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German Pages 175 [180] Year 1966
DEUTSCHE TEXTE Herausgegeben von Richard Alewyn und Rainer Gruenter
MARTIN LUTHER
AUSGEWÄHLTE DEUTSCHE SCHRIFTEN HERAUSGEGEBEN VON
HANS VOLZ
2.,
verbesserte Auflage
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1966
Mit 4 Abbildungen auf Tafeln
i. Auflage 1955
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1966 Alle Rechte vorbehalten - Printed in Germany Satz von H. Laupp jr. Tübingen
Inhaltsverzeichnis
Einleitung......................................................................................
i
Abgekürzt zitierte Buchtitel.......................................................
3
3n
3
den Luthertexten vorkommende Kürzungszeichen ....
Im Apparat benutzte Sigel.......................................................
3
Literatur zu Luthers Sprache...................................................
4
1. Vorrede zur unvollständigen Ausgabe der „Deutsch Theologia" (1516)...........................................................................................
5
.
6
3. Ein Sermon von Ablaß und Gnade (1518).........................
16
4. Von den guten Werken (1520) (5. und 6. Gebot) (Handschrift und Druck)............................................................
22
2. Die sieben Bußpsalmen (1517) (Vorrede und Ps. 130)
.
5. An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520) (Widmungsvorrede und die „drei Mauern")......................... 36 6. Das Magnificat verdeutscht und ausgelegt (1521) (Auslegung von Luk. 1,48)..............................................................50 7. Entwurf zur Rede vor dem Wormser Reichstag (1521)
.
64
8. Weihnachtspostille (1522) (Evangelium in der Christmesse, Luk. 2,1-14)........................... 66 9. Brief an Kurfürst Friedrich den Weisen (1522)...........................77 10. Luthers Bibelübersetzung I. Das Neue Testament (1522) (Romerbrief cap. 13) .
.
81
.
87
11. Kirchenlieddichtung (1523/24) (Gesangbuchvorrede von 1524 und „Aus tiefer Not") ...
99
II. Das Alte Testament (1524) (Hiob cap. 41 sHandschrift und Drucks Ps. 5) .
.
VI
Inhaltsverzeichnis
12. Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern (1525)............................................................-................................102 13. Der Kleine Katechismus (1529/31) (Vorrede und Beichte) .
109
14. Widmung der Danielübersetzung an den sächsischen Kurprinzen Johann Friedrich (1530)
...................... .....................................117
15. Nsop-Bearbeitung (1530) (Vorrede und Fabel 3 und 5) .
.
122
16. Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens (1532) (Ursachen des Dolmetschens)
........
17. Vorrede zum Gesamtverzeichnis seiner Schriften (1533) .
128
.
140
18. Klageschrift der Vögel gegen Wolfgang Seberger (1534t?])
142
19. Vorrede zur „Historia Galeatii Capellae" (1538) .
....
144
20. Wider Hans Worst (1541) (Die rechte und die falsche Kirche)
148
21. Bibeleinzeichnung zu Ps. 119, 92 (1542).................................162 22. Testament (1542)...........................
163
2 3. Brief an Kurfürstin Sibylle von Sachsen (1544)...................... 167 Abbildungen................................................................. hinter S. 1. Eigenhändiger Entwurf Luthers für seine Rede vor dem Wormser Reichstag (1521) 2. Luthers Brief an Kurfürstin Sibylle von Sachsen (1544) - dreiseitig
169
