Aus dem fernen Osten: Ein Rückblick und Ausblick [Reprint 2020 ed.] 9783111597430, 9783111222486


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Aus dem fernen Osten: Ein Rückblick und Ausblick [Reprint 2020 ed.]
 9783111597430, 9783111222486

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Aus dem Femen Osten Ein Rückblick und Ausblick Von

einem rheinischen Großindustriellen

Nachdruck verboten. Copyright by A. Marcus & E. Webers Verlag, Bonn 1915.

Druck: Otto Wigand'sche Buchdruckeret G. m. b. H., Leipzig.

Zum Gedächtnis. Am 3. April 1915 starb auf seinem Landsitz zu Oberlahn­ stein am Rhein der Großindustrielle Kommerzienrat A n t o n

Lessing. Mit ihm ist einer der Auslanddeutschen heimgegangen, die

aus kleinen Anfängen auf Grund eigener Tüchtigkeit hervor­

ragendes leisten und eine Zierde des Deutschtums im Auslande sind. Männer, die zu aller Zeit ihre deutsche Art und Gesinnung wahren und in kluger, weitschauender Anpassung an die Ver­ hältnisse des Auslandes wichtige und wertvolle Pionierarbeit leisten.

Und die gleichzeitig bei gegebener Veranlassung stets

bereit sind, ihre reichen Erfahrungen dem Vaterlande zur Ver­ fügung zu stellen — Erfahrungen, die sich auf genauer Kenntnis

des Auslandes und der klaren Übersicht größerer Zusammenhänge

aufbauen und mit der Reife der Jahre ständig erweitern und vertiefen.

Ein solcher Mann wär Anton Lessing. — Reich an Gaben

des Geistes und des Herzens, reich an Erfolgen aller Art, groß­

zügig im Denken und Handeln.

Und deutsch!

In Rußland

hat er die Hauptarbeit seines Lebens geleistet, ohne indes je­ mals den Zusammenhang mit der Heimat zu verlieren.

Wäh­

rend er dort seine Werke, die viele Tausende Arbeiter beschäftigen,

gründete und mit Hilfe tüchtiger Mitarbeiter ausbaute, brachte

er regelmäßig einen größeren Teil des Jahres in Deutschland am Rhein zu, wo seine Familie lebte und seine Kinder auf­

wuchsen — weil sie deutsche Erziehung genießen und Deutsche bleiben sollten.

So war seine Heimatstätte seit mehr als vierzig

Jahren am Rhein, so daß man ihn mit Fug und Recht als

„rheinischen Großindustriellen" bezeichnen darf.

Insbesondere seit dem Ausbruche des Krieges war sein ganzes Denken dem künftigen Ausbau der deutschen Handels­

politik gewidmet, nachdem er seit Jahrzehnten schon manchen wert­ vollen Rat aus diesem Gebiete erteilt hatte. Einige seiner Gedan­

ken legte er im vergangenen Winter in einer Handschrift nieder,

aus der in Gemeinschaft mit dem Herausgeber der vorliegenden Arbeit die Schrift: Kontinentalpolitik, ein Zukunfts­

bild,

von

Deutschen

einem

rheinischen

Kriegsschriften,

Großindustriellen

A. Marcus

&

(4. Heft

E. Webers

der

Verlag

[Dr. jur. Albert Ahns in Bonn) entstand. Und als er im März

1915 seine letzte Reise antrat, die ihn durch Belgien und in die von

deutschen Truppen besetzten Teile Frankreichs führte, tauschte er

sich mit dem Herausgeber von neuem eingehend über eine ge­ meinsame volkstümliche Arbeit über den Fernen Osten aus. Abend vor

seinem Tode legte

er sie ihm nochmals

Am

schrift­

lich ans Herz und so war es der Wunsch auch der Erben, sie zum Gedächtnis an den hervorragenden Mann zu vollenden,

herauszugeben und als „Anton Lessing-Spende" den deutschen Büchereien und der Front zu stiften. Bonn, im August 1915.

Dr. I. I. Nießen.

Wir stehen im Zeitalter der Weltpolitik. durch

die

Entwicklung

der erdumspannenden

Die Völker sind

Verkehrs-

und

Nachrichtenmittel so nahe gerückt, daß die Reibungsflächen sich

ständig vermehrt und vergrößert haben, und daß die Berührungs­ punkte auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete

außerordentlich zahlreich sind.

Nicht mehr Länder- und Erdteils­

politik treiben die Mächte — Weltpolitik ist das Erforder­

nis der Zeit.

Das muß Erkenntnis der Allgemeinheit werden —•

weltpolitisches Verständnis darf nicht mehr auf kleine Kreise

beschränkt bleiben, wie es vor dem Weltkriege der Fall war. Wir haben es verstanden, seit unserem Eintreten in die Welt­

wirtschaft in der überaus schnellen, gewaltigen Entwicklung des

Wirtschaftslcbens eine der führenden Stellen auf den meisten

Märkten der Welt zu erringen — das erkennen auch unsere

Feinde (am augenfälligsten durch die Tatsache des Erdrosselungs­

versuches im Kriege) an.

Aber wir haben im Hasten der Tages­

arbeit, die unsere Jugendzeit weltwirtschaftlicher Tätigkeit er­ füllte, uns nicht immer die Zeit genommen, das nötige Ver­

ständnis für Auffassung, Eigenart, Empfindlichkeiten, Wünsche,

Bestrebungen und Ziele der Völker zu erlangen, mit denen wir arbeiteten.

Das wird von jetzt ab anders werden, nachdem die

Erkenntnis des Versäumten Gemeingut weiter Kreise geworden ist. &

Wir stehen im Zeitalter der Weltpolitik. durch

die

Entwicklung

der erdumspannenden

Die Völker sind

Verkehrs-

und

Nachrichtenmittel so nahe gerückt, daß die Reibungsflächen sich

ständig vermehrt und vergrößert haben, und daß die Berührungs­ punkte auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete

außerordentlich zahlreich sind.

Nicht mehr Länder- und Erdteils­

politik treiben die Mächte — Weltpolitik ist das Erforder­

nis der Zeit.

Das muß Erkenntnis der Allgemeinheit werden —•

weltpolitisches Verständnis darf nicht mehr auf kleine Kreise

beschränkt bleiben, wie es vor dem Weltkriege der Fall war. Wir haben es verstanden, seit unserem Eintreten in die Welt­

wirtschaft in der überaus schnellen, gewaltigen Entwicklung des

Wirtschaftslcbens eine der führenden Stellen auf den meisten

Märkten der Welt zu erringen — das erkennen auch unsere

Feinde (am augenfälligsten durch die Tatsache des Erdrosselungs­

versuches im Kriege) an.

Aber wir haben im Hasten der Tages­

arbeit, die unsere Jugendzeit weltwirtschaftlicher Tätigkeit er­ füllte, uns nicht immer die Zeit genommen, das nötige Ver­

ständnis für Auffassung, Eigenart, Empfindlichkeiten, Wünsche,

Bestrebungen und Ziele der Völker zu erlangen, mit denen wir arbeiteten.

Das wird von jetzt ab anders werden, nachdem die

Erkenntnis des Versäumten Gemeingut weiter Kreise geworden ist. &

In Europa ringen wir zuversichtlich und entschlossen auf

Tod und Leben mit unseren Feinden.

Hier liegt die Entschei­

dung über unsere Zukunft, die uns gleiches Recht mit den anderen

Mächten bringen und gewährleisten soll.

Aber die Entwick­

lung der Zukunst liegt nicht allein hier: die Welt ist unser Feld!

Deutsche Kultur, deutsches Wesen soll auch in Zukunft

in alle Welt hinaus getragen werden — die deutsche Flagge

frei auf allen Meeren und an allen Küsten wehen — die Er­ zeugnisse deutschen Fleißes überall am Wettbewerbe teilnehmen.

Scheinbar weit vom Schuß liegt der Feme Osten; aber

ihm gebührt darum nicht minder unsere Aufmerksamkeit. Denn hier ist noch ein großes Betätigungsfeld mit unabsehbaren Mög­ lichkeiten gegeben.

Und in diesen weiten Räumen sind es vor

allem zwei Mächte, die unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken müssen:

Das selbstbewußte, jungfrische Japan, die augenblick­

liche Vormacht Ostasiens, und das aus langer Erstarrung lang­

sam wiedererwachende China, ein Riese mit schlummernden, ge­

bundenen Kräften, an dem alle Großmächte stark und dauernd interessiert sind.

*

*

*

Um 1542 kamen die ersten Europäer nach Japan; es waren Portugiesm.

Sie wurden freundlich aufgenommen und zogen

weitere Landsleute nach — Kaufleute und Missionare.

Letztere

(Jesuiten) christianisiertm mit Erfolg und kamen durch ihre Kennt­ nisse zu Ansehen.

Aber schon 1587 wurden sie ausgewiesen,

währmd die Kaufleute unter der Bedingung bleiben durften, daß sie keine Geistlichm mitbrächten; denn die Regierung sah in der Verbreitung der christlichm Lehre eine gefährliche Bedrohung

für das Reich. Nach vorübergehender Begünstigung wurde das

6

Christentum allenthalben ausgerottet.

Inzwischen waren neben

den Portugiesen auch Spanier in Japan tätig geworden; an

beider Stelle traten bald vorübergehend die Engländer und

gleichzeitig dauernd die Holländer, die dann während zweiein­ halb Jahrhunderten das Handelsmonopol mit Japan unter für die Europäer unwürdigen persönlichen Beschränkungen besaßen.

Unterdes war im Anfang des 17. Jahrhunderts nach langen

inneren Kämpfen der nationale Einheitsstaat wiederhergestellt worden.

Gegenüber dem nationalen Zusammenschluß führten

die Christenverfolgungen zum „Darbarenhaß" und zum Miß­

trauen gegen die Fremden.

Ihr Handel wurde beschränkt und

der Verkehr mit den Spaniern völlig verboten.

Die Japaner

durften ihr Heimatland bei Todesstrafe nicht mehr verlassen, im Auslande Weilende nicht mehr in die Heimat zurückkehren. Alles, um die Berührung mit dem staatsgefährlich erscheinenden Christen­

tum zu verhindern. Um 1620 war Japan auf diese Weise völlig vom Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen. Die getroffenen

Maßnahmen erschienen notwendig zur Sicherung der Einheit und Unabhängigkeit des Reiches; sie brachten einen kulturellen und

wirtschaftlichen Stillstand und viele politische Nachteile, während draußen die Welt weiter fortschritt. Das Volk erschlaffte in den langen Friedenszeiten, die Heereseinrichtungen veralteten und

Japan war unendlich hinter der Zeit zurückgeblieben, bis es inr Jahre 1854 von den Amerikanern geöffnet wurde und wieder

in Verkehr mit anderen Völkern trat.

Von diesem Zeitpunkte an setzte eine ungeheuer schnelle Ent­ wicklung ein.

