenken.
Auf euch, ihr unerschütterlichen Säulen der
preußischen Monarchie, ruht mit Sicherheit das Glück eures Königs
und
seines Hauses.
Nie
wird Preußen untergehen,
wenn eure Söhne und Enkel euch gleichen!"
sagte befriedigt:
Gneisenau aber
„Die Franzosen ahnen nicht bloß, sie wissen
jetzt, daß wir ihnen überlegen sind."
Wilhelm Oncken
(geboren 1838).
44. Bismarcks siebzigster Geburtstag. Die große Nationalfeier, die am 1. April 1885 zu Ehren
des Fürsten Bismarck stattfand,
des siebzigsten Geburtstags
ward von dem Kaiser selbst in wahrhaft kaiserlicher Weise et«
Pünktlich um elf Uhr erschien Seine Majestät, gefolgt
öffnet.
von dem Kronprinzen und den andern hier anwesenden Prinzen in
dem Reichskanzlerpalais
An
der Wilhelmstraße.
in
Treppe empfing Fürst Bismarck seinen erlauchten Besuch.
herzlichen,
der
In
gerührten und rührenden Worten brachte ihm der
Kaiser seine Glückwünsche dar.
Dann geleitete Fürst Bismarck
die Herrschaften nach dem Saale,
wo das von der kaiserlichen
Familie gewidmete Geburtstagsgeschenk: Die Kaiserproklamation in Versailles, Gemälde von Anton v. Werner,
stand.
noch
verhüllt
Die ganze Familie Bismarck war in dem Zimmer ver
Die drei Enkel des Fürsten standen in anmutiger
sammelt.
Der Kaiser schob die Verhüllung zurück und be
Gruppe da.
gann eine kleine Ansprache,
die Dienste,
worin er den Fürsten dankte für
die er ihm geleistet.
seine Stimme.
Da erstickte die Rührung
Fürst Bismarck faßte
und bückte sich tief,
die Hand
um sie zu küssen,
des Kaisers
da zog ihn der Kaiser
an sich und küßte ihn auf beide Wangen und die Stirne,- bei den glänzten Thränen in den Augen. war tief bewegt.
Dann trat
Die ganze Versammlung
der Kronprinz an den Reichs
kanzler heran urid beglückwünschte ihn seinerseits auf das herz lichste.
Die Gedanken und Empfindungen aber, die den Kaiser
bei dieser Begegnung erfüllten, las die Nation in dem wunder bar schönen Briefe, der wörtlich lautete:
Berlin, 1. April 1885.
Mein lieber Fürst!
Wenn sich
in dem deutschen Lande und Volke das warme Verlangen zeigt, Ihnen bei der Feier Ihres 70. Geburtstages zu bethätigen, daß die
Erinnerung an alles, was Sie für die Größe des Vaterlandes gethan haben, in so vielen Dankbaren lebt, so ist es mir ein
Grimm.
Oncken.
168 [IV]
tiefgefühltes Bedürfnis, Ihnen heute auszusprechen, wie hoch es
mich erfreut,
daß solcher Zug des Dankes und der Verehrung
für Sie durch die Nation geht.
Es freut mich das für Sie
als wahrlich im höchsten Maße verdiente Anerkennung, und es erwärmt
mir das Herz,
daß
solche Gesinnungen
großer Verbreitung kund thun,'
der Gegenwart,
sich
in
so
denn es ziert die Nation in
und es stärkt die Hoffnung auf die Zukunft,
wenn sie Erkenntnis für
das Wahre
und Große
zeigt, und
wenn sie ihre hochverdienten Männer feiert und ehrt.
An
solcher Feier
teilzunehmen,
ist
und
mir
meinem
Hause eine besondere Freude, und wünschen wir Ihnen durch beifolgendes Bild auszudrücken, mit welchen Empfindungen dank barer Erinnerung wir dies thun- denn dasselbe vergegenwärtigt einen der größten Momente der Geschichte des Hohenzollern-
hauses, dessen niemals gedacht werden kann, ohne sich zugleich auch Ihrer Verdienste zu erinnern.
Sie, mein lieber Fürst, wissen, wie in mir jederzeit das vollste Vertrauen, die aufrichtigste Zuneigung und das wärmste
Dankgefühl für Sie leben wird! diesem nichts,
Ihnen sage ich daher mit
was ich Ihnen nicht oft genug ausgesprochen
habe, und ich denke, daß dieses Bild noch Ihren späten Nach
kommen vor Augen stellen wird,
daß Ihr Kaiser und König
und sein Haus sich dessen wohl bewußt waren, was wir Ihnen zu
danken haben!
Mit diesen
Gesinnungen
und Gefühlen
endige ich diese Zeilen als über das Grab hinausdauernd Ihr dankbar treu ergebener Kaiser und König Wilhelm.
Litteraturgeschichte und Kunstgeschichte.
Die Brüder Jakob Grimm (1785—1863) und Wilhelm Grimm (1786—1859).
45. Das Märchen. Wir finden es wohl, wenn von Sturm und anderem Un
glück,
das der Himmel schickt, eine ganze Saat zu Boden ge-
Grimm.
Oncken.
168 [IV]
tiefgefühltes Bedürfnis, Ihnen heute auszusprechen, wie hoch es
mich erfreut,
daß solcher Zug des Dankes und der Verehrung
für Sie durch die Nation geht.
Es freut mich das für Sie
als wahrlich im höchsten Maße verdiente Anerkennung, und es erwärmt
mir das Herz,
daß
solche Gesinnungen
großer Verbreitung kund thun,'
der Gegenwart,
sich
in
so
denn es ziert die Nation in
und es stärkt die Hoffnung auf die Zukunft,
wenn sie Erkenntnis für
das Wahre
und Große
zeigt, und
wenn sie ihre hochverdienten Männer feiert und ehrt.
An
solcher Feier
teilzunehmen,
ist
und
mir
meinem
Hause eine besondere Freude, und wünschen wir Ihnen durch beifolgendes Bild auszudrücken, mit welchen Empfindungen dank barer Erinnerung wir dies thun- denn dasselbe vergegenwärtigt einen der größten Momente der Geschichte des Hohenzollern-
hauses, dessen niemals gedacht werden kann, ohne sich zugleich auch Ihrer Verdienste zu erinnern.
Sie, mein lieber Fürst, wissen, wie in mir jederzeit das vollste Vertrauen, die aufrichtigste Zuneigung und das wärmste
Dankgefühl für Sie leben wird! diesem nichts,
Ihnen sage ich daher mit
was ich Ihnen nicht oft genug ausgesprochen
habe, und ich denke, daß dieses Bild noch Ihren späten Nach
kommen vor Augen stellen wird,
daß Ihr Kaiser und König
und sein Haus sich dessen wohl bewußt waren, was wir Ihnen zu
danken haben!
Mit diesen
Gesinnungen
und Gefühlen
endige ich diese Zeilen als über das Grab hinausdauernd Ihr dankbar treu ergebener Kaiser und König Wilhelm.
Litteraturgeschichte und Kunstgeschichte.
Die Brüder Jakob Grimm (1785—1863) und Wilhelm Grimm (1786—1859).
45. Das Märchen. Wir finden es wohl, wenn von Sturm und anderem Un
glück,
das der Himmel schickt, eine ganze Saat zu Boden ge-
schlagen wird,
daß noch bei niedrigen Hecken oder Sträuchen,
die am Wege stehen, ein kleiner Platz sich gesichert hat und eiyzelne Ähren aufrecht geblieben sind. Scheint dann die Sonne wieder günstig,
so
wachsen sie einsam und unbeachtet fort:
keine frühe Sichel schneidet sie für die großen Vorratskammern, aber im Spätsommer, wenn sie reif und voll geworden, kommen arme Hände, die sie suchen, und Ähre an Ähre gelegt, sorg fältig gebunden und höher geachtet,
als sonst ganze Garben,
werden sie heim getragen, und winterlang sind sie Nahrung,
vielleicht auch der einzige Samen für die Zukunft.
So ist es uns vorgekommen, wenn wir gesehen haben, wie von so vielem, was in früherer Zeit geblüht hat, nichts mehr übrig geblieben,
verloren war,
selbst die Erinnerung daran fast ganz
als unter dem Volke Lieder,
ein paar Bücher,
Sagen und diese unschuldigen Hausmärchen.
Ofen,
Die Plätze am
der Küchenherd, Bodentreppen, Feiertage noch gefeiert,
Triften und Wälder in ihrer Stille, vor allem die ungetrübte
die sie gesichert und einer
Phantasie sind die Hecken gewesen,
Zeit aus der anderen überliefert haben.
Wir wollen diese Märchen nicht rühmen oder gar gegen eine entgegengesetzte Meinung verteidigen: reicht hin,
sie zu schützen.
wieder von neuem erfreut,
Was
ihr bloßes Dasein
so mannigfach und immer
bewegt und belehrt hat, das trägt
seine Notwendigkeit in sich und ist gewiß aus jener ewigen Quelle gekommen,
die alles Leben betaut,
und wenn es auch
nur ein einziger Tropfen wäre, den ein kleines, zusammenge-
haltcnes Blatt gefaßt hat,
so schimmert er doch in dem ersten
Morgenrot.
Darum geht innerlich durch diese Dichtungen jene Reinheit,
um derentwillen uns Kinder so wunderbar und selig erscheinen: sie haben gleichsam dieselben blaulichweißen, makellosen, glänzen
den Augen,
die nicht mehr wachsen können, während die an
deren Glieder noch zart, schwach und zum Dienste der Erde
ungeschickt sind.
Das ist der Grund, warum wir durch unsre
Sammlung nicht bloß der Geschichte der Poesie und Mytho
logie einen Dienst erweisen wollten,
sondern es zugleich Ab-
170 [IVJ
Grimm.
sicht war, daß die Poesie selbst,
die darin lebendig ist, wirke
und erfreue, wen sie erfreuen kann, also auch, daß es als ein Erziehungsbuch diene.
46. Die Sage. Es wird dem Menschen von Heimatswegen ein guter Engel beigegeben,
der ihn, wenn er ins Leben auszieht, unter der
vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet/ wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen,
wenn er die Grenze des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt.
Diese wohlthätige Begleitung ist das unerschöpfliche
Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen frischen und
belebenden Geist nahe zu bringen streben.
eigenen Kreis.
Jedes hat
Das Märchen ist poetischer,
seinen
die Sage histori
scher/ jenes stehet beinahe nur in sich selber fest, in seiner an
geborenen Blüte und Vollendung/
die Sage,
von einer ge
ringeren Mannigfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem hafte, an einem
Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen.
Aus
dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich dem Märchen,
überall zu Hause sein könne,
sondern irgend eine Bedingung
voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvoll
kommener vorhanden sein würde.
Kaum ein Flecken wird sich
in ganz Deutschland finden, wo es nicht ausführliche Märchen
zu hören gäbe, manche, an denen die Bolkssagen nur dünn und sparsam gesät zu sein pflegen.
und Unbedeutendheit zugegeben,
weit eigentümlicher/
Diese anscheinende Dürftigkeit
sind sie dafür innerlich auch
sie gleichen den Mundarten der Sprache,
in denen hin und wieder sonderbare Wörter und Bilder aus
uralten Zeiten hangen geblieben
sind, während
die Märchen
ein ganzes Stück alter Dichtung so zu sagen in einem Zuge zu uns übersetzen.
Die Märchen nähren unmittelbar,
wie die Milch, mild
und lieblich, oder der Honig, süß und sättigend, ohne irdische
Schwere/ dahingegen die Sagen schon zu einer stärkeren Speise
170 [IVJ
Grimm.
sicht war, daß die Poesie selbst,
die darin lebendig ist, wirke
und erfreue, wen sie erfreuen kann, also auch, daß es als ein Erziehungsbuch diene.
46. Die Sage. Es wird dem Menschen von Heimatswegen ein guter Engel beigegeben,
der ihn, wenn er ins Leben auszieht, unter der
vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet/ wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen,
wenn er die Grenze des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt.
Diese wohlthätige Begleitung ist das unerschöpfliche
Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen frischen und
belebenden Geist nahe zu bringen streben.
eigenen Kreis.
Jedes hat
Das Märchen ist poetischer,
seinen
die Sage histori
scher/ jenes stehet beinahe nur in sich selber fest, in seiner an
geborenen Blüte und Vollendung/
die Sage,
von einer ge
ringeren Mannigfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem hafte, an einem
Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen.
Aus
dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich dem Märchen,
überall zu Hause sein könne,
sondern irgend eine Bedingung
voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvoll
kommener vorhanden sein würde.
Kaum ein Flecken wird sich
in ganz Deutschland finden, wo es nicht ausführliche Märchen
zu hören gäbe, manche, an denen die Bolkssagen nur dünn und sparsam gesät zu sein pflegen.
und Unbedeutendheit zugegeben,
weit eigentümlicher/
Diese anscheinende Dürftigkeit
sind sie dafür innerlich auch
sie gleichen den Mundarten der Sprache,
in denen hin und wieder sonderbare Wörter und Bilder aus
uralten Zeiten hangen geblieben
sind, während
die Märchen
ein ganzes Stück alter Dichtung so zu sagen in einem Zuge zu uns übersetzen.
Die Märchen nähren unmittelbar,
wie die Milch, mild
und lieblich, oder der Honig, süß und sättigend, ohne irdische
Schwere/ dahingegen die Sagen schon zu einer stärkeren Speise
dienen,
eine einfachere, aber desto entschiedenere Farbe tragen
und mehr Ernst und Nachdenken fordern.
Der Geschichte stellen
sich beide, das Märchen und die Sage, gegenüber, insofern sie
das sinnlich Natürliche und Begreifliche stets mit dem Unbegreif
lichen mischen.
glauben
Die Kinder
an
die Wirklichkeit der
Märchen, aber auch das Volk hat noch nicht ganz aufgehört, an seine Sagen zu glauben,
viel darin-
und sein Verstand sondert nicht
sie werden ihm aus den angegebenen Unterlagen
genug bewiesen, d. h. das unleugbar nahe und sichtliche Dasein der letzteren überwiegt noch den Zweifel über das damit ver
knüpfte Wunder.
Um alles menschlichen Sinnen Ungewöhnliche, Natur eines Landstrichs besitzt,
was die
oder wessen ihn die Geschichte
gemahnt, sammelt sich ein Duft von Sage und Lied, wie sich
die Ferne des Himmels blau anläßt und zarter, feiner Staub um Obst und Blumen
Zusammenwohnen
setzt.
mit Felsen,
Aus
dem Zusammenleben und
Seen,
Trümmern,
Bäumen,
Pflanzen entspringt bald eine Art von Verbindung, die sich auf die Eigentümlichkeit jedes dieser Gegenstände gründet und zu
gewissen Stunden ihre Wunder zu vernehmen
berechtigt
ist.
Wie mächtig dies dadurch entstehende Band sei, zeigt an natür lichen Menschen jenes herzzerreißende Heimweh.
Ohne diese sie
begleitende Poesie müßten edele Völker vertrauern und
ver
gehen- Sprache, Sitte und Gewohnheit würde ihnen eitel und
unbedeckt dünken, ja, hinter allem, was sie besäßen, eine ge wisse Einfriedigung fehlen.
Auf solche Weise verstehen wir das
Wesen und die Tugend der deutschen Volkssage,
welche Angst
und Warnung vor dem Bösen und Freude an dem Guten mit gleichen Händen austeilt. Noch geht sie an Örter und Stellen,
die unsere Geschichte längst nicht mehr erreichen kann,
vielmal
aber fließen sie beide zusammen und untereinander- nur daß
man zuweilen die an sich untrennbar gewordene Sage, wie in Strömen
das
aufgenommene
grünere Wasser
Flusses, noch lange zu erkennen vermag.
eines
andern
172 [IV]
Grimm.
47. Goethe und Schiller. (Aus Jakob Grimms Rede auf Schiller.) Längst waren uns Sprache und Dichtkunst
frühen Vorzeit ausgestorben,
der eignen
und nur Trümmer.sind
davon
übrig geblieben, die lebensvollen Gedichte des Mittelalters drückte
träge Vergessenheit-
als endlich der Staub wieder von ihnen
abgeschüttelt wurde,
vermochten sie nicht mehr warm an das
Volk zu treten, aus dessen Augen das Bild einer großen, ein heimischen Poesie entschwunden gewesen wäre,
hätten es nicht
plötzlich zwei fast unmittelbar am Horizont des vorigen Jahr
aufleuchtende Gestirne hergcstellt und unsern Stolz
hunderts
von neuem emporgerichtet.
Ohne
sie
hätte
unsere Litteratur
doch nur niedere Stufen einnehmen können, durch sie ist sie zu
den höchsten erhoben worden.
Nach langem Ausruhen brachte
die Natur diese beiden Genien hervor,
deren Glanz sich über
die Grenzen ihres Vaterlandes, über das gesamte Europa aus breitet,
das ihnen nichts mehr an die Seite zu stellen hat-
ihre Werke sind bereits vorgedrungen in alle Sprachen,
denen
heute die Macht lebendiger, ausgebildeter Rede beiwohnt.
Was
Goethe und Schiller stehen sich so nahe auf
braucht es mehr?
der erhabenen Stelle,
die sie einnehmen,
wie im Leben selbst,
das sie eng und unauflöslich zusammen verband, daß unmöglich fiele, in der Betrachtung sie voneinander zu trennen.
Zwar
geht Goethe an Alter seinem Genoß um zehn Jahre voraus und überlebte den zu früh Geschiedenen noch zwanzig Jahre hin.
Nachdem,
sich nicht näher
wie zu geschehen pflegt,
getreten
und
fast
aus
sie erst eine zeitlang
dem Wege
gewichen
waren, wurde ihr Beisammensein wiederum ein volles Jahrzehnt
desto vertrauter und gewissermaßen sich bedingend.
anfangs Schillers
treibende Kraft
gemieden,
Hatte Goethe
dieser
in jenes
Ruhe sich nicht gleich finden können, so äußerten nachher beide,
in ergiebigster Fruchtbarkeit ihrer Werke begriffen, wechselsweise förderlichen, für unsere Litteratur den heilsamsten Einfluß auf
einander.
In vielem einverstanden oder auch sich verständigend,
wandelte jeder von ihnen seine eigne Bahn,
und je sichtbarer
172 [IV]
Grimm.
47. Goethe und Schiller. (Aus Jakob Grimms Rede auf Schiller.) Längst waren uns Sprache und Dichtkunst
frühen Vorzeit ausgestorben,
der eignen
und nur Trümmer.sind
davon
übrig geblieben, die lebensvollen Gedichte des Mittelalters drückte
träge Vergessenheit-
als endlich der Staub wieder von ihnen
abgeschüttelt wurde,
vermochten sie nicht mehr warm an das
Volk zu treten, aus dessen Augen das Bild einer großen, ein heimischen Poesie entschwunden gewesen wäre,
hätten es nicht
plötzlich zwei fast unmittelbar am Horizont des vorigen Jahr
aufleuchtende Gestirne hergcstellt und unsern Stolz
hunderts
von neuem emporgerichtet.
Ohne
sie
hätte
unsere Litteratur
doch nur niedere Stufen einnehmen können, durch sie ist sie zu
den höchsten erhoben worden.
Nach langem Ausruhen brachte
die Natur diese beiden Genien hervor,
deren Glanz sich über
die Grenzen ihres Vaterlandes, über das gesamte Europa aus breitet,
das ihnen nichts mehr an die Seite zu stellen hat-
ihre Werke sind bereits vorgedrungen in alle Sprachen,
denen
heute die Macht lebendiger, ausgebildeter Rede beiwohnt.
Was
Goethe und Schiller stehen sich so nahe auf
braucht es mehr?
der erhabenen Stelle,
die sie einnehmen,
wie im Leben selbst,
das sie eng und unauflöslich zusammen verband, daß unmöglich fiele, in der Betrachtung sie voneinander zu trennen.
Zwar
geht Goethe an Alter seinem Genoß um zehn Jahre voraus und überlebte den zu früh Geschiedenen noch zwanzig Jahre hin.
Nachdem,
sich nicht näher
wie zu geschehen pflegt,
getreten
und
fast
aus
sie erst eine zeitlang
dem Wege
gewichen
waren, wurde ihr Beisammensein wiederum ein volles Jahrzehnt
desto vertrauter und gewissermaßen sich bedingend.
anfangs Schillers
treibende Kraft
gemieden,
Hatte Goethe
dieser
in jenes
Ruhe sich nicht gleich finden können, so äußerten nachher beide,
in ergiebigster Fruchtbarkeit ihrer Werke begriffen, wechselsweise förderlichen, für unsere Litteratur den heilsamsten Einfluß auf
einander.
In vielem einverstanden oder auch sich verständigend,
wandelte jeder von ihnen seine eigne Bahn,
und je sichtbarer
diese abwichen, desto mehr ist ihnen gelungen, sich auf das Er freulichste auszufüllen und zu ergänzen.
Ohne Zweifel äußern Landesart und in frühen Jugend
jahren eingesogne, um nicht zu sagen angeborne Gewöhnungen
in dem übrigen Leben unauslöschliche Wirkung-
deshalb liegt
es für die nähere Beleuchtung der Eigentümlichkeit beider Dichter
nicht
ab,
von
einem
landschaftlichen
Unterschied
auszugehn.
Riehl in seinem schönen Buche von den Pfälzern, in welchen er fränkisches und alemannisches Blut, doch mit Vorgewicht des
ersten, gemischt findet und absondert, hat den heutigen Franken für rührig, geschmeidig, lebensklug erklärt, den Alemannen, von
Schwaben bis in die Schweiz hinein, für stolz, trotzig, grübelnd, demokratisch.
