Commentar über die Schriften des Evangelisten Johannes: Teil 1 Allgemeine Untersuchungen über das Evangelium des Johannes und Auslegung von Kap. I–IV. [2., ganz umgearb. Aufl. Reprint 2020] 9783112372821, 9783112372814


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German Pages 566 Year 1833

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Commentar über die Schriften des Evangelisten Johannes: Teil 1 Allgemeine Untersuchungen über das Evangelium des Johannes und Auslegung von Kap. I–IV. [2., ganz umgearb. Aufl. Reprint 2020]
 9783112372821, 9783112372814

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Commentar über

d i e Schriften

des Evangelistm Johannes. Don

Dr.

Friedrich

Lücke.

Erster Theil. Allgemeine Untersuchungen übet das Evangelium des Iohannes

und Auslegung von Kap. I—IV.

Zweyte, ganz umgearbeitete Auflage.

Bonn,

bey Eduard Weber.

183 3.

Commentar über das

Evangelium des ZchMnes. Don

Dr. Friedrich Lücke, Consistorial-Rath und ordentlichem Professor der Theologie

zu Göttingen.

Erster Theil. Allgemeine Untersuchungen und Auslegung von Kap. I—IV.

Zweyte, ganz umgearb^itetr Auflage.

Bonn,

bey Eduard Weber. 1833.

Vorrede.

Q>

, S, 7—77. 2) S. hierüber Hugs Einleitung Dd. 2. S. 1 ff. 3) S. Fabridi Codex apocr. N. T. P. 2. pag. 531 sqq. T05 sqq. P. 3. p. 604 sqq. Dergl. Thilo Acta Thomae. Prolegomeua

Kap. 1. Authentie, Kanonicität, Integrität.

6

Gemisch von Legenden' und grundlosen Vermuthungen, von abgeschmackten Fabeln und willkührlichen Erweiterun­ gen der wahren Geschichte. Schon EusebiuS kennt häre­ tische Dichtungen der Art *). Späterhin wetteifern bis zur Reformation müßige Phantasie und Aberglaube, das Le­ ben des Apostels eben so wunderbar, als unglaubwürdig zu machen. Sm neuen Testamente sind eS vornehmlich die Sohanneischen Schriften, welche, wie sie selbst charak­ teristische Thatsachen seines Lebens sind, auch über ihn die meiste Auskunft geben, aber oft mehr.nur in Andeu­ tungen. Sst die Apokalypse kein Werk des Sohannes, so wird diese Quelle wenigstens unsicher, obgleich nicht un­ brauchbar. Wer aber sogar daö Evangelium und die Briefe des SohannrS bezweifelt, für den verliert sich fast die ganze Biographie des Apostels in unsichere Sage. Wir setzen mit erweislichem Recht die Echtheit dieser Schriften hier voraus. Aber eS giebt keine Voraussetzung und kein Mittel, den ftagmentarischen Charakter der Le­ bensgeschichte des SohanneS wegzuschaffen.

Johannes 8) war nach Matth. 4, 21. Mark. 1, 19. Matth. 10, 2. Mark. 10, 35. Matth. 27, 56. vergl. Mark. 15, 40. 16, 1., der Sohn des Zebedäus und der Salome, der — wahrscheinlich jüngere5*)* — Bruder des pag. LXXII gqq. Kteuker über die Apokryphen des N. T. S. 318—416. Wegscheiderö Versuch einer vollst. Einleit. S. 7 —15.

1) S. Hist. Eccl. 3, 25. — Vwicvrov

2)

ITqu!-uq.

oder t>. h. Jehovah ist gnädig, Gotteshuld, entsprechend unsrem Gotthold. Die Septuaginta hat 2 Könige 25,23. ’Zwyd, Nehem. 6, 18. 'Iwvuv, Nehem. 12,13. eben so 2 Chron. 17, 15. 23, 1. — 2 Ehron. 28, 12. kommt der Genitiv ’Jwavov vor, der unmittelbar zu der neutestam. Griech. Form 7««^? überführt. —

3) Man schließt dieß daraus, daß fast überall in den Evangelien, wo die beyden Brüder genannt werden, Jakobus voransteht,

§. 2. Leben und Charakter des Ztp. Johannes.