Sie beruhte auf dem Bestreben, westländische

Kultur und Zivilisation mit der des Ostens zu vereinen und mit ihrer Hilfe unter Ausnutzung der ganzen Volkskraft und mit

geldlicher Unterstützung durch die fremdländischen Mächte eine

Festigung Japans und eine Vormachtstellung in Ostasien herbei-

zuführen.

Der gregorianische Kalender, Telegraph, Eisenbahn,

Zeitung, allgemeine Wehrpflicht wurden eingeführt, Heer- und Schulwesen nach den neuesten europäischen Mustern umgebildet. Ein Ministerium und ein Staatsrat wurden eingerichtet und

die gesellschaftlichen Schichten ganz neu gegliedert. 1889 wurde

die der preußischen nachgebildete Verfassung verkündet und 1890 das Parlament eröffnet. — Diese Neuerungen und Änderungen mußten sich gegen starke Widerstände fremdenfeindlicher Strö­ mung durchsetzen, die sich bis zu Aufständen steigerten; sie waren stark genug, um Japans Betätigung im Auslande auch jetzt noch

längere Zeit zu verhindern. Aber sie wurden von der tatkräftigen

Regierung beseitigt, von dem Kaisertum, das an die Stelle des mächtigen Hausmeiertums getreten war. Begünstigt wurde diese

Entwicklung durch das große Glück, daß das Land während mehr

als vier Jahrzehnten seiner wichtigsten Entwicklungszeit einen erleuchteten Herrscher hatte, der mit seinen Staatsmännern sich und seinem Lande gewaltige Ziele stecken und erreichen konnte. So gelang es denn auch, die auswärtige Politik mit

voller Kraft und großem Erfolge, wenn auch nicht ohne schmerz­

liche Enttäuschungen und Fehlschläge, aufzunehmen.

Auf diesem Gebiete hatten schon frühere Jahrhunderte be­ merkenswerte Ansätze zu einer zielbewußten Festlandpolitik in Ostasien gezeitigt, die in großen Zügen ein Widerspiel der Vor­

gänge der letzten Jahrzehnte darstellen und zeigen, daß Japan

nur jahrhundertealte Bestrebungen wieder aufnahm, als es aus seiner

insularen

Abgeschlossenheit

heraustrat

und

den

Fuß

auf das Festland setzte. — Die Japaner hatten außer einem nicht unbeträchtlichen Handel jahrhundertelang eine schwung­

volle und sehr lohnende Seeräuberei an den chinesischen Küsten

getrieben und kühne räuberische Einfälle in das Land unter­

Der erste große Zusammenstoß zwischen beiden Län­

nommen.

dern erfolgte schon im 13. Jahrhundert.

Damals wollte der

chinesische Kaiser Kublai Chan (1260—1294) Japan unterwerfen. Er entsandte ein großes Geschwader im Jahre 1281, das durch

einen furchtbaren Sturm vernichtet würde — ein Ereignis, das

heute noch in Japan als Sieg gefeiert und bisweilen mit der Vernichtung der spanischen Armada durch die Engländer ver­

glichen wird, bei der ja auch die Naturgcwalten die größere Rolle spielten.

Wir hören dann von kühnen Raubzügen und Ver­

heerungen der Japaner an den chinesischen Küsten, die durch einen angeblichen

Seesicg

der

letzten

Drittel

des

im

endigt worden sein sollen.

Chinesen 14.

bei

den

Jahrhunderts

Liukiu - Inseln vorläufig

be­

Zu Anfang des 15. Jahrhunderts

fielen die Japaner auf der Halbinsel Liaotung ein, wurden aber von den Chinesen geschlagen; 1550 griffen sie mehrfach mit starken Kräften im Iangtsegebiet und in Fukien an. Und 1592

bis 1598 erlangte Japan zum erstenmal die Herrschaft über

Korea; durch diese japanische Ausbreitung nach dem Festlandc fühlte sich China in seiner Sicherheit so bedroht, daß es seinem

Tributstaate mit einem Heer zu Hilfe kam. Der Erfolg war, daß Japan nach einem siebenjährigen Kriege seine Heere zurück­

rief und Korea wieder aufgab. Schon in jenen Fehden sind lang­

wierige diplomatische Verhandlungen charakteristisch, wie wir sie jetzt zwischen beiden Ländern erlebt haben. — Gleichzeitig hatten

die Japaner von den spanischen Philippinen die Anerkennung

der japanischen Oberherrschaft ohne Erfolg verlangt.

Nachdem

1607 mit China, 1617 mit Korea Friede geschlossen war, wur­ den wieder enge und fruchtbare Handels- und Schiffahrtsbezie­

hungen angeknüpft, die auch auf die Reiche der hinterindischen

Halbinsel ausgedehnt wurden. Ein einmaliger Versuch der An­

knüpfung von Beziehungen zu den spanischen Besitzungen in Mexiko konnte nicht zu einem regelmäßigen Handelsverkehr aus­ gebaut werden. Dann schlief auch die auswärtige Politik für fast 250 Jahre ein.

Die neue auswärtige Politik Japans im 19. Jahrhundert ging also wieder die alten Wege, die insbesondere durch die geo­ graphische Lage, das natürliche Ausbreitungsbedürfnis und die

Bodenverhältnisse

gewiesen

waren.

Nach

Überwindung

der

inneren Kämpfe wurden die Kräfte des aufstrebenden Staates feit dem Anfang der 70er Jahre frei. Japan setzte sich damals

auf Formosa fest, mußte aber 1875 auf seinen Anteil an der Insel Sachalin zu gunsten von Rußland verzichten, ein Verlust,

den es erst 1905 im Frieden von Portsmouth wieder herein­ holte.

1894 wurde das nicht bereite und uneinige China ge­

schlagen; aber Japan konnte die Früchte dieses Sieges nicht voll

einheimsen. China hatte schon die Unabhängigkeit seines Vasallen­ staates Korea anerkannt und Formosa nebst den Peskadores-

inseln an Japan abgetreten; ferner sollte Japan auch die Halb­

insel Liaotung mit Port Arthur und eine Kriegsentschädigung von 200 Millionen Taels erhalten. Da intervenierten Rußland,

Frankreich und Deutschland im Interesse der Integrität Chinas und setzterr es durch, daß Japan auf den genannten festländischen

Landerwerb gegen eine weitere Entschädigung von 30 Millionen Taels verzichtete. Japan gab nach, aber mit Groll im Herzen

und dem Vorsatz, zu gegebener Zeit, wenn es stark genug ge­

worden sei, sich den entrissenen Siegespreis zu holen. Die Jahre nach 1895 sind als Vorbereitungszeit für die Erreichung dieses

Zieles anzusehen: Heer und Flotte wurden verstärkt, mit Hilfe der Kriegsentschädigung die zerrütteten Finanzen aufgebessert und

1897 die Goldwährung eingeführt, eine Maßnahme, die Japans

ausländischen Kredit wesentlich förderte. Sein Ansehen stieg der­ art, daß es die Aufhebung der Exterritorialität der Fremden

durchzusetzen vermochte und schließlich in die Reihe der Groß­ mächte ausgenommen wurde, an deren Seite es 1900 die Doxcrwirren niederschlagen half, wobei seine Truppen vorzügliche

Leistungen und treffliche Manneszucht aufwiesen.

Das steigerte das Selbstbewußtsein des japanischen Volkes und der japanischen Politik ungemein. Das Jnselreich mit ein­

heitlicher Besiedlung, in ausreichender militärischer Verfassung zu Wasser und Lande, ermutigt durch seine Erfolge, tat dann auch

den letzten Schritt: es ging in den russisch-japanischen Krieg von 1904/05, der wieder siegreich für Japan endete.

Japan hatte

es als einen Schlag ins Gesicht empfunden, daß Rußland 1898

Port Arthur „gepachtet" hatte — dasselbe Port Arthur, das

Japau im Frieden von 1895 auf Rußlands Miteinspruch hatte herausgeben müssen. Außerdem war Rußland in Korea und der Mandschurei ein sehr scharfer Wettbewerber Japans geworden; cs

wurde durch den Krieg, der seine Flotte vernichtete und seinen

Heeren schwere Niederlagen brachte, dort zurückgewiesen.

Im

Frieden von Portsmouth vom 30. August 1905 erhielt Japan

dann nicht nur den 1875 an Rußland verlorenen Teil von Sachalin und die 1895 nicht erlangten Rechte auf der Halbinsel Liaotung mit Port Arthur nebst wichtigen Eisenbahnen, son­

dern es erwarb auch wichtige Rechte, Eisenbahnen und Bergwerke

als Rechtsnachfolger Rußlands.

Ferner wurde seine Vorherr­

schaft in Korea von Rußland anerkannt; Korea wurde bald zu einer japanischen Provinz. Obwohl nunmehr ein jahrhundertealter Traum erfüllt war,

konnte der Friede von Portsmouth nicht befriedigen, weil Japan

feine Kriegsentschädigung zu erlangen vermocht hatte. Dies führte zu großen Schwierigkeiten. Das Land war durch die im Kriege gebrachten Opfer sehr stark belastet wurden unb mußte durch die notwendige Beschaffung einer neuen Rüstung an die Grenzen der Leistungsmöglichkeit kommen. Zumal es durchaus nicht gesättigt war, wie man hätte annehmen können, sondern unter dem Ein­ flüsse seiner imperialistischen Politik, seiner Ausbreitnngsnotwendigkeit und -freudigkeit nunmehr auch in den Kampf nm die Vorherrschaft im Stillen Ozean eintrat, wo es die Kreise des geruhsamen Nordamerika und EnglandAustraliens störte. — Daß Japan sich in Mexikanisch-Kalifornien, an der Tnrtlebucht, festsetzen wollte, ist nicht glaubhaft. Ein japanisches Kriegs­ schiff war im April 1915 dort gestrandet; als dann zu seinem Schutze vier Kriegsschiffe entsandt wurden, Truppen landeten und eine drahtlose Station errichteten, geriet die öffentliche Meinung in Nordamerika, die Japan gegenüber sehr mißtrauisch ist, in große Aufregung. Man sah darin einen Versuch der Fest­ setzung Japans auf dem amerikanischen Festlande, der man schon vor Jahren durch die Lodgesche Resolution (Ausschließung aus­ ländischer Gesellschaften vom Ankäufe von Häfen oder Plätzen an der Westküste Amerikas) entgegengetreten war. Japan gab beruhigende Erklärungen ab unb zog nach einiger Zeit seine Kriegsschiffe zurück. Von vornherein war schwerlich anzunehmen, daß Japan dort ein größeres Wagnis auf sich nehmen wolle, an einer Stelle, wo seine Absichten vom Festlande her durch­ kreuzt werden können. Es braucht auch hier keine Opfer zu bringen oder große Wagnisse zn laufen, da es längst Zutritt nach Mexiko, Mittel- und Südamerika hat, wo es schon viele Vorarbeit im Stillen leistete.

