Der Peterspfennig in Polen und dem deutschen Osten [Reprint 2021 ed.] 9783112491546, 9783112491539

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Der Peterspfennig in Polen und dem deutschen Osten [Reprint 2021 ed.]
 9783112491546, 9783112491539

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DER

PETERSPFENNIG IN POLEN UND

DEM DEUTSCHEN OSTEN VON

ERICH MASCHKE

H 1

9

3

L E I P Z I G / J.C. H I N R I C H S ' S C H E

3 BUCHHANDLUNG

KÖNIGSBERGER HISTORISCHE

FORSCHUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON FRIEDRICH BAETHGEN u. HANS ROTHFELS

BAND 5

PRINTED IN GERMANY D r u c k r o n W i l h e l m H o p p e , Boradorf-Leipzig

VORWORT Der Kern dieser Arbeit hat der Philosophischen Fakultät der Albertus-Universität als Habilitationsschrift vorgelegen. Sie ist seitdem in mehrjähriger, mehrfach unfreiwillig unterbrochener Arbeit erweitert und ausgebaut worden. Damit ist auch der Kreis derer, denen ich für Rat und Unterstützung zu danken habe, weiter gewachsen. Ich darf meinen Dank zunächst abstatten den Herren Direktoren und Beamten der Staatsarchive Königsberg, Danzig, Breslau, Stettin, des Stadtarchivs Breslau, des Diözesan-Archivs Breslau, des Vatikanischen Archivs zu Rom, des Hauptarchivs zu Warschau, des Staatsarchivs zu Posen, der Jagiellonischen Bibliothek und der Czartoryski'schen Bibliothek zu Krakau, die mir mit ungedrucktem Material und Literatur zur Verfügung standen, sowie den Staatsbibliotheken Königsberg und Breslau, der Staatsbibliothek Posen, dem Kirchenrechtlichen Seminar in Posen, die mir namentlich bei der Beschaffung der polnischen Literatur behilflich waren. Ferner bin ich den Herren Prof. Baethgen und Rothfels für die Aufnahme der Arbeit in die „Königsberger Historischen Forschungen" und dem Königsberger Universitätsbund für einen Druckkostenzuschuß zu besonderem Danke verpflichtet. An dieser Stelle meinem Lehrer Prof. Erich Caspar zu danken, dem die Arbeit über den Peterspfennig als Habilitationsschrift vorlag, ist mir Herzenspflicht. Mein Dank erreicht nicht mehr Prof. Emil Göller, der mir die Veröffentlichung des von ihm aufgefundenen Kollektorenberichtes von 1448 freundlich gestattete. Nur an einer Stelle habe ich keine Unterstützung gefunden: der Direktor des Diözesan-Archivs Posen lehnte es ab, mir durch einen polnischen Herrn Abschrift von mehreren den Peterspfennig betreffenden Urkunden aus dem Ende des 15. Jahrhunderts anfertigen zu lassen. K ö n i g s b e r g , im Oktober 1933.

E r i c h Maschke. III

Inhalt Seite

Vorwort

III

I. Das Z i n s v e r h ä l t n i s P o l e n s zur K u r i e bis zum A n f a n g des 14. J a h r h u n d e r t s A. Die Schenkung Polens und die Anfänge der Zinspflicht B. Der polnische Peterspfennig in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts C. Die subiectio und der Peterspfennig bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts

II. Der P e t e r s p f e n n i g im 14. J a h r h u n d e r t

1—92 1 47 61

93—253

A. Der Ausbruch des Kampfes 93 B. Der Streit um den Peterspfennig seit dem Ausbruch des Kampfes zwischen Kaiser und Papst 1323 . . . . 146 C. Die Erhebung des Peterspfennigs bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 235

III. Der P e t e r s p f e n n i g i m 15. und 16. Jahrhundert 254—303 Exkurse

304—318

I. Die Schenkung des Dagone iudex II. Zur Radizierung des Peterspfennigs a. England S. 314 — b. Polen S. 316

Anhang:

Urkunden

und

Akten

304 314

319—350

Corrigenda

350

Register

351

IV

I.

Das Zinsverhältnis Polens zur Kurie bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts A. Die Schenkung Polens und die Anfänge Zinspflicht

der

Die Geschichte des Peterspfennigs1 gehört nur zum kleineren Teil in die Geschichte der Nationen, auch wenn sie sich überwiegend in ihren Lebensräumen abspielte. Sie ist ein Stück allgemeiner Wirtschaftshistorie. Sie ist vor allem ein Stück aus der Geschichte des Papsttums in seiner Auseinandersetzung mit mehreren Staaten des mittelalterlichen Abendlandes. Da im Sinne dieser Auseinandersetzung die päpstliche Steuer auch Ausdruck bestimmter innerstaatlicher Vorgänge wurde, durfte der Peterspfennig in Skandinavien2 oder in 1 Eine kurze, wenig befriedigende Zusammenfassung gibt Camille Daux, Le denier de Saint Pierre, ses origines, ses raisons et convenanees, ses modifications (Paris 1907); vgl. ferner Paul P a b r e , Étude sur le Liber Censuum de l'ÉgliseRomaine (Paris 1892), 116—148; G o t t l o b , Aus der Camera apostolica des 15. Jahrhunderts (Innsbruck 1889), 214—220; Mattia Moresco, Il patrimonio di San Pietro (Torino 1916). Die alten Arbeiten von Gar ampi, (der aus seiner polnischen Nuntiatur auch für die Geschichte dieses Landes ein besonderes Interesse hatte, und dessen Zettelkatalog ein unentbehrlicher Wegweiser im Vatikanischen Archiv ist) Il danaro di S. Pietro, Dissertazione recitata a dì 11 maggio 1750, L'anno del Giubileo in: Il Papato, ed. Tripepi, I (Roma 1875) 484—518, und von Cancellieri, La visita de sacri limini ed il danaro di S. Pietro, in: Giornale arcadico X (1821) verdienen noch immer Beachtung. 2 An skandinavischen Spezialarbeiten seien genannt: O. Montelius, Sveriges skattskyldighet under Rom, in: Svensk Tidskrift (Stockholm 1870), 198—221; P. O. von Törne, Om Finlands skattskyldighet tili pàfvedomet under medeltiden, in: Historiallinen Arkisto X X I I , 11:8 1

KBntgsb. bist. Fonch. 5

1

I. Das Zinsverhältnis Polens zur Kurie

England1 seine monographische Darstellung finden. So hat auch die moderne polnische Geschichtsschreibung die Entwicklung des kurialen Zinses in ihrem Lande gesondert betrachtet2. (Helsingfors 1911) 1—110; Yngve B r i l i o t h , Den pâfliga beskattningen af Sverige (Diss., Uppsala 1915) 3—46; dort auch weitere Literatur. Den Hinweis auf diese Arbeiten verdanke ich Herrn Dr. D o n n e r , Helsingfors. Ebenso bin ich Herrn Professor v. T ö r n e für die liebenswürdige Übersendung seiner Abhandlung zu Dank verpflichtet. 1 O. J e n s e n , Der englische Peterspfennig und die Lehnssteuer aus England und Irland an den Papststuhl im Mittelalter. Diss. Rostock (Heidelberg 1903) und ders., The "Denarius Sancti Petri" in England, in: Transactions of the Royal Historical Society, New Sériés XV (London 1901), 171—247 und XIX (1905), 209—277, dazu noch unten, S.27Anm.2. Étienne M a r t i n , Histoire financière et économique de L'Angleterre 1066—1902, I (Paris 1902) enthält nichts für unseren Zweck. 2 Die älteren Arbeiten von T. t i p i riski, Nieco o Swiçtopietrzu w Polsce [Einiges über den Peterspfennig in Polen] Bibl. Warszawska Bd. 1 (Warszawa 1847) und T. W i e r z b o w s k i , O placonym przez Polskq denarze éw. Piotra [der durch Polen gezahlte P.], in: Klosy 39 (1881) wurden durch zwei fast gleichzeitig erscheinende Arbeiten völlig überholt: TadeuszGromnicki, éwiçtopietrze w Polsce [Der Peterspfennig in Polen] (Kraköw 1908) und Jan P t a é n i k , Denar éw. Piotra obroàc% jednoéci politycznej i koécielnej w Polsce [Der Peterspfennig als Hüter der politischen und kirchlichen Einheit in Polen], in: R. A. U. 51 = S. II26 (Kraköw 1908). Die Arbeit des ersteren wurde ausführlich von Ptafänik besprochen im Przegl^d powszechny [Allgemeine Rundschau] 102 (1909), 449—456. H. F. Schmid, Die rechtlichen Grundlagen der Pfarrorganisation auf westslavischem Boden und ihre Entwicklung während des Mittelalters, in: Z. Sav. 48 K. A. 17 (1928), 340 f. gibt eine knappe Definition im Anschluß an G r o m n i c k i . Während ders. in der Besprechung von P f i t z n e r s , unten S. 49 genanntem Buch in der Z. Gesch. Schles. 63 (1929), 369 das Buch von G r o m n i c k i als grundlegend bezeichnet, teilte mir Herr Prof. Semkowicz-Krakau mit, daß es in der polnischen Wissenschaft als überholt durch P t a é n i k gelte. In der Tat stützt sich die neue Literatur ganz überwiegend auf den letzten. Eine Gesamtwürdigung von P t a é n i k s , hier vielfach zitierten Arbeiten zur Geschichte der polnisch-päpstlichen Beziehungen von Z. W o j c i e c h o w s k i in: Kw. h. 44 (1930), LXXIVff. Ptaéniks Abhandlung wurde einer grundsätzlich wichtigen Besprechung durch Maryan W. L o d y A s k i im Kw. h. 24 (1910) 255—270 unterzogen, auf die P t a é n i k , Dagome iudex, przyczynek krytyczny do genezy éwiçtopietrza w Polsce [Dagome iudex, kritischer Beitrag zur Entstehung des Peterspfennigs in Polen] (Kraköw 1911) erwiderte. Lodyiiski, Uzaleznienie Polski od papiestwa a kanonizacja éw. Stanislawa [Die Abhängigkeit Polens vom Papsttum und die Kanonisation des hl. Stanislaus], in: Prace towarzystwa naukowego Warszawskiego [Arbeiten der War-

2

A. Die Schenkung Polens und die Anfänge der Zinspflicht

Anders als in England oder in Skandinavien, traf die päpstliche Zinsforderung in Polen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts auf eine national differenzierte und bald tief gegensätzliche Bevölkerung. Die einfache, im Ganzen gradlinige Beziehung zwischen der Kurie und dem abhängigen, steuerpflichtigen Staat wurde in Polen kompliziert und mehrdimensional durch das Einströmen der Deutschen in die westlichen Landschaften Polens. Die Forderung der Kurie traf seit dem Beginn der ostdeutschen Kolonisation in Polen auf einen zweiten, an sich von ihrer Politik unabhängigen Prozeß, den der Auseinandersetzung von Deutschen und Polen. In diesen Vorgang mußten die Päpste eingreifen, ihn intensivierten sie, indem sie nur an der gewohnten Linie der kurialen Finanzpolitik festhielten. Zugleich aber wurde diese Linie selbst unter den Rückwirkungen der deutsch-polnischen Gegensätze verwirrt und erfuhr die päpstliche Politik Abwandlungen, die eine Brechung kurialer Tendenzen im Lichte der deutsch-polnischen Auseinandersetzung darstellen. schauer Gel. Ges.] Wydzial [Abt.] II Nr. 16 (Warszawa 1918) hat dann die Ansichten, die er in der oben genannten Rezension darlegte, weiter ausgebaut. Vgl. S. 305 Anm. 2. Da das Material, das Ptaönik benutzt hat, inzwischen von ihm selbst in den A c t a C a m e r a l i a veröffentlicht worden ist, er aber ungedruckte Quellen anderer Art nicht benutzt hat, kann die vorliegende Arbeit auch dem Stoff nach einiges mehr geben. Dagegen ist sie zeitlich soweit gefaßt wie die Schrift von Gromnicki, zu dessen Material hier gleichfalls einiges Neue beigebracht wird. Die Arbeit G r o m n i c k i s ist weniger chronologisch als systematisch angelegt und widmet daher den Namen, der Erhebungsart und -zeit, der Rechnungslegung, dem Wert des Denars, der polnischen Kollektorie usw. besondere Abschnitte. Die Abhandlung PtaSniks dagegen, deren Schwergewicht in der Darstellung des 14. Jahrhunderts liegt, suchte besonders den p o l i t i s c h e n Ablauf zu erfassen. Durch seinen Standpunkt als polnischer Historiker gewissermaßen im Innern des Umkreises der Kämpfe um den Peterspfennig stehend, sah er ihren politischen Zusammenhang sehr viel klarer als etwa die deutsche Geschichtsschreibung. Andererseits aber interpretierte er, wie der Titel seiner Darstellung deutlich zeigt, den historischen Gegenstand aus dem viel zu engen Zusammenhang einer bestimmten nationalpolitischen Position und verbaute sich dadurch das erschöpfende Verständnis eines Themas, das eben in die allgemeine Kirchenund Finanzgeschichte gehört; vgl. zu diesem Punkte die treffende Kritik von L o d y i l s k i in: Kw.h.24,268ff., wogegen P t a i n i k , Dagome iudex 51ff. 1

3

I. Das Zinsverhältnis Polens zur Kurie

Hiermit aber lenkt das Thema in die Geschichte des Papsttums und seiner Finanzpolitik zurück. Indem seine Absichten in einen national beweglichen und differenzierten Baum trafen, entstand ein einzigartiges, in sich einheitliches historisches Phänomen. Es gehört zunächst weder der polnischen noch der ostdeutsch-landschaftlichen Geschichte an, sondern ist ein Teil der allgemeinen Geschichte. Daß es in sich eine geschlossene geschichtliche Erscheinung darstellt, rechtfertigt die folgende Darstellung: sie muß zwar mit den Anfängen der Christianisierung Polens beginnen und tief im 16. Jahrhundert enden, ihr Schwergewicht liegt aber doch in der Schilderung der Ereignisse, welche im 13. und 14. Jahrhundert das Auftreffen der päpstlichen Finanzpolitik auf die ostdeutsche Kolonisation zu einem Thema von eigener Gültigkeit und ganz eigenem Reiz werden ließen. In dieser Auffassung vor allem unterscheidet sich die vorliegende Arbeit von den polnischen Darstellungen einer Geschichte des Peterspfennigs in Polen, die ihr zu Unrecht mehrfach eine primäre nationalpolitische Funktion zuwiesen, Paul F a b r e , La Pologne et le Saint-Siège du X e au X I I I e siècle, in: Études d'histoire du moyen âge dédiées à Gabriel M o n o d (Paris 1896) 163—176, aus dem G r o m n i c k i nach einem Worte todyriskis im Kw. h. 24, 263 Anm. 5 „mit vollen Händen geschöpft h a t " , schließt in den Grundanschauungen an das oben S. 1 genannte Werk des gleichen Verfassers an. Vgl. auch die Literaturübersicht bei Gromnicki a. a. O. 209 ff. Endlich sind hier noch zu nennen, Stanislaw K u t r z e b a , Historja ustroju polski w zarysie [Geschichte der polnischen Verfassung im Abriß] I ('Kraköw 1931) 3 5 f f . ; Wladyslaw A b r a h a m , Organizacya kosciola w Polsce do polowy wieku X I I . [Die Organisation der Kirche in Polen bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts] (2 We Lwowie 1893), 186—198, ein Werk, das in vielen Einzelheiten heute naturgemäß überholt, im Ganzen aber noch immer grundlegend ist; vgl. dazu die treffenden Worte des Lobes bei H. F. S c h m i d a. a. O. 266 und d e m s . in: Z. Sav. 46, K. A. 15 (1926), 537 ff. E. M a y e r , Die Abgabe des Peterspfennigs in Polen während des Mittelalters, in: Aus dem Ostlande 13 (1918), 170—178 ist unselbständig. Zuletzt hat Tadeusz L a d e n b e r g e r , Zaludnienie Polski na poczqtku panowania Kazimierza Wielkiego, in: Badania z dziejöw spofecznych i gospodarczych pod redakcjft Prof. B u j a k a Nr. 9 (Lw6w 1930) [Die Bevölkerung Polens zu Beginn der Herrschaft Kasimirs des Großen, in: Forschungen zur Sozial.- und Wirtschaftsgesch. unter der Red. von Prof. Bujak Nr. 9] unser Thema unter besonderer Berücksichtigung der bevölkerungsstatistischen Fragen monographisch behandelt.

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A. Die Schenkung Polens und die Anfänge der Zinspflicht

wie von den provinzialgeschichtlichen deutschen Arbeiten, die sich aus der Geschichte der einen oder anderen ostdeutschen Landschaft unserem Thema näherten1. Wenn der lebendige Ablauf der Geschichte eine Einheit bildet, in der jeder Teil nur ein Ausdruck des Ganzen ist, dann gewinnt auch das Einzelne Farbe und spricht aus verwandtem Geist von dem Ganzen, das ihm Gesetz und Gesicht gibt. Daher hat es Sinn, auch in der Geschichte der Wirtschaft die großen Zusammenhänge des allgemeinen Geschehens zu suchen, und es wird um so sinnvoller, je größer und bedeutender die Träger dieser Wirtschaft im Leben standen. Für wenige Institutionen unserer abendländischen Geschichte ist die finanzielle Entwicklung so sehr ein Merkmal und Ausdruck des allgemeinen Geschehens geworden, wie für das Papsttum. Der Wandel der Ideen, die es beherrschten, und das Steigen und Sinken seiner realen Macht lassen sich ablesen an der Geschichte seiner Finanzen2. Mit der politischen Geschichte des Papsttums aber sind die Steuern am engsten verbunden, die selbst politischen Charakter besaßen und die Abhängigkeit derer ausdrückten, die sie zu zahlen hatten. Der Zins, der in 1 In der deutschen Literatur hat man sich damit begnügt, die Geschichte des Peterspfennigs in Polen nur da zu beachten, wo sie in die Geschichte irgendeines ostdeutschen Gebietes verflochten ist. Aber auch dann ist sie stets nur in der Lokalliteratur behandelt worden, ohne daß man den Zusammenhang des Ganzen sah. So erwähnen die verschiedenen Arbeiten, die den Kampf um den Peterspfennig in Schlesien oder dem Ordensland Preußen oder in Kammin behandeln, nur gelegentlich, daß ganz ähnliche Vorgänge sich gleichzeitig auch in den anderen Gebieten abspielten. A. H a u c k , Kirchengeschichte Deutschlands V, 2 (Leipzig 1920), 587 ff. zählt die wichtigsten Ereignisse im ganzen deutschen Osten auf, die den Peterspfennig betreffen, ohne sie innerlich zu verbinden. Zu den Einzelarbeiten vgl. unten S. 103 und 109. 2 An dieser Stelle eine Aufzählung der Arbeiten von Woker, G o t t lob, Göller, S c h ä f e r , Hennig, Kirsch, König, S a m a r a t - M o l l a t , L u n t und anderen zur päpstlichen Finanzgeschichte zu geben, dürfte sich erübrigen. Verwiesen sei auf die Skizze derselben bei G. Mollat, Les papes d'Avignon (1305—1378), 5 Paris 1924, 362 ff. und ihre übersichtliche Periodisierung bei C. B a u e r , Die Epochen der Papstfinanz, H. Z. 138 (1928), 457—503. — Luigi Nina, Le finanze pontificie nel Medioevo I (Milano 1929) ist durchaus unselbständig. D e s s e l b e n Verfassers Arbeit Le finanze pontificie sotto demente XI. (Milano 1928) kommt zeitlich für unser Thema nicht mehr in Frage.

5

I. Das Zinsverhältnis Polens zur Kurie

verschiedenen europäischen Ländern unter dem Namen des P e t e r s p f e n n i g s Jahrhunderte hindurch gezahlt wurde, zeigt in diesen Ländern verwandte Merkmale, soweit es sich um die finanztechnische Entwicklung und die großen Züge der kurialen Politik handelt. Er differenziert sich in Beginn und Ende der Steuer und in den einzelnen aktuellen und grundsätzlichen Problemen, die sich jeweils aus ihm ergaben. Am einfachsten verlief die Entwicklung in Skandinavien. Im englischen Inselreich wurde sie durch das Streben nach Unabhängigkeit beherrscht, das mit Wilhelm dem Eroberer einsetzte. In Polen aber wurden die Probleme des päpstlichen Zinses tief in die lokalen Konflikte des europäischen Ostens verstrickt. Dennoch wird die Entwicklung der Steuer nur aus den Wandlungen des P a p s t t u m s verständlich: erst dieser Aspekt gibt den Kämpfen um den Peterspfennig in Polen und dem deutschen Osten ihren inneren und äußeren Zusammenhang. Während die Annahme des Christentums1 durch Miseko von Polen 2 den Eintritt dieses Landes in die Zusammenhänge 1 Neben dem auf S. 4 genannten Werk von A b r a h a m sei hier auf folgende Arbeiten zur polnischen Kirchengeschichte verwiesen: Christian G. v. Friese, Kirchengeschichte des Königreichs Polen, 3 Bde. (Breslau 1786); Kamil K a n t a k , Dzieje kosciola polskiego I: Wiek X. XI. XII., poozqtki metropolii polskiej [Gesch. der pol. Kirche I: 10., 11., 12. Jahrhundert, Anfänge der polnischen Metropole] (Danzig und Posen 1912), und I I : Wiek XIII. XIV., kosciöl ostojq, paristwa [13., 14. Jahrhundert, Die Kirche als Hort des Staates] (Danzig 1914); A. Kozioki, Dzieje kosciola Polskiego w zarysie, Cz§ä

241

II. Der Peterspfennig im 14. Jahrhundert

Quittungen erhalten, die Bischof Przeslaus von Breslau dem Archidiakon von Glogau ausstellte, wie sie gewiß auch jeder der anderen Archidiakone bei der Einzahlung des Peterspfennigs erhielt. Hier aber differieren die Zahlen in der Quittung des Bischofs und der des Legaten. Während die Angaben auf den Pfennig genau übereinstimmten, die Arnald von Lacaucina dem Bischof im Jahre 1358 bestätigte und seiner Abrechnung mit der Kammer beifügte, erhält hier der Kollektor weniger vom Bischof, als diesem aus dem Archidiakonat Glogau zugeflossen war1. Offenbar zog sich der Bischof seine Auslagen stillschweigend ab. Daher traten sie in den Quittungen für den Bischof gar nicht hervor, während die Kollektoren in ihren Abrechnungen auch ihre Auslagen genau aufzuführen hatten. Selbstverständlich konnten auch hier Irrtümer oder absichtliche Korrekturen bei unzuverlässigen Kollektoren vorkommen. Aber die Berechtigung des Bischofs, sich eine kleine Differenz stillschweigend einzubehalten, drängte doch vielmehr dazu, diese Summe nach und nach zum Schaden der päpstlichen Kammer wachsen zu lassen. Dieses Einbehalten eines Anteils der eingezahlten Gelder war wohl eine der Wurzeln für die Fixierung der Endsumme aus einzelnen Bistümern. Das Geld, das aus der tatsächlichen Steuererhebung dann darüber hinausging, behielt der Bischof, wie es in England schon sehr früh Brauch geworden war2. So erleichterten sich die Finanzbeamten der Kurie durch einen gewohnheitsrechtlichen Teilverzicht die Arbeit. Es blieben genug anderer Schwierigkeiten für sie zu überwinden, auch nachdem die grundsätzlichen Kämpfe um den Zins beigelegt waren. Gelder, die sich der Herzog von Brieg während der Streitigkeiten in Schlesien einbehalten hatte, wurden noch nach 1360 abbezahlt3. Die ganze Geschichte des Peters1 Der Kollektor erhält aus dem Archidiakonat Glogau für das Jahr 1364 (Anhang nr. 8): quadraginta marchas et viginti unum scotos; dagegen quittiert der Bischof von Breslau dem Archidiakon (Anhang nr. 9): quadraginta tres marcas cum tribus fertonibus. Im Jahre 1367 lauten die beiden Zahlen (Anhang nr. 12): X L I I I marcas cum dimidia — und (Anhang nr. 11): quadraginta tres marcas cum dimidia, so daß hier allerdings der Bischof die ganze Summe ohne Abzug oder Änderung weitergegeben hat. 2 Vgl. oben S. 239 Anm. 1 mit der dort genannten Literatur. 3 P t a ö n i k , Acta Cam. I I 461 nr. 277.

