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German Pages 844 [855] Year 1843
Commen tat über
d i e Schriften
-es Evangelisten Johannes. Bon
Vr. Friedrich LiUke.
Zweyter Theil. Anslrgung des Evangeliums von Kap. V — XXL
Dritte, verbesserte Auflage.
Bo««, bey Eduard Weber. 1 84 3.
Commentär über das
Evangelium -es Johannes.
Don
»r. Friedrich Lücke, Consistorialrath und ordentlichem Professor der Theologie zu Göttingen.
Zweyter Theil. Auslegung von Kap. V — XXL
Dritte, verbesserte Auflage.
Bonn, bey Eduard Weber.
1 8 4 3.
Göttinger», gedruckt in der Dieterichsche» Univ. Buchdruckerei.
Vorrede.
Sttjenn dieser Band etwas später erscheint, als geneigte Leser erwartet haben mögen, so liegt der Grund davon in dem herben Geschick, womit der Herr über Leben und Tod während der Arbeit mein Haus von Neuem heimgesucht hat. Leider muß ich fürchten, daß die Verspätung nicht die einzige Folge davon ist. Die Arbeit selbst wird nur allzusehr die Spuren des tiefen Schmerzes tragen, womit meine Seele in dieser Zeit gerungen hat. Indessen getröste ich mich des alten Spruches: Anfechtung lehret auf's Wort mer ken, auch in dem Sinne, daß ich eine hermeneutische Schule bestanden habe, welche für den Ausleger der heiligen Lebensworte eben so heilsam, als schwer ist. In dieser Schule lernt man, was die neuere Zeit so sehr geneigt ist zu verlernen, aus Erfahrung auf das Wort merken, es lieben und ehren; in solcher *2
Vorrede.
VI
Liebe und Ehrfurcht aber wächst jene heilige Gewissens scheu, welche sich fürchtet, den zartesten
aller Geister,
die Wahrheit, irgendwie zu verletzen und zu betrüben. Möge dieses
eigenthümliche Jnsiegel der hermeneuti
schen Leidensschule neben der Signatur des Fleißes und der Forschung meiner Arbeit in rechter Art und
Deutlichkeit eingeprägt seyn!
Dieß für theilnehmende
Freunde, besonders entferntere.
Mir selber ist unlieb, daß diese neue Ausgabe um
etwa fünf Bogen gewachsen ist.
Ze kürzer desto
besser — wird je länger je mehr auch mein Wahl
sirruch,- so für das Schreiben, wie für das Lesen. Aber Jedermann weiß, daß der Betrieb der Johanneischen Litteratur jetzt größer ist, als je; und da mein Commentar
einmahl darauf angelegt war, die Untersuchungen mit ihrem Material so vollständig, als möglich, mitzutheilen, so wäre eine Verkürzung in dieser Beziehung ein doppeltes Unrecht gewesen, sowohl gegen den - Com
mentar, als gegen das Evangelium, welchem mir Pflicht scheint durch Eingehen in die Fragen und Zweifel der
Zeit zu helfen, daß es das Fegefeuer der neueren Kri
tik bestehe.
Sonst bin ich auf alle Weise bemühet ge
wesen, nach meiner Art kurz zu seyn.
Die Litterär-
historie der Auslegungen habe ich so viel als möglich
abgekürzt, und, um für Wichtigeres Raum zu gewin-
Vorrede.
VII
nen, auch die den beyden ersten Ausgaben angehäng ten Excurse über die Geschichte der Auslegungen von
Kap. 5, 21 ff. und 6, 51 ff,
da sie ihren Dienst
gethan haben und zum Verständnisse der betreffenden Stellen nicht nothwendig sind, weggelaffen.
Sollten
sie gleichwohl vermißt werden, so würde ich nicht ab
geneigt seyn, sie in den theol. Studien und Kritiken
in einer anderen Gestalt von Neuem mitzutheilen. Man wird finden, daß ich auch in diesem Theile
die neueren Angriffe auf das Evangelium des Joh. überall berücksichtigt habe, so weit sie in den Bereich
der exegetischen Erörterung fielen.
nehmthun
des
meine Sache. Alex.
Glaubens,
Weder das Vor
noch der Wissenschaft ist
Mit Männern, wie Strauß, Weiße,
Schweizer,
spricht man auch gern;
man
kann sich zu ihnen in dem Verhältnisse des gemeinsa
men
Suchens nach Wahrheit denken.
Den beyden
ersten habe ich zwar nach Ueberzeugung überall wider
sprechen müssen, aber von allen dreyen gem gelernt, so Auslegung, wie Vertheidigung nach Kräften gründ
licher und schärfer zu fassen.