7

Apostels Jakobus dcS älteren, dessen stüher Martyttod unter Herodes Agn'ppa Apystelgtsch. 12, 2. erzählt wirb. Der Vater war ein Galiläischer Fischer am See Genezaret; ob in Bethsaida wohnhaft *), weiß man nicht. Die Alken gefallen sich zum Theile darin, die Fami­ lie deS Johannes als sehr arm und niedrig zu schildem. So besonders ChrysbstomuS 8). „Nur aus Armuth, meint er, habe ZebedäuS seine Söhne zu dem armselige« Ge­ werbe , daS er selbst trieb, erzogen. ES gebe überhaupt kein ärmeres und elenderes Gewerbe, alS daS der Fischer, zumahl an einem kleinen Landsee. Mie arm aber Zebedaus gewesen, sehe man besonders daraus, daß er nach Matth. 4,21. mit seinen Söhnen die zerrissenen Netze selber ausbessert," Aber der See Genezaret war sehr fischreich, und es wurde von den Anwohnem ein beträchtlicher Fischhandel getrieben 5). Das Gewerbe war weder verachtet noch gewinvlos. Wenn nach Mark. 1, 20. ZebedäuS bey seinem Gewerbe außer seinen Söhnen auch noch MietHSurtb zwav gewöhnlich so: ( rou Ztßi&aioi ) *ul '/«,«»o cahlpog axrrov* Nur Lukas macht 9, 28 eine Aus­ nahme. Aber in dem zwiefachen Apostetkataloge, Cvangel. 6,14 ff. u. Apostelg. 1113. -eodachtet er doch dieftlbe Ordnung. Eben so folgt in der Regel Andreas seinem Bruder Petrus. War auch Petrus der ältere? — Der Schluß ist unsicher. — Aber ganz grundlos ist, daß Hieronymus und Amhrosius (Comment aq Luc. 23.) den Joh. zum jüngßm aller Apostel machen. Er lebte wahrscheinlich länger, als alle ührigen. Aber dieß berechn tigt zu jenem Schluffe nicht.

4) Ehrysostomus nennt den Johanne- , sagt Or., Rrti Tiokkotc; 'Invdaiot: , r.ai oogotq yt uÄuyytkXopivois hvai nt'itßuXtov, ot dej'04 uiujxoa inim oürroq ro , Aoyo> tivca ior x 'iov iof Olof.

Kurze Geschichte dcr Auslegung deS Prelegs.

251

Lehre darüber, vorzugsweise auf seiner eigenen Erfahrung von dem, was Christus über sein höheres Bewußtseyn selbst ausgesagt hatte, und worüber Johannes in dem historischen Theile seines Evangeliums die Zeugnisse sammelt.

Wir fügen, ehe wir zur Auslegung des Einzelnen übergehen, eine kurze allgemeine Geschichte der Auslegun­ gen des PrologS hinzu. Darin, daß der Prolog aus dem Zusammenhänge deS damahligem TheologumenonS von dem Logos historisch zu erklären sey, stimmen zur Zeit die meisten Ausleger überein x). Nur über die Art der historischen Deduction, und über den nächsten historischen Anknüpsungspunct des Johannes, so wie über den bestimmten Begriff deS Logos, ob dieser im Sinne des Schriftstellers als göttliche Weis­ heit oder Bemunft, oder als göttliches Wort, und ferner, ob als Hypostase oder poetische Personificatlon zu fassen 1) Sergi, außer den Commentarien von Paulus, Kuinöl Prolegom. §. 7. Tholuck, Olshausen, die einzelnen Tldhandlungen von Süß­ kind , Etwas über die neueren Ansichten der Stelle Loh. lr 1 —14. in d. Magazin für christl. Dogm. und Moral St. 10. S. 1 ff. Schultheß ereget. theol. Forschungen 3. Dd. 1 und 2. St. I. N. Rauch in Zimmermanns Monatsschrift für Predigerwiffenschaft Dd. 6. S. 199 —322. über den loyoq des Evangelisten Johannes. (In dieser,, vorzugsweise gegen die Bretschneiderschen Probabilia gerichteten Abhandlung wird zu zeigen gesucht, daß die Joh. Logoslehre nicht sowohl aus Philo abzuleiten, als dar­ aus nur hülfsweise zu erkennen sey, daß die Logoslehre alt hebr. Ursprungs sey, und bey Johannes in der mehr populären Paläst. Gestalt vorkomme, deren Grundzüge schon das A. L. ent­ halte.) Bengel Obsenationes de Xöyo) Joanneo Tubing. 1824. 4. P. 1. — Seiffarth Spezialcharakt. d. Joh. Schriften S- 46 — 61. Bäumlein, Versuch, die Bedeutung des Joh. Logos auS den Religionssystemen deS Orients zu entwickeln, Tübingen 1828. 8. Eben so die Werke über die biblische Theologie von de Wette und Baumgarten - Crusius. Vergl. auch Dr. Neanders