Nun erscheint uns auch Schiller ein empfind
samer, phantasiereicher, freidenkender Schwab, Goethe ein Franke, mild,
gemessen,
heiter,
strebsam,
der tiefsten Bildung offen.
Man darf weiter gehen und diese Beiwörter zunächst noch in andere ihnen entsprechende oder verwandte umsetzen- jenen sehen
wir dem sentimentalen,
dramatischen Element,
diesen hingegen
dem naiven und epischen zugewandt, Schiller wird idealistisch,
Goethe realistisch gesinnt, Schiller farbiger, Goethe einfacher heißen dürfen, und sollte hier einmal eine Ähnlichkeit aus unsrer
älteren Poesie
würde
anschlagen, so
sich Goethes kristallene
Klarheit mit Gottfriede von Straßburg, Schillers geistiger Auf
flug mit dem Wolframs von Eschenbach wohl vergleichen lassen. Bedeutsam aber und aufs Glücklichste vermittelnd war,
daß
sie beide nach Thüringen gezogen wurden und in diesem, mehr als sonst ein andres deutsches, Lande ihr Leben zubrachten,
freundlichen und anmutenden
gerade wie schon im Mittelalter
der thüringische Hof deutsche Sänger aller Gegenden um sich
versammelt, in Schutz und Pflege genommen hatte.
August Hagen (1797—1880). Die Singeschule der Nürnberger Meistersinger.
48.
[In dem Buche Norica, d. h. Nürnberger Geschichten, lätzt der Berfaffer den Kaufmann Jakob Heller aus Frankfurt a. M., in dessen Auftrag Albrecht Dürer ein berühmtes Heiligenbild gemalt hat, seine Erlebnisse auf einer Reise nach Nürnberg erzählen, um das Jahr 1518. Unter anderm berichtet er Folgendes]:
Ich ging in meiner Stube auf und ab, indem ich auf das Ich sah durch das Fenster und erblickte ein
Frühstück wartete.
Seil, das von St. Sebald nach dem Rathause gezogen war und
woran mitten ein gemaltes Schild hing. Alle Mühe, die ich mir gab, die Figuren darauf zu erkennen, war vergeblich, und
ich war im Begriff, zum Schenkwirt hinunter zu gehn und mir Bescheid zu holen. Peter Vischer,
In demselben Augenblick trat in mein Zimmer
der jüngere.
Er begrüßte
mich und meldete
mir, daß heute dem Kaiser zu Ehren eine Festschule gehalten
Ich sah ihn stutzig an, dann aber erinnerte ich mich,
würde.
daß
der
Peter Vischer
holdseligen Meistersingerkunst
beflissen
wäre, und ich wußte mir seine Worte zu erklären und zugleich, was es mit dem Aufhängen der Tafel für ein Bewenden hätte.
Peter erzählte mir,
lichen
Festen
teil
daß durch das Schild alle, nähmen,
zu
der
die an erbau
Singeschule eingeladen
würden.
Unterdes war das Frühstück hereingetragen, und Bischer
ließ es sich gefallen,
dasselbe mit mir zu teilen.
Er erzählte
mir über die Entstehung und das Wesen der Meistersingerkunst gar vieles, dem ich gern ein aufmerksames Ohr lieh:
„Der
Meistersinger
hohe
Schule ist
Mainz,
Töchterschulen sind Nürnberg und Straßburg.
und
berg ward seit lange die holdselige Kunst besser gepflegt, irgendwo.
Wie
vor
fünfzig Jahren
der
die
Aber in Nürn
als
Briefmaler Hans
Rosenplüt und der Barbier Hans Folz berühmt war, so jetzt der Leineweber Leonhard
Nunnenbeck und
vor
allen
dessen
Schüler, Hans Sachs, der Schuhmacher." — „Was haben jene
Figuren auf der Tafel zu bedeuten?" fragte ich ihn.
Tafel",
erwiderte er,
„Auf der
„seht Ihr oben ein Wappen mit einer
Krone, das ist der Meistersinger Wappen, und darunter zwölf Männer,
die
einen Garten
bestellen,
wildes Tier zunichte macht. berühmten Sänger,
deren Mühe aber ein
Die zwölf Männer sind die zwölf
die die erste Singeschule einrichteten,
und
das wilde Tier ist der Neid, der von außenher, und die Zwie tracht, die von innenher ihrem Gedeihen schadet.
Beruf
durchdrungen,
sangen
die
zwölf
Vom heiligen
Männer
die
Lieder,
Gott wohlgefällig waren und den Menschen angenehm.
Der
Kaiser Otto der Große, erlauchten Andenkens, bestätigte ihren Bund und
schenkte ihnen ein Wappen mit der Krone.
Sie
unterrichteten Jünglinge, und die Schüler wurden wieder Meister und so bis auf unsere Zeit.
Wer die Kunst erlernen will, der
geht zu einem Meister, der wenigstens einmal in der Singehalle
den Preis gewonnen hat, und dieser unterweist ihn unentgclb lich.
Er weiht ihn ein in die Geheimnisse der Tabulatur,
nennen wir die Gesetze der Dichtkunst.
begriffen,
so
Hat der Lehrling diese
so bittet er die Gesellschaft um seine Aufnahme,
er von löblichen Sitten sei und guten Willen zeige.
da
Der Auf
genommene muß alsdann den Singestuhl in der Kirche besteigen und eine Probe seiner Kunst ablegen. wird sein Wunsch gewährt.
Gelingt sie ihm,
so
Feierlich gelobt er, der Kunst stets
treu zu sein, die Ehre der Gesellschaft wahrzunehmen, sich stets
friedlich zu betragen und kein Meisterlied durch Absingen auf der Gasse zu entweihen.
Dann zahlt er das Einschreibegeld und
giebt zwei Maß Wein zum besten.
Bei den gewöhnlichen Ver
sammlungen der Meistersinger, und wenn sie sich in der Schenke zusammenfinden,
sind weltliche Lieder wohl erlaubt,
in den Festschulen.
nie aber
Die Festschulen finden dreimal im Jahre
statt, zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten in der Katharinen kirche.
Hier werden nur Gedichte vorgetragen,
deren Inhalt
aus der Bibel oder den heiligen Sagen geschöpft ist.
Wer am
fehlerfreisten singt, wird hier mit einer goldenen Kette geschmückt,
und mit einem Kranze, wer nach ihm am besten besteht.
grybe Fehler dagegen nachgewiesen werden, Hessel, Lesebuch IV.
Prosa.
Wem
der muß es durch 12
So fließt das Leben der Meistersinger unter
Strafgeld büßen.
erbaulichen Gesängen hin,
Kreise abgerufen wird,
einer aus dem frohen
und wenn
so versammeln sich seine Genossen um
sein Grab und singen ihm das letzte Lied." Da jetzt die Ratsuhr schlug, hatte
gemeint,
er würde
mich
Allein Vischer versprach mir,
so brach Vischer auf.
zur Katharinenkirche
um eine Stunde zurückzukehren,
da er erst andere Tracht anlegen müsse.
Er hielt Wort und
erschien jetzt ganz in schwarze Seide gehüllt,
schmackvollen Baret.
Ich
führen.
mit einem
ge
Um das Fehlgehn hatte es keine Not, da
man nur dem Zuge der Menschen zu folgen brauchte, die alle nach der Festschule strömten.
leins hielt der Kirchner zu
Am Eingänge des kleinen Kirch
einem Trinkgelde die Mütze
auf.
Das geschah darum, daß nicht alles Gesindel sich hineindrängte
und ehrliche Leute um die Erbauung brächte. Die Kirche war im Innern schön aufgeputzt,
und vom
Chor, den der Kaiser einnehmen sollte, hing eine kostbare Pur purdecke herab.
Gar feierlich nahm sich der Verein der edlen
Meistersinger aus, so umher auf den Bänken saßen, teils lang
bärtige Greise, die aber noch alle rüstig erschienen, teils glatte
Jünglinge, die aber alle so still und ernst waren- als wenn sie Alle prangten
zu den sieben Weisen Griechenlands gehörten.
in Seidengewändern grün, falteten Spitzenkragen.
befand
sich
blau und
Unter den stattlich gekleideten Meistern
auch Hans Sachs
und
Größere Ruhe herrscht nicht beim Vischer sprachen,
schwarz mit zierlich ge sein Lehrer Nunnenbeck.
Nur ich
Hochamte.
der mir alles erklären mußte.
Kanzel befand sich der Singestuhl.
und
Neben der
Nur kleiner war er, sonst
wie eine Kanzel, den die Meistersinger auf ihre Kosten hatten bauen lassen, und der heute mit einem bunten Teppich geschmückt war.
Vorne im Chor sah man ein niedriges Gerüst aufge
schlagen, worauf ein Tisch und ein Pult stand.
Dies war das
Gemerke, denn hier hatten diejenigen einen Platz, die die Fehler anmerken mußten, welche die Sänger in der Form, gegen die
Gesetze der Tabulatur, und im Inhalt,
gegen die Erzählung
der Bibel und der Heiligengeschichten begingen.
Diese Leute
hietzen Merker, und ihrer gab es drei.
Obgleich das Gemerk
mit schwarzen Vorhängen umzogen war, so konnte ich doch von meinem Sitz^ aus alles beobachten, was hier vorging, und ich sah an der einen Seite des Gerüstes die goldene Kette mit
vielen Schaustücken hangen, die der Davidsgewinner hieß, und
Len Kranz, der aus seidenen Blumen bestand. Jetzt rasselte es vor dem Eingänge, und der Kaiser Maxi
milian mit dem ganzen Gefolge erschien
und zeigte sich
gnädig, indem er milde vom Chor hernieder sah.
gar
Aber er ver
weilte nicht lange, denn ihm schien die holdselige Singekunst nicht smderlich zu behagen. Als der Kaiser sich zeigte, so geriet alles in lebhafte Be
wegung.
Ein greiser Meister betrat den Singestuhl, und vom
Gemerkt
erscholl
das Wort:
Fanget an!
Es
war Konrad
Nachtigall, ein Schlosser, der so sehnsüchtig und klagend sang,
Laß er seinen Namen wohl mit Recht
führte.
Vom
himm
lischen Jerusalem und von der Gründung des neuen sagte er viel Schönes in gar künstlichen Reimen und Redensarten.
dem Gemerke sah
wie
ich,
einer
der Meister
in
Auf
der Bibel
nachlas, der andere an den Fingern die Silben abzählte und -er dritte aufschrieb, zuflüsterten.
was diese beiden ihm von Zeit zu Zeit
Aber auch die Meister unten waren aufmerksam
nnd in stiller Thätigkeit.
Alle trieben mit den Fingern ein
närrisches Spiel, um genau die Versmaße wahrzunehmen.
An
ihrem Kopfschütteln erkannte ich, daß der Sprecher hie und da
ein Versehen begangen.
Nach dem Meister Nachtigall kam die
Reihe an einen Jüngling,
Fritz Kothner, einen Glockengießer,
der hatte die Schöpfungsgeschichte zum Gegenstand seines Gebichtes
gewählt.
baß es gut war.
Aber
hier
hieß
es
nicht:
Und Gott sahe,
Denn der Arme war verlegen,
es wollte
nicht gehn, und ein Merker hieß ihm, den Singestuhl zu ver laffen.
Der Meister hat versungen, raunte mir Vischer zu,
und da ich ihn fragte,
warum man ihn nicht hätte sein Stück
zu Ende bringen lassen, so erklärte er mir, daß er ein Laster
begangen.
Mit diesem Namen belegten nämlich
der Tabulatur einen Verstoß gegen
die Reime.
die Kenner
Dergleichen
Hagen.
178 [IV]
wunderliche Benennungen für Fehler gab es viele,
als blinde
Die Be
Meinung, Klebsilbe, Stutze, Milbe, falsche Blumen.
zeichnungen der verschiedenen Tonweisen waren gar absonder lich,
als die Schwarz-Tintenweise,
weise,
die
Cupidinis
die abgeschiedene Vielfraß-
Handbogen-Weise.
der Hageblüt-
In
Weise ließ sich jetzt vom Singestuhl herab Leonhard Nunnen-deck vernehmen, ein ehrwürdiger Greis im schwarzen Gewände. Sein Kopf war glatt,
wie meine innere Hand,
Kinn schmückte ein schneeweißer Bart.
und nur das-
Alles bewunderte ihn^.
wie er gemäß der Apokalypse den Herrn beschrieb, Stuhl der Löwe, der Stier, der Adler und
an dessen.
der Engel ihm
Preis und Ehre und Dank gaben, der da thronet und lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit, wie die vier und zwanzig Ältesten, ihre Krone vor den Stuhl niederlegten und Preis und Ehre
und Dank ihm
gaben,
durch
dessen Willen
alle Dinge
ihr-
Wesen haben und geschaffen sind, und wie sie ihre Kleider hell gemacht haben im Blute des Lammes, wie die Engel, die um den Stuhl, um die Ältesten und um die vier Tiere standen^
auf ihr Angesicht niederfielen und Gott anbeteten. Als Nunnenbeck endigte, da waren alle voller Entzücken^
und namentlich leuchtete aus Hans Sachsens Gesicht hell die Freude hervor. sein.
Er rühmte sich des Lehrers,
wie der Lehren
Mir gefiel auch das Gedicht, das aber wohl mehr erhaben
als schön war. Da trat als der vierte und letzte Sänger wieder ein
Jüngling auf.
Was der sagte, war so recht nach meinem Sinn.
Er gehörte auch zur Weberzunft und hieß Michael Behaim, ber
mancherlei
Länder
(Böhme) genannt,
war.
gesehn.
Sein
Vater
hatte
sich
Behaim
da er aus Böhmen nach Franken gezogen
Mit rastloser Anstrengung übte sich unser Behaim in ber
Singkunst und verglich sich mit Recht mit einem Bergmannes
der mühsam gräbt und sucht, um edles Gold zu fördern.
Nie
war er früher in einer Festschule aufgetreten, da er nicht anders als mit Ruhm den Singestuhl besteigen wollte.
Sonder Zweifel-
hätte Michael Behaim den ersten Preis errungen, wenn nicht Nunnenbeck vorher gesungen.
Da Michael Behaim das Gedicht vorgetragen hatte,
verließen die Merker ihren Sitz.
so
Der erste trat zu Nunnen-
beck, und mit einem langen Glückwunsch hing er ihm den Davids-gewinner um, und der zweite Merker zierte Behaims Haupt mit -dem Kranze,
der ihm ganz wohl stand.
Diese Gaben waren
-aber nicht Geschenke, sondern nur Auszeichnungen für die Feier -es Tages. Das Fest in der Kirche war beendigt-, und alle drängten sich jetzt mit aufrichtiger Teilnahme zu den Begabten,
um ihnen freudig die Hände zu drücken.
August Friedrich Christian Vilmar (1800—1868).
49. Das deutsche Volkslied. Alle wahre Kunst, die des Wortes, wie des Bildes und
des Tones, ist tiefes Bedürfnis des menschlichen Geistes, nicht
Spiel der Willkür.
Diejenigen Erscheinungen der Poesie sind
also immer die bedeutendsten und ansprechendsten, welche die
wenigsten Spuren der Willkür, die meisten Zeugnisse eines tiefen,
reinen Bedürfnisses an sich tragen.
Und wo könnte es sich deut
licher offenbaren, daß Poesie aus einem solchen kräftigen, gesunden
Naturdrange des Geistes hervorgehe, als da, wo dieselben Dich
tungen weit und breit in ähnlicher Gestaltung entstehen, wie die
Keime des Frühlings und die Blüten des Mais aller Orten in gleicher Weise unaufhaltsam hervorbrechen, und wie der Finken
schlag und Nachtigallengesang aus der Brust der Sänger mit »oller, ungehemmter Lust hervorquillt? wo alle oder doch eine
große Mehrzahl Gleichgesinnter und Gleichgestimmter dasselbe Be dürfnis fühlen? wo sie in den angeschlagenen Ton sofort mit «instimmen? wie im Vorfrühling bei Sonnenuntergang von einem
unbelaubten Baumgipfel das einsame Lied der Drossel erklingt, bald aber derselbe Klang von Wipfel zu Wipfel in immer lauteren,
helleren, jubelnden Tönen getragen wird, bis der ganze Wald
gleichsam in einen fröhlichen Frühlingsgesang zusammenstimmt, oder wie im grünen Dunkel des Gebüsches der Amselschlag dem Amselschlag mit langhingezogenem Wiederhall antwortet.
Da Michael Behaim das Gedicht vorgetragen hatte,
verließen die Merker ihren Sitz.
so
Der erste trat zu Nunnen-
beck, und mit einem langen Glückwunsch hing er ihm den Davids-gewinner um, und der zweite Merker zierte Behaims Haupt mit -dem Kranze,
der ihm ganz wohl stand.
Diese Gaben waren
-aber nicht Geschenke, sondern nur Auszeichnungen für die Feier -es Tages. Das Fest in der Kirche war beendigt-, und alle drängten sich jetzt mit aufrichtiger Teilnahme zu den Begabten,
um ihnen freudig die Hände zu drücken.
August Friedrich Christian Vilmar (1800—1868).
49. Das deutsche Volkslied. Alle wahre Kunst, die des Wortes, wie des Bildes und
des Tones, ist tiefes Bedürfnis des menschlichen Geistes, nicht
Spiel der Willkür.
Diejenigen Erscheinungen der Poesie sind
also immer die bedeutendsten und ansprechendsten, welche die
wenigsten Spuren der Willkür, die meisten Zeugnisse eines tiefen,
reinen Bedürfnisses an sich tragen.
Und wo könnte es sich deut
licher offenbaren, daß Poesie aus einem solchen kräftigen, gesunden
Naturdrange des Geistes hervorgehe, als da, wo dieselben Dich
tungen weit und breit in ähnlicher Gestaltung entstehen, wie die
Keime des Frühlings und die Blüten des Mais aller Orten in gleicher Weise unaufhaltsam hervorbrechen, und wie der Finken
schlag und Nachtigallengesang aus der Brust der Sänger mit »oller, ungehemmter Lust hervorquillt? wo alle oder doch eine
große Mehrzahl Gleichgesinnter und Gleichgestimmter dasselbe Be dürfnis fühlen? wo sie in den angeschlagenen Ton sofort mit «instimmen? wie im Vorfrühling bei Sonnenuntergang von einem
unbelaubten Baumgipfel das einsame Lied der Drossel erklingt, bald aber derselbe Klang von Wipfel zu Wipfel in immer lauteren,
helleren, jubelnden Tönen getragen wird, bis der ganze Wald
gleichsam in einen fröhlichen Frühlingsgesang zusammenstimmt, oder wie im grünen Dunkel des Gebüsches der Amselschlag dem Amselschlag mit langhingezogenem Wiederhall antwortet.
Ein solches Einstimmen und Mitsingen setzen auch unsere Volkslieder voraus: in ihren bestimmten Kreisen sind sie eine£
solchen fröhlichen, klingenden
aus der tiefsten Brust der Genossen hervor
Wiederhalles
gewiß-
es sind Lieder
der Gemein
schaft und Geselligkeit, und so kündigen sie sich auch an:
als
Lieder der Landsknechte, der freilich rohen, aber in Streit und
Sturm, in Kampf und Krieg, in Lieb und Leid, in Not und
Tod treulich verbundenen, leichtsinnig fröhlichen Kriegsgenossen,
die mit lustigem, weitschallendem Gesänge auf und ab durch alle Gauen des deutschen Vaterlandes zogen und voll
brennender
Kriegslust heute vor Bünterlin (Pontarlier), morgen vor Nancys
und dann wieder vor Pavia im Tiergarten standen, freudig ihre
Haut zu Markte trugen, ihre Mahlzeit mit Spießen anrichteten
und mit Hellebarden schmalzten und auch die blutigen Wunden und die schwerste Verstümmelung (wenn ihnen ein Flügel vom Leibe gehauen war) mit lustigen Scherz- und Spottliedern be
gleiteten, wie einst in der grauen Vorzeit des gewaltigen Helden
tums der Sage der grimme Hagen von Tronei und Walther von Lengers am Wasichenstein
des ausgestochenen Auges unb
der abgehauenen Hand mit trotzigem Scherze gespottet hatten^
Andere Lieder kündigen sich an als Reiterliedlein, und sie atmen, den frischen, freien und leichten Sinn des „Hänselein, das über
die grüne Heide ausritt"- an den mutigen Rossen, die da wohl „hinten
zelten
und
traben" -
an
dem
lustigen Dahinfliegen
durch den grünen Wald und die weite, breite Heide, über die
Rennsteige und Weinstraßen- an dem. hohnneckenden Kampf mit
den Städtern und dem geordneten Reichsregimente- freilich auch an Beute und — Raub-
mit einem Worte,
sie atmen
den.
Sinn und Mut der Reitergesellen, der uns aus Götz von Ber-
lichingen und Hans von Selbitz, aus Lerse und Georg als ein Hauch des frischesten,
wahrsten Lebens entgegenweht.
Ebenso
sind die Bergreihen Gemeinschaftslieder der frommen und fleißigen Knappschaften, die zusammenstanden zum Morgengebet im Zechen-
hcms- zusammenstanden im dunkeln Schoß der Erde am müh seligen Tagewerke- zusammen an Feiertagen zu heiterm Gesang von dem funkelnden Erze der Tiefe und von
den lieblichen
Jungfrauen und treuen Gattinnen der heitern Oberwelt- die zusammenstanden, auch wenn der letzte Feiertag herankam und
das einstürzende Gewölbe der finstern Halde die im Leben Ver
bundenen auch im grauenvollen Tode vereinigte.