242

C. Die Erhebung des Peterspfennigs bis zum Ende des 14. Jahrhunderts

pfennigs ist ja begleitet von den Nöten, die die Kollektoren persönlich bei ihrer Arbeit trafen. Es ist kein Wunder, wenn etwa in einem Testament einem Subkollektor ein Legat ausgesetzt wurde, „weil er große Gefahren und schwere Mühen ertrug beim Geldtransport und Umwechseln des Peterspfennigs in Gold"1. Ähnlich bemühte sich der Bischof von Breslau, dem Subkollektor, den er in den Archidiakonaten der Diözese zur Einsammlung des Peterspfennigs umherschickte, eine Präbende zu verschaffen2, wie auch anderen eine Pfründe die Mühe ihrer Kollektorentätigkeit lohnen sollte3. Während diese Verhältnisse lange gültig blieben, führte eine andere Entwicklung dazu, den Kreis derer, die tatsächlich den Zins entrichteten, einzuschränken. Zunächst suchte Kasimir der Große die Entwicklung zurückzudrehen, die der Zins seit dem Krönungsjahre seines Vaters genommen hatte. Er hatte, wie aus der Antwort Benedikts XII. vom 12. Dezember 1336 hervorgeht4, bei der Kurie feststellen lassen wollen, daß der Peterspfennig nicht vom Haupt der Bewohner, sondern von den Wohnstätten der Einwohner erhoben werde. Aus den Registern konnte der Papst dagegen nachweisen lassen, daß die Steuer als Kopfzins gezahlt werden müsse, und lehnte eine Änderung der Zahlungsquote ab. Ebenso mißlang der in seinen Konsequenzen noch weitergehende Versuch des polnischen Königs, eine ganze Bevölkerungsgruppe aus dem Kreise der Zahlungspflichtigen auszuscheiden. Danach sollten 1 E b e n d a I 79 nr. 96 von 1324 Okt. 12: qui sustinuit magna pericula et graves labores in portando pecuniam et cambiando pro auro denarium s. Petri. 2 P t a é n i k , Anal. Vat. 428 nr. 457. 3 E b e n d a 408 nr. 431, 422 nr. 448. Vgl. G r o m n i o k i 101. 4 T h e i n e r , Mon. Hung. (s. S. 90 Anm. 4) I 610 nr. 910: Preterea super eo, quod dicebatur, habitatores et Íncolas ßegni . . . teneri . . . non per capita personarum, sed pro singulis domiciliis habitatorum et incolarum ipsorum; adiiciebaturque illos habitatores et Íncolas, qui commorantur in civitatibus vel opidis clausis et muratis esse a solutione census huiusmodi liberos et immunes: Nos . . . perquirí Regestra ipsius ecclesie fecimus diligenter, et quia reperitur in eis, omnes eiusdem Regni personas, non exclusis neo exceptis illis, qui degunt in eisdem clausis seu muratis Civitatibus et opidis, ad solutionem dicti census non per domicilia, sed per capita personarum ipsarum teneri aliud . . . . immutare non possumus. 16*

243

II. Der Peterspfennig im 14. Jahrhundert

alle Einwohner, die in geschlossenen und ummauerten Städten weilten, von der Zahlung des Zinses frei sein1. Es ging im Grunde um das gleiche Problem, das die Kämpfe in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erfüllt hatte, wenn auch abstrahiert vom Gegensatz der beiden Völker. Zum Unterschied von seinem Vater, hat Kasimir die deutschrechtliche städtische Kolonisation eifrig gefördert2. Sie umfaßte bekanntlich nicht nur die Ansiedlung deutscher Kolonisten, sodaß die Bitte des Königs sich auf deutsche wie auf polnische Bürger erstrecken konnte. Entscheidend ist, daß eben die neue, dem polnischen Recht fremde Form der deutschrechtlichen Stadt mit ihren besonderen Freiheiten auch den polnischen Peterspfennig auszuschließen und auf das offene Land zu beschränken schien3. Die Quellen aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zeigen, daß der Papst im Recht war, wenn er ohne Rücksicht auf die strukturellen Wandlungen der Bevölkerung Polens die Zahlung von allen Einwohnern des Landes forderte. Wie die Kollektorenregister des 16. Jahrhunderts beweisen, ist der Peterspfennig denn auch in den Städten regelmäßig entrichtet worden4. Dagegen hatten sich um die Mitte des Jahrhunderts bereits zwei andere Bevölkerungsgruppen der Zahlungspflicht entzogen: Klerus und Adel. Wenn der päpstliche Generalkollektor bei der Neuordnung der Steuer im Fürstentum Schweidnitz (1352) bestimmt hatte, daß er von der Bevölkerung preter clerum et nobiles gezahlt werden solle5, so hatten gewiß auch in dieser Beziehung die polnischen Verhältnisse als Vorbild gedient. Für den Klerus, dessen gelegentlicher Versuch, die regelmäßige Zahlung gegenüber dem Fürsten abzulösen, noch im Anfang des 13. Jahrhunderts vom Papste verhindert worden war®, erfolgte diese Befreiung wohl nach 1 Vgl. die vorhergehende Anm. 2 Jan D%browski in: Dzieje Polski äredn. I I 145 f.; Oskar Hal e c k i in Hist. pol. Polski (E. P. V, 1) 1395 ff. 3 G r o m n i c k i 54 ff. und mehrfach. 4 So in den unten S. 294 f. beschriebenen Abrechnungen; vgl. unten Anhang 21 b und die Tabellen bei G r o m n i c k i 310 ff. 5 W o r b s a. a. 0 . (s. S. 109), 146 und oben S. 224 n. 1. 8 Vgl. oben S. 52.

244

C. Die Erhebung des Peterspfennigs bis zum Ende des 14. Jahrhunderts

dem Prinzip: clericus clericum non decimat 1 . Für den Adel aber lag sie im Zuge der allgemeinen Entwicklung, in der er sich gerade zur Zeit Kasimirs des Großen eine weitgehende Steuerimmunität errang 2 . Daß diese Befreiung nicht eigentlich festgelegt, sondern nur gewohnheitsrechtlicher Natur war, zeigt eine Anweisung des päpstlichen Kämmerers an den Kollektor in Polen vom Jahre 1364, nach welcher ein polnischer Gesandter ausdrücklich auf die Sonderstellung des Adels hingewiesen hatte, und Arnald von Lacaucina diese berücksichtigen sollte, wenn ihr nicht andere Bestimmungen widersprachen3. Die Entwicklung ist also offensichtlich noch nicht abgeschlossen. Aber sie drängte doch darauf hin, sowohl die Städte wie Adel und Klerus von der Zahlung auszunehmen. Dann blieben schließlich nur noch die unfreien Bauern als Steuerpflichtige übrig; von hier aus ist zu verstehen, daß im 15. Jahrhundert der Zins mehrfach als Grundsteuer gefaßt wird. Daß er es aber auch in der Spätzeit des Peterspfennigs nicht war, wird gerade an der Sonderstellung des Adels deutlich, die sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts durchsetzte. Nach einem gnesener Synodalbeschluß des Jahres 1523 zahlte der Adlige, der einen Landbesitz übernahm, dort nicht den Peterspfennig, zu dem der frühere Besitzer verpflichtet war, wenn es sich um einen colonus gehandelt hatte 4 . Diese Sonderstellung des Adels, die seit dem Jahre 1352 in den urkundlichen Quellen erscheint, läßt sich auch schon 1 Gromnicki 52. 2 Michal WyszyAski, Ze studjöw nad historjq dziesi@ciny w Polsce äredniowiecznej I : Czasy Wladyslawa Lokietka i Kazimierza W. [Studien zur Gesch. des Zehnten im mittelalterlichen Polen. I : Die Zeit L.'s und K.'s.], in: Pami^tnikhistoryczno-prawny VIII, 1 (Lwöw 1929),32f. u. a. a.O. 3 PtaÄnik, Acta Cam. I I 124 nr. 195: si vobis constiterit, non fuisse consuetum dictum censum a predictis nobilibus in eodem regno existentibus exigi seu levari, eundem censum ab eisdem nobilibus non levetis. 4 Statuta provincie gnesnensis (1527), vgl. G r o m n i c k i 42 Anm. 1: Colono ex agro discedente, nobilis . . . solvet eadem onera, que colonus solvebat, illis tarnen exceptis, que ex rusticitate in nobilitatem indigne transferrentur veluti, ut decimam ducat, denarium S. Petri . . . . solvet. Vgl. G r o m n i c k i 55 Anm. 2.

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II. Der Peterspfennig im 14. Jahrhundert

in dem reichen Material beobachten, welches die Zeugenaussagen des Prozesses von 1339 für die Art der Steuererhebung bieten 1 . Aus diesen Zeugnissen geht zunächst hervor, daß der Adel im Ordenslande an dieser Entwicklung so wenig Anteil hatte, wie an der übrigen, die dem polnischen Adel seine Sonderstellung einbrachte. Der Richter von L^czyca, der Ritter Fal gab an, daß sein Vater früher im Kulmerlande Besitz gehabt habe; er habe gesehen, daß dieser dort den Peterspfennig pro familia sua gezahlt habe 2 . Dagegen sagten mehrere Ritter nur aus, sie hätten den Zins durch ihre homines entrichten sehen3. Der Ritter Johann von Kysselew hatte gesehen, wie er gezahlt wurde; auch seine villani zahlten ihn 4 . Der Ritter Boguslaw Lazanka sagte noch deutlicher aus, daß seine rustici et villani den Peterspfennig entrichteten 6 . Hier ist die Beschränkung auf die unfreie Landbevölkerung, die eben aus der Befreiung des Adels resultierte, unverkennbar. Keiner der Ritter gab an, daß er den Zins selbst für sich oder seine Familie gezahlt habe. Das Verhör von 1339 bringt noch weitere Einzelheiten. Mehrere der Zeugen sind selbst als Subkollektoren tätig gewesen 6 . Als der Ort, an dem die Bevölkerung regelmäßig ihre Denare abzuliefern hatte, erscheint mehrfach die Pfarrkirche 7 . Bald sind es die Kirchen bestimmter Parochien 8 , bald hat der Zeuge in vielen Kirchen die Abgabe der Steuer mit angesehen9. Über den Termin, an dem diese Einzahlungen erfolgten, 1 Vgl. oben S. 203 f. Weder P t a ä n i k noch Gromnioki haben dieses Material ausgeschöpft; L a d e n b e r g e r hat es mehrfach benutzt. 2 Lites* 1182: pater suus solvebat dictum denarium b. Petri in dicta terra Culmensi pro familia sua. Diese wie die folgenden Aussagen stammen in der Hauptsache von großpolnischen und kujawischen Rittern. 3 Ebenda 1226: solvi . . . in Lancicia archidiacono Lanciciensi per homines illius loci; ebenda 1294: vidit pluries solvi ab hominibus suis. 4 Ebenda 1201: vidit solvi, et etiam villani sui solvunt. 5 Ebenda 1253: rustici sui et villani solvebant eum. 6 Ebenda 1172, 260 f., 277, 288 , 367. 7 Ebenda 1168 der Dekan Albert von Plock: vidit et presens fuit in ecclesia sua parochiali Rogotswald Plocensis diocesis, quando parochiani dicte ecclesie sue . . . solvebant; 1237: in ecclesia Miroslavicz vidit eum solvi pluries. Vgl. unten S. 250 mit Anm. 4. 8 Ebenda 1217, 231, 237, 391 f. 9 Ebenda 1249.

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C. Die Erhebung des Peterspfennigs bis zum Ende des 14. Jahrhunderts

sagen die Zeugenaussagen nichts. Aus anderen Nachrichten aber geht hervor, daß er im allgemeinen in der Fastenzeit1, gelegentlich auch zu Ostern oder noch später lag 2 . Die Erhebung des Zinses ist dann in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wohl regelmäßig, wenn auch mit gelegentlichen Unterbrechungen erfolgt. Für Polen und die gnesener Kirchenprovinz ernannte die Kurie ihre Kollektoren, wenn in deren Vollmachten der Peterspfennig auch nicht ständig genannt ist 3 . Quittungen des Kollektors über den Peterspfennig in Schlesien sind bis zum Jahre 1374 erhalten4. Im Kulmerlande war die Zahlung im Jahre 1375 wieder einmal unterlassen worden. In der Vollmacht, die der päpstliche Kollektor daher erhielt, war neben Gnesen ausdrücklich das Bistum Kulm genannt5. Auch in späteren Schreiben sowie in der Auswahl der Subkollektoren nahm man gegen Ende des Jahrhunderts auf die kirchliche und politische Stellung des Ordenslandes und Kammins gebührende Rücksicht. So bezeichnete Bonifaz I X . im Jahre 1395 den Bischof Nikolaus von Kulm als Kollektor des Peterspfennigs in Pommerellen und dem Kulmerlande6. Während in dieser Zeit die kontinuierliche Erhebung des Zinses weithin nur aus den Ernennungen der Finanzbeamten zu erschließen ist, sind gerade vom Bischof Nikolaus zwei Abrechnungen aus den Jahren 1393 und 1397 erhalten7, die den intakten Apparat des päpstlichen Rechnungswesens im Ordenslande erkennen lassen. Dennoch muß unter dem Pontifikat Gregors XI., während Peter Stephani die Kollektorie leitete8, die Einsammlung der Gelder gestockt haben. Diese Unterbrechung gab der Kurie Gelegenheit®, ihre Forderungen betreffs des Peterspfennigs 1 Theiner I nr. 467, 468. 2 Gromnicki 64 f. mit Anm. 1; vgl. unten S. 261. 3 Ptaänik, Kollektorzy 36, 32, 55; vgl. Gromnicki 424ff. 4 Vgl. oben S. 240. 5 Culmer U. B. 258 f. nr.338. Theiner, Mon. Pol. 1711 nr.961. 6 Culmer U. B. 312 f. nr. 407. Er war bis 1391 Generalprokurator des Deutschen Ordens in Rom, vgl. H.Preytaga.a.O. (8.176 Anm. 1), 198; im Jahre 1386 war er zum Generalkollektor des Peterspfennigs ernannt worden; vgl. unten S. 248. 7 Culmer U. B. 310 nr. 399 u. Anh. nr. 18. 8 Über ihn vgl. Gromnicki 424 f. 9 Schreiben Gregors XI. von 1375 Februar 3 bei Theiner, Mon.

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II. Der Peterspfemiig im 14. Jahrhundert

wieder einmal grundsätzlich zu formulieren, um damit den Abweichungen von der ursprünglichen Norm, die im Laufe der Zeit eingetreten waren, einen Riegel vorzuschieben. In ähnlicher Weise machte dann auch Urban VI. im Jahre 1386 den neu ernannten Kollektoren Bandellus Bandeiii und Nikolaus Schiffenburg, dem späteren kulmer Bischof, Vorschriften1, welche sich auf die allgemeine Ordnung der Steuer bezogen. Gregor XI. führte zunächst über die unvollständige Erhebung des Peterspfennigs in der Provinz Gnesen und der Diözese Kulm Klage und forderte, daß jeder Einwohner, Männer wie Frauen, Adlige und Nichtadlige für sich, ihre Kinder und ihr Gesinde zur Zahlung eines Denars der in früherer Zeit gültigen Münze verpflichtet sei2. Damit war auf die Zustände zurückgegriffen, die vor der Befreiung von Klerus und Adel bestanden. Auch der polnische Adel sollte jetzt wieder seinen jährlichen Zins entrichten. Gregors Forderung ist, wie spätere Quellen zeigen, nicht erfüllt worden. Zudem hatte die Entwicklung dazu geführt, daß auch innerhalb der noch zahlenden Stände weitere Einschränkungen erfolgten. Daher bezeichnete Urban VT. es als unrechtmäßig, daß die Eltern erst für die dreizehnjährigen Kinder, also nach deren erster Kommunion, einen Denar zahlten; vielmehr sollte für alle Kinder nach der Taufe der Peterspfennig gezahlt werden8. Sobald die Kinder der Zahlungspflichtigen durch die Taufe in die christliche Barche aufgenommen waren, unterstanden auch sie der gleichen Verpflichtung. Während die Urkunde von 1375 nur von der gnesener Pol. 1711 nr. 961 ; weitere Briefe aus den folgenden Monaten ebenda 722 nr. 972, nr. 973 , 727 nr. 981. 1 S. unten Anhang Nr. 17. Über Nikolaus von Schiffenburg oder Schippenbeil vgl. oben S. 247; er wurde 1890 durch päpstliche Provision Bischof von Kulm; vgl. Froelich a.a.O. (S. 96), 19 f.; Schmauch a. a. O. (oben S. 140 Anm. 5) 665. 2 Theiner, Mon. Pol. 1712 nr. 961: singuli eorum in ecclesiis suis parrochialibus diebus dominicis, existentibus populis ad divina, ipsos populos seu parrochianos suos nobiles et ignobiles, mares et mulieres . . . monere procurent, quod . . . singuli eorum pro se et suis natis et domesticis . . . denarium de antiqua moneta, seu eius valorem ipsis Rectoribus solvere . . . procurent. 3 S. Anhang Nr. 17.

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C. Die Erhebung des Peterspfennigs bis zum Ende des 14. Jahrhunderts

Kirchenprovinz und dem kulmer Bistum sprach1, griff das jüngere Schreiben wieder auf die alten Begriffe zurück, die in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nicht zum wenigsten den Kampf um den Peterspfennig entfesselt hatten. Es sprach von den verschiedenen Diözesen innerhalb der alten Grenzen des Königreichs Polen und der Provinz Gnesen2. Wenn auch die eingedeutschten Bistümer, insbesondere die Gebiete des Ordenslandes, nicht ausdrücklich genannt sind, so wird man doch umso mehr mit ihrer Einbeziehung rechnen dürfen, als einer der beiden Kollektoren ein Deutschordensbruder war. Freilich steht eine solche Erinnerung an die alten Termini in dieser Zeit durchaus vereinzelt da. Gegenüber der Organisation, wie sie bis nach der Mitte des Jahrhunderts gegolten hatte, wurde ein weiterer Portschritt im Aufbau des u n m i t t e l b a r von der Kurie abhängigen Apparates erreicht. Während noch 1317 der Erzbischof von Gnesen das Kollektorenamt versehen hatte, wurde bald ein besonderer Gesandter der Kurie damit betraut. Dieser Generalkollektor verhandelte mit den Bischöfen, die für die Einziehung des Peterspfennigs in ihren Diözesen verantwortlich waren. Jetzt wurden auch sie ausgeschaltet. Gregor XI. legte den Geschäftsgang bei der Einziehung des Peterspfennigs genauestens fest. Von den Pfarrern wurde das Geld zu den Archidiakonen gebracht, die es dem vom Generalkollektor eingesetzten Subkollektor zu übergeben hatten 3 . Nach dem Metropoliten waren auf diese Weise auch die Bischöfe aus dem Geschäftsgange der Kollektorie ausgeschaltet. Zu Subkollektoren wurden Domherren der verschiedenen Kapitel ernannt. Aus ihren Reihen wählte 1385 der zum Generalkollektor eingesetzte Bischof Dobrogast von Posen seine 1 Theiner a.a.O.: .civitatis, diócesis et provincie Gneznensis ac civitatis et diócesis Culmensis. 2 Anhang Nr. 17: civitatum et diocesium diversarum infra limites antiquos regni Polonie et provincie Gneznensis consistencium. 3 Theiner a.a.O.: singuli Rectores omnem pecimiam . . . sine diminutione quacunque, sigillatam eorum sigillis, una cum ómnibus nominibus earundem personarum suarum parrochiarum, tarn videlicet fllarum, que dictum denarium solverint, quam aliarum, que non solverint, suis Archidiaconis . . . assignare procurent; ebenso sollten die Archidiakone gegenüber den Subkollektoren verfahren. 249

II. Der Peterspfennig im 14. Jahrhundert

Unterbeamten in den verschiedenen Bistümern, die zu seinem Wirkungskreis gehörten 1 . Im Jahre 1398 ernannte der Generalkollektor Matheus de Lamberto gleichfalls die Subkollektoren seines Gebietes 8 . Aber er hielt sich nicht nur an die Grenzen der einzelnen Bistümer. Für Pommerellen wurde trotz seiner Zugehörigkeit zu Gnesen und Leslau ein eigener Subkollektor in der Person des danziger Offizials und leslauer Domherrn Heinrich de Lapide eingesetzt 3 . Gregor XI. bestimmte in seinem Schreiben nicht nur, wer den Zins entrichten sollte. Er ordnete auch an, daß alle Pfarrer an den Sonntagen vor dem Tage, der zur Einzahlung bestimmt war, ihre Pfarrkinder an den Termin erinnern sollten. Diese sollten die Steuer dann für sich, ihre Kinder und ihr Hauspersonal entrichten 4 , also noch immer für den alten Umkreis von Menschen, der ursprünglich durch den Zins von Haus und Familie, dann durch die nur zahlenmäßig erweiterte Kopfsteuer belastet wurde. Dabei suchte Gregor das schwierigste finanzielle Problem dieser alten Steuerverpflichtung zu lösen, das sich durch die Dévalorisation des Denars ergeben hatte. Er bestimmte, daß der Denar in alter Münze oder in deren derzeitigem Wert gezahlt werde 6 . Es war ein entscheidender Versuch, den Wertverlust der auf einer Münzeinheit basierten Steuer zu verhindern — fast der einzige Versuch dieser Art, den uns die Quellen zur Geschichte des Peterspfennigs überliefern®. Er war ebenso vergeblich wie das Bemühen Gregors, den Adel wieder als Objekt in das Steuersystem einzuschalten. Die Starre des mittelalterlichen, an einmal angelegte Register gebundenen 1 Theiner, Mon. Pol. 1756 nr. 1024. 2 Theiner a.a.O. 1767 nr. 1039. 3 Ebenda S. 768. 4 Vgl. S. 248 n. 2. Diese Einhebung der Steuer wird durch eine Vorschrift aus dem Jahre 1442 ergänzt, in welcher es heißt (Acta Nicolai Gramis, ed. W. Altmann, C. d. Sil. XV 204 nr. 146): quod in qualibet ecclesia deberet esse capsa vel truncus tribus seris clausa, ad quam Ordinarius vel per eum deputatus deberet habere unam clavem, rector ecclesie secundam et vir timoratus dicti loci terciam, et dictam capsam nullatenus aperire nisi in presencia clavigerorum et notarii. Vgl. auch oben S. 246. 5 Vgl. S. 248 n. 2. 6 Vgl. unten S. 296 mit Anm. 1.

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C. Die Erhebung des Peterspfennigs bis zum Ende des 14. Jahrhunderts

Rechnungswesens, das in der päpstlichen Kollektorie galt, erlaubte es auch im 16. Jahrhundert nur, die gleiche Zahl von Denaren, ohne Rücksicht auf ihren gesunkenen Wert, aus jeder Pfarre einzuziehen, wie zwei Jahrhunderte zuvor1. Andererseits aber bietet eben diese Verfestigung des in den Registern einmal aufgestellten Solls der Zahlungen die Gelegenheit, aus den dort gegebenen Zahlungen Rückschlüsse auf die Bevölkerungsziffer zu der Zeit zu machen, in welcher die Höhe der Steuer auf Grund der Personenzählungen in den einzelnen Parochien fixiert wurde. Solche Versuche sind denn auch mehrfach gemacht worden, um die Bevölkerungszahlen in England2, Skandinavien3 oder Polen 4 nach dem Steueraufkommen aus dem Peterspfennig zu errechnen. Aber gerade die beiden päpstlichen Schreiben von 1375 und 1386 zeigen, daß derartige Berechnungen wenigstens für Polen und die Nachbargebiete auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Wenn es mehrfach offenbleibt, ob Klerus und Adel zahlen, wenn die Neugetauften oder erst die gefirmten Kinder zur Zinspflicht herangezogen werden, wenn in einzelnen Bistümern die jährlichen Summen beträchtlich schwanken und man endlich gar angenommen hat, daß in einzelnen polnischen Teilgebieten die ältere Form des Hauszinses erhalten geblieben sei, dann ergeben sich Widersprüche und Unterschiede, die kaum noch brauchbare statistische Resultate zulassen, außer es gelingt, noch weiteres Quellenmaterial zum Vergleich und zur Kontrolle heranzuziehen®. Mit diesen Fragen einer öfter wiederholten Aufnahme der Bevölkerungszahl haben sich die Kollektoren in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kaum noch abgegeben, wenn auch der Papst im Jahre 1375 gefordert hatte, daß die Pfarrer spätestens einen Monat nach der Einzahlung des Geldes dieses zusammen mit genauen Namensverzeichnissen ihrer Pfarr1 Vgl. oben S. 238 f. 2 Vgl. die oben S. 27 Anm. 2 genannte Literatur. 3 B r i l i o t h a . a . O . (S. 1 f. Anm. 2), 337 ff. 4 Vgl. für Schlesien: S t e n z e l , Bistumsurkunden LXXXVIII; für das Kulmerland, Pommerellen und Polen: Lothar Weber, Preußen vor500 Jahren (Danzig 1878), 116 ff.; für Polen: P t a ä n i k , Kollektorzy 48 ff.; Ladenberger a.a.O. 5 Vgl. auch die skeptischen Bemerkungen bei G r o m n i c k i 86.