Einleitung Vorliegende für Unterrichtszwecke bestimmte Ausgabe dient in erster Linie der Einführung in Luthers Schriftsprache. Wurde daher die Auswahl der Stücke, bei denen auch aus eine gebührende Berücksichtigung sämtlicher bedeutender Wittenberger Druckerwerkstätten Gewicht gelegt ist (vgl. die Übersicht unten S. 2), vor allem vom sprachlichen Gesichtspunkt diktiert und dabei auch Material zur Frage des Verhältnisses von Luthers eigener Sprache zu der der Wittenberger Druckereien geliefert (vgl. Nr. 4 und 10, II), so ist aber andererseits im Rahmen des bei dem verhältnismäßig knappen Raume Möglichen das biographische und theologische Moment nicht vernachlässigt. Besondere Beachtung ist der Lutherschen Bibelübersetzung (Nr. 2 App.; Nr.8 App.; Nr. 10,1 und II; Nr. 16) gewidmet. Fast über all (mit Ausnahme von Nr. 3 und 13) sind die betreffenden Erstdrucke zu grunde gelegt, die beinahe ausnahmslos den reichen Beständen der Nieder sächsischen Staats- und Universitätsbibliochek Gottingen, der Wörttembergischen Landesbibliothek Stuttgart und der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel entstammen. Für die Luchermanuskripte, von denen zwei (Nr. 7 und 23) dieser Ausgabe in Faksimiledruck beigefügt sind, wurde möglichst auf die Originale selbst zurückgegriffen. Die Wiedergabe sowohl der Drucke wie auch der eigenhändigen Lutherschen Niederschriften erfolgt ohne Auflösung der Abkürzungen (vgl. unten S. 3) und unter Beibehaltung der originalen Interpunktion buchstabengetreu*; offensichtliche Druckfehler sind jedoch im Text korrigiert, aber im Apparat verzeichnet. Bei mangechaft überlieferten Texten (Nr. 15 und 18) enthält der Apparat die Lesarten der Paralleltexte, um eine Nachprüfung der Textgestaltung zu ermöglichen. Bei den Stücken, die Luthers Bibelübersetzung betreffen (vgl. oben), ist tut Lesartenverzeichnis ein genauer Überblick über die Textentwicklung int einzelnen geboten. Die Nachweise der Bibelzitate sind zwecks Raum1 Jedoch sind die häufig von Luther in seinen Handschriften gesetzten beiden Punkte über dem u fortgelassen, da sie lediglich eine Verwechslung des u mit dem n ausschließen sollen, also keinesfalls als Umlautszeichen dienen.
2
Einleitung
ersparnis in den Text selbst eingefügt; sonstige Zitatennachweise und mög lichst knapp gehaltene sachliche Erklärungen sind unterhalb des Textes ge geben. Dabei ist aber entsprechend dem besonderen Zwecke dieser Ausgabe grundsätzlich auf sprachliche Erläuterungen verzichtet, um in diesem Punkte dem Unterrichtenden oder dem Selbststudium nicht vorzugreifen. Zn den Einleitungen ist die Entstehung jedes einzelnen Stückes in kurzen Zügen geschildert; außerdem finden sich dort die notwendigen bibliographischen Angaben und die auf das Notwendige beschränkten Literaturnachweise. Zn der vorliegenden Ausgabe sind abgedruckt: I. Eigenhändige Manuskripte Luthers: 1520 (Nr.4). 1521 (Nr.7). 1522 (Nr. 9). 1524 (Nr. 10, II). 1530 (Nr. 15). 1542 (Nr. 2i und 22). 1544 (Nr. 23). II. Von Wittenberger Druckern gedruckte Lutherschriften (die Jahreszahlen hinter den Namen geben die Dauer ihrer Wittenberger Tätig keit an): Johann Rhau-Grunenberg (1508/25): 1516 (Nr. 1). 1517 (Nr. 2). 1518 (Nr. 3). 1522 (Nr. 8). Melchior Lotther der Jüngere (1520/25): 1520 (Nr. 4 und 5). 1521 (Nr. 6). 1522 (S. 67 App. zu Zl. 3 und Nr. io, I). Nikolaus Schirlentz (1521/47): 1531 (Nr. 13). Lukas Cranach d. Ä. und Christian Döring (1523/25): 1524 (S. 9 App. zu Zl. 2/17 und Nr. 10, II [äroeimti]). 1525 (Nr. 12). Hans Lufft (1523/83): 1530 (Nr. 14). 1531 (Nr. 10, II und S. 130 App. zu Zl. 1). 1532 (Nr. 16). 1533 (Nr. 17). 1538 (Nr. 19). 1541 (Nr. 20). 1545 (Nr. 10, II). 1546 (Nr. 10,1). Joseph Klug (1524/52): 1524 (Nr. 11). 1525 (S. 10-16 App.).
III. Außerhalb Wittenbergs hergestellte Spätdrucke von Lutherschristen: 1557 (Nr. 15 ßensl]). 1565 (Nr. 18 [(Meben]).
Vorbemerkungen
3
Abgekürzt zitierte Buchtitel BA = Luthers Werke in Auswahl, Hrsg, von O. Clemen Bd. 1-4 (Berlin 1950) (Berliner Ausgabe). Benzing = I. Benzing, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet (Wiesbaden 1963). Benzing, LB = I. Benzing, Lutherbibliographie (Baden-Baden 1966).