Anders ist es mit Bruno
Bauer's Kritik des Joh. Evangeliums.
Ueberwindung, neben dem
ruhigen,
Es kostet
gcheimnißvollen
Worte des Johannes immer auch auf bas knarrende
Mühlwerk der Bauerschen Dialektik und Kritik mit
Vorrede.
VIII
ihrem eintönigen Zerstampfen der Geschichte zu hören, um etwaige Töne der Wahrheit herauszuhören.
Das
hochmüthige Pfaffenthum einer alleinseligmachenden Phi losophie, hie und da leicht geschürzt in frivoler Lustig keit, mit seiner mehr als Tertullianischen Prä-
scriptionsformel gegen die Ketzerey der Vertheidigung
des Evangeliums,
die
von
vorn
herein
als
Un
wahrheit und Unsinn abgewiesen wird, während jeder Einfall der negirenden Kritik schlechthin als Wahrheit gilt, — erfüllt
Verdruß.
jeden
ernsten Mann mit Ekel und
Aber ich habe unverdrossen, was in dem
Buche irgend
der Mühe werth schien, zur Sprache
gebracht, ohne mich durch die persönlichen Beleidigun
gen, die ich dabey lesen mußte, reizen zu lassen. Hier
mit aber
hat
meine
Schuldigkeit
Bauer's Kritik ein Ende x).
gegen
Bruno
Denn auf die erst
1) Freylich wenn Dr. Marheinecke in seinem Separatvo-. tum über Bruno Bau er'S Kritik der evang. Geschichte Recht hat, so hätte ich gegen diesen mehr als jene Schul digkeit; ich trüge mit einigen andern ehreuwerthen Männern die Schuld, durch schlechte Vertheidigung und halbe Kritik die extravagante- Kritik seines Schützlings provocirt zu ha ben. Für diese seltsame Art der Entschuldigung wird sich Bruno Bauer schönstens bedanken. Ich meines Theils denke an dieser Schuld nicht allzuschwer zu tragen, weder hier noch dort. ES befremdet aber dabey, daß der votirende Richter i'tber die Sache spricht, alö verstände er wirklich etwas von der exegetischen und kritischen Debatte, und hätte sie mitgemacht, während er doch eben nur ein großer Phi losoph und Dogmatiker ist. Als Philosoph weiß er freylich
Vorrede.
IX
gegen das Ende meiner Arbeit erschienene Fortsetzung
der Kritik des Zoh. im dritten Bande der Kritik der auch diese-, und der Begriff giebt ihm da- Recht, in einem Schluffe ich weiß nicht ob a ininori oder inajori mich nament lich zu denjenigen zu rechnen, „welche sich besonder- kirchlichen und frommen Sinne- rühmen, und in ihrer falschen Senti mentalität über die Tyranney de- Begriffe-, d. h. de- Den ken- klagen ”. ES ist aber ein ganz neue- Recht, in einem officiellen Gutachten vor einer obersten Behörde über einen Dritten, über den man gar nicht gefragt ist, so hämisch zu urtheilen ohne Beweis und Nachweis. Diese Art oder Unart war mir bisher unbekannt, die Liebe aber, woraus das Urtheil entsprungen ist, längst bekannt, und den Zweck begreife ich auch. Der gedankenvolle Meister aber schreibt hier ganz gedankenlos den Deutschen Jahrbüchern nach, welche zuerst aus meinen unter den schmerzlichsten Ver hältnissen geschriebenen Erinnerungen an Meinen unvergeß lichen Freund K. O. Müller eine Aeußerung der Art anfgemutzt, und zum Behuf ihrer karrikitenden Charakteri stik mit meinem persönlichen und wissenschaftlichen Verhält nisse zu Schleiermacher in pragmatische Verbindung gebracht haben. Flüchtige TageSblätter haben zu derglei chen Oberflächlichkeiten ein gewisses Recht. Aber darnach hat mir auch Dr. Baur in Tübingen das schlimme Wort wieder vorgehalten in einer sehr zwanghaft gelegentlichen, aber vielleicht desto absichtsvolleren Anmerkung in der Vorrede zum ersten Bande seiner Geschichte der Triuitätölehre, und daran die wohlwollendsten Insinuationen bey dem Publicum geknüpft über mein zweydentigeö Schwanken in behaglicher Gefühlötheologie, und auch darüber, daß ich in den hiesigen Blät tern ihn nicht genug honorirt habe. Von diesem Manne thut'S mir leid; ich hatte Bessere- von ihm gedacht. Aber von ihm kommt das Thema nun an den dritten Mann, Dr. Mar.heinecke, der eS auf feine Weise variirt. In der That gehört nicht viel exegetischer Verstand dazu, um auS dem Zusammenhänge zu begreifen, waö für eine Begriff-tyranney ich gemeint habe, aber viel gedankenlose Lei denschaft, um die gelehrte Glosse hinzuzufügen, „d. h. deS Denkens." Rur die lächerlichste Partheyverblendung kann ferner meinen, daß wer nicht auf Hegelschem Grund und