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II. Der Peterspfennig im 14. Jahrhundert

kinder, derer, die gezahlt hatten, wie der anderen, bei den Archidiakonen abliefern sollten1. Die Beamten arbeiteten automatisch auf den Grundlagen weiter, welche ihre Amtsvorgänger erst unter schweren Kämpfen hatten aufbauen können. So ist es verständlich, daß die späteren Kollektoren nicht mehr die scharf geprägten Züge jener älteren Generationen päpstlicher Finanzbeamter und Legaten aufweisen. Auch diese Männer, welche die Interessen der Kurie, der einigen, wie der schismatischen, im Osten vertraten, verleugneten die Merkmale nicht, welche die Kirche und ihr irdisches Haupt wechselnd im Laufe der Jahrzehnte annahm und ablegte. Gewiß waren die Generalkollektoren auch Legaten, die die große Politik der Kurie im Osten zu vertreten hatten. Aber vor allem waren diese päpstlichen Gesandten des 14. Jahrhunderts Kollektoren — Steuereinnehmer, Finanzbeamte. Im Zirkel des Geldes und der Geldgeschäfte erschöpfte sich ihr Wirken. Sie stellten dem Pfarrer irgend einer Gemeinde im krakauer Bistum Quittungen aus, sie rechneten mit vielerlei Münze und schlugen sich mit Fälschern und Wechslern herum, und wenn sie mit krakauer Kaufleuten und den italienischen Kaufmannsgesellschaften wegen der Verrechnung der Gelder über Brügge nach Avignon abschlössen, so waren sie noch mehr Kaufleute als Beamte. Als die Päpste des 13. Jahrhunderts Legaten nach dem Osten entsandten, hatten sie auch Finanzfragen zu regeln und die Einziehung des Peterspfennigs zu organisieren2. Aber es war eine der kleineren Aufgaben. Im Vordergrunde standen die großen politischen Probleme, griff die Kurie ein in den osteuropäischen Baum, um in ihm zu herrschen, waren die Gesandten der Kurie Diplomaten, deren umfassende Praxis es ihnen erlaubte, auch Finanzgeschäfte richtig und schnell zu vollziehen. Selbst als unzulängliche Vertreter, als hemmungslose und törichte Fanatiker ihrer Aufgabe, wie ein Balduin von Alna in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Livland3, trugen sie doch die Züge des Papsttums ihrer Zeit hinaus in die Welt. 1 Vgl. S. 249 Anm. 3. 2 Vgl. oben S. 60 f. 3 Maschke, Der Deutsche Orden und die Preußen 26 ff.; Donner, Kardinal Wilhelm von Sabina (Helsingfors 1929), 159 ff.

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C. Die Erhebung des Peterspfennigs bis zum Ende des 14. Jahrhunderts

Das taten freilich die Kollektoren des 14. Jahrhunderts auch. Und wenn jetzt so ganz andere Menschen hinausgingen als Vertreter der Kurie im Osten, so bezeugten sie nichts anderes als die Wandlung, die indessen das Papsttum selbst erfahren hatte. Das Avignon Johanns XXII. und seiner Nachfolger ist auch in Krakau, am Sitze des Legaten lebendig. Wie jene Männer des 13. Jahrhunderts im Guten wie im Bösen die Grundzüge der Päpste ihrer Zeit an sich tragen, sind auch die Kollektoren der Kammer von Avignon nur Träger des Geistes, der eben an der päpstlichen Kammer herrschte. Der betrügerische und engstirnige Peter von Alvernia, der um Geld wie gegen Kaisertum und Deutschtum mit gleichem Fanatismus kämpfende Galhard von Chartres, gewiß der bedeutendste und echteste dieser kurialen Finanzbeamten, der ehrliche, pedantisch sein Geld eintreibende Arnald von Lacaucina sind in der Tat Vertreter des Papsttums in Osteuropa — nicht nur formal, im Politischen und der Wirtschaft, sondern auch im Innersten ihres Wesens und Charakters. Diese Schärfe der Züge wird in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts freilich verwaschener. Jetzt sind es wirklich nur noch Finanzbeamte, die nicht einmal mehr überragende Organisatoren und energische Geldleute zu sein brauchten. Eine Maschine mußte mit gewohnten Handgriffen in Gang gehalten werden — das war alles. Dabei bedeutete das Schisma keine Gefahr für das System der polnischen Kollektorie. Nachdem das Reich sich auf die Seite Urbans VI. gestellt hatte, folgte Polen gleich Ungarn dem Schwergewicht des größeren Nachbarn. Daher gehörten in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts die polnischen wie die schlesischen Teile der gnesener Kirchenprovinz ebenso zur Partei des römischen Papstes, wie der preußische Ordensstaat. Die Geschichte des Peterspfennigs galt für sie weiterhin gemeinsam mit der ganzen Fülle ihrer politischen und ökonomischen Probleme, als die päpstliche Finanzwirtschaft seit den großen Konzilien neue Wege zu suchen begann.

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III.

Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert Die Ernennungen der Kollektoren setzten sich auch im Anfang des 15. Jahrhunderts annähernd regelmäßig fort 1 . Erst die Beschlüsse des Konstanzer Konzils veränderten langsam auch den Charakter der Politik, welche die Kurie in dem Kampf um den Peterspfennig während eines Jahrhunderts durchgeführt hatte. Die Reformbestimmungen, mochten sie auch nur für bestimmte Steuern gemeint sein2, verwiesen die Kurie schließlich doch aus den Ländern, aus denen sie bisher ihre Einkünfte bezogen hatte, auf den Kirchenstaat3. Der Tendenz der Kurie, sich unter Verzicht auf die Weite ihrer finanziellen Ansprüche, auf die Basis des freibeherrschten Territorialstaates zurückzuziehen, entsprach gleichzeitig in Polen ein ausgeprägteres Staatsbewußtsein und die Gefahrenlage des Landes „am Ende der Christenheit", die eine Einbehaltung des Peterspfennigs immer erwünschter machten. Daher verschwindet der Peterspfennig denn langsam im Verlaufe des 15. Jahrhunderts aus den kurialen Rechnungsbüchern. Nur selten lassen sich die Spuren einer regelmäßig geübten Einziehung der Steuer in den Akten der Kammer feststellen: sie verliert aus den verschiedensten Gründen im Laufe des Jahrhunderts an Bedeutung und Interesse. Dennoch weisen 1 Vgl. die Übersicht bei G r o m n i c k i a. a. O, 425 ff. 2 Clemens B a u e r a. a. O. (s. S. 5 Anm. 2) 473 f. und die dort angegebene Literatur. 3 P. Miltenberger, Versuch einer Neuordnung der päpstlichen Kammer in den ersten Regierungsjahren Martins V. (1417—1420), in: R . Q. 8 (1894) 398 ff.; vgl. 401 f.

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Der Ordensprozeß von 1422

die Quellen darauf hin, daß die Zahlungen in Polen und seinen Nachbarländern zwar unregelmäßiger erfolgten, der Apparat aber zu gut eingespielt war, um so schnell zu versagen. Auch war der politische Inhalt des Peterspfennigs noch lebendig genug, war die außenpolitische Lage im Osten der des 14. Jahrhunderts so verwandt, daß selbst ein geschwächter Impuls der kirchlichen Finanzpolitik die Konflikte wieder heraufbeschwor, die um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts beigelegt worden waren. Seit der Gegensatz zwischen Polen und dem Ordenslande im 14. Jahrhundert stabil wurde, erstarrten langsam auch die politischen Probleme zu einer Zähflüssigkeit, die sie für mehr als ein Jahrhundert unverändert erhielt. Als im Jahre 1420 der Hochmeister Michael Küchmeister die Polenpolitik des Ordens da aufnahm, wo Heinrich von Plauen sie erzwungenerweise aus den Händen gegeben hatte, war es wieder zum Kriege gekommen. Vergeblich bemühte sich der Kaiser auf einem Reichstage zu Breslau1, ein gültiges Urteil zu fällen. Wie im 14. Jahrhundert kam es zum Prozeß vor dem Forum der Kurie. Anders als 1339, war der Kollektor des Peterspfennigs nicht auch zugleich Nuntius und Richter im Auftrage der Kurie. Dennoch spielten auch in dem neuen Prozeß, der im Jahre 1422 durchgeführt wurde2, der Peterspfennig und sein Kollektor die gleiche Rolle, die ihnen die polnische Politik fast ein Jahrhundert zuvor zugewiesen hatte. Wieder befaßten sich zwei Artikel der polnischen Klageschrift mit dem Peterspfennig, dessen Entrichtung imKulmerland und in Pommerellen auch jetzt als ein Beweis für die 1 Hans Bellte, Polen und die römische Kurie in den Jahren 1414 bis 1424, Osteuropäische Forschungen H. 2 (Berlin u. Leipzig 1914), 47 ff.; Robert Holtzmann, Der breslauer Reichstag von 1420, in: Schles. Gbll. 1920, 1 ff.; P r o c h a s k a , Kröl Wladyelaw JagieHo II (1908), 34ff. 2 Lites ac res gestae inter Polonos ordinemque Cruciferorum II (I.A. Posen 1855); B e l l t e 84f.; zur Lage auch Lisbeth Nitschmann, Die Stellung Martins V. zum deutschen Ritterorden in der preußisch-polnischen Frage von 1418—1424 (Diss. Masch, sehr. Königsberg 1919); zu den vorhergehenden Ereignissen zuletzt Kurt Springmann, Polen und der Deutsche Orden zur Zeit des Konstanzer Konzils (Diss. Masch.schr. Freiburg 1923). 255

III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

Zugehörigkeit dieser Länder zu Polen angesehen wurde1. Die Zeugen hatten wiederum zu den betreffenden Anklage- und Beweispunkten Stellung zu nehmen. Der Prozeß des Jahres 1422 war in seiner rechtlichen wie in seiner politischen Bedeutung nur ein Schatten jener großen Prozesse des vorhergehenden Jahrhunderts. Zahl und Zuverlässigkeit der Zeugen sind weit zurückgegangen2, ihre Argumente oft historische Phantasien statt realer Beweise. Da die umstrittenen Besitztitel auf Pommerellen oder das Kulmerland zeitlich weit zurücklagen, wurden die „ältesten Männer" zitiert. Der 150 jährige Zeuge beruft sich auf seinen 200 jährigen Vater, um in den Zeiten Boleslaw Chrobrys anzulangen3. Der Prozeß wird zur Farce. Das zeigen auch die Aussagen über den Peterspfennig. Obgleich die Klagepunkte sich gelegentlich wörtlich an die entsprechenden Abschnitte des Prozesses von 1339 anlehnten 4 , stand jetzt nicht mehr das einfache, aber schlagkräftige Argument im Vordergrunde, daß da „Polen" sei, wo der Peterspfennig gezahlt werde. An seine Stelle war die historische Reminiszenz getreten; die Weisheit der Chroniken ging in diese Zeugenaussagen ein. Die Mehrzahl derer, die über die Zahlung des Peterspfennigs Auskunft gaben, erzählten breit, unter Hinweis auf eine chronikalische Quelle6, von der 1 L i t e s II 25, Artikel IV: "et per totum ipsum Regnum soluebatur soluique consueuit et nunc soluitur per homines in eodem Regno et intra ipsum Regnum habitantes annis singulis quidam census Romane ecclesie qui communiter appellatur ibidem denarius sancti Petri, fuitque et est veritas ao preter et absque eo quod extra dictum Regnum in aliqua alia prouincia et que non esset in Regno Polonie dictus census solueretur prout non soluitur neque soluebatur. Artikel V: quod homines in predictis Tribus Terris Culmensi Pomeraniensi et Michalouiensi habitantes et per ipsarum loca a predictis temporibus et per ipsa tempora soluebant et soluere consueuerunt prout et nunc soluunt Romane ecclesie prefatum denarium beati Petri annuatim racione dicti Regni et tanquam de Terris in eodem Regno constitutis et tanquam Censum eidem ecclesie debitum per Regnum Polonie quemadmodum soluitur in omnibus alijs Terris et ducatibus Dicti Regni. 2 Caro a . a . O . II 580 ff.; Bellée a. a. O. 85. 3 L i t e s 1 II 167, Zeuge 10: der posener Bürger Nikolaus Schathcowskij; vgl. Caro III 535 Anm. 2. 4 Vgl. oben S. 203 Anm. 2f. 5 Für die Entstehung des polnischen Königtums berufen sich die

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Der Ordensprozeß von 1422

Entstellung des Zinses durch den Dispens des Mönches Kasimir. Die Sage wurde zum geschichtlichen Beweis. Umso schwächer sind die persönlich gefärbten Aussagen über die Einziehung der Steuer1. Man spürt aus ihnen die Zeugen mehrfach auf eine Vita S. Adalberti (Zeugen 13, 14, 15, 20, 24, 26) oder die Vita S. Stanislai (Zeugen 1, 20) oder „alte Chroniken" (Zeugen 6, 13, 24, 26, 27, 29). Ihren Aussagen über die Einführung des Peterspfennigs liegt meist die Vita S. Stanislai (Mon. Pol. IV 272 bezw. 382 (vgl. oben S. 44, Anm. 1) zugrunde, ohne daß bei ihrer weitgehenden Übereinstimmung zu entscheiden wäre, um welche Redaktion es sich handelt. Der 2. Zeuge, der posener Kantor Johann, nacionis de Slesia, gibt gleich der schlesischen Chronica principum Polonorum (Mon. Pol. III 446 vgl. oben S. 26 Anm. 3) an, Kasimir sei Subdiakon gewesen. Sbigneus von Oleönioa (Zeuge 20) gibt wohl im Anschluß an eine ähnliche, unklare Überlieferung an, Kasimir bezw. Mesco, wie er ihn irrtümlich nannte, sei Diakon gewesen, doch liegt seiner Darstellung im übrigen wohl die Vita S. Stanislai zu Grunde. Die umfangreichsten literarischen Kenntnisse zeigt Zeuge 20, Sbigneus von Oleänica: er beruft sich auf die Vita S. Adalberti, die Vita S. Stanislai und die Chronik des Vincenz. 1 Außer den im Text genannten Zeugen bieten noch die folgenden einige persönliche Feststellungen. Am auffälligsten ist vielleicht die Behauptung des Burggrafen von Krakau, Cristinus, daß der Peterspfennig communiter per o m n e s inhabitantes in regno gezahlt werde. (Lites 1 II 307). Gleich den Aussagen des Kantors Matthias von Plock (ebenda 215) und des Kantors von Krakau, Stanislaus Czolko, (ebenda 288), daß sie selbst den Peterspfennig gezahlt hätten, sollen diese Zeugnisse wohl mehr die Thesen von der Zugehörigkeit Pommerellens und des Kulmerlandes zu dem allein den Peterspfennig zahlenden Polen bezeugen, als daß sie uns Abweichungen von den Normen nachweisen, die seit dem 14. Jahrhundert galten. Auch im 15. Jahrhundert haben wir sonst keine Spur, daß die Geistlichkeit den Peterspfennig entrichtete (vgl. oben S. 244f.). Dagegen fügen sich die übrigen Aussagen gut in das bekannte Bild ein. Mehrere der Zeugen hatten gesehen, daß der Peterspfennig von den Kollektoren (ebenda S.245, 267, 313) oder, wie es der Organisation genauer entsprach, von Subkollektoren (ebenda S. 207, 214) erhoben wurde. Auch die Bischöfe von Leslau (S. 191) und Plock (S. 200) hatten nicht mehr beobachtet, während ihre Vorgänger in dem Prozeß von 1339 noch aus der eigenen Erfahrung als Subkollektoren hatten sprechen können. Einer der Zeugen hatte die Entrichtung des Zinses in Thorn und Danzig gesehen (S. 138). Nur einer (Zeuge 6) war in Vertretung des Archidiakons als Subkollektor im Archidiakonat Kaiisch tätig gewesen und berichtete (S. 135), daß dieser Archidiakonat 87 Kirchen umfaßt habe, in quibus colligebat. Diese letzten Worte deuten wohl an, daß nicht nach anderen Vorschriften die Pfarrer die Erträge der Parochien dem Archidiakon einsandten, sondern dieser bezw. sein Stellvertreter von Kirche zu Kirche den 17

Könlgsb. hUt. Forach.

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

geringe Bedeutimg, die der Peterspfennig in der Politik Polens nur noch besitzt, seit es schärfere Waffen zur Verfügung hatte. Der Erzbischof von Gnesen hat nichts über die kuriale Steuer zu sagen 1 . Am eindeutigsten sind noch die Äußerungen, die nicht nur über die Zugehörigkeit von Teilen des Ordenslandes erfolgen, sondern auch an die ehemalige Zugehörigkeit Schlesiens erinnern: in ihnen ist die politische Fragestellung, die seit dem Vordringen der ostdeutschen Siedler entstanden war, noch am schärfsten umrissen. Die Bischöfe von Posen und Leslau, der päpstliche Protonotar und spätere Kardinal Sbigneus von Olesnica erinnerten daran, daß der Peterspfennig nur in Polen gezahlt wurde, sowie in der Zips und in Schlesien, das nach ihrer Aussage „zu den Grenzen des Königreichs gehört, obgleich sie sich selbst dem Gehorsam gegen den König entzogen haben" 2 . Während so die politische Fragestellung die gleiche geblieben war, traten die persönlichen Aussagen über Organisation und Praxis der Steuererhebung umso mehr zurück. Auch der päpstliche Kollektor, Petrus de Lamburga, der als Zeuge auftrat, hatte nicht viel mehr zu sagen. Er erklärte, daß der Peterspfennig in ganz Polen gezahlt werde mit Ausnahme der russischen, litauischen und anderer, dem Königreich neu inkorporierter Gebiete; er werde außerhalb Polens nicht erhoben, „wenn wir sagen, daß die Diözese Breslau innerhalb der Grenzen des Königsreich Polen liegt" 8 . Zins einsammelte. Silnicki, Organizacya archidiakonatu 97 nennt im Archidiakonat Kaiisch „rund 90 Pfarrkirchen, die sich auf fünf Dekanate verteilten", benutzt aber die oben genannte Stelle nicht. 1 L i t e s II 176 ff. (Zeuge 13). 2 Zeuge 14, Bischof Johann von Leslau (Lites1 II 190 f.): quod dictus denarius extra Regnum non soluitur nisi in partibus Slesie quas reputat esse intra fines Regni quamuis ipsi se ab obediencia domini Regis Polonie subtraxerint; ähnlich Zeuge 20, Sbigneus von Oleänica, (Lites 1 II 225): Sed hodie dicta Terra Slesie est subtracta a Regno. Zeuge 3, der Bischof von Posen (Lites1 II 118): Der Peterspfennig sei magnum argumentum Quod ducatus Slesie Pomoranie Culmensis Michalouiensis pertineant ad Regnum predictum. 3 L i t e s 1 II 132, Zeuge 5: „seit, quod dictus denarius soluitur . . . in dicto Regno Polonie exceptis Russia Lijthwania et alijs partibus nouiter Regno incorporatis. E t hoc seit tanquam Collector Apoetolice camere qui dictum denarium collegit. Seit eciam . . . quod extra dictum Regnum

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Der Ordensprozeß von 1422

In den Jahren 1421 bis 1425 hat der gnesener Scholastikas Peter Wolfram von Lamburg jährlich Zahlungen an die Kammer geleistet1. Sie lassen nicht erkennen, ob in ihnen auch der Peterspfennig enthalten ist. Man wird ihn darin annehmen dürfen, da Quittungen der Kammer wie die Spuren seines Wirkens in Polen, Peter tatsächlich als Kollektor der Steuer erweisen. Seine Aussagen im Prozeß gegen den Orden aber zeigen den Beauftragten der Kurie in der alten parteiischen Stellungnahme der päpstlichen Finanzbeamten gegen den Orden; freilich ist dieser Standpunkt des aus Polen stammenden Kollektors jetzt verständlicher, als es auf den ersten Blick die Parteinahme der französischen Kollektoren im 14. Jahrhundert sein konnte. So wichtig seine Aussagen dafür sind, daß noch immer die a l t e n Grenzen Polens den räumlichen Umfang der Steuerverpflichtung bestimmten, und die neu erworbenen Gebiete im Osten von der Zahlung des Peterspfennigs frei blieben, so wenig teilte der Kollektor über die Organisation der Zinserhebung mit. Für ihre Technik sind die Aussagen des posener Ratsherrn Heinrich Buchwald umso wichtiger. Er erklärte, den Peterspfennig im Kulmerlande, in dem er damals wohnte, fast 30 Jahre lang selbst gezahlt zu haben. In der Michelau und in Pommerellen wisse er von der Zahlung „weil keiner der Einwohner zur Beichte und anderen kirchlichen Sakra. . . . non soluitur dictus denarius Sancti Petri si dicamus diocesim Wratislauiensem esse intra fines Regni Polonie. 1 Herr Dr. Karl August F i n k - R o m war so liebenswürdig, mir folgende Notizen über die Einzahlungen des Petrus Wolfram de Lamburga aus den Introitus und Exitus des Vatikanischen Archivs zur Verfügung zu stellen: 1421 Sept. 20 ( J E 379, 50 v); 1422 Juni 8 J E 8 7 9 , 85 v); 1423 Mai 31 und Juni 15 (J E 379, 120 und 382, 2 v); 1424 Juni 30 und Dez. 12 ( J E 382, 49 v und 71 v); 1425 Juni 8 und Juni 13 ( J E 383, 7 und 7 v). Die Einträge beweisen ebenso wie die des nächsten Kollektors Jakob de Rubeis das regelmäßige Funktionieren der Kollektorie; vgl. M i l t e n b e r g e r a. a. O. 415 f. Uber Petrus de Lamburga vgl. K o r y t k o w s k i , Pralacy i kanonicy katedry gniein. III (Gniezno 1883), 218; ein von ihm stammender sermo ad clerum de annunciacione b. Marie virginis et concepcione Christi salvatoris in der Breslauer Staatsbibliothek, vgl. Miaskowski, Beitr. z. krakauer Theologengesch. d. 15. Jahrhunderts, in: Jb. f. Philos. u. spekulative Theologie 13 (1899), 492; ein Annaten betr. Schreiben vom 16.5. 1419 im Sta. Posen. 17*

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I I I . Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

menten zugelassen wird, wenn er nicht vorher diesen Denar zahlt, und das in jedem Jahre" 1 . Diese Aussage bestätigt, was auch andere Quellen erkennen ließen. Im Kulmerlande und in Pommerellen kam es weder zur Ablösung der Kopfsteuer durch ein Pauschale, noch zu Ausnahmen im Sinne der polnischen Adelsverfassung2. Der Bürger, als der Heinrich Buchholz auch im Kulmerlande gelebt haben dürfte, war zu seiner Zahlung verpflichtet, er wußte aber auch nichts von der Befreiung anderer Bevölkerungsteile. Zu einer Zeit, in der die Pflicht in Polen selbst sich auf einen immer engeren Kreis niederen Standes einschränkte, zahlte im Kulmerlande die gesamte Bevölkerung, die wenigstens das Alter der ersten Kommunion erreicht hatte, — also entgegen der Vorschrift Urbans VI. 3 , aber entsprechend dem Brauche, den er bekämpft hatte. Daß die Kollektorenberichte mit dem Jahrhundert der Reformkonzilien selten werden und aus den Akten der Kammer fast verschwinden, läßt sich auch an der polnischen Kollektorie beobachten. Zwar finden sich in den Introitus und Exitus noch regelmäßig die Posten aufgeführt, die aus Polen eingingen4, aber sie sind nicht mehr spezifiziert. Wäre es nicht gelegentlich möglich, die Finanzbeamten der Kurie am Ort ihrer Wirksamkeit wiederzufinden, so würden in manchen Jahrzehnten nur die oft recht allgemein gehaltenen Ernennungsschreiben der Päpste auf die Einsammlung des Peterspfennigs hindeuten. Die Nachrichten aber, die uns von der Tätigkeit der Kollektoren im Osten unmittelbar erhalten sind, ergänzen das Bild von der ständig fortgeführten Erhebung des Zinses und führen seine Geschichte in greifbaren Linien fort. Die Zahlen, die einmal im 14. Jahrhundert bei der Stabilisierung der Verpflichtungen für jede Gemeinde festgelegt 1 L i t e s 1 II 150: ipsemet testis dum erat in terra Culmensi in qua tunc habitabat soluit ipsum denarium fere per triginta annos. In alijs terris scilicet Pomoranie et -Michalouiensi seit quod soluitur dictus denarius Et quod nullus de Incolis earum admittitur ad confessionem et alia sacramenta ecclesiastics nisi prius soluat ipsum denarium et hoc singulis annis. 2 Vgl. oben S. 244 ff. 3 Vgl. oben S. 248. 4 So z. B. die oben S. 259 Anm. 1 genannten Eingänge.