Dommer = A. von Dommer, Lutherdrucke auf der Hamburger Stadtbibliothek 1516-1523 (Leipzig 1888).
KK = I. Köstlin und G. Kawerau, Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften 2 Bde. (5. Aufl. Berlin 1903). Lutherstudien = Lutherstudien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation, ver
öffentlicht von den Mitarbeitern der Weimarer Lutherausgabe (Weimar 1917).
MPL =
Migne, Patrologia Latina. NDB = Neue Deutsche Biographie Bd. 1 ff. (Berlin 1953 ff).
Schottenloher = K. Schottenloher, Bibliographie zur deutschen Geschichte im Zeitalter Her Glaubensspaltung 1517-1585 Bd. 1-7 (Leipzig 1933-1940; Wiesbaden 19 66).
Bolz, Wittenberger Bibeldruck = H. Volz, Hundert Jahre Wittenberger Bibeldruck 1522-1626 (Göttingen 1954). WA = D. Martin Luthers Werke. lWeimarerl Kritische Gesamtausgabe Bd. 1-58 (Weimar 1883-1963). WABi = WA Die Deutsche Bibel Bd. 1-12 (Weimar 1906-1961). WABr -- WA Briefwechsel Bd. 1-12 (Weimar 1930-1967). WATN — WA Tischreden Bd. 1-6 (Weimar 1912-1921).
In den Luthertexten vorkommende Kürzungszeichen über Vokalen = m oder n
= = d' = dz = .i. n = 0 1
Us et der das
I I
n P P~s. s. vn z
= = = = = =
per pre psalm(us) scilicet vnd (Schluß-) m (-ez = -em)
NN
Zm Apparat benutzte Sigel + > ... ... < (...) [...]
= = = = =
hinzugefügt bis... ...... und folgende. gestrichenes Wort. ergänztes Wort (vgl. aber unten S. 90 f. und 94f. [Hs]).
4
Vorbemerkungen
Literatur zu Luthers Sprache I. Lexikalische Hilfsmittel: I. u. W. Grimm, Deutsches Wörterbuch (Leipzig 1854 ff.). PH. Dietz, Wörterbuch zu Dr. Martin Luthers deutschen Schriften Bd. 1 und 2, i (Leipzig i87o)(A-Hals). A. Götze, Frühneuhochdeutsches Glossar (2.Aufl. Berlin 1930). II. Grammatische Hilfsmittel: C. Franke, Grundzüge der Schriftsprache Luthers 3 Bde. (2. Aufl. Halle 1913-1922). H. Bach, Laut- und Formenlehre der Sprache Luthers (Kopenhagen 1934). I. Erben, Grundzüge einer Syntax der Sprache Luthers (Berlin 1954)» V. Moser, Frühneuhochdeutsche Grammatik Bd. 1 Teil 1 und 3 (Heidelberg 1929 und 1951) (vgl. auch die Literaturhinweise in Bd. i Teili,S.XXX und XLIII sowie in Bd. 1 Teil 3, S. 292 und 299 f.).
Zum Verhältnis von Luthers eigener Sprache zu der der Wittenberger Druckereien vgl. die unten S. 23 Anm.z verzeichnete Literatur. Zur Frage, wieweit Luther bei seinen Schriften selbst Korrektur gelesen hat, vgl. WÄBi Bd. 911, S. XXIV f. Anm. 28 sowie H, Bolz, Hundert Jahre Wittenberger Bibeldruck 1522-1626 (Göttingen 1954), S. 92. Zur Frage der Einflußnahme Luthers auf die Orthographie der Wittenberger Bibeldrucke vgl. Volz a.a.O., S. 92 f. 102.142-148.