evangelischen Geschichte,
worin
die Vernichtung des
Johannes in potenzirter Grundlosigkeit vollendet wird,
Boden steht, nothwendig schwanke, wer nicht bey jedem Streite auf dem litterarischen Markte gleich bey der Hand ist, unthätig zuwarte, und wer nicht über alles gleich ent scheidet und alles absolut weiß, zweydeutig sey. ES hat jeder zur Tagespolemik sein Recht und seine Pflicht, seine Zeit und seine Freyheit. Am wenigsten aber hat Dr. Baur ein Recht, Andere wegen Mangels an theologi scher Festigkeit, Gradheit und Offenheit zu belangen, er, der selbst die theologische oder philosophische Schule gewechselt und noch nicht offen gesagt hat, wie er zu Strauß Leben Jesu und andern Erscheinungen seiner Schule stehe. ES ist sehr die Frage, waS dem behaglichen Sinne mehr zusagt, der fertige absolute Begriff, der, wenn er- einmahl aufge zogen ist, seine Schnur durch alle Gebiete der Geschichte und Natur abläuft fast ohne des Menschen Zuthun, oder daö Princip der Schleiermacherschen Schule, wenn man will (in der That aber ist Schleiermacher kein Schul meister, sondern der Typus freyester Forschung), welches bey aller "Sicherheit des LebenögrnndeS im Forschen keine Ruhe gestattet, und die Arbeit der Kritik nie scheut. Dem Dr. Marheinecke aber habe ich noch besonders zu erwidern, daß ich mich allezeit Manns genug halte, um etz mit ihm in jedem Denkstreit mit blanken logischen Waffen und in verständlicher Rede aufzunehmen. Gegen die Philosophie, wenn dieß eben daS Denken ist, habe ich nie protestirt, im Gegentheil alte und neue allezeit hochgeachtet und mit Liebe studiert. Meister in jeder Art und Kunst habe ich immer achtungsvoll geehrt, und so auch Hegel als eine Haupt zierde der Deutschen Philosophie anerkannt, und aufmerksam von ihm gelernt. Aber ich will weder Hegels gefessel ter Knecht seyn, noch irgend eines andern Philosophen. Und gegen die Tyranney deö sogenannten Begriffs, des Hegelschen Schulbegriffs, d. h. jener dünkelhaften philo sophischen Orakelweiöheit mit ihrer Glossolalie und Be schränktheit, somit gegen jede Knechtung detz freyen Christ lichen Geistes und der lebendigen Wissenschaft unter daS Joch irgendwelcher pantheistischen oder nicht pantheistischen Schulformeln werde ich trotz Dr. Baur und Marhei-
Vorrede.
XI
mich einzulassen, verbietet fast der wissenschaftliche An stand.
Dergleichen Erscheinungen auf dem theologi
schen Gebiete könnerr nicht anders, als betrüben. Aber sie gehören zu dem einmahl angefangenen Processe der
Zeit, und dienen zum Zeugnisse, daß ein Denken, wel
ches mit dem namenlos Wilden anfängt, wenn es sich nicht besinnt, mit dem namhaft Wilden
endigt.
Die kritische Forschung über das Evangelium des Johannes ist noch nicht vollendet, und ich habe Selbst
kritik genug, um mir nicht anzumaßen, alle Räthsel
gelöst zu haben.
Neue
Entwicklungen
schaft und Kirche werden
der
Wissen
neue Fragen und Zweifel
bringen, während die in der gegenwärtigen Krisis der
Theologie werden.
entstandenen
nicht alle
noch
Es ist nicht anders.
gelöst
seyn
Auch in der freyen
Entwicklung der Kritik nach links und rechts finde ich
eine Ordnung
Gottes, die
kein Mensch stören soll.