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Die Steuerverwaltung

waren, blieben, wie oben gezeigt1, fast unverändert gültig. Daher schickte der päpstliche Kollektor Nikolaus Spicimiri an den Dekan und die Pfarrer des Dekanats Andrzejöw (Diözese Krakau) im März 1436 ein Monitorium: er forderte sie auf, gemäß der seit alter Zeit bezahlten Taxe ihrer Kirche den Peterspfennig aus ihren Pfarren bis zum Tage des hl. Stanislaus (8. Mai) zu senden; dabei sollte einer dem anderen den processus, d. h. das Mahnschreiben des Kollektors, unverzüglich zustellen und so jeder des anderen executor in hac parte sein, während der letzte das Schreiben dem Kollektor zurückzugeben hatte 2 . Solche processus gingen auch von den Subkollektoren in den einzelnen Diözesen aus: am 29. März 1434 richtete der Subkollektor der Diözese Plock, der dortige Domherr Jacob Paszek an die Pfarrgeistlichkeit des Bistums die Aufforderung, die ausstehenden Zahlungen bis zum 10. Mai 1439 zu leisten, also ungefähr bis zum gleichen Termin, den auch der krakauer Kollektor für das Dekanat Andrzejöw gesetzt hatte. Dieses Schreiben war von Pfarre zu Pfarre gesandt worden und trug unten am Rand die Unterschriften der einzelnen Geistlichen, die das Rundschreiben gelesen und sich zur Zahlung verpflichtet hatten 3 . Es bildete offenbar den Auftakt zur Entrichtung der Steuer, die dann auf Grund der alten Register innerhalb des bestimmten Termines erfolgte. Da diese Register der Bevölkerungsbewegung nicht angepaßt wurden, mußte es im Laufe der Zeit zu einer immer größeren Diskrepanz zwischen der ursprünglichen Steuerver1 Vgl. oben S.238, 251. 2 Gromnicki 143 Anm. 2 aus der Hs. der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau Nr. 2415: iuxta taxam sue ecclesie ex antiquo solutam et soluere consuetam . . . . infra hinc et proximum festum s. Stanislai in mayo proxime futuro. Ebenda S. 144: quatenus presentem nostrum proceseum unus ad alterum sine mora diriget, ac alter alterius sit in hac parte executor et integrum viceversa remittere procurari. Über den processus vgl. auch Kirsch, Kollektorien L. 3 Eine kurze Beschreibung des von Gromnicki nicht verwandten Stückes bei A. Blumenstok, Wiadomoäö o rekopisach prawno-historycznych bibljoteki cesarskiej w Petersburgu, in: Archiwum Komisyi historycznej = Collectanea ex Archivo collegii historici VI (Krak6w 1891), 424 nr. 267, mit der wir uns infolge des Aufbewahrungsortes des Schreibens begnügen mußten.

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

anlagung eines Ortes und seiner tatsächlichen Bevölkerungszahl kommen. Spuren der Schwierigkeiten, die dadurch entstanden, lassen sich seit dem 15. Jahrhundert zunehmend feststellen. So brach im Jahre 1491 ein Streit zwischen dem Generalkollektor Uriel von Görka und dem Pfarrer von Wielkie Ksiaznice im Bistum Krakau über die Höhe der Steuer aus, mit der die Pfarrei belastet war1. Der krakauer Subkollektor hatte auf Grund der älteren Register Recht, wenn er 1 gr. 14 scot aus der Pfarrei forderte2, während der Pfarrer geltend machte, daß seit Jahren nie mehr als 14 scot gezahlt worden seien. Offenbar war hier den veränderten Bevölkerungsverhältnissen einmal Rechnung getragen worden: auch später blieb es bei der geringeren Summe3. Das Register der Orte, die zu der Pfarre gehörten, mit der Zahl der Besitzer und der Höhe der Zahlungsverpflichtung von jedem Ort bildete für den Prozeß, der ohne ein eigentliches Urteil ausging, eine wichtige Rechtsgrundlage4. Der Festigkeit der einmal aufgebauten Verwaltung entsprach es auch, daß innerhalb älterer Parochialbezirke neu gebildete Pfarren den Peterspfennig nicht unmittelbar dem Subkollektor zahlten, sondern ihn weiter an die Kirche entrichteten, die ursprünglich das ganze Gebiet umfaßt hatte 5 . Die Starre des Rechnungswesens in der Kollektorie erlaubte keine nachträglichen Korrekturen, die es den tatsächlichen Verhältnissen wieder angeglichen hätten. Daß der Peterspfennig nicht mehr von der vorhandenen Kopfzahl der Bevölkerung, sondern als Pauschalsumme jeder Parochie erhoben wurde, hatte einmal seine enge Verbindung 1 Gromnicki 151 ff. auf Grund der Hs. 1815 der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau. 2 Vgl. die übersichtliche Tabelle bei Gromnicki 342. 3 Gromnicki 343. 4 Für seine Bedeutung in der Frage, ob der Peterspfennig Kopfoder Grundzins gewesen sei, vgl. unten S. 264. fi Cod. dipi. Poloniae Minoris IV (Mon. hist. res gestas Poloniae ili. XVII, w Krakowie 1905), 487 nr. 1506 von 1448 Sept. 30: quod rectores ecclesiarum parrochialium in villis Byalya, Przeatanye et Myedzwno . . . eum (sc. den Peterspfennig) . . . ecclesie parrochiali . . . et suo plebano . . . in Clobuczsko representare tenentur, tamquam filie matrici. Weitere Beispiele bei Gromnicki 73 f.

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Die Steuerverwaltung

mit den übrigen Parochialeinkünften zur Folge1, gestattete den Pfarrern aber auch, die eingegangenen Summen teilweise oder, bei Unterbrechungen der Kollektorentätigkeit, vollständig anderweit zu verbrauchen. In einem Bande lateinischer Predigten der gnesener Seminarbibliothek hat ein Zufall ein charakteristisches Beispiel dafür erhalten. Nach einer Notiz für das Jahr 1488 teilte der Pfarrer in Lankoszyno Mathias mit dem Schulrektor Peter derart, daß der letztere 7 gr. für den Peterspfennig der römischen Kirche übergeben mußte, während von dem Rest er selbst zwei, der Pfarrer aber ein Drittel erhalten sollte2. Während hier der Umfang der Steuer zahlenmäßig weiter auf den älteren Grundlagen beruhte, tritt gegen das Ende des Jahrhunderts zum ersten und einzigen Male eine weitere, von der Zahlung des Peterspfennigs befreite Gruppe neben Adel und Geistlichkeit: die sanctuarii3. Daß sie, eine Gruppe höriger, für den Kirchendienst bestimmter ländlicher Bevölkerung4, in dieser Spätzeit der päpstlichen Steuer genannt werden, deckt sich mit anderen Anschauungen der gleichen Jahrzehnte, wie sie etwa Dhigosz in seiner polnischen Geschichte niedergelegt hatte; er gab darin an, daß coloni et rusticani homines von jedem Haupte einen Denar jährlich zahlten6. Beide Nachrichten, auch das charakteristische 1 G r o m n i c k i 73 ff.; H. F. Schmid in: Z. Sav. K. A. 17, 341. 2 Mon. Pol. hist. V (Lwöw 1888), 961. Weiteres Material bei Gromn i c k i 68 Anm. 1 und 76; ferner U l a n o w s k i und Z ? a c h o r o w s k i in: Aroh. kom.hist. 10 (Kraköw 1916), 388f.; U l a n o w s k i , Visitationes bonorum archiep. Gnesnensis s. X V I (Crac. 1920), 343. 3 B. Ulanowski, Acta Capitulorum Cracoviensis et Plocensis selecta, in: Archiwum Komisyi historycznej = Collectanea ex Archivo collegii historici VI (Krak6w 1891), 71 nr. 270 von 1487 Mai 11: In oausa honorabilis domini Johannis in Mogilany plebani ab una et kmetonum sive sanctuariorum de Gorka ab altera partibus occasione percepoionis denarii s. Petri . . . recepta relacione et confessione plebani deolaraverunt de cetero ipsos a solucione denarii s. Petri ex eo, quod sunt perpetuo ascripti ecclesie, esse absolutos et liberos. 4 Über ihre rechtliche Stellung und zu dem oben angeführten Zitat vgl. H. P. S c h m i d 317 ff. mit Anm. 5 sowie S. 3 2 5 ; G r o m n i c k i 67. 5 Dlugosz, Hist. Pol. a. a. O. (S. 131 Anm. 6) I I I 86: ut de quolibet capite coloni et rusticani homines unum denarium annuatim exsolvant usualem: quae etiam in diem hanc et usque in aetatem nostram continuatur; vgl. ebenda 1269.

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

Schweigen gerade weltlicher Zeugen in dem Prozeß des Jahres 1422 deuten darauf hin, daß der Kreis derer, die den Peterspfennig zahlten, sich zwar nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich verengte, wenn es auch zu einer ausschließlichen Verpflichtung der an die Scholle gebundenen ländlichen Bevölkerung, von der nur die sanctuarii ausgenommen gewesen wären, nie gekommen ist 1 , sodaß auch diese späten Nachrichten nichts Eindeutiges für den Grundzinscharakter des Peterspfennigs aussagen. Dafür bieten die Akten des Prozesses, der im Jahre 1491 zwischen dem Generalkollektor und dem Pfarrer von Wielkie Ksiaznice geführt wurde2, einen entscheidenden Beweis. Sie geben auf Grund der alten Register, also doch wohl der Bevölkerungszählung in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Summe, die jeder Ort des Sprengeis jährlich zu entrichten hatte. Ferner aber geben sie als einzige unserer sämtlichen Quellen die Zahl der zur Steuer verpflichteten Besitzer, so daß es möglich ist, deren Anzahl mit der Bevölkerungsziffer zu vergleichen. Wäre der Zins als Grundsteuer radiziert worden, so müßte bei gleicher Zahl der Grundbesitzer auch der jährliche Zins aus den einzelnen Orten gleich groß sein. Das ist nicht der Fall. In Modrzany zahlen 8 Bauern 2 gr. 5 den. in Moykowycze gleichfalls 8 Bauern nur 2 gr. weniger 2 oboli, während in Macziczyna 4 Steuerzahler zu 15 Denaren verpflichtet sind, etwa im Vergleich zu den 37 Denaren der Bauern von Modrzany. Umgekehrt beträgt die Summe in Magna Xanschnycze und Yaxycze jedesmal 4 gr. 4 den. (1 gr. = 16 den.), obgleich im ersten Orte 18, im zweiten 24 Bauern ansässig waren3: Die Steuer war eben ursprünglich auf die in beiden Orten gleich große Bevölkerungszahl von 68 steuerpflichtigen Einwohnern radiziert und war völlig unabhängig von Zahl und Umfang der Besitzungen — d. h., sie war eben eine Kopf- und keine Grundsteuer, woran auch die Tatsache 1 Anders F a b r e 175; Gromnicki 54ff. zu Dhigosz. 2 Vgl. oben S. 262 mit Anm. 1. 3 Die Zahlen bei Gromnicki 152 f. Anm. 1. Das Register bezeichnet den Peterspfennig als petronale und berechnet für jedes Dorf die summa petronalium. Vgl. unten S. 302 f. Anm. 6.

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Verwendung des Zinses in Polen

nicht rührt, daß in der Spätzeit unseres Zinses der Kreis der Zahlungspflichtigen vielfach auf Kmetonen, Gärtner, überhaupt auf Unfreie eingeschränkt ist. Doch die Erschöpfung der kurialen Finanzpolitik in der Gesamtkirche, die seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts den Peterspfennig nach dem politischen auch seines finanziellen Wertes beraubte, zeigte sich schließlich nicht so sehr in diesen Durchbrechungen seiner Organisation als darin, daß sein letzter praktischer Zweck sich gleichzeitig wandelte. Das 14. Jahrhundert hatte in langwährenden Kämpfen aus dem politischen Zins eine reine Geldsteuer gemacht. Aber auch die Geldquelle büßte jetzt im 15. Jahrhundert für die Päpste Wesentliches von dem ein, was sie bisher bedeutet hatte. Leichter als in früheren Jahren war die Kurie bereit, wenigstens vorübergehend zu Gunsten größerer Aufgaben auf den Peterspfennig zu verzichten. Es gelang den polnischen Königen, zunächst gelegentlich, am Ende so gut wie regelmäßig, den Peterspfennig als Unterstützung für den Türkenkampf im Lande zu behalten. Der größeren Bereitschaft der Kurie zum Verzicht, entsprach der energischere Anspruch der Könige Polens auf die alte Steuer. Beides beherrschte die letzte Epoche des Peterspfennigs und bestimmte sein endliches Schicksal. Einen ersten Versuch, den Zins im eigenen Lande zu verbrauchen, hatte bereits Kasimir der Große unternommen. Als er Gelder, die der Kollektor Arnald von Lacaucina aus dem Peterspfennig und anderen Steuern eingehoben hatte, für den Staat mit Beschlag belegte und verbrauchte, hatte er mit der nachträglichen Genehmigung des Papstes gerechnet. Statt dessen schrieb ihm aber Innocenz VI. am 10. Februar 1354, daß die Kirche selbst diese Gelder brauche, so daß er den König für ihren Verbrauch nicht entlasten könne1. Dagegen überließ er ihm noch im gleichen Jahre die Hälfte der Zehnten aus den kirchlichen Einkünften und stundete ihm die Rückzahlung der Gelder aus dem Peterspfennig für drei Jahre2. Offenbar wollte der Papst gerade auf diesen Zins nicht verzichten, um 1 Ptaänik, Acta Cam. II 64 nr. 97. 2 Ebenda II 73 nr. 110.

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

nicht durch einen Präzedenzfall das Anrecht auf ihn in Frage zu stellen. Aber es war doch ein erster Versuch des polnischen Königs, den kurialen Kopfzins im eigenen Lande zu verwerten; er war richtunggebend für die Entwicklung des 15. Jahrhunderts. Als ein Jahrhundert später der polnische König Wladyslaw Warenczyk diesen Versuch wiederholte, konnte er bessere Gründe geltend machen. Während die Politik Polens gegen die Ostsee und gegen Schlesien nur Sache seines eigensten Machtstrebens war, erfüllte es nach Osten eine europäische Aufgabe. Es blieb ein Gegner der schismatischen Bussen, der es schon lange gewesen war. Es wurde für opfervolle schwere Jahrhunderte ein Vorkämpfer der Christenheit gegen die Türken. Wenn es üblich war, daß die Kurie den Fürsten für viel weltlichere Zwecke ihrer Politik Gelder aus kirchlichen Einkünften zur Verfügung stellte, dann konnte der polnische König sie umso eher beanspruchen, als er ja immer den kirchlichen und christlichen Wert seiner Absichten wenigstens äußerlich nachweisen konnte. Daher war im Jahre 1444 der Peterspfennig zum ersten Male dem polnischen Könige Wiadyslaw Warenczyk für den Kampf gegen die Türken überlassen worden, und zwar nicht nur aus Polen selbst, sondern ebenso aus den anderen Diözesen, die ihn entrichteten1. Noch im gleichen Jahre hatte der jugendliche König bei Warna im Kampfe gegen die Türken den Heldentod erlitten. Es war eines der schwersten Opfer, das Polen in den Jahrhunderten der Türkenkriege zu bringen hatte. Als im Jahre 1447 Kasimir Jagieöonczyk den Thron bestiegen hatte, befahl Papst Nikolaus V. dem krakauer Kantor und Kollektor Nikolaus Spicimiri über Peterspfenniggelder zu quittieren, die er zur Zeit Wladyslaws von Polen eingesammelt und dem Könige und anderen übergeben habe2. Auch der neue polnische König bat noch im Jahre seiner Thronbesteigung, ihm den Peterspfennig zu überlassen8. 1 Th einer, Mon. Pol. II 42 nr. 58 von 1444 März 11. 2 Ebenda II 51 nr. 73 von 1447 Dez. 9. 3 D l u g o s z a. a. 0 . V = Opera XIV (1878), 35; vgl. Gromnicki a. a. 0.166.

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Verwendung des Zinses in Polen

Ähnlich wie der König, hatte auch der polnische Teilfürst Boleslaw von Masowien Hilfsgelder aus dem Peterspfennig und dem vom Basler Konzil eingeforderten Griechenzehnten erhalten, um die Schäden zu heilen, die sein Herzogtum in den Kämpfen mit den Türken erlitten hatte 1 . Ein Jahrhundert nach der Beilegung der Streitigkeiten um den Peterspfennig, ein Jahrhundert nach dem Vertrage von Wysehrad (1337), der die Ablösung Schlesiens von Polen bestätigte, und nach dem Kalischer Frieden von 13432, der den Verzicht Polens auf die im Ordensland befindlichen Länder ausgesprochen hatte, erwachte nun die politische Fragestellung jener Jahrzehnte, die die Zahlung des Peterspfennigs im Osten beherrscht hatte, noch einmal zu lebendigster Gegenwärtigkeit. Noch war ja die politische Lage in den Grundzügen unverändert. Selbst die Niederlage des Ordens bei Tannenberg 1410 hatte sie noch nicht ernstlich beeinflußt. Aus der gleichen Konstellation mußten die entsprechenden politischen Reaktionen erfolgen, wenn die Kurie mit derselben Kraft die Ansprüche erhob, die im 14. Jahrhundert einen jahrzehntelangen Sturm entfesselt hatten. Freilich war die Kraft der päpstlichen Finanzpolitik nicht mehr die alte. So wiederholten sich die Konflikte jener vergangenen Zeit nur abgeschwächt. Sie bewiesen das Beharrungsvermögen der politischen Probleme, die einmal mit dem Vordringen des deutschen Elements im Osten entstanden waren, ohne dann Ausgleich und Lösung zu finden. Die Aktivität, die vom Baseler Konzil wie vom Papst gegen die Mitte des Jahrhunderts im Osten entfaltet wurde3, hielt auch die Einsammlung des Peterspfennigs in regem Fluß oder hatte manches in den kirchlichen Streitigkeiten Versäumte nachzuholen. Wenn jetzt aber die Steuer in alter Weise von den Ländern erhoben wurde, die nicht mehr zu Polen gehörten und sich daher lange gegen ihre Erhebung gewehrt hatten, so war auch hierin die politische Lage noch unverändert und warnte vor den Kollektoren, die aus Polen kamen. Das alte Mißtrauen wurde aber geschärft und die 1 Theiner a . a . O . II 46 nr. 67 von 1446 Mai 28. 2 Vgl. oben S. 208. 3 K. V ö l k e r in: Z . K . G. 47 (1928), 360.

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

außenpolitische Problematik, die mit der Forderung des Zinses im Osten verbunden war, auch in der Zeit seines Verfalls noch einmal zugespitzt, wenn der Peterspfennig aus allen Diözesen, die ihn entrichteten, dem polnischen Könige überlassen wurde. Diesem Zusammenhange suchte man sich daher in Schlesien wie im preußischen Ordenslande um die Mitte des 15. Jahrhunderts zu entziehen. Nachdem Wladyslaw Jagiello schon im Juni 1433 seinen Beitritt zum Basler Konzil erklärt hatte, nahmen nach der Aussöhnung Eugens IV. mit dem Konzil im Beginn des folgenden Jahres die Vertreter Polens an der Kirchenversammlung teil 1 . Sie bestimmte, auch auf diesem Gebiet in den Spuren der päpstlichen Finanzpolitik bleibend, noch im Jahre 1434 den breslauer Domherrn Nikolaus Gramis zum Kollektor der Ablaßgelder und des Peterspfennigs2. Der Beauftragte des Konzils hielt an den üblichen Formen der kurialen Finanzverwaltung fest. Er setzte Subkollektoren ein, die ihm über ihre Tätigkeit in Polen3 wie in Schlesien4 berichteten. Im Frühjahr und im Dezember 1435 legte Gramis selbst vor dem Konzil Rechenschaft ab 5 . Wie in der Zeit des Schismas, folgte Polen auch in der Politik zwischen Papst und Konzil dem deutschen Vorbild. Als die deutschen Kurfürsten die Neutralität verkündet hatten, zog sich Polen auf die gleiche, jede Möglichkeit offen lassende Position zurück und hat sie im Anschluß an die Reichspolitik erst im Jahre 1447 verlassen, indem es auf die Seite des Papstes trat. Als zudem Papst Eugen IV. wenigstens die vorübergehende Union mit der griechischen Kirche (1439) durchführte, hatte das Konzil im Osten verspielt. Daher zögerte Gramis mit der Ablieferung der Gelder, und das Ende seiner Arbeit 1 T. Zegarski, Polen und das Basler Konzil. Diss. Freiburg i. B. (Posen 1910), 26 ff. 2 Wilh. Altmann, Acta Nicolai Gramis. Urkunden und Aktenstücke betr. die Beziehungen Schlesiens zum Basler Konzile. Cod. dipl. Sil. XV (Breslau 1890), 10 nr. 7; zum Folgenden ders., Zur Gesch. der Erhebung des Peterspfennigs im Kgr. Polen durch Beauftragte des Basier Konzils, in: Z. H. G. Pos. 5 (1890), 26 ff. 3 Altmann, Acta 10 nr. 7. 4 Ebenda 11 nr. 8. 5 Ebenda 8 nr. 6.

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Der Peterspfennig in Schlesien

war eine reguläre Betrugsaffäre, in der auch die Gelder aus dem Peterspfennig eine nicht unbeträchtliche Rolle spielten. Statt seiner erhielt im Jahre 1442 das breslauer Domkapitel vom päpstlichen Nuntius den Auftrag, die Gelder in Zukunft einzuziehen1; es gab ihn 1445 an den Kanoniker seines Kapitels Johannes Gnechewicz weiter2, nachdem der breslauer Bischof bereits daran gedacht hatte, den Zins aus der Provinz Gnesen, oder wenigstens aus Breslau und Kulm selbst zu erwerben3. Bei dieser Gelegenheit griff das Kapitel die Gelegenheit auf, sich des Peterspfennigs überhaupt zu entledigen. Seit mehr als einem Jahrhundert war Schlesien politisch von Polen getrennt; so beriefen sich die breslauer Domherren auf Kaiser und Reich, um nachzuweisen, daß ihre Diözese zur Zahlung der Steuer nicht verpflichtet sei. Von Polen aus verbot ihnen der Nuntius und Generalkollektor Andreas de Palatio, dem Eugen IV. nach dem Zwischenspiel der konziliaren Finanzpolitik die Leitung der polnischen Kollektorie übertragen hatte 4 , die Zurückhaltung des Peterspfennigs und erklärte, daß weder Kaiser noch Reich irgendetwas mit der Erhebung der Steuer zu tun hätten 5 . Der Wille des päpstlichen Generalkollektors galt. Der Apparat der Steuererhebung blieb intakt. Neben anderen Abrechnungen, die mit der Affäre des Nikolaus Gramis zusammenhingen, entstand im Jahre 1447 im Archidiakonat Oppeln der Rechenschaftsbericht eines Subkollektors6, der 1 Altmann, Acta 227 nr. 163 von 1442 Okt. 15; ebenda 228 wird ein weiteres Schreiben des Konzils an den Abt des Sandstiftes in der gleichen Sache erwähnt. 2 Stadtarchiv Breslau, Abschrift Kloses vom Ende des 18. Jahrhunderts, Klose 112 p. 129 von 1445 Febr. 13. Breslau. 3 Ebenda p. 107 von (14) 42, Breslau. 4 Vgl. oben S. 266 Anm. 1. 5 Stadtarchiv Breslau, Klose 112 p. 54 von 1445 April 13; am 24. Februar 1445 hatte der Kollektor von Warschau aus bereits den Peterspfennig auf den Tag S. Adalberti (23. April) eingefordert, ebenda, Klose 112 p.23. 6 Lambert S c h u l t e , Die Rechnung über den Peterspfennig von 1447, in: Kleine Schriften I (Darst. u. Qu. z. schles. Gesch. 23, Breslau 1918), 193 ff.; vgl. A. W e i t z e l in: Z. Gesch. Schi. 12 (1874), 385 und H . M a r k g r a f , Die Rechnung (s. S. 109)mit dem Text der Abrechnung.

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

schon seit einer Anzahl von Jahren in seinem Amte wirkte. Dieser Bericht zeigt, daß die Form der Zinseinziehung auf Grund einer älteren Taxordnung noch immer üblich war1. Allerdings sind, anders als im eigentlichen Polen, die Zahlen gegenüber denen des 14. Jahrhunderts gestiegen2, so daß in Schlesien offenbar ein Angleich an die gewachsenen Bevölkerungszahlen erstrebt worden war. Wenn auch der Versuch der Schlesier, die kirchlichen Winren zur Abschaffung des Peterspfennigs auszunutzen, mißlungen war, so zeigt er doch, daß die Bestrebungen des 14. Jahrhunderts noch immer fortgesetzt wurden, und die politische Entwicklung zu der Ablehnung einer Pflicht drängte, die ursprünglich aus der Zugehörigkeit zu Polen entstanden war. So tief das Bewußtsein von dieser politischen Verbindung Schlesiens mit dem böhmischen Reiche sich allgemein durchgesetzt hatte, so eifersüchtig wachte Polen noch immer darüber, daß die Erhebung des Peterspfennigs als bedeutsamer Beweis alter polnischer Zusammenhänge in Schlesien weiterhin in der bisher üblichen Form vonstatten ging. Obgleich es Karl IV. mißlungen war, Breslau zum Erzbistum Prag zu ziehen, wurde doch die tatsächliche Verbindung Schlesiens mit Böhmen immer enger. Rechtlich blieb es Gnesen unterstellt. Aber selbst der päpstlichen Kanzlei war der schlesisch-böhmische Zusammenhang so vertraut, daß sie gegen das gnesener Metropolitanrecht verstieß. Daher schrieb Kalixt III. am 18. April 1458 seinem Legaten in Polen, Nikolaus Spicimiri, es seien versehentlich prager Kleriker zur Erhebung des Peterspfennigs in Schlesien bestimmt worden. Erst ein Brief König Kasimirs von Polen habe ihn darauf aufmerksam gemacht, daß die Diözese Breslau nicht zu Prag, sondern zu Gnesen gehöre, wie denn überhaupt die schlesischen Herzogtümer ein Teil von Polen gewesen seien3. 1 S c h u l t e a.a.O. 194f. Das Register war so angelegt, daß die einzelnen Kirchorte, nach Archipresbyteraten geordnet, untereinander standen; vor ihnen wurde die ältere Taxe eingetragen, dahinter der tatsächliche Eingang; eine etwas abweichende Methode s. S. 295. 2 S c h u l t e a.a.O. 198. 3 Original im Domarchiv Gnesen unter der Signatur I nr. 53.

