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German Pages 660 [726] Year 1956
DIE INTERNATIONALEN
BEZIEHUNGEN (1870 — 19*5)
IM F E R N E N
OSTEN
DIE INTERNATIONALEN IM F E R N E N
BEZIEHUNGEN OSTEN
(1870 — 1945)
Gesamtredaktion der russischen Ausgabe J . M.
SHUKOW
Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der U d S S R
1955 A K A D E M I E - V E R L A G
B E R L I N
MejK^yHapoÄHLie oTHonienHa Ha .HajibHeM BocroKe
(1870 — 1945
IT.)
E r s c h i e n e n i m S t a a t l i c h e n V e r l a g f ü r politische L i t e r a t u r , M o s k a u 1951 G e s a m t r e d a k t i o n d e r russischen A u s g a b e J. M. S H U K O W korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR A n d e r A b f a s s u n g des Buches n a h m e n f o l g e n d e A u t o r e n t e i l : G. N . W O I T I N S K I D o k t o r der Wirtschaftswissenschaft A. L. G A L P E R I N D o k t o r der Geschichtswissenschaft A. A. G U B E R D o k t o r d e r Geschichtswissenschaft A. M. D U B 1 N S K I Kandidat der Geschichtswissenschaft J . M. S H U K O W korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR L. I. S U B O K Doktor der Geschichtswissenschaft A. L. N A R O T S C H N I T Z K I Dozent
D u r c h das I n s t i t u t f ü r A l l g e m e i n e G e s c h i c h t e d e r U n i v e r s i t ä t Leipzig ü b e r s e t z t u n t e r A n l e i t u n g v o n PROF. DR. W . M A R K O V
Die
Herausgabe
dieses
Werkes
der Deutschen
wurde gefördert
Demokratischen
vom
Kulturfonds
Bepublik
E r s c h i e n e n i m A k a d e m i e - V e r l a g Berlin W 8, M o h r e n s t r a ß e 39 L i z e n z - N r . 202 D r u c k g e n e h m i g u n g s - N r . 100/199/55 C o p y r i g t 1955 b y A k a d e m i e - V e r l a g G m b H Alle R e c h t e v o r b e h a l t e n Satz u n d D r u c k : V F B B u c h - u n d P r ä g e d r u c k Greiz, A b t e i l u n g B u c h d r u c k Z e u l e n r o d a Bestell- u n d V e r l a g s n u m m e r 5138 Printed in Germany
VORWORT Die historischen Ereignisse, die sich in unseren T a g e n im Fernen Osten abspielen, der Sieg der Großen Chinesischen Volksrevolution und der Zusammenbruch der abenteuerlichen Aggressionspolitik des amerikanischen Imperialismus in China und Korea, lenken die Aufmerksamkeit der gesamten fortschrittlichen Menschheit auf sich. Diese Ereignisse zeigen deutlich, daß die Kräfte des Lagers des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus, an dessen Spitze die Sowjetunion steht, zunehmen und erstarken, während das Kolonialsystem der imperialistischen Versklavung und Vergewaltigung der Fäulnis und der Auflösung anheim fällt. Die herrschenden Kreise der imperialistischen Staaten, in erster Linie der Vereinigten Staaten von Amerika, verblendet vom Klassenhaß gegen die Welt der Werktätigen und gehetzt von der unersättlichen Gier der kapitalistischen Monopole, versuchen hartnäckig, allen Völkern ihre blutige Herrschaft aufzuzwingen; sie begehen verbrecherische Aggressionsakte und bereiten einen neuen Weltkrieg vor. Sie können und wollen auch gar nicht verstehen, daß die Welt bereits in eine neue, von den Ideen der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution erhellte Epoche eingetreten ist, in der sich die allgemeine Krise des kapitalistischen Systems von T a g zu T a g mehr vertieft, und die Menschheit in immer rascherem Tempo dem Kommunismus entgegenschreitet. D e n Kriegsbrandstiftern und Organisatoren eines neuen Weltkrieges hat sich eine starke Macht in den Weg gestellt: Hunderte von Millionen Menschen, die aktiv f ü r den Frieden kämpfen, Vertreter der Völker aller Kontinente, aller Rassen und Nationalitäten. Angespornt durch die Stalinsche Friedenspolitik der UdSSR und durch die von der Chinesischen Volksrepublik, sowie den anderen volksdemokratischen Ländern betriebene Politik der aktiven Verteidigung des Friedens, wächst die weltumspannende Rewegung der Friedenskämpfer unaufhörlich und wird zu einem machtvollen Faktor der internationalen Politik. Das gegen die Völker Asiens gerichtete aggressive Vorgehen der amerikanischen Imperialisten und ihrer Satelliten — die blutigen Greueltaten der amerikanischen und englischen Interventen in Korea, die Okkupation Taiwans, die Luftangriffe der Amerikaner auf chinesische Städte, die Intervention gegen die Demokratische Republik Vietnam, die Versuche, die Volksbefreiungsbewegung auf den Philippinen zu unterdrücken, und die Militarisierung des besetzten Japan — alle diese und ihnen gleichgeartete Handlungen tragen klar den Charakter von A b e n t e u e r n . Die Imperialisten können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Das wird von der gesamten Entwicklung der Geschehnisse im Fernen Osten deutlich bezeugt. Das vorliegende Buch, das eine Kollektivarbeit darstellt, macht es sich zur Aufgabe, eine allgemeine Charakteristik der Geschichte der internationalen Beziehungen im Fernen Osten vom Beginn der Epoche des Imperialismus bis zum
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welthistorischen Sieg der UdSSR und der demokratischen Kräfte über das faschistische Deutschland und das imperialistische Japan zu geben. Das Nachwort enthält eine kurze Übersicht über die wichtigsten internationalen Ereignisse im Fernen Osten, die sich nach dem zweiten Weltkrieg zugetragen haben. Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten spiegeln den äußerst ungleichmäßigen Verlauf und den konfliktreichen Charakter der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der einzelnen Länder in der Epoche des Imperalismus wider; sie zeigen die außerordentliche Verschärfung des Kampfes u m die Aufteilung der Welt zwischen den kapitalistischen Großmächten auf und zeugen gleichzeitig von dem ständigen Anwachsen des Anteils der fortschrittlichen Kräfte, die aktiv gegen den Imperialismus kämpfen, sich erfolgreich seiner Raubpolitik entgegenstemmen und unentwegt die Sphäre kapitalistischer Ausbeutung und kolonialer Ausplünderung einengen. Das Autorenkollektiv war bemüht, die räuberische Politik der imperialistischen Staaten gegenüber den Völkern de* fernöstlichen Länder, den Kampf der Imperialisten um die koloniale Vorherrschaft untereinander, den Einfluß der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Rußland auf die Gesamtlage und den Aufschwung der Volksbefreiungskräfte in den Ländern des Fernen Ostens, sowie die unaufhörlich zunehmende progressive Rolle der UdSSR in den internationalen Beziehungen und die Schwächung der Positionen des Imperialismus, folgerichtig aufzuweisen. Der Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, die den Grundstein zu einer neuen Geschichtsepoche legte, f ü h r t e zu äußerst einschneidenden Veränderungen in der gesamten internationalen Lage, und damit auch der Verhältnisse im Fernen Osten. Genosse Stalin erklärt: ,, . . . die Oktoberrevolution ist die erste Revolution der Welt, die die arbeitenden Massen der unterjochten Völker des Ostens aus ihrem jahrhundertelangen Schlummer geweckt und sie in den Kampf gegen den Weltimperialismus einbezogen h a t . " 1 Unter dem Einfluß des Großen Oktober und mit Unterstützung des ersten sozialistischen Staates der Welt verteidigten die Völker der fernöstlichen Länder, die im vergangenen Jahrhundert und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Imperialisten Europas und Amerikas schamlos als Objekte der Kolonisationspolitik mißhandelt wurden, immer entschlossener ihre Unabhängigkeit und ihr angestammtes Recht; sie wuchsen immer schneller zum „Subjekt" der internationalen Beziehungen heran, zu einer aktiven Kraft in der internationalen Arena. Die Verfasser des Buches richteten ihre besondere Aufmerksamkeit auf China und versuchten, die Verfälschung der bürgerlichen Geschichts-,,Wissenschaft" über eine von der Praxis anderer Länder angeblich „grundsätzlich verschiedene", „wahrhaft freundschaftliche" und „friedliche" Politik der Vereinigten Staaten i J. W. Stalin, Werke, Bd. 4, Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 144.
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von Amerika gegenüber dem großen chinesischen Volk aufzudecken. Die unwiderlegbaren geschichtlichen Tatsachen bezeugen nicht allein, daß die amerikanischen Imperialisten niemals die Freunde des chinesischen Volkes waren, sondern daß sie stets und ständig, unter den schlimmsten Feinden und Ausbeutern Chinas zu finden waren. Wu Hsiu-tsiang, der Vertreter der Zentralen Volksregierung der Chinesischen Volksrepublik, sagte in seiner, am 28. November 1950 auf einer Sitzung des Sicherheitsrates der Organisation der Vereinigten Nationen gehaltenen Rede: „Wie schamlos die amerikanischen Imperialisten auch behaupten mögen, Freunde des chinesischen Volkes zu sein: die Geschichte, die zeigt, wer Freund und wer Feind ist, läßt sich doch nicht ändern". Der große Sieg, den das chinesische Volk über die vereinten Kräfte des Imperialismus und der feudalen Reaktion errungen, und der ein neues Kapitel in der Geschichte der Völker Asiens aufgeschlagen hat, hat noch augenfälliger gezeigt, wo die wahren Freunde und wo die Feinde Chinas stehen. Der von Lenin und Stalin geführte sozialistische Sowjetstaat hat vom ersten Tage seines Bestehens an eine Politik betrieben, die auf den Prinzipien der Gleichberechtigung und der Achtung der nationalen Unabhängigkeit Chinas beruht. Die chinesische Demokratie übermittelte durch den Mund Sun Jat-sens an den unsterblichen Lenin Worte der Begeisterung und Dankbarkeit. „Das chinesische Volk", sagte Mao Tse-tung, „hat in seinem Kampf gegen die Unterdrücker stets zutiefst und auf das stärkste die ganze Bedeutung der Freundschaft des Genossen Stalin empfunden und empfindet sie noch immer". Die Große Sozialistische Oktoberrevolution entzündete die unauslöschbare Flamme der sowjetisch-chinesischen Freundschaft. Diese Freundschaft, die sich durch Jahre der Prüfung hindurch erhalten hat, ist jetzt zu einer machtvollen internationalen Kraft und zu einem unerschütterlichen Bollwerk des Friedens in der ganzen Welt geworden, das keinerlei Abenteurer der imperialistischen Agrcssoren fürchtet.
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INHALTSVERZEICHNIS VORWORT ERSTES KAPITEL
Die Internationalen Beziehungen im Fernen Osten (1870—1894)
Seite 1
Die Folgen der Aggression der europäischen M ä c h t e u n d der USA in den ostasiatischen L ä n d e r n von 1830—1860. Die V e r s c h ä r f u n g der kapitalistischen Gegensätze am Stillen Ozean seit den siebziger J a h r e n des 19. Jahrhunderts. — Das E i n d r i n g e n ausländischen Kapitals in China in den dreißiger bis sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Die feudale Rückständigkeit Chinas. — Die englische Aggression gegen China in den siebziger und achtziger J a h r e n des 19. Jahrhunderts. Die Konvention von T s c h i f u 1876. — Die Expansion der USA in Ostasien bis zu den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts. — Der sogenannte „Burlingame-Vertrag" zwischen den USA u n d China vom J a h r e 1868. -— Die Raubpolitik der USA u n d Frankreichs in Korea in den Jahren 1866—1871. — R u ß l a n d u n d China vor den siebziger J a h r e n des 19. Jahrhunderts. — Die Ergebnisse des Eindringens von Auslandskapital in J a p a n bis zu A n f a n g der siebziger Jahre. Die russisch-japanischen Beziehungen zu A n f a n g der siebziger Jahre. — Die Politik der USA gegenüber R u ß l a n d u n d J a p a n in den f ü n f z i g e r bis achtziger Jahren. — Die japanische Aggression n a c h der Meiji-Revolution. — Die japanische Aggression in Korea in den siebziger und achtziger J a h r e n des 19. Jahrhunderts. — D e r russisch-chinesische Konflikt in Mittelasien 1879—1881 u n d die H a l t u n g Englands. — D e r Krieg Chinas gegen Frankreich 1883—1885. Die U n t e r j o c h u n g Annams und Burmas. — D e r japanisch-chinesische Antagonismus in Korea. — Die Zuspitzung der englisch-russischen u n d der russisch-chinesischen Beziehungen u m die M i t t e der achtziger Jahre. •— Die amerikanischen Eroberungen i m Stillen Ozean. Die USA u n d Korea in den siebziger u n d achtziger J a h r e n des 19. Jahrhunderts. — Die deutsche Fernost-Politik in den J a h r e n 1871—1893. — R u ß l a n d am Stillen Ozean vor Ausbruch des Japanisch-Chinesischen Kriegesl894—1895. — Die japanische Politik in Korea am Vorabend des Krieges der J a h r e 1894—1895. — Die Rolle E n g l a n d s und der USA bei der Entfesselung des Japanisch-Chinesischen Krieges 1894—1895. Z W E I T E S KAPITEL
V o m Japanisch-Chinesischen Krieg bis zum Ende des Russisch-Japanischen Krieges (1894—1905)
Seite 57
D e r Japanisch-Chinesische Krieg. — Die Friedensverhandlungen u n d der V e r t r a g von Shimonoseki. — Die A u f t e i l u n g Chinas in „ E i n f l u ß s p h ä r e n " d u r c h die imperialistischen Mächte. — Der Krieg der USA gegen Spanien — der erste Krieg u m eine imperialistische N e u a u f t e i l u n g der Welt. •—• Die Doktrin der „ o f f e n e n T ü r " — ein Werkzeug der Expansionspolitik der USA. — D e r Volksaufstand gegen die Imperialisten in China. — Die V e r s c h ä r f u n g der Widersprüche zwischen Japan u n d R u ß l a n d i n der Mandschurei. — Das antirussische englisch-japanische Bündnis. —- Die Rolle der USA u n d E n g l a n d s bei der Vorbereitung des japanischen Uberfalls auf R u ß l a n d . — D e r Russisch-Japanische Krieg 1904—1905. D e r Friede von Portsmouth. DRITTES KAPITEL
V o m Russisch-Japanischen Krieg bis zum ersten Weltkrieg (1905—1914)
. . .
.
Seite 127
Die russische Revolution von 1905 u n d der demokratische A u f s c h w u n g in den L ä n d e r n Asiens. — Die V e r s c h ä r f u n g der Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten in
IX
Europa. — Die V e r s c h ä r f u n g der japanisch-amerikanischen Beziehungen. — Die Annäherung zwischen Frankreich, R u ß l a n d und J a p a n (1907). -— Die Deutsche Politik am Stillen Ozean. — Die „Dollardiplomatie". — Die Annexion Koreas durch Japan. — Der dritte englisch-japanische Bündnisvertrag. —• Die Autonomie der Äußeren Mongolei. — Die chinesische Revolution 1911—1913 und die Großmächte. VIERTES K A P I T E L
Die Internationalen Beziehungen im Fernen Osten in der Zeit des ersten Weltkrieges (1914—1918)
Seite 171
Der E i n t r i t t Japans in den Krieg. — Die Überreichung der „21 F o r d e r u n g e n " Japans an China. — Der monarchistische Umsturzversuch J ü a n Schi-kais und die Politik der Großmächte. — Der russisch-japanische V e r t r a g von 1916. — D e r Kampf u m die Einbeziehmig Chinas in den Weltkrieg. — Das Lansing-Ishii-Abkommen. FÜNFTES K A P I T E L
Die G r o ß e Sozialistische Oktoberrevolution und der Ferne Osten
Seite 197
Der E i n f l u ß der Oktoberrevolution auf die Länder des F e r n e n Ostens. — Die Lenin-Stalinsche Außenpolitik des Sowjetstaates und die Völker der kolonialen und abhängigen Länder des Fernen Ostens. —• Die Intervention der imperialistischen Mächte im Sowjetischen Fernen Osten. — Die aggressive Politik der USA gegenüber R u ß l a n d . — Die konterrevolutionäre Tätigkeit der USA-Agentur in Sowjetrußland. — Der Beginn der Intervention u n d die Gegensätze im Lager der Interventen. — Die Unterstützung der inneren Konterrevolution durch die Interventen. — Die Interventen u n d Koltschak. Die Zerschlagung der Koltschak-Armee. — Die Bildung der Fernost-Republik. — Die mongolische Volksrevolution von 1921. — Die Zerschlagung der Interventen im Fernen Osten. SECHSTES KAPITEL
Der Kampf zweier Systeme und die Entwicklung der imperialistischen Widersprüche im Fernen Osten nach dem ersten Weltkrieg (1919—1922) Seite 251 Die Veränderungen im Fernen Osten infolge des ersten Weltkrieges. — Die Verschwörung der imperialistischen Staaten gegen Sowjetrußland auf der Pariser Konferenz. — Die Schant u n g - F r a g e auf der Pariser „Friedens"konferenz. — Das neue Konsortium. — Sowjetr u ß l a n d und China. — Das W e t t r ü s t e n zur See am Stillen Ozean. — Die Washingtoner Konferenz. SIEBENTES K A P I T E L
Die wachsende Macht der Sowjetunion und das imperialistische Washingtoner System (1922—1931)
Seite 289
Die Festigung der Sowjetmacht im Fernost-Gebiet. — D e r Aufschwung der nationalen Befreiungsbewegung in China und die Stellung der imperialistischen M ä c h t e (1922—1925). •— Die UdSSR u n d China. — Die UdSSR u n d die Mongolische Volksrepublik. — Die UdSSR u n d Japan. — Die Außenpolitik Japans in der Zeit von 1924—1927. — Die chinesische bürgerlich-demokratische Revolution 1925—1927 u n d die imperialistischen Mächte. — Die Manöver der Imperialisten während der chinesischen Revolution. — D e r provokatorische Uberfall eines anglo-amerikanischen Geschwaders auf Nanking. — Das Aggressionsprogramm des japanischen Imperialismus u n d der Versuch seiner Verwirklichung (1927—1929). — Die antisowjetischen Provokationen der chinesischen Militaristen an der Ostchinesischen Eisenb a h n u n d die imperialistischen Mächte. — Die G e n f e r u n d Londoner Konferenzen über die Seerüstungen und die strategische Lage i m Stillen Ozean. — Das J a h r des großen U m schwungs in der Sowjetunion und die Wirtschaftskrise in der gesamten kapitalistischen Welt.
X
ACHTES KAPITEL
Der Kriegsherd im Fernen Osten. Der Kampf der Sowjetunion für den Frieden (1931—1937) Seite 329 Die Okkupation der Mandschurei durch Japan und das Verhalten der anderen imperialistischen Staaten. — Die Okkupation der Mandschurei und der Völkerbund. •— Der Überfall der japanischen Truppen auf Schanghai. — Die Lytton-Kommission. — Die Sowjetunion und das Vordringen der japanischen Imperialisten in die Mandschurei. — Die Entwicklung der japanischen Aggression in China. -— Die internationale Lage und Japans Vorbereitung auf den „Großen Krieg". — Die Lage in China und das Anwachsen der antijapanischen Bewegung. — Die Friedenspolitik der Sowjetunion und die japanisch-sowjetischen Beziehungen. —• Die Vorbereitungen Japans zu einem neuen Angriff auf China. NEUNTES KAPITEL
Die Entfesselung der imperialistischen Aggression im Fernen Osten Seite 369 Die Politik Englands und der USA im Fernen Osten am Vorabend des Japanisch-Chinesischen Krieges. — Das Verhalten der imperialistischen Staaten zum Japanisch-Chinesischen Krieg. — Die Unterstützimg Chinas durch die Sowjetimion. — Die Regierung Tschiang Kai-schek und Hitlerdeutschland. — Die Entwicklung der japanischen Aggression in China. — Die Brüsseler Konferenz. — Die Geheimverhandlungen Tschiang Kai-scheks mit der japanischen Regierimg durch Vermittlung der Hitlerdiplomatie. — Die femöstliche Politik Chamberlains. — Die japanische Aggression am Chassan-See. — Die Begünstigung der japanischen Aggression in China durch England und die USA. — Die japanische Provokation am Halchin-Gol. — Das Arita-Craigie-Abkommen. — Der Uberfall Hitlerdeutschlands auf die westeuropäischen Länder und die Vorbereitung Japans auf die Expansion in der Südsee. — Die Kapitulation Frankreichs und Hollands und der Vormarsch Japans. —- Japan und Französisch-Indochina. — Der „Dreierpakt" der faschistischen Aggressoren. Japan und Thailand. — Japan und Indonesien. —• Die japanische Südexpansion und die Lage in China. — Die Versuche der herrschenden Kreise der USA und Japans, zu einem imperialistischen Abkommen zu gelangen. — Der Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR, der Beginn des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion und die sowjetisch-japanischen Beziehungen. — Die Beziehungen Englands und der USA zu Japan vor Beginn des Krieges im Pazifik. — Die Mission Kurusus. Der Kriegsausbruch am Stillen Ozean. ZEHNTES KAPITEL
Die Internationalen Beziehungen im Fernen Osten in der Periode des Pazifik-Krieges (7. Dezember 1941 bis 2. September 1945) Seite 421 Die strategischen Pläne Japans. — Der Überfall der japanischen Flotte auf Pearl Harbor (7. Dezember 1941). — Die Erklärung des Kriegszustandes im Stillen Ozean. 1. Die erste Etappe des Krieges an der Pazifikfront (Dezember 1941 bis November 1942) Die japanischen Provokationen und die Verletzung des sowjetisch-japanischen Neutralitätspaktes. — China und die angelsächsischen Mächte in der ersten Etappe des Pazifik-Krieges. — Die innenpolitische Lage in China Ende 1941. — Die befreiten Bezirke hinter den japanischen Frontlinien. — Die anglo-amerikanisch-chinesische Militärkonferenz in Tschungking (19. Dezember 1941). —• Die militärischen Mißerfolge Englands. — Die amerikanische „Strategie" und China. — Die Militärmission Stilwells in China. — Die Verlegung amerikanischer Truppenteile nach Indien. — Die heuchlerischen Erklärungen der USA und Englands über den Verzicht auf die Exterritorialitätsrechte in China. 2. Der große Sieg von Stalingrad und sein Einfluß auf den Verlauf des Pazifik-Krieges (November 1942 bis Ende 1943) Die japanische „Neue Ordnung" in Ostasien. Die Bildimg des Ostasien-Ministeriums in Japan. — Japan und Thailand. — Japan und Burma. — Japan und die Philippinen. — Japan
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u n d die „ R e g i e r u n g " W a n g Tsching-wei. -— J a p a n u n d M a l a y a . — D e r K o n g r e ß der V e r t r e t e r der M a r i o n e t t e n r e g i e r u n g e n i n Tokio. — Die f e r n ö s t l i c h e n F r a g e n auf d e n a n g l o - a m e r i k a n i s c h e n K o n f e r e n z e n des J a h r e s 1943. — D i e M o s k a u e r D e k l a r a t i o n der V i e r M ä c h t e (Oktober 1943). —• D i e D e k l a r a t i o n von Kairo (1. D e z e m b e r 1943). 3. D i e e n t s c h e i d e n d e n Siege der S o w j e t a r m e e an den F r o n t e n des G r o ß e n V a t e r l ä n d i s c h e n Krieges. D i e Ä n d e r u n g der L a g e der k r i e g f ü h r e n d e n P a r t e i e n a m Stillen Ozean (1944 bis A u g u s t 1945) D i e m i l i t ä r i s c h e u n d politische L a g e i n C h i n a i m J a h r e 1944. — D i e G e g e n o f f e n s i v e der 8. u n d d e r N e u e n 4. A r m e e i m J a h r e 1944. — D i e Missionen von H e n r y W a l l a c e , H u r l e y u n d Nelson i n C h i n a (1944). — D a s A n w a c h s e n des a n t i j a p a n i s c h e n Volkswiderstandes i n Ostu n d Südostasien u n t e r d e m E i n f l u ß der h i s t o r i s c h e n Siege der S o w j e t u n i o n . — D i e USA u n d die P h i l i p p i n e n . D a s Anwachsen der K r ä f t e des Volkswiderstandes auf den P h i l i p p i n e n . — D i e B i l d u n g einer Antifaschistischen V o l k s b e f r e i u n g s - L i g a in B u r m a . E n g l a n d u n d B u r m a . — D e r a n t i j a p a n i s c h e Kampf d e r Völker I n d o c h i n a s , Indonesiens u n d M a l a y a s . — D i e P l ä n e des japanischen I m p e r i a l i s m u s . — D i e USA u n d E n g l a n d u n d der k ü n f t i g e S t a t u s J a p a n s . — D i e f e i n d l i c h e n H a n d l u n g e n des imperialistischen J a p a n g e g e n ü b e r der U d S S R . — D i e V o r b e r e i t u n g des bakteriologischen Krieges d u r c h die japanischen I m p e r i a l i s t e n . —- D a s K r i m A b k o m m e n d e r drei M ä c h t e b e z ü g l i c h d e r F r a g e n des F e r n e n Ostens. — D i e K ü n d i g u n g des sowjetisch-japanischen N e u t r a l i t ä t s v e r t r a g e s d u r c h die S o w j e t r e g i e r u n g . — D i e N i e d e r l a g e H i t l e r d e u t s c h l a n d s u n d i h r E i n f l u ß auf den Verlauf des Pazifik-Krieges. — D i e U d S S R u n d die P o t s d a m e r D e k l a r a t i o n . 4. D i e N i e d e r l a g e u n d K a p i t u l a t i o n des imperialistischen J a p a n . D i e K r i e g s e r k l ä r u n g der S o w j e t u n i o n a n J a p a n (8. A u g u s t 1945) D i e K r i e g s h a n d l u n g e n der S o w j e t a r m e e i m F e r n e n Osten. D e r A u f s c h w u n g d e r n a t i o n a l e n B e f r e i u n g s b e w e g u n g der Völker Ostasiens. — D i e B e e n d i g u n g der K r i e g s h a n d l u n g e n i m F e r n e n Osten. — D e r sowjetisch-chinesische V e r t r a g v o m 14. A u g u s t 1945. — D i e V e r h a n d l u n g e n des Bevollmächtigten T s c h i a n g Kai-scheks m i t d e m V e r t r e t e r des O b e r b e f e h l s h a b e r s der j a p a n i s c h e n T r u p p e n i n C h i n a (23. A u g u s t 1945). — D i e U n t e r z e i c h n u n g der U r k u n d e ü b e r die K a p i t u l a t i o n J a p a n s . D e r A u f r u f J. W . Stalins an das sowjetische Volk (2. S e p t e m b e r 1945). NACHWORT Die Entwicklung der internationalen Beziehungen i m F e r n e n Osten nach d e m zweiten Weltkrieg
Seite 503
D a s pazifische P r o b l e m n a c h d e m zweiten W e l t k r i e g . — D i e U d S S R u n d die F r a g e n N a c h kriegsjapans. — D e r K a m p f der U d S S R u m die V e r t e i d i g u n g der n a t i o n a l e n I n t e r e s s e n des koreanischen Volkes. — D i e Aggression des a m e r i k a n i s c h e n I m p e r i a l i s m u s g e g e n das k o r e a nische Volk. — D e r Kolonialkrieg g e g e n das vietnamesische Volk. — D e r Kolonialkrieg g e g e n das indonesische Volk. — D i e U S A - I m p e r i a l i s t e n auf den P h i l i p p i n e n . -— D i e „ U n a b h ä n g i g k e i t " B u r m a s . — D i e nationale B e f r e i u n g s b e w e g u n g in M a l a y a . — D i e I n t e r v e n t i o n d e r USA in China. — D e r Sieg des chinesischen Volkes u n d die F e s t i g u n g des L a g e r s des F r i e d e n s , der D e m o k r a t i e u n d des Sozialismus. SCHLUSSBETRACHTUNG
ZEITTAFEL DER WICHTIGSTEN EREIGNISSE IM FERNEN OSTEN BIBLIOGRAPHIE NAMENVERZEICHNIS XII
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Die Folgen der Aggression der europäischen Mächte und der USA in den ostasiatischen Ländern von 1830—1860. Die Verschärfung der kapitalistischen Gegensätze am Stillen Ozean seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts Die unter dem Namen „Opiumkriege" bekannten kolonialen Raubkriege der kapitalistischen Westmächte gegen das feudale China, die gewaltsame Durchdringung der ostasiatischen Länder mit ausländischem Kapital, die Schaffung und Festigung des Systems ungleicher Verträge mit diesen Ländern und die bewaffnete Intervention Englands, Frankreichs und der USA, sowohl während des Taipingaufstandes in China, als auch während der unvollendeten bürgerlichen Revolution in Japan — , das sind die historischen Voraussetzungen der neuen Etappe in der Entwicklung der internationalen Beziehungen im Fernen Osten, die in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts anbrach. Der Kampf der mächtigsten kapitalistischen Staaten Europas und der USA um die Ausbeutung der Länder Ostasiens und die Eroberung politischer und strategischer Positionen — einschließlich territorialer Aufmarschräume f ü r weitere Aggressionen in diesen Ländern — bildeten den Hauptinhalt der internationalen Beziehungen im Fernen Osten. Die führende Rolle in der Aggressionspolitik im Fernen Osten spielte England, das in kapitalistischer Hinsicht am meisten entwickelte Land, dem seine Überlegenheit in Handel und Industrie sowie sein Übergewicht zur See zu Gebote stand. F ü r die Völker des Ostens bildete die Aggression der britischen Bourgeoisie zu jener Zeit die Hauptgefahr. Gleich nach England folgten die USA und Frankreich. Die Bourgeoisie dieser Länder wetteiferte untereinander in dem Bestreben, China, Korea, Indochina und andere ostasiatische Länder in Objekte ihrer kolonialen Ausplünderung und Ausbeutung zu verwandeln. Die sechziger und der Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren die Periode der höchsten Entwicklung des vormonopolistischen Kapitalismus. W . I. Lenin weist darauf hin, „daß g e r a d e n a c h d i e s e r P e r i o d e ein ungeheurer ,Aufschwung' der kolonialen Eroberung beginnt und der Kampf um die territoriale Aufteilung der Welt sich im höchsten Grade verschärft." 2 Diese allgemeine Verschärfung des Kampfes um die Aufteilung der Welt, die in den siebziger Jahren einsetzte, stand in engem Zusammenhang mit dem stürmischen Anwachsen der kapitalistischen Monopole in einigen Ländern und dem allmählichen Übergang zum Imperialismus. Diese Verschärfung mußte sich auch auf die Lage im Bereich des Stillen Ozeans und Ostasiens auswirken. I n den sechziger Jahren hatte der Hauptinhalt der Geschichte der internationalen Beziehungen im Fernen Osten darin bestanden, daß die kapitalistischen 2
W. I. Lenin, Ausgew. Werke in 2 Bdn., Bd. 1, Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 830.
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Eindringlinge das von ihnen in den Jahren 1842—1860 geschaffene System ungleicher Verträge in China und Japan festigten und die revolutionäre Taipingbewegung unterdrückten. Seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgt sodann das Vordringen des ausländischen Handels in das Innere Chinas, die Untergrabung seiner Souveränität über die zum Reich des „Himmelssohnes" gehörenden Feudalstaaten und deren Annexion durch die kapitalistischen Länder. Gleichzeitig vollzieht sich die rasche Aufteilung der „unbesetzten" Inseln Ozeaniens. In die siebziger Jahre fallen auch die ersten Schritte der neuen aggressiven Außenpolitik Japans nach der unvollendeten bürgerlichen Revolution des Jahres 1868 und dem Eintritt Japans in die Reihe der kapitalistischen Staaten. Infolge des erbitterten Kampfes dieser Staaten um die Aufteilung der an Naturschätzen reichen und dicht bevölkerten Länder Ostasiens entstand gerade dort im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Herd schärfster internationaler Gegensätze. In dem Maße, in dem die kapitalistischen Mächte in das imperialistische Entwicklungsstadium übergingen, gewann für sie die Aggressionspolitik im Osten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert immer größere Bedeutung. „Die unermeßlichen Naturreichtümer der Länder des Ostens (Baumwolle, Erdöl, Gold, Kohle, Erz) — waren sie etwa nicht ein ,Zankapfel' für die Imperialisten aller Länder," 3 schrieb J. W. Stalin. Es mag dazu auch der Umstand vermerkt werden, daß am Ende des 19. Jahrhunderts die Kapitalausfuhr erheblich anstieg, was eines der fünf, von W.I.Lenin genannten Merkmale des Imperialismus darstellt. Der Kampf der verschiedenen Mächte um die Aufteilung und Ausbeutung der Länder Ostasiens verschärfte sich infolgedessen noch mehr. Das Eindringen ausländischen Kapitale in China in den dreißiger bis sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Die feudale Rückständigkeit Chinas China mit seiner viele Millionen zählenden Bevölkerung und seinen ungeheuren Naturschätzen, das einen hervorragenden Beitrag zur Schatzkammer der Weltkultur geliefert hatte, wurde im 19. Jahrhundert zum Hauptobjekt der räuberischen Kolonialpolitik der kapitalistischen Länder in Ostasien. Deren Politik gegenüber China im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde durch die räuberischen Kriege eingeleitet, die in den Jahren 1839—1842 und 1856—1860 von England und Frankreich mit Unterstützung der USA gegen China geführt wurden. Die Niederlage Chinas in diesen Kriegen erklärt sich aus seiner feudalen Rückständigkeit, die den kapitalistischen Ländern die Aggression erleichterte. China und die ihm angegliederten Staaten befanden sich noch auf der Stufe der Feudalordnung, die zu dieser Zeit eine ernste und langanhaltende innere 3
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J. W. Stalin, „Vergeßt den Osten nicht!", Werke, Bd. 4, Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 149.
Eindringlinge das von ihnen in den Jahren 1842—1860 geschaffene System ungleicher Verträge in China und Japan festigten und die revolutionäre Taipingbewegung unterdrückten. Seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgt sodann das Vordringen des ausländischen Handels in das Innere Chinas, die Untergrabung seiner Souveränität über die zum Reich des „Himmelssohnes" gehörenden Feudalstaaten und deren Annexion durch die kapitalistischen Länder. Gleichzeitig vollzieht sich die rasche Aufteilung der „unbesetzten" Inseln Ozeaniens. In die siebziger Jahre fallen auch die ersten Schritte der neuen aggressiven Außenpolitik Japans nach der unvollendeten bürgerlichen Revolution des Jahres 1868 und dem Eintritt Japans in die Reihe der kapitalistischen Staaten. Infolge des erbitterten Kampfes dieser Staaten um die Aufteilung der an Naturschätzen reichen und dicht bevölkerten Länder Ostasiens entstand gerade dort im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Herd schärfster internationaler Gegensätze. In dem Maße, in dem die kapitalistischen Mächte in das imperialistische Entwicklungsstadium übergingen, gewann für sie die Aggressionspolitik im Osten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert immer größere Bedeutung. „Die unermeßlichen Naturreichtümer der Länder des Ostens (Baumwolle, Erdöl, Gold, Kohle, Erz) — waren sie etwa nicht ein ,Zankapfel' für die Imperialisten aller Länder," 3 schrieb J. W. Stalin. Es mag dazu auch der Umstand vermerkt werden, daß am Ende des 19. Jahrhunderts die Kapitalausfuhr erheblich anstieg, was eines der fünf, von W.I.Lenin genannten Merkmale des Imperialismus darstellt. Der Kampf der verschiedenen Mächte um die Aufteilung und Ausbeutung der Länder Ostasiens verschärfte sich infolgedessen noch mehr. Das Eindringen ausländischen Kapitale in China in den dreißiger bis sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Die feudale Rückständigkeit Chinas China mit seiner viele Millionen zählenden Bevölkerung und seinen ungeheuren Naturschätzen, das einen hervorragenden Beitrag zur Schatzkammer der Weltkultur geliefert hatte, wurde im 19. Jahrhundert zum Hauptobjekt der räuberischen Kolonialpolitik der kapitalistischen Länder in Ostasien. Deren Politik gegenüber China im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde durch die räuberischen Kriege eingeleitet, die in den Jahren 1839—1842 und 1856—1860 von England und Frankreich mit Unterstützung der USA gegen China geführt wurden. Die Niederlage Chinas in diesen Kriegen erklärt sich aus seiner feudalen Rückständigkeit, die den kapitalistischen Ländern die Aggression erleichterte. China und die ihm angegliederten Staaten befanden sich noch auf der Stufe der Feudalordnung, die zu dieser Zeit eine ernste und langanhaltende innere 3
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J. W. Stalin, „Vergeßt den Osten nicht!", Werke, Bd. 4, Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 149.
Krise durchlebte. E i n besonderes Merkmal dieser Krise war, daß sie sich unter den Bedingungen des Eindringens ausländischen Kapitals in China und der Knechtung Chinas durch die ihm von den aggressiven kapitalistischen Mächten aufgezwungenen ungleichen Verträge entwickelte. England drang zuerst mittels eines räuberischen Krieges auf dem chinesischen M a r k t vor. Nachdem die englischen Kapitalisten im Jahre 1833 die Aufhebung des Monopols der britischen „Ostindischen Kompanie" f ü r den Handel mit China erreicht hatten, suchten sie hartnäckig nach neuen Märkten f ü r ihre Industrieeizeugnisse. Die englischen Kaufleute in Kanton forderten von ihrer Regierung die sofortige und entschlossene Anwendung von Gewalt, u m eine Flottenbasis an der chinesischen Küste zu gewinnen und die wichtigsten chinesischen H ä f e n f ü r den ausländischen Handel zu öffnen. Die englischen Kolonisatoren waren mit großem Eifer bemüht, einen Zugang nach Peking zu erhalten, u m sich dort den vorherrschenden politischen Einfluß zu sichern; es war ihnen auch sehr darum zu tun, einen günstigen Zolltarif und die Exterritorialität f ü r ausländische Kaufleute in China zu erreichen. Die anglo-indischen Kolonialkreise verstärkten den Opiumschmuggel nach China, womit sie das chinesische Volk vergifteten und infolge des Abflusses einer ungeheuren Menge Silber aus dem Lande eine Finanzkrise hervorriefen. M i t der Opiumeinfuhr nach China befaßten sich damals auch amerikanische Kapitalisten, die dieses Gift aus der Türkei nach Kanton brachten. D e n Versuch der chinesischen Behörden, diesen Schleichhandel gesetzlich zu unterbinden, beantwortete die britische Regierung im Jahre 1839 mit dem „Opiumkrieg" gegen China. Die „bestialische Grausamkeit", mit der die englische Bourgeoisie diesen Krieg führte, „entsprach vollkommen ihrer Schmuggelgier, der sie entsprang." 4 Ein USA-Geschwader traf ebenfalls in den chinesischen Gewässern ein. Staatsmänner der USA, wie zum Beispiel der ehemalige Präsident Adams, erklärten den von England vom Zaune gebrochenen Krieg unverfroren als „gerecht"; sie rechneten darauf, die Resultate des Krieges f ü r ihre eigenen Interessen ausnutzen zu können. D e r „Opiumkrieg" wurde durch den Nankinger Vertrag von 1842 und das Zusatzabkommen von 1843, die den Ausgangspunkt der Versklavung Chinas durch ungleiche Verträge bildeten, beendet. Großbritannien nahm die Insel Hongkong in Besitz und baute sie zu einem Stützpunkt f ü r seine Kriegsflotte und f ü r seinen Handel mit China aus. Die chinesische Regierung wurde ferner gezwungen, dem ausländischen Handel fünf H ä f e n zu öffnen und sich mit der Festsetzung eines niedrigen Zolltarifes f ü r ausländische Importwaren sowie mit der Exterritorialität der ausländischen Kaufleute in China einverstanden zu erklären. Unmittelbar nach England zwangen auch die USA, Frankreich und andere Staaten China ungleiche Verträge a u f . Diese Länder strebten nicht n u r danach, die gleichen Vorrechte zu erhalten, die China bereits durch England abgenötigt worden waren, und so die Rechte einer „meistbegünstigten Nation" auch f ü r sich durchzusetzen; sie machten darüber F. Engels, „Eine neue Expedition der Engländer in China", New-York Daily Tribüne, Nr. 4990, New York, 17. April 1857, (engl.).
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hinaus den Versuch, diese Privilegien noch zu erweitern und China weitere Zugeständnisse abzupressen. Dennoch gestattete es die Ausnahmestellung, die E n g land u m die Mitte des 19. Jahrhunderts infolge seines Handels- und Industriemonopols einnahm, dem britischen Kapital, aus den ungleichen Verträgen und dem Handel mit China die größten Vorteile zu ziehen. Die „Freiheit des H a n dels" und das „Meistbegünstigungsrecht" wurden die beiden aggressiven Leitsätze der britischen Politik in China. Auf der Grundlage des Meistbegünstigungsrechts dehnten sich cille Handelsvorteile, die China anderen Staaten gewährte, automatisch auf England aus. „Freiheit des Handels" mit China bedeutete f ü r die ausländischen Kapitalisten die Freiheit, das chinesische Volk aufs grausamste auszubeuten und mit Opium zu vergiften. A m meisten litten unter dem Vordringen der ausländischen Kapitalisten die breiten Massen Chinas, die zur Verzweiflung getrieben wurden und sich i m Taipingaufstand 1850—1864 gegen die reaktionären herrschenden Klassen u n d die Mandschu-Dynastie erhoben. M a r x und Engels wiesen auf die verheerende W i r k u n g hin, die das Eindringen ausländischen Kapitals auf das chinesische Handwerk ausübte. „Tausende von englischen und amerikanischen Schiffen", schrieben sie, „segelten nach China, und in kurzer Zeit war das Land mit wohlfeilen britischen und amerikanischen Maschinenfabrikaten überfüllt. Die chinesische, auf der Handarbeit beruhende Industrie erlag der Konkurrenz der Maschine. Das unerschütterliche Reich der Mitte erlebte eine gesellschaftliche Krise. Die Steuern gingen nicht mehr ein, der Staat kam sin den Rand des Bankerotts, die Bevölkerung sank massenweise in den Pauperismus hinab, brach in Empörungen aus, mißkannte, mißhandelte und tötete des Kaisers Mandarine . . . " 5 Als der Volksaufstand der Taiping ausbrach, erklärten sich die Mandschu-Dynastie und die herrschenden Klassen des feudalen China zu neuen Zugeständnissen an die ausländischen Kapitalisten bereit. Die in China von den Engländern und Franzosen in den Jahren 1856—1860 geführten Raubkriege und die neuen ungleichen englisch-chinesischen und französisch-chinesischen Verträge von Tientsin (1858) und Peking (1860) erweiterten und festigten die Positionen des Auslandskapitals in Chinabedeutend. Das im Jahre 1858 abgeschlossene Tientsiner Abkommen erwirkte sogar die rechtliche Zulassung der englischen Opiumeinfuhr nach China. Das Tientsiner Abkommen räumte den Ausländern das Recht der Freizügigkeit in ganz China zu Handelszwecken sowie das Recht zur Handelsschiffahrt auf dem Jangtse ein. Jedoch wurde das tatsächliche Vordringen des englischen Handels auf dem Jangtse in das Innere Chinas erst nach der endgültigen Niederw e r f u n g des Volksaufstandes der Taiping möglich. Bei der Zerschlagung der Taiping wurden die Mandschu-Dynastie und die reaktionären herrschenden Klassen des feudalen China von den Truppen und der Flotte Englands entscheidend unterstützt und auch Frankreich und die U S A erwiesen ihnen militärische Hilfe. Die Unterdrückung der revolutionären Taiping-Bewegung der Bauern und Handwerker durch die ausländischen Interventen und die innere Reaktion o K. Marx und F. Engels, Neue Rhein. Z., „Polit.-ökonom. Revue", H. 2, Hamburg 1850, S. 77.
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verstärkten die Abhängigkeit Chinas von den kapitalistischen Ländern Europas und den USA. I n den darauffolgenden Jahrzehnten setzten die herrschenden Kreise Chinas, die Gutsbesitzer und die Beamtenschaft mit der Dynastie Tsin an der Spitze, ihre auf die Aufrechterhaltung der Feudalordnung im Lande gerichtete volksfeindliche Politik fort. Sie nahmen bei der bestialischen Unterdrückung des Taipingaufstandes nicht allein Zuflucht zur Hilfe ausländischer Interventen, •sie sperrten sich nach Wiederherstellung ihrer Macht auch gegen jedwede wesentlichen bürgerlichen Reformen im Lande; sie dachten nicht einmal daran, solche etwa „von oben" durchzuführen. So wurde das Land gegenüber dem Andrang der kapitalistischen Staaten Westeuropas und der USA noch ohnmächtiger. Der Schwäche Chinas leisteten auch noch andere Erscheinungen seiner feudalen Rückständigkeit Vorschub: die Abgeschlossenheit seines Wirtschaftslebens, die überaus lockere Verbindung der einzelnen Provinzen untereinander, das Fehlen von Verkehrswegen und -mittein trotz der ungeheuren Ausdehnung des Landes, der Separatismus der örtlichen feudal-bürokratischen Cliquen und der feudale A u f b a u der mit primitiven Waffen ausgerüsteten Truppen. Die herrschende Mandschu-Oberschicht und die chinesischen Gutsbesitzer und Beamten setzten der Aggression der kapitalistischen Staaten Europas und der USA keinen ernsthaften Widerstand entgegen; sie verrieten ihren beschränkten Klassenvorteilen zuliebe die nationalen Interessen des Leindes. Sie nahmen zu Vergleichen und Kompromissen mit den ausländischen Staaten Zuflucht und sicherten sich durch Zugeständnisse, die sie diesen machten, ihren Beistand bei der Unterdrückung von Aufständen in den inneren Provinzen und in den Grenzgebieten des Landes. Die Kaufmannschaft vom Kompradoren-Typ und ein Teil der Gutsbesitzer trugen selbst zum Anwachsen des ausländischen Handels in China bei und unterstützten die Politik der Zugeständnisse. Diesen Kreisen stand der einflußreichste der chinesischen Staatsmänner und Diplomaten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, Li Hung-tschang, nahe. I n den sechziger Jahren tat er sich bei der blutigen Niederwerfung der Taiping-Bewegung hervor und wurde Statthalter der Provinz Tschili. Der tatsächliche Einfluß Li Hung-tschangs w a r jedoch unvergleichlich umfassender als seine offiziellen Vollmachten; er erstreckte sich auf die Armee, die Flotte und die gesamte Außenpolitik. Wenngleich Li H u n g tschang bürgerliche Reformen nicht wünschte, sondern fürchtete, so war ihm dennoch die militärische und wirtschaftliche Rückständigkeit und Schwäche Chinas bewußt. U m unter den veränderten Verhältnissen die Vorherrschaft der reaktionären herrschenden Klassen Chinas zu erhalten u n d zu festigen, leitete er daher eine teilweise Reorganisation der Armee und Flotte nach europäischem Vorbild ein und förderte so in gewissem U m f a n g die Entwicklung der Industrie und der Dampfschiffahrt. Die ins Ausland vergebenen Rüstungsaufträge und die Kapitalinvestitionen im Bergbau und in Dampfschiffahrtsgesellschaften wurden von Li Hung-tschang und der Clique seiner Günstlinge zur persönlichen Bereicherung mißbraucht. Li Hung-tschang selbst investierte große Mittel in den Kaipinger Kohlenbergwerken sowie in Schiffsgesellschaften und Banken. E r w a r ein listiger und vorsichtiger Politiker, zu Kompromissen geneigt und auf Auszeichnungen und 7
Geld versessen. In seiner Diplomatie traten alle charakteristischen Züge der Politik jenes Teils der chinesischen Gutsbesitzer und des Beamtenapparates zutage, der mit der Kompradoren-Bourgeoisie verbunden war. Die Außenpolitik Li Hungtschangs war keineswegs auf die Verteidigung der nationalen Interessen Chinas gerichtet, die er nicht selten bereit war, zum Vorteil der herrschenden Clique und zu seinem eigenen Nutzen an Ausländer zu verkaufen; sie beschränkte sich lediglich auf Versuche, die zunehmende Abhängigkeit Chinas von den kapitalistischen Mächten durch Lavieren, Hinhalten und allerlei Winkelzüge zu verzögern. Der letzte Sinn dieser Politik bestand in der Besorgnis Li Hung-tschangs, die herrschenden Klassen Chinas vor Schaden zu bewahren, und in seinem Bestreben, die Lasten der Versklavung des Landes durch das Auslandskapital ausschließlich auf die Schultern des Volkes zu legen. Li Hung-tschang trachtete danach, die Abgeschlossenheit und Abhängigkeit der Staaten, die sich unter chinesischer Souveränität befanden, so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und den Einfluß der fremden Mächte zu neutralisieren, indem er eine gegen die andere ausspielte, um, wie er sagte, „das eine Gift mit dem anderen auszutreiben". Li Hung-tschang gab sich alle erdenkliche Mühe, zu verhindern, daß die ungleichen Verträge in einer für Chinas herrschende Klassen ungünstigen Weise verändert würden. Mehr als einmal war sein Manövrieren von Erfolg begleitet, aber letzten Endes mußte er doch klein beigeben, und seine Diplomatie trug nur zur weiteren Versklavung des Landes bei. Derjenige Teil der Beamten und Gutsbesitzer, der sich durch die Zugeständnisse an die Ausländer nicht bereichern konnte und durch das Einfließen fremden Kapitals Schaden erlitt, stand zur Politik Li Hung-tschangs in Opposition und forderte die Erhaltung aller Grundsätze der alten Zeit. Die Volksmassen Chinas brachten ihren Haß gegen die ausländischen Kolonisatoren offen zum Ausdruck. Die Anfänge der Entwicklung einer chinesischen nationalen Industrie fallen in die achtziger Jahre. Um diese Zeit begannen in China Textilfabriken, Bergwerksunternehmen und Waffenfabriken zu entstehen; der Bau der ersten Eisenbahn wurde in Angriff genommen. Eine geringe Anzahl von Truppenteilen und Kriegsschiffen wurde nach europäischem Muster ausgerüstet. Arsenale, Festungen und Flottenstützpunkte wie Port Arthur, Weihaiwei und andere, wurden errichtet. Ein beträchtlicher Teil der für Rüstungszwecke bestimmten Gelder wanderte indessen in die Taschen der Beamten und China blieb nach wie vor ein in militärischer Hinsicht äußerst schwacher Staat. Die englische Aggression gegen China in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Konvention von Tschifu 1876 Fast während des ganzen 19. Jahrhunderts übertraf England die anderen Mächte im Ausmaß seines kolonialen Raubes in China; wie überall, rief es auch hier die Prinzipien der „Freiheit des Handels" und der „Meistbegünstigung" zu Hilfe, um seine Expansion durchzuführen und sein faktisches Handelsmonopol zu 8
Geld versessen. In seiner Diplomatie traten alle charakteristischen Züge der Politik jenes Teils der chinesischen Gutsbesitzer und des Beamtenapparates zutage, der mit der Kompradoren-Bourgeoisie verbunden war. Die Außenpolitik Li Hungtschangs war keineswegs auf die Verteidigung der nationalen Interessen Chinas gerichtet, die er nicht selten bereit war, zum Vorteil der herrschenden Clique und zu seinem eigenen Nutzen an Ausländer zu verkaufen; sie beschränkte sich lediglich auf Versuche, die zunehmende Abhängigkeit Chinas von den kapitalistischen Mächten durch Lavieren, Hinhalten und allerlei Winkelzüge zu verzögern. Der letzte Sinn dieser Politik bestand in der Besorgnis Li Hung-tschangs, die herrschenden Klassen Chinas vor Schaden zu bewahren, und in seinem Bestreben, die Lasten der Versklavung des Landes durch das Auslandskapital ausschließlich auf die Schultern des Volkes zu legen. Li Hung-tschang trachtete danach, die Abgeschlossenheit und Abhängigkeit der Staaten, die sich unter chinesischer Souveränität befanden, so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und den Einfluß der fremden Mächte zu neutralisieren, indem er eine gegen die andere ausspielte, um, wie er sagte, „das eine Gift mit dem anderen auszutreiben". Li Hung-tschang gab sich alle erdenkliche Mühe, zu verhindern, daß die ungleichen Verträge in einer für Chinas herrschende Klassen ungünstigen Weise verändert würden. Mehr als einmal war sein Manövrieren von Erfolg begleitet, aber letzten Endes mußte er doch klein beigeben, und seine Diplomatie trug nur zur weiteren Versklavung des Landes bei. Derjenige Teil der Beamten und Gutsbesitzer, der sich durch die Zugeständnisse an die Ausländer nicht bereichern konnte und durch das Einfließen fremden Kapitals Schaden erlitt, stand zur Politik Li Hung-tschangs in Opposition und forderte die Erhaltung aller Grundsätze der alten Zeit. Die Volksmassen Chinas brachten ihren Haß gegen die ausländischen Kolonisatoren offen zum Ausdruck. Die Anfänge der Entwicklung einer chinesischen nationalen Industrie fallen in die achtziger Jahre. Um diese Zeit begannen in China Textilfabriken, Bergwerksunternehmen und Waffenfabriken zu entstehen; der Bau der ersten Eisenbahn wurde in Angriff genommen. Eine geringe Anzahl von Truppenteilen und Kriegsschiffen wurde nach europäischem Muster ausgerüstet. Arsenale, Festungen und Flottenstützpunkte wie Port Arthur, Weihaiwei und andere, wurden errichtet. Ein beträchtlicher Teil der für Rüstungszwecke bestimmten Gelder wanderte indessen in die Taschen der Beamten und China blieb nach wie vor ein in militärischer Hinsicht äußerst schwacher Staat. Die englische Aggression gegen China in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Konvention von Tschifu 1876 Fast während des ganzen 19. Jahrhunderts übertraf England die anderen Mächte im Ausmaß seines kolonialen Raubes in China; wie überall, rief es auch hier die Prinzipien der „Freiheit des Handels" und der „Meistbegünstigung" zu Hilfe, um seine Expansion durchzuführen und sein faktisches Handelsmonopol zu 8
erweitern. I m Jahre 1864 lagen 85% der Gesamteinfuhr Chinas (ca. 16,6 Mill. P f u n d Sterling) und 74% der chinesischen A u s f u h r in englischen Händen. D e n englischen Hauptausfuhrartikel nach China bildeten Textilwaren. 1893 gingen 80% des chinesischen Exports nach dem Britischen Empire, während dieses 57% der chinesischen E i n f u h r bestritt. I n demselben Jahre 1893 waren drei F ü n f t e l aller ausländischen F i r m e n in China englische Firmen. Die Kapitalanlagen E n g lands in China waren noch verhältnismäßig gering, erreichten aber dennoch bereits die Summe von 130 Mill. Dollar. 8 Hauptzentren der englischen Handelstätigkeit in China waren Hongkong und Schanghai. Einen wichtigen Platz in dem englisch-chinesischen Handel nahm die „Hongkong & Shanghai Banking Corporation" ein, die einflußreichste Bankfirma i n China und zugleich ein dienstbares Werkzeug der britischen Kolonialpolitik. I n Schanghai befand sich die zahlenmäßig stärkste englische Niederlassung. I n spektor der chinesischen Seezölle war bereits seit dem Taipingaufstand der Engländer Robert Hart. 7 Dieser gab sich heuchlerisch als „Freund" Chinas und erhielt von den chinesischen Würdenträgern viele, f ü r die britische Regierung wertvolle Informationen. Robert H a r t t r u g wesentlich zur Festigung der englischen Positionen in China und zu Chinas Versklavung durch ausländisches Kapital bei. Die britischen Residenten traten in China großspurig und herausfordernd auf. M e h r als einmal griffen die Engländer zur rohen Gewalt und ließen durch ihre Kriegsschiffe chinesische H ä f e n bombardieren, u m auf diese Weise von den chinesischen Behörden die verschiedensten Zugeständnisse zu erpressen. Diese „Kanonenboot-Politik" wurde von den britischen diplomatischen Vertretern und dem Marinekommando weitgehend angewandt. Nichtsdestoweniger waren die raffgierigen englischen Unternehmer mit der Politik des Kabinetts Gladstone in China am Ende der sechziger Jahre nicht zufrieden und hielten die Kolonialpolitik Englands f ü r zu „unentschlossen". Sie erstrebten die völlige Abschaffung der in China unter dem Namen „Li-kin" bekannten Binnenzölle und die Erweiterung der ausländischen Flußschiffahrtsrechte. Im Jahre 1869 verstärkten der britische, der amerikanische und andere Gesandte in China ihren Druck auf die chinesische Regierung, um eine Ü b e r p r ü f u n g der f r ü h e r abgeschlossenen Verträge und die Abschaffung des Li-kin durchzusetzen. Die Industriekrise des Jahres 1873 in England, die Verminderung des Absatzes von Baumwollerzeugnissen und die Verschärfung der ausländischen Konkurrenz trieben die britische Bourgeoisie zu entschlossenen aggressiven Aktionen in China. Englische Kolonisatoren erkundeten, als „Reisende" getarnt, die Wege aus Oberburma in die chinesischen Provinzen Szetschuan, J ü n n a n und Kueitschou. I m Februar 1875 wurde der Dolmetscher einer britischen Expedition, die aus Bhamo zwecks E r k u n d u n g der von Burma nach China führenden Wege 6 7
S. McCordock, British Far Eastern Policy 1894—1900, New York 1931. S. 64/65, 71—75. Die chinesischen Seezollämter standen unter der Leitung von Engländern. Die Zolleingänge, die einen großen Teil des chinesischen Staatsbudgets ausmachten, wurden bei der englischen Hongkong-Schanghai-Bank hinterlegt.
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ausgeschickt worden war, ein gewisser Margarie, mitsamt seinen fünf chinesischen Gehilfen von einer Gruppe Unbekannter ermordet. Der britische Gesandte in Peking, Wade, nutzte die Ermordung Margaries unverzüglich aus, unter Androhung von Repressalien als „Genugtuung" die Ausdehnung des englischen Handels innerhalb Chinas zu fordern. Nach Verhandlungen, die im September 1876 mit Li Hung-tschang in Tschifu geführt wurden, erreichte Wade von diesem einige Zugeständnisse und unterzeichnete eine Konvention mit China. Die chinesische Regierung zahlte eine Kontribution in Höhe von zweihunderttausend Tael; sie erklärte sich bereit, dem Handel vier weitere Seehäfen sowie sechs Flußhäfen längs des Jangtse zu öffnen und genehmigte den Handel zwischen Burma und Jünnan. Diese Konvention, die die Monopolstellung Englands in der halbkolonialen Ausbeutung Chinas erweiterte, erregte den Unwillen Frankreichs und Rußlands. I n den siebziger Jahren herrschte in China der politische Einfluß Englands durchaus vor; das entsprach seiner beherrschenden Stellung im chinesischen Handel. Erst in den neunziger Jahren geriet er durch das aktive Vorgehen anderer Staaten etwas ins Wanken, obwohl England immer noch die Handelshegemonie behauptete. Die Expansion der USA in Ostasien bis zu den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts Die in der amerikanischen historischen Literatur verbreitete Legende, die USA hätten im 19. Jahrhundert keine aggressive Politik im Fernen Osten betrieben, ist reinste Erfindung. Der amerikanische Kapitalismus legte ein gesteigertes Interesse f ü r China an den Tag. Bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts nahmen die USA im Handel mit China nach England den zweiten Platz ein. Die amerikanischen Kaufleute waren in bedeutendem Maße am Opiumschmuggel in China beteiligt und unterstützten alle von britischer Seite unternommenen Aggressionsakte. Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts begann die Ausfuhr amerikanischer Textilerzeugnisse nach China zu wachsen. I n der Absicht, sich die Früchte der britischen Aggression zunutze zu machen, setzten die USA nicht allein die Anwendung des „Prinzips der Meistbegünstigung" auf die amerikanischen Kaufleute in China durch; sie forderten von China darüber hinaus zusätzliche Zugeständnisse an die ausländischen Kapitalisten. I m Jahre 1844 zwangen die USA China einen ungleichen Vertrag auf, der alle Vorteile, die China den Engländern eingeräumt hatte, auch auf die Amerikaner ausdehnte. Außerdem bestimmte der Vertrag die Exterritorialitätsbedingungen f ü r Ausländer noch weitgehender, als das in dem englisch-chinesischen Übereinkommen von 1843 geschehen war, und verlieh den Ausländern das Recht, Ladungen aus jedem der international geöffneten Häfen in einen anderen zollfrei zu befördern. Der genannte Vertrag verbot amerikanischen Untertanen die E i n f u h r von Opium nach China, jedoch bestätigte der USA-Kongreß bis 1887 das Gesetz über dieses Verbot nicht. 10
ausgeschickt worden war, ein gewisser Margarie, mitsamt seinen fünf chinesischen Gehilfen von einer Gruppe Unbekannter ermordet. Der britische Gesandte in Peking, Wade, nutzte die Ermordung Margaries unverzüglich aus, unter Androhung von Repressalien als „Genugtuung" die Ausdehnung des englischen Handels innerhalb Chinas zu fordern. Nach Verhandlungen, die im September 1876 mit Li Hung-tschang in Tschifu geführt wurden, erreichte Wade von diesem einige Zugeständnisse und unterzeichnete eine Konvention mit China. Die chinesische Regierung zahlte eine Kontribution in Höhe von zweihunderttausend Tael; sie erklärte sich bereit, dem Handel vier weitere Seehäfen sowie sechs Flußhäfen längs des Jangtse zu öffnen und genehmigte den Handel zwischen Burma und Jünnan. Diese Konvention, die die Monopolstellung Englands in der halbkolonialen Ausbeutung Chinas erweiterte, erregte den Unwillen Frankreichs und Rußlands. I n den siebziger Jahren herrschte in China der politische Einfluß Englands durchaus vor; das entsprach seiner beherrschenden Stellung im chinesischen Handel. Erst in den neunziger Jahren geriet er durch das aktive Vorgehen anderer Staaten etwas ins Wanken, obwohl England immer noch die Handelshegemonie behauptete. Die Expansion der USA in Ostasien bis zu den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts Die in der amerikanischen historischen Literatur verbreitete Legende, die USA hätten im 19. Jahrhundert keine aggressive Politik im Fernen Osten betrieben, ist reinste Erfindung. Der amerikanische Kapitalismus legte ein gesteigertes Interesse f ü r China an den Tag. Bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts nahmen die USA im Handel mit China nach England den zweiten Platz ein. Die amerikanischen Kaufleute waren in bedeutendem Maße am Opiumschmuggel in China beteiligt und unterstützten alle von britischer Seite unternommenen Aggressionsakte. Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts begann die Ausfuhr amerikanischer Textilerzeugnisse nach China zu wachsen. I n der Absicht, sich die Früchte der britischen Aggression zunutze zu machen, setzten die USA nicht allein die Anwendung des „Prinzips der Meistbegünstigung" auf die amerikanischen Kaufleute in China durch; sie forderten von China darüber hinaus zusätzliche Zugeständnisse an die ausländischen Kapitalisten. I m Jahre 1844 zwangen die USA China einen ungleichen Vertrag auf, der alle Vorteile, die China den Engländern eingeräumt hatte, auch auf die Amerikaner ausdehnte. Außerdem bestimmte der Vertrag die Exterritorialitätsbedingungen f ü r Ausländer noch weitgehender, als das in dem englisch-chinesischen Übereinkommen von 1843 geschehen war, und verlieh den Ausländern das Recht, Ladungen aus jedem der international geöffneten Häfen in einen anderen zollfrei zu befördern. Der genannte Vertrag verbot amerikanischen Untertanen die E i n f u h r von Opium nach China, jedoch bestätigte der USA-Kongreß bis 1887 das Gesetz über dieses Verbot nicht. 10
Seitdem die USA in den vierziger Jahren mit der Einbeziehung Kaliforniens an der Küste des Stillen Ozeans ihre Expansion auf dem amerikanischen Kontinent beendet hatten, verstärkte sich ihre Aktivität in Ostasien äußerst rasch. Die Handelsflotte der USA stand zu jener Zeit der englischen nur wenig nach. Die Konkurrenz der Handelsflotte der USA, der rasche wirtschaftliche Aufstieg der USA und das Anwachsen ihres Einflusses auf dem amerikanischen Kontinent bereiteten der britischen Bourgeoisie großes Unbehagen. Die Rivalität Englands und der USA übte auf die politische Lage am Stillen Ozean einen beträchtlichen Einfluß aus und spiegelte sich in ihrer China-Politik wider. Die Bourgeoisie der Nordstaaten und ein Teil der Sklavenhalter (des Südens) traten für die Expansion der USA am Stillen Ozean ein. In den vierziger Jahren brachten die USA das Königreich der Hawaii-Inseln, wo sich bereits vorher amerikanische Walfänger und Missionare niedergelassen hatten, unter ihren Einfluß. In denselben Jahren erschienen amerikanische Walfänger in großer Zahl in der Nähe von Japan und im Ochotskischen Meer. Die amerikanischen Missionare und Kapitalisten beuteten die einheimische Bevölkerung unbarmherzig aus, indem sie sich den besten Boden aneigneten und eine ungeheure Menge des wertvollen Sandelholzes zu Spottpreisen aufkauften. Missionare, Kaufleute und die Regierung der USA mischten sich unverfroren in die Angelegenheiten des Hawaiischen Königreiches ein. Bereits im Jahre 1851 wurde ein Projekt für die Annexion der Hawaii-Inseln vorbereitet, das nur infolge der Zuspitzung des Kampfes zwischen dem Norden und dem Süden der USA und aus Furcht, Konflikte mit England und Frankreich heraufzubeschwören, nicht zur Ausführung kam. 8 Im Jahre 1851 faßte die Regierung der USA den Entschluß, Japan unter Androhung von Waffengewalt zu zwingen, mit den USA kommerzielle und diplomatische Beziehungen aufzunehmen und ihm ungleiche Verträge aufzunötigen. Die amerikanischen Kapitalisten wollten sich in Japan einen neuen Markt erschließen und zugleich den amerikanischen Walfang- und Handelsschiffen die Möglichkeit schaffen, sich in den japanischen Häfen mit Brennstoff und Proviant zu versorgen. Die USA betrachteten ihr Eindringen in Japan auch unter dem Gesichtspunkt, damit ihre Positionen an den Zufahrtsstraßen nach China und Korea zu festigen. Im Jahre 1854 zwang das amerikanische Geschwader des Kommodore Perry die japanische Regierung, sich zu fügen und mit den USA ein Abkommen zu schließen, das zur Grundlage für weitere ungleiche Verträge mit Japan wurde. Unter dem Vorwand, auslandsfeindliche Unruhen niederschlagen zu müssen, beteiligten sich amerikanische Kriegsschiffe wiederholt an der Bombardierung japanischer Häfen. Aber die USA waren durch ihre territorialen Eroberungen auf dem amerikanischen Kontinent und durch den inneren Kampf zwischen dem Norden und dem Süden zu sehr in Anspruch genommen und kamen daher nicht dazu, irgendwelche Stützpunkte in der Nähe von Ostasien zu besetzen, obwohl in den Kreisen der Kapitalisten und Militärs der USA das Bestreben zu solchen 8
Papers Relating to the Foreign Relations of the United States, 1894. Appendix II. AfEairs in Hawaii, Washington 1895, S. 6.
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Besitzergreifungen bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts vorhanden war. Kommodore Perry schlug der Regierung der USA vor, die Riu-kiu-Inselgruppe in Besitz zu nehmen und erlangte vom König der Riu-kiu-Inseln die Erlaubnis für amerikanische Schiffe, die Inseln anzulaufen; er versuchte auch, sich der BoninInseln zu bemächtigen. Die Eroberungsgelüste Perrys waren recht umfänglich. Er forderte dazu auf, die „Schutzherrschaft" der USA auf die Insel Taiwan (Formosa) und auf beträchtliche Teile Indochinas und Indonesiens auszudehnen. Amerikanische „Historiker" der Gegenwart preisen diese Pläne Perrys als „Vorwegnahme" der Raubpolitik des USA-Imperialismus und seiner Ansprüche auf die Herrschaft am Stillen Ozean und in Ostasien frech über den grünen Klee. Im Jahre 1856 erteilte der amerikanische Kommissar in China, Parker, seiner Regierung den Rat, sich der Insel Taiwan zu bemächtigen. Die Regierung der USA und einzelne amerikanische Abenteurer mischten sich dreist in die Ereignisse in China ein. Während des Taipingaufstandes halfen amerikanische Kriegsschiffe und deren Besatzungen wiederholt der anglo-französischen konterrevolutionären Intervention und eröffneten das Feuer auf friedliche Siedlungen der Chinesen. Ein amerikanischer Abenteurer namens Ward befehligte damals militärische Formationen, die für die Unterdrückung der Taiping-Bewegung bestimmt waren. Als Ward getötet wurde, veranlaßte der amerikanische Resident in China, Burlingame, die chinesische Regierung, zu Wards Nachfolger den amerikanischen Oberst Burgevine zu ernennen, obwohl sich die Engländer darum bemühten, diesen Posten mit einem britischen Offizier zu besetzen.9 Ende der fünfziger Jahre stieg der Handel der USA mit China jäh an. Die USA genossen nach dem Grundsatz der „Meistbegünstigung" alle Vorteile, die den ausländischen Kapitalisten durch die ungleichen Verträge von 1858 und 1860 zugesprochen worden waren. Einflußreiche Kreise der amerikanischen Bourgeoisie forderten die Durchführung einer breiten Expansionspolitik im Stillen Ozean; sie wiegten sich in der Hoffnung, daß die USA den Handel in Ostasien in ihre Hände bringen würden. 1865 erklärte Cole, ein Kongreßmitglied aus Kalifornien, daß der Handel mit China, „der einer unbegrenzten Ausdehnung fähig ist", im „Bereich unserer Aktionsmöglichkeiten" liegt, „und es muß die Frage entschieden werden, ob wir klug genug sind, uns seiner zu bemächtigen." 10 Der Bürgerkrieg lenkte die USA zeitweilig von ihrer Eroberungspolitik im Stillen Ozean ab; der Sieg der Nordstaaten über die Sklavenhalterstaaten des Südens gab dieser Eroberungspolitik jedoch wieder freie Hand. Obgleich zahlreiche amerikanische Kapitalisten ihr Hauptaugenmerk jetzt auf die Aneignung und Ausbeutung der ausgedehnten Gebiete im amerikanischen Westen und auf den Eisenbahnbau innerhalb des Landes richteten, hörte die aggressive Politik der USA im Stillen Ozean keineswegs auf, sondern erlebte im Gegenteil in den Jahren 1867 bis 1871 einen noch größeren Aufschwung. Bericht des russischen Vertreters in China, Ballüsek, vom 13. (1.) Dezember 1862. IIB HA
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38, on. 31/287, 1861—1865, CB. 888, Dok. 10, Bl. 460—461. Congressional Globe, 38th Congx. 2nd Sess., 16. Febr. 1865, Washington, S. 830.
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Die eifrigsten Verfechter der Aggression im Stillen Ozean waren die Kapitalisten der Weststaaten und New Yorks; hinzu kamen solche Kreise der Republikanischen Partei, die keine völlige Liquidierung jener Überreste der Sklaverei wünschten, die der Ausweitung des Binnenhandels weiterhin hinderlich im Wege standen. Der bedeutendste Vertreter des rechten Flügels der Republikanischen Partei, Seward, der später Staatssekretär wurde, verfocht eine ausgedehnte Eroberungspolitik im Stillen Ozean. Die amerikanischen Expansionisten trugen ihre Aggression in drei Richtungen vor: 1. nach Nordwesten, in Richtung der russischen Besitzungen in Alaska, auf den Aleuten-Inseln und in Ostsibirien, 2. in Richtung Japan, Korea und China, das Hauptobjekt der USA-Aggression im Fernen Osten und 3. nach Südwesten, zur Annexion der zahlreichen Inseln im Stillen Ozean, darunter der SamoaInseln. Der sogenannte „Burlingame-Vertrag" zwischen den USA und China vom Jahre 1868 Die amerikanischen „Zivilisatoren" in China traten höchst unverschämt auf. Sie brachten chinesische Kulis nach Kalifornien, wo in den fünfziger Jahren die Kapitalisten an einem Mangel an Arbeitskräften litten. Schiffsreedereien und ihre Agenten warben die Kulis unter falschen Vorspiegelungen an; sehr oft bemächtigten sie sich dieser auch mit Gewalt und verfrachteten sie nach Amerika. Dieses räuberische Gewerbe war in Wirklichkeit nichts anderes als Sklavenhandel. Die Beziehungen zwischen den USA und China in den sechziger bis achtziger Jahren wurden durch die aggressiven Ziele der amerikanischen Bourgeoisie und durch die Rivalität zwischen den USA einerseits und England und Frankreich andererseits bestimmt. Die amerikanische Bourgeoisie befürchtete, daß die europäischen Mächte ihr zuvorkommen, China aufteilen und es unter ihre Kontrolle bringen würden, ehe die USA die ostasiatischen Märkte an sich reißen könnten. Um zu gewährleisten, daß China das Prinzip der „Meistbegünstigung" auf die USA strikt anwende und um zu verhindern, daß Großbritannien irgendwelche Sondervorteile erlange, trieb die amerikanische Diplomatie, vertreten durch den Staatssekretär Seward, in China eine „Politik der Zusammenarbeit", d.h. eines aufeinander abgestimmten Druckes der Mächte auf die chinesische Regierung in all den Angelegenheiten, die die Vorrechte ausländischer Kapitalisten betrafen. Gleichzeitig wünschte die amerikanische Regierung, um ihre eigenen expansionistischen Ziele zu verwirklichen, neue territoriale Zugriffe Englands in China und die Errichtung neuer „Settlements" in den offenen Häfen zu erschweren. Sie hoffte, daß amerikanische Kapitalisten besondere Handelsvorrechte und vorteilhafte Konzessionen für den Bau von Eisenbahnen und Telegraphenlinien erhalten würden. Die chinesische Diplomatie ihrerseits war bemüht, die USA in Gegensatz zu England zu bringen. Der amerikanische Gesandte in China, Burlingame, 15
Die eifrigsten Verfechter der Aggression im Stillen Ozean waren die Kapitalisten der Weststaaten und New Yorks; hinzu kamen solche Kreise der Republikanischen Partei, die keine völlige Liquidierung jener Überreste der Sklaverei wünschten, die der Ausweitung des Binnenhandels weiterhin hinderlich im Wege standen. Der bedeutendste Vertreter des rechten Flügels der Republikanischen Partei, Seward, der später Staatssekretär wurde, verfocht eine ausgedehnte Eroberungspolitik im Stillen Ozean. Die amerikanischen Expansionisten trugen ihre Aggression in drei Richtungen vor: 1. nach Nordwesten, in Richtung der russischen Besitzungen in Alaska, auf den Aleuten-Inseln und in Ostsibirien, 2. in Richtung Japan, Korea und China, das Hauptobjekt der USA-Aggression im Fernen Osten und 3. nach Südwesten, zur Annexion der zahlreichen Inseln im Stillen Ozean, darunter der SamoaInseln. Der sogenannte „Burlingame-Vertrag" zwischen den USA und China vom Jahre 1868 Die amerikanischen „Zivilisatoren" in China traten höchst unverschämt auf. Sie brachten chinesische Kulis nach Kalifornien, wo in den fünfziger Jahren die Kapitalisten an einem Mangel an Arbeitskräften litten. Schiffsreedereien und ihre Agenten warben die Kulis unter falschen Vorspiegelungen an; sehr oft bemächtigten sie sich dieser auch mit Gewalt und verfrachteten sie nach Amerika. Dieses räuberische Gewerbe war in Wirklichkeit nichts anderes als Sklavenhandel. Die Beziehungen zwischen den USA und China in den sechziger bis achtziger Jahren wurden durch die aggressiven Ziele der amerikanischen Bourgeoisie und durch die Rivalität zwischen den USA einerseits und England und Frankreich andererseits bestimmt. Die amerikanische Bourgeoisie befürchtete, daß die europäischen Mächte ihr zuvorkommen, China aufteilen und es unter ihre Kontrolle bringen würden, ehe die USA die ostasiatischen Märkte an sich reißen könnten. Um zu gewährleisten, daß China das Prinzip der „Meistbegünstigung" auf die USA strikt anwende und um zu verhindern, daß Großbritannien irgendwelche Sondervorteile erlange, trieb die amerikanische Diplomatie, vertreten durch den Staatssekretär Seward, in China eine „Politik der Zusammenarbeit", d.h. eines aufeinander abgestimmten Druckes der Mächte auf die chinesische Regierung in all den Angelegenheiten, die die Vorrechte ausländischer Kapitalisten betrafen. Gleichzeitig wünschte die amerikanische Regierung, um ihre eigenen expansionistischen Ziele zu verwirklichen, neue territoriale Zugriffe Englands in China und die Errichtung neuer „Settlements" in den offenen Häfen zu erschweren. Sie hoffte, daß amerikanische Kapitalisten besondere Handelsvorrechte und vorteilhafte Konzessionen für den Bau von Eisenbahnen und Telegraphenlinien erhalten würden. Die chinesische Diplomatie ihrerseits war bemüht, die USA in Gegensatz zu England zu bringen. Der amerikanische Gesandte in China, Burlingame, 15
wurde in den chinesischen diplomatischen Dienst übernommen und zum Abschluß eines Vertrages zwischen China und den USA nach Amerika geschickt. In den USA pries Burlingame unter der amerikanischen Bourgeoisie in marktschreierischer Weise die angebliche Bereitschaft der chinesischen Regierung, China für den ausländischen Handel und ausländische Kapitalien weit zu öffnen. Im Jahre 1868 schlössen die USA mit China den sogenannten „Burlingame-Vertrag", der ein Schulbeispiel für die Heuchelei und Verlogenheit der amerikanischen Diplomatie darstellt. In der Hoffnung auf die Möglichkeit einer Versklavung Chinas durch amerikanisches Kapital „anerkannten" die USA mit diesem Vertrag das Prinzip der territorialen „Integrität" und „Souveränität" Chinas sowie das Prinzip der „Nichteinmischung" der USA in die inneren Angelegenheiten Chinas. Der Vertrag sah weiterhin die Abschaffung der für die Auswanderung von Chinesen nach den USA bestehenden Einschränkungen durch die chinesische Regierung vor. Die amerikanischen Kapitalisten, die in den sechziger Jahren an einem Zustrom billiger Arbeitskräfte aus China interessiert waren, rechneten damit, daß der „Burlingame-Vertrag" die Einwanderung von Chinesen in die USA günstig beeinflussen würde. Bald sollte jedoch die amerikanische Bourgeoisie eine Enttäuschung erleben. Die von Burlingame aufgebrachten Gerüchte über angeblich bevorstehende neue Zugeständnisse an die ausländischen Kapitalisten bewahrheiteten sich nicht. Die chinesische Regierung widersetzte sich dem Druck, den die ausländischen Mächte im Jahre 1869 anwandten, um eine für sie günstige Revision der Verträge zu erreichen und China neue Privilegien abzuringen. Später, in den achtziger Jahren, gab Staatssekretär Bayard zu, daß der „Freundschafts"-Rummel mit China in Gestalt der Mission Burlingames eine „Zirkusvorstellung" und sein Vertrag selbst „leeres Geschwätz war." 11 Den USA war es weder geglückt, den vorherrschenden Einfluß Englands in China zu untergraben, noch gelang es ihnen, bei China Unterstützung für die amerikanische Raubpolitik in Korea, das unter chinesischer Oberhoheit stand, zu finden. Die Raubpolitik der USA und Frankreichs in Korea in den Jahren 1866—1871 Die kapitalistischen Mächte des Westens versuchten mehrmals, Korea zur Unterzeichnung ungleicher Verträge und zur Öffnung seiner Häfen für den ausländischen Handel zu zwingen. Als erste bemühte sich die französische Bourgeoisie emsig darum. In den sechziger Jahren brach unter dem koreanischen Volk eine heftige Empörung über die Intrigen der in das Land eingedrungenen katholischen Missionare aus. Unter dem Vorwand des „Schutzes" der Missionare entschloß 11
Ch. C. Tansill, The Foreign Policy of Thomas F. Bayard, 1885—1897, New York 1940, S. 134/135.
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wurde in den chinesischen diplomatischen Dienst übernommen und zum Abschluß eines Vertrages zwischen China und den USA nach Amerika geschickt. In den USA pries Burlingame unter der amerikanischen Bourgeoisie in marktschreierischer Weise die angebliche Bereitschaft der chinesischen Regierung, China für den ausländischen Handel und ausländische Kapitalien weit zu öffnen. Im Jahre 1868 schlössen die USA mit China den sogenannten „Burlingame-Vertrag", der ein Schulbeispiel für die Heuchelei und Verlogenheit der amerikanischen Diplomatie darstellt. In der Hoffnung auf die Möglichkeit einer Versklavung Chinas durch amerikanisches Kapital „anerkannten" die USA mit diesem Vertrag das Prinzip der territorialen „Integrität" und „Souveränität" Chinas sowie das Prinzip der „Nichteinmischung" der USA in die inneren Angelegenheiten Chinas. Der Vertrag sah weiterhin die Abschaffung der für die Auswanderung von Chinesen nach den USA bestehenden Einschränkungen durch die chinesische Regierung vor. Die amerikanischen Kapitalisten, die in den sechziger Jahren an einem Zustrom billiger Arbeitskräfte aus China interessiert waren, rechneten damit, daß der „Burlingame-Vertrag" die Einwanderung von Chinesen in die USA günstig beeinflussen würde. Bald sollte jedoch die amerikanische Bourgeoisie eine Enttäuschung erleben. Die von Burlingame aufgebrachten Gerüchte über angeblich bevorstehende neue Zugeständnisse an die ausländischen Kapitalisten bewahrheiteten sich nicht. Die chinesische Regierung widersetzte sich dem Druck, den die ausländischen Mächte im Jahre 1869 anwandten, um eine für sie günstige Revision der Verträge zu erreichen und China neue Privilegien abzuringen. Später, in den achtziger Jahren, gab Staatssekretär Bayard zu, daß der „Freundschafts"-Rummel mit China in Gestalt der Mission Burlingames eine „Zirkusvorstellung" und sein Vertrag selbst „leeres Geschwätz war." 11 Den USA war es weder geglückt, den vorherrschenden Einfluß Englands in China zu untergraben, noch gelang es ihnen, bei China Unterstützung für die amerikanische Raubpolitik in Korea, das unter chinesischer Oberhoheit stand, zu finden. Die Raubpolitik der USA und Frankreichs in Korea in den Jahren 1866—1871 Die kapitalistischen Mächte des Westens versuchten mehrmals, Korea zur Unterzeichnung ungleicher Verträge und zur Öffnung seiner Häfen für den ausländischen Handel zu zwingen. Als erste bemühte sich die französische Bourgeoisie emsig darum. In den sechziger Jahren brach unter dem koreanischen Volk eine heftige Empörung über die Intrigen der in das Land eingedrungenen katholischen Missionare aus. Unter dem Vorwand des „Schutzes" der Missionare entschloß 11
Ch. C. Tansill, The Foreign Policy of Thomas F. Bayard, 1885—1897, New York 1940, S. 134/135.
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sich der französische Gesandte i n China zu energischem Vorgehen. E r erklärte ohne viel Federlesens den koreanischen König f ü r „abgesetzt" und entsandte im Jahre 1866 das in den chinesischen Gewässern stationierte französische Geschwader mit der unverschämten Forderung nach Korea, i h m die drei „höchsten Minister" zur Bestrafung auszuliefern. Nachdem die Franzosen eine Absage erhalten hatten, bombardierten sie die Forts an der M ü n d u n g des Han-kang-Flusses, landeten Mannschaften und nahmen die Festung Kanghoa. D i e Koreaner leisteten erbitterten Widerstand und die Franzosen m u ß t e n sich, nachdem sie 50 M a n n an Toten und rund 60 M a n n an Verwundeten verloren hatten, wieder einschiffen und das Weite suchen. Die drohende Gefahr eines Krieges mit Preußen in Europa zwang Napoleon I I I . , von einer Fortsetzung des Krieges gegen Korea abzusehen, obwohl Seward 1867 Frankreich anbot, eine gemeinsame französisch-amerikanische Expedition zu unternehmen, u m Korea zu zwingen,,,einen Vertrag, analog den mit China und Japan abgeschlossenen, zu akzeptieren." 1 2 Die französischen Interventen wurden von den amerikanischen noch übertroffen. Die Politik der U S A in der koreanischen Frage trug einen unverhüllt räuberischen Charakter. I m Jahre 1866 f u h r der schwerbewaffnete amerikanische Schoner „General Sherman" in den Taitong-kang-Fluß ein, u m die altertümlichen koreanischen Grabstätten im Gebiet von Pjöngjang zu plündern. Der Schiffskommandant beleidigte die koreanischen Beamten, während sich die Matrosen an den koreanischen F r a u e n roh vergingen. F l u ß a u f w ä r t s fahrend, machte sich das Kommando der „General Sherman" daran, koreanische Handelsdschunken zu plündern und einige Gefangene einzubringen. D a r a u f h i n kam es zu einem Zusammenstoß mit der ansässigen Bevölkerung. Die ganze Besatzung des amerikanischen Schoners wurde niedergemacht. Später gingen über ihr Schicksal Nachrichten ein, die von Korea aus den chinesischen Behörden übermittelt und auch dem Kapitän eines amerikanischen Schiffes, das i m Jahre 1868 Korea anlief, mitgeteilt wurden. 13 I m F r ü h j a h r 1867 unternahm der amerikanische K a u f m a n n und Abenteurer Jenkins, der f r ü h e r als Dolmetscher im amerikanischen Konsulat in Schanghai gedient hatte, eine Expedition nach Korea. E r rüstete zu diesem Zweck ein Schiff namens „China" aus, bewaffnete es und begab sich an die Küsten Koreas, nachdem er dem amerikanischen Gesandten versprochen hatte, aus Korea eine „Gesandtschaft" zur Unterzeichnung eines Vertrages mitzubringen. D e r eigentliche Zweck dieser Piratenexpedition bestand ebenfalls darin, die alten Gräber zu berauben und die sterblichen Überreste der bestatteten Könige zu entwenden; f ü r diese hoffte m a n ein gutes Lösegeld zu erhalten, da nach der dortigen religiösen Vorstellung der Verlust dieser sterblichen Überreste unabsehbare Nöte 12 Dennett T., Seward's Far Eastern Policy. „Amer. Hist. Rev.", Bd. XXVII, Nr. I, Oktober 1922, S. 56—58. 13 Papers relating to the Foreign Relations of the United States (weiterhin mit FRUS abgekürzt), Washington 1870, S. 336; ferner 42nd Congr. 22nd Sess. House. Ex. Doc., Bd. I, Nr. 1, Washington 1872, S. 133—135 u. a.
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über Korea bringen würde. Jenkins Bande f u h r auf Booten einen kleinen F l u ß im nördlichen Teil der Provinz Tschun-Tschön-do 40 Meilen aufwärts; sie begab sich in Begleitung eines französischen Spions aus der Reihe der jesuitischen Missionare zu den Gräbern und raffte dort sämtliches kostbare Gerät zusammen, konnte jedoch die schweren Sarkophage nicht wegbringen. D a r a u f hin versuchte Jenkins, mit dem Schiff in den Han-kang einzufahren, kehrte jedoch aus Furcht wieder um. Das schändliche Abenteuer Jenkins wurde ruchbar und erregte einen öffentlichen Skandal. U m f ü r die USA „das Gesicht zu retten", befahl Staatssekretär W . H . Seward, Jenkins „abzuurteilen"; das amerikanische Konsulargericht sprach ihn jedoch unter dem erlogenen Vorwand eines „Mangels an Beweisen" frei. Sodann beschloß die Regierung der USA, ein Geschwader unter Vizeadmiral Rogers nach Korea zu entsenden. Die Organisatoren dieses neuen Raubzuges waren der Neffe des Staatssekretärs, Generalkonsul der U S A H . F. Seward und der amerikanische Gesandte in China, Low, Großkapitalist Und ehemaliger Gouverneur von Kalifornien. D e r offizielle, glatt erlogene Vorwand f ü r die Entsendung der Expedition war die Forderung, die koreanische Regierung solle sich verpflichten, Schiffbrüchigen an der Küste Koreas Hilfe zu leisten. I n Wirklichkeit hatte Rogers den A u f t r a g , von Korea den Abschluß eines räuberischen, ungleichen Vertrages und die Ö f f n u n g seiner H ä f e n f ü r den ausländischen Handel zu erzwingen. Die Instruktionen f ü r Rogers waren in solchen Ausdrücken gehalten, daß sie diesem volle Handlungsfreiheit zur Anwendung von Waffengewalt gaben. Als Basis f ü r den Überfall auf Korea diente der japanische H a f e n Nagasaki. Das aus fünf Schiffen bestehende Geschwader Rogers erreichte Ende M a i 1871 die M ü n d u n g des Flusses Han-kang, wo die amerikanischen Offiziere den koreanischen Behörden erklärten, daß sie zu „friedlichen" Zwecken Tiefenlotungen auf dem Wege nach Söul vornehmen würden; am 2. Juni f u h r e n sie m i t ihren Schiffen den F l u ß aufwärts. Als die Koreaner sich einschickten, Widerstand zu leisten, erklärten die Amerikaner das dreist als einen „unprovozierten Überfall". A m 10. Juni zerstörten sie einige Forts, schifften eine Landungsabteilung aus, warfen die Geschütze der Koreaner ins Wasser und verbrannten Lebensmittelvorräte. D a n n erfolgte der Angriff auf die Hauptfestung Kanghoa, deren Besatzung trotz ihrer primitiven Bewaffnung den ungleichen Kampf a u f n a h m . Etwa 350 Helden opferten ihr Leben f ü r die Heimat und f ü g t e n den Banditen empfindliche Verluste zu. D i e Amerikaner warteten vergeblich auf Zugeständnisse. Die koreanischen Behörden wiesen die unverschämten Forderungen der Amerikaner ab, indem sie ihnen antworteten: „Unter der Maske der Freundschaft verbergen Sie falsche und hinterlistige Pläne", zerstören Häuser, plündern und f ü h r e n sich auf wie „Diebe und Spione." 1 * Nach dieser A b f u h r waren die Amerikaner genötigt, ihren Landungstrupp wieder an Bord zu nehmen und die Rückreise anzutreten. » 42nd Congr. 2nd Sess., S. 130/151, 137/138.
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Rußland und China zu Beginn der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderte In der Zeit, in der das ausländische Kapital in China eindrang, unterschied sich das Verhalten Rußlands gegenüber China von der Politik der Westmächte und der USA. Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte im zaristischen Rußland noch die Leibeigenschaft. Seine Industrie, sein Außenhandel und seine Flotte befanden sich, verglichen mit der Handels-, Industrie- und Seemacht Englands, weit im Rückstand. Besonders abgelegen und dünn besiedelt war Ostsibirien, das dem zaristischen Rußland zur Goldgewinnung und Pelztierjagd sowie als geeignete Gegend für Zwangsarbeit und Strafverschickung diente. Die ungeheure Entfernung, die Wegelosigkeit und die Schwierigkeiten des Überlandtransportes durch ganz Sibirien machten Rußland im Fernen Osten unermeßlich viel schwächer als in Europa, wo es bis zum Krimkriege die stärkste Militärmacht darstellte. Im Stillen Ozean war die Flotte des zaristischen Rußlands bedeutend schwächer, als die Flotte der Engländer. Die Landtruppen in den fernöstlichen Grenzgebieten Rußlands waren ebenfalls völlig unbedeutend. Durch die orthodoxe geistliche Mission in China unterhielt die zaristische Regierung bereits seit dem 18. Jahrhundert Beziehungen mit China. Der russische Überlandhandel mit China nahm seinen Weg über Kjachta. Rußland war recht wenig daran interessiert, bei der gewaltsamen Öffnung Chinas für den fremdländischen Überseehandel Initiative zu entfalten. Die zaristische Regierung wünschte im Gegenteil die Lage, wie sie in Ostasien bis zum ersten „Opiumkrieg" Englands gegen China bestanden hatte, möglichst lange zu erhellten. Die Aggression Großbritanniens, Frankreichs und der anderen Mächte in China und die Öffnung chinesischer Häfen für den ausländischen Handel waren für das zaristische Rußland ungünstig. Diese Vorgänge störten erheblich das im Fernen Osten bestehende Kräfteverhältnis, und das gerade zu einem Zeitpunkt, als die zaristische Regierung nicht darauf vorbereitet war. Die Öffnung der chinesischen Häfen und die Entwicklung des überseeischen Außenhandels Chinas drohten, dem russisch-chinesischen Überlandhandel Abbruch zu tun; sie brachten den herrschenden Klassen Rußlands nur geringen Nutzen und ver^ stärkten gleichzeitig den Einfluß der Gegner Rußlands in China — Englands und Frankreichs. Infolge seiner räumlichen Abgelegenheit, der Schwäche seiner Handelsflotte und der Rückständigkeit seiner Industrie konnte das zaristische Rußland seine Waren nicht mit dem gleichen Erfolg nach den Seehäfen Chinas ausführen, wie England und Frankreich, und es konnte sich auch die ungleichen Verträge mit China nicht in demselben Maße zunutze machen, wie die Bourgeoisie der Länder Europas und der USA. Die russischen Textilien konnten in den Küstenprovinzen Chinas mit den westeuropäischen nicht konkurrieren. Aus diesen Gründen zeigte die zaristische Regierung, ungeachtet des räuberischen, kolonialen Charakters, den die Politik des Zarismus im ganzen gesehen trug, keine Initiative, als China ungleiche Verträge aufgezwungen wurden. 17
Im Unterschied zu den Staaten, die ungeheure Entfernungen über See von China trennten, war Rußland Chinas Nachbar auf dem Festland und hatte mit ihm über eine Ausdehnung von vielen tausend Werst die längste gemeinsame Grenze der Welt. Infolgedessen war Rußland außer an der Festlegung einer grüstigen Grenzlinie auch daran interessiert, daß sich in China, insbesondere in den Rußland benachbarten Gebieten des Chinesischen Reiches, nicht der Einfluß irgendwelcher Rußland feindlicher Staaten, die China zum Nachteil Rußlands und in ihrem eigenen, selbstsüchtigen Interesse ausnutzen könnten, geltend machte. Es gelang Rußland mehr als einmal auf diplomatischem Wege, Chinas Einverständnis zur Festsetzung günstigerer Grenzen zu erlangen. Einen bedeutenden Platz in den russisch-chinesischen Beziehungen nahm der Handel ein. Aus China wurde nach Rußland hauptsächlich Tee eingeführt. Der Export Rußlands nach China setzte sich vorwiegend aus Pelzwerk, Tuchen und Baumwollgeweben zusammen. Geraume Zeit diente die Karawanenstraße über Kjachta als Hauptweg für diesen Handel; in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verminderte sich ihre Bedeutung jedoch infolge der Entwicklung der Dampfschiffahrt, so daß der Kjachtaer Handel zurückging. Im Unterschied zur britischen Regierung, die die auf Schleichhandel beruhende Einfuhr indischen Opiums nach China förderte, wurde aus Rußland kein Opium nach China eingeführt und der Handel mit diesem Rauschgift bereits im Jahre 1841 verboten, wovon die chinesische Regierung damals auch gleich in Kenntnis gesetzt worden ist. 15 Das Eindringen britischen, amerikanischen und französischen Kapitals in China und der Abschluß ungleicher Verträge beunruhigte die zaristische Regierung. Die Belebung des Handels im Stillen Ozean, die ständige Anwesenheit amerikanischer Schiffe im Ochotskischen Meer, die gewaltsame Herstellung kommerzieller und diplomatischer Beziehungen mit Japan durch die Amerikaner und das Eindringen ausländischen Kapitals in Japan komplizierten die Lage im Fernen Osten noch mehr. Die verdächtigen „Reisen" englischer und amerikanischer, vorgeblich mit „wissenschaftlichen" Forschungen beschäftigter Kundschafter beunruhigten die herrschenden Kreise Rußlands ernstlich. Der Amur war der einzige große Fluß Ostsibiriens, der in den Stillen Ozean mündete. Der Gouverneur von Ostsibirien, N. N. Murawjow, setzte die zaristische Regierung rechtzeitig von der Notwendigkeit in Kenntnis, dem Erscheinen der Engländer und Franzosen an der Amurmündung und auf Sachalin zuvorzukommen und warnte: „Sibirien besitzt derjenige, in dessen Händen sich das linke Ufer und die Mündung des Amur befinden." 16 15
Die Geschichte dieser Frage siehe in dem umfangreichen Bericht des Gesandten in Peking, Kojander, vom 26. Juni 1881, ApxHB BHenmeÄ
ÜOJIHTHKH POCCHH
(Weiterhin mit ABEtP ab-
gekürzt), Hauptarchiv, Nr. 28, Bl. 140—146. 16
Brief N. N. Murawjows an den Innenminister vom 14. (26.) September 1848; in H. BapcyKOB, r p a $ H. H. MypaBteB-ÄMypcKHH, Buch II, Moskau 1891, S. 35.
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Es erhob sich die Frage über die Notwendigkeit einer genauen Erforschung der M ü n d u n g des Amur-Flusses und Sachalins sowie der Wiedereingliederung des Amurgebietes a n Rußland, eines Gebietes, das bereits i m 17. Jahrhundert von russischen Kosaken besiedelt worden, aber i m Jahre 1689 auf G r u n d des Vertrages von Nertschinsk R u ß l a n d verlorengegangen war. Von eminenter Bedeutung f ü r die Lösung des Amurproblems i m Interesse Rußlands waren die im Fernen Osten vollbrachten Heldentaten russischer Marineoffiziere, die wagemutig die M ü n d u n g des A m u r erforschten. I m Jahre 1849 machte eine Expedition unter dem Kommando des Kapitänleutnants Newelskoi (des späteren Admirals) eine hervorragende Entdeckung: sie stellte endgültig fest, daß die Insel Sachalin durch eine schiffbare Meerenge vom Festland getrennt und die M ü n d u n g des Amur f ü r Seeschiffe zugängig ist. Newelskoi gründete im Jahre 1850 an der M ü n d u n g des A m u r den Stützpunkt Nikolajewsk und verkündete der dort ansässigen Bevölkerung die Zugehörigkeit des A m u r gebietes zu Rußland. I m Jahre 1853 gründete derselbe Newelskoi den ersten russischen Militärstützpunkt auf Sachalin und verkündete die Angliederung der Insel an Rußland. 1 7 Während des Krimkrieges veranlaßte der drohende Überfall der Engländer und Franzosen auf die russische Küste am Stillen Ozean die zaristische Regierung, M u r a w j o w i m Jahre 1854 zu gestatten, Truppen und Ausrüstung zur Verteidigung des Amurgebietes und Kamtschatkas gegen eine eventuelle ausländische Invasion den A m u r abwärts zu transportieren. Die englisch-französische Flotte f ü h r t e während des Krimkrieges einen Überfall auf die Küste Kamtschatkas durch, erlitt dort aber eine Niederlage. Ende der fünfziger Jahre, als England und Frankreich einen neuen Krieg gegen China f ü h r t e n und mit Unterstützung der Amerikaner eine konterrevolutionäre Intervention gegen die Taiping vorbereiteten, schien der chinesischen Regierung eine Regelung der zwischen Rußland und China schwebenden strittigen Fragen besonders notwendig und sie hielt es f ü r zweckmäßig, Zugeständnisse zu machen. I m Jahre 1858 erkannte China im Vertrag von Aigun das Amurgebiet endgültig als russischen Besitz an und i m Pekinger Vertrag von 1860 wurde Rußland auch das Südussurische Gebiet zuerkannt. Murawjow hielt es f ü r ungemein wichtig, die dieses Gebiet betreffenden Fragen so schnell wie irgend möglich zu entscheiden, da er die Besetzung der Possjetbucht durch die Engländer befürchtete. 1 8 D u r c h die Sicherung dieser Territorien schuf sich Rußland ein zuverlässiges strategisches Bollwerk, das es i h m ermöglichte, seine Besitzungen im Fernen Osten und in Sibirien zu behaupten. Im Tientsiner Vertrag von 1858 erhielt das zaristische Rußland in China formell die gleichen Rechte und Privi17
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Bereits früher, im. Jahre 1806, war die Einverleibung Sachalins in das Russische Reich durch die russischen Marineoffiziere Chwostow und Dawydow, die zum Schutze Sachalins eine Anzahl Matrosen gelandet hatten, erklärt worden. Mitteilung N. N. Murasjows an den russischen Gesandten in China, Ignatjew, vom 1. Juli 1859; i n H . EapcyKOB, c. o., Buch II, S. 270.
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legien, die die Seemächte England, die USA und Frankreich faktisch besaßen. Im Jahre 1860 wurde Wladiwostok gegründet, aber danach widmete die Zarenregierung bis Anfang der neunziger Jahre den fernöstlichen Besitzungen Rußlands keine große Aufmerksamkeit und vermied es, größere Aufwendungen für sie zu machen, ungeachtet der Anstrengungen, die in früherer Zeit in diesen Gebieten von mutigen russischen Seeleuten gemacht worden waren. Der Pekinger Vertrag von 1860 legte auch die Grenzen zwischen Rußland und den westlichen Besitzungen Chinas in ihrem allgemeinen Verlauf fest, während die genauere Grenzziehung durch das Tschugutschak-Protokoll im Jahre 1864 und durch die Aufrichtung von Grenzmalen 1869 erfolgte. Einen besonderen Platz in den russisch-chinesischen Beziehungen nahmen die Fragen des Überlandhandels ein. Der Pekinger Vertrag von 1860 gab den russischen Kaufleuten, abgesehen von dem Kjachtaer Tauschhandel und dem zollfreien Tauschhandel längs der Grenze, das Recht, Karawanen über Kaigan nach Peking zu schicken. Bereits im Jahre 1851 war der Kuldshaer Vertrag mit China geschlossen worden, der russischen Kaufleuten das Recht verlieh, Handelsniederlassungen in Kuldsha und Tschugutschak zu gründen, während der Pekinger Vertrag Rußland das Recht des Handels auch mit Kaschgarien einräumte.
Die Ergebnisse des Eindringens von Auslandskapital in Japan bis zu Anfang der siebziger Jahre. Die russisch-japanischen Beziehungen zu Anfang der siebziger Jabre Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Japan eine von aller Welt abgeschlossene feudale Monarchie, die sich unter der Herrschaft von Shogunen befand und die Versuche anderer Staaten, kommerzielle und diplomatische Beziehungen mit ihr anzuknüpfen, zurückwies. Japan war jedoch in ähnlicher Weise wie China dem Eindringen ausländischen Kapitals ausgesetzt. Der Japan von den USA aufgenötigte Vertrag von 1854 sah die Öffnung zweier Häfen, Shimoda und Hakodate, sowie die Einrichtung eines Konsulardienstes vor. Nach den USA schlössen England, Rußland, Frankreich und Holland Verträge mit Japan ab. Um die Vorrechte der ausländischen Kapitalisten in Japan zu erweitern, griffen die Amerikaner wiederum zu Drohungen, und im Jahre 1858 wurde Japan gezwungen, eine Reihe ungleicher Verträge zu unterzeichnen, laut denen die Ausländer Exterritorialitätsrechte erwarben, günstige Zolltarife zugestanden bekamen und Japan verpflichteten, dem Außenhandel noch weitere vier Häfen •—• Jokohama, Niigata, Kobe und Nagasaki — zu öffnen. Obgleich der erste ungleiche Vertrag Japan von den Vereinigten Staaten aufgezwungen worden war, nahm die britische Bourgeoisie, gestützt auf ihre Überlegenheit in Handel, Industrie und Schiffahrt, eine beherrschende Stellung im Außenhandel Japans ein. Das unverschämte Auftreten der Ausländer in den geöffneten Häfen, ihr herausforderndes Gebaren und die ungleichen Verträge riefen in Japan spontane Ausbrüche von Fremdenhaß, Überfälle auf Ausländer und Morde hervor, die 20
legien, die die Seemächte England, die USA und Frankreich faktisch besaßen. Im Jahre 1860 wurde Wladiwostok gegründet, aber danach widmete die Zarenregierung bis Anfang der neunziger Jahre den fernöstlichen Besitzungen Rußlands keine große Aufmerksamkeit und vermied es, größere Aufwendungen für sie zu machen, ungeachtet der Anstrengungen, die in früherer Zeit in diesen Gebieten von mutigen russischen Seeleuten gemacht worden waren. Der Pekinger Vertrag von 1860 legte auch die Grenzen zwischen Rußland und den westlichen Besitzungen Chinas in ihrem allgemeinen Verlauf fest, während die genauere Grenzziehung durch das Tschugutschak-Protokoll im Jahre 1864 und durch die Aufrichtung von Grenzmalen 1869 erfolgte. Einen besonderen Platz in den russisch-chinesischen Beziehungen nahmen die Fragen des Überlandhandels ein. Der Pekinger Vertrag von 1860 gab den russischen Kaufleuten, abgesehen von dem Kjachtaer Tauschhandel und dem zollfreien Tauschhandel längs der Grenze, das Recht, Karawanen über Kaigan nach Peking zu schicken. Bereits im Jahre 1851 war der Kuldshaer Vertrag mit China geschlossen worden, der russischen Kaufleuten das Recht verlieh, Handelsniederlassungen in Kuldsha und Tschugutschak zu gründen, während der Pekinger Vertrag Rußland das Recht des Handels auch mit Kaschgarien einräumte.
Die Ergebnisse des Eindringens von Auslandskapital in Japan bis zu Anfang der siebziger Jahre. Die russisch-japanischen Beziehungen zu Anfang der siebziger Jabre Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Japan eine von aller Welt abgeschlossene feudale Monarchie, die sich unter der Herrschaft von Shogunen befand und die Versuche anderer Staaten, kommerzielle und diplomatische Beziehungen mit ihr anzuknüpfen, zurückwies. Japan war jedoch in ähnlicher Weise wie China dem Eindringen ausländischen Kapitals ausgesetzt. Der Japan von den USA aufgenötigte Vertrag von 1854 sah die Öffnung zweier Häfen, Shimoda und Hakodate, sowie die Einrichtung eines Konsulardienstes vor. Nach den USA schlössen England, Rußland, Frankreich und Holland Verträge mit Japan ab. Um die Vorrechte der ausländischen Kapitalisten in Japan zu erweitern, griffen die Amerikaner wiederum zu Drohungen, und im Jahre 1858 wurde Japan gezwungen, eine Reihe ungleicher Verträge zu unterzeichnen, laut denen die Ausländer Exterritorialitätsrechte erwarben, günstige Zolltarife zugestanden bekamen und Japan verpflichteten, dem Außenhandel noch weitere vier Häfen •—• Jokohama, Niigata, Kobe und Nagasaki — zu öffnen. Obgleich der erste ungleiche Vertrag Japan von den Vereinigten Staaten aufgezwungen worden war, nahm die britische Bourgeoisie, gestützt auf ihre Überlegenheit in Handel, Industrie und Schiffahrt, eine beherrschende Stellung im Außenhandel Japans ein. Das unverschämte Auftreten der Ausländer in den geöffneten Häfen, ihr herausforderndes Gebaren und die ungleichen Verträge riefen in Japan spontane Ausbrüche von Fremdenhaß, Überfälle auf Ausländer und Morde hervor, die 20
hauptsächlich von Vertretern der Samuraikaste begangen wurden. England, die USA und Freinkreich erwiderten diese Zwischenfälle mit harten Repressalien. Im Jahre 1863 bombardierten die Engländer die Stadt Kagoshima, und 1864 führte ein vereinigtes Geschwader englischer, amerikanischer, französischer und holländischer Kriegsschiffe ein wütendes Bombardement des Hafens von Shimonoseki durch. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts machte die Feudalordnung in Japan eine innere Krise durch, die durch das Eindringen ausländischen Kapitals beschleunigt und kompliziert wurde. England, Frankreich und die USA mischten sich unverhohlen in die inneren Auseinandersetzungen in Japan ein. Die französische und die britische Bourgeoisie machten sich untereinander den vorherrschenden Einfluß streitig. Die Regierung des französischen Kaisers Napoleon III. unterstützte die Herrschaft des Shoguns und bot seinen Anhängern für das Zugeständnis neuer Handelsvorrechte militärischen Beistand an. Die britische Regierung hingegen unterstützte die Opposition gegen den Shogun, in der Hoffnung, daß deren Erfolg zur Zerstückelung des Landes und, zum Schaden Frankreichs, zu einer weiteren Festigung des britischen Einflusses in Japan führen würde. In den sechziger Jahren brach im Lande der Bürgerkrieg aus, der zu einer Umwälzung, der sogenannten „Meiji-Revolution", führte. Das Wesen dieser Revolution lief auf die Abschaffung des Shogunats und den Übergang Japans zu unvollkommenen bürgerlichen Reformen hinaus. Diese Reformen wurden von der Kaisermacht durchgeführt, die sich auf den Block der Feudalherren und der Bourgeoisie stützte. Entgegen den Hoffnungen Großbritanniens führten die „Meiji-Revolution" und der Sturz des Shogunats zu einer allmählichen Zentralisation der Macht in den Händen des feudal-bürgerlichen Blocks, der bald zur Durchführung einer selbständigen Aggressionspolitik schritt, die er mit Versuchen verband, sich von den ungleichen Verträgen zu befreien. Rußland stellte die diplomatischen Beziehungen zu Japan im Jahre 1855 her, nachdem das amerikanische Geschwader des Kommodore Perry 1854 die japanische Regierung gezwungen hatte, einen Vertrag mit den USA zu schließen. Zu jener Zeit gab es im Norden zwischen Rußland und Japan noch keine festgelegten Grenzen. Die zaristische Regierung entsandte die Gesandtschaft des Vizeadmirals Putjatin nach Japan, um kommerzielle und diplomatische Beziehungen herzustellen und in der Frage der Grenzen zwischen den russischen und den japanischen Inselbesitzungen eine Entscheidung herbeizuführen. Im Gegensatz zu den USA, die mit Drohungen zu operieren pflegten, war Putjatin vorgeschrieben worden, seine Ziele mit ausschließlich friedlichen Mitteln zu verfolgen, und zwar erst nach Abschluß eines japanisch-amerikanischen Vertrages. 19 Rußland forderte bei der Grenzziehung die Anerkennung seiner Rechte auf die Insel Sachalin und die Kurilen-Inseln, die von alters her Rußland gehörten. Die japanische Regierung benutzte jedoch die Schwäche des zaristischen Rußlands im Fernen Osten und seine schwierige Lage während des Krimkrieges dazu, 18
Siehe die Instruktionen an Putjatin, ABHP, St. Petersburg, Hauptarchiv, 1—9.
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die Verhandlungen mit P u t j a t i n in die Länge zu ziehen, und ungerechtfertigte Ansprüche auf den südlichen Teil Sachalins zu erheben, obgleich die japanische Regierung niemals einen Anspruch auf diese Insel geltend gemacht hatte, bevor dort ein russischer Militärstützpunkt errichtet worden war. Während des Krimkrieges dienten die japanischen H ä f e n als Operationsbasis f ü r die englisch-französische Flotte. „ I n dieser Beziehung", schrieb der britische Admiral Stirling, „war Japan f ü r uns ebenso von Nutzen, wie es an seiner Stelle sonst eine britische Kolonie gewesen wäre". Die japanische Regierung gab i n der Frage Sachalins nicht nach. Z u Beginn des Jahres 1855 unterzeichnete Putjatin in der Stadt Shimoda einen Vertrag mit Japan bezüglich der Grenzen sowie der kommerziellen und diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern, laut dem die Kurilen bei Rußland verblieben, während Sachalin zwischen Rußland und Japan „unverteilt" belassen wurde. Die haltlosen Ansprüche Japans auf den südlichen Teil Sachalins komplizierten die russisch-j apanischen Beziehungen auf viele Jahre hinaus. Indem sie die Gespanntheit der englischrussischen Beziehungen ausnutzten, versuchten die Japaner, Süd-Sachalin zu kolonisieren; doch erlitten alle Versuche, die sie i n dieser Richtung unternahmen, bis zu den siebziger Jahren einen völligen Mißerfolg. Indessen war nach der Einverleibung des Amurgebietes (1858) und des Südussurischen Gebietes (1860), f ü r deren Verteidigung der Besitz Sachalins außerordentlich wichtig war, die Bedeutung Sachalins f ü r Rußland noch mehr gewachsen. Zu Beginn der sechziger Jahre verstärkte sich die Einmischung Englands, der USA und Frankreichs in die Angelegenheiten Japans. Die zaristische Regierung befürchtete ernsthaft, daß die Engländer auf Sachalin und auf der Insel Tsushima in der Korea-Straße auftauchen könnten, weshalb russische Kriegsschiffe auf Tsushima einen provisorischen A n l a u f h a f e n schufen und die Insel erst infolge des diplomatischen Druckes Englands auf die Zarenregierung wieder verließen. Die Beziehungen zwischen Rußland und Japan blieben mehrere Jahrzehnte Ising friedlich. Die russischen Marinestreitkräfte beteiligten sich nicht an den militärischen Expeditionen, die unter dem Vorwand einer „Bestrafung der Japaner f ü r ihre fremdenfeindliche Politik" von den Amerikanern, Franzosen und Engländern gegen Japan unternommen wurden. Die zaristische Regierung mischte sich in den Bürgerkrieg, der in Japan zur Zeit der „Meiji-Revolution" stattfand, nicht ein und schlug die Bitte des Shoguns u m Unterstützung ab. Erst im Jahre 1872 beorderte die zaristische Regierung einen ständigen Geschäftsträger, Bützow, nach Japan. I n der Bützow erteilten Instruktion hieß es, daß „wir Japan gegenüber eine völlige Ausnahmestellung einnehmen, die sich von der Stellung anderer ausländischer Mächte unterscheidet; sie ist einerseits durch unsere enge Nachbarschaft mit Japan bedingt, andererseits dadurch, daß Handelsinteressen, durch die sich die anderen Mächte dorthin gezogen f ü h len, zumindest noch auf einige Zeit fehlen; unsere Nachbarschaft erlaubt es uns nicht, allen Vorgängen in Japan gegenüber gleichgültig zu bleiben; wir müssen seine innere Entwicklung aufmerksam verfolgen. Das Fehlen von Handelsinteressen gibt uns jedoch die Möglichkeit, in unseren Forderungen viel 22
entgegenkommender zu sein, als andere Mächte und der japanischen Regierung sogar beizustehen". Die Instruktion schrieb Bützow vor, „auch nur den Anschein einer Einmischung" in die inneren Angelegenheiten Japans „zu vermeiden" 20 . Die Politik der USA gegenüber Rußland und Japan in den fünfziger bis achtziger Jabren Die Gegensätze zwischen den USA einerseits sowie England und Frankreich andererseits übten in den Jahren 1850—1880 einen wesentlichen Einfluß auf das Verhältnis der USA zu Rußland im Stillen Ozean aus. In China und Japan kollidierte der amerikanische Einfluß mit dem englischen und französischen. Während des Bürgerkrieges in den USA verhielten sich England und Frankreich gegenüber der amerikanischen Regierung Lincoln feindselig und versuchten, den Sklavenhalterstaaten des Südens beizustehen. Gleichzeitig sah die zaristische Regierung im Erstarken der USA ein gewisses Gegengewicht gegen den Einfluß Englands und Frankreichs und stand deshalb dem Krieg des Nordens gegen den Süden und der Herstellung der Einheit der USA im Ergebnis des Sieges der Nordstaaten mit Sympathie gegenüber. Im übrigen bildete die wohlwollende Haltung Rußlands den USA gegenüber für viele amerikanische Zeitungen kein Hindernis, England und Frankreich frech und unverhüllt zu einem Überfall auf Rußland aufzustacheln, um den Engländern und Franzosen in Europa die Hände zu binden und deren Einmischung in amerikanische Angelegenheiten zu dämpfen. Die USA wünschten, daß die Positionen, die sowohl England als auch Rußland wie überhaupt alle europäischen Mächte am Stillen Ozean einnahmen, geschwächt würden. Die USA schlugen aus den englisch-russischen Widersprüchen eigensüchtige Vorteile heraus, indem sie im Jahre 1867 der zaristischen Regierung für eine geringfügige Summe (7,2 Mill. Doli.) Alaska und die Aleuten-Inseln „abkauften". Dieser Handel war das Werk Sewards, der bereits in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts geschrieben hatte, daß die russischen Besitzungen in Nordamerika „zu Vorposten meines eigenen Landes werden". Das reaktionäre zaristische Regime hemmte die Entwicklung der Produktivkräfte Rußlands sowie die weitere Erschließung und Verwertung des Pelzreichtums und des Goldes Alaskas durch die eigenen Kräfte Rußlands. Die zaristische Regierung hatte sich als unfähig erwiesen, die Verteidigung Alaskas gegen einen möglichen Überfall Englands zu gewährleisten; sie entschloß sich, es zusammen mit den AleutenInseln für ein Spottgeld an die USA zu verkaufen, ungeachtet der ungeheuren Arbeitsleistungen, die von russischen Seefahrern und Siedlern in die Entdeckung und Erschließung dieser zum Bestand des Russischen Reiches gehörigen Länder gesteckt worden waren. 20
ABILP, Hauptarchiv, 1—9, 1878, Nr. 180.
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entgegenkommender zu sein, als andere Mächte und der japanischen Regierung sogar beizustehen". Die Instruktion schrieb Bützow vor, „auch nur den Anschein einer Einmischung" in die inneren Angelegenheiten Japans „zu vermeiden" 20 . Die Politik der USA gegenüber Rußland und Japan in den fünfziger bis achtziger Jabren Die Gegensätze zwischen den USA einerseits sowie England und Frankreich andererseits übten in den Jahren 1850—1880 einen wesentlichen Einfluß auf das Verhältnis der USA zu Rußland im Stillen Ozean aus. In China und Japan kollidierte der amerikanische Einfluß mit dem englischen und französischen. Während des Bürgerkrieges in den USA verhielten sich England und Frankreich gegenüber der amerikanischen Regierung Lincoln feindselig und versuchten, den Sklavenhalterstaaten des Südens beizustehen. Gleichzeitig sah die zaristische Regierung im Erstarken der USA ein gewisses Gegengewicht gegen den Einfluß Englands und Frankreichs und stand deshalb dem Krieg des Nordens gegen den Süden und der Herstellung der Einheit der USA im Ergebnis des Sieges der Nordstaaten mit Sympathie gegenüber. Im übrigen bildete die wohlwollende Haltung Rußlands den USA gegenüber für viele amerikanische Zeitungen kein Hindernis, England und Frankreich frech und unverhüllt zu einem Überfall auf Rußland aufzustacheln, um den Engländern und Franzosen in Europa die Hände zu binden und deren Einmischung in amerikanische Angelegenheiten zu dämpfen. Die USA wünschten, daß die Positionen, die sowohl England als auch Rußland wie überhaupt alle europäischen Mächte am Stillen Ozean einnahmen, geschwächt würden. Die USA schlugen aus den englisch-russischen Widersprüchen eigensüchtige Vorteile heraus, indem sie im Jahre 1867 der zaristischen Regierung für eine geringfügige Summe (7,2 Mill. Doli.) Alaska und die Aleuten-Inseln „abkauften". Dieser Handel war das Werk Sewards, der bereits in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts geschrieben hatte, daß die russischen Besitzungen in Nordamerika „zu Vorposten meines eigenen Landes werden". Das reaktionäre zaristische Regime hemmte die Entwicklung der Produktivkräfte Rußlands sowie die weitere Erschließung und Verwertung des Pelzreichtums und des Goldes Alaskas durch die eigenen Kräfte Rußlands. Die zaristische Regierung hatte sich als unfähig erwiesen, die Verteidigung Alaskas gegen einen möglichen Überfall Englands zu gewährleisten; sie entschloß sich, es zusammen mit den AleutenInseln für ein Spottgeld an die USA zu verkaufen, ungeachtet der ungeheuren Arbeitsleistungen, die von russischen Seefahrern und Siedlern in die Entdeckung und Erschließung dieser zum Bestand des Russischen Reiches gehörigen Länder gesteckt worden waren. 20
ABILP, Hauptarchiv, 1—9, 1878, Nr. 180.