Aber wohin sich auch die Forschung wenden möge, — das ist mir in fast täglicher Lesung des Zoh. Evange-
necke im Namen der fortschreitenden
Geschichte fortfahren
zu protestiren und mich zu wehren, so lange noch ein Athemzug in mir ist. Dieser mein Christlicher Protest steht bey mir nicht geschrieben außen am goldenen Becher, son dern in meinem innersten Denken, und ist, wenn man daß Wort einmahl haben will, mein festester, offenster und ehrlichster Begriff und Wille.
xii
Vorrede.
liums seit länger, als zwanzig Zähren, zvr unzweifel haften Gewißheit geworden, daß, so lange noch Kirche in der Welt ist, das Evangelium des Johannes mit de» drey andern zu de» Felsstücken gehört, worauf der .£ttt seine Kirche gebauet hat. Eher wird die Kritik a» diesem Felsen zerschellen, als dieser Fels an dem Hammer der Kritik, Ich meine aber, daß es Gottes Wille ist, daß sie beyde mit und durcheinan-der werden behalten werden, als Gaben eines und deffelbigen heiligen und besonnenen Geistes.
Göttingen, den 23. Jan. 1843. Dr. Lücke.
V,
1 —
47.
ssrankenheilung an einem Feste zu Jerusalem und dadurch veranlaßte Streitrede.
D-e wunderbare Heilung selbst D. 1-9. wird nur als
Veranlassung zu der V. 16 ff. folgenden Streitrede kurz erzählt, diese dagegen nach Joh. Weise mit besonderer Aus
führlichkeit.
In dem Pragmatismus des Evangeliums bil
det diese Erzählung die Epoche des offnen Widerspruchs und der Verfolgung, s. V. 16. 18. vgl. 7, 23.]).
SS. 1.
So oft Joh. die unmittelbare Zeitfolge bezeich
nen will, gebraucht er ;uta tovto, wenn die mittelbare, /tt-Tu Tttvta, vgl. 2, 12. 3, 22. 5, 14. 6, 1. 7, 1. 11,
7. 11. 19, 28. 38.
Davon weicht der apokalyptische Styl
ab, welcher immer /ist« wüt« gebraucht. Nach dieser, wie
ich glaube, sicheren Observation ist die Leseart in den Stel len, wo sie schwankt, sicher zu stellen.
Hier ist klar, daß
zwischen der Rückkehr Jesu nach Galiläa 4, 43. 54. und der neuen Festreise eine längere Zeit verflossen war.
Nach der beglaubigten Leseart qv ioQvrj tüv 'IovS-
bat, wenn das artikellose
streng genommen wird,
Joh. selbst das Fest nicht näher bestimmt.
Aber gerade
der chronologische Charakter des Ev. nöthigt fast zu der Frage, welches Fest nach den chronologischen Verhältnissen
der Stelle gemeint seyn sonne ? 1 2)
1) S. Bd. 1. Eint. S. 183. 2) Die ältere Litteratur f. Bibi. Brem. Class. I. p. 597 ff., von d'Outrein verzeichnet, Lampe Commentar.Tom. II. p.3sqg. Lücke Commcntar. Th. II.
1
2
Erster Haupttheil.
I, 19. — XII, 50.
Schon die Kirchenvater haben diese Frage verschieden beantwortet. Irenaus versteht darunter das zweyte Pascha wahrend der Lehrzeit Jesu 2*).3 1 4Dieß ist die älteste Ansicht, die auch Origenes kennt, aber nicht zu billigen scheint2). Durch Cyrill und Chrysostomus^) wird in der Griech. Kirche herrschend, unter der ein Pfingst fest zu verstehens. Erasmus, Calvin, Beza u. a. und Köcher Analecta zu d. St., die neuere s. bey Kuinöl Comment, zu d. St. Die neueste wird im Laufe der Unter suchung angegeben werden. 1) Adv. Haeres. 2, 39. Et postbac ilerum secunda vice adscendit (Jesus) in diem Paschae in Hierusalem, quando paraly ticum, qui juxta natatoriam jacebat XXXVlli. annos, curavit. Iren, nimmt in derselben Stelle überhaupt nur 3 Pascha feste während der Lehrzeit Jesu an. Da er nun das dritte erst 12, 1. setzt, so muß er 6, 4. Tjv cH tyyuq tu 7/ tüv ’lovduioiv entweder nicht gelesen (— eine neuere Conjectur will auch To udo'/a in dieser Stelle ausstoßen s. Schulz Gries bach V. L. zu d. St.), oder übersehen, oder anders verstanden haben, als es verstanden werden muß. P eta u hat diese Schwie rigkeit in der chronol. Bestimmung des Irenäus nicht unbe achtet gelassen, s. Animadvers. ad Epiphan. Haeres. 