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Der Peterspfennig in Schlesien

In schwachen Konturen, aber unverkennbar zeigen sich in Schlesien die alten Probleme des vergangenen Jahrhunderts: der Versuch des breslauer Kapitels, sich unter Berufung auf Kaiser und Reich von der Zinspflicht zu befreien, die bedeutungsvolle historische Reminiszenz, die der polnische König mit der Wahrnehmung der gnesener kirchlichen Interessen verband, die Stellung des Legaten, der im Widerspruch gegen die Breslauer, mit den päpstlichen auch polnische Ansprüche gegen das Reich verteidigte, und endlich der Papst selbst, der den Hinweis der Polen auf die richtigen organisatorischen Zusammenhänge bereitwillig aufnahm, erinnern an die Kampfjahre des Nikolaus von Banz und der französischen Kollektoren. Das Festhalten des polnischen Königs am historischen Bilde des polnischen Schlesiens war für das Schicksal der Herzogtümer zwar belanglos. Anders aber stand es, wenn sich mit der geschichtlichen Erinnerung politische Pläne verbanden, die jederzeit zu einem gewaltsamen Zusammenstoß führen konnten. Daher bedeutete für das preußische Ordensland der päpstliche Kollektor des Peterspfennigs eine unmittelbare diplomatische Gefahr. Zwar hatten die Gegensätze zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil die ordnungsgemäße Ablieferung von Ablaßgeldern und Peterspfennig unterbrechen können, innerhalb der polnischen Kollektorie aber einschließlich Schlesiens und des Ordenslandes wurden die Gelder, abgesehen von den Unterschlagungen Nikolaus Gramis, regelmäßig erhoben und thesauriert1 — oder ohne Rücksicht auf ihre eigentliche Bestimmung im Lande verbraucht2. „Alle jar pfleget", wie eine Denkschrift des Deutschen Ordens aus der Zeit der Jahres1 Am 14. 8. (1443?) suchte der Kollektor Spicimiri seine Geldforderungen bereits persönlich beim Hochmeister anzubringen, der aber unter Hinweis auf die ungeklärte kirchenpolitische Lage und die Unmöglichkeit, den richtigen Kollektor der beiden Parteien festzustellen, die weitere Thesaurierung des Peterspfennigs und des Ablaßgeldes verfügte (Protokoll der Aussprache im Sta. Kbg., O. F. 15, 185—187). 2 Ein Beispiel aus Wehlau im Sta. Kbg., O. B. A. von 1447 Nov. 9. — Über die Schwierigkeiten, die der Orden selbst durch den Verbrauch der Gelder hatte, vgl. unten im Text.

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wende 1447/48 berichtet, „eyner uss der krönen czu Polan adir van Bresslaw im lande Prewssen zu bestellen, das sotan gelt gefordert wirt und uffgehaben"1. Während also der Generalkollektor sich in Polen aufhielt bezw. aus Schlesien seine Aufträge für Preußen erteilte, war im Ordenslande selbst ein Subkollektor für ihn tätig. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts scheinen die Bischöfe als Instanz für die Einziehung des Peterspfennigs in Preußen nicht direkt beteiligt. Dagegen wirken andere Geistliche des Landes im Dienst der Kollektorie. So war der bekannte marienwerderer Domherr Konrad Bitschin, Pädagoge und Historiker, im Jahre 1445 auch als Kollektor des Peterspfennigs tätig und nahm in dieser Stellung Aufträge des Kollektors Nikolaus Spicimiri entgegen2. Aber der krakauer Domherr und päpstliche Kollektor, der seit dem Jahre 1438 die Geschäfte der polnischen Kollektorie leitete3, war in diesen Jahren nicht der einzige Vertreter der kurialen Finanzinteressen. Im April 1445 erhob auch der päpstliche Nuntius Andreas de Palatio, der im Jahre 1444 den Auftrag erhalten hatte, die Einkünfte aus dem Peterspfennig dem polnischen Könige zum Türkenkriege zu überlassen, Geldforderungen an die Geistlichen der Diözese Leslau und damit Pommerellens4. Die Neutralität, die der Orden zunächst gleich dem übrigen Deutschland zwischen dem Papst und dem Konzil eingenommen hatte, verhinderte wohl, daß diese Gelder an die päpstliche Kammer weitergeleitet wurden. Jedenfalls erfolgten seit dem Jahre 1440 keine Zahlungen mehr5. Umso eher konnte der Generalprokurator des Ordens an der Kurie, der Bischof von Ösel, Johann Crowel, die Gunst Eugens IV. gewinnen, wenn er ihm beträchtliche Summen aus dem 1 Anhang Nr. 19. 2 Vidimus eines Briefes des Kollektors Nikolaus Spicimiri an Bitschin durch den Danziger Pfarrer Andreas Ruperti von 1445 Mai 14. im Staatsarchiv Königsberg, Schiebl. X V I I nr. 13. Über Bitschin vgl. zuletzt Arthur Methner, Conrad Bitschin als Danziger Stadtschreiber, in: Z. Wpr. G. V. 69 (1929) bes. S. 78 f. 3 G r o m n i c k i 427. 4 J . Voigt, Gesch. Preußens V I I I (Königsberg 1838), 87 mit Anm. 1. 5 S. unten S. 283.

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Peterspfemiig in Aussicht stellte. Freilich handelte er damit wohl mehr in seinem eigenen Interesse als in dem des Ordens, wenn er tatsächlich zum Kollektor des Peterspfennigs in den Pflichtigen Gebieten des Ordenslandes ernannt wurde1. Daher teilte sein gelegentlicher Stellvertreter und Nachfolger, der ermländische Domherr Jakob Pleeske, zu Anfang des Jahres 1445 dem Hochmeister mit, daß er Mühe genug gehabt habe, die vom Bischof von Ösel erweckten Hoffnungen auf „vil tusent gülden" wieder zu dämpfen: „Ich gebe en vor, das es wenigk sey und nicht der rede werth . . . und hoffe, ich wil das geschrey dempen"2. Wahrscheinlich dachte der Orden jetzt schon daran, eine neue Lösung für die Zahlung des Peterspfennigs zu finden, um die er sich ernstlicher erst einige Jahre später bemühte. Er hatte, zunächst in einzelnen Fällen, gesehen, daß auch der aus Pommerellen und dem Kulmerlande erhobene Peterspfennig vom Papste dem polnischen Könige für den Türkenkrieg zur Verfügung gestellt worden war. Gelder aus dem Ordensland flössen also über die päpstlichen Kollektoren direkt dem polnischen Feinde zu. Auch wenn sie nicht dem Kampf gegen den Orden sondern einer allgemeinchristlichen Aufgabe dienen sollten, wußte doch keiner, wozu sie tatsächlich verwendet wurden. Trotz des „ewigen Friedens" von Thorn, trotz äußerlich guter Beziehungen waren die Spannungen zwischen den beiden Staaten in all diesen Jahrzehnten fast unerträglich. Zu beiden Seiten der Grenze wollten die Kriegsgerüchte nicht verstummen. Das Mißtrauen war immer wach, und blieb es auch, als drei Jahre nach dem Heldentode Wladyslaw Warenczyks (1444) Kasimir Jagieilonczyk den polnischen Thron bestieg. Im März 1447 war in Rom Nikolaus V. auf Eugen IV. gefolgt. Die Leichtigkeit, mit der er dem neuen polnischen Könige in finanzieller Beziehung wie in der Verleihung von Benefizien3 entgegenkam, mußte den Orden warnen. So versuchte denn dieser, die Erhebung des Peterspfennigs in seinen Landen unabhängig von der polnischen Kollektorie zu machen, 1 Vgl. Hermann F r e y t a g a. a. O. 206. 2 Schreiben vom 1. Jan. 1445 im Sta. Kbg., O. B. A. 3 Theiner, Mon. Pol. I I 54 nr.76 von 1447 Dez. 23. 18

KOnlgab. bUt. Forsch.

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zumal die einmalige Ernennung des Bischofs von Ösel zum Kollektor praktisch ohne Folgen blieb. Der im Dezember 1447 ernannte Ordensprokurator Jodokus Hohenstein1 erhielt am 18. Januar 1448 genaue Instruktionen für die Neuordnung der Zinserhebung2. Eine kurze Denkschrift8 der Ordenskanzlei hatte die historische wie die rechtliche Lage und die Absichten zusammengefaßt, die der Orden mit dieser Umgestaltung der Steuer verband. Auf ihr beruhten die Instruktionen, die der Prokurator jetzt und später für seine Verhandlungen an der Kurie erhielt. Der Plan des Hochmeisters stützt sich noch auf die Informationen des ermländischen Domherren Jakob Pleeske4. Er hatte, um den Weg für eine Zahlung des Peterspfennigs unabhängig von Polen zu zeigen, auf eine zweite Zahlungspflicht des Ordenslandes verwiesen, die er gleichfalls unter dem Namen des Peterspfennigs begriff. Er hatte dem Hochmeister mitgeteilt, „das czu ewigen tagen die forderung desselben geldes im lande Prewssen dem Orden czugefuget wurde, so dach, das eyn procurator des ordens alle jar uff den austtag der papstlichen kamer X L adir X X X ducaten davon antwerte" s . Der Zins, von dem hier die Rede war und der an anderer Stelle als „des bobistes czins" neben dem Peterspfennig genannt wurde *, hatte mit dieser Steuer in der Tat nichts gemein. Als der Orden im Jahre 1234 das erst zum geringsten Teile eroberte Preußenland St. Peter zu eigen gab, verpflichtete er sich zur jährlichen Zahlung eines Rekognitionszinses, dessen Höhe nicht näher bestimmt war7. Daß es sich dabei um ein eindeutiges Lehnsverhältnis handelte, bestätigt die Erneuerung der Urkunde durch Innocenz IV. im Jahre 1243, die einen Passus über die Investitur des Hochmeisters mit dem Ringe 1 Freytag a. a. 0 . 209. 2 Konzept im Sta. Kbg., 0. B. A. Vgl. Livländisches U. B. X (1896) 280 nr. 409. 3 Anhang Nr. 19. Mit ihr stimmt die Instruktion vom 18. Januar 1448 weithin wörtlich überein. 4 Anhang Nr. 19, die einleitenden Worte. 5 Ebenda. 6 Ebenda. 7 Vgl. oben 8.96 mit Anm. 2.

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enthielt1. Danach war weder von dem Zins noch von dem Lehnsverhältnis des Ordenslandes mehr die Rede2. Erst Johann X X I I . erinnerte zugleich mit zahlreichen anderen Außenständen auch den Orden an seine Zinspflicht8. Während aber um die Zahlung des Peterspfennigs Jahrzehnte hindurch gestritten wurde, schweigen die Quellen über den Lehnszins des Ordenslandes nach der Forderung Johanns X X I I . wie vordem. Weder in den Rechnungen der Kammer noch an anderer Stelle wird je eine Zahlung dieses census erwähnt. Umso überraschender erscheint sie hier gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts als ein keineswegs vergessener Brauch. Die Höhe des Zinses von 30 oder 40 Dukaten jährlich zeigt, daß es sich um einen fest bemessenen Rekognitionszins handelte; die Worte der kleinen Denkschrift, daß „eyn procurator alle iar in die babistliche kamer uff den cristtag zcu bekenttnisse der hirschafft X L adir dreissig ducaten adir wie men das beteidigen künde, obirantwerte van wegen des ordens und irer lande, so das damethe der czins von allen dissen landen, als in den bullen Innocentii, dementia und Allexandri begriffen ist, gegeben worde, als dach das bisher gescheen ist und gehalden"4, sagen, daß dieser Zins tatsächlich in Anerkennung der päpstlichen Herrschaft nicht etwa nur über Pommerellen und das Kulmerland, sondern über alle Lande des Ordens gezahlt wurde: es war jener Zins damit gemeint, der mit der Inschutznahme des Ordenslandes im Jahre 1234 festgesetzt worden war. Die Nennung der Päpste aber deutet darauf hin, daß an den Zins durch Erneuerung der Bulle von 1234 öfter erinnert worden ist, als unsere Quellen heute erkennen lassen. Mit den im Text genannten Päpsten sind offenbar Innocenz IV. (1243 bis 1254), Alexander IV. (1254—1261) und Klemens IV. (1265 bis 1268) gemeint. Die Erneuerungen der ersten Urkunde durch Innocenz IV. (1. Oktober 1243)8 und Alexander IV. (26. Juli 1257)6 sind uns erhalten. Dagegen ist uns eine 1 Pr. U . B . 11,113 nr. 147 (Potth. 11142); vgl. Caspar, Hermann von Salza 33. 2 Caspar a . a . O . 3 Vgl. oben S. 96 f. 4 Anhang Nr. 19. 5 S. Anm. 1. 6 Pr. U. B. I 2,11 nr. 17 (Potth. 16944).

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entsprechende Bulle Klemens IV., von der die Ordenskanzlei in der Mitte des 15. Jahrhunderts noch Kenntnis hatte, nicht erhalten. Während damit unsere Nachrichten von der Aufrechterhaltung des Lehnsbandes zwischen Preußen und der Kurie um einige Jahre tiefer in das 13. Jahrhundert hineingerückt werden, scheinen die Worte „als das bisher gescheen und gehalden" anzudeuten, daß dieser Zins bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts gezahlt worden sei. Aber in Verbindung mit den Namen der drei Päpste sollen sie doch wohl nur besagen, daß es damals so mit der Entrichtung des Zinses gehalten worden sei. Mit ihm sollte nun der eigentliche Peterspfennig kombiniert werden. Die theoretische Möglichkeit dazu fand man in der Tatsache, daß Papst Johann XXII. den Peterspfennig in seinen Bullen auch „seynen czinss"1 genannt habe, wie auch die andere Summe „des bobistes czins" sei. Nach dem Wunsche des Hochmeisters sollte der Peterspfennig, der nur in Pommerellen und dem Kulmerlande erhoben werde, dort infolge der Verheerungen durch Ketzer und Ungläubige aber wenig ergebe, zusammen mit dem päpstlichen Zins durch den Ordensprokurator direkt an die päpstliche Kammer entrichtet werden. Insgesamt sollten 30 bis 40 Dukaten oder „wie men das beteidingen künde", gezahlt werden. Es sollte also zweierlei erreicht werden. Einmal wollte der Hochmeister verhindern, daß durch den polnischen Kollektor das preußische Geld in die Kasse des polnischen Königs fließe. Sodann aber drängte hier, im letzten Entwicklungsabschnitt des Zinses, auch in Preußen noch einmal das Bestreben durch, die Kopfsteuer durch eine feststehende Pauschalsumme zu ersetzen. Die Finanztechnik der Zeit und das Bedürfnis, die Einmischung auswärtiger Instanzen durch die endgültige Festsetzung der Summe auszuschalten, führten zu dem Versuch, eine Entwicklung nachzuholen, die sich in Polen selbst schon im 14. Jahrhundert durchgesetzt hatte. Wie damals nach der Aufgabe des Widerstandes im Ordenslande die ersten Zahlungen aus dem Peterspfennig im Kulmerland durch den Ordensprokurator direkt besorgt worden waren2, bis der Orden sich 1 Anhang Nr. 19.

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2 Vgl. oben S. 176.

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schnell dem System der Kollektorie einordnen mußte, so führte auch jetzt ein Jahrhundert später die politische Vorsicht gegenüber Polen zu dem gleichen Versuch. Als zweiten Erfolg des neuen Zahlungsmodus aber erhoffte man einen finanziellen Gewinn. Man meinte, nur wenig über die Höhe des Lehnszinses hinausgehen zu brauchen. Die Differenz aus den eingehenden Geldern aber wollte man für das Gehalt des Prokurators verwenden, und indem man den Vertreter des Ordens bei der Kurie von dieser Absicht unterrichtete, eiferte man ihn an, sein Bestes für die Änderung der Zahlungsbedingungen zu tun 1 . Das Interesse der Brüder an einer derartigen Lösung, das zunächst grundsätzlichen Erwägungen entsprungen war, wurde bald durch das Erscheinen eines neuen päpstlichen Kollektors in Polen beträchtlich gesteigert. Im Januar 1448 hatte der Bischof Baptista von Camerino die Kurie als päpstlicher Nuntius für Polen verlassen2. Im März war er in Posen angekommen und hatte seine Tätigkeit damit begonnen, daß er für die einzelnen Bistümer Subkollektoren einsetzte. Im April bestimmte er den krakauer Domherrn Nikolaus Spicimiri, der in Polen schon früher das Amt eines Kollektors versehen hatte, zum Subkollektor für die Diözese Krakau. Am 8. Mai wurde für das Bistum Leslau, zu dem ja auch Pommerellen gehörte, ein Unterbeamter ernannt. Nicht viel später war wohl auch an den Bischof von Kulm ein „Prozess", eine Zahlungsaufforderung des Nuntius ergangen 3 . Daß die Vollmacht, auf die er sich dabei berufen konnte, sich nur auf die Länder des Königs von Polen bezog, gab dem Orden die Handhabe, sofort einzugreifen4. Der Hochmeister 1 Instruktion vom 18. Jan. 1448 (vgl. oben S. 274 mit Anm. 2): so das eyn procurator do vor alle jar jerlich in die bobystliche ca(mer) uff weynachten XL, L ader LX ducaten antwerte. Blebe do boben etwas, das eyn procurator mochte behalden. Vgl. unten S. 285. 2 Für das Itinerar Baptistas vgl. den Kollektorenbericht, Anhang 20; vgl. auch unten S. 279 mit Anm. 5. Die Tätigkeit des Kollektors ist G r o m n i c k i unbekannt geblieben. Zum Folgenden Johann V o i g t , Gesch. Preußens 8 (Königsberg 1838), 152 ff. 3 Vgl. das S. 278 Anm. 1 genannte Schreiben. 4 Ausführliches Schreiben des Hochmeisters zur Rechtslage an den Prokurator, Sta. Kbg., Ordensfoliant 17 (Hochmeisterregistrant 1448—50) p. 208 ff. 277

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ersuchte die einzelnen preußischen Bischöfe, vom Kollektor keine Mahnschreiben entgegenzunehmen1, die auf Grund einer ungenügenden Vollmacht erlassen wurden, verwies darauf, daß bereits der Bischof von Ösel päpstlichen Auftrag zur Erhebung des Peterspfennigs in Preußen habe, griff aber auch direkt in die kirchliche Verwaltung ein, indem er durch die Komture den Geistlichen die Abgabe der Steuer verbieten ließ2. Der Hochmeister hatte auch die nicht von den Ansprüchen des Kollektors betroffenen Bischöfe um ihre Ansicht gebeten. Während Bischof Franz von Ermland erst die Meinung seines Domkapitels abwarten wollte3, gab der Bischof von Pomesanien dem Hochmeister recht: es dünke ihm unbillig, daß Herr Baptista den Peterspfennig in Preußen fordere, da seine Machtbriefe nicht dorthin reichten4. Auch der Bischof von Kulm erklärte sich bereit, „Prozesse" des Nuntius nur in Verbindung mit ausreichenden Vollmachten annehmen zu wollen5. Etwa in der gleichen Zeit, in der Baptista in Preußen abgewiesen worden war, riet der Ordensprokurator dem Hochmeister, sich mit dem Legaten wegen der Streitigkeiten um Riga gut zu stellen und sich wegen des Peterspfennigs mit ihm umso mehr zu einigen, als die polnischen Gesandten an der Kurie den Peterspfennig für die nächsten zehn Jahre und die 1 Schreiben des Bisohofs Johann von Kulm von 1448 Juli 13. Löbau, im Sta. Kbg., O. B . A.: Alz denne euwir erwirdikeit begereth, das wir in der Sachen des peters Pfenninges nicht furder process van dem herren Baptista von Rome uffnemen wollen etc. 2 Schreiben des Vogts von Dirschau an den Hochmeister von 1448 Juli 11. Neuenburg, im Sta. Kbg., O B. A.: Alze ewir erwirdige gnade . . . brife . . . . gesant hot schreibende dy prister in dissen Neuwenborgischen Kamerampten zcu vorbottende unde in vorczelende dy sache, alze ewir erwirdige gnode begernde is in ewern brife des peterspfenniges. 3 Schreiben von 1448 Juli 16. Heilsberg, im Sta. Kbg., O. B. A. 4 Schreiben von 1448 Juli 15. Riesenburg, im Sta. Kbg., O. B . A.: worumbe uns unbillich duncket, das her sulch gelt im lande zcu Prewsen, sinddenmal seine bulle und machtbrieff dahen nicht reichet, vil fordern. 5 Das Anm. 1 genannte Schreiben: Wir wellen gerne uffsehen haben in unserem gestichte, das furder process ader ermanunge des egenanten herren Baptisten ane unser wissen nicht werden uffgenomen, und wir die auch nicht uffnemen wellen, es sey denne, das dobey seyn clare macht brieffe, die wir pflichtig weren uff zcunemen.

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vergangene Zeit der Kirchenspaltung erhalten hätten 1 . Außerdem bat er, um mit dem Papst über die Umwandlung der Steuer in einen jährlich durch den Prokurator zu entrichtenden Zins verhandeln zu können, um genaue Angabe, wie hoch die Eingänge überhaupt seien, da „nymands sunderlich phennynghe vorgibt, her wisse vor, wy vele" 2 . Am 1. Oktober erteilte der Hochmeister ihm die Antwort, daß der Peterspfennig aus Pommerellen und dem Kulmerlande zusammen etwa 400 Mark geringen Geldes betrage, mehr aber nicht. Wenn die päpstliche Kammer jährlich 200 Mark oder nach der Überweisung auf eine römische Bank 100 Dukaten erhielte, so würden für den Prokurator selbst noch etwa 150 Mark bleiben3. Die heftigen Proteste des Ordens gegen den Nuntius Baptista hatten ihren Erfolg nicht verfehlt. Zwar mußte der Prokurator im November über die Klagen des Kollektors berichten, die inzwischen bei der Kurie eingegangen waren4. Aber Baptista selbst hatte seine Wirksamkeit auf die Grenzen beschränken müssen, auf die seine Vollmachten lauteten. Der Kollektorenbericht8, den er in der üblichen Weise nach 1 Livl. U. B. X 328 nr. 472: von dem petersphennynghe, den, alz ich ir vare, dy legaten aws Polyn irworben haben czu entphoen dy neesten 10 jor unde ouch den vorsessen yn der czeyt der uneynunge der kirchen. 2 Ebenda. 3 Sta. Kbg., Ordensfol. 17, p. 48 f.: Ir begeret czu wissen die summa des petirspfenninges, die jerlich gevellet uff Pomerellen und im Colmischemlande. Wir vernemen, das die summa obiral jerlichen beyde, uff Pomereilen und im Colmisschemlande uff IIII 0 marg geriiiges geldes'adir umb die masse solle treffen und nicht hoher. Wenne ir davon alle iar ins papsts kamer anttwortet hundert ducaten, das wurde sich treffen mit dem obirkouffe II 0 marg, so mochten euch villichte anderthalbhundert margk bleiben. 4 Schreiben des Prokurators von 1448 Nov. 17. Rom. im Sta. Kbg., O. B. A.: das der genannte Baptista solch sach unserm heiligen vater vaste swerlichen vorgebracht hate und so claglichen underrichtet, wie im solch gelt abegesagt sey. Die nachträgliche Ausdehnung der Vollmachten Baptistas auf die Ordenslande ( T h e in e r , Mon. Pol. II 57 nr. 84) hat keine Verwendung mehr gefunden. 5 Anhang Nr. 20; vgl. E. Göller, Untersuchungen über das Inventar des Finanzarchivs der Renaissancepäpste (1447—1521), in: Miscellanea Fr. E h r l e V (Roma 1924), 233 , 243 und bes. 265. Ein Hinweis auf eine nicht erhaltene Abrechnung von 1484—6 bei Göller 235.