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Der Erwerb Alaskas und der Aleuten-Inseln festigte die Positionen der USA i m nordöstlichen Teil des Stillen Ozeans und erleichterte deren weitere Aggression im Stillen Ozean in bedeutendem Maße. Der im Jahre 1869 vollendete Bau einer transamerikanischen Eisenbahn mit Ausgang zum Stillen Ozean förderte diese Aggression noch mehr. Die Zarenregierung stand zu dieser Zeit der Expansion der USA, als einem Gegengewicht zu Großbritannien, wohlwollend gegenüber und rechnete fälschlicherweise mit der Möglichkeit, im Falle eines Krieges mit England die amerikanischen H ä f e n f ü r Kreuzerunternehmen gegen die englische Handelsflotte benutzen zu können. 2 1 Die amerikanischen Pelzjäger gingen indessen nach dem „ K a u f " Alaskas und der Aleuten-Inseln daran, deren Pelzreichtum raubbauartig zugrunde zu richten. Sie f u h r e n auch fort, an den russischen Küsten der Tschuktschen-Halbinsel, Kamtschatkas und des Ochotskischen Meeres Schleichhandel zu treiben, die dortige Bevölkerung durch Schnaps zu ruinieren, zur Trunksucht zu verleiten und bei ihr f ü r einen Spottpreis Zobel-, Silberfuchs-, Blaufuchs-, Robbenund Biberfelle „einzutauschen". Bereits vom Jahre 1856 an rissen die amerikanischen Kapitalisten den Handel i n den russischen fernöstlichen H ä f e n an sich. D e r Handelsagent der USA, Collins, der in der Nähe von Nikolajewsk a m A m u r residierte, t r u g sich mit dem Gedanken, diesen Handel im großen zu entwickeln, eine Eisenbahn im russischen Fernen Osten durch amerikanische Kapitalisten zu bauen und eine Kabel- und Telegraphenlinie von den U S A nach den russischen Besitzungen zu legen. Aufdringliche Ansuchen amerikanischer Firmen, die die Ressourcen des russischen Fernen Ostens auszuschöpfen wünschten, wurden von den russischen Behörden u n d der russischen Regierung mehrfach abgewesen. Nach dem Ankauf Alaskas und der Aleuten-Inseln waren der Pelztierfang und die Fischerei sin den russischen Küsten noch häufiger Überfällen amerikanischer Räuber ausgesetzt; die Ausrüstung der Raubschiffe wurde oft von der Monopolgesellschaft „Alaska Commercial Company", die von San Francisco aus geleitet wurde und sich von 1870 an fast des gesamten Fellhandels im nördlichen Teil des Stillen Ozeans bemächtigte, durch Subsidien unterstützt. Fischereibesitzer aus Kalifornien fischten in räuberischer Weise, ohne irgendwelche Abgaben zu entrichten, zwischen der Insel Sachalin und der Inselkette der Kurilen, und einige amerikanische Unternehmer befaßten sich sogar m i t dem Raubschlag von Holz an der russischen Küste. A n der Anadyr-Bucht kauften amerikanische Piraten gegen Schnaps Walroßzähne und Häute auf. 2 2 21
Siehe die für diesen Fall in der Kanzlei des Marineministeriums zusammengestellten Projekte, H^rABM$, (IJeHTp. TocysapcTB. ApxHB BocHHO-MopcKoro (juoTa), K. M. M., on. 410, Dok. 2125, Bl. 1—35, desgleichen «KpacHLiö ApxHB», Bd. 52, Moskau-Leningrad 1932. Die Instruktion des Außenministers Murawjow an den Gesandten in Washington, Cassini, vom 29. Januar (10. Februar) 1898, S. 133—142.
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Bericht des russischen Konsuls in San Franzisko, Olarowski, vom 22. Dezember 1889, ABHP, THXooKoaHCKHÖ CTOJI, Hoc. B Bammn-roHe 1890, on. 512 (I) Nr. 573, Bl. 203—230.
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Im Jahre 1868 besaß der USA-Staatssekretär Seward die Unverfrorenheit, der russischen Regierung das Anerbieten zu machen, diese solle das Raubgewerbe und den Schleich-,,Handel" der Amerikaner an der russischen Küste und auf den russischen Inseln des Stillen Ozeans durch den Abschluß einer Sonderkonvention legalisieren, angeblich nach dem Grundsatz der „Gegenseitigkeit", obgleich auf der Hand lag, daß russische Fischer und Pelzjäger die Küsten Amerikas nicht aufsuchen würden. Sewards „vertrauliches" Anerbieten war von Drohungen unverblümtester Art begleitet, indem er erklärte, daß diese Frage, wenn sie nicht geregelt werde, „den Anlaß zu einer langandauernden, ernsthaften und wahrscheinlich nicht wieder gutzumachenden Entfremdung und Unstimmigkeit" zwischen Rußland und den USA bieten würde. 23 Es war unverkennbar,- daß Seward Rüßland im Grunde genommen vorschlug, es solle auf die Souveränitätsrechte an seiner eigenen Küste und in seinen eigenen Territorialgewässern verzichten. Dieses zynische und unverschämte Anerbieten wurde unbeantwortet gelassen. Russische Kriegsschiffe ertappten mehrfach die amerikanischen Räuber auf frischer Tat und beschlagnahmten deren Ladung. Die russische Regierung lehnte auch des öfteren Ansuchen von Amerikanern ab, die Konzessionen auf Sachalin, an der Küste des Ochotskischen Meeres und im Amurgebiet erteilt haben wollten. Die amerikanische Expansion drückte nicht nur den Beziehungen zwischen Rußland und Amerika, sondern auch der Politik der USA gegenüber Japan ihren Stempel auf. Anläßlich eines Raubüberfalles der USA auf Korea weigerte sich die chinesische Regierung, die Forderung, Korea dem ausländischen Handel zu „öffnen", zu unterstützen, und die Beziehungen der USA zu China verschlechterten sich noch mehr. Japan dagegen unterstützte die räuberischen Ansprüche der USA. Die Regierung der USA begann, besondere Hoffnungen auf die japanische Aggression zu setzen, gleichsam als auf einen Bahnbrecher, der geeignet wäre, auf der Grundlage des „Prinzips der meistbegünstigten Nation" dem amerikanischen Kapital den Weg nach Korea und nach Formosa zu ebnen, gleichzeitig aber auch die Positionen Rußlands und den überwiegenden Einfluß Englands im Fernen Osten zu schwächen. Zahlreiche Amerikaner traten als „Ratgeber" der verschiedensten Art in japanische Dienste. Zu derselben Zeit brachten die USA, sehr zum Mißvergnügen der britischen Bourgeoisie, die Hawaiischen Inseln immer fester unter ihre Fuchtel. Um die Wahl des Königs Kalakaua, der sich an die Vereinigten Staaten verkauft hatte, zu gewährleisten, landeten im Jahre 1874 amerikanische Schiffe Truppen, die innerhalb 8 Tagen Honolulu besetzten, wonach die Amerikaner die Vorlage eines rückdatierten „Gesuches" um „Hilfe" verlangten. 2 * Vertrauliche Depesche Sewards an den russischen Gesandten in Washington vom 5. Oktober 1868, ABHP, Hauptarchiv, 1—9, 1868, 70, Nr. 5, Bl. 34—35. ** FRUS 1894, Washington 1895, Appendix II, S. 20 u. f.
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Die japanische Aggression nach der Meiji-Revolution In Japan reiften bald die Voraussetzungen f ü r die Entwicklung einer selbständigen und überaus aggressiven Außenpolitik. Nach der „Meiji-Revolution" begann Japan nicht nur, eine Revision der ungleichen Verträge mit den ausländischen Mächten anzustreben, sondern ging auch unverzüglich an die Verwirklichung seiner Eroberungspläne. Die Ursache dieser besonderen Aggressivität lag in der engen Verbindung der japanischen Bourgeoisie mit den halbfeudalen Gutsbesitzern und der Militärkaste, den Samurais, die sich durch die bürgerlichen Reformen in ihren Rechten geschmälert fühlten; diese am meisten zu Abenteuern geneigte kriegerische Kraft wollte Verwendung finden und sich durch Eroberungen „schadlos halten". Die durch die Halbheit der bürgerlichen Reformen bedingte geringe Ausdehnung des Binnenmarktes wiederum drängte die japanische Bourgeoisie auf den Weg äußerer Eroberungen. Das bürgerlich-gutsherrliche Japan vermochte die Gunst der internationalen Lage weitestgehend f ü r sich auszunutzen. Japan zog aus den gespannten Beziehungen zwischen England und Rußland am Stillen Ozean und in China in ähnlicher Weise Vorteil, wie in Europa Deutschland durch den englisch-russischen Gegensatz. Der verhältnismäßig geringe Umfang des japanischen Marktes trug dazu bei, daß sich das Augenmerk der europäischen kapitalistischen Mächte und der USA auf Japan in bedeutend geringerem Maße richtete, als auf China. Obgleich Japan in den siebziger bis achtziger Jahren noch zu schwach war, um eine erstrangige Rolle im Fernen Osten zu spielen, und sein Erstarken f ü r die westlichen Mächte noch durchaus ungefährlich erschien, so traten doch bereits damals die Hauptziele seiner Außenpolitik zutage: nicht allein eine Revision der in den fünfziger Jahren geschlossenen ungleichen Verträge, sondern auch die Unterwerfung und Besitzergreifung der benachbarten Gebiete Chinas und Koreas. Im Jahre 1871 wurde zwischen Japan und China ein Handelsvertrag nach dem Grundsatz gegenseitiger Exterritorialität der Kaufleute beider Länder geschlossen. Aber bereits 1872 und 1873 forderte die kriegerische Samuraikaste unter der Führung von Saigo Takamori die Entsendung einer Militärexpedition nach Korea. Die japanische Regierung erklärte, daß sie auf ihre Ansprüche auf den südlichen Teil Sachalins verzichte, wenn Rußland verspräche, sich nicht in die koreanischen Angelegenheiten einzumischen und die Ausschiffung eines japanischen Landungskorps auf russischem Gebiet zwecks Erleichterung des japanischen Vordringens in Korea gestatte. Die zaristische Regierung konnte sich jedoch mit den japanischen Eroberungsgelüsten auf Korea nicht befreunden; sie wünschte vielmehr die Aufrechterhaltung des „status quo" in Korea und war an der Erhaltung friedlicher Beziehungen mit China interessiert. Das Ministerium des Auswärtigen beauftragte daher Bützow, Japan hinsichtlich der Benutzung russischen Territoriums als Aufmarschgebiet f ü r einen japanischen 26
Einfall in Korea eine abschlägige Antwort zu übermitteln. 26 Bützow kam allerdings nicht mehr dazu, den japanischen Ministern diesen Bescheid zuzustellen, weil das japanische Kabinett noch vor dessen Absendung seinen Plan aufschob. In der japanischen Regierung gewannen vorsichtigere Politiker (Okubo, Kido, Iwakura) die Oberhand, die von einem verfrühten Krieg um Korea abrieten, weil sie sich sagten, daß vorher eine Reihe Reformen nach „westlichem" kapitalistischem Vorbild im Lande durchgeführt werden müßten. Die japanische Regierung hatte die Absicht, Japan eine längere und ernsthaftere Vorbereitung auf einen Krieg gegen China zu sichern, desgleichen wollte sie eine Revision der ungleichen Verträge durch einen Vergleich mit den westlichen Staaten und besonders mit England erreichen, das im japanischen Außenhandel an erster Stelle stand. Gleichzeitig scheute sich die japanische Regierung nicht, die Schwäche Chinas auszunutzen, um einige nahegelegene Inseln ohne Umschweife zu annektieren. Im Jahre 1872 bemächtigte sich Japan der Riu-kiu-Inseln, die in einem Vasallitätsverhältnis zu China standen.28 Im Jahre 1874 unternahm die japanische Regierung räuberische Überfälle auf die China gehörige Insel Taiwan (Formosa), um sie in ihren Besitz zu bringen. An diesem Abenteuer nahmen amerikanische Offiziere aktiven Anteil. Die Bourgeoisie der USA begrüßte jeden Akt japanischer Aggression, der geeignet schien, dem amerikanischen Kapital den Weg zu neuen Märkten zu ebnen. Insbesondere verstärkte sich dieses Interesse an einer aggressiven Politik im Stillen Ozean während der Wirtschaftskrise von 1873. Wenn die 414 Millionen Chinesen dahin gebracht werden könnten, im Durchschnitt nur für einen Dollar pro Kopf jährlich zu kaufen, so erklärten die amerikanischen Kapitalisten, „würde dies unseren gesamten Handel mehr als verdoppeln." 27 Der amerikanische Konsul in Amoy, Legendre, zeigte großes Interesse an den wirtschaftlichen Ressourcen Taiwans und wies auf den beengenden Charakter der dort von den chinesischen Behörden eingeführten Zollabgaben hin. Im Jahre 1872 trat Legendre in japanische Dienste; er verkaufte den Japanern eine Menge von ihm gesammelten Spionagematerials über Taiwan und half, gemeinsam mit anderen amerikanischen Offizieren, bei der Vorbereitung der japanischen Raubexpedition, deren Ziel in der Besitzergreifung zum mindesten eines Teiles dieser Insel durch Japan bestand. Die Haltung der USA in der Taiwan-Frage war eine skrupellose Verletzung des 1858 mit China abgeschlossenen Vertrages, der vorsah, daß im Falle feindseliger Handlungen irgendeiner Macht gegen China die USA ihm zur Beilegung des Streites „gute Dienste" erweisen sollten. Legendre versuchte sogar, für die japani-
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Geheimtelegramm Bützows vom 17. (29.) August 1873. ABIIP, Hauptarchiv Bd. 9, 1872, Nr. 1, Bl. Sw. „Alleruutertänigster Bericht des Chefs des Außenministeriums, Westmaim" vom 8. (20.) September 1873, (ebenda Dok. 183). Im Jahre 1879 enthoben die Japaner den dort regierenden König endgültig seines Thrones
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und machten die Riu-kiu-Inseln zur Präfektur Okinawa. The American and East India Telegraph Company. New York (1873), S. 9.
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sehe Expedition einen amerikanischen D a m p f e r zu chartern. 28 China erklärte seinen Protest gegen die japanische Aggression und begann, sich auf die Verteidigung vorzubereiten. D e r englische Gesandte in Peking, Wade, übernahm die „Vermittlung" und brachte China dazu, die Bevölkerung Taiwans als „antijapanischer H a n d l u n g e n " schuldig zu erkennen und Japan eine „Entschädigung" in Geld zu zahlen. Die englische Regierung benutzte diesen Vorfall, u m China noch ein weiteres Mal zu erniedrigen und zu schwächen. Während die Japaner Eroberungen durchführten und räuberische Expeditionen unternahmen, bedienten sie sich zum Gebietserwerb gleichzeitig der Methoden des diplomatischen Drucks. I m Jahre 1875 gelang es ihnen, die Schwäche der zaristischen Diplomatie auszunutzen und von Rußland die Kurilen-Inseln als „Kompensation" f ü r den Verzicht auf ihre Ansprüche bezüglich der Südhälfte Sachalins zu erhalten. Der Abzug der Japaner von Sachalin wirkte sich auf die Lage der einheimischen Bevölkerung der Ainus, die von den Japanern versklavt und unbarmherzig ausgebeutet worden waren, in wohltuender Weise aus. Die Anrechte Rußlands auf Sachalin, das von Russen entdeckt und besiedelt und von russischen Gelehrten erforscht worden war, wurden wiederhergestellt. Japan kam jedoch in den Besitz der Kurilen-Inseln, auf denen russische Pelzjäger bereits im 18. Jahrhundert heimisch geworden waren und die von jeher Rußland gehört hatten. Die Lostrennung der Kurilen-Inseln durch Japan im Jahre 1875 war das Resultat der Borniertheit der reaktionären zaristischen Regierung und der Kurzsichtigkeit ihrer Fernostpolitik. Die Kurilen-Inseln blieben lange Zeit von R u ß l a n d losgetrennt, ungeachtet der Tatsache, daß zahlreiche russische Seefahrer, Gelehrte und Siedler ihr Leben geopfert hatten, um sie zu erforschen und zu erschließen. Durch die Abtrennung der Kurilen-Inseln bewies die Zarenregierung einen krassen Mangel an Weitblick: sie gab sich der H o f f n u n g hin, daß Japan sich i n Z u k u n f t als friedliebender und ruhiger Nachbar Rußlands erweisen würde und unterschätzte die Bedeutung dieser Inseln. 29 Die japanische Diplomatie machte sich die Schwächen und die Fehler der zaristischen Regierung zunutze, indem sie die Kurilen-Inseln im Austausch gegen den Verzicht auf ihre vollkommen unbegründeten Ansprüche auf Südsachalin erwarb. m 43 Congr. 2nd Sess.Ex.doc.House of Repr.,m.l, r.l,Washington 1875, S. 330, 348 bis 351. 88 In einem ungeschickten Versuch, dieses im günstige Abkommen zu „rechtfertigen", berichtete der zaristische Vertreter in Japan, Struve, im Jahre 1875, daß es die Japaner „nach einer anderen Seite, nach den Liukiu-Inseln (Riu-kiu-Inseln, d. U.), nach Formosa und vielleicht sogar nach dem südlichen Teil der Halbinsel Korea zieht . . . Nachdem sich die japanische Regierung durch die Praxis von der Unmöglichkeit der Kolonisierung Sachalins überzeugt hat, beginnt sie, ihre Ansiedler von dort allmählich zurückzuziehen" und bereitet auf diese Weise den Verzicht auf ihre Ansprüche vor. „Teils aus unangebrachter Eitelkeit anderen Mächten gegenüber, teils aus Furcht vor Vorwürfen seitens der Presse und der Opposition, d. h. unzufriedener Samurais", entschloß sie sich zu diesem Verzicht, jedoch nicht anders, als gegen Übergabe der Kurilen-Inseln an Japan (Brief Struwes vom 12. (24.) September 1875, ABHP, Hauptarchiv, 1—9, 1871—1882, Nr. 16, Bl. 78—79.)
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Die japanische Aggreesion in Korea in den siebziger bis achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts Wortbrüchigkeit und die Provozierung von „Zwischenfällen", u m Anlässe zu Eroberungsexpeditionen zu schaffen •— Züge, die späterhin mit aller Deutlichkeit zutage traten, — charakterisierten bereits die ersten Schritte der japanischen Aggression, die bald nach der unvollendeten bürgerlichen Revolution in Japan begann. Die Eroberungsbestrebungen der herrschenden Oberschicht Japans waren in erster Linie auf Korea gerichtet. Bereits lange vor den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts waren japanische Kaufleute von der Insel Tsushima aus in den koreanischen Hafen Pusan (Fusan) vorgedrungen. Im Jahre 1875 landeten japanische, in europäische Tracht gekleidete Seeleute in Korea, an der Mündung des Han-kang-Flusses. Dort wurden sie von den Koreanern unter Feuer genommen. Die Japaner nahmen die Befestigungen ein und metzelten die koreanischen Soldaten auf grausame A r t nieder. Nach dieser Provokation wurden im Januar 1876 zwei japanische Kriegsschiffe und 300 Soldaten auf Transportschiffen nach Korea geschickt, u m dieses zur Zahlung einer „Entschädigung" und zum Abschluß eines Handelsvertrages mit Japan zu zwingen. I m Ergebnis der Verhandlungen, die von unverhohlenen Drohungen seitens der Japaner begleitet waren, wurde 1876 der erste japanisch-koreanische Vertrag geschlossen, der f ü r Korea ein ungleicher Vertrag war. Japan erhielt das Recht, mit Korea Handel zu treiben, und nun setzte sein rasches Eindringen in dieses vorher vollkommen in sich abgeschlossene Land wirtschaftlich und politisch ein. Daraufhin begann Li Hung-tschang sich nach einem Gegengewicht gegen die japanischen Umtriebe umzuschauen; er gab der koreanischen Regierung den R a t , diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten aufzunehmen. I n einem ein einen Ratgeber des koreanischen Königs gerichteten Schreiben wies Li Hung-tschang auf die Raffgier der ausländischen Kapitalisten hin und schrieb, daß es bereits „kein einziges Land der Erde mehr gibt, wohin diese gewandten Ausländer nicht vorgedrungen wären". Deshalb bestünden die „Maßnahmen, die Korea jetzt zu treffen verbleiben, in der Anwendung folgender Methoden: eine Vergiftung durch Gegengift zu bekämpfen und die einen Ärzte durch die anderen in Schranken zu halten, d. h. die Gelegenheit zu benutzen, um mit den Westmächten nach und nach Verträge abzuschließen, durch die die Ansprüche Japans gezügelt würden. Japan hat es sich dank seiner Täuschungskunst zur Regel gemacht, alle in seiner Nachbarschaft liegenden Besitzungen wie ein Haifisch zu verschlingen oder ihre Wurzeln, nach Art der Seidenraupe, anzunagen, was es durch die Annexion der Riu-kiu-Besitzungen bereits bewiesen hat." 3 0 Li Hung-tschang unterstützte das Vordringen der westlichen Mächte nach Korea, und in den Jahren 1882 bis 1884 begannen die USA und andere Staaten, Korea ungleiche Verträge aufzuzwingen. 30
Brief Li Hung-tschangs an den Berater des koreanischen Königs Li Jui Jon (Übersetzung); ABITP, Hauptarchiv, 1—9, 1882, Dok. Nr. 6, Bl. 120—121.
29"
Ihre Rivalität im Kampf u m den vorherrschenden Einfluß in Korea spitzte sich rasch zu. So kam am Stillen Ozean eine neue, die „koreanische Frage", auf.
Der russisch-chinesische Konflikt in Mittelasien 1879—1881 und die Haltung Englands In den sechziger bis siebziger Jahren erzielte die Zarenregierung bei der Eroberung Mittelasiens, mit dessen Unterwerfung auch die englische Bourgeoisie liebäugelte, wesentliche und schnelle Erfolge. Im Zusammenhang damit verschärfte sich der englisch-russische Gegensatz in Asien beträchtlich. Die englische Bourgeoisie sah Rußland als ihren Hauptfeind in Asien an, „weil Rußland die Herrschaft Englands über eine Reihe fremder Völker zu untergraben drohte." 3 1 Während der Reformen der sechziger Jahre tat Rußland auf dem Wege zur bürgerlichen Monarchie einen Schritt vorwärts. I n der Außenpolitik der zaristischen Regierung kamen in stärkerem Maße als davor die Interessen der wachsenden russischen Industriebourgeoisie zum Ausdruck, die nach der Unterwerfung der mittelasiatischen Märkte strebte. Auch erweiterte sich der Handel Rußlands mit dem westlichen China entlang der Landgrenze. Inzwischen war in den sechziger Jahren die Macht der chinesischen Regierung über die Völker der nordwestlichen Grenzgebiete des chinesischen Reiches durch die Aufstände, die dort als Folge des schweren feudalen Druckes und der Erhöhung der Abgaben durch die Mandschu-Beamten ausgebrochen waren, auf ein Nichts zusammengeschrumpft. I n den sechziger Jahren waren die Gebiete von Kaschgar und des Iii-Flusses vom Aufstand erfaßt worden und befeinden sich in den Händen von Machthabern, die sich f ü r unabhängig erklärt hatten. Die Handelsfaktoreien waren zerstört worden, und der russische Karawanenhandel kam zum Erliegen. Im Ergebnis des Aufstandes hatte sich Kaschgarien bereits früher von China losgetrennt und sein Herrscher Jakub Bek trat in enge Fühlung mit England, das das Vordringen des russischen Handels nach Westchina verhindern wollte. 32 Die britische Regierung wünschte den Abfall Kaschgariens von China. Sie beabsichtigte, Jakub Bek unter ihren Einfluß zu bringen und an den Grenzen Indiens die Bildung eines großen, von England abhängigen mohammedanischen, aus Kaschgarien und den Nachbaxbezirken gebildeten Staates zu begünstigen, u m diesen gegen Rußland auszuspielen. Englische und türkische Agenten kamen nach Kaschgar und bemühten sich auf jede Weise, Jakub Bek und das Khanat Kokand gegen Rußland aufzustacheln. Die Zarenregierung verhielt sich zunächst abwartend; im Jahre 1871 31
B. H. JleHHH, Coi., Bd. 23, 4. Aufl. S. 116.
82
JI. KoereHKO, Cpe^paH Ä3za H B0ÄB0peHHe B Heä pyeraeoft rpaatnaHCTBeHHOCTH, St. Petersburg 1870, S. 338—344.
Im Tal
des Iii-Flusses erhoben sich die Kranbauern (Ka3eHHHe
3eMJienanmti), die sogenannten „Tarantschen" (Tapamz) aus dem Stamm der Uiguren zum Aufstand. Das Gebiet der Stadt Urumtschi war eines der Hauptzentren des Aufstandes der Dunganen.
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Ihre Rivalität im Kampf u m den vorherrschenden Einfluß in Korea spitzte sich rasch zu. So kam am Stillen Ozean eine neue, die „koreanische Frage", auf.
Der russisch-chinesische Konflikt in Mittelasien 1879—1881 und die Haltung Englands In den sechziger bis siebziger Jahren erzielte die Zarenregierung bei der Eroberung Mittelasiens, mit dessen Unterwerfung auch die englische Bourgeoisie liebäugelte, wesentliche und schnelle Erfolge. Im Zusammenhang damit verschärfte sich der englisch-russische Gegensatz in Asien beträchtlich. Die englische Bourgeoisie sah Rußland als ihren Hauptfeind in Asien an, „weil Rußland die Herrschaft Englands über eine Reihe fremder Völker zu untergraben drohte." 3 1 Während der Reformen der sechziger Jahre tat Rußland auf dem Wege zur bürgerlichen Monarchie einen Schritt vorwärts. I n der Außenpolitik der zaristischen Regierung kamen in stärkerem Maße als davor die Interessen der wachsenden russischen Industriebourgeoisie zum Ausdruck, die nach der Unterwerfung der mittelasiatischen Märkte strebte. Auch erweiterte sich der Handel Rußlands mit dem westlichen China entlang der Landgrenze. Inzwischen war in den sechziger Jahren die Macht der chinesischen Regierung über die Völker der nordwestlichen Grenzgebiete des chinesischen Reiches durch die Aufstände, die dort als Folge des schweren feudalen Druckes und der Erhöhung der Abgaben durch die Mandschu-Beamten ausgebrochen waren, auf ein Nichts zusammengeschrumpft. I n den sechziger Jahren waren die Gebiete von Kaschgar und des Iii-Flusses vom Aufstand erfaßt worden und befeinden sich in den Händen von Machthabern, die sich f ü r unabhängig erklärt hatten. Die Handelsfaktoreien waren zerstört worden, und der russische Karawanenhandel kam zum Erliegen. Im Ergebnis des Aufstandes hatte sich Kaschgarien bereits früher von China losgetrennt und sein Herrscher Jakub Bek trat in enge Fühlung mit England, das das Vordringen des russischen Handels nach Westchina verhindern wollte. 32 Die britische Regierung wünschte den Abfall Kaschgariens von China. Sie beabsichtigte, Jakub Bek unter ihren Einfluß zu bringen und an den Grenzen Indiens die Bildung eines großen, von England abhängigen mohammedanischen, aus Kaschgarien und den Nachbaxbezirken gebildeten Staates zu begünstigen, u m diesen gegen Rußland auszuspielen. Englische und türkische Agenten kamen nach Kaschgar und bemühten sich auf jede Weise, Jakub Bek und das Khanat Kokand gegen Rußland aufzustacheln. Die Zarenregierung verhielt sich zunächst abwartend; im Jahre 1871 31
B. H. JleHHH, Coi., Bd. 23, 4. Aufl. S. 116.
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JI. KoereHKO, Cpe^paH Ä3za H B0ÄB0peHHe B Heä pyeraeoft rpaatnaHCTBeHHOCTH, St. Petersburg 1870, S. 338—344.
Im Tal
des Iii-Flusses erhoben sich die Kranbauern (Ka3eHHHe
3eMJienanmti), die sogenannten „Tarantschen" (Tapamz) aus dem Stamm der Uiguren zum Aufstand. Das Gebiet der Stadt Urumtschi war eines der Hauptzentren des Aufstandes der Dunganen.
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besetzte sie jedoch Kuldsha durch ihre Truppen und setzte China in Kenntnis, daß dieses Gebiet wieder zurückgegeben werde, sobald sich die chinesiche Regierung imstande sähe, dort ihre Herrschaft aufrecht zu erhalten. Das Ziel der Okkupation des Kuldshaer (Ili-)Kreises la,g im Bestreben der Zarenregierung, den Aufstand zu unterdrücken und sein Übergreifen auf die russischen Besitzungen in Zentralasien zu verhindern; die Zarenregierung wollte ferner günstige Handelsbeziehungen mit den westlichen Teilen des Chinesischen Reiches herstellen und einer Eroberung Kuldshas durch Jakub Bek, aus dem England ein Werkzeug seiner Eroberungspläne zu machen versuchte, zuvorkommen. Die Truppen der reaktionären Mandschu-Regierung unterdrückten die Aufstände der muselmanischen Völkerschaften in den Nordwestgebieten des Chinesischen Reiches innerhalb von zehn Jahren allmählich mit blutiger und unbarmherziger Grausamkeit; im Jahre 1878 rechneten sie endgültig mit ihnen ab. I n vielen Gegenden rottetet; die Mandschu-Truppen die aufständischen Bewohner M a n n f ü r M a n n aus und verwandelten das Land in eine Wüste; das rief den Protest des Generalgouverneurs in Turkestan, Kauffmann, hervor, der die Befürcht u n g hegte, daß infolge dieser Schlächterei der russische Handel in Westchina k ü n f t i g leiden würde. Mehr als viertausend Dunganen, die sich vor dem Gemetzel retten wollten, flüchteten während der furchtbaren Januarkälte des Jahres 1878 mit ihrem A n f ü h r e r und Nationalhelden Bian H u über die Bergpässe auf russisches Gebiet. Die dort lebenden Kapitalisten und Kulaken versuchten, sich durch den Verkauf von Lebensmitteln an die D u n g a n e n zu bereichern; bessere russische Menschen jedoch, wie zum Beispiel der Kreisarzt A. W . Prshegodski und der Feldscher Wassili Michailowitsch Frunse (der Vater des berühmten sowjetischen Heerführers), leisteten Hunderten von halberfrorenen und verwundeten Menschen selbstlose und aufopfernde Hilfe. 3 3 Die Zarenregierung erhielt die Mitteilung, daß China bereit sei, das Iii-Gebiet erneut in seine H a n d zu nehmen und daß es zwecks Verhandlungen seinen Gesandten Tschun Tschou nach Petersburg entsende. Die eingesessene Bevölkerung des Iii-Gebietes, die sich aus verschiedenen Völkerschaften zusammensetzte, und insbesondere die Uiguren, sahen in ihrer überwiegenden Mehrheit voller Entsetzen der Rückkehr der Behörden und Truppen der reaktionären Mandschu-Regierung entgegen. Aus Furcht vor einem allgemeinen Gemetzel und einer völligen physischen Vernichtung bat die Bevölkerung des Kreises die russischen Truppen flehentlich, sie nicht zu verlassen. I m September 1879 kam Tschun Tschou i n Livadia an, wo er einen Vertrag unterzeichnete, nach welchem China an R u ß l a n d einen kleinen, im Westen gelegenen Teil des Iii-Tales, dasTekes-Tal und den Musartpaß über das TienschanGebirge abzutreten hatte; gleichzeitig wurden Rußland Handelsvorrechte i n 33
Beriebt des Chefs des Hauptstabes Heyden vom 21. Februar 1871, (IirBHA,
400,
1870—71, Nr. 69, Bl. 51—87) und dessen Bericht vom 29. Juni 1871, (UrBHA, BFA, 6839, Bl. 7—11;
üoapKOB, üocaeÄHHH ann30Ä jyHraHCKoro BoccTaHHH, Werny 1901, S. 69—70.
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Westchina eingeräumt und die Zahlung von 5 Millionen Rubel an Rußland f ü r Resatzungs- und Verwaltungskosten im Iii-Gebiet vereinbart. Der Vertrag verlieh russischen Kaufleuten das Recht, Karawanen durch Westchina nach Hankou zu schicken;31 die Stadt Kuldsha fiel an China zurück. Tschun Tschou wurde jedoch bei seiner Rückkehr nach China seitens des kriegerisch eingestellten Teiles der chinesischen Würdenträger ein entrüsteter Empfang zuteil; er wurde zum Tode durch Enthauptung verurteilt und der Kaiser verweigerte die Ratifizierung des Vertrages von Livadia. Die Haltung jenes Teils der herrschenden Kreise Chinas, der sich dem Abkommen von Livadia widersetzte, entsprang der Furcht vor einer Festigung der wirtschaftlichen und politischen Positionen Rußlands im westlichen China, aber auch ihren eigenen aggressiven Bestrebungen in Zentralasien; in Peking hoffte man, aus der Verschlechterung der englisch-russischen Beziehungen nach dem russisch-türkischen Krieg von 1877 bis 1878 Nutzen ziehen zu können. Auf die Hilfe Englands bauend, rüsteten die feudalen Machthaber Chinas offen zum Krieg gegen Rußland. Der russisch-chinesische Konflikt fiel zeitlich mit einer Verschärfung des englisch-russischen Gegensatzes auf dem Balkan, in der Türkei, sowie hinsichtlich der afghanischen Frage zusammen. Das Kabinett Disraeli bemühte sich, die östlichen Staaten, angefangen von der Türkei bis China und Japan, gegen Rußland aufzustacheln. In Nordwestchina standen an Truppen über 70 000 Mann, und ihr Oberkommandierender Tso Tsun-tang schlug vor, 200 000 Soldaten f ü r einen Feldzug gegen Rußland auszuheben. Die russische Regierung verstärkte ihre Streitkräfte ein den Westgrenzen Chinas und entsandte ein Geschwader unter dem Kommando des Admirals Lessowski nach dem Fernen Osten. Unter dem Eindruck dieser Maßnahmen entschloß sich die Mandschu-Regierung, auf ein Kompromiß einzugehen, um so mehr, als auch in Petersburg Entgegenkommen gezeigt worden war. Tschun Tschou wurde begnadigt, um das Prestige der russischen Regierung nicht zu verletzen; Marquis Tschen fuhr zu neuen Verhandlungen nach Petersburg. Die feudale Regierung Chinas und die zaristische Regierung Rußlands konnten nicht umhin, die beiderseitigen Nachteile eines kriegerischen Zusammenstoßes zwischen China und Rußland einzusehen. Die chinesische Regierung wäre in einem solchen Fall völlig außerstande gewesen, sich beliebigen aggressiven Forderungen Englands, Frankreichs und der USA zu widersetzen. Nach langen Wortgefechten endeten die Verhandlungen erfolgreich. Laut dem mit China geschlossenen Petersburger Vertrag (Februar 1881) verzichtete die Zarenregierung auf ihre Ansprüche auf den Musartpaß und das Tekes-Tal. Vornehmlich aus Prestigegründen behielt sie ein unbedeutendes Stück Land des Iii-Gebietes, doch mußte China f ü r die Kosten der russischen Verwaltung des Gebietes nunmehr 9 Mill. Rubel anstelle der in Livadia vereinbarten 5 Millionen bezahlen. Der Petersburger Vertrag war f ü r die weitere Entwicklung des russisch-chinesischen Überlandhandels und der politischen Lage von großer 31
Über Sutschow, Artikel 14 des Vertrages, HJTBHA BYA, 1351, iL 23—24.
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Bedeutung. Der Vertrag räumte beiden Vertragspartnern das Recht ein, auf einem 50 Werst breiten Streifen beiderseits der Grenze zollfreien Handel zu treiben. Die russische Regierung erhielt das Recht, Konsulate in Sutschou (Tsiu-tsuan) und T u r f a n zu errichten. Das Verfahren f ü r die Untersuchung von Grenzangelegenheiten wurde in allen Einzelheiten festgelegt. Der Vertrag sicherte den Aufständischen von Kuldsha Amnestie zu, aber bei der Übergabe Kuldshas an China wanderten vier F ü n f t e l der Uiguren und die Mehrzahl der Dunganen aus Furcht vor Verfolgungen durch die Mandschu-Behörden in das russische Semiretsche (d. i. „Siebenstromland" — d. Ü.) ab, wo sie Land zugeteilt erhielten.
Der Krieg Chinas gegen Frankreich 1883—1885. Die Unterjochung Annams und Burmae Während der Kuldsha-Konflikt zwischen R u ß l a n d und China auf friedlichem Wege beigelegt wurde, rückte an China eine Gefahr von Süden heran, und zwar von den französischen Besitzungen in Indochina her. I m Süden, wie auch an anderen Stellen, war China lange Zeit bemüht, u m sich herum einen Gürtel von Vasallenstaaten zu erhalten, die es von der übrigen Welt trennten. Von besonders großer Bedeutung unter diesen war Annam, dessen Gebiet die Zugänge zu den reichen Südprovinzen Chinas, Jünnan und Kuangtung, deckte. Die Besitzungen Annams erstreckten sich von der chinesischen Grenze nach Süden bis zum Golf von Siam. A n n a m beanspruchte die Oberhoheit auch über die zwischen Annam und Siam gelegenen Fürstentümer von Laos. I m Ergebnis des Eroberungskrieges von 1858—1862 riß Frankreich die Südprovinzen von A n n a m los und verwandelte sie in die Kolonie Cochinchina. I m Jahre 1863 errichtete Frankreich sein Protektorat auch über Kambodscha. Nachdem sich die französischen Kolonialherren in diesen Gebieten eine Stütze geschaffen hatten, versuchten sie, nach Südchina vorzudringen. I n A n n a m und den südchinesischen Provinzen waren bereits seit langem französische Missionare als Kundschafter und Agenten des französischen Kapitals aufgetreten. Die Niederlage Frankreichs im Krieg gegen Preußen schwächte die Tätigkeit der französischen Kolonisatoren in Indochina n u r vorübergehend. Die französischen Unternehmer suchten f ü r sich die Ö f f n u n g eines Wasserweges in die Südprovinzen Chinas auf dem durch Tongking fließenden Roten F l u ß zu erreichen. Zu diesem Zweck sandte der Gouverneur von Cochinchina eine Truppenabteilung nach Norden und zwang 1874 den Kaiser von Annam mit Gewalt, einen ungleichen Vertrag über die Annahme des französischen Protektorats zu unterzeichnen. Die Außenpolitik Annams wurde der französischen Kontrolle unterstellt. Die Franzosen erhielten das Recht der Schiffahrt und des freien Handels längs des Roten Flusses sowie das Handelsrecht in Hanoi und in zwei weiteren offenen H ä f e n am Golf von Tongking. Die französische Aggression veranlaßte den Kaiser und den Feudaladel von Annam, sich um Hilfe an China zu wenden. Die Pekinger Regierung, die sich als 33-
Bedeutung. Der Vertrag räumte beiden Vertragspartnern das Recht ein, auf einem 50 Werst breiten Streifen beiderseits der Grenze zollfreien Handel zu treiben. Die russische Regierung erhielt das Recht, Konsulate in Sutschou (Tsiu-tsuan) und T u r f a n zu errichten. Das Verfahren f ü r die Untersuchung von Grenzangelegenheiten wurde in allen Einzelheiten festgelegt. Der Vertrag sicherte den Aufständischen von Kuldsha Amnestie zu, aber bei der Übergabe Kuldshas an China wanderten vier F ü n f t e l der Uiguren und die Mehrzahl der Dunganen aus Furcht vor Verfolgungen durch die Mandschu-Behörden in das russische Semiretsche (d. i. „Siebenstromland" — d. Ü.) ab, wo sie Land zugeteilt erhielten.
Der Krieg Chinas gegen Frankreich 1883—1885. Die Unterjochung Annams und Burmae Während der Kuldsha-Konflikt zwischen R u ß l a n d und China auf friedlichem Wege beigelegt wurde, rückte an China eine Gefahr von Süden heran, und zwar von den französischen Besitzungen in Indochina her. I m Süden, wie auch an anderen Stellen, war China lange Zeit bemüht, u m sich herum einen Gürtel von Vasallenstaaten zu erhalten, die es von der übrigen Welt trennten. Von besonders großer Bedeutung unter diesen war Annam, dessen Gebiet die Zugänge zu den reichen Südprovinzen Chinas, Jünnan und Kuangtung, deckte. Die Besitzungen Annams erstreckten sich von der chinesischen Grenze nach Süden bis zum Golf von Siam. A n n a m beanspruchte die Oberhoheit auch über die zwischen Annam und Siam gelegenen Fürstentümer von Laos. I m Ergebnis des Eroberungskrieges von 1858—1862 riß Frankreich die Südprovinzen von A n n a m los und verwandelte sie in die Kolonie Cochinchina. I m Jahre 1863 errichtete Frankreich sein Protektorat auch über Kambodscha. Nachdem sich die französischen Kolonialherren in diesen Gebieten eine Stütze geschaffen hatten, versuchten sie, nach Südchina vorzudringen. I n A n n a m und den südchinesischen Provinzen waren bereits seit langem französische Missionare als Kundschafter und Agenten des französischen Kapitals aufgetreten. Die Niederlage Frankreichs im Krieg gegen Preußen schwächte die Tätigkeit der französischen Kolonisatoren in Indochina n u r vorübergehend. Die französischen Unternehmer suchten f ü r sich die Ö f f n u n g eines Wasserweges in die Südprovinzen Chinas auf dem durch Tongking fließenden Roten F l u ß zu erreichen. Zu diesem Zweck sandte der Gouverneur von Cochinchina eine Truppenabteilung nach Norden und zwang 1874 den Kaiser von Annam mit Gewalt, einen ungleichen Vertrag über die Annahme des französischen Protektorats zu unterzeichnen. Die Außenpolitik Annams wurde der französischen Kontrolle unterstellt. Die Franzosen erhielten das Recht der Schiffahrt und des freien Handels längs des Roten Flusses sowie das Handelsrecht in Hanoi und in zwei weiteren offenen H ä f e n am Golf von Tongking. Die französische Aggression veranlaßte den Kaiser und den Feudaladel von Annam, sich um Hilfe an China zu wenden. Die Pekinger Regierung, die sich als 33-
alleinigen rechtmäßigen Suzerän Annams betrachtete, erkannte den Vertrag von 1874 nicht an. Anfangs versicherte das französische Ministerium heuchlerisch, daß der Vertrag von 1874 die Unabhängigkeit Annams nicht antaste, jedoch kamen zu Beginn der achtziger Jahre in Frankreich die Ministerien Gambetta und Ferry ans Ruder, die eine aggressive Kolonialpolitik zugunsten der großen Finanz- und Industriebourgeoisie trieben. Die Wirtschaftskrise des Jahres 1882 gab der kolonialen Expansion Frankreichs, die von der Bourgeoisie als Mittel zu leichten Gewinnen und als geeignete Methode zur Ablenkung der Volksmassen vom Klassenkampf in Frankreich selbst betrachtet wurde, einen neuen Anstoß. Als Antwort auf die Versuche Annams, sich der Erfüllung der Bedingungen des ungleichen Vertrages von 1874 zu entziehen, wurde im Jahre 1883 eine neue französische Expedition nach Indochina geschickt; die Küste von Annam wurde in barbarischer Weise bombardiert. Daraufhin kapitulierte die feudale Oberschicht Annams; der Kaiser von Annam bestätigte in einem neuen Vertrag (im Mai 1884) das Protektorat Frankreichs, und der französische Resident wurde faktisch der Gebieter von Tongking. Dieses Mal entschloß sich die Pekinger Regierung, Frankreich bewaffneten Widerstand entgegenzusetzen. Sie forderte von Frankreich die Räumung Tongkings und sandte ihre Truppen dorthin. Die chinesischen Truppen vereinigten sich in Tongking mit Partisanenabteilungen, den sogenannten „Schwarzflaggen", die sich aus Überresten der Taiping und aus einheimischer Bevölkerung zusammensetzten; gemeinsam mit diesen eröffneten sie die Kampfhandlungen gegen die Franzosen, obgleich formell keine der beiden Seiten den Krieg erklärt hatte. In Annam und Tongking entbrannte gegen die französischen Eindringlinge ein Volksbefreiungskrieg, der bedeutende Ausmaße annahm. Der Verlauf der Kampfhandlungen zwischen den französischen und den chinesischen Truppen erwies jedoch das unverkennbare Übergewicht Frankreichs. Deshalb beeilte sich Li Hung-tschang, mit dem französischen Kapitän Fournier in Tientsin eine Friedenskonvention zu unterzeichnen (Mai 1884). China verpflichtete sich, seine Truppen zurückzuziehen und die südlichen Provinzen für den französischen Handel zu öffnen. Als Gegenleistung dafür „garantierte" Frankreich die „Unverletzlichkeit" der südchinesischen Grenzen. Die Bedingungen der Konvention wurden jedoch nicht eingehalten, da die Anhänger einer Fortsetzung des Krieges gegen Frankreich energisch Front gegen Li Hung-tschang machten. Währendsich die Verhandlungen über die Erfüllung der Konvention hinzogen,brach ein neuer Konflikt aus: durch das Verschulden eines der französischen Offiziere keim es zwischen einer französischen Abteilung und chinesischen Soldaten zu einem Zusammenstoß, bei dem die Franzosen vernichtet wurden. Die französische Regierung forderte „Genugtuung" in Höhe von 80 Mi 11. Francs, erhielt aber eine Absage. Daraufhin wurden im August die Beziehungen zu Peking abgebrochen. Frankreich nahm seinen räuberischen Kolonialkrieg wieder auf. Der französische Admiral Courbet verbrannte und versenkte die chinesische Flotte und besetzte die Forts von Futschou. Die französische Flotte sperrte die Verbindungen mit der Insel Taiwan und besetzte die Pescadores-Inseln. Einen Reistransport, der auf dem Seewege befördert wurde und aus den nördlich von Kanton liegenden 34
Südprovinzen stammte, erklärten die Franzosen f ü r Kriegskonterbande. An der Grenze zwischen China und Tongking bei Langson wurde jedoch eine französische Abteilung aufs H a u p t geschlagen. Die Nachricht von diesem Ereignis rief den Rücktritt des Kabinetts Ferry hervor, der die Expedition ausgesandt und dafür den Spitznamen „der Tongkinese" erhalten "hatte. Indessen war der Sieg bei Langson f ü r China nicht von entscheidender Bedeutung, weil die Verbindungswege nach Taiwan unter der Kontrolle der französischen Flotte blieben und der chinesische Handel ruiniert war. Die außenpolitische Lage Chinas war in diesem Augenblick äußerst schwierig. Die französische Regierung wiegelte Japan verstärkt zum Kampf gegen China auf. N u r die mangelhafte militärische Vorbereitung Japans hielt dieses vom Losschlagen ab. Die Diplomaten der kapitalistischen Mächte in China verwehrten es dem Lande unverfroren, die elementarsten M a ß n a h m e n zu seiner Verteidigung zu treffen. Als der Statthalter von Kanton befahl, die Zufahrten von der See zur Stadt teilweise zu sperren, erklärte der amerikanische Gesandte, Young, den Ministern des Tsungli-Jamen (des chinesischen Außenamtes), daß diese M a ß nahme gegen die Interessen der „befreundeten" Mächte verstoße. Darauf erwiderte das Mitglied des Tsungli-Jamen, Tschan, empört: „ W e n n Amerika ein wahrer Freund Chinas ist, weshalb beweist es dann seine Freundschaft nicht in dieser Stunde der Not? Zu uns kommt ein Räuber mit Brandfackel und Messer . . . Der Räuber kommt immer näher und näher; wir wollen ihn nicht hereinlassen, wir wollen unsere T ü r vor ihm verschließen, aber Sie sagen: Nein!" 3 5 Die amerikanische Bourgeoisie wünschte die Schwächung Chinas und neue Vorrechte f ü r die ausländischen Kapitalisten. Besonders eng schlössen sich die kapitalistischen Mächte gegen China in den Fällen zusammen, in denen es zu fremdenfeindlichen Volksunruhen kam, die des öfteren zur Zerstörung katholischer und protestantischer Missionen f ü h r t e n . Während des französisch-chinesischen Krieges flammte der Volkszorn gegen die Fremden mit neuer Gewalt auf, besonders, nachdem ein Engländer im Jahre 1883 in Kanton mehrere Chinesen deshalb brutal getötet hatte, weil ihm einer von ihnen nicht ausgewichen war. Das Gespenst des Volkszornes und des Volksaufstandes veranlaßte die kapitalistischen Mächte zu einer Politik des „gemeinsamen Druckes" auf China, bei der sich besonders die Gesandten Englands, der USA, Frankreichs und Deutschlands hervortaten. Trotz dieser „Übereinstimmung" der Interessen bemühte sich die englische Regierung, Frankreich daran zu hindern, an der Grenze zwischen Tongking und China ein Handelsregime zu errichten, das den französischen K a u f leuten ausschließliche Rechte einräumen sollte. 36 Die englische Regierung befürchtete von einem Krieg Nachteile f ü r ihren eigenenÜberseehandelmit China und brachte ihr Mißfallen über die französische Blockade chinesischer H ä f e n zum Ausdruck. s» FRUS, 1884, S. 68, 72. 36
„Documents Diplomatiques Français" (weiterhin mit „D. F." abgekürzt), 1-re série, Bd. V, Paris 1933, Dokumente Nr. 21, 95, 551, 438.
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Die chinesische Regierung versuchte, sich dies zunutze zu machen. Sie wußte, daß zwischen England und Frankreich ein erbitterter Kampf um den Einfluß in Ägypten und die Aufteilung Afrikas im Gange war. Das Tsungli-Jamen hoffte, aus dem französisch-englischen Gegensatz Nutzen ziehen zu können, und beauftragte den Engländer Hart mit der Führung von Waffenstillstandsverhandlungen. Der Londoner Agent Harts, ein gewisser Campbell, begab sich nach Paris und unterzeichnete im Namen Chinas eine Waffenstillstandskonvention. Jedoch unterstützte Campbell, entgegen den chinesischen Berechnungen, alle wesentlicheren Forderungen Frankreichs. Am 9. Juni 1885 unterzeichneten Li Hung-tschang und der französische Botschafter Patenotre einen endgültigen Friedensvertrag. China erkannte das französische Protektorat über Tongking an und öffnete die südchinesische Grenze für den Handel, dessen Bedingungen in der Folgezeit durch die zusätzlichen Konventionen von 1886, 1887 und 1895 für die Franzosen noch günstiger gestaltet wurden. Der Erfolg des französischen Kolonialraubes und die Unterwerfung Annams durch die französischen Eindringlinge beschleunigten die seit langer Hand von England vorbereitete koloniale Eroberung Burmas. Das Eindringen französischer Kapitalisten in das an Britisch-Indien angrenzende Burma gab den englischen Kolonisatoren einen Vorwand, sich Burmas zu bemächtigen. Im Jahre 1885 nahm eine starke Abteilung britischer und indischer Soldaten Mandalay, die Hauptstadt Burmas, und brachte damit die Eroberung Burmas zum Abschluß. Der König von Burma wurde gefangengenommen und unter Bedeckung nach Indien gebracht. Am 1. Januar 1886 verkündete der Vizekönig von Indien die Einverleibung Oberburmas in das Britische Imperium. Die Sphäre des kolonialen Joches in Ostasien wurde damit wesentlich erweitert. Japan versuchte ebenfalls, den Krieg Chinas mit Frankreich auszunutzen, um seinen Einfluß in Korea- zu festigen. Der japanisch-chinesische Antagonismus in Korea Nachdem die Japaner im Jahre 1876 mit Korea einen Vertrag abgeschlossen hatten, gingen sie daran, sich dort häuslich einzurichten, indem sie ihre Kaufleute, Offiziere und alle möglichen Abenteurer aus den Reihen der zerfallenden Samuraikaste nach Korea entsandten. Um sich der Herrschaft über Korea zu bemächtigten, begann Japan einen erbitterten Kampf gegen China. Ein großer Teil des koreanischen Feudaladels und der hohen Beamtenschaft war für die Aufrechterhaltung der chinesischen Suzeränität. Sie erblickten darin ein Unterpfand für die Unverbrüchlichkeit der Feudalordnung und eine Garantie gegen ausländische Versklavung. An der Spitze dieser Kreise stand das äußerst reiche Feudalgeschlecht der Min, dem die rührige und energische Königin entstammte, während der König Li Hui sich durch Willenlosigkeit auszeichnete und die Unverschämtheiten der japanischen „Zivilisatoren" demütig über sich ergehen ließ. Auf der anderen Seite bildete sich in Korea eine kleine Clique, die japanisch 36
Die chinesische Regierung versuchte, sich dies zunutze zu machen. Sie wußte, daß zwischen England und Frankreich ein erbitterter Kampf um den Einfluß in Ägypten und die Aufteilung Afrikas im Gange war. Das Tsungli-Jamen hoffte, aus dem französisch-englischen Gegensatz Nutzen ziehen zu können, und beauftragte den Engländer Hart mit der Führung von Waffenstillstandsverhandlungen. Der Londoner Agent Harts, ein gewisser Campbell, begab sich nach Paris und unterzeichnete im Namen Chinas eine Waffenstillstandskonvention. Jedoch unterstützte Campbell, entgegen den chinesischen Berechnungen, alle wesentlicheren Forderungen Frankreichs. Am 9. Juni 1885 unterzeichneten Li Hung-tschang und der französische Botschafter Patenotre einen endgültigen Friedensvertrag. China erkannte das französische Protektorat über Tongking an und öffnete die südchinesische Grenze für den Handel, dessen Bedingungen in der Folgezeit durch die zusätzlichen Konventionen von 1886, 1887 und 1895 für die Franzosen noch günstiger gestaltet wurden. Der Erfolg des französischen Kolonialraubes und die Unterwerfung Annams durch die französischen Eindringlinge beschleunigten die seit langer Hand von England vorbereitete koloniale Eroberung Burmas. Das Eindringen französischer Kapitalisten in das an Britisch-Indien angrenzende Burma gab den englischen Kolonisatoren einen Vorwand, sich Burmas zu bemächtigen. Im Jahre 1885 nahm eine starke Abteilung britischer und indischer Soldaten Mandalay, die Hauptstadt Burmas, und brachte damit die Eroberung Burmas zum Abschluß. Der König von Burma wurde gefangengenommen und unter Bedeckung nach Indien gebracht. Am 1. Januar 1886 verkündete der Vizekönig von Indien die Einverleibung Oberburmas in das Britische Imperium. Die Sphäre des kolonialen Joches in Ostasien wurde damit wesentlich erweitert. Japan versuchte ebenfalls, den Krieg Chinas mit Frankreich auszunutzen, um seinen Einfluß in Korea- zu festigen. Der japanisch-chinesische Antagonismus in Korea Nachdem die Japaner im Jahre 1876 mit Korea einen Vertrag abgeschlossen hatten, gingen sie daran, sich dort häuslich einzurichten, indem sie ihre Kaufleute, Offiziere und alle möglichen Abenteurer aus den Reihen der zerfallenden Samuraikaste nach Korea entsandten. Um sich der Herrschaft über Korea zu bemächtigten, begann Japan einen erbitterten Kampf gegen China. Ein großer Teil des koreanischen Feudaladels und der hohen Beamtenschaft war für die Aufrechterhaltung der chinesischen Suzeränität. Sie erblickten darin ein Unterpfand für die Unverbrüchlichkeit der Feudalordnung und eine Garantie gegen ausländische Versklavung. An der Spitze dieser Kreise stand das äußerst reiche Feudalgeschlecht der Min, dem die rührige und energische Königin entstammte, während der König Li Hui sich durch Willenlosigkeit auszeichnete und die Unverschämtheiten der japanischen „Zivilisatoren" demütig über sich ergehen ließ. Auf der anderen Seite bildete sich in Korea eine kleine Clique, die japanisch 36
orientiert war und sich hochtrabend „Fortschrittspartei" nannte. Ihre Anhänger rekrutierten sich aus dem Teil der aristokratischen Familien, der keine gehobenen Posten innehatte und darum in Opposition zu der herrschenden Dynastie stand, aber auch aus den Reihen der Kaufmannschaft. An ihrer Spitze stand Kim Ok Kyun, Sprößling eines weithin bekannten und reichen, aber der Macht beraubten Adelsgeschlechts. Die Japaner tarnten ihre Eroberungspläne in Korea geschickt, indem sie Reformen nach „westlichem" Muster propagierten und die „Unabhängigkeit" Koreas von China durchzusetzen versprachen. Die Japaner hofften, Kim Ok Kyun als Werkzeug zur Erreichung ihrer annexionistischen Ziele benutzen zu können. Die Clique Kim Ok Kyuns hatte jedoch im koreanischen Volk keinerlei Rückhalt. Im Jahre 1882 überfiel das Volk mit Unterstützung koreanischer Soldaten die japanische Gesandtschaft in Söul, brannte deren Gebäude nieder und erschlug zahlreiche Japaner. Wenngleich Korea aufVerlangen Japans die Verluste ersetzen und die Schuldigen bestrafen mußte, so schwächten die Ereignisse des Jahres 1882 doch vorübergehend die Positionen der Japaner. I n Korea t r a f e n starke Abteilungen chinesischen Militärs ein. Die chinesische Regierung entfernte den Vater des Königs, den prinzipienlosen und ehrgeizigen Intriganten T a i Won K u n aus Korea, da er versucht hatte, die Königin M i n von den Staatsgeschäften auszuschalten und sich auf die Japaner zu stützen, um seinen eigenen persönlichen Einfluß zu verstärken. T a i Won Kun wurde nach Peking gebracht und dort gefangengehalten. Die Japaner f u h r e n jedoch immer hartnäckiger fort, sich in die koreanischen Angelegenheiten einzumischen. Im Jahre 1883 bedangen sie sich Sondervorrechte f ü r ihre Kaufleute und Fischer aus. Den Japanern wurde der faktisch abgabenfreie Fischfang an den Küsten der vier südöstlichen Provinzen Koreas gestattet. I m darauffolgenden Jahr unternahmen die Japaner zusammen mit der Clique Kim Ok Kyuns einen Umsturz in Söul, wobei sie den Umstand benutzten, daß sämtliche K r ä f t e Chinas durch den Krieg mit Frankreich im Süden gebunden waren. I n der Nacht vom 4. zum 5. Dezember 1884 steckten sie den Königspalast in Brand, nahmen den König gefangen und töteten die einflußreichsten Würdenträger, die auf der Seite Chinas standen. Das koreanische Volk war über dieses freche japanische Abenteuer empört. Bereits nach zwei T a g e n flammte unter der Losung „Tod den Japanern!" gegen die Anhänger Kim Ok Kyuns ein Aufstand auf. Die herbeigeeilten chinesischen Truppen vertrieben die Japaner rasch aus Söul. Kim Ok Kyun floh nach Japan. Die japanische Regierung war dennoch entschlossen, nicht nachzugeben und entsandte ein Landungskorps nach Tschemulpo (Intschon). China war derart geschwächt und durch seinen Krieg gegen Frankreich so in Anspruch genommen, daß es gezwungen war, bedeutende Zugeständnisse an Japan zu machen. Am 18. April 1885 unterzeichneten Li Hung-tschang und der japanische Vertreter Ito in Tientsin eine Konvention, derzufolge beide Vertragspartner darauf verzichteten, Militärinstrukteure nach Korea zwecks Reorganisation der Streitkräfte dieses Landes zu entsenden, und ihre Truppen zurückzogen. F ü r 37
den Fall neuer „Unruhen" erhielten jedoch Japan und China das gleiche Recht, ihre Truppen nach Korea zu entsenden; sie übernahmen nur die Verpflichtung, sich davon vorher gegenseitig in Kenntnis zu setzen. China verzichtete nicht auf seine Souveränität in Korea, aber Japan erkannte sie auch nicht ausdrücklich an; dieser Punkt wurde in der Konvention nicht berührt. Obwohl die Erlangung des Rechtes, Truppen nach Korea schicken zu dürfen, für Japan ein diplomatischer Erfolg gewesen war, sank nach 1885 dessen politischer Einfluß im Lande und der am kriegerischsten eingestellte Teil der herrschenden Kreise Japans blieb von den Ergebnissen der Konvention unbefriedigt. Der zwischen China und Japan hin und her lavierende König bemühte sich, den Druck dieser zwei Widersacher mit Hilfe anderer Staaten zu neutralisieren: er wandte sich an Rußland mit der Bitte, Militärinstrukteure zu entsenden und sogar das Protektorat über Korea zu übernehmen. Die Zuspitzung der englisch-russischen und der russisch-chinesischen Beziehungen tun die Mitte der achtziger Jahre Die gespannte Lage im Fernen Osten veranlaßte die zaristische Regierung, ihr Augenmerk auf ihre Besitzungen an den Küsten des Stillen Ozeans etwas zu erhöhen. Es wurde beschlossen, die Besiedlung dieses Gebietes zu beschleunigen; zu diesem Zweck wurde in Wladiwostok ein besonderes Amt zur Ansetzung von Auswanderern aus Rußland geschaffen. Eine Sonderberatung über die Angelegenheiten des Amurgebietes, die im Jahr 1883 am Zarenhofe einberufen wurde, erörterte die Fragen, die mit der Festigung der russischen Besitzungen am Amur zusammenhingen; die fernöstlichen Gebiete wurden aus dem Kompetenzbereich des Generalgouverneurs von Ostsibirien herausgetrennt und einem besonderen Generalgouverneur für das Amurgebiet unterstellt. In den Jahren 1884—1885 spitzten sich die Beziehungen zwischen Rußland und England derart zu, daß ein Krieg zu erwarten war. Die Krise komplizierte sich durch die Verflechtung mehrerer gleichzeitiger Konflikte, unter denen der Konflikt in Mittelasien, dessen sich England zu bemächtigen suchte, an Wichtigkeit voranstand. Dieses Gebiet betrachtete die englische Regierung, die den Bereich ihrer Kolonialeroberungen in Asien planmäßig erweiterte, als ihre Einflußsphäre. Sie machte Afghanistan zu ihrem Vasallen und prätendierte für die Zukunft auf die Unterwerfung der Afghanistan benachbarten turkmenischen Stämme: England nahm eine drohende Haltung an, und im Jahre 1885 war Rußland, um mit den Worten Lenins zu sprechen, nur „um Haaresbreite von einem Krieg mit England" entfernt.37 Gleichzeitig verschärfte sich im Fernen Osten der Kampf um den Einfluß in Korea. Der britischen Regierung lag daran, eine Flottenbasis an den Küsten 87
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B. H. JleHHH, TeipajOH no HMnepHajm3My, Staatsverlag für politische Literatur, S. 620.
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den Fall neuer „Unruhen" erhielten jedoch Japan und China das gleiche Recht, ihre Truppen nach Korea zu entsenden; sie übernahmen nur die Verpflichtung, sich davon vorher gegenseitig in Kenntnis zu setzen. China verzichtete nicht auf seine Souveränität in Korea, aber Japan erkannte sie auch nicht ausdrücklich an; dieser Punkt wurde in der Konvention nicht berührt. Obwohl die Erlangung des Rechtes, Truppen nach Korea schicken zu dürfen, für Japan ein diplomatischer Erfolg gewesen war, sank nach 1885 dessen politischer Einfluß im Lande und der am kriegerischsten eingestellte Teil der herrschenden Kreise Japans blieb von den Ergebnissen der Konvention unbefriedigt. Der zwischen China und Japan hin und her lavierende König bemühte sich, den Druck dieser zwei Widersacher mit Hilfe anderer Staaten zu neutralisieren: er wandte sich an Rußland mit der Bitte, Militärinstrukteure zu entsenden und sogar das Protektorat über Korea zu übernehmen. Die Zuspitzung der englisch-russischen und der russisch-chinesischen Beziehungen tun die Mitte der achtziger Jahre Die gespannte Lage im Fernen Osten veranlaßte die zaristische Regierung, ihr Augenmerk auf ihre Besitzungen an den Küsten des Stillen Ozeans etwas zu erhöhen. Es wurde beschlossen, die Besiedlung dieses Gebietes zu beschleunigen; zu diesem Zweck wurde in Wladiwostok ein besonderes Amt zur Ansetzung von Auswanderern aus Rußland geschaffen. Eine Sonderberatung über die Angelegenheiten des Amurgebietes, die im Jahr 1883 am Zarenhofe einberufen wurde, erörterte die Fragen, die mit der Festigung der russischen Besitzungen am Amur zusammenhingen; die fernöstlichen Gebiete wurden aus dem Kompetenzbereich des Generalgouverneurs von Ostsibirien herausgetrennt und einem besonderen Generalgouverneur für das Amurgebiet unterstellt. In den Jahren 1884—1885 spitzten sich die Beziehungen zwischen Rußland und England derart zu, daß ein Krieg zu erwarten war. Die Krise komplizierte sich durch die Verflechtung mehrerer gleichzeitiger Konflikte, unter denen der Konflikt in Mittelasien, dessen sich England zu bemächtigen suchte, an Wichtigkeit voranstand. Dieses Gebiet betrachtete die englische Regierung, die den Bereich ihrer Kolonialeroberungen in Asien planmäßig erweiterte, als ihre Einflußsphäre. Sie machte Afghanistan zu ihrem Vasallen und prätendierte für die Zukunft auf die Unterwerfung der Afghanistan benachbarten turkmenischen Stämme: England nahm eine drohende Haltung an, und im Jahre 1885 war Rußland, um mit den Worten Lenins zu sprechen, nur „um Haaresbreite von einem Krieg mit England" entfernt.37 Gleichzeitig verschärfte sich im Fernen Osten der Kampf um den Einfluß in Korea. Der britischen Regierung lag daran, eine Flottenbasis an den Küsten 87
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B. H. JleHHH, TeipajOH no HMnepHajm3My, Staatsverlag für politische Literatur, S. 620.
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Koreas in ihre Hände zu bekommen. Dadurch ergab sich eine Bedrohung der Interessen Rußlands, welches danach strebte, das Anwachsen der offensichtlich feindlichen, antirussischen Einflüsse der ausländischen Mächte i n Korea einzudämmen. Korea, das an die russischen Besitzungen grenzte, besaß geeignete eisfreie H ä f e n und diente als einziger Markt, auf dem die Bevölkerung des Südussurischen Gebietes ihr Vieh und ihre Lebensmittel einkaufen konnte. Nichtsdestoweniger schloß die Zarenregierung später als andere und erst, nachdem andere Staaten mit Korea Beziehungen aufgenommen hatten, einen Vertrag mit Korea ab und entsandte ihren Vertreter nach Söul, Um dort nicht hinter den anderen Ländern zurückzustehen. Die russische Regierung hatte allen G r u n d zu der Befürchtung, daß Korea unter den rußlandfeindlichen Einfluß irgendeiner Macht, besonders Englands oder Japans, geraten könne. Bereits im Jahre 1883 befürchtete die russische Regierung auf Grund von Meldungen ihrer Marineoffiziere die geheime Absicht Englands, die Komundo-Inseln m i t der zwischen ihnen liegenden Bucht (Port Hamilton) an der Südküste Koreas zu besetzen. 38 Wie bereits weiter oben erwähnt, hatte sich der koreanische König im Jahre 1884 an Rußland mit der Bitte gewandt, Militärinstrukteure nach Korea zu entsenden, u m dessen Armee nach europäischem Muster zu reorganisieren. I m darauffolgenden Jahre hatte er nach Petersburg mitteilen lassen, daß er das Protektorat Rußlands anzunehmen wünsche. Die Zarenregierung konnte sich nicht entschließen, das Protektorat zu übernehmen, wollte aber den Vorschlag Koreas benutzen, u m mit diesem über die Abtretung der auch im Winter eisfreien Bucht von Sontschonman (Port Lasarew) in Verhandlungen zu treten und russische Militärinstrukteure nach Korea zu entsenden. Schon die Möglichkeit derartiger Verhandlungen verschärfte die englisch-russischen Beziehungen erheblich. Angesichts der Wahrscheinlichkeit eines Krieges mit Rußland besetzte die englische Flotte als vorbereitenden Schritt zu einem Überfall auf Wladiwostok überraschend die Komundo-Inseln an der Südküste Koreas. Gleichzeitig richtete das Londoner Kabinett an China die Forderung, Rußland keinerlei Zugeständnisse in Korea zu machen. Die zaristische Regierung wollte kein Risiko eingehen, da sie f ü r einen Krieg nicht genügend gerüstet war, und verzichtete daher sowohl auf den Erwerb von Port Lasarew als auch auf die Entsendung ihrer Instrukteure nach Korea. Durch die englischen „Ratschläge" ermuntert, faßte die chinesische Regier u n g den Entschluß, die Zuspitzung der englisch-russischen Beziehungen und die Schwäche Rußlands am Stillen Ozean zu benutzen, u m R u ß l a n d den südlichen Küstenteil der Possjet-Bucht zu entreißen 3 9 . Das hätte Rußland von Korea abgeschnitten. Die Grenzzeichen waren im Laufe der Zeit verfallen, und die chinesischen Behörden brachten ihre Forderungen unter dem Vorwand einer 38
Bericht des Konteradmirals Kopytow, 1882, IIJABM®, S. 410, Dok. 22.
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Bericht des Obersten Barabasch, „Sammelband geographischer, topographischer und statistischer Materialien über Asien", 1. Ausgabe, St. Petersburg, 1883.
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„Grenzbereinigung" vor. Die. britische Piesse und die britischen Vertreter in China stachelten China systematisch gegen Rußland auf, indem sie bei der M a n dschu-Regierung größtes Mißtrauen gegen die Absichten Rußlands säten. Die englische Regierung machte China Alldeutungen über die Möglichkeit eines englisch-chinesischen Bündnisses gegen Rußland, mit dem offenkundigen Ziel, China in den Konflikt hineinzuziehen und dann den,,Verbündeten",nachEnglands Gewohnheit, seinem Schicksal zu überlassen und ihn noch mehr zu versklaven. Seit den siebziger Jahren hatte die Pekinger Regierung begonnen, die Mandschurei zu besiedeln und Truppen in den Grenzgebieten anzusammeln, die an das Südussurische Gebiet grenzten, u m auf diese Weise ein Übergewicht gegenüber den zahlenmäßig geringen russischen Truppen, die nahe der Grenze standen, herzustellen. I n den Jahren 1885—1886 zog China starke Kräfte in der Mandschurei zusammen. Die englischen Zeitungen schrieben offen über die Notwendigkeit eines Bündnisses mit China und Japan f ü r einen Krieg gegen Rußland, während sich die englische Flotte auf einen Überfall auf Wladiwostok vorbereitete. Auch Rußland traf einige militärische Gegenmaßnahmen, obgleich die russischen fernöstlichen Behörden im Falle eines Angriffes Englands nicht einmal zur Verteidigung Wladiwostoks und der A m u r m ü n d u n g genügend Truppen zur Verfügung gehabt hätten. Im Fernen Osten entstand im Jahre 1885 und in der ersten H ä l f t e des Jahres 1886 eine ernstliche Kriegsdrohung. Die Lage entspannte sich erst wieder, nachdem die Gefahr eines englisch-russischen Zusammenstoßes an der afghanischen Grenze beseitigt worden war. I m Sommer 1886 wurde zwischen China und Rußland in Huntschun ein Übereinkommen unterzeichnet, das die ehemaligen Grenzen von 1860 bestätigte. Die ganze Küste der Possjet-Bucht verblieb nach wie vor bei Rußland. I n demselben Jahr gab die russische Regierung China mündlich die Zusicherung, daß sie keinen Teil koreanischen Gebietes jemals besetzen würde; sie verlangte und erhielt aber auch ihrerseits eine gleichlautende Zusicherung von China. Nach diesen Ereignissen ging die Mandschu-Regierung erneut energisch darein, ihren Einfluß in Korea zu festigen, wobei sie jene Politik fortsetzte, die sie bereits zu A n f a n g der achtziger Jahre betrieben hatte. Diese Politik wurde in Korea von Li Hung-tschangs rührigem Agenten J ü a n Schi-kai verfochten, der damals seine politische L a u f b a h n als chinesischer Resident in Söul begonnen hatte. Es war das Ziel Chinas, die bisher rein nominelle Abhängigkeit Koreas in eine festere und wirkliche Botmäßigkeit umzuwandeln. Von großer Bedeutung war hierbei die Frage der koreanischen Zollverwaltung. Rein formal blieb sie unabhängig, doch wurden zu ihrer Leitung Zollbeamte eingesetzt, die f r ü h e r unter dem Engländer Robert H a r t gedient hatten. Nach Harts eigener Erklärung sollten diese Ernennungen Zeugnis dafür ablegen, daß „Korea ein Tributpflichtiger Chinas" sei.40 40
H. B. Morse and H. F. McNair, Far Eastern international relations, Boston-Chicago 1931, S. 595.
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Obwohl Li Hung-tschang die Agenten Harts zur Leitung der koreanischen Zollämter benutzte, bemühte er sich nichtsdestoweniger, dem Entstehen eines vorwiegend englischen Einflusses in Korea entgegenzuwirken. Er zeigte eine fast ebenso starke Beunruhigung wie die russische Diplomatie darüber, daß sich die Engländer auf den Komundo-Inseln festsetzen und die Herren Koreas werden könnten. Kaum hatte die zaristische Regierung auf ihre Ansprüche auf einen eisfreien Hafen in Korea verzichtet, so begann Li Hung-tschang unverzüglich, auf die baldmöglichste Räumung der Komundo-Inseln durch die Engländer zu drängen, was er mit Unterstützung des russischen Gesandten auch erreichte. Die amerikanischen Eroberungen im Stillen Ozean. Die USA und Korea in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts In den siebziger und achtziger Jahren wurde die Aufmerksamkeit der USA durch die stürmische Entwicklung ihres Binnenmarktes vom Fernen Osten abgelenkt, was jedoch keineswegs ihren Verzicht auf eine Expansion in Asien bedeutete. Sehr viele USA-Militärs und Politiker, die kapitalistische Kreise vertraten, brachten die aggressiven Absichten in bezug auf die Inseln im Stillen Ozean und auf Ostasien unverhüllt zum Ausdruck. Die USA, die im Fernen Osten in bedeutendem Maße „durch Dritte" handelten, bereiteten sich nunmehr auf die Durchführung selbständiger Eroberungen vor und gingen darauf aus, zu diesem Zweck Flottenstützpunkte auf dem Wege nach Ostasien in ihren Besitz zu bringen. Besondere Bedeutung maß die Bourgeoisie der USA den Hawaii-Inseln bei. Der Gesandte der USA in Honolulu, Pearce, berichtete im Jahre 1871 an das Staatsdepartment über den Nutzen, den eine Besetzung der Hawaii-Inseln als eines „wichtigen zentralen strategischen Punktes im nördlichen Teile des Stillen Ozeans" 41 bringen würde. Die reichen Ernten an hawaiischem Rohrzucker, Kaffee und Reis, an Baumwolle und Früchten reizten den Appetit der habgierigen amerikanischen Bourgeoisie noch mehr. Um Hawaii in eine eigene Kolonie zu verwandeln und den englischen Einfluß dort endgültig auszuschalten,nötigten die USA im Jahre 1875 demHawaiischen Königreich einen ungleichen Vertrag auf, der die zollfreie Einfuhr amerikanischer Waren nach den Hawaii-Inseln und der hawaiischen Erzeugnisse nach den USA vorsah. Dieser Vertrag wurde marktschreierisch als „auf Gegenseitigkeit basierend" in die Welt posaunt. Welcher Art jedoch diese „Gegenseitigkeit" war, geht schon daraus hervor, daß der Vertrag den Inseln in die USA nur Rohzucker zu exportieren erlaubte, wodurch Hawaii, dessen Haupterzeugnis der Zucker war, zu einem kolonialen Anhängsel der Zuckerraffinerien Kaliforniens gemacht wurde. Die unverschämten Aggressionsmethoden der USA auf den Hawaii-Inseln kamen im Jahre 1884, anläßlich der Erneuerung des Vertrages von 1875, noch krasser zum Ausdruck, als dem Vertrag ein Zusatzpunkt angefügt wurde, der FRUS, 1894, Washington 1895, Appendix II, S. 23.
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Obwohl Li Hung-tschang die Agenten Harts zur Leitung der koreanischen Zollämter benutzte, bemühte er sich nichtsdestoweniger, dem Entstehen eines vorwiegend englischen Einflusses in Korea entgegenzuwirken. Er zeigte eine fast ebenso starke Beunruhigung wie die russische Diplomatie darüber, daß sich die Engländer auf den Komundo-Inseln festsetzen und die Herren Koreas werden könnten. Kaum hatte die zaristische Regierung auf ihre Ansprüche auf einen eisfreien Hafen in Korea verzichtet, so begann Li Hung-tschang unverzüglich, auf die baldmöglichste Räumung der Komundo-Inseln durch die Engländer zu drängen, was er mit Unterstützung des russischen Gesandten auch erreichte. Die amerikanischen Eroberungen im Stillen Ozean. Die USA und Korea in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts In den siebziger und achtziger Jahren wurde die Aufmerksamkeit der USA durch die stürmische Entwicklung ihres Binnenmarktes vom Fernen Osten abgelenkt, was jedoch keineswegs ihren Verzicht auf eine Expansion in Asien bedeutete. Sehr viele USA-Militärs und Politiker, die kapitalistische Kreise vertraten, brachten die aggressiven Absichten in bezug auf die Inseln im Stillen Ozean und auf Ostasien unverhüllt zum Ausdruck. Die USA, die im Fernen Osten in bedeutendem Maße „durch Dritte" handelten, bereiteten sich nunmehr auf die Durchführung selbständiger Eroberungen vor und gingen darauf aus, zu diesem Zweck Flottenstützpunkte auf dem Wege nach Ostasien in ihren Besitz zu bringen. Besondere Bedeutung maß die Bourgeoisie der USA den Hawaii-Inseln bei. Der Gesandte der USA in Honolulu, Pearce, berichtete im Jahre 1871 an das Staatsdepartment über den Nutzen, den eine Besetzung der Hawaii-Inseln als eines „wichtigen zentralen strategischen Punktes im nördlichen Teile des Stillen Ozeans" 41 bringen würde. Die reichen Ernten an hawaiischem Rohrzucker, Kaffee und Reis, an Baumwolle und Früchten reizten den Appetit der habgierigen amerikanischen Bourgeoisie noch mehr. Um Hawaii in eine eigene Kolonie zu verwandeln und den englischen Einfluß dort endgültig auszuschalten,nötigten die USA im Jahre 1875 demHawaiischen Königreich einen ungleichen Vertrag auf, der die zollfreie Einfuhr amerikanischer Waren nach den Hawaii-Inseln und der hawaiischen Erzeugnisse nach den USA vorsah. Dieser Vertrag wurde marktschreierisch als „auf Gegenseitigkeit basierend" in die Welt posaunt. Welcher Art jedoch diese „Gegenseitigkeit" war, geht schon daraus hervor, daß der Vertrag den Inseln in die USA nur Rohzucker zu exportieren erlaubte, wodurch Hawaii, dessen Haupterzeugnis der Zucker war, zu einem kolonialen Anhängsel der Zuckerraffinerien Kaliforniens gemacht wurde. Die unverschämten Aggressionsmethoden der USA auf den Hawaii-Inseln kamen im Jahre 1884, anläßlich der Erneuerung des Vertrages von 1875, noch krasser zum Ausdruck, als dem Vertrag ein Zusatzpunkt angefügt wurde, der FRUS, 1894, Washington 1895, Appendix II, S. 23.
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den USA das ausschließliche Recht einräumte, eine Kohlenstation und ein Dock für Schiffsreparaturen in Pearl Harbour einzurichten. Englands Proteste blieben erfolglos, und im Jahre 1887 wurde die neue Konvention vom USA-Senat ratifiziert. Herren von Hawaii wurden die amerikanischen monopolistischen Plantagenbesitzer. 1887 wurde eine neue Verfassung eingeführt, die die chinesischen und japanischen Siedler ihrer politischen Rechte beraubte, und im Jahre 1889 wurde zur Niederschlagung von Aufständen durch ein amerikanisches Schiff eine Abteilung von 70 Matrosen gelandet.*2 Um das Regime der schonungslosen Ausbeutung und rassischen Unterdrückung zu festigen und sodann die Hawaii-Inseln den USA angliedern zu können, bereiteten die Kolonialherren in Hawaii einen Umsturz vor. Der USA-Gesandte Stevens forderte ein Kriegsschiff an. Am 12. Januar 1895 erklärten die amerikanischen Verschwörer die Bildung einer „Provisorischen Regierung"; an der Küste wurde ein amerikanischer Landungstrupp ausgeschifft. Obgleich sich die Königin von Hawaii faktisch noch an der Macht befand, erklärte Stevens die „Anerkennung" der neuen „Regierung" und unterzeichnete mit dieser unverzüglich einen Vertrag über die Annexion der Hawaii-Inseln durch die USA. Auf den Inseln wurde die amerikanische Flagge gehißt und die Königin ihres Thrones enthoben. Der „Gesetz"-Entwurf über die Annexion von Hawaii wurde dem USA-Senat vorgelegt, doch hatten gerade um diese Zeit neue Wahlen die „Demokratische Partei" an die Macht gebracht, in der sich ein starker Einfluß der Plantagenbesitzer und Zuckerfabrikanten der Südstaaten geltend machte, die in den Pflanzern auf den Hawaii-Inseln ihre Konkurrenten sahen. Der Widerstand dieser kapitalistischen Kreise führte dazu, daß die formelle Annexion der HawaiiInseln zeitweilig aufgehoben wurde. Nichtsdestoweniger beleuchtete der „Umsturz" von 1893 vor der ganzen Welt das räuberische Wesen und die ungenierten Methoden des in der Ausbildung begriffenen amerkanischen Imperialismus. Zu Beginn der achtziger Jahre versuchten die USA erneut, Korea einen ungleichen Vertrag aufzuzwingen. Kommodore Schufeidt kam auf einem Kriegsschiff nach Pusan (Fusan), um Korea einen räuberischen Vertrag aufzuzwingen. Der japanische Konsul war bei der Übergabe von Schufeidts Schreiben an die koreanischen Behörden behilflich, obwohl die japanische Regierung aus der Befürchtung heraus, ihre Monopolstellung in Korea einzubüßen, eine Vermittlung bei den amerikanisch-koreanischen Verhandlungen abgelehnt hatte. Mit Unterstützung Li Hung-tschangs gelang es jedoch Schufeidt im Jahre 1882, den Vertrag mit Korea abzuschließen, womit er die Grundlage für eine Reihe von Verträgen anderer Mächte mit Korea schuf, die für dieses Land ebenso versklavend waren. Es ist bezeichnend, daß die Vereinigten Staaten es ablehnten, Chinas Suzeränität über Korea anzuerkennen, aber andererseits die Japaner zur Aggression in Korea ermunterten. Nach Korea strömten nunmehr sofort amerikanische Missionare und Kapitalisten. Im Jahre 1884 brachte der amerikanische Gesandte, General Foot, für " FRUS, 1894, Washington 1895, Appendix II, S. 23 ff.
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die amerikanischen Handels-Gesellschaften Kontrakte über die Küstenschiffahrt, Perlenfischerei und Holzfällerei auf einigen Inseln vor der Küste Koreas, sowie über die Ausrüstung eines Kraftwerks f ü r den Königspalast und einer Pulverfabrik zustande. 43 Die U S A hatten jedoch keine Flottenstützpunkte in der Nähe Ostasiens und ihre Kriegsmarine war in den achtziger Jahren noch schwach; aus Furcht, in irgendwelche ernsthafte Streitigkeiten u m Korea verwickelt zu werden und unbequeme Verpflichtungen auf sich nehmen zu müssen, f u h r deshalb die amerikanische Regierung fort, durch Japans H a n d freie Bahn f ü r die Amerikaner schaffen zu lassen, und sie ermunterte darum in jeder Weise das Vordringen der Japaner in Korea. I m Jahre 1885, während des russischen Konfliktes mit England wegen der Besetzung der Komundo-Inseln durch die E n g länder, wies Staatssekretär Bayard den Gesandten Foot an, sich abseits zu halten, was sich aus der englisch-amerikanischen Rivalität und aus der H o f f n u n g erklärte, daß sich England und Rußland im Falle eines Zusammenstoßes zwischen ihnen im Fernen Osten gegenseitig schwächen würden. Die chinesische Regierung versuchte zu lavieren. Li Hung-tschang fand nichts Besseres, als dem koreanischen Hof zu empfehlen, er solle u m Entsendung von Militärinstrukteuren aus den USA, als Gegengewicht gegen den Einfluß Rußlands und Japans, ersuchen. I m Jahre 1886 entschloß sich Li Hung-tschang, den der außerordentlich anwachsende Einfluß der Engländer auf die Verwalt u n g der koreanischen Zollämter beunruhigte, vorübergehend die Amerikaner auch auf diesem Gebiet zu benutzen, um den englischen Einfluß in den Zollangelegenheiten Koreas „auszugleichen". I m Jahre 1886 berief er O . D e n n i s , der als Konsul der Vereinigten Staaten in Tientsin fungiert hatte, als amerikanischen Berater in das koreanische Außenministerium. Die Versuche Li Hung-tschangs, die Abhängigkeit Koreas von China mit H i l f e amerikanischer Ratgeber zu befestigen, erlitten jedoch ein völliges Fiasko. Die amerikanische H a l t u n g in der koreanischen Frage war China gegenüber feindselig, dagegen wohlwollend gegenüber Japan, das China zum Verzicht auf seine Souveränitätsansprüche hinsichtlich Koreas zu bewegen suchte u n d gerade hierdurch dessen Versklavung durch ausländisches Kapital erleichtern wollte. Angesicht der Tatsache, daß Dennis offen gegen die chinesische Politik in Korea auftrat, bestand Jüan Schi-kai gegen Ende des Jahres 1888 auf seine E n t fernung. Der im Jahre 1888 ernannte Staatssekretär der USA, Blaine neigte zu einer noch aggressiveren Politik in Korea. Die amerikanischen Marinebehörden gaben ihre Absicht zu verstehen, die Komundo-Inseln besetzen oder sie von der koreanischen Regierung pachten zu wollen. Der Senator Mitchell aus Oregon rief in einer, im Jahre 1888 im Senat gehaltenen Rede zum Kampf gegen den chinesichen E i n f l u ß in Korea auf. 44 Die Regierung der U S A wünschte jedoch nicht, ihre Beziehungen zu Japan zu verschlechtern und durch aktive Einmischung in die koreanischen Angelegen43
F. H. Harrmgton, God Mammon and the Japanese, Madison, Wis. 1944, S. 125—128. " ABHP, K.-l, S n o H C K H f t CTOJI 1888—1891, Nr. 2, Bl. 200—210.
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heiten Japans Mißtrauen zu erregen. In Wirklichkeit schuf die amerikanische Diplomatie in Korea der japanischen Aggression freie Bahn. Das gleiche taten die im japanischen diplomatischen Dienst stehenden Amerikaner. Der Berater der japanischen Regierung und amerikanische Abenteurer Legendre unternahm im Jahre 1890 eine Reise durch Korea, um die Frage zu klären, ob es möglich sei, der koreanischen Regierung eine japanische Anleihe zu gewähren. Er hielt sich in den Jahren 1892—1893 in Korea auf und riet der koreanischen Regierung, den Japanern weitere Vorrechte für den Fischfang an den der Küste Koreas vorgelagerten Inseln zu gewähren. 45 Der amerikanische Geschäftsträger in Söul, Allen, legte 1893 gegen das von den koreanischen Behörden über die Reisausfuhr nach Japan verhängte Embargo Protest ein und arbeitete dem chinesischen Einfluß in Korea entgegen. 48 Kommodore Schufeidt bezeichnete in einem Bericht an den Kongreß Rußland als den mutmaßlichen Hauptgegner der USA am Stillen Ozean. Gegen Ende der siebziger Jahre erklärte die Regierung der USA den japanischen Ministern ihr Einverständnis mit einer Revision der ungleichen Verträge, um sich Japan geneigt zu machen — zum Schaden Englands, das bis in die neunziger Jahre der Hauptträger der ungleichen Verträge mit Japan war. Die USA glaubten, daß das aggressive Japan in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Schwäche nur fähig wäre, als gewöhnliches Werkzeug zu dienen, um dem amerikanischen Kapital den Weg nach Korea und China zu öffnen. Die Einstellung der USA zur koreanischen Frage und ihre unverkennbare Sympathie für Japan führten zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Washingtoner Regierung und China. Dieser Verschlechterung leisteten auch die Rassengesetze der USA Vorschub, die die Einwanderung der Chinesen einschränkten und später ganz verboten. Infolge der Bevölkerungszunahme und des Auswandererzustromes aus Europa in den siebziger Jahren empfanden die Kapitalisten der amerikanischen Weststaaten nicht mehr ein gleich dringendes Bedürfnis nach chinesischen Arbeitskräften wie früher; sie begannen gegen die chinesischen Einwanderer zu hetzen, um diese als die Schuldigen an der Herabminderung des Lebensstandards der Werktätigen hinzustellen, um den Teil der Arbeiterschaft, der noch kein festes Bewußtsein hatte, mit dem Gift des Rassenhasses zu infizieren, zu demoralisieren und mit ihrem Geschrei von einer „gelben Gefahr" vom Klassenkampf abzulenken. In den USA entstand eine wütende Hetzpropaganda gegen die Chinesen; es kam zu antichinesischen Pogromen mit bestialischen Metzeleien, wobei jedesmal die Behörden die Schuldigen „nicht finden konnten". Der USA-Kongreß schränkte die Einwanderung der Chinesen ein und verletzte damit den „BurlingameVertrag". China mußte sich laut Vertrag vom Jahre 1880 damit einverstanden erklären. Doch die USA verletzten auch diesen Vertrag, indem sie die Rechte 45
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ABHP, K.-l, ÄnoHCKHÖ CTOJI, 1888—1891, Nr. 2, Bl. 318. Kopie einer Mitteilung Chitrowos aus Tokio vom 15. (27.) März 1890. ABIIP, K.-l, 1893—1895, Nr. 4. Mitteilung Dmitrewskis aus Söul vom 11. (25.) Januar und vom 20. Juni (2. Juli) 1893, Bl. 17, 158, 159.
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der bereits in den USA ansässigen Chinesen im Vergleich zu den Rechten der Einwanderer anderer Nationen beschnitten. Im Jahre 1894 wurde China gezwungen, eine Konvention zu unterzeichnen, die die Einwanderung von Chinesen in die USA auf zehn Jahre verbot. Die deutsche Fernost-Politik in den Jahren 1871—1893 Der Beginn des Eindringens deutschen Kapitals in China fällt noch in den Zeitraum der politischen Zersplitterung Deutschlands. Der deutsche Handel mit China wurde bereits seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, wenn auch nur in geringem Umfang, über Kjachta und seit den vierziger Jahren auf dem Seewege betrieben. In Kanton gab es zu Beginn der sechziger Jahre über 15 deutsche Kaufleute. In Hongkong hatten sich zu jener Zeit mehrere deutsche Firmen niedergelassen. Die stürmische Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland und dessen Umwandlung „aus einem Agrarland in ein Industrieland" 47 trieben die deutsche Bourgeoisie auf den Weg der kolonialen Expansion. Nach den anderen Mächten beeilte sich auch die preußische Regierung, China einen ungleichen Vertrag aufzuzwingen, weil sie befürchtete, daß das Fehlen eines solchen der Ausdehnung des Handels mit China hinderlich im Wege stehen und das „Prestige" Preußens schmälern könne. Im Jahre 1859 begab sich eine preußische Gesandtschaft unter Führung von Graf Eulenburg nach Siam, Japan und China, um mit diesen Ländern ungleiche Verträge abzuschließen. Die Preußen waren entschlossen, in China rücksichtslos mit der ihnen eigenen Schärfe und unter Anwendung von Drohungen vorzugehen. Ungeachtet der Proteste der chinesischen Regierung kamen sie eigenmächtig von Tientsin nach Peking, führten einen Zusammenstoß mit der Stadtwache herbei und requirierten ein Gebäude neben der englischen Gesandtschaft. Diese anmaßenden Handlungen erregten Unwillen gegen Preußen. Eulenburg sah sich schließlich gezwungen, auf Verhandlungen in Tientsin einzugehen. Im September 1861 wurde ein Vertrag unterzeichnet, der Preußen dieselben Vorrechte einräumte, die Engländer und Franzosen in China genossen, und ebenfalls das Recht, nach fünf Jahren in Peking eine preußische Gesandtschaft einzurichten. In den sechziger Jahren wurde die Aufmerksamkeit der preußischen Regierung durch die Kriege um die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung vorübergehend von den chinesischen Angelegenheiten abgelenkt. Der Übergang zu einem energischeren Eindringen nach China erfolgte erst nach der Gründung des Deutschen Reiches, als in dessen Gestalt in Europa ein neuer Räuber auftrat und sich im Jahre 1871 eine neue kapitalistische Macht bildete . . ,48 Die deutsche Gesandtschaft in Peking wurde im Jahre 1872 eröffnet. 47
Karl Marx, „Der preußische Standpunkt Nr. 5659, New York, 10. Juni 1859 (engl.).
48
B. H. Jlemra, COT., Bd. 24, 4. Aufl., S. 368.
zum
Kriege", New-York
Daily
Tribüne,
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der bereits in den USA ansässigen Chinesen im Vergleich zu den Rechten der Einwanderer anderer Nationen beschnitten. Im Jahre 1894 wurde China gezwungen, eine Konvention zu unterzeichnen, die die Einwanderung von Chinesen in die USA auf zehn Jahre verbot. Die deutsche Fernost-Politik in den Jahren 1871—1893 Der Beginn des Eindringens deutschen Kapitals in China fällt noch in den Zeitraum der politischen Zersplitterung Deutschlands. Der deutsche Handel mit China wurde bereits seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, wenn auch nur in geringem Umfang, über Kjachta und seit den vierziger Jahren auf dem Seewege betrieben. In Kanton gab es zu Beginn der sechziger Jahre über 15 deutsche Kaufleute. In Hongkong hatten sich zu jener Zeit mehrere deutsche Firmen niedergelassen. Die stürmische Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland und dessen Umwandlung „aus einem Agrarland in ein Industrieland" 47 trieben die deutsche Bourgeoisie auf den Weg der kolonialen Expansion. Nach den anderen Mächten beeilte sich auch die preußische Regierung, China einen ungleichen Vertrag aufzuzwingen, weil sie befürchtete, daß das Fehlen eines solchen der Ausdehnung des Handels mit China hinderlich im Wege stehen und das „Prestige" Preußens schmälern könne. Im Jahre 1859 begab sich eine preußische Gesandtschaft unter Führung von Graf Eulenburg nach Siam, Japan und China, um mit diesen Ländern ungleiche Verträge abzuschließen. Die Preußen waren entschlossen, in China rücksichtslos mit der ihnen eigenen Schärfe und unter Anwendung von Drohungen vorzugehen. Ungeachtet der Proteste der chinesischen Regierung kamen sie eigenmächtig von Tientsin nach Peking, führten einen Zusammenstoß mit der Stadtwache herbei und requirierten ein Gebäude neben der englischen Gesandtschaft. Diese anmaßenden Handlungen erregten Unwillen gegen Preußen. Eulenburg sah sich schließlich gezwungen, auf Verhandlungen in Tientsin einzugehen. Im September 1861 wurde ein Vertrag unterzeichnet, der Preußen dieselben Vorrechte einräumte, die Engländer und Franzosen in China genossen, und ebenfalls das Recht, nach fünf Jahren in Peking eine preußische Gesandtschaft einzurichten. In den sechziger Jahren wurde die Aufmerksamkeit der preußischen Regierung durch die Kriege um die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung vorübergehend von den chinesischen Angelegenheiten abgelenkt. Der Übergang zu einem energischeren Eindringen nach China erfolgte erst nach der Gründung des Deutschen Reiches, als in dessen Gestalt in Europa ein neuer Räuber auftrat und sich im Jahre 1871 eine neue kapitalistische Macht bildete . . ,48 Die deutsche Gesandtschaft in Peking wurde im Jahre 1872 eröffnet. 47
Karl Marx, „Der preußische Standpunkt Nr. 5659, New York, 10. Juni 1859 (engl.).
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B. H. Jlemra, COT., Bd. 24, 4. Aufl., S. 368.
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Kriege", New-York
Daily
Tribüne,
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Deutschlands Handel mit China nahm sehr rasch an Umfang zu. In den achtziger Jahren schrieb die britische Presse häufig von der Gefahr einer deutschen Handelskonkurrenz in China. Die englischen Handelskammern in Hongkong und Schanghai machten der britischen Diplomatie den Vorwurf, daß sie die „Handelsinteressen" ihres Landes weniger rührig vertrete, als es die deutschen Vertreter in China täten. Die deutsche Bourgeoisie wiederum sah in England ihren Hauptkonkurrenten in China. Im Jahre 1880 waren von 385 ausländischen Handelshäusern in China 236 englischer, 65 deutscher, 16 französischer und 31 amerikanischer Besitz.49 Die deutschen Schiffahrtsgesellschaften befaßten sich nicht nur mit der Beförderung deutscher Waren nach China, sondern trieben auch Zwischenhandel. So besorgte beispielsweise die Firma Carlowitz & Co. den Transport russischen Petroleums nach China. Bremer und Frankfurter Bankiers gewährten China im Jahre 1878 eine Anleihe in Höhe von 5 Mill. Mark. Die deutsche Presse begrüßte diese Anleihe als einen großen Erfolg auf dem Gebiete des Vordringens deutschen Kapitals nach China. Im Jahre 1889 beteiligten sich die leistungsfähigsten Finanzkreise Deutschlands an der Gründung der DeutschOstasiatischen Bank zur Subsidierung des Handels mit China. Bis zum Beginn der neunziger Jahre waren in allen großen Häfen Chinas Niederlassungen dieser Bank eröffnet worden, die sich bemühten, mit der „Hongkong & Shanghai Banking Corporation" zu konkurrieren. Die deutsche Regierung unterstützte die Tätigkeit der Ostasiatischen Bank. Eine gewichtige Rolle im deutschen Export spielten die Lieferungen von Waffen und Seefahrzeugen für die chinesische Armee und Marine. Krupp-Kanonen, Mauser-Gewehre, Kriegsschiffe und Torpedos zählten zu den wichtigsten deutschen Absatzwaren in China. In Deutschland wurden die größten chinesischen Panzerschiffe und ein großer Teil der Torpedoboote der chinesischen Kriegsflotte gebaut. Die Rüstungslieferungen Deutschlands nach China wurden nur noch von den englischen übertroffen. Krupps Agenturen betrogen skrupellos die Chinesen und schlössen mit bestechlichen chinesischen Beamten Kontrakte ab, um unbrauchbares und veraltetes Rüstungsmaterial in China absetzen zu können. Die geringe Qualität dieser Lieferungen zeigte sich in der Folgezeit, nämlich während des Japanisch-Chinesischen Krieges. Deutsche Militärinstrukteure bildeten diejenigen chinesischen Truppen aus, die Li Hungtschang nach europäischem Muster reorganisieren wollte. Der große Umfang der Rüstungslieferungen nach China förderte das Interesse der herrschenden Klassen Deutschlands an einer Entfesselung von Konflikten und Kriegen in Ostasien. Es sei dazu bemerkt, daß die deutschen Rüstungsfirmen mit großem Profit auch an Japan Waffen lieferten, und daß deutsche Instrukteure auch an der Ausbildung der japanischen Armee beteiligt waren. Die deutsche Diplomatie im Fernen Osten diente bereitwillig den Interessen des raubgierigen deutschen Kapitalismus. Von 1875 bis 1893 war M. Brandt 49
9. üapicep, KHTaä, St. Petersburg, 1903, S. 251.
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deutscher Gesandter in China, der nicht nur eine Expansion des deutschen Handels im Fernen Osten unterstützte, sondern auch China zu Konflikten mit E n g land, Frankreich und Rußland aufputschte. Brandt erklärte zynisch, daß „jede Schwierigkeit Chinas eine gute Chance f ü r jeden beliebigen ausländischen Staat biete". E r stachelte die ausländischen Diplomaten zu den schärfsten und brutalsten Gewaltmaßnahmen auf, u m neue Zugeständnisse von Seiten der chinesischen Regierung zu erzielen und griff bei Streitigkeiten mit der chinesischen Regierung oder örtlichen Behörden sogar zu Drohungen. I n den ostasiatischen Gewässern war ein ziemlich bedeutendes deutsches Geschwader f ü r militärische Demonstrationen und Gewaltakte stationiert. I m Jahre 1882 nahmen sich die Deutschen mit Gewalt ein Grundstück in Swatou, auf dessen Kauf sie reflektierten, und die chinesischen Behörden sahen sich genötigt, den „Streit" zugunsten der Deutschen zu entscheiden. Die deutsche Diplomatie reizte Frankreich zu einer aggressiven Politik in China auf, u m es in Europa zu schwächen und seine Kräfte nach Ostasien abzulenken. M i t demselben Ziel wiegelte die deutsche Diplomatie China zum Widerstand gegen Frankreich auf. 1884 lehnte Bismarck Chinas Ersuchen u m seine Einschaltung in den französisch-chinesischen Konflikt ab und garantierte Frankreich Handlungsfreiheit in bezug auf den Fernen Osten, obschon zur gleichen Zeit deutsche Industrielle fortfuhren, nach China Schiffe und Rüstungsmaterial f ü r einen Krieg gegen Frankreich zu liefern. W i r Deutschen „würden uns selbst dann nicht rühren können", sagte Bismarck, „wenn die Franzosen mit 100 000 M a n n auf Peking marschierten." 6 0 Die koloniale Aggression Frankreichs wurde von Bismarck auch deshalb gefördert, weil sie zu einer Zuspitzung des englisch-französischen Verhältnisses f ü h r t e und zur Isolierung Frankreichs beitrug. Die deutschen Diplomaten, unter ihnen Brandt, bemühten sich auf jede Weise, China gegen Rußland aufzubringen. Gleichzeitig riet Berlin in provokatorischer Weise Petersburg, eine aktive Politik in Asien zu betreiben, u m zu erreichen, daß Rußland seine Kräfte dorthin abziehe und seine europäische Stellung schwäche. I m Jahre 1892 berichtete der russische Gesandte in Peking, Cassini, daß Brandt sich m i t allen Kräften bemühe, die chinesische Regierung zu veranlassen, aus strategischen Erwägungen den Bau einer Eisenbahn in der Mandschurei zu beschleunigen. Brandt flüsterte den chinesischen Ministern in provokatorischer Weise ein, Rußland sei angeblich Chinas gefährlichster Feind, und versuchte, die Übertragung des Baues der Mandschurischen Bahn an deutsche Industrielle zu sichern. „Schon seit mehreren Jahren", schrieb Cassini, „ist die ganze Politik Deutschlands in Peking n u r bestrebt gewesen, unsere Beziehungen zur chinesischen Regierung zu verderben, unserem Prestige Abbruch zu t u n und die Vertreter der übrigen europäischen Mächte gegen uns aufzubringen." 51 Der Einfluß, den Deutschland in China auf Handel und Politik gewonnen hatte, befriedigte indessen längst nicht den Appetit der deutschen Bourgeoisie, die 00
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„Die Große Politik der Europäischen Kabinette" (weiterhin mit „G. P." abgekürzt), Bd. 3, Dokument Nr. 700, Berlin 1922. Mitteilung Cassinis vom 16. (28.) Januar 1892, ABEP, I-K, 1892, Nr. 110, Bl. 9—11.
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Flottenbasen und Stützpunkte in Ostasien für eine weitere Aggression anstrebte. Schon im Jahre 1867 legte Brandt der preußischen Regierung ein Projekt für die Kolonisierung der Insel Taiwan vor. In den Jahren 1869—1870 unterbreitete der berühmte deutsche Geograph und Forschungsreisende v. Richthofen Bismarck ein Projekt zur „Erwerbung" des Tschou-schan-Archipels in der Nähe von Schanghai. 62 1872 wandte sich Brandt an die deutsche Marinebehörde mit einem Memorandum über die Notwendigkeit der Erwerbung eines „Stützpunktes" 53 an der chinesischen Küste durch Deutschland. Als eines der möglichen Objekte sah er den Hafen Amoy im Süden Chinas an. In den Jahren 1884—1885 nahm Deutschland an den Zugängen zum Stillen Ozean einen Teil der Küste von Neu-Guinea, das von dem hervorragenden russischen Gelehrten und Humanisten Miklucho-Maklai erforscht worden war, sowie die Salomon-Inseln in Besitz. Die deutschen Stützpunkte schoben sich näher an die Küsten Chinas heran. Die deutsche Bourgeoisie wartete nur auf irgendeinen großen Konflikt in Ostasien, um ihren Plan der Besitzergreifung einer Marinebasis und eines Aufmarschgebietes für ihre weitere Aggression in China verwirklichen zu können. Der deutsche Handel mit Japan wuchs ebenfalls außerordentlich rasch. Im Jahre 1893 führte Hamburg nach Japan für eine Million Mark mehr aus, als nach China, obwohl die Einfuhr aus China den Import aus Japan um 2 Millionen Mark überstieg. Rußland am Stillen Ozean vor Ausbruch des Japanisch-Chinesischen Krieges 1894—1895 Ende der achtziger Jahre rief die Lage in Korea weiterhin Mißfallen und Beunruhigung in Petersburg hervor. Die zaristische Regierung vermutete, daß hinter der Aktivität Jüan Schi-kais in Korea England seine Hand im Spiel hatte. Unter diesen Umständen hielt es die zaristische Regierung für notwendig, ihre Politik in der koreanischen Frage genauer zu bestimmen. Auf einer „Sonderkonferenz", die am 26. April 1888 am Petersburger Hof stattfand, wurde festgestellt, daß Rußland Korea nicht „erwerben" dürfe, daß dieses Land als Markt arm sei, ungünstig liege und schwer zu verteidigen sei, und daß die Besetzung des Landes oder eines Teiles desselben eine Zuspitzung der Beziehungen zu England und China hervorrufen würde, die darüber ihre eigenen „Ansichten" hätten. Gleichzeitig focht die russische Regierung formell die Oberhoheit Chinas über Korea nicht an, um keinen Anlaß zu neuen Verwicklungen zu geben. Die Politik der zaristischen Regierung gegenüber China wurde Anfang der neunziger Jahre durch eine am 19. Mai 1891 an Cassini nach Peking gesandte Instruktion festgelegt. Diese Instruktion wies darauf hin, daß ein Zusammenstoß 62 03
„G. P.", Bd. 9, Dokument 2219. M. v. Brandt, Dreiunddreißig Jahre in Ostasien, Bd. 3, Leipzig 1901, S. 141—145, 324.
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Flottenbasen und Stützpunkte in Ostasien für eine weitere Aggression anstrebte. Schon im Jahre 1867 legte Brandt der preußischen Regierung ein Projekt für die Kolonisierung der Insel Taiwan vor. In den Jahren 1869—1870 unterbreitete der berühmte deutsche Geograph und Forschungsreisende v. Richthofen Bismarck ein Projekt zur „Erwerbung" des Tschou-schan-Archipels in der Nähe von Schanghai. 62 1872 wandte sich Brandt an die deutsche Marinebehörde mit einem Memorandum über die Notwendigkeit der Erwerbung eines „Stützpunktes" 53 an der chinesischen Küste durch Deutschland. Als eines der möglichen Objekte sah er den Hafen Amoy im Süden Chinas an. In den Jahren 1884—1885 nahm Deutschland an den Zugängen zum Stillen Ozean einen Teil der Küste von Neu-Guinea, das von dem hervorragenden russischen Gelehrten und Humanisten Miklucho-Maklai erforscht worden war, sowie die Salomon-Inseln in Besitz. Die deutschen Stützpunkte schoben sich näher an die Küsten Chinas heran. Die deutsche Bourgeoisie wartete nur auf irgendeinen großen Konflikt in Ostasien, um ihren Plan der Besitzergreifung einer Marinebasis und eines Aufmarschgebietes für ihre weitere Aggression in China verwirklichen zu können. Der deutsche Handel mit Japan wuchs ebenfalls außerordentlich rasch. Im Jahre 1893 führte Hamburg nach Japan für eine Million Mark mehr aus, als nach China, obwohl die Einfuhr aus China den Import aus Japan um 2 Millionen Mark überstieg. Rußland am Stillen Ozean vor Ausbruch des Japanisch-Chinesischen Krieges 1894—1895 Ende der achtziger Jahre rief die Lage in Korea weiterhin Mißfallen und Beunruhigung in Petersburg hervor. Die zaristische Regierung vermutete, daß hinter der Aktivität Jüan Schi-kais in Korea England seine Hand im Spiel hatte. Unter diesen Umständen hielt es die zaristische Regierung für notwendig, ihre Politik in der koreanischen Frage genauer zu bestimmen. Auf einer „Sonderkonferenz", die am 26. April 1888 am Petersburger Hof stattfand, wurde festgestellt, daß Rußland Korea nicht „erwerben" dürfe, daß dieses Land als Markt arm sei, ungünstig liege und schwer zu verteidigen sei, und daß die Besetzung des Landes oder eines Teiles desselben eine Zuspitzung der Beziehungen zu England und China hervorrufen würde, die darüber ihre eigenen „Ansichten" hätten. Gleichzeitig focht die russische Regierung formell die Oberhoheit Chinas über Korea nicht an, um keinen Anlaß zu neuen Verwicklungen zu geben. Die Politik der zaristischen Regierung gegenüber China wurde Anfang der neunziger Jahre durch eine am 19. Mai 1891 an Cassini nach Peking gesandte Instruktion festgelegt. Diese Instruktion wies darauf hin, daß ein Zusammenstoß 62 03
„G. P.", Bd. 9, Dokument 2219. M. v. Brandt, Dreiunddreißig Jahre in Ostasien, Bd. 3, Leipzig 1901, S. 141—145, 324.
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mit China f ü r uns „äußerst unerwünscht" und daß „die wichtigste politische Frage im Fernen Osten die koreanische Frage ist". Die koreanische Halbinsel, hieß es in der Instruktion, würde in den Händen der Chinesen zu einer ernsthaften Bedrohung f ü r das Südussurische Land werden. Die Instruktion schrieb Cassini vor, im Auge zu behalten, daß „es in unserem Interesse läge . . ., in jeder Weise f ü r die Beständigkeit und Festigkeit der inneren Ordnung in Korea, die häufigen Schwankungen unterworfen ist, zu sorgen." 6 4 Z u erwähnen ist, daß die Zarenregierung damals ungenügend über Japans Absichten in Korea orientiert war. Sie unterschätzte die Aggressivität der japanischen Politik in Korea und das Wachstum der Streitkräfte Japans. Die Hauptbedrohung in der koreanischen Frage erblickte die Zarenregierung irrtümlicherweise in der von England inspirierten Politik Chinas. Der russische Generalstab arbeitete einen Verteidigungsplan f ü r den Fall eines Angriffs Englands und Chinas auf die Küste des Stillen Ozeans aus, während Japan bei der russischen Regierung noch keine großen Befürchtungen erweckte. E i n Zusammenstoß m i t Japan wurde f ü r unwahrscheinlich gehalten; weder das Marine-, noch das Kriegsministerium stellten f ü r eine solche Eventualität irgendwelche gründlich durchdachten Erwägungen an. Die zaristische Regierung bemühte sich, den britischen und deutschen Einfluß in China zu schwächen; in dieser Richtung bemühten sich schon seit der Mitte der achtziger Jahre die russischen Gesandten in Peking, i m Einklang mit den französischen Vertretern zu handeln. I m Fernen Osten begann sich in den achtziger Jahren eine französisch-russische Zusammenarbeit zu entwickeln, die durch das im Jahre 1893 gegen Deutschland geschlossene französisch-russische Bündnis noch festere Formen annahm. U m die Positionen Rußlands im Fernen Osten zu stärken, begann die zaristische Regierung, die Frage des Baues einer TranssibirischenEisenbalrn in E r w ä g u n g zu ziehen. Die wirtschaftliche Rückständigkeit und die finanzielle Schwäche des zaristischen Rußlands verzögerten die Inangriffnahme dieses höchst wichtigen Unternehmens,und zu A n f a n g der neunziger Jahre war dieBahn noch nicht gebaut. Indessen plante im Jahre 1890 Li Hung-tschang den Bau einer strategischen Eisenbahn von T a k u über Schanhaikwan-Kintschou nach Mukden und dann über Ninguta nach Huntschun am Tumen-Fluß. Die entsprechenden Voruntersuchungen wurden dem englischen Ingenieur Kinder übertragen und im Jahre 1890 in Angriff genommen. Die englische Regierung zeigte sich am Bau dieser Bahn äußerst interessiert und übte in dieser Richtung auf China jeden erdenklichen Druck aus. Die Engländer redeten in offenkundig provokatorischer Absicht den chinesischen Würdenträgern ein, Rußland trachte danach, sich die Mandschurei anzueignen und die chinesische Hauptstadt einer Bedrohung auszusetzen. Der P l a n eines Eisenbahnbaues durch die Mandschurei war vom Streben des englischen Imperialismus diktiert, seine Positionen in der Mandschurei zu 54
ABHP, Alleruntertänigste Berichte, 1891, Nr. 9.
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festigen und eine Verstärkung des russischen Einflusses in diesem Gebiet zu verhindern. Im Jahre 1890 einlaufende Berichte über die Ermittlungen Kinders in der Südmandschurei veranlaßten die russische Regierung, den Bau der Sibirischen Eisenbahn zu beschleunigen. Am 12. Februar 1891 wurde beschlossen, die Bahn bis zum Stillen Ozean durchzuführen. Ihr faktischer Bau begann 1893, als die chinesische Bahnlinie bereits bis Schanhaikwan gelegt war; infolge der finanziellen Schwäche Rußlands und der Korruption unter den zaristischen Beamten zog er sich jedoch über mehr als zehn Jahre hin. Der Bau der Sibirischen Eisenbahn verfolgte wirtschaftliche, aber auch militärisch-strategische Ziele. Besonders seit den neunziger Jahren verknüpften sich mit ihm große wirtschaftliche Interessen der russischen Bourgeoisie und der Gutsbesitzer, die eine Expansion im Osten anstrebten. Innerhalb der Regierung betonte besonders nachdrücklich der zum Finanzminister ernannte Witte die wirtschaftliche Bedeutung dieser Bahn. Nach Wittes Meinung sollte die Bahn in den Verbindungen zwischen Europa und dem Stillen Ozean eine völlige Umwälzung herbeiführen: sie sollte bisher über Suez gehende Frachten vom Westen nach dem Fernen Osten an sich ziehen, Innerchina durch Anschluß seiner Eisenbahnen an die Transsibirische Bahn für den Handel öffnen, die russische Teeindustrie fördern und den Export russischer Metall- und Textilerzeugnisse nach China erweitern. Im Finanzministerium nahm mein an, daß die Bahn mehr als die Hälfte der chinesischen Ausfuhr an sich ziehen und Rußland „die Herrschaft über den gesamten Handelsverkehr in den Gewässern des Stillen Ozeans sichern" werde. In diesen Berechnungen war sehr viel übertrieben und aufgebauscht, aber sie zeugten davon, wie sich die Aufmerksamkeit der russischen Bourgeoisie auf den Fernen Osten richtete. Im Jahre 1894 wurde die Frage der Gründung einer russischen Bank in China zur Unterstützung der verschiedenen Handelszweige erwogen.55 Um die Mitte der neunziger Jahre reiften die Voraussetzungen für den Übergang des Zarismus und der russischen Großbourgeoisie von ihrer zurückhaltenden Haltung im Fernen Osten zur Durchführung einer umfassenden imperialistischen Politik, zur Verwirklichung verschiedener expansionistischer Pläne in jenen Gebieten heran. Die japanische Politik in Korea am Vorabend de9 Krieges der Jahre 1894-—1895 Nach der Unterzeichnung der Tientsiner Konvention von 1885 war in den japanisch-chinesischen Beziehungen in Korea eine gewisse Ruhe eingetreten. Japan war zu einem Krieg nicht gerüstet und zog vorläufig die Erhaltung des „status quo" in Korea vor. Es setzte jedoch sein aktives wirtschaftliches Vordringen in 55
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Ilpojior pycoKoanoHCKoit
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festigen und eine Verstärkung des russischen Einflusses in diesem Gebiet zu verhindern. Im Jahre 1890 einlaufende Berichte über die Ermittlungen Kinders in der Südmandschurei veranlaßten die russische Regierung, den Bau der Sibirischen Eisenbahn zu beschleunigen. Am 12. Februar 1891 wurde beschlossen, die Bahn bis zum Stillen Ozean durchzuführen. Ihr faktischer Bau begann 1893, als die chinesische Bahnlinie bereits bis Schanhaikwan gelegt war; infolge der finanziellen Schwäche Rußlands und der Korruption unter den zaristischen Beamten zog er sich jedoch über mehr als zehn Jahre hin. Der Bau der Sibirischen Eisenbahn verfolgte wirtschaftliche, aber auch militärisch-strategische Ziele. Besonders seit den neunziger Jahren verknüpften sich mit ihm große wirtschaftliche Interessen der russischen Bourgeoisie und der Gutsbesitzer, die eine Expansion im Osten anstrebten. Innerhalb der Regierung betonte besonders nachdrücklich der zum Finanzminister ernannte Witte die wirtschaftliche Bedeutung dieser Bahn. Nach Wittes Meinung sollte die Bahn in den Verbindungen zwischen Europa und dem Stillen Ozean eine völlige Umwälzung herbeiführen: sie sollte bisher über Suez gehende Frachten vom Westen nach dem Fernen Osten an sich ziehen, Innerchina durch Anschluß seiner Eisenbahnen an die Transsibirische Bahn für den Handel öffnen, die russische Teeindustrie fördern und den Export russischer Metall- und Textilerzeugnisse nach China erweitern. Im Finanzministerium nahm mein an, daß die Bahn mehr als die Hälfte der chinesischen Ausfuhr an sich ziehen und Rußland „die Herrschaft über den gesamten Handelsverkehr in den Gewässern des Stillen Ozeans sichern" werde. In diesen Berechnungen war sehr viel übertrieben und aufgebauscht, aber sie zeugten davon, wie sich die Aufmerksamkeit der russischen Bourgeoisie auf den Fernen Osten richtete. Im Jahre 1894 wurde die Frage der Gründung einer russischen Bank in China zur Unterstützung der verschiedenen Handelszweige erwogen.55 Um die Mitte der neunziger Jahre reiften die Voraussetzungen für den Übergang des Zarismus und der russischen Großbourgeoisie von ihrer zurückhaltenden Haltung im Fernen Osten zur Durchführung einer umfassenden imperialistischen Politik, zur Verwirklichung verschiedener expansionistischer Pläne in jenen Gebieten heran. Die japanische Politik in Korea am Vorabend de9 Krieges der Jahre 1894-—1895 Nach der Unterzeichnung der Tientsiner Konvention von 1885 war in den japanisch-chinesischen Beziehungen in Korea eine gewisse Ruhe eingetreten. Japan war zu einem Krieg nicht gerüstet und zog vorläufig die Erhaltung des „status quo" in Korea vor. Es setzte jedoch sein aktives wirtschaftliches Vordringen in 55
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Korea fort. Nach Korea wurden hauptsächlich englische und indische Baumwollgewebe eingeführt, von den neunziger Jahren an begannen aber japanische Waren mit diesen in Wettbewerb zu treten. In den Jahren 1890—1891 waren von den im Haupthafen Koreas Tschemulpo (Intschon) eintreffenden Waren 54% englischer, 24% japanischer, 13% chinesischer und 9% sonstiger Herkunft. 66 Von 1885 bis 1889 stieg die Einfuhr nach Korea von 1,8 Mill. auf 3,4 Mill. Dollar. Rund die Hälfte der eingeführten Textilerzeugnisse waren englischen Ursprungs. Aber es waren in Korea fast keine englischen Kaufleute ansässig, da der Handel zum größten Teil in den Händen der Japaner lag. Etwa 80% der Handelstonnage, die die offenen koreanischen Häfen anlief, entfiel auf japanische Schiffe.67 Man darf jedoch nicht glauben, daß Japan darauf rechnen konnte, sich Korea auf rein wirtschaftlichem Wege, ohne militärische Aggression, unterzuordnen. Die Ausdehnung des japanischen Handels in Korea stieß auf Hindernisse, vor allem auf den Widerstand des koreanischen Volkes, aber auch auf den Widerstand Chinas. Die chinesischen Händler verdrängten die japanischen nicht nur mittels kaufmännischer Konkurrenz, sondern auch durch Schaffung verschiedenster administrativer Störungen für den japanischen Handel und die japanischen Konzessionen. Im Jahre 1885 schloß Jüan Schi-kai mit Korea einen Vertrag über den Bau einer Telegraphenlinie von Söul nach Tientsin ab, während die Japaner, die um die Erlaubnis zum Bau einer Linie Fusan—Söul nachsuchten, eine Absage erhielten. Japanische Kapitalisten machten Anstrengungen, sich in Korea der Münzprägung zu bemächtigen, aber unter dem Druck Chinas verzichtete die koreanische Regierung auf die Benutzung der Münzstätte, die japanische Kaufleute fast schon fertiggestellt hatten.58 Vor dem Krieg der Jahre 1894—1895 nahm der chinesische Handel in Korea auf Kosten des japanischen zu. Die Zahl der in den offenen Häfen Koreas lebenden Chinesen wuchs ebenfalls rascher, als die der dort ansässigen Japaner. Der Gesamtumsatz des chinesischen und japanischen Handels während jener Zeit in den koreanischen offenen Häfen wird durch die nachstehenden Zahlen (in Prozenten) charakterisiert:69 Jahr 1890 1891 1892 1893 1894
Chinesischer Handel 20,8 25,3 31,2 36,6 27,3
Japanischer Handel 79,0 74,5 68,0 62,2 70,0
«OiracaHHe Kopeä», Teil II, Verlag des Finanzministeriums, St. Petersburg 1900, S. 268. Bericht des Obersten Wogak vom 16. (28.) Mai 1893, „Sammelband geographischer, topographischer und statistischer Materialien über Asien", Heft 60, St. Petersburg 1896, S. 4—7. ÜB Ebenda.