Ebenso verhält es sich mit den Jägerliedern, den Trink liedern,
den Mailiedern und endlich auch mit den zahlreichen
Liebesliedern, welche alle zusammen in der Zeit,
als sie ent
standen, als „gute Gesellenliedlein" zusammengefaßt
die fröhliche Gesellschaft der zusammen Gehörenden, des Handwerks, wie des Trinkhauses, ist der Kreis,
dem Tanzboden,
der
wurdenam Tische
auf der Jagd,
wie auf
in dem sie entstehen,
der sie
freudig mit lautem Wiederhall ant
versteht,
und
wortet.
Ein allgemeines, formloses Publikum, wie den heutigen
ihnen
Dichtern, stand den Sängern des Volksliedes nicht vor Augen:
es ist ein bestimmter,
aber dem Dichter in Leben, Sinn und
Sitte nahe verwandter Kreis, den sie vor sich haben, und daher
rührt
konkrete Anschaulichkeit,
die
die Wahrheit,
welche aus
diesen Liedern, selbst aus denen geringeren Wertes uns so an
sprechend
entgegen tritt, zum
Volkslieder,
größten Teile her.
den wir seit Herders Zeit für
Der Name
diese Dichtungen
gebrauchen, war damals gar nicht vorhanden- es gab eben nur
Landsknechtslieder,
Reiterliedlein,
Bergreihen
und
gute
Ge
sellenliedlein.
Wilhelm Heinrich Riehl
(1823—1897).
50. Ludwig Richter, der Maler des deutschen Hauses. Mir deucht, wir haben seit dem sechzehnten Jahrhundert
keinen Künstler besessen, der das Haus- und Familienleben des deutschen Volkes so tief durchempfunden und so treu im Bilde
wiedergespiegelt
hat, wie Ludwig Richter
Holzschnittzeichnungen.
in
seinen zahllosen
Darum hat sich auch das deutsche Volk
alsbald zu Hause gefühlt in seinen Bildern-
er ist der volks
tümlichste Zeichner der Gegenwart geworden.
In den tausend
Jungfrauen und treuen Gattinnen der heitern Oberwelt- die zusammenstanden, auch wenn der letzte Feiertag herankam und
das einstürzende Gewölbe der finstern Halde die im Leben Ver
bundenen auch im grauenvollen Tode vereinigte.
Ebenso verhält es sich mit den Jägerliedern, den Trink liedern,
den Mailiedern und endlich auch mit den zahlreichen
Liebesliedern, welche alle zusammen in der Zeit,
als sie ent
standen, als „gute Gesellenliedlein" zusammengefaßt
die fröhliche Gesellschaft der zusammen Gehörenden, des Handwerks, wie des Trinkhauses, ist der Kreis,
dem Tanzboden,
der
wurdenam Tische
auf der Jagd,
wie auf
in dem sie entstehen,
der sie
freudig mit lautem Wiederhall ant
versteht,
und
wortet.
Ein allgemeines, formloses Publikum, wie den heutigen
ihnen
Dichtern, stand den Sängern des Volksliedes nicht vor Augen:
es ist ein bestimmter,
aber dem Dichter in Leben, Sinn und
Sitte nahe verwandter Kreis, den sie vor sich haben, und daher
rührt
konkrete Anschaulichkeit,
die
die Wahrheit,
welche aus
diesen Liedern, selbst aus denen geringeren Wertes uns so an
sprechend
entgegen tritt, zum
Volkslieder,
größten Teile her.
den wir seit Herders Zeit für
Der Name
diese Dichtungen
gebrauchen, war damals gar nicht vorhanden- es gab eben nur
Landsknechtslieder,
Reiterliedlein,
Bergreihen
und
gute
Ge
sellenliedlein.
Wilhelm Heinrich Riehl
(1823—1897).
50. Ludwig Richter, der Maler des deutschen Hauses. Mir deucht, wir haben seit dem sechzehnten Jahrhundert
keinen Künstler besessen, der das Haus- und Familienleben des deutschen Volkes so tief durchempfunden und so treu im Bilde
wiedergespiegelt
hat, wie Ludwig Richter
Holzschnittzeichnungen.
in
seinen zahllosen
Darum hat sich auch das deutsche Volk
alsbald zu Hause gefühlt in seinen Bildern-
er ist der volks
tümlichste Zeichner der Gegenwart geworden.
In den tausend
Szenen, in welchen Richter die Plage und das Glück des häus lichen Lebens malt,
hat die Nation jenen deutschen Familien
geist verkörpert wiedergeschaut, den sie besitzen sollte und großen teils nicht mehr besitzt.
Möge hier die Kunst eine Prophetin
neuer Entwickelungen sein!
Es klingt uns aus Richters Zeich
nungen ein Ton entgegen, wie eines Volksliedes: der Stoff ist
aus dem täglichen Leben gegriffen, die Behandlung die natür
lichste, und doch liegt ein dichterischer Zauber über diesen Dar
stellungen, den man nicht definieren, den man auch nicht nach ahmen kann,
ohne der Meister selber zu sein.
Jeder meint,
gerade so würde er es auch gezeichnet haben,' und doch kann es kein anderer gerade so zeichnen. Richter schlägt
fast
alle Akkorde
in
der
der
deutschen
Häuslichkeit gewurzelten, volkstümlichen Gemütlichkeit an. tolle Treiben Jugend,
die
der Kinderstube,
schwärmerische Minne
Hochzeitzüge und Kindtaufen,
Das der
die Last der häuslichen
Arbeit und das Behagen des gesegneten Mahles im Familien kreise, die Not der armen Hütte und den Schmerz des Trauer hauses: — das alles und unzähliges andere weiß er mit weni
gen, empfundenen Bleistiftzügen wie ein Gedicht vor uns hin zustellen.
Und
Hauses ist,
weil
er
der
geborene
Maler
des
deutschen
drum hat er auch den Hund so lieb und hat ihn
in hundertfältig verschiedener Charakteristik überall seinen Men schen
beigesellt und
dieses Tier
des Hauses
origineller,
viel
seitiger und poetischer behandelt, als wohl irgend ein moderner Meister.
Mit den drolligen Hunden ist ihm
deutsche Spießbürger am possierlichsten gelungen.
dann auch
der
Ein Ehepaar
mit einer Rotte Kinder zu zeichnen, die nichts weiter thun, als am Mittagstisch Empfindung,
Kartoffeln essen,
und
eine solche Tiefe
der
des göttlichen und menschlichen Friedens in ein
solches Bildchen zu legen,
wie es Richter bei mehreren Dar
stellungen der Art gethan, das vermag nur ein deutscher Meister,
ein Meister, welcher die ganze Bedeutung des Hauses für das deutsche Volksleben selber durchgelebt hat.
Richter legt seine
Szenen wohl auch gerne in den Frieden des Waldes oder in
'die
weite Landschaft gesegneter Feldfluren
oder in
heimliche
Gartenlauben:
da merken wir es seinen idealeren
aber auch
Mguren sogleich an,
daß sie in einem deutschen Hause daheim
sind und den Frieden dieses Hauses mitgebracht haben in Wald
und Feld und Garten. ^Richter giebt uns jedoch in der Regel nicht geradezu das moderne Haus,
er läßt gerne etwas von
der Romantik mittelalterlichen Lebens oder von dem schlichten Ernst altväterlicher Zustände in diese neue Welt herüberleuchten.
Ja,
es ist uns mitunter,
als gebe er weniger ein Bild des
jetzigen Hauses, denn ein Märchen vom deutschen Hause, welches anhebt mit den Worten: /,Es war einmal . .
Doch zeichnet
er wiederum auch nicht die Gestalten aus der „guten alten Zeit," wie sie wirklich gewesen sind,
er verschmelzt bloß
Motive mit den modernen Erscheinungen.
guten
ihre
So möchte ich die
Sitte des Hauses in der Wirklichkeit verjüngen helfen durch die Wiederaufnahme der verklärten guten Sitten der Vergangenheit, wie
es Richter
seinen Zeichnungen
als Künstler in
gethan.
Denn die alte Zeit mag ich gerne die gute alte Zeit nennen, aber immer in der Voraussetzung, daß unsere Zeit die bessere sei.
51. Rohrau. Ich
ging
von
Hamburg
Ein Idyll. —
der
letzten
Donaustadt — stromaufwärts nach Petronell
reindeutschen
und
bog
dann
gen Süden auf den Feldweg, welcher über einen flachen Höhen rücken nach Rohrau an der Leitha führt.
Schon aus ziemlicher
Ferne erblickt man die niedrigen Strohdächer des Dorfes, vorn überragt von der Turmruine der
1865 abgebrannten Kirche,
im Hintergründe von Baumgruppen des gräflich harrachischen
Schloßparks. Die sanft zur Leitha absteigende Thalsenkung ist baumlos, mit feuchten Äckern und nassen Wissen rechts und
links,
die Flußuser sind eben,
und Schilf und Rohr erinnern
oft genug an den Namen des Dorfes.
Wir denken uns den Geburtsort großer Künstler so gern mit landschaftlicher Poesie geschmückt, und da sieht dann dieses
Rohrau, von Norden betrachtet, gar nicht darnach aus, als ob es die Wiege
eines
der
besten Meister deutscher Kunst,
und
Gartenlauben:
da merken wir es seinen idealeren
aber auch
Mguren sogleich an,
daß sie in einem deutschen Hause daheim
sind und den Frieden dieses Hauses mitgebracht haben in Wald
und Feld und Garten. ^Richter giebt uns jedoch in der Regel nicht geradezu das moderne Haus,
er läßt gerne etwas von
der Romantik mittelalterlichen Lebens oder von dem schlichten Ernst altväterlicher Zustände in diese neue Welt herüberleuchten.
Ja,
es ist uns mitunter,
als gebe er weniger ein Bild des
jetzigen Hauses, denn ein Märchen vom deutschen Hause, welches anhebt mit den Worten: /,Es war einmal . .
Doch zeichnet
er wiederum auch nicht die Gestalten aus der „guten alten Zeit," wie sie wirklich gewesen sind,
er verschmelzt bloß
Motive mit den modernen Erscheinungen.
guten
ihre
So möchte ich die
Sitte des Hauses in der Wirklichkeit verjüngen helfen durch die Wiederaufnahme der verklärten guten Sitten der Vergangenheit, wie
es Richter
seinen Zeichnungen
als Künstler in
gethan.
Denn die alte Zeit mag ich gerne die gute alte Zeit nennen, aber immer in der Voraussetzung, daß unsere Zeit die bessere sei.
51. Rohrau. Ich
ging
von
Hamburg
Ein Idyll. —
der
letzten
Donaustadt — stromaufwärts nach Petronell
reindeutschen
und
bog
dann
gen Süden auf den Feldweg, welcher über einen flachen Höhen rücken nach Rohrau an der Leitha führt.
Schon aus ziemlicher
Ferne erblickt man die niedrigen Strohdächer des Dorfes, vorn überragt von der Turmruine der
1865 abgebrannten Kirche,
im Hintergründe von Baumgruppen des gräflich harrachischen
Schloßparks. Die sanft zur Leitha absteigende Thalsenkung ist baumlos, mit feuchten Äckern und nassen Wissen rechts und
links,
die Flußuser sind eben,
und Schilf und Rohr erinnern
oft genug an den Namen des Dorfes.
Wir denken uns den Geburtsort großer Künstler so gern mit landschaftlicher Poesie geschmückt, und da sieht dann dieses
Rohrau, von Norden betrachtet, gar nicht darnach aus, als ob es die Wiege
eines
der
besten Meister deutscher Kunst,
und
Riehl.
184 [IV]
vollends gerade eines rechten Meisters der Naturpoesie in ber
Kunst, gehegt habe.
Nur der Hamburger Berg, gen Nordost
in großen und schönen Formen
abschließend,
deutet auf ver
heißungsvolle Fernen. Rohrau liegt auf dem linken, niederösterreichischen LeithaUfer, hart am Wasser; ein Gang über die Brücke würde unS sofort auf ungarischen Boden bringen.
Wir bleiben aber auf
der deutschen Seite und durchschreiten die ganze lange Haupt
straße des Dorfes bis zum letzten Hause linker Hand, wo der
Fahrweg nach Bruck ins Freie führt.
Eine Steintafel, in die
Mauer jenes Hauses gelassen, trägt die seltsam lakonische In schrift „Zum Haydn". Es ist Joseph Haydns Geburtshaus, arm, niedrig, schmal, den andern Bauernhäuser des Dorfes aufs Haar ähnlich, bloß aus einem Erdgeschoß mit vier Fenstern be
stehend, Stall und Wohnräume gemeinsam von dem langgestreckten
Strohdache bedeckt.
Eine Steinbank vor
den Fenstern bildet
neben jener Tafel das einzige unterscheidende Wahrzeichen. Wir gehen durch das überwölbte Thor,
aus in den kleinen Hof und Garten führt,-
welches gerade
ein im Hof spie
lender Bauernbube errät schon, was wir suchen, und deutet auf
die Thüre
links im Thorgange,
auf die Küchenthüre-
allein
durch die Küche kommen wir dann in das Wohn- und Schlaf
zimmer,
das einzige Zimmer des Hauses,
peinliches Gemach
mit
ein mäßig großes,
weißgetünchten Wänden und
brauner,
niedriger Holzdecke. Hier also wohnte vor hundert und mehr Jahren der ehr
same Wagnermeister Matthias Haydn mit seinen zwanzig Kindern,
hier soll sein ältester Sohn Joseph 1732 geboren sein.
aber eine solche Familie
Platz gefunden
in
das gehört auch noch zu den vielen Rätseln,
Lebensgeschichte ruhen.
Wie
diesem Häuschen, die auf Haydns
Allein zunächst denkt man an gar keine
Rätsel, man ist vielmehr überrascht, alles genau so zu finden^
wie man sichs ungefähr vorgestellt hat- die enge, aber gemüt liche, altmodische, aber nette und reinliche Bauernstube kommt
uns ja ganz bekannt vor, dem
so bekannt,
alten Wagnermeister Matthias,
wie die Geschichte von der
am Sonntag Nach-
rnittage dort hinten am Ofen saß und mit Maria, seiner frommen Hausfrau, Lieder sang und auf der Harfe begleitete- und der
kleine,
fünfjährige Sepperl saß auf dem Boden daneben und
spielte die Geige dazu,
indem er mit des Vaters Zollstab auf
dem linken Arme auf und niederstrich.
meister von Hainburg,
Da tritt dann der Schul
der Vetter, durch die Küche zur selben
Thüre herein, durch welche wir auch eingetreten sind, und daß der Kleine seinen Stab vollkommen taktgerecht führt, und
da jeder wahre Schulmeister als ein Prophet in Kinderaugen
und Kinderseelen muß lesen können, so ahnet er in dem takt festen Ärmchen auch gleich den künftigen Musiker und nimmt den kleinen Joseph mit nach Hamburg, wo es so viel schöner ist, als in Rohrau,
wo sich Stadt und Fluß und Berge und
Burgen zu einem großen Prachtbilde aufthun und
das arme
Bauernkind Gottes schöne Welt zum erstenmale so recht groß
und reich erschaut und allerlei große Dinge lernt, den Katechis mus und Lesen, Schreiben und Rechnen und Singen,
Geigen
und Blasen, ja sogar das Paukenschlagen. Allein die Hausfrau weckt uns aus unserm Traume —
es ist nicht mehr Frau Maria Haydn, die vorhin dort in der Ecke sang,
sondern die Frau Bürgermeisterin Prucker — und
reicht uns ein grün eingebundenes,
großes Fremdenbuch,
in
welches wir unsern Namen schreiben sollen, und viele Leute in
Rohrau glauben, das schöne Buch mit der Unzahl von Namen
und ^litterarischen Bemerkungen" sei eigentlich das Merkwürdigste im ganzen Hause.
Das Buch
erinnert
uns,
daß
inzwischen
bereits hundertunddreißig Jahre unmerklich durch dieses Zimmer gezogen sind, und daß seitdem bereits drei fremde Familien in
vier Generationen das Haus besessen und bewohnt haben, und
nun erst gewahren wir auch an der Wand eine mittelmäßige Lithographie,
die den kleinen Joseph selber wiederum als den
alten Haydn darstellt, und dieser alte Haydn ist dann auch schon
vor bald sechzig Jahren gestorben.
So schweben wir mitten inne zwischen Vergangenheit und
Gegenwart- dennoch aber bleibt bei uns der freundliche Gedanke Herr,
daß die Zeit mit wunderbar schonender Hand an dem
Riehl.
186 [IV]
armen, engen Heiligtum vorübergegangen sei, und daß sich gar selten wohl das Vaterhaus eines berühmten Mannes aus
so
lange vergangenen Tagen finden dürfte, welches uns heute noch
so ursprünglich und unberührt anblickt, wie das Haus in Rohrau.
Man hat es nicht aus litterarischer Pietät erhalten oder restauriert, wie andere „Geburtshäuser," sondern es blieb eben stehen, wie
Wie das Haus
es stand, weil es so einsam und abgelegen steht.
des kaiserlichen Rates am Hirschgraben in Frankfurt mit seinen
behäbigen, wohlgeordneten, sinnig ausgestatteten Gemächern nicht als die zufällige Stätte der Geburt, sondern als der notwendige Ausgangspunkt der ganzen Entwickelung Goethes uns bedeutsam
erscheint, so mußte Haydn auch in diesem strohgedeckten Bauern hause mit der einzigen Stube geboren
werden,
um ganz
zu
werden, was er geworden ist.
Allein das Leben Haydns ist bis auf diesen Tag noch
reicher von Mythen durchwoben, als irgend eines andern unserer großen Tonmeister.
Mythen
reden
die Wahrheit,
im Kerne
während sie in jedem äußeren Zuge uns aufs anmutigste be lügen können.
So
nur noch im Kerne,
berührt.
ist nun
aber auch Haydns Geburtshaus
ich meine im Gesamtbilde,
echt und un
Namentlich ist es eine fromme Täuschung, daß jenes
niedere Zimmer,
welches gerade
so
aussieht,
wie
wirs
uns
gedacht haben, das Geburtszimmer des großen Meisters gewesen
sei. In den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts verwüstete Line Überschwemmung das Haydnhaus und machte einen Umbau nötig,
und das echte Geburtszimmer soll nicht links,
sondern
rechts von der Thorfahrt gelegen haben, wo sich jetzt gar kein
Wohnraum mehr findet.
Die Wohnstube ist demnach verloren
gegangen,- das Haus blieb uns aber doch in seinem historischen
und poetischen Charakter treu erhalten,
und nicht bloß
das
Haus, auch seine Umgebung, die Straße, das Dorf. Kein fremdartiger Neubau, keine Fabrik, keine Eisenbahn
stört den
altertümlichen,
bescheidenen Charakter des Bauern
dorfes,- die Leute wissen auch, daß jenes Haus das Merkwürdigste
in ihrem ganzen Ort war und blieb.
Noch haut der gegen
wärtige Wagnermeifter von Rohrau mit einem krummen Beile
seine Radfelgen aus, in dessen Eisen die Buchstaben M. H. und
die Jahreszahl 1727 eingeschlagen sind, und behauptet, es sei das Beil des alten Matthias Haydn, alle Wagner des Dorfes
hätten es seitdem gebraucht.
Die vordere Hälfte des Eisens
war schon öfters abgebrochen, ein neues Beil zu kaufen wäre besser und billiger gewesen,-
allein man hat immer wieder ein
neues Vorderstück an das alte Beil geschweißt, dem alten Haydn zu Ehren.
Der Name des großen Tonsetzers ist in Rohrau ausge^
storben, und von seiner Familie lebt dort nur noch ein Glied, eine Großnichte, die Schmiedmeisterin, eine Frau in den sechziger
Jahren. Von vier Dingen erzählten mir die Bauern als den histo rischen Denkwürdigkeiten ihres Dorfes: von der großen Über^
schwemmung, vom großen Brande, von der Cholera, die bei ihrem ersten Weltgange Rohrau zuerst in ganz Deutsch-Öster
reich
besucht
habe,
und
Er
von Joseph Haydn.
einzige Lichtgestalt unter so vielen Trauerbildern.
schien
die
Der schönste
Tag aber soll gewesen sein, als man vor zwanzig und mehr Jahren
die Gedenktafel an Haydns Geburtshaus enthüllte- die blasende Musikbande,
welche daryals
dem Festzuge voran die Straße
heraufzog, lebt heute noch als etwas Einziges in älterer Leute Gedächtnis. Benachbarte Liedertafeln feiern manchmal in Haydns Geburtsort ein Frühlingsfest und sorgen also dafür, daß wenig
stens ein schwächerer Abglanz jenes großen Tages sich zeitweise
wieder erneuere. Als von all dieser musikalischen Herrlichkeit geredet wurde, fragte ich die Erzähler, ob sie denn auch schon hahdnsche Musik gehört hätten.
„Ja
wunderbare Messen."
wohl,"
erwiderten
sie,
„in
der Kirche,
Den Bauern von Rohrau scheint Haydn
nur als Kirchenkomponist bekannt zu sein,
während ihn die
große musikalische Welt in dieser Eigenschaft am wenigsten kennt.
Nun ist jene Antwort höchst begreiflich,
denn wo
sollten die
Bauern auch haydnsche Symphonien, Quartette oder Oratorien gehört haben?. Ich habe aber bis hieher Rohrau nur von einer Seite
betrachtet, indem ich mich von Norden näherte und so das Dorf
bis
zum Südende, bis
zu Haydns Geburtshause durchschritt.
Mit diesem äußersten Hause aber ändert sich die ganze Szenerie, wir treten in eine liebliche, baumreiche Landschaft.
Nur eine
kleine Wiesenfläche trennt das Haus von dem gräflich harrachischen
Schlosse,
dem namengebenden Schlosse der ehemaligen Reichs
grafschaft Rohrau.