i. Vorrede zur unvollständigen Ausgabe der „Deutsch Theologia" (Dezember 1516) Abgesehen von seinen drei für Vorlesungszwecke bestimmten Ausgaben des lateinischen Textes des Psalters (Juli 1513) sowie des Römerbriefes (Frühjahr 1515) und des Galaterbriefes (Herbst 1516) (mit weitem Zeilendurchschuß*) bildet Luthers erste selbständige Veröffentlichung die im Dezember 15162 3erfolgte Herausgabe eines Bruchstückes einer anonymen deutschen Mystikerschrift, die ihn stark beeindruckte^ und die er dann Anfang Juni 1518 unter dem Titel: „Eyn deutsch Theologia" vollständig erschein nen ließ^. Beiden - von dem damals einzigen Wittenberger Drucker Johann Rhau-Grunenberg^ hergestellten - Ausgaben schickte Luther je eine Vorrede vorauf; die von 1516, die auf der Titelrückseite steht, ist im Folgenden als erste deutsche Veröffentlichung Luthers abgedruckt. Erstdruck: „Eyn geystlich edles Buchleynn. || von rechter vnderscheyd || vnd vorstand, was der 11 alt vn new mensche sey. Was Adams 11 vn was gottis kind sey. vn wie Ada 11 ynn vns sterben vnnd Christus 11 ersteen sall. 11" 14 Bll. in 4°; vgl. WA Bd. 1, S. 153: A und Dommer, S. 1 Nr. 1. -Abgedruckt: WA Bd. i,S. 153 (abgebildetbei G. Baring, Bibliogr. usw. [unten S. 6]). Unser Abdruck beruht auf dem Exemplar der Niedersächs. Staats- und Univ.-Bibl. Göttingen (8° Autogr. Luth. 209).
1 Vgl. dazu Bolz, Wittenberger Bibeldruck, S. 13 und Anm. 11; Luthers ,,Praefatio‘k zu seiner Psalterausgabe von 1513 vgl. WA Bd. 3, S. 12 s. = Bd. 551,1, S. 2-5. 2 Laut Impressum gedruckt „am tag Barbare" (-- 4. Dezember) 1516. 3 Vgl. WA Br Bd. i, S. 79, 58-64 und 96, 8-12. ..4 5WA Bd. i, S. 378 f.; WABr Bd. i,S. 180,15-18 und 181,11-13. Uber Luthers handschriftliche Vorlage vgl. Zeitschrift für deutsches Altertum Bd.„89 (i960), S. 275ff. und 280ff. 5 Uber den aus dem oberhessischen Grünberg stammenden Drucker, der von 1508 bis 1525 in Wittenberg tätig war, vgl. Lutherstudien, S. 262-272; Benzing, S. 465 Nr. 4; WABr Bd. 1, S. 56 Anm. 2; F. Haubold, Untersuchung über das Verhältnis der Originaldrucke der Wittenberger Hauptdrucker Lutherscher Schriften: Grunenberg, Lother, Döring-Cranach und Lufft zu Luthers Druckmanuskripten (Diff. Jena 1914), S. 3-27.
6
i. Vorrede zur „Deutsch Theologia" (1516)
Literatur: WA Bd. i,S. 152; KK Bd. 1, S. iiof. Zur „deutsch Theologia" vgl. auch Schottenloher Bd.4,[Rr. 36518-36534 und Bd. 5, Nr. 51639 und 51639a; G. Baring, Bibliographie der Ausgaben der „Theologia Deutsch" (1516-1961) (Baden-Baden 1963).
p8L»b] Uor Rede. U Zuuoran vormanet biss Buchleynn alle die das leßen vnd versteen wollen / sonderlich, die von Heller vornüfft vnd sinnereych vorstandts seyn / das sie tzum ersten mal nit sich selb mit schwindem vrteyl ober eylen / dan es ynn etlichen Worten scheynet vntüchtig aber auß der weyße gewonlicher Prediger vnnd lerer reden, ja es schwebt nit oben / wie schawm auff dem wafser / Sünder es ist auß dem gründ des Jor dans vö einem warhafftigen Israeliten erleßen / wilchs »amen gott weyß vnnd wen er eß wissen wil. dan dißmall ist das buchleyn an titelt vnnd »amen füden. Aber nach müglichez gedencken zu schetze ist die matery / faßt nach der art / des erleuchten doctors Tauleri / Prediger ordens. Nü wie dem allen / das ist war gründlich lere / der Heilgen schrifft. muß narren machen / abbet narre werden Als der apostel Paulus berurt j. Co. j [, 23 /.]. Wir predigen Christum eyne torheyt den Heyden / aber eyne weyßheit gottis den heylgen. F. Martinus Luder Subscripsit. 11 Über Luthers Pfeilung zu dem Mystiker Johann Tauler vgl. W. Köhler, Luther und die Kirchengeschichte Bd. I1 (Erlangen 1900), P. 236-289. 16 F. — Frater. Luder: Im Herbsil517 ging Luther von der Namensform: „Luder" (vgl. WABr Bd. 1, S.93,12; 94, 32; 106, 42; 120, 40) zu der Form: Luther (vgl. WABr Bd. 1, S. 112,69; 124,25; 126,41; 131, 11; WA Bd. 9, S. 307, 24. 28; 308,1) über; vgl. aber WABr Bd. 9, S. 171,1; Bd. 11, S. 191,75.