KG. 1, 3. 989. Nur wenige, wie Tittmann Meletem. sacra, widersprechen, und verlassen den Weg der pragmatischen Ge­ schichtsforschung gänzlich.

252

Erster Abschnitt.

Prolog.

1, 1 — 18.

sey, sind die Ausleger fortwährend verschiedener Meinung. Doch scheint sich daS Uebergewicht immer mehr auf die Seite derjenigen Auslegung zu wenden, welche nach dem Zu­ sammenhänge der damahligen Gnosis unter dem Zohanneischen Logos das substanzielle Wort Gottes versteht. Diese Auslegung kann alS die wissenschaftliche Repro­ duktion der ältesten und in der alten Kirche herrschenden angesehen werden. ^Die Geschichte des Christlichen Dogmas von der Tri­ nität ist, was die Person des Sohnes betrifft, größtentheilS zugleich Geschichte der Auslegung des Johanneischen Logosbegriffes. Die Auslegung der Alten, selbst der Com­ mentar des Origenes nicht ausgenommen, ist meistentheils nur weitere theologische oder dogmatische Entwicklung des Begriffes, und die grammatische und historische Erötterung tritt sehr zurück. Aber bey aller Freyheit und Willkühr der ältesten Bäter ist in ihrer Entwicklung deS Christ­ lichen Logosbegriffes ein gewisser historischer Zusammen­ hang unverkennbar, ein, wenn auch dunkles, historisches Bewußtseyn, wodurch sie fast ohne Ausnahme getrieben werden, den Johanneischen Logos nach der Analogie der sphilonischcn Lehre zu deuten und aufzufassen. Justin, Theophilus von Antiochien, Tatian, Klemens von Alexan­ drien, Origenes — unterscheiden, wie Philo, den Äoyos TtQoyoQizog und iräiä&sTog, und knüpfen daran ihre weiteren Speculationen; gerade je mehr sie auf den Johcrnneischen Text zurückgehen, desto mehr fassen sie den Lvjws vorzugsweise alS das substanzielle Wort Gottes auf. Klemens geht dabey sichtbar auf Philo zurück, wie mir scheint, aus dem dunklen Triebe, den Johanneischen Lo­ gos im historischen Zusammenhänge der Vorstellungen der Zeit zu fassen. Die weiteren Versuche der Alten, sich von diesem Standpuncte aus, den Logosbcgriff im Zu­ sammenhänge der Lehre von der Person Christi und der Trinität dogmatisch denkbar zu machen, haben kein

Kurze Geschichte der Auslegung deS Prologs.