51.: quot secundum baplismum paschata Christus obierit. Opp. Epiph. Vol. 2. p. 203 sqq. Ed. Colon. Er meint aber, Iren, habe das Fest 5, 1. mit dem Pascha 6, 4. confundirt. 2) Der Tomus des Origen. Commentares über Joh. 5. ist verlo ren gegangen. Aber Tom. 13. §. 39. bemerkt Or. gelegentlich: 'Edv Jf «VT?/ 7/ fOQTl) (5, 1.) TOV 77aff/« 7]V , OV TtQOOXftTttl TO ovo/tu avTz/g* GTtvoyüiQft te (ffTtvo/to^fiTcu) to uxoXquOov T7/? lOTopZag, xul ndkiöTa etiel ßET dXiyu EnupEQETai, ort ijv fyyvS 7/ to^TTj TÜv 'lovdauov, 7/ axTjvo7U]yla, 7, 2. Dieß verstehe ich nicht. Aber vielleicht meint Or. 6, 4. Nach cont. Cels. 2,12. berechnet Or. die Lehrzeit Jesu auf weniger, als 3 Jahre, ja de principiis 4, 5. nur auf etwas mehr, als ein Jahr. Es ist also wahrscheinlich, daß er unter der »opr?/ in unserer St. kein Pascha verstand. 3) Chrysost. sagt nur : Hot« eoqt^ >• 'E/4.0I doxEk 7/ T?;q TtEVT^xocnijq. Cyrill dagegen giebt als Grund an, weil Pfingsten das dem Pascha 2, 13. nächst folgende Fest sey. 4) S. Theophplakt undEuthymius zu d. St. Epiphanius nahm ebenfalls nur 3 Paschafeste während der Lehrzeit Jesu an (f.Petav. animadv. a. a. O. p. 204.), er verstand also auch unter unsr. foQTT} kein Pascha, sondern irgend ein anderes. Dagegen muß Theodoret (Comment, in Daniel. Cap. 9. opp. ed. Hal. Tom. 2. P. 2 p. 1250.) unsere Stelle von d. Paschafeste ver standen haben, weil er sagt, Jesus habe, wie aus Joh. erhelle,
Kap. V, 1. haben diese Meinung gebilligt. nitz, Calovius kehrten zur zurück, welche durch
gen Scaliger*)
3
Luther aber, Chem Ansicht des JrenäuS
den Beytritt des großen Chronolo
ein solches Uebergewicht bekam,
auch Grotius und Lightfoot sie vertheidigten.
daß
Aber
nachdem zuerst I o h. K e p p l e r 2) die Vermuthung ge
wagt hatte, daß die fragliche iogry wahrscheinlich das
dem zweyten Pascha 6, 4. unmittelbar vorangehende Pu rimfest gewesen sey, ward diese Vermuthung von Petau, Lamy^), d'Outrein u. a. immer entschiedener verthei
digt.
Die Meinungsverschiedenheit wurde dadurch noch grö
ßer, daß Keppler und Petau äusserten, es könne auch
ein Enkänienfest gemeint seyn,
Coccejus das
und
Laubhüttenfest4) in Vorschlag brachte.
alle Feste der Juden daran gekommen.
So sind fast
Die beiden letzte
ren Vermuthungen blieben, als die unwahrscheinlichsten, in
der Minorität.
schiedenheit mit
So mindert sich auch allmählich die Ver
wieder.
I. A. Bengel §) vertheidigt zwar
Gelehrsamkeit und
Entschiedenheit das Pfingstfest.
Aber trotz der Auctorität seines Namens in der biblischen
Chronologie sinkt diese Ansicht immer mehr.
Nachdem dann
in der neueren Zeit Süskind, besonders aber Dr. Pau-
ungefähr 3| Jahr gelehrt. Man sieht übrigens aus T h e o d o r e t, daß die Berechnung der Daniel. Jahrwochen auf die Ansicht der Alten von der Dauer der Lehrzeit Jesu einen bedeutenden Einfluß gehabt haben muß. Noch CaloviuS bemerkt Bibi, illusir. zu Gunsten der Meinung, daß in unsrer St. ein Pascha gemeint sey: Nam quum minislerio Christi assignali fuerint tres anni cum dirnidio Dan. 9, 24. et descripti illi a Joanne credantur per paschata, necesse est, non aliud hic inlelligi festum, quam paschatos. 1) De emendat. tempp. lib. 6, p. 257. Ed. Francos. 1595. 2) S. Joan. Keppleri Eclogae Chronicae ex Epistolis doctissimorum aliquot virorum et suis mutuis. Francos. 1615. 4. p. 72. 129 sq. 3) Apparalus chronol. ad harmoniam Evangelior. P. 2. Cap. 6. §. 2. 4) Eine,Batik. Handschrift (131) aus dem Ilten Jhdt. liest:
toQTij t) oxip/ouijyta, ibjv IovSaUäv.
5) S. Ordo tempp. p. 252.
Gnomon, zu d. St.
Erster Haupttheil.