Das gegenüberliegende Bauernhaus gab
uns ein Künstler-Brüderpaar, Joseph und Michael Haydn/ die
Geschichte des Grafenschlosses führt uns unerwartet zu einem Schwesternpaar,
welches,
durch Künstlerhand verklärt,
deutschen Volke bekannt ist —
allem
wenigstens all unserm Volke,
das seinen Schiller liest —: zur Gräfin Terzky und zur Her zogin von Friedland.
Karl von Harrach, Ferdinands II. Staats
minister, erlangte vom Kaiser die Erhebung seiner Herrschaft Rohran zur Reichsgrafschaft (1627); seine beiden Töchter waren
die Gemahlinnen Wallensteins (in zweiter Ehe) und Terzkys. Ob die Urbilder dieser Frauengestalten, welche nun auf der
Bühne leben und leben werden, hier im Schlosse selbst geboren
sind, vermag ich nicht zu sagen;
jedenfalls
entstammten sie
diesem Hause und bezeichnen mit ihrem Vater den rasch erreichten
und
überschrittenen
Höhepunkt
des
historischen
Glanzes
der
Rohrauer Linie. Das Schloß ist tiefgelegen; Graben und Brücken deuten
auf den Grundplan einer ehemaligen Tiefburg, jetzt freilich ist
ein mäßig großer, traulicher Herrensitz daraus geworden, im Stile des achtzehnten Jahrhunderts nicht ganz architektonisch schmuck los aufgebaut, von hohen Bäumen und Alleen umschattet, von
einem wohlgepflegten Garten umgeben.
Ich habe ein besonderes
Gefallen an solchen gemütlichen Fürsten- und Adelsschlöffern
der Zopfzeit, und vorab fällt es mir allezeit gleich ein, wie die
keineswegs untadelhasten Edelleute dort vor hundert Jahren
sich so vergnügte Symphonien haben spielen lassen und Quar tette und Trios dazu, und wie da alles symphonisch blies und
geigte vom Grafen bis zum Bedienten und Bodenwichser hinab,
und das war doch
auch etwas Gutes.
Ohne
die
tausend
deutschen Adelssitze des vorigen Jahrhunderts hätten wir keine
haydnsche
und
mozartsche Symphonie,
und
die beethovensche
wäre dann später auch ausgeblieben. Wenn ich nun schon beim Anblick anderer alter Schlösser
gerne an solchen Gedanken hänge und Gärten, Säle und Zim
mer darum befreundet mich anschauen,
Schlosse von Rohrau.
wie viel mehr beim
In der That, Bauernhaus und Herren
haus bilden zusammen die richtige Signatur vom Geburtsorte
Haydns, des volkstümlichen, aber auch des vornehmen, feinen, klassischen Meisters.
Im Bauernhaus stand seine Wiege,
die
Wiege seiner klassischen Kammermusik aber stand in den Adels schlössern.
Zu Bauernhaus und Herrenhaus kommt aber in
Rohrau endlich ein drittes:
Park und Wald,
und den Wald
dürfen wir auch bei Haydn, dem Naturpoeten unter den Musi
kern, nicht vergessen. Ich ging eigentlich zum Schlosse, um das Denkmal Haydns welches in der angrenzenden waldigen Au gegen
aufzusuchen,
die Leitha hinüber stehen sollte.
Die Bauern im Dorfe sagten
mir, der Weg dahin sei zwar strenge verboten, allein für Leute „meinesgleichen" gelte das wohl nicht,- übrigens sei der Weg auch schwer zu finden.
Ein Denkmal, so aufgestellt, daß mans
nicht finden kann, und obendrein nur auf verbotenem Wege erreichbar — das paßt wieder ganz für Haydn, der so unend
lich viel still verschwiegene Anerkennung, so viel heimliche Liebe
und Treue gefunden hat,
der fleißig und unverdrossen gesucht
sein will und sich nirgends entgegendrängt. Ich wandte mich also in die waldige Au.
Schlagbäume,
die den Weg versperrten, bei jeder Kreuzung ein Pflock mit der Aufschrift:
„Verbotener Weg,"
eine Marderfalle
quer
über
meinen Pfad gestellt, zeigten mir, daß ich auf der rechten Spur zum Haydn-Monumente sei. waldeinsamer,-
Es ward immer stiller, heimlicher,
Rehe grasten am Saume der Lichtungen.
Ich
ging wie in einem Zaubergarten, umrauscht von der Waldpoesie frühlingsfreudiger haydnscher Symphonien,- der verbotene Weg
ward im Grase immer unsichtbarer und hörte zuletzt völlig auf,
ein Weg zu sein,- ich geriet ins Dickicht — weit und breit keine Spur von einem Denkmal — und stand endlich vor
einem
liefen Wassergraben, in dessen dunkler Flut Schilf und Binsen und überhängende Zweige sich spiegelten.
Hinüber konnte ich
nicht und schlug also seitwärts auf gut Glück eine veränderte
Richtung ein. Aus hohen Baumgruppen hervortretend, stand ich plötzlich vor einem Jägerhause-
drei grobe Hunde
begrüßten mich mit
wütendem Gebell, eine Magd, welche unfern arbeitete, lief auf
mein Anrufen davon und floh, statt zu antworten, hinein.
Ich folgte ihr.
ins Haus
Da trat mir unter der Thüre eine
anmutige junge Frau entgegen, begleitet von einem zahmen Reh. Sie erwiderte meine Frage nach dem Wege zu Haydns Denk
mal mit der zürnenden Gegenfrage,
ob ich denn nicht gelesen
habe, daß alle Wege hierher verboten seien, wollte mir auch die Richtung nicht angeben, indem ich mich doch nicht zurecht
finden würde.
Ich erklärte ihr, ich sei über hundert Stunden Wegs weit hieher gekommen, um Haydns Geburtshaus und sein Denkmal zu sehen, und würde daher jetzt auch gewiß nicht halbverrichteter Sache wieder
umkehren.
Schon
als
Knabe,
fuhr ich fort,
lange bevor Sie auf der Welt waren, habe ich von dem Denk
steine zu Rohrau gehört und gelesen und die Noten, welche
auf dem Sockel stehen, viele Hundertmale gespielt, gepfiffen und gesungen, und die darunter eingegrabenen Verse von den „hol
den Philomelen" und der „reizenden Schönen am schmelzenden Klavier" im stillen hergesagt: Lapidarftil endlich auch
jetzt will ich diesen Rohrauer
einmal in
den
wirklichen > Stein ge
hauen sehn!
Meine wohlgesetzte Rede schien keinen Eindruck zu machen: die Frau mit dem Reh würdigte mich nicht einmal einer Ant
wort, ging ins Haus zurück und ließ mich stehen. täuschte mich.
Allein ich
Es hatte sie doch wohl gerührt, daß der Ruhm
ihres verbotenen Heiligtums hundert Stunden weit gedrungen
sei.
Nach wenigen Minuten kam sie zurück, ein Tuch um den
Kopf geschlungen — der Märzsturm tobte gewaltig draußen — und erklärte mir,
sie wolle mir selbst den Weg zeigen.
So
gingen wir nun selbander in die waldige Au zurück und kamen
bald zu einer zwischen Bäumen versteckten kleinen Insel, in deren
Mitte ein schlichter Steiywürfel steht, gekrönt von Haydns Büste. Am oberen Teile des Sockels ist das Andante-Thema aus einer
der älteren D-Symphonien des Meisters eingehauen mit den vor
hin schon fragmentarisch angedeuteten unterlegten Versen, deren größter Vorzug gegenwärtig darin besteht,
daß man sie, vom
Regen ausgewaschen, nicht mehr recht lesen kann.
inschrift besagt,
Denkstein im Jahre 1794 habe setzen lassen.
Werkes ist gering,
Ortes.
Die Haupt
daß Karl Leonhard Graf von Harrach diesen Der Kunstwert des
aber es wird verklärt durch die Poesie des
In dem schweigenden Dickicht spricht es uns rührend
und erhebend zum Herzen. Doch nicht bloß der Ort, auch noch zwei andere Umstände
machen den Denkstein merkwürdig.
Er wurde dem Künstler bei
Lebzeiten gesetzt und zwar zur Zeit seines zweiten Londoner
Aufenthaltes, das heißt in den Tagen, wo man in Deutschland durch die Ruhmesspenden des Auslandes erst recht anfing zu
merken, was der Sohn der eigenen Heimat wert sei.
Ich weiß
keinen andern deutschen Tonsetzer des achtzehnten Jahrhunderts, dem man bei Lebzeiten schon ein Monument daheim errichtet hätte.
Andererseits wird
es
aber auch in jenem Jahrhundert
kaum wieder vorgekommen sein, daß ein Reichsgraf einen noch
lebenden Bauernsohn seines Dorfes im eigenen herrschaftlichen Parke monumental verherrlicht hat. Am Fuße des Denksteines hielt ich im Geiste eine Über schau der ganzen Szenerie: drüben hinter den Baumwipfeln die
Strohdächer
des Bauerndorfs, dann
das
alte
Herrenschloß,
ringsum Park und Wald und Wiese und Au, und im Vor dergrund ein anmutiges Frauenbild: das waren die echtesten an
regenden Motive von Haydns Künstlerschaft, wofern man sie nur
ein wenig mit seinem kindlichen, frommen, lebensfrohen Gemüte zu erfassen vermag.
Ich hatte mich Rohrau genähert im Anblick
eines beschränkten, kargen Daseins und war Schritt für Schritt in ein reizendes, poesiegetränktes Idyll hineingewandert.
Die
schöne Frau aber, anfangs so strenge und wortkarg, war auch
zusehends frmndlicher und artiger geworden, als sie sah, daß Hessel, Lesebuch IV. Prosa.
13
wirklich nur die tiefe, durchs ganze Leben treu bewahrte Jugend
liebe für den Sohn ihres Dorfes mich auf die verbotenen Wege
geführt.
Sie hatte mich anfangs wohl für eine Art Landstreicher
gehalten und verabschiedete sich von mir,
wie von einem ganz
achtbaren Manne, und doch hatten wir nur über Joseph Haydn
miteinander gesprochen. Als ich ins Dorf zurückgekehrt war, erzählte mir der Wirt,
die Wilddiebe schlichen sich gerne in den Park, darum verbiete man die Wege, und der Graf sei ein melancholischer Herr, der die tiefste Einsamkeit in seinen täglichen Spaziergängen beim Haydn-Denkmal suche. Überhaupt dünke die verwachsene Au gar
manchen etwas unheimlich. fort,
der Insel, Pußta*).
dann,
„In meiner Knabenzeit," so fuhr er
„hat der Platz ganz anders ausgesehen, wo jetzt Busch und Wald,
da war unfern
noch die freie,
offene
Dort haben wir Kinder gar oft gespielt und sprangen
wann es so halb dunkel zu werden begann,
nach der
buschigen Insel, um uns dort am rechten Schauer und Grausen
zu ergötzen,- denn wir glaubten,
der Haydn mit seiner Zopf
perücke sei einer von den biblischen Heiden, die das Gesetz nicht haben und doch thun des Gesetzes Werk, und schauten scheu von allen Seiten nach dem gespenstigen Götzenbild, schlichen gebückt
rundum, einer den andern erschreckend, und wenn uns dann die Angst recht kalt über
den Rücken
lief,
platzten wir plötzlich
auseinander und jagten mit lautem Geschrei: der Heid! der Heid!
in die Pußta zurück."
Durch manchen helltönigen haydnschen Satz klingt es leise
wie eine Vorahnung jener Akkorde des süßen Schauers der ro mantischen Schule.
Und so erscheint zur Vollendung des Idylls
Haydn, der die Kindersymphonie geschrieben, den Kindern seines eigenen Dorfes als die im Schrecken magisch fesselnde Gespenster gestalt eines Kindermärchens. Das alles kann man bei einer Wanderung durch Rohrau sehen und erleben.
Es ist schade,
daß der alte Haydn nicht
*) Dem ungarischen Grenznachbar ist auch die kleine Heide oder Weidefläche bereits eine „Pußta" (Anmerkung des Verfassers).
selber mitgegangen ist; ich vermochte die Eindrücke nur in trockenen Worten zu schildern: er hätte gleich eine Symphonie in D-dur Laraus gemacht.
Anton Springer
(1825—1891).
52. Petri Fischzug von Raffael. [Am Karfreitag des Jahres 1483 wurde Raffael Santi zu UrHino in Umbrien geboren, am Karfreitag 1520 starb er zu Rom, 37 Jahre alt. Raffaels Vater war auch ein Maler; leider starb er schon, uls Raffael kaum 11 Jahre alt war. Von Perugino, dem berühmtesten Maler der umbrischen Schule, wurde Raffael in der Malerei aus gebildet. Als er alles gelernt hatte, was sein Meister stonnte, und moch mehr, zog er nach Florenz, in dessen reichem 5kunstleben er zur vollen Meisterschaft emporstieg. Im Jahre 1508 berief ihn der ge waltige Papst Julius II. nach Rom, damit er ihm einige Gemächer im vatikanischen Palaste mit Wandgemälden schmücke. Der folgende Papst, Leo X., gab dem Künstler gleichfalls viele Aufträge. So fertigte er
was mehr sagen will, als die bloße Thatsache der Vollendung: diese Vollendung ist völlig im Sinne der ersten Erbauer geschehen, meistens sogar getreu nach den alten Bauplänen; was Gerhard
von Riele, der erste Baumeister des Domes, und seine Nachfolger im Geiste geschaut, das steht jetzt sichtbar und greifbar da, kein Traumgebilde, sondern wirkliche Wirklichkeit. Zu Anfang unseres Jahrhunderts war Deutschland seiner
eigenen Vergangenheit entfremdet, die so großartige mittelalter liche Kunst war vergessen; die gotischen Dome standen zwar
sichtbarlich überall durchs Vaterland verstreut, aber wie ver
zauberte Riesen der Vorwelt, wie volltönende Gedichte in selt samen, fremden Sprachen.
Memand verstand sie.
Aber am geisterhaftesten von allen war doch der Kölner
Dom.
Zu ganz gewaltiger Höhe, alle andern Kölner Kirchen
überragend,
stieg das „hohe Chor" in die Lüfte;
Mauer schloß es ab. ein altersschwarzer,
eine kahle
In ansehnlicher Entfernung davon ragte
mächtiger Turmstumpf in die Höhe, und
wie ein riesiges Fragezeichen erhob sich darüber der uralte Dom-
krahnen,
der einst dazu gedient,
die Bausteine heraufzuziehen,
nun aber verwittert, bemoost und zum Gebrauche längst untaug lich war.
Damals sang Schenkendorf sehnsüchtig und schüchtern
hoffend: „Seh ich immer noch erhoben Auf dem Dom den alten Krahn, Scheint mir nur das Werk verschoben, Bis die rechten Meister nahn."
Zwischen dem Turmstumpf und dem hohen Chor waren hier und da einige niedrige Säulen verborgen zwischen Häusern das den Raum ausfüllte, wo eigentlich
und allerei Bauwerk,
die Domkirche selbst stehen sollte.
Schneller,
als der Dichter
es geahnt, nahten die rechten Meister wirklich.
Wie die Zeit
der Fremdherrschaft und der äußern Schmach unsers Vater
landes zugleich die Zeit des ruhmvollen Aufschwungs im Geistes leben der Deutschen gewesen ist,
die Zeit der Selbstbesinnung
und der Einkehr in die herrliche Vergangenheit, so war sie auch die Zeit der Wiederentdeckung der altdeutschen Kunst.
Sobald
man die Denkmäler nur einmal ernstlich fragte, thaten sie auch
den steinernen Mund auf und erzählten,
daß nicht die Goten
-er Völkerwanderung sie gebaut, sondern die Deutschen des 13. und 14. Jahrhunderts.
Gerade an dem verlassenen Wunder
bau des Kölner Domes ward das und noch viel mehr entdeckt. In Köln lebte damals Sulpiz Boifferex, ein begeisterter Ver
ehrer der Kunst des Mittelalters: er zeichnete und maß und
forschte am Dom viele Jahre lang, und über dem Meffen und Zeichnen wuchs ihm die richtige Erkenntnis nur so zu.
Im Jahre
1823 endlich erschien sein berühmtes Bilderwerk über den Dom.
Er fand auch die einst unter den Bauurkunden der Dombau hütte bewahrten,
zur französischen Zeit entführten alten Bau
risse der noch unvollendeten Turmseite, und zwar, merkwürdig genug, auf dem Speicher des Gasthauses zur Traube in Darm stadt, wo man die riesigen Pergamente dazu benutzte, Bohnen
darauf zu trocknen. wies,
Aber Boifferee war es auch, welcher nach
daß ein Ausbau des Domes möglich sei.
Er gewann
den Kronprinzen von Preußen schon 1816 für diesen kühnen Gedanken/ anfänglich besserte man nur die alten Schäden aus.
212 [IV]
Der Kölner Dom. aber unterdes wuchs die
dem gänzlichen Verfall zu wehren,
Zuversicht und der Mut, und 1842 legte der inzwischen König gewordene Friedrich Wilhelm selbst den Grundstein zum Weiter
bau.
Das Begonnene wurde weitergeführt, die Türme nach
den alten Rissen gebaut, nur Nord- und Südportal nach Plänen des Dombaumeisters Zwirner völlig neu geschaffen, jedoch ganz im Sinne der alten Meister.
Der Dachreiter, d. h. der schlanke
Turm auf der Vierung, dem Kreuzungsort des Langschiffes und
Querschiffes, ist aus Eisen.
1862 stand der Bau,
ohne die
Türme, fertig da, und am 14. August 1880, genau 632 Jahre nach der Grundsteinlegung, prangten die Kreuzesblumen auf
den Zwillingstürmen.
Wo jetzt der Dom steht, da stand seit dem frühen Mittel alter ein großer romanischer Bau.
Als im 13. Jahrhundert
eine neue Bauweise aufkam, die von Nordfrankreich her auch in Deutschland Eingang fand, der jetzt so genannte gotische Baustil,
da dachten die Erzbischöfe daran, den Dom umbauen zu lassen,
zunächst wenigstens das Chor. Als gar ein Brand das romanische Chor zerstört hatte, da war die äußere Veranlassung gegeben: in aller Welt ließ der Erzbischof Konrad von Hochstädten den
Ruf erschallen, zum Neubau beizusteuern — in trüber Zeit.
Denn es war die Zeit des beginnenden Interregnums. Am 14. August 1248 wurde dxr Grundstein mit großer Feierlichkeit ge
legt, wenn auch nicht in Anwesenheit des neugewählten deutschen Königs, Wilhelm von Holland, wie vielfach behauptet wird.
Im
Jahr 1322 stand das „Summum" oder hohe Chor fertig da.
Es war in wahrhaft riesigen Maßverhältniffen gebaut und galt sofort als das Wunderwerk seiner Zeit.
Teil der Kirche so sehr in Schatten,
Es stellte den übrigen daß man ohne weiteres
dazu überging, alles andere niederzureißen und den Bau weiter
zuführen.
Im Jahre 1347 begann der Weiterbau.
Weil er, wie
gesagt, nicht von Haus aus beabsichtigt war, so ist die Annahme
durchaus unberechtigt, daß Gerhard von Riele, der erste Bau meister, bereits den Plan der ganzen jetzigen Kirche entworfen
habe.
Wohl mag ihr heutiges Bild im großen und ganzen
fertig vor seines Geistes Augen gestanden haben, wenn er auch
die Türme sich entschieden anders gedacht hat, als sie später aus-
geführt wurden.
entworfen.
Genaue Pläne hat er sicherlich nur vom Chore
Eine andere Annahme entspricht wohl unserm jetzigen
Verfahren, aber nicht dem der mittelalterlichen Werkleute.
geriet der Weiterbau bald ins Stocken.
Leider
Er war zu groß cmgc«
legt, als daß bei den beständigen Fehden jener Zeit, bei dem Verfall des Wohlstandes und des Zunftwesens eine Vollendung hätte erreicht werden können.
Immer lässiger ging der Bau,
und als man ihn 1437 ganz einstellte, war der südliche Turm
der nördliche sah eben aus der Erde
ungefähr 150 Fuß hoch,
heraus, und die Pfeiler der Kirche selbst hatten kaum die Höhe von 30 Fuß erreicht.
Zu Nord- und Südportal lagen nicht
einmal die Grundmauern.
Beschauen wir uns den Dom, wie er heute dasteht, von außen, so erscheint er dem nicht kunstverständigen Auge wie er
stickt von Zieraten und unnützen Türmchen und allerlei tändelndem
Beiwerk.
einfach.
Die gotischen Kirchen zu verstehen, ist eben nicht so
Nur soviel sei gesagt, daß die mächtigen Kreuzgewölbe
des Innern nicht nur auf den Pfeilern inwendig aufruhen, sondern auch von außen gestützt werden durch einen Wald von sogenannten Strebepfeilern, welche den Dom umstehen, wie ein glänzendes Gefolge.
Untereinander sind diese Pfeiler wieder
durch Bögen verbunden, und all dieses Mauerwerk hat man nicht kahl gelassen, sondern hat es teils geradezu vielfach durchbrochen
gearbeitet, teils mit sogenanntem Maßwerk und Stabwerk völlig überspannen, kurz, über und über geschmückt. • Das Chor ist von
gleicher Höhe wie die Kirche, es schließt halbrund, und ihm vorge lagert sind sieben niedrigere, vieleckige Kapellen, daß das Ganze
einer Krone mit sieben Spitzen zu vergleichen ist.