Im Stillen Ozean bildet es politisch die größte Sorge

Nordamerikas für eine nähere Zukunft; denn durch sein Vor­ gehen ist die militärische Bedeutung des Panamakanals wesent­

lich bedroht und vermindert.

Auf der atlantischen Seite hat

England die Zugänge von seinem westindischen Besitz, insbesondere von Jamaika her in der Hand; für den Fall einer Erschwerung

oder

Behinderung

im Mittelmeere

und

Suezkanal

hat

es

ein gesteigertes Interesse für den Panamakanal als Zufahrt zu

seinen Reichsgebieten.

Die Vereinigten Staaten von

Nord­

amerika sind also auch beim Panamakanal keineswegs von den beiden Seemächten Japan und England unabhängig, die ihre

Bewegungsfreiheit bei Truppen- und Flottenverschiebungen ent­

scheidend behindern können. Man kann allerdings die Kanaleinfahrten durch die bereits angelegten gewaltigen Befestigungen an den Eingängen selbst und

auf den vorgelagerten Inseln, ferner durch die Befestigungs­ linien zum Schutz der Hauptwerke des Kanals und durch eine

ständige Besatzung

stehung

begriffenen

Stützpunkte.

schützen.

Auch

bieten

Seekriegsstationen

die

der

in

der

Flotte

Ent­

starke

Aber die Nordamerikaner können im Ernstfälle

vom Kanal nicht den beabsichtigten freien Gebrauch machen und ihn im Falle einer Niederlage zur See sogar an den Feind

verlieren oder zerstören müssen, solange sie ihn nicht auf dem Landwege durch ein Mexiko und Mittelamerika durchziehendes Eisenbahnnetz erreichen können. Das ist aber vorläufig noch nicht möglich, wenn es auch eines der Ziele der imperialistischen Politik

Nordamerikas ist. Nachdem aber die Vereinigten Staaten in den

mexikanischen Wirren seit Jahren sich so schwach gezeigt haben, nachdem sie während des gegenwärtigen Krieges von England alles ruhig einstecken und sich widerspruchslos der englischen See-

Willkür

im Atlantischen Ozean

unterwerfen,

wird

es

ihnen

im Stillen Ozean nicht besser gehen. Hier ist nach einer Rede

Roosevelts von 1903 Amerikas geographische Lage derart, daß

sie ihm in der Zukunst die friedliche Beherrschung seiner Gewässer sichern muß, wofern „wir nur die Vorteile unserer Stellung mit

der nötigen Entschiedenheit anfassen".

Dagegen steht Baron

Kanekos Streitruf in der Zeitschrift „The Pacific Aera“: „Japan muß sein möglichstes tun, um die Beherrschung des

Stillen Ozeans den Amerikanern streitig zu machen und seiner­ seits die östlichen Märkte zu beherrschen."

Hier ist Japan kaum aus dem Felde zu schlagen und die

Vereinigten Staaten werden es ohne Verbündete niemals er­ reichen können, den Wettbewerber einzuschränken oder zu ver­

drängen. Amerika hat in dm Sandwich- und Philippineninseln

eine Basis für die Gewinnung der Vorherrschaft im Stillm Ozean einerseits und andererseits für die Stützung seiner wirtschaft­

lichen und politischen Ziele in China. Aber es ist militärisch zu schwach, um fern von seinen Küsten Japan ernsthaft entgegen­

treten zu können und muß daher den Weg friedlicher Verstän­ digung suchen um den Preis von Zugeständnissen und Opfern.

Es kann sich die Beteiligung an der Vorherrschaft im Stillen Ozean vielleicht erkaufen, erkämpfen kann es sie lange noch nicht.

Ta rächt sich die überwiegend mammonistisch orientierte Politik und Lebensanschauung eines großen Volkes, dessen Seele nichr

mit dem Körper gewachsen, sondern verkümmert ist, das im schwächlichen Bedürfnis nach Bequemlichkeit, Ruhe, Sicherheit

im Frieden seine Geltung in der Welt verscherzt hat — das nur

auf wirtschaftlichem Gebiete stark ist, während es einem starken auswärtigen Feinde außerhalb seiner engsten Grenzen ohnmächtig

gegenüber steht. Es mutet fast wie eine Ironie oder besser Ge­

ll

rcchtigkeit der Weltgeschichte an, daß Japan, noch unser Feind, eine Art Vergeltung für Deutschland an Amerika vollziehen kann, die ihm gebührt, nachdem es durch seine schmähliche

englisch­

neutrale Haltung und seine Lieferungen den Krieg so unverant­ wortlich verlängert hat.

Auf einem Gebiete ist Japan in Amerika und Australien

sehr mißbeliebt: in der Einwanderung. Das Schlagwort von der

„gelben Gefahr" ist in Amerika entstanden.

Es nahm seinen

Ursprung aus den Befürchtungen, die nicht nur in Rassefragen, sondern auch in wirtschaftlichen gesehen wurden. Der Japaner

ist ein zu billigen Löhnen arbeitender Wettbewerber des weißen Arbeiters und wanderte in großen Massen ein. Die Auswanderung

ist eine Lebensfrage für Japan. Die sehr beträchtliche Zunahme

der Bevölkerung von 33 Millionen im Jahre 1872 auf mehr als 50 Millionen im Mutterlande und etwa 70 Millionen einschließ­

lich der neuen Gebiete entspricht ungefähr der Bevölkerungszahl Deutschlands;

wälzen helfen.

sie

hat

alle

wirtschaftlichen

Verhältnisse

um­

Sie führte zuerst zu einer inländischen Wander­

bewegung ; es entstanden neue Städte, die alten vergrößerten sich,

sie nahmen einen großen Teil der wachsenden Bevölkerung auf, die sich Gewerbe und Handel zuwandte. Dann setzte eine Aus­ wanderung ein, die nach kleineren Anfängen sehr schnell wuchs

und in Amerika und Australien, das ja auch nach dem fast rest­

losen Untergange der Urbevölkerung einen weißen Erdteil dar­ stellen will, eine lebhafte Abwehrbewegung hervorrief. Dort ist

eine Hochschutzzöllnerische Bewegung zur Herrschaft gelangt, die keine Einwanderung farbiger Arbeitskräfte (weder aus Ostasien

noch aus der Südsee) zulassen will. Sie gestaltete die gegenseitigen Beziehungen sehr gespannt, zumal zu den Vereinigen Staaten, als Kalifornien zu scharfen gesetzlichen Maßregeln griff, deren

Durchführung Washington trotz Entsendung des Staatssekretärs

zum Zwecke persönlicher Vorstellungen nicht hindern konnte. Auch in Kanada und Britisch-Kolumbien herrschten lebhafte

Befürchtungen wegen der japanischen Einwanderung.

In den letzten Jahren wandte sich infolgedessen die japanische Auswanderung vorwiegend nach Südamerika, auch hier nicht ohne

Mißtrauen ausgenommen, das sich verstärkt hat, seit die Japaner

sich in der Südsee auf dem deutschen Jnselbesitz niedergelassen haben, eine Tatsache, die auch zu lebhaften Besorgnissen Austra­ liens, Neuseelands, Tasmaniens und entsprechenden Vorstellungen

in London und Tokio geführt hat. Noch ist die Rede des Sir Jan Hamilton nicht vergessen, der als Generalinspekteur der Kolonial­ armee Großbritanniens nicht lange vor dem Kriege in Neusee­

land aussprach, daß die größte Gefahr für die Kolonien im Ge­

biete des Stillen Ozeans von Japan her drohe; das war und ist die Ansicht der Briten in der Heimat und den Kolonien und sie

ist trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der japanischen Re­ gierung nicht widerlegt worden.

Ein Kenner der Verhältnisse wies richtig darauf hin, daß in

der Auswanderungsfrage die Japaner niemals mit gleichem Maße messen.

Sie kommen in die fremden Länder, setzen sich fest,

lassen ihre Familien komMen und führen ihre Sitten ein.

Es

dauert dann nicht lange, bis sie, in Gemeinschaften zusammen­

geschloffen, alle Arbeit an sich reißen und sehr viel Geld ver­

dienen. Dies Geld kommt aber zum größten Teile nicht dem

Lande der Gewinnung zu gute, sondern wandert nach Japan.

In den Einwanderungsländern verlangen dann die Japaner alle Rechte für sich, so insbesondere das Recht, Grundbesitz zu erwerben

und Fischfang zu treiben, wüs in einzelnen Ländern eine große

Bedeutung hat. So sind beispielsweise in Britisch-Kolumbien die

ertragreichsten Fischereien der Welt zu einem großen Teile in

japanischer Hand, fast 11 000 japanische Arbeiter sind darin be­ schäftigt, die großen Unternehmergewinne und Arbeitslöhne fließen nach Japan. Allenthalben in den Randländern des Stillen Ozeans

setzten sich mit Erfolg japanische Kaufleute, Landwirte und Arbeiter fest, und ihre Regierung und öffentliche Meinung verlangt empört

und mit Nachdruck wichtige Rechte für sie, die Japan im eigenen Lande dem Ausländer verweigert; denn Ausländer dürfen in

Japan weder Grundbesitz erwerben noch Bergbau treiben und

auch keine größeren Fischereigerechtsame ausnutzen. Und nicht ein­

mal den ausländischen Arbeiter duldet Japan auf seinem Boden, ausgenommen die geschickten Handwerker, die vertrauensselig ge­ nug hinübergesandt wurden, um die Japaner zu lehren, ihre Waren billiger herzustellen als dies für Europa möglich ist. So

ist die Erbitterung gegen den Japaner und seine Ablehnung eine allgemeine geworden. Nicht nur in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, auch in den Besitzungen des Japan verbundenen

sie unerwünschte Ein­

großbritannischen Kolonialreiches sind

wanderer, hinter denen man die starke japanische Regierung und Militärmacht fürchtet, der man gleichwertiges nicht entgegen­

stellen kann.

* Die

europäischen

* Großmächte

* sind

im

Verfolge

ihrer

kolonialen Bestrebungen nach dem Fernen Osten gekommen: Portugal und Spanien waren die Ersten, ihnen folgten Holland

und England, Rußland, Frankreich und Deutschland. Und auch

die Vereinigten Staaten von Nordamerika zogen Ostasien in den

Kreis ihrer Betätigung. Aus dem Fernen Osten.

2

Japan, das Jnselreich, wurde nicht angetastet, China war

der Tummelplatz, es wurde von allen Seiten regelrecht einge­ kreist. An seinen Landgrenzen sitzen (außer Japan) Rußland, Frankreich und England; sie nahmen jede Gelegenheit wahr,

chinesische Gebietsteile oder Hoheitsrechte an sich zu reißen. Nur die Vereinigten Staaten von Nordamerika und Deutschland trieben eine ehrliche Politik, die keine Gebietserwerbungen im großen an­ strebte, sondern für den Bestand Chinas und die Offene Tür —

also für einen freien Wettbewerb eintrat.