2. Die sieben Bußpsalmen (Frühjahr 1517) (Vorrede und Ps. 130) Stand die Psaltervorlesung, die Luther in den Jahren 1513/15 vor Wittenberger Studenten gehalten hattet, völlig im Zeichen der Wissen schaft, so ließ er im Frühjahr 15172 ohne gelehrtes Rüstzeug als Volksbuch 1 WA Bd. 3 und 4; Neuauflage: Bd. 551 und n. "Vgl. WABr Bd. i,S. 90,12-14; 93, 5-94,12; 96,13-19.
2. Die sieben Bußpsalmen (1517)
7
eine von Johann Rhau-Grunenbergb gedruckte (und bis 1525 auswärts nicht weniger als siebenmal nachgedruckte) deutsche Übersetzung der sieben Bußpsalmen (Ps. 6. 32. 38. 51, 102. 130. 143) mitsamt einer versweisen Erklärung ausgehen. Diese erste Luthersche Übertragung von alt testamentarischen Bibeltexten beruht allerdings noch nicht auf dem hebräi schen Urtext selbst, aber neben dem lateinischen Vulgatatext ist hier sowohl die lateinische Übersetzung, die Hieronymus auf Grund des Hebräischen ver anstaltet hatte („ksalterium de hebraica veritate"), wie auch des Hu manisten Johann Reuchlins sogenannte „Septene" („In septem psalmos poenitentiales hebraicos interpretatio de verbo ad verbum et super eisdem commentarioli sui“ [$ü6tngen 1512])34 herangezogen. 2n der zweiten Ausgabe seiner „Sieben Bußpsalmen", die - von Joseph Slug5 6 in Wittenberg gedruckt-Luther 1525 veröffentlichte? ersetzte er aber nicht nur die Psalmenübertraqung des Jahres 1517 durch einen neuen Wortlaut, den er seiner im Herbst 15247 8erschienenen und nach dem Urtext angefer tigten vollständigen Psalterübersetzungb entnahm, sondern er unterzog auch seine Auslegung nunmehr einer Überarbeitung. Als Probe ist hier aus der Erstfaffung von 1517 Luthers Vorrede sowie Text und Auslegung des sechsten Bußpsalmes (= Ps. 130) abgedruckt. Dem Psalmtext von 1517 ist zum Vergleich gegenübergestellt die in Luthers „Drittem teyl des allten Testaments"9 vom Herbst 1524 ent haltene neue Übersetzung dieses Psalmes (mit den Textkorrekturen von 1528 und 1531 als Lesarten); im Apparat sind ferner, um einen Vergleich im Hinblick auf die Veränderung in der Lautgestalt zu ermöglichen, Luthers sachlich unverändert gebliebene Ausführungen von 1525 zu v. 1/3 von Ps. 1309 sowie außerdem die sachlichen Abweichungen in der Auslegung von 152510 gegenüber der von 1517 als Varianten beigegeben. Erstdruck: „DieSieben puszpsalm mit jj deutscher auszlegung nach || dem schriftlichen synne || tzu Cchristi vnd gottis gnaden/neben || seyns 3 Über ihn vgl. oben S. 5 Anm. 5. - Vgl. Benzin^ LB, S. izf. Nr. 74-84.
4 Vgl. Ä.Benzing, Bibliographie der Schriften Johann Reuchlins im 15. und 16. Jahrhundert (Bad Bocktet 1955), S. 34 Nr. 114. 6 Über Joseph Klug, der von 1554 bis 1552 in Wittenberg als Drucker tätig war, vgl. Lutherstudien, S. 280s.; Benzing, S. 467s. Nr. 9 und n; Bolz, Wittenberger Bibeldruck, S. 14 Anm. 13. • WA Bd. 18, S. 474: A. 7 Vgl. WABr Bd. 3, S. 338, 42 s. 8 WABi Bd. 2, S. 276s. Nr. *13. Von Cranach-Döring gedruckt (vgl. unten S. 87 Anm. 3 und S. 95). Zu Luthers Psalmenübersetzung (und den hier benutzten Exemplaren) vgl. auch unten S. 95 und 98. ' WA Bd. 18, S. 517, 2-20. 10 Ebd. S. 517-521.