4
I, 19. — XII, 50.
lus und Hugi) die verschiedenen Meinungen von neuem gründlich erörtert und geprüft hatten, wurde eine Zeitlang
nur darüber gestritten, kind
und
Paulus
ob unter der togtrj, wie Süsbehaupteten, mit
Irenäus
das
zweyte Pascha während der Lehrzeit Jesu, oder, wie Hug wahrscheinlich zu machen suchte, mit Keppler das
jenem Pascha unmittelbar vorangehende Purimfest 1 2)3 zu
verstehen sey. Aber die neueste Kritik will sich auch nicht einmahl diese engere Wahl gefallen lassen, und erklärt das unbestimmte Fest auch für unbestimmbar.
Bey der genaueren Erörterung der Frage kommt Fol
gendes in Betracht:
1.
Da Johannes die Feste, an denen Jesus in Jeru
salem war, sonst immer nennt, warum thut er es hier nicht? Der ganze Abschnitt enthält nicht die geringste An
deutung , woraus mit Sicherheit geschlossen werden könnte, welches Fest er gemeint habe.
Wäre der Verfasser ein syn
optischer Evangelist, so könnte man denken, die allgemeine evangelische Tradition habe den Namen des nicht gekannt oder vergessen.
Festes gar
Ist aber Johannes der Vers.,
so bleibt nichts übrig, als anzunehmen, entweder er habe
sich eben nicht mehr erinnert, was für ein Fest es gewe sen^), oder er habe das wohlbekannte Fest eben nur nicht genannt, weil für den pragmatischen Zusammenhang und das Verständniß der Erzählung nichts darauf ankam. Bey
der sonst so genauen Erinnerung des Joh. an die Bege1) SüSlind in d. neuen Versuche über chronologische Stand« Puncte für die Apostelgesch. und für d. Leben Jesu, in BengelArchiv für d. Theologie Bd. 1. S. 194f. Dr. Paulusin s.Commcntare Bd. 1. (Zeitordnung §. 24.) und Handbuch über d. 3 ersten Evv. — Hugs Einleit.in d. N. T. Bd. 2. S.227ff. 3teAusg. 2) Dieser Ansicht sind neuerdings bepgetreten Tholuck und OlShausen in ihren Commentaren, und Clausen, Tabula« synopticae quatuor Evv. pag. 54. 3) Dieß nimmt Al. Schweizer an, in seiner Schrift: das Ev. Joh. nach s. inneren Werthe «. s. w. kritisch unter sucht. Leipz. 1841. S. 112.
benhekt ist das erstere unwahrscheinlich.
das letztere an.
Wir nehmen also
Hatte Joh. eine vollständige Erzählung
des Lebens Jesu in streng chronologischer Anordnung nach den
Festzeiten beabsichtigt, so
nennen müssen.
würde er das Fest haben
Aber daß die chronologische Bestimmung
nach den Festen zum Theil zufällig, überhaupt aber nicht
vollständig ist, sieht man daraus, daß 6, 4. das Osterfest nur gelegentlich erwähnt wird.
Ob Jesus kein Fest wäh
rend seines öffentlichen Lebens unbesucht ließ, wissen wir
Aus 7, 2-11. folgt nur, daß er an jedem Haupt
nicht.
feste in Jerusalem zu erscheinen gewohnt war.
fenbar erzählt Joh. nicht alle Festreisen Jesu,
Aber of vgl. 6, 4.
Man kann im Allgemeinen als Regel aufstellen, daß Johan nes die Feste immer nennt, so oft der pragmatische Zusam menhang , ober das Verständniß der Erzählung irgendwie da durch bedingt ist.
So nennt er 2, 13. das Pascha, weil
das Kauf- und Wechslcrwescn im Tempel 53. 14. damit
zusammenhing; eben so 6, 4., wo sich das Herumziehen großer Bolksmassen zum Theil aus der Nähe des Pascha
erklärt;
festes
7, 2.
wird das Laubhüttenfest
genannt,
weil sich der Ausspruch Jesu 53. 37. 38. auf die besondere Feyer dieses Festes bezieht, und 10,22. sieht man deutlich, daß das Kirchweihfest genannt ist, um zu erklären, war um Jesus der Jahreszeit wegen in der Halle Salomonis
lehrte.
Daß er das letzte Pascha 12, 1 ff. nennt, versteht
sich von selbst, der ganze schon bekannte chronologische und
pragmatische Zusammenhang der Leidensgeschichte forderte es.