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ABHP, A3HaiCKHH HenapiaMeHT, 1895, Korea, Nr. 6, Bericht Webers vom 9. (21.) Februar.
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Der russische Vertreter in Söul, Weber, nahm an, daß der Anteil des chinesischen Handels in Korea i m Jahre 1894 auf 4 0 % gestiegen sein würde, wenn der Krieg von 1894—1895 nicht dazwischengekommen wäre. Auf diese Weise stieß die Entwicklung des japanischen Handels in Korea vor dem Kriege 1894—1895 auf gewisse Hindernisse, während das spezifische Gewicht des chinesischen Handels ständig zunahm. Der japanische Handel in Korea konnte auch abolut genommen nicht rasch wachsen. Die Ursachen d a f ü r lagen zu einem großen Teil in der niedrigen K a u f k r a f t der koreanischen Bevölkerung und in den ungünstigen allgemeinen Handelsbedingungen, die mit der in Korea noch erhaltenen Feudalordnung zusammenhingen. Steuern, Abgaben und die Erpressungen koreanischer Beamten ruinierten die Bevölkerung. D e r Verkauf von Staatsämtern, die Bestechlichkeit der Beamtenschaft, Willkür und Gesetzlosigkeit standen einer Entwicklung des Warenaustausches hindernd im Wege. U m günstigere Bedingungen f ü r ihren Handel in Korea zu schaffen und sich auf die restlose Annexion dieses Landes vorzubereiten, wollte die japanische Regierung die Verwaltung der Zölle in ihre Hände bekommen und sich die Politik der koreanischen Regierung unterordnen. Auf diesem Wege beabsichtigte die japanische Regierung, den Binnenmarkt Koreas unter ihre Kontrolle zu bringen, dort die chinesische Konkurrenz auszuschalten und Korea zur Kolonie und zum Aufmarschgebiet f ü r ihre weitere Aggression auf dem Kontinent, gegen China und Rußland, zu machen. Diese ganze räuberische Politik betrieb Japan unter der Maske des „Schutzes der Unabhängigkeit" Koreas gegenüber China. Die japanische Regierung unterstützte in Korea auf jede erdenkliche Weise die japanfreundliche Clique, die den anderen Teil der koreanischen Feudalen und diejenigen Beamten bekämpfte, die sich auf eine Unterstützung seitens Chinas oder Rußlands orientierten. Die Japaner verbreiteten in Korea Pamphlete gegen China. Eine Bank in Jokohama gab das Geld f ü r diese Agitation. Japanische Publizisten bemühten sich, den Bau der russischen Sibirischen Eisenbahn als Grund f ü r die Dringlichkeit eines aggressiven Vorgehens von seiten Japans hinzustellen, ungeachtet der Tatsache, daß m a n mit dem Bau soeben erst begonnen hatte und er eine Reihe von Jahren zu seiner Vollendung beanspruchen mußte. Der Vorsitzende des Geheimen Staatsrates Japans, Marschall Yamagata, erklärte in einem Interview am 29. Juni 1894, daß Japan nicht warten dürfe, bis Rußland die Sibirische Bahn fertiggestellt habe und Frankreich sich in Siam festsetze. Die japanischen Politiker bemühten sich, jeglichen Einfluß der europäischen Staaten im Fernen Osten zu beseitigen und dort dieHerrschaft Japans aufzurichten. Japans Vertreter in Söul, Oishi, der im Februar 1893 nach Tschemulpo kam, hielt eine Rede, in der er erklärte, daß „der Ferne Osten das Eigentum Japans und Chinas sei und Europa als ihr gemeinsamer Feind aus diesen Gebieten vertrieben werden müsse". Oishi war einer der unverschämtesten und aggressivsten japanischen Diplomaten, die bereits begannen, die Idee der japanischen Herrschaft über Ostasien offen zu propagieren. Den Posten des japanischen Ministerresidenten in Korea erhielt er auf Grund eines wahnwitzigen Werkes, das sowohl in Japan selbst,
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als auch im Ausland Aufsehen erregte. In seinem Buch empfahl Oishi, Rußland zu vernichten, ihm Sibirien bis zum Ural wegzunehmen und es zu einem Kolonisationsgebiet aller Nationen zu machen.90 Zahlreiche Mitglieder des japanischen Kabinetts und japanische Diplomaten waren der Meinung, Japan müsse zur Verwirklichung seiner Eroberungspläne mit Rußland zusammenstoßen. In bezug auf China bemühte sich Japan, dieselbe Haltung wie die westlichen kapitalistischen Länder einzunehmen, das heißt, China zum Abschluß eines ungleichen Vertrages zu zwingen. Dies sollte der Verstärkung des japanischen Angriffs auf den chinesischen Markt förderlich sein. Aber China konnte nur durch eine militärische Niederlage zu einem Nachgeben in dieser Frage gezwungen werden. Das rasche Anwachsen der japanischen Armee und Flotte und die Rückständigkeit Chinas gaben den japanischen Aggressoren die Zuversicht des Sieges. In Japan hatte sich nach der Revolution von 1867 eine Oligarchie aus einer Handvoll von Abkömmlingen der feudalen Clans des südwestlichen Japans und ihrer Klienten behauptet. Diese Oligarchie war mit dem Großkapital eng verbunden. Die Führung eines Eroberungskrieges gegen China lag im Interesse der feudalen Militärclique, der reichen Gutsherren und der Großkapitalisten. Viele japanische Politiker sahen bereits damals in einem Krieg gegen China den ersten Schritt zu weiteren Eroberungen und zur Herrschaft Japans über den gesamten Stillen Ozean. Sie nahmen an, Japan würde schon in nächster Zukunft über die Geschicke des Fernen Ostens entscheiden können. Den englischrussischen Gegensatz seihen die japanischen Politiker als Umstand an, der ihnen die Hände für eine Aggression und für die Errichtung ihrer Herrschaft in Ostasien frei machte. Die Rolle Englands und der USA bei der Entfesselung des Japanisch-Chinesischen Krieges 1894—1895 Die englischen und amerikanischen Geschichtsfälscher schildern die englischjapanischen und japanisch-amerikanischen Beziehungen am Vorabend des Jahres 1894 in verzerrter Gestalt und stellen Großbritannien und die USA in verlogener Weise als „Beschützer" .Chinas hin. Diese Erfindung hält einer Gegenüberstellung mit den Tatsachen nicht stand. Die englische und die amerikanische kapitalistische Regierung legten der japanischen Aggression gegen China nicht nur keine Hindernisse in den Weg, sondern waren ihre aktiven Helfershelfer. Die wirtschaftlichen Hauptinteressen Englands im Fernen Osten waren ein China geknüpft. Der chinesische Markt bot ungeheure Möglichkeiten. Der >° Übersetzungsmanuskript des Buches von Oishi, angefertigt für das russische Außenim'msterium, aufbewahrt im AB HP.
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als auch im Ausland Aufsehen erregte. In seinem Buch empfahl Oishi, Rußland zu vernichten, ihm Sibirien bis zum Ural wegzunehmen und es zu einem Kolonisationsgebiet aller Nationen zu machen.90 Zahlreiche Mitglieder des japanischen Kabinetts und japanische Diplomaten waren der Meinung, Japan müsse zur Verwirklichung seiner Eroberungspläne mit Rußland zusammenstoßen. In bezug auf China bemühte sich Japan, dieselbe Haltung wie die westlichen kapitalistischen Länder einzunehmen, das heißt, China zum Abschluß eines ungleichen Vertrages zu zwingen. Dies sollte der Verstärkung des japanischen Angriffs auf den chinesischen Markt förderlich sein. Aber China konnte nur durch eine militärische Niederlage zu einem Nachgeben in dieser Frage gezwungen werden. Das rasche Anwachsen der japanischen Armee und Flotte und die Rückständigkeit Chinas gaben den japanischen Aggressoren die Zuversicht des Sieges. In Japan hatte sich nach der Revolution von 1867 eine Oligarchie aus einer Handvoll von Abkömmlingen der feudalen Clans des südwestlichen Japans und ihrer Klienten behauptet. Diese Oligarchie war mit dem Großkapital eng verbunden. Die Führung eines Eroberungskrieges gegen China lag im Interesse der feudalen Militärclique, der reichen Gutsherren und der Großkapitalisten. Viele japanische Politiker sahen bereits damals in einem Krieg gegen China den ersten Schritt zu weiteren Eroberungen und zur Herrschaft Japans über den gesamten Stillen Ozean. Sie nahmen an, Japan würde schon in nächster Zukunft über die Geschicke des Fernen Ostens entscheiden können. Den englischrussischen Gegensatz seihen die japanischen Politiker als Umstand an, der ihnen die Hände für eine Aggression und für die Errichtung ihrer Herrschaft in Ostasien frei machte. Die Rolle Englands und der USA bei der Entfesselung des Japanisch-Chinesischen Krieges 1894—1895 Die englischen und amerikanischen Geschichtsfälscher schildern die englischjapanischen und japanisch-amerikanischen Beziehungen am Vorabend des Jahres 1894 in verzerrter Gestalt und stellen Großbritannien und die USA in verlogener Weise als „Beschützer" .Chinas hin. Diese Erfindung hält einer Gegenüberstellung mit den Tatsachen nicht stand. Die englische und die amerikanische kapitalistische Regierung legten der japanischen Aggression gegen China nicht nur keine Hindernisse in den Weg, sondern waren ihre aktiven Helfershelfer. Die wirtschaftlichen Hauptinteressen Englands im Fernen Osten waren ein China geknüpft. Der chinesische Markt bot ungeheure Möglichkeiten. Der >° Übersetzungsmanuskript des Buches von Oishi, angefertigt für das russische Außenim'msterium, aufbewahrt im AB HP.
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Handelsumsatz des Britischen Empire mit China überstieg im Jahre 1893 die Summe von 35 Mill. £. Der Gesamthandel des Britischen Empire mit Japan im gleichen Jahr belief sich im ganzen auf rund 9,3 Mill. £. In China waren Kapitalien, wenngleich zu jener Zeit in keinem' bedeutenden Umfang, investiert worden. Schanghai und das Jangtse-Tal waren das Gebiet der wichtigsten Ausbeutungsinteressen Englands im Fernen Osten. Die Handelshegemonie Englands in China blieb fast unerschüttert. Schließlich betrachtete man bis zum JapanischChinesischen Krieg China als möglichen Bundesgenossen gegen Rußland. In den Jahren 1884—1885 waren viele Vertreter der herrschenden Kreise Englands von der Möglichkeit eines gemeinsam mit China gegen Rußland geführten Krieges überzeugt. Nichtsdestoweniger erwies England dem aggressiven Japan seine Unterstützung. Bereits seit der Mitte der achtziger Jahre begann die englische Regierung dazu zu neigen, einer teilweisen Annullierung der ungleichen Verträge mit Japan zuzustimmen, während von einem ähnlichen Zugeständnis an China keine Rede sein konnte. Britische Publizisten wiesen schon in den achtziger Jahren nicht nur auf China, sondern auch auf Japan als möglichen Verbündeten gegen Rußland und gegen die Volksbewegungen im Osten hin und träumten von der Schaffung eines fernöstlichen „Dreibundes" gegen Rußland. In bezug auf den japanischen Handel hob die britische Presse hervor, daß er, obgleich Englands Handel mit Japan zu Beginn der neunziger Jahre gering war, doch rascher zunahm als der chinesische und daß er der englischen Schwerindustrie einen bedeutenden Absatz ihrer Erzeugnisse, von Schiffen und Rüstungsmaterial, verhieß. Im Jahre 1890 unternahm die englische Regierung neue Schritte, um sich die Möglichkeit zu verschaffen, Japan gegen Rußland vorzuschicken. Das Kabinett Salisbury gab seine Einwilligung zur völligen Aufhebung der Exterritorialität der Ausländer in Japan. Lediglich innere Meinungsverschiedenheiten der Parteien in Japan verzögerten bis zum Juli 1894 den Abschluß eines neuen englisch-japanischen Handelsvertrages auf dieser Grundlage. Als im Sommer 1894 der Konflikt zwischen Japan und China offen ausbrach, erklärte die englische Regierung, daß sie neutral bleibe, wenn Japan sich verpflichte, Schanghai als neutrale Zone zu behandeln und während des Krieges den britischen Handel im Stillen Ozean nicht zu stören. Nach den Worten Edward Greys zog das Londoner Kabinett im Somn\er 1894 das Wachsen der militärischen Kräfte Japans in Betracht und faßte den festen Entschluß, Japan als mit den europäischen Mächten „gleichberechtigt" zu betrachten. Diese Tatsache beweist mit aller Deutlichkeit, wie verlogen der Standpunkt der japanischen Publizisten war, die den Eroberungskrieg Japans gegen China als Krieg zur „Befreiung" Japans vom Joch der ungleichen Verträge bezeichneten. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützten die japanische Aggression noch entschiedener als England. Für das Verhalten der USA zur japanischen Aggression gegen China spielte eine ausschlaggebende Rolle das Interesse an dem vollständigen „Öffnen" aller 54
„Türen" im Fernen Osten und an der Beseitigung aller Schranken, die dem Eindringen ausländischen Kapitals sowohl nach Korea als auch nach China im Wege standen. Japan konnte diese „Türen" mit Gewalt aufsprengen. Aus diesem Grunde sympathisierten die herrschenden Kreise der USA mit Japan und unterstützten dessen aggressives Vorgehen. Die projapanische Haltung Englands und die dem japanischen Aggressor von Seiten der USA erwiesene Begünstigung gaben Japan die Hände frei und bestimmten den Ausbruch des Krieges gegen China voraus. Der im Jahre 1894 ausbrechende Japanisch-Chinesische Krieg beendete im Fernen Osten die Periode der vorimperialistischen „freibeuterischen" Kolonialpolitik der kapitalistischen Mächte. Er enthüllte die Schwäche Chinas und gab den Anstoß zum Beginn einer neuen Etappe in der Entwicklung der internationalen Beziehungen im Fernen Osten, die mit der Herrschaft der kapitalistischen Monopole, mit dem Kampf um Konzessionen in China und um dessen Aufteilung in monopolistische „Einflußsphären" verbunden war.
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Der Japanisch-Chinesische Krieg Den Anlaß zum Japanisch-Chinesischen Krieg gab ein Volksaufstand in Korea, der von der Sekte Tonghak („östliche Lehre") geleitet wurde. Diese Sekte war in Korea bereits im Jahre 1859 entstanden; ihre Lehre bestand in einer eigenartigen Verschmelzung von Konfuzianismus, Buddhismus, Taoismus und Katholizismus. Die Verschlechterung der Lage der breiten Massen, in Verbindung mit dem Eindringen ausländischen Kapitals, das die natürlichen Grundlagen der Wirtschaft zerstörte, sowie die Erhöhung der Steuern und sonstigen Abgaben, lösten in den Volksmassen zunehmende Unzufriedenheit aus. Die Lehre der Tonghak war, ähnlich wie um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Lehre der Taiping, 1 das ideologische Banner dieses Volksprotestes, der im Jahre 1894 in einen offenen Aufstand ausmündete. Die Zahl der Sekten-Anhänger ging in die Tausende; die Bewegung richtete sich gegen das Joch der feudalen Oberschicht und unmittelbar gegen die Japaner. Die größte Wucht erlangte die Bewegung in Süd-Korea, insbesondere in der Provinz Tscholla. Die Regierungstruppen Koreas waren außerstande, die Bewegung zu unterdrücken. Die koreanische Regierung wandte sich mit der Bitte um Hilfe an ihren Suzerän China. Der chinesische Vertreter in Söul, Jüan Schi-kai, forderte im Laufe des Mai 1894 die schleunigste Entsendung chinesischer Truppen; Li Hung-tschang versteifte sich jedoch auf ein förmliches Hilfegesuch des koreanischen Königs, „damit die ganze Verantwortung auf ihn falle". Am 6. Juni wurden aus Tientsin 1500 chinesische Soldaten entsandt, denen bald weitere 750 Soldaten und drei Kriegsschiffe folgten. Japan wurde gemäß der Tientsiner Konvention vom Jahre 1885 darüber von China informiert. Li Hung-tschang teilte der japanischen Regierung und dem russischen Gesandten in Peking offiziell mit, daß die Truppen nach Unterdrückung der „Unruhen" unverzüglich zurückgeführt würden. Die Entsendung chinesischer Truppen nach Korea wurde von den Japanern ausgenutzt, um sich in die koreanischen Angelegenheiten einzumischen. Die japanische Regierung leitete sofort die Entsendung eigener Truppen nach Korea ein, und bereits Mitte Juni waren in Korea mehr japanische als chinesische Truppen anwesend. Die Hauptstadt befand sich unter der Kontrolle der 1
Der mächtige Volkskrieg in China gegen die feudale Ausbeutung in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte eine religiöse Hülle, da er unter der Flagge der sogenannten „Taiping-Lehre" entfacht wurde, deren Begründer Hung Hsiu-tsüen war. Hung rief das Volk zur Gründung eines „Himmels"-Reiches auf Erden — „Taiping Tien-kuo" — auf, wo allgemeine Gleichheit herrschen sollte.
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japanischen Truppen, während chinesische Truppen die Vorstädte südlich von Söul 2 besetzt hielten. Über den ständig anwachsenden Zustrom japanischer Truppen bestürzt, versuchte die koreanische Regierung, die Zurückziehung der chinesischen und japanischen Streitkräfte zu erwirken. Diesmal glaubte sich Japan jedoch für einen Krieg bereits hinreichend vorbereitet. Einer der aktivsten Anhänger einer Aggression in Korea, Graf Okuma, schrieb bereits im April 1894 in seinem offiziellen Organ „Hoti Shimbun": ,,. . . die japanische Regierung ist unter Ausnutzung der derzeitigen außergewöhnlichen Möglichkeiten imstande, alle früheren Fehler zu berichtigen und nicht nur Korea, sondern auch die anderen Länder der Welt zu zwingen, das japanische Reich zu achten und zu fürchten." 3 Die Bewegung der Tonghak war unterdrückt worden, aber Japan traf keine Anstalten, seine Truppen aus Korea zurückzuziehen. Am 16. Juni 1894 schlug das japanische Ministerium dem chinesischen Botschafter in Tokio vor, eine gemeinsame Kommission zur Untersuchung der Lage und Durchführung „radikaler Reformen" auf dem Gebiet der koreanischen Finanzen, der Verwaltung usw. zu schaffen. Das bedeutete die faktische Zulassung Japans zur Lösung innerkoreanischer Fragen. Japan schlug Korea ein von ihm ausgearbeitetes Reformprojekt vor, wobei der chinesischen Regierung unverfroren folgendes erklärt wurde: „Die Interessen Japans in Korea, die von der Nähe dieses Landes und dem Handel mit ihm bestimmt werden, sind so bedeutend und weitgehend, daß sie es Japan nicht gestatten, der traurigen Lage dieses Königreichs gleichgültig zuzusehen". Bereits gegen Ende Juni wurde die Gefahr eines bewaffneten Zusammenstoßes zwischen Japan und China offensichtlich. Nachdem Japan Korea vorgeschlagen hatte, eine gemischte Kommission zur Untersuchung der von ihm ausgearbeiteten Reformen zu schaffen, erklärte es ultimativ, „die japanischen Truppen würden nicht zurückgezogen werden, ehe nicht diese Reformen auf eine für Japan befriedigende Art durchgeführt worden sind."* Die feudale Oberschicht Koreas sah sich gezwungen, ihre Einwilligung dazu zu geben, wobei sie noch auf eine Vermittlung der Großmächte hoffte. Einige unter den chinesischen Staatsmännern waren bereit, ihre Zuflucht zu einer Intervention der ausländischen Mächte zu nehmen. Li Hung-tschang Wußte, daß China unfähig war, Japan Widerstand zu leisten und bemühte sich, die USA zu einer offenen Einmischung zu bewegen. Er versuchte dies über den amerikanischen Konsul in Tientsin zu erreichen. Der Standpunkt der USA war jedoch bereits vom Staatssekretär der USA, Gresham, zum Ausdruck gebracht worden. Als Antwort auf die unmittelbare 2 Li Ung-Bing, Outlines of Chinese History, Shanghai 1914, S. 584. P. J. Treat, Japan and the United States, 1855—1921, Stanfort universitär, 1928, S. 552 4 H. B. Morse, c. o., Bd. 3, S. 25.
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Anfrage des koreanischen Gesandten erklärte Gresham am 23. Juni 1894: „Unser Einfluß kann gegenüber Japan nur auf freundschaftliche Weise geltend gemacht werden, und wir werden uns in keinem Falle zusammen mit anderen Mächten einmischen." 8 Noch deutlicher trat der Standpunkt der USA in einer Antwort auf die englische Anfrage zutage, ob die amerikanische Regierung bereit sei, sich an einer kollektiven Demarche der Mächte zu beteiligen. In einem Brief an den amerikanischen Diplomaten Bayard vom 20. Juni wies der Staatssekretär darauf hin, daß sich „die Regierung selbst bei einer freundschaftlichen Intervention den anderen Mächten nicht Einschließen werde." Dies war die Haltung der USA zu jenem Zeitpunkt, als die Unvermeidlichkeit eines militärischen Zusammenstoßes zwischen Japan und China bereits völlig offensichtlich geworden war. In der Stellung der USA zur Koreafrage kam außer dem unmittelbaren Interesse der amerikanischen Bourgeoisie, Japan möge dem amerikanischen Kapitalismus in Korea als Wegbereiter dienen, der ständig wachsende Appetit der amerikanischen Bourgeoisie in bezug auf China und insbesondere auf die Mandschurei zum Ausdruck. Die Entwicklung der räuberischen Aggression Japans auf dem asiatischen Festland wurde von den regierenden Kreisen der USA nicht nur nicht gehemmt, sondern sogar auf jede Weise gefördert. Indirekt wurde diese Aggression auch von den Engländern begünstigt. Am 13. Juli 1894 unternahm die chinesische Regierung den letzten erfolglosen Versuch, eine Vermittlung der USA zu erreichen;" bereits eine Woche später übertrug der chinesische Gesandte in Tokio der amerikanischen Gesandtschaft am japanischen Hof den Schutz der Interessen der in Japan lebenden chinesischen Untertanen. Fast gleichzeitig beauftragte Japan den amerikanischen Gesandten in Peking mit dem Schutz der Interessen Japans. Nachdem sich die Japaner in Korea als Freunde und „Verteidiger" eingeschlichen hatten, traten sie noch vor Beginn der Kriegshandlungen als Eroberer und Herren auf. Am 23. Juli wurde der Königspalast von japanischen Abteilungen besetzt. Die königliche Familie wurde mitsamt den Kindern in die japanische Gesandtschaft überführt. A n die Spitze der Regierung wurde der Vater des verhafteten Königs und ehemalige Regent, der hochbetagte Tai Won Kun, gestellt. In der Person des achtzigjährigen Greises hatten die japanischen Agenten ein äußerst bequemes Werkzeug gefunden, um ihre Eroberungspläne unter dem äußerst durchsichtigen Deckmantel des „Kampfes" für die „Unabhängigkeit" Koreas zu verbergen. ® P. J. Treat, c. o., S. 552; H. B. Morse, c. o., Bd. 3, S. 23. Es ist äußerst charakteristisch, daß das Staatsdepartment der USA in seinem Bestreben, die Rolle der USA in dem ausgebrochenen Krieg heuchlerisch zu beschönigen und den Verrat an Korea zu verheimlichen, auch vor der Fälschung des Textes des Schriftwechsels mit Korea bei dessen Veröffentlichung in den offiziellen „Foreign Relations" nicht haltmachte.
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Am 27. Juli sah sich der Regent unter japanischem Druck gezwungen, China den Krieg zu erklären und sich offiziell mit der Bitte an Japan zu wenden, es solle ihm helfen, die chinesischen Truppen vom koreanischen Boden zu vertreiben. Japan hatte jedoch bereits einige Tage zuvor ohne Kriegserklärung unerwartet das englische Transportschiff „Kowshing" angegriffen, das von den Chinesen gechartert worden war, um ihre Soldaten zur Verstärkung der zahlenmäßig sehr geringen chinesischen Kräfte in Korea überzusetzen. Auf dem Transporter befanden sich gegen 1300 Mann mit 12 Kanonen; er wurde von zwei chinesischen Kriegsschiffen veralteten Typs begleitet. Das Transportschiff wurde versenkt. Von den 1300 Mann konnten sich nicht mehr als 170 retten. 7 Auf koreanischem Boden hatten es die Japaner nur mit verhältnismäßig geringen chinesischen Kräften zu tun. Der japanische General Oshima stieß unter Zurücklassung einer kleinen Abteilung zur Kontrolle über Söul und Tschemulpo nach Norden vor. Am 19. Juli erlitten die chinesischen Truppen eine Niederlage. Ein Teil von ihnen hatte sich noch vor Beginn des Kampfes auf Pjöngjang zurückgezogen. Der Kriegszustand zwischen Japan und China wurde erst am 1. August amtlich bekanntgegeben. Mit der Einnahme Pjöngjangs durch die Japaner war der Korea-Feldzug entschieden. Die chinesischen Truppen zogen sich hinter den Jalu-Fluß zurück. Ende September waren die Reste der chinesischen Truppen vom Territorium Koreas verdrängt. Am 17. September wurde ein chinesischer Flottenverband, der einen Transport mit Verstärkungen und Munition begleitete, unweit der Jalu-Mündung, bei der Insel Heian, von den Japanern angegriffen. Die besten Kräfte der chinesischen Kriegsmarine, 2 Panzerschiffe, 10 ungepanzerte Kreuzer und 2 Torpedoboote mit einer Gesamttonnage von 35 000 t stießen auf eine japanische Flotte von 12 Schiffen mit einem Gesamtschiffsraum von 40 000 t Wasserverdrängung. Die Chinesen schienen gegenüber den Japanern durch ihre beiden Panzerschiffe im Vorteil; die Japaner glichen diesen jedoch durch die neuere und einheitlichere Ausrüstung ihrer Flotte, insbesondere mit Schnellfeuergeschützen, mehr als aus. In dieser Schlacht, die infolge Munitionsmangels auf beiden Seiten abgebrochen werden mußte, wurden vier chinesische Schiffe versenkt. Die japanische Flotte hatte keine Schiffsverluste, obwohl einige Einheiten stark beschädigt worden waren. Die Reste der chinesischen Flotte suchten im Hafen von Port Arthur Zuflucht. Die Nachricht von der Niederlage bei Pjöngjang und von der Schlacht an der Jalu-Mündung wirkte auf den sorglosen und dünkelhaften Mandschu-Hof, der soeben Vorbereitungen zur Feier des sechzigjährigen Geburtstages der Kaiserin Tsu Hsi traf, wie ein Donnerschlag; für das in großem Ausmaß geplante Fest waren 10 Millionen Tael bereitgestellt worden. 7
Es sei angemerkt, daß nach längeren Streitigkeiten über den Schadenersatz an England infolge des hinterlistigen Überfalls der Japaner auf das englische Transportschiff der Schaden von — China ersetzt wurde.
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I n ihrer Verwirrung suchten die regierenden Kreise vergebens nach den Schuldigen an der Niederlage. Kapitän Fang, der am Jalu tapfer gekämpft hatte, wurde geköpft. Li Hung-tschang, der den Krieg zu vermeiden gesucht hatte, weil ihm. die mangelhafte Vorbereitung Chinas f ü r eine kriegerische Auseinandersetzung bekannt war, wurde seiner hohen W ü r d e n und Auszeichnungen entkleidet. Es war sehr wohl bekannt, daß seine direkte Schuld nicht gering war, da er die Mittel, die f ü r die Rüstung Chinas bewilligt wurden, systematisch unterschlagen hatte. Dennoch konnte die Mandschu-Dynastie die Dienste eines so erfahrenen Politikers und Diplomaten auf die D a u e r nicht entbehren. I m Oktober 1894 wurde der bei Hofe in Ungnade gefallene, hochbetagte Prinz K u n g in seine Rechte wiedereingesetzt; m a n wollte jetzt dessen langjährige Verbindungen mit europäischen Diplomaten ausnutzen. Die Rückkehr Kungs festigte die Stellung Li Hung-tschangs, der f ü r einen sofortigen Friedensschluß eintrat, und zwar auf der Grundlage der Anerkennung der Unabhängigkeit Koreas, die durch die Mächte garantiert werden sollte und der Z a h l u n g einer Kontribution an Japan. Li Hung-tschang erkannte, daß der Verlust der chinesischen Souveränität über Korea unvermeidlich war und hoffte, durch schnelles Entgegenkommen der Errichtung einer japanischen Herrschaft in Korea zuvorzukommen. Unterdessen hatten die raschen Erfolge Japans i m Krieg gegen China die tiefe Krise des feudalen China und der Mandschu-Dynastie aufgedeckt. F ü r die liberalen Nationalisten, die sich u m Kang Ju-wei zusammengeschlossen hatten, war dies ein erneuter Beweis f ü r die Notwendigkeit dringender Reformen von oben. I n seinen „Memoiren eines Revolutionärs" bemerkte Sun Jat-sen, daß nach dem Siege Japans „die Monarchie den Reiz ihrer Macht eingebüßt habe, da der Verfall und die Morschheit der Mandschu-Dynastie sich allen Chinesen offenbart hätten". Japans Erfolge beschworen die Gefahr eines Zerfalls Chinas und die Perspektive eines neuen Volksaufstandes herauf. Von den Staaten, die dem Fernen Osten ein besonderes Interesse entgegenbrachten, war es f ü r zwei, nämlich f ü r England und das zaristische Rußland, gleichermaßen wichtig, die MandschuDynastie zu erhalten. W e n n England einerseits bereits damals auf Japan als potentielles Werkzeug i m Kampf gegen Rußland zählen konnte, so fürchteten die englischen Imperialisten andererseits, daß der Japanisch-Chinesische Krieg im Falle einer längeren Ausdehnung Rußlands Positionen im Fernen Osten stärken könne. Daraus erklärte sich die Aktivität der englischen Diplomatie bei der Vorbereitung einer gemeinsamen Demarche der Mächte auf der Grundlage der Konzessionen, die China bereits im Oktober 1894 zugunsten Japans angeboten hatte. F ü r Rußland, dessen Interessen in der Manschurei durch den Bau der Transsibirischen Eisenbahn einen neuen Sinn erhalten hatten, bedeutete eine Zerstückelung Chinas gleichzeitig das bedrohliche Erscheinen Japans in der unmittelbaren Nähe der russischen Besitzungen. Der Zarismus konnte noch nicht darauf zählen, im Falle einer Aufteilung Chinas die Mandschurei f ü r Rußland zu sichern; die Möglichkeit japanischer territorialer Eroberungen nach einer 63
Niederlage Chinas im Krieg gegen Japan drohte, die Positionen Japans nicht n u r in Korea, sondern auch in der Mandschurei zu verstärken. All dies schien trotz der bestehenden englisch-russischen Gegensätze doch eine vorübergehende Verständigung zwischen den britischen Imperialisten und der zaristischen Regier u n g in den Fragen des Fernen Ostens zu ermöglichen. I n der englischen Presse wurden die Verständigungsmöglichkeiten mit der zaristischen Regierung weitgehend erörtert. Die liberale „Daily News" veröffentlichte den Entwurf einer friedlichen Abgrenzung der englischen und russischen Interessen nicht n u r im Fernen, sondern auch i m Nahen Osten. Premierminister Rosebery sprach, ohne zu erröten, von den „herzlichen Beziehungen Englands zu Rußland und den freundschaftlichen zu Frankreich." 8 Die Möglichkeit eines gemeinsam abgestimmten Vorgehens Englands und Rußlands bei der Vorbereitung einer Kollektivdemarche entsprach nicht den W ü n schen und Zielen der anderen interessierten Länder, insonderheit Deutschlands. F ü r Deutschland bedeutete die E r h a l t u n g des russisch-englischen Antagonismus vor allem die Grundbedingung f ü r die Stärkung seiner eigenen Position in Europa und f ü r ein erfolgreiches Vordringen im Nahen Osten. E i n gemeinsames Auftreten der Mächte im Zusammenhang mit dem Japanisch-Chinesischen Krieg konnte f ü r Deutschland, im Gegensatz zu England und Rußland, n u r dann von Interesse sein, wenn es territoriale Erwerbungen in China in Aussicht stellte. 9 So hielt zum Beispiel Wilhelm I I . den Vorabend des Japanisch-Chinesischen Krieges und die Bitte Chinas u m Vermittlung der Mächte f ü r den günstigsten Augenblick, u m von Taiwan (Formosa) als „deutschem Anteil" Besitz zu ergreifen. Wilhelm I I . äußerte zum Fernostproblem mit offenem Zynismus: „Wir müssen uns aber sehr teuer machen." 1 0 Li Hung-tschangs Bemühungen u m das Zustandekommen einer gemeinsamen Demarche der interessierten Mächte fanden auch in den USA, die während des gesamten Krieges Japan unterstützten, keine Gegenliebe. Gerade zu jener Zeit wurden Verhandlungen über den Abschluß eines neuen japanisch-amerikanischen Vertrages geführt, der dann auch am 22. November 1894 unterzeichnet wurde. Somit war Li Hung-tschangs erster Versuch, durch Vermittlung der Mächte einen schnellen Frieden herbeizuführen, gescheitert. Unterdessen überquerten die am Jalu zusammengezogenen Streitkräfte der Japaner am 25. Oktober den F l u ß , während die nach der Schlacht an der Jalumündung erzielte Seeherrschaft ihnen am gleichen T a g die Ausschiffung einer Landungsarmee nordöstlich von Port A r t h u r gestattete. Die japanischen Einheiten, die in die Mandschurei über den Jalu eindrangen, teilten sich bald in zwei Gruppen. Sie besetzten nacheinander die Städte der 8
Rede auf dem Bankett des Lord Mayor im Jahre 1894; E. M. Carroll, Germany and the Great Powers 1866—1914, New-York 1938, S. 34. « „G. P.", Bd. 14, Teil 1, S. 8. 10 „G. P.", Bd. 9, S. 257.
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mandschurischen Grenzgebiete. Die ganze Südmandschurei befand sich faktisch in der Gewalt der Japaner. Alle Versuche der Chinesen, die Japaner in den Wintermonaten aus Haitschan und anderen besetzten Stützpunkten hinauszuwerfen, blieben erfolglos. Gleichzeitig erschien die Landimgsarmee, nachdem sie Talienwan und eine Reihe anderer Punkte besetzt hatte, vor der Festung Port Arthur, die von ausländischen Ingenieuren befestigt worden war und als „uneinnehmbar" galt. Die besten, ausgebildeten Teile der Garnison waren jedoch an die mandschurische Front geschickt und durch junge Rekruten ersetzt worden. Ein nicht geringer Teil des von Europäern f ü r die Festung gelieferten Kriegsmaterials erwies sich als unbrauchbar. Die Festungsgeschütze lagen ungenutzt umher und waren nicht in Stellung gebracht. In den Reihen der Heeresleitung gab es nicht wenige Verräter. Die Festung und der außerordentlich günstig gelegene Kriegshafen wurden von den Japanern am 21. November 1894 genommen. Die hierbei erbeuteten Waffen und Ausrüstungsgegenstände wurden auf 60 Millionen Jen geschätzt. Bei der Eroberung von Port Arthur beging die japanische Soldateska ungeheuerliche Grausamkeiten und ermordete in Gefangenschaft geratene Chinesen. Japans Sieg war bereits vor dem Fall von Port Arthur offensichtlich. Einige Tage zuvor hatte die japanische Regierung über den amerikanischen Gesandten in Peking erklären lassen, daß sie bereit sei, sich mit dem Friedensangebot Chinas „bekannt zu machen". Zu den Verhandlungen wurden 27 chinesische Vertreter entsandt; ihre Vollmachten wurden jedoch von den Japanern als unzureichend erklärt, und Prinz Kung verfügte ihre Zurückberufung aus Kobe. Ebenso erfolglos erwies sich die Entsendung von zwei chinesischen Würdenträgern, die auf eine gewisse Erfahrung in der diplomatischen Tätigkeit in Europa und Amerika zurückblicken konnten, und die mit Vollmachten zur „Klärung der Friedensbedingungen" ausgerüstet waren. Japan bemühte sich einerseits ganz bewußt, seinen Triumph und die Demütigung Chinas auf die anschaulichste Weise zu demonstrieren; andererseits versuchte es, den Beginn der Verhandlungen zu verzögern, um weitere chinesische Gebiete besetzen zu können. Während über die Vollmachten der chinesischen Vertreter beraten wurde, dauerte der Krieg an. Der Hafen von Weihaiwei, in dem sich die Reste der chinesischen Flotte verborgen hielten, wurde zu Beginn des Jahres 1895 mühelos besetzt. Die chinesische Garnison verließ Weihaiwei, wobei es ihr nicht einmal gelang, die Festungsgeschütze unbrauchbar zu machen. Nur die Umsicht des Admirals Ting, der seine Seeleute entsandt hatte, um die Geschütze zu vernageln, verhütete, daß die Japaner diese Geschütze gegen die in der Bucht eingeschlossene chinesische Flotte benutzten. Die chinesischen Schiffe versuchten zu kämpfen, doch waren die Kräfte zu ungleich. Als die Lage vollständig hoffnungslos geworden war, sah sich Admiral Ting gezwungen, trotz der Tapferkeit und Hartnäckigkeit seiner Mannschaft zu kapitulieren. Der Admiral beging Selbstmord, da er genau 65
wußte, welches Schicksal ihm bevorstand. Die völlig verwirrte MandschuDynastie rechnete ohne Gnade mit allen erfolglosen Generalen und Würdenträgern ab; auf diese wälzte sie die Verantwortung für eine Niederlage ab, an der das gesamte wirtschaftliche, staatliche und politische System des feudalen China Schuld trug. Die Friedensverhandlungen und der Vertrag von Shimonoseki Anfang März 1895, nach der Besetzung von Liaujang, Niutschuang und anderen wichtigen Orten trennte nur noch ein schmaler Streifen zwischen Gebirgskette und Meer die japanischen Streitkräfte in der Mandschurei vom Territorium der Provinz Tschili, in der Peking lag. Der Weg nach der Hauptstadt Chinas war offen. Ein längeres Zögern war nicht möglich. Der Hof bereitete die Flucht aus Peking vor und stellte eilig eine prunkvolle Gesandtschaft mit Li Hung-tschang an der Spitze zusammen. Am 19. März traf Li Hungtschang mit einem zahlreichen Gefolge, das aus 135 Sekretären und Bediensteten bestand, in Begleitung des amerikanischen „Beraters" J. Foster in Shimonoseki ein. Noch vor der Abreise der Gesandtschaft war geklärt worden, ob deren weitgehende Vollmachten für Japan annehmbar sein würden; so konnte die japanische Regierung nicht zu formalen Gründen Zuflucht nehmen, um Abgesandte mit einem so hohen Würdenträger wie Li Hung-tschang an der Spitze zu disqualifizieren. Japan schien jedoch der Zeitpunkt zur Einstellung der Kriegshandlungen noch nicht günstig, da es sein Eroberungsprogramm noch nicht zu Ende geführt hatte. Die japanischen Vertreter, Ministerpräsident Ito Hirobumi und Außenminister Mutsu Munemitsu, stellten deshalb bereits auf der ersten Sitzung dermaßen unannehmbare und für China erniedrigende Waffenstillstandsbedingungen, 11 daß Li Hung-tschang gezwungen war, sie abzulehnen. Japan benutzte diese Verzögerung, um noch einige Punkte auf dem Festland, sowie die Pescadores-Inseln und die Zugänge nach Taiwan zu besetzen. Unter den herrschenden Klassen Japans zeichneten sich bereits damals zwei Richtungen in der Außenpolitik ab, die beide auf eine verstärkte Expansion Japans hinausliefen. Die Entstehung der Idee von der Hegemonie Japans in Ostasien, die Entstehung der Doktrin „Asien den Asiaten", läßt sich bereits auf jene Periode zurückführen. Die japanischen Expansionisten tarnten mit dieser „Doktrin" ihr Bestreben, sämtliche „nichtasiatischen" Konkurrenten Japans, d. h. die europäischen Kolonialmächte und die USA aus Ostasien zu verdrängen, um deren Platz einzunehmen und sich selbst den asiatischen Völkern auf den Nacken zu setzen. Im Zuge dieser Eroberungspolitik sollte das schwache China zum ersten Objekt der japanischen Expansion werden. Die Anhänger einer Politik entschlossener 11
W . S. Mannot, Memoirs of the viceroy Li Hung-Chang, London 1913, S. 110—III.
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wußte, welches Schicksal ihm bevorstand. Die völlig verwirrte MandschuDynastie rechnete ohne Gnade mit allen erfolglosen Generalen und Würdenträgern ab; auf diese wälzte sie die Verantwortung für eine Niederlage ab, an der das gesamte wirtschaftliche, staatliche und politische System des feudalen China Schuld trug. Die Friedensverhandlungen und der Vertrag von Shimonoseki Anfang März 1895, nach der Besetzung von Liaujang, Niutschuang und anderen wichtigen Orten trennte nur noch ein schmaler Streifen zwischen Gebirgskette und Meer die japanischen Streitkräfte in der Mandschurei vom Territorium der Provinz Tschili, in der Peking lag. Der Weg nach der Hauptstadt Chinas war offen. Ein längeres Zögern war nicht möglich. Der Hof bereitete die Flucht aus Peking vor und stellte eilig eine prunkvolle Gesandtschaft mit Li Hung-tschang an der Spitze zusammen. Am 19. März traf Li Hungtschang mit einem zahlreichen Gefolge, das aus 135 Sekretären und Bediensteten bestand, in Begleitung des amerikanischen „Beraters" J. Foster in Shimonoseki ein. Noch vor der Abreise der Gesandtschaft war geklärt worden, ob deren weitgehende Vollmachten für Japan annehmbar sein würden; so konnte die japanische Regierung nicht zu formalen Gründen Zuflucht nehmen, um Abgesandte mit einem so hohen Würdenträger wie Li Hung-tschang an der Spitze zu disqualifizieren. Japan schien jedoch der Zeitpunkt zur Einstellung der Kriegshandlungen noch nicht günstig, da es sein Eroberungsprogramm noch nicht zu Ende geführt hatte. Die japanischen Vertreter, Ministerpräsident Ito Hirobumi und Außenminister Mutsu Munemitsu, stellten deshalb bereits auf der ersten Sitzung dermaßen unannehmbare und für China erniedrigende Waffenstillstandsbedingungen, 11 daß Li Hung-tschang gezwungen war, sie abzulehnen. Japan benutzte diese Verzögerung, um noch einige Punkte auf dem Festland, sowie die Pescadores-Inseln und die Zugänge nach Taiwan zu besetzen. Unter den herrschenden Klassen Japans zeichneten sich bereits damals zwei Richtungen in der Außenpolitik ab, die beide auf eine verstärkte Expansion Japans hinausliefen. Die Entstehung der Idee von der Hegemonie Japans in Ostasien, die Entstehung der Doktrin „Asien den Asiaten", läßt sich bereits auf jene Periode zurückführen. Die japanischen Expansionisten tarnten mit dieser „Doktrin" ihr Bestreben, sämtliche „nichtasiatischen" Konkurrenten Japans, d. h. die europäischen Kolonialmächte und die USA aus Ostasien zu verdrängen, um deren Platz einzunehmen und sich selbst den asiatischen Völkern auf den Nacken zu setzen. Im Zuge dieser Eroberungspolitik sollte das schwache China zum ersten Objekt der japanischen Expansion werden. Die Anhänger einer Politik entschlossener 11
W . S. Mannot, Memoirs of the viceroy Li Hung-Chang, London 1913, S. 110—III.
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militärischen Eroberungen waren bemüht, die Niederlage Chinas im Krieg 1894—1895 weitmöglichst auszunutzen. Sie forderten die Annexion ausgedehnter Territorien, wodurch die Mandschurei und Korea in Abhängigkeit von Japan gebracht werden sollten; sie forderten Privilegien in Innerchina, die Gleichberechtigung mit allen europäischen Großmächten und eine gewaltige Kontribution. Die Anhänger dieser aggressiven Politik — japanische Militärkreise mit Yamagata an der Spitze — forderten die Fortsetzung der Kriegshandlungen gegen China. Wie wir bereits hervorhoben, waren unannehmbare Waffenstillstandsbedingungen eines der Mittel, um während der Verhandlungen die Eroberungen fortzusetzen. Die „gemäßigteren" Vertreter der herrschenden Klassen Japans hielten es für unmöglich, Eroberungspläne in so großem Ausmaß sofort verwirklichen zu können. Insbesondere war es die japanische Diplomatie, die einsah, daß die japanische militärische Expansion unvermeidlich auf den unüberwindlichen Widerstand einer Reihe anderer Mächte stoßen würde. Außerdem war die finanzielle und wirtschaftliche Lage Japans sehr angespannt. Am 24. März wurde auf Li Hung-tschang bei seiner Rückkehr von einer Verhandlung mit den japanischen Vertretern durch Anhänger der japanischen reaktionär-monarchistischen Organisation „Schwarzer Drachen" ein Attentat verübt. Das Attentat auf den weit bekannten bevollmächtigten Vertreter Chinas rief im Ausland einen für Japan sehr ungünstigen Eindruck hervor. Ungeachtet seiner Verwundung setzte der chinesische Vertreter die Verhandlungen fort; diese Verhandlungen endeten nach drei Wochen mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrages, der China äußerst harte Bedingungen diktierte. Im Vertrag von Shimonoseki erkannte China die volle Unabhängigkeit Koreas von China an (Artikel 1) und „überließ" Japan Taiwan (Formosa), die Pescadores-Inseln sowie den südlichen Teil der Mandschurei (die Halbinsel Liautung) mit den anliegenden Inseln (Artikel 2). Die Kontribution wurde auf die gewaltige Summe von 200 Millionen Tael festgesetzt, die in acht Raten gezahlt werden sollten. Die ersten zwei Zahlungen sollten 6 und 12 Monate nach Austausch der Ratifizierungsurkunden erfolgen (Artikel 4). Als Sicherheit für die Zahlung der Kontribution und der Zinsen dienten die Zolleinnahmen (Artikel 8). Keine geringere Bedeutung als die ungeheure Kontribution und die territorialen Erwerbungen hatte für Japan der Artikel, der ihm die gleichen Rechte und Privilegien einräumte, die die europäischen Mächte und die USA in China genossen (Artikel 6). Diese Gleichstellung Japans mit den europäischen Mächten war mit der Gewährung der Vorrechte des Meistbegünstigungssystems verknüpft. Dadurch, daß China eine Reihe neuer Häfen in verschiedenen Provinzen öffnen und die freie Schiffahrt auf dem Oberlauf des Jangtse gestatten mußte, wurde es gegenüber dem aggressiven ausländischen Kapital noch verwundbarer. Die an japanische Staatsangehörige erteilte Genehmigung, beliebige Industrieunternehmen in allen offenen Städten und Häfen zu gründen und die dafür notwendigen Industrieausrüstungen einzuführen, erwies sich als ein weiterer Schritt 67
zur Versklavung Chinas. Dieser Artikel des japanisch-chinesischen Vertrages öffnete auf der Grundlage des Prinzips der Meistbegünstigung allen Mächten neue Wege, in China einzudringen. Er entsprach den neuen Formen der kolonialen Ausbeutung rückständiger Länder -— Formen, die für die Epoche des Imperialismus in der Folgezeit charakteristisch werden sollten — und erleichterte die weitere Unterwerfung Chinas unter das ausländische Kapitell. Als Garantie für die Erfüllung sämtlicher Artikel des Vertrages besetzte Japan zeitweilig Weihaiwei. Die europäischen Mächte verfolgten die Verhandlungen in Shimonoseki sehr aufmerksam, während die USA inoffiziell durch den „Konsulenten" Foster vertreten waren. Die Mächte verhielten sich zu den Zugeständnissen Chinas durchaus nicht einheitlich. Die weitere „Erschließung" Chinas und das Recht, in China Industrieunternehmungen zu gründen, waren im wesentlichen sowohl für die europäischen Mächte^ als auch für die USA vorteilhaft. Das amerikanische und englische Kapital hoffte, die entstandene Lage zu einem erfolgreichen Vordringen in Korea ausnutzen zu können. Die regierenden Kreise Englands und der USA werteten die territorialen Erwerbungen Japans als gegen Rußland gerichtet; man sah in ihnen keine Bedrohung der englischen und amerikanischen Interessen. Die USA machten sich den japanischen Markt in wachsendem Ausmaß nutzbar und hofften, mit Hilfe Japans auch in China weiter vordringen zu können. Foster, der an den Verhandlungen in Shimonoseki teilnahm, vertrat den Standpunkt der herrschenden Kreise der USA. Seine „Vermittler"-Rolle lief darauf hinaus, daß er die Verhandlungen benutzte, um den amerikanischen Einfluß in China und in Japan zu festigen. Der japanische Ministerpräsident erklärte öffentlich, die Tätigkeit Fosters habe die volle Billigung der japanschen Delegation gefunden.12 Auch Li Hung-tschang hob hervor, daß Foster sich „in zahlreichen Streitfragen auf den japanischen Standpunkt gestellt habe."13 Die imperialistischen Mächte betrachteten die territorialen Eroberungen Japans als günstigen Anlaß, ihre eigenen Eroberungsabsichten zu realisieren. Zu Beginn des Jahres 1895 verhehlte man im deutschen Außenministerium keineswegs die Hoffnung, daß im Falle weiterer militärischer Mißerfolge Chinas die Mächte „die Gelegenheit benutzen, um, etwa unter der Form einer Entschädigung, einzelne Punkte oder Landstriche des chinesischen Gebiets für sich selbst in Besitz zu nehmen." 14 Im deutschen Marineministerium wurden bereits im voraus die für Deutschland wünschenswerten Punkte bestimmt: Marineminister Hollmann nannte Tschouschan im Norden, den Hafen Amoy mit der Insel Kulangsu im Süden, die Kiautschou-Bucht, die Mirs-Bai und die Pescadores-Inseln. Von der Annexion Liautungs durch Japan wurde von allen Großmächten Rußland am meisten betroffen. Diese Besitzergreifung schuf nicht nur eine für Japan 12
J. Foster, Diplomatie memoirs, Bd. 4, S. 11, 105. I i Hung Chang, Memoirs of the viceroy Li Hung Chang, London 1913, S. 109—110. " „G. P.", Bd. 14, Teil 1, S. 6.
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außerordentlich günstige Situation zur Unterwerfung der Mandschurei, auf dieauch zahlreiche aggressive Vertreter des zaristischen Rußlands Absichten hegten; sie bedrohte auch die Zukunft der Transsibirischen Eisenbahn und des russischen Fernen Ostens. Aus diesem Anlaß wurde im Jahre 1895 die Erörterung des Fernostproblems zum Gegenstand einer „Sonderberatung" unter dem Vorsitz des Außenministers Lobanow-Rostowski und unter Reteiligung des Marineministers Tschichatschew, des Kriegsministers Wannowski und des Finanzministers Witte. Letzterer beharrte besonders energisch auf dem Standpunkt, daß es notwendig sei, Japan den Zugang zur Mandschurei zu verwehren; er empfahl, danach zu handeln und äußerstenfalls auch vor einer Kriegserklärung nicht zurückzuschrecken. „Es ist f ü r uns vorteilhafter", — sagte Witte — „sich jetzt zu einem Krieg zu entschließen, denn in Zukunft würde Rußland sonst bedeutend größere Opfer bringen müssen" 15 . Rußland, Frankreich und Deutschland „empfahlen" Japan, auf Annexionen in der Mandschurei zu verzichten. Obgleich Frankreich an einer Aktivierung der Politik des Zarismus im Fernen Osten nicht interessiert war, konnte es sich bei der Demarche nicht ausschließen, wenn es nicht einer russisch-deutschen Annäherung in die Hand spielen wollte. Die aktive Rolle Deutschlands bei der an Japan gerichteten „freundschaftlichen Empfehlung", es solle auf die Annexion Liautungs verzichten, erklärte sich aus dem Bestreben der deutschen Imperialisten, die Gelegenheit nicht zu versäumen, um bei der Plünderung des geschwächten Chinas ihren Anteil an sich zu reißen und sich hierbei der Unterstützung der Zarenregierung zu versichern. Gleichzeitig wünschten die deutschen Imperialisten jedoch keineswegs eineStärkung Rußlands. Deshalb wurden in Deutschland selbst Einwendungen gegen die Teilnahme an der Demarche laut. Die Presse der Opposition, von der katholischen Zeitung „Germania" bis zu den liberalen Blättern „Vossische Zeitung" und „Frankfurter Zeitung", trat gegen eine aktive Einmischung auf. Diese Zeitungen betonten geradezu, daß nicht Rußland, sondern Japan der f ü r Deutschland wünschenswerte Partner im Fernen Osten sei. Die Mehrzahl der oppositionellen Zeitungen, unter ihnen die als Organ Bismarcks geltenden „Hamburger Nachrichten", forderten die strenge Neutralität Deutschlands, um die Beziehungen zu Japan nicht zu verschlechtern. Die gemeinsame „Empfehlung" der drei Mächte Rußland, Frankreich und Deutschland wurde Japan am 23. April 1895 übermittelt, kurz vor dem Austausch der Ratifizierungsurkunden zum Vertrag von Shimonoseki. Der „freundschaftliche Rat" wurde durch eine entschlossene Maßnahme bekräftigt — durch die demonstrative Entsendung von Kriegsschiffen an die japanische Küste. Japan konnte das Risiko eines Krieges um so weniger eingehen, als es auf eine reale militärische Unterstützung weder seitens Englands noch seitens der USA rechnen konnte. Es mußte nachgeben. Das Pekinger Abkommen vom 8. November 1895 15
B. A. PoMaTOB, OiepKH j^HnjiOMara*iecKOÖ HCTopnn pyccKO-anoHCKoä
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Seite 52—33.
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legte den Verzicht Japans auf Liautung, der durch eine zusätzliche Kontribution von 30 Millionen Tael kompensiert wurde, fest. Das aggressive Japan begann jedoch unverzüglich, sich auf einen neuen Krieg vorzubereiten. Bereits gegen Ende des Jahres 1895 wurde in Japan auf der Grundlage der von China erhaltenen Kontribution ein gewaltiges Rüstungsprogramm angenommen. Es war darauf berechnet, „auf einen Überfall auf R u ß land vorbereitet zu sein, ehe dieses seinen kolossalen Eisenbahnbau zu Ende geführt h a t . . ." 1 6 Die Ausgaben f ü r Heer und Flotte betrugen im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt f ü r die Zeit von 1896 bis 1905 über 773 Millionen Jen; sie hatten zum Ziel, „die Landstreitkräfte zu verdreifachen . . . und die Tonnage der Kriegsflotte zu vervierfachen (von 60 000 t Wasserverdrängung im Jahre 1895 auf 278 900 im Jahre 1903) . . ," 1 7 Zu einem zeitweisen Verzicht auf seine Eroberungen in der Mandschurei gezwungen, begann Japan sich fieberhaft auf einen weit ernsthafteren Zusammenstoß u m die Vorherrschaft in Fernost vorzubereiten — nämlich auf den Kampf mit R u ß l a n d ; gleichzeitig beeilte es sich, in Korea wieder Einfluß zu gewinnen. Das als „unabhängig" anerkannte Korea stand praktisch unter der Gewalt der japanischen Okkupanten. Indem sie sich auf ihre Kriegsmacht stützten und ihre Kreaturen ausnutzten, versuchten die Japaner vor allen Dingen, mit den Anhängern der prochinesischen Richtung, die sich um die Königin M i n gruppierten, abzurechnen. Sie scheuten selbst vor der bestialischen Ermordung der Königin, die in den Augen der koreanischen Patrioten als Symbol des Widerstandes gegen die japanischen Eroberer galt, nicht zurück. In der Nacht zum 8. Oktober 1895 drangen japanische Soldaten in den Palast ein und rechneten mit der Königin und ihren Anhängern auf blutige Weise ab. D e r eingeschüchterte König Li H u i wurde zu einer rechtlosen Marionette. Japan unternahm eiligst Schritte, um Korea endgültig zu unterwerfen. Das rücksichtslose Vorgehen der Japaner ließ jedoch die antijapanischen Stimmungen anwachsen. Zahlreichen koreanischen Staatsmännern schien R u ß land der natürliche Beschützer vor der japanischen Übermacht zu sein. Dieser U m stand wurde von der russischen Diplomatie ausgenutzt. I m Februar 1896 gelang es dem König, der japanischen Aufsicht zu entweichen. E r verbarg sich in der russischen Gesandtschaft, beeilte sich, die von den japanischen Kreaturen in seinem Namen durchgeführten M a ß n a h m e n zu widerrufen und löste das pro japanische Kabinett auf. Die neue koreanische Regierung „war bereit, die militärische und finanzielle Verwaltung des Landes den Russen zu übertragen und als Gegengewicht zu den japanischen Banken die Gründung einer russischen Bank zu gewähren . . ," 1 8 16 17
B. A. POMAHOB, Oiepra Ebenda, S. 39. Ebenda, S. 59.
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S. 36.
Gemäß dem Abkommen vom 14. ]\Iai 1896 (Weber — Komura) war Japan gezwungen, die durchgeführte Kabinettsumbildung faktisch anzuerkennen, und mußte sich einverstanden erklären, den koreanischen König gemeinsam mit Rußland zu „beraten". Das Abkommen wurde durch das im Juni 1896 in Moskau unterzeichnete Protokoll zwischen Lobanow-Rostowski und Yamagata ergänzt; dieses Protokoll sah insbesondere vor, daß Korea bei der Aufnahme ausländischer Anleihen von Rußland und Japan „gemeinsam" unterstützt werden sollte; es liquidierte auch die ausschließlichen „Rechte" der Japaner. Die auf Ersuchen des koreanischen Königs entsandten russischen Militär- und B'inanzberater erlangten in Korea immer größeren Einfluß. Am 26. Oktober 1897 wurde K. A. Alexejew vom König zum Hauptberater des Finanzministeriums und Hauptverwalter des Zollamts ernannt; gleichzeitig wurde der Engländer Brown dieses Postens enthoben. Damit eröffneten sich große Möglichkeiten, den russischen Einfluß zu befestigen, insbesondere im Zusammenhang mit der Gründung der Russisch-Koreanischen Bank. Japan, England und die USA versuchten, jeder auf seine Weise, den Einfluß Rußlands zu liquidieren. Der Engländer Brown lehnte es kurzerhand ab, der Anordnung der koreanischen Regierung nachzukommen und den Posten des Zollamtsleiters zur Verfügung zu stellen. Dieses skrupellose und unverschämte Verhalten bewies, daß man die Souveränität Koreas völlig ignorierte. Die amerikanischen Expansionisten gingen geschickter vor und verhüllten ihre Eroberungspläne in Korea sowie die Unterstützung der japanischen Imperialisten, indem sie heuchlerisch mit einem Teil der koreanischen Intellektuellen liebäugelten. Bereits während dieses frühen Stadiums des imperialistischen Vordringens der USA zeigte sich deren Bestreben, ihre aggressiven Ziele mit demagogischen Phrasen von einer „Unterstützung" der Befreiungsbewegung der Kolonialvölker zu tarnen. Diese heuchlerische und hinterlistige Taktik hat den amerikanischen Annexionisten während des zeitlich ersten imperialistischen Krieges um die Neuaufteilung der Kolonien, der im Jahre 1898 von den amerikanischen Expansionisten gegen Spanien angezettelt worden war, gute Dienste geleistet; damals gelang es den amerikanischen Eroberern, das philippinische Volk zu betrügen und den antispanischen Kampf der Filipinos für ihre eigenen kolonialen Zwecke auszunutzen. Um ihre Pläne in Korea durchzusetzen, waren die USA bestrebt, den im Jahre 1896 gegründeten „Klub der Unabhängigkeit" und dessen koreanischen Vorsitzenden auszunutzen. Dieser Koreaner hatte über zehn Jahre in den USA gelebt; er hatte dort, seine Erziehung genossen, die amerikanische Staatsangehörigkeit erworben und seinen Namen amerikanisiert. Nicht ohne unmittelbare Beteiligung der amerikanischen und englischen Vertreter wurden „Petitionen" des Klubs verfaßt, die sich gegen die russische „Vorherrschaft" richteten. Die amerikanische Taktik in Korea vertrug sich ausgezeichnet mit der zügellosen Rassenhetze und imperialistischen Propaganda, die damals in den USA von den „gelehrten" Anhängern der expansionistischen Kolonialpolitik durchgeführt wurde. 71
Obwohl für Rußland die Festigung seines Einflusses in Korea von großem Interesse sein konnte, besonders im Hinblick darauf, hier einen eisfreien Hafen zu erhalten, verstand es die Zarenregierung nicht, den Intrigen Japans, das in Korea von England und den USA unterstützt wurde, Widerstand zu leisten. Zudem rückte der Kampf um den Einfluß in Korea — im Vergleich zu den sich stetig zuspitzenden Gegensätzen in China und insbesondere in der an Rußland grenzenden Mandschurei — in den Hintergrund. Die Aufteilung Chinas in „Einflußsphären" durch die imperialistischen Mächte Der Krieg 1894—1895 und der Friede von Shimonoseki hatten die ganze Schwäche des feudalen China aufgedeckt. Wenngleich der Versuch Japans, auf dem Festland Besitzungen zu erwerben, erfolglos geblieben war, so zeigte er doch die wachsende Gefahr einer Zerstückelung des chinesischen Territoriums. Die Besitzergreifung Taiwans und der Pescadores-Inseln durch Japan bedeutete ihrem Wesen nach den Beginn der Aufteilung Chinas. Andererseits zeigte der Rückzug Japans vor der „freundschaftlichen" Demarche Rußlands, Erankreichs und Deutschlands auch, daß die Kraft Japans im Vergleich zu den europäischen Mächten begrenzt war. Das von der japanischen Regierung begonnene Wettrüsten fand die Anerkennung und Unterstützung Englands und der USA, die an der Stärke Japans als Werkzeug im Kampf gegen den Einfluß Rußlands im Fernen Osten interessiert waren. Wie W. I. Lenin hervorhob, hat England den Krieg Japans gegen Rußland vorbereitet. Nach dem Japanisch-Chinesischen Krieg nahm der Einfluß Rußlands in China zu. Die Beziehungen zwischen Rußland und China wurden nach der Einschaltung Rußlands, der China die Erhaltung Liautungs verdankte, merklich besser. Die russische Regierung übernahm die Garantie für die große russisch-französische Anleihe von 400 Millionen Franken, die China auf Grund des Abkommens zwischen dem russischen Finanzministerium und französischen sowie russischen Banken vom 6. Juli 1895 gewährt worden war. Nach der Gewährung dieser Anleihe wurde auch die Russisch-Chinesische Bank gegründet, deren Statut ein weites Betätigungsfeld vorsah. Die sogenannten Großmächte, die teils unter der Maske von „Verteidigern" der chinesischen Interessen, teils in der Rolle „neutraler" Beobachter auftraten, waren bestrebt, die Lage, wie sie sich im Ergebnis des Krieges 1894—1895 herausgebildet hatte, zu ihren Gunsten zu nutzen. Der Japanisch-Chinesische Krieg hatte gezeigt, wie stark sich in China die Gegensätze der konkurrierenden Mächte zugespitzt hatten. Diese Mächte nutzten die schwierige Lage Chinas aus, um eine Reihe von Verträgen und Abkommen zu schließen, die ihre Positionen auf den Zugangswegen nach China festigten. Die kolonialen Eroberungen Frankreichs und Englands in den an China grenzenden Ländern, die noch vor kurzem chinesische 72
Obwohl für Rußland die Festigung seines Einflusses in Korea von großem Interesse sein konnte, besonders im Hinblick darauf, hier einen eisfreien Hafen zu erhalten, verstand es die Zarenregierung nicht, den Intrigen Japans, das in Korea von England und den USA unterstützt wurde, Widerstand zu leisten. Zudem rückte der Kampf um den Einfluß in Korea — im Vergleich zu den sich stetig zuspitzenden Gegensätzen in China und insbesondere in der an Rußland grenzenden Mandschurei — in den Hintergrund. Die Aufteilung Chinas in „Einflußsphären" durch die imperialistischen Mächte Der Krieg 1894—1895 und der Friede von Shimonoseki hatten die ganze Schwäche des feudalen China aufgedeckt. Wenngleich der Versuch Japans, auf dem Festland Besitzungen zu erwerben, erfolglos geblieben war, so zeigte er doch die wachsende Gefahr einer Zerstückelung des chinesischen Territoriums. Die Besitzergreifung Taiwans und der Pescadores-Inseln durch Japan bedeutete ihrem Wesen nach den Beginn der Aufteilung Chinas. Andererseits zeigte der Rückzug Japans vor der „freundschaftlichen" Demarche Rußlands, Erankreichs und Deutschlands auch, daß die Kraft Japans im Vergleich zu den europäischen Mächten begrenzt war. Das von der japanischen Regierung begonnene Wettrüsten fand die Anerkennung und Unterstützung Englands und der USA, die an der Stärke Japans als Werkzeug im Kampf gegen den Einfluß Rußlands im Fernen Osten interessiert waren. Wie W. I. Lenin hervorhob, hat England den Krieg Japans gegen Rußland vorbereitet. Nach dem Japanisch-Chinesischen Krieg nahm der Einfluß Rußlands in China zu. Die Beziehungen zwischen Rußland und China wurden nach der Einschaltung Rußlands, der China die Erhaltung Liautungs verdankte, merklich besser. Die russische Regierung übernahm die Garantie für die große russisch-französische Anleihe von 400 Millionen Franken, die China auf Grund des Abkommens zwischen dem russischen Finanzministerium und französischen sowie russischen Banken vom 6. Juli 1895 gewährt worden war. Nach der Gewährung dieser Anleihe wurde auch die Russisch-Chinesische Bank gegründet, deren Statut ein weites Betätigungsfeld vorsah. Die sogenannten Großmächte, die teils unter der Maske von „Verteidigern" der chinesischen Interessen, teils in der Rolle „neutraler" Beobachter auftraten, waren bestrebt, die Lage, wie sie sich im Ergebnis des Krieges 1894—1895 herausgebildet hatte, zu ihren Gunsten zu nutzen. Der Japanisch-Chinesische Krieg hatte gezeigt, wie stark sich in China die Gegensätze der konkurrierenden Mächte zugespitzt hatten. Diese Mächte nutzten die schwierige Lage Chinas aus, um eine Reihe von Verträgen und Abkommen zu schließen, die ihre Positionen auf den Zugangswegen nach China festigten. Die kolonialen Eroberungen Frankreichs und Englands in den an China grenzenden Ländern, die noch vor kurzem chinesische 72
Vasallenstaaten waren, wurden f ü r die Vorbereitung und den Beginn der Aufteilung des eigentlichen chinesischen Gebietes ausgenutzt. Frankreich hatte bereits im Juni 1895 durch zwei besondere Konventionen, die in Peking abgeschlossen worden waren und die Konvention von 1887 erweiterten, eine Reihe vorteilhafter Privilegien in den an Tongking grenzenden Gebieten erworben. 1 ' Damit war ein entscheidender Schritt f ü r das Vordringen Frankreichs in die chinesischen Südprovinzen getan; dies entsprach einem alten Bestreben Frankreichs, das dessen Eroberungspolitik in Tongking in bedeutendem M a ß e bestimmte. Die Grenze zwischen China und Tongking wurde zu Frankreichs Gunsten „berichtigt", und f ü r seinen Handel wurde eine Reihe von Städten in den Grenzprovinzen Chinas geöffnet (Artikel I I und III). Frankreich erhielt Privilegien in der Bergbauindustrie Jünnans, Kuangtungs und Kuangsis sowie das Recht, in Annam vorhandene und geplante Eisenbahnen auf chinesischem Gebiet fortzuführen. I n der Tatsache, daß auch das Recht des Eisenbahnbaues auf chinesischem Territorium erpreßt wurde, ist eine neue, bereits f ü r die Epoche des Imperialismus charakteristische Besonderheit unverkennbar. Lenin schrieb über die Bedeutung des Eisenbahnbaues als Werkzeug der kolonialen Versklavung im Zeitalter des Imperialismus: „Der Bau von Eisenbahnen scheint ein einfaches, natürliches, demokratisches, kulturelles, zivilisatorisches Unternehmen zu sein: . . . I n Wirklichkeit haben die kapitalistischen Fäden, durch die diese Unternehmungen in tausendfältigen Verschlingungen mit dem Privateigentum an den Produktionsmitteln überhaupt verk n ü p f t sind, diesen Bau in ein Werkzeug verwandelt zur Unterdrückung von einer Milliarde Menschen (in den Kolonien und Halbkolonien) . . ,20 " I n den folgenden Jahren wurde der Kampf um die Eisenbahnkonzessionen in China zu einer der bedeutendsten Äußerungen der Gegensätze zwischen den imperialistischen Mächten. Durch die französisch-chinesische Konvention wurde jenes Gebiet des eigentlichen China bestimmt, das die französischen Imperialisten als ihre besondere Interessensphäre betrachteten. I n diesem Abkommen ist bereits der Beginn jenes Systems erkennbar, das den einzelnen imperialistischen Mächten in verschiedenen Gebieten Chinas besondere Rechte und Privilegien sichern sollte; in den folgenden vier Jahren entwickelte sich dieses System deutlich zu einer spezifischen Form der Aufteilung Chinas. Dieses System, das formell von der Anerkennung der Souveränität Chinas in dem vom Vertrage bestimmten Gebiet ausging, sah ausschließliche Rechte auf Konzessionen und Gebietsabtretungen f ü r die jeweils „vertragschließende" imperialistische Macht vor. Seine weitere Entwicklung erreichte dieses System in den nachfolgenden Verträgen Chinas mit den verschiedenen Mächten; gemäß 18 20
Hertslet, China treaties, Bd. 1, S. 321, 325. W. I. Lenin, Ausgew. Werke in 2 Bdn., Bd. 1, Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 770.
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diesen Verträgen verpflichtete sich China, in dem gegebenen Gebiet dritten Mächten weder Konzessionen zu gewähren noch Territorien abzutreten. Der Prozeß der Aufteilung Chinas in „Einflußsphären" vollzog sich auf der Ebene gegenseitiger „Zugeständnisse" der Imperialisten, aber natürlich auf Kosten Chinas. U m in dem scharfen Konkurrenzkampf ihre eigenen Privilegien in den sie jeweils am meisten interessierenden Gebieten Chinas sichern zu können, mußten die einzelnen imperialistischen Mächte die entsprechenden „Rechte" der anderen Raubstaaten in den f ü r sie weniger wichtigen Gebieten anerkennen. So folgte als unmittelbare Reaktion Englands auf die französisch-chinesische Konvention vom Jahre 1895 das englisch-chinesische Abkommen vom 4. Februar 1897, das in Ergänzung des Vertrages vom Jahre 1894 die burmanisch-chinesische Grenze durch Annexion eines Teiles des chinesischen Territoriums von J ü n n a n „berichtigte" und die englischen Rechte in den Grenzgebieten erweiterte. D e r einleitende Artikel der Konvention vom 4. Februar verknüpfte die Erwerbungen Englands direkt mit der Zusage, gegen die chinesischen Zugeständnisse an Frankreich keine Einwände zu erheben. 21 Inzwischen hatte Rußland nach dem Japanisch-Chinesischen Krieg China ein gegen eine mögliche Aggression Japans gerichtetes Bündnis angeboten; dessen Abschluß brachte es mit dem Anliegen in Zusammenhang, einen Teil der Transsibirischen Eisenbahnstrecke durch die Mandschurei zu führen. Diese Verhandlungen waren in Peking vom russischen Gesandten Cassini eingeleitet worden. Die Krönung Nikolaus I I . im Jahre 1896 wurde benutzt, um die Verhandlungen unmittelbar nach Rußland zu verlegen, wohin auf Drängen der Zarenregierung als Vertreter Chinas Li Hung-tschang entsandt wurde. Li Hung-tschang war bestrebt, diese Reise f ü r die A u f n a h m e eines unmittelbaren Kontakts nicht nur mit der russischen Regierung, sondern auch mit anderen europäischen Mächten auszuwerten. Ende April 1896 traf Li Hung-tschang in Petersburg ein, wo fast unverzüglich Verhandlungen mit Witte begannen. Als Anhänger einer „friedlichen Durchdringung" Chinas galt Witte als der dafür geeignetste M a n n im zaristischen Rußland. Die Richtung, die die in Moskau fortgesetzten Verhandlungen annahmen, mußte Li Hung-tschang in seiner Orientierung auf Rußland bestärken. Obwohl der Zarismus auch annexionistische Ziele verfolgte, wurden bei den Verhandlungen grundsätzlich die „Integrität Chinas" und die Notwendigkeit, einen Verteidigungspakt zu schließen, anerkannt. China, dem die Aufteilung seines Territoriums durch die imperialistischen Mächte drohte, setzte auf die Ergebnisse eines solchen Bündnisses mit einer europäischen Großmacht große Hoffnungen. Das verlieh auch den wirtschaftlichen Konzessionen einen besonderen Charakter, die zusammen mit der Genehmigung, 'die Transsibirische Bahn durch die Mandschurei zu führen, erteilt wurden. Die mandschurische Bahn gewann f ü r China Bedeutung als Mittel f ü r wirksame Truppenbewegungen des russischen Heeres im Falle notwendiger gemeinsamer militärischer Aktionen gegen eine japanische Aggression. 21
Hertslet, China treaties, Bd. 1, S. 113.
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A m 3. J u n i 1896 wurde der russisch-chinesische Geheimvertrag unterzeichnet. Seine politische Bedeutung lag in der Schaffung eines Verteidigungspaktes R u ß lands und Chinas gegen einen möglichen Angriff seitens Japans. Die Vertragspartner verpflichteten sich i m Falle eines japanischen Angriffs auf das Territorium Chinas, Koreas oder auf die russischen Besitzungen in Ostasien, einander mit Landund Seestreitkräften zu H i l f e zu eilen (Artikel 1) und nach Beginn der gemeinsamen Aktion keinen Separatfrieden mit Japan zu schließen (Artikel 2). Die russischen Kriegsschiffe erhielten Zutritt zu sämtlichen H ä f e n Chinas, wo ihnen jede erforderliche H i l f e zugesichert wurde. U m eventuelle militärische Operationen zu erleichtern, erhielt Rußland das Recht, die Eisenbahnlinie nach Wladiwostok durch die Mandschurei zu f ü h r e n . Die Konkretisierung derjenigen Bestimmungen des Moskauer Vertrages, die sich auf den Bau der Ostchinesischen Eisenbahn bezogen, war Gegenstand besonderer Verhandlungen, bei denen China durch den Gesandten am Berliner und am Petersburger Hof, Hsiu Tschun-tschen, vertreten war. Der am 8. September 1896 in Berlin unterzeichnete endgültige Vertrag über die Konzession entsprach den Grundforderungen Rußlands: die Spurweite legte man entsprechend der Spur der russischen Bahnen fest, die Zollabgaben f ü r die mit der Ostchinesischen Eisenbahn beförderten Waren wurden u m ein Drittel gesenkt, die chinesische Regier u n g verzichtete auf jegliche Einmischung in die Festlegung der Eisenbahntarife, und die Einnahmen der Bahn wurden f ü r abgabe- und steuerfrei erklärt. Die russisch-chinesische Annäherung erreichte, wenn auch nur kurzfristig, ihren Höhepunkt im Zusammenhang mit dem Uberfall Deutschlands auf die Küste von Schantung. Der Ausschluß der deutschen Finanzkreise von der Anleihe des Jahres 1895 rief in Deutschland Unzufriedenheit hervor und begünstigte in dieser Frage dessen Annäherung an England. Deutschland unterstützte die energischen, wenn auch ergebnislosen Proteste des englischen Gesandten in Peking gegen die russisch-französische Anleihe. Die zweite Anleihe Chinas (1896), die aufgenommen wurde, u m die fällige Rate der an Japan zu zahlenden Kontribution aufzubringen, wurde von englischen und deutschen Banken getätigt; eine solche untergeordnete Rolle befriedigte die deutschen Imperialisten jedoch nicht. Wilhelm I I . suchte bedeutendere Kompensationen f ü r die „Gefälligkeit" Deutschlands zu erreichen. E r drängte zur Besitzergreifung Weihaiweis als des geeignetsten Hafens, ohne dabei zu berücksichtigen, daß sich dort gemäß dem Vertrag von Shimonoseki zur Zeit noch japanische Streitkräfte aufhielten. E r suchte nachzuweisen, daß eine solche Annexion die zweckmäßigste sei, da die Mächte genötigt sein würden, der vollendeten Tatsache in viel größerem M a ß e Rechnung zu tragen, als einem vorhergehenden Ersuchen. Bereits im August 1895 ordnete Wilhelm I I . an, das deutsche Geschwader solle sich bereit halten, u m ,, . . . in der Nähe Weihaiweis bzw. im Golf von Petschili in harmloser Weise zu kreuzen.. ,22 ™ „G. P.", Bd. 14, Teil 1, S. 12. 75
Sofern das immer noch von den Japanern besetzte Gebiet von Weihaiwei als Eroberungsobjekt entfiel, wandte sich das Augenmerk der deutschen Imperialisten auf die Bucht von Kiautschou. Bereits im Juli 1896 wurde das deutsche Kanonenboot „Iltis" in diese Gewässer entsandt, das jedoch unterwegs eine Havarie erlitt. 23 Im-November 1897 wurden in Schantung zwei deutsche Missionare erschlagen und beraubt, was vom Standpunkt der Interessen der deutschen Imperialisten gerade „zur rechten Zeit" kam. „Jetzt oder nie", erklärte Wilhelm II., als die Nachricht von der Ermordung der Missionare Deutschland erreichte. Admirai Diederichs, der sich mit seinem Geschwader im Fernen Osten aufhielt, landete sofort Truppen und besetzte Tsingtau. Deutschland forderte die langfristige Verpachtung der Küste der Bucht von Kiautschou. Die chinesische Regierung, die sorgfältig alle militärischen Komplikationen vermeiden wollte und den „Konflikt" durch eine finanzielle Kompensation f ü r die Ermordung der Missionare beizulegen hoffte, gab den örtlichen Behörden die Anweisung, Deutschland keinen Widerstand zu leisten. Die Besetzung von Kiautschou durch deutsche Landungstruppen kam sowohl für die chinesische Regierung, als auch f ü r die ausländischen Mächte sehr überraschend. Unter Bezugnahme auf den russisch-chinesischen Vertrag beschloß die chinesische Regierung, zu versuchen, sich der Unterstützung Rußlands zu vergewissern; sie bat den russischen Bevollmächtigten in Peking, Pawlow, die Entsendung russischer Schiffe zur Beobachtung der deutschen Aktionen zu veranlassen. Pawlow gab die entsprechenden Zusagen. Gleichzeitig versicherte das russische Außenministerium China, daß in Berlin Verhandlungen stattfinden würden, die zu einer Klärung der „anormalen Lage" in Kiautschou führen sollten. Trotz einiger diplomatischer Schritte Rußlands, die in Berlin Beunruhigung hervorriefen, 24 war jedoch der russische Außenminister Murajow persönlich ein Befürworter aktiver territorialer Eroberungen Rußlands in China. In seinem Bericht vom 11. November 1897 erklärte er, daß es möglich sei, das chinesische Hilfegesuch an Rußland auszunutzen, um von China entsprechende Zugeständnisse zu erhalten. Bei einer Beratung über diese Frage im November 1897 setzte sich zwar vorübergehend der Standpunkt Wittes durch, der sich, ebenso wie der Marineminister Tyrtow, zu einer Besetzung Port Arthurs äußerst zurückhaltend verhielt. Tyrtow war der Ansicht, daß die Brauchbarkeit des Hafens f ü r die russische Flotte zweifelhaft sei, daß man sich noch mehrere Jahre mit Wladiwostok begnügen und nach Fertigstellung der Transsibirischen Eisenbahn einen Hafen an der koreanischen Küste erwerben könne. Die Konferenz kam zu dem Entschluß, Port Arthur und Talienwan nicht zu besetzen.25 ss
H. Cordier, Histoire Générale de la Chine et de ses relations avec les pays étrangers, Bd. 4, Paris 1920, S. 204.
« „British Documents on the Origins of the War, 1898—1914"(weiterhin mit „B. D." abgekürzt), Bd. 1, London 1927, S. 5. 25
B. TaHHCKHä, Ilpojior PYCCKO-jmoHCKoä BOÖHH, S. 46.
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Zu Beginn des Jahres 1898 wurde jedoch bereits klar, daß Deutschland auf das besetzte Gebiet nicht zu verzichten gedachte. Dieser räuberische Akt Deutschlands war derart fadenscheinig durch ein „Pachtabkommen" bemäntelt worden und gab Deutschland in der Provinz Schantung derartige Vorteile, daß sich sein wahrer Sinn jedermann enthüllte. Der endgültige Vertrag wurde im März 1898 in Peking unterzeichnet. 5 8 G e m ä ß diesem offen räuberischen Vertrag wurde Deutschland die Küste der Bucht von Kiautschou auf 99 Jahre verpachtet und das Recht gewährt, Befestigungen zu bauen (Artikel X); ferner war vorgesehen, daß China während der Pachtzeit auf die Ausübung seiner Souveränitätsrechte auf das überlassene Gebiet verzichtete (Artikel II). Deutschland erhielt f ü r alle Unternehmen in Schantung, zu denen ausländisches Kapital herangezogen würde, das Recht einer bevorzugten Beteiligung, sowie das Recht des Eisenbahnbaus. Übrigens war es bereits vor dem Abschluß des endgültigen Vertrages deutlich, daß Deutschlands Bestreben dahin ging, die ganze Provinz Schantung in seine „Einflußsphäre"zu verwandeln. Somit ging die Initiative zum ersten Schritt bei der Aufteilung Chinas mit H i l f e von „Verpachtungen" von dem jungen imperialistischen Räuber Deutschland aus. Die von Deutschland begonnene Aufteilung des eigentlichen China, die Verschärfung des Kampfes zwischen den imperialistischen Mächten in China und insbesondere in der Mandschurei und in Korea, lösten eine rege Aktivität der britischen Imperialisten aus, die Anspruch auf die E r h a l t u n g und Ausweitung i h r e r Sonderstellung in China erhoben. Allerdings verlangte die Verwirklichung der imperialistischen Pläne Englands angesichts der neuen internationalen Lage auch einen neuen politischen Kurs. Die englische Politik der .splendid isolation" hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts überlebt. U n t e r den Bedingungen des verschärften imperialistischen Kampfes drohte sie, in eine f ü r England gefährliche Isolierung umzuschlagen. Außenpolitische Gegensätze ließen England mit der Mehrzahl der Großmächte zusammenstoßen. Die alten englisch-russischen Gegensätze im Nahen und Mittleren Osten behielten ihre Bedeutung. England tarnte seine aggressiven Kolonisationspläne im I r a n und in Mittelasien mit einer Politik der „Verteidigung Indiens". Zu den alten Knotenpunkten, an denen die Interessen zusammenstießen, gesellte sich jetzt noch das Fernostgebiet hinzu. D i e Gegensätze in A f r i k a verschlechterten die Beziehungen zu Frankreich; auch die mit Mühe und Not erreichte Abgrenzung der „Einflußsphären" in Hinterindien, die Siam in einen P u f f e r zwischen den kolonialen Besitzungen Englands und Frankreichs in Südostasien verwandelt hatte, bedeutete keine Aufhebung der englisch-französischen Widersprüche. Hiervon zeugten die in den Konventionen mit China sozusagen fixierte Konkurrenz in J ü n n a n , die russisch-französische Demarche mit Beteiligung Deutschlands gegen Japan im Jahre 1895, die f r a n zösisch-russische Anleihe f ü r China usw. 2® Hertslet, China treaties, Bd. 1, S. 350—354.
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Die englisch-amerikanische Rivalität erfuhr in den lateinamerikanischen Ländern eine erhebliche Zuspitzung. Der an und für sich — scheinbar — unbedeutende Grenzzwischenfall zwischen Britisch-Guayana und Venezuela zog im Sommer 1895 eine ungewöhnlich scharfe Reaktion des Präsidenten der USA, Cleveland, und des Staatssekretärs Olney nach sich. Das zunehmende imperialistische Eindringen der USA in die Länder Lateinamerikas verwandelte die Monroe-Doktrin endgültig in ein Werkzeug des amerikanischen Imperialismus. Die USA gaben dieser Doktrin eine sehr weite Auslegung und beanspruchten nicht nur die Rolle eines Schiedsrichters im Guayana-Venezuela-Konflikt, sondern nahmen auch England gegenüber eine drohende Haltung ein. Andererseits fielen die kolonialen Interessen Englands und Amerikas im Kampf gegen die zunehmende Expansion Deutschlands in Samoa und im südwestlichen Teil des Stillen Ozeans bis zu einem gewissen Grade zusammen. Das Auftreten Deutschlands auf der internationalen Arena schien England damals noch nicht so bedrohlich, wie es sich einige Jahre später offenbarte. Aber die Einmischung Wilhelms II. in die südafrikanischen Angelegenheiten, die scharfe Konkurrenz in Mocambique und in anderen Gebieten Aequatorialafrikas, das zunehmende Vordringen Deutschlands nach dem Nahen Osten, die Intrigen und Eroberungspläne der deutschen Imperialisten in Ozeanien — dies alles kennzeichnete bereits die Umwandlung Deutschlands in den gefährlichsten Konkurrenten Englands. W. I. Lenin bemerkte: „Die alte Teilung war darauf gegründet, daß England im Laufe einiger Jahrhunderte seine früheren Konkurrenten zugrunde gerichtet hatte . . . Auf der Grundlage seiner ökonomischen Macht, der Macht seines Handelskapitals, hatte England durch lange Kriege seine nirgends strittig gemachte Herrschaft über die Welt errichtet. Ein neuer Räuber trat auf, im Jahre 1871 entstand eine neue kapitalistische Macht, die sich unvergleichlich schneller entwickelte als England." 27 Das im Jahre 1898 vom deutschen Reichstag angenommene Klottenb au programm wurde offen mit den kolonialen Plänen des deutschen Imperialismus verknüpft, mit der Forderung nach dem „Platz an der Sonne", wie es nach dem Ausdruck Bülows hieß. Das Erscheinen Deutschlands auf chinesischem Territorium schuf hier bereits eine gewisse Bedrohung der englischen Interessen. Gleichzeitig fürchteten die englischen Imperialisten die Möglichkeit gemeinsamer Aktionen Rußlands und Deutschlands. Die von Deutschland, und insbesondere von Wilhelm II. hartnäckig verfolgte Politik, den russischen Zarismus mit seinen Gegnern im Fernen Osten zusammenprallen zu lassen, erreichte im großen und ganzen ihr gestecktes Ziel; sie trug zur Zuspitzung der russisch-englischen Gegensätze im Fernen Osten bei und verhieß Deutschland freie Hand für eine Expansion in Europa und im Nahen Osten. 27
B. H. JleHHH, Coi., Bd. 2 4 , 4 . A u f l . , S. 568.
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Die zaristische Regierung, die außerstande war, die wahren nationalen Interessen Rußlands zum Ausdruck zu bringen und zu verteidigen, leistete den provokatorischen Einflüsterungen aus dem kaiserlichen Deutschland einer Abenteurerclique zuliebe, die von der Gründung eines „Gelbrußland" träumte, gern Folge. Als ein möglicher Weg in der Auseinandersetzung mit den europäischen Konkurrenten, die die Herrschaft der englischen Kolonialräuber bedrohten, erschien die Annäherung Englands an Japan, in dem man in London ein direktes Werkzeug zum Kampf gegen Rußland erblickte. Doch konnte eine Annäherung an Japan die Probleme in Europa und im Nahen Osten für England nicht lösen. Die Umstände zwangen die englische Bourgeoisie, ein Bündnis mit einer der Großmächte zu suchen. Mit dem Ende des Jahres 1897 und dem Beginn des Jahres 1898 pflegt man gewöhnlich eine neue Etappe in der Entwicklung der englischen Außenpolitik anzusetzen. Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten im Jahre 1898 spiegelten diesen neuen Kurs wider. Trotz der starken Zuspitzung der englisch-russischen Gegensätze hielten einige führende Politiker Englands ein Übereinkommen mit dem Zarismus für möglich. Nicht zufällig empfahl Salisbury im Januar 1898 dem britischen Botschafter in Petersburg, bei S. J. Witte anzufragen, „ob eine Zusammenarbeit Rußlands und Englands in China möglich sei." 28 Bereits die erste Unterredung des Botschafters O'Connor fand bei Witte Widerhall. Witte hob hervor, daß im Falle einer Einigung zwischen England und Rußland „deren Wort für den Fernen Osten zum Gesetz werden würde". 2 ' Unter den Grundsätzen, die England dem eventuellen Abkommen zugrunde legen wollte, figurierte unter dem Etikett einer Wahrung der „Vertragsrechte" insbesondere die zeitweilige Erhaltung der bestehenden Kräfteverhältnisse. Dies entsprach durchaus den Interessen Englands, das ja verstanden hatte, sich mit Hilfe eines Systems ungleicher Verträge die vorteilhaftesten Positionen in den Ländern des Ostens zu sichern. Die regierenden Kreise Englands traten in heuchlerischer Weise als angebliche Verteidiger der territorialen „Integrität" jener östlichen Staaten auf, die zum Schauplatz dpr schärfsten englisch-russischen Widersprüche geworden waren. Das Ziel einer voraussichtlichen „Annäherung" ein Rußland sahen die Londoner Politiker nicht nur in der Erhaltung der vom englischen Imperialismus eroberten Positionen, sondern auch in deren Ausweitung, da Rußland in wirtschaftlicher Hinsicht bedeutend schwächer war als England. „Wir trachten nicht nach einer Aufteilung von Territorien, sondern nach einer Teilung des dominierenden Einflusses." 30 , schrieb Salisbury. Die Anhänger eines Übereinkommens mit Rußland sahen ein, daß sich ein solches nicht auf den Fernen Osten beschränken konnte, sondern daß die Verhandlungen auch den 28 „B. D.", Bd. 1, S. 5. 2» „B. D.", Bd. 1, S. 7. Ebenda. 79
Nahen Osten berühren mußten. 31 Salisbury wies darauf hin (mit dem Vorbehalt, daß dieses Beispiel zu nichts verpflichte), daß die Schwarzmeergebiete der Türkei und das Euphratbecken bis Bagdad hin Rußland mehr interessierten sils England, während Türkisch-Afrika, die arabischen Länder und das Euphrattal südwärts Bagdad f ü r England „wichtig" seien. Die Umrisse einer Aufteilung der „Einflußsphären" in China wurden folgendermaßen angedeutet: Das Gebiet nördlich des Huang-ho als russische und das Gebiet südlich davon, einschließlich des Jangtse-Tales, als britische Einflußsphäre. Aber die Besprechungen über ein englisch-russisches Abkommen konnten in dieser Periode noch nicht die Ergebnisse zeitigen, die erst zehn Jahre später möglich wurden. Die Hauptursache lag darin, daß der englisch-deutsche Antagonismus noch keine solche Steigerung erreicht hatte, die England bewogen hätte, dem Zarismus hinreichende Zugeständnisse zu machen. Eben deshalb sondierte England die Haltung des zaristischen Rußlands und dessen Einstellung zu einem möglichen Abkommen nicht über die diplomatischen Instanzen, sondern auf dem Weg „privater" Unterredungen mit Witte. Gleichzeitig wollte die Zarenregierung damals, vor dem Russisch-Japanischen Krieg, auf die anscheinend mögliche Realisierung ihrer weitreichenden Expansionspläne im Fernen Osten nicht verzichten. In einem Brief an Wilhelm II. brachte Nikolaus II. die Stellung des zaristischen Rußlands zu den englischen Angeboten offen zum Ausdruck. „Diese Angebote — schrieb er — waren so neuartig, daß wir, ich muß es zugeben, ganz erstaunt waren, aber gerade ihr Wesen schien uns verdächtig. England hatte Rußland derartige Angebote früher niemals gemacht. Dies zeigte uns deutlich, daß England zu jenem Zeitpunkt unsere Freundschaft benötigte, um in getarnter Form unser Vordringen im Fernen Osten zu unterbinden." 32 Für die englischen Imperialisten waren in dieser Periode die englisch-russischen und die englisch-französischen Widersprüche noch die spürbarsten. Zahlreiche Vertreter der herrschenden Klasse Englands sahen in einer Annäherung an die USA und an Deutschland ein Gegengewicht gegen das französisch-russische Bündnis. In einer Unterredung mit dem deutschen Botschafter Hatzfeldt im November 1898 bot Chamberlain im Grunde genommen ein gegen Rußland und Frankreich gerichtetes englisch-deutsches Bündnis an. 33 Die englisch-russische Rivalität in China dauerte an. Einer der großen Konflikte entspann sich im Zusammenhang mit einer Anleihe, die China benötigte, S1
„B. D.", Bd. 1, S. 7.
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Nikolaus II. an Wilhelm II.: „There proposals were of such a new character, that I must say, we were quite amazed and yet — their very nature seemed suspicious to us, never before had England needed friendship at that time, to be ahle to check our development, in a masked way, in the Far East", „G. P.", Bd. 14, Teil 1, S. 251.
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AKa,neimn HayK CCCP«, Bd. 1, S. 67.
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u m Japan die letzte Kontributionsrate gemäß dem Vertrag von Shimonoseki zahlen zu können. Noch vor Ende des Jahres 1897 wandte sich die chinesische Regierung an Rußland mit der Bitte, eine chinesische Anleihe i n H ö h e von 100 Mill. Lan unter ähnlichen Bedingungen, wie die Anleihe von 1895, zu garantieren. Die Zarenregierung machte jedoch ihr Einverständnis von schwerwiegenden Zugeständnissen Chinas abhängig. Neben der Zusicherung entsprechender Garantien f ü r die Rückzahlung der Anleihe und der Gewährung verschiedener Vergünstigungen f ü r die Ostchinesische Eisenbahn mußte die chinesische Regierung sich verpflichten, Vertreter dritter Mächte zum Eisenbahnbau und zur Ausbeutung von Industrieunternehmen in der Mandschurei und Mongolei nicht zuzulassen, sowie gleichzeitig mit der Unterzeichnung der Anleihe der Ostchinesischen Eisenbahn eine Konzession zum Bau einer Eisenbahnlinie von der Hauptstrecke zur Küste des Gelben Meeres zuzugestehen. Hier, an der Küste, sollte China die Anlage eines f ü r Ausländer geschlossenen Hafens ermöglichen. Die russische Regierung war so überzeugt, daß China die Bedingungen annehmen werde, daß sie ihrem Geschäftsträger in Peking die Anweisung gab, sich mit der Anleihe keineswegs „aufzudrängen." 3 4 Der englische Gesandte in Peking gab sich seinerseits alle Mühe, u m eine russische Anleihe f ü r China zu hintertreiben, indem er eine von der englischen Regierung offiziell garantierte Anleihe anbot. Die entsprechenden Vergünstigungen suchte England f ü r sich selbst zu gewinnen. Im Januar 1898 bot der englische Gesandte Claude Macdonald China eine Anleihe in Höhe von 12 Mill. Tael an, wobei er gleichzeitig die Forderung erhob, China solle England die Eisenbahnkonzession B u r m a — J ü n n a n einräumen und sich unter anderem verpflichten, im Gebiet des Jangtse keine Territorien an Dritte abzutreten sowie Talienwan in einen offenen H a f e n zu verwandeln. Bereits im Februar des gleichen Jahres nahmen jedoch die Frage der Erwerbung Port Arthurs und Talienwans durch Rußland sowie die Frage des Baues einer Zweigbahn von Port A r t h u r nach Charbin eine völlig andere Wendung. Auf einer Sonderkonferenz der zaristischen Minister unter Vorsitz des Großfürsten Alexei Alexandrowitsch setzte sich der Standpunkt durch, der die Besetzung von Port A r t h u r und Talienwan durch Rußland verlangte. E r wurde damit begründet, daß „sich Japan zu Beginn eines bereits damals von ihm gegen uns geplanten Krieges leicht zum zweitenmal Port Arthurs bemächtigen könne, während bei uns der Bau der Transsibirischen Eisenbahn noch nicht beendet ist . . ." Die Konferenz erkannte die vom Gesichtspunkt einer Verteidigung der fernöstlichen Gebiete Rußlands außerordentliche Bedeutung Port Arthurs an. Die Forderungen, China solle einen H a f e n überlassen, den Bau einer Zweigbahn genehmigen usw., wurden nicht mehr mit der Anleihe in Verbindung gebracht. I m Zusammenhang damit beschloß die russische Regierung, auf Ver84 35
B. RRAHOKHÄ, üpojior pycoKO-anoHCKoö BOHHH, S. 47. A. CeMeHOB-TaH-IIIaHCKHä, Hai im ßjiHataimme 3ajaiH Ha .Ha-ihneM BocTOKe St. Petersburg 1908, S. 9. 81
handlungen über die Anleihe zu verzichten und der Aufnahme einer chinesischen Anleihe bei einer englisch-deutschen Finanzgruppe keine Hindernisse in den Weg zu legen. China unterzeichnete daraufhin am 1. März 1898 mit englischen und deutschen Bankiers den Anleihevertrag. Die englische Regierung beeilte sich, die Verhandlungen über die Gewährung der Anleihe an China vor allem für die Festigung ihrer vorherrschenden Stellung im Jangtse-Tal auszunutzen. Dies wurde durch einen Notenwechsel zwischen Macdonald und dem chinesischen Außenministerium im Februar 1898 erreicht. China übernahm die Verpflichtung, sich keines der an das Jangtse-Becken grenzenden Gebiete zu entäußern •— sei es in der Form einer Abtretung, Verpachtung oder Verpfändung. 38 Der zaristische Geschäftsträger erhielt die Instruktion, China in ultimativer Form aufzufordern, es solle die Forderungen Petersburgs hinsichtlich der Liautung-Halbinsel erfüllen. Der Termin für die Unterzeichnung des Vertrages wurde kategorisch auf den 27. März festgelegt. Es muß hervorgehoben werden, daß der englische Botschafter in Petersburg über die im Fernen Osten vorgesehenen Maßnahmen Rußlands im Bilde war. Mehr noch, die Erwerbung Port Arthurs durch Rußland gab den britischen Imperialisten zusätzlichen Anlaß, eine entsprechende „Kompensation" in jenen Gebieten anzumelden, die bei den Verhandlungen mit Rußland als außerhalb der englischen „Interessensphäre" liegend betrachtet wurden. England, das bereits im Jahre 1897 offiziell die Absicht bekanntgegeben hatte, seine Forderungen vorzulegen, begann, bei China energisch um die „Verpachtung" des Hafens von Weihaiwei anzusuchen. Japan konnte ohne Unterstützung seitens Englands keinerlei Schritte gegen die Pachtung von Port Arthur durch Rußland unternehmen. Zudem war die Frage der Mandschurei aufs engste mit der Korea-Frage verknüpft. Das zaristische Rußland war in diesem Augenblick schon bereit, Japan bedeutende Zugeständnisse zu machen und auf die unleugbaren Vorteile zu verzichten, die es zwei Jahre nach Beendigung des Japanisch-Chinesischen Krieges zu erreichen verstanden hatte. Gerade zu diesem Zeitpunkt fanden russisch-japanische Verhandlungen über Korea statt, die am 25. April 1898 mit der Unterzeichnung des sogenannten Tokioter Protokolls Nishii-Rosen ihren Abschluß fanden. In dem ersten Artikel des Protokolls erkannten Rußland und Japan endgültig die Souveränitätsrechte und die völlige Unabhängigkeit Koreas an und verpflichteten sich gegenseitig, sich jeglicher unmittelbaren Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieses Landes zu enthalten. Mit dem zweiten Artikel verpflichteten sich die beiden Länder, ohne gegenseitiges Einverständnis keinerlei Militär- und Finanzberater für Korea zu benennen. Im dritten Artikel verpflichtete sich Rußland, die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen Japans zu Korea nicht zu hindern. 37 Das Tokioter 38 37
Hertslet, China treaties Bd. 1, S. 119/120. Das Protokoll ist in der Zeitung «NPABHTEJIFCCTBEHHOM B BecTHmce» vom 29. April 1898 veröfientlicht; B. A. PoMaHOB, c. o., Beilage 12, S. 440—441.
82
Protokoll, und insbesondere sein dritter Artikel, zeugte zweifellos davon, daß Rußland auf faktisch bereits errungene Vorteile in Korea verzichtete. Die russischen Militär- und Finanzberater wurden zurückberufen. Auch die RussischKoreanische Bank stellte ihre eben erst begonnene Tätigkeit ein. A m vorgesehenen Tag, am 27. März 1898, wurde der russisch-chinesische Vert r a g unterzeichnet. Port A r t h u r und Talienwan wurden (gemäß Artikel 1) auf 25 Jahre an Rußland verpachtet. Rußland erhielt auf dem gepachteten Territorium das Recht der Jurisdiktion (Artikel 4). Nördlich des Pachtgebietes wurde eine neutrale Zone geschaffen, in der die chinesische Gerichtsbarkeit erhalten blieb; jedoch durfte China ohne russisches Einverständnis in dieser Zone keine Truppen unterhalten. Port A r t h u r sollte n u r russischen und chinesischen Schiffen offen stehen. Rußland erhielt das Recht, eine Zweigbahn von der Ostchinesischen Eisenbahn zur Küste der Liautung-Halbinsel zu bauen, und zwar unter denselben Bedingungen, wie sie der Ostchinesischen Eisenbahn gewährt worden waren. Fast gleichzeitig erreichte Frankreich die Verwirklichung der Zusage, eine Eisenbahnstrecke von A n n a m aus über chinesisches Gebiet leiten zu dürfen (die Eisenbahn H a i p h o n g — J ü n n a n f u ) . Das Gebiet von Kuangtschouwan an der Küste der Provinz Kuangtung wurde an Frankreich verpachtet, was i m Zusammenhang mit der bereits 1897 abgegebenen Verpflichtung Chinas, die Insel H a i n a n niemandem abzutreten, die Position Frankreichs i n Südchina festigte und den durch den Golf von Tongking verlaufenden Zugangsweg zu den indochinesischen Kolonien Frankreichs sicherte. China mußte sich jetzt damit einverstanden erklären, daß das Postwesen nach seiner T r e n n u n g vom Zolldienst der Leitung einer von Frankreich empfohlenen Person unterstellt wurde. Dies war ein Gewinn des französischen Imperialismus auf Kosten des englischen. China gab im April 1898 sein Einverständnis zu diesen Forderungen. Z u r gleichen Zeit verpflichtete es sich, die ein Tongking angrenzenden Gebiete keiner dritten Macht abzutreten. So bildete sich in den Provinzen Kuangtung, Kuangsi und J ü n n a n endgültig eine französische „Einflußsphäre" heraus. Die Ende Mai 1898 abgeschlossene Konvention bezüglich Kuangtschouwans schloß sich dem bereits „kanonisierten" deutschen Muster an. Sie sah die französische Gerichtsbarkeit (lt. Artikel 2), das Recht, Befestigungen zu bauen und f r a n zösische Streitkräfte zu unterhalten (Artikel 3) sowie den Bau einer Eisenbahn von Kuangtschouwan nach Leitschou vor (Artikel 7). Die D a u e r der Konzession wurde auf 99 J a h r e bemessen (Artikel 1). Die englischeRegierung, die sofort mit ebenso räuberischenForderungen hervortrat, stellte noch entschiedener die Frage Weihaiweis sowie des wichtigen, i m Süden,gegenüber von Hongkong gelegenen Gebietes von Kaulun. Die,,Notwendigkeit", Weihaiwei zu pachten, wurde in verlogener Weise sowohl der chinesischen, als auch der deutschen Regierung gegenüber mit dem russisch-chinesischen Vertrag begründet. D e r Umstand, daß England es f ü r notwendig einsah, f ü r die Besetzung Weihaiweis das Einverständnis Deutschlands zu erhalten, hing nicht n u r mit Bemühungen zusammen, mit Deutschland zu einem Abkommen auf einer breiteren Basis zu kommen; er zeugte auch davon, daß England Schantung als 83
„ E i n f l u ß s p h ä r e " Deutschlands betrachtete. Das System von „ E i n f l u ß s p h ä r e n " wurde zu einer F o r m der A u f t e i l u n g Chinas u n d der zeitweiligen Interessenabgrenzung der imperialistischen Mächte. A m 30. M a i w u r d e über Weihaiwei u n d am 9. J u n i über dem abgetretenen Gebiet bei H o n g k o n g die englische F l a g g e gehißt. Schließlich erreichte J a p a n a m 26. A u g u s t 1898 die Verpflichtung Chinas, das Gebiet der Provinz F u k i e n keiner dritten M a c h t zu übereignen. W . I . L e n i n schrieb: „ E i n e nach der anderen gingen die europäischen R e g i e r u n g e n so e i f r i g daran, chinesisches Land zu rauben, zu ,pachten', wie m a n es n e n n t , daß nicht ohne G r u n d von einer A u f t e i l u n g Chinas gesprochen wird". 3 8 Sogar Italien, verlockt durch das Beispiel der mächtigeren europäischen L ä n d e r , suchte einen Flottenstützpunkt a n der Küste der Provinz Tschekiang zu erwerben. E i n e entsprechende, a n C h i n a gerichtete Note blieb jedoch erfolglos: die regierenden M ä n n e r Chinas h a t t e n bereits gelernt, die K r ä f t e der europäischen Staaten richtig einzuschätzen. Die A u f t e i l u n g Chinas in „ E i n f l u ß s p h ä r e n " bedeutete keineswegs eine Versöhnung der Interessen der imperialistischen Mächte. D e r Kampf u n d die Konkurrenz auf dem chinesischen Schauplatz, wo sich einer der wichtigsten Knoten in den Gegensätzen zwischen den imperialistischen Mächten m e h r u n d m e h r schürzte, n a h m e n immer schärfere F o r m e n an. Etwas später hob W . I . L e n i n diese Tatsache hervor: „. . . die europäischen Mächte, die über C h i n a hergefallen sind, beginnen schon, sich u m die A u f t e i l u n g der Beute zu streiten, u n d n i e m a n d vermag zu sagen, wie dieser Streit ausgehen wird". 3 9 Auch innerhalb der Grenzen der „ E i n f l u ß s p h ä r e n " gab es eine, oft genug sehr scharfe Konkurrenz. Insbesondere t r a t i n der Mandschurei, trotz der Verpflichtung Chinas, laut Z u satzprotokoll vom 7. M a i 1898 Ausländern keinerlei Eisenbahnkonzessionen i m gesamten Bezirk der Ostchinesischen Eisenbahn zu gewähren, noch i m gleichen J a h r e 1898 englisches Kapital a u f . Die chinesische Regierungsbahn Schanhaik w a n — J i n g k o u stand •— als G a r a n t i e f ü r das bei der Hongkong-Schanghai-Bank a u f g e n o m m e n e Darlehen — faktisch u n t e r der L e i t u n g u n d V e r w a l t u n g der englischen Imperialisten. D i e Z a r e n r e g i e r u n g bekämpfte vergeblich das A u f t r e t e n englischen Kapitals in den Bezirken der Ostchinesischen Eisenbahn. Die „ E i n f l u ß sphären" beseitigten nicht die Widersprüche zwischen den M ä c h t e n ; es entstanden neue Konflikte, die neue V e r h a n d l u n g e n u n d Zusammenstöße hervorriefen. Die imperialistischen Interessen Englands u n d des zaristischen R u ß l a n d s in China f ü h r t e n trotz des Mißerfolges der im Jahre 1898 g e f ü h r t e n V e r h a n d l u n g e n über eine allgemeine A b g r e n z u n g der englischen u n d russischen Interessen in Asien zu n e u e n Versuchen, die „ E i n f l u ß s p h ä r e n " i n China zu u m g r e n z e n . D i e von E n g l a n d vorgeschlagene G r u n d l a g e f ü r eine beiderseitige A n e r k e n n u n g der „Interessensphären" in C h i n a k o n n t e den Zarismus nicht befriedigen. D e r Verzicht R u ß l a n d s auf Konzessionen i m Gebiet des Jangtse u n d der Verzicht E n g l a n d s 38
B. H. J l e H H H , Ol., Bd. 4,4. Aufl., S. 348—349. 3» Ebenda, S. 351. 84
auf Konzessionen in der Mandschurei sollte nach englischer Auffassung mit der Bestimmung verbunden werden, daß die Konzessionen, die jedes Land in seiner „Einflußsphäre" erhält, keinerlei Bestimmungen über Vorzugstarife der Eisenbahn oder Vorzugstarife und -steuern im allgemeinen enthalten dürfen. Das zaristische Rußland wollte hierauf nicht eingehen, da dies einen Verzicht auf jene Privilegien bedeutet hätte, die der Ostchinesischen Eisenbahn bereits eingeräumt worden waren, und die sich auch auf die südmandschurische Zweiglinie der Eisenbahn erstreckten. Die langwierigen Verhandlungen endeten am 28. April 1899 mit einem Ubereinkommen' in Form eines Notenwechsels zwischen dem russischen Außenminister Murawjow und dem englischen Botschafter Scott. Gemäß diesem Abkommen verpflichtete sich England, keinerlei Eisenbahnkonzessionen nördlich der chinesischen Mauer anzustreben sowie den russischen Interessen in diesem Gebiet keine Hindernisse in den Weg zu legen, während Rußland gegenüber England entsprechende Verpflichtungen in bezug auf das Gebiet des Jangtse-Beckens übernahm. Jedoch wurde für das zwischen China und der britischen HongkongSchainghai-Bank bereits getroffene Abkommen hinsichtlich der SchanhaikwanJingkou-Bahn (in der Südmandschurei) eine Ausnahme gemacht. Dieses Abkommen blieb in Kraft und wurde von russischer Seite anerkannt. Das Abkommen vom 28. April 1899 wurde von Rußland so ausgelegt, als wäre nicht nur die Mandschurei, sondern das gesamte Gebiet Chinas nördlich der Großen Mauer als Arbeitsfeld für seine Bahnbautätigkeit anerkannt worden. Im Abkommen blieb die Frage der tariflichen und steuerlichen Vorrechte, die Rußland gemäß früheren mit China abgeschlossenen Verträgen eingeräumt worden waren und die die Ostchinesische Bahn betrafen, unberührt. Gleichzeitig hatte England die Anerkennung seiner Interessen in der Mandschurei durchgesetzt. Dies zeugte vom Vorhandensein weitgehender englischer Pläne auch in bezug auf die nördlichen Provinzen Chinas. Die Abkommen zwischen den Mächten hatten eine starke Unzufriedenheit und einen Aufschwung patriotischer Gefühle unter den fortschrittlichen Politikern in China zur Folge. Nachdem jedoch die „hundert Reformtage" einen Mißerfolg erlitten hatten, der junge Kaiser Kuang Hsü seines Thrones faktisch enthoben worden war und die reaktionäre Clique der Kaiserin-Witwe Tsu Hsi ihre Macht gefestigt hatte, verzichtete die Mandschu-Dynastie auf jedwede Reformen. Das immer rücksichtslosere Vorgehen der ausländischen Imperialisten rief in China zugleich das Anwachsen einer breiten Volksbewegung gegen die Ausländer hervor. Zu Beginn des Jahres 1899 hatten sich alle europäischen Großmächte sowie Japan „Interessensphären" gesichert; in dem auf diese Weise aufgeteilten China wurde jedoch der Kampf zwischen den imperialistischen Mächten fortgesetzt und nahm immer schärfere Formen an. Von allen Großmächten hatten an der Aufteilung Chinas unmittelbar nur die USA nicht teilgenommen. Doch ließ sich dies durchaus nicht mit einer geringeren Aggressivität des amerikanischen Imperialismus erklären. Die amerikanischen Imperialisten trugen sich schon zu jener Zeit mit sehr weitgehenden Plänen, die auf die Errichtung ihrer Macht über ganz 85
China hinausliefen. Gerade dieser Zeitabschnitt in der Geschichte der internationalen Beziehungen fällt mit dem ersten offenen Auftreten des amerikanischen Imperialismus auf dem Schauplatz kolonialer Eroberungen außerhalb des amerikanischen Kontinents zusammen. D e r amerikanische Räuber war jedoch zur Aufteilung „freier Gebiete" zu spät gekommen und konnte lediglich an der Aufteilung der Reste (Hawaii, Samoa) teilnehmen. Als die amerikanischen Imperialisten die faktische Annexion der Hawaii-Inseln als Stützpunkt f ü r einen Angriff auf den Fernen Osten vorbereiteten, wies Admiral Belknap i m Jahre 1895 nach, daß „die N a t u r selbst diese Inselgruppe f ü r eine endgültige Okkupation, als Vorposten an der Westgrenze der großen Republik prädestiniert" habe. Die Eroberungspläne der USA-Expansionisten beschränkten sich keineswegs auf den Stillen Ozean und China, in das m a n mit H i l f e der als „Vorposten" gedachten USA-Kolonien i m Stillen Ozean vordringen wollte. Die äußerst unternehmungslustigen amerikanischen Geschäftsleute träumten von einer „friedlichen" Unterwerfung des ganzen russischen Fernen Ostens unter das amerikanische Monopolkapital. Die Projekte des amerikanischen Eisenbahnmagnaten H a r r i m a n über den Bau einer „transasiatischen" Eisenbahn von der Küste des Stillen Ozeans bis zum Atlantischen Ozean waren direkt mit dem Plan verbunden, den russischen Fernen Osten und Sibirien wirtschaftlich in eine amerikanische Halbkolonie zu verwandeln. D e n gleichen kolonisatorischen Charakter hatten auch die durch den russischen Konsul in Chikago übermittelten Angebote einer gewissen amerikanischen Gesellschaft, m a n solle ihr die Monopolrechte f ü r die A u s f u h r russischer Kohle aus Wladiwostok überlassen, sowie die „liebenswürdigen" Angebote aus dem Jahre 1899, das Innere Ostsibiriens durch amerikanische Gelehrte „erforschen" zu lassen. Alle Versuche der amerikanischen Kapitalisten, diese Pläne zu realisieren, f ü h r t e n zu keinem praktischen Ergebnis. Dennoch wurde seitens der U S A die imperialistische Vorbereitung der notwendigen Bedingungen f ü r ein wirksames Eindringen nach dem Fernen Osten ununterbrochen verstärkt.
Der Krieg der USA gegen Spanien — der erste Krieg u m eine imperialistische Neuaufteilung der Welt Lenin hat wiederholt hervorgehoben, daß die imperialistische Epoche des Weltkapitalismus erst in den Jahren 1898—1900 begann. 4 0 Eben zu diesem Zeitpunkt war der Kapitalismus in seine monopolistische Phase getreten. I n einem Brief an Ines Armand schrieb Lenin im Dezember 1916: „Sie haben das Wichtigste vergessen! I m Jahre 1891 gab es überhaupt keinen Imperialismus (ich suchte in meiner Broschüre zu beweisen, daß er 1898—1900 entstand, nicht früher) und keinen imperialistischen Krieg, es konnte keinen geben . . ." 4 1 i0
W. I. Lenin, Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Dietz Verlag, Berlin 1951.
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B . H . J l e H H H , COT.,
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Bd. 3 5 , 4 . Aufl., S. 2 1 4 .
China hinausliefen. Gerade dieser Zeitabschnitt in der Geschichte der internationalen Beziehungen fällt mit dem ersten offenen Auftreten des amerikanischen Imperialismus auf dem Schauplatz kolonialer Eroberungen außerhalb des amerikanischen Kontinents zusammen. D e r amerikanische Räuber war jedoch zur Aufteilung „freier Gebiete" zu spät gekommen und konnte lediglich an der Aufteilung der Reste (Hawaii, Samoa) teilnehmen. Als die amerikanischen Imperialisten die faktische Annexion der Hawaii-Inseln als Stützpunkt f ü r einen Angriff auf den Fernen Osten vorbereiteten, wies Admiral Belknap i m Jahre 1895 nach, daß „die N a t u r selbst diese Inselgruppe f ü r eine endgültige Okkupation, als Vorposten an der Westgrenze der großen Republik prädestiniert" habe. Die Eroberungspläne der USA-Expansionisten beschränkten sich keineswegs auf den Stillen Ozean und China, in das m a n mit H i l f e der als „Vorposten" gedachten USA-Kolonien i m Stillen Ozean vordringen wollte. Die äußerst unternehmungslustigen amerikanischen Geschäftsleute träumten von einer „friedlichen" Unterwerfung des ganzen russischen Fernen Ostens unter das amerikanische Monopolkapital. Die Projekte des amerikanischen Eisenbahnmagnaten H a r r i m a n über den Bau einer „transasiatischen" Eisenbahn von der Küste des Stillen Ozeans bis zum Atlantischen Ozean waren direkt mit dem Plan verbunden, den russischen Fernen Osten und Sibirien wirtschaftlich in eine amerikanische Halbkolonie zu verwandeln. D e n gleichen kolonisatorischen Charakter hatten auch die durch den russischen Konsul in Chikago übermittelten Angebote einer gewissen amerikanischen Gesellschaft, m a n solle ihr die Monopolrechte f ü r die A u s f u h r russischer Kohle aus Wladiwostok überlassen, sowie die „liebenswürdigen" Angebote aus dem Jahre 1899, das Innere Ostsibiriens durch amerikanische Gelehrte „erforschen" zu lassen. Alle Versuche der amerikanischen Kapitalisten, diese Pläne zu realisieren, f ü h r t e n zu keinem praktischen Ergebnis. Dennoch wurde seitens der U S A die imperialistische Vorbereitung der notwendigen Bedingungen f ü r ein wirksames Eindringen nach dem Fernen Osten ununterbrochen verstärkt.