Rußland arbeitet seit dem 17. Jahrhundert an der Ab­ bröckelung Chinas, seit die Eroberer Sibiriens in die Länder am Amur und die nördliche Mandschurei eindrangen.

Jenen

Feindseligkeiten machte 1689 der Friede von Nertschinsk ein Ende; es folgte in der aktiven Chinapolitik eine Pause von 170 Jahren.

Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte Rußland wieder von Norden und Nordwester: an und nahm chinesisches Gebiet

in weitem Umfange: Das nördliche Amurufer und die nördliche und mittlere Mandschurei; ferner besetzte es das Jlibecken mit

der Stadt Kuldscha von Russisch-Turkestan aus. Letzteres mußte im Vertrage von 1881 zurückgegeben werden; aber es gelang, in den nördlichen und nordwestlichen Außenländern Chinas eine

sehr vorteilhafte Sonderstellung, politische und handelspolitische Vorrechte zu gewinnen, die als Handhabe zu weiterem Vordringen

dienten.

1896 gestattete China den Dau der sibirischen Bahn

geradenwegs nach Wladiwostok und die Abzweigung einer Bahn

nach Port Arthur, die ihrerseits den Anschluß an die chinesische Bahn nach Tientsin und Peking fand. Damit waren Bergwerks­

rechte in der Mandschurei, die Sicherung der Eisenbahnen durch

russische Besatzungen, die Gestattung gewisser militärischer Maß­ nahmen

in

Port Arthur und

die Aussicht

auf die Über-

lassung

von

Kiautschou

als

Flottenstützpunkt

verbunden

worden.

So war Rußlands Stellung in China außerordentlich ge­ stärkt und sein Einflußgebiet unendlich erweitert.

Aber ihm

wurde durch Japan Halt geboten, das den Anschluß an England im Bündnis von 1902 fand, als Rußland auch vor Korea nicht

Halt machte und Japan, das einen Ausgleich suchte, hochmütig

behandelte. England konnte ein übermächtiges Rußland auch in Ostasien nicht brauchen, es mußte dort aufgehalten und ge­ schwächt werden. Dies gelang durch den russisch-japanischen Krieg

von 1904/05, dessen Hauptergebnis der Übergang der russischen Rechte einschließlich der Bahnen in der Südmandschurei

an

Japan und die freie Hand für Japan in Korea war. Die Notwendigkeiten der neuen Nachbarschaft führten zu einer Verständigung: Rußland und Japan richteten sich in der

Mandschurei häuslich ein, wiesen gemeinsam einen Vorschlag Amerikas auf „Neutralisierung" der mandschurischen Eisenbahnen

(d. h. den Ankauf durch ein internationales Syndikat) im Jahre 1910 ab und schloffen daraufhin einen Vertrag, in dem sie sich

gegenüber Eingriffen Dritter den bestehenden Zustand verbürgten

und vereinbarten, daß Japan über Korea frei verfügen und

Rußland in der Mongolei freie Hand haben solle. Als dann

auch die englische Regierung 1911 im Parlament erklärte, daß Rußland und Japan in der Mongolei und Mandschurei be­

sondere Interessen hätten, konnte Rußland erneut nach China hinein. Noch am Ende desselben Jahres erklärte sich die Äußere

Mongolei selbständig, Rußland erkannte den neuen Staat an, ver­ wandelte ihn aber 1914 tatsächlich in einen russischen Schutz­

staat.

China nahm dies nicht ruhig hin, sondern verhandelte

jahrelang. Das Ergebnis dieser Verhandlungen soll nach einer 2*

Mitteilung des russischen Ministers des Äußeren, Sasonow, an

die Reichsduma ein am 7. Juni 1915 unterzeichnetes endgültiges Übereinkommen über die Äußere Mongolei sein, dessen wesent­

liche Bestimmungen folgende sein sollen: Die Äußere Mongolei wird in ihren inneren Angelegenheiten als selbständiger Vasallen­ staat Chinas anerkannt; sie erhält das Recht der inneren Selbst­

verwaltung und Handlungsfreiheit in den Fragen des Handels und der Industrie bis zu dem Recht, über diese Angelegenheiten

internationale Abkommen abzuschlicßcn. Einzig und allein auf dem Gebiete der äußeren Politik wird die Unabhängigkeit der

Mongolei durch das Recht Rußlands und Chinas zur Inter­ vention beschränkt.

(Die Schlußbestimmung gibt Rußland in

einem Schutzstaate Chinas dieselben Rechte wie diesem; in dem

Vertrage hat also Rußland alles erreicht, was es braucht.)

Rußland wird nach seinen Niederlagen in Europa im gegen# wärtigen Kriege, vom Balkan, den Dardanellen und der asiatischen Türkei abgedrängt, eine starke ostasiatische Politik aufnehmen

wollen und nur ein geeinigtes, militärisch starkes China wird

seinem Vordringen einen Damm entgegensetzen können.

Auch Frankreich gehört zu den unmittelbaren Nachbarn Chinas mit einer Landgrenze dorthin. — Es hat sich in Indo­

china in blutigen Kämpfen festgesetzt und ist ständig bemüht

gewesen, einen Landweg aufzufinden und zu sichern, um für seinen Handel einen unmittelbaren Zugang zu den benachbarten

Südprovinzen Chinas zu haben, wohin Verbindungen zu Wasser und zu Lande möglich sind. Es setzte sich schon am Ende des

18. Jahrhunderts in Annam fest, gab dem aber erst seit den

60cr Jahren des 19. Jahrhunderts stärkeren Nachdruck. Chinas Einwendungen blieben unbeachtet, 1882 würbe das ganze König­ reich Annam zum französischen Schutzgebiete erklärt. 1884 kam

es zum Kriege zwischen Frankreich und China, der mit der An­

erkennung der französischen Ansprüche auf Annam und Tongking, dem Verzicht Chinas auf seine Oberhoheit und der Öffnung be­

stimmter Punkte der Grenze für den französischen Handel endete. Frankreich versprach.damals, die südlichen Grenzen Chinas gegen Tongking zu achten und gegen jeden Angriff zu schützen. Dieses

Versprechen hinderte Frankreich aber nicht, Mitte der neunziger Jahre zur Belohnung für seine Vermittlung beim chinesisch­

japanischen Friedensschlüsse wertvolle Zugeständnisse durchzusetzcn, die ihm eine „Interessensphäre" im Süden einbrachten: es schob

sein Gebiet nach Aünnan hinein vor, erreichte die Öffnung meh­ rerer Plätze für seinen Handel, ließ sich die Verlängerung der

Eisenbahn nach China gestatten und ausschließliche Vorrechte bei Bergwerksunternehmungen

in

den

Südprovinzen

bewilligen.

Außerdem pachtete es die Kwangtschoubncht, womit es sich außer­

halb seines Kolonialgebietes südwestlich vom englischen Hong­

kong an der Küste Chinas festsetzte. Frankreich befindet sich in günstiger Lage; es hat vom Meer

aus Zugang zu den oftasiatischen Teilen seines Kolonialgebietes und durch sie unmittelbar nach China hinein.

E n g l a n d hat sich erst im 19. Jahrhundert in China fest­ gesetzt. 1834 trat die englische Regierung an die Stelle der Ost­

indischen Gesellschaft für den Handel in China, die seit den: Ende des

kam

es

17. zum

Jahrhunderts in Kanton war. Opiumkriege,

von Nanking beendigt wurde.

der

1842

durch

Schon

den

1840

Frieden

In diesem Frieden wurden die

fünf Häfen Kanton, Amoy, Futschau, Ningpo und Schanghai dem

fremden Handel geöffnet und die Insel Hongkong endgültig an

England abgetreten. 1843 besetzte es den Tschusanarchipel, 1857 und 1860 führte es gemeinsam mit Frankreich zwei Kriege gegen 21

China, deren Hauptergebnis die Sicherung der früheren Verein­ barungen und die Gestattung der dauernden Anwesenheit frem­

der Vertretungen in Peking war. 1860 wurde gegenüber Hong­ kong auf dem Festlande Kaulun erworben, 1886 das unter chinesischer Oberhoheit stehende Birma besetzt. Dann schob Eng­

land sich in die Grenzstaaten des Himalaya und die Schanstaaten vor, immer im Eingriff in die Hoheitsrechte Chinas und

im zielbewußten Streben, von der indischen Landgrenze her Teile des

chinesischen Reiches in den südwestlichen Außenländern abzutrennen.

Einen Hauptzug machte England im Jahre 1898, als es das Vangtsetal zu seiner (von keiner Macht anerkannten) Einfluß­

sphäre erklärte; hierzu rechnet England nicht weniger als neun von den achtzehn Provinzen Chinas, ihr Gebiet erstreckt sich von den Grenzen Birmas und Tibets bis an den Stillen Ozean. Damit nicht genug, besetzte es als Gegengewicht gegen das russisch gewordene Port Arthur den Hafen Wei-hai-wei mit der Ver­

sicherung, ihn wieder aufzugeben, sobald Port Arthur nicht mehr

russisch sei. (Die Versicherung ist natürlich nicht gehalten worden; denn Port Arthur ist seit 1905 nicht mehr russisch, während

Wei-hai-wei sich unverändert in englischer Hand befindet.) Die

Gelegenheit der Festlegung Rußlands im Kriege mit Japan wurde zu einem militärischen Unternehmen gegen Tibet benutzt; dort

ist ein dauernder Erfolg nicht erzielt worden.

Rußland und

England verpflichteten sich in ihrem Übereinkommen über Mittel­ asien von 1907, die Hoheitsrechte Chinas in Tibet anzuerkennen;

im Sommer 1915 soll nach einer englischen Mitteilung China die ersten Schritte getan haben, um die Erörterung der Tibetsrage

mit England wieder aufzunehmen. Das Gesamtbild ist, daß England in den letzten 75 Jahren cs verstanden hat, China von Osten und Westen her einzuschnüren

und die Hälfte des Reiches für sich in Anspruch zu nehmen —

ein großzügiges Vorgehen, das allerdings in Zukunft nicht mehr in derselben Weise durchzuführen fein wird, nachdem der Glaube

an Englands unbesiegliche Vormachtstellung durch die Ereignisse Les gegenwärtigen Krieges auch in den Augen der Chinesen zer­

stört ist. Trotz aller Bemäntelungsversuche der anglo-chinesischen Presse, die auf die skrupelloseste Weise den Lügenfeldzug gegen

Deutschland auch während des Krieges führt, ist China über die wirklichen Vorgänge durch den deutschen Nachrichtendienst unter­

richtet und in der Lage, sich ein Urteil zu bilden. England wird hier den Wettbewerb Gleichberechtigter nicht dauernd hindern können.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika

haben eine friedliche Politik in China betrieben. Es ist nicht allzu lange her, seit sie sich in Oftasien be­ tätigt haben.