Hätte also hier die Heilung oder die Rede Jesu auf
die besondere Art des Festes irgend Beziehung gehabt *),
so würde es unstreitig genannt seyn. 1) I. A. Bengel meint zwar (Ordo lempp. p. 252.) Vers 37 und 38. enthalte eine Anspielung auf die prophetische Festlection Ezcch. 1, 1 sf. In Pentecoste, fährt er dann fort, lex data fuerat, unde Judaei in precibus eo die recitandis et in concionibus legem et populum, cui lex data, celebrare sunt so lid. Itaque hoc in ternpus proprie convenit sermo de voce
6
Erster Haupttheil, l, 19. — XII, 50.
2. Allein man hat gesagt, Joh. habe das Fest gar nicht unbestimmt lassen wollen; genannt zwar habe er es nicht, allein der Ausdruck twv ’sovdaimv, zumahl wenn der Artikel echt sey, bezeichne nach biblischem Sprachgebrauche ein bestimmtes Fest, nemlich das Pascha; jeder Leser habe ohne weitere Erklärung nur eben dieß dar unter verstehen können. Jst's ohne Artikel unmöglich, e'opri) von einem be stimmten Feste zu verstehen, so steht es schlimm mit dieser et specie Bei, Exod. 20, 18. 24, 10., et de accusatione Mosis, Joan. 5, 45. Allerdings hatte nach späteren Jüdischen Ue berlieferungen das Pfingstfest auch eine Beziehung auf die Sinaitische Gesetzgebung (vgl. Erod. 12, 2. 19, 1.), und wurde vorzugsweise das Fest der Gesetz es fr eude genannt, f. Danz fit Menschen N. Test, e Talmude illuslratum p. 740 sqq. Aber eine solche künstliche und versteckte Combination von Anspielun gen wird wohl Niemand dem Joh. zutrauen. Aber dieß ist noch einfach gegen Hengstenbergs Hypothese, Christologie 2, S. 568. ■' Um die Danielischen 3| Jahre im öffentlichen Lehr amte Jesu herauszubringen, muß das Fest in unserer Stelle nothwendig ein Pascha seyn. So lehrten schon Theodoret und Calovius. S. oben. Aber während diese rein bey der Nothwendigkeit der zu erfüllenden Weissagung stehen bleiben, macht Hengstenberg ausser andern Beweisgründen auch die sen geltend, daß der Kranke, den der Herr geheilt habe, als Typus des Jüdischen Volks anzusehen sey. Die 38jährige Krank heit des Mannes habe dann eine unverkennbare Beziehung auf das 38jährige Elend des Volkes bey dem Zuge durch die Wüste, dessen erlösendes Ende das erste Pascha in Canaan gewesen sey. Also müsse auch hier ein Paschafest gemeint seyn. — Heng stenberg fürchtet, man werde diesen Grund sonderbar finden. Wir finden ihn nicht sonderbar, sondern geradezu falsch, so lange nicht nachgewiesen werden kann, daß Joh. eine solche selt same Tppik nicht nur geübt, sondern auch zu verstecken geliebt habe. Kap. 19, 36 und 7, 37., worauf sich Hengstenberg beruft, sind doch ganz anderer Art; Joh. drückt dort das Typi sche bestimmt aus. Kap. 6. aber gehört mehr, als Kunst dazu, um in der Rede Jesq vom Himmelsbrote und seinem Fleische und Blute eine Anspielung auf das 6, 4. als nahe erwähnte Pascha zu finden. Das Himmelsbrot hat ja hier seinen Typus int Manna, und die Rede vom Fleisch und Blute enthält auch nicht von fern eine Anspielung auf das Pascha. Der Evan gelist, der die Typen im Leben und in den Worten Christi sonst nicht unbeachtet läßt, sollte hier unterlassen haben, das Typische zu bemerken? Oder wußte Joh. besser, daß das Blut trinken nicht zum Paschatppus gehörte? S. zu 6, 4.
Kap. V, 1.
7
Ansicht.
Denn der Artikel ist höchst wahrscheinlich un-
echt^).
Aber Hengstenberg lehrt1 2), der Artikel ver
schlage nichts.
Nach einem durch die LXX und das N.
T. eben so weit verbreiteten, als wenig beachteten Hebrais-
mus, sagt er, werde der bestimmte Artikel statt vor das erste', vor-das zweyte in dem Genitivverhaltniß stehende Nomen
gesetzt.
Er führt Deut. 16, 13. 6o foQTq Ttov ’loudaiün#, xal dvfßi] o ’lqo'ovc; etq Vf^oao/.i^a, In demselb. Tomus §. 60. ganz ÜM Ende sagt er zwar: tv 5$ vw tüv iv t jj topr/j töjv Iovdaiwv iv ‘ItgoooXv/AOK; uvtm xal uqt}pfvwv, aber hier ist kein genaues Citat. Eben so §. 53. Es ist also gerathen, den Artikel mit Griesbach und Lach mann nicht aufzunehmen. 2) Christologie 2. S. 565. 3) Nach Cod. Alex. 4) §. 18. 2. 6.