Der Krieg der USA gegen Spanien — der erste Krieg u m eine imperialistische Neuaufteilung der Welt Lenin hat wiederholt hervorgehoben, daß die imperialistische Epoche des Weltkapitalismus erst in den Jahren 1898—1900 begann. 4 0 Eben zu diesem Zeitpunkt war der Kapitalismus in seine monopolistische Phase getreten. I n einem Brief an Ines Armand schrieb Lenin im Dezember 1916: „Sie haben das Wichtigste vergessen! I m Jahre 1891 gab es überhaupt keinen Imperialismus (ich suchte in meiner Broschüre zu beweisen, daß er 1898—1900 entstand, nicht früher) und keinen imperialistischen Krieg, es konnte keinen geben . . ." 4 1 i0
W. I. Lenin, Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Dietz Verlag, Berlin 1951.
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Die amerikanischen Imperialisten begannen den ersten Krieg ausgesprochen imperialistischen Charakters, bei dem es u m die Neuaufteilung der bereits aufgeteilten Welt ging, i m Jahre 1898, das somit gewissermaßen als „Geburtsjahr" des Imperialismus bezeichnet werden kann. Die Realisierung ihres großen Expansionsprogramms eröffneten die amerikanischen Imperialisten m i t dem Uberfall auf eine der schwächsten unter den Kolonialmächten, auf Spanien. Indem die USA dieser schwachen Kolonialmacht die Kolonien entrissen, sicherten sie gleichzeitig ihre imperialistischen Interessen sowohl auf den Zugängen zu Zentral- und .Südamerika, als auch auf den Zugängen nach Asien, nach China. Entgegen den Behauptungen amerikanischer bürgerlicher Geschichtsfälscher, die auch von bürgerlichen „Gelehrten" in Europa unterstützt werden, betrachteten die amerikanischen Imperialisten bereits am Vorabend des Krieges gegen Spanien territoriale Erwerbungen im Westteil des Stillen Ozeans, auf den Zugängen nach China, als eines ihrer Kriegsziele. Das bezeugt deutlich genug die E r n e n n u n g des Kommodore Dewey, eines offenen Anhängers der Besetzung der Philippinen, zum Befehlshaber des Ostgeschwaders der USA bereits im Jahre 1897 sowie die Rolle, die einer der eifrigsten Vertreter der amerikanischen imperialistischen Politik, Theodore Roosevelt, damals noch auf dem verhältnismäßig schlichten Posten eines Gehilfen des Marineministers, bei dieser E r n e n n u n g spielte. 42 Die amerikanischen Imperialisten hatten den ersten Krieg zur Neuaufteilung der Erde begonnen, indem sie sich mit der lügnerischen Erklärung tarnten, es ginge u m die Unterstützung der von Spanien unterdrückten Bevölkerung Kubas. Die Kriegsziele waren in der Resolution des USA-Kongresses höchst heuchlerisch formuliert: „Das Volk Kubas ist frei und m u ß zu Recht frei . . . und unabhängig sein . . . es ist die Pflicht der USA, von Spanien den unverzüglichen Verzicht auf die Verwaltung Kubas sowie den Abzug seiner Streitkräfte von dort und aus den kubanischen Gewässern zu fordern." 4 3 Die skrupellose Demagogie der Verfechter einer imperialistischen Politik, angefangen vom Präsidenten MacKinley, lief nicht n u r auf einen Betrug an den Kolonialvölkern hinaus, mit deren Händen die amerikanischen Imperialisten die spanische Herrschaft auf Kuba und den Philippinen liquidieren wollten. Sie sollte auch in den anderen imperialistischen Staaten die Illusion erwecken, die USA wären sogar an Kuba, ganz zu schweigen von den Philippinen, gänzlich „desinteressiert". Der Krieg begann in einer f ü r die USA äußerst günstigen internationalen Situation. Alle Versuche Spaniens, den herannahenden militärischen Konflikt durch die Veranlassung einer kollektiven Demarche der europäischen Mächte zu verhüten, endeten mit einem vollen Mißerfolg. 4 4 42
43 44
Th. Roosevelt, An Autobiography, New York 1929, S. 225—224; La vie intense, S. 156—157. „Messages and Documents", Bd. 1, S. 347. A. M. 3opjina, IIcnaHO-aHepiiitaHCKaH Bofiiia 1898 r., «IIcTopniccKnii acypiM»
N r . 12, 1 9 4 0 ;
siehe die Untersuchung Ferrar, The last Spanish War.
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Die Einstellung der europäischen Mächte zum spanisch-amerikanischen Konflikt definierte der russische Außenminister Murawjow in seinem Instruktionsschreiben an den Botschafter in Madrid, Schewitsch: „Es wird sich kaum jemand entschließen, seinen Standpunkt Washington gegenüber offen auszusprechen, da m a n seine guten Beziehungen zu diesem höher einschätzt, als die Freundschaft mit dem überlebten Iberischen Königreich." 4 5 Jede der Großmächte hatte ihre eigenen Gründe, des „überlebten Iberischen Königreichs" wegen ihre Beziehungen zu den USA nicht zu verderben. F ü r die größte Kolonialmacht, England, war es gerade der Augenblick, zu dem sich einflußreiche englische Kreise auf der Suche nach einem Ausweg aus der bedrohlich werdenden „splendid isolation" f ü r ein Bündnis mit den USA einsetzten. Noch vor Kriegsbeginn, am 28. März 1898, schrieb die „Times": „Wenn wir im Falle eines Krieges die Neutralität gegenüber beiden Ländern wahren, dürfen wir nicht vergessen, daß eines von ihnen durch Blutsbande mit uns verbunden ist." Der Vorabend des Krieges war nicht allein durch die breitangelegte Propagierung eines englisch-amerikanischen Bündnisses gekennzeichnet, f ü r deren Organisierung in den USA die englische Botschaft ungeheure Beträge verausgabte, indem sie amerikanische Zeitungen bestach; er wurde ebenfalls durch eine hemmungslose angelsächsische Rassenpropaganda bestimmt. Bald nach Kriegsbeginn schrieb die „Times" : „Die Amerikaner werden wir auf den Philippinen begrüßen, . . . jedoch könnten wir einer Eroberung der Philippinen weder durch Frankreich noch durch Deutschland oder durch Rußland gleichgültig gegenüberstehen". Die englischen Imperialisten meinten, den Weg zu einem Übereinkommen mit den U S A auf der Grundlage einer Anerkennung der USA-Hegemonie im Karibischen Meer, jedoch mit Garantien f ü r das englische Kapital, zu finden; als Gegenleistung erwarteten sie eine Anerkennung der britischen Hegemonie im Fernen Osten, unter Garantierung der Freiheit des Handels der USA. Sehr charakteristisch war die Rolle des englischen Botschafters bei der Ausarbeitung eines im Namen des Diplomatischen Korps in Washington im F r ü h j a h r 1898 verfaßten kollektiven Schreibens am die USA bezüglich des spanisch-amerikanischen Konflikts. D e r englischeBotschafterhattesichnicht n u r alle erdenkliche M ü h e gegeben, um die Formulierung des Schreibens f ü r die USA annehmbar zu machen, sondern hatte dieses sogar vorher noch mit dem Staatssekretär der USAabgesprochen. 46 Obwohl England nach Kriegsbeginn auch formell eine neutrale Position einnahm, so war diese Neutralität doch tatsächlich den USA gegenüber wohlwollend und Spanien gegenüber feindselig. Das Verbot f ü r das aus Spanien nach den Philippinen ausgelaufene spanische Geschwader, in ägyptischen H ä f e n Kohle zu bunkern — wodurch ihm die Weiterfahrt unmöglich gemacht wurde •—, beweist das mit aller Deutlichkeit. Offen feindselig war auch das schroffe Auftreten Englands gegen die Versuche Spaniens, seine Küste zu befestigen, unter dem Vorwand, dadurch werde eine Bedrohung f ü r Gibraltar geschaffen. 45
ABIIP,
46
ABIIP, Kami;., 6. 114, Bl. 125.
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THXOOKeaHCKHft
CTOJI,
1479.
Bl. 45.
M u r a w j o w an Schewitsch 14 (26)
III,
1898.
Anders verhielt sich Deutschland. Der deutsche Imperialismus hatte in bezug auf die Kolonien Spaniens im Stillen Ozean eigene, weitgesteckte Pläne. Eine deutsche Agentur hatte bereits vor Kriegsbeginn mit einigen philippinischen Kreisen Verbindungen angeknüpft und hegte die Hoffnung, die Philippinen in eine unabhängige Monarchie mit irgendeinem deutschen Prinzen ein der Spitze umwandeln zu können. Während des Krieges spielte die deutsche Diplomatie ein Doppelspiel. Einerseits gab Deutschland seine Verbindungen zu den Verfechtern der Freiheitsbewegung auf den Philippinen aus den Reihen der Gutsbesitzer und der Bourgeoisie nicht auf, andererseits trat es f ü r die Verteidigung der „gesetzlichen" Rechte Spaniens auf seine Kolonien ein: die deutschen Imperialisten spekulierten darauf, daß, falls nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg die Philippinen bei Spanien bleiben sollten, das ruinierte und entkräftete Spanien gezwungen sein werde, Deutschland die Reste seines ehemals riesigen Kolonialreiches zu verkaufen. Das Kommando der in der Bucht von Manila stationierten deutschen Seestreitkräfte nahm gegen die amerikanische Flotte des Admirals Dewey, der am 1. M a i 1898 das spanische Geschwader besiegt und eine Kontrolle über die Bucht von Manila verhängt hatte, eine unfreundliche H a l t u n g ein. Jedoch konnten die deutschen Imperialisten diese Politik nur solange befolgen, bis im Pariser Vertrag vom 10. Dezember 1898 die Übergabe der Philippinen an die USA erfolgte. A m 6. Februar 1899 ratifizierte der amerikanische Senat diesen Vertrag. Von n u n an konnten weitere Ansprüche Deutschlands nur einen offenen bewaffneten Konflikt mit den U S A bedeuten, den Deutschland nicht riskierte. Praktisch konnte aus diesen oder jenen Erwägungen heraus keine der „Großmächte" die U S A daran hindern, sich der früheren spanischen Kolonien zu bemächtigen. Aber den deutschen Imperialisten gelang es mühelos, Spanien zum Verkauf der Reste seiner pazifischen Besitzungen zu bewegen, indem sie die schwierige finanzielle Lage Spaniens nach dem Kriege sowie seine offensichtliche Unfähigkeit, nach dem Verlust der Philippinen die weitere Herrschaft über diese Besitzungen zu bewahren, ausnutzten. Die Verhandlungen endeten mit dem Abkommen vom 12. Februar 1899. Die Karolinen, die Marianen (mit Ausnahme des von den USA besetzten Guam) und die Palau-Inseln wurden Deutschland f ü r 25 Mill. Peseten verkauft. Administrativ verband m a n sie mit den deutschen Kolonien von NeuGuinea, die nach dem Gesetz vom 1. April 1894 aus dem Besitz der privaten Neu•Guinea-Gesellschaft unmittelbar in Staatsbesitz übergegangen waren. Zweifelsohne spiegelte sich darin das Anwachsen der imperialistischen Eroberungspläne des kaiserlichen Deutschland wider. Die Illusion, die USA wären an der Erwerbung der Philippinen 4 7 „nicht interessiert", war so groß, daß selbst nach der im August 1898 erfolgten Unterzeichnung des Washingtoner Protokolls über die Einstellung der Kampfhandlungen die meisten Diplomaten annahmen, die U S A würden n u r auf M a n i l a 4T
In diesem Zeitabschnitt schrieb der japanische Botschafter in den USA an den japanischen Außenminister: „Die Ziele der USA liegen keineswegs im Stillen Ozean".
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und auf eine der Archipel-Inseln Anspruch erheben.* 8 Tatsächlich legte Präsident MacKinley bereits während der Verhandlungen mit Jules Cambon, der die Interessen Spaniens in Washington wahrnahm, bei der Formulierung des Artikels 3 des Waffenstillstandsabkommens eine ungewöhnliche Beharrlichkeit a n den Tag, da dieser Artikel den amerikanischen Imperialisten die Besitzergreifung des gesamten Philippinen-Archipels erleichtern sollte. Die Mächte unterschätzten den Appetit der USA, als sie in dieser oder jener F o r m ihre Pläne f ü r eine Beteiligung an der Aufteilung der Reste des Archipels schmiedeten. Japan, das bereits vor Kriegsbeginn großes Interesse an den Philippinen gezeigt und mit H i l f e seiner zahlreichen Agenten die wirtschaftliche und politische Lage in der ehemaligen spanischen Kolonie sorgfältig erforscht hatte, war durch seine kontinentalen Eroberungen zu stark in Anspruch genommen und zu sehr auf eine Unterstützung seitens der USA gegen Rußland angewiesen, u m in bezug auf die Philippinen eine den amerikanischen Imperialisten feindliche Politik betreiben zu können. Als die USA nach dem Pariser Frieden die Freiheitsbewegung auf den Philippinen blutig zu unterdrücken begannen, u m ihre durch den Vertrag gewonnenen „Rechte" zu realisieren, war es kein anderer, als der ehemalige japanische Ministerpräsident Marquis Ito, der über die amerikanische Botschaft in Tokio seine Dienste als Vermittler zwischen den U S A und der philippinischen Republik anbot; den Krieg gegen diese f ü h r t e n die Amerikaner mit ungeheurer Grausamkeit. Den Imperialisten der USA schien der richtige Augenblick gekommen, ihre äußerst umfangreichen Eroberungspläne in die T a t umzusetzen und den Stillen Ozean in eine „amerikanische See" zu verwandeln. Während der Krieg in vollem Gange war, beschloß der Senat, die Hawaii-Inseln den USA anzugliedern; ihre Eroberung war durch die gesamte vorhergehende Politik der amerikanischen Imperialisten bereits sorgfältig vorbereitet worden. Diese f ü r die amerikanischen Expansionisten typische Politik wurde von ihnen wiederholt in den Ländern Lateinamerikas angewandt. Die von amerikanischen Diplomaten und Militärs auf den Hawaii-Inseln inszenierte „Revolution", die im Jahre 1895 mit H i l f e amerikanischer Bajonette zur Schaffung einer „Regierung" mit dem amerikanischen Richter Dole an der Spitze f ü h r t e , bedeutete bereits die Errichtung der amerikanischen Herrschaft. Nachdem sich die USA während des Krieges gegen Spanien die Hawaii-Inseln endgültig einverleibt hatten, sicherten sie sich durch ein Abkommen mit England und Deutschland die Insel Tutuila und andere Inseln des Samoa-Archipels östlich des 171. Meridians. Die wichtigsten Inseln Sawaii und Upolu erhielt ein anderer „junger Räuber" — Deutschland. Die bedeutendste aller amerikanischen Eroberungen im Stillen Ozean war jedoch die Eroberung der Philippinen. Der Pariser Vertrag, der Spanien aufgezwungen worden w a r , h a t t e die U S A zum „Besitzer" einer ausgedehnten, vom wirtschaftlichen und militärisch-politischen 48
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ABIIP, Kam;., Dok. 70, Bl. 231—232 und 143, Bl. 211, 241.
Standpunkt wichtigen Kolonie unmittelbar an den Zugängen zum Fernen Osten gemacht. Eines der Organe der amerikanischen Expansionisten schrieb mit zynischer Offenheit: „Die fünfhundert Meilen von Hongkong wehende amerikanische Flagge wird in naher Zukunft unserer Politik in China etwas Größeres bieten, als eine moralische Unterstützung". Es war kein Zufall, daß Lenin bei der Abfassung eines Konspekts zu dem Buch von Joseph Patouillet „Der amerikanische Imperialismus" unterstrich: „Die Philippinen sind ein Schritt nach Asien und China (S. 118)." 49
Die Doktrin der „offenen Tür" — ein Werkzeug der Expansionspolitik der USA Das wachsende Interesse des amerikanischen Kapitals am chinesischen Markt f ü h r t e zu Versuchen der amerikanischen Imperialisten, sich die unbegrenzten Möglichkeiten der Ausnutzung dieses Marktes zu sichern. Nicht n u r die Drohung, China zu zerstückeln, sondern auch dessen bereits eingeleitete Aufteilung in „Einflußsphären" spiegelte anschaulich die Bestrebungen der europäischen Mächte wider, „ihre Sphären" in Schutzgebiete ihrer monopolistischen Ausbeutung zu verwandeln. Obwohl die USA Eigentümer von Kolonien auf den Zugängen nach dem Fernen Osten geworden waren, konnten sie nicht sofort als Teilhaber bei der Aufteilung Chinas auftreten. Einmal behinderte die relative militärische Schwäche der USA im Fernen Osten zu jener Zeit ihr unmittelbares Auftreten als Partner an der Aufteilung Chinas; zum anderen war die aktive koloniale Expansionspolitik der USA damals in erster Linie auf Lateinamerika und auf die Festigung der pazifischen Zugänge zum asiatischen Kontinent (Hawaii, Samoa, Philippinen) gerichtet. Schließlich aber konnte die Eroberung irgendeiner einzelnen „Sphäre" die amerikanischen Expansionisten, die nach einer Monopolherrschaft in ganz China strebten, überhaupt nicht befriedigen. Durch die Aufstellung der Doktrin „offener Türen und gleicher Möglichkeiten" in China waren die USA bemüht, das unbegrenzte Eindringen amerikanischer Waren und Kapitalien in sämtliche Gegenden Chinas, darunter auch in die in „Einflußsphären" verwandelten oder gepachteten Territorien anderer Mächte zu gewährleisten. F ü r den wirtschaftlich starken amerikanischen Imperialismus mußte die Doktrin der „offenen T ü r " von Anfang an das Mittel zu einer allmählichen Verdrängung seiner Konkurrenten und zu einer Besetzung der Schlüsselstellungen in ganz China werden. Selbstverständlich verzichteten die imperialistischen Kreise der USA keineswegs auf die Methode des bewaffneten Kampfes, u m China zu beherrschen; sie rechneten jedoch darauf, das Prinzip der „offenen T ü r " weitgehend ausnutzen zu 49
B. H. .Hemm, Terpa^i no HMnepnajm3sry, S. 170. 91
Standpunkt wichtigen Kolonie unmittelbar an den Zugängen zum Fernen Osten gemacht. Eines der Organe der amerikanischen Expansionisten schrieb mit zynischer Offenheit: „Die fünfhundert Meilen von Hongkong wehende amerikanische Flagge wird in naher Zukunft unserer Politik in China etwas Größeres bieten, als eine moralische Unterstützung". Es war kein Zufall, daß Lenin bei der Abfassung eines Konspekts zu dem Buch von Joseph Patouillet „Der amerikanische Imperialismus" unterstrich: „Die Philippinen sind ein Schritt nach Asien und China (S. 118)." 49
Die Doktrin der „offenen Tür" — ein Werkzeug der Expansionspolitik der USA Das wachsende Interesse des amerikanischen Kapitals am chinesischen Markt f ü h r t e zu Versuchen der amerikanischen Imperialisten, sich die unbegrenzten Möglichkeiten der Ausnutzung dieses Marktes zu sichern. Nicht n u r die Drohung, China zu zerstückeln, sondern auch dessen bereits eingeleitete Aufteilung in „Einflußsphären" spiegelte anschaulich die Bestrebungen der europäischen Mächte wider, „ihre Sphären" in Schutzgebiete ihrer monopolistischen Ausbeutung zu verwandeln. Obwohl die USA Eigentümer von Kolonien auf den Zugängen nach dem Fernen Osten geworden waren, konnten sie nicht sofort als Teilhaber bei der Aufteilung Chinas auftreten. Einmal behinderte die relative militärische Schwäche der USA im Fernen Osten zu jener Zeit ihr unmittelbares Auftreten als Partner an der Aufteilung Chinas; zum anderen war die aktive koloniale Expansionspolitik der USA damals in erster Linie auf Lateinamerika und auf die Festigung der pazifischen Zugänge zum asiatischen Kontinent (Hawaii, Samoa, Philippinen) gerichtet. Schließlich aber konnte die Eroberung irgendeiner einzelnen „Sphäre" die amerikanischen Expansionisten, die nach einer Monopolherrschaft in ganz China strebten, überhaupt nicht befriedigen. Durch die Aufstellung der Doktrin „offener Türen und gleicher Möglichkeiten" in China waren die USA bemüht, das unbegrenzte Eindringen amerikanischer Waren und Kapitalien in sämtliche Gegenden Chinas, darunter auch in die in „Einflußsphären" verwandelten oder gepachteten Territorien anderer Mächte zu gewährleisten. F ü r den wirtschaftlich starken amerikanischen Imperialismus mußte die Doktrin der „offenen T ü r " von Anfang an das Mittel zu einer allmählichen Verdrängung seiner Konkurrenten und zu einer Besetzung der Schlüsselstellungen in ganz China werden. Selbstverständlich verzichteten die imperialistischen Kreise der USA keineswegs auf die Methode des bewaffneten Kampfes, u m China zu beherrschen; sie rechneten jedoch darauf, das Prinzip der „offenen T ü r " weitgehend ausnutzen zu 49
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können, um die Interessen der amerikanischen Businessmen schneller zu befriedigen. Bereits im Februar 1898 wandte sich die New Yorker Handelskammer an den Präsidenten mit der Bitte, Maßnahmen zum Schutz „bestehender vertraglicher Rechte unserer Bürger in China und zur Sicherung und Verteidigung ihrer bedeutenden Handelsinteressen in diesem Lande" zu ergreifen. Nach einer ziemlich langen Vorbereitung in den USA wurde der Text einer von Staatssekretär Hay unterzeichneten Note am 6. September 1899 den amerikanischen Botschaftern in Berlin, Petersburg uiid London zur Weiterleitung an die entsprechenden Regierungen telegraphisch übermittelt. Nach einiger Zeit wurde die Note auch den anderen Mächten überreicht. Hay bezog sich in seiner Note auf den wiederholt geäußerten Wunsch der englischen Regierung, die Doktrin der „offenen Tür" in China zu garantieren, und bemühte sich, den Erlaß der Zarenregierang vom 11. August 1899 über die Verwandlung von Dalni in einen Freihafen und entsprechende Erklärungen Deutschlands in bezug auf Kiautschou als Zeugnisse ihrer Bereitschaft auszulegen, die Doktrin der „offenen Tür" anzuerkennen. Die Note formulierte diese Doktrin in Form von drei grundlegenden Thesen: sie schlug den Mächten vor, ihre Bereitschaft zu erklären, sich weder an denRechten der Vertragshäfen zu vergreifen, noch gegen die Interessen anderer Mächte in „ihren Interessensphären" und auf den von China gepachteten Territorien zu verstoßen; auf alle Waren, die nach Häfen auf Pachtgebiet und in den „Einflußsphären" geliefert werden, unabhängig von ihrem Ursprung, die bestehenden chinesischen vertraglichen Tarife und Zollgebühren anzuwenden; von Schiffen, die in solchen Häfen eintreffen, und von ausländischen Frachten, die über Eisenbahnstrecken herangeführt werden, welche auf gepachtetem Territorium gebaut wurden, keine höheren Gebühren und Tarife zu erheben. Die Note Hays stieß bei den Mächten auf Zurückhaltung. Die Antwort Englands, das allgemein als Initiator der Doktrin der „offenen Tür" betrachtet wurde, zeigte, daß diese Doktrin für England selbst nur im Kampf für seine imperialistischen Interessen in China und als Mittel gegen jene Privilegien einen bestimmten Sinn hatte, die die Zarenregierung in der Mandschurei erhalten hatte. In seiner Antwort würdigte England die „hohen Ideen" der Hayschen Note, verlangte aber, daß ihre Grundsätze nicht auf Hongkong und Kaulun ausgedehnt würden. Rußlands Antwort war ebenfalls ausweichend. Die Anerkennung der Grundsätze der Hayschen Note hätte für den Zarismus den Verzicht auf alle in der Mandschurei erhaltenen Privilegien bedeutet. Die deutsche mündliche Antwort lief auf eine allgemein gefaßte Anerkennung der bestehenden Vertragsrechte und eine Bestätigung der Freiheit des ausländischen Handels in Kiautschou hinaus. Unter allen Mächten konnte Japan am ehesten mit einer Anerkennung der Haydoktrin einverstanden sein. Japan bewogen hierzu nicht nur die Vorteile, die es sich von seiner günstigen geographischen Lage versprach; sein Hauptgrund lag 92
darin, daß es sich der Unterstützung der USA für den Krieg gegen Rußland vergewissern wollte, auf den es sich vorbereitete. Japan machte jedoch, wie die anderen Mächte auch, seine Anerkennung der Haydoktrin, und zwar mit entsprechenden Vorbehalten, von dem gemeinsamen Einverständnis aller anderen Mächte abhängig. Es vergingen mehr als drei Monate, ehe die amerikanische Diplomatie das Einverständnis Englands erzielte, die Ausnahme vom Grundsatz der „offenen Tür" auf Hongkong zu beschränken. In bezug auf Rußland, schrieb Hay, „muß der russischen Antwort die weiteste Auslegung gegeben werden, die überhaupt möglich ist". Das Staatsdepartment der USA, das die Antworten der Mächte derartig weit auslegte, teilte am 20. März 1900 mit, es habe von allen Mächten, denen die Note überreicht worden sei, befriedigende Zusicherungen erhalten und man könne die Anerkennung der Doktrin der „offenen Tür" als „endgültig und sicher" betrachten. Gegen diese Feststellung erfolgten keinerlei Proteste. Dies gab den amerikanischen Imperialisten die Möglichkeit, zu behaupten, die Doktrin der „offenen Tür" habe somit ihr offizielles Existenzrecht erhalten. Sie wurde auf viele Jahre hinaus zum Deckmantel der gegenüber China durchgeführten Eroberungspolitik der USA und zu einem Werkzeug, das die Interessen des vordringenden amerikanischen Imperialismus sichern sollte. Der Volksaufetand gegen die Imperialisten in China Der Japanisch-Chinesische Krieg und die nachfolgende Aufteilung Chinas riefen ein Anwachsen der antiimperialistischen Stimmung in China hervor. Das selbstherrliche Gebaren der Imperialisten und die schweren Folgen, die das zunehmende Eindringen ausländischen Kapitals für die breiten Massen mit sich brachte, schürten den Haß gegen die Imperialisten noch mehr. In den nördlichen und nordöstlichen Provinzen Chinas, die nach dem Japanisch-Chinesischen Krieg zum Schauplatz eines intensiven Vordringens des ausländischen Kapitals wurden, erreichten diese Stimmungen ihre größte Schärfe. Sie äußerten sich vor allem in der Provinz Schantung, wo deutsche Behörden, Konzessionäre, Eigentümer von Eisenbahnen und Unternehmungen sowie deutsche Missionare die Chinesen besonders heftig drangsalierten. Die Volksbewegung wurde von chinesischen Geheimbünden geleitet. Der Bund „Ihetschuan" hatte den ausgeprägtesten Massencharakter. Die Anhänger dieses Geheimbundes verbanden ihre Kampfpropaganda gegen die „fremden Teufel" mit religiösen und mystischen Handlungen. Neben der ideologischen Vorbereitung der Bevölkerung betätigte sich der „Ihetschuan", insbesondere in Schantung, auch mit der körperlichen Ausbildung seiner Anhänger. Unter den Bezeichnungen und Zeichen der Geheimbünde gab es ein Wortbild, das eine Faust bedeutete („die Faust im Namen der Gerechtigkeit", der 95
darin, daß es sich der Unterstützung der USA für den Krieg gegen Rußland vergewissern wollte, auf den es sich vorbereitete. Japan machte jedoch, wie die anderen Mächte auch, seine Anerkennung der Haydoktrin, und zwar mit entsprechenden Vorbehalten, von dem gemeinsamen Einverständnis aller anderen Mächte abhängig. Es vergingen mehr als drei Monate, ehe die amerikanische Diplomatie das Einverständnis Englands erzielte, die Ausnahme vom Grundsatz der „offenen Tür" auf Hongkong zu beschränken. In bezug auf Rußland, schrieb Hay, „muß der russischen Antwort die weiteste Auslegung gegeben werden, die überhaupt möglich ist". Das Staatsdepartment der USA, das die Antworten der Mächte derartig weit auslegte, teilte am 20. März 1900 mit, es habe von allen Mächten, denen die Note überreicht worden sei, befriedigende Zusicherungen erhalten und man könne die Anerkennung der Doktrin der „offenen Tür" als „endgültig und sicher" betrachten. Gegen diese Feststellung erfolgten keinerlei Proteste. Dies gab den amerikanischen Imperialisten die Möglichkeit, zu behaupten, die Doktrin der „offenen Tür" habe somit ihr offizielles Existenzrecht erhalten. Sie wurde auf viele Jahre hinaus zum Deckmantel der gegenüber China durchgeführten Eroberungspolitik der USA und zu einem Werkzeug, das die Interessen des vordringenden amerikanischen Imperialismus sichern sollte. Der Volksaufetand gegen die Imperialisten in China Der Japanisch-Chinesische Krieg und die nachfolgende Aufteilung Chinas riefen ein Anwachsen der antiimperialistischen Stimmung in China hervor. Das selbstherrliche Gebaren der Imperialisten und die schweren Folgen, die das zunehmende Eindringen ausländischen Kapitals für die breiten Massen mit sich brachte, schürten den Haß gegen die Imperialisten noch mehr. In den nördlichen und nordöstlichen Provinzen Chinas, die nach dem Japanisch-Chinesischen Krieg zum Schauplatz eines intensiven Vordringens des ausländischen Kapitals wurden, erreichten diese Stimmungen ihre größte Schärfe. Sie äußerten sich vor allem in der Provinz Schantung, wo deutsche Behörden, Konzessionäre, Eigentümer von Eisenbahnen und Unternehmungen sowie deutsche Missionare die Chinesen besonders heftig drangsalierten. Die Volksbewegung wurde von chinesischen Geheimbünden geleitet. Der Bund „Ihetschuan" hatte den ausgeprägtesten Massencharakter. Die Anhänger dieses Geheimbundes verbanden ihre Kampfpropaganda gegen die „fremden Teufel" mit religiösen und mystischen Handlungen. Neben der ideologischen Vorbereitung der Bevölkerung betätigte sich der „Ihetschuan", insbesondere in Schantung, auch mit der körperlichen Ausbildung seiner Anhänger. Unter den Bezeichnungen und Zeichen der Geheimbünde gab es ein Wortbild, das eine Faust bedeutete („die Faust im Namen der Gerechtigkeit", der 95
Bund „der großen Faust" usw.). Aus diesem Grunde wurde die ganze Bewegung von den Imperialisten „Boxeraufstand" genannt. Die Boxerbewegung war der Ausdruck des Volksprotestes gegen die unerträglichen Lebensbedingungen, als deren Hauptschuldige die Chinesen die ausländischen Imperialisten ansahen. Der größte Teil der Anhänger dieser Bewegung bestand aus verarmten Bauern, Handwerkern, Bootsleuten, Kulis und anderen verelendeten Bevölkerungsschichten. Diese Volksbewegung wurde auch von zahlreichen Vertretern der chinesischen herrschenden Klassen aufmerksam beobachtet. Die Pekinger Regierung dachte nicht daran, sich dem Eindringen der Ausländer ernsthaft zu widersetzen, doch konnte die Tsin-Dynastie die ständig zunehmende Empörung im Lande nicht ignorieren. 5 0 Aus Furcht vor eventuellen AJctionen des Volkes gegen die herrschende feudal-bürokratische Klasse und die schmarotzende mandschurische Oberschicht glaubte die Dynastie, „durch eine Reihe von Erlassen über die Schaffung von freiwilligen Abteilungen zum Schutze des Landes" die Äußerung der Unzufriedenheit des Volkes eindämmen und diese in eine f ü r sie selbst ungefährliche Richtung lenken zu können. Andererseits glaubten die höchsten Würdenträger des Reiches wie J u n g Lu oder der alte Günstling der Kaiserin Tsu Hsi, Li Hung-tschang, nicht an die Möglichkeit eines erfolgreichen Kampfes gegen die starken europäischen Mächte. Viele von ihnen waren durch feste Kompradoren-Bande an die ausländischen Mächte gefesselt. Die Anhänger einer liberalen Umgestaltung Chinas und seiner Europäisierung wie z. B. Tschang Tschi-tung, der sich nach dem Zusammenbruch der „100 Reformtage" von Kang Ju-wei und der von diesem geleiteten Bewegung losgesagt hatte, waren ebenfalls, wenn auch aus anderen Gründen, gegen eine Förderung der ausländerfeindlichen Kundgebungen. Wie bereits erwähnt, hatte in Schantung infolge wirtschaftlicher Ursachen und der besonderen Unverfrorenheit der deutschen Imperialisten die antiimperialistische Volksbewegung die größten Ausmaße angenommen. Auf D r ä n g e n der deutschen Diplomaten in Schantung wurde Generalgouverneur Jü Hsien, der die Regierungserlasse über die Schaffung von Freiwilligentrupps zum Schutz gegen die Imperialisten als Hinweis zur Unterstützung der Aufständischen verstanden hatte, durch J ü a n Schi-kai ersetzt. Dieser unterdrückte mit beispielloser Grausamkeit unter Anwendung von Folterungen und Erschießungen, hauptsächlich auf Weisung der deutschen Behörden, die Volksbewegung. Die Repressalien hatten die Flucht zahlreicher Mitglieder der Geheimbünde i n die Nachbarprovinzen Tschili und Schansi zur Folge, wo die Auflehnung der Bevölkerung gegen die Imperialisten gleichfalls große Ausmaße annahm. Die Bewegung dehnte sich auch auf die Mandschurei aus. 50
T . B . E^HMOB, OiepKH no Moskau 1949, Seite 132.
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Inzwischen hatte in der Pekinger Regierung die ? reaktionärste MandschuGruppe ihre Positionen gefestigt. A n f a n g 1900 teilte ein kaiserlicher E r l a ß mit, daß infolge der schwachen Gesundheit von K u a n g Hsü der Prinz T u a n zum Thronfolger ernannt werde; dieser war ein bekannter Reaktionär und Anhänger des Standpunktes, daß im Interesse der Dynastie die Unzufriedenheit des Volkes gegen die Ausländer ausgespielt werden müsse. T u a n wurde eine der einflußreichsten Figuren in der Regierung. Zahlreiche Würdenträger, die gegen den von ihm eingeschlagenen Kurs zu protestieren wagten, bezahlten das mit ihrem Leben. Die Volksbewegung nahm immer größere Wucht an. Die Zerstörung der Eisenbahn bei Paotingfu durch die Aufständischen im M a i 1900 wurde gewisserm a ß e n zum Signal eines allgemeinen Aufstandes. Am 14. Juni marschierten die Volksabteilungen in Peking ein. Die imperialistischen Mächte beobachteten m i t großer Besorgnis das Anwachsen der Volksbewegung, in der sie eine Bedrohung ihrer Pläne zur kolonialen Versklavung Chinas erblickten. Sie forderten von der Pekinger Regierung eine entschlossene Bekämpfung des „Ihetschuan" und anderer Geheimbünde und begannen, bewaffnete Kräfte nach Tientsin zu entsenden. Ende Juni waren i m Gebiet von Tientsin Truppen in Stärke von etwa vierzehntausend M a n n konzentriert, die bereit standen, um den räuberischen Ansprüchen der Mächte durch Waffengewalt Nachdruck zu verleihen. Während die imperialistischen Mächte fieberhaft Vorbereitungen f ü r eine bewaffnete Intervention trafen, entsandten sie unter dem Vorwand, die diplomatischen Missionen schützen zu müssen, eine aus ausländischen Soldaten zusammengesetzte Abteilung unter dem Kommando des englischen Admirals Seymour nach der Hauptstadt. Diese Abteilung stieß jedoch auf den Widerstand der Volksabteilungen; sie konnte Peking nicht erreichen, zog sich nach Tientsin zurück und entging nur deshalb der Vernichtung, weil sie sich einige Kilometer vor Tientsin in einem Arsenal verschanzen konnte. Hier m u ß t e sie bis zum Eintreffen neuer Verstärkungen der imperialistischen Mächte einer langandauernden Belagerung standhalten. Am 16. Juni machten die Vertreter der imperialistischen Mächte in Tientsin den chinesischen Behörden in ultimativer F o r m den Vorschlag, den Ausländern die Takuforts zu übergeben. Die räuberische Besetzung der chinesischen Festungsanlagen durch europäische Landungstruppen rief einen neuen Aufschwung der antiimperialistischen Bewegung hervor. I n der Hauptstadt spielte sich u m die in Verwirrung geratene Kaiserin herum ein Ringen der Hofcliquen ab. Die verschiedenen Cliquen der herrschenden Klasse Chinas fürchteten in gleichem M a ß e die Volksbewegung und bemühten sich, einen eventuellen Ausbru'ch der Volksempörung von der feudalen Oberschicht und der Tsin-Dynastie abzulenken. Während jedoch Jung Lu durchgreifende M a ß n a h m e n gegen die Aufständischen verlangte, hofften Prinz T u a n und seine Anhänger, die drohende Volksbewegung durch eine offizielle Unterstützung des Aufstandes und durch die Kriegserklärung an diejenigen ausländischen Mächte, die mit einer militärischen Invasion faktisch bereits begonnen hatten, abwenden zu können. 95
Am 20. Juni unterschrieb Tsu Hsi einen Erlaß, in dem den Ausländern der Krieg erklärtwurde. Den ausländischen Missionen wurde vorgeschlagen, dieHauptstadt zu verlassen, was diese jedoch unter dem Vorwand ablehnten, es wäre unmöglich, zur Küste zu gelangen. Die europäischen Diplomaten waren in Peking isoliert. Am gleichen 20. Juni wurde der deutsche Gesandte von Ketteier, der das Botschaftsviertel trotz Warnung seitens der chinesischen Behörden verlassen hatte, um sich nach dem Tsungli-Jamen zu begeben, unterwegs von einem mandschurischen Soldaten getötet. Der deutsche Gesandte hatte durch seine Grausamkeit und Arroganz den Haß der chinesischen Bevölkerung auf sich gezogen. Er war der Inspirator der grausamen Vergeltungsmaßnahmen an den Rebellen in der Provinz Schantung. Die Wache der deutschen Mission trieb mit der friedlichen chinesischen Bevölkerung ihren Spott; sie beschoß von den Mauern des Botschaftsviertels aus friedliche Versammlungen der Chinesen im südlichen Teil der Stadt. Der Gesandte prügelte eigenhändig die in den Kellern der Mission eingekerkerten friedlichen Chinesen.61 In kurzer Zeit war das ganze Botschaftsviertel von Abteilungen der Aufständischen und von Regierungstruppen belagert. Es begann das 56tägige „Sitzen" der ausländischen Missionen. Jung Lu hatte den unter seinem Befehl stehenden europäisch ausgebildeten chinesischen Soldaten verboten, sich an der Belagerung des Botschaftsviertels zu beteiligen, und benutzte seinen ganzen Einfluß auf die Kaiserin, um die Immunität der Gesandten durchzusetzen. Die Volksabteilungen erhielten von der Mandschu-Dynastie Uniformen, doch wurden sie vorsichtshalber nicht mit Feuerwaffen ausgerüstet; das Verbot Jung Lus, sich der neuen europäischen Geschütze zu bedienen, machte das spärliche Artilleriefeuer auf das Viertel so gut wie unwirksam. Indes stritten die ausländischen Mächte darum, wer von ihnen bei der Intervention in China die führende Rolle spielen sollte. Anfangs bemühte sich Japan, die Straffunktionen allein zu übernehmen; England, das durch den Burenkrieg in Afrika behindert war, unterstützte dies auf jede Weise und wandte sich mit einer entsprechenden Mitteilung an die Mächte. Englands Vorschlag wurde jedoch nicht gebilligt. Alle „großen" europäischen Mächte und die USA wollten auf diese oder jene Weise bei der Intervention vertreten sein, um an der Lösung des „chinesischen Problems" unmittelbar teilzunehmen. Die Teilnahme der USA an der gemeinsamen Intervention der Mächte zeigte, in welchem Maße sich der amerikanische Imperialismus nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg in China aktiviert hatte. Die Diplomatie der USA erklärte die „Notwendigkeit" einer Intervention damit, daß man die berüchtigte Doktrin der „offenen Tür" „verteidigen" müsse. In einem Rundschreiben vom 3. Juli an die Botschafter der Mächte in Washington wies Staatssekretär Hay zynisch auf die Aufgabe hin, „die territoriale und administrative Einheit" Chinas., die vertraglichen Rechte und die Doktrin der „offenen Tür" zu erhalten. 61
Djang Feng Djen, The Diplomatie relations between China and Germany since 1898, Shanghai 1936, S. 69.
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Die Möglichkeit territorialer Eroberungen durch die Mächte in China war um so gegenständlicher, als der Volksaufstand plötzlich die ganze Schwäche der Zentralregierung in Peking offenbart hatte. Die Vizekönige Südchinas, Tschang Tschi-tung in Wutschang und Li Tschung-ho in Nanking, lehnten es ab, die Anordnung Pekings über den Beginn des Krieges gegen die Ausländer zu befolgen und traten mit den ausländischen Konsuln in unmittelbare Verbindung. Sie übernahmen durch eine entsprechende Erklärung die Garantie für Leben und Eigentum der Ausländer. In diesem Sinne informierten sie auch die chinesischen Gesandten bei den ausländischen Mächten. Li Hung-tschang in Kanton und Jüan Schi-kai in Schantung vertraten den gleichen Standpunkt. Sie unterdrückten in ihren Gebieten rücksichtslos jegliches Aufflackern antiimperialistischer Kundgebungen. Große Ausmaße hatte die antiimperialistische Volksbewegung in den Provinzen Tschili und Schansi sowie in der Mandschurei angenommen. Die Aktionen in der Mandschurei führten zur Zerstörung bedeutender Strecken der russischen Eisenbahn. Die Generale des Zaren begannen die Chinesen zu „bändigen". Die in die Mandschurei gesandten Truppen des Zaren hielten bereits Ende Juni die Nord- und die Zentralmandschurei unter ihrer Kontrolle. Anfang August wurde die Zarenflagge in Niutschuang gehißt. Unter den Vorzugsbedingungen, die das zaristische Rußland in der Mandschurei bereits erworben hatte, verschärfte die Besetzung der Mandschurei durch zaristische Truppen den Kampf der imperialistischen Mächte für ihre Interessen in der Mandschurei unter dem Schein der heuchlerischen „Besorgnis" um die Erhaltung der „territorialen Integrität" Chinas und trieb sie dazu, eine „gemeinsame" Lösung der Fernostprobleme anzustreben. Aus dem von der Außenwelt abgeschnittenen Peking kamen die phantastischsten Gerüchte. Eine Zeitlang wurden Nachrichten über die Vernichtung aller Europäer in der Hauptstadt verbreitet; die „Times" veröffentlichte Nekrologe. In den Kirchen setzte man sogar Totenmessen an. Dies alles wurde mit dem offensichtlich provokatorischen Ziel veranstaltet, einen stichhaltigen Vorwand f ü r einen Raubkrieg gegen das chinesische Volk zu finden. Ani 6. August setzten sich Abteilungen der vereinten ausländischen Armee aus Tientsin in Richtung Peking in Bewegung. Ihre Kräfte wurden offiziell auf insgesamt rund 19 000 Mann geschätzt, unter ihnen 8000 japanische und etwa 5000 russische Soldaten. England stellte 3000 indische Soldaten. Die amerikanischen Truppen unter dem Befehl von General Chief zählten über 2000 Mann. Sie waren zu diesem Zweck von den Philippinen abgezogen worden, die sie dem reichen Gesindel zuliebe abgewürgt hatten. 62 Frankreich war fast ausschließlich durch annamitische Schützen (800 Mann) vertreten. Die Teilnahme Österreich-Ungarns und Italiens an dieser Expedition hatte mehr formalen Charakter (von jedem dieser Staaten nahmen etwa 50 Mann teil). Trotz der blutrünstigen Verkündungen des Kaisers und seines Befehls, unverzüglich 7000 Mann 52
W. I. Lenin, Brief an die amerikanischen Arbeiter, Dietz Verlag, Berlin 1948, S. 4.
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zur Entsendung nach China zu mobilisieren, hatte Deutschland zu Beginn des Feldzuges keine irgendwie bedeutsamen Abteilungen in der vereinten Armee der Interventen. Nach Überwindung einigen Widerstandes näherte sich die Armee der Interventen nach einer Woche der Hauptstadt. Li Hung-tschang, der das Wohlwollen des Throns und die Statthalterschaft von Tschili zurückgewonnen hatte, unternahm alles, was in seiner Macht stand, u m Friedensverhandlungen einzuleiten und den Einmarsch der Europäer in die Hauptstadt zu vermeiden. E i n kaiserlicher Erlaß hatte ihn bereits am 8. August beauftragt, Verhandlungen mit den Ausländern zu f ü h r e n , doch die ausländischen Mächte erklärten, „vor A u f n a h m e eines Kontakts m i t den Gesandten in Peking" könne die Frage der Verhandlungen nicht gelöst werden. Dies bedeutete, daß die Imperialisten einen Verhandlungsbeginn vor Besetzung der chinesischen Hauptstadt ablehnten. Am 14. August marschierten die ausländischen Truppen in die Hauptstadt ein. Damit befand sich Peking vollständig in der Gewalt der Imperialisten. Tsu Hsi und der Hof flüchteten entgegen den Ratschlägen von Jung Lu, der die Ansicht vertrat, daß die Anwesenheit der Kaiserin in Peking die Lage der Dynastie und eine Einigung mit den Mächten erleichtern würde. Obgleich Tsu Hsi bereits beschlossen hatte, die Prinzen und Würdenträger zu opfern, die die Bewegung gegen die Ausländer unterstützt hatten, wollte sie aus Furcht u m ihr Leben nicht in der Hauptstadt bleiben. Nachdem die imperialistischen Truppen die Hauptstadt eingenommen hatten, teilten sie diese in Zonen, deren „Schutz" den entsprechenden Mächten aufgetragen wurde. Die Interventen rechneten erbarmungslos mit der Bevölkerung ab und plünderten ihre Habe. Die „verbotene Stadt" (das kaiserliche Palastviertel) wurde jedoch vor dem Eintreffen der deutschen Truppen nicht angetastet; m a n begnügte sich mit einem demonstrativen Parademarsch durch diesen verschonten Teil der Hauptstadt. Unter dem Vorwand, daß der deutsche Gesandte ermordet worden sei, beanspruchte Deutschland die führende Rolle bei der vereinten Intervention. Wilhelm II. ernannte den Feldmarschall Graf Waldersee zum Befehlshaber sämtlicher Verbände der Strafexpedition. Waldersee traf am 27. September in Tientsin ein, ausgestattet mit einer Weisung im Stil der berühmten „Hunnen"-Rede, mit der der Kaiser am 27. Juli in Bremen die ersten deutschen Abteilungen auf den Weg geschickt hatte. „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer Euch in die Hände fällt, sei Euch verfallen! Wie vor 1000 Jahren die H u n n e n unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch Euch in einer Weise betätigt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch n u r scheel anzusehen!" Obgleich Waldersee erst einige Zeit nach der Besetzung der Hauptstadt durch ausländische Truppen und nach der faktischen Unterdrückung des Aufstandes in Peking eingetroffen war, beanspruchte er sofort die Rolle des Oberbefehlshabers der vereinten Streitkräfte. Die Mächte waren damit einverstanden. 98
Waldersee, der sich im Kaiserpalast niederließ, trat als echter Vorläufer der deutsch-faschistischen Barbaren auf. Auf seinen Befehl wurden Blutgerichte an Chinesen vollzogen, kam es zu ungeheuerlichen Plünderungen und Verhöhnungen. Auf der Suche nach Kostbarkeiten ordnete Waldersee an, die Fußböden im Palast aufzubrechen und die kaiserlichen Gärten umzugraben. Unter Verletzung des religiösen Glaubens der Chinesen machte er auf der Jagd nach Schätzen nicht einmal vor einer Schändung von Grabmalen halt. Waldersee war der Hauptinspirator zahlreicher Strafexpeditionen, die mit den einzelnen Abteilungen der Aufständischen abrechneten. Er setzte seine Henkertätigkeit auch dann noch fort, als bereits Verhandlungen mit chinesischen Vertretern begonnen hatten. I n der Zeit vom 12. Dezember bis Ende April 1901 organisierte er 45 Expeditionen; an 35 dieser Expeditionen nahmen n u r deutsche Soldaten teil. Sowohl das deutsche Militärkommando als auch die deutschen Diplomaten legten eine ungewöhnliche Habsucht und beispiellose Grausamkeit an den Tag. Dies entsprach vollauf den Anweisungen des Kaisers, der zur Lösung internationaler Streitigkeiten eine barbarische Methode vorgeschlagen hatte: die zu den Verhandlungen delegierten chinesischen Vertreter sollten festgenommen und so lange in Gewahrsam gehalten werden, bis China alle Forderungen der Mächte erfüllt hätte. Die Verhandlungen mit der chinesischen Regierung begannen bei weitem nicht sofort nach der Einnahme von Peking. Der Grund hierfür lag in den Meinungsverschiedenheiten der Mächte untereinander. Das zaristische Rußland hatte faktisch die Mandschurei besetzt. D e n Streitkräften, die in die Mandschurei einmarschiert waren, folgten Eisenbahnertrupps, welche die von den Aufständischen zerstörten Eisenbahnlinien instandsetzten. Die Okkupation der Mandschurei durch Rußland weckte den Neid der anderen Mächte. Namentlich dieser Umstand zwang die Mächte, heuchlerisch den Grundsatz der E r h a l t u n g der „Integrität" Chinas zu verteidigen. England sah darin eine sichere Methode, die Festigung der russischen Positionen in der Mandschurei zu verhindern. Die englische Regierung, die voll und ganz mit dem Kolonialkrieg in A f r i k a zu tun hatte, konnte keine direkten Druckmittel anwenden und die englischen Vertreter m u ß t e n deshalb bei anderen Mächten Unterstützung gegen Rußland suchen. Deutschland, das bereit war, die „Integrität" Chinas zu unterstützen, spekulierte vor allem auf eine gewaltige Kontribution. F ü r die USA war, abgesehen von besonderen Eroberungsabsichten in der Mandschurei, wo der amerikanische Handel den russischen um ein Vielfaches übertraf, die Proklamation der „Integrität" Chinas mit der Ausnutzung des Hauptwerkzeugs des amerikanischen Vordringens, der Doktrin der „offenen T ü r " , verbunden. F ü r Japan ergab sich der Widerstand gegen Rußland in der Mandschurei vor allem daraus, daß japanische imperialistische Kreise diese Gebiete ebenso wie Korea als erstrangige Objekte der japanischen Expansion ansahen. Die unterschiedlichen Ziele, die sich die einzelnen Mächte gesteckt hatten, f ü h r t e n zu unterschiedlichen Formen der Beziehungen zu China. Obgleich die 99
aggressivsten Kreise des zaristischen Rußlands weitgehende Eroberungspläne vorschlugen, setzte die russische Diplomatie ihre Hoffnung auf die Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zu China. Das Außenministerium erhob gegen die Beteiligung russischer Truppen am Feldzug gegen Peking Einspruch und bestand darauf, daß die Leitung der Expedition keinesfalls dem russischen Oberbefehl übertragen werde. Die russische Regierung war bestrebt, die Ereignisse so schnell als möglich auf die Ebene diplomatischer Verhandlungen zu überführen. Mit der Zurückziehung der russischen Truppen aus Peking „wurde im August begonnen (zur großen Empörung insbesondere der Deutschen), und beim Eintreffen Waldersees (im Oktober 1900) waren auf dem Pekinger Kriegsschauplatz keine russischen Truppen zur Teilnahme an jenem Bacchanal internationaler Strafexpeditionen mehr anwesend, das erst im April 1901 sein Ende fand." 83 Rußland war die erste Macht, die ihre Bereitschaft zum Ausdruck brachte, die Vollmachten I i Hung-tschangs als Vertreters der chinesischen Regierung bei den Verhandlungen anzuerkennen. In einem persönlichen Telegramm an Li Hungtschang erteilte Witte diesem den Rat, sich schneller nach Peking zu begeben, um den Beginn der Verhandlungen vor dem Eintreffen Waldersees zu erreichen und damit neue Schwierigkeiten zu vermeiden. Gleichzeitig verlangten die bevorstehenden Verhandlungen eine Ausarbeitung der Forderungen des zaristischen Rußlands. Bei der Erörterung dieser Frage traten in Petersburg zwei Hauptströmungen zutage. Der Kriegsminister Kuropatkin forderte nicht nur eine Kompensation für die Schäden an der Ostchinesischen Bahn, sondern auch den Verzicht Chinas auf das Recht, in der Mandschurei Truppen, mit Ausnahme von Polizeiwachen, zu unterhalten. Er forderte ferner die Gewährung des Rechts, die wichtigsten Punkte der Eisenbahn mit russischen Truppen zu besetzen, sowie das Recht, die Administration der Mandschurei zu kontrollieren. General Grodekow, der Chef des Militärbezirks des Amurgebietes, ging in seinen Forderungen noch weiter. Es waren Erwägungen strategischen Charakters, die den von Militärkreisen empfohlenen Plänen für eine territoriale Festsetzung Rußlands in der Mandschurei zugrunde lagen. Die Militärkreise, die diese Forderungen aufstellten, schlugen jedoch für den Fall eines Krieges gegen Japan keine hinreichend wirksamen Schutzmaßnahmen vor. Die Pläne Wittes, der gegen Kuropatkin auftrat, gingen ihrem Wesen nach weiter. Jedoch verband Witte, der von einer Festigung des russischen Einflusses in der Mandschurei, in Korea und Nordchina träumte, diese Pläne mit einer sorgfältigen wirtschaftlichen Vorbereitung. Diese Vorbereitung umfaßte sowohl Maßnahmen interner Art (Vollendung des Eisenbahnbaues, Kolonisierung und feste Einbeziehung der Grenzgebiete usw.), als auch ein finanziell-wirtschaftliches Vordringen nach China selbst. Wittes Pläne eines „friedlichen" Imperialismus 53
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zielten auf eine wirtschaftliche Unterwerfung der Mandschurei und auf ein weiteres Vordringen nach China mit Hilfe russischer Banken und Gesellschaften ab. Er erwog die Beteiligung ausländischen Kapitells unter russischer Kontrolle und innerhalb der Grenzen, die ihm durch Rußland gezogen werden sollten. Gleichzeitig änderte er auf Grund der internationalen Lage seinen Standpunkt bezüglich der unmittelbaren Maßnahmen im Fernen Osten mehr als einmal in bedeutendem Maße. Im Jahre 1895 behauptete er, es sei notwendig, mit allen Mitteln „und selbst kriegerischen", eine Festigung der japanischen Positionen in Liautung zu verhindern, während er im Jahre 1900 einen „gemäßigten Kurs" verteidigte, wobei er auf eine rein wirtschaftliche Expansion bestand. In einer ausführlichen, im August 1900 vorgelegten Denkschrift wies Witte im Zusammenhang mit dem aktiven Kurs im Fernen Osten auf die Gefahr einer Schwächung Rußlands im Westen hin. In der Frage der Forderungen Rußlands an China triumphierte zeitweilig der relativ „gemäßigte" Standpunkt. Hiervon zeugte sowohl das Telegramm des Kriegsministers an Grodekow, in dem auf die Unannehmbarkeit seiner territorialen Eroberungspläne in der Mandschurei hingewiesen wurde, als auch die Zirkularnote vom 25. August, die erneut die beschränkten Ziele der russischen Regierung bei der Unterdrückung des Boxeraufstandes bestätigte. In der Note hieß es, „die russischen Truppen würden, sobald die Ordnung wiederhergestellt sei, abgezogen, sofern nicht Handlungen der anderen Mächte das verhinderten" . Um China nicht übermäßig zu schwächen und somit seine Versklavung durch die Gegner des Zarismus, die europäischen Mächte, die USA und Japan, zu erleichtern, hob das Finanzministerium in einer speziellen Denkschrift hervor, 1 daß Rußland finanzielle Entschädigungen für sich überhaupt nicht fordern sollte, falls auf diese Weise ähnliche Ansprüche der anderen Länder vermieden werden könnten. Da die chinesische Regierung aber bereits ihr Einverständnis erklärt hatte, Kontributionen zu zahlen, hätte ein Verzicht Rußlands die gesteckten Ziele nicht erreicht. Deshalb mußte es bei den Verhandlungen in Peking die Aufgabe Rußlands sein, für eine mögliche Verringerung der finanziellen Forderungen der Mächte einzutreten und auf einem Anteil für Rußland zu beharren, den es in Form von zusätzlichen Privilegien in der Mandschurei realisieren wollte. Die Mächte waren nicht sofort in der Lage, gemeinsame Forderungen für die Verhandlungen auszuarbeiten. Als der kaiserliche Erlaß vom 25. September die Absetzung des Prinzen Tuan und anderer, sowie die Auslieferung einer Reihe von Würdenträgern, die der Begünstigung des Aufstandes beschuldigt wurden, an die Gerichtsbehörden bekanntgab, verlangte Deutschland, daß den Mächten die Feststellung überlassen werde, ob das Verzeichnis der zu Bestrafenden lückenlos sei und ob das Strafmaß ihren „Verbrechen" entspreche. Am 4. Oktober 1900 schlugen die französischen Vertreter als Verhandlungsbasis eine Reihe grundlegender Punkte vor; diese enthielten: 1. Bestrafung der am Aufstand und an der Ermordung von Ausländern Schuldigen, 2. Waffeneinfuhrverbot für China, 3. gebührende Entschädigung der imperialistischen Mächte, 101
Gesellschaften und Privatpersonen, 4. Einrichtung einer ständigen Gesandtschaftswache in Peking, 5. Schleifung der Takuforts, 6. militärische Besetzung von drei Punkten an der Straße Peking—Taku, u m diese Straße ständig f ü r die Fahrten der Gesandtschaften zum Meer und von Militärabteilungen nach der Hauptstadt frei zu halten. Diese Note diente — ebenso wie die September-Note der deutschen Regierung, die noch härtere Forderungen gestellt hatte — als Grundlage f ü r die Ausarbeitung gemeinsamer Ansprüche; die Beratung der Forderungen beanspruchte mehr als zwei Monate, was den Kampf und die Widersprüche unter den imperialistischen Mächten deutlich widerspiegelte. Die größten Hindernisse waren die Feststellung der Zahl jener chinesischen Würdenträger, die als „Schuldige" f ü r strafbar befunden wurden, der deutsche Entwurf über die Form der Entschuldigung Chinas, die E r richtung eines Denkmals f ü r Ketteier usw. Schließlich wurde die gemeinsame Note der Mächte Mitte Dezember unterzeichnet und am 22. Dezember den chinesischen Vertretern überreicht. Die ausländischen Besatzungstruppen sollten i n Peking verbleiben, bis die chinesische Regierung die Forderungen der Mächte angenommen hatte. Am 28. Dezember kam aus Sianfu, wo sich der chinesische Hof aufhielt, die Nachricht, daß man dort mit den Forderungen der Mächte einverstanden sei. Die ausländischen Vertreter wollten sich damit nicht begnügen und verlangten ein Dokument mit dem kaiserlichen Siegel. Nachdem die chinesischen Vertreter dieser Forderung nachgekommen waren, trugen sie die Bitte vor, die einzelnen Punkte der gemeinsamen Note genauer darzulegen. Die Mächte waren damit einverstanden, was der Mannigfaltigkeit der Standpunkte im imperialistischen Lager entsprach, die in der gemeinsamen Note in einen sehr allgemein gefaßten Kompromiß eingemündet waren. Die ausführliche Beratung nahm mehr als ein halbes Jahr in Anspruch. W ä h rend dieser Zeit wurde übrigens eine ganze Reihe von Forderungen der ausländischen Mächte noch vor Unterzeichnung des Schlußprotokolls verwirklicht. Den vereinten Truppen der Imperialisten war es nicht n u r gelungen, die Volksbewegung gegen die ausländischen Eindringlinge zu unterdrücken, sondern auch die weitere Unterwerfung Chinas durch Gewalt zu erreichen. Chinas Opfer waren ungeheuer groß. Die Zugeständnisse im Verlauf der Verhandlungen sowie das Schlußprotokoll waren ein erniedrigendes Zeugnis der weiteren Knechtung Chinas durch die imperialistischen Mächte; sie schlössen den Umwandlungsprozeß Chinas in ein halbkoloniales Land ab. Li Hung-tschang bemühte sich, die finanziellen Ansprüche der Mächte zu mäßigen, unter denen Deutschland bestrebt war, das Maximum aus dem Gesamtbetrag zu erhalten. Rußland und die USA schlugen vor, die Festsetzung der Höhe der finanziellen „Entschädigung" dem Haager Tribunal zu überlassen. Die Verhandlungen über die Mandschurei wurden von Rußland und China separat und parallel mit den unter Beteiligung russischer Vertreter stattfindenden allgemeinen Verhandlungen der Mächte geführt. Li Hung-tschang w a r nicht abgeneigt, diese separaten Besprechungen auszunutzen, u m sich auf Kosten der 102
Rußland versprochenen Zugeständnisse in Fragen der Mandschurei eine freundschaftliche Position der russischen Vertreter bei den gemeinsamen Verhandlungen der Mächte zu sichern. Indem Li Hung-tschäng gleichzeitig den Forderungen Rußlands die gemeinsame antirussische Front der europäischen imperialistischen Mächte, Japans und der USA gegenüberstellte, bemühte er sich, die Rußland gegebenen Versprechungen wieder auf ein Nichts zu reduzieren. Dieses Spiel besserte jedoch die Lage Chinas keineswegs. Das Schlußprotokoll wurde endlich am 7. September 1901 unterzeichnet. Die Gesamtsumme der gigantischen Kontribution, die China zahlen mußte, betrug 450 Millionen Tael, nicht eingerechnet die Zinsen. Das Schlußprotokoll enthielt einerseits die Fixierung der von China bereits erfüllten Forderungen, andererseits eine Aufzählung seiner weiteren schweren Verpflichtungen. Die Verschärfung der Widersprüche zwischen Japan und Rußland in der Mandschurei Die Okkupation der Mandschurei durch Rußland und die Versuche, sich in dieser Frage mit China separat zu einigen, riefen den Widerspruch der Mächte, vor allem der USA, Englands und Japans hervor. Die Verhandlungen des Obersten Chefs des Kwantunggebietes, des Admirals Alexejew, und des Generals Grodekow unmittelbar mit den örtlichen mandschurischen Behörden, die gleichzeitig mit den Pekinger Verhandlungen stattfanden, verschärften die Lage noch mehr. Im November schloß Alexejew ein Abkommen mit dem Gouverneur von Mukden, der die russische Kontrolle faktisch anerkannte. Die russischen Truppen sollten an einigen Punkten verbleiben. Die chinesischen Truppen wurden entlassen und die Lager und Waffen der russischen Heeresleitung übergeben. Der in der „Times" veröffentlichte Text des Abkommens Admiral Alexejews mit dem Gouverneur von Mukden löste in England trotz ungenauer Wiedergabe eine unverzügliche Reaktion aus. Marquis Lansdowne erteilte bereits am 5. Januar 1901 den englischen Botschaftern in Petersburg und Peking den Auftrag, die Tatsache des Bestehens eines solchen Abkommens zu überprüfen. Darüber hinaus begannen im Januar 1901 englische Regierungskreise mit Deutschland und Japan „über eine offene Einmischung und sogar über ein Bündnis zu dritt gegen Rußland" zu verhandeln.54 Als Grundlage des Separatabkommens, das die Zarenregierung im Januar 1901 China vorgeschlagen hatte, sollten folgende Bedingungen gelten: Verzicht Chinas auf die Erteilung von Konzessionen an Ausländer in der Mandschurei, der Mongolei und in den an Rußland grenzenden Provinzen Westchinas; Entschädigung für die durch den „Krieg", (d. h. den Volksaufstand) von chinesischer Seite angerichteten Verluste durch Gewährung neuer Konzes54
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war von den Japanern darauf berechnet, den Krieg unter dem Vorwand zu entfesseln, die Gegenseite ziehe die diplomatischen Verhandlungen in die Länge. Die Hauptetappen der Verhandlungen zeigten deutlich genug, welchem Zweck sie dienen sollten. Das am 12. August 1903 durch den japanischen Botschafter überreichte japanische Projekt eines Übereinkommens enthielt den Vorschlag, sowohl das koreanische als auch das mandschurische Problem zum Gegenstand der Besprechungen zu machen. Es sah den Verzicht Rußlands auf die von ihm in der Mandschurei eroberten Positionen sowie die Anerkennung weitgehender Interessen Japans in Korea, wie auch in der Mandschurei vor. Artikel 1 enthielt die Verpflichtungen, die „Souveränität" und die territoriale „Integrität" Chinas und Koreas zu achten und den Grundsatz der Gleichberechtigung aller Nationen in bezug auf Handel und Industrie zu unterstützen. Artikel 2 besagte, daß Rußland das Vorherrschen der japanischen Interessen in Korea anerkenne, Jap ein hingegen nur die „speziellen Eisenbahnbau"-Interessen R u ß lands in der Mandschurei. Zudem hatte Japan nach Artikel 3 das Recht, die in Korea gebauten Eisenbahnen nach der Südmandschurei, bis zur Vereinigung mit der Ostchinesischen und der Schanhaikwan-Jingkou-Bahn, fortzusetzen. Das japanische Projekt bedeutete nicht n u r Rußlands Verzicht auf die Möglichkeit, sich in der mandschurischen Frage unmittelbar mit China zu einigen, sondern bedeutete Japans Zulassung in der Mandschurei unter gleichen Bedingungen wie Rußland. Die zaristische Diplomatie lehnte es ab, das japanische Projekt als Grundlage anzuerkennen, und bestand darauf, daß zugleich mit dem japanischen Projekt die Gegenvorschläge Rußlands erörtert würden. Eines von deren Hauptanliegen war hierbei, das Problem der Mandschurei auszusparen und das Abkommen n u r auf Korea betreffende Fragen zu beschränken. Am 14. August formulierte in Verbindung mit dem herannahenden T e r m i n f ü r die endgültige Evakuierung der Mandschurei (nach dem Abkommen vom 8. April 1902) und mit der entstandenen politischen Lage eine „Sonderkonferenz", bestehend aus dem Außenminister, dem Finanz- und dem Kriegsminister, die Beschlüsse betreffs der Mandschurei. Auf der Konferenz wurde beschlossen: sich bei der Evakuierung nicht an den Buchstaben des Abkommens vom 8. April zu klammern, die Truppen in der Mandschurei nur in die konzessionierte Zone der Ostchinesischen Bahn zurückzuziehen, Huntschun nicht aufzugeben und f ü r die zugestandene R ä u m u n g von Orten, die außerhalb der konzessionierten Zone lagen, eine Jahresfrist vorzusehen. China seinerseits sollte zu „Garantien" verpflichtet werden: Ausländern keinerlei Gebiete der Mandschurei zu überlassen, in den Gebieten Nordchinas Ausländer von allen leitenden Stellungen auszuschließen, die Handelsinteressen der Ostchinesischen Bahn zu schützen, in die Beibehaltung russischer Militärposten längs 115
des Sungari und des rechten Amur-Ufers sowie auf der Straße Tsitsikar—Blagowestschensk einzuwilligen. Die Beschlüsse der Konferenz in der obwaltenden internationalen Situation zeigen, welche Konzessionen die drei zaristischen Ministerien machen mußten, „um sich dem ,neuen Kurs' anzupassen, den der Z E I T mit der Besobrasow-Clique eingeschlagen hatte." 8 3 Aber selbst diese Beschlüsse konnten die Verfechter des aggressiven „neuen Kurses" nicht befriedigen. Die Schaffung einer fernöstlichen Statthalterschaft mit Admiral Alexe) ew an der Spitze sowie die Entlassung Wittes und die Übertragung der Führung der Verhandlungen an Alexejew unter Umgehung des Außenministeriums führten dazu, daß sogar Minister daran gehindert wurden, auf die Bestimmung der Fernostpolitik des Zarismus entscheidend mit einzuwirken. Bei der Ausarbeitung der russischen „Gegenvorschläge" für die Verhandlungen mit Japan spielten Erwägungen strategischen Charakters eine nicht unwesentliche Rolle. Das russische Projekt vom 5. Oktober 1903 versuchte, die Mandschurei dem Bereich der Erörterungen zu entziehen und die Möglichkeiten einer militärischen Festsetzung Japans auf dem Kontinent einzuschränken. I m Projekt kam das Bemühen Rußlands zum Ausdruck, Japan in dem Recht zu beschränken, die koreanische Regierung gemäß Artikel 2 zu beraten. Diese Beratungen sollten sich lediglich auf Verbesserungen der Zivilverwaltung beziehen; die Entsendung japanischer Truppen nach Korea durfte nur mit Rußlands Wissen durchgeführt werden (Artikel 4). Die Artikel 5—7 des russischen Projekts sahen den beiderseitigen Verzicht auf eine Ausnutzung des koreanischen Territoriums für strategische Zwecke und den Verzicht auf eine militärische Befestigung der koreanischen Küsten vor; ferner beinhalteten sie die Schaffung einer neutralen Zone in Korea nördlich des 39. Breitengrades und die Anerkennung, daß die Mandschurei in jeder Beziehung außerhalb der japanischen Interessensphäre liege. Die russische Seite zeigte jedoch sogar dann, als der Sieg des „neuen Kurses" der Besobrasow-Clique den abenteuerlichen Maßnahmen der zaristischen Regierung im Fernen Osten einen weiten Spielraum geöffnet hatte, bei den Verhandlungen immer noch eine größere Nachgiebigkeit, als die Japaner. Gleichläufig zu den unmittelbaren russisch-j apanischen Verhandlungen nutzte die japanische Diplomatie die diplomatischen Kanäle nicht nur in dem Japan verbündeten London, sondern auch in Paris tatkräftig aus, um ihre Pläne zur Entfesselung eines Krieges verwirklichen zu können. Die Ablehnung der russischen Vorschläge durch China auf den „Rat" der Mächte im Oktober 1903 und der Abschluß von Handelsabkommen der USA und Japans mit China betreffs der Mandschurei am gleichen Tage (8. Oktober), bestätigten anschaulich, daß sowohl die englische, als auch die amerikanische Diplomatie, die 63
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antirussische Politik Japans aktiv unterstützten. Indem Japan die Unterzeichnung des amerikanisch-chinesischen Handelsabkommens über die Mandschurei ausnutzte, erhielt es die Möglichkeit, sich demagogisch als Verteidigerin „der Vertragsrechte" der Mächte in der Mandschurei hinzustellen. Rußland erklärte sein Einverständnis, die mandschurische Frage faktisch in den Kreis der zu erörternden Probleme einzubeziehen. Doch bereits im Laufe der Verhandlungen wurde deutlich, daß Japan mit der Unannehmbarkeit des Abkommens für Rußland rechnete; es versperrte durch stets neu aufgeworfene Schwierigkeiten den Weg zur Einigung, indem es auf scheinbar bereits geschlichtete Streitfragen zurückkam. Das japanische Ziel, alles nur Erdenkliche zu tun, um einen Eroberungskrieg zu entfesseln, wurde besonders drastisch im letzten Stadium der Verhandlungen erkennbar. Während Japan Rußland seine Dezembernote übersandte, die für die Beantwortung keinen bestimmten Termin vorsah, dachte es gar nicht daran, eine Antwort überhaupt noch abzuwarten. Die Entschlossenheit, mit der Japan an die Entfesselung des Krieges heranging, erklärte sich durch jene politische, wirtschaftliche und insbesondere finanzielle Unterstützung, die Japan nicht nur von seinem Verbündeten England, sondern auch von den USA zuteil wurde. Die amerikanische Regierung hatte noch einen Monat vor Beginn der Kriegshandlungen Japan offiziell versichert, die amerikanische Politik würde im Kriegsfall Japan gegenüber wohlwollend sein. Roosevelt verheimlichte nicht, daß er „alles in seinen Kräften stehende getan habe, soweit es mit der Verfassung vereinbar sei, um seine (d. h. Japans — die Red.) Interessen zu unterstützen." 84 Im Januar 1904 begab sich der Kriegsminister der USA und ehemalige Gouverneur der Philippinen, Taft, auf besondere Einladung des Kaisers nach Japan. In Verhandlungen mit Katsura und anderen Persönlichkeiten der japanischen Regierung wurde Japan erneut die Unterstützung Amerikas zugesagt. Theodore Roosevelt gab Japan die feste Zusage einer Unterstützung durch die USA, falls Frankreich und Deutschland als Partner Rußlands in den russischjapanischen Konflikt hineingezogen würden. Die russische Antwort auf die letzte japanische Note zeugte von der Bereitschaft zu Zugeständnissen (Verzicht auf die Einbeziehung des Punktes betreffs der neutralen Zone, des Artikels über die strategische Ausnutzung Koreas u. a.). Eine derartige Antwort konnte die japanischen Aggressoren, wenigstens formell, in eine schwierige Lage versetzen. Gerade deshalb veranlaßte der japanische Außenminister am 5. Februar den japanischen Gesandten in Petersburg zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen, obgleich es Japan bekannt war, daß die russische Antwort bereits am 3. Februar zur Überreichung nach Tokio abgesandt worden war. Die russische Antwort wurde im Telegraphenamt in Nagasaki angehalten und erst am 7. Februar dem russischen Gesandten Rosen zugestellt. 64
T. Dennet, Th. Roosevelt and the Russo-Japanese war, New York 1925.
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Der Russisch-Japanische Krieg 1904—1905. Der Friede von Portsmouth Die Pläne der japanischen Imperialisten sahen nicht allein einen für sie günstigen Zeitpunkt des Überfalls, d. h. ehe Rußland darauf vorbereitet war, als notwendige Vorbedingung für einen erfolgreichen Kriegsausgang an, sondern auch das Überraschungsmoment beim Überfall selbst. In der Nacht zum 8. Februar 1904 erschien die Flotte des Admirals Togo vor Port Arthur und griff ohne Kriegserklärung die auf der Außenreede liegenden russischen Schiffe in hinterhältiger Weise an. In seiner Ansprache ein das Volk vom 2. September 1945 hob Genosse Stalin hervor: „Bekanntlich machte sich Japan im Februar 1904, als die Verhandlungen zwischen Japan und Rußland noch andauerten, die Schwäche der Zarenregierung zunutze, überfiel unerwartet und treubrüchig ohne Kriegserklärung unser Land und griff das russische Geschwader im Raum Port-Arthur an, um mehrere russische Kriegsschiffe außer Gefecht zu setzen und damit eine vorteilhafte Lage für seine eigene Flotte zu schaffen. Japan setzte tatsächlich drei erstklassige Kriegsschiffe Rußlands außer Gefecht." 65 In der Nacht des Überfalls auf Port Arthur begann Japan auch mit seinen Landungsoperationen auf dem Territorium Koreas. Die Hauptstadt von Korea, Söul, wurde von den Japanern schnell besetzt. Es ist sehr bezeichnend, daß bereits einige Tage vor dem japanischen Überfall die Vertreter der USA, Englands und Japans gemeinsam den koreanischen König von der in Kürze unvermeidlich bevorstehenden Landung bedeutender japanischer Streitkräfte auf koreanischem Boden und von der Unvermeidlichkeit des Krieges Japans gegen Rußland vertraulich informiert hatten. Die Seeleute des russischen Kreuzers „Warjag" und des Kanonenbootes „Korojez", die vom japanischen Geschwader im koreanischen Hafen Tschemulpo überrascht wurden, kämpften aufopferungsvoll gegen die stark überlegenen japanischen Kräfte. Der Ausgang des ungleichen Kampfes stand im voraus fest. Die russischen Seeleute versenkten die Schiffe selbst, da sie den Tod der Gefangennahme durch die Japaner vorzogen. Die Heldentaten der ruhmreichen russischen Seeleute konnten die Ergebnisse des treubrüchigen Überfalls durch Japan nicht abwenden. Das baltische Geschwader wurde zu spät zur Unterstützung der fernöstlichen Kräfte entsandt. Am 15. Oktober 1904 verließ es den Libauer Hafen, und erst im Mai 1905 erreichte es den Kriegsschauplatz, um in der Meerenge von Tsushima den Untergang zu finden. Da der Bau der Transsibirischen Eisenbahn noch nicht vollendet war, zeigte sich sehr bald die ganze Schwierigkeit der russischen Truppentransporte. Unterdessen waren bereits Mitte März 1904 zwischen Tschemulpo, wo die japanischen Transporte eintrafen, und dem Jalu gegen hunderttausend japanische Soldaten 65
J. W. Stalin, Über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 254.
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zusammengezogen worden. Die erste bedeutende Niederlage wurde den russischen Truppen von japanischen Landungstruppen in den Kämpfen am Jalu vom 29. April bis zum 1. Med 1904 zugefügt. Die Japaner überschritten den Jalu und begannen, in die Mandschurei vorzurücken. Gleichzeitig landeten zwei neue japanische Armeen nördlich Port Arthur auf der Halbinsel Liautung. Port Arthur wurde damit vom russischen Hauptheer abgeschnitten. Am 30. Mai besetzten die Japaner das unverteidigte Dalni. General Nogi wurde zur planmäßigen Belagerung von Port Arthur zurückgelassen, während General Oku mit den Hauptkräften in die Mandschurei vorrückte. Während Kuroki mit seiner Armee aus Osten und Oku vom Süden her in die Mandschurei vordrangen, landete eine dritte japanische Armee. Nach ihrer Vereinigung mit den Armeen von Kuroki und Oku übertrafen die japanischen Kräfte die russischen bedeutend. Nach der Schlacht bei Liaujang (29. August bis 3. September 1904) zogen sich die russischen Truppen auf Mukden zurück. Hier sammelten die Japaner bis zum Februar 1905 ihre Kräfte. Die Schlacht bei Mukden dauerte mit Unterbrechungen bis zum 10. März. Inzwischen war bereits am 2. Januar Port Arthur nach einer elfmonatigen Belagerung infolge des Verrats zaristischer Generale gefallen. Der Krieg gegen Japan war in Rußland nicht populär und konnte es auch nicht sein. „Die zaristische Regierung rechnete darauf, daß der Krieg ihr helfen werde, ihre Stellung politisch zu festigen und der Revolution Einhalt zu tun. Sie hatte sich jedoch verrechnet." 66 Im Lande war bereits der drohende Hauch der Revolution zu spüren. Der Russisch-Japanische Krieg, die Mißerfolge des zaristischen Rußlands zu Wasser und zu Lande beschleunigten nur den Ausbruch der Revolution. Um die revolutionäre Bewegung, die sich im ganzen Lande entwickelte, zu bekämpfen, mußte die Zarenregierung den höchst unpopulären Krieg so schnell als möglich beenden, obwohl selbst nach der Katastrophe von Tsushima das Kräfteverhältnis zu Lande Rußland durchaus nicht vor die Notwendigkeit eines harten und erniedrigenden Friedens stellte. Im Landkrieg hatte Rußland noch nicht einen einzigen Kilometer eigenen Bodens eingebüßt. Seine militärischen Reserven waren sehr groß. Währenddessen mußte Japan alle seine Kräfte anspannen, um den Krieg fortsetzen zu können. Seine Reserven an Menschen und Material waren äußerst erschöpft. Allerdings schied nach dem Untergang der russischen Flotte die Möglichkeit aus, die Kriegshandlungen auf japanisches Territorium zu tragen, doch konnte eine Fortsetzung des Krieges auf dem Kontinent mit der völligen Verdrängung Japans aus allen von ihm eroberten Stellungen enden. Auch die japanische Vorherrschaft in Korea, die die russische Regierung in den Verhandlungen vor dem Krieg anzuerkennen bereit war, konnte als bedroht angesehen werden. Während die Zarenregierung aus innerpolitischen Gründen zum Abschluß eines Friedens veranlaßt wurde, war also Japan aus wirtschaftlichen und militärischen Erwägungen heraus daran interessiert. 80 Geschichte der KPdSU (B), Kurzer Lehrgang, Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 70.
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Sogar die aggressiven militärischen Kreise Japans waren sich über die Gefahren im klaren, die eine Verlängerung des Krieges f ü r Japan in sich barg. Bedeutende Vertreter dieser aggressiven Kreise forderten von der japanischen Diplomatie, sie solle die militärischen Mißerfolge des Zarenreiches ausnutzen, u m die japanischen Eroberungen durch einen Friedensvertrag zu sichern, ehe es zu spät sei. Die Japaner machten als erste den Vertretern Englands und der USA Andeutungen, daß ihnen die Beendigung des Krieges und zu diesem Zweck die Vermittlung Englands und der USA erwünscht sei. I n der ersten Etappe des Krieges war die internationale Lage f ü r Japan günstig. Rußlands Verbündeter, Frankreich, leistete ihm faktisch keinerlei Hilfe. Das durch den Krieg im Fernen Osten gebundene Rußland erschien Frankreich als wenig wirksamer Verbündeter i m Falle eines deutschen Angriffs, der angesichts der sich zuspitzenden französisch-deutschen Gegensätze und der offen zur Schau getragenen aggressiven Pläne des imperialistischen Deutschlands im Bereich der Möglichkeit lag. Die Situation in Europa und die zunehmenden Widersprüche auf dem Gebiet der Kolonialpolitik drängten Frankreich zu einer A n n ä h e r u n g an England. Nachdem sich auf der Grundlage einer Interessenabgrenzung in Afrika diese Annäherung an England angebahnt hatte, war Frankreich nichts weniger als geneigt, sie durch eine Aktivität in Nordchina zu komplizieren, wo die französischen Interessen untergeordneter N a t u r waren. Die englisch-deutschen Widersprüche gewannen entscheidendes Gewicht, seit Deutschland die Konzession f ü r die Bagdadbahn erhalten und nachdem das Tirpitzsche Flottenbauprogramm, das eine potentielle Bedrohung der englischen Seeherrschaft schuf, die ersten wirksamen Ergebnisse gezeitigt hatte. Die englisch-französische Entente vom Jahre 1904, die die Widersprüche zwischen England und Frankreich in Nordafrika durch die beiderseitige Anerkennung der Interessen Englands in Ägypten und Frankreichs in Marokko abschwächte, mußte unweigerlich auch im Fernen Osten Annäherungsversuche nach sich ziehen. Im Sommer 1905 zeigte sich England an der Beendigung des Russisch-Japanischen Krieges interessiert. F ü r die englischen Imperialisten wax Japan nicht n u r ein Werkzeug im Kampf gegen Rußland; England hoffte auf eine noch weitgehendere Ausnutzung seines Verbündeten. Eine Fortsetzung des Krieges, die Japan wirtschaftlich zu erschöpfen und militärisch zu schwächen drohte, konnte die Rolle Japans als Werkzeug der englischen imperialistischen Pläne verkleinern. I m Jahre 1905 traten noch weitere Ursachen auf, die das englische Interesse an eventuellen Diensten seines Verbündeten erhöhten. Die U n r u h e n in Indien zu einem Zeitpunkt, als im Westen die „Marokko-Krise" heranreifte, veranlaßten England, die Ausdehnung der japanischen Bündnisverpflichtungen auch auf den Schutz der britischen Kolonialbesitzungen in Ostasien anzustreben. Japan konnte aber zur Ausübung dieser Funktionen erst nach Abschluß eines vorteilhaften Friedens mit R u ß l a n d herangezogen werden. Eine der Hauptursachen dafür, daß die internationale Bourgeoisie, die doch eben erst mit allen Kräften den Russisch-Japanischen Krieg entfacht hatte, u m die 120
Mitte des Jahres 1905 auf den Abschluß dieses Krieges hinarbeitete, war das Bestreben, dem Zarismus bei der Unterdrückung der russischen Revolution von 1905 zu helfen. Die amerikanischen und westeuropäischen Imperialisten fürchteten den Sieg der russischen Revolution und die Ausdehnung des Revolutionsbrandes auf andere Länder. Die Imperialisten der USA glaubten, eine Festlegung der militärischen Erfolge Japans in einem Friedensvertrag werde ihnen, solange es nicht zu spät sei, die Möglichkeit bieten, die nunmehr unter Japans Kontrolle und Einfluß geratenen Gebiete f ü r die Expansion des amerikanischen Kapitals auszunutzen. Als T a f t im Juli 1905 Japan nochmals besuchte, wurde zwischen T a f t als Vertreter der USA-Regierung und dem japanischen Premierminister General Katsura ein direktes Abkommen getroffen. Die USA äußerten ihr volles Einverständnis mit den Grundsätzen des englisch-japanischen Bündnisses und erklärten sich zu inoffiziellen Partnern dieses Bündnisses. Die U S A waren bereit, die Eroberung Koreas durch Japan unter der Bedingung anzuerkennen, daß Japan die Unverletzlichkeit der Philippinen garantiere. Am 8. Juni 1905 wandte sich der Präsident der Vereinigten Staaten Theodore Roosevelt im Interesse des amerikanischen Imperialismus auf Ersuchen der japanischen Regierungskreise offiziell mit gleichlautenden Noten an die russische u n d die japanische Regierung; dieses Interesse bemäntelte er mit der angeblich selbstlosen Besorgnis u m eine baldige Wiederherstellung der f ü r die Verwirklichung der Politik der „offenen T ü r " im Fernen Osten notwendigen Bedingungen. I n den Noten wurden beide Seiten aufgefordert, ihre Bevollmächtigten zur A u f n a h m e von Friedensverhandlungen zu ernennen. Beide kriegführenden Seiten nahmen diesen Vorschlag offiziell ein. Als Ort der Friedensverhandlungen wurde Portsmouth (USA) ausersehen. Welche Bedeutung diesen Verhandlungen beigemessen wurde, konnte m a n a n der Zusammensetzung der von beiden Seiten ernannten Delegationen erkennen. Neben den Botschaftern beider Länder in Washington waren zur F ü h r u n g der Verhandlungen von russischer Seite Witte und von japanischer Seite Außenminister Komura ernannt worden. Während in Portsmouth die Verhandlungen geführt wurden, beriet m a n in London die neue Fassung des englisch-japanischen Vertrages, der den Vertrag vom Jahre 1902 vorfristig ersetzen und diesen den Forderungen des englischen Imperialismus anpassen sollte. Dieser Vertrag wurde einen Monat vor Abschluß des Vertrages von Portsmouth unterschrieben; obgleich er aus taktischen Gründen nicht veröffentlicht wurde, festigte er doch die Stellung Japans während der Friedensverhandlungen. Der englische Botschafter in Petersburg, der die Instruktionen Lansdownes befolgte, versicherte der russischen Regierung, der Vertrag sei angeblich nicht gegen Rußland gerichtet. Die neuen Bestimmungen des Vertrages standen jedoch i m Widerspruch zu diesen Versicherungen. I m Unterschied zum Vertragstext aus dem Jahre 1902 sollte sich die Wirksamkeit des Vertrages vom Jahre 1905 auf „Ostasien und Indien" erstrecken. Artikel 2 121
des Vertrages verpflichtete nicht zur Neutralität, sondern zur aktiven Hilfe für den Verbündeten, falls er in einen Krieg, auch nur mit einer Macht, verwickelt werden sollte. In bezug auf den zum Zeitpunkt der Unterzeichnung noch nicht beendeten Russisch-Japanischen Krieg behielt der neue Vertrag die Bedingungen des Bündnisvertrages vom Jahre 1902 jedoch bei. Artikel 3 erkannte die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen Japans in Korea an und auch dessen Recht, „solche Maßnahmen der Leitung, der Kontrolle und des Schutzes in Korea zu treffen, die es zur Wahrung und zur Entwicklung seiner Interessen als angemessen und notwendig erachten sollte . . . " Somit gab nach den USA, die das koreanische Volk den Klauen der japanischen Imperialisten ausgeliefert hatten, auch England seine Sanktion zur vollständigen Annexion Koreas. Ermutigt durch die Situation, die sich für sie so günstig gestaltet hatte, versuchten die japanischen Delegierten in Portsmouth, Höchstforderungen geltend zu machen. Vor dem Krieg war die zaristische Regierung bereit, die Vorrechte Japans in Korea anzuerkennen. Jetzt forderten die japanischen Imperialisten, ermuntert durch die Unterstützung der USA und Englands, die faktische Einwilligung in die Annexion Koreas. Gleichzeitig gelangte durch den Übergang Port Arthurs, des Kwantung-Gebietes sowie der nach Port Arthur und Dalni führenden Eisenbahnen in den Besitz Japans ein nicht minder wichtiger Aufmarschraum für weitere Eroberungen in japanische Hand und schuf eine Bedrohung für die russischen Besitzungen im Fernen Osten. Die Hilfe, die die amerikanischen Imperialisten, mit Präsident T. Roosevelt an der Spitze, bis kurz vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Portsmouth Japan leisteten, hing, wie bereits erwähnt, mit den eigensüchtigen Plänen der amerikanischen Monopole zusammen. Noch vor Beendigung des Krieges deckten die amerikanischen Imperialisten ihre auf die Errichtung einer Monopolherrschaft der USA gerichteten Absichten bis zu einem gewissen Grade auf, wobei sie diese Absichten allerdings mit Deklarationen über die Politik der „offenen Tür" und einer „internationalen Zusammenarbeit" bemäntelten. T. Roosevelt entwickelte im Gespräch mit einem japanischen Vertreter den Gedanken, daß es zweckmäßig sei, die Rückgabe der Mandschurei an China „unter Leitung der Mächte" durchzuführen, worunter die amerikanischen Imperialisten die Kontrolle durch die amerikanischen Monopole verstanden. Im März 1905 wurde der wahre Sinn der Initiative T. Roosevelts noch durchsichtiger in dem amerikanischen Vorschlag, alle Eisenbahnen der Mandschurei zurückzukaufen und sie „unter der Kontrolle der Mächte", die am Rückkauf beteiligt wären, „zu internationalisieren". Als es später im Verlauf der russisch-japanischen Verhandlungen offensichtlich wurde, daß der aus Mitteln des russischen Volkes erbaute südliche Teil der Ostchinesischen Bahn an Japan übergehen sollte, meldeten der Eisenbahnkönig Harrimanund andere Geldleute, die Japan während des Krieges finanziert hatten, ihre Ansprüche auf Beteiligung an der Ausbeutung der Eisenbahn an. Die Versuche, sich 122
der Südmandschurischen Bahn (wie man den südlichen Teil der Ostchinesischen Bahn zu nennen begann) zu bemächtigen, waren mit weitgespannten Plänen Harrimans verbunden; er hoffte, dies würde ein Vordringen auf russisches Gebiet und den Erwerb der Transsibirischen Eisenbahn erleichtern, wodurch eine durchgehende Bahnverbindung vom Stillen bis zum Atlantischen Ozean unter amerikanischer Kontrolle als Werkzeug der Herrschaft der amerikanischen Monopole geschaffen werden sollte. Die an der amerikanischen Hilfe interessierten japanischen Eroberer waren in Worten bereit, den Amerikanern beliebige Privilegien zu versprechen. Daraus erklärt sich auch die Einfügung der berüchtigten Doktrin der „offenen Tür und gleichen Möglichkeiten" in den Text des Vertrages von Portsmouth. Die japanischen Imperialisten begriffen allzu gut, daß sie unbeschwert auch für diejenigen, die soeben noch ihre „Wohltäter" spielten, die „Türen schließen" konnten, sobald sie sich zu Herren der Mandschurei aufgeschwungen und sich eine Ausnahmestellung im Fernen Osten geschaffen hatten. Die Japaner begnügten sich nicht mit den großen Zugeständnissen, die ihnen Rußland in der Mandschurei machen mußte, sondern forderten auch die Übergabe russischer Schiffe, die in neutralen Häfen Zuflucht gefunden hatten, sowie eine Beschränkung der russischen Streitkräfte im Fernen Osten. Die japanischen Imperialisten erstrebten ferner die Überlassung Sachalins, sowie die Zahlung einer Kontribution von 1,2 Milliarden Jen durch Rußland. Hier stieß Japan jedoch auf den Widerstand der russischen Seite, die es nicht nur aus finanziellen Erwägungen, sondern auch aus Prestigegründen ablehnte, irgendeinen Teil ihres Territoriums abzutreten oder eine Kontribution zu zahlen. Die Verhandlungen waren scheinbar in eine Sackgasse geraten. Gerade in diesem kritischen Augenblick entfaltete T. Roosevelt seine „Vermittlertätigkeit", indem er Rußland zur Nachgiebigkeit aufforderte und es sowohl unmittelbar, als auch durch deutsche und französische Kanäle unter Druck setzte. Unter diesem Druck gab der Zarismus nach. Im Friedensvertrag von Portsmouth erkannte das zaristische Rußland Korea als japanische Einflußsphäre an; es trat die Pachtrechte auf der Liautung-Halbinsel mit Port Arthur und Dalni, den südlichen Zweig der Ostchinesischen Bahn (südlich der Bahnstation Kuangtschentsi) sowie die Hälfte der Insel Sachalin (südlich des 50. Breitengrades) an Japan ab und gewährte ihm in russischen Gewässern Fischereirechte. Auf diese Weise gewann Japan äußerst wichtige strategische und wirtschaftliche Positionen. ,,. . . Es war klar, daß Japan sich die Aufgabe stellte, von Rußland dessen ganzen Fernen Osten loszureißen." 67 Der russische Zarismus hatte eine schwere Niederlage erlitten und der Kriegsausgang wirkte sich auf die internationale Lage im Fernen Osten für lange Zeit bestimmend aus. 67
J. W. Stalin, Über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 235.
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Der Zeitabschnitt vom Japanisch-Chinesischen bis zum Japanisch-Russischen Krieg war mit der Vertiefung und Ausweitung der imperialistischen Widersprüche im Fernen Osten verbunden. Der an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert endgültig herausgebildete Imperialismus bedeutet in der Entwicklung der internationalen Beziehungen den Beginn einer neuen historischen Periode, die durch das Auftreten junger imperialistischer Räuber — der USA, Japans und Deutschlands •— auf dem Schauplatz kolonialer Räubereien ihr Merkmal erhielt. Das schnelle Tempo, in dem sich diese kapitalistischen Länder k r a f t des Gesetzes der ungleichmäßigen Entwicklung entfalteten, gab den Anstoß zu ihrer aggressiven Politik. D a sie bei der Verteilung der Welt, die Ende des 19. Jahrhunderts endgültig abgeschlossen war, zu kurz gekommen waren, wollten sie sich nicht mit jenen Resten ,,freier" Territorien begnügen, die in ihre Hände gefallen waren. Japan und Deutschland traten als erste f ü r eine Aufteilung des formell unabhängigen, faktisch aber halbkolonialen China ein; die USA entfesselten den ersten Krieg f ü r die imperialistische Aufteilung der Kolonialbeute. Der JapanischrChinesische Krieg bedeutete den Beginn der Aufteilung Chinas in „Einflußsphären", die sich in einem scharfen Ringen zwischen den Kolonialmächten vollzog. Die Widersprüche der imperialistischen Interessen wurden auch in jener Periode nicht schwächer, als die imperialistischen Mächte in geeinter Front gegen den antiimperialistischen nationalen Befreiungskampf des chinesischen Volkes auftraten. I m Verlauf der Entwicklung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten i m Fernen Osten hat sich das Kräfteverhältnis mehrfach verschoben. Die englische Bourgeoisie erkannte die Gefahr, die ihr aus dem Zusammenstoß mit der Konkurrenz jüngerer kapitalistischer Staaten f ü r ihre Positionen erwuchs, die sie in der Periode der „freien" E n t f a l t u n g des Kapitalismus erobert hatte. Die f r ü h e r e Politik des Gleichgewichts der Kräfte und der „splendid isolation" drohte sich in eine bedenkliche Isolierung zu verwandeln. Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten spiegelten die Versuche Englands wider, ein Bündnis mit einer der Großmächte durch ein Übereinkommen zu erzielen, das es ermöglichen sollte, die Stellung Englands zu festigen. Die Expansion des Zarismus i m Fernen Osten, insbesondere in der Mandschurei, veranlaßte England, das auf eine ungeteilte Herrschaft in China Anspruch erhob, sich besonders f ü r ein Werkzeug zu interessieren, mit dessen H i l f e die englische Bourgeoisie Rußland durch die Hände anderer einen Schlag im Fernen Osten versetzen konnte. Als ein solches Werkzeug erwies sich das imperialistische Japan. Die zaristische Selbstherrschaft, die ihre eigenen Eroberungspläne verfolgte und eine reaktionäre Politik durchführte, konnte das Problem des Schutzes der rechtmäßigen Interessen Rußlands sowie seines Territoriums, auf das die japanischen Imperialisten einen Überfall vorbereiteten, nicht lösen. Der Zarismus war nicht imstande, die nationalen Interessen Rußlands zu verteidigen; seine abenteuerliche Politik erleichterte n u r noch die Entfesselung eines Angriffskrieges durch Japan. 124
Die amerikanischen Imperialisten betraten den „breiten W e g " kolonialer Eroberungen in Asien. Schon damals hatten sich die USA die Aufgabe gestellt, f ü r die Unterwerfung Asiens und Chinas zu kämpfen. Die Okkupation des Inselbesitzes im Stillen Ozean u n d insbesondere die Eroberung der Philippinen u n d anderer Kolonien der schwächsten Kolonialmacht, Spaniens, schufen die Voraussetzungen f ü r ein Vordringen nach China. Die USA hegten weitgehende Okkupationsabsichten; da sie aber noch nicht stark genug waren, diese durch militärische Aktionen zu realisieren, stellten sie die Doktrin der „offenen T ü r " auf. Unter dem Deckmantel dieser Doktrin, unter Ausnutzung ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Kräfte, hofften die USA, allmählich ihre Herrschaft über ganz China auszudehnen. I m Zusammenhang mit dem verstärkten Vordringen der USA nach China, insbesondere in die Mandschurei, waren die amerikanischen Imperialisten an einer Niederlage Rußlands im Fernen Osten interessiert. Ebenso wie England, betrachteten die USA Japan nicht als einen potentiell gefährlichen Konkurrenten, sondern sahen in ihm lediglich das Werkzeug f ü r den Kampf gegen Rußland und hofften, die japanischen Eroberungen im Fernen Osten weiterhin in ihrem eigenen Interesse ausnutzen zu können. Erst das englisch-japanische Bündnis und die Unterstützung des Krieges gegen Rußland seitens der U S A ermöglichten Japan die Entfesselung und D u r c h f ü h r u n g dieses Krieges. Die englischen und amerikanischen Imperialisten verhalfen Japan zur Sicher u n g seiner militärischen Erfolge; mit ihrer H i l f e erreichte das der Friedensvertrag von Portsmouth. Japan, das sich in den größten Prätendenten auf die Herrschaft über den Fernen Osten verwandelt hatte, beabsichtigte jedoch keineswegs, die Früchte seiner Erfolge den amerikanischen Imperialisten zu überlassen. Die von Japan während des Krieges und während der Verhandlungen von Portsmouth großzügig ausgeteilten Versprechungen, dem amerikanischen Kapital verschiedene Vergünstigungen einzuräumen, waren buchstäblich bereits am Tage nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages vergessen. Dies alles m u ß t e unweigerlich zum Anwachsen der japanisch-amerikanischen Widersprüche i m Fernen Osten f ü h r e n ; diese entwickelten sich in einer Situation, in der als imperialistische Hauptwidersprüche, und zwar bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges, die Widersprüche zwischen England und Deutschland hervortraten.
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Die russische Revolution von 1905 und der demokratische Aufschwung in den Ländern Asiens W. I. Lenin hat in seinen Arbeiten wiederholt auf den großen Einfluß hingewiesen, den die russische Revolution von 1905 auf den Aufschwung der Volksbewegung in den asiatischen Ländern ausübte. Lenin hob die Änderung des Charakters der revolutionären Bewegung in diesen Ländern (nach 1905) hervor und sprach von der „Verwandlung der alten chinesischen Revolten in eine bewußte demokratische Bewegung." 1 „Auch in Indien ist das Proletariat schon für einen bewußten politischen Massenkampf reif." 2 Lenin zeigte, daß sich die revolutionäre demokratische Bewegung in Asien über immer neue Länder bis nach Java und den anderen holländischen Kolonien ausbreitete.3 Diese Periode in der Geschichte der Völker Asiens bezeichnete Lenin als „Erwachen Asiens". In seinem Aufsatz „Das Erwachen Asiens" schrieb Lenin: „Gleich nach der russischen Bewegung des Jahres 1905 ergriff die demokratische Revolution ganz Asien — die Türkei, Persien, China. Es steigt die Gärung im englischen Indien." 4 „Der Weltkapitalismus und die russische Bewegung von 1905 haben Asien endgültig wachgerüttelt. Hunderte von Millionen unterjochter, in mittelalterlicher Stagnation verwilderter Menschen sind zu neuem Leben und zum Kampf für die elementarsten Menschenrechte, für die Demokratie erwacht. Die Arbeiter der führenden Länder der Welt folgten mit Interesse und Begeisterung diesem mächtigen Anwachsen der internationalen Befreiungsbewegung in allen Teilen der Welt und in allen ihren Formen. Die Bourgeoisie Europas — erschreckt durch die Kraft der Arbeiterbewegung — warf sich in die Arme der Reaktion, des Militarismus, des Pfaffentums und der Dunkelmänner. Aber diese bei lebendigem Leib verfaulende Bourgeoisie wird von dem Proletariat der europäischen Länder und von der jungen Demokratie der asiatischen Länder abgelöst, die erfüllt ist von Glauben an die eigene Kraft und von Vertrauen zu den Massen. Das Erwachen Asiens und der Beginn des Kampfes des fortgeschrittenen Proletariats in Europa um die Macht kennzeichnen die neue Epoche der Weltgeschichte, die Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen hat." 5 Der Aufschwung der revolutionären Bewegung in den kolonialen und abhängigen Ländern mußte die Bourgeoisie aller imperialistischen Mächte dazu treiben, ihreKräfte zur gemeinsamen Unterdrückung der Revolutionen in denLändern des 1 B. H. JleHHH, COT., Bd. 15, 4. Aufl., S. 162. 2 Ebenda, S. 161. 8 B. H. JleHHH, Coi., Bd. 19, 4. Aufl., S. 65. 4 Ebenda. B Ebenda, S. 66.
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Ostens zu konsolidieren und zu vereinigen, sowie ihre imperialistischen Positionen in diesen Ländern zu festigen. Solche Tendenzen zeigten sich in einer ganzen Reihe von Ereignissen der internationalen Politik, insbesondere in der Politik des internationalen Bankenkonsortiums in China, in der Einheitsfront der imperialistischen Mächte gegen die von Sun Jat-sen geführte chinesische Demokratie, in der Politik des englisch-japanischen Bündnisses usw. Die Volksbewegung in den halbkolonialen Ländern Asiens (in erster Linie in China), die in dieser Periode von der nationalen Bourgeoisie geführt wurde, hatte damals noch nicht die Befreiung vom imperialistischen Joch zum Ziel. Sie war hauptsächlich darauf gerichtet, die Feudalordnung einzuschränken und f ü r das nationale Kapital die Freiheit der Unternehmerinitiative zu gewinnen. Immerhin zeichnete sich selbst in dieser Zielbeschränkung der nationalen Bourgeoisie in der Perspektive ein gewisser Konkurrenzkampf mit dem ausländischen Kapital ab und rief einen heftigen Widerstand der herrschenden Klassen der imperialistischen Mächte hervor. In noch höherem Maße rief die ständig zunehmende Anteilnahme der breiten Volksmassen an der revolutionären Bewegung bei den Imperialisten Besorgnisse und Haß hervor. Die durch das Streben nach einer Neuaufteilung der bereits verteilten Welt hervorgerufene Zuspitzung der Gegensätze zwischen den beiden imperialistischen Blocks in Europa •—• den Ländern der Entente einerseits und der deutsch-österreichischen Mächtegruppe andererseits •—• rückten indessen die Vorbereitungen zu einem imperialistischen Krieg in den Vordergrund der Politik der imperialistischen Mächte. Auch ihre Kolonialpolitik wurde den Interessen der Kriegsvorbereitung unterworfen. Die Verschärfung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten in Europa Bereits in den letzten Monaten des Russisch-Japanischen Krieges richteten die imperialistischen Mächte ihre Aufmerksamkeit auch auf die Vorgänge in Europa und im Mittelmeerraum. Die sogenannte erste Marokkokrise (Frühjahr und Sommer 1905), die mit einer jähen Zuspitzung der französisch-deutschen imperialistischen Gegensätze verbunden war, war ein Zeichen der außerordentlich gespannten internationalen Lage in Europa. Schon im Oktober 1905 hatte England alle Linienschiffe aus dem Fernen Osten zurückbeordert, um seine Stellung in den europäischen Gewässern gegenüber der wachsenden Kriegsflotte Deutschlands zu verstärken. In den folgenden Jahren wiesen neue Ereignisse auf das Herannahen einer europäischen Krise hin. Im Jahre 1907 wurde das bekannte englisch-russische Abkommen unterzeichnet, das ernste Gegensätze zwischen den beiden Mächten im Nahen und Mittleren Osten schlichtete und den Anschluß Rußlands an die englisch-französische Entente sicherte. Im Jahre 1908 entstand die Bosnische Krise (Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Österreich-Ungarn), die eine ernste Verschärfung der russisch-österreichischen Gegensätze auf der 130
Ostens zu konsolidieren und zu vereinigen, sowie ihre imperialistischen Positionen in diesen Ländern zu festigen. Solche Tendenzen zeigten sich in einer ganzen Reihe von Ereignissen der internationalen Politik, insbesondere in der Politik des internationalen Bankenkonsortiums in China, in der Einheitsfront der imperialistischen Mächte gegen die von Sun Jat-sen geführte chinesische Demokratie, in der Politik des englisch-japanischen Bündnisses usw. Die Volksbewegung in den halbkolonialen Ländern Asiens (in erster Linie in China), die in dieser Periode von der nationalen Bourgeoisie geführt wurde, hatte damals noch nicht die Befreiung vom imperialistischen Joch zum Ziel. Sie war hauptsächlich darauf gerichtet, die Feudalordnung einzuschränken und f ü r das nationale Kapital die Freiheit der Unternehmerinitiative zu gewinnen. Immerhin zeichnete sich selbst in dieser Zielbeschränkung der nationalen Bourgeoisie in der Perspektive ein gewisser Konkurrenzkampf mit dem ausländischen Kapital ab und rief einen heftigen Widerstand der herrschenden Klassen der imperialistischen Mächte hervor. In noch höherem Maße rief die ständig zunehmende Anteilnahme der breiten Volksmassen an der revolutionären Bewegung bei den Imperialisten Besorgnisse und Haß hervor. Die durch das Streben nach einer Neuaufteilung der bereits verteilten Welt hervorgerufene Zuspitzung der Gegensätze zwischen den beiden imperialistischen Blocks in Europa •—• den Ländern der Entente einerseits und der deutsch-österreichischen Mächtegruppe andererseits •—• rückten indessen die Vorbereitungen zu einem imperialistischen Krieg in den Vordergrund der Politik der imperialistischen Mächte. Auch ihre Kolonialpolitik wurde den Interessen der Kriegsvorbereitung unterworfen. Die Verschärfung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten in Europa Bereits in den letzten Monaten des Russisch-Japanischen Krieges richteten die imperialistischen Mächte ihre Aufmerksamkeit auch auf die Vorgänge in Europa und im Mittelmeerraum. Die sogenannte erste Marokkokrise (Frühjahr und Sommer 1905), die mit einer jähen Zuspitzung der französisch-deutschen imperialistischen Gegensätze verbunden war, war ein Zeichen der außerordentlich gespannten internationalen Lage in Europa. Schon im Oktober 1905 hatte England alle Linienschiffe aus dem Fernen Osten zurückbeordert, um seine Stellung in den europäischen Gewässern gegenüber der wachsenden Kriegsflotte Deutschlands zu verstärken. In den folgenden Jahren wiesen neue Ereignisse auf das Herannahen einer europäischen Krise hin. Im Jahre 1907 wurde das bekannte englisch-russische Abkommen unterzeichnet, das ernste Gegensätze zwischen den beiden Mächten im Nahen und Mittleren Osten schlichtete und den Anschluß Rußlands an die englisch-französische Entente sicherte. Im Jahre 1908 entstand die Bosnische Krise (Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Österreich-Ungarn), die eine ernste Verschärfung der russisch-österreichischen Gegensätze auf der 130
Balkan-Halbinsel zur Folge hatte. Besonders reich an Ereignissen von größter internationaler Bedeutung war das Jahr 1911, als die zweite Marokkokrise, der sogenannte Zwischenfall von Agadir, eintrat und der Italienisch-Türkische Krieg begann, der die Balkankriege einleitete. Unter diesen Umständen wurde es zur Hauptaufgabe der Diplomatie der Entente-Länder, das im Fernen Osten entstandene Kräfteverhältnis aufrechtzuerhalten und in diesem Raum keinerlei ernsthafte Verwicklungen zuzulassen, die das zeitweilig hergestellte Gleichgewicht stören und Streitkräfte aus Europa nach dem Fernen Osten abziehen könnten. Die Verschärfung der japanisch-amerikanischen Beziehungen Nichtsdestoweniger entbrannte bald nach Beendigung des Russisch-Japanischen Krieges im Fernen Osten zwischen den imperialistischen Mächten von neuem eine heftige Rivalität, in der Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika die Hauptrolle zu spielen begannen. Das Ringen zwischen ihnen wird von dieser Zeit an zum schärfsten imperialistischen Gegensatz am Stillen Ozean. Als Japan mit Zustimmung und Unterstützung der USA den Krieg gegen Rußland entfesselte, waren die Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten ihrem Wesen nach die zweier Verbündeter. Sie verschlechterten sich jedoch nach dem Kriege, nachdem das zaristische Rußland eine Niederlage erlitten hatte und der Sieg Japans sowie die Festigung seiner Positionen in der Mandschurei bei dem imperialistischen Konkurrenten Japans, den USA, große Besorgnis zu erregen begannen. Während die USA und Japan bis zum Jahre 1904 in engem Einvernehmen dem zaristischen Rußland gegenüber auf einer Politik der „offenen Tür" in der Mandschurei beharrten und, um ihre Solidarität zu demonstrieren, am gleichen Tage (8. Oktober 1903) Handelsverträge mit China über die Öffnung neuer mandschurischer Handelshäfen abschlössen, entstand unmittelbar nach Unterzeichnung des Vertrages von Portsmouth wegen derselben mandschurischen Angelegenheiten der erste amerikanisch-japanische Konflikt. Der amerikanische Eisenbahnkönig Harriman, der sich mit Plänen über den Bau einer Eisenbahnlinie durch die Mandschurei, Sibirien und Europa unter amerikanischer Kontrolle trug, stieß mit seinem Vorschlag, den japanischen Eisenbahnbau in der Mandschurei zu finanzieren, auf den entschlossenen Widerstand der japanischen Regierung. In den folgenden Jahren entwickelten sich in der Mandschurei neue japanischamerikanische Konflikte, weil die Japaner ihren Kaufleuten im Kwantunggebiet Vorzugsbedingungen gewährten, ohne diese auch auf die Kaufleute anderer Staaten auszudehnen, wodurch sie also im Grunde genommen „die Tür der Mandschurei verschlossen". Eine Verschärfung der japanisch-amerikanischen Beziehungen wurde auch durch eine starke, gegen die japanische Einwanderung nach Kalifornien gerichtete 131
Balkan-Halbinsel zur Folge hatte. Besonders reich an Ereignissen von größter internationaler Bedeutung war das Jahr 1911, als die zweite Marokkokrise, der sogenannte Zwischenfall von Agadir, eintrat und der Italienisch-Türkische Krieg begann, der die Balkankriege einleitete. Unter diesen Umständen wurde es zur Hauptaufgabe der Diplomatie der Entente-Länder, das im Fernen Osten entstandene Kräfteverhältnis aufrechtzuerhalten und in diesem Raum keinerlei ernsthafte Verwicklungen zuzulassen, die das zeitweilig hergestellte Gleichgewicht stören und Streitkräfte aus Europa nach dem Fernen Osten abziehen könnten. Die Verschärfung der japanisch-amerikanischen Beziehungen Nichtsdestoweniger entbrannte bald nach Beendigung des Russisch-Japanischen Krieges im Fernen Osten zwischen den imperialistischen Mächten von neuem eine heftige Rivalität, in der Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika die Hauptrolle zu spielen begannen. Das Ringen zwischen ihnen wird von dieser Zeit an zum schärfsten imperialistischen Gegensatz am Stillen Ozean. Als Japan mit Zustimmung und Unterstützung der USA den Krieg gegen Rußland entfesselte, waren die Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten ihrem Wesen nach die zweier Verbündeter. Sie verschlechterten sich jedoch nach dem Kriege, nachdem das zaristische Rußland eine Niederlage erlitten hatte und der Sieg Japans sowie die Festigung seiner Positionen in der Mandschurei bei dem imperialistischen Konkurrenten Japans, den USA, große Besorgnis zu erregen begannen. Während die USA und Japan bis zum Jahre 1904 in engem Einvernehmen dem zaristischen Rußland gegenüber auf einer Politik der „offenen Tür" in der Mandschurei beharrten und, um ihre Solidarität zu demonstrieren, am gleichen Tage (8. Oktober 1903) Handelsverträge mit China über die Öffnung neuer mandschurischer Handelshäfen abschlössen, entstand unmittelbar nach Unterzeichnung des Vertrages von Portsmouth wegen derselben mandschurischen Angelegenheiten der erste amerikanisch-japanische Konflikt. Der amerikanische Eisenbahnkönig Harriman, der sich mit Plänen über den Bau einer Eisenbahnlinie durch die Mandschurei, Sibirien und Europa unter amerikanischer Kontrolle trug, stieß mit seinem Vorschlag, den japanischen Eisenbahnbau in der Mandschurei zu finanzieren, auf den entschlossenen Widerstand der japanischen Regierung. In den folgenden Jahren entwickelten sich in der Mandschurei neue japanischamerikanische Konflikte, weil die Japaner ihren Kaufleuten im Kwantunggebiet Vorzugsbedingungen gewährten, ohne diese auch auf die Kaufleute anderer Staaten auszudehnen, wodurch sie also im Grunde genommen „die Tür der Mandschurei verschlossen". Eine Verschärfung der japanisch-amerikanischen Beziehungen wurde auch durch eine starke, gegen die japanische Einwanderung nach Kalifornien gerichtete 131
Bewegung hervorgerufen. Diese war von der bürgerlichen Presse und den reformistischen Gewerkschaften in Szene gesetzt worden, die die Schuld an der systematischen Senkung der Arbeitslöhne auf die Konkurrenz der billigen japanischen Arbeit abwälzten. Bereits im Sommer des Jahres 1907, als besonders hartnäckige Gerüchte über einen unvermeidlichen japanisch-amerikanischen Konflikt umliefen, gab Th. Roosevelt demonstrativ Anordnungen heraus, die Vorbereitungen zur Abwehr eines möglichen Uberfalls der Japaner auf die Philippinen betrafen. Die Lesart, daß sich die USA um die Verteidigung der Philippinen und der anderen Inselbesitzungen der USA im Pazifik gegenüber einer Bedrohung seitens Japans bemühen müßten, diente als eines der Hauptargumente für das umfangreiche Flottenverstärkungsprogramm, das Th. Roosevelt im Jahre 1905 und in den folgenden Jahren beharrlich und ohne Rücksicht auf die Opposition dem Kongreß vorlegte. Zu militärischen Propagandazwecken sandte Th. Roosevelt ein aus 16 Panzerschiffen bestehendes amerikanisches Geschwader auf eine Rundreise um die Erde (Dezember 1907 bis Februar 1909). Dieses Geschwader erschien im April 1908 im Stillen Ozean, als der Streit um das Marineprogramm im USA-Senat besondere Schärfe angenommen hatte.9 Die feierliche Begrüßung, die der amerikanischen Flotte in Australien und Neuseeland bereitet wurde, bekundete demonstrativ die Solidarität der britischen Dominien, die eine japanische Aggression befürchteten, mit den USA. Das amerikanische Geschwader besuchte auch Jokohama. Die Verschärfung der Widersprüche zwischen den japanischen und amerikanischen Imperialisten in den Jahren 1906—1908 führte nicht zum militärischen Zusammenstoß. Beide Regierungen bemühten sich damals, einem Krieg auszuweichen, auf den weder das eine noch das andere Land vorbereitet war. Um die in den japanisch-amerikanischen Beziehungen vorhandenen Spannungen zu mildern, unterstützten die USA die japanische Aggression, sofern deren Richtung die unmittelbaren imperialistischen Interessen der USA zur Zeit nicht berührte. So förderten die USA beispielsweise demonstrativ die japanischen Annexionspläne bezüglich Koreas. Ebenfalls zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Japan wurden einige politische Abkommen geschlossen. Durch ein sogenanntes „Gentleman's Agreement" (Ende 1907 bis Anfang 1908)7 verpflichtete sich die japanische Regierung freiwillig, die Auswanderung von Japanern nach den USA einzuschränken. Durch Notenwechsel zwischen dem japanischen Botschafter in den USA, Takahira, und dem Staatssekretär Root (am 30. November 1908) wurde von beiden Mächten zum Ausdruck gebracht, daß sie gegenseitig entschlossen seien, die Integrität ihrer im Stillen Ozean gelegenen Besitzungen zu respektieren. Auch die Politik der „offenen Tür" in China wurde von » H. u. M. Sprout, The rise of American Naval Power (1776—1918), Princeton 1939, Kap. 15, S. 265. 7 Der Text des Briefwechsels in dieser Angelegenheit wurde 1939 veröffentlicht (FRUS 1924, New York 1939), also erst mehr als 30 Jahre nach dem Abschluß des Agreements.
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neuem bestätigt. 8 Das Abkommen Root—Takahira wurde in den USA und in Japan verschieden bewertet. Jeder dieser Staaten schrieb sich selbst den „Sieg" in den diplomatischen Verhandlungen zu: die amerikanische Diplomatie glaubte, eine neue Bestätigung der Politik der „offenen T ü r " durch Japan erlangt zu haben, während die japanische Diplomatie das Abkommen als Anerkennung ihrer in der Mandschurei erlangten Vorzugsstellung deutete. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Abkommen Root—Takahira ein vorläufiger imperialistischer Vergleich zweier Räuber war, die beide gleichermaßen an der Ausplünderung Chinas interessiert waren und die sich gegenseitig die „Gesetz mäßigkeit" ihrer Eroberungen anerkannten. Jedoch erbrachten die erwähnten japanisch-amerikanischen Vereinbarungen keine wesentliche Besserung der japanisch-amerikanischen Beziehungen. Beide Länder strebten danach, die Herrschaft über den Stillen Ozean zu erringen. Die USA besaßen eine riesige Flotte, verfügten jedoch am Stillen Ozean über keine Marine-Stützpunkte; 9 außerdem minderte der Zustand der Kriegsschiffe und vor allem der Mangel ein Mannschaften die Kampfkraft ihrer Flotte erheblich herab. 10 Theodore Roosevelt bemühte sich u m eine größtmögliche Verstärkung der USA-Kriegsflotte. Im Jahre 1907 wies er wiederholt darauf hin, daß seine Hauptsorge in allen inneren und auswärtigen Angelegenheiten der japanischen Frage gelte.
Die Annäherung zwischen Frankreich, Rußland und Japan (1907) Gleichzeitig mit der Verschärfung der japanisch-amerikanischen Widersprüche vollzogen sich in der internationalen Lage am Stillen Ozean auch noch andere tiefgreifende Veränderungen, nämlich die Festigung der französisch-j apanischen, sowie eine gewisse Besserung der russisch-japanischen Beziehungen. Eine besondere Aktivität entfaltete dabei die französische Diplomatie. 11 Frankreich, das zu Beginn des Russisch-Japanischen Krieges ein Bündnis mit England eingegangen war und gegen Ende dieses Krieges in seinen Beziehungen zu Deutschland eine äußerst scharfe Krise (den Marokko-Zwischenfall) durchlebt hatte, war an einer Stärkung der Entente interessiert. Die Hauptaufgabe der französischen Diplomatie bestand darin, den Anschluß Rußlands an die Entente 8
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T p H M M , CÖOpHHK ßOrOBOpOB ^ p y m x JpUMOMaTHTOCKHX ÄOKyMeHTOB TO H C T O p H H MeHCÂyHapojHHX O T H O i n e m m H a ^ajn.HeM BocroKe (1842—1925), S. 173. Mit Ausnahme von Paget Sound und San Francisco an der Pazifikküste der USA. H. u. M. Sprout, c. o., S. 272—273; hinsichtlich der Zahl der Panzerschiffe stand die amerikanische Flotte nur der englischen nach; die Stärke des Kommando-Bestandes betrug nur ein Drittel der englischen und etwa die Hälfte der deutschen, japanischen oder französischen Flotte. 8 .
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« A. Gérard, Ma mission au Japon (1907—1914), Paris 1919, S. 10.
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neuem bestätigt. 8 Das Abkommen Root—Takahira wurde in den USA und in Japan verschieden bewertet. Jeder dieser Staaten schrieb sich selbst den „Sieg" in den diplomatischen Verhandlungen zu: die amerikanische Diplomatie glaubte, eine neue Bestätigung der Politik der „offenen T ü r " durch Japan erlangt zu haben, während die japanische Diplomatie das Abkommen als Anerkennung ihrer in der Mandschurei erlangten Vorzugsstellung deutete. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Abkommen Root—Takahira ein vorläufiger imperialistischer Vergleich zweier Räuber war, die beide gleichermaßen an der Ausplünderung Chinas interessiert waren und die sich gegenseitig die „Gesetz mäßigkeit" ihrer Eroberungen anerkannten. Jedoch erbrachten die erwähnten japanisch-amerikanischen Vereinbarungen keine wesentliche Besserung der japanisch-amerikanischen Beziehungen. Beide Länder strebten danach, die Herrschaft über den Stillen Ozean zu erringen. Die USA besaßen eine riesige Flotte, verfügten jedoch am Stillen Ozean über keine Marine-Stützpunkte; 9 außerdem minderte der Zustand der Kriegsschiffe und vor allem der Mangel ein Mannschaften die Kampfkraft ihrer Flotte erheblich herab. 10 Theodore Roosevelt bemühte sich u m eine größtmögliche Verstärkung der USA-Kriegsflotte. Im Jahre 1907 wies er wiederholt darauf hin, daß seine Hauptsorge in allen inneren und auswärtigen Angelegenheiten der japanischen Frage gelte.