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seiner Rückkehr der Kammer einreichte, bezeugt Beine Tätigkeit zuletzt im August 1448. Er hatte Subkollektoren für Breslau, Krakau, Gnesen, Plock und Leslau eingesetzt, in dem letzten Bistum zweifellos nur für den polnischen Anteil. Baptista gab in seinem Bericht über seinen Aufbruch und die Finanzierung seiner Reise, über die Ernennung der Subkollektoren und die Summen, die sie ihm abgeliefert hatten, Rechenschaft. Unter den Exitus fanden sich die üblichen Ausgaben für Boten und Pferde, aber auch für Geschenke an die familia des polnischen Königs. Ohne im einzelnen wichtiges Material zu bieten, verdient die Abrechnung des Kollektors und Nuntius Baptista doch Beachtung. Es ist einer der spätesten Kollektorenberichte, der unseres Wissens aus der polnischen Kollektorie an die päpstliche Kammer ging. Da der Peterspfennig seit der Mitte des 15. Jahrhunderts nur noch in Bruchteilen der Kurie zufloß, mußte die Institution dieser Berichte jetzt auch von selbst aufhören. Als der Prokurator über die Klagen Baptistas Mitteilung machte, konnte er zugleich melden, daß der Standpunkt des Ordens sich durchgesetzt, und der Papst einen besonderen Boten zur Erhebung der ausstehenden Gelder in Preußen bestimmt habe 1 . In der Tat hatte Nikolaus V. bereits am 13. November 1448 den kölner Kleriker Gerhard von Dick damit beauftragt, im Herzogtum Bayern und in Preußen den Griechenablaß wie den Peterspfennig einzuziehen 2 . Im Oktober 14483 und im Januar 14494 ermahnte der Hochmeister noch den Prokurator, für die Übertragung der Zinserhebimg an den jeweiligen Ordensvertreter bei der Kurie zu sorgen, und teilte ihm mit, daß der Bischof von Ösel Näheres für die Absendung des Peterspfennifes an die Kammer veran1 Schreiben von 1448 Nov. 17, s. S. 279 Anm. 4. 2 Etwa gleichzeitige Abschrift im Sta. Kbg. O.B. A.: Gerardo de Dyck clerico Coloniensis diocesis . . . intellegimus multas pecuniarum quantitates tarn ex denario s. Petri quam pro unione Grecorum cum occidentali ecclesia ad causam certarum indulgenciarum per Basiiiense olim concilium concessarum in dominiis dilecti filii nobilis viri Henrici ducis Bavarie et in partibus Prusie collectas . . . esse . . . . 3 In dem oben S.279 Anm. 3 genannten Schreiben. 4 Sta. Kbg., Ordensfol. 17 p. 177 f. vom 26. Januar 1449.

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lassen werde. Am 16. März 14491 konnte er dem Prokurator schon melden, daß Gerhard von Dick am Tage zuvor in Marienburg angekommen und mit allen Ehren aufgenommen worden sei. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Prokurator noch einmal eine zusammenfassende und programmatische Erklärung über die Stellung des Ordens in der Frage des Peterspfennigs übermittelt. Der Hochmeister betonte, daß der Widerstand gegen Baptista in keiner Weise gegen den Papst gerichtet gewesen sei: „und hette seyne heiligheit uns eynen vilen geringeren boten und den allirgeringsten gesandt adir seynen willen geschreben, wir weiden uns gehorsam und unverzogen seyner heiligheit willen czu volbrengen gefleissiget haben und nach alczeit fleissigen wellen".2 Das Verhalten gegen den polnischen Nuntius aber motivierte Konrad von Erlichshausen damit, daß einmal der Bischof von Ösel zwar Verfügungsrecht über die Gelder aus dem Peterspfennig, aber keine Vollmacht zur Übergabe dieser Gelder an Baptista gehabt habe, vor allem aber belegte er aus der päpstlichen Bulle für den Kollektor wie aus dessen nach den Ordenslanden gerichtetem processus, daß der Nuntius nur für das Königreich Polen und die Länder des polnischen Königs bevollmächtigt war. Zu denen aber gehörten das Kulmerland und Pommerellen nicht; sie waren Teile des Ordenslandes Preußen! Das Schreiben des Hochmeisters deutete an, daß Baptista dem Einfluß von Ordensgegnern erlegen sei, und belegte das vielsagend mit einer historischen Erinnerung, die, mehr als blasse Reminiszenz, für die Ordenspolitik greifbare Mahnung und Vorbild geworden war. Schon einmal hatte, wie das hochmeisterliche Schreiben ins Gedächtnis rief, ein Erzbischof von Gnesen in der gleichen Art wie jetzt Herr Baptista, den Peterspfennig aus dem Kulmerlande und Pommerellen gefordert. Dann hatte er dem Könige Kasimir eingegeben, daß diese Gebiete zu Polen gehörten, und in umfangreichen Artikeln gegen den Orden prozessiert. Fünfzehn Jahre waren vergangen, bis der Papst Johann XXII. sich richtig orientierte 1 Ebenda p. 208 ff. 2 Ebenda. 281

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und den Bann aufhob, der auf den Ordenslanden lag, weil sie die Entrichtung des Peterspfennigs verweigert hatten 1 . Die Erinnerung an jene Ereignisse war noch immer lebendig. Wie in dem Prozeß des Jahres 1339, so hatte auch 1422 der Peterspfennig als Beweis dafür dienen müssen, daß Pommerellen und das Kulmerland zu Polen gehörten2. Jetzt sollte auch von Seiten des Ordens dem Papst dieses historische Material unterbreitet werden, um ihn über die wirkliche Lage zu unterrichten. Zugleich sollte der Prokurator auch dem Bischof Baptista mitteilen, daß der Widerspruch des Ordens nicht seiner Person, sondern seiner ungenügenden Vollmacht gegolten habe. So dachte der Orden nicht nur daran, in einer energischen diplomatischen Aktion die Gefahren zu beseitigen, welche die Zahlung des Peterspfennigs an einen Kollektor in Polen mit sich brachte. Er erinnerte sich auch auf das lebhafteste der Kämpfe um den Zins, die vor einem runden Jahrhundert Pommerellen und das Kulmerland in langwährende Wirren gestürzt hatten, und empfand die Parallelität jener Ereignisse zur eigenen Lage. Ein ausgeprägtes historisches Bewußtsein, das selbst die Chroniken als politischen Ratgeber nicht verschmähte, schärfte in der hochmeisterlichen Kanzlei die Erkenntnis dieser außenpolitischen Kontinuität. Ein Orden, der noch seine stärkste Lebenskraft aus dem Willen zur Tradition zog, war imstande, aus der Geschichte zu lernen und sich von der Vergangenheit warnen zu lassen. Die historische Reminiszenz wurde zum Maßstab des Handelns. Die innere Einheit eines politischen Vorganges wurde über die Spanne eines Jahrhunderts hinfort vom historischen Sinne der Ordensbrüder so vollständig aufgenommen, daß auch die spätere Forschung hier der geschichtlichen Erkenntnis der Ritter nur nachzugehen vermag. — Wie man gegenüber dem neuen Kollektor des Papstes die Bereitwilligkeit zum Gehorsam gegen die Kurie betonte, 1 Maschke, Historische Bückblicke in der Ordenspolitik des 15. Jahrhunderts, in: Mitt. Ver. Gesch. Ost- u. Westpr. 8 H. 2 (1938). Daß die einzelnen Angaben nicht ganz exakt sind, zeigt ein Vergleich mit der Darstellung der Ereignisse oben in Abschnitt II. 2 Vgl. oben S. 255.

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ao erleichterte man ihm auch demonstrativ seine Aufgabe, die Ablaßgelder und den Peterspfennig einzuziehen. An den Subkollektor und an sämtliche Prälaten des Landes erging der Befehl 1 , umgehend die gesammelten Ablaß- und Peterspfennigsgelder und die dazu gehörigen Abrechnungen in Manenburg dem päpstlichen Nuntius abzuliefern. An einem bestimmten Tage sollten sie zusammenkommen und dann für jedes einzelne Jahr Rechenschaft geben, seit sie die Gelder aufbewahrt hätten. Trotz dieser exakten Organisation für die Abgabe der Gelder befand sich der Orden selbst in der schwierigsten Lage, da er Ablaß- und Zinsgelder längst verbraucht hatte. Mehrfach wandte sich der Hochmeister mit der dringenden Bitte an den Meister in Livland, ihm die 4000 Gulden zurückzugeben, die der Orden wegen der Abgabe der kurialen Gelder dringend wieder brauche2. Zugleich suchte sich der Orden mit Gerhard von Dick dahin zu einigen, daß er das Geld zwar ordnungsgemäß in Empfang nehme und darüber quittiere, es dann aber dem Orden wieder leihweise überlasse. Ein Konzept der Ordenskanzlei enthielt daher in dem Entwurf einer Quittung des Kollektors den Passus, daß vom Peterspfennig beim Hochmeister vom laufenden wie von den 8 letztvergangenen Jahren die Summe von 2546 Mark geringer Münze gegen Sicherheit bleibe8. Anstelle dieses Satzes trat dann schließlich gegen die Wünsche des Ordens doch eine Quittung über den Empfang 1 Schreiben des Hochmeisters an die Prälaten des Landes von 1449 März 23. Mohrungen im Sta. Kbg., Ordensfoliant 17 fol. 2141. 2 Livl. U. B. X395 nr. 538. Vgl. ferner das Schreiben von 1449 Juli 28, ebenda X 477 nr. 636. Zur Sache vgl. auch Leonid Arbusow, die Beziehungen des Deutschen Ordens zum Ablaßhandel seit dem 15. Jahrhundert. Diss. Göttingen (1909) und in: Mitt. a. d. Geb. d. Gesch. Liv-, Est- und Kurlands 20 (Riga 1910) 375 f. 3 Konzept der Ordenskanzlei unter dem Datum 1449 Juni 20. Marienburg. Gerhard von Dick quittiert allen Kollektoren über den Empfang der Ablaßgelder. Danach gestrichen: Jdach van dem petirspfenning bleiben bey dem vorgenanten herren homeyster sowol von desem jare als van acht iaren nestvorgangen vorsamelt aller czusampne gerechent IX M v c und XCVI marg geringer muncze, in welcher summe derselbe herre homeister dem vorbenannten unsern heiligen vater . . . vorhaftlich bleibet schuldig.

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der Gelder. Sie betrugen 2465 Mark geringer Münze1, doch war auch die Zahl dieses Entwurfes vom 3. August noch nicht endgültig. Dagegen teilte der Hochmeister dem Prokurator in Rom am folgenden Tage mit 2 , daß Gerhard von Dick 2109 Mark Ablaßgelder und 2495 Mark vom Peterspfennig erhalten habe*, von denen er einiges für sich genommen, 2400 Mark aber durch den Danziger Bürger Tile Spotendorp an die Bank der Medici überweisen lasse. Der Prokurator sollte eine bullierte Quittung des Papstes besorgen und unter Umständen die Auszahlung des Geldes sperren lassen, bis er die gewünschte Quittung habe. Mit den Angaben des Hochmeisters stimmten die Zahlen überein, die der Nuntius in einem Schreiben vom gleichen Tage, dem 4. August 1449, dem Papste gab 4 . Er teilte mit, daß er 204 Mark für sich selbst verwende und 4400 Mark überweisen lasse, so daß auch in seiner Rechnung die Endsumme 4604 Mark ergibt. Sie sollten umgewechselt etwa 2600 Dukaten ergeben, die zu Weihnachten auf der Bank der Medici liegen sollten. Der Nuntius schrieb, daß dieses 1 Änderung des S. 283 n. 3 genannten Konzeptes im Datum zu August 3. und Quittung über den Empfang von I I M C C C C (danach gestrichen : L X V) marg geringer muncze. 2 Schreiben des Hochmeisters von 1449 August 4. Mohrungen im Sta. Kbg., Ordensfoliant 17. fol. 3 4 7 f . : Und her (sc. der Kollektor) hat van dem aplasgelde X X I c und I X marg geringen geldis und van dem petirspfenningen X X I I I I 0 und XCV marg van uns empfangen.... Van solchim gelde obenberurt hat derselbe Gerardus genomen eyn eczlich geldt czu notdorfft seynir czerung. Das obrige hot her obir gekoufft durch eynen burger czu Danczk Tilen Spotendorp gnant, des ist in der summen I I I I M und I I I I C marg geringen geldis. Solch geldt sal gefallen czu Rome nu uff weinachten nestkomende in der bank de Medicis. . . . so versperret solch geldt in der bank bissolange, das euch die quitancie undir der bullen . . . . werden möge. 3 Dazu Abschrift einer Abrechnung des Tresslers von 1449 über Ablaßgeld und Peterspfennig im Sta. Kbg., O. B. A. Darin folgende Posten: Sant peterspheningh entphangen. Item V I I ° X L I I I gutte marg I I scot hat der her trezeler entphangen und VII ungar. gülden. Davon hat her Gerhardt X X V gutte marg genomen und V I I ungarische golden. 4 Konzept des Schreibens von 1449 August 4 im Sta. Kbg., O. B. A.: obtinui post varios et longos labores de pecuniis collectis in Pruszia tarn

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Der Peterspfennig im Ordenslande

Überweisungsgeschäft nicht schneller zu erledigen sei, „weil es hier keine Kaufleute von den Gesellschaften gibt wie in Mandern, England und Brabant. Und die Wege sind so unsicher, und so viele Kriege, daß selbst ein nackter Mann nicht sicher ist." Eine übermäßig hohe Meinung schien der durch das italienische Bankwesen verwöhnte Kuriale von der Handelsorganisation des Ordenslandes nicht zu haben, das unter der polnischen Feindschaft langsam verarmte und verelendete. Mit der Überweisung der Gelder hatte der Nuntius seine Aufgabe erfüllt, und der Orden seinen guten Willen gegenüber dem Papste bewiesen. Bis in den Anfang des nächsten Jahres hinein bemühte sich der Prokurator vergeblich darum, vom Papste eine bullierte Quittung zu erhalten1, die ihn nach allen Seiten, vor allem wohl für weitere Verhandlungen, sichern sollte. Aber auch der Versuch, die Zahlung des Peterspfennigs durch eine feste, alljährlich vom Prokurator abzuliefernde Summe abzulösen2, blieb ohne ein greifbares Resultat. Trotz der schlechten Erfahrungen des Herrn Baptista gab aber auch sein Nachfolger in der polnischen Kollektorie, ex denario s. Petri quam pro reductione Greoorum quatuor milia et quadringentas marcas prutenicalea . . . . pro expensis, equis et necessariis meis ducente et quatuor marce. Totalis summa omnium pecuniarum fuit quatuor milia VI e et quatuor marce, de quibus subtractis ducentis et quatuor remanent quatuor milia et quadringente marce salve, que constituunt in totum deductis interesse mercatoris, videlicet decem cum dimidio pro centenario, ut credo duo milia ducatorum et V I I e vel circa, que respondebuntur indubitanter camere s. v. in festo nativitatis Christi proximum futuro in bancho de Medicis Negocium huiusmodi celerius et per alium modum expedire non potui, hoc novit deus, quia non reperiuntur hic mercatores de societatibus, prout in Flandria, Anglia et Brabancia. Et vie sunt adeo insecure et gwerre tot, quod homo eciam vacuus non est tutus. Die Klagen des Kollektors, die ein bemerkenswertes Zeugnis des preußischen Wirtschaftsverfalls um die Mitte des 15. Jahrhunderts darstellen, waren nur zu berechtigt. Schon am 4. Oktober 1449 mußte der Hochmeister dem Ordensprokurator mitteilen, daß ein Bote mit der besiegelten Quittung des Kollektors überfallen und die Quittung selbst "czu cleynen stucken gerissen" worden war (Sta. Kbg., Ordensfoliant 17, 377 f.). 1 Vgl. die Schreiben des Hochmeisters bezw. des Prokurators von 1449 Okt. 6, Nov. 16., 1450 Febr. 20., April 9. im Sta. Kbg., Ordensfoliant 17,377; 405 ; 466; O. B. A. 2 Ebenda.

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der krakauer Domkantor Nikolaus Spicimiri1 den Versuch nicht auf, mit einer etwas geschickteren Politik auch in Preußen seine Geschäfte zu besorgen. Im Juli 1449, also noch während der Anwesenheit Gerhards von Dick in Preußen, ließ er sich Empfehlungen von den Bischöfen von Krakau 2 und Leslau8 ausstellen. Danach hatte der Papst andere Kollektoren zurückberufen und statt deren den Kollektor beauftragt, der schon seit etwa 12 Jahren niemals aufgehört hatte, Leiter dieses Amtes zu sein. Während der Bischof von Krakau nur die Ankunft des Dr. Spicimiri ankündigte, bat der Leslauer auch, ihm das ihm Zukommende aus den Ordensländern zu übergeben4. Im August 14506 übersandte der Kollektor dem Hochmeister ein Schreiben Nikolaus V. mit einigen sehr höflichen Begleitzeilen, ohne daß sich daraus etwas für die Ausdehnung seines Amtes auf die preußischen Länder schließen ließe. Er hat in seiner langjährigen Tätigkeit sein Wirken auf Polen beschränken müssen. Im Ordenslande ist der Peterspfennig nach dem Jahre 1449 wohl kaum noch entrichtet worden. Der Gegensatz zwischen den preußischen Ständen und dem Orden verschärfte sich immer mehr. Im Jahre 1454 brach der Krieg zwischen Polen und den Brüdern aus. Damit mußte jede Zahlung an die Kurie ins Stocken kommen. Noch in letzter Stunde vor dem Zusammenbruch des Ordensstaates hielten die Polen an jener Beweisführung fest, die sie seit dem Prozeß von 1339 1 Der Kollektor hatte sein Amt zum ersten Male 1438 übernommen, vgl. G r o m n i c k i 427 nach Cod. dipl. Universitatis Cracov. I (1870), 204; K o r y t k o w s k i , Pralacy I I I 5 7 7 . 2 Schreiben des Bischofs Sbigneus von Krakau (Original) von 1449 Juli 14. Krakau im Sta. Kbg. O. B . A. 3 Schreiben des Bischofs Wladyslaw von Leslau von 1449 Juli 24. Opporow, im Sta. Kbg. O. B. A.: qui eciam a duodecim citra annis umquam huiusmodi officii desiit esse director . . . 4 Der Kollektor verzichtete dann doch ausdrücklich auf die Ausübung seines Amtes, denn der Hochmeister übersandte dem Prokurator unter dem 6. Okt. 1449 "eyne abeschrifft eynes instruments, wie Nicolaus Spitczemiri sich endtslagen hat des petirspfenninges" (Sta. Kbg., Ordensfoliant 17,378); dazu das Notariats-Instr. von 1449 Aug. 7 Marienburg, Sta. Kbg. 5 Original auf Papier von 1450 August 1. Krakau, im Sta. Kbg. O.B.A. 286,

Der Peterspfennig im Ordenslande

immer wieder angewandt hatten. Aber sie wurde, wie in dem Prozeß von 1422, nur noch historisch unterbaut. Auf beiden Seiten dieser Front, die sich im Entscheidungskampfe gegenüberstand, war die Geschichte selbst wirksam, dort als Warnung, hier als Eideshelferin. Am 3. Juli 1464 legten die Polen den lübecker Abgesandten, die zur Vermittlung zwischen Preußen und Polen nach Thorn gekommen waren, eine Denkschrift vor1. Sie folgten, wie in früheren Klageschriften, der chronistischen Überlieferung, daß seit Benedikt IX. und dem Mönch Kasimir der Peterspfennig gezahlt werde, und betonten, daß außer Polen kein Land in seiner Nachbarschaft diesen Zins zahlte. Denn daraus ergab sich auch jetzt noch, daß die umstrittenen Länder Pommerellen, Kulm und Michelau „Länder und Glieder des polnischen Reiches" waren. Und wenn sich auch Meister und Orden bemüht hätten, das Dokument dieser Tatsache zu vernichten, indem sie die Zahlung des Peterspfennigs verweigert und 14 Jahre hindurch das Interdikt ertragen hätten, so hätten sie doch den Beweis nicht verdunkeln können. Zwei Jahre darauf war die Diskussion um den Peterspfennig im Kulmerland für immer beendet. Im zweiten Thorner Frieden (1466) hatte der Orden es mit Pommerellen und weiteren Teilen der westlichen Landschaften Preußens abtreten müssen. Die Schlacht war für den Orden verloren — nicht weil auf seiner Seite das mindere Recht war, nicht weil die Denkschriften der Polen anderthalb Jahrhunderte lang rechtliche Ansprüche enthielten, die sich endlich erfüllt hätten. Doch die Machtverhältnisse hatten sich so tiefgehend verändert, daß das staatliche Schicksal des Ordenslandes besiegelt war. Seit dem zweiten Thorner Frieden erlosch die außenpolitische Problematik des Peterspfennigs, da ihre Voraussetzung, die unausgeglichene Spannung zwischen zwei Völkern, ihren Rechts- und Machtsphären, nicht mehr bestand. Denn so verschieden das Schicksal des deutschen Schlesien unter der Krone Böhmens, der deutschen Ordensgebiete unter polnischer Oberherrschaft jetzt auch war — ihre 1 Toeppen, Acten der Ständetage Ost- u. Westpreußens 5 (Leipzig 1886), 138 f. nr. 49.

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gleichartige Spannung gegen den polnischen Staat und die mit ihm verbundene Kurie war abgeklungen. Wie eine letzte Rechtfertigung des polnischen Sieges berichtet Dhigosz, der Peterspfennig sei seit 14 Jahren nicht gezahlt worden, als das Kulmerland und Pommerellen 1466 an Polen fielen1. Der Zins wird in der Tat seit der Abreise des Kollektors Gerhard von Dick nicht mehr erhoben worden sein. Jetzt wurde er wirklich von Landschaften innerhalb polnischer Grenzen erhoben. Aber er blieb auf die Gebiete beschränkt, die ihn schon vorher gezahlt hatten. Das Ermland blieb gleich den im späteren Mittelalter eroberten Ostprovinzen auch nach 1466 frei von ihm 2 , und Simon Granau wundert sich in seiner Chronik aus dem 16. Jahrhundert, durch welche Privilegien es diesen Vorzug erlangt habe3. Die gleiche Beweiskraft, mit der man anderthalb Jahrhunderte lang in außenpolitischen Zusammenhängen argumentiert hatte, sprach man in diesen Jahren dem Peterspfennig auch für die innere Einheit Polens zu. Die Politik Wladyslaw Lokieteks, die im Anfang des 14. Jahrhunderts die Zersplitterung Polens in Teilfürstentümer beendete, hatte vor den Grenzen der Herzogtümer Masowien und Plock Halt machen müssen. Als die Hauptlinie der Piasten auf dem polnischen Königsthrone schon lange ausgestorben war, herrschte noch immer die masowische Seitenlinie. Erst im Jahre 1529 wurde Masowien dem polnischen Staate vollständig einverleibt. Aber schon beim Tode Herzogs Ziemowits VI. von Plock (1. Januar 1462)4 regten sich die Hoffnungen der polnischen Patrioten auf eine endliche Verwirklichung des alten Einheitstraumes. Wieder, wenn es um die Einheit 1 Dlugosz, a. a. O. V = Opera XIV, 460. Danach ist der Zins im Kulmerlande wieder gezahlt worden; vgl. das Schreiben des Bisohofs Johann Liubodzieski von 1552 Febr. 11, Schweiz in der Bibliothek des Priesterseminars zu Pelplin, Foliant 292 fol. 31 nr. 86, in dem er dem Generalkollektor Stanislaus Borek (vgl. unten S. 294) die unveraügliche Übersendimg des Zinses ankündigt (frdl. Hinweis von Herrn Priv.-Doz. Dr. Schmauch); vgl. S. 294ff. und Anhang nr. 21. 2 G r o m n i c k i 86; vgl. oben S. 258. 3 Simon Grunau, Preußische Chronik ed. Max P e r l b a c h I (Leipzig 1876) 509. 4 Vgl. B a l z e r , Genealogia Piastöw 517: Maleczyöska (s. S. 143) 97ff.