25J

Interesse für uns. Aber daS ist noch bemerkenswerth, daß diejenigen, welche als strenge Monarchianer jene orthodoxe Auslegung des Joh. Logos verwarfen und die selbststän­ dige Persönlichkeit deS Logos in Christo leugneten, abge­ sehen davon, ob sie dogmatisch Recht hatten oder nicht, je mehr sie die Objektivität des Logos und die Verschie­ denheit desselben von dem Subject GotteS aufhoben, desto mehr aus dem historischen Zusammenhänge und Verständ­ nisse der Ideen heraustraten; der heftigere Theil dieser Opposition (die Aloger) ließ sich dadurch sogar verleiten, das Evangelium ganz und gar zu verwerfen. Ich glaube bemerkt zu haben, daß zu allen Zeiten nichts so sehr von der unbefangenen historischen Auslegung des Prologs abgefühtt hat, als die allerdings unleugbare Schwierigkeit, den Joh. Logosbegriff dogmatisch aufzulösen. Die Ausleger der Reformationszeit werden durch die exegetische Tradition der kirchl. Orthodoxie beherrscht. Man bleibt bey dem traditionellen Begriffe deS substanziellen göttlichen Wortes stehen. Man versucht, sich denselben durch Analogieen denkbar zu machen; aber an die histo­ rische Erörterung denkt fast Niemand; nur Erasmus giebt Winke *), aber er selbst ahndet nur erst den richtigen Weg von ferne. Luther wagt sich am meisten in die Tiefe des Gedankens, aber nur von der dogmatischen Seite 1 2)3, und an der Hand Augustins 5). Melanchthon 4) 1) 2) 3) 4)

Besonders in seiner Paraphrase. Luthers WW- von Walch 7. 1398. Vergl. de fide et symbolo Cap. 11. S. An not. in Ey. Joan.: Filius a Joanne Verbum dicitur, a Paulo imago Dei, deradiatio gloriae et charaeter substantiae ejus, ex quibus utcunque colligi potest, cur a Joaune Ver­ bum dicatur. Est enim verbum, quo repraesentatur aliquid, et pater se intuens concipit sui imaginem, quae Verbum dici­ tur: et quia perfecta imago est, tota substanfia patris in ea relucet. Vergl. Enarrat. in Ep. ad Coloss. Aber diese Erklä­ rungsweise galt nachher unter den Flacianern als häretisch. Mel. schrieb späterhin an Eamerarius (Epist. ad Camer. p. 200):

254,

Erster Abschnitt.

Prolog.

1, 1 — 18.

und Calvin ’) fangen damit kaum an, als sie auch schon

vor der Gefahr warnen, durch tiefere Forschungen auf den Irrweg bodenloser und müssiger Speculationen zu gerathen. Der Mangel an Energie und Bildung des historischen Triebes ist noch so groß, daß z. B. Beza aus

Furcht, etwas Fremdartiges, was nicht auf dem reinen Boden der biblischen Offenbarung erwachsen sey, einzu-

mischcn, und dem Johannes etwas zu Subtiles aufzu­ bürden, sich begnügt, die Erklärung des Laurentius.Valla, wonach der Xöyos so viel seyn soll, als promissus domi­

nus, ohne weitere historische Begründung aufzunehmen, und nur grammatisch zu rechtfertigen. Er ist der Urheber der falschen Auslegung, daß . X. gelesen werden; er leugnet, daß der Joh. Logos aus Plato oder Philo zu erklären sey; und stellt die eigenthüm­ liche Ansicht auf, dass Joh. seinen ersten Brief früher geschrie­ ben habe, als das Evangelium, daß dieses gegen die Mißdeu­ tungen des Joh. Briefes durch Cerinth und zur Erläuterung des Anfanges jenes Briefes geschrieben sey, und umschreibt die ersten Verse des Prologs so: In ipso principio evangelii, non Baptista Joannes, sed ratio, Logos ille vitae, homo Jesus erat. Et ratio illa vitae nostrae. ac salutis, homo Jesus, seü

256

Erster Abschnitt.

Prolog.

1, 1 —iS.

ihre abweichende Lehre anders, als meistentheilS durch eben so künstliche, als unglückliche Conjecturen und Aus­

legungen zu vertheidigen. Erst seit Hugo GrotiuS wird der historische Weg der

Auslegung gesunden und mit Einsicht und Sicherheit ver­ folgt. Aber wie langsam! GrotiuS giebt nach seiner Art nur zerstreuete Notizen über analoge Begriffe und Ausdrücke in den Chaldäischen

Paraphrasen, den Rabbinen, den Clafsikem, den Kirchenvätem. Aber nicht einmahl die Zeiten unterscheidet er; an die historische Entwicklung der Begriffe wagt er sich noch nicht. Die Exegeten seiner Parthey, Clericus *) und Wetstein folgen ihm und führen weiter. Der letztere ver-

mehtt den historischen Stoff und weist zuerst recht hin auf die zunächst liegende Analogie der Philonischen Gnosis; der letztere bestimmt schon mit einiger Klarheit den histo­ rischen Standpunct und Zusammenhang.