Die Annäherung zwischen Frankreich, Rußland und Japan (1907) Gleichzeitig mit der Verschärfung der japanisch-amerikanischen Widersprüche vollzogen sich in der internationalen Lage am Stillen Ozean auch noch andere tiefgreifende Veränderungen, nämlich die Festigung der französisch-j apanischen, sowie eine gewisse Besserung der russisch-japanischen Beziehungen. Eine besondere Aktivität entfaltete dabei die französische Diplomatie. 11 Frankreich, das zu Beginn des Russisch-Japanischen Krieges ein Bündnis mit England eingegangen war und gegen Ende dieses Krieges in seinen Beziehungen zu Deutschland eine äußerst scharfe Krise (den Marokko-Zwischenfall) durchlebt hatte, war an einer Stärkung der Entente interessiert. Die Hauptaufgabe der französischen Diplomatie bestand darin, den Anschluß Rußlands an die Entente 8
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« A. Gérard, Ma mission au Japon (1907—1914), Paris 1919, S. 10.
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zu erreichen, mit anderen Worten, eine englisch-russische Verständigung zu erzielen und, wenn auch nur vorläufig, die scharfen Gegensätze, die diese zwei Staaten lange Zeit getrennt hatten, zu schlichten. Diese Aufgabe entsprach auch voll und ganz den Absichten der britischen Regierung, die im Hinblick auf den anwachsenden englisch-deutschen Antagonismus an einer Schlichtung der Gegensätze mit Rußland interessiert war. Jedoch hatten die rußlandfeindliche Politik Englands vor und während des Krieges 1904—1905 sowie der zweite englisch-japanische Bündnisvertrag, der sich im Grunde genommen gegen Rußland richtete, einer englisch-russischen Annäherung erhebliche Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Die französische Diplomatie bemühte sich, eine solche Lage zu schaffen, in der es möglich wäre, die militärischen Kräfte Rußlands und Frankreichs gänzlich in Europa zu konzentrieren und sie nicht nach dem Fernen Osten abzuziehen. D a nach der Niederlage des zaristischen Rußlands und nach der Rückführung der englischen Flotte aus dem Fernen Osten lediglich Japan über reale militärische Kräfte im pazifischen Raum verfügte, mußte Frankreich vor allem mit der japanischen Regierung verhandeln. An der Spitze dieser Regierung stand seit Anfang 1906 Sayonji, der eine Festigung der internationalen Verbindungen Japans und die Sanierung seiner kläglichen Finanzlage erreicht hatte. Gerade in Frankreich hoffte Japan eine große Anleihe zu erhalten. Dieser Umstand wurde in hohem Maße von der französischen Diplomatie ausgenutzt, um einen Druck auf die herrschende Oberschicht Japans auszuüben. Am 10. Juni 1907 wurde ein französisch-japanisches Übereinkommen abgeschlossen,12 das erste aus einer Reihe solcher politischer Verträge, die den Wirkungsradius der Entente bis in den Fernen Osten ausweiteten und diese gleichzeitig durch die Einbeziehung Rußlands und Japans bedeutend verstärkten. Der Inhalt dieses Abkommens lief darauf hinaus, daß Frankreich und Japan, indem sie die Politik der „offenen Tür" und der „territorialen Integrität" Chinas bestätigten, das spezielle Interesse eines jeden der Vertragspartner auf denjenigen Teil des chinesischen Territoriums anerkannten, der an ihre Besitzungen oder „Einflußsphären" grenzte. Beide Vertragsmächte verpflichteten sich zu gegenseitiger Unterstützung in diesen Grenzgebieten Chinas. Gleichzeitig mit diesem Übereinkommen fand ein Notenwechsel statt, durch den die speziellen Interessengebiete der Vertragspartner in China festgelegt wurden. Als ein solches Gebiet wurden den Franzosen die Provinzen Kuangtung, Kuangsi und Jünnan, den Japanern Fukien und jene Gebiete der Mandschurei und der Mongolei, in denen Japan „Sonderrechte" besaß, zuerkannt.13 Die Noten, die diese Gebiete fixierten, wurden nicht veröffentlicht. Auf diese Weise erwies sich das japanisch-französische Abkommen, ähnlich wie die vielen vorher zwischen anderen Staaten geschlossenen Abkommen, als ein weiterer Schritt zur imperialistischen Aufteilung Chinas in „Einflußsphären". Die Anerkennung der 9. rpHMM, c. o., S. 170. m A. Gérard, c.o., S. 18. 12
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territorialen Integrität Chinas in dem Vertrag hatte lediglich deklarative Bedeutung. Das französisch-japanische Abkommen, wie auch der englisch-japanische Bündnisvertrag vom Jahre 1902 verschlimmerten die ungleichberechtigte, abhängige Lage Chinas und gewährten den imperialistischen Mächten das Recht der Polizeiaufsicht über bestimmte Gebiete Chinas. 14 Noch viel komplizierter verliefen die Verhandlungen über ein russisch-japanisches Abkommen. Der Friedensvertrag von Portsmouth im Jahre 1905 hatte die angriffslustige japanische Militärclique, die Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer bei weitem nicht zufriedengestellt. Nach Kriegsende wurden neue, erweiterte Programme für die Verstärkung von Armee und Flotte angenommen. Das japanische Oberkommando zog die Erfüllung des Vertrages von Portsmouth über die Evakuierung der japanischen Truppen aus der Mandschurei in die Länge, wogegen zur gleichen Zeit die russischen Truppen fristgemäß das Land verließen.15 Die russisch-japanischen Verhandlungen über einen Handelsvertrag und eine Fischerei-Konvention, deren Abschluß ebenfalls in demselben Vertrag von Portsmouth vorgesehen war, machten keine Fortschritte, weil von japanischer Seite Forderungen gestellt wurden, die weit über die Grenzen der Vertragsbedingungen hinaus gingen; 18 die Beziehungen zwischen Rußland und Japan blieben in den Jahren 1905 bis 1906 weiterhin außerordentlich gespannt. „In Europa", sagte Ito Hirobumi im Mai 1906 auf einer gemeinsamen Tagung der Genro, der militärischen Führer und Mitglieder des Regierungskabinetts, „rechnet man damit, daß sich Japan zu einem zweiten Krieg gegen Rußland vorbereitet und daß die Japaner den Portsmouther Vertrag nicht als einen Friedensvertrag anerkennen, sondern nur als ein Waffenstillstandsabkommen betrachten." 17 Ein solcher Zustand im Fernen Osten entsprach zweifellos den Interessen der amerikanischen imperialistischen Diplomatie Theodore Roosevelts. Noch ganz zu Beginn des Krieges (im März 1904) teilte er diese Erwägungen dem deutschen 14
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Zur Sphäre der französischen Polizeiaufsicht gehörte die Provinz Kuangtung, das Zentrum der revolutionären Bewegung Chinas, die von dem großen chinesischen Demokraten Sun Jat-sen geleitet wurde. Im Jahre 1907 wurde Sun Jat-sen, der sich vor den chinesischen Behörden in Indochina verborgen hielt, von den französischen Behörden ausgewiesen. „B.D." Bd. IV, S. 263. Im Jahresbericht des englischen Botschafters in Petersburg Nicolson für das Jahr 1906 weist dieser Diplomat, der offensichtlich mehr Japan als Rußland zugeneigt war, dennoch darauf hin, daß die russische Armee zur Hälfte in der Nähe der westlichen Grenzen stationiert ist, und daß die kleinen Garnisonen, die in Sibirien geblieben sind, als ein Beweis für das Fehlen aggressiver Tendenzen Rußlands Japan gegenüber anzusehen seien. Das Recht der japanischen Schiffahrt auf dem Sungari usw. K. Hamada, Prince Ito, London 1936, S. 214—222.
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Botschafter in Washington, Speck von Sternburg, mit und wies ihn darauf hin, welcher Verlauf und welcher Ausgang des Krieges seiner Meinung nach der für die USA und für Deutschland wünschenswerteste wäre. „Iis liege in unserem Interesse, daß der Krieg zwischen Rußland und Japan sich in die Länge ziehe, daß beide Mächte sich nach Möglichkeit aufreiben und daß nach Friedensschluß ihre geographischen Reibungsflächen nicht beseitigt werden, daß sie sich mit Bezug auf die Grenzen ihrer Interessensphären in ähnlicher Weise gegenüberstehen als vor dem Krieg. Das wird sie auf dem Kriegsfuß erhalten und ihre Gelüste nach anderen Gebieten mindern. Japan wird Deutschland dann nicht in Kiautschou und uns nicht in den Philippinen bedrohen. Rußlands Aufmerksamkeit wird von seinen Westgrenzen abgelenkt und bleibt im Osten konzentriert."18 Es handelte sich hier nicht so sehr um die Bedrohung der Philippinen usw., als vielmehr darum, daß der Konfliktstoff in den Beziehungen zwischen Rußland und Japan den Vereinigten Staaten die Möglichkeit verschaffen sollten, unter Ausnutzung dieser Konflikte die eigene Position in China zu festigen, dabei jedoch sowohl gegen Rußland als auch gegen Japan einen offenen Kampf zu vermeiden, zu dem nach Roosevelts Meinung die militärischen Kräfte der USA noch nicht ausreichten. Eine Verschärfung der russisch-japanischen Beziehungen lag zu dieser Zeit jedoch nicht im Interesse des britischen und französischen Imperialismus. Die Aufgabe, sich zu einem Krieg gegen Deutschland vorzubereiten, überwog in England alle anderen Erwägungen. Rußland lehnte es ab, vor Bereinigung seiner Beziehungen zu Japan ein Abkommen mit England zu schließen, d. h. sich der Entente anzugliedern, solange das russische Fernostgebiet und die Interessen der zaristischen Regierung in der Mandschurei von einem zweiten Überfall durch die japanischen Streitkräfte bedroht blieben. Die Regierung Sayonji sah die Unmöglichkeit ein, sich in einer solchen internationalen Situation und angesichts der Finanzlage Japans in ein neues Kriegsabenteuer gegen Rußland zu stürzen, wie dies die wütendsten japanischen Militaristen forderten. Unter dem finanziellen und politischen Druck von Paris und London nahm sie schließlich zu Beginn des Jahres 1907 den Vorschlag des russischen Ministers für Auswärtige Angelegenheiten, Iswolski, über den Abschluß eines allgemeinen politischen Abkommens an. Unter Ausnutzung seiner militärischen Überlegenheit erreichte Japan von Rußland die Abtretung eines Teils der zaristischen Einflußsphäre in der Mandschurei.19 Am 30. Juli 1907 wurde diese allgemein-politische russisch-japanische Konvention, die aus einem " „G.P." Bd. XIX, T. 1, S. 112. 1 9 Die Linie, die die Einflußsphären abgrenzte, wurde durch die an der Ostchinesischen Eisenhahn gelegene Station Sungari gezogen, während in Portsmouth vereinbart war, daß die Rußland zugehörige südliche Zweigstrecke der Ostchinesischen Eisenbahn bis zur Station Kuangtschentsi, 120 km südöstlich der Station Sungari reicht. Auf diese Weise wurde die Teilstrecke der Ostchinesischen Eisenbahn von Kuangtschentsi bis Sungari im Jahre 1907 an die Einflußsphäre Japans abgetreten.
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veröffentlichten und einem geheim gehaltenen Abkommen bestand, unterzeichnet. Letzteres wurde erst nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution veröffentlicht. 20 Die russisch-japanische Konvention f u ß t e auf derselben Grundlage, wie der englisch-japanische Bündnisvertrag und das französisch-japanische Abkommen. Obwohl darin die Grundsätze der „offenen T ü r " und der „territorialen Integrität" Chinas deklariert wurden, sahen die Abkommen in ihrem geheimen Teil die Teilung der Mandschurei in eine japanische (südliche) und eine russische (nördliche) Einflußsphäre vor. Die Konvention von 1907 war das erste aus einer langen Reihe darauf folgender öffentlicher und geheimer russisch-japanischer politischer Abkommen (1910, 1912, 1916). ! 1 Diese Abkommen festigten allmählich die Verbindung zwischen dem zaristischen und dem japanischen Imperialismus und wendeten zeitweilig die D r o h u n g eines neuen Überfalls Japans auf Rußland ab, dessen Streitkräfte in diesen Jahren ein der europäischen Grenze konzentriert waren. Die Verbindung zwischen dem russischen Zarismus und dem japanischen Imperialismus, wie auch die zwischen England und Japan sowie zwischen Frankreich und Japan, erleichterte allen diesen Mächten die D u r c h f ü h r u n g ihrer imperialistischen Politik in China und in den anderen Ländern des Fernen Ostens. D a jedoch in diesen Jahren die europäischen Mächte m i t der Vorbereitung des Krieges gegen Deutschland beschäftigt waren, verstand es Japan, mit seiner aggressiven Politik in China die meisten „Früchte" aus dem russisch-japanischen und den anderen Abkommen zu ernten. Gleichzeitig verhinderten die Verträge zwischen Rußland und Japan, die die Mandschurei in eine ausschließlich russische und eine ausschließlich japanische Einflußsphäre umgewandelt hatten, das Eindringen sowohl des amerikanischen wie auch des englischen Kapitals in dieses Gebiet. Dies wiederum schuf gespannte Beziehungen zwischen Rußland und Japan einerseits und den U S A andererseits, da die amerikanische Diplomatie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bestrebt war, die an Rußland grenzende Mandschurei zu einer amerikanischen Einflußsphäre zu machen. Was England betrifft, sah sich die englische Diplomatie, obgleich die weitgehende politische Übereinstimmung Rußlands und Japans auch unter den englischen Kapitalisten Unzufriedenheit hervorrief, mit Rücksicht auf das Bündnis mit Japan und auf die beabsichtigte Ausnutzung Rußlands gegen Deutschland in Europa gezwungen, jedes neue Abkommen zwischen Rußland und Japan offiziell gutzuheißen. I m Jahre 1907 wurde auch ein englisch-russisches Abkommen geschlossen. Obwohl es keine unmittelbare Beziehung zum Fernen Osten hatte, schwächte es doch f ü r eine gewisse Zeit jene ernsthaften imperialistischen Widersprüche ab, die das feindselige Verhältnis zwischen England u n d Rußland in ganz Asien und insbesondere in China hervorgerufen hatte. 20 21
9. rpHMM, c. o., S. 168—170. B. AßapnH, HMnepnajin3M B MamiacypHn, Bd. I, Moskau 1934, Kap. H anoHCKmt HMiiepnajiH3MOM», S. 103—147.
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Die deutsche Politik am Stillen Ozean Die Festigung der Position der Entente im Fernen Osten durch die Verträge von 1907 zog unverzüglich eine außerordentliche Aktivität der deutschen Diplomatie nach sich, die hier, wie auch in Europa bestrebt war, die Entente zu spalten oder zumindest zu schwächen. D a im Fernen Osten ein neuer Konflikt zwischen Japan und Amerika, das sich außerhalb der Entente befand, heranreifte, suchte die deutsche Politik mit allen Mitteln mit den USA am Stillen Ozean in Fühlung zu kommen. I n China verhielt m a n sich zu den Abkommen von 1907, die Rußland und Japan an die englisch-französische Entente banden, ablehnend, da man (und nicht ohne Grund) eine Aufteilung Chinas unter die Partner eines „Vierer-Abkommens" befürchtete. In China glaubte man nicht, daß der Inhalt der Verträge auf die veröffentlichten Artikel beschränkt sei, und man war besonders empört über den Artikel des französisch-japanischen Abkommens, der diesen Mächten das Recht einräumte, die „Ordnung" auf dem Territorium Chinas herzustellen. Deshalb trug sich Wilhelm I I . mit Plänen über einen deutschamerikanisch-chinesischen Vertrag; Amerika suchte er durch das Argument auf seine Seite zu ziehen, ein solcher Vertrag biete eine „Garantie" f ü r die amerikanisch-imperialistische Doktrin der „gleichen Chancen". Ein Abkommen Deutschlands mit den Vereinigten Staaten hätte der Entente im Fernen Osten eine andere Koalition gegenübergestellt, was die Widersprüche am Stillen Ozean verschärft und die Streitkräfte der Gegner Deutschlands vom europäischen Schauplatz weg nach dem Fernen Osten abgezogen hätte. Diesen seinen Plan entwickelte Wilhelm II. in einem Brief ein Bülow, in dem er anläßlich der Entsendung einer amerikanischen Flotte in den Stillen Ozean seine große Befriedigung ausdrückte: die Verschärfung der japanisch-amerikanischen Beziehungen werde die Engländer zwingen, ihre Flotte nach dem Stillen Ozean zu schicken, was sie in Europa Deutschland gegenüber schwächen muß. 2 2 Alle Bemerkungen des Kaisers zu den Berichten der Botschafter aus Washington und Peking sind voller Ermahnungen über die Dringlichkeit eines schnelleren Vertragsabschlusses zwischen Deutschland, den USA und China. Wilhelm versprach Theodore Roosevelt den Schutz der amerikanischen Atlantikküste durch die deutsche Flotte und sogar die Entsendung einer deutschen Armee nach den USA, falls, wie der Kaiser sich äußerte, die Japaner auf dem amerikanischen Kontinent landen sollten. E r überschüttete Washington mit Nachrichten aus den verschiedensten Quellen über die Vorbereitung Japans zu einem Krieg gegen die USA. Aber Th. Roosevelt, der allen Gerüchten und Nachrichten über die Stimmungen in Japan größte Aufmerksamkeit schenkte und einen Krieg mit Japan nicht f ü r ausgeschlossen hielt, sah sich trotzdem genötigt, zu erklären, daß er den „wilden Geschichten des Kaisers" 23 keine größere Bedeutung beimesse. 22 23
„G. P." Bd. 25, T. 1, S. 87—89. T. A. Bailey, T. Roosevelt and the japanese-american crisis, Stanford 1934, S. 269.
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Nichtsdestoweniger erörterte Roosevelt mit dem deutschen Botschafter wiederholt die Lage im Fernen Osten. Die amerikanischen Imperialisten, die annahmen, daß Deutschland in Anbetracht der sich in Europa zuspitzenden Lage im Fernen Osten keine aktive Politik spielen könne, wiesen offenbar die Möglichkeit irgendeines deutsch-amerikanisch-chinesischen Vertragsabschlusses, der der Position der Vereinigten Staaten im Fernen Osten zugute käme, nicht von der Hand. Auf Drängen Deutschlands entschloß sich die chinesische Regierung, als Initiator eines derartigen Vertragsabschlusses aufzutreten, und sandte zu diesem Zweck den Mukdener Gouverneur Tang Schao-ji nach Washington. Entgegen den Erwartungen Berlins schloß jedoch die Regierung der USA statt eines Vertrages mit China und Deutschland im Jahre 1908 ein Abkommen mit J a p a n . " Dem neuen deutschen Botschafter Bernsdorff gegenüber gab Th. Roosevelt laut Bericht des Botschafters als Motiv dieser Handlung Ein, BernsdorfEs Vorgänger habe ihm oft vorgeschlagen, gemeinsam mit Deutschland die „Integrität" Chinas zu garantieren; dazu hätte er sich jedoch nicht entschließen können aus der Befürchtung, daß ein solches Abkommen China zu einer entschiedeneren Politik gegenüber Japan drängen und dadurch einen japanischchinesischen Konflikt heraufbeschwören könne, auf den China ganz und gar nicht vorbereitet sei. Weder Deutschland noch die USA könnten jedoch China mit effektiven militärischen Kräften unterstützen. Die öffentliche Meinung in den USA werde einen Krieg gegen Japan um der amerikanischen Interessen in China willen nicht gutheißen.25 Th. Roosevelt verschwieg dabei, daß er mit der Anerkennung des Status quo am Stillen Ozean im Abkommen mit Japan zugleich auch die japanischen Erwerbungen in China und Korea sanktionierte und Japan zu neuen Räubereien ermunterte. Die Politik, die Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten auf Kosten Chinas, seines Territoriums, auf Kosten der Leiden des chinesischen Volkes zu lösen, betrieben die USA in gleichem, wenn nicht in noch größerem Maße, als die anderen imperialistischen Mächte. Das Scheitern der deutschen Pläne zur Schaffung einer deutsch-amerikanischchinesischen Koalition entmutigte Wilhelm II. nicht. In der Folgezeit benutzte er, bis kurz vor dem ersten Weltkrieg, jede sich bietende Gelegenheit, um mit den USA in allen fernöstlichen Angelegenheiten Fühlung zu nehmen. Zweifellos hoffte er, auf diesem Wege die Stellung Deutschlands nicht nur im Fernen Osten, sondern auch in Europa zu verbessern. Da Wilhelm II. jedoch Bedenken trug, seine Karten offen aufzudecken, versuchte er, auch in diesen Verhandlungen China und nicht der deutschen Diplomatie die Rolle des Initiators zuzuschieben. Die fortgesetzte Verschlechterung der japanisch-amerikanischen Beziehungen ermöglichte Wilhelm II. hierin weidlich diplomatische Machinationen aller Art. Siehe oben den Notenwechsel Root—Takahira. « „G. P." Bd. 25, T. 1, S. 97.
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Die „Dollardiplomatie" Seit dem Präsidentenwechsel in den USA und der Übernahme der Präsidentschaft durch William Taft wandte die amerikanische Regierung dem Problem der Expansion im Fernen Osten erhöhte Aufmerksamkeit zu. Der wahre Charakter der japanisch-amerikanischen Widersprüche trat immer deutlicher in Erscheinung. Während sich unter Th. Roosevelt die heftigsten Konflikte noch an der Frage der japanischen Einwanderung nach den USA entzündeten und die mandschurische Frage eine zweitrangige Rolle spielte, trat unter Taft die Frage der japanischen Immigration in den Hintergrund. An die erste Stelle rückten nunmehr unmittelbar die imperialistischen Widersprüche zwischen den beiden Mächten in der Mandschurei. Der amerikanische Imperialismus setzte sich hartnäckig für die Behauptung seines Einflusses in diesem Gebiet ein. Das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch das wirtschaftliche Wachstum der USA, durch die Entwicklung ihres Außenhandels und insbesondere durch eine bedeutende Verstärkung des Finanzkapitals und der Riesenmonopole. Die Präsidentschaft Tafts fiel mit einer Periode zunehmender amerikanischer Kapitalinvestitionen im Ausland zusammen. Taft und sein Staatssekretär Knox stellten in noch höherem Maße als ihre Vorgänger die Diplomatie der USA in den Dienst der Businessmen. Die habgierigen amerikanischen Milliardäre strebten nach der Weltherrschaft; insonderheit trachteten sie danach, den Stillen Ozean in ein amerikanisches Meer und die Völker des Fernen Ostens in Sklaven des amerikanischen Kapitals zu verwandeln. Die Außenpolitik der USA bezeichnet man seit dieser Zeit gewöhnlich als „Dollardiplomatie". Der Umstand, daß im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der amerikanischen Diplomatie der Ferne Osten stand, erklärt sich durch die ungeheuren Perspektiven, die sich in diesem Gebiet, zumal in China als dem ausgedehntesten und aufnahmefähigsten Markt der Welt, dem stürmisch anwachsenden Export der amerikanischen Industrieerzeugnisse und den amerikanischen Investitionen eröffneten. Die USA-Imperialisten glaubten, alle Mittel in den Händen zu haben, um in China die wirtschaftlich und politisch beherrschende Stellung, die im 19. Jahrhundert England besessen hatte, übernehmen zu können. Taft selbst, der früher Gouverneur der Philippinen und dann während der Präsidentschaft Th. Roosevelts Kriegsminister der USA gewesen und mit diplomatischen Aufträgen oftmals nach Japan gereist war, kannte den Fernen Osten gut. Im Auswärtigen Amt war schon unter dem Vorgänger von Knox als erste regionale Abteilung die fernöstliche ausgesondert worden, an deren Spitze bald Willard Straight trat, der bisherige Konsul in Mukden und einer der aktivsten Agenten der amerikanischen Diplomatie und der monopolistischen Konzerne der USA in der Mandschurei. Die Mehrheit der großen Vertreter der Finanzwelt der USA, mit Ausnahme Harrimans und des mit ihm verbundenen Bankhauses Kuhn, Loeb & Co., das während des Russisch-Japanischen Krieges Japan finanziert hatte, zeigte damals 140
jedoch keine Bereitwilligkeit zu sofortigen Kapitalanlagen in China. D i e labile politische Lage in China, die gespannten japanisch-amerikanischen Beziehungen, die Mißerfolge vieler amerikanischer Unternehmer (Bush, Schiff, Harriman) bei der Erlangung von Eisenbahn-Konzessionen in China während der vorhergegangenen Jahre, alles das war zu dieser Zeit Anlaß f ü r eine gewisse Vorsicht der Finanzmagnaten der USA in bezug auf den chinesischen Markt. Unter diesen Umständen formulierte die amerikanische Diplomatie unter der Präsidentschaft T a f t s ihr Aktionsprogramm sehr treffend mit den W o r t e n : „Das Department setzt sich die Ausbreitung des amerikanischen Einflusses in China zum Ziel, u m zu erreichen, daß die amerikanischen Kaufleute und Experten bis zu der Zeit, da sie ihre Blicke entschlossen auf die östlichen Märkte richten werden, den chinesischen Markt f ü r die amerikanischen W a r e n offen und die chinesische öffentliche Meinung dem amerikanischen Unternehmungsgeist gegenüber günstig gestimmt finden". Das Staatsdepartment der USA beschränkte sich jedoch nicht allein darauf, den Boden in China vorzubereiten; es unterstützte auch die Finanzkreise von New York bei der Organisierung einer mächtigen Bankengruppe, die bei der Vergebung von Anleihen an China oder f ü r die Übernahme von Konzessionen als Großanwärter auftreten könnte. 26 Die Organisierung dieser amerikanischen Bankengruppe lief zeitlich parallel mit Verhandlungen zwischen englischen, deutschen und französischen Banken über die Schaffung einer Bankenvereinigung f ü r die Gewährung einer Anleihe zum Eisenbahnbau in Zentral-China, der sogenannten Hukuang-Eisenbahnanleihe. 2 7 Nach dem Russisch-Japanischen Krieg war ein gewisses, wenngleich verhältnism ä ß i g schwaches Anwachsen des Eisenbahnbaus und teilweise auch des Industrieaufbaus in China durch chinesisches Kapital zu beobachten. Dies sahen die Imperialisten als mögliche Bedrohung ihrer unkontrollierten Herrschaft an. So begannen Verhandlungen über die Vereinigung der Banken der Großmächte zu einem sogenannten Bankenkonsortium, dessen Aufgabe es sein sollte, das ausschließliche Monopol über die Gewährung jedweder Anleihen an China, sowie die Übernahme ausnahmslos aller Konzessionen in China zu erlangen. D e r Prozeß der Schaffung internationaler Bankvereinigungen, internationaler Kartelle usw. war, wie W . I. Lenin nachwies, charakteristisch f ü r die Epoche des Imperialismus und „in dem Maße, wie der Kapitalexport wuchs und die ausländischen und kolonialen Verbindungen und Einflußsphären' der riesigen Monopolverbände sich in jeder Weise erweiterten, kam es natürlicherweise' unter 28
a7
A. W. Griswold, The Far Eastern policy of the United States, New York 1938, S. 141—142; siehe auch Field, American Participation in China consortimn, Nr. 4., 1931. Die Bankengruppe bestand aus G. P. Morgan, Harriman, „Kuhn, Loeb u. Co", „First National Bank" und „National City Bank". Die Hukuang-Statthalterschaft bestand aus den Provinzen Hupei und Hunan, auf deren Gebiet der Eisenbahnbau hauptsächlich geplant war.
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ihnen zu Abmachungen im Weltmaßstabe, zur Bildung von internationalen Kartellen." 2 8 I n China jedoch verfolgte das Balikenkonsortium neben seinem Hauptziel — der Errichtung der Finanzherrschaft des Auslandskapitals in diesem Lande — noch ein anderes Ziel: die „ Ö f f n u n g der T ü r " der Mandschurei und deren Umwandlung aus einer Sphäre des russisch-japanischen Einflusses i n eine Einflußsphäre des Weltfinanzkapitals. Diese Aufgabe war dem Konsortium von der amerikanischen Diplomatie diktiert worden, sobald sie die Teilnahme der amerikanischen Banken an dieser Organisation erreicht hatte. Als m a n im M a i 1909 in den USA von den Verhandlungen zwischen der Deutschen Ostasien-Bank, der Hongkong-Schanghai Bank und der Indochinesischen Bank über die Finanzierung des Hukuang-Eisenbahnprojekts e r f u h r , bestand die amerikanische Diplomatie den europäischen Mächten gegenüber auf einer Beteiligung der amerikanischen Banken an der Hukuang-Anleihe. Sie berief sich darauf, daß schon f r ü h e r eine amerikanische F i r m a eine Konzession auf den Bau einer Teilstrecke dieser Bahn besessen hatte und ihr von der chinesischen Regierung das Vorzugsrecht auf die Finanzierung derselben eingeräumt worden war. Das amerikanische Ansuchen war zunächst ohne Erfolg: am 6. Juni wurde zwischen den drei genannten Banken und der chinesischen Regierung ein Vertrag über die Gewährung einer großen Anleihe zum Bau der Hukuang-Bahn abgeschlossen, 29 und nach Ablauf eines Monats wurde zwischen den Bankenvereinigungen (Englands, Frankreichs und Deutschlands) eine noch weitergehende Ubereinkunft darüber getroffen, daß die Banken gemeinsam Konzessionen f ü r den Bau von Eisenbahnlinien in China erpressen wollten, wozu sie sich gegenseitig gleichmäßige Beteiligung an den Anleihen, die zu diesem Zweck gewährt werden sollten, zusicherten. 30 I m Grunde genommen wurde durch diesen Vertrag der Grundstein f ü r das Bankenkonsortium gelegt. Nachdem die amerikanische Diplomatie bei ihren Verhandlungen in London, Paris und Berlin keinen E r f o l g erzielt hatte, n a h m sie ihre Zuflucht zur unmittelbaren Einwirkung auf die Regierung des halbkolonialen China. A m 6. Juli 1909 richtete Präsident T a f t an den chinesischen Regenten, den Prinzen Tschun, ein persönliches Handschreiben, in dem er kategorisch auf einer Beteiligung der amerikanischen Banken an der Hukuang-Anleihe bestand. Schließlich erklärten sich auf Grund der diplomatischen Aktivität der USA die 28
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W. I. Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus", Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 73. McMurray, Treaties and Agreements With and Concerning China, S. 880. Die Teilnehmer an diesem Vertrag waren von Seiten Englands die Hongkong Schanghai-Bani, die Britisch-Chinesische Korporation und die „China Central Railways Co"; von Seiten Prankreichs die Indochinesische Bank als Vertreterin der 8 größten französischen Banken und von Seiten Deutschlands die Deutsch-Chinesische Eisenhahngesellschaft als Vertreterin des deutschen Bankensyndikats.
' Ebenda, S. 835.
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Regierungen Englands, Frankreichs und Deutschlands (letzteres hatte von Anfang an den amerikanischen Vorschlag unterstützt) mit der Beteiligung der amerikanischen Banken an der Hukuang-Anleihe einverstanden. Die Verhandlungen zwischen den Diplomaten und den Bankvereinigungen stießen jedoch auf neue Schwierigkeiten, weil die USA auf einem gleichen Anteil bei den Anleihen als auch bei den Bauvorhaben beharrten. Die Verhandlungen bezüglich der Hukuang-Anleihe wurden erst im Mai 1910 und bezüglich des Anteils der USA am Bankenkonsortium erst im November desselben Jahres abgeschlossen. So wurde das Bankenkonsortium der Vier Mächte geschaffen. Die Diplomatie Tafts hielt es nicht für nötig, abzuwarten, bis die verwickelten und langwierigen Verhandlungen über das Konsortium beendet waren und bis es gelang, seine Wirksamkeit in eine den amerikanischen Imperialisten genehme Richtung zu lenken. In hartnäckiger Verfolgung des Hauptzieles, nämlich der „Öffnung der Türen" der Mandschurei, mit anderen Worten, des Strebens, die Mandschurei in eine Einflußsphäre des amerikanischen Finanzkapitals zu verwandeln, hatte sich das Staatsdepartment der USA am 6. November 1909, kurz nachdem Präsident Taft zur Macht gelangt war, an England und dann auch an die anderen Staaten mit einem Memorandum gewandt, das unter der Bezeichnung „Knox-Memorandum" bekannt geworden ist. In diesem Dokument hatte Rnox unter dem heuchlerischen Vorwand, die chinesische Souveränität über die Mandschurei zu sichern und die Politik der „offenen Tür" zu verwirklichen, vorgeschlagen, entweder China eine internationale Anleihe für den Ankauf (für die „Internationalisierung") der Ostchinesischen und der Südmandschurischen Eisenbahn zu gewähren, oder, falls Japan und Rußland diesen Vorschlag ablehnen sollten, mit dem Bau einer Haupteisenbahnlinie zu beginnen, die durch die ganze Mandschurei von Süden nach Norden (von Kintschou nach Aigun) bis zur russisch-chinesischen Grenze führen sollte. Ein Abkommen über den Bau dieser Eisenbahnlinie war einen Monat vorher mit den mandschurischen Behörden von einer englischen Firma und einer amerikanischen Bankengruppe abgeschlossen worden. Die amerikanische imperialistische Diplomatie wandte in dieser Aktion im wesentlichen dieselben Methoden an, wie bei der Einführung der Politik der „offenen Tür". Wie damals, begünstigten die Umstände auch jetzt die Annahme des amerikanischen Vorschlages nicht. Damals tobte um die Aufteilung Chinas in „Einflußsphären" ein erbitterter Kampf und die Politik der „offenen Tür" war nur eine deklarative Formel, hinter der dieser Kampf fortgesetzt, ja sogar verstärkt weitergeführt wurde. Jetzt, nach dem Kriege von 1904—1905 und dem russischjapanischen Vertrag von 1907, war die Mandschurei faktisch schon in eine russische und eine japanische „Einflußsphäre" aufgeteilt, und weder die eine noch die andere Seite verspürte die geringste Neigung, andere Mächte in die Mandschurei hineinzulassen. Die Bündnisbeziehungen, die zwischen Rußland und Frankreich sowie zwischen Japan und England bestanden, sorgten von vornherein dafür, daß sich alle vier Mächte zum Vorschlag Knox' ablehnend verhalten 143
mußten, was in der Tat auch eintrat. Wie Hay im Jahre 1899, so sandte Knox im Jahre 1909 die erste Note nach England, und die Antwort Englands, die schon 1899 nicht durchweg günstig, diesmal sogar ausgesprochen zurückhaltend war, wurde von Knox wie seinerzeit von Hay als ,,im Prinzip den Vorschlag der USA billigend" hingestellt. 31 Gestützt auf eine derartige „Unterstützung" Englands, wandte sich Knox, ebenso wie vorher Hay, mit seinem Memorandum an die anderen Mächte. Aber die Ergebnisse dieser beiden amerikanischen Schritte waren nicht die gleichen: während im Jahre 1899 die Politik der „offenen Tür", wenn auch nur formell, von einer Reihe von Mächten gebilligt worden war, stieß das Memorandum Knox' auf den entschiedenen Widerstand von Seiten Rußlands (besonders gegen die Kintschou-Aigun-Haupteisenbahnlinie) und Japans, dem sich auch England und Frankreich anschlössen.32 Die amerikanische Demarche hatte bei der Mehrzahl der Diplomaten jener Zeit große Verwunderung hervorgerufen, da es klar war, daß sie keinen Erfolg haben konnte. In bezug darauf wurden Epitheta wie „naiv" (Iswolski), „Luftschloß" (Nicolson) usw. gebraucht. Der Vorschlag von Knox war nicht nur zurückgewiesen worden; er zog auch Folgen nach sich, die jenen, auf die die amerikanische Diplomatie gehofft hatte, entgegengesetzt waren: er führte zu einer Stärkung des russischen und japanischen Einflusses in der Mandschurei. Die in Verbindung mit dem Memorandum Knox einsetzenden russisch-japanischen Verhandlungen führten zu einem neuen (öffentlichen und geheimen) Abkommen, das eine weit festere wirtschaftliche und politische Verbindung zwischen Rußland und Japan in der Mandschurei bewirkte. Im Falle der Bedrohung des durch dieses Abkommen hergestellten Status quo in der Mandschurei sollten beide Mächte — so war es im Abkommen festgelegt — in Verhandlungen darüber eintreten, welche Maßnahmen zur Wahrung ihrer Interessen ergriffen werden müssen.33 Es ist zu erwähnen, daß die amerikanische Diplomatie, bevor sie gegen ihre Rivalen in der Mandschurei offen auftrat, versucht hatte, sich im geheimen mit Rußland und Japan getrennt zu verständigen, wobei sie unzweideutig beide Staaten gegeneinander aufzuwiegeln suchte. Wenn es Rußland trotzdem in Beantwortung des amerikanischen Vorschlages vorzog, seine Verbindung mit Japan und nicht zu den USA, zu verstärken, so war einer der Hauptgründe dafür die Furcht vor einer etwaigen Wiederholung des Überfalls Japans, den die Vereinigten Staaten seinerzeit so energisch unterstützt hatten. Das Gespräch Iswolkis mit dem amerikanischen Gesandten Rockhill, der Iswolski im November 1909 besuchte, läßt hieran keinen Zweifel. Wie Iswolski schreibt, versuchte Rockhill auch schon früher, ihn von der „Notwendigkeit für Rußland" zu überzeugen, „in der mandschurischen Frage Hand in Hand mit den Vereinigten Staaten zu gehen und gemeinsam mit diesen die Unabhängigkeit « A . W . Griswold, c.o., S. 154—155. B. ÄBapHH, c. o., S. 115—122. 33 9. rpmiM, c. o., S. 176—177. 32
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Chinas und das Prinzip der offenen T ü r gegen die Expansionspolitik Japans zu verteidigen, die doch in den letzten japanisch-chinesischen Abkommen so klar in Erscheinung getreten w a r " . Als Rockhill das Projekt der Neutralisierung der Ostchinesischen und der Südmandschurischen Eisenbahn vorbrachte, machte Iswolski sofort folgende Bemerkungen: 1. Über die Position Japans: „Japan, das durch die wohlwollende Mitwirkung Amerikas seine gegenwärtige beherrschende Stellung in der Südmandschurei erlangt hat, wird diese selbstverständlich n u r unter starkem Druck aufgeben". 2. Über R u ß l a n d : Es wird wohl kaum alle in die Mandschurei gesteckten Summen zurück erhalten und vor allem ist es zweifelhaft, ob eine Neutralisierung des mandschurischen Eisenbahnnetzes die Sicherheit der russischen fernöstlichen Grenzgebiete erhöht. W e n n Japan unter Druck die Mandschurei aufgeben müßte, wird es, wie zu befürchten ist, nach einer Kompensierung auf Kosten Rußlands streben, und Rußland kann in diesem Fall schwerlich „auf eine aktive H i l f e der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika oder einer anderen Macht" 3 4 rechnen. E i n aufmerksames Studium der Politik Tafts und Knox' f ü h r t auch zu der unbestreitbaren Schlußfolgerung, daß trotz der Verschärfung der japanischamerikanischen Beziehungen in dieser Periode das Knox-Memorandum seine schärfste Spitze nicht gegen Japan, sondern gegen Rußland richtete. Das Memorandum war darauf berechnet, falls Rußland und Japan die Neutralisierung der Ostchinesischen und der Südmandschurischen Eisenbahn ablehnten — und mit ihrer Zustimmung war, wie oben erwähnt, kaum zu rechnen — , lediglich Rußland aus der Mandschurei zu verdrängen, während mein sich auf Japan stützte. Eben zu diesem Zweck war in das Projekt von Knox die alternative Variante des Baues der Kintschou-Aigun-Eisenbahn eingesetzt worden, die in erster Linie die Interessen Rußlands verletzte. Die Beteiligung am Bau einer Strecke, die durch die ganze Nordmandschurei f ü h r e n sollte, m u ß t e f ü r die Japaner zweifellos von Interesse sein, da sie schon lange danach trachteten, Zutritt zu diesem Gebiet zu gewinnen. Auch Japan war der Vorschlag einer Baubeteiligung gemacht worden. Die japanische Regierung, die zu dieser Zeit Verhandlungen mit Rußland führte, schwankte überaus lange, ob sie den Vorschlag annehmen oder ablehnen sollte. Rußland jedoch wurde diese zweite Variante des Projektes von Knox weder in dem bereits erwähnten Gespräch Rockhills mit Iswolski noch später, als das Knox-Memorandum zum ersten Mal offiziell allen Regierungen zur Kenntnis gebracht wurde, mitgeteilt. Auf diese Weise wurde die Politik der Aufwiegelung Japans gegen Rußland auch nach dem Kriege 1904—1905 von der amerikanischen Diplomatie fortgesetzt. Nach dem Scheitern des Projektes von Knox versuchten die U S A weiterhin mit gleicher Energie, „die T ü r " der Mandschurei „zu öffnen", wozu als Instrument dieser Politik das Bankenkonsortium diente. Einige Tage vor dem Zustandekommen des Abkommens mit den französischen, deutschen und englischen Bankvereinigungen unterschrieb die amerikanische 34
ABHP, B^,
JInoHCKHä CTOJI,
Dok. Nr. 206, Bl. 164. 145
Bankengruppe (Morgan und andere) einen vorläufigen Vertrag mit China über die Gewährung einer Anleihe von 50 Mill. Dollar für die Durchführung einer sogenannten Finaiizreform in China und für den Bau von Industriebetrieben in der Mandschurei. Bei ihrem Eintritt in das Bankenkonsortium, das mit China noch keinen Vertrag über die Gewährung einer Anleihe f ü r irgendwelche konkrete Zwecke abgeschlossen hatte, überreichte die amerikanische Gruppe diesem Bankenkonsortium ihren vorläufigen Vertrag mit China zur Realisierung. Dies gab der Tätigkeit des Konsortiums von Anfang an eine ganz bestimmte Richtung, die den Interessen des amerikanischen Imperialismus entsprach. Dieses Mal arbeitete das USA-Staatsdepartment zweifellos mit größerer Aussicht auf Erfolg, als bei dem separaten Vorgehen von Knox, da sich auf Seiten des Staatsdepartments die mächtige Bankenvereinigung der vier Großmächte befand. Dem Konsortium gelang es schon nach kurzer Zeit (am 15. April 1911), der Pekinger Regierung die Annahme der knechtenden Anleihe aufzuzwingen. Nichtsdestoweniger erlitt auch dieser Versuch des amerikanischen Imperialismus, in die Mandschurei einzudringen, einen Mißerfolg. Rußland und Japan wandten sich ungewöhnlich scharf gegen die Gründung eines Bankenkonsortiums ohne ihre Teilnahme und gegen die Ausweitung der Tätigkeit dieses Konsortiums auf die Mandschurei. England und Frankreich standen auf ihrer Seite. Nach langwierigen Verhandlungen wurde das Konsortium der vier Mächte in ein Konsortium von sechs Mächten umgewandelt (1912). Nach dem Eintritt Rußlands und Japans in das Konsortium hörte dieses auf, die Rolle eines Werkzeugs des amerikanischen Kapitals zu spielen und verlor natürlich für die amerikanische Diplomatie an Interesse. Der neue Präsident der U S A , Wilson, wies zwei Wochen nach seinem Amtsantritt in einer besonderen Erklärung darauf hin, daß er die Teilnahme amerikanischer Banken am Konsortium nicht billige; drei T a g e darauf verzichtete die amerikanische Bankengruppe auf ihre Beteiligung an. der zwischen demKonsortium und dem chinesischen Präsidenten Jüan Schi-kai vereinbarten sogenannten Reorganisations-Anleihe. So erfolglos wurde in dieser Periode die „Dollarpolitik" in China betrieben. Weder auf dem Territorium des eigentlichen China noch auf dem Gebiet der Mandschurei gelang es den amerikanischen Banken, den relativen Anteil der amerikanischen Kapitalanlagen irgendwie zu heben. Während das Knox-Memorandum über die Internationalisierung der Eisenbahnen in der Mandschurei den unmittelbaren Anstoß zur russisch-japanischen Verständigung von 1910 bot, diente die Organisierung des Finanzkonsortiums mit seinen ursprünglichen Plänen bezüglich der Mandschurei als einer der wichtigsten Anlässe für die Festigung der Beziehungen zwischen der zaristischen und der japanischen Regierung, die damals beide gemeinsam gegen die Pläne des Konsortiums auftraten. Dies alles verschärfte die Widersprüche zwischen Japan und Rußland einerseits und den U S A andererseits. Obwohl die zaristische Regierung nach der Niederwerfung der Revolution der Jahre 1905—1907 ihre China-Politik etwas aktiviert hatte und in einzelnen 146
Fällen gegen die amerikanische Expansion in der Mandschurei sogar entschiedener als die japanische Regierung aufgetreten war, so beschränkte sich dennoch die Tätigkeit der zaristischen Diplomatie und der russischen Kapitalisten nur auf die Nordmandschurei, die Äußere Mongolei und auf die Provinz Sinkiang. Die zaristischen Streitkräfte waren nach dem Kriege 1904—1905 hauptsächlich auf dem westlichen, dem europäischen Schauplatz konzentriert; eine Flotte besaß Rußland im Fernen Osten nicht. Anders lagen die Dinge mit Japan. Die japanische Regierung (Sayonji, Katsura) war nicht nur mit der Festigung der wirtschaftlichen und politischen Herrschaft der Japaner in Korea und in der Südmandschurei beschäftigt. In den herrschenden Kreisen Japans gab es überaus einflußreiche Gruppen, die für eine unverzügliche Verstärkung der japanischen Expansion eintraten. Da alle anderen Großmächte keine nennenswerten Streitkräfte am Stillen Ozean unterhielten und lediglich Japan, wie die ausländischen Diplomaten sehr wohl wußten, in diesem Gebiet über aktive militärische Kräfte verfügte, war die Gefahr einer japanischen Aggression durchaus real. Dies ließ einen Zusammenstoß der wirtschaftlichen Interessen der japanischen Imperialisten, die ihren Handel in großer Eile nicht nur über die Mandschurei, sondern auch über das übrige China ausdehnten, mit den Interessen der englischen, französischen, amerikanischen und der übrigen Imperialisten in greifbare Nähe rücken. Aus diesem Grunde wurde das Bestreben, die japanische Expansion einzudämmen und der Umwandlung der Südmandschurei in einen Ausgangspunkt der Aggression sowie der Stärkung des wirtschaftlichen und politischen Einflusses Japans in China Widerstand entgegenzusetzen, nicht nur für die amerikanische Diplomatie typisch, sondern auch für die Diplomatie und die kapitalistischen Kreise der europäischen Mächte. Insbesondere teilte dieses Bestreben auch der Verbündete Japans, England, als diejenige Macht, die in China die bedeutendsten Kapitalanlagen besaß, und im Handel dieses Landes sowie in der Schiffahrt auf dem ganzen Pazifik dominierte, mußte es Schritt für Schritt seine Stellungen, in erster Linie gegenüber Japan, zurücknehmen.35 Eine neue Lage entstand in Verbindung mit der japanischen Aggression in Korea. Die Annexion Koreas durch J a p a n Noch vor Beendigung des Krieges 1904—1905 hatten England und die U S A die vorwiegenden wirtschaftlichen, militärischen und politischen Interessen Japans, im Grunde genommen also das Protektorat Japans über Korea, anerkannt. 36 Die Haltung der U S A und Englands in dieser Frage führte dazu, C. F. Remer (Foreign Investments in China, N.Y. 1953) gibt folgende Daten über die wirtschaftlichen Positionen der Großmächte in China (s. d. Tab. auf S. 148). »• „B. D." Bd. IV, S. 156; M. F. Nelson, Korea and the old Orders in Eastern Asia, Louis 1946.
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147
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Ausländische Investitionen (in Millionen US-Dollar)
Tonnage der Schiffe, die chinesiche Häfen anliefen oder bedienten (in Millionen BRT)
Ausländische Firmen in China
Zahl der Ausländer in China
(in Millionen Haikwan-Tael)
Handelsumsätze mit China
260,3
23,3
401
5562
53,9
1899
607,5 (1914)
38,1
590
8966
113,3
1913
England 1
184,9
1913
10,1
1899 1
67,0
1913
Kußland
1,0
2,8
195
219,6 (1914)
23,4
1269
246,0 (1904)
(190+)
269,3 (1914)
2440 80219 40000 65000
53,1
1899
Japan
124,3 (1902)
1,8
115
1134
20,2
1899
263,6 (1914)
6,3
296
2949 (191+)
45,3
1913
Deutschland
19,7 (1900)
0,3
70
2235
43,7
1899 i
USA
49,3 (1914)
0,9
131
5340
73,0
1913 1
91,1 (1902)
0,6
76
1183
227,0
1899
171,4 (1914)
1,2
106
2292
46,0
1913
Frankreich
daß sich auch die zaristische Regierung im Vertrag von Portsmouth gezwungen sah, einer japanischen Vorherrschaft in Korea zuzustimmen. Die amerikanischen Imperialisten halfen Japan, Korea zu erobern und zu versklaven. T h . Roosevelt billigte das Protokoll des bereits erwähnten Gesprächs zwischen Katsura und T a f t voll und ganz, und noch im Jahre 1905 zog er die diplomatische Vertretung der USA aus Korea zurück. I m gleichen Jahre lehnte T h . Roosevelt auch ein Bittschreiben des koreanischen Kaisers ab, Korea gegen die Japaner H i l f e zu leisten. I n seinem Schreiben an die USA berief sich der Kaiser auf den amerikanisch-koreanischen Vertrag von 1882, laut welchem die USA Korea ihre Unterstützung hinsichtlich seiner Beziehungen zu anderen Ländern zugesagt hatten. 3 7 Darüber hinaus gab derselbe T a f t , als er im Jahre 1907 zum zweiten Male Japan besuchte, offiziell folgende Erklärung über Korea ab: „Die Hauptaufgabe Japans ist die Umgestaltung Koreas, . . . die ganze Welt sollte Vertrauen zur Politik Japans haben, das dem ach strebt, unter dem rückständigen Volk Rechtspflege und Bildung zu verbreiten". Auch der Versuch des koreanischen Kaisers, an die Haager Friedenskonferenz zu appellieren, blieb ohne E r f o l g : die Delegation wurde zu dieser Konferenz nicht zugelassen. 38 I n Korea selbst wagten Beamtenschaft und Adel, die von den Japanern terrorisiert wurden, keinen ernsthaften Widerstand; das koreanische Volk hat sich jedoch niemals mit den japanischen Räubern ausgesöhnt. I n verschiedenen Provinzen Koreas brachen spontan antijapanische Aufstände aus, die sich zuweilen über das ganze Land ausbreiteten. Die Aufstände dauerten während der Jahre 1905 bis 1910 ununterbrochen an; sie hörten auch nach der Annexion Koreas nicht auf. Die Japaner bereiteten die Annexion systematisch vor. Noch während des Krieges begannen sie in großem Umfang, den Boden der koreanischen Bauern zu enteignen. Sie f ü h r t e n eine Währungsreform durch, durch die die koreanische werktätige Bevölkerung ruiniert wurde usw. Unmittelbar nach Beendigung des Krieges 1904—1905 wurde Korea des Rechtes beraubt, diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten zu unterhalten. Dieser brutale Akt wurde, wie auch die folgenden, in einen besonderen japanischkoreanischen „Vertrag" (vom 17. November 1905) gekleidet, laut welchem die Regelung der auswärtigen Beziehungen Koreas von seiner Regierung dem japanischen Außenministerium übertragen wurde. Der „Vertrag" wurde vom koreanischen Außenminister (der Kaiser und der Ministerpräsident hatten sich geweigert, zu unterschreiben) unter dem Druck der japanischen Bevollmächtigten, 37
38
F. A. McKenzie, The unveiled East, London 1907, S. 46—48; „Nachrichten der Akademie der Wissenschaften", Serie Geschichte und Philosophie, Bd. IV, Nr. 4,1947, A. . JloöpLiHHH, CIIIA h He3aBHCHMOCTb Kopen (1904—1905). A. W. Griswold (c. o., S. 146) bemerkt zynisch, daß dieses Schreiben, ebenso wie im Jahre 1931 das analoge Schreiben Chinas an den Völkerbund, das Eintreffen der Ereignisse, die es verhindern wollte, eher beschleunigte.
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die mit neuen Gewalttaten und Morden drohten, unterzeichnet. Neben dem Zimmer, in dem die Sitzung der über diesen Vertrag beratenden koreanischen Regierung stattfand, hielt sich ein japanischer General mit einer Abteilung Soldaten auf, die mit Waffengewalt drohten. 39 I m Jahre 1907 forderten die Japaner den koreanischen Kaiser auf, abzudanken, und zwar als Strafe dafür, daß er versucht hatte, sich an die Haager Friedenskonferenz u m Hilfe zu wenden. Kaiser wurde n u n der den Japanern gefügigere Thronfolger. M i t diesem „verhandelten" die Japaner über die Auflösung der koreanischen Armee und unterzeichneten einen „Vertrag" (vom 24. Juli 1907) über die administrative Verwaltung Koreas, laut welchem jede neue V e r f ü g u n g der koreanischen Regierung durch den japanischen Vertreter (den sogenannten Generalresidenten) sanktioniert werden mußte. Unmittelbar nach dem Krieg 1904—1905 w a r Fürst Ito Hirobumi, einer der einflußreichsten Staatsmänner des imperialistischen Japan, Generalresident in Korea. Die Vorbereitung der Annexion Koreas galt damals als die wichtigste Aufgabe der japanischen Politik, und daraus erklärt es sich, daß f ü r den Posten des Generalresidenten kein anderer als Ito bestimmt wurde. Ito betrieb die Vorbereitung der Annexion außerordentlich energisch; unter seiner F ü h r u n g rechnete die japanische Armee bestialisch mit der koreanischen Bevölkerung ab. Die japanischen Militärkreise waren jedoch mit jeder Verzögerung unzufrieden und forderten die sofortige Annexion Koreas. Ito erklärte, daß die Japaner seine Tätigkeit in Korea mehr störten, als die Koreaner selbst. I m Jahre 1909 wurde (selbstverständlich wieder auf Grund eines „Vertrages" vom 12. Juli) den Japanern die Verwaltung der Gerichtsbehörden und der Gefängnisse Koreas übergeben. I m folgenden Jahr wurde auf Forderung der Militärclique der General Terauchi zum Generalresidenten in Korea ernannt, u m eine noch aggressivere Politik zu gewährleisten. I n Korea wurde eine japanische Polizei organisiert, die gegen die koreanischen Patrioten auf grausamste Weise vorging. Schließlich, am 22. August 1910, wurde das Schicksal des koreanischen Kaiserreichs besiegelt; die japanischen Imperialisten annektierten Korea. Durch den japanisch-koreanischen „Vertrag", der an diesem T a g unterzeichnet wurde, erkannten der japanische und der koreanische Kaiser „zum Wohle beider Nationen und zur E r h a l t u n g des Friedens im Fernen Osten" die vollständige Annexion Koreas durch Japan offiziell an. Die USA-Imperialisten, die bei der D u r c h f ü h r u n g ihrer antirussischen und antichinesischen Politik i m Fernen Osten Korea als Wechselgeld benutzten, halfen Japan, in Korea ein Regime der kolonialen Ausplünderung und der Versklavung des koreanischen Volkes aufzurichten. Der uralte koreanische 38
F. A. McKenzie, Korea's fight for freedom, London/New York 1920, S. 82; Th. Roosevelt, der ein Schreiben des koreanischen Kaisers erhalten hatte, war über den gewaltsamen Charakter des aufgezwungenen Vertrages vollkommen unterrichtet. Trotzdem erkannte Roosevelt diesen Vertrag als einen der üblichen internationalen Akte an.
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Staat, dessen Kultur und Zivilisation in der Vergangenheit einen ungeheuren Einfluß auf Japan ausgeübt hatte, wurde in ein Generalgouvernement des Japanischen Kaiserreiches umgewandelt. Der dritte englisch-japanische Bündnisvertrag Das englisch-japanische Bündnis stellte sich von Anfang seines Bestehens an neben seiner antirussischen Zielsetzung die Aufgabe, die imperialistischen Interessen Englands und Japans in China, Korea und auch in Indien militärisch zu schützen sowie die fortschrittlichen Kräfte, die diese Interessen bedrohen könnten, zu unterdrücken. Nach der russischen Revolution von 1905 und unter ihrem Einfluß nahm in China die demokratische Volksbewegung einen mächtigen Aufschwung. W. I. Lenin, der mit großer Aufmerksamkeit die Ereignisse in China verfolgte, schrieb bereits im Jahre 1908 über diese Bewegung: „Auch in China hat sich die revolutionäre Bewegung gegen die mittelalterlichen Zustände in den letzten Monaten mit besonderer Kraft bemerkbar gemacht. Gewiß, es läßt sich über diese Bewegung noch nichts Bestimmtes sagen, so spärlich sind die Nachrichten und so zahlreich die Meldungen über Revolten in verschiedenen Teilen Chinas — doch unterliegt das starke Anwachsen des „neuen Geistes" und „europäischer Strömungen" in China, besonders nach dem russisch-japanischen Kriege, keinem Zweifel; folglich ist auch die Verwandlung der alten chinesischen Revolten in eine bewußte demokratische Bewegung unvermeidlich." 40 Unter dem Druck der Bewegung der breiten Volksmassen sah sich die chinesische Regierung gezwungen, einige unvollkommene Reformen durchzuführen; sie schuf beratende Provinzial-Komitees, versprach eine Verfassung usw.; damit konnte sie jedoch die chinesische Bourgeoisie bei weitem nicht befriedigen und noch weniger den Wünschen der Volksmassen gerecht werden. Die Bewegung wuchs weiterhin Ein. Hierdurch wurden die japanischen wie die europäischen und amerikanischen bourgeoisen Politiker ernsthaft beunruhigt. Die führenden Persönlichkeiten im japanischen Regierungslager, Ito, Katsura, Komura u. a. führten über diese Fragen mehrfach Unterredungen mit dem englischen Botschafter in Japan, Macdonald, mit Grey und mit den zaristischen Vertretern.41 Die Japaner sprachen die Befürchtung aus, daß der Tod der chinesischen Kaiserin Tsu Hsi revolutionäre Kräfte in China auslösen könne, und daß sie nach dem Tode der Kaiserin (1908) in Verbindung mit den Verfassungsplänen in China eine „Anarchie" erwarteten. Die Vorgänge in China riefen auch in England Beunruhigung hervor und zwar besonders in den Kreisen der Finanz-, Handels- und Industriebourgeoisie, 40
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Staat, dessen Kultur und Zivilisation in der Vergangenheit einen ungeheuren Einfluß auf Japan ausgeübt hatte, wurde in ein Generalgouvernement des Japanischen Kaiserreiches umgewandelt. Der dritte englisch-japanische Bündnisvertrag Das englisch-japanische Bündnis stellte sich von Anfang seines Bestehens an neben seiner antirussischen Zielsetzung die Aufgabe, die imperialistischen Interessen Englands und Japans in China, Korea und auch in Indien militärisch zu schützen sowie die fortschrittlichen Kräfte, die diese Interessen bedrohen könnten, zu unterdrücken. Nach der russischen Revolution von 1905 und unter ihrem Einfluß nahm in China die demokratische Volksbewegung einen mächtigen Aufschwung. W. I. Lenin, der mit großer Aufmerksamkeit die Ereignisse in China verfolgte, schrieb bereits im Jahre 1908 über diese Bewegung: „Auch in China hat sich die revolutionäre Bewegung gegen die mittelalterlichen Zustände in den letzten Monaten mit besonderer Kraft bemerkbar gemacht. Gewiß, es läßt sich über diese Bewegung noch nichts Bestimmtes sagen, so spärlich sind die Nachrichten und so zahlreich die Meldungen über Revolten in verschiedenen Teilen Chinas — doch unterliegt das starke Anwachsen des „neuen Geistes" und „europäischer Strömungen" in China, besonders nach dem russisch-japanischen Kriege, keinem Zweifel; folglich ist auch die Verwandlung der alten chinesischen Revolten in eine bewußte demokratische Bewegung unvermeidlich." 40 Unter dem Druck der Bewegung der breiten Volksmassen sah sich die chinesische Regierung gezwungen, einige unvollkommene Reformen durchzuführen; sie schuf beratende Provinzial-Komitees, versprach eine Verfassung usw.; damit konnte sie jedoch die chinesische Bourgeoisie bei weitem nicht befriedigen und noch weniger den Wünschen der Volksmassen gerecht werden. Die Bewegung wuchs weiterhin Ein. Hierdurch wurden die japanischen wie die europäischen und amerikanischen bourgeoisen Politiker ernsthaft beunruhigt. Die führenden Persönlichkeiten im japanischen Regierungslager, Ito, Katsura, Komura u. a. führten über diese Fragen mehrfach Unterredungen mit dem englischen Botschafter in Japan, Macdonald, mit Grey und mit den zaristischen Vertretern.41 Die Japaner sprachen die Befürchtung aus, daß der Tod der chinesischen Kaiserin Tsu Hsi revolutionäre Kräfte in China auslösen könne, und daß sie nach dem Tode der Kaiserin (1908) in Verbindung mit den Verfassungsplänen in China eine „Anarchie" erwarteten. Die Vorgänge in China riefen auch in England Beunruhigung hervor und zwar besonders in den Kreisen der Finanz-, Handels- und Industriebourgeoisie, 40
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die an der Ausbeutung Chinas interessiert waren. In dem Buch des englischen Obersten Murray, zu dem Feldmarschall Roberts das Vorwort schrieb,42 wurde besonders die Frage analysiert, welche Folgen die Zurückziehung der britischen Panzerschiffe aus demFernen Osten für die dortige Stellung Englands haben könne. Murray wies darauf hin, daß England im Fernen Osten ein hinreichend starkes Geschwader besitze, um mit oder auch ohne Hilfe Japans gegen andere Flotten kämpfen zu können, selbst wenn letztere vereinigt würden. Die Abwesenheit der britischen Panzerschiffe, die in bezug auf Panzerung und Bewaffnung um vieles stärker waren als Kreuzer, wirkte sich jedoch seiner Meinung nach auf das „moralische" Prestige Englands in den Ländern des Fernen Ostens außerordentlich ungünstig aus. Dies war offensichtlich nicht nur die persönliche Meinung Murrays, da er versicherte, daß der Abzug der Panzerschiffe aus dem Fernen Osten Gegenstand einer allgemeinen Kritik in den englischen Kreisen aller auf dem Verkehrsweg zum Fernen Osten liegenden britischen Besitzungen gewesen sei.13 Hierauf beruhte offenbar auch für England die große Bedeutung des englischjapanischen Bündnisses während der Zeit nach dem Russisch-Japanischen Krieg bis zur Beendigung des ersten Weltkrieges. Das durch Panzerschiffe gestützte „moralische" Prestige Englands im Fernen Osten sollte von Japan, von der japanischen Flotte und der japanischen Armee, aufrechterhalten werden. England benötigte diese Unterstützung auch gegen die ständig wachsende nationale Befreiungsbewegung in China, in Indien usw. und gegen Englands imperialistische Konkurrenten am Stillen Ozean, in erster Linie gegen Deutschland. Die britischen imperialistischen Politiker erkannten klar, welche Bedeutung für England das Bündnis mit Japan hatte. Der Außenminister Grey schrieb darüber kurz vor der neuen (dritten) Revision des englisch-japanischen Vertrages im Jahre 1911 ziemlich deutlich in einem Bericht an den Generalgouverneur von Kanada; offenbar, um die kanadischen Vertreter auf der bevorstehenden EmpireKonferenz für eine Unterstützung dieses Bündnisses zu erwärmen. „Sie (die Dominien — d. Red.) müssen verstehen", schrieb Grey, „daß, wenn wir uns von dem englisch-j apanischen Bündnis lossagen, wir auch nicht mehr auf die Hilfe der japanischen Flotte rechnen können, und auf die Möglichkeit gefaßt sein müssen, daß Japan ein Abkommen trifft, das es in ein feindliches Verhältnis zu uns bringt. Dies würde bedeuten, daß unser China-Geschwader nicht nur stärker sein müßte als die japanische Flotte, sondern auch stärker als eine eventuelle Vereinigung der japanischen Flotte mit irgendeiner anderen in diesen Gewässern. Abgesehen davon muß der Status quo natürlich auch in den europäischen Gewässern, sowohl in den Heimatgewässern als auch im Mittelländischen Meer, erhalten bleiben. Die logische Folge der Lösung des englisch-j apanischen Bündnisses würde sein, daß Australien und Neuseeland die Last der maritimen „Imperial Outpost. From a strategical and commercial aspects with special Reference to Japanese Alliance by colonel A. M. Murray with a preface by Earl Roberts", London 1907. «3 Murray, c. o., S. 82. 42
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Überlegenheit in den chinesischen Gewässern auf sich nehmen müßten. Das wollen sie nicht t u n und das können sie auch gar nicht t u n . " 4 4 Aber womit sollte m a n Japan f ü r dieses Bündnis entlohnen? Grey erklärte, daß England gegenüber Japan nicht die Rolle eines Advokaten einnehmen solle, u m etwa die Mandschurei oder irgend ein anderes beliebiges Gebiet, in dem Japan „natürliche" Interessen habe, zu verteidigen. So sollte also in erster Linie China mit seinem Territorium, seinen Interessen, sowie dem Schweiß und Blut seines Volkes die japanischen Panzerschiffe bezahlen. England hinderte Japan nicht daran, diese „Bezahlung" von China zu nehmen und es erhob gegen die Annexion Koreas keine Einwendungen. Es ließ Japan in der Mandschurei völlig freie Hand, indem es sich mit einer formalen Anerkennung des Prinzips der „offenen T ü r " f ü r englische Kaufleute in der Mandschurei begnügte. Diese F o r m der „Entlohnung" schadete allerdings einigen englischen Kapitalisten. Z u m Beispiel wurde auf Forderung der japanischen Regierung, die kein englisches Kapitell in die Mandschurei hineinlassen wollte, der Vertrag der englischen F i r m a Powling mit China (1907) über die Konzession zum Bau einer Eisenbahn Fakumönn—Sinminting (Südmandschurei) annulliert. Nicht genug, daß England gemäß den japanischen Plänen Japan nicht daran hindern durfte, die Mandschurei zu „erschließen", sollte es auch noch verpflichtet sein, ihm dabei mit Kapital zu helfen, weil der britische Imperialismus sehr reich und Japan sehr arm daran war. Die „Erschließung" der Mandschurei und Koreas erforderte Mittel: u m die Südmandschurische Eisenbahn auf eine schmalere Spurweite umzubauen, u m die während des Krieges in aller Eile errichtete Eisenbahnstrecke M u k d e n — A n t u n g auszubauen sowie diese Strecke mit einer Brennstoffbasis und mit rollendem Material auszustatten, u m H ä f e n zu bauen usw. Dazu wurde Geld gebraucht. Von 1907 bis 1911 nahm die Gesellschaft der Südmandschurischen Eisenbahn in London vier Anleihen im Gesamtbetrag von 12 Millionen P f u n d Sterling, 46 oder 117 Mill. Jen, auf. Nach Berechnungen Remers 48 überstiegen die Kapitaleinlagen der Eisenbahn in der Mandschurei von 1906 bis 1914 n u r u m etwas über 20 Millionen Jen die bei den Engländern aufgenommene Summe. I n der Mandschurei wurde ein gewaltiger Finanzkonzern der Südmandschurischen Eisenbahn-Gesellschaft geschaffen, der zu einem der wichtigsten Instrumente der Expansion des japanischen Imperialismus auf dem Kontinent wurde. Außer den Anleihezinsen zog die Londoner City aus diesen Finanzoperationen verhältnismäßig geringen Nutzen, da der mandschurische Hauptimport f ü r den Bedarf der Eisenbahn aus den USA erfolgte. 47
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46 47
G. Trevelyan, Grey of Fallodon, London 1937, S. 203—204. Alle Anleihen zusammen beliefen sich auf 14 Millionen £ St.; da jedoch mit der letzten Anleihe von 1911 teilweise frühere Anleihen getilgt wurden, betrug die Gesamtsumme der Anleihen 12 Mill. £ St.; diese Anleihen sind nicht in die Staatsanleihen Japans in London, Paris usw. einberechnet. Remer, c. o., Kap. 17. J. O. Bland, Recent Events and Present Policies in China, London 1912, S. 257.
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Jedoch wuchsen die Gegensätze zwischen England und Japan von Jahr zu J a h r ; daraus entstanden erhebliche Schwierigkeiten f ü r die Verwirklichung einer koordinierten Politik und die Verlängerung des Bündnisses. Die englischen Kapitalisten wollten sich nicht mit den Beschränkungen, die Japan ihrer Handelstätigkeit in der Mandschurei auferlegt hatte, aussöhnen. Sie versuchten auf eigene Initiative und in F ü h l u n g n a h m e mit amerikanischen Unternehmern Konzessionen in der Mandschurei zu erlangen. 48 Im Hinblick auf diese Interessen der britischen Kapitalisten versuchte die amerikanische Diplomatie, auch Engand in ihre Pläne einer „Öffnung der T ü r " der Mandschurei einzubeziehen. Allein die Tatsache, daß England sich an dem Bankenkonsortium beteiligte, zeigt, daß England es f ü r nötig erachtete, neben dem Bündnis mit Japan auch noch über eine zweite Basis f ü r seine Politik im Fernen Osten zu verfügen. Die Proteste Japans und Rußlands f ü h r t e n jedoch zu einem schnellen Rückzug der englischen Diplomatie, deren Hauptaufgabe dennoch auf die E r h a l t u n g des Bündnisses hinauslief. A m klarsten und offenkundigsten kamen die englisch-japanischen Gegensätze wohl i m Jahre 1911 zutage, als der englisch-japanische Bündnisvertrag vorfristig revidiert wurde. Die Revision des Vertrages wurde im Zusammenhang damit durchgeführt, daß sich zu jener Zeit engere Beziehungen zwischen England und den U S A anbahnten. Die erste ernstliche Beschränkung des englisch-japanischen Bündnisvertrages hing von der H a l t u n g der USA ab; durch diese ging auch zehn Jahre später der englisch-j apanische Bündnisvertrag vollständig in die Brüche. I n Verbindung mit der Verschärfung der japanisch-amerikanischen Beziehungen hörte der englisch-japanische Bündnisvertrag nach 1905 auf, den Interessen der U S A zu entsprechen. Roosevelt und T a f t äußerten sich daher wiederholt durchaus mißbilligend über die im japanischen Interesse arbeitende britische Diplomatie. 4 9 Unter solchen Umständen m u ß t e diese ständig lavieren, wenn sie im Fernen Osten den Status quo erhalten wollte, indem sie sich bald auf die Seite der USA, bald auf die Seite Japans stellte. W e n n in den Fragen, die f ü r Japan die größte Rolle spielten (die Mandschurei), die englische Diplomatie im allgemeinen den japanischen Standpunkt gegen die USA, ja selbst gegen die Interessen einzelner englischer Kapitalistengruppen unterstützte, so hinderte in der Frage der japanischen Auswanderung England seine Dominien nicht daran, in ähnlicher Weise wie die U S A eine Politik der Einwanderungsbeschränkungen f ü r Japaner zu betreiben. Durch die Verschärfung der Gegensätze in Europa war England in noch höherem Maße als f r ü h e r an der Unterstützung und Zusammenarbeit mit den USA in einem bevorstehenden Krieg gegen Deutschland interessiert. 48
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Die Eisenbahn-Konzession. Fakumönn-Sinminting im Jahre 1907, Kintschou—Aigun im Jahre 1909. „G. P." Bd. 32, S. 83, 89.
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Im September 1910 wies Grey den japanischen Botschafter Kato darauf hin, daß seitens der USA der Vorschlag gemacht werden könne, einen englischamerikanischen Generalschiedsvertrag abzuschließen, und daß dieses Abkommen, wenn es verwirklicht werden sollte, in gewissem Maße dem bestehenden englischjapanischen Bündnisvertrag zuwiderliefe. 60 Der Widerspruch bestand darin, daß der englisch-japanische Vertrag England verpflichtete, im Falle eines Krieges Japans gegen einen beliebigen anderen Staat (d. h. auch gegen die USA) automatisch auf Japans Seite zu treten, während der Schiedsvertrag ein vorhergehendes Vergleichsverfahren für jeden englisch-amerikanischen Konflikt forderte. Grey wies darauf hin, daß sich, sowie die Verhandlungen mit den USA einen realen Boden bekämen, zwei Varianten ergäben: entweder schließt die USA auch mit Japan einen Schiedsvertrag, oder der englisch-japanische Vertrag muß nach Ablauf seiner Geltungsdauer eine Abänderung erfahren. Als sich nach Ablauf einiger Monate, bereits zu Beginn des Jahres 1911, die beiden Partner erneut der Erörterung dieser Frage zuwandten, stellte sich heraus, daß die japanische Regierung die Möglichkeit eines Schiedsvertrages mit den USA und mit jeder anderen Macht überhaupt kategorisch unter dem Vorwand ablehnte, daß jedes Schiedsverfahren zwischen Weißen und Gelben mit einem Sieg der Weißen ende, und daß das einzige Gericht, auf das sich Japan in einem ernsten Konflikt verlassen könne, der Krieg sei. 51 In den weiteren Verhandlungen begann die japanische Regierung, auf eine sofortige Revision des englisch-japanischen Vertrages zu drücken; diese sollte sogar unabhängig davon vorgenommen werden, ob zwischen England und den USA ein Schiedsvertrag zustande käme oder nicht. Die japanische Regierung erklärte sich damit einverstanden, in den Bündnisvertrag die Klausel einzufügen, daß der Vertrag bei einem Krieg eines der Verbündeten gegen einen Staat, mit dem der andere Verbündete einen Schiedsvertrag geschlossen hat, keine bindende Kraft besitze. Die britischen Diplomaten waren über die Bereitwilligkeit Japans, auf eine für dieses Land weniger günstige Variante des Vertrages einzugehen, sichtlich verblüfft; Japan verlor immerhin durch diese Klausel die Hilfe Englands im Falle eines Krieges mit den USA, dem größten Gegner Japans in dieser Periode. Der Bündnisvertrag wurde revidiert und am 13. Juli 1911, vor Abschluß des englisch-amerikanischen Schiedsvertrages, erneuert. 52 Es gab nur einen Grund, warum sich Japan mit dem Abschluß des Vertrages beeilte und bereit war, den für Japan offenbar unvorteilhaften Punkt über das »o „B. D." Bd. 8, S. 505—504. Ebenda, S. 507, «MeatjtyHapoÄHBie OTHomeHHa B snoxy HMnepHara3Ma». Serie II, Bd. XVIII, Teil I, S. 226. 8 2 Der im August 1911 zwischen England und den USA abgeschlossene Schiedsvertrag wurde vom amerikanischen Senat nicht bestätigt. Erst nach Beginn des ersten Weltkrieges im September 1914 wurde zwischen den USA und England ein Vertrag geschlossen, der von Grey in einem Schreiben an die japanische Regierimg dem Schiedsvertrag gleichgestellt wurde.
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Schiedsverfahren in den Vertrag aufzunehmen, und warum England einer vorfristigen Revision des Vertrages zustimmte, obwohl es vor Abschluß des Schiedsvertrages mit den USA keinen Anlaß zur Eile hatte. Der Grund lag darin, daß der neue Vertrag die Unverbrüchlichkeit des Bündnisses, entgegen der verbreiteten Meinung, es sei im Erkalten begriffen, bekräftigte. Der neue Vertrag festigte die Positionen beider Mächte in ihrer imperialistischen Politik im Fernen Osten auf weitere zehn Jahre; dies war deshalb so überaus wichtig, weil die herrschenden Kreise dieser Mächte eine Revolution in China befürchteten und sich auf einen Krieg um die Neuaufteilung der Welt vorbereiteten. Trotz des schnellen Tempos der kapitalistischen Entwicklung Japans war die wirtschaftliche Basis des japanischen Imperialismus nur wenig tragfällig, und Japan konnte ohne Unterstützung einer anderen Macht keinen Krieg gegen einen der großen imperialistischen Staaten führen. W. I. Lenin wies viel später, im Jahre 1920, auf diese Tatsache hin, als Japan wirtschaftlich bedeutend stärker geworden war. 53 Besonders groß war die wirtschaftliche Abhängigkeit Japans von den USA; die Handelsumsätze mit diesen betrugen etwa ein Viertel des Gesasmtumsatzes im japanischen Außenhandel. Japan hatte einen bedeutenden Aktivposten im Außenhandel mit den USA (40—60 Millionen Dollar jährlich); es führte dorthin 80—90% seines Tee-Exports und etwa 60—70% seines Rohseide-Exports aus; der letztere machte wertmäßig mehr als 25% des gesamten japanischen Exports aus. Für die nächste Zeit zählte natürlich ein Krieg mit den USA nicht zu den Absichten der japanischen Regierung. Darum war das Bündnis zwischen England und Japan sogar in seiner neuen Variante für die japanische Regierung von Interesse. Die englische Unterstützung entfiel zwar für Japan in einem bewaffneten Konflikt mit den USA, aber unter „friedlichen Verhältnissen" half England gemeinsam mit Frankreich den Regierungen Japans und Rußlands, die Pläne von Knox über die Internationalisierung der Südmandschurischen und der Ostchinesischen Eisenbahn zu torpedieren. Japan brauchte diese Hilfe auch gegen das bereits organisierte Vierer-Bankenkorsortium, das nach amerikanischer Absicht seinen Einfluß auf die Mandschurei ausdehnen sollte. England trat tatsächlich für die Aufnahme Japans in das Konsortium ein, und weil Japan kein Geld für die Beteiligung am Konsortium besaß, garantierte es ihm zudem gemeinsam mit Frankreich diese Mittel. Die englische diplomatische Unterstützung benötigte Japan auch für den Fall, daß in China eine Revolution ausbrach; was Japan während der „Boxer" Bewegung nicht gelungen war — den ,,Boxer"-Aufstand allein mit japanischen Truppen zu unterdrücken mit allen sich daraus für Japan ergebenden Vorteilen —, das konnte jetzt angesichts des englisch-japanischen Bündnisses und der verhältnismäßigen militärischen Schwäche der anderen imperialistischen Mächte im Fernen Osten gelingen. Und in der Tat, als die Revolution in China 53
B. H. JleHHH, Ol., Bd. 31,4. Aufl., S. 202.
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ausbrach, wandte Japan sich mit dem Vorschlag an England, dieses solle den Transport japanischer Truppen nach China sanktionieren. Die Geheimklauseln des englisch-japanischen Bündnisses, die die japanischen Panzerschiffe und die britischen Pfunde Sterling betrafen — alles auf Kosten des chinesischen Volkes und des chinesischen Territoriums —, hatten sich durchaus noch nicht überlebt. Die Lage in Europa wurde immer Eingespannter, und die Abhängigkeit Englands von den japanischen Panzerschiffen verstärkte sich immer mehr. Nicht umsonst hat Grey, als er seine Randbemerkungen zu den Berichten über die Verhandlungen mit Japan machte, geschrieben, daß das Schiffsbauprogramm davon abhänge, ob der Vertrag revidiert würde;" der deutsche Botschafter in London wies seine Regierung direkt darauf hin, daß, wenn der Vertrag nicht perfekt würde, England gezwungen wäre, im Fernen Osten 12 schwere Kreuzer zu halten. 85 Die japanische Regierung rechnete auf die weitere finanzielle Unterstützung Englands und Frankreichs und auf deren weitere Zugeständnisse auf Kosten Chinas. Daraus erklärte sich das • Weiterbestehen des englisch-japanischen Bündnisses. Die Autonomie der Äußeren Mongolei Die Mandschu, die im Jahre 1644 die Macht in China an sich gerissen hatten, unterwarfen sich in den darauffolgenden Jahrzehnten die Mongolei, wobei sie in bedeutendem Maße die Unterstützung der mongolischen Fürsten fanden. Im 17. Jahrhundert teilten die Mandschu die Mongolei in administrativer Hinsicht in mehrere Gebiete auf, von denen die Nordmongolei (auch Chalcha-Mongolei genannt) und das Gebiet Kobdo die sogenannte „Äußere Mongolei", zum Unterschied von der Inneren Mongolei, bildeten. Auf dem Gebiet der letzteren ging eine intensive chinesische Kolonisation vor sich. Die russischen Unternehmer und Kaufleute waren seit jeher an der Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen zur Äußeren Mongolei interessiert. Durch diese gingen die Handelswege nach China; an der Grenze der Äußeren Mongolei, in Kjachta, befand sich während des 18. und 19. Jahrhunderts ein bedeutender russisch-chinesischer Umschlagsplatz. Lebendes Vieh und tierische Erzeugnisse wurden in großen Mengen aus der Äußeren Mongolei nach Rußland ausgeführt. Die zaristische Regierung erwarb noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts von China bedeutende Privilegien für die russischen Kaufleute und Konzessionäre in der Äußeren Mongolei. Im Zusammenhang mit der Niederlage des Zarismus im Russisch-Japanischen Krieg suchte 'die Mandschu-Regierung den wirtschaftlichen und politischen Einfluß Chinas in der an Rußland grenzenden Mongolei zu verstärken. China beabsichtigte eine Reorganisation der Verwaltung der Äußeren Mongolei und ging daran, Grund und Boden für die Zwecke einer chinesischen Kolonisation zu „B. D." Bd. 8, S. 517. «s „G. P." Bd. 32, S. 228. 157
ausbrach, wandte Japan sich mit dem Vorschlag an England, dieses solle den Transport japanischer Truppen nach China sanktionieren. Die Geheimklauseln des englisch-japanischen Bündnisses, die die japanischen Panzerschiffe und die britischen Pfunde Sterling betrafen — alles auf Kosten des chinesischen Volkes und des chinesischen Territoriums —, hatten sich durchaus noch nicht überlebt. Die Lage in Europa wurde immer Eingespannter, und die Abhängigkeit Englands von den japanischen Panzerschiffen verstärkte sich immer mehr. Nicht umsonst hat Grey, als er seine Randbemerkungen zu den Berichten über die Verhandlungen mit Japan machte, geschrieben, daß das Schiffsbauprogramm davon abhänge, ob der Vertrag revidiert würde;" der deutsche Botschafter in London wies seine Regierung direkt darauf hin, daß, wenn der Vertrag nicht perfekt würde, England gezwungen wäre, im Fernen Osten 12 schwere Kreuzer zu halten. 85 Die japanische Regierung rechnete auf die weitere finanzielle Unterstützung Englands und Frankreichs und auf deren weitere Zugeständnisse auf Kosten Chinas. Daraus erklärte sich das • Weiterbestehen des englisch-japanischen Bündnisses. Die Autonomie der Äußeren Mongolei Die Mandschu, die im Jahre 1644 die Macht in China an sich gerissen hatten, unterwarfen sich in den darauffolgenden Jahrzehnten die Mongolei, wobei sie in bedeutendem Maße die Unterstützung der mongolischen Fürsten fanden. Im 17. Jahrhundert teilten die Mandschu die Mongolei in administrativer Hinsicht in mehrere Gebiete auf, von denen die Nordmongolei (auch Chalcha-Mongolei genannt) und das Gebiet Kobdo die sogenannte „Äußere Mongolei", zum Unterschied von der Inneren Mongolei, bildeten. Auf dem Gebiet der letzteren ging eine intensive chinesische Kolonisation vor sich. Die russischen Unternehmer und Kaufleute waren seit jeher an der Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen zur Äußeren Mongolei interessiert. Durch diese gingen die Handelswege nach China; an der Grenze der Äußeren Mongolei, in Kjachta, befand sich während des 18. und 19. Jahrhunderts ein bedeutender russisch-chinesischer Umschlagsplatz. Lebendes Vieh und tierische Erzeugnisse wurden in großen Mengen aus der Äußeren Mongolei nach Rußland ausgeführt. Die zaristische Regierung erwarb noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts von China bedeutende Privilegien für die russischen Kaufleute und Konzessionäre in der Äußeren Mongolei. Im Zusammenhang mit der Niederlage des Zarismus im Russisch-Japanischen Krieg suchte 'die Mandschu-Regierung den wirtschaftlichen und politischen Einfluß Chinas in der an Rußland grenzenden Mongolei zu verstärken. China beabsichtigte eine Reorganisation der Verwaltung der Äußeren Mongolei und ging daran, Grund und Boden für die Zwecke einer chinesischen Kolonisation zu „B. D." Bd. 8, S. 517. «s „G. P." Bd. 32, S. 228. 157
enteignen; die Aktivität chinesischer Handelsfirmen, aber auch deutscher, englischer, amerikanischer und japanischer Handelsgesellschaften in der Äußeren Mongolei nahm zu. Das Joch des chinesischen Handels- und Wucherkapitals lastete auf der mongolischen werktätigen Bevölkerung immer stärker. Unter diesen Bedingungen verschärften sich die Beziehungen zwischen den Mongolen, auf deren politisches Erwachen die russische Revolution von 1905 einen gewaltigen Einfluß ausgeübt hatte, auf der einen und dem feudalen China der Mandschu auf der anderen Seite. In dieser Etappe der mongolischen nationalen Befreiungsbewegung befand sich jedoch deren Führung noch in den Händen der mongolischen Stammesfürsten, die weder ihre aus der Ausbeutung der Araten, der werktätigen Bevölkerung, erzielten Einkünfte noch ihre Macht durch die Mandschu-Regierung schmälern lassen wollten. Allmählich begann auch ein russisch-chinesischer Konflikt heranzureifen. Die zaristische Regierung, die ihre eigenen aggressiven Ziele verfolgte und deshalb eine Verstärkung des chinesischen Einflusses und unter dessen Schutz das Eindringen Japans, Deutschlands, Englands und Amerikas in die Äußere Mongolei befürchtete, unterstützte die antichinesische Stimmung der mongolischen Bevölkerung, vor allem natürlich die der Fürsten und der höheren Lamapriesterschaft. Das Territorium der Äußeren Mongolei war für das zaristische Rußland ein strategisch wichtiges Gebiet, das die Eingrenzenden Gebiete Sibiriens und die Transsibirische Eisenbahn von Süden her deckte. Im russisch-japanischen Geheimvertrag von 1907 erreichte die zaristische Regierung von Japan das Zugeständnis, daß die Äußere Mongolei der russischen Interessensphäre zugerechnet wurde; dieses Übereinkommen konnte die Japaner selbstverständlich nicht daran hindern, weiterhin zu versuchen, die Äußere Mongolei als Aufmarschgebiet für einen Überfall auf Sibirien zu benutzen. Das Oberhaupt der lamaistischen Kirche in der Mongolei (Chutuktu = lebender Gott) geriet im Jahre 1910 in scharfe Konflikte mit den chinesischen Behörden. China drohte mit der Entsendung einer Strafexpedition in die Mongolei. Der Chutuktu wandte sich an den russischen Konsul um Beistand. Um die Mitte des Jahres 1911 fand eine Tagung der Fürsten und Lamapriester der ChalchaMongolei statt, die nach außen hin die chinesischen Maßnahmen zur Kolonisation der Äußeren Mongolei erörtern sollte, in Wirklichkeit aber die Vorbereitung von Maßnahmen für eine Loslösung von China bezweckte. Ein Teil der Versammlung entschied sich für Geheimberatungen zur Lostrennung von China und für ein Gesuch an den russischen Zaren um Hilfe (für die Errichtung eines Protektorats). Mitte August des Jahres 1911 trafen in Petersburg die Bevollmächtigten des Chutuktu ein; der Delegation wurde Unterstützung zugesagt, jedoch machte man sie im voraus darauf aufmerksam, daß mit äußerster Vorsicht gehandelt werden müsse: die zaristische Regierung befürchtete wegen der Mongolei einen Konflikt mit China, Japan und den anderen Mächten. Am 1. Dezember 1911 kam es in Urga zum Umsturz. Die chinesische Garnison wurde entwaffnet und die chinesischen Behörden vertrieben. Die Macht 158
übernahmen die mongolischen Fürsten. Die Ereignisse in der Mongolei waren die direkten Folgen der in China einsetzenden Revolution. Eine Mitteilung der Zarenregierung vom 11. Januar 1912 über den Umsturz in der Mongolei wies darauf hin, daß Rußland, das sehr große Handelsinteressen in der Mongolei habe, die Errichtung stabiler Verhältnisse in diesem Gebiet wünsche und keinen Krieg zwischen der Mongolei und China zulassen werde. Die zaristische Regierung bot deshalb China an, bei den Verhandlungen mit der Mongolei unter der Bedingung zu vermitteln, daß China darauf verzichte, in der Mongolei chinesische Verwaltungsorgane einzusetzen, chinesische Truppen zu entsenden und die Mongolei mit Chinesen zu kolonisieren. Die japanische Regierung, welche die durch die Ereignisse in der Äußeren Mongolei ausgelöste Verschärfung der Beziehungen zwischen Rußland und China für sich ausnutzen und dadurch ihre eigene Stellung in den der Äußeren Mongolei benachbarten Gebieten ausbauen wollte, forderte im Januar 1912 von Rußland die Anerkennung der japanischen Sonderinteressen in der Inneren Mongolei. Die aggressiven Absichten der japanischen Imperialisten erstreckten sich auf den bedeutenden, am dichtesten bevölkerten Teil der Inneren Mongolei, auf die Provinzen Dschehol und Tschabar (in ihren damaligen Verwaltungsgrenzen). Im Ergebnis der Verhandlungen wurde die Trennungslinie zwischen der russischen und der japanischen Einflußsphäre längs des Meridians von Peking (116 27' östl. Länge) gezogen. Auf dieser Grundlage kam es am 8. Juli 1912 zum Abschluß eines russischjapanischen Geheimvertrages, wonach die durch den Vertrag von 1907 festgelegte Demarkationslinie zwischen der russischen und der japanischen Einflußsphäre nach der westlichen Mandschurei und der Inneren Mongolei verlängert wurde. Der östlich des Pekinger Meridians gelegene Teil der Inneren Mongolei (ein bedeutender Teil der Provinz Dschehol nach damaliger Verwaltungseinteilung) wurde als japanische Einflußsphäre anerkannt, während der westlich dieses Meridians gelegene Teil russische Einflußsphäre wurde. Die zaristische Regierung ergriff keinerlei Maßnahmen, um die Innere Mongolei auch wirklich in ihre Einflußsphäre zu verwandeln, obgleich die Regierung in Urga den Anschluß der Inneren Mongolei an die autonome Äußere Mongolei nachdrücklich forderte und auch die Fürsten der Inneren Mongolei dies zu erreichen suchten. Sasonow erläuterte in einem Telegramm an den Gesandten in China, Stschokin, die Haltung der zaristischen Regierung folgendermaßen: „Die Stellung, die von uns in der mongolischen Frage eingenommen wird, hat die japanische Regierung offensichtlich beunruhigt; diese wandte sich an uns mit dem Vorschlag, die Sphären unserer sowie der japanischen Sonderinteressen in der Mongolei abzugrenzen und die durch den Vertrag von 1907 festgelegte Grenzlinie zu verlängern." 56 . Bei der weiteren Darlegung der Stellung Rußlands in den Verhandlungen mit Japan sowie der Zustimmung Rußlands zur 56
ABIIP,
ffnoHCKHÖ CTOJI,
Dok. Nr. 211, 11. Februar 1912, Bl. 9—10. 159
Aufteilung der Inneren Mongolei in Einflußsphären schrieb Sasonow: „Deshalb müssen Sie in Gesprächen mit den Fürsten der Inneren Mongolei sehr vorsichtig sein. Beschränken Sie sich auf Ratschläge zur Mäßigung und machen Sie ihnen auf eine russische Unterstützung oder Vermittlung keine Hoffnung." Die Japaner beschränkten sich kurz vor und während des ersten Weltkrieges nicht auf Versuche, ihren Einfluß in der „russischen" Sphäre der Mandschurei und der Inneren Mongolei zu verstärken, sondern sie schickten ihre Spione und andere Agenten auch in die Äußere Mongolei. 87 Nach langwierigen Verhandlungen wurde in der russisch-chinesischen Deklaration (vom 5. November 1913) 68 und im Übereinkommen zwischen Rußland, China und der Äußeren Mongolei (vom 7. Juni 1915) anerkannt, daß die Äußere Mongolei ein Teil des Territoriums Chinas ist, über den China die Oberhoheit ausübt. China und Rußland erkannten die Autonomie der Äußeren Mongolei an und verzichteten auf die Einmischung in deren innere Angelegenheiten und auf die Entsendung von Truppen in dieses Gebiet. Auf diese Weise erwarb die von Rußland unterstützte Äußere Mongolei im Ergebnis der nationalen Befreiungsbewegung und der revolutionären Ereignisse in China die Autonomie, womit sie den ersten Schritt auf dem Wege zur staatlichen Selbständigkeit tat. Die Bewegung der Araten, der werktätigen Massen in der Mongolei, wurde immer breiter, die Verbindungen mit der russischen revolutionären Bewegung festigten sich. Aber erst der Zusammenbruch des Zarismus und die Große Sozialistische Oktoberrevolution gaben dem Volke der Äußeren Mongolei die Möglichkeit, wirkliche Unabhängigkeit zu erringen. Die chinesische Revolution 1911—1913 und die Großmächte Am 10. Oktober 1911 brach die chinesische Revolution aus. Die Angriffe der imperialistischen Mächte auf China und die Bereitwilligkeit der dem chinesischen Volk verhaßten Mandschu-Regierung, alle und jegliche Forderungen der Imperialisten anzunehmen, war eine der Hauptursachen, die die Revolution beschleunigten. Japan annektierte Korea, 59 England bereitete den Raub Tibets vor, die französischen Truppen überschritten die Grenzen von Jünnan; die Zarenregierung überreichte ein Ultimatum, in dem sie von China die Verlängerung des Handelsvertrages vom Jahre 1881 und eine Erweiterung der Privilegien Rußlands forderte. Gleichzeitig mit demRaub beziehungsweise mit den «MejKffyHapojiHKieOTHomeHHaB anoxy HMnepnaaH3Ma», Serie III, Bd. I, Seite 50—53 und Bd. II, Seite 142. 89 Sammlung diplomatischer Urkunden zur mongolischen Frage, 23. August 1912—2. November 1913; ABIIP, Petersburg 1914; 9. rpiii™, c. o., S. 184. S 9 Über den tiefen Eindruck, den die Annexion Koreas in China, besonders auf die chinesische Bevölkerung in der Mandschurei und auf die gesamte chinesische Studentenschaft ausgelöst hat, siehe: F. Farjenel, Through the Chinese Revolution, London 1915, S. 22. 57
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Aufteilung der Inneren Mongolei in Einflußsphären schrieb Sasonow: „Deshalb müssen Sie in Gesprächen mit den Fürsten der Inneren Mongolei sehr vorsichtig sein. Beschränken Sie sich auf Ratschläge zur Mäßigung und machen Sie ihnen auf eine russische Unterstützung oder Vermittlung keine Hoffnung." Die Japaner beschränkten sich kurz vor und während des ersten Weltkrieges nicht auf Versuche, ihren Einfluß in der „russischen" Sphäre der Mandschurei und der Inneren Mongolei zu verstärken, sondern sie schickten ihre Spione und andere Agenten auch in die Äußere Mongolei. 87 Nach langwierigen Verhandlungen wurde in der russisch-chinesischen Deklaration (vom 5. November 1913) 68 und im Übereinkommen zwischen Rußland, China und der Äußeren Mongolei (vom 7. Juni 1915) anerkannt, daß die Äußere Mongolei ein Teil des Territoriums Chinas ist, über den China die Oberhoheit ausübt. China und Rußland erkannten die Autonomie der Äußeren Mongolei an und verzichteten auf die Einmischung in deren innere Angelegenheiten und auf die Entsendung von Truppen in dieses Gebiet. Auf diese Weise erwarb die von Rußland unterstützte Äußere Mongolei im Ergebnis der nationalen Befreiungsbewegung und der revolutionären Ereignisse in China die Autonomie, womit sie den ersten Schritt auf dem Wege zur staatlichen Selbständigkeit tat. Die Bewegung der Araten, der werktätigen Massen in der Mongolei, wurde immer breiter, die Verbindungen mit der russischen revolutionären Bewegung festigten sich. Aber erst der Zusammenbruch des Zarismus und die Große Sozialistische Oktoberrevolution gaben dem Volke der Äußeren Mongolei die Möglichkeit, wirkliche Unabhängigkeit zu erringen. Die chinesische Revolution 1911—1913 und die Großmächte Am 10. Oktober 1911 brach die chinesische Revolution aus. Die Angriffe der imperialistischen Mächte auf China und die Bereitwilligkeit der dem chinesischen Volk verhaßten Mandschu-Regierung, alle und jegliche Forderungen der Imperialisten anzunehmen, war eine der Hauptursachen, die die Revolution beschleunigten. Japan annektierte Korea, 59 England bereitete den Raub Tibets vor, die französischen Truppen überschritten die Grenzen von Jünnan; die Zarenregierung überreichte ein Ultimatum, in dem sie von China die Verlängerung des Handelsvertrages vom Jahre 1881 und eine Erweiterung der Privilegien Rußlands forderte. Gleichzeitig mit demRaub beziehungsweise mit den «MejKffyHapojiHKieOTHomeHHaB anoxy HMnepnaaH3Ma», Serie III, Bd. I, Seite 50—53 und Bd. II, Seite 142. 89 Sammlung diplomatischer Urkunden zur mongolischen Frage, 23. August 1912—2. November 1913; ABIIP, Petersburg 1914; 9. rpiii™, c. o., S. 184. S 9 Über den tiefen Eindruck, den die Annexion Koreas in China, besonders auf die chinesische Bevölkerung in der Mandschurei und auf die gesamte chinesische Studentenschaft ausgelöst hat, siehe: F. Farjenel, Through the Chinese Revolution, London 1915, S. 22. 57
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Vorbereitungen zum Raub der verschiedenen Gebietsteile Chinas durch die einzelnen Mächte vereinigten sich die Banken der imperialistischen Staaten — der USA, Deutschlands, Englands und Frankreichs —, um Monopolrechte auf alle Eisenbahnvorhaben in China zu erwerben und die vollständige Kontrolle über die Finanzen des Landes in ihre Hände zu bekommen. Die durch die chinesische Regierung auf Befehl der imperialistischen Mächte durchgeführte „Nationalisierung" der Eisenbahnen, deren Bau mit chinesischen Mitteln projektiert und durchgeführt worden war, sowie die Auslieferung dieser Bauten an die Ausländer (HukuangAnleihe) hatten in China einen Sturm der Empörung hervorgerufen. Die revolutionäre Bewegung verbreitete sich außerordentlich schnell unter der einheitlichen Losung: „Sturz der Mandschu-Dynastie!" über das ganze Land. Selbst die chinesische Reaktion begann allmählich, den Mandschu jede Unterstützung zu versagen. Sie streckte aber nicht die Waffen, sondern trieb, gestützt auf die Hilfe der imperialistischen Mächte, ein verwickeltes und hinterhältiges Spiel, bereit, für die Erhaltung der Herrschaft der Feudalherren und der Kompradoren-Bourgeoisie die Monarchie zu opfern. Lenin charakterisierte die Gruppierung der Klassenkräfte in der chinesischen Revolution folgendermaßen: „Verfault ist die Bourgeoisie des Westens, vor der schon ihr Totengräber steht — das Proletariat. Aber in Asien existiert n o c h eine Bourgeoisie, die fähig ist, die ehrliche, streitbare und konsequente Demokratie zu vertreten, eine würdige Gefährtin der großen Verkünder und großen Tatmenschen am Ende des XVIII. Jahrhunderts in Frankreich. Der Hauptvertreter oder die soziale Hauptstütze dieser einem historisch fortschrittlichen Werk noch fähigen asiatischen Bourgeoisie ist der Bauer. Neben ihm besteht schon eine liberale Bourgeoisie, deren Führer, ähnlich wie Jüan Schi-kai, vor allem des Verrats fähig sind: gestern fürchteten sie noch den ,Sohn des Himmels' und krochen vor ihm; dann — als sie eine Kraft sahen, als sie den Sieg der revolutionären Demokratie fühlten — verrieten sie den Himmelssohn, und morgen werden sie die Demokraten verraten, um einer Abmachung mit irgendeinem alten oder neuen konstitutionellen' Himmelssohn willen." 80 Führer der revolutionären Demokratie wurde Sun Jat-sen. Lenin schätzte Sun Jat-sen als Politiker sehr hoch ein: „Hier der asiatische provisorische Präsident einer Republik, ein revolutionärer Demokrat, voller Edelsinn und Heroismus.. ."B1 Lenin analysierte den weiteren Verlauf und die Aussichten der chinesischen Revolution wie folgt: „Die chinesische Freiheit ist erobert worden durch das Bündnis der bäuerlichen Demokratie und der liberalen Bourgeoisie: Ob die Bauern, die nicht von einer Partei des Proletariats geführt werden, imstande sind, ihre demokratische Position g e g e n die Liberalen zu halten, die nur auf den geeigneten Moment warten, um nach rechts umzufallen, das wird die nahe Zukunft zeigen." 62 60
B. H. JleHHH, COT., Bd. 18, 4. Aufl., S. 145.
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Ebenda. Ebenda, S. 372.
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Bei der Niederlage der chinesischen Revolution sowie bei der Unterstützung der Mandschu-Dynastie und später J ü a n Schi-kais spielten die imperialistischen Mächte eine entscheidende Rolle. Als im Oktober 1911 in Wutschang der bewaffnete Aufstand begann, der bald ganz Südchina erfaßte, geriet die japanische Regierung zunächst in völlige Verwirrung. Sie hatte wohl U n r u h e n in China erwartet und die gegen die Regierung gerichtete Bewegung im Lande, besonders im Süden, unterstützt. Auf diese Weise hoffte sie, China zu schwächen, einen Bürgerkrieg zu entfesseln und ihren eigenen Einfluß in einzelnen Gebieten zu stärken, indem sie sich m i t den örtlichen provinziellen Behörden, mit den Großgrundbesitzern und den Handelsund Industriekreisen, verband. Die japanische Regierung hatte aber nicht erwartet, daß der Aufstand ein so großes Ausmaß annehmen und sich zu der durchaus realen Gefahr eines Sturzes der Mandschu-Dynastie und der U m wandlung Chinas in eine Republik ausweiten werde. Dies entsprach in keiner Weise den Interessen der japanischen Monarchie, die erst kurz zuvor, um der demokratischen und der Arbeiterbewegung im eigenen Lande einen Schlag zu versetzen, ein Gerichtsverfahren gegen den Sozialisten Kotoku und seine Genossen in Szene gesetzt hatte, indem sie diese auf betrügerische Weise eines Mordanschlages auf den Kaiser bezichtigte. D e r Zusammenbruch der uralten chinesischen Monarchie konnte die Volksmassen Japans umso mehr in einer f ü r die japanischen herrschenden Klassen gefährlichen Richtung beeinflussen, als die chinesische Revolution in den demokratischen Schichten der japanischen Bevölkerung den lebhaftesten Widerhall fand. Andererseits gab es in Japan Gruppen, die durch ihre Handelsinteressen eng mit Südchina und dem Jangtse-Becken verbunden waren, weil auf dieses Gebiet zwei Drittel des gesamten japanischchinesischen Außenhandels entfielen; in Schanghai waren die wichtigsten privatkapitalistischen Industrieunternehmen der japanischen Bourgeoisie konzentriert. Nachdem diese Gruppen und Privatpersonen ihren Einfluß verstärkt und die englischen, amerikanischen und anderen Konkurrenten verdrängt hatten, unterstützten sie die gegen die Regierung gerichtete Bewegung in Südchina. Sie gaben diese Unterstützung auch nicht auf, als die Revolution begann, da sie ihre Verbindungen auszunutzen wünschten, 83 u m neue Privilegien, Konzessionen usw. zu erlangen. Ihre höchst eigennützigen Interessen versuchten sie unter der Maske der „Sympathie" f ü r die chinesische Revolution zu verbergen, u m so die Unterstützung der demokratischen K r ä f t e zu gewinnen. Unter diesen Umständen hielt es die japanische Regierung nicht f ü r zweckdienlich, die Mandschu-Dynastie offen zu unterstützen. Formell betrieb zu Beginn 63
Eine derartige Stellung nahm die Partei der Großbourgeoisie und Großagrarier „Kokuminto" unter Führung von Inukai, Graf Okuma, Großunternehmer Okura u. a. ein. Siehe A. Pooley, Japans foreign policy, London 1920, S. 65—67; J. O. P. Bland, c. o., S. 566. Über die Stellung- innerhalb der verschiedenen Gruppierungen der rechtsgerichteten Bevölkerungsschichten Japans siehe den interessanten Bericht aus Tokio in den „Documents Diplomatiques Français", Serie III, Bd. I, S. 258—260.
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der Revolution von. 1911—1913 die japanische Regierung, wie auch die Regierungen der anderen imperialistischen Mächte, eine Politik der Neutralität. Jedoch richteten die tatsächlichen Lenker der japanischen Monarchie ganz offiziell, obzwar auf streng vertraulichem Wege, Ein die ausländischen Staaten eine Anfrage bezüglich der Notwendigkeit einer militärischen Intervention in China zur Unterstützung, richtiger gesagt, zur Erhaltung des Thrones der MandschuDynastie. Die Initiatoren dieser diplomatischen Demarche waren die Vertreter der militärisch-bürokratischen Clique Katsura-Yamagata, die einen gewaltigen Einfluß auf die gesamte Innen- und Außenpolitik Japans ausübte, obwohl sie im Kabinett Sayonji n u r zwei Vertreter (den Kriegs- und den Marineminister) besaß. Infolge des Fehlens größerer militärischer K r ä f t e anderer Mächte im Fernen Osten konnte eine Intervention großen Maßstabes in China in der Hauptsache n u r von der japanischen Armee durchgeführt werden; dies versprach dem japanischen Imperialismus natürlich große Vorteile und eine bedeutende Stärkung auf Kosten Chinas. Es gibt zahlreiche Pressemeldungen über die Vorbereitung japanischer Truppen zur Entsendung nach China, über die Konzentration dieser Truppen in der Mandschurei usw. Grey sagte im Januar 1912 zu Benckendorff, daß noch A n f a n g November 1911 Japan angefragt hätte, wie sich England zu einer Besetzung der Eisenbahnlinie bei Schanhaikwan durch die Japaner verhalten würde. 64 Denselben Charakter trugen die Verhandlungen, die in den gleichen ersten Novembertagen zwischen dem zaristischen Botschafter und dem russischen Militärattache in Tokio einerseits und Katsura, dem Kriegsminister Ishimoto und dem Departementsdirektor im Kriegsministerium, Generalmajor Tanaka, andererseits geführt wurden. „Als Ziel einer mit Rußlands und Englands Zustimmung durchzuführenden Entsendung eines Truppenkontingents bezeichnete Generalmajor Tanaka die Unterstützung des chinesischen Kaisers." 60 Die japanische Regierung beschränkte sich jedoch nicht allein auf die Vorbereitung einer militärischen Intervention — daß diese nicht zustande kam, war durchaus nicht ihre Schuld — , sondern sie ergriff zur Erhaltung der chinesischen Dynastie auch noch andere Maßnahmen. A m 23. Dezember 1911 erklärte der japanische Gesandte in China Jüan Schi-kai, daß Japan unter keinen Umständen eine Republik in China anerkennen werde. 88 Einige Tage zuvor hatte die japanische Regierung in einer Note an das USAStaatsdepartment erklärt, China sei f ü r eine republikanische Staatsform „noch nicht reif", deshalb müsse m a n die Monarchie erhalten und die Macht des Kaisers nur durch eine Verfassung einschränken. 87 64 «MEJKHYHAPOÄHHE OTHOIIICHHH B anoxy HMnepzani3Ma», Serie II, Bd. XIX, T. II, S. 55—36. 85 Ebenda, Serie II, Bd. XVIII, T. II, S. 302. " A. Pooley, c. o., S. 66. « „Papers", 1912, S. 56—57.
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D a ß England, die U S A und Frankreich die Projekte einer japanischen Intervention nicht unterstützten, geschah keineswegs aus Sympathie f ü r die chinesischen Revolutionäre. Die englische Regierung w a r sich durchaus darüber klar, daß in China ernsthafte Ereignisse vorgingen. Der englische Botschafter in Tokio äußerte gleich zu Beginn der Revolution: „Die japanischen Behörden behaupten, daß diese Revolution weiter nichts als eine Reihe sporadischer, örtlicher Vorfälle sei. W i r nehmen an, daß sich die Revolution in eine allgemeine Volksbewegung verwandeln wird." 6 8 F ü r den britischen Imperialismus,, dessen Interessen sich vornehmlich auf das von der Revolution erfaßte Süd- u n d Zentralchina richteten, war es gefährlich, offen gegen die republikanische Bewegung aufzutreten. Die führenden Persönlichkeiten i m republikanischen China gaben bekannt, daß sie alle vor der Revolution abgeschlossenen Verträge und Aaleiheabkommen anerkennen, und schlugen den Ausländern vor, den Schutz der ausländischen Konzessionen in den von der republikanischen Armee besetzten Städten zu verstärken. Auch ließen sie keinerlei fremdenfeindliche Kundgebungen zu. Sun Jat-sen glaubte, der Erfolg der Revolution hinge weitgehend von der Einstellung der Großmächte ab und es sei nötig, von ihnen eine Unterstützung der republikanischen Bewegung zu erlangen. Sun Jat-sen nahm irrtümlicherweise an, das Schicksal der künftigen Republik liege in erster Linie in den Händen Englands, dessen feindliche Einstellung er noch nicht klar erkannt hatte. Da sich Sun Jat-sen bei Beginn der Revolution in der Emigration aufhielt, beschloß er, über England nach China zurückzukehren." I n England erreichte Sun Jat-sen natürlich gar nichts. E r bemühte sich, eine finanzielle Hilfe f ü r die republikanische Bewegung zu erhalten, aber er erhielt nichts, nicht einmal die offizielle Zusicherung, daß das Bankenkonsortium die monarchistische Pekinger Regierung nicht finanzieren werde. Die englischen herrschenden Kreise verhielten sich der Revolution gegenüber durchaus feindselig. F ü r die Taktik der britischen Diplomatie war zu Beginn der chinesischen Revolution das Bestreben kennzeichnend, sich weder durch Unterstützung noch durch offene Gegnerschaft einer der beiden Seiten gegenüber die H ä n d e zu binden. Ein vollständiger Sieg der Dynastie wäre England deshalb unbequem gewesen, weil sich die Dynastie unter dem starken Einfluß Rußlands, Deutschlands und Japans befand; unbequem wäre aber auch ein Sieg Sun Jat-sens gewesen, weil dieser fortschrittliche Reformen in China nach sich gezogen hätte, die den Interessen der Imperialisten zuwiderliefen. Deshalb sah sich der englische Imperialismus in und außerhalb Chinas nach solchen Kräften um, auf die er sich verlassen konnte. Eine solche „ K r a f t " fand England sehr schnell. Am 15. November 1911 telegrafierte Grey an den britischen Gesandten in Peking: „ W i r haben »B A. Pooley, c. o., S. 69. „Memoirs of a Chinese revolutionary" by Sun Yat-sen. New York 1954, S. 220—221; Sharman, Sun Yat-sen, his life and its meanings.
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begonnen, uns Jüan Schi-kai gegenüber sehr freundschaftlich und achtungsvoll zu verhalten . . . wir möchten als Ergebnis der Revolution eine Regierung sehen, die stark genug ist, um in ihren Beziehungen allen ausländischen Staaten gegenüber in gleicher Weise auftreten, im Innern des Landes die Ordnung aufrecht erhalten und auch günstige Bedingungen für die Entwicklung des Handels schaffen zu können. Eine solche Regierung erhält jede diplomatische Unterstützung, die wir ihr geben können."70 Die britische Diplomatie hielt Jüan Schi-kai für den geeignetsten Mann, der, nachdem er die dem Volke verhaßte Mandschu-Dynastie beseitigt und die Verwaltung des Landes ein wenig modernisiert hatte, in China alles unverändert bestehen lassen sollte, damit das selbstherrliche Schalten und Walten der imperialistischen Staaten in China weiterhin vollkommen gesichert bliebe. Jüan Schi-kai genoß auch die volle Unterstützung der Diplomatie Frankreichs und der USA, die im wesentlichen dieselben Ziele zu erreichen suchte, nämlich : Unterdrückung der Volksbewegung und Errichtung einer imperialistischen „Ordnung" in China, die die ungehinderte Investition ausländischer Kapitalien, die hemmungslose Ausbeutung der billigen chinesischen Arbeitskraft und den Absatz ausländischer Waren in China sicherstellte. Im Januar 1912 trat zum Schutze Jüan Schi-kais sehr energisch einer der Wortführer der französischen Bourgeoisie, der Außenminister Poincaré, auf; er wandte sich mit einer Zirkularnote an die Mächte, in der er auf die erwünschte Kandidatur Jüan Schi-kais für den Präsidentenposten in China hinwies. 71 Für Jüan Schi-kai setzte sich auch der Staatssekretär der USA Knox72 sehr entschieden ein. Die USA gingen in dieser Beziehung noch weiter als die anderen Mächte. Bald nach dem (unter Druck der Mächte erfolgten) Verzicht Sun Jat-sens auf das Amt des Präsidenten zugunsten Jüan Schi-kais 73 wandte sich Japan mit dem Vorschlag an die Mächte, in der Frage der Anerkennung der neuen Regierung Chinas (d. h. Jüan Schi-kais) Einigkeit zu wahren und diese Anerkennung an die Bedingung zu knüpfen, daß die neue Regierung alle Rechte, die von den Ausländern erworben worden waren, sowie alle ausländischen Schulden erneut bestätigte. Die japanische Note verfolgte das Ziel, die Anerkennung Jüan Schi-kais hinauszuzögern. Die USA stimmten mit einigen Vorbehalten dem japanischen Vorschlag zu, jedoch nahm das USA-Parlament wenige Tage später (am 29. Februar) eine Resolution an, in der die neue (d. h. „republikanische") Staatsform in China „begrüßt" wurde. Dies war zwar kein offizieller Akt der Anerkennung, aber die 7°
J. O. P. Bland, c. o., S. 283. „Documents Diplomatiques Français", Serie III, Bd. I, S. 555. « Ebenda, S. 555—573. 73 Sun Jat-sen wurde zum ersten provisorischen Präsidenten der chinesischen Republik sofort nach seiner Rückkehr aus dem Ausland nach China gewählt. Er übernahm die Ausübung seines Amtes am 1. Januar 1912 und trat von seinem Posten am 14. Februar desselben Jahres zurück. 71
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USA hatten damit Jüan Schi-kai eine wesentliche Hilfe geleistet. Zweifellos hofften die USA, daß sie, wenn sie mit dieser indirekten Anerkennung den anderen Mächten vorauseilten, in Peking mehr Einfluß gewinnen würden, als die anderen Mächte und besonders als Japan, ihr Hauptrivale in China. Der Sieg Jüan Schi-kais bedeutete die Niederlage der chinesischen Revolution. Diese Niederlage war in hohem Grade das Ergebnis der Politik des Bankenkonsortiums, das Jüan Schi-kai mit Geld versorgte und dadurch, daß es die Finanzierung Chinas in seinen Händen monopolisierte, den chinesischen Revolutionären jegliche materielle Unterstützung entzog. Anläßlich des Anleiheabschlusses schrieb der „Economist": „Die Gelder wurden Jüan Schi-kai gegeben, um ihm bei der Reorganisation der Regierung zu helfen, und zweifellos werden sich die Geldgeber einer allzu kleinlichen Kontrolle darüber enthalten, wie diese Gelder verausgabt werden. Es wird für Jüan Schi-kai vielleicht die Notwendigkeit entstehen, sich von Nebenbuhlern zu befreien, und wir werden nicht erstaunt sein, wenn einige phantastische Konzeptionen Sun Jat-sens durch ernst zu nehmende Männer beseitigt werden, die wissen, was sie zu tun haben." 71 Die Gewährung der großen, sogenannten „Reorganisations"-Anleihe an Jüan Schi-kai im Jahre 1913 rief in China einen Sturm der Entrüstung hervor. Die Bedingungen, unter denen die Anleihe abgeschlossen worden war, waren für China außerordentlich drückend. Die Ausländer erhielten dadurch das Recht, die Verausgabung der durch die Anleihe erhaltenen Mittel zu kontrollieren und sie brachten dazu die Verwaltung der Salzsteuer in ihre Hände. Der Vertrag über die Anleihe wurde im Gebäude der im Gesandtschaftsviertel gelegenen Hongkong-Schanghai-Bank heimlich unterzeichnet, dennoch wurde seine Unterzeichnung sofort bekannt. „Die neue chinesische Anleihe", schrieb Lenin, „ist g e g e n die chinesische Demokratie abgeschlossen worden." 76 Jüan Schi-kai, der die Revolutionäre verfolgte, setzte demjenigen eine hohe Belohnung aus, der die bedeutendsten Führer der demokratischen Bewegung nachwies oder ergriff. Die Prämien für die Köpfe der Revolutionäre zahlte Jüan Schi-kai ebenfalls aus dieser Anleihe. Die Volksmassen Chinas hatten in den Revolutionsjähren 1911 bis 1913 keinen Sieg errungen, wenn auch die dem Volke verhaßte fremdstämmige Mandschu-Dynastie gestürzt und China eine Republik geworden war. Das chinesische Volk stellte jedoch seinen Kampf gegen die Diktatur Jüan Schi-kais, der sich auf die Hilfe der Imperialisten stützte, nicht ein. W. I. Lenin unterzog in seinem Aufsatz „Demokratie und Narodnikitum in China" die Lehre Sun Jat-sens, besonders sein Agrarprogramm, einer genauen Analyse. Er wies einerseits auf den utopischen Charakter seines Programms hin, hob aber andererseits auch dessen fortschrittliche, revolutionäre Bedeutung unter den Bedingungen des rückständigen und feudalen China hervor. Lenin 74 75
F. Farjenel, c. o., S. 70. B. H. JleHHH. COT., Bd. 19, 4. Aufl., S. 78.
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entwarf prophetisch ein Bild von der nächsten Entwicklungsstufe der chinesischen Revolution u n d von der Rolle der Arbeiterklasse Chinas bei ihrer endgültigen Durchführung. „Welche ökonomische Notwendigkeit h a t in einem der zurückgebliebensten Agrarländer Asiens die Verbreitung der fortschrittlichsten bürgerlich-demokratischen P r o g r a m m e in der Bodenfrage h e r v o r g e r u f e n ? D i e Notwendigkeit der Vernichtung des Feudalismus i n allen seinen F o r m e n u n d Erscheinungen. Je m e h r C h i n a h i n t e r E u r o p a und Japan zurückblieb, desto m e h r drohte i h m Zerstückelung u n d nationale Zersetzung. .Erneuern' konnte es n u r der Heroismus der revolutionären Volksmassen, der f ä h i g ist, auf dem Gebiete der Politik die chinesische Republik zu schaffen, auf dem Gebiete der Landwirtschaft mittels der Nationalisierung des Bodens den schnellsten kapitalistischen Fortschritt zu sichern. Ob u n d wie weit das gelingt, das ist eine andere F r a g e . Verschiedene Länder haben in ihrer bürgerlichen Revolution verschiedene Stufen des politischen u n d agrarischen Demokratismus verwirklicht, und das in den buntesten Kombinationen. Die Entscheidung wird durch die internationale Lage u n d die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in C h i n a h e r b e i g e f ü h r t werden. D e r Sohn des Himmels wird sicherlich die Feudalen, die Bürokratie und die chinesische Geistlichkeit vereinigen und die Restauraton vorbereiten. J ü a n Schi-kai, der Vertreter der Bourgeoisie, die sich k a u m aus einer liberal-monarchistischen i n eine liberal-republikanische verwandelt h a t (auf wie lange?), wird eine Politik des Lavierens zwischen der M o n a r chie u n d der Revolution betreiben. Die revolutionäre bürgerliche Demokratie, die von Sun Jat-sen vertreten wird, sucht ganz richtig den W e g z u r , E r n e u e r u n g ' Chinas in der E n t w i c k l u n g der größtmöglichen Selbständigkeit, Entschiedenheit u n d K ü h n h e i t der bäuerlichen Massen bei der Verwirklichung der politischen u n d der agrarischen R e f o r m e n . U n d schließlich wird, in demselben M a ß e , wie in C h i n a die Zahl der Schanghais wachsen wird, auch das chinesische P r o l e t a r i a t wachsen. Es wird wahrscheinlich diese oder jene chinesische sozialdemokratische Arbeiterpartei bilden, welche sicherlich bei gleichzeitiger Kritik der kleinbürgerlichen Utopien und der reaktionären Ansichten Sun Jat-sens den revolutionär-demokratischen Kern seines politischen u n d agrarischen P r o g r a m m s sorgfältig herausschälen, w a h r e n u n d entwickeln w i r d . " 78 D i e revolutionäre Bewegung in China f a n d beim Proletariat der anderen Länder heiße Sympathie u n d Unterstützung. I n der Resolution der V I . (Prager) Allrussischen Konferenz der S D A P R „ Z u r chinesischen Revolution", die aus W . I . L e n i n s Feder stammt, konstatiert die Konferenz: „ . . ., daß der revolutionäre Kampf des chinesischen Volkes, der z u r B e f r e i u n g Asiens f ü h r t u n d die Herrschaft der europäischen Bourgeoisie u n t e r gräbt, von internationaler Bedeutung ist; sie (die Konferenz — d. Red.) sendet den revolutionären Republikanern Chinas ihre G r ü ß e , bezeugt die tiefgehende 76
B. H.
JleHHH,
COT., Bd. 18, 4. Aufl., S. 148—149.