Schaut man
von der Rheinseite her gegen das Chor, dann erscheint es wie
ein zerklüftetes Gebirge, beinahe sinneverwirrend kreuzen sich die Linien der Bögen, Giebel und Strebepfeiler,
der Fialen und
Wimperge, der Krabben und Kreuzesblumen, und doch stellt das
ganze Chor eine einzige, schöngeschwungene, deutlich erkennbare Halbkreislinie dar.
Eine fernere Eigentümlichkeit der reicheren gotischen Kirchen
214 [IV]
Der Kölner Dom.
ist der Fensterreichtum.
Da die Gewölbe, wie angedeutet, von
wahrhaft riesigen Säulen oder vielmehr Säulenbündeln, die im Innern der Kirche stehen, und außerdem von ebenso mächtigen
Strebepfeilern, die außen stehen, getragen und gehalten werden, so dienen die Umfassungsmauern nicht zum Zusammenhalten des
Baues, sondern sind bloßer Wandverschluß.
So hat man denn
die Mauern geradezu durch gewaltige Fenster ersetzt, welche die
ganzen Räume zwischen den Strebepfeilern ausfüllen
Sie sind
in Spitzbögen geschlossen, und ihr oberer Teil zeigt in Stein hauerarbeit wiederum das dieser Bauweise so eigentümliche reiche
und reizvolle Linienspiel: da wogen die Kreise und Halbkreise und Spitzbögen durcheinander, wie steinerne Musik. Hohe Spitzgiebel schirmen wie ein aufgeschlagener Hutrand die einzelnen Fenster. Die Türme endlich zeigen den himmelanstrebenden Zug der
mittelalterlichen Kunst so stark, wie kein anderes Bauwerk jener
Zeit.
Sie stehen an den westlichen Pforten, rechts und links,
einander völlig gleich gebildet.
Ihr Erdgeschoß birgt die drei
tiefen, mit Figuren geschmückten Eingangsthüren, welche gleichsam
die Arme weit öffnen, die Gläubigen zu locken.
Mächtige Wim
perge (Spitzgiebel) bilden ein schützendes Dach über den Thoren.
Fenster von gewaltigster Höhe füllen die folgenden Turmgeschoffedann springt das Viereck in ein Achteck um,
an dessen Ecken
kleinere Türmchen, Fialen genannt, emporsteigen.
Acht Fenster
füllen wiederum die einzelnen Seiten des Achtecks.
Nun beginnt
die Turmspitze oder der Helm. einziger steinerner Zierat.
Es ist kein Dach, sondern ein
Sogar das Auge klettert nur mühsam
die steilen, achtseitigen Helmpyramiden hinan, die mit zahllosen
steinernen Kantenblättern (Krabben) wie mit Dornen besetzt sind,
und die in ihrer durchbrochenen Arbeit so leicht und schlank und mühelos in das unendliche Himmelsblau
hineinragen, welches
sie umgießt und ganz durchleuchtet — bis der Abschluß eMich, 550 Fuß über dem Erdboden, mit der wuchtigen Kreuzesblume
erreicht ist. So hoch war bis dahin noch kein Bauwerk sterb licher Menschen vorgedrungen in den Äther, selbst die Pyramiden Ägyptens nicht.
Das ist nun echt deutsche mittelalterliche Bau
kunst, dieses ruhelose, rastlose, sehnsüchtige Streben nach oben,
nach der ewigen Heimat.
„Himmelan geht unsre Bahn!" diese
Worte sind aufs schärfste in erhabenem Sinnbild hier zu ver
ständlichem Ausdruck gelangt.
Treten wir in das Innere des Domes, so erwartet uns zuvörderst der überraschende Anblick, daß die ganze Länge der mächtigen Kirchenhalle bis in das Chorhaupt hinein sofort uns vor Augen steht- denn auch die Turmhalle ist nichts für sich,
sondern schon ein Teil des inneren Kirchenraumes. sten
Türme
der
Erde ruhen
nicht
auf
Die höch
zusammenhängenden
Mauern, sondern nur auf den zweimal neun Pfeilern, zwischen
welchen wir hier durchwandeln! Fünf Schiffe hat die in Kreuzes
form gebaute Kirche, das Mittelschiff, 50 Fuß breit, erscheint
schmal gegen seine Höhe, die das dreifache beträgt.
Schwindelnd
schaut das Auge hinauf gegen die Kreuzgewölbe, die hoch über
uns schweben- ihnen entgegen klettern die mächtigen, himmel anstrebenden Säulenbündel, die oben sich fächerartig ausbreiten
und in die Gewölbe übergehen, so daß sie sich gegeneinander zu neigen
scheinen,
wie
die Baumkronen
in einem Buchenwald.
Neben dem Mittelschiff ziehen sich zu jeder Seite zwei ungleich
niedrigere Seitenschiffe hin.
Die Fenster, so
riesig sie sind,
lassen doch nicht den vollen Tag in das Gotteshaus, denn die
Glasmalereien dämpfen das Licht, und zwar strahlen die Chor
fenster, die noch aus dem Mittelalter stammen, in harmonischem,
mildem Glanze, die modernen Fenster,
etwas aufdringlich, in
prächtigem, leuchtendem Golde. An Flächenraum wird der Kölner Dom von andern Kir
chen noch übertroffen: St. Paul in London und der Mailänder Dom sind größer, St. Peter in Rom mehr als doppelt so groß. Allein der Blick die lange Halle entlang, während die Kreuz
gewölbe über uns mitzuwandeln scheinen, gegen die anscheinend
aus endloser Ferne die dämmernde Kirche durchstrahlenden Chor fenster hin, das ist einzig, das finden wir weder im Mailänder
Dom, noch auch in der Peterskirche.
Es ergreift uns unwider
stehlich ein Gefühl der Andacht: Gott ist gegenwärtig, kommt,
laßt uns anbeten in seinem heiligen Tempel! von Schenkendorf singt:
Es ist, wie Max
216 [IV]
Der Kölner Dom.
Ruth.
„Es ist ein Wald voü hoher Bäume, Die Zweige seh ich fröhlich blühn Und aus den Wipfeln fromme Traume Zunl fernen Reich der Geister ziehn. So kühner Sinn und ernstes Streben, Das aus den Steinen Blumen treibt, Es ist der Väter Art und Leben, Das nimmer auf der Erde bleibt. Das wollen diese Säulen sagen, Die himmelwärts die Blicke ziehn, Dazwischen, wie in grauen Tagen Im Eichenhain, die Beter knien. Es ist kein eitles Licht der Sonnen, Was durch die bunten Scheiben fällt, Ist Wiederfchein der ewgen Wonnen, Ist Strahl aus einer bessern Welt."
47. Ruth ^Beschreibung eines Bildes aus der Bilderbibel
von Schnorr von Carolsseld). Eine der schönsten Bilderbibeln, vielleicht die schönste, jeden falls aber die deutscheste, ist die von Schnorr von Carolsseld. Die Zeichnungen dieses Künstlers sind durchgehends innig, seelen
voll, auf die Sache selbst gehend, nicht, wie z. B. die des fran
zösischen Malers Dor^ sich verlierend in schmückendem Beiwerks Lichtwirkungen, geographischen, historischen Dingen, Landschaften,
Kunststücken aller Art.
Die Figuren sind bei Schnorr überall
groß, fast den oberen Rand des Bildes berührend, als entschie dene Hauptsache behandelt, die Linien, wie es für den Holzschnitt
sich ziemt, einfach, scharf, bestimmt, die Schatten nur angedeutet. Die Beschreibung eines dieser Bilder wird das Gesagte noch mehv erläutern.
Ich greife Ruth heraus, weil diese Zeichnung die an
gedeuteten Vorzüge des Künstlers in besonders Hellem Lichte zeigt.
Jedermann kennt die liebliche Geschichte: Naemi, ein jüdi
sches Weib aus Bethlehem, war mit ihrem Manne nach dem Lande
Moab gezogen, wo letzterer starb, und wo dann ihre beiden Söhne Weiber nahmen.
Die Söhne starben auch, und nun will Naemi
in ihre Heimat zurück.
Arpa, die eine Schwiegertochter, bleibt
im Lande ihrer Bäter, aber die andere, Ruth, will mit nach Juda.
216 [IV]
Der Kölner Dom.
Ruth.
„Es ist ein Wald voü hoher Bäume, Die Zweige seh ich fröhlich blühn Und aus den Wipfeln fromme Traume Zunl fernen Reich der Geister ziehn. So kühner Sinn und ernstes Streben, Das aus den Steinen Blumen treibt, Es ist der Väter Art und Leben, Das nimmer auf der Erde bleibt. Das wollen diese Säulen sagen, Die himmelwärts die Blicke ziehn, Dazwischen, wie in grauen Tagen Im Eichenhain, die Beter knien. Es ist kein eitles Licht der Sonnen, Was durch die bunten Scheiben fällt, Ist Wiederfchein der ewgen Wonnen, Ist Strahl aus einer bessern Welt."
47. Ruth ^Beschreibung eines Bildes aus der Bilderbibel
von Schnorr von Carolsseld). Eine der schönsten Bilderbibeln, vielleicht die schönste, jeden falls aber die deutscheste, ist die von Schnorr von Carolsseld. Die Zeichnungen dieses Künstlers sind durchgehends innig, seelen
voll, auf die Sache selbst gehend, nicht, wie z. B. die des fran
zösischen Malers Dor^ sich verlierend in schmückendem Beiwerks Lichtwirkungen, geographischen, historischen Dingen, Landschaften,
Kunststücken aller Art.
Die Figuren sind bei Schnorr überall
groß, fast den oberen Rand des Bildes berührend, als entschie dene Hauptsache behandelt, die Linien, wie es für den Holzschnitt
sich ziemt, einfach, scharf, bestimmt, die Schatten nur angedeutet. Die Beschreibung eines dieser Bilder wird das Gesagte noch mehv erläutern.
Ich greife Ruth heraus, weil diese Zeichnung die an
gedeuteten Vorzüge des Künstlers in besonders Hellem Lichte zeigt.
Jedermann kennt die liebliche Geschichte: Naemi, ein jüdi
sches Weib aus Bethlehem, war mit ihrem Manne nach dem Lande
Moab gezogen, wo letzterer starb, und wo dann ihre beiden Söhne Weiber nahmen.
Die Söhne starben auch, und nun will Naemi
in ihre Heimat zurück.
Arpa, die eine Schwiegertochter, bleibt
im Lande ihrer Bäter, aber die andere, Ruth, will mit nach Juda.
„Rede mir nicht drein",
so sprach sie,
sollte und wiederumkehren!
„daß ich dich verlassen
Wo du hingehst, da will ich auch
hingehen,- wo du bleibst, da bleibe ich auch.
Volk, und dein Gott ist mein Gott.
Dein Volk ist mein
Wo du stirbst, da sterbe
ich auch, da will ich auch begraben werden."
Diesen Wendepunkt
der Erzählung hat der Maler zum Vorwurf seines Bildes gewählt.
Wir sind im Freien.
Links schweift der Blick weit in die
Ferne, in ein hügeliges, anscheinend wohl bebautes Land,- Kuppeln und Häuser sind sichtbar, zum Teil in der Ferne verschwimmend-
ein Feldweg schlängelt sich bis in den Vordergrund.
Rechts da
gegen ist der Gesichtskreis eingeengt durch hohe Berge, die offen
bar kahl und öde sind,- an den Felsblöcken, die vorne zerstreut
liegen, klammern sich die Wurzeln einiger Bäume fest.
In dieser einsamen Landschaft sind drei Frauengestalten sichtbar: im Mittelgrund wankt den Feldweg entlang die eine, sich langsam entfernend von den beiden andern, die im Vordergrund in entgegengesetzter Richtung rüstig auf den Beschauer zuschreiten.
Jene einsame Frau ist Arpa, die nach Moabs gesegneten Gefilden, ihrer Heimat, zurückkehrt.
Wir erblicken sie nur von
der Rückseite, trotzdem ist uns ihre Seelenstimmung vollkommen
klar.
Ihr Haupt, vom Witwenschleier verhüllt, der im Winde
flattert, der linke Arm, der zum Auge erhoben ist, offenbar, um die Thränen zu trocknen, die ganze, nach rechts schwer auf den
stützenden Wanderstab sinkende Gestalt, welche bei dem folgenden
Schritte ebenso nach links hin schwanken wird: das alles verrät eine tief Traurige.
Ach, sie hat ja keine menschliche Stütze mehr,
da gehen die beiden fort, die ihre Seele liebt.
Auch der aller
letzte Abschiedsgruß ist vorbei und lebewohl gesagt auf immer dar,- ohne noch ferner sich umzusehen, zieht Arpa ihre Straße, stille vor sich hin schluchzend,- ohne noch ferner sich umzusehen,
ziehen jene in die Weite. Die ältere Frau, Naemi, die Schwiegermutter der beiden jüngeren, ist ebenfalls noch ganz
schmerz,-
erfüllt von dem Trennungs
der Schleier der Witwe umhüllt auch ihr Haupt und
läßt nur das Gesicht frei; das Gewand schleppt; zögernd nur hebt sich der Fuß.
Die Linke hat sie leise auf den Arm ihrer
Ruth.
218 fIV]
Begleiterin gelegt, nicht um sich zu stützen, sondern so, wie der thut, der in sanfter Überredung jemand bewegen will, etwas zu thun, dem der andre noch widerstrebt.
Der Kopf ist traurig
gesenkt, nur das Auge ist gehoben, das müde, thränenschwere
Auge, das bittend, ja beinahe flehend gegen Ruth sich aufschlägt. Wozu sie aber überreden will, das deutet die andere Hand an, welche rückwärts gewandt ist, nach Moab zu, dahin, wohin Arpa
jetzt eilt. Verlorne Worte! Denn nicht heimwärts strebt der Sinn der rüstigen Ruth, sondern vorwärts, voll Gottvertrauens, in die
ihr unbekannte Ferne.
„Rede mir nicht drein, daß ich dich ver
lassen sollte und von dir umkehren!" ihrer Bewegungen.
so spricht es aus jeder
Verschwunden ist das Trennungsleid aus
ihren Zügen,' klar und frei ist das Auge, und wir blicken in das liebliche, jugendlich
»litten hinein,
volle und doch frauenhaft gereifte Antlitz
wie in eine vollerblühte Rose.
Mitten hinein,
denn indem sie sich ihrer Begleiterin zuwendet, wendet sie sich
auch dem Beschauer zu.
Der weite, schattengebende Reisehut sitzt
auf dem Hellen Haar, dessen reiches Gelock nach rückwärts flattert
vor dem Windhauch, den ihr entschlossenes Vorwärtsschreiten er regt.
Das Reisegewand ist bequem gegürtet — es schleppt nicht
nach — und auch die Arme sind frei; über die Schulter hängt
ein bescheidenes Bündel; die Rechte, die den Reisestab hält, hat
das Kleid zu einem Bausch ausgenommen, der wohl noch einigen Mundvorrat bergen mag.
Die Linke ist erhoben und zeigt vor
wärts in das fremde Land, das Land ihrer Hoffnung, bald auch
ihr Heimatland, denn: „Wo du hingehst, da will ich auch hin gehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch;
dein Volk ist mein
Volk, und dein Gott ist mein Gott!"
Sie ist es doch eigentlich, welche die traurigere sein müßte, sie verläßt ihre Heimat, während Naemi in ihr altes Vaterland
wiederkehrt.
Aber Jugendmut und leichter Sinn und vor allem
treue Liebe und Anhänglichkeit machen es umgekehrt:
eigenen
Leides vergessend, tröstet sie fremden Schmerz; sie fühlt sich jetzt als die einzige Stütze der Mutter, da ist nicht Zeit zu klagen,
da heißt es: Augen helle, Gedanken frei, Kopf oben! Und ein solches Ringen im schweren Kampfe des Lebens schützt am besten
vor jenen aufreibenden Sorgen und Klagen um das^ was doch
nicht wiederkehrt, macht fröhliche Gedanken und frisches Herze.
Wie wunderbar ist die Kunst des Malers, der das alles darzustellen weiß, der überall durchdringt auf den Kern der
Sache, auf das rein Menschliche, auf das innerste Leben des Ge
mütes, auf das Seelische der Handlung, und der zugleich auch edle, schöne Gestalten und wohlthuend wirkende Linien geschaffen hat-
alles mit wenig Strichen, ohne Künstelei, ohne einen Ruhm zu
suchen in möglichst getreuer Wiedergabe des Nebenwerkes, des Landschaftlichen, des Gesichtsschnittes, der Kleidertracht. Und so will es ein gesunder, deutscher Sinn haben, der
sucht in seiner Bibel, was die Leute thaten, sprachen und dachten, nicht, wie sie aussahen in Gesichtsfarbe und Kleidertracht zu ihren
Lebzeiten.
Am Ewigwahren, Bleibenden, für alle Zeiten Vor
bildlichen, daran wollen wir uns erbauen.
Darum sprechen diese
Bilder zu unserm Herzen, eine wohlgelungene, erbauliche Predigt-
sie legen die heilige Schrift uns aus- sie decken manches uns auf, woran wir sonst achtlos vorübergegangen wären, ohne es zu finden- sie führen unsere Gedanken in die Tiefen der Schrift
und lehren uns immer neue Schätze aus ihr zu Tage fördern.
58. Chrie.
(5u allem Großen ist der erste Schritt der Mut).
(Einleitung.) Allgemeine Sprüche, mögen sie Dichterworte sein oder zu den Sprichwörtern gehören, enthalten entweder eine Wahrheit oder eine Lehre, oft auch liegt in einer Wahrheit zu
gleich eine Lehre verborgen.
Unsere Aufgabe soll es sein, zu
untersuchen, ob und inwiefern unser Spruch Wahrheit ist, und
alsdann zu sehen, ob er nicht auch eine mahnende Lehre enthält. (1. Erklärung.)
Große Dinge sind
Dinge, abgesehen davon,
wichüge,
bedeutsame
ob sie für die ganze Menschheit, für
ein ganzes Volk oder nur für wenige Menschen, oder ob sie gar
nur für den einzelnen bedeutsam und wichtig sind.
Es kann sich
also handeln um Kriegszüge, um große Kulturthaten, wie Ent deckungsfahrten, Anlage von Kolonien, große gewerbliche Unter
nehmungen, aber auch um Wagnisse und Entschlüsse, die das
vor jenen aufreibenden Sorgen und Klagen um das^ was doch
nicht wiederkehrt, macht fröhliche Gedanken und frisches Herze.
Wie wunderbar ist die Kunst des Malers, der das alles darzustellen weiß, der überall durchdringt auf den Kern der
Sache, auf das rein Menschliche, auf das innerste Leben des Ge
mütes, auf das Seelische der Handlung, und der zugleich auch edle, schöne Gestalten und wohlthuend wirkende Linien geschaffen hat-
alles mit wenig Strichen, ohne Künstelei, ohne einen Ruhm zu
suchen in möglichst getreuer Wiedergabe des Nebenwerkes, des Landschaftlichen, des Gesichtsschnittes, der Kleidertracht. Und so will es ein gesunder, deutscher Sinn haben, der
sucht in seiner Bibel, was die Leute thaten, sprachen und dachten, nicht, wie sie aussahen in Gesichtsfarbe und Kleidertracht zu ihren
Lebzeiten.
Am Ewigwahren, Bleibenden, für alle Zeiten Vor
bildlichen, daran wollen wir uns erbauen.
Darum sprechen diese
Bilder zu unserm Herzen, eine wohlgelungene, erbauliche Predigt-
sie legen die heilige Schrift uns aus- sie decken manches uns auf, woran wir sonst achtlos vorübergegangen wären, ohne es zu finden- sie führen unsere Gedanken in die Tiefen der Schrift
und lehren uns immer neue Schätze aus ihr zu Tage fördern.
58. Chrie.
(5u allem Großen ist der erste Schritt der Mut).
(Einleitung.) Allgemeine Sprüche, mögen sie Dichterworte sein oder zu den Sprichwörtern gehören, enthalten entweder eine Wahrheit oder eine Lehre, oft auch liegt in einer Wahrheit zu
gleich eine Lehre verborgen.
Unsere Aufgabe soll es sein, zu
untersuchen, ob und inwiefern unser Spruch Wahrheit ist, und
alsdann zu sehen, ob er nicht auch eine mahnende Lehre enthält. (1. Erklärung.)
Große Dinge sind
Dinge, abgesehen davon,
wichüge,
bedeutsame
ob sie für die ganze Menschheit, für
ein ganzes Volk oder nur für wenige Menschen, oder ob sie gar
nur für den einzelnen bedeutsam und wichtig sind.
Es kann sich
also handeln um Kriegszüge, um große Kulturthaten, wie Ent deckungsfahrten, Anlage von Kolonien, große gewerbliche Unter
nehmungen, aber auch um Wagnisse und Entschlüsse, die das
äußere oder innere Glück nur des Handelnden begründen sollen. Mag auch der Weg zur Vollbringung solcher Thaten weit sein
und viele Schritte dazu erforderlich, der erste Schritt ist jeden falls der Mut, so behauptet unser Spruch, d. h. der feste Wille, das zu thun, was wir uns vorgesetzt, die Freudigkeit, die aus
dem Bewußtsein hervorgeht, daß wir auf dem rechten Wege sind
und die Kraft und die Aussicht haben, zum Ziele zu gelangen. (2. Begründung.)
In der That scheint es völlig der Ver
nunft entsprechend, wenn wir gerade das als den ersten Schritt zu allem Großen bezeichnen.
spruch:
Muß auch gemäß Moltkes Wahl
erst wägs, dann wags!
und tollkühn erscheinen, so
die Erwägung, ob die Sache
soll anders der Mut nicht blind
ausführbar ist, vorhergehen,
ist das Abwägen als solches doch
Sache des Verstandes, der mutvolle Wille aber der erste Schritt zur eigentlichen That. Ist dieser Wille da, dann schwinden alle Zweifel
und Bedenken, nur das hohe Ziel schwebt uns vor, darum wer den wir Hand ans Werk legen und nicht eher ablassen, als bis das Begonnene zu Ende geführt ist.