Aber unter den

Exegeten der orthodoxen Schule, der Lutherischen wie der Reformirten, dauert eS ziemlich lang, ehe man sich dem von GrotiuS angedeuteten Wege anvertrauet. Daß Calovius 2* )1 3 widerspricht, und alles, was außer den engeren Offenbarungslinien von Grolius zur Erklä­

rung

deS Begriffes verglichen

wird,

verwirft, versteht

sich. Aber auch Lampe, obgleich Camp. Bitringa^) schon unbedenklich den historischen, damahls freylich noch sehr ungeebneten Weg verfolgte, bemerkt nur, daß unter den cundus ille Adamas, non quidcm simul cum Baptista in mundo publice apparuerat, sed in coclo — erat, — erat in coelum tune receptus apud ipsum suinmum Deuiu, creatorem mundi, — et quae nobis annunciavit, in ipso coelo a patre suo percepit. Et ipsius summi Bei iegatus erat iste Logos. Omnia itaque, quae nobis salvandis erant neecssaria — per istain rationem vitae fie!)ant et implebantur. rel. Das heißt den Prolog völlig unerklärlich machenVergl. J. A. Bengel gegen diese Auslegung Crells in d. Gnomon zu d. St. 1) 3u Hammond Paraplir. 2) Obsenat, sacr. lib. 5. cap. 10 — 13. 3) Bibi, illustr. fr. T. zu d. St.

Kurze Geschichte der Auslegung des Prologs.

257

Ursachen, warum sich Johannes des Ausdrucks löyos be­ diene, auch die seyn könne, />; rtv durch den Begriff der ewigen, zeitlosen Existenz deS Logos an sich ihre Wahrheit haben, exegetischen Grund hat sie nicht.

Den relativen Gebrauch deS iv cpjry in der Schrift bemerkten schon die Alten. AG. 11, 15. bezeichnet eS die Anfangöperiode des Christenthumes, namentlich das erste Christliche Psingstfest. Mark. 1, 1. ist "rov evayyeXiov der Anfang der Predigt des Evangeliums von Christo. Zn ähnlicher Relation steht es in unsrem Evangel. 15,27.1 Soft. 2,7.24. 3,11. Wer aber mit den Socinianischen Auslegern diese Observation dazu gebraucht, um das iv ttQxjj in unsrer Stelle von dem Anfänge deS Christenthumes, deS Evangeliums, auszulegen, der verkennt eben die Relativi­ tät deS Begriffes, welcher nur durch den jedesmahligen Zusammenhang bestimmt werden kann, und legt die Stelle nicht nach ihrem logischen und historischen Zusam­ menhänge aus, sondern legt ihr wider denselben etwaS unter. DaS rtv V. 1 und 2. soll nach Olshausen wegen deS Gegensatzes mit dem iyivtto V. 3., das von dem Geschaffenen gebraucht wird, „das dauernde zeitlose Seyn der ewigen Gegenwart" bezeichnen. Dasselbe be­ haupten die Alten, von OrigrnrS an, so daß EuthymiuS als eine herrschende exegetische Regel seststellt: v.ai int ttov XTtarröv To r,v tot naQF.Xr^v&oxa "/qÖvov örj.ol' inl dfe tijs uxtIotov tQiaäog to aet xal tovto otjfiaivEt1). Alles dieß ist entschieden falsch. Selbst wenn daS folgende iyiveto 83. 3. wirklich einen Gegensatz mit dem TjV bildete, so würde doch dadurch die regelmäßige Bedeutung von 5,v nicht aufgehoben werden können. Warum fügte Soft., wenn er die ewige, zeitlose Gegen­ wart des Äoj'off bezeichnen wollte, nicht ein äcl oder der1) sehnlich sagt Proclus, ein und dasselbe.

inl

tü>v

voqrdir

seyen

to

ijv xal

to

iorl

Kap. 1. SS. 1.