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Begeisterung und die volle Sympathie, womit das Proletariat. Rußlands die Erfolge des revolutionären Volkes in China verfolgt, und brandmarkt die Haltung des russischen Liberalismus, der die Annexionspolitik des Zarismus unterstützt." 77 Die amerikanische imperialistische Bourgeoisie, wie auch die Bourgeoisie der anderen kapitalistischen Länder, unterstützte die chinesische Konterrevolution von Anfang bis Ende. Der Verzicht der amerikanischen Banken auf die Beteiligung ein dem Bankenkonsortium zur Finanzierung Jüan Schi-kais zeugt in keiner Weise davon, daß die amerikanischen Imperialisten der Diktatur Jüan Schi-kais ihre Unterstützung versagen wollten. Wie bereits gezeigt wurde, ist der Verzicht auf die Teilnahme am Konsortium darauf zurückzuführen, daß das Konsortium nach dem Eintritt Rußlands und Japans und nach der Einschränkung seiner Tätigkeit in der Mandschurei aufgehört hatte, für die amerikanischen Banken und Diplomaten von Interesse zu sein. Die amerikanische Diplomatie drängte schon seit Juli 1912 den Mächten gegenüber auf rascheste Anerkennung der konterrevolutionären Regierung Jüan Schi-kais, um dadurch deren Regime zu stärken. 78 Ohne sich vorher mit den Mächten verständigt zu haben, erkannten die USA am 2. Mai 1913, d. h. einige Tage nach der durch das Konsortium erfolgten Unterzeichnung des Vertrages über die Gewährung der Anleihe, die den endgültigen Bruch zwischen Jüan Schi-kai und der Parlamentsopposition hervorgerufen hatte, offiziell die „republikanische" Regierung Jüan Schi-kais an. Auf diese Weise trieben die USA, ohne am Konsortium beteiligt zu sein, dieselbe Politik der Unterstützung der Konterrevolution, wie das Konsortium. Die Anerkennung Jüan Schi-kais durch die Vereinigten Staaten von Amerika führte zu einer Verschärfung des japanisch-amerikanischen Gegensatzes. Gleichzeitig nahmen auch die japanisch-englischen Meinungsverschiedenheiten zu. Während der chinesischen Revolution von 1911 bis 1913 hielt England bei der Durchführung seiner Politik mit den USA und Frankreich engere Fühlung als mit Japan. Infolgedessen kam es zu Beginn des Jahres 1912 in der japanischen Presse zu einer heftigen antienglischen Kampagne. Die japanischen Zeitungen erinnerten daran, wie das englisch-j apanische Bündnis durch die Abänderung von 1911 geschwächt worden war: „Ein reeller Vertrag wurde in einen nominellen umgewandelt 7 ' (die Zeitung „Nichi Nichi"). Die Zeitung „Kokumin" schrieb demagogisch, daß das englisch-j apanische Bündnis vielleicht auch notwendig sei, aber auf keinen Fall dürfe das „Schicksal der Revolution" in China den Händen Englands überlassen werden. England besitze viele Kolonien, fuhr die japanische Zeitung fort, Japan habe aber „nur" Korea (Taiwan, Südsachalin, die Kurilen und andere Kolonien wurden aus irgendwelchen Gründen vergessen). England habe in allen Teilen der Welt genug zu tun, Japan solle seine Angelegenheiten in China unabhängig von England erledigen. 77 B. H. JleHHH, COT., Bd. 17, 4. Aufl., S. 434—455. w „Papers . . .", 1912, S. 71. 7 8 A. Pooley, c. o., S. 70.
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Die antibritische Agitation erfaßte einen bedeutenden Teil der Presse. Gleichzeitig wurde in Japan ein erbitterter Kampf gegen J ü a n Schi-kai, den m a n als Strohmann Englands und der USA ansah, geführt. I m Grunde genommen strebten sowohl Japan als auch England, die beide das englisch-japanische Bündnis nicht lösen wollten, sondern es weiterhin als Grundpfeiler ihrer Politik ansahen, n u r danach, ihre Positionen im Fernen Osten durch einen Vertrag mit anderen Staaten zu stärken. W a r f ü r England ein solcher Staat die USA, so war dies f ü r Japan Rußland und zum Teil Deutschland. Gegen Ende des Jahres 1911 f ü h r t e Katsura mit dem zaristischen Botschafter über eine gemeinsame Intervention in China zum Schutze der Mandschu-Dynastie Verhandlungen, die sogar dem Kabinett Sayonji und selbstverständlich auch England gegenüber geheim gehalten wurden. 80 Die Regierung Sayonji schloß mit Rußland eine Geheimkonvention (1912), die die Einflußzonen beider Mächte in der Mandschurei und in der Mongolei erheblich vergrößerte. Die japanischen Imperialisten hatten ihre Positionen durch den Vertrag mit R u ß l a n d gestärkt und gemeinsam mit Rußland auf der A u f n a h m e russischer und japanischer Banken in das Bankenkonsortium bestanden; darauf gestützt, aktivierten sie ihre aggressive Politik in China, die die Schwächung und Aufteilung Chinas bezweckte. Jedoch gelang es Japan nicht, das gesteckte Ziel zu erreichen. D a f ü r Revanche zu nehmen, nahm sich der japanische Imperialismus im ersten Weltkrieg vor.
80
«MEIKJIYHAPOÄHLIO orHomeHHH B 3iioxy HMnepnaaH3Ma», Serie II, Bd. XVIII, T. II, S. 301—305.
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Der Eintritt Japans in den Krieg Der erste Weltkrieg, der in Europa ausbrach, wirkte sich sogleich auch auf die Lage im Fernen Osten aus. Mit diesem Krieg verknüpften die amerikanischen, japanischen und anderen Imperialisten ihre alten Eroberungspläne, indem sie danach strebten, den Krieg in Europa für die Ausweitung ihrer Eroberungen in China auszunutzen. Da das imperialistische Japan im Fernen Osten durch seine geographische und militärstrategische Lage sehr bevorzugt wurde, machte es sich in den Kriegs jähren die „besonders günstige Gelegenheit" zunutze, um in China und anderen Ländern Ostasiens zu räubern. Offizielle Vertreter der japanischen Regierung, japanische Publizisten und Geschichtsschreiber versuchten wiederholt die Gründe daxzulegen, aus denen Japan an der Seite der Entente in den Krieg eintrat. Zu Beginn des Krieges war die verbreitetste Version über die Ursachen des Kriegseintritts Japans die, daß Japan nach Sinn und Buchstaben in Übereinstimmung mit dem englisch-japanischen Bündnisvertrag von 1911 gehandelt habe. Im Laufe der Zeit wurde diese Version von einer anderen abgelöst: Japan sei auf der Seite der Verbündeten in den Krieg eingetreten, weil es die Gefahr erkannt habe, die im Falle eines deutschen Sieges der Welt gedroht hätte. Im gleichen Sinne sprach sich auch der Sonderbevollmächtigte Japans, Ishii, aus, der im Jahre 1917 in einer Mission nach den USA gesandt wurde. In einem Buch, das im Jahre 1941 von dem japanischen „Institut für die Beziehungen am Stillen Ozean" herausgegeben wurde, wird weit offenherziger über den Eintritt Japans in den Krieg gesprochen: „Es muß betont werden, daß der Kriegseintritt Japans im wesentlichen von der Überzeugung diktiert wurde, die Zeit sei endlich gekommen, das Problem der japanischen Positionen in China, besonders in der Mandschurei, restlos zu klären . . . Früher oder später hätte Japan seine Politik ändern müssen, und der Weltkrieg war in der Tat eine von Gott gesandte Gelegenheit für Japan." 1 Die Ausnutzung gerade dieser Gelegenheit gab der Außenpolitik der japanischen Imperialisten im ersten Weltkrieg ihre Richtung. Die Einmischung Japans war bereits bei Kriegsausbruch eine im voraus beschlossene Sache. Durch den Kriegseintritt setzte Japan keine seiner Positionen strategischen oder wirtschaftlichen Charakters aufs Spiel. Im Gegenteil, bei jedem beliebigen Ausgang des Krieges hatte es alle Chancen, seinen Einfluß im Fernen Osten zu verstärken: im Falle eines Sieges der englisch-französischen Koalition (auf deren Seite Japan kämpfen wollte) erlangte es Kompensationen auf Kosten der deutschen i Royama, Foreign Policy of Japan 1914—1939, Tokio 1941, S. 3.
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Interessen im Fernen Osten; im Falle eines Sieges des deutsch-österreichischen Lagers jedoch konnte Japan damit rechnen, Kompensationen auf Kosten der Verbündeten zu erhalten, da Deutschland nach dem Krieg an Japan als Gegengewicht zu Rußland und England im Fernen Osten interessiert wäre. Unter dem Einfluß der deutschen militärischen und politischen Doktrinen befanden sich bedeutende Gruppen der reaktionären japanischen Militärclique und der Beamtenschaft. Dies war für die Fortsetzung der japanischen Politik in der Folgezeit von wesentlicher Bedeutung. Und obzwar die Entscheidung zugunsten der englisch-französischen Koalition getroffen wurde, weil es leichter war, die deutschen Besitzungen als die englischen, französischen oder russischen zu rauben, hörte der deutschfreundliche Einfluß in der Außenpolitik Japans nicht auf, eine Rolle zu spielen. Eine Stellung als nichtkriegführende Partei oder die Neutralität zogen die japanischen Pläne überhaupt nicht in Betracht. Die japanischen Imperialisten strebten eine Teilnahme am Krieg energisch an und fürchteten nichts mehr, als ein Übereinkommen der kriegführenden Parteien, den Fernen Osten aus der Sphäre der Kriegshandlungen auszuschließen. England, Frankreich und Rußland waren an einem sofortigen Kriegseintritt Japans nicht interessiert, wobei jedes Land von seinen Erwägungen ausging, aber gemeinsam befürchteten sie, ihr fernöstlicher Verbündeter werde zu große Ansprüche stellen. Am 1. August 1914 teilte der englische Außenminister Grey dem japanischen Botschafter in London mit, daß unter bestimmten Umständen der Kriegseintritt Englands möglich sei, daß er jedoch „nicht mit der Eventualität rechne, daß sich England Japan gegenüber auf den Bündnisvertrag von 1911 berufen werde, bzw. daß die Interessen, die mit diesem Bündnis verknüpft sind, durch den Kriegseintritt Englands berührt würden." 2 Seitens Japans erfolgte die Antwort, „die Regierung Sr. Majestät könne darauf rechnen, daß Japan, sobald man es ruft, seinem Verbündeten unverzüglich mit ganzer Kraft zu Hilfe kommen werde, wobei es der Regierung Sr. Majestät völlig anheimgestellt bleibt, Anlaß und Natur der erbetenen Hilfe zu formulieren." 3 Gleichzeitig mit dem Eingang der Antwort aus Japan wurde der englische Botschafter Green beauftragt, der japanischen Regierung mitzuteilen, daß „wir, falls sich die Kriegshandlungen auf den Fernen Osten ausweiten und Hongkong oder Weihaiwei einem Überfall ausgesetzt sein sollten, auf.ihre Hilfe rechnen." 4 Auf diese Mitteilung vom 4. August antwortete Japan erneut, es werde England unverzüglich Beistand leisten, wenn ein Überfall auf die erwähnten oder irgendwelche anderen Häfen erfolgen sollte, ebenso bei einem Überfall auf englische Handelsschiffe oder einem Einfall in die territorialen Gewässer Chinas und Rußlands. Hierauf dankte Grey über Green dem japanischen Außenminister * L a Fargue, China and the World war, London 1937, S. 8—9. 3 Ebenda, S. 9. 4 Ebenda.
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Baron Kato „herzlichst f ü r den großmütigen Vorschlag einer Hilfeleistung". E r schloß mit den Worten: „Ich halte dies f ü r ein sehr schönes Zeichen des Vertrauens und der M ä ß i g u n g ; und n u n müssen wir — wenn irgend möglich — verhindern, daß Japan in den Krieg hineingezogen wird". Dieser „Meinungsaustausch" zwischen England und Japan in den ersten Tagen des Weltkrieges spiegelt die Kompliziertheit der Stellung Englands in seinen Beziehungen zu den Dominien — Australien und Neuseeland — und zu den U S A wider. Die englischen Dominien waren entschieden gegen eine Stärkung Japans im Stillen Ozean; sie hofften vielmehr, die Deutschland gehörigen Inseln im Stillen Ozean selbst an sich zu bringen. Außerdem behagte ihnen die Aussicht keineswegs, nach der Vertreibung Deutschlands Japan zum Nachbarn im Stillen Ozean zu erhalten. Bei den USA-Imperialisten rief der Kriegseintritt Japans Argwohn hervor, und auch das m u ß t e England in Rechnung stellen. T o n und Sinn des Greyschen Schreibens an die japanische Regierung waren in hohem Grade durch diese Widersprüche bestimmt worden. Die Ereignisse entwickelten sich jedoch sehr schnell, und drei T a g e nach dem Kriegseintritt Englands, am 7. August, wandte sich Edward Grey bereits u m Beistand an Japan. Dieser Beistand sollte allerdings n u r darin bestehen, daß die japanische Flotte die deutschen Kreuzer in den chinesischen Gewässern vernichtete. Auf den Vorschlag, lediglich eine solche begrenzte Aktion gegen Deutschland durchzuführen, antwortete Kato sofort, daß seiner Meinung nach ein Überfall deutscher Kriegsschiffe auf die englische Handelsflotte auf offener See allein noch keinen Anlaß böte, den englisch-japanischen Vertrag in Anwendung zu bringen. Militärische Aktionen Japans gegen Deutschland könnten beginnen, wenn die Aufgabe gestellt würde, den deutschen Einfluß im chinesischen Küstengebiet f ü r immer zu vernichten. Dies bedeutete, daß Japan bereit war, in den Krieg einzutreten, wenn sich England mit dem sofortigen Raub des in deutschen Händen befindlichen Kiautschou-Gebietes durch die Japaner einverstanden erklärte. Aus England folgte ein überaus zurückhaltendes Schreiben Greys, in dem er bat, von einer Kriegserklärung an Deutschland vorläufig abzusehen, da „man den Eindruck vermeiden müsse, daß sich der Krieg nach China ausdehne, damit dort nicht eine gespannte Lage geschaffen werde". Als Grey dann doch gezwungen war, dem japanischen Vorschlag zuzustimmen, bestand er darauf, daß sich die Aktionssphäre Japans zur See lediglich auf das chinesische Küstengebiet beschränke, um bei Australien und Neuseeland keinen Argwohn zu erregen. Japan jedoch erklärte sich m i t keinerlei Einschränkungen seiner Aktionen einverstanden und überreichte am 15. August Deutschland ein Ultimatum, dessen Frist am 23. August mittags ablief. Japan erklärte, daß es f ü r seine Pflicht halte, Deutschland „zu raten", folgende zwei Vorschläge zu erfüllen: 1. aus den japanischen und chinesischen Gewässern unverzüglich seine Panzerschiffe und alle sonstigen irgendwie bewaffneten Schiffe abzuziehen und diejenigen, die nicht weggeführt werden können, sofort abzurüsten; 2. spätestens bis zum 15. September den Behörden der japanischen kaiserlichen Regierung das Pachtgebiet Kiautschou ohne irgendwelche Bedingungen oder Kompensationen zu 175
übergeben mit der Aussicht einer künftigen Übergabe dieses Gebietes an China.8 Während des diplomatischen Notenwechsels zwischen den Außenministerien Englands und Japans, der die imperialistischen Gegensätze dieser Länder widerspiegelte, erklärten sich die Vereinigten Staaten von Amerika, die eine Stärkung ihrer japanischen Rivalen im Fernen Osten befürchteten, für die Unterstützung des chinesischen Vorschlages, die Sphäre der Kriegshandlungen am Stillen Ozean zu begrenzen. Deutschland antwortete auf den betreffenden Vorschlag der USA am 14. August mit der Erklärung, daß es keinen Krieg mit Japan anstrebe. Sollte Japan mit Rücksicht auf seinen Vertrag mit England das Ansuchen stellen, Deutschland möge nichts gegen Englands Kolonien, gegen seine Kriegsflotte und seinen Handel im Osten unternehmen, so sei Deutschland damit unter der Bedingung eines gleichartigen Versprechens von Seiten Englands bezüglich der deutschen Besitzungen einverstanden. Die Antwort Deutschlands übersandte die amerikanische Regierung ihrem Botschafter in Tokio, aber an demselben Tage, an dem sie der Botschafter empfing, hatte Japan bereits sein Ultimatum an Deutschland überreicht. Ohne den Ablauf der Frist dieses Deutschland gestellten Ultimatums abzuwarten, sandten die Japaner Kriegsschiffe nach den Karolinen und MarshallInseln, und unmittelbar hinter diesen auch Handelsschiffe mit Waren und japanischen Kolonisten zur Besiedlung der Inseln. Die Eile dieser Aktionen Japans erklärte sich nicht so sehr aus strategischen, als vielmehr aus politischen Erwägungen: die japanischen Imperialisten waren bestrebt, auf den Inseln zu erscheinen, ehe dort die Engländer auftauchten. In dem Zeitraum zwischen dem japanischen Ultimatum und der Kriegserklärung versuchte Deutschland mit China über eine sofortige Rückgabe von Kiautschou an China zu verhandeln; Deutschland hielt einen derartigen Vergleich für das Vorteilhafteste, da es unter den gegebenen Umständen nicht in der Lage war, diese Niederlassung zu halten. Als Japan davon erfuhr, zwang es mit Unterstützung der Engländer die Chinesen, die Verhandlungen mit Deutschland abzubrechen. Nachdem die japanischen Imperialisten auf ihr Ultimatum keine Antwort erhalten hatten, gingen sie sofort daran, sich des Kiautschou-Gebietes und des Hafens Tsingtau zu bemächtigen. Das Kiautschou-Gebiet, das Deutschland auf Grund des Vertrages vom Jahre 1898 von China erhalten hatte, umfaßte 200 Quadratmeilen und der Hafen Tsingtau ist eine große Stadt, die durch eine Eisenbahnlinie von 240 Meilen Länge mit Tsinan, der Hauptstadt der Provinz Schantung, verbunden ist. Der Hafen war von den Deutschen hauptsächlich nach der Seeseite hin befestigt und für eine Verteidigung vorbereitet worden. Zur Zeit der Kriegserklärung unterhielt Deutschland im Fernen Osten unter dem Kommando des Admirals von Spee ein Kreuzergeschwader, das aus zwei schweren Kreuzern („Scharnhorst" und „Gneisenau"), drei leichten Kreuzern und einigen Handelsfahrzeugen bestand, die als Hilfsschiffe für die Kreuzer eingerichtet » Th. Miliard, Democracy and the Eastern Question, New-York 1919, S. 91.
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wurden. 6 I n Tsingtau befand sich eine deutsche Garnison von 3500 Mann. Nach der japanischen Kriegserklärung f ü h r t e Admiral von Spee den größten Teil seines Geschwaders aus Tsingtau nach den Karolinen-Inseln, u n d als die Japaner am 27. August den H a f e n Tsingtau einschlössen, befanden sich die Hauptkräfte der deutschen Flotte bereits nicht mehr dort. Das japanische Oberkommando beschloß, Tsingtau nicht von der Seeseite, sondern im Rücken der befestigten Kiautschou-Zone anzugreifen, wodurch es unverfroren die Neutralität Chinas verletzte. Gleichzeitig bereiteten sich die Engländer und Franzosen, die in Tientsin ein Freiwilligen-Bataillon zusammengestellt hatten, darauf vor, dieses auf der Eisenbahnlinie Tientsin—Pukou nach Tsinan zu entsenden, u m von dort aus gegen die Deutschen vorzurücken. A m 2. September landeten japanische Truppen in Stärke von 30 000 M a n n am Nordufer der Schantung-Halbinsel bei Lungkou. Zwölf Tage später stießen sie mit den Deutschen zusammen und nach weiteren 11 T a g e n schifften auch die Engländer Landungstruppen in Stärke von 1500 M a n n aus. Nach der Landung der japanischen Truppen setzte die chinesische Regierung am 3. September die Vertreter der Großmächte in Peking davon in Kenntnis, daß sie, als neutrale Partei, keine Verantwortung f ü r die Handlungen der kriegführenden Parteien tragen könne. Die kriegführenden Parteien schenkten der Erklärung Chinas jedoch keinerlei Beachtung. I n dem Bestreben, die eigene Neutralität zu schützen, machte China den Versuch, den japanisch-amerikanischen Antagonismus auszunützen und sich dabei auf die USA zu stützen. Die amerikanischen Imperialisten, die günstigere Bedingungen f ü r ihren Eintritt in den Krieg abwarteten, bezeugten jedoch keine Neigung, sich einzumischen. Alle imperialistischen Mächte betrachteten die japanischen Aggressionshandlungen auf dem Territorium Chinas als bequemen „Präzedenzfall", der zu gegebener Zeit f ü r die Aufteilung Chinas und f ü r die vollständige Versklavung des chinesischen Volkes herhalten konnte. Die chinesische Befürchtung, daß Japan, mit Tsingtau beginnend, die ganze Schantung-Eisenbahn an sich bringen werde, bewahrheitete sich bald. A m 26. September besetzten die japanischen Truppen Wei-hsien und am 6. Oktober Tsinan. A m 27. und 30. September erhob die chinesische Regierung Protest gegen die Verletzung der Neutralität Chinas und wies darauf hin, daß die Eisenbahnlinie Tsingtau—Tsinan ein Privatunternehmen deutscher und chinesischer Kapitalisten sei, und daß ihre Besetzung durch die Japaner nicht durch militärische Notwendigkeit bedingt sei, da die in Tsingtau eingeschlossenen Deutschen diese Linie nicht benutzen könnten. Die japanische Regierung antwortete, diese Eisenbahnlinie sei mit dem Pachtgebiet Kiautschou verbunden und müsse als zu Deutschland gehörend angesehen werden. E i n neuer Protest Chinas vom 9. Oktober und die Zusicherung, daß es selbst in der Lage sei, falls dies notwendig würde, die Neutralität der Bahn zu sichern, hatten nicht die geringste Wirkung. 8
La Fargue, c. o., S. 18. 177
Nach der Kapitulation der Deutschen, am 7. November, wurde Tsingtau von den Japanern besetzt, und einige Tage später war auch das ganze Pachtgebiet von Kiautschou in ihrer Hand. Am 19. November errichteten die japanischen Behörden auf dem ganzen von ihnen besetzten chinesischen Territorium ein Militärregime. Nachdem die japanischen Imperialisten das ganze Pachtgebiet in Schantung besetzt und den Hafen Tsingtau sowie die Eisenbahnlinie Tsingtau— Tsinan unter ihre Gewalt gebracht hatten, waren sie zu Herren der SchantungHalbinsel geworden, einer chinesischen Provinz mit einer Bevölkerung von 50 Mill. Menschen, reich an nutzbaren Bodenschätzen, an ertragreichen Feldern und an vortrefflichen Häfen von größter kommerzieller und strategischer Bedeutung. Jüan Schi-kai, der sich einbildete, ein Mann der „starken Hand" zu sein, und dem es gelungen war, seine Diktatur zu befestigen, erwies sich angesichts des von England unterstützten japanischen Überfalls als machtlos und kapitulierte. Die skrupellose Verletzung der chinesischen Souveränität durch die Imperialisten rief jedoch in der öffentlichen Meinung Chinas eine starke Empörung gegen die Japaner, wie auch gegen Jüan Schi-kai und seine Clique, hervor. Die Entwicklung der Kriegsereignisse in Europa und die Schwäche der chinesischen Regierung, die dem Volke verhaßt war und sich vergebens auf die europäischen und amerikanischen Imperialisten zu stützen suchte, begünstigte die weitere Entfaltung der japanischen Aggression. Die japanischen Imperialisten hielten die Zeit für gekommen, energische Schritte zu unternehmen, um von der Regierung Jüan Schi-kais solche Zugeständnisse wirtschaftlicher und politischer Art zu erlangen, die Japan zur herrschenden Macht in China machen würden. Die Überreichung der „21 Forderungen" Japans an China In der Nacht des 18. Januars 1915 suchte der japanische Gesandte in China, Hioki, den Präsidenten Jüan Schi-kai auf und überreichte ihm „21 Forderungen". Diese Forderungen waren in der ganzen Geschichte Chinas ohne Beispiel, sowohl in bezug auf den Inhalt als auch hinsichtlich der Form ihrer Ausführungen. Solche Forderungen konnten nur einem Land vorgelegt werden, das im Krieg besiegt und gezwungen war, auf eine Kapitulation einzugehen. Die Forderungen wurden unter Umgehung des geraden Instanzenweges — des Außenministeriums — direkt dem Präsidenten der Republik überreicht. Das Papier, auf dem das Ultimatum geschrieben war, besaß Wasserzeichen, die Dreadnoughts und Maschinengewehre darstellten; das mutete wie eine Drohung an, Streitkräfte einzusetzen, falls sich China weigere, die japanischen Forderungen zu erfüllen. Der japanische Gesandte wies während des „Interviews" mit Jüan Schi-kai auf die Gefahr hin, die für diesen persönlich im Falle der Ablehnung der japanischen Ansprüche entstehe und schlug vor, über den Inhalt des stattgefundenen Gesprächs strenges Stillschweigen zu bewahren. Die Forderungen waren in fünf Gruppen aufgeteilt. In der ersten Gruppe wurde das Einverständnis Chinas zu jeder beliebigen Vereinbarung gefordert, 178
Nach der Kapitulation der Deutschen, am 7. November, wurde Tsingtau von den Japanern besetzt, und einige Tage später war auch das ganze Pachtgebiet von Kiautschou in ihrer Hand. Am 19. November errichteten die japanischen Behörden auf dem ganzen von ihnen besetzten chinesischen Territorium ein Militärregime. Nachdem die japanischen Imperialisten das ganze Pachtgebiet in Schantung besetzt und den Hafen Tsingtau sowie die Eisenbahnlinie Tsingtau— Tsinan unter ihre Gewalt gebracht hatten, waren sie zu Herren der SchantungHalbinsel geworden, einer chinesischen Provinz mit einer Bevölkerung von 50 Mill. Menschen, reich an nutzbaren Bodenschätzen, an ertragreichen Feldern und an vortrefflichen Häfen von größter kommerzieller und strategischer Bedeutung. Jüan Schi-kai, der sich einbildete, ein Mann der „starken Hand" zu sein, und dem es gelungen war, seine Diktatur zu befestigen, erwies sich angesichts des von England unterstützten japanischen Überfalls als machtlos und kapitulierte. Die skrupellose Verletzung der chinesischen Souveränität durch die Imperialisten rief jedoch in der öffentlichen Meinung Chinas eine starke Empörung gegen die Japaner, wie auch gegen Jüan Schi-kai und seine Clique, hervor. Die Entwicklung der Kriegsereignisse in Europa und die Schwäche der chinesischen Regierung, die dem Volke verhaßt war und sich vergebens auf die europäischen und amerikanischen Imperialisten zu stützen suchte, begünstigte die weitere Entfaltung der japanischen Aggression. Die japanischen Imperialisten hielten die Zeit für gekommen, energische Schritte zu unternehmen, um von der Regierung Jüan Schi-kais solche Zugeständnisse wirtschaftlicher und politischer Art zu erlangen, die Japan zur herrschenden Macht in China machen würden. Die Überreichung der „21 Forderungen" Japans an China In der Nacht des 18. Januars 1915 suchte der japanische Gesandte in China, Hioki, den Präsidenten Jüan Schi-kai auf und überreichte ihm „21 Forderungen". Diese Forderungen waren in der ganzen Geschichte Chinas ohne Beispiel, sowohl in bezug auf den Inhalt als auch hinsichtlich der Form ihrer Ausführungen. Solche Forderungen konnten nur einem Land vorgelegt werden, das im Krieg besiegt und gezwungen war, auf eine Kapitulation einzugehen. Die Forderungen wurden unter Umgehung des geraden Instanzenweges — des Außenministeriums — direkt dem Präsidenten der Republik überreicht. Das Papier, auf dem das Ultimatum geschrieben war, besaß Wasserzeichen, die Dreadnoughts und Maschinengewehre darstellten; das mutete wie eine Drohung an, Streitkräfte einzusetzen, falls sich China weigere, die japanischen Forderungen zu erfüllen. Der japanische Gesandte wies während des „Interviews" mit Jüan Schi-kai auf die Gefahr hin, die für diesen persönlich im Falle der Ablehnung der japanischen Ansprüche entstehe und schlug vor, über den Inhalt des stattgefundenen Gesprächs strenges Stillschweigen zu bewahren. Die Forderungen waren in fünf Gruppen aufgeteilt. In der ersten Gruppe wurde das Einverständnis Chinas zu jeder beliebigen Vereinbarung gefordert, 178
die Japan und Deutschland unter sich hinsichtlich der Frage der Provinz Schant u n g treffen würden. China wurde vorgeschlagen, keiner dritten Macht irgendwelche Territorien der Schantung-Halbinsel, an ihrer Küste oder auf den benachbarten Inseln zu verpachten oder abzutreten. China sollte den Japanern die Zustimmung zum Bau einer Eisenbahnlinie auf der Schantung-Halbinsel von Tschifu nach Lungkou mit Anschluß an die Eisenbahnlinie T s i n g t a u — Tsinan erteilen, sowie neue H ä f e n f ü r den japanischen Handel öffnen. Die zweite Gruppe der Forderungen betraf die Südmandschurei und den östlichen Teil der Inneren Mongolei: Die japanischen Imperialisten forderten von China, die Frist der Verträge über die „Pachtung" Port Arthurs und Dairens sowie der Südmandschurischen Eisenbahn und der Eisenbahn A n t u n g — M u k d e n auf 99 Jahre zu verlängern und die Eisenbahn Kirin—Tschangtschun auf 99 Jahre unter japanische Verwaltung und Kontrolle zu stellen. Andere Punkte dieser Gruppe von Forderungen betrafen die Gewährung des Rechtes an die Japaner, Grund und Boden in der Mandschurei und in der Inneren Mongolei zu pachten oder zu kaufen; des Rechtes, Bergwerke in der Südmandschurei auszubeuten, in allen Bezirken und Städten dieser Provinzen sich niederzulassen und Handel zu treiben. ImFalle, daß China wünschen werde, „drittenMächten" irgendwelche Rechte zu gewähren oder sich ausländischer politischer, militärischer oder Finanz-Berater in der Südmandschurei oder in der Inneren Mongolei zu bedienen, sollte es dazu die Zustimmung seitens Japans erbitten. Aus dem Charakter der Forderungen dieser Gruppe geht ganz klar hervor, daß die Südmandschurei und die Innere Mongolei in eine japanische Kolonie umgewandelt werden sollten. Die dritte Gruppe der Forderungen betraf das metallurgische Kombinat Han-je-ping mit seinen Erzgruben und Kohlenschächten, deren Ausbeutung einer japanisch-chinesischen F i r m a übertragen werden sollte, was die faktische Auslieferung einer der Hauptbasen Chinas f ü r die Entwicklung einer eigenen Industrie an Japan bedeutet hätte. Durch Dekret vom 22. November 1914 hatte die chinesische Regierung das Kombinat unter Regierungskontrolle genommen. Die japanischen Imperialisten forderten jetzt die Unabhängigkeit der „japanischchinesischen Gesellschaft" von der chinesischen Regierung; sogar in der Nachbarschaft der Unternehmen dieser Gesellschaft sollte keine Ausbeute ohne deren Erlaubnis vorgenommen werden dürfen. Die vierte Gruppe der Forderungen bezog sich auf China als ganzes: China sollte sich Japan gegenüber verpflichten, keiner dritten Macht irgendeinen H a f e n oder irgendwelche Inseln an seiner Küste abzutreten oder zu verpachten. Die f ü n f t e Gruppe der Forderungen, die die japanischen Imperialisten vor der öffentlichen Meinung der Welt besonders sorgfältig geheim hielten, betraf die politische, militärische und finanzielle Lage Chinas. Diese Forderungen zielten hauptsächlich darauf ab, die wirtschaftliche und politische Herrschaft Japans über ganz China sicherzustellen. Die Japaner forderten, n u r ihre Berater in das Ministerium f ü r Auswärtige Angelegenheiten, in das Finanzministerium, in die Polizei und in das Heer Chinas zu berufen; sie verlangten, daß 50% (oder mehr) der gesamten Ausrüstung der chinesischen Wehrmacht in Japan erworben 179
würden. Außerdem kam in die f ü n f t e Gruppe noch, die Forderung einer neuen Eisenbahn-Konzession im Jangtse-Becken, die als Gegengewicht gegen die anderen imperialistischen Mächte, hauptsächlich gegen England, Japan die Kontrolle über das Zentrum des Handels und der Industrie Chinas sichern sollte. I n diese Gruppe kam auch die Forderung nach einer Vorzugsstellung Japans bei der Entwicklung der Industrie in der Provinz Fukien; ihr gegenüber lag die Insel Taiwan, die China von den japanischen Eindringlingen entrissen worden war und auf die sich die Begehrlichkeit der amerikanischen Imperialisten richtete. D e n japanischen Imperialisten gelang die Geheimhaltung ihrer Forderungen jedoch nicht. Schon einige Tage nach dem Besuch Hiokis wurde der I n h a l t der „21 Forderungen" bekannt, und am 25. Januar wurden sie bereits in den Blättern der chinesischen Presse erörtert. Die japanische Regierung h a t t e nicht erwartet, daß ihr P l a n so schnell in die Öffentlichkeit durchsickern würde. I h r erster Schritt war die einfache Ableugnung der Tatsache selbst: der japanische Botschafter in Washington dementierte (am 27. Januar) offiziell die Richtigkeit der chinesischen Mitteilung. Doch bereits am 14. Februar sah sich die japanische Regierung gezwungen, die ausländischen Mächte durch ihren Gesandten in Peking von der Überreichung ihrer Forderungen, von denen sie allerdings n u r elf veröffentlichte, in Kenntnis zu setzen. Was die f ü n f t e , aggressivste Gruppe der Forderungen anbetrifft, wagten die Japaner nicht, sie zu veröffentlichen und erklärten, daß die Forderungen dieser Gruppe China n u r als „Wünsche" vorgelegt worden wären. Obwohl die Forderungen der japanischen Imperialisten auch die Interessen Englands, der USA, Frankreichs und Rußlands verletzten, verhielten sich diese Mächte Japan gegenüber sehr vorsichtig. Dies erklärte sich daraus, daß England, Frankreich und Rußland eine Annäherung Japans an Deutschland befürchteten; was die USA betrifft, so nahmen diese eine abwartende H a l t u n g ein. D a f ü r gibt es zwei Ursachen verschiedenen Charakters: einerseits die militärisch-strategische Schwäche der U S A auf dem Stillen Ozean i m Vergleich mit Japan und zum anderen die Überzeugung oder Hoffnung, daß die japanischen Imperialisten gezwungen sein würden, um die Finanzhilfe der USA nachzusuchen, ohne die eine Verwirklichung ihrer ausgedehnten Eroberungspläne in China unmöglich schien. DieDeutschen versuchten 1915 und später, Japan auf ihreSeite herüberzuziehen; dabei entfalteten sie eine große Aktivität und offizielle japanische Vertreter wichen Begegnungen mit deutschen Diplomaten u n d Korrespondenten nicht aus. D e r Gesandte Rußlands in China, Krupenski, teilte dem Außenminister Sasonow am 17. März 1915 mit, daß der japanische Gesandte in Peking, Hioki, sich mit dem Vertreter der Deutschen Telegraphenagentur, Kriege, getroffen habe. Das Gespräch, das sich zwischen ihnen entspann, betraf die beabsichtigte E n t sendung japanischer Truppen nach Europa; Kriege sagte, dies wäre „ein großer Fehler von Seiten Japans, das alle seine Kräfte jetzt hier brauche, u m in China nach seinem Gutdünken zu schalten, wobei es Sympathien n u r von seiten Deutschlands finden werde, das bereit sei, ihm auch nach Kriegsende volle Aktionsfreiheit im Fernen Osten zu lassen." Auf eine A n f r a g e Krupenskis bezüglich dieser Begeg180
Illing „antwortete Hioki verlegen, er habe es f ü r nützlich gehalten, sich über die Denkart und die Ansichten unserer Feinde zu informieren." 7 I n Japan waren die Beziehungen der Behörden zu den dort lebenden Deutschen mehr als zuvorkommend. I n der japanischen Presse erschienen Artikel, die ihre Sympathien f ü r die Deutschen nicht verhehlten. Der Entente gegenüber trat die japanische Presse mitunter feindselig auf. Besonders betraf dies England, den Verbündeten Japans. I m Verlaufe von vier Monaten nach der Überreichung der Forderungen an China kam es zwischen J ü a n Schi-kai und der japanischen Regierung zu einem „Handel". Der Reaktionär und Militarist J ü a n Schi-kai war weder willens noch mächtens, sich den Japanern zu widersetzen. Die chinesische Regierung versuchte, von Japan Teilzugeständnisse zu erhandeln, wobei sie hauptsächlich auf die Einmischung der anderen Großmächte hoffte. Aber weder England, dessen Interessen durch die 21 Forderungen stärker verletzt wurden als die Interessen anderer Länder, noch eine andere Großmacht unternahm irgendwelche M a ß n a h m e n gegen Japan; alle beschränkten sich auf eine Kritik des japanischen Vorgehens in der Presse. Die Stellung der englischen Imperialisten in dieser Frage wurde allein dadurch bestimmt, daß sie an der Unterstützung der englischen Fernost-Politik durch Japan sehr interessiert waren. 8 Jüan Schi-kai, der mit den japanischen Imperialisten feilschte, sorgte sich hauptsächlich darum, die Verantwortung f ü r die Kapitulation von sich abzuwälzen, und bemühte sich zu beweisen, daß er zu Zugeständnissen gezwungen war, u m schlimmere Folgen zu vermeiden. Am 12. Februar legte China seinen Entwurf eines Abkommens mit Japan über 12 Punkte der japanischen Forderungen vor. Diese Punkte betrafen die Provinz Schantung (die Übergabe Kiautschous an China nach dem Krieg und die R ü c k f ü h r u n g der japanischen Truppen auf das „Pacht"gebiet), das Han-je-ping-Kombinat und die Südmandschurei. Die f ü n f t e Gruppe, die die japanischen Imperialisten unter dem Druck der öffentlichen Weltmeinung nicht offiziell herausstellen konnten, überging China in seinem Gegenvorschlag mit Stillschweigen. Jüan Schi-kai erklärte sich einverstanden, in allen die Liautung-Halbinsel und die Südmandschurei betreffenden Fragen den japanischen Imperialisten nachzugeben. Bezüglich des Han-je-ping-Kombinats formulierte die chinesische Regierung, ohne die japanischen Ansprüche zurückzuweisen, ihren Vorschlag folgendermaßen: „Wenn die Han-je-ping-Gesellschaft gewillt sein sollte, sich in Z u k u n f t mit japanischen Kapitalisten über eine gemeinsame Verwaltung des 7
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„Die Internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus", (dt. Ausg.), Serie II, Bd. 7, T. II, Dok. Nr. 533, Anm. 3. Nach den Erinnerungen des Autors der „21 Forderungen", des japanischen Diplomaten Kato, wurde zwischen ihm und Grey bereits im Januar 1913 „ein gemeinsamer Standpunkt" bezüglich der japanischen Forderungen in der Frage der Verlängerung der „Pachtung" der Kwantung-Halbinsel und der südmandschurischen Eisenbahnen auf 99 Jahre erreicht. Diese Forderungen sollten China bereits vor dem Weltkrieg überreicht werden.
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betreffenden Unternehmens zu einigen, wird die chinesische Regierung hierzu ihre Einwilligung geben, sofern dies nicht den Landesgesetzen zuwiderläuft". Bezüglich der Forderungen der vierten Gruppe teilten die Chinesen mit, daß sie über diese nicht in Verhandlungen treten könnten, weil diese die Souveränität Chinas verletzten. Die Verhandlungen zwischen den Vertretern Chinas und Japans zogen sich bis zum 17. April hin. Die japanischen Imperialisten wollten auf keine Zugeständnisse eingehen. Insbesondere wurde die Unzufriedenheit der Japaner dadurch hervorgerufen, daß China den Koreanern, die nach der Annexion Koreas auf das Gebiet der Mandschurei übergesiedelt waren, das Recht der Exterritorialität nicht verleihen wollte. Die japanischen Imperialisten bestanden auf dieser Forderung mit der „Begründung", daß alle Koreaner gewissermaßen als „japanische Untertanen" anzusehen seien. Die japanischen herrschenden Kreise nahmen an, daß es ihnen gelingen werde, die Umsiedlung der Koreaner als Vorwand für die Verwirklichung ihrer Annexionspläne hinsichtlich der Mandschurei zu benutzen. Dieser Forderung der japanischen Imperialisten wurde schließlich von Jüan Schi-kai entsprochen. Die Unnachgiebigkeit Jüan Schi-kais in anderen Fragen erklärt sich daraus, daß er immer noch die Japan gegenüber ungünstig gestimmte öffentliche Meinung in Zusammenhang mit der Aufdeckung des räuberischen Charakters der „21 Forderungen", besonders aber ihrer fünften Gruppe, auszunutzen hoffte. Erst am 13. März 1915 sandte der Außenminister der USA, Bryan, dem japanischen Botschafter ein Memorandum, in dem „Einwendungen" erhoben wurden gegen die fünfte Gruppe der „21 Forderungen" sowie gegen die vierte, die besonders die Provinz Fukien betraf, welche die amerikanischen Imperialisten seit langem interessierte. Aber dieses Memorandum erkannte gleichzeitig das Vorhandensein „besonderer Beziehungen" Japans zu den an dieses „anstoßenden" chinesischen Gebieten, Schantung, der Südmandschurei und dem östlichen Teil der Inneren Mongolei an. Selbstverständlich hatte das Memorandum der USA keinerlei praktische Folgen. Gleichzeitig kam es im englischen Parlament zu einigen Protestkundgebungen gegen die japanischen Ansprüche im Jangtse-Tal. Die englische Regierung sah sich gezwungen, auf Anfragen im Parlament offiziell zu antworten, sie erhebe zwar gegen die weitere Expansion Japans in der Mandschurei und in der Inneren Mongolei keine Einwendungen, erwarte aber von Japan den Verzicht auf seine Ansprüche bezüglich der englischen „Einflußsphäre" in Zentral-China. In den japanischen herrschenden Kreisen kam es in Verbindung mit den Verhandlungen in China zu Auseinandersetzungen. Der Kriegsminister bestand auf einer militärischen Lösung der Frage. Unter dem Vorwand der Ablösung von in China befindlichen Truppenteilen wurden neue Truppen dorthin geworfen. Das Außenministerium und der Ministerpräsident Okuma befürchteten jedoch Komplikationen mit den anderen Großmächten und waren bestrebt, vor allem mit Mitteln des diplomatischen Drucks zu einem Ergebnis zu gelangen. Der Verlauf der Verhandlungen zwischen Japan und China wurde in London, Paris, Washington und Petrograd aufmerksam verfolgt. Die zaristische Regierung richtete im Verfolg der japanisch-chinesischen Verhandlungen ihr Hauptaugen182
merk auf die von Japan überreichten Forderungen bezüglich der Mandschurei und der Inneren Mongolei, während sie für alle übrigen geringes Interesse bezeigte. Jedoch wollte die zaristische Regierung in diesem Augenblick die Beziehungen mit Japan nicht verschärfen, da sie bei ihm Waffen (Gewehre und Geschütze), Munition und Uniformen einzukaufen gedachte.9 In dem Maße, wie sich die japanisch-chinesischen Verhandlungen in die Länge zogen, wuchs in China die antijapanische Stimmung. In der Presse wurde eine scharfe antijapanische Kampagne geführt. Der japanische Gesandte Hioki, ein Anhänger des schärfsten Kurses gegen China, kannte die Schwäche des Regimes Jüan Schi-kais; er schlug seiner Regierung vor, zu Drohungen zu greifen und bestand auf Absendung eines Ultimatums. Die japanische Regierung konnte sich jedoch zu diesem Schritt nicht entschließen, da sie erstens nicht sicher war, wie die anderen imperialistischen Mächte darauf reagieren würden und zum anderen auch die Meinungsverschiedenheiten unter den Militärs in dieser Frage in Betracht ziehen mußte. Am 26. April trat Japan mit neuen, etwas modifizierten Vorschlägen hervor. In den neuen Vorschlägen wurden die bezüglich der Mandschurei erhobenen Forderungen nicht mehr in vollem Umfang auf die Innere Mongolei ausgedehnt; in der fünften Gruppe waren die Forderung bezüglich des Baues einer Eisenbahnlinie im Jangtse-Becken und einiges andere fortgefallen. Auf diese Vorschläge antwortete die Regierung Jüan Schi-kai am 1. Mai, indem sie neue Zugeständnisse, vor allem bezüglich der Fragen der Inneren Mongolei, machte; sie bestand aber auf einer Fixierung der Bedingungen und des Termins der Übergabe von Kiautschou an China sowie auf Rückführung der japanischen Truppen aus China. Die Regierung Jüan Schi-kai bezeichnete ihre Vorschläge vom 1. Mai als „endgültig verbessertes Projekt". In ihrer Antwort bezichtigten die japanischen Imperialisten China der Ablehnung aller bisherigen Zugeständnisse und überreichten unter diesem Vorwand am 7. Mai China ein Ultimatum, dessen Frist am 9. Mai, 6 Uhr abends, ablief. Die fünfte Gruppe der „Wünsche", mit Ausnahme des Punktes über die Provinz Fukien, bezogen die Japaner in das Ultimatum nicht ein. Die reaktionäre Regierung Jüan Schi-kai war offensichtlich gewillt, die Waffen zu strecken. Aber sie hoffte zu dieser Zeit immer noch, daß die Entente-Mächte trotz alledem den Japanern nicht erlauben würden, die mit den „21 Forderungen" verknüpften Fragen gewaltsam zu lösen. Hioki, der die Einstellung der Regierung Jüan Schi-kai kannte, riet seiner Regierung beharrlich, auch die fünfte Gruppe der Forderungen in das Ultimatum einzubeziehen. In Tokio entschloß man sich jedoch nicht zu einem solchen Schritt, da man eine Empörung der chinesischen Volksmassen befürchtete. Die reaktionäre Regierung Jüan Schi-kai nahm das japanische Ultimatum an. Die Unterzeichnung der betreffenden Protokolle erfolgte nach der Kapitulation der Regierung Jüan Schi-kai am 25. Mai. 9
„Die Internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus", (dt. Ausg.), Serie II, Bd. 7, T. II, S. 557.
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Die Regierung Englands lenkte Ende April und Anfang Mai in Verbindung mit dem japanischen Ultimatum an China pharisäisch die „Aufmerksamkeit" der Japaner auf die Notwendigkeit, „die Verhandlungen" mit China „auf friedlichem Wege zu beenden". Die USA, die die Stärkung Japans, ihres Rivalen in China, befürchteten, sondierten die Möglichkeit einer gemeinsamen diplomatischen Demarche Rußlands, Frankreichs, Englands und der USA in Tokio. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Unterstützung. In China hatte die Kapitulation der Regierung eine tiefe Entrüstung in den verschiedenartigsten Bevölkerungsschichten hervorgerufen. Den Tag der Kapitulation bezeichnete das Volk als einen „Tag nationaler Schmach". Im Lande brach eine Boykottbewegung gegen japanische Waren, japanische Kaufleute und Banken aus. Es wurde ein „Fonds der nationalen Rettung" gegründet und eine Massensubskription für das Sammeln von Mitteln zum Schutze des Landes durchgeführt. Im Volke wuchs das Gefühl nationalen Selbstbewußtseins.10 Der während der Verhandlungen mit den Japanern abgeflaute Kampf der Süd-Republikaner gegen die reaktionäre Zentralregierung Jüan Schi-kais lebte erneut auf. Der monarchistische Umsturzversuch Jüan Schi-kais und die Politik der Großmächte Nachdem Jüan Schi-kai vor den Japanern kapituliert hatte, machte er sich mit noch größerer Hartnäckigkeit daran, seinen Plan zur Errichtung einer Monarchie in China zu verwirklichen. Die Anhänger Jüan Schi-kais, die sich einbildeten, daß die Errichtung einer Monarchie für die Schaffung einer starken Macht im Lande notwendig sei, suchten nachzuweisen, daß die Monarchie die für China geeignetste Regierungsform sei. Für eine entsprechende Agitation wurden nicht nur reaktionäre chinesische „Gelehrte" mobilisiert. Der amerikanische Berater Jüan Schi-kais, ein gewisser G.oodnow, „Spezialist" auf dem Gebiet des Staatsrechts, verfaßte im Auftrag des Diktators Jüan Schi-kai eine Abhandlung, in der er die Vorzüge der monarchistischen Staatsform für China begründete. Gleichzeitig führte Jüan Schi-kai eine breite Kampagne gegen Sun Jat-sen, um diesen zu verleumden und in Verruf zu bringen. Um Jüan Schi-kai sammelten sich die Amtsbürokratie, die Großgrundbesitzer, die Kompradoren, die während seiner Herrschaft erstarkten Militärs Nord-Chinas, die sogenannte Pei-jang-Gruppe und auch die Militaristen mit Tuan Chi-jui an der Spitze. 10
Eine gewisse Rolle in der aufkomm enden nationalen Bewegung gegen die japanischen Imperialisten und gegen die voltsfeindliche Politik Jüan Schi-kais spielte die Studentenschaft der Pekinger Universität unter der Führung des populären Professors Li Ta-tschao, der in der Folgezeit als Organisator der ersten marxistischen Zirkel und später als Organisator kommunistischer Zellen in Nordchina hervortrat.
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Die Regierung Englands lenkte Ende April und Anfang Mai in Verbindung mit dem japanischen Ultimatum an China pharisäisch die „Aufmerksamkeit" der Japaner auf die Notwendigkeit, „die Verhandlungen" mit China „auf friedlichem Wege zu beenden". Die USA, die die Stärkung Japans, ihres Rivalen in China, befürchteten, sondierten die Möglichkeit einer gemeinsamen diplomatischen Demarche Rußlands, Frankreichs, Englands und der USA in Tokio. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Unterstützung. In China hatte die Kapitulation der Regierung eine tiefe Entrüstung in den verschiedenartigsten Bevölkerungsschichten hervorgerufen. Den Tag der Kapitulation bezeichnete das Volk als einen „Tag nationaler Schmach". Im Lande brach eine Boykottbewegung gegen japanische Waren, japanische Kaufleute und Banken aus. Es wurde ein „Fonds der nationalen Rettung" gegründet und eine Massensubskription für das Sammeln von Mitteln zum Schutze des Landes durchgeführt. Im Volke wuchs das Gefühl nationalen Selbstbewußtseins.10 Der während der Verhandlungen mit den Japanern abgeflaute Kampf der Süd-Republikaner gegen die reaktionäre Zentralregierung Jüan Schi-kais lebte erneut auf. Der monarchistische Umsturzversuch Jüan Schi-kais und die Politik der Großmächte Nachdem Jüan Schi-kai vor den Japanern kapituliert hatte, machte er sich mit noch größerer Hartnäckigkeit daran, seinen Plan zur Errichtung einer Monarchie in China zu verwirklichen. Die Anhänger Jüan Schi-kais, die sich einbildeten, daß die Errichtung einer Monarchie für die Schaffung einer starken Macht im Lande notwendig sei, suchten nachzuweisen, daß die Monarchie die für China geeignetste Regierungsform sei. Für eine entsprechende Agitation wurden nicht nur reaktionäre chinesische „Gelehrte" mobilisiert. Der amerikanische Berater Jüan Schi-kais, ein gewisser G.oodnow, „Spezialist" auf dem Gebiet des Staatsrechts, verfaßte im Auftrag des Diktators Jüan Schi-kai eine Abhandlung, in der er die Vorzüge der monarchistischen Staatsform für China begründete. Gleichzeitig führte Jüan Schi-kai eine breite Kampagne gegen Sun Jat-sen, um diesen zu verleumden und in Verruf zu bringen. Um Jüan Schi-kai sammelten sich die Amtsbürokratie, die Großgrundbesitzer, die Kompradoren, die während seiner Herrschaft erstarkten Militärs Nord-Chinas, die sogenannte Pei-jang-Gruppe und auch die Militaristen mit Tuan Chi-jui an der Spitze. 10
Eine gewisse Rolle in der aufkomm enden nationalen Bewegung gegen die japanischen Imperialisten und gegen die voltsfeindliche Politik Jüan Schi-kais spielte die Studentenschaft der Pekinger Universität unter der Führung des populären Professors Li Ta-tschao, der in der Folgezeit als Organisator der ersten marxistischen Zirkel und später als Organisator kommunistischer Zellen in Nordchina hervortrat.
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I n den Sommermonaten 1915 tobte in China ein heftiger politischer Kampf zwischen der konterrevolutionären Clique J ü a n Schi-kais und den von Sun Jat-sen geführten Republikanern. J ü a n Schi-kai bereitete einen monarchistischen Umsturz vor, wobei er große Hoffnungen auf den Beistand der Entente und besonders der U S A setzte. Da sich J ü a n Schi-kai auf die amerikanischen Imperialisten orientierte, suchte die japanische Politik einen von Jüan Schi-kai geleiteten monarchistischen Umsturz zu verhindern. Die Entente-Mächte unterstützten J ü a n Schi-kai; sie wollten jedoch keinesfalls ihre Beziehungen zu Japan zuspitzen. Wie bereits erwähnt, bemühte sich Rußland darum, von Japan eine gewisse Menge Waffen, Munition und Uniformen zu erhalten. Außerdem war die zaristische Regierung, der durch den Krieg im Westen die H ä n d e gebunden waren, u m die E r h a l t u n g ihrer Position in der Nordmandschurei und in der Äußeren Mongolei besorgt; auch deshalb war sie an der Erhaltung normaler Beziehungen zu Japan interessiert. Die Verbündeten befürchteten überdies, daß Japan auf die Seite Deutschlands überwechseln könnte. Der japanische Imperialismus ließ nicht nach, die Verbindung mit den verschiedenen Agenten des deutschen Kaisers aufrecht zu erhalten. Unter Ausnutzung der i m Jahre 1915 entstandenen angespannten inneren Lage in China, sowie der Furcht der Entente, ihre Beziehungen zu Japan zu verschärfen, beschloß Japan im Herbst dieses Jahres, seinen Standpunkt durchzusetzen und die Pläne Jüan Schi-kais zum Scheitern zu bringen, wobei es auf die „Gefahr revolutionärer U n r u h e n " spekulierte. Am 28. Oktober 1915 richtete die japanische Botschaft in Petrograd an den Außenminister Sasonow ein Memorandum, in dem sie mitteilte, daß die japanische Regierung einen Friedensbruch im Fernen Osten befürchte und daß sie m i t England übereingekommen sei, in Peking Schritte zu unternehmen, um der chinesischen Regierung zu raten, „zwecks Verhütung möglicher U n r u h e n bis auf weiteres eine Änderung der Staatsform aufzuschieben." 1 1 Dies begründete sie mit den Versuchen J ü a n Schi-kais, in einer Zeit, wo in Europa der Krieg in vollem G a n g war, eine Monarchie zu errichten. Das Memorandum lud die zaristische Regierung ein, sich an der Demarche zu beteiligen. Sasonow beauftragte unverzüglich den Gesandten in Peking, Krupenski, den Ratschlägen seiner englischen u n d japanischen „Kollegen" beizupflichten. Bereits am nächsten T a g teilte Krupenski an Sasonow m i t : „Es ist m i r gerade noch gelungen, mich dem großbritannischen Gesandten sowie dem japanischen Geschäftsträger anzuschließen, die eben in das Wei-tschiao-pu 1 2 fuhren, um dort den R a t zu erteilen, m a n solle die Proklamierung der Monarchie vertagen." 1 3 Etwas danach schlössen sich auch Frankreich und Italien dieser Demarche Japans, Englands und Rußlands an. Die Regierung der USA> lehnte es unter dem heuchlerischen Vorwand, „sich i n die inneren Angelegenheiten Chinas nicht einmischen zu wollen", ab, den Vorschlag Japans zu unterstützen. 11
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«MeaotyHapoÄHBie 0 T H 0 M E H H S B anoxy HiunepHajitraMa», Serie 5, Bd. 9, Dok. Nr. 91, S. 84. Wei-tschiao-pu = Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. «MeatÄyHapoaHtie O T H O O I C H H H B anoxy HMnepaajiH3Ma», Serie 5, Bd. 9, Dok. Nr. 98, S. 89. 185
Auf die Warnung der Großmächte antwortete die Regierung Jüan Schi-kai am 2. November, indem sie die Gefahr innerer Unruhen in China leugnete. „Wenn sich wirklich irgendwelche Unruhen ereignen sollten, so nur von einer kleinen Gruppe von Verschwörern, die sich im Ausland oder em anderen Orten außerhalb der chinesischen Gerichtsbarkeit aufhalten", gab Jüan Schi-kai zur Antwort. Gleichzeitig „beschwerte" sich Jüan Schi-kai bei den imperialistischen Mächten über die Mitglieder der Kuomintang, die sich in der Emigration oder in den japanischen Konzessionen in China aufhielten und dort gegen ihn auftraten. Jüan Schi-kai beschloß, die Verbündeten vor vollendete Tatsachen zu stellen. Statt die Restauration der Monarchie aufzuschieben, betrieb er eine noch energischere Kampagne für die „Änderung der Staatsform". Seine Anhänger inszenierten sogar eine Volksbefragung, bei der sich die beratenden Provinzialversammlungen, die unter der unbeschränkten Macht der örtlichen Militärs standen, „einstimmig" für die Monarchie erklärten. Am 11. Dezember fand eine Tagung der Zentralen Beratenden Kammer (des Staatsrates) statt, auf der als Regierungsform die konstitutionelle Monarchie errichtet, und das Gesetz über die Wahl des Präsidenten der Chinesischen Republik außer Kraft gesetzt wurde. Darauf sandte die Kammer an Jüan Schi-kai eine Adresse, in der ihm die Kaiserwürde angetragen wurde. Das Durcheinander um den monarchistischen Umsturz ergab sich jedoch nicht allein auf Grund listiger diplomatischer Machinationen und Intrigen; es war zugleich bedingt durch die ständig anwachsenden Empörungen im Inneren des Landes. Am 23. Dezember brach ein antimonarchistischer Aufstand in Jünnan aus; am 25. Dezember proklamierte diese Provinz ihre Unabhängigkeit. Bald erhoben sich weitere sechs Provinzen im Süden und Südwesten: Kueitschou, Kuangsi, Kuangtung, Setschuan, Hunan und Fukien. Diese Aufstände, die sich gegen die Restauration der Monarchie richteten, erhielten die Bezeichnung „Dritte Revolution". Die Arbeiter in den großen Zentren des Landes waren bereit, zu den Waffen zu greifen, um gegen das reaktionäre Regime zu kämpfen. Insbesondere wurde der Versuch, einen Aufstand zu organisieren, im Schanghaier Arsenal aufgedeckt, wo Flugblätter mit der Unterschrift Sun Jat-sens verbreitet wurden. Die Aufstände in Süd-China enthüllten den riesenhaften Schwindel, der von den Monarchisten veranstaltet worden war; das chinesische Volk bewies, daß es gegen die Staatsform der Monarchie war. Jüan Schi-kai, den die Umstände zum Rückzug nötigten, gab am 22. März 1916 ein Dekret über die „Abschaffung" der Monarchie heraus. Aber zu diesem Zeitpunkt war der Kampf zwischen dem Norden Chinas und dem aufständischen Süden bereits so heftig entflammt, daß es Jüan Schi-kai nicht mehr gelang, ihn durch ein einfaches Zurückweichen aufzuhalten. Im Mai 1916 begannen die republikanischen Führer aus der Emigration zurückzukehren. Gleichzeitig wurde eine Erklärung Sun Jat-sens veröffentlicht, die Jüan Schi-kai als Eidbrüchigen 186
und Verräter entlarvte und in der das chinesische Volk aufgerufen wurde, sich zur Verteidigung der republikanischen Verfassung zu erheben. I n Kanton wurde eine neue provisorische Regierung gebildet, die von vier Provinzen anerkannt wurde. Die Versuche Jüan Schi-kais, durch Beseitigung der dem Volk am meisten verhaßten Minister einen Ausweg zu finden, und das Kabinett in gewisser Weise der Staatskammer verantwortlich zu machen, waren nicht von Erfolg gekrönt; die inneren Kämpfe in China nahmen an Tiefe und Breite dauernd zu. Durch den plötzlichen Tod Jüan Schi-kais im Juni 1916 entfiel die Frage einer Wiedererrichtung der Monarchie; der Kampf zwischen dem Süden und dem Norden ging jedoch weiter. Dieser Kampf spiegelte jene neuen Prozesse wider, die sich im wirtschaftlichen und politischen Leben Chinas unter dem Einfluß des Weltkrieges entwickelt hatten. Die nationale Bourgeoisie Chinas erhielt erstmalig die Möglichkeit, verhältnismäßig selbständig eine Leichtindustrie in den großen Hafenzentren des Landes aufzubauen: I n den Kriegsjahren trat chinesisches Kapital zum erstenmal in solchen Industriezweigen in Erscheinung, die sich früher ausschließlich in den Händen von Ausländern befunden hatten, wie z. B. in der Zement-, Zündholz- und zum Teil in der Tabakindustrie. Der Außenhandel Chinas stieg und die Grundstoffindustrie entwickelte sich. Mit der Industrie wuchsen auch die Städte. I n dieser Zeit wurden verstärkte Pläne f ü r den Eisenbahnbau ausgearbeitet und es entstand ein bedeutender Wasserstraßenverkehr, vorzugsweise der Küsten- und Flußschiffahrt. Die chinesische Bourgeoisie begann noch stärker zu empfinden, welch hemmenden Einfluß das halbkoloniale Regime des Landes auf die Entwicklung von Industrie und Handel ausübte. Ein großer Teil der nationalen Bourgeoisie und fortschrittlichen Öffentlichkeit Chinas betrachtete Jüan Schi-kai und seine Anhänger als eine Stütze des von den fremden Mächten errichteten halbkolonialen Regimes. Unter den Bedingungen des Weltkrieges wurden die sich in China entwickelnden inneren Kämpfe von den Entente-Mächten als ein negativer Faktor angesehen. Nichtsdestoweniger waren alle imperialistischen Mächte, und in erster Linie Japan, bemüht, diese Kämpfe f ü r die Festigung ihrer Positionen in China auszunutzen. Den Japanern gelang es, dominierenden Einfluß auf eine der Militärgruppen des Nordens zu gewinnen, und zwar auf die Anfu-Clique, an deren Spitze der Reaktionär Tuan Chi-jui stand.
Der russisch-japanische Vertrag von 1916 Mit der Entwicklung des Krieges in Europa erfuhren im Fernen Osten sowohl die Beziehungen der Großmächte untereinander als auch deren Beziehungen zu China wesentliche Veränderungen. Die japanischen Imperialisten suchten immer größere Handlungsfreiheit im Fernen Osten zu erlangen, wodurch sich im Jahre 1916 die Beziehungen zwischen England und Japan ganz erheblich verschärften. 187
und Verräter entlarvte und in der das chinesische Volk aufgerufen wurde, sich zur Verteidigung der republikanischen Verfassung zu erheben. I n Kanton wurde eine neue provisorische Regierung gebildet, die von vier Provinzen anerkannt wurde. Die Versuche Jüan Schi-kais, durch Beseitigung der dem Volk am meisten verhaßten Minister einen Ausweg zu finden, und das Kabinett in gewisser Weise der Staatskammer verantwortlich zu machen, waren nicht von Erfolg gekrönt; die inneren Kämpfe in China nahmen an Tiefe und Breite dauernd zu. Durch den plötzlichen Tod Jüan Schi-kais im Juni 1916 entfiel die Frage einer Wiedererrichtung der Monarchie; der Kampf zwischen dem Süden und dem Norden ging jedoch weiter. Dieser Kampf spiegelte jene neuen Prozesse wider, die sich im wirtschaftlichen und politischen Leben Chinas unter dem Einfluß des Weltkrieges entwickelt hatten. Die nationale Bourgeoisie Chinas erhielt erstmalig die Möglichkeit, verhältnismäßig selbständig eine Leichtindustrie in den großen Hafenzentren des Landes aufzubauen: I n den Kriegsjahren trat chinesisches Kapital zum erstenmal in solchen Industriezweigen in Erscheinung, die sich früher ausschließlich in den Händen von Ausländern befunden hatten, wie z. B. in der Zement-, Zündholz- und zum Teil in der Tabakindustrie. Der Außenhandel Chinas stieg und die Grundstoffindustrie entwickelte sich. Mit der Industrie wuchsen auch die Städte. I n dieser Zeit wurden verstärkte Pläne f ü r den Eisenbahnbau ausgearbeitet und es entstand ein bedeutender Wasserstraßenverkehr, vorzugsweise der Küsten- und Flußschiffahrt. Die chinesische Bourgeoisie begann noch stärker zu empfinden, welch hemmenden Einfluß das halbkoloniale Regime des Landes auf die Entwicklung von Industrie und Handel ausübte. Ein großer Teil der nationalen Bourgeoisie und fortschrittlichen Öffentlichkeit Chinas betrachtete Jüan Schi-kai und seine Anhänger als eine Stütze des von den fremden Mächten errichteten halbkolonialen Regimes. Unter den Bedingungen des Weltkrieges wurden die sich in China entwickelnden inneren Kämpfe von den Entente-Mächten als ein negativer Faktor angesehen. Nichtsdestoweniger waren alle imperialistischen Mächte, und in erster Linie Japan, bemüht, diese Kämpfe f ü r die Festigung ihrer Positionen in China auszunutzen. Den Japanern gelang es, dominierenden Einfluß auf eine der Militärgruppen des Nordens zu gewinnen, und zwar auf die Anfu-Clique, an deren Spitze der Reaktionär Tuan Chi-jui stand.
Der russisch-japanische Vertrag von 1916 Mit der Entwicklung des Krieges in Europa erfuhren im Fernen Osten sowohl die Beziehungen der Großmächte untereinander als auch deren Beziehungen zu China wesentliche Veränderungen. Die japanischen Imperialisten suchten immer größere Handlungsfreiheit im Fernen Osten zu erlangen, wodurch sich im Jahre 1916 die Beziehungen zwischen England und Japan ganz erheblich verschärften. 187
I n der japanischen Presse wurde gegen die Diskriminierung der Japaner in den englischen Kolonien eine von oben inspirierte Kampagne geführt. Seit Ende des Jahres 1915 war deutlich das Bestreben des zaristischen Rußlands zu bemerken, mit Japan engere Beziehungen herzustellen. Es ging dabei sowohl von Erwägungen aus, die unmittelbar mit der Kriegführung verknüpft waren, als auch von der Aufgabe, eine künftige „Zusammenarbeit" mit Japan einzuleiten, das seine Positionen in China erheblich untermauert hatte. Die japanischen Imperialisten benutzten die günstigen Umstände dazu, um sowohl von England, als auch von Rußland Zugeständnisse herauszuholen. Gleichzeitig verhinderte Japan weiterhin die Ausweisung der Deutschen aus China; 1 4 im Gegenteil, es bot ihnen die Möglichkeit, in der Nordmandschurei Spionage zu treiben und Sabotageakte auszuüben; eine ebensolche Tätigkeit erleichterte es ihnen in Indien und in den britischen Kolonien Südost-Asiens. 15 Der japanische Imperialismus festigte unablässig seine wirtschaftlichen Positionen in Nord-China. Die japanische Tschosen-Bank gewährte 1916 drei Anleihen zur Stärkung der Währungsfonds der chinesischen Banken in Mukden. Als Sicherheit f ü r diese Anleihen dienten die Steuern der Provinz Mukden und alle Steuern der internationalen Niederlassung in Mukden. Die politische und wirtschaftliche Aggression Japans in China t r u g zur weiteren Verschärfung der japanisch-amerikanischen Gegensätze bei. Gleichzeitig mit der Ausbreitung der japanischen Expansion in China verstärkte auch der amerikanische Imperialismus seine Tätigkeit. I m Jahre 1916 begannen die USA besonders intensiv i n China einzudringen, indem sie die Kontrolle über die Verkehrsmittel und über andere Zweige der Volkswirtschaft dieses Landes an sich zu reißen suchten. Von A n f a n g April bis Ende November 1916. schlössen amerikanische Trusts und Banken mit der chinesischen Regierung Verträge über mehrere Anleihen ab. Die amerikanische Gesellschaft „Siems and Carey Corporation" erwarb von der chinesischen Regierung eine Konzession zum Bau von f ü n f Eisenbahnlinien. Dies war das ausgedehnteste Eisenbahnnetz, das bisher jemals irgendeine imperialistische Macht China abzuzwingen versucht hatte. Gegen die Verwirklichung dieses Planes traten England, Frankreich, Japan und Rußland auf. Japan wandte sich auch gegen einen anderen Vertrag, der zwischen der ameri14
1B
«MeatKyHaposHLie OTHOÜIGHHH B 9noxy MMnepHaiH3Ma», Serie 3, Bd. 9, Dok. Nr. 676. Telegramm Sasonows an Benckendorff. Die Japaner machten einerseits Einwände gegen die Ausweisung der Deutschen aus China unter dem Vorwand, daß dies der Neutralität Chinas zuwiderlaufe; andererseits sprachen sie die Befürchtung aus, daß der Entschluß der Chinesen, die Deutschen und die Österreicher auszuweisen, ein gefährlicher Präzedenzfall für alle in China wohnhaften Ausländer werden könne. Die Deutschen waren am Aufstand der indischen Truppen in Singapur im Jahre 1915 beteiligt. Im selben Jahre sandten die Deutschen aus der Inneren Mongolei eine Diversantengruppe zur Sprengung des Chingan-Knotenpunktes in der Barga an der Ostchinesischen Eisenbahn.
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kanischen Gesellschaft „American International Corporation" und der chinesischen Regierung geschlossen worden war, und den Amerikanern einen Baukontrakt f ü r Ent- und Bewässerungsanlagen am Flusse H u a i und an einem Teil des Großen Kanals einbrachte. Die „International Bank Corporation" (USA) schloß damals ebenfalls mit China einen Vertrag über die Lieferung von 1,5 bis 2 Mill. Unzen Barrensilber an China. Alle diese Verträge waren ein Ausdruck der „Dollarpolitik" der USA, die auf die Eroberung wirtschaftlicher und strategischer Positionen im F e r n e n Osten durch den amerikanischen Imperialismus gerichtet war. Den USA standen jedoch die japanischen Imperialisten i m Wege, die während des Krieges die Vorherrschaft in China an sich gerissen hatten. Die Verschärfung der japanisch-englischen u n d der japanisch-amerikanischen Gegensätze förderte die zeitweilige A n n ä h e r u n g Japans an das zaristische Rußland. Die russische Regierung unternahm seit J a n u a r 1916 selbst Schritte, um mit Japan einen neuen Vertrag, und zwar einen Bündnisvertrag, zu schließen, der hauptsächlich die Waffenlieferungen von Seiten Japans beschleunigen sollte. D e r Großfürst Georg Michailowitsch wurde in Begleitung des Chefs der Fernöstlichen Abteilung des Außenministeriums, Kasakow, nach Japan entsandt. 16 D i e Japaner drückten ihre Bereitwilligkeit aus, einen neuen Vertrag zu schließen, aber sie versuchten, von der Zarenregierung allerhand Vorteile zu erlangen. Rußland sollte ihnen jenen Teil der Ostchinesischen Eisenbahn (Tschangtschun-Charbin) ausliefern, der sich nach ihrer Lesart in der japanischen Einflußsphäre befand, weil er mit der Südmandschurei verbunden war; R u ß l a n d sollte weiterhin Japan neue Fischerei-Konzessionen in seinen Gewässern einräumen und Zollvergünstigungen gewähren. Unter diesen Bedingungen erklärten sich die Japaner bereit, an Rußland eine bestimmte Anzahl Waffen zu verkaufen und m i t ihm einen Bündnisvertrag abzuschließen. 17 Die Verhandlungen dauerten einige Monate. I n den Regierungskreisen R u ß lands gab es Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Zugeständnisse, die Japan in der Frage der Ostchinesischen Eisenbahn gemacht werden sollten. Es wurde abgelehnt, die südliche Zweiglinie der Ostchinesischen Eisenbahn an Japan abzutreten. Nichtsdestoweniger wurde am 3. Juli 1916 der Bündnisvertrag abgeschlossen. E r besaß einen öffentlichen und einen geheimen Teil. I n dem öffentlichen Teil verpflichteten sich die vertragschließenden Parteien, keinerlei internationalen Bündnissystemen beizutreten, die sich gegen die Interessen einer der vertrag16
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Als Vorwand f ü r die Reise diente die Krönung des japanischen Kaisers. «MeœflyHapoflHEie OTHOmeHHH B anoxy HMnepHajiH3Ma», Serie 3, Bd. 9, Dok. Nr. 528. Telegramm Kudaschews an Sasonow. «MesmyHapojHtie OTHOMEHHH B snoxy HMnepHajiH3Ma», Serie 3, Bd. 9, Dok. Nr. 217. Aidemémoire der japanischen Botschaft in Petrograd an das Außenministerium.
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schließenden Mächte im Fernen Osten richteten; weiterhin kamen sie überein, gemeinsame Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen zu beraten, wenn diese seitens einer dritten Macht bedroht werden sollten. Im geheimen Teil 1 8 wurde erklärt, daß unter den Interessen der vertragschließenden Parteien im Fernen Osten China zu verstehen sei, und daß, wenn eine der Parteien Chinas wegen gegen eine dritte Macht zu kämpfen habe, ihr die andere Partei zu Hilfe eilen müsse; auch dürfe keine der Parteien ohne die Zustimmung der anderen Frieden schließen. Der Bündnisvertrag zwischen Japan und dem zaristischen Rußland war somit nicht nur gegen das chinesische Volk, sondern auch gegen die USA und gegen England gerichtet, und stand auch ganz offensichtlich mit dem englischjapanischen Bündnis in Widerspruch. Der Kampf um die Einbeziehung Chinas in den Weltkrieg Inzwischen wurde die Frage einer Isolierung Chinas von Deutschland und Osterreich immer häufiger zum Gegenstand der Erörterungen zwischen den Diplomaten des Entente-Lagers. Die Länder der Entente (England, Frankreich und Rußland) suchten den Eintritt Chinas in den Krieg gegen Deutschland zu erreichen. Der französische Imperialismus bemühte sich besonders aktiv darum, die Menschenreserven Chinas als Arbeitskräfte sowie als Kanonenfutter auszuschöpfen. Japan trat gegen eine Teilnahme Chinas am Krieg auf, da es dessen Aufrüstung nicht zulassen und einer etwaigen Teilnahme Chinas auf der bevorstehenden Friedenskonferenz vorbeugen wollte. Solange die Vereinigten Staaten von Amerika nicht selbst am Krieg teilnahmen, traten sie in dieser Frage nicht aktiv hervor. Die Situation veränderte sich zu Beginn des Jahres 1917. Am 31. Januar hatten die Deutschen die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges verkündet; das lieferte den USA einen bequemen Vorwand, um die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abzubrechen und alle neutralen Länder aufzufordern, dem Beispiel der USA zu folgen. Diese Nachricht traf in China gerade zu der Zeit ein, als im Inneren des Landes der Kampf zwischen dem Süden und dem Norden ausgefochten wurde; im Zusammenhang mit der Frage, ob China in den Krieg eintreten sollte, nahm dieser Kampf noch weiter an Schärfe zu. Der amerikanische Gesandte in China, Reinsch, entfaltete eine rege Geschäftigkeit, die auf den Abbruch der Beziehungen zwischen China und Deutschland abzielte. Die Regierung Tuan Chi-jui und die Militärs von Nordchina waren sofort bereit, die Beziehungen zur Koalition der Mittelmächte abzubrechen. Der Kriegseintritt auf Seiten der Entente versprach ihnen äußerst günstige Bedingungen, um die Armee zu verstärken und folglich auch mit dem Süden abrechnen zu können und ihre Macht in ganz China aufzurichten. Tuan Chi-jui versuchte die entstandene Situation zu nutzen und knüpfte bei den Verhand18
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schließenden Mächte im Fernen Osten richteten; weiterhin kamen sie überein, gemeinsame Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen zu beraten, wenn diese seitens einer dritten Macht bedroht werden sollten. Im geheimen Teil 1 8 wurde erklärt, daß unter den Interessen der vertragschließenden Parteien im Fernen Osten China zu verstehen sei, und daß, wenn eine der Parteien Chinas wegen gegen eine dritte Macht zu kämpfen habe, ihr die andere Partei zu Hilfe eilen müsse; auch dürfe keine der Parteien ohne die Zustimmung der anderen Frieden schließen. Der Bündnisvertrag zwischen Japan und dem zaristischen Rußland war somit nicht nur gegen das chinesische Volk, sondern auch gegen die USA und gegen England gerichtet, und stand auch ganz offensichtlich mit dem englischjapanischen Bündnis in Widerspruch. Der Kampf um die Einbeziehung Chinas in den Weltkrieg Inzwischen wurde die Frage einer Isolierung Chinas von Deutschland und Osterreich immer häufiger zum Gegenstand der Erörterungen zwischen den Diplomaten des Entente-Lagers. Die Länder der Entente (England, Frankreich und Rußland) suchten den Eintritt Chinas in den Krieg gegen Deutschland zu erreichen. Der französische Imperialismus bemühte sich besonders aktiv darum, die Menschenreserven Chinas als Arbeitskräfte sowie als Kanonenfutter auszuschöpfen. Japan trat gegen eine Teilnahme Chinas am Krieg auf, da es dessen Aufrüstung nicht zulassen und einer etwaigen Teilnahme Chinas auf der bevorstehenden Friedenskonferenz vorbeugen wollte. Solange die Vereinigten Staaten von Amerika nicht selbst am Krieg teilnahmen, traten sie in dieser Frage nicht aktiv hervor. Die Situation veränderte sich zu Beginn des Jahres 1917. Am 31. Januar hatten die Deutschen die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges verkündet; das lieferte den USA einen bequemen Vorwand, um die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abzubrechen und alle neutralen Länder aufzufordern, dem Beispiel der USA zu folgen. Diese Nachricht traf in China gerade zu der Zeit ein, als im Inneren des Landes der Kampf zwischen dem Süden und dem Norden ausgefochten wurde; im Zusammenhang mit der Frage, ob China in den Krieg eintreten sollte, nahm dieser Kampf noch weiter an Schärfe zu. Der amerikanische Gesandte in China, Reinsch, entfaltete eine rege Geschäftigkeit, die auf den Abbruch der Beziehungen zwischen China und Deutschland abzielte. Die Regierung Tuan Chi-jui und die Militärs von Nordchina waren sofort bereit, die Beziehungen zur Koalition der Mittelmächte abzubrechen. Der Kriegseintritt auf Seiten der Entente versprach ihnen äußerst günstige Bedingungen, um die Armee zu verstärken und folglich auch mit dem Süden abrechnen zu können und ihre Macht in ganz China aufzurichten. Tuan Chi-jui versuchte die entstandene Situation zu nutzen und knüpfte bei den Verhand18
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lungen mit Reinsch an den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland und Österreich-Ungarn eine ganze Reihe Bedingungen. Nachdem Reinsch seine Regierung über die chinesischen Bedingungen benachrichtigt hatte, sandte er auf eigene Faust am 7. Februar an die chinesische Regierung eine Note, in der er, ohne konkret auf die chinesischen Bedingungen zu antworten, nichtsdestoweniger der chinesischen Regierung in Aussicht stellte, daß die USA sich nach Kräften bemühen würden, dieTeilnahmeChinas am gemeinsamen Kampf der Alliierten zu erleichtern. 19 Kurze Zeit darauf widerrief jedoch die amerikanische Regierung faktisch das von ihrem Gesandten gemachte Angebot. Durch die Telegramme vom 10. und 17. Februar 1917 wurde Reinsch vom Staatsdepartment auf die Notwendigkeit verwiesen, gegenüber China eine vorsichtigere Politik zu betreiben. Am 26. Februar 1917 erhielt der Gesandte eine Direktive des Staatsdepartments, in der unter anderem gesagt wurde: „Das Staatsdepartment hat nicht die Absicht, sich im Falle eines Krieges zwischen den USA und Deutschland um eine Kriegserklärung Chinas an Deutschland zu bemühen". Eine solche Wendung seitens der USA erfolgte, weil in Washington die Befürchtung laut wurde, daß der Kriegseintritt Chinas für Japan vorteilhafter sein werde als für die USA. Es war allgemein bekannt, daß, nachdem in China Tuan Chi-jui und die Militärgruppe der Nordprovinzen zur Macht gelangt waren, der Einfluß Japans auf die chinesische Regierung bedeutend stärker geworden war. Die amerikanischen Imperialisten befürchteten, daß durch den Anschluß Chinas an die Entente-Mächte und seine Neubewaffnung die Kontrolle über die reorganisierte chinesische Armee und deren Ausrüstung in die Hände der Japaner übergehen könne. Ohne die offizielle Antwort der amerikanischen Regierung abzuwarten, nahm Tuan Chi-jui mit den Gesandten Englands, Frankreichs und Rußlands, und danach auch mit Japan, Italien und Belgien Verhandlungen über den Abbruch der Beziehungen zu Deutschland und Österreich auf. Als dann die ablehnende Haltung der Amerikaner gegenüber einem sofortigen Kriegseintritt Chinas bekannt wurde, begann die chinesische Regierung, sich noch bestimmter auf Japan zu orientieren. Inzwischen bereitete die japanische Diplomatie weiterhin den Boden für ein Übereinkommen mit England, Rußland, Frankreich und Italien vor; dieses Abkommen sollte die japanischen Ansprüche auf der Friedenskonferenz nach Beendigung des Krieges festlegen. Bereits am 27. Januar 1917 begann die japanische Regierung mit England Verhandlungen, worin es die Zusicherung verlangte, die japanischen Forderungen auf Abtretung der ehemaligen deutschen Rechte in Schantung und der deutschen, nördlich des Äquators gelegenen Inseln im Stillen Ozean zu unterstützen. Die Engländer gaben diese Zusicherung am 16. Februar und am 19. Februar erhielten sie als Gegenleistung das Versprechen, daß die Japaner die englischen Forderungen auf Übernahme der südlich des Äquators im Stillen Ozean gelegenen deutschen Inseln unterstützen würden. 20 i» La Fargue, c. o., S. 89. 20 9. rpuMM, c. o., S. 192 191
Die französische Regierung, die am 1. März m i t Japan ein ebensolches Geheimabkommen geschlossen hatte, wie es bereits zwischen Japan und England bestand, forderte, daß Japan zum Abbruch der Beziehungen zwischen China und Deutschland beitragen solle. 21 Nach dem Abschluß der Geheimabkommen mit England und Frankreich änderte Japan seine bisherige Politik in der F r a g e der Einbeziehung Chinas in den Krieg. Nachdem die Entente versprochen hatte, die japanischen Annexionen zu garantieren, entfiel f ü r Japan der Anlaß, einer Teilnahme Chinas am Krieg i m Wege zu stehen. I m Gegenteil, unter den neuen Bedingungen gab der Kriegseintritt Chinas auf der Seite der Verbündeten den Japanern noch mehr Möglichkeiten, ihren Einfluß in China auszubauen. Nachdem die Regierung T u a n Chi-jui vorläufig völlige Übereinstimmung mit den Japanern erzielt hatte, brach sie am 14. März 1917 die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland und Österreich-Ungarn ab. Breite Bevölkerungsschichten Chinas waren gegen den Eintritt i n den Krieg, da sie davon eine weitere Stärkung der nordchinesischen Militärgruppe und der Reaktion befürchteten. I n China bewertete m a n die Politik der Regierung, an deren Spitze T u a n Chi-jui stand, als Vorbereitung eines Bürgerkrieges gegen die Republikaner, gegen den Süden, die unter dem Deckmantel des Krieges gegen Deutschland vor sich gehen sollte. I m Süden Chinas setzte eine Protestbewegung ein. Die Gesamtchinesische Handelskammer in Schanghai organisierte eine Antikriegs-Bewegung und forderte die Provinzial-Handelskammern auf, ihrem Beispiel zu folgen. Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ergriff T u a n Chi-jui M a ß n a h m e n , u m die Antikriegs-Bewegung abzuwürgen, die von der Kuomintang unter der F ü h r u n g Sun Jat-sens und von anderen Organisationen ins Leben gerufen worden war. Die Entente-Mächte und Japan ermunterten T u a n Chi-jui auf jede Weise zu den reaktionärsten Maßnahmen. Die Frage der Kriegserklärung wurde dem Parlament am 10. M a i zur Beratung vorgelegt. Einen T a g vorher hatten die Gesandten der Entente-Mächte das chinesische Außenministerium aufgesucht und damit gedroht, daß sie genötigt sein würden, ihren Regierungen vorzuschlagen, entsprechende M a ß n a h m e n zu ergreifen, falls China nichts gegen die deutschen Untertanen in China unternähme. Dieser rücksichtslose Druck der Imperialisten war darauf berechnet, T u a n Chi-jui die Aufgabe zu erleichtern, die Zustimmung des Parlaments zur Kriegserklärung herbeizuführen. A m Sitzungstag wurde das Parlamentsgebäude von einer Bande berufsmäßiger Rowdies umzingelt, die von T u a n Chi-jui gedungen worden waren, u m die Abgeordneten einzuschüchtern. Das Parlament verweigerte jedoch nicht n u r die Abstimmung, sondern es forderte überdies den Rücktritt T u a n Chi-juis. D e r Präsident Li Jüan-hung, der eine schwankende H a l t u n g einnahm, beseitigte T u a n Chi-jui durch einen E r l a ß und verfügte die Unterstellung der Streitkräfte der Hauptstadt unter seine unmittelbare eigene Gewalt. D a erhoben sich die Tu-tschün (die Militär-Gouverneure), die die Hauptstütze der 21
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Militär-Clique u m T u a n Chi-jui darstellten, gegen, den Präsidenten und drohten ihm, die Beziehungen zur Zentralregierung abzubrechen, falls das „rebellische" Parlament nicht aufgelöst würde. Li J ü a n - h u n g kapitulierte. E i n e Militärgruppe, die die Verwirrung der Regierung ausnutzen wollte, versuchte am 1. Juli dennoch die Monarchie wiederzuerrichten, und brachte den minderjährigen Vertreter der gestürzten TsinDynastie P u Ji auf den Thron. Diese Monarchie konnte sich allerdings insgesamt n u r einige Tage halten, aber nach der Vertreibung der Monarchisten aus Peking schwang sich wieder T u a n Chi-jui an die Spitze der Regierung. Inzwischen waren die der Kuomintang angehörenden Abgeordneten des aufgelösten chinesischen Parlaments von Peking nach Schanghai und Kanton übergesiedelt. I n Schanghai, wo sich zu dieser Zeit Sun Jat-sen befand, gaben sie ein Manifest heraus, das die Auflösung des Parlaments f ü r ungesetzlich erklärte. Sun Jat-sen und seine Anhänger begaben sich nach Kanton, wo sie von der Bevölkerung begeistert begrüßt wurden. Hier wurde die Wiedereinberufung des aufgelösten Parlaments bekanntgegeben; dieses neu zusammenberufene Parlament wählte im August 1917 eine provisorische Regierung mit Sun Jat-sen an der Spitze. Sun Jat-sen bemühte sich, gegen die Tu-tschün, die die Macht in Nord-China an sich gerissen hatten, einen Feldzug zu organisieren. Die japanischen I m perialisten und ihre Agenturen im Süden erreichten jedoch mit H i l f e von Intrigen und Verschwörungen die Niederlage Sun Jat-sens. D e n Feinden Sun Jat-sens gelang es zunächst, die provisorische Regierung, in der Sun Jat-sen die Hauptrolle spielte, zu beseitigen; Sun Jat-sen wurde gezwungen, nach Schanghai abzureisen. Am 14. August 1917 gab der Präsident Chinas das Dekret über die Kriegserklärung an Deutschland und Österreich-Ungarn heraus. Faktisch nahm China am Krieg fast keinen Anteil. D e n Kriegszustand mit Deutschland benutzte die Pekinger Regierung, u m die K r ä f t e der Republikaner des Südens zu unterdrücken. Gleichzeitig geriet die Militärclique der Nordprovinzen, insbesondere die Anfu-Gruppe • T u a n Chi-juis unter die immer vollständigere Kontrolle der japanischen Imperialisten, an die sie ihr Schicksal gekettet hatte. Der amerikanische Gesandte Reinsch beklagte sich darüber, daß die Missionen der Verbündeten, bevor sie sich in irgendeiner Angelegenheit an die Regierung T u a n Chi-juis wenden könnten, vorher über alles mit den Japanern verhandeln müßten.
Das Lansing-Ishii-Abkommen Die Eroberung der Vormachtstellung in China durch die japanischen I m perialisten und der Riesenappetit der amerikanischen Monopolisten, die sich während des Krieges noch mehr bereicherten und die Herrschaft über die Märkte der Welt anstrebten, schoben die imperialistischen Gegensätze zwischen Japan und Amerika in den Vordergrund. Seit Beginn des ersten Weltkrieges spitzten sich die 193
Militär-Clique u m T u a n Chi-jui darstellten, gegen, den Präsidenten und drohten ihm, die Beziehungen zur Zentralregierung abzubrechen, falls das „rebellische" Parlament nicht aufgelöst würde. Li J ü a n - h u n g kapitulierte. E i n e Militärgruppe, die die Verwirrung der Regierung ausnutzen wollte, versuchte am 1. Juli dennoch die Monarchie wiederzuerrichten, und brachte den minderjährigen Vertreter der gestürzten TsinDynastie P u Ji auf den Thron. Diese Monarchie konnte sich allerdings insgesamt n u r einige Tage halten, aber nach der Vertreibung der Monarchisten aus Peking schwang sich wieder T u a n Chi-jui an die Spitze der Regierung. Inzwischen waren die der Kuomintang angehörenden Abgeordneten des aufgelösten chinesischen Parlaments von Peking nach Schanghai und Kanton übergesiedelt. I n Schanghai, wo sich zu dieser Zeit Sun Jat-sen befand, gaben sie ein Manifest heraus, das die Auflösung des Parlaments f ü r ungesetzlich erklärte. Sun Jat-sen und seine Anhänger begaben sich nach Kanton, wo sie von der Bevölkerung begeistert begrüßt wurden. Hier wurde die Wiedereinberufung des aufgelösten Parlaments bekanntgegeben; dieses neu zusammenberufene Parlament wählte im August 1917 eine provisorische Regierung mit Sun Jat-sen an der Spitze. Sun Jat-sen bemühte sich, gegen die Tu-tschün, die die Macht in Nord-China an sich gerissen hatten, einen Feldzug zu organisieren. Die japanischen I m perialisten und ihre Agenturen im Süden erreichten jedoch mit H i l f e von Intrigen und Verschwörungen die Niederlage Sun Jat-sens. D e n Feinden Sun Jat-sens gelang es zunächst, die provisorische Regierung, in der Sun Jat-sen die Hauptrolle spielte, zu beseitigen; Sun Jat-sen wurde gezwungen, nach Schanghai abzureisen. Am 14. August 1917 gab der Präsident Chinas das Dekret über die Kriegserklärung an Deutschland und Österreich-Ungarn heraus. Faktisch nahm China am Krieg fast keinen Anteil. D e n Kriegszustand mit Deutschland benutzte die Pekinger Regierung, u m die K r ä f t e der Republikaner des Südens zu unterdrücken. Gleichzeitig geriet die Militärclique der Nordprovinzen, insbesondere die Anfu-Gruppe • T u a n Chi-juis unter die immer vollständigere Kontrolle der japanischen Imperialisten, an die sie ihr Schicksal gekettet hatte. Der amerikanische Gesandte Reinsch beklagte sich darüber, daß die Missionen der Verbündeten, bevor sie sich in irgendeiner Angelegenheit an die Regierung T u a n Chi-juis wenden könnten, vorher über alles mit den Japanern verhandeln müßten.
Das Lansing-Ishii-Abkommen Die Eroberung der Vormachtstellung in China durch die japanischen I m perialisten und der Riesenappetit der amerikanischen Monopolisten, die sich während des Krieges noch mehr bereicherten und die Herrschaft über die Märkte der Welt anstrebten, schoben die imperialistischen Gegensätze zwischen Japan und Amerika in den Vordergrund. Seit Beginn des ersten Weltkrieges spitzten sich die 193
japanisch-amerikanischen Gegensätze in China mehr und mehr zu. Im Herbst 1917 erreichten sie eine außerordentliche Schärfe. Im Laufe des Krieges rissen die amerikanischen Imperialisten in China noch festere Positionen in Handel und Industrie an sich, als in der Vorkriegszeit; sie beabsichtigten ebenfalls, China eine große Anleihe zu gewähren. Aber weder die amerikanischen noch die japanischen Imperialisten hielten es für zeitgemäß und ratsam, sich auf einen bewaffneten Kampf untereinander einzulassen. Die USA befanden sich schon seit April 1917 im Kriegszustand mit Deutschland und konnten daher eine weitere Verschärfung der Beziehungen zu Japan nicht riskieren. Die japanische Politik hatte sich das Ziel gesetzt, Japans Vormachtstellung in China zu erhalten und eine Lage herzustellen, die im Gefolge der anderen EntenteMächte auch die USA nötigen würde, sich mit der „Sonder" Stellung Japans im Fernen Osten einverstanden zu erklären. Das beabsichtigte die japanische Regierung in der gegebenen Etappe durch ein Abkommen mit den USA auf Kosten Chinas zu erreichen. Zu diesem Zweck wurde der außerordentliche Bevollmächtigte und Botschafter Japans, Viscount Ishii, nach den USA entsandt. „Die japanische Regierung wollte diese Gelegenheit benutzen, um auf dem Wege eines aufrichtigen Meinungsaustausches mit den amerikanischen Staatsmännern bezüglich der chinesischen Fragen zu irgendeinem Abkommen zu gelangen." 2 2 Nachdem Ishii am 1. September 1917 in Washington eingetroffen war, begann er mit Wilson und Lansing bezüglich der „Sonderinteressen" Japans in China zu verhandeln. Am 2. November führten diese Verhandlungen zu einem Briefwechsel zwischen Ishii und Lansing, der in die Geschichte der Diplomatie unter der Bezeichnung „Lansing-Ishii-Abkommen" eingegangen ist. Der Sinn dieses Abkommens bestand darin, daß die USA in Ergänzung des Root-TakahiraAbkommens von 1908 ihre Auffassung über die „beiderseitigen Interessen unserer (Japans und der USA — d. Red.) Regierungen in bezug auf die Chinesische Republik präzisierten." 23 Die Präzisierung bestand in folgendem: „Die Regierungen der Vereinigten Staaten und Japans erkennen an, daß territoriale Nachbarschaft besondere Beziehungen zwischen den Ländern schafft; demzufolge erkennt die Regierung der Vereinigten Staaten an, daß Japan besondere Interessen in China besitzt, besonders in jenem Teil desselben, an den seine Besitzungen grenzen." 2 * Wenn dieses Abkommen auch ein Zugeständnis seitens der USA bedeutete, so war es unter den Bedingungen der sich zwischen den USA und Japan immer mehr zuspitzenden imperialistischen Gegensätze doch nur ein provisorisches Kompromiß. Gleichzeitig mit diesem Zugeständnis auf Kosten Chinas wurde im Notenaustausch erneut die heuchlerische Doktrin von der „Offenen Tür" verkündet, die sich so großartig mit der Aufteilung Chinas vertrug. Die im Kriege erfolgte Bereicherung der amerikanische!! Monopole sowie die Stärkung der wirtschaftlichen Positionen der USA als Folge der steigenden « Ishii, c. o., S. 89. !S 9. rpHMM, c. o., S. 194. ** Ebenda, S. 194. 194
finanziellen Abhängigkeit der Entente-Länder, besonders Englands und Frankreichs von Amerika, erzeugte in den herrschenden Kreisen des amerikanischen Imperialismus neue Expansionsgelüste in bezug auf den Fernen Osten. Gleichzeitig trugen auch die Bemühungen der imperialistischen „Verbündeten", die Revolution in Rußland zur Verwirklichung ihrer räuberischen Pläne im russischen Fernen Osten auszunutzen, erheblich zum Abschluß des zeitweiligen Kompromisses zwischen den USA und Japan bei. Das Lansing-Ishii-Abkommen war demnach nicht nur gegen China, sondern auch gegen Rußland gerichtet. Die weitere Verschärfung der japanisch-amerikanischen Gegensätze im Fernen Osten verlief indessen unter völlig anderen historischen Bedingungen, die vom Beginn einer neuen, durch die Große Sozialistische Oktoberrevolution in Rußland eingeleiteten Epoche bestimmt wurden.
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Der Einfluß der Oktoberrevolution auf die Länder des Femen Ostens Die Große Sozialistische Oktoberrevolution in Rußland war der erste tiefe Durchbruch an der Front des Weltimperialismus. In einem der größten kapitalistischen Länder WEIT die Macht der imperialistischen Bourgeoisie und der Gutsbesitzer gestürzt. Es entstand der sowjetische Nationalitätenstaat, der die Völker eines gigantischen Landes zu einer gewaltigen Macht — der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken •— vereinigte. Die Oktoberrevolution eröffnete eine neue Epoche in der Menschheitsgeschichte — die Epoche der proletarischen Revolutionen in den Ländern des Imperialismus; sie hob den nationalen Befreiungskampf der Völker der kolonialen und abhängigen Länder auf eine höhere Stufe. Die Oktoberrevolution eröffnete die Periode der revolutionären Umwandlung der bürgerlichen Gesellschaft in die kommunistische, sie machte die Arbeiterklasse der. UdSSR zur Stoßbrigade des Weltproletariats. So bedeutete die Große Sozialistische Oktoberrevolution einen entscheidenden Umschwung in der Weltgeschichte der Menschheit. „Das bedeutet vor allem, daß die Oktoberrevolution dem Weltkapitalismus eine tödliche Wunde geschlagen hat, von der er sich nie mehr erholen wird." 1 Der Weltkrieg von 1914 bis 1918 und insbesondere die Große Sozialistische Oktoberrevolution erschütterten das gesamte System des Weltkapitalismus, da sie das Kräfteverhältnis auf der internationalen Arena von Grund auf änderten. Im Weltkrieg von 1914 bis 1918 suchte die Bourgeoisie einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise und Rettung vor der herannahenden Revolution. Aber sie hatte sich schwer verrechnet. Zu den alten Widersprüchen des Kapitalismus kam eine Reihe neuer hinzu. Es traten Widersprüche zwischen den Siegerstaaten und den besiegten Ländern auf, die die Widersprüche zwischen den herrschenden Klassen und den werktätigen Massen der kapitalistischen Länder verschärften; der nationale Befreiungskampf der Völker der Kolonialländer erreichte ein höheres Niveau, denn der imperialistische Krieg „weckte auch den Osten und. zog die Völker des Ostens in die internationale Politik hinein." 2 Die Entlarvung der räuberischen, aggressiven Kolonialpolitik der imperialistischen Mächte, insbesondere aber der siegreiche Kampf Sowjetrußlands gegen die imperialistischen Interventen und die revolutionäre Lösung der nationalen Frage durch die junge Sowjetmacht — das alles beschleunigte den Prozeß des Erwachens der Kolonialvölker. „Die gigantische Welt der Kolonien und Halbkolonien verwandelte sich in einen unauslöschbaren Herd von Massenbewegungen." 3 1 s
J. W. Stalin, „Fragen des Leninismus", Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 220. B. H . JleHHH, COT., Bd. 3 0 , 4 . Aufl., S. 139.
• «KOMMYHHCTHIECKHH ÜHTEPHANHOHAJI B SOICYMEHTAX», S . 8 3 2 .
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„Der Krieg, der ein Ausdruck der allgemeinen Krise des Kapitalismus war, verschärfte diese Krise und schwächte den Weltkapitalismus." * Der Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution war ein mächtiger Faktor der weiteren Entfaltung der allgemeinen Krise des Kapitalismus. Der entstandene Gegensatz zwischen der kapitalistischen Welt und dem Sowjetstaat bedingte eine .außerordentliche Verschärfung aller Grundwidersprüche des kapitalistischen Systems, denn ,,. . . er legt bis an die Wurzeln alle Gegensätze des Kapitalismus bloß und schürzt sie zu einem Knoten zusammen, indem er sie zur Frage von Sein oder Nichtsein der ganzen kapitalistischen Ordnung macht." 5 Die revolutionären Kämpfe des Proletariats und der werktätigen Massen, die in einer Reihe europäischer Länder folgten, und der mächtige Aufschwung der nationalen Befreiungsbewegung in den kolonialen und abhängigen Ländern, die nach der Oktoberrevolution eine besonders scharfe Form annahm, waren „Glieder einer internationalen revolutionären Kette, Bestandteile der tiefgehenden allgemeinen Krise des Kapitalismus." 6 Die allgemeine Krise des Kapitalismus zeugte davon, daß der Kapitalismus zum Hemmnis auf dem Wege einer fortschrittlichen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft geworden war. Die Ungleichmäßigkeit in der Entwicklung einzelner Z-weige der Produktion jedes imperialistischen Landes und — was besonders wichtig ist, der Entwicklung einzelner Länder — erreichte eine noch nie dagewesene Schärfe. Das führte zu einem erbitterten Kampf der kapitalistischen Länder um Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Einflußsphären in den Kolonien, d. h. um die Neuaufteilung der schon verteilten Welt. Der Sieg der sozialistischen Revolution in Rußland bewies, daß ,, . . die Krise des Weltkapitalismus eine Entwicklungsstufe erreicht hat, wo bald in den Zentren des Imperialismus, bald an seiner Peripherie unvermeidlich die Flammen der Revolution hervorbrechen müssen, die die kapitalistischen Flickereien zunichte machen und mit jedem Tag den Sturz des Kapitalismus näher bringen." 7 Die internationale Bedeutung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution beschränkt sich deshalb nicht auf ihren revolutionierenden Einfluß auf die Arbeiterklasse und auf die werktätige Bauernschaft in den kapitalistischen Ländern. D a sie die allgemeine Krise des Kapitalismus vertiefte und verschärfte und eine Krise des Kolonialsystems des Imperialismus hervorrief, übte die Oktoberrevolution auch auf den revolutionären Aufbruch der Völker der kolonialen und abhängigen Länder einen mächtigen Einfluß aus. Sie wies den unterdrückten Völkern den Weg zum entschlossenen nationalen Befreiungskampf gegen die imperialistischen Unterdrücker. Genosse Stalin schrieb 1918: „Die gewaltige Weltbedeutung des Oktoberumsturzes besteht ja hauptsächlich gerade darin, daß er « „Geschichte der KPdSU (B), Kurzer Lehrgang", Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 226. s J. W. Stalin, Werke, Bd. 12, S. 224. * «üporpaMMa h yraaB KoMuynHeraiecKoro HmepnaiiHonaiia», 1957, S. 15. i J. W. Stalin, Werke, Bd. 10, S. 213.
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1. den Rahmen der nationalen Frage erweitert und sie aus einer Teilfrage, der Frage des Kampfes gegen die nationale Unterdrückung in Europa, in die allgemeine Frage der Befreiung der unterjochten Völker, Kolonien und Halbkolonien vom Imperialismus verwandelt h a t ; 2. weitgehende Möglichkeiten und wirkliche Wege f ü r diese Befreiung eröffnet hat, so daß er den unterdrückten Völkern des Westens und Ostens ihre Befreiung bedeutend erleichtert hat, indem er sie in den allgemeinen Strom des siegreichen Kampfes gegen den Imperialismus einbezog; 3. hierdurch eine Brücke zwischen dem sozialistischen Westen und dem versklavten Osten geschlagen und eine neue Front der Revolutionen aufgebaut hat, eine Front von den Proletariern des Westens über die Revolution in Rußland bis zu den unterjochten Völkern des Ostens, eine Front gegen den Weltimperialismus." 8 Die Lenin-Stalinsche Nationalitätenpolitik der bolschewistischen Partei und des Sowjetstaates beseitigte die nationale Unterdrückung und schuf jene große Freundschaft der Völker, die zu einer der Existenz- und Entwicklungsbedingungen des sozialistischen Staates wurde. Die Nationalitätenpolitik der Sowjetregierung erfüllte ganze Völker mit neuer Lebenskraft, die unter dem Joch des Zarismus gelitten hatten; sie schuf einen ,,. . . sozialistischen Nationalitätenstaat . . ., den jeder Nationalstaat in jedem Erdteil um seine Festigkeit beneiden könnte." 9 Zum ersten Mal erhielten die bisher unterdrückten Völker die Möglichkeit, ihre eigene Kultur zu entwickeln, die der Form nach national, dem Inhalt nach sozialistisch ist. „ . . . gerade darum sind die Pariavölker, die Sklavenvölker zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit zur Stellung von Völkern emporgestiegen, die wirklich frei und wirklich gleich sind, und ihr Beispiel wirkt ansteckend auf die unterdrückten Völker der ganzen Welt." 1 0 Die durch Sowjetrußland erreichten Erfolge gaben den nach der Oktoberrevolution beginnenden nationalen Befreiungskriegen einen mächtigen Impuls. Die Welt der Kolonien geriet in Bewegung. Die kraftvolle antiimperialistische Bewegung breitete sich in allen Ländern des Ostens, darunter auch in den Ländern des Fernen Ostens, aus. Unter dem unmittelbaren Einfluß der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution erhoben sich die unterdrückten Massen Koreas zum Kampf gegen das Joch des japanischen Imperialismus. I m März 1919 ging die nationale Befreiungsbewegung in den offenen Aufstand gegen die japanischen Eroberer über. A n dieser Bewegung beteiligten sich über anderthalb Millionen Menschen. 1 1 Die koreanischen Arbeiter und Bauern forderten den Abzug der japanischen Streitkräfte aus Korea und die Schaffung eines unabhängigen koreanischen Staates. Es entfaltete sich eine bäuerliche Partisanenbewegung, die die Ideen der Oktober» J. W. Stalin, Werke, Bd. 4, S. 145—146. J. W. Stalin, „Fragen des Leninismus", Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 621. " J. W. Stalin, Werke, Bd. 10, S. 210—211. 8
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i>. UlaömHHa, BejiHKasr OKTa6p!>CKan coijHajmcTH'iecraiH peBOJKOima h KpeerMHCKoe flpaaceHHe B Kopee, «Bonpocti ncropra», Nr. 6,1949.
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revolution und die Siege der Roten Armee beflügelten. Die revolutionäre Märzbewegung in Korea wurde in Blut ertränkt, aber sie übte einen unbestreitbaren Einfluß auf die weitere Entwicklung des nationalen Befreiungskampfes aus. Sie zeigte den Volksmassen, daß ohne eine revolutionäre Partei der erfolgreiche Kampf gegen den Imperialismus unmöglich ist. I m militaristischen Japan ging unter dem unmittelbaren Einfluß der großen proletarischen Revolution in Rußland eine Welle von Aktionen der Arbeiter und Bauern über das Land. Es war eine Massenbewegung gegen den Despotismus, f ü r demokratische Rechte, f ü r das allgemeine Wahlrecht. Die größte Bewegung in Japan stellten die „Reisrevolten" im August 1918 dar. Anlaß zu diesen AJctionen gab die Erhöhung des Reispreises, die von Spekulanten künstlich bewirkt worden war. Von dieser Bewegung wurden etwa 10 Millionen Menschen ergriffen. I n 144 Städten,auf fast zwei Dritteln des gesamten japanischen Territoriums, flammten „Revolten" a u f ; sie waren von blutigen Zusammenstößen mit Polizei und Militär begleitet. Die „Reisrevolten" wurden durch Streiks von Bergleuten, Textil- und anderen Arbeitern unterstützt. Die Regierung setzte gegen die Arbeiter und Bauern bedeutende Streitkräfte ein und unterdrückte die Bewegung aufs grausamste. Die „Reisrevolten" gaben der Arbeiterbewegung einen mächtigen Impuls. Die streikenden Arbeiter forderten die Kontrolle über die Industrie, den Abschluß von Kollektivverträgen, E i n f ü h r u n g des Achtstundentages, G r ü n d u n g von Werkausschüssen, Anerkennung der Gewerkschaften und eine Erweiterung des Wahlrechts. Die Regierung war gezwungen, die Existenz von Gewerkschaften zuzulassen. Das Fehlen einer revolutionären Partei verhinderte gemeinsam organisierte Aktionen von Arbeitern und Bauern. Durch die „Reisrevolten" wurde den fortschrittlichen Arbeitern schneller die Notwendigkeit klar, eine kommunistische Partei zu schaffen. Die Oktoberrevolution in Rußland gab der nationalen Befreiungsbewegung des mongolischen Volkes einen mächtigen Antrieb. Hier war eine Partei des werktätigen Volkes — die Volksrevolutionäre Partei — gegründet worden, die an der Spitze des Kampfes gegen die fremden Unterdrücker und die weißgardistischen Banden stand. M i t H i l f e der Roten Armee vernichteten die werktätigen Massen der Äußeren Mongolei die konterrevolutionären Einheiten des Barons von UngernSternberg, die von den japanischen Eroberern vorgeschickt worden waren. Die Sowjetregierung setzte alle Verträge außer Kraft, die der Mongolei durch die zaristische Regierung aufgezwungen worden waren. D i e brüderliche Hilfe, die die Sowjetregierung dem mongolischen Volk erwies, schuf die Möglichkeit, eine neue Volksmacht in der Mongolischen Volksrepublik zu begründen. Es wurden Bedingungen geschaffen, die eine Entwicklung des Landes auf dem Wege zum Sozialismus, bei Überspringung des Kapitalismus, gewährleisteten. F ü r das große chinesische Volk hatte der Sieg der Oktoberrevolution entscheidende Bedeutung. E r durchbrach die imperialistische Kette, die China wie ein dichter Ring umschloß. Statt des zaristischen Rußlands entstand an den ausgedehnten Grenzen Chinas das sozialistische Sowjetland, dem aggressive Bestrebungen fremd waren und das an der Herstellung wahrer Freundschaft und 202
Brüderlichkeit unter den Völkern interessiert war. Das chinesische Volk, das seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts unter das Joch ausländischer Kapitalisten geraten war, beschritt nach dem Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Rußland den festen W e g des Kampfes gegen seine Unterdrücker — die ausländischen Imperialisten und ihre Agentur innerhalb Chinas in Gestellt der Kompradorenbourgeoisie, Gutsbesitzer, Militaristen und der Beamtenbürokratie. Die Sowjetregierung erwies dem chinesischen Volk allseitige H i l f e und Unterstützung. I n seinem A u f r u f an das chinesische Volk schrieb der R a t der Volkskommissare der RSFSR im Jahre 1919: „ W i r bringen den Völkern die Befreiung vom Joch des ausländischen Bajonetts, vom Joch des ausländischen Goldes, die beide die unterdrückten Völker des Ostens, und in erster Linie das chinesische Volk, erwürgen." 1 2 Die A u f r u f e , die aus dem neuen Rußland kamen, fanden in China ein sehr lebhaftes Echo. Der 4. M a i 1919 ging in die chinesische Geschichte ein, als der Beginn des Aufschwungs der nationalen Befreiungsbewegung des chinesischen Volkes gegen das Joch des internationalen Imperialismus und seiner Kreaturen. Durch das Land wogte eine Welle mächtiger Demonstrationen. D i e „Bewegung des 4. M a i " wurde zu einer allgemeinen Boykottbewegung gegen die ausländischen Imperialisten. A u ß e r den Arbeitern zog sie auch die Studenten und Schüler, die Intelligenz, Handwerker und Händler mit in den antiimperialistischen, antifeudalen Kampf. Die „Bewegung des 4. M a i " w a r unter den Bedingungen einer wachsenden Aktivität und Klassenorganisiertheit des chinesischen Proletariats eine Vorbereit u n g der antiimperialistischen und antifeudalen Revolution in China. Unter der mächtigen Einwirkung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Rußland und der unsterblichen Lehre von Marx, Engels, Lenin und Stalin, t r a t das junge chinesische Proletariat in die Arena des politischen, nationalen Befreiungskampfes; es w a r berufen, unter F ü h r u n g der Kommunisten das chinesische Volk zu den Höhen einer echten Demokratie, des nationalen und sozialen Fortschritts zu f ü h r e n . Der F ü h r e r des chinesischen Volkes, Mao Tse-tung, charakterisierte den Einfluß der Oktoberrevolution auf China folgendermaßen: „Die Russen vollbrachten die Oktoberrevolution und schufen das erste sozialistische Land der Erde . . . Die Chinesen fanden die allgemein gültige, überall anwendbare Wahrheit des Marxismus-Leninismus, und das Gesicht Chinas begann sich zu wandeln. Die Chinesen gelangten zum Marxismus dank seiner Anwendung durch die Russen. Vor der Oktoberrevolution waren den Chinesen nicht n u r Lenin und Stalin, sondern auch M a r x und Engels unbekannt. Die Geschützsalven der Oktoberrevolution brachten den Marxismus-Leninismus zu uns. Die Oktoberrevolution half den fortschrittlichen Elementen der Welt u n d 12
IIojmTHKa COBCTCKOÄ BJiaciH no HaitHOHaJitHMM jiejiaM 3a Tpn rosa, November 1917—1920, Aufl. 1920, S. 48—49.
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Chinas, sich die proletarische Weltanschauung zur Bestimmung des Schicksals ihres Landes und zur Überprüfung ihrer eigenen Probleme anzueignen. Den Weg der Russen gehen -— so lautete die Schlußfolgerung." 13 In einer solch großen Kolonie des Imperialismus wie Indien, die eng mit den Ländern Ostasiens verbunden war, entfalteten sich in den Jahren, die unmittelbar der Oktoberrevolution folgten und unter ihrem direkten Einfluß, eine breite Agrar- und eine machtvolle Streikbewegung. 1918 kam es zum großen politischen Streik der Textilarbeiter Bombays. Von 1919 bis 1921 erfuhren der Streikkampf und die anderen Massenaktionen einen starken Aufschwung. In den Industriezentren erfolgten blutige Zusammenstöße. Durch die Aktionen der Arbeiter erwachte auch die Landbevölkerung. Es häuften sich Angriffe von Bauern auf Gutsbesitzer, Wucherer und Steuereintreiber. Revolutionär gesinnte Bauern zerstörten Gutsgebäude. „Die Revolution in Rußland" — muß sogar ein bürgerlicher indischer Autor zugeben —• „insbesondere die Errichtung der Sowjetrepublik . . . ließen Hoffnungen auf eine neue soziale Ordnung aufkommen." 1 * In Indien begann sich eine organisierte Arbeiterbewegung zu entfalten. Die ersten Gewerkschaften entstanden. Die nationale Befreiungsbewegung erreichte eine neue, höhere Stufe ihrer Entwicklung. Die Lehren der Oktoberrevolution und die Niederlage der revolutionären Massenbewegung in Indien als Folge des Verrats der nationalen Bourgeoisie, setzten die Frage der führenden Rolle des Proletariats im antiimperialistischen Befreiungskampf auf die Tagesordnung. Das Proletariat wurde immer mehr zu einer selbständigen politischen Kraft. Die Aktionen der Arbeiter und Bauern nahmen organisiertere Formen an. Die Forderung nach einem Kampf um die völlige Unabhängigkeit wurde zur Forderung aller. Der revolutionäre Kampf der ersten Jahre nach dem Großen Oktober endete in Indien mit einer Niederlage, aber er übte einen großen Einfluß auf die weitere Entwicklung der nationalen Befreiungsbewegung nicht nur in diesem Lande, sondern auch in anderen Gebieten Ostasiens aus. In Indonesien., wo nicht nur das holländische, sondern auch das englische, japanische und amerikanische Kapitell herrschten, wo fast alle Kommandohöhen der Wirtschaft des Landes von Ausländern besetzt waren, nahm die revolutionäre Bewegung nicht weniger scharfe Formen an. Die Massenbewegung erfaßte Arbeiter und Bauern. Die Bauern weigerten sich, Steuern zu zahlen und die Fronpflicht für die Regierung und die Feudalherren zu erfüllen. Die Bauernbewegungen schlugen in einer Reihe von Provinzen in offene Aufstände um, die einen betont antiimperialistischen Charakter annahmen. Die Arbeiter der Städte und der Zuckerplantagen organisierten Massenstreiks und große politische Aktionen. Unter den Matrosen der holländischen Kolonialflotte und unter den Soldaten wurde ein Revolutionsrat gebildet. Die imperialistischen Behörden rechneten mit den revo13
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Mao Tse-tung. Über die Diktatur in der Volksdemokratie. Kleine Bücherei des MarxismusLeninismus, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 6. R. C. Das, Die Arbeiterbewegung in Indien, Berlin 1923, S. 34 (engl.).
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lutionären Matrosen grausam ab. 13 Mitglieder des Soldatenrates wurden zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. „Das Verständnis der Rolle und der Bedeutung der Sowjets" — sagte Lenin — „hat sich jetzt auch auf die Länder des Ostens ausgebreitet. Der Anfang der Sowjetbewegung ist im ganzen Osten, in ganz Asien, unter allen Kolonialvölkern gemacht." 16 Die in den kolonialen und abhängigen Ländern entfaltete revolutionäre und nationale Massenbewegung, die in neuen Formen verlief, bestätigt eindeutig die Feststellung Stalins: „Angebrochen ist die Ära der Befreiungsrevolutionen in den Kolonien und abhängigen Ländern, die Ära des Erwachens des Proletariats dieser Länder, die Ära seiner Hegemonie in der Revolution." 16
Die Lenin-Stalinsche Außenpolitik des Sowjetstaates und die Völker der kolonialen und abhängigen Länder des Fernen Ostens Eine außerordentliche Bedeutung f ü r die Völker der kolonialen und abhängigen Länder hatte und hat die Lenin-Stalinsche Außenpolitik des Sowjetstaates, dem jegliche kolonialen oder territorialen Ansprüche fremd sind. Die Prinzipien der Außenpolitik des Sowjetstaates wurden zum ersten Mal im Dekret über den Frieden niedergelegt, das am 26. Oktober (8. November) 1917 vom II. Allrussischen Sowjetkongreß beschlossen wurde. „Ein gerechter oder demokratischer Friede . . . ist nach der Auffassung der Regierung ein sofortiger Friede ohne Annexionen (d. h. ohne Aneignung fremder Territorien, ohne gewaltsame Angliederung fremder Völkerschaften) und ohne Kontributionen. Die Regierung Rußlands schlägt allen kriegführenden Völkern vor, unverzüglich einen solchen Frieden zu schließen, wobei sie sich bereit erklärt, sofort, ohne die geringste Verzögerung, alle entscheidenden Schritte zu unternehmen—bis zur endgültigen Bestätigung aller Bedingungen eines solchen Friedens durch die bevollmächtigten Versammlungen der Volksvertreter aller Länder und aller Nationen." 17 Das Dekret über den Frieden verkündete die Abschaffung der Geheimdiplomatie seitens der Sowjetregierung. Im Verlauf von einigen Wochen wurde erst in den Zeitungen, danach in Sammelbänden, eine Reihe von Geheimverträgen veröffentlicht, welche die Eroberungs- und Raubpolitik der imperialistische!! Mächte entlarvte. Es wurden Geheimabkommen veröffentlicht, die zwischen Rußland und anderen Staaten geschlossen worden waren. Die Veröffentlichung der Geheimverträge durch die Sowjetregierung machte einen gewaltigen Eindruck auf die Werktätigen der kapitalistischen Länder und auf die unterdrückten Völker der kolonialen und abhängigen Länder. Sie 15
B . H . JleHHH, COT., Bd. 5 1 , 4 . A u f l . , S. 209.