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Der polnische König und die Kollektorie Poles

Polens ging, war Dhigpsz führend. Obgleich er eben im Jahre 1462 bei Kasimir Jagiellonczyk in Ungnade war, verfaßte er ein Memorial, das den Anspruch des polnischen Königs aus dem Hause der Jagieöonen auf die Nachfolge in dem letzten plastischen Teilfürstentum nachwies. Neben der einheitlichen kirchlichen, politischen und rechtlichen Organisation diente die Zahlung des Peterspfennigs als Beweis dafür, daß Plock die Bräuche des Königreichs Polen einhalte1. Nach außen wie nach innen galt die Entrichtung des Zinses noch immer als Zeichen für die unverbrüchliche Einheit des Landes, das ihn an die Kurie zu zahlen hatte. Wenn die Abrechnungen des Bischofs Baptista den Apparat der kurialen Kollektorie noch intakt und seine Aufgabe, Gelder einzutreiben, erfüllt zeigten, so lenkten doch die Ansprüche, welche die polnischen Könige auf den Peterspfennig erhoben, diese Summen seit dem Ende des 15. Jahrhunderts so gut wie vollständig in die königlichen Kassen. Die innige Verbundenheit Polens mit der Kurie, die Jahrhunderte hindurch geherrscht hatte, machte einer kühleren und rationaleren Auffassung dieses Verhältnisses Platz. Seit der Weg an die Ostsee erobert, der Ordensstaat zu Tode getroffen, das Kaisertum geschwächt war, verlor ein Bündnis an Wert, dessen Voraussetzung ebensosehr der universale Gegensatz von Papst und Kaiser wie die ungestillten machtpolitischen Ansprüche Polens waren. Dennoch blieb seine Verbindung nach Rom ununterbrochen. Die Kurie, mochte sie im übrigen ihre italienische Territorialpolitik über viele andere Interessen stellen, vergaß angesichts der Türkennot nie ihre abendländische Bestimmung. An diesem Punkte blieben die Verbindungen zwischen dem östlichen Vorpostenlande und den römischen Päpsten auch in den kommenden Jahrhunderten fest verknüpft. Das schloß für den polnischen König nicht aus, das kuriale Kollektorenwesen der früheren Unabhängigkeit gegenüber dem Staat zu entkleiden, es zu kontrollieren und schließlich geradezu 1 Mon. Fol. VI 624: et in solutione denarii sancti Petri et in creandi» magistratibus, in moribus et iuribus, in consuetudinibus aervat ritus et observantias regni Poloniae. 19

KOiiIpb. bUt. f o r a o h .

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

in einen Teil des staatlichen Verwaltungsapparates zu verwandeln. Als 1497 der im Jahre zuvor vom Papst Alexander VI. ernannte Generalkollektor Michael von Prazmowa, ein Pole, seine Tätigkeit in Polen aufnehmen wollte, ohne seine Vollmachten zuvor am königlichen Hofe vorzuweisen, wurde ihm die Ausübung seines Amtes kurzerhand verboten1: seine Wirksamkeit war bereits von dem Einverständnis des Staates abhängig, und man erließ Verbote, wo man früher jeden Eingriff in die Funktion der Kollektorie vermieden hätte. Dieser staatliche Einfluß auf die Einziehung des Peterspfennigs mußte sich steigern, als die Steuer seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts für ganze Jahrzehnte dem polnischen König überlassen wurde. Noch unter dem schwächlichen und unentschiedenen König Alexander (1501 — 1506) wurde die Entwicklung eingeleitet, welche kuriale Gelder für den Türkenkampf nutzbar machen sollte. Als die Gesandtschaft des königlichen Sekretärs und damaligen Wilnaer Propstes, Erasmus Ciolek vorbereitet wurde, erhielt er den Auftrag,2 die Hälfte aller fructus der polnischen Geistlichkeit, die der Kurie in Polen zustanden, zu erbitten, die zur Erbauung von Burgen gegen Heiden, Türken und Tataren und zum Rückkauf von Christen aus türkischer und tatarischer Gefangenschaft dienen sollten. Außerdem sollte er, wenn es möglich sei, auch die Überlassung des Peterspfennigs aus der Provinz Gnesen durchsetzen, der der Befreiung gefangener Christen oder, wenn es daran fehle, zum Unterhalt von Grenztruppen dienen sollte. Die Stellung des Kollektors aber sollte dem Erzbischof von Gnesen als ständiges Amt übertragen werden, der darüber der Kurie in den bei der Kammer gewohnten Formen Rechnung legen würde. Man dachte also nicht nur daran, die päpstliche 1 Cod. dipl. Poloniae Minoris IV = Mon. hist. res gestaa Poloniae ül. XVII (Kraköw 1905) 685 f. nr. 1527. 2 Acta Aleksandra (1501—1506) ed. Fr. Pap6e = Mon. hist. res gestas Poloniae ill. 19 (Kraköw 1927) 280 nr. .167: impetraret, si factu possibile esset, quatinus denarius s. Petri de provincia Gnesnensi daretur ad liberationem regni Poloniae incolarum captivorum; non extantibus captivis, quod quicquid de toto collecto denarii S. Petri esset in provincia illa, de illo servarentur alerenturque milites . . . . imponereturque onus illud Gnesnensi archiepiscopo, qui collector denarii S. Petri esset perpetuus.

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Der polnische König und die Kollektorie Polen

Steuer im Lande zu behalten. Auch die verantwortliche Leitung der Kollekte sollte dem Einfluß der Kurie entzogen und unmittelbar mit dem Amte des höchsten Geistlichen im Lande verbunden werden. Es war ein Wunsch, der aus der Politik der polnischen Könige noch verständlicher wird, wenn die Kurie bald danach im Jahre 1516 den Bischof Johann Turzo von Breslau, also einen Bischof des gnesener Metropolitanverbandes, der politisch außerhalb des polnischen Staates stand, zum Kollektor des Peterspfennigs im Königreich Polen ernannte1. Im Jahre 1504 erhielt der polnische Gesandte Erasmus Ciolek, der indessen Bischof von Plock geworden war, eine neue, etwas veränderte Instruktion betreffs des Peterspfennigs; er sollte ihn jetzt für die Burg Kamieniec (in Podolien) erbitten2, die für die Verteidigung Polens gegen die Türken eine der wichtigsten Schlüsselstellungen bildete. Am 20. Dezember 1604 verließ Ciolek Krakau, um nach Rom zu reisen3. Am 12. Mai 1505 überließ Papst Julius II, dem polnischen Könige den Peterspfennig für 10 Jahre zu Händen der Bischöfe von Krakau und Plock und des Kastellans von Krakau4. Die Gelder sollten der Wiederherstellung zerstörter Burgen, insbesondere der Burg Kamieniec dienen. So hatte der polnische Gesandte diesen Teil seines Auftrages durchführen können. Von einer Ernennung des Erzbischofs von Gnesen zum ständigen Kollektor des Peterspfennigs war dagegen nicht mehr die Rede. 1 T h e i n e r , Mon. Pol. II 370 nr. 398. Über dieTurzos vgl. zuletzt E. B e i n h a r d t , Johann Thurzo von Bethlemfalva, Beitrr. z. Gesch. d. Stadt Goslar H. 5 (Goslar 1928), 29it., mit sorgfältiger Benutzung der deutschen, polnischen und ungarischen Literatur. 2 Akta Aleksandra 447 nr. 270 von 1504 Dez. 6.: Item denarius S. Petri pro Camyenyecz petendus. 3 K u t r z e b a und P i j a l e k (vgl. folgende Anm.) in: Archiwum Komisji hist. Ser. II T. 1,66. 4 T h e i n e r , Mon. Pol. II303 nr.327; der von T h e i n e r als „Ex Beg. orig. An. II" gegebene Druck stammt in Wirklichkeit gleich anderen, z. B. II 303 nr. 326, aus der Abschriften-Sammlung des Bischofs Erasmus Ciolek von Plock (Vatikanisches Archiv, Arm. XXXII, 21 fol. 6 ff., vgl. fol. 175 v. Vgl. Stanislaw K u t r z e b a und Jan P i j alek, Kopiarz rzymski Erazma Cioika z poczqtku wieku XVI — go [das römische Kopiar E. C.'s aus dem Anfang des 16. Jhs.], in: Archiwum komisji historjcznej Ser. II T. I (Kraköw 1923), 66—113. \9*

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Das Zugeständnis des Papstes sollte für zehn Jahre bis 1515 gelten. Es wurde dann regelmäßig für je 10 Jahre verlängert 1 , so daß der Peterspfennig Jahrzehnte hindurch der königlichen Kasse zufloß. Auch nach dem Tode König Sigismunds I. (1506—1548) wurde er seinem Nachfolger Sigismund August noch einmal bis zum Jahre 1560 oder 1561 überlassen2. Ebenso ist der Peterspfennig danach im Ganzen nie mehr an die Kurie gezahlt worden. Entsprechend den Bestimmungen der päpstlichen Bulle von 1505 wurde der Peterspfennig in den nächsten Jahrzehnten in Polen verwandt, soweit er dort blieb. Im Jahre 1509 wurde dem Bischof von Krakau, Johann Konarski, die Auszahlung von 70 Mark für 1507 und 414 Mark 31 Groschen für 1508 an den königlichen Kanzler, die für die Burg Kamieniec bestimmt waren, quittiert 3 . In ähnlicher Höhe hielten sich die Zahlungen der folgenden Jahre. Im Jahre 1510 betrugen sie 420 Mark 4 bezw. nach einer zweiten, offenbar durch Nachzahlungen notwendig gewordenen Quittung, 428 Mark 5 Groschen®, im Jahre 1515 nur 331 Mark 29 Groschen6. Im Jahre 1531 erfolgte eine weitere Abrechnung7, die aber auch andere Summen betraf. Endlich erhielt am 3. November 1534 der krakauer Bischof Peter Tomicki, der im Februar 1524 von Klemens VII. zum Kollektor des Peterspfennigs ernannt worden war 8 , Quittung über 3565 fl. 2 gr. aus dem Peterspfennig, der von ihm gesammelt und dem Könige vom Papst geschenkt worden war9. Die Höhe der Summe entstand dadurch, daß ihm offenbar noch einmal eine Quittung über die Gesamtsumme ausgestellt wurde, die im Verlaufe seiner Amtstätigkeit eingebracht worden war. Wenn die Gelder aus der päpstlichen Steuer dem polnischen 1 Gromnicki 168. 2 Ebenda. 3 Matrioularum Begni Poloniae Summaria, ed. Th. Wierzbowski, IV 1 (Warszawa 1910), 40 nr. 640. 4 Ebenda IV 1,63 nr. 1057. 5 Ebenda IV 1,67 nr. 1138. 6 Ebenda IV 2 (1912), 146 nr. 11039. 7 Ebenda IV 2, 401 nr. 16055. 8 Theiner, Mon. Pol. II 413 nr. 432 von 1524 Februar 15. Auch bei seiner Ernennung übte der König einen energischen Druck aus, vgl. Acta Tomiciana VI 146 f. nr. 146. 9 Matricularum a. a. O. IV 3 (1915), 17 nr. 17666.

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Der polnische König und die Kollektorie Polen

Könige überlassen wurden, mußte dieser in steigendem Maße auch auf die Bestallung des Kollektors seinen Einfluß ausüben. Schon zu Ende des 15. Jahrhundert hatte Johann I. Albrecht dieses Eingreifen in den Bereich der kurialen Finanzverwaltung versucht 1 . In der nächsten Zeit bemühte sich der König mehrfach darum, den Papst zur Ernennung ihm genehmer Kollektoren zu veranlassen. Auf seinen Wunsch wurde Peter Tomicki im Jahre 1524 Generalkollektor2. Nach seinem Tode am 29. Oktober 1535 suchte Sigismund I. (1506 bis 1548) die Ernennung Johann Latalskis, der Peter Tomicki im Bistum Krakau folgte, auch als Generalkollektor beim Papste durchzusetzen3, ohne daß ein Resultat dieser Bemühungen erkennbar ist. Daß es dem polnischen Könige mit diesen Versuchen, die polnische Kollektorie fest in der Hand zu behalten, ernst war, zeigt ein Zwischenfall nach dem Tode des Bischofs Erasmus Ciolek von Plock. Als der Papst den Propst von Pultusk, Stanislaw von Krakau, gegen den Willen des Königs zum Bischof von Plock providiert hatte, warnte Sigismund I. ihn im November 1522 in der schärfsten Weise, den Peterspfennig des vergangenen Jahres fortzusenden: wenn etwa ein neuer Kollektor dieses Denars ihn wegen des Geldes mahne, solle er sagen, er habe es auf Befehl des verstorbenen Bischofs und Kollektors dem Könige übergeben, der den Peterspfennig vom Papst Leo sei. Gedenkens für ein Jahrzehnt erhalten habe 4 . Die Schärfe der Strafandrohung, Exil und Konfiskation der Güter, bewies das Interesse, das der König seit zwei Jahrzehnten auch an der Organisation der Peterspfennigerhebung nahm. Dieser Einfluß ging schließlich so weit, daß der König an die Stelle des Kollektors trat, wenn es nötig wurde, zur Entrichtung des Peterspfennigs zu mahnen. Im Jahre 1552 befahl Sigismund August dem Rate von Danzig, den ihm zum Schutze seines Landes gewährten Peterspfennig einzuziehen und an den königlichen Fiskus abzuliefern6. Hier schei1 Vgl. oben S. 290. 2 Vgl. S. 292 Anm. 8. 3 Theiner, Mon. Pol. I I 517 nr. 573 von 1536 Jan. 22. 4 Ulanowski, Acta Capitulorum (vgl. S. 263 Anm. 3), 154 nr. 603. 5 Schreiben von 1552 Sept. 7 im Staatsarchiv Danzig, 300 U, 5 B nr. 417.

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nen der päpstliche Kollektor und die anderen geistlichen Subkollektoren überhaupt ausgeschaltet zu sein. Der Rat der deutschen Stadt, die seit einem runden Jahrhundert dem polnischen Staatsverbande zugehörte, aber zur Zahlung des Peterspfennigs schon im 14. Jahrhundert mit Pommerellen herangezogen worden war, sollte die Steuer selbst einfordern und unmittelbar an die königliche Finanzverwaltung abgeben. Seit Jahrzehnten ein Teil der königlichen Einkünfte, hatte der Peterspfennig wenigstens für die königliche Kanzlei nichts mehr mit der Kollektorie der päpstlichen Kammer zu tun. Dagegen zeigen die Abrechnungen, die aus dem 16, Jahrhundert erhalten sind, daß doch noch die bisher üblichen Formen galten. Der vom Papst ernannte Kollektor bezw. seine Unterbeamten zogen den Peterspfennig ein. Dann erst wurde er seinem Zwecke zugeführt, mochte er nun für den polnischen Fiskus oder für andere Empfänger bestimmt sein. Zwei solche größeren Rechenschaftsberichte aus dem 16. Jahrhundert sind erhalten. Der erste stammt aus der Zeit des Bischofs Tomicki und umfaßt die Jahre 1525 bis 1531 mit Nachträgen von 15241. Er gibt, nach Bistümern geordnet," die Zahlungen der einzelnen Subkollektoren in zeitlicher Reihenfolge an. Das Bistum Kulm erscheint mit seiner Abgabe ebenso wie der Archidiakonat Oppeln. Die Rechnung schließt mit den Ausgaben, unter denen sich auch eine Summe für Kamieniec findet. Hatte diese Abrechnung die übliche Form der älteren, summarischen Kollektorenberichte, so gibt der zweite, einige Jahrzehnte später entstandene Bericht einen umso genaueren Einblick in das spezifizierte Rechnungswesen, an dem in den einzelnen Diözesen auf Grund der alten Register festgehalten wurde. In Vertretung des Generalkollektors Stanislaw Borek, war der Subkollektor Valentin Brzostowski mit der Erhebung des Peterspfennigs betraut worden. Seine Abrechnung für die Jahre 1551 bis 1563 2 wirft ein letztes erhellendes Licht auf die Buch1 Gedruckt bei Gromnicki 401—415, Dodatek [Anhang] VI, darin S. 407 f. die auffällig schwankenden Zahlen aus dem Archidiakonat Kulm und z. T. aus dem territorium Pomeraniense. 2 Vgl. Gromnicki 433 ff., Anhang VIII.

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Abrechnung von 1551—1563

führung einer mittelalterlichen kurialen Kollektorie. Nach den ersten, statistischen Erhebungen der Bevölkerungszahl, deren Spuren sich gelegentlich feststellen ließen, war die Einziehung des Peterspfennigs nach der Kopfzahl zu einer gleichbleibenden Pauschalsumme erstarrt, die jährlich aus jeder Gemeinde an den Kollektor abzuliefern war. Immer wieder setzte sich das konservative Element des mittelalterlichen Rechnungswesens, das einem schnellen Wechsel der Steuersätze widersprach, in den verschiedenen Gebieten durch, die den Peterspfennig entrichten mußten. Daß dieses Gleichmaß des Zinses aus jeder Gemeinde in Geltung blieb, wurde durch das Festhalten an den alten, einmal angelegten Registern ermöglicht, auf die man sich in der Praxis der Steuererhebung mehrfach berief1. Dieses Festhalten am Steuersatz beeinflußte schließlich auch das Schema der Abrechnungen. Erst jetzt, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird eine Form des Kollektorenberichtes erkennbar, die zumindest im Lande selbst schon sehr viel länger in Brauch gewesen sein dürfte. Die Summe blieb stets gleich, daher erübrigte es sich, in der Art der Abrechnungen, welche die Generalkollektoren in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts vollzogen hatten, jährlich sämtliche Orte mit der eingegangenen Pauschalsumme von neuem aufzuführen. Jetzt schuf man sich einmal ein Schema, in dem neben jedem Ort der Betrag aufgeführt wurde, zu dem er verpflichtet war; dann wurde daneben ganz schematisch Jahr für Jahr durch ein „solvit" angegeben, daß die Pflicht zur Entrichtung des Peterspfennigs erfüllt war 2 . Die Zahlen aber, die den Betrag aus einer jeden Gemeinde angeben, sind noch die gleichen, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts festgelegt wurden3. Fast 250 Jahre hindurch ist in der Diözese Krakau, für die wir allein ein reichlicheres Vergleichsmaterial besitzen, aus jeder Parochie die gleiche Summe an Denaren entrichtet worden4. In der Mehrzahl der 1 Vgl. oben S. 238, 261 n. 2. 2 Anhang Nr. 21; vgl. S. 270 n. 1. 3 Vgl. die Tabellen bei Gromnicki 310 ff. 4 Die im Anhang Nr. 21 b gegebenen Zahlen betrugen für Nowy Sq.cz 1328 : 3 m. 5 sc.; 1329—1351: 3 m. 5% sc.; 1352: 3 m. 6% sc.; 1352 bis 1378: 3 m. 5% sc.; Für Stary 8q.cz 1328: 20 sc. 3 den.; 1335—1352:

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

Bistümer, die zur gnesener Kirchenprovinz gehörten, setzte sich die Schematisierung auch für die Diözesen durch, ohne daß diese Zahlen allerdings endgültig geworden wären. In Breslau und Kulm haben sie immer variiert. Grundsätzlich blieb also der Betrag, der einmal auf Grund der Kopfzahl der Gemeindemitglieder errechnet worden war, für mehrere Jahrhunderte zahlenmäßig gleioh. Es konnten Änderungen der Bevölkerungszahl eintreten, es konnten einzelne Gemeinden oder ganze kirchliche Verwaltungsdistrikte gelegentlich oder jahrelang auafallen — dann änderte sich die Endsumme, aber der Betrag der einzelnen Gemeinde blieb davon grundsätzlich unberührt. Die Zahl der Denare oder der etwas höheren Geldeinheiten, Groschen und Skot, blieb die gleiche. Was sich aber änderte, war der Wert des Geldes, der sich in der Relation des Groschen zur Mark, der Mark zu anderen Geldeinheiten ausdrückte. Die Tendenz dieser Wertveränderung des Geldes im Mittelalter ist bekannt: sie führte zu einer unaufhaltsamen E n t wertung. Von ihr wurde also auch der Peterspfennig betroffen. Nicht nur die absoluten Summen gingen im Laufe der Jahrhunderte in dem Maß zurück, in dem sich die Organisation der Kollektorie lockerte, auch ihr relativer Wert verminderte sich ständig. Eine Berechnung dieses jeweiligen Wertes hätte hier zu weit geführt1, ohne die Problemstellung in der Geschiohte des Peterspfennigs zu bereichern. Aber ein Hinweis auf diese Entwicklung ist notwendig: sie erklärt nicht zuletzt die schnelle Bereitschaft der Kurie, den Peterspfennig an die polnischen Könige zu überlassen. Seit die Ideologie der kurialen Oberherrschaft über Polen verschwunden war, und die Bedeutung des Peterspfennigs im Etat der päpstlichen 22%sc.; 1355: 22 sc.; 1356—1374: 22% sc.; Podgradzie 1328—1374: 3 m. l g . Zeleznikowo 1328 : 24% so. 7 den.; 1335—1351: 15 sc.; 1353: 9 sc.; 1354—1374: 15 sc. M^cina 1328: 7 sc. 8 den.; von 1335 an: 8 sc. Wieloglowy 1328: 16 sc.; 1335: 14 sc.; von 1346 an: 20 sc. 1 Gromnicki 86 ff. hat sie in dem Abschnitt IX „Der Wert des Denar", durchgeführt; vgl. auch ebenda 93 ff.; M. Gumowski, O grzywnie i monecie piastowskiej [die Mark und die Münzen der Piastenzeit], in: R. A. U. 51 = S. II, 26 (Kraköw 1908), 352 ff. Für England vgl. Jensen, Denarius in: Tr&nsactiotu XIX 241 f., Anhang I.

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Das Collegium arohivi

Kammer zurückging, gelang es den polnischen Königen stets leichter, diese relativ geringwertig gewordenen, an sich aber noch immer beträchtlichen Summen dem königlichen Schatze zuzuleiten. Trotz dieser eindeutigen Entwicklung hat der polnische Fiskus bis zum Ende des Peterspfennigs nie die Gesamtsumme aus dem Zinse erhalten. Im 16. Jahrhundert ist ein bestimmter Teilbetrag jährlich nach Rom gesandt worden, wie früher der gesamte Ertrag aus der Steuer nach Avignon oder Born gegangen war. Diese Summe kam jetzt freilich nicht mehr der päpstlichen Kammer direkt zugute. Durch die Bullen vom 1. und 13. Dezember 1507 gründete Julius II. das Collegium archivi1. Es umfaßte die an der Kurie zugelassenen Notare, die durch die Maßnahmen des Papstes in einer einheitlichen Organisation zusammengeschlossen wurden. In den ersten Bestimmungen, die ihre Einkünfte regeln, ist vom Peterspfennig noch nicht die Bede. Aber schon die Bulle, durch die Klemens VII. am 15. Februar 1524 auf Wunsch des polnischen Königs das Kollektorenamt dem posener Bischof Peter Tomicki übertrug, forderte dessen Einverständnis mit dem Archivkolleg, dem das Amt der polnischen Kollektorie durch den apostolischen Stuhl überlassen worden sei2. Von jetzt an war also der Kollektor nicht allein direkt im Auftrage der päpstlichen Kammer tätig, sondern hing zugleich in gewisser Weise von dem Archivkolleg ab, dem auch der Peterspfennig aus England als regelmäßige Einkunft übertragen wurde3. Aus diesen beiden Ländern, die zur Zahlung der kurialen Steuer noch immer verpflichtet waren, floß der Best einer einst bedeutenden Einnahmequelle der Kasse des Collegium archivi zu. In Wirklichkeit konnten die Notare in den Jahrzehnten überhaupt mit keiner Einkunft aus dem polnischen Peters1 W. v o n H o f m a n n , Forschungen zur Geschichte der kurialen Behörden vom Schisma bis zur Reformation II (Rom 1914), 58 nrr. 231, 232, dazu Sj, 152; G j o m n i c k i 167 ff. 2 T h e i n e r , Mon. Pol. II 414 nr. 482: ac cum dilectis filiis Collegio scriptorum Archivii Romanae Curiae, cui officium dictae Collectoriae per sedem apostolioam applicatum fore dinoscitur, desuper concordare teneamini. 3 J e n s e n , Peterspfennig 100.

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III. Der Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

pfennig rechnen, in denen dieser dem Könige zum Kampf gegen die Türken überlassen wurde. Daher verpflichtete sich der polnische König im Jahre 1540, jährlich 80 Dukaten aus dem Peterspfennig an das Kollegium zu zahlen 1 . Daß diesem dann in der Tat regelmäßig eine bestimmte Summe überwiesen wurde, zeigt die Abrechnung des Valentin Brzostowski für die Jahre 1551 bis 15632. Diese Zahlungen wurden durch Vermittlung einer Bank wohl direkt vollzogen, ohne erst in den Introitus und Exitus der Kammer zu erscheinen 3 . Nach dem Jahre 1563 lassen sich wenigstens keine Beträge mehr nachweisen, die dem Collegium archivi übersandt wurden. Die letzte Summe, die der Peterspfennig aus England brachte, wurde im Jahre 1534 gezahlt; die Verpflichtung selbst fiel im Jahre 15594. Wenn die Zahlungen zeitweise überhaupt aussetzten, so lag es wohl nicht zuletzt daran, daß das Archivkolleg sich selbst um die Erhebung des Peterspfennigs zu bekümmern suchte, nachdem noch Papst Paul III. im Jahre 1546 ausführliche Anweisungen an den Kollektor in Polen hatte ergehen lassen 6 . Jedenfalls behauptete eine Denkschrift, die etwa nach dem Jahre 1573 die Frage des Peterspfennigs für das Collegium archivi zu klären suchte, die Erhebung der Steuer sei an der Unmöglichkeit gescheitert, jemanden zu finden, der diese Mühe auf sich nehmen wollte*. 1 G r o m n i o k i 167. 2 Vgl. Anhang Nr. 21 o. 3 Die in den Introitus und Exitus genannte Summe beträgt jährlich 300 fl. laut mandatum generale von 1516 Juni 11; vgl. Vatikanisches Archiv J E 557 fol.218; 559 fol. 235 v, 198 v; 560 fol. 164 v, 211 für die Jahre 1517 bis 1520, 4 J e n s e n a . a . O . 103 und in: Transactions XIX, 239 f. Vgl. oben S. 231 f. Anm. 5. Wie für Polen, so ist auch betreffs Englands die Kurie in den letzten Jahrzehnten der Entwicklung nur noch um die Auffrischung historischer Zustände bemüht. 5 Breve des Papstes von 1546 August 27. Rom, im Vatikanischen Archiv, Arm. XLI, 36 fol. 565—567. 8 Vatikanisches Archiv AA. Arm. I—XVIII, 4297: Memoriale super collectoria denarii s. Petri in Regno Poloniae. Pro St. Collegio Archivii Rom.Cur.; darin: quod dictum collegium deputarit collectorem huiusmodi denarii pluries sub annua responsione eidem collegio fienda et facta; ab annis vero supra decem cessavit huiusmodi deputacio et exactio denarii, ex quo collegium non invenit personam idoneam, qui voluerit hoc onus acceptare.