In der Zeit der Öffnung Japans durch eine

amerikanische Expedition setzte ein starkes Interesse ein, das aber bald erlahmte, vor allem wegen des amerikanischen Bürgerkrieges

und des Niederganges der amerikanischen Handelsflotte.

Erst

durch die Eroberung der Philippinen im Jahre 1898, die Annexion

von Hawai und die Übernahme des Panamäkanalbaues traten die Staaten wieder in engere Berührung mit Ostasien.

In China besonders trieb man Kultur- und Wirtschafts­ politik.

Die amerikanischen Missionen, die mit ihren reichen

Mitteln viel Land erwarben, waren gute Helfer für den Handel, der indes von seiner früheren Höhe beträchtlich herabsank. Teils durch einen Boykott gegen amerikanische Waren infolge der gegen

die

gelbe

Raffe

gerichteten

Einwanderergesetzgebung

Nord­

amerikas, teils infolge der bevorzugten Stellung Japans im Han­ del mit China, zum anderen Teile aber aus denselben Gründen,

die Nordamerika von vielen Märkten fernhalten: Fehlen einer Wirksamen Ausfuhrorganisation, Nichlanpassung an die Bedürf­

nisse des einzelnen Marktes, mangelndes Entgegenkommen in

den Zahlungsbedingungen und zu Zeiten weniger starkes Ausfuhr­ bedürfnis.

Den Vereinigten Staaten ist es nicht gelungen, Japan den Weg nach China zu verlegen. Die Gegnerschaft und der Wett­ bewerb der beiden Mächte haben zu manchen Zusammenstößen

geführt, die auf diplomatischem Wege erledigt wurden und Amerika nichts einbrachten; es blieb bei Anläufen, die man nicht durch­

führte. Die Hauptsache war den Amerikanern stets, die Grund­

sätze der Unverletzlichkeit Chinas und der „Offenen Tür" zu be­ tonen, ohne daß sie damit die Ausdehnung der anderen Mächte hätten hindern können.

1899 leitete Staatssekretär Hap einen

Notenaustausch mit den Mächten, betreffend Erhaltung der Han-

delsfreiheit ein.

Er wünschte die Zusicherung zu folgenden

Punkten: 1. Daß die Mächte in keiner Weise auf einen Vertragshafen oder auf rechtlich begründete Interessen in ihrer Interessensphäre oder in einem Landstrich, der ihnen in China pachtweise über­

tragen worden ist, störend einwirken werden.

2. Daß der chinesische Vertragszoll auf alle Waren angewandt werden soll, welche eingeführt werden in Häfen, die innerhalb

dieser Interessensphäre liegen (sie seien denn Freihäfen), gleich­ gültig, welcher Nation sie gehören mögen; daß ferner solche Zölle durch die chinesische Regierung selbst eingezogen werden.

3. Daß die Mächte versprechen, von Schiffen einer anderen Nation, die in einen Hafen ihrer Interessensphäre einlaufen, keine höheren Hafengebühren zu erheben als von Schiffen ihrer

eigenen Staatsangehörigen, noch auf Eisenbahnen, die in ihrer

Interessensphäre gebaut und verwaltet werden, höhere Frachtsätze zu verlangen von Waren der Angehörigen anderer Staaten, als

von Waren gleicher Art, die ihren eigenen Staatsangehörigen gehören.

Es war die Zeit, in der China einer Aufteilung in Interessen­

sphären unter die europäischen Mächte verfallen zu fein schien, die vorübergehend den Vereinigten Staaten großen Schaden brin­

gen konnte; daher die Forderung der Politik der offenen Tür. Ferner traten die Vereinigten Staaten dafür ein, daß China durch weitreichende Verwaltungs- und Regierungsreformen auf

die Entwicklung feiner natürlichen Hilfsquellen und die Ver­ besserung der Wohlfahrt seiner Völker hinarbeite. Die Vereinigten

Staaten sind, besonders seit dem russisch-japanischen Kriege, von

ihrer japanfreundlichen

Politik übergegangen.

zu

einer entschieden

chinafreundlichen

Sie wünschen dauernde Sicherheit und

Frieden, Erhaltung der Land- und Verwaltnngseinheit, Schutz aller vertragsmäßig und völkerrechtlich zugeftandenen Rechte der

verschiedenen Nationen und Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Handelsfreiheit und -gleichheit in allen Teilen des stetig

weiter zu öffnenden China für die ganze Welt. „Ein geeinigtes China, sich stark entwickelnd, Herr in seinem eigenen Lande, wel­

ches es dem Handel aller Nationen der Welt in gleichem Maße offen

hält, das

sind

die

Grundgedanken

der amerikanischen

Politik," schrieb der jetzige amerikanische Gesandte in Peking im

Jahre 1913. Mit

diesen

Richtlinien

der

amerikanischen

China-

Politik stimmen im wesentlichen die deutschen überein. Die Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen beschränkt

sich im wesentlichen auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vorher hatte sich zwar der deutsche Kaufmann am Handel mit

China beteiligt, aber erst feit dem Ende des 17. Jahrhunderts, und nur vereinzelt und unter englischem Schutze. Eine größere

Ausdehnung nahm der deutsche Handel erst nach der Öffnung der Häfen im Frieden von Nanking 1842. Im Jahre 1860 ent­

sandte Preußen eine Gesandschaft zum Abschlüsse von Handelsverträgen nach Ostasien; sie fand in China viele deutsche Kauf­ leute und Schiffe und einige von den Chinesen nicht anerkannte Konsuln der Hansestädte und Preußens vor. In den nächsten Jahrzehnten geschah, lediglich auf handelspolitischem Gebiete, sehr viel von deutscher Seite, ohne daß die öffentliche Meinung sich allzuviel mit chinesischen Dingen befaßt hätte. Es wurde eine deutsche Gesandschaft in Peking eingerichtet, in den Hafen­ städten wurden Konsulate eröffnet. Außer deutschen Handels­

häusern siedelten sich deutsche Danken an. Das Reich subven­ tionierte seit 1885 eine Dampferlinie nach Ostasien. 1895 tat Deutschland den ersten großen Schritt, als es in Gemeinschaft mit Rußland und Frankreich zugunsten von China gegen den Frieden von Schimonoseki Einspruch erhob. Und 1898 erfolgte die Pachtung von Kiautschou und der

Erwerb von Bergwerks- und Eifenbahnkonzessionen in der Pro­ vinz Schantung. Die Pachtung erfolgte aus 99 Jahre unter Abtretung der chinesischen Hoheitsrechte ohne Gegenleistung und ohne Ersatz der Aufwendungen bei Ablauf der Pachtzeit. Die Erwerbung erschien notwendig, nachdem die europäischen Groß­

mächte sich in China festgesetzt hatten und man nicht länger von den Unfreundlichkeiten und der Willkür Englands abhängig sein durfte. Die Wahl erschien als eine glückliche; das Pachtgebiet liegt zentral zwischen den Golfen von Japan, Petschili, Korea und den Mündungen des Aangtsekiang und Deutschland blieb dort von dem englischen und französischen Einflußgebiet und von

der russischen Operationsbasis gleich weit entfernt, so daß die Interessen jener Mächte durch die Festsetzung in Kiautschou nicht

berührt wurden.

Abgesehen von der Beteiligung an der Niederwerfung des Voxeraufftandes, der ein militärisches

Eingreifen notwendig

machte, hat Deutschland, gestützt auf feine Niederlassungen in Tientsin und Hankou und insbesondere Kiautschou sich ledig­ lich an der wirtschaftlichen Erschließung Chinas beteiligt; es hat ehrlich und ohne Hinterhältigkeit sich stets bemüht, die gegen­ seitigen wirtschaftlichen und Handelsbeziehungen zu fördern und aus Tsingtau einen kulturellen Mittelpunkt zu machen, dessen

Ausstrahlungen weithin empfunden wurden und die Bewunde­ rung der Chinesen und den Neid Japans und Englands er­ weckten. So war Deutschland ganz sicher nicht die Macht, die

den Frieden Ostasiens bedrohte, womit Japan seine Kriegs­

erklärung begründete.

* Was d i e diplomatische Geschichte des Fer­ nen Ostens anlangt, so w!aren die Mächte bis zum Jahre

1894/95 äußerlich einig; sie vertraten ihre Interessen gemein­

sam in Peking, Japan war erst im Aufstieg begriffen. Erst mit dem chinesisch-japanischen Kriege trat der Wendepunkt ein. Von

da ab ist die ostasiatische Politik ein nie ruhendes diplomatisches Schachspiel, eine gefährliche Versicherung auf Gegenseitigkeit, ein unerfreuliches Bild von Unaufrichtigkeit und Unehrlichkeit, ein­ gegeben von Mißtrauen und Schwäche.

Ein ganzes Netz von

Verträgen, Abreden und Übereinkommen wurde gesponnen, um den Besitzstand und die Verfolgung der eigenen Ziele zu sichern, meist verschleiert unter Redensarten von der Erhaltung des

Friedens in Ostasien, der Integrität Chinas und der offenen

Tür für alle. Am

geschäftigsten erwies

sich

die

englische Diplomatie.

Beim Ausbruch des chinesisch-japanischen Krieges war sie vom

Siege Chinas überzeugt, das sie auch deshalb stützte, weil sie es als Prellbock gegen das vom Norden mächtig andrängende

Rußland benutzen wollte. Als aber Japan durch seine kriege­ rischen Erfolge in seiner Stärke erkannt wurde, nahm England

einen völligen Frontwechsel vor.

England hatte sich zunächst

gegen Japans Bestrebungen, sich auf dem Festlande feftzusetzen, gewandt und ein Einschreiten der europäischen Mächte verlangt.

Nach der Niederlage Chinas war es indes nicht mehr für eine Intervention zu haben, und so mußten Rußland, Frankreich und Deutschland allein einschreiten: Japan gab gegen Entschädigung

die Halbinsel Liaotung mit Port Arthur wieder heraus. Eng­ land hat es verstanden, mit Hilfe seiner Hetzpresse für jene Deinütigung Japans im Frieden von Schimonoseki Deutschland allein verantwortlich zu machen und Deutschland als die Macht

hinzustellen, die Japan in den Arm gefallen sei. Die Einigkeit der Mächte war dahin; daran änderte auch

nichts das gemeinsame Vorgehen zur Niederwerfung des Boxer­ aufstandes um die Jahrhundertwende.

näherten sich immer mehr.

Japan und England

1902 schlossen sie ein förmliches

Bündnis ab, das 1905 und 1911 erneuert wurde und sich bei

der Erneuerung der jeweiligen Lage anpaßte, aber jedesmal aus­

drücklich seinen friedlichen Charakter betonte. Es sollte der Be­ festigung und Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens in

den Gebieten von Ostasien (1905 auch von Indien) und den allen Mächten gemeinsamen Interessen in China dienen; Waffen­ hilfe wurde für den Fall zugesagt, daß eine der vertragschließen-

den Mächte infolge eines nicht provozierten Angriffs in einen Krieg verwickelt wird, zur Verteidigung der territorialen Inter­ essen und Rechte in Ostasien (und Indien).