261

gleichen hinzu? Jener Gegensatz aber ist rein ein­ gebildet. DaS einfache rtv hat seinen guten Grund und be­ hält seine wahre Bedeutung, wenn man brachtet, daß Johannes, von dem historischen Standpuncte deS im Fleisch erschienenen Xoyoe ausgehend, SS. 1 und 2. daS vorwellliche, also frühere Sehn, und SS. 3. 4. die Wirk­ samkeit deS koyoß in Beziehung auf die Welt und in derselben vor seiner Menschwerdung betrachtet und dar­ stellt. Konnte er da anders sagen, alS rtv, und dieß qv anders meinen, als in feinem gewöhnlichen Sinne? — Nachdem Joh. daS uranfäygliche (vorweltliche) Seyn des Xöyos behauptet hat, — vielleicht gegen dirjmkgen, welche mehr und weniger deuttich sich daS Göttliche in Christo erst auS der geschaffenen Welt entstanden dachten, — fügt er zur näheren Bestimmung jenes uranfänglichrn Seynö hinzu, »al o köyog rtv nQos tov &eov. Dieser Satz hat eine gewisse Zweydeutigkeit und Unklarheit. ITqos mit dem Accusativ schließt ursprünglich und in der Regel eine Bewegung wohin in sich. Aber, in welcher Art 'man sich auch die Bewegung deS Xoyoe zu Gott hin denken möge, immer entsteht so kein verständiger Sinn. Mit Schullhcß den Satz so aufzulösen nQooijv tu &ewt in dem Sinne/daß der Logos Gott anwohnrnd oder inwohnend gewesen sey, d. h. als wesentliche Eigenschaft, erlaubt weder die Grammatik, noch der Zusammenhang. Geht man zurück auf die analogen Stellen in den Provcrbien 8, 30., wo die Weisheit sagt, üjptjv ttcq «vte! 'it72£N, in Jesus Sirach 1, 1. *o; Ocuv , sey so viel alö h- vots xüZnots i &

Kap. 1. V. 1.

263

als vermeide Johannes im Prolog die allerdings nahe liegende Formel ö Xöyos tov S-eov, welche bey ihm mehr dem Begriffe des heiligen Schristworles oder des Evan­ geliums eigen ist. Frmer wird allgemein zugrstanden, daß kein hinreichender Grund ist, die gewöhnliche Inter­ punktion gegen die Photinische, wonach der Satz mit qv schließt und 6 Xöyos mit dem folgenden owros V. 2. verbunden wird, zu vertauschen. Der Sinn ist wesentlich derselbe, denn 6 Xöyog bleibt das Subject. Abgesehen aber davon, daß, wenn &eos ijv den ersten Vers schließt, dieser dadurch eine Abgerissenheit bekommt, wofür man keinen Grund sieht, so würde in diesem Falle der fol­ gende Satz V. 2., der nach der gewöhnlichen Abthei­ lung mit ovtos sehr natürlich und auf eine dem 4 und 7 Verse analoge Weise anhebt, ohne Noth unregelmäßig ge­ macht werden, da es nach der Regel *) heissen müßte, ovtog ö Xöyog. Joh. zieht den Hauptinhalt deS ersten Verses in den Worten des zweyten Verses: ovtog rtv lv ttQxv siQog .zd ßov/jja(t x«i 7tQoqv.ytx(ti u #fo?.

Kap. 1. Die Griechischen

53. 5.

Ausleger *)

277 und

mehrere Neuere

(Lambert Bos, AmeliuS, Schultheß) verstehen twxTelaßtv

dem

von

drücken.

feindlichen

Ergreifen,

Unter­

Ueberwäktigen,

Nach dieser Erklärung entsteht der Sinn:

Das

Licht leuchtet in der Finsterniß mit solcher Kraft und Rein­ heit,

daß die Finsterniß

vermochte 2).

es nicht

zu

unterdrücken

Es ist unleugbar, daß Ha.'ralaiißävuv

in der Bedeutung des feindlichen Ergreifens, in Besitz­ nehmens, Ueberfallens, Ueberwältigens vorkommt5). Auch

im N. T. wird es von dem Ueberfaiien der Nacht, Joh. 12, 35., dem Befallen von gebraucht.