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Denkschriften über den Peterspfennig

So kamen an der Kurie wie im Lande selbst immer mehr Schwierigkeiten auf, die den einst so planvollen Aufbau der Kollektorie lähmten und nutzlos werden ließen. Aber entscheidend waren nicht diese äußeren Erschwerungen, sondern die inneren Umwandlungen; von ihnen wurden sämtliche Faktoren ergriffen, welche die Entwicklung des denarius s. Petri beeinflußt hatten. Keines der beiden Motive, zu deren Anerkennung einst der Peterspfennig in Polen gezahlt worden war, galt mehr. Die Denkschriften, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an der Kurie entstanden1, ließen den Peterspfennig in recognitionem fidei catholicae oder in recognitionem oboedientiae S. Romanae ecclesiae gezahlt sein 2 . Jede der beiden Begründungen war von der Zeit überholt. Die Kurie hatte längst auf den Anspruch verzichtet, die politische Oberherrschaft über ein fernab liegendes christliches Land auszuüben und auf dieser rechtlichen Beziehung die Erhebung eines Zinses zu begründen. Aber auch Polen dachte jetzt anders als früher über eine Abhängigkeit, zu der es sich Jahrhunderte hindurch freudig bekannt hatte: der päpstliche Nuntius Commendone berichtete von dem Unwillen, den die Erwähnung der päpstlichen Superiorität in Verbindung mit seinen Versuchen einer Restituierung des Peterspfennigs hervorgerufen habe 3 . Ebenso gab die Anerkennung des katholischen Glaubens 1 Vat. Archiv. AA. Arm. I—XVIII, 4296; ferner die Denkschrift des Nuntius Vincenz Porticus von 1574 in: Ehrenberg, Urkunden und Aktenstücke z. Gesch. d. . . . Prov. Posen (Lpz. 1892) 360 nr. 171. 2 Das S. 298 Anm. 6 genannte Memorial : a qualibet persona communicata debetur in ecclesia post communionem in recognicionem oboedientiae s. Rom. Eccl. Ferner in einer Instruktion Gregors XIII. für den Nuntius Bolognetto vom Jahre 1581 (Gromnicki 172 Anm. 3): per segno di obedientia a di divotione; über den Nuntius vgl.Ludwik Boratyiiski, Studya nad nuncyaturq. polskq, Bolognettego (1581—1585), in: R. A. U. 49 = S. II, 24 (1907) 53ff., über seinen Vorgänger dens., J . A. Caligari, nuncyusz Ap. w Polsce (1578—1581), in R. A. U. 5 9 = S. II, 34 (1916) 1 ff. 3 T. Wierzbowski, Uchaüsciana IV (Warszawa 1892) 13: Et mi sono ingegnato, in quanto ho potuto, di risuscitare questa superiorità de la sede apostolica, il che feci anco gli anni passati, quando fui in questo regno, et Vra Sig. Jllma si può ricordare, quanto inanzi s'era condotta la restitutione del denaro di San Pietro ; vgl. den Bericht des Bischofs Porticus bei E h r e n b e r g a . a . O . 360 nr. 171 und Gromnicki 172.

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III. Dar Peterspfennig im 15. und 16. Jahrhundert

durch das polnische Volk der Steuer keinen einheitlichen Sinn mehr, seit sich auch in Polen der Protestantismus Eingang verschafft hatte. Als im 13. und 14. Jahrhundert die Einwanderung der Deutschen eine Komplikation der kurialen Ideologie von der Oberherrschaft über Polen, wie der praktischen Einhebung des Peterspfennigs geschaffen hatte, war die Kurie kraftvoll genug gewesen, um die widerstrebenden nationalen Regungen zur Zahlung eines allen gemeinsamen Zinses zu zwingen. Jetzt, im 16. Jahrhundert, brach ein anderer Gegensatz auf; er ging tiefer, und ihm stand die Kurie nicht mehr als große Einheit gegenüber. Sie trieb mit ihren finanziellen Forderungen die bisherigen Anhänger nur ins feindliche Lager. Auf der warschauer Provinzialsynode des Jahres 1561 sprach der polnische Klerus ausdrücklich die Bitte aus, nicht durch die Erheber des Peterspfennigs belästigt zu werden, da schon sehr viele Parochien von den Häretikern in Besitz genommen worden seien, und es in den meisten Orten niemanden mehr gebe, der diesen Denar zahle1. Der päpstliche Nuntius Fulvius Ruggieri wollte im Jahre 1565 in seiner ausführlichen Relation über Polen die Einkünfte aus dem Peterspfennig mit 3000 Talern annehmen; er mußte sie tatsächlich auf ein Drittel taxieren, „da es soviele Andersgläubige in diesem Lande gibt, und viele Katholiken, die sie sich zum Vorbilde nehmen, ihn nicht mehr zahlen" 2 . Die alten religiösen und politischen Voraussetzungen des päpstlichen Zinses änderten sich langsam. Daher brauchte es nach der Reformation noch mehrere Jahrzehnte, bis die 1 U l a n o w s k i , Materyaly do historyi ustawodawstwa synodalnego w Polsce w w. XVI. [Materialien zur Gesch. der Synodalgesetzgebung in P.] in: Archiwum Komisyi prawniczej I (Kraköw 1895), 468: „Item clerus humiliter petit ut non molestarentur per exactores petronalium , cum iam multae sunt ab haereticis occupatae parochiae nec sunt in plerisque locis, qui denarium ipsum solvant. 2 E . R y k a c z e w s k i , Relacye nuncyuszöw apostolskich i innych osöb o Polsce od roku 1548 do 1690 [Die Relationen der ap. Nuntien und anderer Personen aus Polen vom Jahre 1548 bis 1690] I (Berlin u. Posen 1864), 197. Vgl. auch e b e n d a , 196 ff. betreffs des Protestantismus in Danzig, Elbing und Thorn. — Über den Nuntius vgl. P. Wl. F a b i u s z , WiadomoÄö o legatach i nunciuszach apostolskich w dawnej Polsce (1075 bis 1865) [Nachr. von d. apost. Legaten und Nuntien im alten Polen] (»Oströw 1866), 160.

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Denkschriften über den Peterspfennig

letzten Spuren aufhörten, die von einer mehr als theoretischen Existenz des Peterspfennigs zeugten. Diese theoretische Betrachtung herrschte vor allem in den Denkschriften, die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dem Peterspfennig befaßten. Eine Erscheinung, die einst mit politischen Energien geladen war, gehörte dem Gestern an: das historische Gedenken trat endgültig an die Stelle des politischen Kampfes. Die Erinnerungen an den Streit um den Peterspfennig im 14. Jahrhundert, die die Politik des Deutschen Ordens ein Jahrhundert später in der gleichen Frage leiteten, hatten doch noch einen eminent politischen Sinn und sprachen für das historische Bewußtsein der Brüder, die in realen staatlichen Gegensätzen die Kontinuität politischer Wirksamkeiten zu erkennen wußten. Die Denkschriften, die wieder ein Jahrhundert danach an der Kurie entstanden, hatten zwar auch einen sehr praktischen Zweck: sie sollten dem Papst oder dem Archivkolleg die historischen Voraussetzungen einer Geldquelle darlegen, die vielleicht doch noch einmal angeschlagen werden konnte. Nach dem Tode König Sigismunds II. August 1572 entstanden mehrere Schriftsätze, die sich mit der Wiederaufnahme der Zinszahlung befaßten1. Sie erwähnten die eine oder andere der Bullen besonders des letzten Jahrhunderts, die wichtige Bestimmungen über den Peterspfennig gebracht hatten, oder stützten sich auf andere Quellen, wenn sie die Einführung des Zinses durch Papst Paschalis behaupteten. Sie hielten in der Konsequenz ihres historischen Denkens an der Zahlung des Peterspfennigs durch alle Einwohner Polens fest, und sie liebäugelten mit den Summen, die einst gezahlt worden waren, und die das eine Memorial auf 25 000 bis 30 000 scot jährlich bezifferte2. Aus bester Sachkenntnis schöpfte der päpstliche Nuntius Vincenz Porticus bei der Abfassimg seiner Denkschrift 1 Oben S. 299 Anm. 1; Gromnicki 197 ff. Der historische Traktat eines englischen Kollektors bei Fabre, Becherches 174 f.; vgl. J e n s e n in Transactions XIX 328 f. und XV 244ff.; Moresco (s. S. 1 n. 1). 228. 2 Vat. Archiv, AA. Arm. I—XVIII, 4296 : ex prestatione dicti denarii que ascendebat ad Summam XXV M et XXX M scutorum. Die oben 8. 298 Anm. 6 genannte Denkschrift gibt an, daß der Peterspfennig erat valons ultra 40M den. quolibet anno.

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III. Der Peterspfennig im 15. lind 16. Jahrhundert

im Jahre 1574. Pius V. hatte ihn im Jahre 1569 auch zum Generalkollektor des Peterspfennigs in Polen ernannt1. Sein Bericht zeigt, daß er sein Amt auszuüben suchte, daß die Voraussetzungen dazu aber nicht mehr vorhanden waren. Wie man in dieser späten Zeit an der Kurie daran dachte, die Erhebung des Peterspfennigs wieder wirksam zu machen, so war die Steuer auch am polnischen Hofe noch nicht vergessen. Auch ohne die besondere Vollmacht der Kurie arbeitete der Apparat der Kollektorie weiter zu Gunsten des polnischen Königs. Der Nuntius Ruggieri berichtete 1568 an die Kurie, daß er den Geistlichen, die im Auftrage des Königs den Peterspfennig einzogen, ihre Tätigkeit untersagt habe, um eine Klärung über die Rechtslage herbeizuführen2. Im Jahre 1569 erhielt Hosius, der als Gesandter des polnischen Königs nach Rom ging, den Auftrag mitzuteilen, daß bis zum Jahre 1563 der Peterspfennig exakt erhoben und abgeliefert worden sei; er sollte erreichen, daß alles, was seitdem etwa erhoben worden sei, dem Könige überlassen werde3. So stellte sich noch in der letzten Entwicklung des Zinses der Anspruch des polnischen Königs den Bemühungen der Kurie entgegen. Die Situation, die im Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden war, galt bis zum Ende des Peterspfennigs. Bis zum Jahre 1585 haben die Nuntien der Kurie in Polen über seine Erhebung korrespondiert4. Noch im Jahre 1584 ist er tatsächlich in einem kujawischen Dorfe eingezogen worden6 und selbst im 17. Jahrhundert findet er sich als petronale unter den Pfarreinkünften eines Dorfes6. Danach ist von ihm nicht mehr die Rede. 1 Breve Pius V. von 1569 Sept. 14 bei G r o m n i c k i 440 f. Anhang 9. 2 Relacye nuncyuszöw 1197. 3 Bibliotheka ordynacyi Krasiiiskich 1869, 129 f. nach G r o m n i c k i 193 Anm. 2. Die Jahreszahl 1563 stimmt mit der Abrechnung Brzostowskis überein, vgl. oben S. 294, 298. 4 G r o m n i c k i 205. 5 Mon. hist, diocesis Wladislaviensis (Wladislaviae 1903), 9 nach G r o m n i c k i 205 Anm. 4. 6 In dem Dorfe Niediwiedi (Kreis Limanow) findet sich der Peterspfennig noch 1618 unter den kirchlichen Lasten; K. Dobrowolski, Dzieje wsi Niedzwiedzia w powiecie Limanowskim do schylku dawnej rzeczypospolitej [Gesch. des Dorfes N. im Kreise L. bis zum Ende der alten Rep.],

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Ende des Peterapfennigs

Fast sechs Jahrhunderte hindurch ist der Peterspfennig in Polen erhoben worden. Ein Zins der Kurie, hat er in seiner Entwicklung alle Wandlungen des Papsttums begleitet. Ursprünglich mit der einen Wurzel in die politischen Interessensphären der zahlenden Fürsten, mit einer anderen tief in die Schichten christlichen Glaubens und kirchlicher Devotion hineinreichend, nahm er im Jahrhundert der höchsten kurialen Macht alle Elemente eines p o l i t i s c h e n Zinses in sich auf, um sie in der Epoche der großartigsten päpstlichen Geldwirtschaft wieder zu verlieren, so daß das Papsttum den Anspruch auf Obereigentum und Oberherrschaft über Polen kaum acht Jahrzehnte hindurch urkundlich dokumentiert hat. In der gleichen Zeit wandelte er sich aus einem von Haus und Familie gezahlten Pfennig in einen Kopfzins, ohne daß sich deshalb der Charakter der rechtlichen Radizierung geändert hätte, als das gesteigerte Geldbedürfnis der Kurie nach einer Vervielfältigung der Einkünfte verlangte. Soweit, wie in dem späteren Verfall ein Teil allgemeiner päpstlicher Finanzgeschichte, wurde die Entwicklung des Peterspfennigs durch die nationale und rechtliche Differenzierung des Ostens, seit der deutsche Siedler und das deutsche Recht dorthin den Weg gefunden hatten, zu einem Thema von einzigartiger historischer Prägung. Die Geschichte des Zinses blieb bestimmt vom gemeinsamen Geschick der abendländischen Welt und ihres Zentrums, des Papsttums. Aber sie wuchs empor unter den besonderen Bedingungen des jungen deutschen und europäischen Ostens, für dessen Wesen sie eines grundsätzlich aussagt: daß sein Schicksal immer verflochten ist in das allgemeine Geschehen unseres Kontinents und unserer Kultur. in: Studja z historji spolecznej i gospodarczej poäwi^cone Prof. Bujakowi [Studien a. d. Sozial- und Wirtschaftsgesch., gewidmet Prof. B.] (Lwöw 1931) 516, 543. Über die Bezeichnung des Peterspfennigs als petronale, die seit dem 15. Jahrhundert häufiger wird, vgl. Gromnicki 8,152 f. und oben S. 264 n. 3.

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Exkurse I. Die Schenkung des D a g o n e i u d e x Die Tatsache der Schenkung des Dagone iudex wird uns durch einen Urkundenauszug überliefert, den der Kardinal D e u s d e d i t in seine im Jahre 1087 abgeschlossene KanonesSammlung aufnahm1. Er hatte sie bereits mehrere Jahre früher einem Verzeichnis der päpstlichen Besitzungen und Einkünfte eingefügt2. Seine Quelle war einer der kleinen 1 Wolf von G l a n v e l l , Die Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit I (Paderborn 1905) 359. Weitere Drucke auf Grund einer selbständigen Prüfung der Hss. bei Karl Graf von Z m i g r ö d - S t a d n i c k i , Die Schenkung Polens an Papst Johannes XV. (um das Jahr 995), Diss. (Freiburg i. Schweiz 1911); Jan P t a â n i k , Dagome iudex 21 f. gab die drei wichtigsten Überlieferungen nebeneinander und fügte Reproduktionen des Deusdedit-Textes aus Cod. Vat. lat. 3833 sowie der Texte des Albinus und Cencius bei, deren erste bei St. Z a k r z e w s k i , Mieszko I. S.92 und dems. Böleslaw Chrobry Wielki (Lwöw, Warszawa, Kraköw o. J . 1925) 70 f. wiedergegeben iat; e b e n d a 375 Anm. 46 eine Transskription des Textes, die selbst beim Vergleich mit der schlechten Reproduktion S. 70 f. mehrere Lesefehler erkennen läßt; vgl. A. B r ü c k n e r , Boleslaw Chrobry, in: Slavia Occidentalis VII (1928) 70. Zuletzt hat Robert H o l t z m a n n , Böhmen und Polen im 10. Jahrhundert, in: Z. G. Schles. 52 (1918) 18 einen einwandfreien Text gegeben; die genannte polnische Literatur und die dort gegebenen Reproduktionen sind ihm unbekannt geblieben. Während die polnische Literatur einheitlich Dagome und Schinesghe schreibt, geben wir mit H o l t z m a n n , Dagone und Schinesne. 2 Zur Überlieferung vgl. v. G l a n v e l l , a . a . O . , Einleitung; die in Anm. 1 genannten Arbeiten, besonders H o l t z m a n n a . a . O . 15 f.; vgl. S. 305 Anm. 2. Zur Kennzeichnung der tomi carthicii im Unterschied von H. B r e s s l a u , Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien I (sLeipzig 1912), 155 vgl. F. E h r l e , Die Frangipani und der Untergang des Archivs und der Bibliothek der Päpste am Anfang des 13. Jahrhunderts, in: Mélanges offerts à M. Emile C h a t e l a i n (Paria 1910), 450 f.

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I. Die Schenkung des Dagone iudex

Papyrusbände mit Aufzeichnungen über die Besitzrechte der Kurie, der wohl noch aus der Zeit Johanns XV. selbst stammte. Drei Handschriften geben Kopien der Kanones-Sammlung des Deusdedit; die älteste, der Cod. Vatic. lat. 3833 ist zwischen 1099 und 1118 entstanden. Neben dieser Überlieferung führt eine zweite Linie aus dem Original des Deusdedit zu dem Liber censuum, den der päpstliche Kämmerer Cencius, der spätere Papst Honorius III. gegen 1192 anlegte. Wenn Brückner gemeint hat, „es gibt auf der Welt keinen zweiten Text, der in acht Zeilen mehr Rätsel enthält" 1 , so mag das übertrieben sein — für die polnische Geschichte trifft es allerdings zu. Das urkundliche Dokument, das als erstes am Anfange der christlichen Geschichte Polens steht, ist nach Form und Inhalt zugleich umstrittener als irgend ein anderes historisches Denkmal dieses Landes2. Während man bisher allgemein in dem überlieferten Text den Auszug einer Urkunde sah, in der bestimmte, im einzelnen umstrittene Aussteller der römischen Kirche zur Zeit Papst Johanns XV. eine civitas Schinesne schenkten, und H o l t z m a n n 3 den einleitenden Satz des Auszuges als Anfang eines entsprechenden Regests zu fassen suchte, hat Zakrzewski 4 in dem Text 1 Brüokner, a.a.O.71. 2 Lambert S c h u l t e , Besprechung von Zmigröd-Stadnicki, a. a. O., in: Lit. Handweiser 49 (1911), 734—737; ders.: Beiträge zur ältesten Geschichte Polens, in: Z. G. Schles. 52 (1918), 88—57, eine wertvolle Ergänzung zu dem im gleichen Heft stehenden Aufsatz von H o l t z m a n n ; H. G. Voigt, Die Schenkung Polens an Papst Johannes XV. (um das Jahr 995), in: Altpr. M. 48 (1911) 626—648; nachdem J. P t a ä n i k , Dagome iudex auf die Rezension seiner Arbeit über den Peterspfennig durch L o d y l i s k i geantwortet hatte, trieb d i e s e r die Diskussion weiter durch seine Abhandlung: Dokument "Dagome iudex" a "kwestya sardyriska" w XI. wieku, m: R. A. U. 54 (1911), 60—148, dazu die Besprechung durch S t a d n i c k i im Kw. h. 25(1911), 503—510 und LodyAskis Erwiderung e b e n d a 26 (1912) 244—246; zuletzt hat dann St. Z a k r z e w s k i , Najdawniejsza bulla dla Polski. Spostrzezenia nad dokumentem Dagome iudex, in: Archiwum Tow. Nauk weLwowie I (Lw6wl921) [die älteste Bulle für Polen. Bemerkungen zum Dokument D. i., in: Archiv der wiss. Ges. i. Lemberg] versucht, der diplomatischen Seite der Überlieferungsfrage eine neue Wendung zu geben, indem er den Auszug des Deusdedit als Exzerpt einer Papsturkunde kennzeichnete. 3 a.a. 0.27. 4 Z a k r z e w s k i ging in seiner Abhandlung Najdawniejsza bulla 2 0

KOnlgab. bist. Porach.

6

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Exkurs«

das Hegest einer Bulle Johanns XV. für den Schenker und richtig davon aus, daß im 3. Buch der Sammlung des Deusdedit die Nummern 190 bis 207 der Glan v ell'sohen Ausgabe eine eigeneGruppe bildeten, die, als Liste der ducatus und marchiae, wqlcfye, pa,trimonia s. Petri seien, eingeführt wurde und, wie die einleitenden Worte der Nr. 191 zeigen, aus Bänden des Lateran-Archivs entnommen waren. Da nun ein Teil der Auszüge sich als Regeaten von- PapBibullen zu erkennen gab, (Nr. 193, 194, 196, 197 u. a.), von anderen die entsprechenden Papsturkunden noch erhalten sind (Nr. 204, 205), schloß Z., daß auch der Auszug der Pagome iudex-Urkunde eine Bulle, nicht, wie man bisher angenommen hatte,, eine Schenkungsurkunde für den Papst darstelle. Daß Deusdedit eine Bulle Johanns XV. in einer Art exzerpiert habe, die überdies nicht einmal den: sicheren Söhluß zulasse, daß die Schenket der eivitas Sehinesne auch die Empfänger der Urkunde, gewesen seien, sucht Z. durch die Gegenüberstellung eines anderen Auszuges zu stützen,. Deusdedit bzw, seine Vorlage zog aus dem Register Gregors VII. dessen Schutzärandat für das Kloster Aurillac(Register Gregors VII., ed. E. 6 ä s p a r , M. G-. Epp. sei. 112 (Berlin 1923) II 494 f.) hur dahingehend ans, daß der hl. Gerald dem hl. Petrus das Kloster übertragen habe; vgl. v. G l a n v e l l 377: Item e libro VII capitulo LXX legitur, beatus Gkaldus [beatum Giraldum, Albinus] monasterium suum . . . tradidisse. Vgl. dazu C a s p a r a. a. 0 . I, XV (Einleitung), Aber diese Parallele ist völlig ungeeighet. Der kurze Text der Kanoiiessammlung gibt sich deutlich als Auszug einer bestimmten Einzelheit aus dem Register. Z. nimmt nun: offenbar an, daß auch die Auszüge des Deusdedit "ex tomis Lateranensis bybliothec§" auf vollständige Texte zurückgingen und ihm die Art der Auszüge zuzuschreiben sei, sodaß er hier wie aus dem Register Gregors VII. in gleicher Weise habe exzerpieren können. Tatsächlich aber geben die carticii tpmi bereits Auszüge wieder, wie zuletzt E h r l e a. a. 0.450 festgelegt hat, eine Arbeit, die Z a k r z e w s k i offenbar unbekannt geblieben,ist. Die Überlieferung dieser Teile der Kanones-Sammlung kann nicht mit anderen Teilen, etwa den auf dem Register Gregors VII. beruhenden, unmittelbar verglichen werden. Das geht mit Rücksicht auf die Vielfalt der Überlieferung nicht einmal an, wenn man mit der älteren Literatur in den tomi nur Einzelurkunden sieht. Untersucht man aber die Gruppe der cap. 190 bis 207 für sich,, so unterscheidet Bich die Nennung des Papstnamens in der Dagone iudexUrkunde von allen übrigen Erwähnungen der Päpste. In den anderen Exzerpten erscheint der Papst, soweit er genannt wird,als S u b j e k t des Auszuges, der eine Lokation betrifft, (193, 194,196) oder sein Name steht an der Spitze des tomus (nr. 192, 202, 203). In unserem Auszuge aber stehen die S c h e n k e r als S-ubjekt, während die Erwähnung sub Johanne XV, papa zum Unterschied von den übrigen Eintragungen gerade darauf hindeutet, daß nicht er Aussteller der Urkunde war, diese aber zu seiner Zeit ausgestellt bzw. in das päpstliche Register eingetragen wurde. Die Eintragimg einer so wichtigen Urkunde in das Register aber war ein

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I. Die Schenkung des Dagone iudex

damit die älteste päpstliche Bulle für Polen sehen wollen, ohne damit durchzudringen1. Die Zeit der Urkunde war in weiteren Grenzen durch die RegierungSjähre Johanns XV. (985—