Das Bündnis gab Japan freie Hand zum Kampfe gegen Rußland, es beugte einer neuen Jntervmtion der Mächte vor

und erhöhte sein Ansehen im Rate der Völker, sicherte auch sein Land und seine Interessen auf dem asiatischen Fesilande. —

Nicht weniger groß waren Englands Vorteile. Es gab ihm in Japans Landheer die Macht, die es gegen Rußland ausnutzen

konnte; und Japans Flotte erlaubte ihm, seine asiatische Flotte in die heimischen Gewässer zu überführen und damit eine starke Macht gegen Deutschland freizumachen. „Japan war der Platz­

halter und Torwächter Englands in Ostasien"; seine imperia­ listische Politik über Erdteile und Meere hinweg wurde ge­ sichert.

Das Bündnis verlor aber schnell seine wesentlichen Daseins­

gründe: Rußland wurde 1904/05 von Japan geschlagen und

die englisch-russische Verständigung über Mittelasien von 1907 schob die russische Drohung gegen Indien auf. Vor allem aber

erfuhren die englisch-japanischen Beziehungen eine starke Trü­ bung einerseits dadurch, daß England den Bundesgenossen im Frieden von Portsmouth im Stich ließ und sein Gewicht nicht

genügend dafür einsetzte, daß Japan eine Kriegsentschädigung erhielt.

Freilich: damit wäre England (und auch dem Ver­

mittler Amerika) schlecht gedient gewesen. Japan durfte nicht zu stark rverden, nachdem es Rußland gegenüber seinen Zweck er­

füllt hatte; seine Lähmung auf finanziellem Gebiete war durch­ aus wünschenswert, sie allein konnte seine Pläne auf China und den Stillen Ozean noch eine zeitlang aufschieben.

Ports­

mouth war in seinen Wirkungen schlimmer als Schimonoseki;

aber wer spricht davon? — Andererseits sah Japan in dem Bündnis mit England kein Hindernis, sich mit Rußland nach dem Kriege in den Jahren 1907—1912 in einer Reihe von

Einzelabkommen über seine festländischen Jntereffen zu verstän­

digen, die beiden Mächten eine freie Tätigkeit erlaubten und Rußland überraschend schnell zu einer starken ostasiatischen Politik

zurückführten, nachdem es vom Balkan abgedrängt worden war. In derselben Zeit machte Japan Korea zur Provinz und erstreckte

seine Werbetätigkeit auf Indien; auch erzwang es Entgegen­ kommen auf dem Gebiete der Handelsverträge. Es wurde immer

klarer, daß die Tage des englisch-japanischen Einvernehmens ge­ zählt seien.

Trotz allem mußte das Bündnis noch einmal herhalten, als es galt, Deutschland im gegenwärtigen Kriege aus Ostasien zu verdrängen. Es war der Vorwand, den Japan zum Eingreifen in den Krieg benutzte, obwohl es keineswegs verpflichtet war.

Japan richtete am 15. August 1914 ein Ultimatum an

Deutschland:

„Die Kaiserlich japanische Regierung, die es für im höch­ sten Grade wichtig und notwendig erachtet, unter den gegen­ wärtigen Umständen Maßregeln zu ergreifen, um alle Anlässe zur Friedensstörung in Ostasien zu beseitigen und die im Bünd­ nisvertrag zwischen Japan und Großbritannien vorgesehenen all­ gemeinen Interessen zu gewährleisten, hält es zu dem Zweck, einen festen und dauernden Frieden in Ostasien zu sichern, dessen Herstellung das Ziel des genannten Vertrages ist, in aller Auf­ richtigkeit für ihre Pflicht, der Kaiserlich deutschen Regierung den Rat zu geben, die folgenden zwei Vorschläge auszuführen: 1. Sofort aus den japanischen und chinesischen Gewässern deutsche Kriegsschiffe und bewaffnete Schiffe jeder Art zu ent-

fernen und sofort solche Schiffe, die nicht entfernt werden können, zu entwaffnen.

2. Dis spätestens am 15. September 1914 den Kaiserlich japanischen Behörden bedingungslos und ohne jede Entschädi­

gung das gesamte Pachtgebiet Kiautschou zu überliefern mit der Aussicht, daß es gegebenenfalls an China zurückgegeben wird. Die Kaiserlich japanische Regierung kündigt zu derselben Zeit an, daß sie, falls sie nicht bis zum Mittag des 23. August

1914 die Antwort der Kaiserlich deutschen Regierung erhält,

die ihr die bedingungslose Annahme des von der Kaiserlich

japanischen Regierung erteilen Rates bekannt gibt, sich zu solchen Handlungen genötigt sehen wird, die sie unter den Umständen für erforderlich erachtet."

Das Ultimatum konnte einer Antwort nicht

werden.

gewürdigt

Japan marschierte und belagerte unter Mißachtung der

chinesischen Neutralität unsere Festung Tsingtau; England half

dabei mit einer kleinen Truppenabteilung, die sich sehr schonte.

Tsingtau fiel am frühen Morgen des 7. November 1914 nach

heldenhafter Verteidigung und Erschöpfung aller Verteidigungs­ mittel. Ganz Deutschland trauerte um den Verlust der Muster­ kolonie, die als Vorposten deutscher Macht, als Pflanzstätte und

Vermittlerin deutscher Kultur so Schönes schon geleistet hatte und als sinnfälliges Beispiel deutscher Art und Arbeit so vieles ver­ sprach. Die Beweggründe für Japans Eingreifen sind viel und leidenschaftlich erörtert worden.

Ein ruhiges Urteil sprach der

schwedische Forscher Kjellen aus; er meinte, daß „der japanisch­ deutsche Zusammenstoß mehr augenblicklich aufgetretenen Zweck­

mäßigkeitsgründen entsprungen sei, und daß seine Verkettung mit den Interessen der übrigen Kriegführenden sich mehr zufällig

ergeben habe".

In der Tat hat offenbar Japan die günstige

Gelegenheit zum Eingreifen benutzt, um in der wichtigen Pro­ vinz Schantung Fuß zu fasten, die fönst vielleicht Englands Deute hätte werden können. Gleichzeitig erhöhte es damit feine

Stellung als Vormacht in Ostasien, die imstande war, auf Bitten

des mächtigen England (und auf seine Kosten!) eine Macht wie Deutschland aus Ostasien zu vertreiben.

Es ist nicht richtig,

England allein die Schuld am Zuge Japans nach Tsingtau zu­

zuschreiben; Japan verfolgt dort eigene Interessen, wo es als Vorspann benutzt werden sollte.

Noch deutlicher als im Falle Tsingtau zeigt sich dies auf dem Gebiete der japanischen Südseepolitik.

In der S ü d s e e hat Japan sehr eigenmächtig gehandelt und ist weit über die im englisch-japanischen Bündnis vorge­ sehene Tätigkeit hinausgegangen.

Bei der Bekanntgabe des

japanischen Ultimatums an Deutschland meldete die englische

Regierung amtlich, daß Japans Tätigkeit sich nicht über das Chinesische Meer hinaus erstrecken solle, außer wenn der Schutz

der japanischen Interessen dies erfordere, auch nicht auf die Ge­ wässer jenseits des Chinesischen Meeres, und zu Lande auf kein anderes als das von Deutschland besetzte Gebiet in Ostasien.

England war also ängstlich darauf bedacht, Japan in engen Schranken und fern von den britischen Einflußgebieten zu halten;

aber Japan hat sich daran nicht gestört.

Es hat vielmehr die

Gelegenheit benutzt, sich in den deutschen Schutzgebieten festzu­ setzen, sehr gegen den Wunsch Englands und noch mehr gegen

den Australiens. Die Japaner hatten die wichtigsten Stationen

im Jnselgebiet besetzt und dort eine vorläufige Verwaltung ein­ gerichtet. Es läßt sich noch nicht mit Sicherheit festftellen, ob sie

später das Jnselgebiet an die australische Regierung abgetreten

haben, die Nachrichten widersprechen sich. Es scheint aber, daß sie dort geblieben sind und die endgültige Regelung einer späteren Zeit überlassen wollen, was sehr viel wahrscheinlicher ist. Austra­ lien ist jedenfalls sehr beunruhigt wegen der drohenden neuen Nachbarschaft und trifft seine Maßnahmen; so ist die Bildung eines australischen Marineministeriums in Aussicht genommen, — was zweierlei bedeuten kann: einerseits die Erkenntnis, daß man dem sogenannten Verbündeten in Zukunft nicht mehr die Vertretung und den Schutz der Seeinteressen im Fernen Osten an­ vertrauen kann, und anderenteils die Notwendigkeit, sich zur See gegen ihn zu rüsten. Besonders gefährdet sind auch die amerikanischen Philippinen, falls Japan im Jnselgebiet der Südsee bleibt. Sie werden dann auch vom Rücken her von japanischen Besitzungen eingeschlossen. Japans wirkliche Absichten scheinen aus den Bestrebungen einer während des Krieges in Tokio gegründeten Südseegesell­ schaft hervorzugehen, in deren Programm es heißt: „Die Ge­ sellschaft will in erster Linie die Allgemeinheit auf das gewaltige Gebiet aufmerksam machen, innerhalb dessen es seine Tätigkeit zu entfalten wünscht. Allein Java, Sumatra, Borneo, Celebes, die malaiische Halbinsel und die Philippinen haben eine Ober­ fläche von 2 500 000 Quadratmeilen. Und dieses unermeßliche und unerschöpfliche, mit Schätzen gefüllte Warenhaus wartet da­ rauf, ausgebeutet zu werden! Geographisch, historisch und kauf­ männisch sind die Südseeinseln mit den Interessen Japans eng verbunden, da hier schon ein gewaltiger Betrag japanischen Kapitals und japanischer Arbeitskraft angelegt ist. Die Gesell­ schaft will nun die Südseeinseln zum Gegenstand ihres Studiums machen, um ihre Entwicklung zu fördern und die Wohlfahrt der Bevölkerung, zugleich aber die Japans zu heben. Die Japaner NuS dem Fernen Osten.

3

wissen von diesen Südseeinseln viel weniger als die Europäer, obwohl deren Staaten viel weiter entfernt sind als Japan.

Japaner und Nicht-Japaner sollen der Südseegesellschaft beitreten, da sie nicht nur die Interessen Japans, sondern auch der ganzen

Menschheit zu beherzigen sucht." Die Niederlande werden die weiteren Bestrebungen dieser

Gesellschaft, die ihr Arbeitsgebiet außer auf die amerikanischen

Philippinen hauptsächlich auf die niederländischen Kolonien aus­ zudehnen beabsichtigt, scharf im Auge behalten müssen; denn es

ist nicht das erstemal, daß Japan seine politischen Ziele durch

eine derartige Gesellschaft zu verwirklichen sucht, die vom Staate unterstützt alle möglichen nicht kontrollierbaren Drittel anwenden

kann.