8
2. Die sieben Bußpsalmen (1517)
selben, wäre erkentniß. 11 gründlich gerichtet. [ |“ 46 Bll. in 40; vgl. WA Bd. i, S. 155: A und Dommer, S. 5 Anm. 1. - Abgedruckt: WA Bd. i, S. 158-220. Unser Abdruck, der WA Bd. 1, S. 158 und 206 bis 211 enthält, beruht auf dem Exemplar der Württembergischen Landesbibl. Stuttgart (Theol. [2uti). 38 a] 40); für den Text der Bußpsalmen von 1525 (= WA Bd. 18, S. 474: A und 516-521) ist ebenfalls das Exemplar der Stuttgarter Bibliothek benutzt. Literatur: WA Bd. 1, S. 154 s. und Bd. 18, S. 467-474; KK Bd. 1, S. n6 und 573; T. Pahl, Quellenstudien zu Luthers Psalmen übersetzung (Weimar 1931), S. i-io.
[93L2(b] Allen lieben glidmaßen Christi die diß puchleyn leßen. Gnade vnd frib von gott / dass nit ymäd wunder habe, lieben frunde christi. von dem tert. dißer sieben Psalmen / 2st zu wissen / dass, derselb. yn etlichen versen. vmb klerer Vorstands willen / vber die gemey- 5 nen translation / nach der träslation sancti Hieronymi genomen ist / auch darzu beholffen die translation doctors Johannis Reuchlin yn seyner hebreischer septene. Die gloße aber vnd außlegung / wie wol / sie villeicht new. adder auch nit schrifftlich synnes ynhaltend / von etlichen / mag angesehen 10 werden, hatt es myr doch nit gezymet. ßo nyder die christen tzu achten, aber zweyfelen / das Christus also nah bey yhn sey. er werde yhn woll sagen / wie sie das alles richten sollen / Meyne vormessenheyt aber / die Psalmen auß zulegen sunderlich yns deutsche, befilh ich frey / yn eyns iglichen gutduncken zu vrteylen / dan nit myr nach dyr sundern gote 15 alleyn lob vnnd eere an ende Amen. F. Martinus Luder Augustiner tzu Wittenberg. 1517 5/6 gemeynen translation = Vulgata. 6 Hieronymi: Vgl. oben S. 7. 7 Reuchlin: Vgl. oben S. 7. 10 schüifftlich 1517 Drucks. 17 F. — Frater. Luder: Vgl. dazu oben S. 6 App. zu ZI. 16.
Der Sechste Bußpsalm
9
[23t. @b] Der Sechst pußpsalm. 1
2 3 4 5 6 7 8
O Gott tzu dyr hab ich geschryen von den tyffen o got erhöre mein geschrey Ach das deine oren achtnehmen wolten auff das geschrey meines bittend. Szo du tritt achthaben auff die sunde O mein got O gott wer kan dan besteen Dan ist doch nur bey dir allein vorgebung darumb bistu auch allein tzufurchten. Ich hab gottis gewartet / vn mein seel hat gewartet vnd auff seyn wort hab ich gebeytet Mein seel die ist tzu gott wartend Von der morgen wache biß widder zu der morgen wache. Israel der wartet zu gott / dann die barmhertzickeit ist bey gott. vn manichfeltig ist bey yhm die ertoßüg Vnd er wirt erloßen Israel auß allen seinen ftinben.
2/17 Die Übersetzung des Ps. 130 von 1524 (vgl. oben S.7) lautet:
[831. Ma]1 Eyn lieb ynn der höhe AVs der tieften / Russe ich HERR zu dyr. [flehens. 2 HERR höre meyne stym / Las deyne oren mercken auff die stym meynes 3 So du willt acht haben auff Missethat / HERR wer wird bestehen? 4 Denn bey dyr ist Vergebung / Das man dich furchte. [wort. 6 Ich harre des HERRN / meyne seete harret / Vnd ich warte auff seyn * Meyne seele mattet auff den HERRN / Von eyner morgen wache bis zur andern. 7 Israel warte auff den HERRN / Denn guete ist bey dem HERRN / vnd viel erlösunge bey yhm. 8 Vnd er wird Israel erlösen / Aus aller seyner missechat. Korrekturen in den Wittenberger Psalterausgaben von 1528 („New deudsch Psalter" {WABi Bd. 2, S. 438 Nr. *29}') und 1531 („Der Deudsch Psalter D. Luthers zu Wittemberg" [ebd. S.502f. Nr. *37]): t>. 1 ynn der tobe] jm hohem Chor 1531 < v. 3 acht (HERR acht 1528) haben auff Missethat] HErr sunde zu rechen 1531 < v. 4 ist] ist die 1531 < v. 5 warte] hoffe 1531 < v. 7 warte (wartet 1528)] hoffet 1531 < guete ist bey dem HERRN] bey dem HERRN ist die gnade 1531 < v. 8 aller seyner Missethat] allen seinen sunden 1531
btn = S. 19,19 f.