« J. W. Stalin, Werke, Bd. 10, S. 212. 17 Lenin-Stalin, Das Jahr 1917. Dietz Verlag, Berlin, 1950, S. 692.
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lutionären Matrosen grausam ab. 13 Mitglieder des Soldatenrates wurden zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. „Das Verständnis der Rolle und der Bedeutung der Sowjets" — sagte Lenin — „hat sich jetzt auch auf die Länder des Ostens ausgebreitet. Der Anfang der Sowjetbewegung ist im ganzen Osten, in ganz Asien, unter allen Kolonialvölkern gemacht." 16 Die in den kolonialen und abhängigen Ländern entfaltete revolutionäre und nationale Massenbewegung, die in neuen Formen verlief, bestätigt eindeutig die Feststellung Stalins: „Angebrochen ist die Ära der Befreiungsrevolutionen in den Kolonien und abhängigen Ländern, die Ära des Erwachens des Proletariats dieser Länder, die Ära seiner Hegemonie in der Revolution." 16
Die Lenin-Stalinsche Außenpolitik des Sowjetstaates und die Völker der kolonialen und abhängigen Länder des Fernen Ostens Eine außerordentliche Bedeutung f ü r die Völker der kolonialen und abhängigen Länder hatte und hat die Lenin-Stalinsche Außenpolitik des Sowjetstaates, dem jegliche kolonialen oder territorialen Ansprüche fremd sind. Die Prinzipien der Außenpolitik des Sowjetstaates wurden zum ersten Mal im Dekret über den Frieden niedergelegt, das am 26. Oktober (8. November) 1917 vom II. Allrussischen Sowjetkongreß beschlossen wurde. „Ein gerechter oder demokratischer Friede . . . ist nach der Auffassung der Regierung ein sofortiger Friede ohne Annexionen (d. h. ohne Aneignung fremder Territorien, ohne gewaltsame Angliederung fremder Völkerschaften) und ohne Kontributionen. Die Regierung Rußlands schlägt allen kriegführenden Völkern vor, unverzüglich einen solchen Frieden zu schließen, wobei sie sich bereit erklärt, sofort, ohne die geringste Verzögerung, alle entscheidenden Schritte zu unternehmen—bis zur endgültigen Bestätigung aller Bedingungen eines solchen Friedens durch die bevollmächtigten Versammlungen der Volksvertreter aller Länder und aller Nationen." 17 Das Dekret über den Frieden verkündete die Abschaffung der Geheimdiplomatie seitens der Sowjetregierung. Im Verlauf von einigen Wochen wurde erst in den Zeitungen, danach in Sammelbänden, eine Reihe von Geheimverträgen veröffentlicht, welche die Eroberungs- und Raubpolitik der imperialistische!! Mächte entlarvte. Es wurden Geheimabkommen veröffentlicht, die zwischen Rußland und anderen Staaten geschlossen worden waren. Die Veröffentlichung der Geheimverträge durch die Sowjetregierung machte einen gewaltigen Eindruck auf die Werktätigen der kapitalistischen Länder und auf die unterdrückten Völker der kolonialen und abhängigen Länder. Sie 15
B . H . JleHHH, COT., Bd. 5 1 , 4 . A u f l . , S. 209.
« J. W. Stalin, Werke, Bd. 10, S. 212. 17 Lenin-Stalin, Das Jahr 1917. Dietz Verlag, Berlin, 1950, S. 692.
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entlarvte nicht n u r den imperialistischen Charakter des ersten Weltkrieges, sondern auch die räuberische Kolonialpolitik Englands, der USA, Japans, Frankreichs u n d anderer Staaten. Der völlige und endgültige Verzicht auf die Methoden der bürgerlichen Geheimdiplomatie und der unmittelbare Aufruf der Sowjetregierung an die Völker, die ja selbst an der Schaffung von Bedingungen f ü r einen festen und dauerhaften Frieden interessiert waren und nicht an einem imperialistischen Frieden, wie ihn die herrschenden Kreise der kapitalistischen Mächte wollten — all das bewies, daß diese neue Außenpolitik des sozialistischen Staates völlig den Bestrebungen und H o f f n u n g e n der werktätigen Massen aller Länder entsprach. Das Dekret über den Frieden enthielt einen A u f r u f an alle Völker und Regierungen der kriegführenden Nationen, unverzüglich Verhandlungen über den Abschluß eines gerechten, demokratischen Friedens ohne Annexionen und Kontributionen einzuleiten. „Diesen Krieg fortzusetzen" — hieß es im Dekret — „ u m die Frage zu entscheiden, wie die starken und reichen Nationen die von ihnen annektierten schwachen Völkerschaften unter sich aufteilen sollen, hält die Regierung f ü r das größte Verbrechen an der Menschheit." 1 8 Das Dekret enthielt, abgesehen von allem anderen, eine genaue Definition des Wesens der Annexion: „Unter Annexion oder Aneignung fremder Territorien versteht die Regierung . . . jede Angliederung einer kleinen oder schwachen Völkerschaft an einen großen oder mächtigen Staat, ohne daß diese Völkerschaften ihr Einverständnis und ihren Wunsch genau, klar und freiwillig zum Ausdruck gebracht haben, unabhängig davon, wann diese gewaltsame Angliederung erfolgt ist, sowie unabhängig davon, wie entwickelt oder rückständig eine solche mit Gewalt angegliederte oder mit Gewalt innerhalb der Grenzen eines gegebenen Staates festgehaltene Nation ist, und schließlich unabhängig davon, ob diese Nation in Europa oder in fernen, überseeischen Ländern lebt." 1 9 So stand der räuberischen, annexionistischen und reaktionären Politik der imperialistischen Mächte die gerechte und friedliebende Außenpolitik Sowjetrußlands gegenüber. U m die eigene Existenz ringend, verteidigte die von feindlichen Mächten umgebene junge Sowjetrepublik gleichzeitig die Unabhängigkeit und die Souveränität der von den imperialistischen Räubern unterdrückten Länder. Der Kampf u m den Frieden, gegen die Schrecken und Bestialitäten des imperialistischen Krieges, entsprach den ureigensten Interessen der werktätigen Massen und der unterdrückten Völker der Welt. Die Frage, R u ß l a n d aus dem ersten imperialistischen Weltkrieg herauszulösen, war dieFrage seiner Rettung vom ausländischen Joch, der Stärkung und Sicherung der jungen sozialistischen Sowjetrepublik. Auf dem VI. Parteitag der S D A P R (B), im Juli 1917 sagte J. W . Stalin: „Rußland hatte zwischen zwei Wegen zu wählen: Entweder der Krieg wird beendigt, alle finanziellen Bindungen an den Imperialismus werden zerrissen, die Revolution schreitet weiter, die Grundlagen 18
Lenin-Stalin, Das Jahr 1917, Dietz Verlag, Berlin 1950, S. 693. « Ebenda, S. 692—693.
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der bürgerlichen Welt werden erschüttert und es beginnt die Ära der Arbeiterrevolution ; oder der zweite W e g wird beschritten, der W e g der Fortsetzung des Krieges, der F o r t f ü h r u n g der Offensive an der Front, der U n t e r w e r f u n g unter alle Befehle des alliierten Kapitals und der Kadetten, — und damit vollständige Abhängigkeit vom alliierten Kapital . . . und T r i u m p h der Konterrevolution. Einen dritten W e g gibt es nicht." 2 0 Lenin wies wiederholt darauf hin, daß die Unabhängigkeit Rußlands n u r durch die Stärkung der Sowjetmacht möglich sei. So sagte er: „Wir haben sowohl i n den Naturschätzen als auch in den Reserven Ein menschlichen Kräften sowie in dem herrlichen Elan, den die große Revolution der Schöpferkraft des Volkes verliehen hat, die Voraussetzung, um ein wirklich mächtiges und reiches Rußland zu schaffen." 2 1 Unter der F ü h r u n g der genialen Strategen der proletarischen Revolution, Lenins und Stalins, überwand der junge Sowjetstaat in den Jahren 1917—18 erfolgreich alle Hindernisse und erlangte eine friedliche Atempause. Die Politik Lenins und Stalins, die sich auf die zutiefst wissenschaftliche Voraussicht und die Kenntnis der Gesetze der historischen Entwicklung gründete, verwandelte in Verbindung mit dem erfolgreichen Kampf u m die E r r i c h t u n g der neuen Gesellschaftsordnung den Sowjetstaat in einen mächtigen Faktor der internationalen Politik, in ein festes Bollwerk i m Kampf u m die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker, u m Sozialismus und Demokratie, i m Kampf u m den Frieden, gegen die imperialistische Aggression. Seit dem ersten Tage seines Bestehens trat der Sowjetstaat als Freund u n d Verteidiger der Völker der kolonialen und abhängigen Länder auf. F ü r die Bestimmung seiner außenpolitischen Grundsätze hinsichtlich der unterjochten Völker hatten zwei historische Dokumente große Bedeutung: die „Deklaration der Rechte der Völker Rußlands" vom 15. November 1917 und der A u f r u f „ A n alle werktätigen Mohammedaner Rußlands und des Ostens" vom 3. Dezember 1917. Die „Deklaration der Rechte der Völker Rußlands" verkündete: 1. die Gleichheit und Souveränität der Völker Rußlands; 2. das Recht der Völker Rußlands auf freie Selbstbestimmung, einschließlich des Rechtes auf Lostrennung und Bildung eines selbständigen Staates; 3. die Abschaffung jeglicher nationaler und national-religiöser Privilegien und Beschränkungen; 4. die freie Entwicklung der nationalen Minderheiten und ethnographischen Gruppen, die auf dem Territorium Rußland leben. I n dieser Deklaration drückte sich das Programm der Partei der Bolschewiki aus, das schon lange vor dem Sieg der Revolution von Lenin und Stalin aufgestellt worden war. Die Verwirklichung dieser Grundsätze, die zur Beseitigung des 20 J. W. Stalin, Werke, Bd. 3, S. 162—163. W. I. Lenin, Äusgew. Werke in zwei Bänden, Bd. II, Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 353.
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nationalen und kolonialen Joches und zur G r ü n d u n g eines sozialistischen Nationalitätenstaates f ü h r t e , war von außergewöhnlicher Bedeutung f ü r die Völker der Kolonialländer. Indem Genosse Stalin die welthistorische Bedeutung der Lösung der nationalen Frage in der UdSSR kennzeichnete, schrieb er, daß die sozialistische Oktoberrevolution „ . . . die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit der proletarischen, internationalen Methode der Befreiung der unterdrückten Völker als der einzig richtigen Methode zeigte, indem sie in der Praxis die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit des brüderlichen Bundes der Arbeiter und Bauern der verschiedensten Völker auf der Grundlage der Freiwilligkeit und des Internationalismus zeigte. Das Bestehen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, die ein Vorbild der zukünftigen Vereinigung der Werktätigen aller Länder in einer einheitlichen Weltwirtschaft ist, m u ß unbedingt als direkter Beweis d a f ü r gelten." 2 2 Die Nationalitätenpolitik Sowjetrußlands vereinigte u m sich alle unterdrückten und ausgebeuteten Völker der Kolonien und Halbkolonien, die gegen die räuberischen Imperialisten, gegen „ihre" Feudalherren und „ihre" reaktionäre Bourgeoisie kämpften. D e r A u f r u f des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare, W . I . Lenin, und des Volkskommissars J. W . Stalin „ A n alle werktätigen Mohammedaner Rußlands und des Ostens" war ein besonders klarer Ausdruck der Prinzipien der Nationalitätenpolitik Lenins und Stalins; er zeigte den grundlegenden Unterschied der Wechselbeziehungen des Sowjetstaates zu den unterdrückten Völkern gegenüber der Kolonialpolitik der imperialistischen Mächte auf. „Von n u n a n " •— hieß es im A u f r u f an die Mohammedaner — „werden euer Glaube und eure Sitten, eure nationalen und kulturellen Einrichtungen f ü r frei und unantastbar erklärt. Gestaltet euer nationales Leben f r e i und ungehindert. I h r habt das Recht darauf. Wisset, daß eure Rechte wie die Rechte aller Völker Rußlands durch die ganze Macht der Revolution und ihrer Organe, der Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten geschützt werden." 2 3 Die Sowjetregierung erklärte den Mohammedanern des Ostens, „mit deren Freiheit und Heimat die habgierigen Räuber Europas jahrhundertelang Schacher trieben", daß sie auf immer mit der imperialistischen Politik der Versklavung, der Eroberung und der Teilung der Territorien der unterdrückten Völker breche, daß sich die Beziehungen zwischen ihnen auf gegenseitige Achtung, Freundschaft und Gleichberechtigung gründen würden. I m A u f r u f hieß es: „Auf unseren Fahnen bringen wir den unterdrückten Völkern der ganzen Welt die Befreiung." 2 4 Sowjetrußland brach entschlossen mit der Kolonialpolitik des Zarenregimes und der bürgerlichen Provisorischen Regierung. Es begann eine neue Außenpolitik, die von den Interessen der Millionenmassen von Werktätigen und der " J. W. Stalin, Werke, Bd. 10, S. 211—212. 23 Lenin-Stalin, Das Jahr 1917, Dietz Verlag, Berlin 1950, S. 742. 2 * Ebenda, S. 743.
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unterdrückten Völker diktiert wurde. „Indem wir ein in der Menschheitsgeschichte nie dagewesenes Musterbeispiel der brüderlichen Zusammenarbeit von Völkern verschiedener Rassen und Nationalitäten schufen, haben wir f ü r immer die Politik liquidiert, die den Wohlstand des einen Staates auf der Unterdrückung anderer Staaten aufbaut. Eine Politik, die die Unterdrückung der nationalen Souveränität anderer Völker zu ihrem Leitsatz macht, ist uns fremd." 2 5 Die Außenpolitik Sowjetrußlands beruht auf dem Grundsatz der völligen Gleichberechtigung. Die Sowjetregierung verzichtete auf die Einflußsphären, über die das zaristische Rußland in den Ländern des Ostens verfügt hatte, sowie auf die ungleichen Verträge und Exterritorialitätsrechte, in deren G e n u ß die zaristische Regierung und ihre Untertanen in den Kolonialländern gelangt waren. Die Sowjetregierung begnügte sich jedoch nicht damit; sie reichte ihre hilfreiche Freundeshand auch allen unterdrückten Völkern, die f ü r ihre nationale Befreiung kämpften. Seit den ersten Tagen seines Bestehens erwies sich Sowjetrußland als ein gewaltiges Bollwerk i m Kampf u m den Frieden und die Freiheit der Völker der ganzen Welt, darunter auch der fernöstlichen Völker. Die Annullierung aller ungleichen Verträge zwischen dem zaristischen Rußland und dem halbkolonialen China, mit der Türkei und I r a n , w a r ein gewaltiger Schlag gegen das gesamte System der imperialistischen Unterjochung der Völker der kolonialen und abhängigen Länder. Die Außenpolitik Sowjetrußlands rief Sympathie und Vertrauen bei den werktätigen Massen und bei der demokratischen Öffentlichkeit in der ganzen Welt hervor, besonders auch bei den Massen der unterdrückten Länder des Ostens. Die ungeteilte Herrschaft des Imperialismus ging auch im Bereich der internationalen Beziehungen zu Ende.
Die Intervention der imperialistischen Mächte i m Sowjetischen Fernen Osten Die Furcht vor der revolutionären Bewegung des Proletariats und räuberische Eroberungssucht vereinten die kapitalistische Welt in abgründigem H a ß gegen den Sowjetstaat mit seinem großen revolutionierenden Einfluß auf die Arbeiterklasse der kapitalistischen Länder und auf die unterjochten Massen der Kolonien und Halbkolonien. Die herrschenden Klassen der imperialistischen Länder setzten alles daran, die Sowjetrepublik als Herd der Weltrevolution zu vernichten. Die Vorbereitung der Intervention begann schon im November 1917. Japan sicherte sich die Hegemonie bei der D u r c h f ü h r u n g der bewaffneten Intervention der imperialistischen Mächte gegen die junge Sowjetrepublik von Osten aus. Zu diesem Zweck begann Japan rechtzeitig seine Garnisonen in Korea und in der Mandschurei zu verstärken. Japan wandte sich Ende des Jahres mit dem 25
G. M. Malenkow: Rede anläßlich des 52. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, in: „Neue Welt", 1949/22, S. 10.
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unterdrückten Völker diktiert wurde. „Indem wir ein in der Menschheitsgeschichte nie dagewesenes Musterbeispiel der brüderlichen Zusammenarbeit von Völkern verschiedener Rassen und Nationalitäten schufen, haben wir f ü r immer die Politik liquidiert, die den Wohlstand des einen Staates auf der Unterdrückung anderer Staaten aufbaut. Eine Politik, die die Unterdrückung der nationalen Souveränität anderer Völker zu ihrem Leitsatz macht, ist uns fremd." 2 5 Die Außenpolitik Sowjetrußlands beruht auf dem Grundsatz der völligen Gleichberechtigung. Die Sowjetregierung verzichtete auf die Einflußsphären, über die das zaristische Rußland in den Ländern des Ostens verfügt hatte, sowie auf die ungleichen Verträge und Exterritorialitätsrechte, in deren G e n u ß die zaristische Regierung und ihre Untertanen in den Kolonialländern gelangt waren. Die Sowjetregierung begnügte sich jedoch nicht damit; sie reichte ihre hilfreiche Freundeshand auch allen unterdrückten Völkern, die f ü r ihre nationale Befreiung kämpften. Seit den ersten Tagen seines Bestehens erwies sich Sowjetrußland als ein gewaltiges Bollwerk i m Kampf u m den Frieden und die Freiheit der Völker der ganzen Welt, darunter auch der fernöstlichen Völker. Die Annullierung aller ungleichen Verträge zwischen dem zaristischen Rußland und dem halbkolonialen China, mit der Türkei und I r a n , w a r ein gewaltiger Schlag gegen das gesamte System der imperialistischen Unterjochung der Völker der kolonialen und abhängigen Länder. Die Außenpolitik Sowjetrußlands rief Sympathie und Vertrauen bei den werktätigen Massen und bei der demokratischen Öffentlichkeit in der ganzen Welt hervor, besonders auch bei den Massen der unterdrückten Länder des Ostens. Die ungeteilte Herrschaft des Imperialismus ging auch im Bereich der internationalen Beziehungen zu Ende.
Die Intervention der imperialistischen Mächte i m Sowjetischen Fernen Osten Die Furcht vor der revolutionären Bewegung des Proletariats und räuberische Eroberungssucht vereinten die kapitalistische Welt in abgründigem H a ß gegen den Sowjetstaat mit seinem großen revolutionierenden Einfluß auf die Arbeiterklasse der kapitalistischen Länder und auf die unterjochten Massen der Kolonien und Halbkolonien. Die herrschenden Klassen der imperialistischen Länder setzten alles daran, die Sowjetrepublik als Herd der Weltrevolution zu vernichten. Die Vorbereitung der Intervention begann schon im November 1917. Japan sicherte sich die Hegemonie bei der D u r c h f ü h r u n g der bewaffneten Intervention der imperialistischen Mächte gegen die junge Sowjetrepublik von Osten aus. Zu diesem Zweck begann Japan rechtzeitig seine Garnisonen in Korea und in der Mandschurei zu verstärken. Japan wandte sich Ende des Jahres mit dem 25
G. M. Malenkow: Rede anläßlich des 52. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, in: „Neue Welt", 1949/22, S. 10.
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Vorschlag an die Ententemächte, eine japanische Armee nach Sibirien zu entsenden und die Intervention ausschließlich mit japanischen Streitkräften durchzuführen. Als Gegenleistung forderte Japan von den Verbündeten die Anerkennung seiner besonderen Interessen in China und das ausschließliche Recht, in Ostsibirien Fischerei-, Bergbau- und Waldnutzungsrechte zu erhalten. Die Ansprüche Japans wurden von Frankreich und England unterstützt. I n den Regierungskreisen der USA jedoch, wo man Japan als den Hauptrivalen im Fernen Osten ansah, riefen die japanischen Pläne einige Beunruhigung hervor. Die herrschenden Kreise in den USA befürchteten, im Falle die Japaner die Intervention gegen Sowjetrußland allein durchführten, eine Beschneidung der führenden Rolle der Amerikaner, die Präsident Wilson und andere USA-Imperialisten anstrebten. Die Wilson-Regierung wollte selbst Truppen gegen Sowjetrußland entsenden. Die USA-Imperialisten richteten ihr besonderes Augenmerk auf die größtmögliche finanzielle und materielle Hilfeleistung an die russische Konterrevolution im Inneren. Aber die USA begnügten sich durchaus nicht mit dieser maskierten Form der Intervention. Sie nahmen unmittelbar am Kampf gegen das revolutionäre R u ß land nicht nur im Fernen Osten teil, sondern auch im Norden des europäischen Rußlands, an den Ententefeldzügen, sowohl im Baltikum als auch in Finnland. Präsident Wilson,,,.. .das Haupt der amerikanischen Milliardäre, der Handlanger der kapitalistischen H a i e . . . " , 2 6 erwies sich schon kurz nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution als Anstifter von Verschwörungen gegen Sowjetrußland. Der USA-Botschafter in Rußland, Francis, fragte im November 1917 beim USA-Staatssekretär Lansing an: „Wie denken Sie darüber, mit Rußland so zu verfahren, wie mit China?" 2 7 D e r amerikanische Senator Poindexter, der den räuberischen Plänen des USAImperialismus Ausdruck verlieh,rief dazu auf,sich f ü r die Frage zu „interessieren", „wie man über Rußland, seine 170-Millionen-Bevölkerung, seine unendlichen Nahrungs-, Brennstoff- und Metallreserven verfügen solle." 28 Diese dreisten Pläne über den Raub sowjetrussischen Territoriums verbanden die amerikanischen Imperialisten mit dem Wunsch, sich auf dem asiatischen Festland festzusetzen f ü r den bevorstehenden Kampf mit England und Japan um die Herrschaft über den Fernen Osten. „Die ökonomische Entwicklung dieser Länder im L a u f e einiger Jahrzehnte" — so schrieb Lenin über die USA und Japan — „hat eine Unmasse Zündstoff angehäuft, der ein verzweifeltes Ringen dieser Mächte u m die Herrschaft über den Stillen Ozean und seine Küsten unvermeidlich macht." 2 9 Die Interventionsmaßnahmen der USA im Fernen Osten waren somit von folgenden Überlegungen diktiert: 1. vom Streben nach günstigen Bedingungen f ü r ein wirtschaftliches und politisches Eindringen der U S A in Sibirien und im Fernen 26
W. I. Lenin, Brief an die amerikanischen Arbeiter, Dietz Verlag, Berlin 1948, S. 11. " „Foreign Relations", 1918, Russia, Bd. I, S. 266. »» „Congressional Record", Bd. 56, 1918, Teil 11, S. 11179. 29 B. H. .Hemm, Coi., Bd. 27, 4. Aufl., S. 331—332.
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Osten mit dem Ziel, das Sowjetvolk im Interesse der amerikanischen Monopole zu unterjochen; 2. von der Absicht, Japans Versuche zur Festigung seiner eigenen wirtschaftlichen und politischen Stellung im Fernen Osten auf Kosten der USA zu durchkreuzen.
Die aggressive Politik der USA gegenüber Rußland Die räuberischen Pläne der USA in bezug auf Rußland reichen weit zurück. Wie bereits oben ausgeführt, strebten die USA schon lange nach der Errichtung ihrer Alleinherrschaft in Ostasien, nach der Ausbeutung der Reichtümer Koreas, Chinas, der Mongolei, des russischen Fernen Ostens und Sibiriens. Während des ersten Weltkrieges errangen die amerikanischen Imperialisten, mit Unterstützung der korrupten zaristischen Beamten und der verräterischen russischen Bourgeoisie, bedeutende Erfolge bei ihrem wirtschaftlichen Eindringen in Rußland. In der Wareneinfuhr nach Rußland hatten sie England überholt. Der USA-Export nach Rußland betrug im Jahre 1916 die Summe von 470,5 Millionen Dollar. 30 Die größten USA-Firmen standen mit dem russischen Markt in Verbindung. Amerikanische Banken, darunter auch die National City Bank of New York und Morgan & Co., gewährten dem Zarismus bedeutende Anleihen. Aber die USA-Imperialisten begnügten sich nicht mit der Wareneinfuhr. Sie streckten ihre Fühler auch nach den Rohstoffen des Landes aus. Sie waren auf die Reichtümer des Urals, Sibiriens und des Kaukasus erpicht, die ihnen die russischen Kapitalisten zum Raubbau auszuliefern bereit waren. „Die amerikanischen Gesellschaften" — schrieb der USA-Botschafter in Rußland, Francis, im Jahre 1916 — „richten bereits ihre Augen auf die in diesem Lande vorhandenen Lagerstätten von Mineralien, auf die Vorräte an Wasserenergie, auf die Möglichkeiten des Eisenbahnbaues." 31 Zur Verwirklichung ihrer Gangsterpläne schufen die amerikanischen Imperialisten in Rußland ein weitverzweigtes Netz von Handels- und Bankfilialen. Die bedeutendsten davon waren die „Russisch-amerikanische Handelskammer", die „Gesellschaft für russisch-amerikanische Annäherung", das „Russisch-amerikanische Komitee" usw. Diesen Organisationen traten die „Geschäftskreise" des zaristischen Rußlands und konterrevolutionäre Politiker wie Gutschkow, Tschaikowski und viele andere bei. Die volksfeindliche und konterrevolutionäre Politik der zaristischen Beamten und der käuflichen Bourgeoisie eröffneten den amerikanischen Kapitalisten große Aussichten auf die Ausbeutung der Reichtümer des Landes. Da die amerikanischen Organisationen mit einigem Zeitverlust auf dem russischen Markt aufgetaucht und auf die Konkurrenz anderer imperialistischer Mächte gestoßen waren, entfesselten sie in Rußland eine zügellose Propaganda im Interesse ihrer Körperschaften.
S1
F. L. Schumau, American Policy Toward Russia Since 1917, New York 1928, S. 31. „The Lau sing Papers", Bd. 2, S. 519.
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Osten mit dem Ziel, das Sowjetvolk im Interesse der amerikanischen Monopole zu unterjochen; 2. von der Absicht, Japans Versuche zur Festigung seiner eigenen wirtschaftlichen und politischen Stellung im Fernen Osten auf Kosten der USA zu durchkreuzen.
Die aggressive Politik der USA gegenüber Rußland Die räuberischen Pläne der USA in bezug auf Rußland reichen weit zurück. Wie bereits oben ausgeführt, strebten die USA schon lange nach der Errichtung ihrer Alleinherrschaft in Ostasien, nach der Ausbeutung der Reichtümer Koreas, Chinas, der Mongolei, des russischen Fernen Ostens und Sibiriens. Während des ersten Weltkrieges errangen die amerikanischen Imperialisten, mit Unterstützung der korrupten zaristischen Beamten und der verräterischen russischen Bourgeoisie, bedeutende Erfolge bei ihrem wirtschaftlichen Eindringen in Rußland. In der Wareneinfuhr nach Rußland hatten sie England überholt. Der USA-Export nach Rußland betrug im Jahre 1916 die Summe von 470,5 Millionen Dollar. 30 Die größten USA-Firmen standen mit dem russischen Markt in Verbindung. Amerikanische Banken, darunter auch die National City Bank of New York und Morgan & Co., gewährten dem Zarismus bedeutende Anleihen. Aber die USA-Imperialisten begnügten sich nicht mit der Wareneinfuhr. Sie streckten ihre Fühler auch nach den Rohstoffen des Landes aus. Sie waren auf die Reichtümer des Urals, Sibiriens und des Kaukasus erpicht, die ihnen die russischen Kapitalisten zum Raubbau auszuliefern bereit waren. „Die amerikanischen Gesellschaften" — schrieb der USA-Botschafter in Rußland, Francis, im Jahre 1916 — „richten bereits ihre Augen auf die in diesem Lande vorhandenen Lagerstätten von Mineralien, auf die Vorräte an Wasserenergie, auf die Möglichkeiten des Eisenbahnbaues." 31 Zur Verwirklichung ihrer Gangsterpläne schufen die amerikanischen Imperialisten in Rußland ein weitverzweigtes Netz von Handels- und Bankfilialen. Die bedeutendsten davon waren die „Russisch-amerikanische Handelskammer", die „Gesellschaft für russisch-amerikanische Annäherung", das „Russisch-amerikanische Komitee" usw. Diesen Organisationen traten die „Geschäftskreise" des zaristischen Rußlands und konterrevolutionäre Politiker wie Gutschkow, Tschaikowski und viele andere bei. Die volksfeindliche und konterrevolutionäre Politik der zaristischen Beamten und der käuflichen Bourgeoisie eröffneten den amerikanischen Kapitalisten große Aussichten auf die Ausbeutung der Reichtümer des Landes. Da die amerikanischen Organisationen mit einigem Zeitverlust auf dem russischen Markt aufgetaucht und auf die Konkurrenz anderer imperialistischer Mächte gestoßen waren, entfesselten sie in Rußland eine zügellose Propaganda im Interesse ihrer Körperschaften.
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F. L. Schumau, American Policy Toward Russia Since 1917, New York 1928, S. 31. „The Lau sing Papers", Bd. 2, S. 519.
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Nach der Februarrevolution verstärkten die amerikanischen Imperialisten ihre Tätigkeit noch weiter. Mit Billigung der volksfeindlichen Provisorischen Regierung, die unverzüglich von den USA anerkannt worden war, trafen viele „Eisenbahnexperten" mit John Stevens, dem ehemaligen Chefingenieur des PanamaKanals an der Spitze, in Rußland ein. Die ,,Eisenbahnexperten" knüpften Verbindungen zum Industrie- und Bankkapital und den militärischen Kreisen des Landes an. Sie verfaßten einen Plan zur Errichtung einer amerikanischen Kontrolle über die russischen Eisenbahnen mit dem Ziel, das Land wirtschaftlich zu unterwerfen. Die USA unterstützten bereitwillig durch Finanzierung der Provisorischen Regierung deren Kampf gegen die erstarkende proletarische Revolution. Wie J. W. Stalin schrieb, „versorgt das amerikanische Kapital die Koalition Kerenski-Miljukow-Zereteli mit Milliarden, um durch die Niederwerfung der russischen Revolution der im Westen anschwellenden revolutionären Bewegung das Wasser abzugraben." 32 Die USA-Imperialisten waren nicht minder als die Imperialisten Englands, Frankreichs und Japans daran interessiert, Rußlands weitere Teilnahme am imperialistischen Krieg zu sichern. In dieser Richtung waren die Agenten und Vertreter der amerikanischen Imperialisten tätig: Präsident Wilson, der USA-Botschafter in Rußland, Francis, der Vertreter der AFL, Gompers u. a. Nachdem sie von Francis Alarmnachrichten über die wachsende Antikriegsstimmung in Rußland erhalten hatte, beschloß die USA-Regierung, eine Sondermission unter Führung des eingefleischten Imperialisten Root, des ehemaligen Staatssekretärs, dorthin zu entsenden. Zu Mitgliedern der Mission wurden General Scott, Admiral Glennon, die Sozialverräter Charles Rüssel und der Vizepräsident der AFL, Duncan, sowie der Leiter des amerikanischen Christlichen Jungmännervereins, Mott, und einige Vertreter von Industrie- und Handelsfirmen ernannt. Die Mission Root blieb drei Monate in Rußland. Nach Rückkehr in die Vereinigten Staaten legte Root dem Staatsdepartment einen Organisationsplan für eine großangelegte Propaganda in Rußland vor und forderte für die Verwirklichung dieses Planes die Bestätigung eines Spezialbudgets von 5,5 Millionen Dollar sowie die Entsendung von Hunderten „qualifizierter Propagandisten" nach Rußland. 33
Die konterrevolutionäre Tätigkeit der USA-Agentur in Sowjetrußland Die Große Sozialistische Oktoberrevolution warf alle diese imperialistischen Pläne der amerikanischen Monopolisten über den Haufen. Die Nachrichten über die Oktoberrevolution und die ersten gesetzgeberischen Akte der Sowjetregierung riefen eine äußerst feindselige Haltung der herrschenden Kreise der imperialistischen sf J. W. Stalin, Werke, Bd. 5, S. 220. 33
Artikel von A. rynMxa, HaiajitHtm nepnofl aHTHCOBeTCKOH HHTepBenunH CIHA (1917—1918) aus: «BonpooH H C T O p r a » , 1950/3, S. 12.
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Nach der Februarrevolution verstärkten die amerikanischen Imperialisten ihre Tätigkeit noch weiter. Mit Billigung der volksfeindlichen Provisorischen Regierung, die unverzüglich von den USA anerkannt worden war, trafen viele „Eisenbahnexperten" mit John Stevens, dem ehemaligen Chefingenieur des PanamaKanals an der Spitze, in Rußland ein. Die ,,Eisenbahnexperten" knüpften Verbindungen zum Industrie- und Bankkapital und den militärischen Kreisen des Landes an. Sie verfaßten einen Plan zur Errichtung einer amerikanischen Kontrolle über die russischen Eisenbahnen mit dem Ziel, das Land wirtschaftlich zu unterwerfen. Die USA unterstützten bereitwillig durch Finanzierung der Provisorischen Regierung deren Kampf gegen die erstarkende proletarische Revolution. Wie J. W. Stalin schrieb, „versorgt das amerikanische Kapital die Koalition Kerenski-Miljukow-Zereteli mit Milliarden, um durch die Niederwerfung der russischen Revolution der im Westen anschwellenden revolutionären Bewegung das Wasser abzugraben." 32 Die USA-Imperialisten waren nicht minder als die Imperialisten Englands, Frankreichs und Japans daran interessiert, Rußlands weitere Teilnahme am imperialistischen Krieg zu sichern. In dieser Richtung waren die Agenten und Vertreter der amerikanischen Imperialisten tätig: Präsident Wilson, der USA-Botschafter in Rußland, Francis, der Vertreter der AFL, Gompers u. a. Nachdem sie von Francis Alarmnachrichten über die wachsende Antikriegsstimmung in Rußland erhalten hatte, beschloß die USA-Regierung, eine Sondermission unter Führung des eingefleischten Imperialisten Root, des ehemaligen Staatssekretärs, dorthin zu entsenden. Zu Mitgliedern der Mission wurden General Scott, Admiral Glennon, die Sozialverräter Charles Rüssel und der Vizepräsident der AFL, Duncan, sowie der Leiter des amerikanischen Christlichen Jungmännervereins, Mott, und einige Vertreter von Industrie- und Handelsfirmen ernannt. Die Mission Root blieb drei Monate in Rußland. Nach Rückkehr in die Vereinigten Staaten legte Root dem Staatsdepartment einen Organisationsplan für eine großangelegte Propaganda in Rußland vor und forderte für die Verwirklichung dieses Planes die Bestätigung eines Spezialbudgets von 5,5 Millionen Dollar sowie die Entsendung von Hunderten „qualifizierter Propagandisten" nach Rußland. 33
Die konterrevolutionäre Tätigkeit der USA-Agentur in Sowjetrußland Die Große Sozialistische Oktoberrevolution warf alle diese imperialistischen Pläne der amerikanischen Monopolisten über den Haufen. Die Nachrichten über die Oktoberrevolution und die ersten gesetzgeberischen Akte der Sowjetregierung riefen eine äußerst feindselige Haltung der herrschenden Kreise der imperialistischen sf J. W. Stalin, Werke, Bd. 5, S. 220. 33
Artikel von A. rynMxa, HaiajitHtm nepnofl aHTHCOBeTCKOH HHTepBenunH CIHA (1917—1918) aus: «BonpooH H C T O p r a » , 1950/3, S. 12.
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Länder hervor, die sich nicht damit abfinden wollten, daß die Revolution Rußland aus dem imperialistischen Lager und aus dem Krieg löste und den anderen Völkern den einzig richtigen Weg zeigte, aus dem imperialistischen Krieg herauszukommen. Die bürgerliche Presse Englands, Frankreichs, der USA und Japans begann einen Lügen- und Verleumdungsfeldzug gegen die Sowjets und verbreitete Gerüchte über angebliche „Greuel" bolschewistischen Terrors. In den USA unterstützten die korrupten Rädelsführer der A F L und die Rechtssozialisten die herrschenden Klassen in ihrem antisowjetischen Propagandafeldzug. Die nach der Revolution in Rußland verbliebenen amerikanischen Vertreter übermittelten in ihren Telegrammen eine Unmenge verleumderischer Meldungen über die vor sich gehenden Ereignisse. Die offiziellen und inoffiziellen Vertreter der USA in Rußland betätigten sich aktiv konterrevolutionär und traten dazu mit Weißgardisten und anderen Feinden der Sowjetrepublik in Verbindung. Im Inneren des Landes setzte eine Reihe amerikanischer Organisationen ihre Arbeit fort. Darunter befanden sich die Mission des Roten Kreuzes unter Leitung von Oberst Thomson, das Komitee für öffentliche Information, unter Edgar Sisson, und der von Jerome Davis geführte Christliche Verein Junger Männer. Diese Organisationen führten Spionage-, Erkundungs- und Zersetzungsarbeit durch. Das Komitee für öffentliche Information mit Creel als Vorsitzendem war zur propagandistischen Tätigkeit in den USA und in anderen Ländern von Wilson 1917 gegründet worden. Aktive Mitglieder dieser Organisation waren der USAStaatssekretär, der Kriegs- und der Marineminister. In verschiedenen Ländern waren Filialen dieses Komitees eingerichtet worden, denen Propaganda, Zensur und Spionage im Interesse der USA oblagen. Im Komitee waren Tausende von Journalisten beschäftigt. In Rußland stand das Komitee unter der Leitung des offenen Konterrevolutionärs und erfahrenen Agenten Edgar Sisson. Die Spionageund Diversionstätigkeit Sissons (und insbesondere die berüchtigten „SissonDokumente") wurden vom Staatsdepartment und von Präsident Wilson völlig gebilligt und mit allen Mitteln unterstützt. Eine der Sowjetmacht feindliche Tätigkeit entfaltete auch der Christliche Verein Junger Männer, der Millionen für antisowjetische Propaganda und für die Unterstützung der inneren Konterrevolution verausgabte. Anfang Dezember 1917 übersandte Davis, der Leiter des Christlichen Jungmännervereins in Rußland, dem Staatsdepartment einen „Aufruf" der weißgardistischen „Todesbataillone" und der Kaledin-Anhänger, worin diese die Alliierten flehentlich baten, mit Waffengewalt gegen den Sowjetstaat vorzugehen. Das amerikanische Rote Kreuz, das mit den Finanzmagnaten der USA eng liiert war, übte eine nicht minder verwerfliche konterrevolutionäre Tätigkeit aus. Bereits im Dezember 1917 entlarvten die Sowjetorgane einige Agenten des Roten Kreuzes, die unmittelbar an der Versorgung Kaledins beteiligt waren. Oberst Kalaschnikow, der frühere Sekretär der russischen Botschaft in den USA, wurde verhaftet. Er hatte unter Mithilfe von Francis versucht, 70 Automobile für Kaledin nach Rostow zu entsenden („Iswestija" vom 22., 23. und 26. Dezember 1917). Die Versuche des USA-Botschafters Francis, sich von seinem Agenten zu distanzieren, blieben erfolglos. 213
Francis mengte sich dreist in die inneren Angelegenheiten Rußlands ein. Am 19. November veröffentlichte er einen A u f r u f an das russische Volk, in dem er die Sowjetregierung angriff, das russische Volk mit einem Überfall der Deutschen zu schrecken suchte und es aufrief, den Krieg gegen Deutschland fortzusetzen. 34 Der A u f r u f von Francis war in allen Punkten mit dem Staatsdepartment und Präsident Wilson vereinbart worden. Gleichzeitig gab die USA-Regierung Anweisung, die Nahrungsmittel- und Rüstungslieferungen an Rußland solange einzustellen, wie „die Rolschewiki an der Macht bleiben und ihr Friedensprogramm aufrechterhalten." 3 6 Auf diese Weise setzten die amerikanischen Imperialisten, als geschworene Feinde Sowjjtrußlands, sofort nach dem Oktober zynisch ihre Interventionsmethoden in Szene, u m dadurch die Revolution zu erdrosseln. 1918 sprach Lenin über die anglo-amerikanischen Imperialisten als die Gendarmen und Henker der Freiheit in allen Ländern. „Es hat sich herausgestellt", sagte er, „daß die Engländer und Amerikaner als Henker und Gendarmen der russischen Freiheit auftreten, so wie diese Rolle unter dem russischen Henker Nikolaus I. durchgeführt wurde, daß sie das nicht schlechter tun als die Könige, die die Rolle von Henkern spielten, als sie die ungarische Revolution würgten. Jetzt haben die Agenten Wilsons diese Rolle übernommen. Sie erwürgen die Revolution in Österreich, sie stellen der Schweiz ein Ultimatum: wenn ihr nicht den Kampf gegen die bolschewistische Regierung aufnehmt, geben wir kein Getreide. Sie erklären Holland: wagt ja nicht, die Sowjetgesandten zuzulassen, sonst kommt die Blockade. Sie haben ein einfaches Werkzeug — den Strick des Hungers. Das ist es, womit sie die Völker würgen." 3 6 Der amerikanische Vertreter beim „alliierten" Oberkommando, Oberst Cart, schloß sich auf Anweisung des amerikanischen Botschafters Francis dem Protest der Alliierten gegen den von der Sowjetregierung mit Deutschland abgeschlossenen Waffenstillstand an. 37 Die Sowjetregierung protestierte auf das entschiedenste gegen die unverhüllte und unverfrorene Einmischung der imperialistischen Vertreter in die inneren Angelegenheiten Rußlands. Die Regierung und die bolschewistische Partei setzten konsequent und hartnäckig den Kampf um den Frieden fort und entlarvten die imperialistischen Räuber. Der Kampf um den Frieden, bemerkte Lenin, würde ein „schwieriger und hartnäckiger" Kampf sein. 38 Die Vertreter der Ententemächte und der USA in Rußland traten in direkte Verbindung mit den konterrevolutionären Gruppierungen im Inneren, mit den reaktionären zaristischen Generalen Kaledin, Kornilow, Denikin, Koltschak, Alexejew und anderen Weißgardisten; sie verfolgten die Absicht, Aufstände und 34
Francis, Russia from the American Embassy, Nr. 4, 1921, S. 173—177. 3» „Foreign Relations", 1918, Russia, Bd. I, S. 266—267. 36
3
B. H. JleHHH, COT., Bd. 28, 4. Aufl., S. 188.
' „Russian-American Relations", New York 1920, S. 53.
88
B. H. JleHHH, COT., Bd. 26, 4. Aufl., S. 282.
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eine imperialistische Intervention gegen die Sowjetmacht vorzubereiten, u m dadurch das Land zu zerstückeln und dessen Völker zu versklaven. Die amerikanischen Imperialisten setzten ihre Hoffnungen auf die weißgardistischen Generale Kaledin und Alexejew. I n amerikanischen diplomatischen Dokumenten und in der reaktionären Presse wurde oft der Name Kaledin genannt. Das USAStaatsdepartment, damals von Lansing geleitet, schlug vor, die alliierten Mächte sollten den Meuterer Kaledin finanzieren. Der Plan des Staatsdepartments wurde von Präsident Wilson gebilligt. Die USA-Botschafter in London und Paris erhielten entsprechende Direktiven. „Es bedarf f ü r Sie wohl keines Hinweises auf die Notwendigkeit" — telegraphierte Lansing dem amerikanischen Vertreter in London — „schnell zu handeln und alle, mit denen Sie verhandeln werden, darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, nicht bekannt werden zu lassen, daß die Vereinigten Staaten mit der Kaledin-Bewegung sympathisieren und sie sogar unterstützen." 3 9 Kaledin wurde von den amerikanischen Imperialisten als „der M a n n der Stunde" bezeichnet, Lansing schlug vor, in Rußland eine Militärdiktatur mit Kaledin an der Spitze zu errichten, und riet Wilson, einen Sonderbevollmächtigten zu Kaledin zu entsenden. I n Abstimmung mit diesem Plan genehmigte die New York City Bank die Auszahlung von 500 000 Dollar aus den Fonds der russischen Botschaft an Kaledin, wobei britische Agenten als Mittelsmänner benutzt wurden. Zur Herstellung eines engeren Kontakts mit Kaledin sandte Francis als seinen Agenten den Generalkonsul Poole zu ihm. Zwecks Verbindung mit der ukrainischen Rada wurde der ehemalige amerikanische Konsul in Riga, Jenkins, nach Kiew entsandt. D e r amerikanische Konsul in Moskau, Commers, führte Verhandlungen zur Übernahme der Ostchinesischen Eisenbahn durch die Amerikaner. Im F r ü h j a h r 1918 deckten die Sowjetorgane die Verschwörung der „alliierten Gesandten" auf, unter denen die amerikanischen Vertreter, darunter der USA-Botschafter in Peking, die führende Rolle spielten. Sie unterstützten in jeder Weise die „Provisorische Regierung des autonomen Sibiriens", die sich unter dem Sozialrevolutionär Derber, einem Werkzeug der USA-Imperialisten, in Charbin konstituierte. Diese „Regierung" verkündete ein politisches Programm, das Forderungen nach einer Festigung von „Gesetz und Ordnung" beinhaltete, um das Privateigent u m wiederherzustellen, den bewaffneten Kampf gegen die Bolschewiki zu organisieren, die Konstituierende Versammlung einzuberufen, die Friedenspolitik der Sowjetmacht aktiv zu bekämpfen usw. Dieses Programm entsprach vollkommen der Politik Wilsons und der amerikanischen Monopolherren. M i t USA-Geldern sollte Derber eine „FreiwilligenArmee" zum Kampf gegen die Sowjetmacht organisieren. Dieser Plan scheiterte jedoch; die Arbeiter und Bauern Sibiriens liquidierten Derber und seine Bande in kurzer Zeit. Genosse Stalin warnte vor den imperialistischen Agenten, diese „. . . jagen durch alle Länder von Finnland bis zum Kaukasus, von Sibirien bis nach Turkestan, versorgen die Konterrevolutionäre, zetteln räuberische Verschwörungen an, 38
„The Lansing Papers", Bd. 2, S. 345—346.
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organisieren einen Feldzug gegen Sowjetrußland und schmieden Ketten f ü r die Völker des Westens." 40 Auf der Suche nach Kräften, die imstande wären, die Konterrevolution zu unterstützen und die Sowjetmacht zu erdrosseln, klammerten sich die „Alliierten" an die Bereitschaft Japans, seine Truppen nach Sibirien zu entsenden. Schon am 1. Dezember 1917 bewies Clemenceau Oberst House, wie wünschenswert eine japanische Intervention sei. Die Verwirklichung dieses Planes zog sich jedoch wegen der Meinungsverschiedenheiten zwischen Japan und den USA noch einige Zeit hin. Die USA-Regierung, die schon in der Vergangenheit versucht hatte, ihre Expansionspläne durch ein Ausspielen Japans gegen Rußland, Korea und China in die T a t umzusetzen, w a r auch jetzt durchaus geneigt, mit Hilfe der Japaner die russische Revolution zu ersticken. Davon zeugt das Abkommen Lansing-Ishii, das im November 1917 unterzeichnet wurde, obwohl die USA befürchten mußten, dabei ihre führende Rolle in der Intervention einzubüßen. Die Wahlen zur Konstituierenden Versammlung fesselten die Aufmerksamkeit der imperialistischen Feinde der Sowjetrepublik und ihrer Agenten innerhalb des Landes. Francis schlug den Botschaftern der Alliierten vor, sich mit einer allgemeinen Erklärung an das russische Volk zu wenden, in der es a u f g e r u f e n wird, eine des Vertrauens der Alliierten „würdige" Regierung einzusetzen. 41 Am Tage vor der E r ö f f n u n g der Versammlung überredete Francis das diplomatische Korps, dessen Doyen er war, zu einem gemeinsamen Besuch der Versammlung. Ein solcher Besuch konnte lediglich ein Ziel haben: Unterstützung der antisowjetischen Elemente in ihrem Kampf gegen den proletarischen Staat. Die Imperialisten beherrschte n u r der eine Gedanke, die Macht der Bourgeoisie und der Gutsbesitzer in Rußland wiederherzustellen. Ebenso, wie die Rädelsführer der inneren Konterrevolution, verstanden sie sehr wohl, daß „mit der Losung ,Alle Macht der Konstituante!' die Losung ,Nieder mit der Sowjetmacht!' verhüllt wird." 4 2 Jedoch erwartete sie bald eine bittere Enttäuschung. Am 18. J a n u a r 1918 wurde die Konstituierende Versammlung, die es abgelehnt hatte, die Dekrete des zweiten Sowjetkongresses über den Frieden, über den Grund und Boden und über den Übergang der Macht an die Sowjets zu bestätigen, durch ein Dekret des Rates der Volkskommissare aufgelöst. I n seiner Rede über die Auflösung der Konstituierenden Versammlung erklärte Lenin: „Das Volk wollte die E i n b e r u f u n g der Konstituierenden Versammlung, und wir haben sie einberufen. Das Volk merkte aber sofort, was diese berühmte Konstituierende Versammlung darstellt. Und jetzt haben wir den Willen des Volkes ausgeführt, der lautet: ,Alle Macht den Sowjets!'." 4 3 Ebenso scheiterten die Versuche der herrschenden Kreise der „alliierten" Mächte und der USA, die zum Abschluß des Brester Friedens führenden Verhandlungen «> J. W. Stalin, Werke, Bd. 4, S. 158. 41
„Foreign Relations", 1918, Russia. Bd. I, S. 301—302.
42
Lenin-Stalin, Das Jahr 1917, Dietz Verlag, Berlin 1950, S. 790.
43
Ebenda, S. 789.
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zu hintertreiben und den außergewöhnlichen Eindruck zu verwischen, den das sowjetische Dekret über den Frieden auf die durch den vierjährigen imperialistischen Krieg erschöpften werktätigen Massen aller Länder ausübte. Um den Einfluß der Bolschewiki zu brechen, die für einen gerechten und demokratischen Frieden kämpften, bestanden die USA-Vertreter in Rußland auf der Abgabe einer scheinheiligen Erklärung über die „friedlichen" Ziele der USA durch Wilson. Am 3. Januar 1918 wandte sich Francis auf telegraphischem Wege unmittelbar an Wilson mit der Bitte, eine Deklaration der Kriegsziele und einen Aufruf an das russische Volk zu erlassen. Der amerikanische Militärattache in Rußland, Hudson, und der Botschafter in Japan, Morris, der eine große Rolle bei der Organisierung der Intervention im Fernen Osten spielte, überzeugten den Präsidenten Wilson ebenfalls von der Notwendigkeit, eine solche Erklärung abzugeben, um die steigende Wirkung des bolschewistischen Dekrets über den Frieden auf die werktätigen Massen aller Länder einzudämmen. So entstanden die „14 Punkte" Wilsons als eine verhüllte Charta imperialistischer Raubpolitik. Die „14 Punkte" waren ein Programm zur Erdrosselung der Sowjetrepublik im Interesse amerikanischer Magnaten, zur Vernichtung der revolutionären Bewegung in den kapitalistischen Ländern und der nationalen Befreiungsbewegung in den Kolonien und Halbkolonien; sie stellten ein Programm zur Errichtung der Weltherrschaft der USA dar. Die „14 Punkte" wurden in einer Kongreßbotschaft des Präsidenten vom 8. Januar 1918 dargelegt. Um sie richtig zu verstehen, muß man auch die offiziellen Kommentare berücksichtigen, die House und Lippmann zu diesen Punkten zusammenstellten. Der sechste Punkt wurde folgendermaßen ausgelegt: „Zuerst erhebt sich die Frage, ob das „russische Territorium" synonym mit dem Begriff des Territoriums ist, das dem früheren Russischen Reich gehörte. Natürlich ist es nicht so, denn der Punkt X I I I bedingt die Unabhängigkeit Polens; diese aber schließt eine territoriale Wiederherstellung des Russischen Reiches aus. Das, was für die Polen als richtig anerkannt ist, muß unzweifelhaft auch für die Finnen, die Litauer, die Letten und vielleicht auch für die Ukrainer als richtig anerkannt werden". Und weiter heißt es: „Wahrscheinlich muß man den Kaukasus als einen Teil des türkischen Problems ansehen. Es gibt keine Information, nach der sich eine Meinung über die richtige Politik in bezug auf die Mohammedaner Rußlands, kurz gesagt in bezug auf Mittelasien, bilden ließe. Es ist durchaus möglich, daß man irgendeiner Macht auf der Grundlage eines Protektorats ein begrenztes Verwaltungs-Mandat verleihen muß," 41 Präsident Wilson war als Vertreter der amerikanischen Imperialisten sogar um das Schicksal Großrußlands und Sibiriens „besorgt". „Was Großrußland und Sibirien angeht" — hieß es in den Kommentaren — „so müßte man der Friedenskonferenz eine Botschaft zuleiten, worin vorgeschlagen wird, eine Regierung 44
«Apxm nojncoBHHKa Xay3a», Bd. IV, S. 151—153. 217
zu schaffen, die ausreichend legitimiert ist, im Namen dieser Territorien aufzutreten." 45 Der Sinn dieser Kommentare ist völlig klar. Es ging um die Zerstückelung Rußlands, um die Vernichtung der Revolution; es ging um die Wiederherstellung der Macht der Bourgeoisie und der Gutsbesitzer und um die Unterjochung der Völker Rußlands. Dieses Programm bildete nicht nur die Grundlage der „Rußland"-Politik der bürgerlichen USA-Politiker, sondern auch der maßgeblichen Imperialisten einiger anderer Länder. Unter ihnen ragte besonders der offene Interventionist und „größte Hasser Sowjetrußlands" —• Churchill —- hervor.48 Es genügt, die „Kommentare" von House mit dem Original Wilsons zu vergleichen, um sich von der Heuchelei, der Scheinheiligkeit und der Treubrüchigkeit der Politik der USA-Regierung zu überzeugen. In seinem „Brief an die amerikanischen Arbeiter" brandmarkte Lenin die amerikanische Reaktion voller Verachtung und Empörung. Er schrieb: „Gerade jetzt haben die amerikanischen Milliardäre, diese modernen Sklavenhalter, eine besonders tragische Seite in der blutgetränkten Geschichte des blutrünstigen Imperialismus aufgeschlagen . . . Aber zugleich wurde Amerika auch eines der ersten Länder nach der Tiefe des Abgrundes zwischen einer Handvoll skrupellosester, in Unrat und Luxus erstickender Milliardäre einerseits und den Millionen der ewig an der Grenze des Elends lebenden Werktätigen andererseits. Das amerikanische Volk, das der Welt das Vorbild eines revolutionären Krieges gegen die feudale Sklaverei gegeben hatte, geriet in die moderne, kapitalistische Lohnsklaverei unter einer Handvoll Milliardäre und kam so dazu, die Rolle des gedungenen Henkers zu spielen, der dem reichen Gesindel zuliebe im Jahre 1898 unter dem Vorwand der „Befreiung" die Philippinen abgewürgt hat und der 1918 die russische sozialistische Republik würgt, unter dem Verwand, sie vor den Deutschen zu „schützen".47 Die Heuchelei der Wilsonschen Diplomatie geht besonders klar aus der Grußbotschaft hervor, die er am 11. März 1918 dem IV. Allrussischen Sowjetkongreß übermittelte und worin er dem russischen Volk sein heißes „Mitgefühl" anläßlich der brutalen Einmischung Deutschlands in seine inneren Angelegenheiten aussprach ; gleichzeitig bedauerte er, daß die USA im gegebenen Augenblick nicht in der Lage wären, effektive Hilfe zu leisten, daß sie aber hofften, dies in Zukunft tun zu können.48 Sinn dieses Dokumentes war es, auf die Entscheidung des Sowjetkongresses einzuwirken und jene Elemente zu unterstützen, die gegen Lenin und Stalin auftraten. Am 15. März 1918 ratifizierte der IV. Allrussische Sowjetkongreß den Friedensvertrag mit Deutschland. Am 16. März veröffentlichte die „Iswestija" 45
«ApxHB nojncoBHHKa Xay3a», Bd. IV, S. 152.
48
B. H. JleHHH, COT.. Bd. 3 1 , 4 . Aufl., S. 298.
47
W. I. Lenin, Brief an die amerikanischen Arbeiter, Dietz Verlag, Berlin 1948, S. 3—4.
48
B. H. JleHHH, COT., Bd. 27, 4. Aufl., S. 145.
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die Antwort des Kongresses auf das provokatorische Telegramm Wilsons. Sie lautete: „Die russische Sowjetrepublik, die ein neutrales Land geworden ist, benutzt die Botschaft des Präsidenten Wilson, um allen Völkern, die unter den Schrecken des imperialistischen Krieges zugrunde gehen und leiden, das heißeste Mitgefühl auszusprechen und der festen Überzeugung Ausdruck zu geben, daß die glückliche Zeit nicht mehr fern ist, da die werktätigen Massen aller bürgerlichen Länder das Joch des Kapitals abwerfen und eine sozialistische Gesellschaftsordnung errichten werden, die allein imstande ist, einen dauerhaften Frieden sowie die Kultur und den Wohlstand aller Werktätigen zu sichern." 49 Der Abschluß des Brester Friedens, der die imperialistischen Pläne der „Alliierten" und der USA durchkreuzte, zwang sie, die Formen und Methoden der Intervention zu ändern. Sie nahmen nunmehr Kurs auf eine direkte, bewaffnete Einmischung. Die Wilson-Regierung organisierte gemeinsam mit England, Frankreich und Japan einen räuberischen Feldzug gegen die junge sozialistische Sowjetrepublik. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Pläne zu einer bewaffneten Intervention, die auf eine Erdrosselung der Sowjetrepublik und die Unterdrückung der Völker unseres Landes hinzielten, traten die USA als Hauptinitiator und aktivster Teilnehmer auf.
Der Beginn der Intervention und die Gegensätze im Lager der Interventen I n den Interventionsplänen der „Alliierten", besonders aber in den Plänen der amerikanischen Expansionisten, nahmen der Ferne Osten und Sibirien eine Sonderstellung ein. Die USA trugen sich, wie schon erwähnt, mit großangelegten Eroberungsplänen in Sibirien und im Fernen Osten. I m Prinzip war die Frage der bewaffneten Einmischung in die inneren Angelegenheiten Rußlands unmittelbar nach der Oktoberrevolution entschieden worden. Jedoch verzögerte sich die Verwirklichung dieses Beschlusses angesichts der Verlängerung des Krieges an der Westfront sowie der Versuche der „Alliierten" und der USA, die Friedensverhandlungen Sowjetrußlands zu hintertreiben und letzteres aufs neue in den Krieg gegen Deutschland hineinzuziehen. Die Vorbereitung der bewaffneten Intervention begann schon in den ersten Tagen der Oktoberrevolution. Das Abkommen Lansing-Ishii bewies, daß die USA sogar bereit waren, ihren Rivalen Japan bei der Verwirklichung ihrer Eroberungsziele im russischen Fernen Osten einzuspannen. Während der Verhandlungen wurde auch die Möglichkeit erwogen, chinesische Kolonialtruppen gegen Rußland einzusetzen. Auf der Konferenz der „Alliierten" und der USA im November und Dezember 1917, bei der es um die Frage des aktiven bewaffneten Kampfes gegen das Sowjetland ging, wurde beschlossen, das Sowjetterritorium in „Einflußspären" aufzuteilen: England erhielt Transkaukasien, Mittelasien, den Nordkaukasus und 49
B. H.
JLEHQH, O L ,
Bd. 27, 4. Aufl., S. 145.
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die Antwort des Kongresses auf das provokatorische Telegramm Wilsons. Sie lautete: „Die russische Sowjetrepublik, die ein neutrales Land geworden ist, benutzt die Botschaft des Präsidenten Wilson, um allen Völkern, die unter den Schrecken des imperialistischen Krieges zugrunde gehen und leiden, das heißeste Mitgefühl auszusprechen und der festen Überzeugung Ausdruck zu geben, daß die glückliche Zeit nicht mehr fern ist, da die werktätigen Massen aller bürgerlichen Länder das Joch des Kapitals abwerfen und eine sozialistische Gesellschaftsordnung errichten werden, die allein imstande ist, einen dauerhaften Frieden sowie die Kultur und den Wohlstand aller Werktätigen zu sichern." 49 Der Abschluß des Brester Friedens, der die imperialistischen Pläne der „Alliierten" und der USA durchkreuzte, zwang sie, die Formen und Methoden der Intervention zu ändern. Sie nahmen nunmehr Kurs auf eine direkte, bewaffnete Einmischung. Die Wilson-Regierung organisierte gemeinsam mit England, Frankreich und Japan einen räuberischen Feldzug gegen die junge sozialistische Sowjetrepublik. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Pläne zu einer bewaffneten Intervention, die auf eine Erdrosselung der Sowjetrepublik und die Unterdrückung der Völker unseres Landes hinzielten, traten die USA als Hauptinitiator und aktivster Teilnehmer auf.
Der Beginn der Intervention und die Gegensätze im Lager der Interventen I n den Interventionsplänen der „Alliierten", besonders aber in den Plänen der amerikanischen Expansionisten, nahmen der Ferne Osten und Sibirien eine Sonderstellung ein. Die USA trugen sich, wie schon erwähnt, mit großangelegten Eroberungsplänen in Sibirien und im Fernen Osten. I m Prinzip war die Frage der bewaffneten Einmischung in die inneren Angelegenheiten Rußlands unmittelbar nach der Oktoberrevolution entschieden worden. Jedoch verzögerte sich die Verwirklichung dieses Beschlusses angesichts der Verlängerung des Krieges an der Westfront sowie der Versuche der „Alliierten" und der USA, die Friedensverhandlungen Sowjetrußlands zu hintertreiben und letzteres aufs neue in den Krieg gegen Deutschland hineinzuziehen. Die Vorbereitung der bewaffneten Intervention begann schon in den ersten Tagen der Oktoberrevolution. Das Abkommen Lansing-Ishii bewies, daß die USA sogar bereit waren, ihren Rivalen Japan bei der Verwirklichung ihrer Eroberungsziele im russischen Fernen Osten einzuspannen. Während der Verhandlungen wurde auch die Möglichkeit erwogen, chinesische Kolonialtruppen gegen Rußland einzusetzen. Auf der Konferenz der „Alliierten" und der USA im November und Dezember 1917, bei der es um die Frage des aktiven bewaffneten Kampfes gegen das Sowjetland ging, wurde beschlossen, das Sowjetterritorium in „Einflußspären" aufzuteilen: England erhielt Transkaukasien, Mittelasien, den Nordkaukasus und 49
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den nördlichen Landesteil von Murmansk bis zum Ural; Frankreich wurde Handlungsfreiheit in der Ukraine, in Bessarabien und auf der Krim gewährt, die USA und Japan teilten sich Sibirien und den Fernen Osten. Die Imperialisten der USA, Englands, Frankreichs, Japans und Italiens erstrebten, nach Ablehnung aller Friedensvorschläge der Sowjetregierung, die Vernichtung der jungen Sowjetrepublik, die Aufteilung ihres Territoriums und Wiederherstellung des einheitlichen kapitalistischen Systems. „Aber gerade die englisch-französische und die amerikanische Bourgeoisie nahm unseren Vorschlag nicht an"—schrieb Lenin—,,.. .gerade sie übte an den Interessen aller Völker Verrat, gerade sie zog das imperialistische Gemetzel in dieLänge!" 50 Die herrschenden Kreise Englands und Frankreichs hielten es für möglich, dem Beginn des bewaffneten Kampfes durch Japan zuzustimmen, ehe die „alliierten" Truppen ihre Operationen im Westen beendet hatten. Schon am 1. November 1917 konsultierte das USA-Staatsdepartment die Meinung Englands über die Zweckmäßigkeit, japanische Truppen gegen Rußland einzusetzen. Der englische Botschafter teilte mit, daß für den Fall von Aktionen der Japaner Lloyd George ihnen größtmögliche Unterstützung versprochen habe. 51 Lloyd George hielt die Besetzung von Wladiwostok und die Übernahme der Kontrolle der Sibirischen Eisenbahn durch die „Alliierten" für erforderlich. Schon im Dezember war man in den USA über die bevorstehende Landung der Japaner in Wladiwostok informiert. Der USA-Botschafter in Japan, Morris, teilte am 14. Dezember mit, daß alle Vorbereitungen zur Entsendung von japanischen Truppen nach Charbin und Wladiwostok beendet seien. Weiterhin teilte er mit, daß die japanische Regierung, anscheinend mit dem Einverständnis Englands, einen Kreuzer nach Wladiwostok zu schicken gedenke.62 Diese Mitteilung entsprach der Wirklichkeit. Am 4. Januar 1918 beschloß die japanische Regierung, ein Kriegsschiff nach Wladiwostok zu entsenden. Beinahe zur selben Zeit faßte die englische Regierung einen gleichen Beschluß, und die USA ordneten die Entsendung des Kriegsschiffes „Brooklyn" von Manila nach Jokohama an. Am 12. Januar entsandte Japan das Panzerschiff „Iwami", und bald darauf den Kreuzer „Asahi" in den Hafen von Wladiwostok. Die japanischen Imperialisten erklärten zynisch, daß diese Maßnahme nur durch den einen Wunsch diktiert sei, die „Ordnung" aufrechtzuerhalten sowie die Interessen und das Leben der japanischen Bürger zu schützen. Gleichzeitig drückte Japan die Hoffnung aus, daß die USA diese Mission zur „Aufrechterhaltung der Ordnung" den Japanern allein zubilligen möchten; falls die Amerikaner aber eigene Truppen landen würden, so „wäre das japanische Volk dadurch gekränkt, daß sich andere mit einer Angelegenheit befassen, die ihm selbst rechtmäßig zustehe." 53 W. I. Lenin, Brief an die amerikanischen Arbeiter, Dietz Verlag, Berlin 1948, S. 5. „Foreign Relations", 1918, Russia, Bd. II, S. 1. 52 Ebenda, S. 7, 8, 9. " Ebenda, S. 30.
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Die Engländer sandten den Kreuzer „Suffolk" nach dem H a f e n von Wladiwostok. Die Interventen „beruhigten" die Bevölkerung mit zynischen Erklärungen über die Notwendigkeit, „die Ordnung aufrechtzuerhalten". Jedoch plauderten einige aufrichtigere japanische Imperialisten die wahren Ziele ihrer Interventionspolitik aus. Japans Premierminister Terauchi und der Minister f ü r Auswärtige Angelegenheiten Motono erklärten in einem Gespräch m i t dem amerikanischen Journalisten Colleman: „Es wäre f ü r Japan zwecklos, in Wladiwostok Truppen zu landen, wenn es nicht versuche, die Sibirische Eisenbahn bis Irkutsk in die Hand zu bekommen. Durch die Besetzung von Wladiwostok und der Sibirischen Eisenbahn bis Irkutsk wird Sibirien vor einer deutschen Bedrohung gesichert. Vor allem aber wird die japanische Armee in Sibirien der Schaffung einer neuen russischen Armee dienen. Die Schaffung dieser Armee wird bei Vorhandensein eines festen Kerns und einer Verteidigungslinie eine sehr leichte Sache werden." 5 4 Ende Januar und A n f a n g Februar wandte sich das englische Außenministerium an das USA-Staatsdepartment mit nachdrücklichen Vorschlägen über die Besetzung der Sibirischen Eisenbahn mit japanischer Hilfe. Die französische Regier u n g schloß sich diesen Vorschlägen an, da sie der Meinung war, m a n müsse den Japanern in Sibirien und im Fernen Osten volle Handlungsfreiheit gewähren. Es ist völlig klar, daß das Hauptziel der Intervention in der Vernichtung der Sowjetrepublik bestand. Die Interventen wurden durch die Angst vor der Revolution und vor ihrem Einfluß auf die werktätigen Massen der imperialistischen Länder sowie auf die unterdrückten Kolonialvölker zum Kampf gegen die Sowjetmacht getrieben. „Sie" (die Kapitalisten) — schrieb Lenin — „denken n u r an eins: daß ja nicht Funken unseres Brandes auf ihre Dächer fallen. Aber m a n kann sich nicht durch eine chinesische Mauer von Rußland abgrenzen." 5 5 Das begriffen alle offenen und geheimen Feinde des revolutionären Rußlands sehr wohl. Einer der in Rußland anwesenden holländischen Bevollmächtigten schrieb seinem Außenminister: „Ich bin der Ansicht, daß die unverzügliche Unterdrückung des Bolschewismus die wichtigste aller auf der Welt zu lösenden A u f gaben ist, einschließlich der des noch andauernden Krieges. W e n n der Bolschewismus nicht sofort im Keim erstickt wird, so wird er sich unvermeidlich in dieser oder jener Form über Europa und die ganze Welt ausbreiten . . . Das einzige Mittel, wodurch m a n diese Gefahr abwenden kann, ist die D u r c h f ü h r u n g von gemeinsamen Aktionen aller Mächte." 6 6 Ähnliche Gründe f ü h r t e n die Botschafter und Konsuln der USA, Englands, Frankreichs und Japans in ihren Berichten an. Es lag im Interesse Englands und Frankreichs, die Intervention mit H i l f e japanischer Soldaten durchzuführen, da diese Staaten den revolutionären Einfluß Rußlands auf die von ihnen unterdrückten Kolonialvölker über alles fürchteten. 64
Colleman, Japan moves North, S. 50.
55
B. H. JICHHH, Coi., B. 26, 4. Aufl., S. 467. 50 „Foreign Relations", 1918, Russia, Bd. I, S. 678—679.
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I n den herrschenden Kreisen der USA waren viele geneigt, Japan die Möglichkeit zu gewähren, von sich aus die bewaffnete Intervention in Sibirien zu beginnen. Der militärische Sachverständige der USA, General Bliss, der auf einer Sitzung des Obersten Rates der Entente über die D u r c h f ü h r u n g der Intervention im Fernen Osten referierte, sprach sich offen dafür aus, Japan mit der Besetzung der Transsibirischen Bahn zu betrauen. Am 20. Februar sandte er dem Stabschef der amerikanischen Armee, General March, ein Schreiben, in dem er seine Ansichten über die Notwendigkeit darlegte, im Fernen Osten eine bewaffnete Intervention mit H i l f e der Japaner zu beginnen. Bliss wies nach, daß die Invasion der Japaner in Sibirien eine Konsolidierung der antisowjetischen Kräfte gegen den Bolschewismus mit sich bringen müsse. Der Generalkonsul der USA in Moskau drang ebenfalls mehrfach beim Staatsdepartment auf die Teilnahme der USA an der bewaffneten Intervention der Großmächte in Sibirien. So schrieb er am 22. Februar 1918: ,,. . . I n aller Aufrichtigkeit lenke ich erneut die Aufmerksamkeit des Ministeriums auf die Notwendigkeit einer schnellen und energischen Aktion der Verbündeten in Sibirien. Es ist unbedingt erforderlich, daß die USA sofort Operationen an der Sibirischen Eisenbahn einleiten . . ." 67 Staatssekretär Lansing teilte am 27. Februar Wilson mit, daß er es f ü r möglich halte, Japans Aktionen unter der Bedingung zu billigen, daß seine Truppen bis zum Ural vorstießen. 58 Wilson genehmigte die Vorschläge Lansings mit der Einschränkung, daß die Sibirienfrage erst auf der Friedenskonferenz endgültig entschieden werden solle. Obwohl sich die herrschenden USA-Kreise gern Japans f ü r die bewaffnete Intervention in Sibirien bedienen wollten, befürchteten sie dennoch, daß die Japaner Sibirien und den Fernen Osten f ü r sich selbst erobern, sich dort festsetzen und damit alle USA-Pläne zur Beherrschung der Reichtümer Sibiriens und des Fernen Ostens im Interesse der amerikanischen Monopole über den H a u f e n werfen könnten. Hieraus erklärt sich das Bedenken der USA, Japan das ausschließliche Recht auf D u r c h f ü h r u n g der Intervention im Fernen Osten zuzuerkennen; auch die langwierigen Verhandlungen, die zwischen den „Alliierten" und den USA über die Intervention geführt wurden, resultierten daraus. Der abgrundtiefe H a ß gegen das revolutionäre Rußland und das Bestreben, die Sowjetmacht mit Waffengewalt zu stürzen, u m die Bedingungen f ü r eine koloniale Unterdrückung des Landes zu schaffen, f ü h r t e n Wilson jedoch dazu, sich mit Japan und den anderen imperialistischen Räubern über eine gemeinsame bewaffnete Intervention zu einigen. Lenin machte mehrfach auf die zwischen Japan und den USA i m Fernen Osten bestehenden Gegensätze aufmerksam, die im Kampf gegen die imperialistischen 57
68
«CoBeTCKO -aMepHKaHCKHe OTHomeHna» (1919—1939). Dokumentensammhmg, Nr. 9, 1934, Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten, S. 11. „The Lansing Papers", Bd. II, S. 353—355.
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Interventen geschickt ausgenützt werden müßten. Gleichzeitig wies er darauf hin, daß . . . „imperialistische Mächtegruppierungen, wie dauerhaft sie auch scheinen mögen, in wenigen Tagen über den H a u f e n geworfen sein können, wenn das die Interessen des heiligen Privateigentums, die heiligen Rechte auf Konzessionen usw. erheischen." 69 England und Frankreich bestanden weiterhin darauf, die bewaffnete Intervention in Sibirien und i m Fernen Osten von Japan allein durchführen zu lassen. Am 11. März 1918 schlug die englische Regierung Japan offiziell vor, selbständig in Sibirien einzumarschieren. In dem von England vorgeschlagenen Plan war die Besetzung Sibiriens bis zum Ural vorgesehen. 60 A m nächsten T a g gab die f r a n zösische Regierung eine Note heraus, in der auf die Notwendigkeit baldiger Aktionen hingewiesen wurde. 6 1 Am 15. März sandte der Oberste Rat der Entente über ß a l f o u r an Wilson den Beschluß über die Zweckmäßigkeit, Sibirien unverzüglich durch japanische Streitkräfte besetzen zu lassen. Balfour bat Wilson, sich diesem Beschluß anzuschließen. 62 Die englische Regierung zeigte sich in dieser Frage besonders hartnäckig. England versuchte dabei, Japan nicht n u r zur Vernichtung der Sowjetmacht einzusetzen, sondern auch zur Schwächung seines neuen imperialistischen Rivalen — der USA. Wilson, der die Interessen der Industrie- und Finanz-Oligarchie vertrat, war bereit, in Zusammenarbeit mit anderen Mächten eine bewaffnete Intervention in Sibirien durchzuführen, aber n u r unter der Bedingung, daß dabei die USA die führende Rolle innehätten. So verlief der Kuhhandel der imperialistischen Räuber bezüglich der bewaffneten Intervention i m Fernen Osten in einer Atmosphäre des gegenseitigen Mißtrauens. Dennoch verschwanden durch den H a ß gegen Sowjetrußland und die Furcht vor der Verbreitung der Revolution alle im imperialistischen Lager vorhandenen Gegensätze von der Tagesordnung. „ I m Hinblick auf eine Intervention in Sibirien" — schrieb Lloyd George — „hatten wir jedoch mit dem amerikanischen Mißtrauen gegen Japan zu rechnen, dem man Absichten auf das Festland von Asien unterstellte, was nicht ganz ohne Grund geschah, wie spätere Ereignisse gezeigt haben." 5 3 Z u r Rechtfertigung ihrer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Sowjetrußlands setzten die „Alliierten" die Version in Umlauf, daß die Sowjetregierung angeblich die Kriegsgefangenen zum Kampf gegen die Entente bewaffne. Die Konsuln der „Alliierten" und der U S A sorgten intensiv f ü r die Verbreitung dieser Gerüchte. Die größte Aktivität entfaltete jedoch in dieser Beziehung das imperialistische Japan, das bestrebt war, auf jeden Fall militärische Aktionen in Sibirien vor dem Abschluß der Verhandlungen mit den USA über ein gemeinsames Vorgehen im Fernen Osten zu eröffnen. Die Japaner hofften, dadurch 69
B. H. JleHHH, O l . , Bd. 27, 4. Aufl., S. 532.
80
„Foreign Relations", Russia, 1918, Bd. II, S. 75—77. ei Ebenda, S. 80. 62 D. IJoyd George, Mein Anteil am Weltkrieg, Dt. Berlin 1935, Bd. III, S. 471—472. »3 Ebenda, S. 476/77.
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Ausgangsstellungen in Sibirien zu gewinnen, die ihre Lage gegenüber den anderen imperialistischen Konkurrenten, insbesondere den USA, verbessern sollten. A m 5. April landeten japanische Heeres- und Marineeinheiten in Wladiwostok. A m selben Tage landete dort auch eine kleinere Abteilung englischer MarineInfanterie. D e r Ausschiffung japanischer Truppen ging die übliche Provokation voraus: am 4. April wurden von unbekannten Tätern zwei Japaner in Wladiwostok getötet. Admiral Kato, der Befehlshaber des japanischen Geschwaders, wandte sich mit einem A u f r u f an die Bevölkerung von Wladiwostok, in der er erklärte, die Landung erfolge, u m die Gefahr abzuwenden, die angeblich Leben und Eigentum der japanischen Bürger bedrohe. Die Regierung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik legte sofort bei den Entente-Vertretern in Petrograd Protest ein und veröffentlichte am 5. April eine Erklärung, die die japanische Version über die Ursachen der Truppenlandungen als eine seit langem vorbereitete Provokation entlarvte. „Der Gang der Ereignisse" — hieß es in diesem Dokument — „läßt keinen Zweifel darüber bestehen, daß alles rechtzeitig vorbereitet war, und daß der provokatorische Mord an den beiden Japanern n u r einen notwendigen Teil dieser Vorbereitung darstellte. So ist also der längst vorbereitete imperialistische Schlag im Osten ausgelöst worden. Japans Imperialisten wollen die Sowjetrevolution erdrosseln, Rußland vom Stillen Ozean abschneiden, die reichen Ebenen Sibiriens erobern und die sibirischen Arbeiter und Bauern unterjochen." 6 4 Die diplomatischen Vertreter Englands, Frankreichs und der U S A leugneten dreist die Verbindung ihrer Vertretungen mit den japanischen Aktionen in Wladiwostok. Der Vertreter Englands in Moskau, Lockhart, erklärte, die englische Regierung bäte ihn, „der russischen Regierung zu versichern: diese Landung bezwecke ausschließlich, Leben und Eigentum der ausländischen Staatsbürger in Wladiwostok zu schützen, sie könne nicht anders betrachtet werden als einzig und allein auf Erreichung dieses Zieles gerichtet." 85 . Der französische Vertreter sali die japanische Aktion als „eine ganz natürliche Polizeimaßnahme" an. Der amerikanische Botschafter, Francis, der sich in Wologda befand, erklärte zynisch, daß die von Japan in Wladiwostok getroffenen M a ß n a h m e n „nur dem Schutz von Leben und Eigentum der japanischen Untertanen" dienten. 86 Am 7. April sandten Lenin und Stalin ein Telegramm an den Sowjet von Wladiwostok, in dem sie zum energischen Kampf gegen die Interventen aufriefen. „ W i r halten die Lage f ü r äußerst ernst" — hieß es in dieser Direktive — „und warnen die Genossen aufs dringendste. Macht Euch keine Illusionen: die Japaner werden sicher angreifen. Das ist unvermeidlich. Ihnen werden wahrscheinlich ausnahmslos alle Alliierten helfen. D a r u m m u ß m a n beginnen, sich ohne die geringste Verzögerung vorzubereiten, und zwar ernsthaft vorzubereiten, mit 64
«H3BecraH» vom 6. April 1918.
65
«H3BeCTHH» vom 11. April 1918.
66
Ebenda.
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ganzer K r a f t vorzubereiten."® 7 Trotz dieser Beurteilung der Lage unterließ die Sowjetregierung nicht den Versuch, mit Japan zu verhandeln. Aber die japanischen Imperialisten zeigten keine Bereitschaft, Verhandlungen zu f ü h r e n ; sie waren bestrebt, ihre Eroberungspläne durch eine bewaffnete Intervention zu verwirklichen. Nach der japanischen L a n d u n g in Wladiwostok begann in England, in Frankreich und in den USA eine Pressekampagne f ü r eine gemeinsame Intervention im Sowjetischen Fernen Osten. Als heuchlerischer Vorwand dazu sollte der „Kampf gegen die Deutschen" von Osten aus dienen. M a n gewährte den russischen Weißgardisten umfassende Hilfe, während die diplomatischen Vertreter Englands, Frankreichs und der USA als Spione, Diversanten und Mörder auftraten. Der französische Botschafter Noulens, der englische diplomatische Vertreter Lockhart, der amerikanische Botschafter Francis und andere USA-Vertreter leiteten die Diversionstätigkeit, sie bereiteten Morde an sowjetischen Funktionären vor und organisierten Verschwörungen mit dem Ziel, die Sowjetmacht zu stürzen. Ende August 1918 fand beim USA-Generalkonsul in Moskau, Poole, eine Beratung statt, in der die Sprengung der Eisenbahnbrücke über den Wolchow erörtert wurde, u m die Einwohner von Petrograd völlig dem H u n g e r auszuliefern. Als unmittelbarer Vollstrecker dieser frevlerischen T a t w a r der englische Leutnant Reilly vorgesehen, der an den konterrevolutionären Verschwörungen aktiv teilnahm. D e r USA-Generalkonsul in Moskau, Poole, der an die Stelle von Commers getreten war, sowie der USA-Generalkonsul in Sibirien, Harris, waren unablässig bemüht, den Beginn des bewaffneten Kampfes gegen die Sowjetmacht zu beschleunigen. Francis, der an den konterrevolutionären Verschwörungen in Rußland teilnahm, sandte gleichzeitig lügenhafte und verleumderische Berichte in die Vereinigten Staaten, u m dadurch die bewaffnete Intervention zu beschleunigen. Nach der Landung der Japaner in Wladiwostok wurde er nicht müde, das Staatsdepartment von der Notwendigkeit zu überzeugen, unverzüglich Streitkräfte nach dem Fernen Osten zu entsenden. Generalkonsul Poole teilte wider besseres Wissen mit, daß die Bevölkerung Rußlands eine Intervention „erwarte"; er entwarf räuberische Eroberungspläne, die sich nicht nur auf Sibirien und den Fernen Osten, sondern auch auf die Gebiete ein der Wolga, auf die Ukraine und den Kaukasus erstreckten. Harris, der Generalkonsul in Sibirien, trat als offener Anhänger Koltschaks a u f ; jedes Mittel war ihm recht, u m einen Beutefeldzug gegen die russischen Arbeiter und Bauern zu organisieren. Die Japaner, die sich auf eine Ausweitung der Intervention im Sowjetischen Fernen Osten einstellten, beschlossen, auch die militärischen F ü h r e r Chinas in den antisowjetischen Feldzug einzubeziehen. Die Mandschurei sollte zum Aufmarschgebiet f ü r die Aggression werden. Dieselben Vertreter der Militärclique Nordchinas m i t T u a n Chi-jui an der Spitze, die eine projapanische Innenpolitik 67
B. H. J l e H H H , COT., Bd. 27, 4. Aufl., S. 199. 225
betrieben, schlössen mit den Japanern auch ein Abkommen gegen Sowjetrußland ab. Unter dem Vorwand des „Kampfes gegen die deutschen Truppen" wurde zwischen Japan und China a m 16. Mai 1918 eine Militärkonvention abgeschlossen, wonach die Entsendung von Truppen beider Staaten „gegen die Deutschen" in Sibirien unter japanischem Kommando vor sich gehen sollte. Ein gleiches Abkommen wurde auch in bezug auf die Flotte getroffen. Im September 1918 wurde zwischen Japan und China ein neues Abkommen über die einzelnen Bedingungen perfekt, unter denen chinesische Truppen auf sowjetischem Territorium — in Transbaikalien und im Amur-Gebiet — unter japanischem Kommando eingesetzt werden sollten. Nach der Landung der Japaner in Wladiwostok bereiteten sich die herrschenden Kreise in Washington noch aktiver zur Teilnahme an der offenen bewaffneten Intervention im Sowjetischen Fernen Osten vor.
Die Unterstützung der inneren Konterrevolution durch die Interventen England, Frankreich, Japan und die USA unterstützten im Fernen Osten gemeinsam die weißgardistischen Generale, die konterrevolutionäre Meutereien gegen die Sowjetmacht inszeniert hatten. Die Atamane Semjonow und Kalmykow, General Chorwat, Admiral Koltschak und andere waren gedungene Agenten der imperialistischen Interventen. Jeder von ihnen stützte sich in seiner konterrevolutionären Tätigkeit auf diese oder jene imperialistische Macht oder Mächtegruppierung. „. . . So formierten sich bereits im ersten Halbjahr 1918" — heißt es im „Kurzen Lehrgang der Geschichte der KPdSU" — „zwei deutlich bestimmte Kräfte, bereit, auf den Sturz der Sowjetmacht hinzuarbeiten: die ausländischen Imperialisten der Entente und die Konterrevolution innerhalb Rußlands . . . Die Bedingungen des Kampfes gegen die Sowjetmacht erforderten die Vereinigung beider antisowjetischen Kräfte, der ausländischen und der inneren."® 8 Die Imperialisten finanzierten ihre Agenten, die weißgardistischen Generale; sie lieferten ihnen Lebensmittel und militärische Ausrüstung. Semjonow erhielt , Unterstützung von Japan, Frankreich und England, Koltschak von England, Frankreich und den USA. I m Rahmen ihrer großangelegten Eroberungspläne in Sibirien und im Fernen Osten sparten die USA nicht an Mitteln f ü r ihre weißgardistische Agentur. Auf Wilsons Initiative wurde ein „Büro f ü r wirtschaftliche Unterstützung" Rußlands mit einem Kapital von 5 Millionen Dollar gegründet. Das Büro sollte den konterrevolutionären Generalen Industriewaren im Austausch gegen sibirische Rohstoffe liefern. Eine außergewöhnlich große Bedeutung maßen die amerikanischen Imperialisten in ihrer Eroberungspolitik der Transsibirischen und der Ostchinesischen Eisenbahn zu. Viele Dokumente aus den Archiven entlarven gründlichst die sogenannte „Nichteinmischungspolitik" .der USA. «8 „Geschichte der KPdSU(B), Kurzer Lehrgang", Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 282—285.
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betrieben, schlössen mit den Japanern auch ein Abkommen gegen Sowjetrußland ab. Unter dem Vorwand des „Kampfes gegen die deutschen Truppen" wurde zwischen Japan und China a m 16. Mai 1918 eine Militärkonvention abgeschlossen, wonach die Entsendung von Truppen beider Staaten „gegen die Deutschen" in Sibirien unter japanischem Kommando vor sich gehen sollte. Ein gleiches Abkommen wurde auch in bezug auf die Flotte getroffen. Im September 1918 wurde zwischen Japan und China ein neues Abkommen über die einzelnen Bedingungen perfekt, unter denen chinesische Truppen auf sowjetischem Territorium — in Transbaikalien und im Amur-Gebiet — unter japanischem Kommando eingesetzt werden sollten. Nach der Landung der Japaner in Wladiwostok bereiteten sich die herrschenden Kreise in Washington noch aktiver zur Teilnahme an der offenen bewaffneten Intervention im Sowjetischen Fernen Osten vor.
Die Unterstützung der inneren Konterrevolution durch die Interventen England, Frankreich, Japan und die USA unterstützten im Fernen Osten gemeinsam die weißgardistischen Generale, die konterrevolutionäre Meutereien gegen die Sowjetmacht inszeniert hatten. Die Atamane Semjonow und Kalmykow, General Chorwat, Admiral Koltschak und andere waren gedungene Agenten der imperialistischen Interventen. Jeder von ihnen stützte sich in seiner konterrevolutionären Tätigkeit auf diese oder jene imperialistische Macht oder Mächtegruppierung. „. . . So formierten sich bereits im ersten Halbjahr 1918" — heißt es im „Kurzen Lehrgang der Geschichte der KPdSU" — „zwei deutlich bestimmte Kräfte, bereit, auf den Sturz der Sowjetmacht hinzuarbeiten: die ausländischen Imperialisten der Entente und die Konterrevolution innerhalb Rußlands . . . Die Bedingungen des Kampfes gegen die Sowjetmacht erforderten die Vereinigung beider antisowjetischen Kräfte, der ausländischen und der inneren."® 8 Die Imperialisten finanzierten ihre Agenten, die weißgardistischen Generale; sie lieferten ihnen Lebensmittel und militärische Ausrüstung. Semjonow erhielt , Unterstützung von Japan, Frankreich und England, Koltschak von England, Frankreich und den USA. I m Rahmen ihrer großangelegten Eroberungspläne in Sibirien und im Fernen Osten sparten die USA nicht an Mitteln f ü r ihre weißgardistische Agentur. Auf Wilsons Initiative wurde ein „Büro f ü r wirtschaftliche Unterstützung" Rußlands mit einem Kapital von 5 Millionen Dollar gegründet. Das Büro sollte den konterrevolutionären Generalen Industriewaren im Austausch gegen sibirische Rohstoffe liefern. Eine außergewöhnlich große Bedeutung maßen die amerikanischen Imperialisten in ihrer Eroberungspolitik der Transsibirischen und der Ostchinesischen Eisenbahn zu. Viele Dokumente aus den Archiven entlarven gründlichst die sogenannte „Nichteinmischungspolitik" .der USA. «8 „Geschichte der KPdSU(B), Kurzer Lehrgang", Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 282—285.
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Die „Alliierten" und die USA waren bereit, jeden beliebigen konterrevolutionären General zu unterstützen, mit dessen Hilfe man die Sowjetmacht erdrosseln könnte. Als die Abteilung des Banditen Semjonow mit japanischer Unterstützung die mandschurische Grenze überschritt und nach Tschita vordrang, schrieb Wilson am 11. Mai an Lansing: „Achten Sie bitte sehr aufmerksam auf die Erfolge Semjonows. und darauf, ob man ihn nicht irgendwie auf legale Weise unterstützen kann." 89 Koltschak erhielt aus den USA Maschinengewehre, Gewehre, Monturen und sonstige militärische Ausrüstung. Die amerikanische Regierung eröffnete den weißgardistischen „Kooperativgenossenschaften" in Sibirien zum Erwerb von Inventar einen Kredit von 125 Millionen Dollar. Amerikanische Privatfirmen und Körperschaften stellten „Geschäftsbeziehungen" mit den konterrevolutionären Generalen her. Unter diesen Firmen sind die „Remington Arms Metallic Cartridge Company" (die Munition lieferte), die „International Harvester Company" und viele andere zu erwähnen. Da die Vaterlandsverräter, die konterrevolutionären Agenten der ausländischen Imperialisten, keine Stütze im Lande hatten, suchten sie die Unterstützung ihrer gierigen Geldgeber. ,,. . . die ganze Welt wußte" — schrieb J. W. Stalin — „daß hinter diesen konterrevolutionären russischen Generalen die Imperialisten Englands und Amerikas, Frankreichs und Japans standen, ohne deren Unterstützung ein ernsthafter Bürgerkrieg in Rußland ganz unmöglich gewesen wäre." 70 Die Meuterei der von den amerikanischen, englischen und französischen Imperialisten getäuschten Tschechoslowaken, die sich in Rußland befanden, erfolgte im Mai 1918 und veranlaßte die Anhänger einer bewaffneten Intervention, sie zu beschleunigen. Die Meuterei der Tschechoslowaken war sorgfältig vorbereitet und stellte einen Teil des im allgemeinen und im einzelnen genau ausgearbeiteten Kampfplanes gegen die Sowjetrepublik dar. Die erhaltenen Dokumente und Materialien beweisen die unmittelbare Teilhaberschaft der Imperialisten der USA, Englands, Frankreichs, Italiens und Japans am Aufstand der Tschechoslowaken. Schon „Ende November 1917 fand in Jassy eine Beratung statt, in der Entente-Vertreter die Frage des Einsatzes des tschechoslowakischen Korps im Kampf gegen die Sowjetmacht besprachen. Anfang April 1918 fand im Gebäude der französischen Botschaft in Moskau unter Teilnahme einiger weißgardistischer Generale eine Beratung der englischen und französischen Vertreter statt. Hier wurde beschlossen, die zur Evakuierung aus Rußland anrollenden tschechoslowakischen Truppentransporte längs der gesamten Sibirischen Eisenbahn zu staffeln. Anfang Mai 1918 fand in Tscheljabinsk eine Besprechung von Vertretern der Tschechoslowaken, der Engländer, Franzosen und der russischen Weißgardisten statt. Auf dieser Besprechung wurde ein ausführlicher Plan der •» R. S. Baker, Wooirow Wilson. Life and Letters, Bd. VIII, Nr. 4, 1939, S. 153. ™ J. W. Stalin, Werke, Bd 8, S. 322.
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Staffelung und Konzentration der tschechoslowakischen Abteilungen ausgearbeitet." 71 Am 4. Juli veröffentlichten die diplomatischen Vertreter Englands, Frankreichs, Italiens und der USA eine Erklärung, in der sie darauf hinwiesen, daß die tschechoslowakischen Truppen verbündete Streitkräfte seien und sich unter dem Schutze der „Entente-Mächte" befänden. 72 Die amerikanischen diplomatischen Vertreter in Rußland und das Staatsdepartment waren bei der Organisierung der Meuterei der Tschechoslowaken nicht weniger aktiv beteiligt als die führenden Kreise der Entente. Der Generalkonsul der USA in Moskau, Poole, richtete an den amerikanischen Konsul in Omsk ein Telegramm, in dem es hieß: „Sie können den tschechoslowakischen Führern die vertrauliche Mitteilung machen, daß die Alliierten die vorläufige Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Kampfstellungen aus politischen Gründen begrüßen würden. Andererseits ist gegen militärische Handlungen, deren Notwendigkeit sich aus der jeweiligen Situation ergibt, nichts einzuwenden. In erster Linie wäre es wünschenswert, daß die Tschechen sich die Kontrolle der Transsibirischen Eisenbahn sichern und, wenn das durchführbar ist, gleichzeitig die derzeit von ihnen besetzten Gebiete fest in der Hand behalten." 73 Der USA-Botschafter in China, Reinsch, vertrat ebenfalls diesen Standpunkt in seinem Telegramm an das Staatsdepartment vom 13. Juni: „Die allgemeine Meinung der hiesigen alliierten Vertreter, mit der auch ich übereinstimme, geht dahin, daß es ein schwerer Fehler wäre, die tschechoslowakischen Truppen aus Sibirien abzuziehen . . ; Wenn sie nicht dort wären, würde es sich lohnen, sie von weither nach Sibirien zu befördern." 74 So kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die konterrevolutionäre Meuterei der Tschechoslowaken von den „Alliierten" und den USA organisiert war und einen Teil des großen Planes einer bewaffneten Intervention darstellte, um die Sowjetrepublik zu erdrosseln und die Völker Rußlands in Kolonialsklaven des Imperialismus zu verwandeln. „Alle diese Tatsachen zeigen jetzt" — schrieb Lenin — „daß die tschechoslowakische Bewegung eines der Kettenglieder war, die die systematische Politik der englisch-französischen Imperialisten lange im voraus einkalkuliert hatte, um Sowjetrußland zu erdrosseln und dadurch Rußland von neuem in den Ring der imperialistischen Kriege hineinzuziehen." 75 Im USA-Kongreß begann man immer intensiver die Teilnahme der USA an der offenen Intervention zu fordern. Die Befürchtung wurde laut, daß Japan 71
7a 73 74 75
B. E. Stein, Die „russische Frage" auf der Pariser Friedenskonferenz (1919—1920). Verlag Koehler & Amelang, 1953, S. 47. «H3BecTHfl» vom 13. Juni 1918. Sayers-Kahn, Die große Verschwörung, Verlag Volk und Welt, Berlin, 1953, S. 59. „Foreign Belations", Russia, 1918, Bd. II, S. 206—207. B. H. Jlemm, COT., Bd. 28,4. Aufl., S. 1.
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und die europäischen „Alliierten" die Intervention in Sibirien ohne die USA durchführen könnten. Die Vertreter der amerikanischen Monopole im Repräsentantenhaus und i m Senat sprachen ganz unverfroren davon, daß Japan den USA in ihren Aktionen in Sibirien zuvorkommen und günstigere Stellungen besetzen könnte. Senator King forderte die Entsendung amerikanischer Truppen nach Sibirien zu gemeinsamen Aktionen mit den Japanern und „Alliierten" gegen die Bolschewiki. Die Senatoren Sherman, Hitchcock und Poindexter drängten i n ihren Reden vom 20. Juni ebenfalls auf eine beschleunigte Entsendung von USA-Streitkräften nach dem Fernen Osten. Der Imperialist Sherman forderte die Regierung auf, Sibirien besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. „Sibirien," — so erklärte er — „das sind Weizenfelder und Viehweiden, die ebenso wertvoll sind wie seine Bodenschätze." 76 Am 29. Juni 1918 ging in Wladiwostok durch einen konterrevolutionären Umsturz die Macht in die Hände der Interventen und Weißgardisten über. A m 6. Juli wurde im Weißen Haus eine Konferenz einberufen, an welcher der Staatssekretär, der Kriegs- und der Marineminister sowie die Stabschefs teilnahmen. Es wurde ein Beschluß gefaßt, in dem es hieß, daß es „Pflicht der USA sei, den Tschechoslowaken zu helfen". Es wurde ein gemeinsamer Kampfplan mit den Japanern gegen die Bolschewiki in Sibirien vorgeschlagen, unter der Bedingung, daß die japanische Regierung folgende Punkte a n n a h m : a) Japan liefert Kriegsmaterial an die Tschechoslowaken; b) Japan und die U S A entsenden je 7000 Soldaten nach Wladiwostok, „um die Tschechoslowaken zu unterstützen"; c) Japan und die USA erklären, Ziel ihrer Truppenlandung sei die Unterstützung der Tschechoslowaken in ihrem Kampf gegen die angeblich von der Sowjetmacht bewaffneten deutsch-österreichischen Kriegsgefangenen; die territoriale Souveränität Rußlands solle nicht verletzt werden. England und Frankreich schritten unverzüglich zu Taten. Die englische Flotte richtete einen Patrouillendienst am Eingang des Hafens von Wladiwostok ein. Die französische Regierung gewährte f ü r den Unterhalt der tschechoslowakischen Meuterer einen Kredit von 5 Mill. Rubel. Mittelsmann der Japaner wurde General Chorwat. Die USA-Regierung stellte den tschechoslowakischen Meuterern und den konterrevolutionären russischen Generalen einen großzügigen Kredit zur Verfügung. A m 17. Juli 1918 veröffentlichte die USA-Regierung ein Memorandum und schlug gleichzeitig heuchlerisch den Beginn einer militärischen Intervention in „begrenztem Ausmaß" vor. Als Vorwand f ü r die Intervention sollte die angebliche Unterstützung der Tschechoslowaken bei ihrem Abtransport von Sibirien nach dem Fernen Osten, die Bewachung von militärischen Magazinen in Wladiwostok und anderes dienen. Dabei wiesen die USA darauf hin, daß die Einnahme von Wladiwostok als Operationsbasis f ü r die Tschechen durch Streitkräfte der Japaner und der Amerikaner durchgeführt werden solle. 78
P. N. Pospelow, Zum 27. Todestag W. I. Lenins; in: Zeitung „Für dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie", Jg. 1951, Nr. 4, S. 3.
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Die Amerikaner bestanden dabei wiederum hartnäckig darauf, daß die USA und Japan gleichmäßig Kontingente von je 7000 Mann nach Sibirien entsandten. Das Oberkommando wurde den Japanern zugestanden. In ihrer Antwortnote vom 24. Juli erklärte die japanische Regierung, daß sie sich nicht mit der Entsendung von 7000 Mann begnügen könne; in diesem Falle würde die Opposition nicht ohne Grund behaupten, diese Begrenzung wäre durch das Mißtrauen gegenüber Japan hervorgerufen. Die Japaner argumentierten mit „speziellen Interessen" Japans im Fernen Osten. Das USA-Staatsdepartment erklärte sich mit einer Erweiterung des Kontingents japanischer Besatzungstruppen auf 10—12 000 Mann einverstanden. Inzwischen wandte sich noch am 14. Juni 1918 das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik an die Konsuln Englands, Frankreichs und der USA mit einem Protest gegen den Aufenthalt von Kriegsschiffen der kriegführenden Länder in Häfen der Sowjetrepublik. Die Regierungen Englands, Frankreichs und der USA ignorierten nicht allein diese Note; sie setzten auch ihre Vorbereitungen zu offenen Kriegshandlungen gegen die RSFSR in verstärktem Maße fort. Am 29. Juni richtete das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten an die diplomatischen Vertreter Englands, Frankreichs, Italiens, Japans und der USA eine Note, in der die Sowjetregierung aufs neue gegen die Einmischung der „Alliierten" und der USA in die inneren Angelegenheiten Rußlands protestierte und Aufklärung über die letzten Ereignisse verlangte. „Besondere Bedeutung" — hieß es in der Note — „hat eine solche Aufklärung gerade jetzt, da englische Streitkräfte an der Nordküste Rußlands gelandet sind, und die tschechoslowakischen Abteilungen, welche der Vertreter Großbritanniens und seiner Verbündeten als unter ihrem Schutz stehende verbündete Truppen bezeichnete, hartnäckig ihre bewaffnete Meuterei gegen die Sowjetmacht fortsetzen. Die Tschechoslowaken ersetzen überall, wo sie können, die Sowjets durch konterrevolutionäre Einrichtungen und vollführen alle nur möglichen Gewaltakte gegen die aktiven Anhänger und die rechtmäßigen Funktionäre der Sowjetmacht, wobei bisher die Vertreter Großbritanniens und der Alliierten mit keinem Wort diese Aktionen der unter ihrem Schutz stehenden Truppen verurteilten." 77 Die fortschrittlichen Arbeiter der kapitalistischen Länder erhoben sich von den ersten Tagen der konterrevolutionären Intervention an zur Verteidigung der Sowjetrepublik. „Und unsere Losungen" — sagte Lenin -— „werden in allen Ländern aufgestellt." 78 Sogar unter den Bedingungen des Polizeiregimes im imperialistischen Japan organisierten die Vertreter der Arbeiter und der fortschrittlichen Intelligenz eine Protestbewegung gegen die Entsendung von Besatzungstruppen nach Sowj etrußland. 77
«EfeBeCTHH» v o m 50. J u n i 1 9 1 8 .
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B. H. JleHHH, COT., Bd. 2 8 , 4. A u f l . , S. 25.
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Anfang August 1918 wurde zwischen den „Alliierten" und den USA ein Abkommen über die gemeinsame bewaffnete Intervention im Fernen Osten getroffen. Am 3. August veröffentlichte die Regierung in Washington eine offizielle Erklärung über ihre Teilnahme an der bewaffneten Intervention. Inhaltlich war diese Erklärung ein typisches Dokument der verlogenen und scheinheiligen amerikanischen Diplomatie. Ein übriges Mal wurde die „Nichteinmischung" in die politischen Angelegenheiten Rußlands verkündet, sowie der Wunsch, lediglich den Tschechoslowaken im Kampf gegen die „bewaffneten" deutschen und österreichischen Kriegsgefangenen zu helfen. Die Interventen begannen zur Ausführung ihrer räuberischen Pläne Truppen in Wladiwostok zu landen. Schon am 3. August wurden britische Truppen an Land gesetzt. Bald trafen kanadische Truppen in Stärke von 6000 Mann ein. Am 10. August kamen französische Truppen — Abteilungen der „Fremdenlegion" — an. Die Japaner hatten Mitte August schon an 28 000 Soldaten in Wladiwostok. Ab 16. August landeten amerikanische Truppen im selben Gebiet. Zur Beurteilung der im Juli—August 1918 entstandenen Lage schrieb Lenin: „Der äußere Feind der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik, das ist im gegenwärtigen Augenblick der englisch-französische und der japanisch-amerikanische Imperialismus. Dieser Feind greift gegenwärtig Rußland an, er raubt uns unser Land, er hat Archangelsk besetzt und ist (wenn man den französischen Zeitungen glauben soll) von Wladiwostok bis Nikolsk-Ussurijsk vorgedrungen. Dieser Feind hat die Generale und Offiziere des tschechoslowakischen Korps bestochen. Dieser Feind geht gegen das friedliche Rußland ebenso brutal und räuberisch vor, wie die Deutschen im Februar vorgingen, jedoch mit dem Unterschied, daß es die Engländer und Japaner darauf abgesehen haben, nicht nur russisches Land an sich zu reißen und auszuplündern, sondern auch die Sowjetmacht zu stürzen, ,um die Front wiederherzustellen1, d. h. um Rußland wieder in den imperialistischen (einfacher gesagt: den räuberischen) Krieg Englands gegen Deutschland hineinzuziehen. Die englischen und japanischen Kapitalisten wollen die Macht der Gutsbesitzer und Kapitalisten in Rußland wiederherstellen, um gemeinsam die im Kriege zusammengeraubte Beute zu teilen, um die russischen Arbeiter und Bauern zu Sklaven des englischen und französischen Kapitals zu machen, um aus ihnen die Zinsen für die Milliardenanleihen herauszupressen, um den Brand der sozialistischen Revolution zu löschen, der bei uns ausgebrochen ist und immer weiter auf die ganze Welt überzugreifen droht." 79 Die japanischen und amerikanischen Expeditionstruppen begannen gemeinsam mit anderen alliierten Verbänden „die militärische Intervention ohne Kriegserklärung, obwohl die Intervention ein Krieg gegen Rußland war, und zwar ein Krieg schlimmster Art. In aller Heimlichkeit, meuchlings, schlichen diese „zivilisierten" Räuber heran und landeten ihre Truppen auf dem Territorium Rußlands." 80 79 80
W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in 2 Bänden, Bd. II, Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 405. „Geschichte der KPdSU(B), Kurzer Lehrgang", Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 283.
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Die Truppen der imperialistischen Interventen, drangen trotz des heroischen Widerstandes der sowjetischen Einheiten und der Partisanen von Wladiwostok aus in den Amur-Bezirk ein. Ungeachtet der übernommenen „Verpflichtungen" entsandte Japan statt 10 000 etwa 150 000 Soldaten nach Sibirien. Die Wilson-Regierung erblickte hierin eine Gefahr f ü r ihre eigenen imperialistischen Pläne. Sie befürchtete, daß Japan seine geographischen und strategischen Vorteile ausnutzen werde, u m seine räuberischen Pläne zum Nachteil der U S A zu verwirklichen. Die japanischen Imperialisten waren bestrebt, alle ihre Eroberungen in China und in der Mandschurei zu festigen und die reichsten sowjetischen Gebiete des Fernen Ostens und Sibiriens, einschließlich Sachalins und Kamtschatkas, in ihren Besitz zu bringen. Es ist völlig klar, daß sich die genau so räuberischen USA-Imperialisten dazu nicht gleichgültig verhalten konnten. Lansing teilte Wilson höchst besorgt mit, daß sich die Ereignisse im Fernen Osten nicht so entwickelten, „wie sie von den U S A geplant waren". Wilson bemerkte in seinem Antwortschreiben: „Es beginnt so auszusehen, als ob die Japaner beabsichtigen, nach ihrem eigenen Plan zu handeln . . ." 8 1 England und Frankreich kam eine übermäßige Stärkung Japans im Fernen Osten ebenfalls ungelegen; aus Angst vor den wachsenden Ansprüchen der USA und der Aussicht auf deren Alleinherrschaft waren sie jedoch bereit, die japanischen Forderungen auf Transbaikalien und das Sowjetische Küstengebiet zu unterstützen. Diese Stellungnahme Englands und Frankreichs tat ein übriges, u m die zeitweilige, ohnehin schwache japanisch-amerikanische Koalition im Fernen Osten gänzlich zu untergraben. Die Absicht der USA, Japan als Waffe f ü r die D u r c h f ü h r u n g ihrer Expansionspläne in Sibirien und i m Fernen Osten auszunutzen, wurde völlig zuschanden. Nicht n u r England und Frankreich verhinderten dies; auch Japan war nicht gewillt, im Interesse seines imperialistischen Hauptkonkurrenten zu handeln. Japan, das „ f ü r das amerikanische Kapital nicht die Kastanien aus dem Feuer holen wollte" 8 2 , strebte vielmehr danach, seine eigenen Raubpläne zu verwirklichen und seine Konkurrenten zu schwächen, u m sie schließlich aus Asien zu verdrängen. So waren die Interventen, trotz ihres gemeinsamen Hasses gegen den Sowjetstaat, durch unüberbrückbare Gegensätze getrennt. „Das sind Raubtiere," •— sagte Lenin — „die in der ganzen Welt ihre Beute zusammengeraubt haben und sich jetzt nicht vertragen können." 8 3 I m Herbst 1918 fügte die Rote Armee den tschechoslowakischen A u f r ü h r e r n und den Weißgardisten eine Reihe schwerer Niederlagen zu. I m Laufe des Monats September und A n f a n g Oktober wurden Kasan, Sysran und Samara befreit. I n ganz Sibirien und im Fernen Osten wurden politische Streiks gegen die Plünderungen und Gewalttätigkeiten der Weißgardisten und Interventen organisiert. Auch die Partisanen f ü h r t e n erfolgreiche Aktionen durch. Unter diesen 8i „The Lansing Papers", Bd. II, S. 374—375, 380. M
B. H. JleHHH, Coi., Bd. 31, 4. Aufl., S. 436.
83 Ebenda, Bd. 29, 4. Aufl., S. 242.
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Bedingungen entstand der P l a n , amerikanische T r u p p e n bis hinter den U r a l an die W o l g a f r o n t zu entsenden, u m die K a m p f m o r a l der Tschechoslowaken zu heben. D e r amerikanische Botschafter in J a p a n , Morris, der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Sibirien, Graves, u n d Admiral K n i g h t schlugen Wilson vor, z u r U n t e r s t ü t z u n g der Legionäre eine T r u p p e n a b t e i l u n g in das Uralgebiet zu entsenden. Wilson billigte diesen P l a n . Jedoch w u r d e er wegen der Meinungsverschiedenheiten m i t den J a p a n e r n u n d den E n g l ä n d e r n nicht verwirklicht. Letztere setzten die Schaffung einer „Verteidigungs"linie von Sibirien bis Archangelsk durch. Die A m e r i k a n e r aber f ü r c h t e t e n , daß die Verwirklichung dieses Planes zur Stärkung der japanischen Positionen auf Kosten der Interessen der U S A f ü h r e n würde. Die Gegensätze zwischen den U S A und J a p a n , zwischen Frankreich u n d G r o ß britannien, die sich auch w ä h r e n d der imperialistischen Intervention in voller Schärfe auswirkten, w u r d e n durch die von L e n i n u n d Stalin g e f ü h r t e Sozialistische Sowjetrepublik geschickt ausgenutzt. „Die Großmächte der E n t e n t e " — schrieb L e n i n — „können sich nicht zum Kampf gegen die Sowjetmacht vereinigen, weil sie einander allzusehr befehden . . . Japan, das in Sibirien eine A r m e e hat, die stärker ist als unsere, k a n n nicht gegen uns k ä m p f e n , weil es einen Überfall durch A m e r i k a befürchtet, m i t dem es wegen imperialistischer Kolonialinteressen in C h i n a in Streit liegt." 8 4 Es ist charakteristisch, daß scharfe Gegensätze zwischen den U S A u n d J a p a n während der Intervention anläßlich der F r a g e der E r r i c h t u n g einer Kontrolle über die Transsibirische und Ostchinesische Eisenbahn entstanden. Stevens beklagte sich beim Staatssekretär, daß die Japaner alle A n s t r e n g u n g e n machten, u m die Kontrolle der Eisenbahnen in ihre H a n d zu bekommen. E r schrieb: „Meines E r achtens ist das oberste Ziel einer Reorganisation der Eisenbahn, einen stärkeren Einsatz an M a t e r i a l und T r u p p e n f ü r den Kampf gegen die Sowjets zu gewährleisten." 8 5 Stevens erstrebte die F ü h r u n g der U S A i n der antisowjetischen Intervention u n d w a r zugleich der M e i n u n g , daß eine m i t den J a p a n e r n gemeinsam durchgeführte Verwaltung der Eisenbahnen die F e s t i g u n g der wirtschaftlichen Positionen der U S A in Sibirien und i m F e r n e n Osten nicht fördern könne. Als die U S A - R e g i e r u n g vorschlug, die V e r w a l t u n g der Ostchinesischen u n d der Transsibirischen B a h n Stevens, dem Erzfeind der Sowjetmacht, anzuvertrauen, lehnten die Japaner ab, da sie eine eigene Kontrolle über die Bahn erstrebten. Diese Handlungsweise der Japaner rief äußerste Unzufriedenheit in den h e r r schenden Kreisen der U S A hervor. Es b e g a n n e n langwierige V e r h a n d l u n g e n . Die Beziehungen zwischen J a p a n u n d den U S A w u r d e n i m m e r gespannter. Das USA-Staatsdepartment b e a u f t r a g t e seinen Botschafter i n Tokio, Morris, J a p a n darauf hinzuweisen, daß es faktisch die Ostchinesische B a h n nicht n u r f ü r militärische Zwecke monopolisiere, sondern auch f ü r den W a r e n t r a n s p o r t , u m seinen K a u f l e u t e n zu günstigeren Bedingungen zu verhelfen. 84
B. H. JICHHH, COT., Bd. 30, 4. Aufl., S. 279.
8® „Foreign Relations", Russia, 1918, Bd. III, S. 251. 233
Diesmal war die japanische Regierung nachgiebiger. Ihre H a l t u n g erklärte sich daraus, daß die Japaner nach der Niederlage Deutschlands mit der Möglichkeit zu rechnen hatten, daß amerikanische Truppen nach dem Osten verlegt werden konnten. A n f a n g 1919 kam es zu einem Abkommen, wonach die Kontrolle der Eisenbahn einem interalliierten Ausschuß übertragen wurde. Dem Ausschuß unterstand ein von Stevens geleiteter und mit großen Vollmachten ausgestatteter technischer Rat. Der Kampf der USA um die Kontrolle der transsibirischen Magistrale stellte einen Teil des Planes der wirtschaftlichen und politischen Versklavung der Völker Rußlands dar. Die in einigen, von amerikanischen Truppen eroberten sibirischen Bezirken durchgeführten M a ß n a h m e n offenbarten die amerikanischen Ziele sehr deutlich. So verweigerten zum Beispiel die Amerikaner ihren Interventionspartnern, den Japanern, den Zutritt zum Kohlenbezirk von Sutschan. Die hierdurch verärgerten Japaner taten alles, was in ihren Kräften stand, u m mit Hilfe der Weißgardisten auch diesen Plan zunichte zu machen und sich selbst der Eisenbahnen und der Reichtümer Sibiriens und des Fernen Ostens zu bemächtigen. Es gelang indessen weder den amerikanischen, noch den japanischen Agressoren, ihre Pläne zu verwirklichen. Sie wurden durch den heldenhaften Kampf der Roten Armee und der Partisanen Sibiriens und des Fernen Ostens über den H a u f e n geworfen. Die Sowjetregierung, die das Volk zum vaterländischen Krieg gegen die imperialistischen Interventen mobilisierte, setzte zur gleichen Zeit hartnäckig den Kampf um den Frieden fort. Besonders Lenin betonte wiederholt, daß auch während der Intervention die Tätigkeit der Sowjetdiplomatie und der Kampf um den Frieden nicht aufhörten. „Den Kampf um den Frieden" — schrieb er — „haben wir mit ungeheuerer Energie geführt. Dieser Kampf bringt glänzende Resultate. 8 8 E r t r u g zur Entlarvung der aggressiven Pläne der imperialistischen Interventen bei und mobilisierte die werktätigen Massen und die fortschrittlichen Menschen der kapitalistischen Länder zum Kampf gegen die Aggressoren. Ein Beispiel h i e r f ü r ist die Note des Volkskommissariats f ü r Auswärtige Angelegenheiten vom 24. Oktober 1918 an den USA-Präsidenten Wilson. Die Note brandmarkte die heuchlerische Politik Wilsons — als des „Präsidenten des Überfalls auf Archangelsk und der sibirischen Invasion" — und stellte die direkte F r a g e : „Sind die Regierungen i n Amerika, England und Frankreich gewillt, abzulassen von ihren Forderungen nach dem Blut russischer Menschen und nach dem Leben russischer Bürger, wenn das russische Volk sich bereit erklärt, sich davon so loszukaufen, wie ein Mensch, der plötzlich überfallen wurde und sich seinem Angreifer gegenüber loskauft? Und wenn das der Fall ist, welchen Tribut verlangen die Regierungen Amerikas, Englands und Frankreichs vom russischen Volk? Fordern sie Konzessionen, die Übergabe von Eisenbahnen unter bestimmten Bedingungen, Erzbergwerke, Goldgruben usw., oder 86
W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in 2 Bänden, Dietz Verlag, Berlin 1954.
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fordern sie territoriale Zugeständnisse, einen Teil Sibiriens, des Kaukasus, des Küstengebiets von Murmansk? . . . Wir erwarten," — hieß es in der Note — „daß Sie uns in voller Klarheit und Deutlichkeit Ihre Forderungen darlegen. Sollte aber unsere Erwartung trügen, sollten Sie uns keine Antwort auf unsere bestimmten und genauen Fragen geben, so werden wir daraus den völlig unzweifelhaften Schluß ziehen, daß wir uns nicht irren, daß Ihre Regierung und die Ihrer Verbündeten vom russischen Volk sowohl einen Geldtribut wie auch Bodenschätze und territoriale Zugeständnisse fordern. Wir werden das unserem Volke sowie den werktätigen Massen der anderen Länder sagen, und wenn sie sich nicht äußern, so wird das für uns eine stumme Antwort sein." 87 Durch die Entlarvung der imperialistischen Raubpolitik setzte die Sowjetregierung ihren unermüdlichen Kampf um den Frieden fort. Am 8. November 1918 faßte der Außerordentliche Allrussische Sowjetkongreß den Beschluß, sich mit einem Friedensvorschlag an die „Alliierten" und die USA zu wenden. In dem Aufruf hieß es, daß es der Kongreß „. . . als seine Pflicht erachte, noch einmal vor dem Antlitz der Welt den gegen Rußland kriegführenden Regierungen der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, Englands, Frankreichs, Italiens und Japans gegenüber zu erklären, daß der Kongreß, um weiteres Blutvergießen zu verhindern, vorschlägt, Verhandlungen über einen Friedensschluß zu eröffnen." 88 Der Aufruf der Sowjetregierung blieb ohne Antwort. In der Note der Sowjetregierung an die Ententemächte und die USA vom 24. Dezember 1918 wurde darauf hingewiesen, daß die werktätigen Massen Sowjetrußlands fest entschlossen seien, die von ihnen eroberte Macht und Freiheit mit allen Mitteln zu verteidigen. In der Note wurde vorgeschlagen, Verhandlungen über eine friedliche Lösung aller strittigen Fragen anzubahnen, zu einem Abkommen mit der Sowjetregierung zu gelangen, die ausländischen Truppen vom russischen Territorium abzuziehen und die Wirtschaftsblockade aufzuheben. Diese Note der RSFSR wurde ebenfalls von den „Alliierten" und den USA ignoriert. Sie setzten den räuberischen Krieg fort. Infolge der Beendigung des Krieges im Westen konnten die Interventen ihre volle Aufmerksamkeit dem Kampf gegen die Sowjetrepublik und die in Europa anwachsende revolutionäre Bewegung zuwenden. Stalin schrieb, daß „die Entente — die englisch-französisch-amerikanische Koalition —, nachdem sie Deutschland aufs Haupt geschlagen hatte, alle ihre freien Kräfte gegen Sowjetrußland warf." 89 Die Lenin-Stalinsche Politik des Kampfes um den Frieden, die die Sowjetregierung in den Jahren des Bürgerkrieges durchführte, entlarvte die Imperialisten und trug dadurch zum Siege bei. Die Rote Armee, die Armee der befreiten Arbeiter und Bauern, versetzte den Interventen und ihrer Agentur, der inneren Konterrevolution, vernichtende Schläge. 87
«Ü3BecTHa» vom 25. Oktober 1918.
88
«H3BecTHH» vom 9. November 1918.
»» J. W. Stalin, Werke, Bd. 4, S. 356/37.