Übrigens sind die Niederlande zur Verteidigung ihres

Kolonialbesitzes entschlossen, wie vor allem die Erhöhung des indischen Budgets zum Zwecke des Baues von Kreuzern und

Unterseebooten beweist — eine Absicht, die in einem Defensiv­

bündnisse mit anderen Mächten eine weitere Gewähr der Durch­ führbarkeit haben würde.

Der Japan

niederländische

bedroht,

sondern

Kolonialbesitz je

nach

dem

ist

nicht

allein

Wechsel

der

von welt­

politischen Gesamtlage auch von anderen Mächten. Hierhin ge­ hört eine von amerikanischer Seite mitgeteilte, angeblich 1897

getroffene Abrede zwischen den Vereinigten Staaten, England und Frankreich des Inhaltes, daß gegebenenfalls die nieder­

ländischen Kolonien ohne weiteres von den Amerikanern be­ setzt werden sollen, um für die englisch-amerikanische Jnteressengemeinschaft die Verbindung zwischen Indien und Ostasien zu

sichern.

Noch einschneidender und weitgehend ist die ChinapolitikJapans im gegenwärtigen Kriege gewesen.

Im Januar 1915, reichlich zwei Monate nach der Einnahme

von Tsingtau, wo es sich inzwischen häuslich eingerichtet hatte,

stellte Japan eine Reihe von Forderungen an China, deren wesent­ licher Inhalt der folgende war: Japan soll in die Nachfolge

Deutschlands in der Provinz Schantung eingesetzt werden und

das Recht zu Eisenbahnbau, Hafenanlagen und Bergwerksbetrieb

in der Provinz Fukien erhalten.

Ferner umfangreiche neue

Rechte in der Südmandschurei uud Ostmongolei und Einfluß auf große Bergwerksgesellschaften. China soll sich verpflichten, keine

Häfen und Inseln an der Küste an eine fremde Macht abzu­ treten; ferner soll es den größeren Teil seiner Munition in

Japan kaufen und eine Reihe von Eingriffen in seine innere Ver­ waltung gestatten, die Japan es möglich machen, sich in alles einzumischen.

Schließlich wurden auch noch große Eisenbahn­

konzessionen verlangt, deren Bewilligung die Hauptlinien oder deren Anschlüsse japanisch machen sollte — ein gegen das eng­

lische Einflußgebiet im Yangtsetale gerichtetes Vorgehen.

Diese Forderungen erregten eine starke Entrüstung in Ruß­ land und England, den meistbetroffenen europäischen Ländern;

und nicht zuletzt waren die Chinesen aufs tiefste erregt, da sie darin mit Recht, einen Versuch erkannten, der Selbständigkeit

Chinas ein Ende zu machen. Aber Japan ließ sich dadurch nicht beeinflussen; es schränkte einige Forderungen ein, wußte aber den Kern durch Drohungen mit Waffengewalt und Überreichung eines Ultimatums durchzusetzen.

China wär im Augenblick außerstande, Japan irgendwelchen

Widerstand entgegenzusetzen. Das Land wird von einer in Ab­ stammung und Rassenmerkmalen verschiedenen Bevölkerung be­

wohnt. Starke Gegensätze zwischen Nord und Süd durchziehen von jeher die Geschichte Chinas und drücken auch der neuesten 3*

Zeit ihr Gepräge auf. Es hat sich in inneren Streitigkeiten, die

stets von Japan ans planmäßig geschürt wurden, verzehrt; die chinesische Revolution hat das Kaisertum beseitigt und die Re­ gierung des eisernen Juanschikai hat in der kurzen Zeit die auf Sicherheit des Landes auf militärischer Grundlage hinzielende Politik noch nicht genügend festigen können. Aber der Stein ist

im Rollen: Japans Vorgehen hat die chinesische Volksseele ge-

weckt. Es scheint den Chinesen klar zu werden, daß über das Trennende hinweg alles geschehen muß, um das Vaterland zu

erhalten.

Außer einem Boykott japanischer Waren, dem alten

Kampfmittel, ist ein Zeichen der Zeit der „Bund zur Errettung

des Vaterlandes", der ansehnliche Mittel für Heereszwecke sammelt,

die der Negierung zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Rettung für China ist der Militarismus, es muß eine

Flotte bauen und sein Heer reorganisieren, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ist geplant.

Hierbei muß man sich der

Hilfe und des Rates einer großen Militärmacht bedienen: Deutschland kommt an erster Stelle in Frage.

Aber für uns gilt es nicht nur, die militärischen Kräfte

Chinas zu entwickeln, sondern auch an seiner wirtschaftlichen Er­

schließung beteiligt zu sein und nicht zuletzt, nach deutscher Art Kulturpolitik zu treiben.

Der Handel mit China hat seit den Tagen, als wenige

große Häuser in den Haupthäfen eine herrschende Stellung ein­ nahmen, eine durchgreifende Veränderung erfahren. Die Kapital­

macht der chinesischen Handelshäuser hat zugenommen und es hat eine Sammlung der wirtschaftlichen Kräfte stattgefunden.

Auch der Übergang vom Wareneigenhandel zum Warenkom­ missionsgeschäft hat die Machtstellung des chinesischen Kauf­

mannes gestärkt. Dazu kommt, daß der fremde Kaufmann (wenig-

stens im Einfuhrgeschäft) im wesentlichen auf die großen Küsten­ plätze Hongkong und Schanghai beschränkt ist; das ganze Inland­

geschäft liegt in den Händen der Chinesen.

Das europäische

Handelshaus ist vielfach von einem seiner chinesischen Angestellten, dem sogenannten Komprador, abhängig geworden, der die Be­ ziehungen zur chinesischen Kundschaft pflegt, mangels Sprach­

kenntnis des Europäers die Verhandlungen führt und die Ab­ schlüsse macht, bei denen er meist mehr verdient als der Kauf­

mann, und wegen der überaus schwierigen Währungsverhältniffe

das Kassen- und Rechnungswesen leitet, auch die Haftung für den Eingang der Forderungen an die chinesischen Häuser und für die Tätigkeit des chinesischen Personals übernimmt. Es wird also not­ wendig sein, mehr Kaufleute hinauszusenden, die des Chinesischen

in Sprache und Schrift mächtig sind; erst dann besteht (einigennaßen geregelte Währungs- und politische Verhältnisse vorausgesetzt)

die Möglichkeit, auch im mehr und mehr sich öffnenden Inneren Chinas die Unabhängigkeit des deutschen Kaufmannes zu sichern.

Chinas Reichtum an Bodenschätzen ist ungeheuer. Allein in den drei Südprovinzen schätzt man die Kohlenvorkommen auf das Vielfache der bisher reichsten in Pennsylvanien; mächtige Lager

von Quarzit, Eisenerz, Kupfer, Blei, Zinn und Zink sind be­

kannt. Eine eigentliche Ausbeute hat kaum begonnen; es sind

erst einige geregelte Bergwerksunternehmungen im Betrieb. Dem entspricht die geringe Zahl der Eisen- und Stahlwerke, die teil­ weise unter deutscher Leitung arbeiten. — Dasselbe gilt für die

Textilindustrie, die sich bei dem Riesenbedarf Chinas auch selb­ ständig machen kann, wenn die vorhandene Möglichkeit des Baum­

wollanbaues weiter gefördert wird. Hand in Hand damit wird der Ausbau der Verkehrsmittel,

vor allem des Eisenbahnnetzes und der einzig in der Welt da-

stehenden Flußverbindungen gehen. Sie können in jeder Weise den Landeszwecken dienstbar gemacht werden, dem Personen- und Güterverkehr dienen und gleichzeitig als strategische Hilfsmittel

von Bedeutung sein.

China hat heute etwa 10000 Kilometer

Eisenbahnen auf einem Gebiete von 200 000 Quadratmeilen.

Wie wenig das ist, ergibt sich aus einer Vergleichsziffer: Deutsch­ land hat fast 60 000 Kilometer auf 9810 Quadratmeilen. — Noch

wichtiger ist der Ausbau der Flußverbindungen. China ist das

Land der großen Ströme, die ungeheuere, reichbevölkerte Ebenen durchfließen.

Die Stromverbefferung, Schleusen-, Kanal- und

andere Wasserbauten werden neben den Eisenbahnen berufen sein, die Stromsysteme vorteilhaft auszunutzen oder in Verbindung zu bringen.

Es wird hoffentlich möglich sein, eine Handelspolitik zu

treiben, die auf der Grundlage der Gleichberechtigung der Völker

und der Freiheit der Meere es ermöglicht, in den Grenzen weit­ reichender und doch maßvoller Konzessionen und Arbeitsgelegen­ heiten größere Erfolge für die deutsche Arbeit zu erzielen, deren

Vortrefflichkeit den Chinesen bekannt ist.

Hierbei werden auch

unsere Acker- und Forstwirte beteiligt sein; denn China ist über­

wiegend ein Agrarland. Daß wir gewillt sind, jene Kulturpolitik weiterzuführen,

deren Möglichkeiten wir in Tsingtau durch die Gründung von

Schulen und Hochschulen, durch die Gewährung ärztlicher Hilfe

in Krankenhäusern und auf ambulanten Stationen und auf noch

andere Weise vorgeführt haben, haben wir schon im Kriege durch die Tat bewiesen. Der Kulturfonds des Auswärtigen Amtes be­

willigt weiter die Mittel für die Ärzte bei den Missionen in

Peking und den Konsulaten in Tschunking und Schanghai. Die Deutsche Medizinschule in Schanghai erhält 50 000 Mark, nach-

dem die aus Tsingtau vertriebenen chinesischen Hörer der dortigen Deutsch-chinesischen Hochschule ihr Studium in Schanghai fort­

setzen. Aus demselben Grunde kommt auch ein Teil des früher

uach Tsingtau gegangenen Zuschusses der Medizinschule in Schang­ hai zugute.

Und schließlich ist auch ein namhafter Betrag zur

Unterstützung von deutschen technischen Schulen in China vor­

gesehen.

Diese Ansätze zum Ausbau eines deutsch-chinesischen

Schulwesens sollten in Zukunft besonders gepflegt werden, um dem Chinesen die westliche Kultur auch in deutschem Gewände vorzuführen, näher zu bringen und ihm zu zeigen, welch wert­

volle Hilfe er von ihr zu erwarten hat. China leidet unter einer schweren Schuldenlast, die es zum

Teile aus der Zeit des Kaiserreiches übernommen hat und die zum anderen Teile aus dem Kriege, den Aufständen und der Re­

volution herrührt.

Eine der Voraussetzungen einer gedeihlichen

Entwicklung ist deshalb, daß China geregelte Anleiheverhältniffe

erhält und mit der Zeit sich von dem Druck der Großmächte in seinem Zoll- und Steuersystem freimacht.