Krankheiten Mark. 9, 18.

Aber die Grundbedeutung ist die des Ergrei­

fens, Erfassens^); die feindliche Beziehung ist acciden-

tiell, und die Bedeutung des Unterdrückens in dem Sinne,

wie es jene Auslegung in unsrer Stelle nimmt, unerweis, lich.

Dagegen kann

als

ausgemacht angesehen werden,

daß ua-Ttolapßäveiv in der geistigen Sphäre das Erfas­

sen, Verstehen, Begreifen einer Sache bezeichnet.

Medium

AG. 4, 13. 10, 34. 25, 25.

So im

Ephes. 3, 18.

Katätytpig ist bey den Classikern sogar bestimmter Aus­

druck für Begriff.

In unsrer Stelle entscheiden

schon

1) OrigeneS Tom. 2. §. 21. 22. Kal yatvoT t?/ «rnoria tovto to qjuiq , d Lü)*tTat puv vti (WT^q, ov x «t a A« pt ß a vt r a * (Ft. Er schwankt aber in der näheren Bestimmung des Sinnes. Wenn er denselben so faßt, daß die träge Finsterniß dem schnel­ len, feinen Lichte nicht folgen könne, so nimmt er xtrraA«^«TfTca wie Röm. 9, 30. 31. Aber er sagt auch, wenn das Licht die Finsterniß verfolgen wolle, so müsse diese, sobald sie sich dem Lichte feindlich nahe, verschwinden. — ChrysostomuS erklärt aber or xaTtXaßtv bestimmt davon, daß das Licht der Finsterniß Unüberwindlich dxaTayomaTov sey, o &dvazoq auTofi (neml. tov o)Toq) TWQitytvrt o, ovtg tj nkdvr]. Eben so Theophylakt. 2) 3) 4)

Schultheß so: „Das Licht leuchtet schon, denn (x«Y die Finster­ niß vermochte es nicht zu erdrücken oder zu ersticken."

S. besonders Wetstein und Raphelius zu d. St.

Diese Grundbedeutung findet auch Röm. 9, 30. 31. 1. Kor. 9, 24. Phil. 3, 12. Statt, wo es von dem Ergreifen, Erlan­ gen eines Aieles, wonach man jagt oder läuft, gebraucht wird.

278

Erster Abschnitt.

Prolog.

1, 1—18.

die Parallelen B. 10. ö xöo^oc awov ovx i'yvto, B. 11. oi 13tot- avtov ov nttQ&aßov, V. 12. und 3, 19. für die Bedeutung deS in sich ausnehmenden, aneignen­ den, verstehenden ErgreifenS. Dafür spricht auch der Zu­ sammenhang in sofem, alS der Gedanke, daß das gött­ liche Licht von der finstem Welt nicht ausgenommen und anerkannt wird, zu der folgenden Gedankenreihe von V. 6. an, in welcher derselbe Gedanke zwey Mahl mit Nachdruck wiederholt wird, am unmittelbarsten und na­ türlichsten hinüberleitrt, während, wenn Joh. 83. 5. sagen wollte, die Finsterniß habe daS Licht nicht zu überwälti­ gen, zu unterdrücken vermocht, dieser Gedanke, so wahr er an sich ist, im Zusammenhänge ganz isolirt und fremd bliebe. Dieser letzteren Auslegung steht auch das sehr ent­ gegen, daß sie ohne die Annahme einer potentialen Be­ deutung von MUTtXaßtv (vermochte zu unterdrücken) nicht möglich ist. Da aber in dem so gefaßten Gedanken daS Unvermögen der Finsterniß über das Licht ein Hauptmo­ ment wäre, so dürfte das bestimmte oder io^ys nicht fehlen.

Durch die unmittelbare Zusammenstellung mit ov KatiXaßtv bekommt das Präsens