22
3- Sermon von Ablaß und Gnade (izi s)
1 Czum achttzehenden. Ab die seelen ausz dem fegsewr getzogen werde durch den ablas / weysz ich nit / vn gleub das auch noch nicht / wie wol dass ettlich new [331. A ^doctores sage: aber ist yhn vnmuglich tzubewere / auch hatt es die kirche nach nit beschlossen, darüb tzu mehrer sicherheyt / vill besser ist es. dass du vor sie selbst bittest vn wirckest / dan disz ist bewerter vn ist gewisz.
1s Czum Neuntzehenden. Zn bissen Puncten hab ich nit tzweyffel / vn sind gnugsam yn der schrifft gegrüd. Darumb sott yr auch keynn tzweyffell haben / vnnd last doctores Scholasticos. scholasticos seyn / sie seyn allsampt nit gnug. mit yhren opinien. das sie eine prediget befestigenn / sollen.
1f Czum tzwentzigsten. Ab ettlich mich nu wol eyne ketzer scheltenn / den sulch warheyt feer schedlich ist ym kästen. Szo acht ich doch sulch geplerre nit grosz. syntemal das nit thun. dann ettlich finster gehyrne / die die Biblien nie gerochen / die Christenliche lerer nie gelefien. yhr eygen lerer nie vorstanden, sundern yn yhren locherete vnd tzurissen opinien vil nah vorwesen, dann hetten sie die vorstanden szo misten sie / dass sie niemant seltenn lestern. vnuorhort vnnd vnvberwunden: doch gott geb yhn. vnd vns rechtenn synn. Amen. 1
acchttzehenden
Drucks.
4
tzubeweree
Drucks.
19
rechteimn
Drucks.
4. Von den guten Werken (Sommer 1520) (5. und 6. Gebot) Auf Veranlassung seines Freundes, des kursächsischen Geheimsekretärs und Beichtvaters Georg Spalatin^, brachte Lucher im Frühjahr 1520 seine schon vor längerer Zeit in Aussicht gestellte Schrift: „Von den guten Wer ken" zu Papier, die er am 29. März dem Bruder seines Landesherrn, dem Herzog Johann von Sachsen, widmete und die dann, von dem zu Jahres beginn nach Wittenberg als zweitem Drucker übergesiedelten Melchior Lot1 Vgl. WABr Bd. 2, S. 48, 8-10; 55,11-56,13.
4. Von den guten Werken (1520)
23
ther dem Jüngeren^ hergestellt, spätestens in den ersten Junitagen erschient In dieser ersten evangelischen Sittenlehre, mit der sich der Reformator an die „ungelehrten Laien" wandte, schloß er sich eng an den Dekalog an. Von sprachlichem Gesichtspunkt aus besitzt jene Schrift dadurch besondere Bedeutung, daß von ihr als erster^ auch Luthers eigenhändiges Druckmanuskript (mit Ausnahme des Widmungsbrieses) erhalten ist. Als Probe sind im folgenden des Reformators Ausführungen über das fünfte und sechste Gebot aus Handschrift und Wittenberger Erstdruck parallel neben einander wiedergegeben zur Prüfung der Frage, wie sich in der Frühzeit Luthers eigene Sprache zu der der Wittenberger Drucker verhält^. Auf den linken Seiten sind unter dem Abdruck der Lutherhandschrift (= Hs) die vom Reformator gestrichenen Worte (in ~U
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Abb. 2b» Luthers Brief an Kurfürstin Sibylle von Sachsen (zweite Seite), Wittenberg, IO. März 1544; vgl. Nr. 23.
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