Der erste Schritt ist alles,
und das ist der Mut: ohne Mut kein Entschluß, ohne Entschluß kein Anfang
der Ausführung
und ohne diesen kein Fortgang.
Der Mut ist das von uns gesprochene A, dem das B, das C
und schließlich alle andern Buchstaben bis zum Z folgen. (3. Gegenteil.)
Die Wahrheit unseres Satzes ist besonders
klar zu erkennen, wenn wir ihn gleichsam von der Rückseite be
trachten und uns fragen, ob etwas Großes geschehen könne, wenn der Mut fehle.
Das müssen wir entschieden verneinen, denn
der Feige handelt überhaupt nicht, sondern flieht, der Bedächtige aber denkt stets nur an die Möglichkeit des Mißlingens, an die
Schwierigkeiten und
handelt darum
auch
Mutigen fehlen, die beherzt vorangehen,
nichts Großes.
nicht.
dann
Wenn
die
geschieht eben
Immer sind es einzelne Mutige, die den ersten
Schritt thun, wenn auch ihre Namen und ihre Thaten in den seltensten Fällen von der Geschichte dauernd ausgezeichnet werden. (4. Beispiele.)
Wenn es aber hier und da geschieht, dann
werden solche Beispiele Vorbilder für die kommenden Geschlechter. Wir denken an Winkelrieds That, an Cäsar, da er über den
Rubikon ging, an Themistokles, wie er in der Bucht von Sa lamis die Perserflotte erwartete, wir denken an Moses, der vor
Pharao trat, an David, der dem Goliath sich entgegenstellte.
Oder die christlichen Märtyrer steigen vor unserer Seele auf, die Erhebung Preußens 1813, Blücher und die Lützower.
Dichtung zeigt uns Gestalten wie Antigone,
Die
Johanna d'Arc,
die Heldenjungfrau Dorothea, die den eindringenden Feinden
gegenüber sich männlich zur Wehre setzte. hebung der Schweiz vor?
Wer bereitete die Er
Stauffacher selbst war anfangs be
kümmert und verzagt, der Mut seiner Hausfrau Gertrud war
der erste Schritt, dem alle andern von selbst folgten.
(5. Gleichnis.) Auch im Naturleben bewundern wir die Tiere,
denen Mut in die Seele gepflanzt ist. Stolz und edel dünkt uns der Löwe, die Hyäne feig und verächtlich; dem Löwen zu
gleichen gilt dem tapfern Krieger für ehrenvoll und Ziel seines Strebens.
Auch das Schlachtroß gebrauchen wir gern als Bild
des Mutes, und der Mut, den die Tiere entfalten bei Verteidigung ihrer Jungen, giebt auch Jesu Veranlassung zu dem lieblichen Bild
von der Henne, die ihre Küchlein unter ihre Flügel versammelt.
(6. Beistimmende Aussprüche.) wandt mit allem Großen.
In Iphigenie heißt es:
So erscheint der Mut ver
Das sagen uns auch die Dichter. „Was nennt man groß? ...
was mit unwahrscheinlichem
Erfolg
als
der Mutigste begann."
Dem Mutigen hilft Gott) frisch gewagt, ist halb gewonnen,' dem
Mutigen gehört die Welt.
nicht sein!
Nur frisch hinein, es wird so tief
„Es sitzt keine Krone so fest, so hoch, der mutige
Springer erreicht sie doch", so lesen wir in Wallensteins Lager. Nur Muti nur Mut! rufen in allen Formen die Weisen, die Dichter, die Prediger uns zu.
(7. Ermahnender Schluß.)
Darum laßt uns bei jedem be
deutsamen Werke, das wir vorhaben, zwar erwägen, dann aber mutvoll, ohne Bangen und Verzagtheit beginnen!
Sorgen be
nimmt die Kraft zur Ausführung, läßt uns mit halber Seele in gefahrvollen Lagen kämpfen, aber wer mutig wagt, der hat schon halb gewonnen, zu allem Großen ist der ersteSchritt der Mut.
222 [IV]
Kebensabriß der Schriftsteller. Arndt Ernst Moritz, geb. 26. Dezember 1769 zu Schoritz auf Rügen, f 29. Januar 1860 zu Bonn. Vgl. Gedichte. Fürst von Bismarck Otto, geb. 1. April 1815 zu Schön hausen, t 30. Juli 1898 zu Friedrichsruh. Er studierte zu Göttingen und Berlin die Rechtswissenschaft, bewirtschaftete dann seine väter lichen Güter, wurde Legationssekretär bei der preußischen Bundes tagsgesandtschaft zu Frankfurt, später Gesandter in Petersburg und Paris, seit dem 8. Oktober 1862 Ministerpräsident, nach Gründung des deutschen Reiches Reichskanzler. Am 20. März 1890 nahm er seine Entlassung und lebte bis zu seinem Tode in Friedrichsruh. Brentano Klemens, geb. 8. September 1778 zu Ehrenbreit stein, f 28. Juli 1842 zu Aschaffenburg. Er machte sich besonders verdient durch die Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn". Seine Märchen sind erst nach seinem Tode vollständig gedruckt worden. Goethe Elisabeth, geb. 19. Februar 1731 zu Frankfurt a. M., 113. September 1809 ebenda. Sie war die Tochter des Sradtschultheißen Textor, heiratete am 20. August 1748 den um vieles älteren Kaiserlichen Rat Johann Kaspar Goethe und wurde am 28. August 1749 Mutter von Johann Wolfgang Goethe. Nach dem Tode ihres Gatten (1782) blieb sie in Frankfurt wohnen, wo sie still für sich lebte, in geselligem Zusammensein besonders mit der Jugend, Theater und Musik liebend, in regem brieflichen Verkehr mit den Ihrigen. Sie ließ sich gern Frau A;a nennen, nach der Mutter der Haimons kinder. von Goethe Johann Wolfgang, geb. 28. August 1749 zu Frankfurt a. M., f 22. März 1832 zu Weimar. Vgl. Gedichte. Brüder Grimm: 1) Jakob, geb. 4. Januar 1785 zu Hanau, t 20. September 1863 zu Berlin. Er studierte Rechtswiffenschast zu Marburg, war Universitätsprofessor zu Göttingen und Berlin, als Erforscher altdeutscher Sprache und Litteratur hochberühmt. 2) Wilhelm, geb. 24. Februar 1786 zu Hanau, f 16. De zember 1859 zu Berlin. Sein äußeres Leben verlief genau wie das seines Bruders, auch wiffenschaftlich verfolgte er ähnliche Ziele. Beide Brüder zusammen gaben 1812 die Kinder- und Hausmärchen heraus, 1816 die deutschen Sagen. Hagen August, geb. 12. April 1797 zu Königsberg in Preußen, t 15. Februar 1880 daselbst. Er studierte Medizin, dann Kunst undLitteratur, durchreiste Italien und wurde 1831 Professor der Kunstund Litteraturgeschichte an der Universität seiner Vaterstadt. Heine Heinrich, geb. 13. Dezember 1797 zu Düsseldorf, f 17 Februar 1856 zu Paris. Vgl. Gedichte. von Herder Johann Gottfried, geb. 25. August 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen, f 18. Dezember 1803 zu Weimar. Vgl. Gedichte.
von Humboldt Alexander, geb. 14. September 1769 zu Berlin, f 6. Mai 1859 daselbst. Als Naturforscher durchwanderte er mit dem Botaniker Bonpland von 1799—1804 Süd- und Mittelamerika, besonders das Orinokoaebiet, lebte dann in Paris und Ber lin, unternahm 1829—30 eine Forschungsreise nach dem asiatischen Rußland und hielt sich dann wieder dauernd in Berlin auf.
von Humboldt Wilhelm, geb. 22.Juni 1767 zu Potsdam, f 8. April 1835 zu Tegel. Er ist Alexanders Bruder, als Sprach gelehrter und als Staatsmann hervorragend. Bon 1789 ab lebte er in Erfurt, Weimar und Jena, innig befteundet mit Schiller- 1800 trat er in den Staatsdienst, ward 1808 preußischer Nnterrichtsminister und zog sich 1819 aus der staatlichen Laufbahn zurück. Jäger Oskar, geb. 26. Oktober 1830 zu Stuttgart, lebt seit 1865 zu Köln als Eymnastaldirektor. Er schrieb u. a. die Geschickte der Griechen, die Geschichte der Römer, die Geschichte des 19. Jahr hunderts und eine Weltgeschichte in vier Bänden. Jahn Friedrich Ludwig, geb. 11. August 1778 zu Lanz in der Priegnitz, f 15. Oktober 1852 zu Freiburg a. d. Unstrut. Als Gym nasiallehrer in Berlin eröffnete er 1810 die erste Turnanstalt in der Hasenheide, daher Turnvater genannt, nahm im Lüüowfchen Korps an den Befreiungskriegen teil und stand dann an oer Spitze des Turnwesens. Die Verfolgungen der Turnsache betrafen auch ihn, so daß er von 1825 ab zurückgezogen in Freiburg a. d. Unstrut lebte. von Leibnitz Gottftied Wilhelm, Freiherr, geb. 3. Juli 1646 zu Leipzig, f 14. November 1716 zu Hannover. Er war Rat des Herzogs von Hannover, seit 1700 Präsident der neugestifteten Aka demie der Wissenschaften in Berlin; er war gleich berühmt als Mathe matiker, Philosoph, Rechtsgelehrter und Staatsmann. Lessing Gotthold Ephraim, geb. 22. Januar 1729 zu Kamenz in der Oberlausitz, f 15. Februar 1781 zu Braunschweig. Er stu dierte in Leipzig und Wittenberg, war dann in Berlin als Schrift steller thätig, wo er sich besonders mit Nicolai, Ramler, Mendelssohn befreundete. Im siebenjährigen Kriege Sekretär des Generals Tauenzien, empfing er die Anregung zu seinem Lustspiel „Minna von Barn helm" (1764); 1766 erschien sein „Laokoon"; 1767 ward er Drama turg in Hamburg (Hamburgische Dramaturgie), 1770 Bibliothekar in Wolfenbüttel. Das Trauerspiel „Emilia Galotti" erschien 1772, sein Schauspiel „Nathan der Weise" 1779. Vermählt war Lesfing seit 1776 mit Eva König, die-jedoch bereits 1778 starb. Lesfing ist gleich C als Gelehrter, Dichter und Prosaschriftsteller, der Vorgänger -hes und Schillers. Luise, Königin von Preußen, geb. 10. März 1776 zu Han nover, f 19. Juli 1810 auf Hohenzieritz in Mecklenburg. Ihr Vater war der Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz; sie vermählte sich am 24. Dez. 1793 mit bem damaligen Kronprinzen, späteren König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Luther Martin, geb. 10. November 1483 zu Eisleben, t 18. Februar 1546 daselbst. Vgl. Gedichte. Graf von Moltke Helmut, geb. 26. Oktober 1800 zu Parchim in Mecklenburg, f 24. April 1891 zu Berlin. Sein Vater war erst preußischer, dann dänischer Offizier, darum trat der Sohn auch zuHessel, Lesebuch IV. Prosa. 15
224 [IV]
Lebensabrih der Schriftsteller.
nächst in dänischen, 1823 aber in preußischen Militärdienst. Als Hauptmann unternahm er 1835 eine Reise nach dem Orient. Er kehrte 1839 zurück, ward in den Generalstab versetzt, ging mit dem Prinzen Heinrich von Preußen 1845 nach Italien und wurde 1846 Chef des Generalstabes. Er vermählte sich 1841 mit Mary von Burt, der Stieftochter seiner Schwester- seine Ehe war kinderlos, seine Gattin starb im Jahre 1868. Möser Justus, geb. 14. Dezember 1740 zu Osnabrück, t 8. Januar 1794 daselbst. Er lebte als Advokat in seiner Vaterstadt, berühmt als Ratgeber seines Fürsten, als Staatsmann, Patriot und Schriftsteller. Seine Osnabrückischen Geschichten und seine patriotischen Phantasien gelten als klassische Schriften.
Ranke Leopold von, geb. 21. Dezember 1795 zu Wiehe in Thüringen, f 23. Mai 1886 zu Berlin. Sohn eines Rechtsanwalts, studierte er Theologie und Philologie, war erst Gymnasiallehrer zu Frankfurt a. d. O., seit 1825 Professor der Geschichte an der Berliner Universität. Er liebte in der Geschichte die Persönlichkeiten darzustellen, weniger die Kulturgeschichte. Seine sämtlichen Werke umfassen 54 Bände. Noch im Jahre 1880 begann er eine große „Weltgeschichte", von der er noch 7 Bände selbst schrieb. Riehl Wilhelm Heinrich, geb. 6. Mai 1823 zu Biebrich, f 16. Juni 1897 zu München, wo er als Profeffor der Kulturgeschichte an der Universität gewirkt hatte. Er hat zahlreiche kulturgeschichtliche Schriften verfaßt, so die „Familie", das „Wanderbuch", die „Pfälzer", die „Kulturhistorischen Novellen." Scherer Wilhelm, geb. 26. April 1841 zu Schönborn in Niederösterreich, f 6. August 1886 zu Berlin. Er wirkte als Pro fessor der deutschen Sprache und Litteratur seit 1872 an der Uni versität zu Straßburg, seit 1877 in Berlin - sein bedeutendstes Werk ist seine Geschichte der deutschen Litteratur. von Schiller Friedrich, geb. 10. November 1759 zu Marbach, t 9. Mai 1805 zu Weimar. Vgl. Gedichte. Schleiermacher Friedrich Ernst, geb. 21. November 1768 zu Breslau, f 12. August 1834 zu Berlin. Er wirkte in Berlin seit Gründung der Berliner Universität als Professor der Theologie und Universttätsprediger. Seine sämtlichen Werke umfassen 33 Bände. Schupp Johann Balthasar, geb. 1. März 1610 zu Gießen, f 26. Oktober 1661 zu Hamburg. Er war Pfarrer zu Braubach am Rhein, hielt die Friedenspredigt in Münster 1648 und ward dann als Prediger nach Hamburg berufen. Vielgereist, war er einer der wenigen frischen und volkstümlichen Schriftsteller jenes Zeitalters.
Springer Anton, geb. 13. Juli 1825 zu Prag, t 31. Mai 1891 zu Leipzig. Er wirkte als Universttätsprofeffor in Bonn, Straß burg und seit 1873 in Leipzig- besonders bekannt sind seine Bilder aus der neueren Kunstgeschichte und sein Raffael und Michelangelo. Sybel Heinrich von, geb. 2. Dezember 1817 zu Düsseldorf, t 1. August 1895 zu Marburg. Er studierte unter Ranke Geschichte und wirkte seit 1841 als Universitätslehrer in Bonn, Marburg, München, seit 1861 wieder in Bonn. 1875 wurde er Direktor der preußischen Staatsarchive. Seine Hauptwerke sind die Geschichte der
Lebensabriß der Schriftsteller.
Nachweis der Quellen.
[IV] 225
Revolutionszeit 1789—95 und die Begründung des deutschen Reichs Lurch Wilhelm I. (7 Bände). Trei tschke Heinrich bonz geb. 15. September 1834 zu Dres den, f 28. April 1896 zu Berlin. Er wirkte als Lehrer an den Uni-versitäten zu Leipzig, Freiburg, Kiel, Heidelberg und seit 1874 zu Berlin. Nach Rankes Tod ward er zum Historiographen des preußi schen Staates ernannt. Sein Hauptwerk ist die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, die von 1879 ab in 5 Bänden erschienen ist. Tschudi Ägidius, geb. 1505 zu Kirchmatt bei Glarus, f 28. Februar 1572 zu Glarus. Er ist der Vater der schweizerischen Ge schichtschreibung- seine helvetische Chronik erschien erst nach seinem Tode. Vilmar August Friedrich Christian, geb. 21. November 1800 LU Solz in Kurhessen, f 30. Juli 1868 zu Marburg. Er war Pro fessor der Theologie in Marburg, hat sich jedoch am meisten durch seine Geschichte der deutschen Nationallitteratur bekanrkt gemacht. Wilhelm I, Deutscher Kaiser, geb. 22. März 1797 zu Berlin, -f 9. März 1888 ebenda, seit dem 18. Januar 1871 Deutscher Kaiser.
Nachweis der Uuellen. Arndt: Katechismus für den deutschen 5kriegs- und Wehrmann, Sommer 1812, in den Schriften für u. an s. lieben Deutschen, Leipzig, Weidmann, 1845, 1. Teil (Nr. 27); Geist der Zeit, 3. Teil, London, Boosey, 1813 (Nr. 28); Der Rhein, Deutsch lands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze, in den Schriften an und für seine lieben Deutschen, 2. Teil (Nr. 29). Bismarck: Bismarckbriefe 1844—1870. Bielefeld und Leipzig, Velhagen u. Klastng, 2. Aufl., 1877. Goethe Elisabeth: Frau Rath. Briefwechsel von Katharina Eli sabeth Goethe. Nach den Originalen mitaetetlt von Robert Keil, Leipzig, Brockhaus, 1871 (I, V.). — Briefe von Goethes Mutter. Neu herausg. von Stein. Leipzig, Reclam, o. I. Goethe: Bernays, Der junge Goethe, Leipzig, Hirzel, 1875, 3. Teil (Nr. 13). — Goethes Briefe an Frau von Stein. In 4 Bänden, mit Einleitung von Heinemann. Stuttgart, Cotta, o. I., Bd. 1. — Werke in 6 Bden., Stuttgart, Cotta, 1860, Bd. 3 (Nr. 15). Grimm: Kinder- und Hausmärchen, große Ausg., -18 Aust., Berlin, Hertz, 1882, Vorrede (gekürzt); Deutsche Sagen, Berlin, Nicolai, 1816, Vorrede (gekürzt); Jakob Grimm, kleinere Schriften, Ber lin, Dümmler, 1864, Bd. 1, aus einer Rede auf Schiller, ge halten zu Berlin am 10. November 1859 in der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften. Hagen: Norica, 5. Aust., Leipzig, Weber, 1876. Heine: Werke, herausg. von Elster, Leipzig, Bibliographisches Institut, o. I., Bd. 3. Unbedeutend gekürzt. Herder: Werke, herausg. von Wollheim da Fonseca, Berlin, Hempel, o. I., Nr. 12,1 aus der Schrift von deutscher Art und Kunst (1773) und zwar aus dem Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian
Lebensabriß der Schriftsteller.
Nachweis der Quellen.
[IV] 225
Revolutionszeit 1789—95 und die Begründung des deutschen Reichs Lurch Wilhelm I. (7 Bände). Trei tschke Heinrich bonz geb. 15. September 1834 zu Dres den, f 28. April 1896 zu Berlin. Er wirkte als Lehrer an den Uni-versitäten zu Leipzig, Freiburg, Kiel, Heidelberg und seit 1874 zu Berlin. Nach Rankes Tod ward er zum Historiographen des preußi schen Staates ernannt. Sein Hauptwerk ist die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, die von 1879 ab in 5 Bänden erschienen ist. Tschudi Ägidius, geb. 1505 zu Kirchmatt bei Glarus, f 28. Februar 1572 zu Glarus. Er ist der Vater der schweizerischen Ge schichtschreibung- seine helvetische Chronik erschien erst nach seinem Tode. Vilmar August Friedrich Christian, geb. 21. November 1800 LU Solz in Kurhessen, f 30. Juli 1868 zu Marburg. Er war Pro fessor der Theologie in Marburg, hat sich jedoch am meisten durch seine Geschichte der deutschen Nationallitteratur bekanrkt gemacht. Wilhelm I, Deutscher Kaiser, geb. 22. März 1797 zu Berlin, -f 9. März 1888 ebenda, seit dem 18. Januar 1871 Deutscher Kaiser.