Der Vatic. liest fogrqv 6xt)vwv.
8
Erster Haupttheil.
I, 19. — XII, 50.
zwingen, unter topTi) t. 'Iovd. etwas anderes, als irgend ein Judenfest zu verstehen. Ich fürchte sogar, die
Hebr. Grammatik selbst würde es nicht anders thun.
An
genommen aber, der Artikel wäre so echt wie nothwendig, wie will man beweisen, daß y loQzy wv 'Iovdaiav nach
biblischem Sprachgebrauch« vorzugsweise das Pascha be zeichne?
Weder im A. noch im N. Testamente findet sich
ein entsprechendes Beyspiel.
So oft sonst Joh. bestimmt
von dem Pascha redet, nennt er eö 2, 13. 6, 4. 12, 1.
Freylich 4,45. 11, 56. 12, 12. versteht er unter der iogiy (mit d. Artikel) das Pascha, aber 4, 45. in bestimmter Be
ziehung auf das 2, 13. genannte erste Pascha, 12, 12. in Beziehung auf das 12, 1. genannte letzte, und 11, 56. fin det eine noch nähere Hinweisung auf V. 55. Statt.
Auch
7, 10. 14. 37. setzt Joh. schlechthin rt logt?], aber in Be ziehung auf das 7, 2. genannte Laubhüttenfest.
So kann
freylich jedes Fest iopzy schlechthin genannt werden in Beziehung auf eine voraufgegangene nähere Bestimmung. Vergebens beruft man sich auf Matth. 26, 5. (vergl. die
Parallelen
bey
Markus
und Lukas)
und Luk. 2, 42.
Auch hier bezieht sich die Formel mit dem Artikel auf die
voraufgegangene Namenangabe, vergl. Matth. 26, 2. Luk. 2, 41.
Die Formel xarä dl iogr^v Matth. 27, 15.
Mark. 15, 6. ist allerdings auf das Pascha zu beziehen, aber nur im Zusammenhang der Leidensgeschichte, und wegen
der ausdrücklichen Erklärung Joh. 18, 39. läßt sie das Fest unbestimmt.
An und für sich
Aber I o s e p h u s, sagt man,
nenne doch das Pascha schlechthin kel, Archäol. 18, 4. 3. und 5, 3.
coqtq
sogar ohne Arti
Allein in der ersteren
Stelle folgt auf die Worte qv avzoig logri] unmittelbar siaoy^a dl xalthai, toQvijg
nachher aber bezieht stch
wqo
zf;g
auf das im Anfänge des Kap. genannte Pascha.
In der zweyten Stelle weiß man nicht, ob mit loQts;g nctTQtav zo'ig
’lovdaioig iveotijxviag
ein Pascha, oder
vielmehr ein Pfingstfest, oder irgend ein anderes Fest ge-
Kap. V, 1. meint sey *).
Nur durch künstliche chronologische Combina
tion laßt sich darüber entscheiden.
Der Ausdruck ist, wie
in unserer Stelle, an und für sich unbestimmtz). — I. A.
Bengel war der Meinung, «'9^ schlechthin sey vorzugs
weise das Pfingstfest.
Dieß laßt sich in der That eben so
gut sagen, als es bezeichne schlechthin das Pascha.
Er be
ruft sich darauf, daß nach Joseph. Archäol. 3, 10. 6. die Hebräer Pfingsten ’sloaQ&d, und so per antonomasiam
das Fest vorzugsweise nennen; auch
werde Pfingsten in
der praedic. Petri Fest schlechthin genannt. Allein
(«rnsy) wird Pfingsten bey den Nabbinen nur genannt in Beziehung auf das Pascha, und zwar als Schluß der
sieben Wochen nach dem Pascha, nirgends ein Fest für sich, sondern
heißt im A. T. nur der siebente Tag
des Paschas, Deuteron. 16, 8., und der achte deS Laub hüttenfestes, Levitic. 33, 36., als die Schluß Versamm lung des einen und anderen Festes Z). Schon in sofern scheint unmöglich, daß das eintägige Pfingstfest, gleichsam
nur ein Anhang des Pascha, schlechthin ioQtq genannt seyn sollte.
Vergebens ruft Bengel die Figur der Anto
nomasie zu Hülfe.
Nur wenn Pfingsten das einzige Ju-
denfcst wäre, ließe sich eine solche Figur denken. zige Stelle,
welche Bengel für
diesen
Die ein
Gebrauch an
führt, aus der praedicatio Petri4), lautet vollständig so: idv (irt oelTjvt]