Es kann seinen Ver­

pflichtungen nicht untren werden, die sich aus der Verpfändung der Zölle ergeben; aber es muß sein Zollsystem so gestalten dürfen

wie es zu seinem eigenen Nutzen ist.

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Beide Hauptländer des Fernen Ostens, Japan und China, haben zweifellos eine große Zukunft.

Japan insbesondere hat in einem kurzen Zeitraume außer­ ordentliches geleistet und in beispiellos schneller und folgerichtiger

Entwicklung auf der Grundlage seiner historischen und geogra­

phischen Bedingungen den Weg aus der vollständiAen Abge­

schlossenheit zur aktiv an der Weltpolitik sich beteiligenden und

anerkannten Großmacht gefunden. Es hat den europäischen Krieg benutzt, unbekümmert um Einsprüche seiner Wettbewerber den

ihm vorgezeichneten Weg weiter zu schreiten und seinem höchsten Ziele, der Führung des Fernen Ostens, näher zu kommen. Große

Lasten bürdet diese Politik dem finanziell schwachen Lande auf; aber es wird an den geldlichen Schwierigkeiten nicht scheitern,

denn gerade seine neuen Erwerbungen- werden ihm helfen, durch­ zuhalten und auch den erweiterten Ansprüchen gerecht zu werden. Das Mutterland wäre auf die Dauer nicht reich genug gewesen,

dauernd die Lasten der starken Rüstung und der schnellen Ent­

wicklung mit ihren an allen Ecken erweiterten Ansprüchen zu tragen. Nun aber reiche Bodenschätze, fruchtbarer Boden, Sied­

lungsland und große Absatzgebiete für Handel und Industrie in

leicht erreichbarer und infolge der Beherrschung der Zufahrten beschützbarer Nähe zur Verfügung stehen, sind dem Ganzen neue Möglichkeiten gegeben, sie machen es unabhängiger als vordem

und werden ihm auch den notwendigen Kredit verschaffen, den

es bisher nicht in dem Maße wie China genoß. Ob mit, ob gegen England — ob mit, ob gegen die Vereinigten Staaten von Nordamerika — ob mit, ob gegen Ruß­ land : Japans Sonne ist im Aufsteigen. Wer wollte das leugnen oder verkennen? Japan ist eine Militärmacht ersten Ranges und

als solche fast unbezwingbar — es ist das einzige Volk, dessen

Land nie von einem Feinde betreten und das bisher nie geschlagen worden ist.

Es ist fest geschlossen in der Unterordnung aller

unter die Autorität des Staatsgedankens und der selbstverständ­ lichen Bereitwilligkeit zu großen Opfern an Gut und Blut. Vater­ ländische Pflichterfüllung auf der Grundlage eines unerschütter­

lichen monarchischen Gedankens ist Gemeingut aller. Ein solches Volk hat die Zukunft!

Tic Japaner haben viel von uns gelernt. Das Heer ist nach

deutschem Borbilde geschaffen, das ihm die Stellung der Groß­ macht erkämpfte; wir besetzten seine Lehrstühle mit deutschen

Gelehrten, die ihm die Errungenschaften deutschen Geistes ver­

mittelten und nahmen japanische Studenten auf deutschen Uni­ versitäten bereitwilligst auf; wir gaben der jungen japanischen

Industrie wertvolle Belehrung, Hilfskräfte und Hilfsmittel. Trotzdem hat Japan sich gegen uns gewendet. Indes: die

Zeit

wird

denn

in der

die

heutigen

Feinde

wieder

zusammenführen,

Politik muß man die Vorteile

und die Vorurteile unterdrücken.

„Ohne

gelten

lassen

sentimentale Rück­

blicke und romantische Ausblicke müssen wir die tatsächlichen Verhältnisse und Kraftmomente nüchtern erwägen.

In unserer

Ostasienpolitik dürfen wir nicht — wie die Franzosen jahrzehnte­ lang auf das Vogesenloch — nur auf das Loch im Lauschan starren, durch das die Japaner hereingebrochen sind," schrieb der frühere Gouverneur von Kiautschou, von Truppel, nach dem Falle

Tsingtaus.

Europa hat sich selbst zerfleischt und blutet aus tausend Wunden — Oftasien ist inzwischen im Besitze seiner Vollkraft zu

neuem Leben erwacht. Eine neue Zeit zieht für den Fernen Osten herauf, die Zeit der Selbstbestimmung und Freiheit von europä­ ischer Bevormundung. Nicht die „gelbe Gefahr" hat dort Europa aus dem Sattel gehoben, sondern die „weiße Gefahr" : die skrupel­

lose Politik Englands, die zur Erringung eines augenblicklichen kleinen Vorteils, der für die Hauptentscheidung ganz bedeutungs­

los ist, die europäischen Interessen opferte, ohne rechtzeitig zu be­ denken, daß es selbst den höchsten Preis zu zahlen haben wird.

„Asien den Asiaten," die Forderung des Panjapanismus, ist heute

kein leeres Wort mehr.

Der gegenwärtige Krieg bedeutet einen Wendepunkt in der

Weltgeschichte. Nicht nur um die Zukunft Europas wird gekämpft,

sondern um die Zukunstsaufgaben der europäischen Völker in der Welt. Dieser Krieg muß die Entscheidung bringen, ob der

deutscheGedanke des freien Wettbewerbs auf freien Meeren, der Grundsatz der Gleichberechtigung aller lebenskräftigen und

gesitteten Völker der Erde in frei gewählter Interessengemein­ schaft dm Sieg davon trägt — oder derenglischeGedanke selbstsüchtiger Vorherrschaft einer einzelnen See- und Weltvormacht

unter der Maske des „Schutzes der Schwachen". Die Wage neigt sich zugunsten der deutschm Auffassung: Die Zukunft wird dem

freim Wettbewerb lebmskräftiger Nationen gehören, statt der je nachdem demütigen, knirschendm oder klug berechneten Unter­ werfung unter den Willm einer einzelnen „Beherrscherin der

Meere". — Uni) schon aus diesem Grunde wird die versuchte Aus­ schließung Deutschlands aus dem Fernen Osten im Buche der Welt­

geschichte nicht mehr als eine kurze Episode bedeuten. — Einem

einigen und starken Deutschland kann niemand seinen Anteil und

seine Mitwirkung an der Weltgestaltung verwehren — weder in Europa noch im Femen Osten!---------

Deutsche Kriegsschristen 4. Hest iiiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiiHiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiimniiiii

Kontinentalpolitik Ein Zukunftsbild Don

einem rheinischen Großindustriellen preis 60 Pfennige Professor O. Kranke vom Hamburgischen Kolontallnstitui: „Das ungemein klare, vorsichtig abwägende Urteil des leider ungenannten, aber vorzüglich unter­ richteten Verfassers gibt der Schrift einen großen Wert für die Erfassung der politischen Weltlage und ihrer Umgestaltung durch den Krieg."

Eine Reihe von

Universitätsprofefforen und Handelskammern haben sich in Zuschriften an den

Verlag ebenfalls beifällig geäußert, z. B. daß es entsprechend den in ^Kontinental­

politik" gegebenen Anregungen „notwendig sei, unsere Wirtschaftspolitik vorzube­ reiten, und daß es deshalb zu begrüßen sei, daß die Erörterung über die Schaffung

eines wirtschaftlichen Kontinentalbundes in so vortrefflicher Weise eingeleitet wurde, wie bas durch die in Rede stehende Schrift geschehen ist", oder: „Oie Richtigkeit

und Zweckmäßigkeit, ja Notwendigkeit des genannten Zieles wird durch den Ver­ such der wirtschaftlichen Erdrosselung Deutschlands durch England bewiesen,- die Schlußforderungen - ein auf einheitlichen Richtlinien einer starken und bewußten

Kontinentalpolitik aufgebautes System von Kontinentalzollverträgen unter Zurück-

drängung der englischen Vorherrschaft - deckt sich durchaus mit unseren An­ schauungen, die wir in den Beratungen über die zukünftige Wirffchastspolitik nach­

drücklich vertreten werden." — Ein Schweizer Blatt schreibt: „Es gilt die Vorbe­

reitung eines Systems von Zollverträgen der Kontinentalmächte untereinander, schon ins Auge gefaßt für die kommenden Friedensverhandlungen. Das Festland

muß sich zusammenschließen und möglichst produktiv gestalten. 3n dieser Richtung behen die Zukunftsvorstellungen dieses Deutschen, deren symptomatischen Inhalt

man Beachtung gewähren wird." Usw.

A.Marrus & E.WebersDerlag (vr.jur. Albert Ahn) in Sonn

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Deutsche Kriegsfchriften j

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1. Heft:

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Warum Haffen uns die Völker? LLALW» j i r t 111111 r 11111) 111M111 r 111111 ? 111111111111111111111111 , i' i < r 111111111 ’: 11111111 ii ii 111111111 r 11111111111 )111 m 11111111) 11 ■ 11 ii 11111111111111ii 1111111111111111111 > 111

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Geld und Kredit im Kriege.

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2. Htst:

3. Sest:

Don der Neutralität Belgiens.

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preis drosch. 2 M. 40 pfg., geb. 3 M. 20 psg.

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4.Sest: | ein Jukunstsbild. Don einem rheinischen Z Großindustriellen. Preis 60 psg. V

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Hest-

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Dom Krieg und vom deutschen Bildungsideal. | Don Prof. Dr. G. Küster in Bonn. Preis 60 psg.

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6. Heft:

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Oer Ginn deutschen Kolonialbesitzes. äpÄ I seid in Halle. Preis so psg.

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T. Sest:

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Charakter und Politik desIapaners.^LKA! I preis 80 psg.

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8. H«st:

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Kriegsbriefe einer Frau.

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9. Heft:

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Deutschland undFrankreich. UL »L'ÄWL 5 11111111111111111111111111111111111111U< 11111111111! 111111111111111111 >11111II111111111II11111111; 1111 U1111 < IIJ111111111111111111111 Ml1111111■ 11111111111111II1111111

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40. Sest:

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Dolk oder Staat? 3”n| iiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiimiiiiüiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimimiiimiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiiüHiiiiiiiiimiiiiiiiiüimiiiiiiiiiE

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11. Hest:

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I Zur Charakterisierung der Engländer.

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In Kkln. Preis 11R.40 pfg.

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13. Hest:

| England and Ägypten. S£r’®?2opfl I E

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14. S«fl:

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I Oer Wirffchastskneg. —

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13. Hest:

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I v.Tirpitz und das deutsche Seekriegsrecht |

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Don

Dr. Hans Wehberg in Düsseldorf. Preis 80 pfg.

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16.H«st:

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preis 1M. 40 pfg.

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1Z. Heft:

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| Oer Wehrbeitrag der deutschen Frau.

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Dr. Groijahn in Derlln. Preis 60 pfg.

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18. Heft:

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| Frauen und Weltpolitik. $on L =

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