Nachweis der Uuellen. Arndt: Katechismus für den deutschen 5kriegs- und Wehrmann, Sommer 1812, in den Schriften für u. an s. lieben Deutschen, Leipzig, Weidmann, 1845, 1. Teil (Nr. 27); Geist der Zeit, 3. Teil, London, Boosey, 1813 (Nr. 28); Der Rhein, Deutsch lands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze, in den Schriften an und für seine lieben Deutschen, 2. Teil (Nr. 29). Bismarck: Bismarckbriefe 1844—1870. Bielefeld und Leipzig, Velhagen u. Klastng, 2. Aufl., 1877. Goethe Elisabeth: Frau Rath. Briefwechsel von Katharina Eli sabeth Goethe. Nach den Originalen mitaetetlt von Robert Keil, Leipzig, Brockhaus, 1871 (I, V.). — Briefe von Goethes Mutter. Neu herausg. von Stein. Leipzig, Reclam, o. I. Goethe: Bernays, Der junge Goethe, Leipzig, Hirzel, 1875, 3. Teil (Nr. 13). — Goethes Briefe an Frau von Stein. In 4 Bänden, mit Einleitung von Heinemann. Stuttgart, Cotta, o. I., Bd. 1. — Werke in 6 Bden., Stuttgart, Cotta, 1860, Bd. 3 (Nr. 15). Grimm: Kinder- und Hausmärchen, große Ausg., -18 Aust., Berlin, Hertz, 1882, Vorrede (gekürzt); Deutsche Sagen, Berlin, Nicolai, 1816, Vorrede (gekürzt); Jakob Grimm, kleinere Schriften, Ber lin, Dümmler, 1864, Bd. 1, aus einer Rede auf Schiller, ge halten zu Berlin am 10. November 1859 in der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften. Hagen: Norica, 5. Aust., Leipzig, Weber, 1876. Heine: Werke, herausg. von Elster, Leipzig, Bibliographisches Institut, o. I., Bd. 3. Unbedeutend gekürzt. Herder: Werke, herausg. von Wollheim da Fonseca, Berlin, Hempel, o. I., Nr. 12,1 aus der Schrift von deutscher Art und Kunst (1773) und zwar aus dem Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian
226 [IV]
Nachweis der Quellen.
und die Lieder alter Völker a. a. O. Bd. 5; das Totenlied selbst steht Bd. 5, S. 26; Nr. 11, III aus der Vorrede zu den (Stimmen der Völker in Liedern, Bd. 5. A. von Humboldt: Ansichten der Natur, Stuttgart, Cotta, 1826I: aus dem Aufsatz über Steppen und Wüsten; II: aus dem Aufsatz über die Wasserfälle des Orinoko; beioes gekürzt. W. von Humboldt: Briefwechsel zwischen Schiller und W. v. Hum boldt, Stuttgart, Cotta, o. I. (gekürzt). — Über Goethes Her mann und Dorothea. Gesammelte Werke, 4 Bde., Berlin, Rei mer, 1843. — Briefe an eine Freundin, Ausg. in einem Band, Leipzig, Brockhaus, 1860. äger: Geschichte der Griechen, Gütersloh, 1866 (gekürzt). ahn: Deutsche Turnkunst von Jahn und Eiselen, Berlin, auf Kosten der Herausgeber, 1816 (Nr. 30). — Nr. 31 und 32 aus Jahns Werken, h^rausg. von Euler, Hof, Lion, 1887, Bd. 2, zuerst ge druckt im „Turner", 1846, S. 293, und Bd. 2, 2. Abteilung. Leibnitz: Deutsche Schriften, herausg. von Guhrauer, Berlin, Veit & Comp., 1838, Bd. 1, mit vielen Auslassungen; aus dem Aufsatz: Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesse rung der deutschen Sprache. L e s s i n,g: Werke, Berlin, Hempel, o. I. Die Verse aus Homer stndder Übersetzung von Voß entlehnt. Luise, Königin von Preußen, abaedruckt aus Ehlert, Charakterzüge aus dem Leben Friedrich Wilhelm III., Magdeburg, HeinrichsHofen, 1845, 2. Teil, 2. Abteilung, mit geringen Auslassungen. Luther: Sämtliche Werke, Erlanger Ausgabe, 65 Bände deutsche Schriften, herausg. von Jrmischer, Erlangen, Heyder 1826—1855. Nr. 1 aus dem Sendbrief vom Dolmetschen (1530), Bd. 65; die Probe der Bibelübersetzung ist abgedruckt aus Bindseil und Nie meyer, Dr. Martin Luthers Bibelübersetzung, nach der letzten Originalausgabe kritisch bearbeitet. 3. Teil, Halle, Cansteinsche Bibelanstalt, 1850. — Nr. 2 aus der Vorrede auf den Psalter(1531) Bd. 63. — Nr. 3 aus der Hauspostille, Bd. 5. Moltke: Gesammelte Schriften und Denkwürdigkeiten des General feldmarschalls Grafen Helmut von Moltke. Berlin, Mittler, 1892. — Wanderbuch, 2. Aufl. Berlin, Pätel, 1879 (Nr. 40, I). Oncken: Unser Heldenkaiser, Berlin, Schall u. Grund, 1897 Ranke: Abgedruckt aus Keferstein, Charakterbilder aus L. v. RankeK historischen Werken. Frankfurt, Völcker, 1869, 2. Aufl. Riehl: Die Familie, 6. Abdruck, Stuttgart, Cotta, 1862, Buch 2r Kapitel 4 (Nr. 50). — Wanderbuch, Stuttgart, Cotta, 1869 (Nr. 51), mit einigen vom Verfasser für den Abdruck in der 1. Auflage dieser vorliegenden Sammlung persönlich angegebenen Kürzungen. Scherer: Geschichte der deutschen Litteratur, 4. Aufl. Berlin, Weid mann, 1887, gekürzt. Schiller: Werke, herausg. von Maltzahn, Berlin, Hempel, o. I. — Nr. 17 aus der Rezension von Bürgers Gedichten. — Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, 2. Ausg., Stuttgart, Cotta, 1862, Bd. 1. — Schillers Briefwechsel mit Körner, 2. Aufl. Leipzigs Veit, 1874. — Schiller und Lotte, herausg. von Fielitz, Stutt gart, Cotta, 1879, Bd. 2. Schleiermacher: Sämtliche Werke, Berlin, Reimer, 1846—1864. Predigten, Bd. 4 (I); Bd. 1 (II, III).
0
Nachweis der Quellen.
Erläuterungen.
[IV] 227
Schupp: Aus dem „deutschen Lehrmeister, ein Diseurs von Er lernung und Fortpflanzung der freien Künste und Wissenschaften in deutscher Sprache. Gehalten mit dem edlen Daphnis aus Cimbrien" [d. h. mit dem Dichter Johann Rist aus Königsbergl abgedruckt aus Wackernagels Proben der deutschen Prosa seit dem Jahre 1500, Basel, Schweighauser, 3. Ausg. 1896, Bd. 1. Springer: Raffael und Michelangelo, Leipzig, Seemann, 1878. Shbel: Die Begründung des deutschen Reiches durch Wilhelm I., München u. Leipzig, Oldenbourg, 1889, 2. Bd., gekürzt. Treitschke: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1. Teil, Leipzig, Hirzel, 1879 (gekürzt). Tschudi: Chronicon Helveticum, herausg. von Jselin, Basel, bei Hanß Jacob Bischoff, 1734, Teil 1; etwas gekürzt und der jetzigen Schriftsprache gemäß sprachlich geändert. Vilmar: Handbüchlein für Freunde des deutschen Volksliedes, 2 Aufl., Marburg, Koch, 1868. Wilhelm L, Deutscher Kaiser: Nr. 37 abgedruckt aus Hahn, Kaiser Wilhelms Gedenkbuch, Berlin, Hertz, o. I. Der Abschnitt über die Unterredung mit Napoleon ist beigefügt aus Oncken, Unser Heldenkaiser, Berlin, 1897. Anhang: Nr. 55 aus einem Aufsatz (Reiseskizzen aus Griechen land) von K. H. im Wetzlarer Gymnastalprogramm für 1874; für den Abdruck in dieser Sammlung etwas geändert. — Nr. 56 nach einem Aufsatz „Der Kölner Dom als Kunstwerk gewürdigt" von K. H., in der Zeitschrift für weibliche Bildung, Leipzig, Teubner, 1881, frei bearbeitet. — Nr. 57 aus Musterprosa, 1. Aufl., III, S. 53. — Nr. 58 aus der. Schulpraxis, von K. H.
Erläuterungen. 4. Bühl — Hügel; Stäae (Stege) — Steigbügel; wirsch = ärger, englisch worse; handlich — eifrig, tüchtig; fast — fest, sehr; gebresten = fehlen, krank sein; biderbe — bieder; losen — lauschen; Tagleistung — Tagung, Versammlung; Wintermonat — November; beschicken = holen lassen; Göller — Köcher; entsitzen — aus dem Sitz oder aus der Ruhe kommen, ausweichen (entsetzen = aus der Ruhe bringen); sich verwegen (verwögen) — sich ohne Sicherheit des Ausgangs einer Sache unterziehen; ärmiglich — armselig; Bieten oder Gransen — Seitenbord des Schiffes. 5. Versetzung —Übersetzung; Obergebietiger ist ein mitteldeutscher Ausdruck, der schon zu Schupps Zeiten veraltet war; Prokurator das, Ivas jetzt Staatsanwalt heißt. 6. Es ereignet sich — man fleht, es liegt vor Augen. Noch Lesstng schreibt: es eräugnet sich, da es von Auge herzuleiten ist; Abgang — Mangel; abgezogen — wörtliche Übersetzung von abstrakt; Liebhaber der Weisheit — ebenso von Philosophen; Denkkunst — Wissenschaft vom Denken, Logik: abfeimen — den Feim (Schaum) wegnehmen, klären, abgefeimt also — geklärt; metaphysisch ist ziemlich dasselbe wie philosophisch; schlecht — gerade, schlicht; Retchsabschiede
Nachweis der Quellen.
Erläuterungen.
[IV] 227
Schupp: Aus dem „deutschen Lehrmeister, ein Diseurs von Er lernung und Fortpflanzung der freien Künste und Wissenschaften in deutscher Sprache. Gehalten mit dem edlen Daphnis aus Cimbrien" [d. h. mit dem Dichter Johann Rist aus Königsbergl abgedruckt aus Wackernagels Proben der deutschen Prosa seit dem Jahre 1500, Basel, Schweighauser, 3. Ausg. 1896, Bd. 1. Springer: Raffael und Michelangelo, Leipzig, Seemann, 1878. Shbel: Die Begründung des deutschen Reiches durch Wilhelm I., München u. Leipzig, Oldenbourg, 1889, 2. Bd., gekürzt. Treitschke: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1. Teil, Leipzig, Hirzel, 1879 (gekürzt). Tschudi: Chronicon Helveticum, herausg. von Jselin, Basel, bei Hanß Jacob Bischoff, 1734, Teil 1; etwas gekürzt und der jetzigen Schriftsprache gemäß sprachlich geändert. Vilmar: Handbüchlein für Freunde des deutschen Volksliedes, 2 Aufl., Marburg, Koch, 1868. Wilhelm L, Deutscher Kaiser: Nr. 37 abgedruckt aus Hahn, Kaiser Wilhelms Gedenkbuch, Berlin, Hertz, o. I. Der Abschnitt über die Unterredung mit Napoleon ist beigefügt aus Oncken, Unser Heldenkaiser, Berlin, 1897. Anhang: Nr. 55 aus einem Aufsatz (Reiseskizzen aus Griechen land) von K. H. im Wetzlarer Gymnastalprogramm für 1874; für den Abdruck in dieser Sammlung etwas geändert. — Nr. 56 nach einem Aufsatz „Der Kölner Dom als Kunstwerk gewürdigt" von K. H., in der Zeitschrift für weibliche Bildung, Leipzig, Teubner, 1881, frei bearbeitet. — Nr. 57 aus Musterprosa, 1. Aufl., III, S. 53. — Nr. 58 aus der. Schulpraxis, von K. H.
Erläuterungen. 4. Bühl — Hügel; Stäae (Stege) — Steigbügel; wirsch = ärger, englisch worse; handlich — eifrig, tüchtig; fast — fest, sehr; gebresten = fehlen, krank sein; biderbe — bieder; losen — lauschen; Tagleistung — Tagung, Versammlung; Wintermonat — November; beschicken = holen lassen; Göller — Köcher; entsitzen — aus dem Sitz oder aus der Ruhe kommen, ausweichen (entsetzen = aus der Ruhe bringen); sich verwegen (verwögen) — sich ohne Sicherheit des Ausgangs einer Sache unterziehen; ärmiglich — armselig; Bieten oder Gransen — Seitenbord des Schiffes. 5. Versetzung —Übersetzung; Obergebietiger ist ein mitteldeutscher Ausdruck, der schon zu Schupps Zeiten veraltet war; Prokurator das, Ivas jetzt Staatsanwalt heißt. 6. Es ereignet sich — man fleht, es liegt vor Augen. Noch Lesstng schreibt: es eräugnet sich, da es von Auge herzuleiten ist; Abgang — Mangel; abgezogen — wörtliche Übersetzung von abstrakt; Liebhaber der Weisheit — ebenso von Philosophen; Denkkunst — Wissenschaft vom Denken, Logik: abfeimen — den Feim (Schaum) wegnehmen, klären, abgefeimt also — geklärt; metaphysisch ist ziemlich dasselbe wie philosophisch; schlecht — gerade, schlicht; Retchsabschiede
228 [IV]
Erläuterungen.
— Reichstagsbeschlüsse- in die Rabuse gehen — zur Beute werden, verloren gehen- Reichsakta und Reichöhandlungen — Reichstagsver handlungen- verlegene Worte — bei Seite gelegte, nicht gebrauchte Wörter- Willküre — Verordnungen, Gesetze. 7. Pickels — in Essig eingemachte Früchte- lnütten — strickens greis — grau- büken (süddeutsch bauchen) — die Wäsche oder dasLeinen in Wasser einweichen, dem Holzaschenlauge zugesetzt ist- Darren feuer — das Feuer, das zum Darren (Dörren) des Obstes angezündet ist- Brautwagen — Ausstattung, da diese besonders in Westfalen auf einem Wagen feierlich der Braut in ihr neues Heim nachgefahren wurde. 9. Ausweg — Abweg - Plagiarius — Fälscher- Plutus — Gott des Reichtums. 10. Felgen — die krummen Holzstücke des Radkreises- Nabe — die hohle, um die Achse laufende Walze am Rad. 11. Bona fide — in gutem Glauben. Maffei, ein italienischer Dichter (f 1755), hat, wie Voltaire, ein Drama „Mcrope" geschrieben. 12. Kajak — das Männerbot der Grönländer, einsitzig, dasvielsitzige Weiberbot heiht Omajak- Kadenz — Tonfotge. 13, II. Geniste — Ginster, lateinisch genista (planta genista, die Wappenpflanze der Familie Plantagenet). 15. Parterre — hier Blumenbeet- brauschig — wulstig (Brausche — Beule)- pausig — aufgeblasen (Pausbacken). 23. Tegel bei Berlin war der Familiensih der Familie Hum boldt, wo die beiden berühmten Brüder auch begraben sind - Burgörner war Humboldts Landgut in Thüringen. 24. Bignonien, eine tropische Pflanzenfamilie, die unter andernr das Palisanderholz liefert, und zu der die bei uns als Zierbäume ge pflanzten Katalpa (Trompetenbaum) und Paulownia gehören. 36, 1. Codicill — Testament. 40, 1. Die „Amazone" führte an Bord die Leiche des im Sep tember 1846 zu Rom verstorbenen Prinzen Heinrich von Preußen, dessen persönlicher Adjutant der damalige Major v. Moltke gewesen war. Während das Schiff um Europa herumfuhr, stieg Moltke zu Cadix ans Land und benutzte die folgenden Wochen zu einer Reise durch Spanien, das er bis zur Bidassoabrücke durchwanderte. Alser pünktlich in Hamburg zum Empfange des Leichengeleites eingetroffen war, mußte er dorr noch wochenlang auf die Ankunft der Amazone warten, die durch schlimmes Wetrer so lange aufgehalten worden war. 40. Keep — der große freistehende Wartturm in der Mitte der mittelalterlichen Burgen, deutsch Bergfried, französisch Donjon genannt- krenelierte Mauern — mit Schießscharten versehene Mauern. 41. Dieser Brief ist nicht an seine Adresse gelangt, sondern mit der ganzen Post von Franktireurs aufgefangen und von einer franzö sischen Zeitung veröffentlicht worden - Bill ist Bismarcks Sohn Wilhelm. 43, 111. Die Überbringung der Siegesbotschaft durch den Grafen. Schwerin ist in dem Stücke „Der Siegesbote" (Teil III, Prosa) von Gräfin Schwerin, seiner Gemahlin, erzählt. 53. Periakten — eine unsern Kulissen entsprechende BorrichtunA 5cr griechischen Bühne.
Inhalt I.
[IV] 229
Inhalt I.
Zusammenstellung gleichartiger Prosastücke. (Die Zahlen beziehen sich auf die Nummern der Lesestücke.)
A. Nach dem Inhalt. I. Vaterland und Fremde. 1.
Deutsche Sprache.
54 Scherer, Mfilaß. — 1 Luther, Aus der Bibelübersetz.ung. — 5 Schupp, Sprachreinigung im Deutschen. — 6 Leibnitz, Über Verbesserung der deutschen Sprache. — 30 Jahn, Die deutsche Sprache. — 16 Elisabeth Goethe, Über lateinische Lettern. 2. Deutsche Sage, Geschichte, Kultur «ud Kunst. 37 Jahn, Die Raben des Asenberges. — 54 Scherer, Ulfilas. — 4 T s ch u d i, Wilhelm Tell. — 35, 36 R a n k e, Maximilian L; Karl V. in St. Just. — 28, 20 Arndt, Am Vorabende des Be freiungskrieges- Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutsch lands Grenze. — 45 Schleiermacher, Aus seinen Predigten. — 43 Treitschke, Die Schlacht bei Belle-Alliance. — 37 Wilhelm I., Sedan. — 41 Bismarck, Sedan. — 42 Sybel, Charakterbild Kaiser Wilhelm I. — 38 Moltke, Bon der Belagerung von Paris. — 7 Möser, Die gute selige Frau. — 16 Elisabeth Goethe, Briefe. — 50, 51 Riehl, Ludwig Richter- Rohrau. — 56 Der Kölner Dom.
3.
Charakterbilder deutscher Männer und Frauen.
Maximilian I.: 38. — Karl V.: 36. — Wilhelm I., dentscher Kaiser: 42. - Goethe: 14, 16, 18, 19,22. — Elisabeth Goethe: 16. — Schiller: 18—21, 23. — Königin Luise: 30, 31. — Ludwig Richter: 50. — Haydn: 51. — Moltke: 39, 40.
4. Ferne Zeiten und Lande. 53 Jäger, Aufführung derOrestie desÄschylos. — 14 Goethe, Briefe aus der Schweiz. — 34 Heine, London. — 40 Moltke, Aus Spanien- Schloß Windsor. — 24 A. v. Humboldt, Aus den Ansichten der Natur (Südamerika).
II. Dichtung und bildende Dünste. 5.
Didaktische Dichtung.
8, 9 Lessing, Einige Fabeln- Aus den Abhandlungen über die Fabel. 6.
Epische Dichtung.
33 Brentano, Das Märchen vom Rhein und dem Müller Rad lauf. — 45, 46 Grimm, Das Märchen- Die Sage. — 37 Jahn,
230 [IV]
Inhalt I.
Die Raben des Asenberges. — 48 H a g e n, Die Singeschule der Nürnberger Meistersinger. — 22 W. v. Humboldt, Uber Goethes Hermann und Dorothea. — 15 Goethe, Novelle. — 13 Goethe, Aus Werthers Leiden (Roman). 7.
Lyrische Dichtung.
Volksdichtung.
17 Schiller, Das Schaffen des Dichters. — 23 W. v o n Humboldt, Uber das Lernen von Gedichten. — 10 Lessing, Aus Laokoon. — 12 Herder, Aus den Stimmen der Völker. — 36 Iahn, Das Volkslied. 8.
Dramatische Dichtung.
11 L e s s i n g, Aus der Hamburgischen Dramaturgie. — Antikes Drama: 53 Jäger, Die Aufführung der Orestie des Aschylos. — Goethes Dramen: 16 Elisabeth Goethe, Briefe. — Schillers Dramen: 18,19, 21 Aus Schillers Briefen an Goethe und an Körner. 9.
Bildende Künste und Musik.
55 Die Akropolis von Athen. — 10 Lessing, Aus Laokoon. — 56 Der Kölner Dom. — 52 Springer, Petri Fischzug von Raffael. — 57 Ruth. Beschreibung eines Bildes von Schnorr v. Carolsfeld. — 50 Riehl, Ludwig Richter. — 12 Herder, Aus den Stimmen der Völker. — 36 Jahn, Das Volkslied. — 49 Vilmar, Das deutsche Volkslied. — 51 Riehl, Rohrau (Haydn).
B. Nach der Form der Darstellung. 10. Beschreibung und Schilderung.
47 Treitschke, Die Schlacht bei Belle-Alliance. — 41 Bismarck, Sedan. — 37 Wilhelm L, Sedan. — 38 Moltke, Bon der Be lagerung von Paris. — 13, 14 Goethe, Am Brunnen- Briefe aus der Schweiz. — 34 Heine, London. — 24 A. von Humboldt, Aus den Ansichten der Natur. — 40 Moltke, Bon der Reise. — 5\ Riehl, Rohrau. — 55—57 Die Akropolis von Athen- Der Kölner Dom- Ruth, Beschreibung eines Bildes. — 52 Springer, Petri Fischzug von Raffael. 11. Erzählung (Novelle, Roman).
15 Goethe, Novelle. — 13 Goethe, Aus Werthers Leiden. 12. Rede (Rhetorische Prosa).
3 Luther, Aus der Hauspostille. — 26 Schleiermacher, Aus seinen Predigten. — 28 Grimm, Aus der Rede auf Schiller. 13. Abhandlung.
2 Luther, Aus der Vorrede auf den Psalter. — 9—11 Les sing, Aus den Abhandlungen über die Fabel- Aus Laokoon- Aus der Hamburgischen Dramaturgie. — 12 H.erder, Aus den Stimmen der Völker. — 22 W. v. Humboldt, Über Goethes Hermann und Dorothea. — 27, 29 Arndt, Über Freiheit und Vaterland- Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze. — 45, 46 Grimm, Das Märchen- Die Sage. — 58 Chrie: Zu allem Großen ist der erste Schritt der Mut.
Inhalt I. Inhalt II. 14.
[IV] 231
Brief.
14 Goethe, Briefe an Frau von Stein. — 16 Elisabeth G o e th e, Briefe an ihren Sohn und die Seinen. — 18—20 Schiller, Briefe an Goethe, Körner und an seine Braut. — 23 W.v. Humboldt, Briese an eine Freundin. — 25 Luise, KöniginvonPreußen, Brief an ihren Vater. — 37, 40 W i l h e l m I., Briefe an seine Ge mahlin und an Bismarck. — 38 M o l t k e, Briefe an seinen Bruder And an seine Gemahlin. — 41 Bismarck, Brief an seine Gemahlin.
Inhalt II
(die Prosa aller vier Teile umfassend).
L Aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Luther (1483-1546). II: 4 Fabeln nach Äsop. Etliche (4) Fabeln Äsops verdeutscht- Der reichste Fürst- Brief Luthers an seinen Sohn Hänschen. IV: 1—3 Aus der Bibelübersetzung,- Aus der Vorrede auf den PsalterAus der Hauspostille. Tschudi (1505-1572). IV: 4 Wilhelm Tell. Schupp (1610—1661). III: Freund' in der Not. IV: 5 Sprachreinigung im Deutschen. Leibnitz (1646—1716). IV: 6 Über Verbesserung der deutschen Sprache. III:
II. Nus dem 18. Jahrhundert.
1. Klassische Zeit. Gellert (1715—1769). III: Gellert bet Friedrich dem Großen. Möser (1726-1794). IV: 7 Die gute, selige Frau. Lessing (1729-1781). IV: 8—11 Einige Fabeln- Aus den Abhandlungen über die Fabel- Aus Laokoon- Aus der Hamburgischen Dramaturgie, Wieland (1733—1813). III: Der Streit um des Esels Schatten. Jung-Stilling (1740-1817). III: Heinrich Stillings Ahnen. Herder (1744—1803). II: Zwei morgenländische Sagen. IV: 12 Aus den Stimmen der Völker in Liedern. Archenholz (1745—1812). II: Der gefangene Husar. III: Gemälde der preußischen Armee vor und unter Friedrich d. Gr. Bürger (1747—1794). II: Baron Münchhausen. Goethe (1749-1832). IV: 13-15 Aus Werthers LeidenBriefe aus der Schweiz- Novelle. Elisabeth Goethe (1731-1809). IV: 16 Briefe an ihren Sohn und die Seinen. Forster (1754—1794). III: Matrosenleben.
Inhalt I. Inhalt II. 14.
[IV] 231
Brief.
14 Goethe, Briefe an Frau von Stein. — 16 Elisabeth G o e th e, Briefe an ihren Sohn und die Seinen. — 18—20 Schiller, Briefe an Goethe, Körner und an seine Braut. — 23 W.v. Humboldt, Briese an eine Freundin. — 25 Luise, KöniginvonPreußen, Brief an ihren Vater. — 37, 40 W i l h e l m I., Briefe an seine Ge mahlin und an Bismarck. — 38 M o l t k e, Briefe an seinen Bruder And an seine Gemahlin. — 41 Bismarck, Brief an seine Gemahlin.
Inhalt II
(die Prosa aller vier Teile umfassend).
L Aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Luther (1483-1546). II: 4 Fabeln nach Äsop. Etliche (4) Fabeln Äsops verdeutscht- Der reichste Fürst- Brief Luthers an seinen Sohn Hänschen. IV: 1—3 Aus der Bibelübersetzung,- Aus der Vorrede auf den PsalterAus der Hauspostille. Tschudi (1505-1572). IV: 4 Wilhelm Tell. Schupp (1610—1661). III: Freund' in der Not. IV: 5 Sprachreinigung im Deutschen. Leibnitz (1646—1716). IV: 6 Über Verbesserung der deutschen Sprache. III:
II. Nus dem 18. Jahrhundert.
1. Klassische Zeit. Gellert (1715—1769). III: Gellert bet Friedrich dem Großen. Möser (1726-1794). IV: 7 Die gute, selige Frau. Lessing (1729-1781). IV: 8—11 Einige Fabeln- Aus den Abhandlungen über die Fabel- Aus Laokoon- Aus der Hamburgischen Dramaturgie, Wieland (1733—1813). III: Der Streit um des Esels Schatten. Jung-Stilling (1740-1817). III: Heinrich Stillings Ahnen. Herder (1744—1803). II: Zwei morgenländische Sagen. IV: 12 Aus den Stimmen der Völker in Liedern. Archenholz (1745—1812). II: Der gefangene Husar. III: Gemälde der preußischen Armee vor und unter Friedrich d. Gr. Bürger (1747—1794). II: Baron Münchhausen. Goethe (1749-1832). IV: 13-15 Aus Werthers LeidenBriefe aus der Schweiz- Novelle. Elisabeth Goethe (1731-1809). IV: 16 Briefe an ihren Sohn und die Seinen. Forster (1754—1794). III: Matrosenleben.
Inhalt II.
232 [IV]
Schiller (1759—1805). IV: 17—20 Das Schaffen des Dichters; Aus Schillers Briefen an Goerhe, an Körner und an seine Braut. Jean Paul (1763—1825). III: Erinnerungen ans der Kinder zeit- Der vergnügte Alumnus Wuz. Humboldt Wilhelm (1767-1835). IV: 21-23 Schillers Charakterbild- Goethes Hermann und Dorothea- Aus den Briefen an eine Freundin. Humboldt Alexander (1769—1859). IV: 24 Aus den An sichten der Natur.
2. Jugendschriftsteller. Feddersen (1736—1788). I: Der König und der Page. Salzmann (1744—1811). I: Das Raupennest - Die fremden Tiere. Campe (1746—1818). I: Die drei Goldfischchen- Wittington. II: Demosthenes.
Meitzner (1753—1807).
I: Dreizehn Fabeln.
II: 5 Fabeln.
Liebeskind (1758—1793). II: 3 morgenländische Erzählungen. Schlez (1759—1839). II: 3 Geschichten von Meister Hämmerlein. Löhr (1764- 1823) I: Die Himbeeren- Die Jahrmarktspuppen.
III. Aus dem 19. Jahrhundert. 1. Aus der Zeit von Deutschlands Erhebung. Nettelbeck
(1738—1824) III:
Nettelbeck
beim
preußischen
Königspaar.
Luise, Königin von Preutzen (1776—1810). IV: 25 Brief an ihren Barer aus dem Jahre 1809. Schleiermacher (1768—1834). IV: 26 Aus Schleiermachers Predigten. Arndt (1769—1860). III: Das preußische Volk und Heer im Jahre 1813- Vier deutsche Männer- Aus Arndts Kinderzeit. IV: 27—29 Von Freiheit und Vaterland- Am Vorabend des Be freiungskrieges- Der Rhein, Deutschlands Strom, nicht Deutsch lands Grenze. Ehlert (1770—1852). II: Herzensgute des Königs Friedrich Wilhelm III.- Der Fasan- Die Freiwilligen aus der Mark bei Friedrich dem Großen- Bier Geschichten von der Königin Luise- Drei Geschichten vom alten Heim. III: Königin Luise von Preußen. Hippel (1776—1843). III: Aufruf des Königs von Preußen 1813. Gräfin Schwerin (1785—1863). III: Der Siegesbote. Jahn (1787-1852). III: Friedrich Friesen. IV: 30—32 Die deutsche Sprache - Das Volkslied- Die Raben des Asenberges. Körner (1791-1813). III: Briefe aus dem Jahre 1813.
S. Krzähkung und Schilderung. Hebel (1760—1826). I: Seltsamer Spazierritt- Das seltsame Rezept- Der kluge Richter- Das Mittagessen im Hofr Ein gutes Rezepr- König Friedrich und sein Nachbar. II: Die Erschaffung der Erde- Kindesdank- Einer oder der andere-. Man muß mit den Wölfen heulen- Einmal ist keinmal- Ein Narr sagt viel, worauf kein Weiser antwortet- Der Star von Segringen. III: Der geheilte Patient- Die Wachtel- Ist der Mensch ein wunder liches Geschöpf- Es ist nicht alles Gold, was glänzt- Rom ist nicht in einem Tage erbaut worden- Frisch gewagt ist halb ge wonnen- Unverhofftes Wiedersehen- Der Schneider in Pensa. Brentano (1778—1842). II: Wie Gockel, Hinkel und Gackeleia verzaubert erwachen. III: Das Märchen von Komanditchen. IV: 33 Das Märchen von dem Rhein und dem Müller Radlauf. Falkmann (1782—1844). III: Der Tag eines Jägers- Die Mühle. Mendelssohn (1794-1874). III: Der Rhein. Biernatzki (1795-1840). III: Die Hallig. Jmmermann (1796—184^). III: Der Hofschulze-Der Oberhof. Heine (1797—1856) III: Der Klabotermann- Aus der Harzreise. IV: 34 London. Horn (1798—1867) II: König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und der märkische Bauer. Kügelgen (1802—1867) III: Erinnerungen aus dem Früh ling 1813. Richter (1803—1884). III: Aus dem Anfang des 19. Jahr hunderts. Glaubrecht (1806—1859). III: Der Jmmeker. Auerbach (1812-1882). II: Bon Kleidern. Caspari (1815—1861). II: Das Alter soll man ehren- Alexan der und sein Arzt- Die Fabel vom Magen und den Gliedern- Kanut am Meere- Die Hussiten vor Naumburg- Du sollst nicht lügen- Ehr lichkeit- Die drei Hausräte- Die Wachtel und ihre Kinder- Von der Gerechtigkeit Gottes. Reichenau (1818—1879). III: Hausmütterchen- Wie die Groß mutter schreiben lernte. Allmers (geb. 1821). III: Das niedersächsische Bauernhaus; Ein Tag auf dem Marschhof. Frommel (1828-1896). II: Kaiser Wilhelm I. in Gastein. Trojan (geb. 1837). I: Die Kornblume- Nachtgewitter auf dem Land- Bom Abnehmen der Früchte- Der Sperling im Winter- Die Weihnachtsbescherung. t II: Das Abenteuer im Walde- Linsenfcld-Unkraut im ZimmerKleinigkeiten- Der Königsschuß in Mecklenburg- Eisenbahnfahrt durch die norddeutsche Ebene.
234 [IV]
Inhalt II.
III: Vor Tau und Tag- Von den Ameisen- Ein Hauskobold- Ver dächtige Wörtchen. Rosegger (geb. 1843). II: Der Gansräuber- Eine Geschichte Dom Erzherzog Johann von Österreich- Das Waldspinnlein. III: Waldlilie im Schnee. Verfasser ungenannt. I: Sechszehn Fabeln und Erzählungen. II: Zwölf Schilderungen deutscher Städte und Landschaften. III: Der Strom im Winter- Sommer am Rhein.
3. Märchen und Sagen. Grimm (Jakob 1785-1863 und Wilhelm, 1786-1859). I: Die Sternthaler- Der Wolf und die sieben jungen Geißlein- Das Rotkäppchen- Der Fuchs und die Katze- Der Fuchs und die GänseDas Lumpengesindel- Strohhalm, Kohle und Bohne- Die Bremer Stadtmusikanten- Der Nagel - Muttergottesgläschen - Die drei Spinne rinnen- Frau Hütt- Der Wolf und der Mensch- Die drei BrüderDoktor Allwisiend- Hans im Glück- Der Reiche und der ArmeSneewittchen. II: Das Hirtenbüblein- Der Zaunkönig und der Bär- Der Wolf und der Fuchs- Der alte Sultan- Der Frieder und das Kather lieschen- Der Zwerg und die Wunderblume- Der Bauer und sein Kobold- Die Füße der Zwerge- Frau Holle- SimelibergDornröschen- Des kleinen Volkes Hochzeitsfest- Der tausend jährige Rosenstock zu Hildesheim. III: Die kluge Else- Die Boten des Todes- Sechse kommen durch die ganze Welt- Die weiße Schlange- Der ^»chwanritter- Der Rattenfänger zu Hameln- Richmodis von Aducht- Der Glocken guß zu Breslau- Der Gemsjäger- Der Grenzlauf- Die Gänse magd- Der Hase und der Igel- D'brösmelt uf ent tisch- Das bürli im Himel. Kerner (1786—1862). II: Das Märchen vom Lichte. Bechstein (1801—1860). I: Gott Überall- Das Märchen vom Mann im Monde- Vom Hähnchen und Hühnchen- Das Märchen vom Schlaraffenland- Der Hase und der Fuchs- Hänsel und GretelMann und Frau im Esstakrug. II: Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack- Drei Geschichten von den Wasungern- Jungfrau Lorenz. II I: Aschenbrödel. Simrock (1802—1876). II: Der Katze die Schelle anhängen. Bastler (1816-1879). II: Das Amen der Steine- Rübezahl wird ein Esel- Wie Eulensptegel ein Schneider wird- Die Schöppen stedter verschreiben ein Gewitter- Pipins Kraftprobe- Drei Sagen vom Kiffhäuser- Wie Landgraf Ludwig eines Krämers Geselle ward- Die Gründung der Stadt Karlsruhe. Müllenhoff (1818-1884). I: Der Müller ohne Sorgen- Das brave Mütterchell. II. Das Licht der treuen Schwester. Euslin (1819—1875). II: Frankfurts Gründung. Leander (1830—1889). II: Der Wunschring.
Inhalt II.
[IV] 23fr
Seidel (geb. 1842). II: Der Zwerg und die Gerstenähre. Berfaffer ungenannt. I: Rumpelstilzchen - Der gestiefelte Kater. II: Bom Eulenspiegel- Von den Schildbürgern- Sechszehn Sagen aus deutschen Gauen.
4.
Geschichtsschreibung.
Lude« (1780—1847). Ranke (1795-1886).
III: Deutschland. IV: 35, 36 Maximilian I.- Karl V. in
St. Just.
Wilheim I., deutscher Kaiser (1797—1888). IV: 37 Sedan. Moltke (1800-1891). III: Der Araber und sein Pferd. IV: 38—40 Von der Belagerung von Paris- Lebensregeln- Von der Reise. Bismarck (1815-1898). IV: 41 Sedan. Sydel (1817—1895). IV: 42 Charakterbild Kaiser Wilhelm I. Fontane (1819—1898). III: Im Spreewald- Friedrich der Große im Dossebruch- Paretz. Baur (1826—1897). III: Bier Freiheitssänger- Prinzeß Wilhelm von Preußen Müller (1828-1877). III: Die alten Deutschen. Rogge (geb. 1831). II: Der Kronprinz nach der Schlacht bei Wörth- Kaiser Wilhelm I. im Elsaß. Treitschke (1834-1896). IV: 43 Die Schlacht bei BelleAlliance. Oncken (geb. 1838). III: Wie König Wilhelm deutscher Kaiser wurde. IV: 44 Bismarcks 70. Geburtstag. Willmann (geb. 1839). III: Krösus und Solon- Des Polhkrates Glück und Fall. Lindner (geb. 1843). III: Fünf Heerführer im Kriege von 1870- Kriegsleben 1870 und 1871.
5. Litteratur- und Kunstgeschichte. Grimm (Jakob 1785-1863 und Wilhelm, 1786-1859). IV: 45—47 Das Märchen- Die Sage- Goethe und Schiller. Hagen (1797—1880). IV: 48 Die Singeschule der Nürnberger Meistersinger. Bilmar (1800-1868). IV: 49 Das deutsche Volkslied. Riehl (1823—1897). III: Hausinschriften. IV: 50,51 Ludwig Richter, der Maler des deutschen Hauses- Rohrau. Springer (1825—1891). IV: 52 Petri Fischzug von Raffael. Jr Jager (geb. 1830). IV: 53 Die Aufführung der Orestie des Äschhlos.
Linnig (geb. 1832). III: Wieland der Schmied- Der gehörnte Siegfried- Der Nibelungenhort- Siegfrieds Tod- Gudrun. Scherer (1841—1886). IV: 54 Ulfilas.
236 [IV]
Inhalt II.
Verfasser ungenannt. IV: 55—58 Die Akropolis von Achen- Der Kölner Dom- Ruth, Beschreibung eines Bildes- Ehrte.
6. ZugendschriftsteHer. Jacobs (1764—1847). I: Das Kind und die Wölfe. Krummacher (1767—1845). I: Das Rotkehlchen-
Der Morgentraum. II: Die kleine Wohlthäterin- Der Rhein. Schmid (1768—1854). I: Zwanzig kleine Erzählungen. II: Bier kleine Erzählungen. Schubert (1780—1860). I: Der Geiger in der Wolfsgrube. III: Johann Friedrich Oberlin, Pfarrer im Steinthal. Franz (1794—1843). I: Seltene Freundschaft- Henne und Küchlein- Die Kinder, die in die weite Welt gehen wollten. Curtman (1802—1875). I: Achtzehn kleine Erzählungen. II: Das Hospiz auf dem großen St. Bernhard. III: Maria Prochaska. Remick (1805-1852). I: Der Wein. II: Der Pfennig- Der Dieb. Kellner (1811—1892). I: Gespensterfurcht- Das Mäuschen und der Löwe- Die vier Jahreszeiten. Kletke (1813—1886). I: Wie die Bögel singen lernten. Gude (1814-1898). I: Sonntagsruhe. II: Der Löwe ist los- Der Geißbub. Racke (1821—1856). I: Der Uhrmacher. Colöhoru (1821—1896). II: Der Wald in den vier Jahreszeiten. Dieffenbach (geb. 1822). 1: Dieb! Dieb- Das Vogelnest. Spyri (geb. 1827). III: Wie Heidi wieder heimkam zum Großvater. Sutermeister (geb. 1832). II: Der Fuchs und die SchneckeJunker Prahlhans- Der Schweinehirt. Fischer (geb. 1833). III: Zachur mit dem Sacke; Das Wasser. Hummel (geb. 1839). I: Von mancherlei Beeren- Von mancher lei Nüssen- Eine Schwalbengeschichte. Stein (geb. 1840). II: Die liebe Dorel.
Inhalt
III.
Die Zahlen in Klammer sind die Seitenzahlen der vorigen Auflage. Sette
27. 28. 29. 41.
33. 13. 14. 15.
16.
45. 46. 47. 48.
34. 12. 24. 21. 22. 23.
53.
30. 31. 32. 6. 8. 9. 10. 11.
Arndt: Von Freiheit und Vaterland.............................................. (97) 106 Am Vorabend des Befreiungskrieges.............................. (99) 107 Der Rhein, Deutschlands Strom................................. (100) 109 Bismarck: Sedan. Brief an seine Gemahlin....................................(193) 150 Brentano: Das Märchen von dem Rhein und dem Müller Radlauf (—) 116 Goethe: Aus Werthers Leiden........................................................ (31) 35 Briefe aus der Schweiz an Frau von Stein . . . (35) 39 Novelle.................................................................................. (41) 45 Elisabeth Goethe: Briefe an ihrenSohn u. a.................................................... (64) 68 Grimm (Jakob und Wilhelm): Das Märchen...................................................................... (114) 168 Die Sage........................................................................... (115) 170 Goethe und Schiller........................................................... (117) 172 Hagen: Die Singeschule der Nürnberger Meistersinger. . . (131) 174 Heine: London . . ................................. (119) 1?9 Herder: Aus den Stimmen der Völker in Liedern .... (28) 32 A. von Humboldt: Aus den Ansichten derNatur.......................................... (102) 91 W. von Humboldt: Schillers Charakterbild..........................................................(81) 82 Goethes Hermann und Dorothea................................... (84) 85 Aus den Briefen an eine Freundin............................... (88) 89 Jäger: Die Aufführung der Orestie des Äschhlos im Dionysostheater zu Athen, 458 v. Chr. Geb............................. (160) 195 Jahn: Die deutsche Sprache...................................................... (109) 111 Das Volkslied......................................................................(111) 113 Die Raben des Asenberges............................................(112) 114 .. Leibnitz: Über Verbefferung der deutschen Sprache .... (14) 14 Lessing: Einige Fabeln........................................................................ (17) Aus den Abhandlungen über dieFabel............................. (20) Aus Laokoon......................................................................... (22) Aus der Hamburgischen Dramaturgie............................... (26)
21 24 26 30
238 [IV]
Inhalt III.
Seite
25.
1. 2. 3. 38. 39. 40. 7. 44. 35. 36. 50. 51.
54.
17. 18. 19. 20. z 26.
5. 52. 42. 43. 4.
49. 37. 55. 56. 57. 58.
Luise, Königin von Preußen: Bries an ihren Vater aus dem Jahre 1809 . . . (136) Luther: Aus der Bibelübersetzung............................................ (1) Aus der Vorrede auf den Psalter............................. (3) Aus der Hauspostille.................................................. (4) Moltke: Bon der Belagerung von Paris............................. (185) (186) Lebensregeln...................................................................... Bon der Reise................................................................. (188) Möser: Die gute selige Frau.................................................... (-) Oncken: Bismarcks siebzigster Geburtstag............................... (-) Ranke: Maximilian I..................................................................... (124) Karl V. in St. Just....................................................... (127) Riehl: Ludwig Richter, der Maler des deutschen Hauses. . (146) Rohrau. Ein Idyll....................................................... (148) Scherer: Ulfilas................................................................................... (175) Schiller: (73) Das Schaffen des Dichters....................................... (74) Aus Schillers Briefen an Goethe............................. (75) Aus Schillers Briefen an Körner............................. Aus einem Briefe Schillers an seine Braut . . . (80) Schleiermacher: (94) Aus Schleiermachers Predigten..................................... Schupp: (12) Sprachreinigung im Deutschen . :.......................... Springer: Petri Fischzug von Raffael....................................... (158) Sybel: Charakterbild Kaiser Wilhelm I.................................... (141) Treitschke: Die Schlacht bei Belle-Alliance.................................. (166) Tschudi: (5) Wilhelm Tell.................................................................... Vilmar: (129) Das deutsche Volkslied.................................................... Wilhelm L, deutscher Kaiser: Sedan. Brief an die Königin Augusta..................... (179) Anhang: Die Akropolis von Athen............................................ (195) Der Kölner Dom............................................................ (201) Ruth. Beschreibung eines Bildes............................. (207) Chrie. Zu allem Großen ist der erste Schritt der Mut (210)
98
1 8 4 143 145 147
17 167 134 136 181 183
201 76 76 78 81
102
12 193
152
157.
5 179 139
204 210 216 219