235
Die Interventen und Koltschak. D i e Vernichtung der Koltschak-Armee I m November 1918 organisierte A d m i r a l Koltschak, u n t e r M i t h i l f e der „Alliierten" u n d der U S A , einen konterrevolutionären U m s t u r z in Omsk u n d ließ sich z u m „Obersten Regenten Sibiriens" ausrufen. E n g l a n d u n d Frankreich leisteten Koltschak finanzielle u n d militärische Unterstützung. Sofort nach dem U m s t u r z telegraphierte der amerikanische Konsul in Sibirien, H a r r i s , an das Staatsdepartment u n d bat u m V e r s t ä r k u n g der H i l f e f ü r Koltschak, der als sein Hauptziel die Schaffung einer starken Armee zum Kampf gegen den Bolschewismus proklamierte. Die U S A - R e g i e r u n g ergriff alle notwendigen M a ß n a h m e n , u m die militärischen L i e f e r u n g e n ein Koltschak zu erhöhen u n d i h m finanzielle H i l f e zu leisten. 90 J a p a n , das weite Gebiete besetzt h a t t e u n d sich auf eigene Söldlinge (nämlich auf andere weißgardistische Generale) stützte, w a r nicht an einer S t ä r k u n g Koltschaks i m F e r n e n Osten u n d in Sibirien interessiert. Dadurch erklärt sich z u m Teil sein Zögern bei der Hilfeleistung an Koltschak. Die Japaner w a r e n bereit, Koltschak zu helfen, w e n n er folgende Bedingungen e r f ü l l t e : 1. E r k l ä r u n g Wladiwostoks z u m F r e i h a f e n ; 2. G e w ä h r u n g des f r e i e n Handelsu n d Schiffahrtsrechts auf dem Sungari u n d A m u r ; 3. Ü b e r t r a g u n g der Kontrolle der Transsibirischen Eisenbahn an die Japaner u n d Übergabe des Abschnitts T s c h a n g t s c h u n — C h a r b i n an J a p a n ; 4. Verleihung der Fischereirechte im gesamten F e r n e n Osten an die J a p a n e r ; 5. Verkauf Nordsachalins an die Japaner. 9 1 U m die H a l t u n g zu erklären, die J a p a n gegenüber Koltschak e i n n a h m , schrieb L e n i n : „ W e n n wir J a p a n nehmen, das fast ganz Sibirien i n seinen H ä n d e n hielt u n d natürlich jederzeit Koltschak helfen konnte, so ist die Hauptursache, w a r u m J a p a n das nicht getan h a t , die, daß seine Interessen m i t den Interessen Amerikas radikal auseinandergehen, daß es f ü r das amerikanische Kapital nicht die Kastanien aus dem Feuer holen wollte." 9 2 A n f a n g J a n u a r 1919 schlössen die „Alliierten" m i t Koltschak ein A b k o m m e n über die Koordinierung der militärischen Aktionen der Interventen u n d der weißgardistischen A r m e e n in Sibirien. D i e Alliierten entsandten ihre militärischen Vertreter nach Omsk. D i e französischen Imperialisten kommandierten General J a n i n zu Koltschak ab. „General J a n i n w u r d e " — entsprechend dem Abkommen m i t Koltschak —• „ z u m Oberbefehlshaber der alliierten T r u p p e n e r n a n n t , die i m F e r n e n Osten u n d i n Sibirien östlich des Baikalsees operierten." 9 3 U m die Aktions90
A. H. repoHimye, ÜOMOinb CoesHHeHHHX HET&TOB AuepHKH Kcwraaicy, «HcxopmecKHe 3airacKH» Nr. 29, 1949, S. 46.
91
T.
92
B. H. JleHHH, COT., Bd. 3 1 , 4 . Aufl., S. 436.
93
„Geschichte der Diplomatie", Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1948, Bd. III, 1. Teil, Seite 85—86.
236
Penxöepr, Pa3rpou
a n o H C K o ä HHIEPBEHUHH H a .HaaraeM BOCTOKS ( 1 9 1 8 — 1 9 2 2 ) , S . 7 2 .
einheit zu gewährleisten, m u ß t e Koltschak „seine operative Taktik mit den allgemeinen, von Janin, als Vertreter des Interalliierten Oberkommandos, erlassenen Direktiven in Einklang bringen." 9 * D e m Abkommen gemäß erhielt Janin außerordentliche Befugnisse. E r besaß das Recht, „die allgemeine Kontrolle an der Front und im Hinterland auszuüben". E r durfte einen eigenen Stab errichten. Alle Pläne und alle Befehle an die weißgardistischen Armeen mußten mit Janin abgesprochen werden. Die „Alliierten" und die U S A hatten sich auch über die Versorgung der weißgardistischen Generale mit Bewaffnung, Munition und Lebensmitteln verständigt. I n einem Brief des geschäftsführenden Staatssekretärs Philips an Präsident Wilson ist folgendes zu lesen: „Unter Bezugnahme auf den Notenaustausch, der zwischen Ihnen und den anderen, in Paris befindlichen Regierungschefs einerseits, und Admiral Koltschak in Omsk andererseits stattfand, ist vorgesehen, daß die Engländer Denikin mit Kleidung und der gesamten notwendigen Ausrüstung versorgen, daß die Franzosen die Tschechen und die antibolschewistischen Kräfte in den westlichen Grenzländern beliefern, während Koltschak mit Waffenlieferungen aus den Vereinigten Staaten rechnen." 9 5 Durch die Unterstützung der Entente und der USA gelang es Koltschak, eine Armee von 300 000 M a n n zu schaffen. Die Interventen und die weißgardistischen Armeen organisierten einen kombinierten Feldzug, u m die Sowjetrepublik zu erdrosseln. „Im F r ü h j a h r 1919" — schrieb Stalin — „wurde der kombinierte Feldzug Koltschaks, Denikins und Judenitschs gegen Sowjetrußland ausgeheckt. Der Hauptschlag sollte von Koltschak geführt werden, mit dem sich Denikin in Saratow zu vereinigen hoffte, u m gemeinsam von Osten her gegen Moskau vorzurücken. Der Nebenschlag gegen Petrograd wurde Judenitsch überlassen. Das Ziel des Feldzuges wurde in dein Bericht Gutschkows an Denikin dahingehend formuliert, ,den Bolschewismus durch Wegnahme seiner Hauptlebenszentren Moskau und Petrograd, mit einem Schlage zu erdrosseln'." 96 Die Erfolge, welche die Koltschak-Armee im März und April 1919 errang, erfüllten die Hoffnungen der Imperialisten, der „Alliierten" wie der USA. Die Interventen begannen ernstlich die Frage de.r Anerkennung Koltschaks zu erörtern. A m 26. Mai, nach einer langen Beratung der „russischen F r a g e " auf der Pariser Friedenskonferenz, wurde der Text einer Note über die Bedingungen der Anerkennung Koltschaks angenommen. Die Note wurde von Clemenceau, Lloyd George, Orlando, Wilson und Sayonji unterschrieben. Koltschak wurde weitere laufende militärische, Lebensmittel- und Finanzhilfe unter folgenden Bedingungen versprochen: „ E i n b e r u f u n g der Konstituierenden Versammlung nach der Einnahme Moskaus; Anerkennung der Unabhängigkeit Polens und Finnlands; werde m a n die Frage der Unabhängigkeit Estlands, 94
MaTepHaiH reHy33KOÄ KOHepem^H, Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten, Moskau, 1922, S. 146.
06
„Foreign Relations", Russia, 1919, S. 425.
•• J. W. Stalin, Werke, Bd. 4, S. 250.
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Lettlands, Littauens, der kaukasischen und der transkaspischen Staatsgebilde mit deren Regierungen nicht regeln können, so solle diese Frage dem Völkerbund zur Entscheidung übergeben werden; bis dahin würden diese Gebiete als autonom anerkannt." 9 7 Am 12. Juni 1919 erkannten die „Alliierten" und die USA die Antwort Koltschaks als befriedigend an. Das bedeutete die faktische Anerkennung der „Omsker Regierung" und die Bereitschaft der imperialistischen Räuber, ihr planmäßig militärische, wirtschaftliche und politische Unterstützung zu gewähren. Die Note der imperialistischen Mächte an Koltschak und seine Antwort offenbarten das Ziel der Imperialisten, Sowjetrußland zu zerstückeln und zu versklaven. Die gleichzeitig darin enthaltenen demagogischen Losungen und verlogenen Versprechungen der Unabhängigkeit und Autonomie waren f ü r die Interventen notwendig, u m die Massen zu täuschen. Die fortschrittlichen -Arbeiter Englands, Frankreichs, Italiens, Japans und der USA traten offen gegen die Intervention auf. „Während die Imperialisten versuchten, die Sowjetrepublik durch die Intervention und durch die Blockade zu erdrosseln, waren die Arbeiter dieser imperialistischen Länder auf der Seite der Sowjets und halfen ihnen." 9 8 I n den U S A wurde die „Liga der Freunde Sowjetrußlands" gegründet. Eine Vielzahl von Petitionen und Resolutionen verschiedener Organisationen, welche die abenteuerliche Politik Wilsons verurteilten, gingen dem Kongreß zu. Die Arbeiter lehnten es ab, militärische Ausrüstung, die f ü r die Weißgardisten bestimmt war, zu verladen. I n vielen Artikeln der fortschrittlichen Presse wurde die aggressive Politik der Regierung entlarvt. I n England kämpften fortschrittliche Arbeiter gegen die räuberische Interventionspolitik Lloyd Georges und Churchills. Die Komitees „Hände weg von Sowjetrußland" verbreiteten sich in allen Industriezentren des Landes. Ein Nationalkomitee „Hände weg von Sowjetrußland" wurde geschaffen. Tausende von Protestresolutionen gegen die Aktionen der Regierung liefen ein. I n Frankreich waren es nicht n u r Arbeiter, sondern auch Soldaten, revolutionäre Matrosen und der beste Teil der Intelligenz, die mit H e n r i Barbusse, Vaillant-Couturier und Lefebvre an der Spitze, aktiv gegen die Intervention und die Blockade Sowjetrußlands auftraten. Die italienischen Matrosen ließen keine Waffen- und Ausrüstungstransporte an die Interventen zu. Gerade aus Furcht vor der Massenbewegung in den eigenen Ländern waren die Interventen genötigt, ihre räuberischen Pläne durch „demokratische" Losungen zu verschleiern. Sie sprachen zynisch von einer „Hilfeleistung an R u ß l a n d " , von der „Nichteinmischung" in innere Angelegenheiten, von der Notwendigkeit, „dem russischen Volk die Gelegenheit zu geben, die Leitung seiner eigenen Angelegenheiten selbst in die H a n d zu nehmen" . . . usw. h 87
98
„Geschichte der Diplomatie", Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1948, Bd. III, 1. Teü, S. 87. „Geschichte der KPdSU (B), Kurzer Lehrgang", Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 307.
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Die heldenmütige Rote Armee, die von Lenin und Stalin geführt wurde und auf der Grundlage der von ihnen ausgearbeiteten Strategie handelte, durchkreuzte die Pläne der Interventen und ihrer Söldlinge, der weißgardistischen Generale. Schon im April 1919 brachte die Rote Armee Koltschak eine schwere Niederlage bei, die ihn zwang, an der gesamten Front den Rückzug anzutreten. I m Laufe des Sommers 1919 erlitt Koltschak durch die Rote Armee eine Reihe neuer Niederlagen. Die Sowjetregierung wiederholte immer und immer wieder ihren Wunsch, Friedensverhandlungen zu beginnen. Sie brandmarkte die aggressive Politik der imperialistischen Mächte, forderte die Einstellung der räuberischen Intervention und die Aufhebung der Blockade. Am 17. Juli 1919 wandte sich das Volkskommissariat f ü r Auswärtige Angelegenheiten an die Arbeiterorganisationen Frankreichs, Englands und Italiens mit einem A u f r u f , auf ihre Regierungen einzuwirken und sie zu zwingen, Friedensverhandlungen einzuleiten. Der Aufruf offenbarte die wahren Ziele der Interventen und zählte alle Versuche der Sowjetregierung auf, u m eine friedliche Regelung der strittigen Fragen und die Beendigung des blutigen Krieges zu erreichen. Die Friedensaktionen der Sowjetregierung wurden jedoch von den imperialistischen Mächten ignoriert; sie setzten ihre räuberische Intervention gegen das Land des Sozialismus fort. Trotz der Niederlage Koltschaks hofften die USA immer noch auf eine Änderung der Lage im Fernen Osten und auf die Möglichkeit, dieses Gebiet wirtschaftlich und politisch zu erobern. Eben darum sandte Wilson den USABotschafter in Japan, Morris, nach Omsk und beauftragte ihn mit der Darlegung eines,,erschöpfendenPlanes" f ü r den wirtschaftlichen Wiederaufbau Sibiriens sowie eines „Orientierungsplanes" f ü r das europäische Rußland. Morris sollte von Koltschak offizielle Zusicherungen über das zukünftige Regime in Rußland erhalten. Nachdem er die Situation an Ort und Stelle studiert hatte, empfahl Morris seiner Regierung, Koltschak anzuerkennen, ihm Kredite zu gewähren und durch Entsendung weiterer amerikanischer Truppen militärische Hilfe zu leisten." Ebenso wie f ü r das Schicksal Koltschaks, interessierte sich die „Dollardiplomatie" sehr f ü r den von ihm geraubten Goldvorrat. Das Staatsdepartment forschte eifrig danach, ob Koltschak gewillt wäre, den USA das Gold zur A u f bewahrung zu überlassen. 100 I n den vorübergehend von Amerikanern besetzten Bezirken verübten die Soldaten Wilsons, genau wie die Japaner, grausame Gewaltakte gegen die friedliche Bevölkerung, plünderten u n d brandschatzten russische Dörfer. So wurde z. B. die Ortschaft Iwanowka völlig niedergebrannt, wobei 1300Menschen ums Leben kamen. Somit bewiesen unwiderlegbare Tatsachen, daß die Regierung der USA „auch vor einer bewaffneten Intervention nicht haltmachte, sie schickte ihre Truppen nach dem sowjetischen Fernen Osten und ins Gebiet von Archangelsk. Die amerikanischen Truppen halfen, zusammen mit den Truppen einiger anderer 9B
„Foreign Relations", Russia, 1919, S. 408—410. io» Ebenda, S. 214—215.
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Länder aktiv den. russischen zaristischen Generalen — Koltschak, Denikin, Judenitsch und anderen — in ihrem Kampf gegen die Sowjetmacht, erschossen russische Arbeiter und Bauern, befaßten sich mit Plünderung der Einwohnerschaft." 101 Entgegen den Berechnungen der imperialistischen Interventen wurde Koltschaks Armee gegen Ende 1919 völlig vernichtet. Die Schläge der Roten Armee, die Entwicklung der Partisanenbewegung in Ost- und Westsibirien sowie im Fernen Osten trugen ebenso, wie die Aktionen der Arbeiter in den Städten, zum Sturz von Koltschaks Macht bei. Die Niederlage Denikins im Herbst 1919 und der gleichzeitige Zusammenbruch Judenitschs durchkreuzten endgültig die Pläne der Entente und der USA. Über diese Ereignisse schrieb Genosse Stalin im Dezember 1919: „Das Fiasko der Konterrevolution war diesmal derart unerwartet und plötzlich, daß die Sieger über das imperialistische Deutschland, die alten Wölfe der Entente, gezwungen waren, in aller Öffentlichkeit zu erklären: ,Der Bolschewismus ist nicht mit Waffengewalt zu besiegen'". 102 Im Frühjahr 1920 beriefen die USA ihre Truppen aus Sibirien ab und gingen zu anderen Formen der Intervention und des Kampfes gegen die Sowjetrepublik über. Die Bildung der Fernost-Republik Auch nach der Zerschmetterung Koltschaks durch die Rote Armee gaben die japanischen Imperialisten ihre räuberischen Pläne im Sowjetischen Fernen Osten nicht auf. Inzwischen sah sich am 16. Januar, unter dem Eindruck der Siege der Roten Armee, der Oberste Rat der Entente gezwungen, eine Anordnung über die Aufhebung der Blockade gegen Sbwjetrußland zu erlassen und seine Truppen aus Sibirien zurückzubeordern. „Als die Imperialisten sahen, daß die weißgardistischen Truppen geschlagen waren, daß die Intervention nicht gelang und daß die Sowjetmacht sich im ganzen Lande festigte, in Westeuropa aber die Empörung der Arbeiter über den Krieg der Interventen gegen die Sowjetrepublik wuchs, begannen sie ihr Verhalten zum Sowjetstaat zu ändern. Im Januar 1920 faßten England, Frankreich und Italien den Beschluß, die Blockade gegen Sowjetrußland aufzuheben. Damit war eine höchst bedeutsame Bresche in die Mauer der Intervention geschlagen worden." 103 Die Partisanenbewegung, die sich im Fernen Osten entfaltet hatte, leistete den japanischen Okkupanten immer entschiedeneren Widerstand. 101
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Erklärung A. A. Gromykos, des stellvertretenden Außenministers der UdSSR, über die amerikanische bewaffnete Intervention in Korea. In: Beüage zur „Neuen Zeit", Nr. 28 vom 12. Juli 1950, S. 5. J. W. Stalin, Werke, Bd. 4, S. 251. „Geschichte der KPdSU(B), Kurzer Lehrgang", Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 298.
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Länder aktiv den. russischen zaristischen Generalen — Koltschak, Denikin, Judenitsch und anderen — in ihrem Kampf gegen die Sowjetmacht, erschossen russische Arbeiter und Bauern, befaßten sich mit Plünderung der Einwohnerschaft." 101 Entgegen den Berechnungen der imperialistischen Interventen wurde Koltschaks Armee gegen Ende 1919 völlig vernichtet. Die Schläge der Roten Armee, die Entwicklung der Partisanenbewegung in Ost- und Westsibirien sowie im Fernen Osten trugen ebenso, wie die Aktionen der Arbeiter in den Städten, zum Sturz von Koltschaks Macht bei. Die Niederlage Denikins im Herbst 1919 und der gleichzeitige Zusammenbruch Judenitschs durchkreuzten endgültig die Pläne der Entente und der USA. Über diese Ereignisse schrieb Genosse Stalin im Dezember 1919: „Das Fiasko der Konterrevolution war diesmal derart unerwartet und plötzlich, daß die Sieger über das imperialistische Deutschland, die alten Wölfe der Entente, gezwungen waren, in aller Öffentlichkeit zu erklären: ,Der Bolschewismus ist nicht mit Waffengewalt zu besiegen'". 102 Im Frühjahr 1920 beriefen die USA ihre Truppen aus Sibirien ab und gingen zu anderen Formen der Intervention und des Kampfes gegen die Sowjetrepublik über. Die Bildung der Fernost-Republik Auch nach der Zerschmetterung Koltschaks durch die Rote Armee gaben die japanischen Imperialisten ihre räuberischen Pläne im Sowjetischen Fernen Osten nicht auf. Inzwischen sah sich am 16. Januar, unter dem Eindruck der Siege der Roten Armee, der Oberste Rat der Entente gezwungen, eine Anordnung über die Aufhebung der Blockade gegen Sbwjetrußland zu erlassen und seine Truppen aus Sibirien zurückzubeordern. „Als die Imperialisten sahen, daß die weißgardistischen Truppen geschlagen waren, daß die Intervention nicht gelang und daß die Sowjetmacht sich im ganzen Lande festigte, in Westeuropa aber die Empörung der Arbeiter über den Krieg der Interventen gegen die Sowjetrepublik wuchs, begannen sie ihr Verhalten zum Sowjetstaat zu ändern. Im Januar 1920 faßten England, Frankreich und Italien den Beschluß, die Blockade gegen Sowjetrußland aufzuheben. Damit war eine höchst bedeutsame Bresche in die Mauer der Intervention geschlagen worden." 103 Die Partisanenbewegung, die sich im Fernen Osten entfaltet hatte, leistete den japanischen Okkupanten immer entschiedeneren Widerstand. 101
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Erklärung A. A. Gromykos, des stellvertretenden Außenministers der UdSSR, über die amerikanische bewaffnete Intervention in Korea. In: Beüage zur „Neuen Zeit", Nr. 28 vom 12. Juli 1950, S. 5. J. W. Stalin, Werke, Bd. 4, S. 251. „Geschichte der KPdSU(B), Kurzer Lehrgang", Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 298.
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I n dieser L a g e wandte sich die Sowjetregierung am 24. F e b r u a r 1920 an J a p a n m i t einem Vorschlag über Friedensverhandlungen. Die japanischen Imperialisten wollten auf ihren P l ä n e n b e h a r r e n u n d beantworteten den sowjetischen Vorschlag nicht. Sie antworteten auch nicht auf den Vorschlag der Provisorischen R e g i e r u n g des Küstengebiets vom 5. März. D a die „ U n t e r s t ü t z u n g der Tschechen in Sibirien" nicht m e h r als Vorwand f ü r eine japanische Intervention u n d f ü r den A u f e n t h a l t japanischer T r u p p e n im Nordteil des Küstengebiets dienen konnte, ersann die japanische R e g i e r u n g einen neuen Vorwand u n d erklärte am 31. M ä r z 1920, es bestehe eine „ G e f a h r f ü r das Leben u n d E i g e n t u m " japanischer U n t e r t a n e n und eine „Bedrohung des Friedens" in der Mandschurei u n d in Korea. D i e Japaner, die sich auf einen neuen Überfall vorbereiteten, beobachteten sehr genau die internationale Lage der RSFSR. Z u r selben Zeit b e g a n n nämlich der auf den Sturz der Sowjetmacht hinzielende „ D r i t t e F e l d z u g " der Entente. I n dieser Situation entschloß sich die Sowjetregierung zur Bildung eines demokratischen „Pufferstaates" i m F e r n e n Osten. Dieser Schritt geschah in der Absicht, einen Krieg gegen J a p a n zu vermeiden. I n seiner Rede vom 21. Dezember 1920 vor der F r a k t i o n der Kommunistischen P a r t e i R u ß l a n d s (B) des V I I I . Allrussischen Sowjetkongresses erklärte L e n i n über die G r ü n d e der Schaffung der Fernost-Republik, daß „. . . die Umstände zur Bildung eines Pufferstaates i n Gestalt der Republik des F e r n e n Ostens gezwungen haben u n d w i r sehr gut wissen, welch maßlose Leiden die sibirischen B a u e r n durch den japanischen Imperialismus zu erdulden haben, welch u n e r h ö r t e U n z a h l von Bestialitätsakten die Japaner i n Sibirien begangen haben . . . Aber dennoch können wir keinen Krieg m i t J a p a n f ü h r e n u n d müssen alles t u n , u m zu versuchen, den Krieg m i t J a p a n nicht n u r hinauszuschieben, sondern, w e n n m ö g lich, ihn zu vermeiden . ..." 10 * D e r am 28. M ä r z 1920 eröffnete Kongreß der W e r k t ä t i g e n des Baikalgebietes verkündete a m 6. April allen Regierungen der W e l t die B i l d u n g einer u n a b h ä n g i g e n demokratischen Fernost-Republik, die aus dem A m u r - u n d Küstengebiet, Transbaikalien u n d den Gebieten von Sachalin u n d Kamtschatka sowie dem Konzessionsstreifen der Ostchinesischen B a h n bestehen sollte. Es stand indessen noch ein h a r t e r Kampf u m die E i n b e z i e h u n g dieser Gebiete i n die Fernost-Republik bevor. Es galt, eine A r m e e f ü r den Kampf u m die Vereinigung des russischen F e r n e n Ostens zu schaffen. N u r i n schwerem R i n g e n gegen die japanischen Interventen sowie gegen die I n t r i g e n der USA, Englands u n d Frankreichs konnte dieses Ziel erreicht werden. Gerade zu dieser Zeit suchten die japanischen Imperialisten einen A n l a ß , u m i h r e A r m e e auf russischem T e r r i t o r i u m zu belassen. Sie organisierten eine Reihe provokatorischer Aktionen i n Nikolajewsk, in Chabarowsk, i n Wladiwostok u n d i n anderen Ortschaften, u m einen Vorwand zu haben, die örtlichen E i n w o h n e r u n d Behörden des „Überfalls" auf Japaner zu bezichtigen. I n der Nacht vom 4. z u m 5. April 1920 beschossen die Japaner plötzlich aus Maschinengewehren 104
B. H. JleHHH, COT., Bd. 51, 4. Aufl., S. 435. 241
und Geschützen öffentliche Gebäude im Zentrum von Wladiwostok. Scheinwerfer eines japanischen Panzerschiffs halfen den Angreifern durch Beleuchtung der Angriffsobjekte. Die Japaner veranstalteten einen Pogrom unter den gesellschaftlichen Organisationen und töteten friedliche Bürger. So wie in Wladiwostok A n f a n g April, inszenierten die Japaner gleichzeitig auch in anderen Städten und Ortschaften Überfälle, in Chabarowsk, in Nikolsk-Ussurijsk, in Spassk, in Schkotowo u. a. Etwas später, Ende Mai, wurde der heldenhafte F ü h r e r der Partisanen des Küstengebietes, Sergej Laso, heimtückisch und bestialisch ermordet. Dieses Verbrechen, das verübt wurde, während das japanisch-russische Verständigungskomitee tagte, suchte das japanische Oberkommando zu verheimlichen. Die Täuschung wurde jedoch sehr bald auf Grund von Dokumenten entlarvt. Die sowjetischen F ü h r e r im Küstengebiet erkannten in den Ereignissen vom 4.—5. April den Versuch Japans, nicht n u r die Intervention fortzusetzen, sondern auch die in diesem Gebiet bereits formierten russischen Streitkräfte zu vernichten. Deshalb bestand die Taktik der Bolschewiki darin, die Streitkräfte unversehrt zu erhellten, sie aus dem unmittelbaren Aktionsbereich der japanischen Armeen herauszuziehen, u m sie danach umgruppieren und ergänzen zu können. Die Provokation der japanischen Imperialisten scheiterte. D a n k der Unterstützung der Bevölkerung begannen die russischen Streitkräfte noch schneller anzuwachsen. Getreu ihrer Politik des Kampfes u m den Frieden und gegen den Krieg, leitete die Provisorische Regierung des Küstengebietes Verhandlungen mit den Japanern zur Beilegung des Konfliktes ein. Nach dem provokatorischen Überfall auf Wladiwostok besetzten die japanischen Imperialisten den Nordteil von Sachalin. Wie an anderen Orten, so setzten die Japaner auch hier ihre Plünderungen und Willkürakte gegenüber der örtlichen Bevölkerung fort. Die Politik der Japaner auf der Insel zielte darauf hin, die Russen völlig zu verdrängen und sich der H ä f e n sowie der Naturschätze von Sachalin zur Festigung der eigenen Stellung im Pazifik zu bemächtigen. Während die japanischen Imperialisten ihre Streitkräfte im Küstengebiet konzentrierten, zwang sie der wachsende Widerstand der Partisanen und die Offensive der frisch aufgestellten Volksrevolutionären Armee der FernostRepublik, Transbaikalien zu räumen. I n den Verhandlungen mit den Japanern erzielte die Regierung der Fernost-Republik einen Waffenstillstand an der Front in Transbaikalien. A m 25. Juli 1920 räumten die Japaner Tschita, am 5. August Sretensk. Mitte Oktober war der erzwungene Abzug der Japaner aus Transbaikalien beendet. Die Weißgardisten, unter dem Kommando von Ataman Semjonow, wurden von der Armee der Fernost-Republik geschlagen u n d flohen in die Mandschurei. I m J a n u a r 1921 fanden Wahlen zur Konstituierenden Versammlung der Fernost-Republik statt; als deren Ergebnis wurde in Tschita, der Hauptstadt der Republik, eine von Bolschewiki geleitete Regierung geschaffen. Auf diese Weise gelang es den Bolschewiki, unter äußerst komplizierten Bedingungen, die FernostRepublik als einen zeitweiligen Pufferstaat zum Schutz gegen die Angriffe der Japaner auf die RSFSR zu schaffen.
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Dennoch waren die Japaner keineswegs gewillt, die Intervention aufzugeben; sie schmiedeten neue Pläne f ü r einen Angriff auf das sowjetische Territorium.
Die mongolische Volksrevolution von 1921 Gleichzeitig mit der Intervention im Fernen Osten versuchten die Japaner auch die Äußere Mongolei zu erobern. Für diesen Zweck setzten sie die russischen Weißgardisten Semjonow und Baron von Ungern-Sternberg sowie den mandschurischen Militaristen Tschang Tso-lin ein. Letzterer kämpfte als unumschränkter Satrap der Mandschurei mit Unterstützung der Japaner gegen die Regierung in Peking um die Macht. Die japanischen Imperialisten wollten in der Mandschurei und Mongolei die Kommandohöhen besetzen und diese Länder in eine Aufmarschbasis gegen die RSFSR verwandeln. Der weißgardistische Abenteurer und Henker Baron von Ungern-Sternberg zog mit Hilfe der Japaner eine Abteilung von einigen tausend M a n n zusammen, brach am 4. November 1921 in die Mongolei ein und eroberte Urga, die Hauptstadt der Mongolei. Von hier aus beabsichtigte Ungern nach Troitzkosawsk, Werchneudinsk und Tschita zu stoßen, um die Fernost-Republik von Sowjetrußland abzuschneiden. Aber sehr bald wurden diese Absichten der Japaner und der Weißgardisten durch die Niederlage Ungerns zunichte, die er durch Abteilungen der Roten Armee, der Armee der Fernost-Republik und auch der neu formierten Mongolischen Volksrevolutionären Armee erlitt. Am 6. Juli 1921, nach der Niederlage Ungerns und dem Einmarsch der Roten Armee in Urga, siedelte die am 13. März 1921 gewählte Mongolische Volksrevolutionäre Regierung nach dort über. Der Bildung der Volksrevolutionären Regierung ging die am 1. März 1921 in der Mongolei vollzogene Bildung der Mongolischen Volksrevolutionären Partei voraus. Die von Suche-Bator und Tschoibalsan bereits 1919 geschaffenen illegalen Gruppen leisteten unter den Massen der Araten Aufklärungsarbeit und riefen sie auf zum Kampf gegen die Marionetten der Japaner, die chinesischen Militaristen, die nach der Mongolei griffen. Der Vormarsch der Roten Armee in Sibirien und die Niederlage der Koltschak-Banditen und anderer Weißgardisten unterstützten die mongolische Befreiungsbewegung, indem sie ihren Glauben an den Sieg festigten. Anfang 1920 stellten Suche-Bator und Tschoibalsan die Verbindung mit den Bolschewiki von Irkutsk her, die sie mit Rat und T a t unterstützten. Die mongolischen Revolutionäre wurden mit den Befreiungsideen der Bolschewiki und mit der Praxis der Sowjets bekannt. Dies beeinflußte die politische Willensbildung der fortschrittlichen Kreise der Araten und das Programm der Volksrevolutionären Partei. Hauptpunkte dieses Programms waren die nationale Befreiung der Mongolei und die E i n f ü h r u n g des Systems einer Volksvertretung anstelle der bisher herr243
Dennoch waren die Japaner keineswegs gewillt, die Intervention aufzugeben; sie schmiedeten neue Pläne f ü r einen Angriff auf das sowjetische Territorium.
Die mongolische Volksrevolution von 1921 Gleichzeitig mit der Intervention im Fernen Osten versuchten die Japaner auch die Äußere Mongolei zu erobern. Für diesen Zweck setzten sie die russischen Weißgardisten Semjonow und Baron von Ungern-Sternberg sowie den mandschurischen Militaristen Tschang Tso-lin ein. Letzterer kämpfte als unumschränkter Satrap der Mandschurei mit Unterstützung der Japaner gegen die Regierung in Peking um die Macht. Die japanischen Imperialisten wollten in der Mandschurei und Mongolei die Kommandohöhen besetzen und diese Länder in eine Aufmarschbasis gegen die RSFSR verwandeln. Der weißgardistische Abenteurer und Henker Baron von Ungern-Sternberg zog mit Hilfe der Japaner eine Abteilung von einigen tausend M a n n zusammen, brach am 4. November 1921 in die Mongolei ein und eroberte Urga, die Hauptstadt der Mongolei. Von hier aus beabsichtigte Ungern nach Troitzkosawsk, Werchneudinsk und Tschita zu stoßen, um die Fernost-Republik von Sowjetrußland abzuschneiden. Aber sehr bald wurden diese Absichten der Japaner und der Weißgardisten durch die Niederlage Ungerns zunichte, die er durch Abteilungen der Roten Armee, der Armee der Fernost-Republik und auch der neu formierten Mongolischen Volksrevolutionären Armee erlitt. Am 6. Juli 1921, nach der Niederlage Ungerns und dem Einmarsch der Roten Armee in Urga, siedelte die am 13. März 1921 gewählte Mongolische Volksrevolutionäre Regierung nach dort über. Der Bildung der Volksrevolutionären Regierung ging die am 1. März 1921 in der Mongolei vollzogene Bildung der Mongolischen Volksrevolutionären Partei voraus. Die von Suche-Bator und Tschoibalsan bereits 1919 geschaffenen illegalen Gruppen leisteten unter den Massen der Araten Aufklärungsarbeit und riefen sie auf zum Kampf gegen die Marionetten der Japaner, die chinesischen Militaristen, die nach der Mongolei griffen. Der Vormarsch der Roten Armee in Sibirien und die Niederlage der Koltschak-Banditen und anderer Weißgardisten unterstützten die mongolische Befreiungsbewegung, indem sie ihren Glauben an den Sieg festigten. Anfang 1920 stellten Suche-Bator und Tschoibalsan die Verbindung mit den Bolschewiki von Irkutsk her, die sie mit Rat und T a t unterstützten. Die mongolischen Revolutionäre wurden mit den Befreiungsideen der Bolschewiki und mit der Praxis der Sowjets bekannt. Dies beeinflußte die politische Willensbildung der fortschrittlichen Kreise der Araten und das Programm der Volksrevolutionären Partei. Hauptpunkte dieses Programms waren die nationale Befreiung der Mongolei und die E i n f ü h r u n g des Systems einer Volksvertretung anstelle der bisher herr243
sehenden theokratisch-absolutistischen Macht. Der Inhalt des gesamten Programms war seinem Wesen nach antiimperialistisch und antifeudal. Alle progressiven Kräfte der Mongolei vereinigten sich um die von Suche-Bator und Tschoibalsan geführte Partei. Mit der selbstlosen Unterstützung Sowjetrußlands, dessen Streitkräfte dem mongolischen Volk bei der Vertreibung der Weißgardisten aus seinem Leinde halfen, brach der japanische Plan zur Eroberung der Mongolei zusammen.105 Die Zerschlagung der Interventen im Fernen Osten Im Frühjahr 1921 begannen die japanischen Militaristen mit Vorbereitungen zu einem neuen Angriff gegen das Küstengebiet. Das japanische Parlament bestätigte das neue Militärbudget. Die Militärclique arbeitete den Plan für eine Meuterei im Küstengebiet unter Mithilfe der Semjonow- und eines Restes der Koltschakbanden aus. Die weißgardistischen Abteilungen wurden mit der notwendigen Bewaffnung versehen. Am'26. Mai kam es zu einem neuen konterrevolutionären Umsturz im Küstengebiet. In Wladiwostok wurde eine,,Regierung" gebildet, an deren Spitze die Brüder Merkulow, Großkaufleute der Stadt, standen. Der neue konterrevolutionäre Umsturz war offen von der Entente und den USA inspiriert. Am 1. Juni 1921 sandte das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten der R S F S R an die Außenminister Frankreichs, Englands und Italiens ein Radiogramm, in dem das neue Abenteuer der japanischen Militaristen angeprangert wurde. Es wurde auf die noch andauernde Ausplünderung der Reichtümer Sibiriens durch die Japaner hingewiesen, sowie auf die Tatsache, daß sich „mit Hilfe japanischer Streitkräfte Reste der konterrevolutionären Banden von Semjonow und Kappel an der chinesischen Grenze halten und die Ostchinesische Bahn beherrschen; nur mit Unterstützung der japanischen Hilfstruppen können die Ungern-Banden die Mongolei terrorisieren und dort ihre Angriffe gegen die Russische Republik vorbereiten". Die Sowjetregierung wies ferner darauf hin, daß sie nicht umhin könne, nicht nur Japan, sondern auch die Entente-Regierungen für das neue konterrevolutionäre Abenteuer verantwortlich zu machen. „Die Sowjetregierung" — hieß es im Telegramm —- „sieht sich veranlaßt, allen Entente-Mächten die Verantwortung für dieses neue Glied der Interventionskette aufzuerlegen, die das gemeinsame Werk dieser Mächte darstellt."10® Die betreffenden Mächte ließen das Radiogramm unbeantwortet. Das bedeutete, daß sie nicht nur die neuen Interventionsmaßnahmen der japanischen 100
106
Die im Juli 1921 in der Mongolei errichtete konstitutionelle Monarchie war in ihren Rechten durch die Volksrevolutionäre Regierung beschränkt; die Monarchie existierte bis 1924, als die Mongolische Volksrepublik ausgerufen wurde. «IIpaB^a» vom 3. Juni 1921.
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sehenden theokratisch-absolutistischen Macht. Der Inhalt des gesamten Programms war seinem Wesen nach antiimperialistisch und antifeudal. Alle progressiven Kräfte der Mongolei vereinigten sich um die von Suche-Bator und Tschoibalsan geführte Partei. Mit der selbstlosen Unterstützung Sowjetrußlands, dessen Streitkräfte dem mongolischen Volk bei der Vertreibung der Weißgardisten aus seinem Leinde halfen, brach der japanische Plan zur Eroberung der Mongolei zusammen.105 Die Zerschlagung der Interventen im Fernen Osten Im Frühjahr 1921 begannen die japanischen Militaristen mit Vorbereitungen zu einem neuen Angriff gegen das Küstengebiet. Das japanische Parlament bestätigte das neue Militärbudget. Die Militärclique arbeitete den Plan für eine Meuterei im Küstengebiet unter Mithilfe der Semjonow- und eines Restes der Koltschakbanden aus. Die weißgardistischen Abteilungen wurden mit der notwendigen Bewaffnung versehen. Am'26. Mai kam es zu einem neuen konterrevolutionären Umsturz im Küstengebiet. In Wladiwostok wurde eine,,Regierung" gebildet, an deren Spitze die Brüder Merkulow, Großkaufleute der Stadt, standen. Der neue konterrevolutionäre Umsturz war offen von der Entente und den USA inspiriert. Am 1. Juni 1921 sandte das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten der R S F S R an die Außenminister Frankreichs, Englands und Italiens ein Radiogramm, in dem das neue Abenteuer der japanischen Militaristen angeprangert wurde. Es wurde auf die noch andauernde Ausplünderung der Reichtümer Sibiriens durch die Japaner hingewiesen, sowie auf die Tatsache, daß sich „mit Hilfe japanischer Streitkräfte Reste der konterrevolutionären Banden von Semjonow und Kappel an der chinesischen Grenze halten und die Ostchinesische Bahn beherrschen; nur mit Unterstützung der japanischen Hilfstruppen können die Ungern-Banden die Mongolei terrorisieren und dort ihre Angriffe gegen die Russische Republik vorbereiten". Die Sowjetregierung wies ferner darauf hin, daß sie nicht umhin könne, nicht nur Japan, sondern auch die Entente-Regierungen für das neue konterrevolutionäre Abenteuer verantwortlich zu machen. „Die Sowjetregierung" — hieß es im Telegramm —- „sieht sich veranlaßt, allen Entente-Mächten die Verantwortung für dieses neue Glied der Interventionskette aufzuerlegen, die das gemeinsame Werk dieser Mächte darstellt."10® Die betreffenden Mächte ließen das Radiogramm unbeantwortet. Das bedeutete, daß sie nicht nur die neuen Interventionsmaßnahmen der japanischen 100
106
Die im Juli 1921 in der Mongolei errichtete konstitutionelle Monarchie war in ihren Rechten durch die Volksrevolutionäre Regierung beschränkt; die Monarchie existierte bis 1924, als die Mongolische Volksrepublik ausgerufen wurde. «IIpaB^a» vom 3. Juni 1921.
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Imperialisten billigten, sondern sie auch unterstützten. M i t Einverständnis der Entente und der USA blieb der Interalliierte Technische R a t in Wladiwostok bestehen. Die U S A „protestierten" zuweilen heuchlerisch gegen die Aktionen der Japaner im Küstengebiet. Aber alle diese Proteste und Erklärungen über die „Achtung der Rechte des russischen Volkes" waren n u r ein Nebelschleier, u m die gemeinen Absichten der amerikanischen Aggressoren zu tarnen. I n den Jahren 1920—1921 schickten die USA ihre Vertreter nach Sibirien. I m Sommer 1921 wurde eine amerikanische Mission, geführt vom Handels-Attache in Tokio, Abbott, nach Tschita gesandt. Alle diese Vertreter und Missionen übten im A u f t r a g ihrer Geldgeber eine Spionage- und Diversionstätigkeit aus. „Es darf aber nicht vergessen werden", schrieb damals J. W . Stalin, „daß die Handelsmissionen und alle anderen Missionen und Gesellschaften, die Rußland überschwemmen, die mit Rußland Handel treiben und ihm helfen, zugleich die besten Kundschafter der Weltbourgeoisie sind, daß die Weltbourgeoisie infolgedessen Sowjetrußland, seine schwachen und starken Seiten, jetzt besser kennt als je zuvor — Umstände, die im Falle neuer interventionistischer Aktionen ernste Gefahren in sich bergen." 1 0 7 Die USA-Regierung, und ebenfalls die Regierungen Englands und Frankreichs, unterstützten auch 1921—1922 das antisowjetische Abenteuer Japans. Gleichzeitig waren die USA bestrebt, sich eine eigene Agentur im russischen Fernen Osten zu sichern, daher unterstützten sie die Brüder Merkulow. Das Scheitern der japanischen Intervention in Transbaikalien, im Amurgebiet und i n der Mongolei, sowie die wachsenden japanisch-amerikanischen Gegensätze veranlaßten die herrschenden Kreise Japans, neue Wege zu suchen, u m ihren Einfluß im Fernen Osten zu befestigen. Die Japaner begannen diplomatische Verhandlungen mit der Fernost-Republik. Dazu zwang sie auch die Verschlechterung der Lage im Inneren. Die W i r t schaftskrise des Jahres 1921 war in Japan sehr spürbar. Die allgemeine Unzufriedenheit mit der Regierung, die einen großen Teil des Staatshaushalts f ü r abenteuerliche Eroberungspläne verausgabte, schwoll an. Die fortschrittlichen Arbeiter Japans erhoben offen ihre Stimme, u m gegen die räuberischen, auf den Raub Sibiriens und des Fernen Ostens hinzielenden Feldzüge ihrer Regierung zu protestieren. Aber auch" unter diesen Bedingungen gedachten die japanischen Imperialisten immer noch, ihre unsinnigen Pläne durchzuführen. Sie strebten danach, „Wladiwostok, Nikolsk-Ussurijsk und die Ostchinesische Bahn weiterhin in ihrer H a n d zu behalten, alle Jagd-, Fischerei- und Waldkonzessionen im Küstengebiet, auf Sachalin und Kamtschatka an sich zu bringen und alle Bodenschätze, besonders aber die Goldgruben, zu beherrschen und die Regierung der Fernost-Republik zu stürzen." 1 0 8 J. W. Stalin, Werke, Bd. 5, S. 10+. 108
H. B . MocTOBen, ^afipeHCKaa KOB Bo-^a, c^aH Kaä-nni — Bpar KHTaÄCKoro napo^a», Moskau 1950, S. 127.
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amerikanische Regierung Gegenmaßnahmen ergreifen könne.16 Das erwähnte Dokument der amerikanischen Regierung spiegelte die Verschärfung des imperialistischen Antagonismus zwischen Japan und Amerika wider. Die USA verwiesen auf die von den Japanern in Tsingtau eingeführte Währungskontrolle sowie deren Plan, diese Kontrolle auf ganz Nordchina auszudehnen, des weiteren auf die Änderung der Zolltarife, auf die Errichtung von Monopolunternehmungen unter japanischer Leitung und auf die Einführung aller möglichen Beschränkungen für amerikanische Bürger in China; die USA bestanden darauf, daß die japanische Regierung von ihrer Politik der Beschränkungen in bezug auf amerikanische Bürger Abstand nehmen müsse. In ihrer Antwortnote, die dem amerikanischen Botschafter in Tokio am 18. November 1938 überreicht wurde, wies die japanische Regierung die Behauptung zurück, daß gegenüber den Amerikanern eine Politik der Diskriminierung betrieben worden sei, und gab gleichzeitig folgende Erklärung ab: „Japan widmet gegenwärtig seine Energie der Sache einer Neuordnung in ganz Ostasien. Die Verwirklichung der Neuen Ordnung ist nicht nur eine unerläßliche Bedingung für die Existenz Japans selbst, sondern stellt auch die Grundlage für einen dauerhaften Frieden und für die Stabilität in Ostasien dar."17 Danach hielt die japanische Regierung, die an die antisowjetischen Tendenzen in den USA appellierte, die Zeit für gekommen, den USA offen erklären zu können, daß man die amerikanische imperialistische Doktrin der „Offenen Tür" in China durch das japanische faschistische Prinzip der Errichtung einer ,,Neuen Ordnung" in Ostasien ersetzt habe. Die ersten Monate des Jahres 1939 waren durch Ereignisse gekennzeichnet, die die Gefahr eines Krieges in Europa und gleichzeitig eine weitere militärische Expansion Japans ankündigten. Im Februar 1939 wurde die Insel Hainein im Süden Chinas, im März die Spratley-Inseln von japanischen Truppen besetzt. Damit gewannen die Japaner wichtige strategische Positionen unweit Singapurs und in nächster Nähe der Zufahrtswege nach Hongkong. In China trugen sich in dieser Zeit Ereignisse zu, die die japanischen Imperialisten als für ihre weitere Offensive günstig werten konnten. Eine Gruppe von Kuomintang-Leuten, japanische Agenten, die von Wang Tsching-wei geführt wurden und hervorragende Stellungen in der Kuomintang und in der Regierung einnahmen, liefen im Herbst 1938 zu den Japanern nach Schanghai über. Die Kuomintang-Regierung mit Tschiang Kai-schek an der Spitze aber ging nach der Eroberung Kantons und Hankaus durch die Japaner ganz offen daran, eine Übereinkunft mit dem Aggressor zu suchen und den Bürgerkrieg gegen die von den Kommunisten geführten demokratischen Kräfte des Landes vorzubereiten. Auf dem VI. Plenum des Zentralexekutivkomitees der Kuomintang am 18.November 1938 schlug Tschiang Kai-schek vor, mit Japan Frieden zu schließen und diesem die Mandschurei abzutreten. 18
T. A. Bisson, „American Policy in the Far East 1931—1940", New York 1940, S. 76—78. « Ebenda, S. 78.
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Alle diese Umstände, d.h. die Offensive der Japaner und die kapitulantenhafte Politik der Kuomintang-Regierung, beunruhigten die fortschrittlichen Kreise in den USA und riefen eine Bewegung zur Revision des Neutralitätsgesetzes, für die Verhängung eines Embargos auf die Ausfuhr von Kriegsmaterialien nach Japan, für die Einschränkung des Handels mit Japan und die Kündigung des im Jahre 1911 zwischen den USA und Japan geschlossenen Handelsvertrages hervor. Das USA-Staatsdepartment mischte sich ein und paralysierte diese Bewegung. Die Politik der amerikanischen Regierung war unverändert auf die Entfesselung eines Krieges im Fernen Osten gerichtet und stellte eine Begünstigung des japanischen Aggressors dar. Die Ausfuhr von Kriegsmaterialien aus den USA nach Japan stieg von Jahr zu Jahr. Von größter Bedeutung waren für Japan Eisenschrott, Stahl, Erdöl und Erdölprodukte. Im Jahre 1939 bestanden etwa 70% der japanischen Einfuhr aus den USA aus Kriegsmaterialien und strategisch wichtigen Rohstoffen. Die Zunahme der Einfuhr von Kriegsmaterial aus den USA im Jahre 1939 im Vergleich zu 1938 zeigt die nachstehende Tabelle (in Mill. Dollar): Einfuhr nach Japan aus den USA
1938
1939
Erdöl und Erdölprodukte Eisen- und Stahlschrott Kupfer Maschinen und Ausrüstungen Automobile und Autozubehör
21,7 3,0 2,3 0,8 6,1
49,3 32,5 27,5 24,5 16,4
Die amerikanischen Monopolgesellschaften unterstützten die japanischen Rüstungsindustriellen nachdrücklichst. Im Jahre 1938 erhielt der japanische Rüstungskonzern „Kuhara-Ayukawa" von amerikanischen Banken einen Kredit in Höhe von 50 Mill. Dollar für den Bau von Fabriken in der Mandschurei. Im gleichen Jahre gewährte Morgan japanischen Gesellschaften eine Anleihe in Höhe von 75 Mill. Dollar. Henry Ford war Großaktionär japanischer Rüstungsunternehmen und Zeichner japanischer Regierungsanleihen. Morgan, Rockefeller, Ford und andere Großkapitalisten bereicherten sich an den Kriegslieferungen für Japan und leisteten der Aggressionspolitik des japanischen Imperialismus auf jede Art und Weise Vorschub. Unterdessen hatte sich seit Mai 1939 die Lage in China immer mehr verschärft. Am 12. Mai hatten die Japaner unter dem Vorwand, die Umstände der Ermordung eines japanischen Schützlings untersuchen zu wollen, auf der Insel Kulangsu, im Zentrum der internationalen Niederlassung in Amoy, eine Marineabteilung gelandet und eine Reorganisierung der Verwaltung der Niederlassung gefordert. Dies war eine direkte Herausforderung der anderen imperialistischen Mächte. Diese beschlossen erstmalig seit langer Zeit, eine militärische Demonstration durchzuführen. Am 17. und 18. Mai 1939 schifften die Amerikaner, Engländer und Franzosen auf Kulangsu Landungstrupps aus, deren jeder an Stärke dem japanischen gleichkam. Die japanischen Truppen mußten vorüber387
gehend den Rückzug antreten. Aber schon nach einem Monat erneuerten sie ihren Druck auf die englische und französische Konzession in Tientsin. Zum Vorwand diente, daß man auf dem Territorium der englischen Konzession vier Chinesen zurückhielt, die von den Japanern verlogenerweise beschuldigt wurden, die aus politischen Motiven erfolgte Ermordung eines Verräters, eines japanischen Schützlings, ausgeführt zu haben. Die japanischen Militärbehörden verlangten die Auslieferung dieser Chinesen und verhängten eine Blockade über die ausländischen Konzessionen in Tientsin. Ohne die englischen Proteste zu beachten, behandelten die japanischen Militaristen, nachdem sie die Blockade über die Konzessionen in Tientsin errichtet hatten, die Engländer betont brutal, indem sie die Konzessionsbewohner (Männer und Frauen) am Eingang zu der blockierten Konzession Leibesvisitationen unterzogen und sie zwangen, sich zu entkleiden. Die englische Regierung unternahm keinerlei Schritte zur Einwirkung auf Japan. Es wurde der Beschluß gefaßt, in Verhandlungen mit den örtlichen japanischen Behörden „die Frage zu regulieren".
Die japanische Provokation am Halchin-Gol Die weitere Offensive der japanischen Militärclique in China und die Intensivierung der Verbindungen Japans mit Hitler-Deutschland (Der Vertrag von 1938 über die Festigung der „kulturellen" Verbindungen zwischen den faschistischen Aggressoren Deutschland und Japan) am Vorabend des zweiten Weltkrieges waren von neuen provokatorischen Handlungen der japanischen Imperialisten gegen die Sowjetunion begleitet. I n dem der Provokation am Chassan-See folgenden Jahr, im Frühjahr 1939, wiederholten die japanischen Imperialisten ihre Aggressionsakte gegen die UdSSR und die Mongolische Volksrepublik in noch größerem Maßstab. Die Aggressoren versuchten, die Grenze zwischen der Mongolischen Volksrepublik und der Mandschurei im Gebiet des Chalcha-Flusses gewaltsam zu ändern, indem sie die Grenzziehung zwischen der Mongolischen Volksrepublik und der Mandschurei längs des genannten Flusses forderten, obgleich diese Grenze laut Dokumenten und Karten östlich des Halchin-Gol verlief. Trotz des mongolisch-sowjetischen Protokolls vom 12. März 1936 über gegenseitigen Beistand und der von W. M. Molotow in einer Rede auf der I I I . Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR ausgesprochenen Warnung, „Die Grenze der Mongolischen Volksrepublik . . . werden wir ebenso entschlossen verteidigen wie unsere eigene", begannen im Mai 1939 die japanischen Imperialisten mit bedeutenden Kräften die Offensive ,,. . . i m Raum der Mongolischen Volksrepublik bei Halchin-Gol,mit dem Ziel,nach dem Sowjetterritorium durchzubrechen,unsere Sibirische Eisenbahnlinie zu durchschneiden und den Fernen Osten von Rußland abzuschneiden." 18 . Die Kampfhandlungen im Gebiet des Halchin-Gol dauerten 18
J. W. Stalin: „Uber den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion", Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 235.
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gehend den Rückzug antreten. Aber schon nach einem Monat erneuerten sie ihren Druck auf die englische und französische Konzession in Tientsin. Zum Vorwand diente, daß man auf dem Territorium der englischen Konzession vier Chinesen zurückhielt, die von den Japanern verlogenerweise beschuldigt wurden, die aus politischen Motiven erfolgte Ermordung eines Verräters, eines japanischen Schützlings, ausgeführt zu haben. Die japanischen Militärbehörden verlangten die Auslieferung dieser Chinesen und verhängten eine Blockade über die ausländischen Konzessionen in Tientsin. Ohne die englischen Proteste zu beachten, behandelten die japanischen Militaristen, nachdem sie die Blockade über die Konzessionen in Tientsin errichtet hatten, die Engländer betont brutal, indem sie die Konzessionsbewohner (Männer und Frauen) am Eingang zu der blockierten Konzession Leibesvisitationen unterzogen und sie zwangen, sich zu entkleiden. Die englische Regierung unternahm keinerlei Schritte zur Einwirkung auf Japan. Es wurde der Beschluß gefaßt, in Verhandlungen mit den örtlichen japanischen Behörden „die Frage zu regulieren".
Die japanische Provokation am Halchin-Gol Die weitere Offensive der japanischen Militärclique in China und die Intensivierung der Verbindungen Japans mit Hitler-Deutschland (Der Vertrag von 1938 über die Festigung der „kulturellen" Verbindungen zwischen den faschistischen Aggressoren Deutschland und Japan) am Vorabend des zweiten Weltkrieges waren von neuen provokatorischen Handlungen der japanischen Imperialisten gegen die Sowjetunion begleitet. I n dem der Provokation am Chassan-See folgenden Jahr, im Frühjahr 1939, wiederholten die japanischen Imperialisten ihre Aggressionsakte gegen die UdSSR und die Mongolische Volksrepublik in noch größerem Maßstab. Die Aggressoren versuchten, die Grenze zwischen der Mongolischen Volksrepublik und der Mandschurei im Gebiet des Chalcha-Flusses gewaltsam zu ändern, indem sie die Grenzziehung zwischen der Mongolischen Volksrepublik und der Mandschurei längs des genannten Flusses forderten, obgleich diese Grenze laut Dokumenten und Karten östlich des Halchin-Gol verlief. Trotz des mongolisch-sowjetischen Protokolls vom 12. März 1936 über gegenseitigen Beistand und der von W. M. Molotow in einer Rede auf der I I I . Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR ausgesprochenen Warnung, „Die Grenze der Mongolischen Volksrepublik . . . werden wir ebenso entschlossen verteidigen wie unsere eigene", begannen im Mai 1939 die japanischen Imperialisten mit bedeutenden Kräften die Offensive ,,. . . i m Raum der Mongolischen Volksrepublik bei Halchin-Gol,mit dem Ziel,nach dem Sowjetterritorium durchzubrechen,unsere Sibirische Eisenbahnlinie zu durchschneiden und den Fernen Osten von Rußland abzuschneiden." 18 . Die Kampfhandlungen im Gebiet des Halchin-Gol dauerten 18
J. W. Stalin: „Uber den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion", Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 235.
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vom M a i bis zum August 1939. Die Sowjetarmee kam der Mongolischen Volksrepublik zu Hilfe. Alle A n g r i f f e der Japaner wurden abgeschlagen; sie wurden gezwungen, zur Verteidigung überzugehen. Die mongolisch-sowjetischen Truppen gingen auf der ganzen Linie östlich des Chalcha-Flusses zur Offensive über, und in der Zeit vom 21. bis zum 28. August wurden die japanisch-mandschurischen Truppen eingekesselt und liquidiert. 19 Hiernach bezogen die mongolisch-sowjetischen Truppen eine feste Stellung längs der Staatsgrenze der Mongolischen Volksrepublik. A m 16. September wurde die Meldung von einem sowjetisch-japanischen Abkommen über die Einstellung der Kampfhandlungen und über die Schaffung einer Demarkationskommission veröffentlicht. 20 Die große militärische Provokation des imperialistischen Japan war von der Berechnung ausgegangen, die überaus gespannte Lage in Europa könne die UdSSR zu einem Zurückweichen vor dem Aggressor im Fernen Osten veranlassen; die Japaner hofften, daraus neue Positionen f ü r die Vorbereitung eines Überfalls auf die UdSSR zu gewinnen. Die vernichtende Abwehr seitens der Sowjetarmee ließ diese Pläne der japanischeen Militärclique in ein Nichts zerstäuben. Ebenso brachen die Spekulationen der japanischen Imperialisten auf eine sofortige Einbeziehung des faschistischen Deutschlands in einen Krieg gegen die UdSSR zusammen. Während die Ereignisse am Halchin-Gol noch in vollem F l u ß waren (im August), wurde der sowjetisch-deutsche Nichtangriffspakt geschlossen.
Das Arita-Craigie-Abkommen I n dem Bestreben, die japanische Provokation zu einem Krieg gegen das sowjetische Volk auswachsen zu lassen, gingen die englischen Imperialisten auf ein neues Abkommen mit den japanischen Militaristen ein. I m Juli 1939 kam zwischen dem japanischen Außenminister Arita und dem englischen Botschafter Craigie ein Abkommen zustande 2 1 , laut dem England anerkannte, daß „die japanischen Streitkräfte, um ihre eigene Sicherheit und die Ordnung in den besetzten Gebieten zu gewährleisten, besondere Aufgaben haben, die es notwendig machen, Handlungen beliebiger Art, durch die sie gehindert werden oder welche den Chinesen helfen, zu unterdrücken oder zu beseitigen". Mit dem Arita-Craigie-Abkommen spornte die englische Regierung Japan in seinem Kampf gegen das chinesische Volk und bei der Vorbereitung eines Angriffes auf die UdSSR zur D u r c h f ü h r u n g „besonderer Aufgaben" an und erkannte die „Rechtmäßigkeit" der Aggression der japanischen Militärclique auf dem Gebiet Chinas offiziell an. Das schändliche Arita-Craigie-Abkommen, das einen Teil der „Münchener Politik" darstellte, wurde durch eine Erklärung bekannt, die der englische 19
31
TASS-Meldung, «Jl3BeCTHH» vom 1. September 1939. TASS-Meldung, « I f e B e c T H H » vom 16. September 1939. Bekannt unter der Bezeichnung „Arita-Craigie-Abkommen".
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vom M a i bis zum August 1939. Die Sowjetarmee kam der Mongolischen Volksrepublik zu Hilfe. Alle A n g r i f f e der Japaner wurden abgeschlagen; sie wurden gezwungen, zur Verteidigung überzugehen. Die mongolisch-sowjetischen Truppen gingen auf der ganzen Linie östlich des Chalcha-Flusses zur Offensive über, und in der Zeit vom 21. bis zum 28. August wurden die japanisch-mandschurischen Truppen eingekesselt und liquidiert. 19 Hiernach bezogen die mongolisch-sowjetischen Truppen eine feste Stellung längs der Staatsgrenze der Mongolischen Volksrepublik. A m 16. September wurde die Meldung von einem sowjetisch-japanischen Abkommen über die Einstellung der Kampfhandlungen und über die Schaffung einer Demarkationskommission veröffentlicht. 20 Die große militärische Provokation des imperialistischen Japan war von der Berechnung ausgegangen, die überaus gespannte Lage in Europa könne die UdSSR zu einem Zurückweichen vor dem Aggressor im Fernen Osten veranlassen; die Japaner hofften, daraus neue Positionen f ü r die Vorbereitung eines Überfalls auf die UdSSR zu gewinnen. Die vernichtende Abwehr seitens der Sowjetarmee ließ diese Pläne der japanischeen Militärclique in ein Nichts zerstäuben. Ebenso brachen die Spekulationen der japanischen Imperialisten auf eine sofortige Einbeziehung des faschistischen Deutschlands in einen Krieg gegen die UdSSR zusammen. Während die Ereignisse am Halchin-Gol noch in vollem F l u ß waren (im August), wurde der sowjetisch-deutsche Nichtangriffspakt geschlossen.
Das Arita-Craigie-Abkommen I n dem Bestreben, die japanische Provokation zu einem Krieg gegen das sowjetische Volk auswachsen zu lassen, gingen die englischen Imperialisten auf ein neues Abkommen mit den japanischen Militaristen ein. I m Juli 1939 kam zwischen dem japanischen Außenminister Arita und dem englischen Botschafter Craigie ein Abkommen zustande 2 1 , laut dem England anerkannte, daß „die japanischen Streitkräfte, um ihre eigene Sicherheit und die Ordnung in den besetzten Gebieten zu gewährleisten, besondere Aufgaben haben, die es notwendig machen, Handlungen beliebiger Art, durch die sie gehindert werden oder welche den Chinesen helfen, zu unterdrücken oder zu beseitigen". Mit dem Arita-Craigie-Abkommen spornte die englische Regierung Japan in seinem Kampf gegen das chinesische Volk und bei der Vorbereitung eines Angriffes auf die UdSSR zur D u r c h f ü h r u n g „besonderer Aufgaben" an und erkannte die „Rechtmäßigkeit" der Aggression der japanischen Militärclique auf dem Gebiet Chinas offiziell an. Das schändliche Arita-Craigie-Abkommen, das einen Teil der „Münchener Politik" darstellte, wurde durch eine Erklärung bekannt, die der englische 19
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TASS-Meldung, «Jl3BeCTHH» vom 1. September 1939. TASS-Meldung, « I f e B e c T H H » vom 16. September 1939. Bekannt unter der Bezeichnung „Arita-Craigie-Abkommen".
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Premierminister N. Chamberlain am 24. Juli 1939 im englischen Unterhaus abgegeben hatte. Darin hieß es: „Die Regierung seiner Majestät erkennt die gegenwärtige Lage in China, wo Kampfhandlungen großen Ausmaßes stattfinden, voll und ganz an; sie ist der Ansicht, daß die japanischen Streitkräfte, solange diese Lage obwaltet, in China vor besondere Aufgaben gestellt sein werden, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten und die allgemeine Ordnung in den unter ihrer Kontrolle befindlichen Gebieten aufrechtzuerhalten. Dabei steht vor ihnen die Aufgabe, beliebige Ursachen oder Handlungen, die sie hindern könnten, aus dem Wege zu räumen oder zu unterbinden. . . . Die Regierung seiner Majestät hat keinerlei Absicht, zu irgendwelchen Handlungen oder Maßnahmen zu ermutigen, die der Erreichung der obengenannten Ziele durch die japanischen Streitkräfte in China hinderlich wären; die Regierung benutzt die gegebene Gelegenheit, um in Übereinstimmung mit ihrer Politik den englischen Behörden und englischen Staatsangehörigen in China in dieser Hinsicht zu erklären, daß sie sich solcher Akte und Maßnahmen zu enthalten haben". Am 24. Juli 1939 wurde in Tokio die sogenannte „Englisch-japanische Round Table Conference" zur Entscheidung der sich aus dem Arita-Craigie-Abkommen ergebenden konkreten Fragen eröffnet. Das englisch-japanische Abkommen und die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der weitgehenden Zusammenarbeit zwischen Tokio und London riefen in den USA eine negative Reaktion hervor. Sie erfolgte in der Form einer demonstrativen Geste der amerikanischen Regierung, die jedoch fast keine praktische Bedeutung hatte. Am 27. Juli gab das Staatsdepartment der USA die Kündigung des japanisch-amerikanischen Handelsvertrages vom Jahre 1911 bekannt. Jedoch fuhren die USA auch nach der Kündigung des Handelsvertrages fort, Japan auszurüsten. Dies erklärte sich aus dem Interesse der USA, daß Japan den Krieg gegen China fortsetzen möge. Sie hofften, wie Mao Tse-tung in seinen Reden erklärte, daß die Fortsetzung des Krieges Japan und China schwächen werde, was den USA letzten Endes die Möglichkeit böte, sich einzumischen und von Japan zugunsten der USA Zugeständnisse auszuhandeln. Die amerikanischen Lieferungen an Japan ließen nach der Kündigung des Handelsvertrages nicht nach, sondern wuchsen weiter an. Weitere englisch-japanische Verhandlungen führten dazu, daß England am 11. August den Japanern in der Frage der vier Chinesen nachgab: sie wurden den chinesischen Marionettenbehörden, die den japanischen Imperialisten unterstellt waren, ausgeliefert.1® Die japanische Regierung forderte, ihr das chinesische sa
Craigie behauptet in seinem Memoiren (R. Craigie: „Behind the Japanese mask". London— New York 1946) lügnerisch, daß das Abkommen, das einen Verrat an China bedeutete, von England geschlossen worden sei, um einen angeblich drohenden Krieg mit Japan wegen des Konfliktes in Tientsin zu vermeiden.
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Silber aus den in der englischen Konzession befindlichen Banken auszuliefern und die chinesische Währung dort außer Kurs zu setzen. Dies führte zu einer Beratung zwischen den Engländern, Amerikanern und Franzosen, da es ihre gemeinsamen Interessen berührte. Das Ergebnis dieser gemeinsamen Besprechungen war die Erklärung Craigies vom 20. August, daß in den Fragen, die das Silber und die chinesischen Devisen in den ausländischen Konzessionen beträfen, gemeinsam mit den USA und Frankreich verhandelt werden müßte, oder daß diese zumindest konsultiert werden sollten. Die Japaner antworteten mit einem abermaligen Druck auf die Engländer: durch neue Landungstrupps besetzten sie das Gebiet dicht an der Hongkong gegenüberliegenden Halbinsel Kaulun. Die „Round Table Conference" wurde im gegenseitigen Einvernehmen Englands und Japans abgebrochen. Der Einfall Hitler-Deutschlands in die Länder Westeuropas und die Vorbereitung Japans zur Expansion in die Länder der Südsee Am 1. September 1939 begann Hitler-Deutschland den Krieg in Europa. England und Frankreich unternahmen unverzüglich Schritte, um mit Japan zu einem weiteren Einverständnis zu kommen. Sie zogen ihre Truppen aus Nordchina zurück; die Engländer räumten außerdem das Jangtse-Tal. Durch die Kündigung des Handelsvertrages mit Japan seitens der USA und durch den Ablauf der halbjährigen Kündigungsfrist wurden weder Sortiment noch Menge der aus den USA nach Japan eingeführten Kriegsmaterialien und Waren beeinflußt. Die geltenden Tarifsätze und die Lage der in den USA lebenden japanischen Industriellen und Kaufleute blieben unverändert. Die Verhängung des sogenannten „moralischen Embargos" Anfang 1940 entbehrte jeder praktischen Bedeutung. Noch nach der Kündigung des Handelsvertrages erwarb Japan in den USA für 3 Mill. Dollar modernste Werkzeugmaschinen für die Flugzeugfabriken Kawasaki. Die folgenden Daten charakterisieren den allgemeinen Umfang des Gesamthandels der USA mit Japan in den Jahren 1939 bis 1940 (in Mill. Dollar):
Einfuhr nach Japan aus den USA Japanische Ausfuhr nach den USA
1939
1940
232.1 161.2
227.2 158.3
In der außenpolitischen Senatskommission der USA wurde zweimal, im Januar und im Februar 1940, der Versuch unternommen, ein Gesetz über die Verhängung eines Ausfuhrverbotes für Kriegsmaterial und Waffen nach Japan einzubringen, jedoch beidemal ohne Erfolg. Die Vereinigten Staaten blieben auch weiterhin das Arsenal des japanischen Imperialismus. Japan war in dieser Zeit zweifellos noch stärker vom amerikanischen Import abhängig, als in den drei vorangegangenen Jahren des Japanisch-Chinesischen 391
Silber aus den in der englischen Konzession befindlichen Banken auszuliefern und die chinesische Währung dort außer Kurs zu setzen. Dies führte zu einer Beratung zwischen den Engländern, Amerikanern und Franzosen, da es ihre gemeinsamen Interessen berührte. Das Ergebnis dieser gemeinsamen Besprechungen war die Erklärung Craigies vom 20. August, daß in den Fragen, die das Silber und die chinesischen Devisen in den ausländischen Konzessionen beträfen, gemeinsam mit den USA und Frankreich verhandelt werden müßte, oder daß diese zumindest konsultiert werden sollten. Die Japaner antworteten mit einem abermaligen Druck auf die Engländer: durch neue Landungstrupps besetzten sie das Gebiet dicht an der Hongkong gegenüberliegenden Halbinsel Kaulun. Die „Round Table Conference" wurde im gegenseitigen Einvernehmen Englands und Japans abgebrochen. Der Einfall Hitler-Deutschlands in die Länder Westeuropas und die Vorbereitung Japans zur Expansion in die Länder der Südsee Am 1. September 1939 begann Hitler-Deutschland den Krieg in Europa. England und Frankreich unternahmen unverzüglich Schritte, um mit Japan zu einem weiteren Einverständnis zu kommen. Sie zogen ihre Truppen aus Nordchina zurück; die Engländer räumten außerdem das Jangtse-Tal. Durch die Kündigung des Handelsvertrages mit Japan seitens der USA und durch den Ablauf der halbjährigen Kündigungsfrist wurden weder Sortiment noch Menge der aus den USA nach Japan eingeführten Kriegsmaterialien und Waren beeinflußt. Die geltenden Tarifsätze und die Lage der in den USA lebenden japanischen Industriellen und Kaufleute blieben unverändert. Die Verhängung des sogenannten „moralischen Embargos" Anfang 1940 entbehrte jeder praktischen Bedeutung. Noch nach der Kündigung des Handelsvertrages erwarb Japan in den USA für 3 Mill. Dollar modernste Werkzeugmaschinen für die Flugzeugfabriken Kawasaki. Die folgenden Daten charakterisieren den allgemeinen Umfang des Gesamthandels der USA mit Japan in den Jahren 1939 bis 1940 (in Mill. Dollar):
Einfuhr nach Japan aus den USA Japanische Ausfuhr nach den USA
1939
1940
232.1 161.2
227.2 158.3
In der außenpolitischen Senatskommission der USA wurde zweimal, im Januar und im Februar 1940, der Versuch unternommen, ein Gesetz über die Verhängung eines Ausfuhrverbotes für Kriegsmaterial und Waffen nach Japan einzubringen, jedoch beidemal ohne Erfolg. Die Vereinigten Staaten blieben auch weiterhin das Arsenal des japanischen Imperialismus. Japan war in dieser Zeit zweifellos noch stärker vom amerikanischen Import abhängig, als in den drei vorangegangenen Jahren des Japanisch-Chinesischen 391
Krieges. Die amerikanischen Monopolgesellschaften, denen der Handel mit Japan und der gegen das chinesische Volk geführte blutige Krieg fette Gewinne abwarf, ließen die Anwendung eines wirtschaftlichen Druckes auf den Aggressor nicht zu. Eine solche Politik der U S A leistete der Stärkung des japanischen Imperialismus in hohem Maße Vorschub. Japan erhielt auch weiterhin, hauptsächlich aus den USA, alle kriegsnotwendigen Materialien, strategisch wichtigen Rohstoffe und Devisen f ü r seine Exportlieferungen; auch aus Britisch Malaya, Indonesien und Indochina bezog es notwendige Rohstoffe, wie Erdöl, Eisenerz, Zinn, Kautschuk usw. Seit dem Ausbruch des Krieges in Europa strebte die japanische Expansion immer weiter nach Süden. Das hatte zwei Gründe: 1. fanden sich in Südostasien in den Besitzungen Englands, Frankreichs und Hollands die wichtigsten von Japan benötigten strategischen Rohstoffe vor; 2. waren im Zusammenhang mit dem Krieg in Europa England, Frankreich und Holland weniger imstande, Japan wirksam Widerstand zu leisten. Das bedeutete durchaus keinen Verzicht des japanischen Imperialismus auf aggresssive Handlungen gegen die UdSSR und China. Aber Japan hatte sich bereits davon überzeugen können, daß infolge der festen H a l t u n g der Sowjetunion die Expansion in nordwestlicher Richtung mit einem unermeßlich größeren Risiko f ü r Japan verbunden war, als eine Expansion nach Süden. Nach der Niederlage am Halchin-Gol kamen die regierenden Kreise Japans zu der Einsicht, daß Japan gegen die UdSSR ohne Verbündete keinen Krieg f ü h r e n könne. Hitler-Deutschland, das an erster Stelle als Verbündeter in Frage kam, war durch den Krieg in Westeuropa gebunden. Unter diesen Umständen beschlossen die japanischen Imperialisten, abzuwarten und Aggressiorihandlungen im Norden erst ins Auge zu fassen, wenn sie sich der Hilfsquellen im Süden bemächtigt hatten. I m Jahre 1939 gab das japanische Pressebüro eine Broschüre unter dem Titel „Die Errichtung der Neuen Ordnung in Ostasien und die kaiserliche Flotte" heraus. Die Broschüre rief dazu auf, sich den in Europa ausgebrochenen Krieg zunutze zu machen und zu weitgehenden Eroberungen im Süden, in ganz Südostasien, zu schreiten. Die Aktivität des japanischen Imperialismus im Gebiet der Südsee, in der Sphäre der imperialistischen Kolonialherrschaft Englands und der USA, rief in den herrschenden Kreisen der angelsächsischen Länder Besorgnis hervor. A m 19. Oktober 1939 hielt der amerikanische Botschafter Grew eine Rede in der JapanischAmerikanischen Gesellschaft in Tokio. Grew sprach das Mißfallen der Vereinigten Staaten von Amerika „an gewissen Aktionen der japanischen Truppen in China" aus. E r erklärte, daß im Ergebnis der Operationen der japanischen Streitkräfte „seit langem bestehende Rechte in China" beeinträchtigt würden, und daß „Japans Versuche, seine Kontrolle über große Teile des asiatischen Kontinents aufzurichten und dort eine Wirtschaftsautarkie einzuführen", seitens der Vereinigten Staaten von Amerika auf Widerspruch stoßen m ü ß t e n . Gleichzeitig betonte Grew. daß ihm, dem amerikanischen Botschafter, die Aufgaben verständ392
lieh seien, die die japanischen Streitkräfte in ihrem Bestreben nach der Herstellung „wirklicher Sicherheit und Stabilität im Fernen Osten" erfüllten. Aber er, Grew, sei der Ansicht, daß dabei Japans Ziel „erreicht werden könne", ohne irgendwelche amerikanischen Rechte zu verletzen, und daß „ f ü r viele von den Japanern zum Schaden der Vereinigten Staaten unternommenen Handlungen keinerlei Notwendigkeit vorgelegen habe."' 3 Der amerikanische Botschafter gab den japanischen Imperialisten unzweideutig zu verstehen, daß sie die Möglichkeit hätten, in Gebieten, die der Sowjetunion benachbart waren, „ihre Kräfte einzusetzen", ohne eine Kontrolle über andere Gebiete des asiatischen Kontinents zu errichten. Grew gab den japanischen Politikern weiter zu verstehen, daß die USA durchaus nichts dagegen hätten, wenn Japan fortfahre, die befreiten demokratischen, von den chinesischen Kommunisten geleiteten Gebiete im Norden Chinas zu unterdrücken. Aus Grews Rede konnten die japanischen Politiker f ü r sich nur eines schließen: die Vereinigten Staaten von Amerika waren bereit, mit Japan zu einem Einverständnis zu kommen. Die herrschenden Kreise der USA, wie auch Englands, rechneten auf einen Zusammenstoß Japans mit der UdSSR. Fast gleichzeitig mit der Rede Grews in Tokio im Oktober 1939 trat in Washington Senator Vandenberg mit einer Erklärung hervor. Vandenberg verteidigte die These von der Notwendigkeit der Anerkennung Mandschukuos durch die Vereinigten Staaten, unter der Bedingung, daß zwischen Japan und Amerika eine befriedigende Übereinkunft über alle schwebenden Fragen erreicht werde. I m Zusammenhang mit Pressemeldungen über die nach der Liquidierung des japanischen Abenteuers am Chalcha-Fluß begonnenen sowjetisch-japanischen Verhandlungen erklärte Vandenberg drohend, daß gegen Japan unverzüglich ein Embargo verhängt würde, wenn es mit der Sowjetunion einen Nichtangriffspakt abschlösse.24 Die amerikanische Diplomatie war offensichtlich bestrebt, einen „großen" sowjetisch-japanischen Krieg zu entfesseln, um die amerikanischen imperialistischen Positionen im Pazifik zu festigen.
Die Kapitulation Frankreichs und Hollands und die Offensive Japans Mit dem Beginn der Offensive Hitler-Deutschlands an der Westfront im F r ü h jahr 1940 begann Japan in Voraussicht der weiteren Entwicklung der Ereignisse in Europa, sich auf die Eroberung der französischen und holländischen Kolonien in Südostasien vorzubereiten; dabei verschanzte es sich hinter offizielle Erklärungen, daß es an der Aufrechterhaltung des „Status quo" in diesem Gebiet interessiert sei. Der japanische Außenminister Arita erklärte am 15. April 1940, daß die japanische Regierung „über jede Änderung des Status quo in Nieder23
st
Den vollen Wortlaut seiner Rede veröffentlichte Grew in seinen Memoiren. Joseph C. Grew, „Ten years in Japan". New York 1941. S. 289—294. „Amerasia", Dezember 1940.
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lieh seien, die die japanischen Streitkräfte in ihrem Bestreben nach der Herstellung „wirklicher Sicherheit und Stabilität im Fernen Osten" erfüllten. Aber er, Grew, sei der Ansicht, daß dabei Japans Ziel „erreicht werden könne", ohne irgendwelche amerikanischen Rechte zu verletzen, und daß „ f ü r viele von den Japanern zum Schaden der Vereinigten Staaten unternommenen Handlungen keinerlei Notwendigkeit vorgelegen habe."' 3 Der amerikanische Botschafter gab den japanischen Imperialisten unzweideutig zu verstehen, daß sie die Möglichkeit hätten, in Gebieten, die der Sowjetunion benachbart waren, „ihre Kräfte einzusetzen", ohne eine Kontrolle über andere Gebiete des asiatischen Kontinents zu errichten. Grew gab den japanischen Politikern weiter zu verstehen, daß die USA durchaus nichts dagegen hätten, wenn Japan fortfahre, die befreiten demokratischen, von den chinesischen Kommunisten geleiteten Gebiete im Norden Chinas zu unterdrücken. Aus Grews Rede konnten die japanischen Politiker f ü r sich nur eines schließen: die Vereinigten Staaten von Amerika waren bereit, mit Japan zu einem Einverständnis zu kommen. Die herrschenden Kreise der USA, wie auch Englands, rechneten auf einen Zusammenstoß Japans mit der UdSSR. Fast gleichzeitig mit der Rede Grews in Tokio im Oktober 1939 trat in Washington Senator Vandenberg mit einer Erklärung hervor. Vandenberg verteidigte die These von der Notwendigkeit der Anerkennung Mandschukuos durch die Vereinigten Staaten, unter der Bedingung, daß zwischen Japan und Amerika eine befriedigende Übereinkunft über alle schwebenden Fragen erreicht werde. I m Zusammenhang mit Pressemeldungen über die nach der Liquidierung des japanischen Abenteuers am Chalcha-Fluß begonnenen sowjetisch-japanischen Verhandlungen erklärte Vandenberg drohend, daß gegen Japan unverzüglich ein Embargo verhängt würde, wenn es mit der Sowjetunion einen Nichtangriffspakt abschlösse.24 Die amerikanische Diplomatie war offensichtlich bestrebt, einen „großen" sowjetisch-japanischen Krieg zu entfesseln, um die amerikanischen imperialistischen Positionen im Pazifik zu festigen.
Die Kapitulation Frankreichs und Hollands und die Offensive Japans Mit dem Beginn der Offensive Hitler-Deutschlands an der Westfront im F r ü h jahr 1940 begann Japan in Voraussicht der weiteren Entwicklung der Ereignisse in Europa, sich auf die Eroberung der französischen und holländischen Kolonien in Südostasien vorzubereiten; dabei verschanzte es sich hinter offizielle Erklärungen, daß es an der Aufrechterhaltung des „Status quo" in diesem Gebiet interessiert sei. Der japanische Außenminister Arita erklärte am 15. April 1940, daß die japanische Regierung „über jede Änderung des Status quo in Nieder23
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Den vollen Wortlaut seiner Rede veröffentlichte Grew in seinen Memoiren. Joseph C. Grew, „Ten years in Japan". New York 1941. S. 289—294. „Amerasia", Dezember 1940.
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ländisch-Indien tief besorgt sein würde". Am I i . Mai, einen Tag nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Holland, unterrichtete Arita die Mächte über die wachsende „Beunruhigung" der japanischen Regierung bezüglich der Lage in Niederländisch-Indien. Mit dieser Erklärung versuchte Japan, die Errichtung einer Kontrolle über die holländischen und französischen Kolonien nicht nur seitens der angelsächsischen Mächte, sondern auch seitens seines Verbündeten, Hitler-Deutschlands, abzuwenden. Um dieselbe Zeit (am 17. April) wies der Staatssekretär der USA, Hull, seinerseits auf das „Interesse" der USA am Schicksal Niederländisch-Indiens hin und erklärte, daß eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser Kolonie und eine Veränderung ihres Status „durch andere als friedliche Mittel" eine Gefahr im Stillen Ozean schaffen würde. Hulls Erklärung über das „Interesse" der USA an Indonesien spiegelte die Beunruhigung des amerikanischen Imperialismus darüber wider, daß wichtige Quellen strategischer Rohstoffe in Südostasien in die Hände des japanischen Konkurrenten fallen könnten. Die Vereinigten Staaten importierten in großen Mengen Kautschuk und Zinn aus Indonesien und Malaya. Außerdem wollte der amerikanische Imperialismus Japan daran hindern, sich der Erdölvorräte Indonesiens zu bemächtigen. Die Handelsumsätze der USA mit den Ländern Südostasiens (Indonesien, Malaya, Indochina) stiegen an. Dies ist aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich (in Mill. Dollar): Länder Indonesien Malaya Indochina
1938 Export nach Import aus USA USA 68,7 112,2 7,1
27,5 8,8 3,1
1939 Export nach Import aus USA USA 92,9 148,9 9,6
35,4 9,9 8,8
Es war nur natürlich, daß die japanisch-amerikanischen Beziehungen in dem Maße gespannter wurden, als sich die Expansion Japans in südlicher Richtung entwickelte. Die Kapitulation der französischen Regierung vor Hitler-Deutschland im Juni 1940 schuf eine günstige Situation für die japanischen Aggressionspläne: Französisch-Indochina wurde zum ersten Objekt des japanischen Angriffs. Die strategische und wirtschaftliche Bedeutung Indochinas nahm im allgemeinen Rahmen der japanischen Pläne einen außerordentlich großen Raum ein. Indochina hatte vortreffliche Buchten und Häfen, wie Haiphong, Kamranh und Saigon, über die die Japaner einen Teil der strategisch wichtigen Rohstoffe und lebenswichtigen Güter (Reis, Kohle, Buntmetalle und Kautschuk) hätten ausführen können. Indochina konnte zum Sprungbrett für weitere Expansionen im Stillen Ozean werden; gleichzeitig bot seine Inbesitznahme keine großen Schwierigkeiten. Der diplomatische Druck Japans auf die profaschistische französische Regie394
rung führte am 20/ Juni 1940 zur Unterzeichnung eines „Übereinkommens" zwischen Japan und Frankreich, das sich mit dem Arita-Craigie-Abkommen vom Juli 1939 deckte. Solche Tatsachen, wie die Versiegelung der bei französischen Banken deponierten Silbervorräte der Tschungking-Regierung in der französischen Konzession in Tientsin und die der japanischen Gendarmerie erteilte Genehmigung, in den französischen Konzessionen eigene Polizeireviere zum Einfangen chinesischer Patrioten einrichten zu dürfen, waren die direkte Folge der Unterzeichnung des französisch-japanischen Übereinkommens. In Schanghai wiederholte sich dasselbe wie in Tientsin. Am gleichen Tage (17. Juni), als Pétain die Hitler-Leute um Waffenstillstand ansuchte, forderte der Vertreter der japanischen Regierung von den Franzosen, diese sollten auf der Eisenbahnlinie Indochina-Jünnan die Beförderung von Waren und Materialien f ü r China einstellen; außerdem forderte nach zwei Tagen der stellvertretende Außenminister f ü r Japan das Recht, seine Beamten an die genannte Bahn zu beordern, um die Erfüllung dieser Forderungen zu kontrollieren. Unmittelbar darauf besetzten die Japaner das auf chinesischem Gebiet an der Grenze Indochinas liegende Lungtschou. Gleichzeitig veranstalteten Einheiten der japanischen Marine Manöver bei demHafenHaiphong. Der französische Botschafter in Tokio fügte sich den japanischen Forderungen, und am 5. Juli erklärte der Generalgouverneur von Indochina, Catroux, daß der Gütertransport nach China auf der Eisenbahn eingestellt sei. Die Japaner, die an sechs Hauptstationen der Bahn Kontrollstellen eingerichtet hatten, hielten eine bedeutende Menge von Gütern an, die sich bereits auf dem Wege nach China befanden. In Japan festigte sich die Stellung der aggressiven Elemente, die danach strebten, mit dem faschistischen Deutschland ein formelles Militärbündnis abzuschließen* 5 und sich die, wie es ihnen schien, seltene Gelegenheit zur Verwirklichung einer Expansion großen Stils in Südostasien zunutze zu machen. Zusammen mit ihren Herren, den Monopolisten der „Dsaibatsu", beeilte sich die japanische Militärclique mit der Durchführung der Eroberungspläne in bezug auf die Kolonien Frankreichs und Hollands im Stillen Ozean. Kriegsminister General Hatta erklärte auf einer Versammlung der Mitarbeiter des Ministeriums am 25. Juni 1940: „Wir dürfen uns nicht in der Pedanterie von Worten verfangen und diese seltene Möglichkeit verpassen . . . Wenn es notwendig sein sollte, muß Japan rücksichtslos gegen die Mächte handeln, die unsere Politik stören." 28 Etwas früher hatte Arita erklärt, daß sich die „Neue Ordnung" in Ostasien auch auf Indochina und Indonesien erstrecke. In der japanischen Presse wurden des langen und breiten die Fragen des totalen Krieges und der Errichtung einer „Allgemeinen Ostasiatischen Wohlstahdssphäre" erörtert. Das erst unlängst an die Macht gelangte Kabinett Yonai sah sich immer mehr einer Kritik an seiner Saumseligkeit ausgesetzt. Der Kriegsminister bereitete den Sturz dieses Kabinetts vor. 25 38
Die Verhandlungen hierüber begannen im Sommer 1940. „New York Herald Tribüne" vom 25. Juni 1940.
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Zur Vorbereitung weiterer militärischer Abenteuer verstärkten die herrschenden Kreise Japans den reaktionären Kurs ihrer Politik innerhalb des eigenen Landes. Bis zum Herbst 1940 wurden in Japan alle politischen Parteien sowie auch alle Gewerkschaften liquidiert. Anstelle der Parteien wurde die sogenannte „Gesellschaft zur Unterstützung des Thrones" ins Leben gerufen, eine monarcho-faschistische Organisation, die offiziell dazu berufen war, das Volk f ü r die Unterstützung des Angriffskrieges zu mobilisieren. Die englische Diplomatie setzte die Politik des Einvernehmens mit dem Aggressor fort und machte Japan ein Zugeständnis nach dem anderen. A m 17. Juli wurde ein zwischen England und Japan abgeschlossenes Abkommen bekannt, laut dem die Burma-Straße und Hongkong auf drei Monate f ü r den Transit von Waren und Materialien nach China gesperrt wurden. Durch diesen Akt legte die englische Regierung der Kuomintang-Clique nahe, vor Japan zu kapitulieren. Die USA betrieben im wesentlichen eine analoge Politik. Bezeichnend dafür ist die Rede eines offiziellen Vertreters des Weißen Hauses, Early, vom 16. Juli, in der er sagte, daß die Monroe-Doktrin mit Recht auch in Asien anwendbar sei, und daß infolgedessen die F r a g e Französisch-Indochinas die asiatischen Länder unter sich entscheiden müßten. 2 7 Das war im Grunde genommen eine restlose Rechtfertigung der japanischen Aggressionspolitik. Vom 17. bis 22. Juli wurde in Japan ein neues Kabinett mit Konoye als Premierminister und Matsuoka als Außenminister gebildet. Die Aufgabe des neuen Kabinetts bestand darin, die durch den europäischen Krieg im Fernen Osten geschaffene Lage in höchstmöglichem M a ß e zu aggressiven Zwecken auszunutzen. Vor allem betraf das natürlich das Kolonialerbe Frankreichs und Hollands. Frankreich kapitulierte faktisch vor den japanischen Forderungen. Holland war vorläufig noch nicht an der Reihe; aber bereits ganz kurze Zeit danach begannen japanisch-holländische Verhandlungen, wobei sich weder England noch die U S A gewillt zeigten, Japan etwas in den W e g zu legen. Widerstand gegen seine Pläne konnte Japan jedoch seitens des faschistischen Deutschlands erwarten; die Hitleristen, die im Waffenstillstandsvertrag mit Pétain ausbedungen hatten, daß ein Teil der französischen Flotte zur Verteidigung der französischen Kolonien bei der Vichy-Regierung verblieb, hatten gerade dadurch gezeigt, daß sie ein Auge auf diese Kolonien warfen. Deshalb erklärte das Kabinett Konoye unmittelbar nach seinem Amtsantritt Berlin und Rom, daß Japan erwarte, in F r a g e n Indochinas „konsultiert" zu werden. I n diesem Gebiet aktivierten die japanischen Imperialisten ihre Politik in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht. Die Militärmissionen Japans, die zur Blockierung der chinesischen Grenzen nach Indochina entsandt worden waren, begannen zugleich, eine Politik der Wirtschaftskontrolle zu betreiben. Danach suchte die japanische Heeresleitung die Freigabe der f ü r China gesperrten indochinesischen Straße f ü r die japanische Armee zu erreichen. " „New York Times" vom 7. März 1940.
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In dieser Situation begünstigte die diplomatische Linie der USA in bezug auf den Fernen Osten offensichtlich, die japanische Aggression. Nach dem 20. Juli dehnte der Präsident der USA das Lizenzsystem auf den amerikanischen Export von Flugbenzin sowie Eisen- und Stahlschrott erster Sorte aus; die Lizenzpflicht wurde jedoch nicht auf gewöhnliches Benzin und auf sonstigen Schrott ausgedehnt, die Japan in bedeutend größeren Mengen brauchte. Staatssekretär Hull gab am 21. Juli 1940 eine offene Erklärung ab, indem er sich gegen ein Ausfuhrverbot für kriegswichtiges Material nach Japan aussprach: „Wir werden keine Resolution fassen, um bei den Japanern keinen patriotischen Zusammenschluß auszulösen, und um Japan nicht in die Arme Rußlands zu treiben". Die französischen Behörden in Indochina unternahmen Versuche, sich auf die USA zu stützen, um zu verhindern, daß Indochina in eine endgültige wirtschaftliche Abhängigkeit von Japan geriet. Jedoch erwies sich dies angesichts der von den Vereinigten Staaten betriebenen Politik der „Besänftigung" Japans als erfolglos.
Japan und FranzÖBisch-Indochina In der ersten Augusthälfte 1940 erhob das Oberkommando der japanischen Besatzungstruppen in Südchina bei der französischen Kolonialverwaltung die Forderung, den japanischen Truppen freien Durchzug durch das Gebiet Indochinas zu den chinesischen Grenzen zu gewähren und der japanischen Armee das Recht einzuräumen, die Land- und Seestützpunkte Indochinas zu benutzen. Ende August wurde bekannt, daß den Japanern in Indochina Vorrechte militärischen Charakters eingeräumt worden waren, deren genauer Umfang in örtlichen Verhandlungen bestimmt werden sollte. Bald wurde jedoch dem Gouverneur von Französisch-Indochina, Decoux, die ultimative Forderung gestellt, japanische Truppen unverzüglich nach Indochina durchzulassen. Decoux lehnte das Ultimatum formell ab und erklärte, daß er sich einem Einmarsch der Japaner widersetzen werde. In Wirklichkeit aber dachten die Behörden Französisch-Indochinas gar nicht daran, den Widerstand gegen die Japaner zu organisieren. Die von den Amerikanern unterstützte Vichy-Regierung legte die indochinesische Frage zur Untersuchung der italienisch-deutschen Waffenstillstandskommission vor. Die USA erklärten am 4. September, daß das japanische Ultimatum, wenn es tatsächlich gestellt worden sei, „einen schlechten Einfluß auf die öffentliche Meinung" in den USA ausüben würde; sie beschränkten sich jedoch auf diplomatische Vorstellungen in Tokio, in denen sie an die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Status quo im Fernen Osten erinnerten. Fast gleichzeitig gab der englische Außenminister Halifax im Oberhaus eine gleichlautende Erklärung ab. Es ist bezeichnend, daß sich Japan selbst von einer so beschränkten diplomatischen Aktion der angelsächsischen Mächte beeindruckt zeigte, die unmittelbar nach der Erklärung vom 3. September 1940 unternommen wurde; gemäß dieser Erklärung überließ England den USA Marinestützpunkte in den englischen 397
In dieser Situation begünstigte die diplomatische Linie der USA in bezug auf den Fernen Osten offensichtlich, die japanische Aggression. Nach dem 20. Juli dehnte der Präsident der USA das Lizenzsystem auf den amerikanischen Export von Flugbenzin sowie Eisen- und Stahlschrott erster Sorte aus; die Lizenzpflicht wurde jedoch nicht auf gewöhnliches Benzin und auf sonstigen Schrott ausgedehnt, die Japan in bedeutend größeren Mengen brauchte. Staatssekretär Hull gab am 21. Juli 1940 eine offene Erklärung ab, indem er sich gegen ein Ausfuhrverbot für kriegswichtiges Material nach Japan aussprach: „Wir werden keine Resolution fassen, um bei den Japanern keinen patriotischen Zusammenschluß auszulösen, und um Japan nicht in die Arme Rußlands zu treiben". Die französischen Behörden in Indochina unternahmen Versuche, sich auf die USA zu stützen, um zu verhindern, daß Indochina in eine endgültige wirtschaftliche Abhängigkeit von Japan geriet. Jedoch erwies sich dies angesichts der von den Vereinigten Staaten betriebenen Politik der „Besänftigung" Japans als erfolglos.
Japan und FranzÖBisch-Indochina In der ersten Augusthälfte 1940 erhob das Oberkommando der japanischen Besatzungstruppen in Südchina bei der französischen Kolonialverwaltung die Forderung, den japanischen Truppen freien Durchzug durch das Gebiet Indochinas zu den chinesischen Grenzen zu gewähren und der japanischen Armee das Recht einzuräumen, die Land- und Seestützpunkte Indochinas zu benutzen. Ende August wurde bekannt, daß den Japanern in Indochina Vorrechte militärischen Charakters eingeräumt worden waren, deren genauer Umfang in örtlichen Verhandlungen bestimmt werden sollte. Bald wurde jedoch dem Gouverneur von Französisch-Indochina, Decoux, die ultimative Forderung gestellt, japanische Truppen unverzüglich nach Indochina durchzulassen. Decoux lehnte das Ultimatum formell ab und erklärte, daß er sich einem Einmarsch der Japaner widersetzen werde. In Wirklichkeit aber dachten die Behörden Französisch-Indochinas gar nicht daran, den Widerstand gegen die Japaner zu organisieren. Die von den Amerikanern unterstützte Vichy-Regierung legte die indochinesische Frage zur Untersuchung der italienisch-deutschen Waffenstillstandskommission vor. Die USA erklärten am 4. September, daß das japanische Ultimatum, wenn es tatsächlich gestellt worden sei, „einen schlechten Einfluß auf die öffentliche Meinung" in den USA ausüben würde; sie beschränkten sich jedoch auf diplomatische Vorstellungen in Tokio, in denen sie an die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Status quo im Fernen Osten erinnerten. Fast gleichzeitig gab der englische Außenminister Halifax im Oberhaus eine gleichlautende Erklärung ab. Es ist bezeichnend, daß sich Japan selbst von einer so beschränkten diplomatischen Aktion der angelsächsischen Mächte beeindruckt zeigte, die unmittelbar nach der Erklärung vom 3. September 1940 unternommen wurde; gemäß dieser Erklärung überließ England den USA Marinestützpunkte in den englischen 397
Besitzungen im Stillen Ozean und erlaubte ihnen, dort eine Flotte zu stationieren. Japan brachte am 4. September zur allgemeinen Kenntnis, daß der japanische Vertreter in Indochina Nishihara angeblich seine Vollmachten überschritten habe und keinerlei Ultimatum an Indochina gerichtet worden sei. In Indochina setzten die Japaner die französische Kolonialverwaltung in Kenntnis, daß das Ultimatum zurückgenommen und die Verhandlungen ihren Fortgang nehmen sollten. Das Zurückweichen Japans trug nur vorübergehenden Charakter. Die italienischen und deutschen Imperialisten bemühten sich, die entstandene Situation auf die vorteilhafteste Weise auszunutzen, um mit Japan in völliges Einvernehmen zu kommen. I n den ersten Septembertagen traf Hitlers Vertreter, Friedrich Stahmer, in Tokio ein, und bereits am 7. September wurde bekannt, daß die Hitler-Leute der Vichy-Regierung „rieten", den japanischen Forderungen in Indochina nachzugeben. Am 13. September gab der Präsident der USA, Roosevelt, die sofortige Einführung von Lizenzen f ü r die Ausfuhr von Fabrikeinrichtungen und Maschinen zur Herstellung von Flugzeugtreibstoff sowie f ü r Flugzeuge und Flugzeugmotoren bekannt. Diese Maßnahme zeugte von dem Bestreben der USA, angesichts der Eroberungspläne Japans im südwestlichen Teil des Stillen Ozeans auf dieses einen gewissen Druck auszuüben. Die amerikanische Diplomatie hoffte, Japan veranlassen zu können, zur Klärung der „Grenzen" der japanischen Expansion in Verhandlungen mit den USA einzutreten. Nachdem die japanische Regierung am 4. September zurückgewichen war, keim sie nach etwas über zwei Wochen erneut auf ihre Forderungen in Indochina zurück, wobei sie diese wesentlich erweiterte: am 19. September stellte sie außer den früheren Forderungen auch solche wie das Recht auf Errichtung von Luftstützpunkten in Laokai und Hanoi sowie von Flottenbasen in Haiphong, im Golf von Tongking, in Kuangtschouwan und in der Bucht von Kamranh. Auch verlangte die japanische Regierung die Revision der Zolltarife Französisch-Indochinas und forderte f ü r die japanischen Truppen freien Durchzug aus Langson ein die Grenze zwischen Indochina und China, und ebenso über den Hafen Haiphong. Für die Erfüllung dieser Forderungen stellten die Japaner den Behörden Französisch-Indochinas eine Frist bis zum 22. September, 10 Uhr abends. Der japanische General Ando, der die japanische Armee in Südchina befehligte, drohte mit dem Einmarsch nach Indochina. Am 22. September, nachmittags 3 Uhr, 7 Stunden vor Ablauf des Ultimatums, nahm der Vichy-Admiral Decoux die Forderungen der Japaner an. Die Bedingungen des Vertrages zwischen den Japanern und Französisch-Indochina liefen auf folgendes hinaus: 1. das Recht der sofortigen Landung einer „begrenzten" Anzahl japanischer Truppen in Haiphong; 2. die Ubergabe dreier Luftstützpunkte in Nord-Indochina (bei Hanoi, an der chinesischen und an der burmanischen Grenze); 3. das Recht der japanischen Heeresleitung auf den Einsatz von 6000 Mann Militär zum Schutz dieser Luftstützpunkte. Noch vor Mitternacht des 22. September jedoch überschritten japanische Truppen die indochinesische Grenze in Richtung Langson. Am Morgen 398
des 23. September besetzten sie die französischen Vorpostenstellungen und entwaffneten die Garnison in Long-Dong. Am nächsten Morgen besetzten sie Langson, den Endpunkt der zur chinesischen Provinz Kuangsi führenden Eisenbahn. Die in Hanoi erscheinende französische Zeitung „Temps" 2 8 schrieb, daß die Japaner das von ihnen vorsorglich umzingelte Langson mit Leichtigkeit eingenommen hätten, ohne von den Franzosen gehindert zu werden. Die Vichy-Regierung erklärte in ihrer kapitulantenhaften Deklaration zu diesem Ereignis folgendes : „Die französische Regierung nimmt an, daß die japanische Regierung alles in ihren Kräften stehende unternimmt, um die Kampfhandlungen ihrer Truppen zu beenden; zur Zeit sind jedoch die Aktionen in Tongking noch nicht völlig eingestellt." 29 Indessen landeten die Japaner am 26. September in Haiphong eine. Abteilung von 2000 Marineinfanteristen, die von Panzern unterstützt wurden. Die französischen Küstenbatterien im Hafen wurden ihnen widerstandslos übergeben. Wie chinesische Quellen bezeugen, landeten am gleichen Tage japanische Truppen in Stärke von 30 000 Mann, abgesehen von den Truppen, die die chinesische Grenze überschritten, und rückten auf Hanoi vor. Alle diese Ereignisse führten zu einer weiteren Verschärfung der Beziehungen .zwischen den Hauptrivalen im Stillen Ozean, den USA, England und Japan, und beschleunigten andererseits den Abschluß eines Militärbündnisses der „Achsenmächte". Bald wurde bekannt, daß die USA von England die Freigabe der Burma-Straße nach China verlangten. In dem Bemühen, eine Erweiterung der japanischen Aggression nach Südostasien zu verhindern, entschlossen sich die USA gleichzeitig, China „Hilfe" zu leisten: China wurde von der amerikanischen Export- und Importbank eine kleine Anleihe in Höhe von 25 Mill. Dollar gewährt. Am 26. September verhängte Präsident Roosevelt ein volles Embargo für die Ausfuhr von Stahl und Eisenschrott aller Sorten, was in gewisser Weise bereits einen Schlag gegen die Interessen Japans bedeutete. Die japanische Zeitung „Asahi" schrieb am 27. September: „Ein Zusammenstoß zwischen Japan, das festen Willens ist, in Ostasien einschließlich des südwestlichen Teiles des Stillen Ozeans seine Einflußsphäre zu errichten, und den Vereinigten Staaten von Amerika, die sich zur Einmischung in die Angelegenheiten jenseits des gewaltigen Ozeans mit allen, auch an kriegerische Handlungen grenzenden Mitteln entschlossen haben, scheint uns unvermeidlich." Der „ D r e i e r - P a k t " der faschistischen Aggressoren. Japan und Thailand Am 27. September 1940 wurde zwischen Japan, Hitler-Deutschland und dem faschistischen Italien ein Militärbündnis unterzeichnet. Auf Grund dieses mili28
„ L a Volonté Indochinoise (Hanoi)" vom 26. September 1940.
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Ebenda.
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des 23. September besetzten sie die französischen Vorpostenstellungen und entwaffneten die Garnison in Long-Dong. Am nächsten Morgen besetzten sie Langson, den Endpunkt der zur chinesischen Provinz Kuangsi führenden Eisenbahn. Die in Hanoi erscheinende französische Zeitung „Temps" 2 8 schrieb, daß die Japaner das von ihnen vorsorglich umzingelte Langson mit Leichtigkeit eingenommen hätten, ohne von den Franzosen gehindert zu werden. Die Vichy-Regierung erklärte in ihrer kapitulantenhaften Deklaration zu diesem Ereignis folgendes : „Die französische Regierung nimmt an, daß die japanische Regierung alles in ihren Kräften stehende unternimmt, um die Kampfhandlungen ihrer Truppen zu beenden; zur Zeit sind jedoch die Aktionen in Tongking noch nicht völlig eingestellt." 29 Indessen landeten die Japaner am 26. September in Haiphong eine. Abteilung von 2000 Marineinfanteristen, die von Panzern unterstützt wurden. Die französischen Küstenbatterien im Hafen wurden ihnen widerstandslos übergeben. Wie chinesische Quellen bezeugen, landeten am gleichen Tage japanische Truppen in Stärke von 30 000 Mann, abgesehen von den Truppen, die die chinesische Grenze überschritten, und rückten auf Hanoi vor. Alle diese Ereignisse führten zu einer weiteren Verschärfung der Beziehungen .zwischen den Hauptrivalen im Stillen Ozean, den USA, England und Japan, und beschleunigten andererseits den Abschluß eines Militärbündnisses der „Achsenmächte". Bald wurde bekannt, daß die USA von England die Freigabe der Burma-Straße nach China verlangten. In dem Bemühen, eine Erweiterung der japanischen Aggression nach Südostasien zu verhindern, entschlossen sich die USA gleichzeitig, China „Hilfe" zu leisten: China wurde von der amerikanischen Export- und Importbank eine kleine Anleihe in Höhe von 25 Mill. Dollar gewährt. Am 26. September verhängte Präsident Roosevelt ein volles Embargo für die Ausfuhr von Stahl und Eisenschrott aller Sorten, was in gewisser Weise bereits einen Schlag gegen die Interessen Japans bedeutete. Die japanische Zeitung „Asahi" schrieb am 27. September: „Ein Zusammenstoß zwischen Japan, das festen Willens ist, in Ostasien einschließlich des südwestlichen Teiles des Stillen Ozeans seine Einflußsphäre zu errichten, und den Vereinigten Staaten von Amerika, die sich zur Einmischung in die Angelegenheiten jenseits des gewaltigen Ozeans mit allen, auch an kriegerische Handlungen grenzenden Mitteln entschlossen haben, scheint uns unvermeidlich." Der „ D r e i e r - P a k t " der faschistischen Aggressoren. Japan und Thailand Am 27. September 1940 wurde zwischen Japan, Hitler-Deutschland und dem faschistischen Italien ein Militärbündnis unterzeichnet. Auf Grund dieses mili28
„ L a Volonté Indochinoise (Hanoi)" vom 26. September 1940.
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tärisch-politischen Paktes erkannten Deutschland und Italien das „Recht" Japans auf die Errichtung einer „Neuen Ordnung" in Ostasien an. D e r militärische Dreibund der „Achsenmächte", der eine Verschwörung der Aggressoren gegen die anderen Mächte und in erster Linie gegen die UdSSR darstellte, sollte ursprünglich, nach der Absicht seiner Urheber, die „isolationistischen" Elemente in den Vereinigten Staaten stärken und die USA davon abhalten, Ein der Seite Englands in den Krieg einzutreten. 3 0 Die Veröffentlichung der Mitteilung über das militärisch-politische Bündnis der „Achsenmächte" beschleunigte jedoch den Annäherungsprozeß zwischen England und den USA. Dies kam insbesondere in der Erklärung Englands zum Ausdruck, daß ab 17. Oktober der Verkehr auf der Burmastraße wieder freigegeben werden solle. Als sich die Lage in Französisch-Indochina zuspitzte, forderte Thailand (Siam) von Frankreich eine Revision der Grenzen mit Indochina und die Abtretung eines Teiles der Gebiete Laos und Kambodscha. Die Regierung Thailands, an deren Spitze Songgram stand, geriet immer mehr unter den E i n f l u ß pro japanischer Elemente. Bis zur Kapitulation Frankreichs suchte Thailand, die Gegensätze zwischen Japan und den europäischen Mächten auszunutzen. Am 12. Juni 1940 wurden von Thailand Nichtangriffspakte mit Frankreich und England und gleichzeitig ein „Vertrag über Freundschaft und gegenseitige Achtung der territorialen Integrität" mit Japan geschlossen. Die Kapitulation der Verräter des französischen Volkes vor Hitler-Deutschland in Europa und vor den Japanern in Indochina schuf f ü r die von den Japanern aufgestachelten aggressiven Vertreter der herrschenden Klasse Thailands günstige Bedingungen, u m an Indochina territoriale Forderungen zu stellen. Die japanischen Aggressoren, die Thailand endgültig ihrem E i n f l u ß unterwerfen wollten, unterstützten die chauvinistischen Pläne der siamesischen Expansionisten betreffs Schaffung eines „Groß-Thai", wobei sie beabsichtigten, dieses zu einem gefügigen Teilhaber an der faschistischen „Neuen Ordnung" in Asien zu machen. Die Regierung Thailands lehnte die Ratifizierung der Nichtangriffspakte mit England u n d Frankreich ab und ratifizierte gleichzeitig in ostentativer Weise den Vertrag mit Japan. Sie erklärte, daß Frankreich nicht mehr in der Lage sei, die Ordnung in seinen Kolonien aufrechtzuerhalten, und daß sich Thailand deshalb selbst u m seine Bürger i n Indochina kümmern müsse. Nachdem die Vichy-Regierung Thailands Forderungen abgelehnt hatte, erklärte der thailändische Premierminister General Songgram am 20. Oktober: „ W i r sind entschlossen, unser Territorium zurückzufordern, und 30
Die antisowjetische Richtung des „Dreierpaktes" der „Achsenmächte" wurde von dem japanischen Außenminister Matsuoka offiziell bestätigt. Am 26. September 1940 erklärte Matsuoka auf einer Komiteesitzung des Geheimen Rates Japans zur Prüfung des Vertragsentwurfes, daß Japan Deutschland unterstützen werde, falls dieses gegen die Sowjetunion Krieg führen sollte; andererseits werde Deutschland, falls es zu einem Zusammenstoß zwischen Japan und der UdSSR käme, Japan unterstützen. („Rede des Anklagevertreters der UdSSR in dem Prozeß gegen die japanischen Hauptkriegsverbrecher in Tokio am 8. Oktober 1946", siehe «Epaiwa» vom 11. Oktober 1946.)
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wir werden es erhalten." 31 Der Konflikt in Hinterindien drohte, sich zu einem Krieg zwischen Französisch-Indochina und Thailand auszuweiten. Die territorialen Ansprüche Thailands erhöhten die Schwierigkeiten der französischen Behörden und förderten die Verwirklichung der japanischen Pläne in Indochina. Die Japaner festigten ihre wirtschaftliche Stellung in Indochina durch die Monopolisierung der Lebensmittel- und Rohstoffquellen; zugleich benutzten sie das Land immer mehr auch als militärisches Aufmarschgebiet. Die Luftstützpunkte auf dem Gebiet Indochinas waren f ü r die Japaner von großer Bedeutung; von hier aus war es möglich, die nur anderthalb Flugstunden entfernte Verlängerung der Burmastraße auf chinesischem Gebiet zu bombardieren. Einen Tag vor der Freigabe der Burmastraße erklärte der japanische General Sumita, daß Japan den Transit von Materiallieferungen f ü r China aus beliebigen anderen Ländern nicht zulassen werde. Danach setzten von den japanischen Stützpunkten in Indochina aus Luftangriffe auf chinesisches Gebiet ein. Während die französischen Kolonialherren und die mit ihnen verbundenen Kreise der Reaktion und des Kompradorentums vor den japanischen Aggressoren kapitulierten, erhoben die von den Kommunisten geführten Volksmassen Vietnams in Tongking das Banner des Aufstandes. Die ersten Herde des bewaffneten Widerstandes wurden von japanischen und französischen Kräften erstickt. Ende Oktober befreiten die chinesischen Truppen die an der indochinesischen Grenze gelegene Stadt Lungtschou von den Japanern und eroberten das strategisch wichtige Nanning. Der japanische Generalstab erklärte am 14. November, daß die japanischen Truppen aus der Provinz Kuangsi und dem westlichen Kuangtung „aus strategischen Erwägungen zwecks Verkürzung der Front und Einsatz der Truppen an anderer Stelle" zurückgezogen worden seien. Der „freiwillige" Abzug der Japaner aus Kuangsi und dem südwestlichen Kuangtung erklärte sich aus dem Mangel an Reserven. Die japanischen Militaristen fuhren jedoch fort, weiter südlich ihre Kräfte zusammenzuziehen, indem sie auf der Insel Hainan, in Haiphong und bei der französischen Konzession Kuangtschouwan Truppen und Nachschub konzentrierten. Am 13. November 1940 wurde im japanischen Außenministerium ein Büro für Angelegenheiten der Südsee eingerichtet, das f ü r Indochina, Thailand, Burma, Malaya, Nordborneo und Französisch-Ozeanien betreffende Fragen zuständig war. Indochina blieb, auch weiterhin das wichtigste Objekt der militärischen und wirtschaftlichen Expansion Japans. Im November forderten die Japaner das Recht, in Saigon Truppen zu landen, was sie mit der allgeblichen Nachlässigkeit der Kolonialbehörden Französisch-Indochinas hinsichtlich der antij apanischen Volksbewegung begründeten. 31 „New York Herald Tribüne" vom 21. Oktober 1940.
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Die japanische Aggression in Indochina rief den ständig wachsenden Widerstand der Volksmassen hervor. Ende November 1940 flammte in den westlichen Provinzen Cochinchinas ein Aufstand auf, der „ganz Cochinchina bis Ende Dezember in Erregung hielt." 32 Während des Aufstandes konnten in mehreren Gebieten die vietnamesischen Partisanen die Macht in die Hände nehmen; Volkskomitees wurden ins Leben gerufen. In Kan-Schan wurde die rote Fahne mit einem fünfzackigen goldenen Stern gehißt; diese wurde zum Banner des Volksbefreiungskampfes und später zur Flagge der Demokratischen Republik Vietnam. Um diese Zeit überschritten die Truppen Thailands an mehreren Stellen die Grenze von Französisch-Indochina. Im Dezember 1940 und im Januar 1941 erfolgten militärische Zusammenstöße zwischen Thailand und Indochina zu Lande, in der Luft und zur See. Japan unterstützte in seinem eigenen Interesse die territorialen Ansprüche Thailands. Ende Januar 1941 wurde unter unmittelbarer Einmischung der Japaner zwischen den kriegführenden Parteien ein Waffenstillstand abgeschlossen. Am 28. Februar 1941 erklärte der offizielle Vertreter der japanischen Regierung, Ishii, daß die Franzosen entweder noch am gleichen Tage die Vermittlung Japans annehmen oder die Verantwortung für die Folgen tragen müßten. E r „verneinte" jedoch, daß dies ein Ultimatum sei, „da vermittelnde Parteien kein Ultimatum stellen können". Die Vorschläge der japanischen Regierung wurden angenommen. Die Verhandlungen wurden in Tokio geführt, und am 4. März wurde ein von den Vertretern Thailands, Frankreichs und den französischen Behörden Indochinas unterzeichneter Vertrag abgeschlossen, laut dem von Indochina an Thailand ein Gebiet von ungefähr 25 000 Quadratmeilen mit einer Bevölkerungszahl von 1 Million abgetreten wurde. Gleichzeitig wurden zwischen Thailand und Japan sowie zwischen FranzösischIndochina und Japan Protokolle unterzeichnet, die die französischen Kolonialbehörden und Thailand verpflichteten, mit einer dritten Macht oder mit dritten Mächten „keinerlei Abmachungen zu treffen, die eine direkte oder indirekte politische, wirtschaftliche oder militärische Zusammenarbeit gegen Japan vorsehen". Der auf diese Protokolle am 6. Mai 1941 folgende Abschluß eines fünfjährigen Vertrages zwischen Japan und Französisch-Indochina über Wirtschaftsunternehmen und Schiffahrt verschaffte Japan in ganz Indochina eine beherrschende ökonomische Stellung. Der Vertrag sah die faktische Einbeziehung Indochinas in den Jenblock vor. Er ermöglichte den Japanern, in die Landwirtschaft, die Hüttenindustrie und die Energiebetriebe Indochinas einzudringen. In den letzten Tagen des Juli 1941 wurde zwischen Vichy und Tokio ein Vertrag über die „gemeinsame Verteidigung" FranzösischTndochinas unterzeichnet. Indochina wurde zum Aufmarschgebiet für weitere japanische Aggressionen gegen Indonesien und andere Länder Südostasiens. 8S
CöopHHK craTeñ «IIpaBa,a o BbeTHaMe», (Ubersetzung aus dem Französischen), Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1949, S. 45.
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Japan und Indonesien Gleichzeitig mit der Expansion in Indochina bereitete Japan seit Ende des Sommers 1940 auch gegen Indonesien eine Aggression vor. Im September 1940 wurde unter der F ü h r u n g des Handelsministers Kobayashi, der gleichzeitig den Mitsui-Konzern vertrat, eine Mission nach Batavia entsandt. Die Mission, die f ü r Japan unbeschränkte Lieferungen von Erdöl erreichen sollte, erwies sich als ein Fehlschlag, und Kobayashi kehrte nach Japan zurück. I m November wurde der ehemalige japanische Außenminister Yoshidawa nach Batavia entsandt, der im Dezember einen Vertrag abschließen konnte, laut dem an Japan jährlich 1,8 Mill. t Erdöl verkauft werden sollten. Dies befriedigte jedoch die Japaner nicht, weil sie aus Indonesien kein oktanreiches Flugbenzin erhielten, auf das die Engländer Kontrakte abgeschlossen hatten; außerdem besaßen die Japaner keine genügende Anzahl von Tankern, was sie darein hinderte, ihre Quote auszunutzen. Auch war die japanische Regierung mit der Außenhandelspolitik der holländischen Behörden Indonesiens unzufrieden, die in der Hauptsache auf die Förderung des Handels mit England und den USA gerichtet war. Die japanischen Imperialisten begnügten sich nicht damit, eine Änderung der Außenhandelspolitik der holländischen Kolonialbehörden Indonesiens zu fordern; sie drängten auch auf Überlassung eines größeren Anteils des holländischen Frachtraumes zur Warenbeförderung und verlangten eine Reihe von Konzessionen auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Hüttenindustrie sowie das Recht der unbeschränkten Zulassung japanischer Einwanderer. Dieser Fragenkreis bildete auch das Programm der Verhandlungen zwischen Yoshidawa und den holländischen Kolonialbehörden. Die Holländer, die mit der Unterstützung Englands und der USA rechneten, lehnten jedoch die Forderungen der Japaner ab. Die im September 1940 begonnenen Verhandlungen wurden im Juni 1941 abgebrochen und auch später nicht wieder aufgenommen.
Die japanische Expansion nach Süden und die Lage in China Der mißglückten Mission Yoshidawas in Indonesien waren mehrere Ereignisse vorausgegangen, die f ü r die weitere Verschärfung der imperialistischen Gegensätze am Stillen Ozean nicht minder bedeutend waren. Der auf Geheiß des Kriegsministers Ho Jin-tsin und Tschiang Kai-scheks durchgeführte heimtückische Überfall der Kuomintang-Generale auf die von den Kommunisten geführte Neue 4. Volksrevolutionäre Armee beschwor die ernsthafte Gefahr eines ausgedehnten Bürgerkrieges herauf. Dank der festen und entschlossenen Politik der chinesischen Kommunisten gelang es jedoch, diese Gefahr vorübergehend zu beseitigen. Infolge des heldenmütigen Kampfes der 8. Volksrevolutionären Armee und der Entwicklung der von den Kommunisten geleiteten breiten Partisanenbewegung gelang es im Norden Chinas den japanischen Okkupanten nicht, ihre Positionen zu festigen. Ebenso wurde das Hinterland der Japaner in Zentralchina, 403
Japan und Indonesien Gleichzeitig mit der Expansion in Indochina bereitete Japan seit Ende des Sommers 1940 auch gegen Indonesien eine Aggression vor. Im September 1940 wurde unter der F ü h r u n g des Handelsministers Kobayashi, der gleichzeitig den Mitsui-Konzern vertrat, eine Mission nach Batavia entsandt. Die Mission, die f ü r Japan unbeschränkte Lieferungen von Erdöl erreichen sollte, erwies sich als ein Fehlschlag, und Kobayashi kehrte nach Japan zurück. I m November wurde der ehemalige japanische Außenminister Yoshidawa nach Batavia entsandt, der im Dezember einen Vertrag abschließen konnte, laut dem an Japan jährlich 1,8 Mill. t Erdöl verkauft werden sollten. Dies befriedigte jedoch die Japaner nicht, weil sie aus Indonesien kein oktanreiches Flugbenzin erhielten, auf das die Engländer Kontrakte abgeschlossen hatten; außerdem besaßen die Japaner keine genügende Anzahl von Tankern, was sie darein hinderte, ihre Quote auszunutzen. Auch war die japanische Regierung mit der Außenhandelspolitik der holländischen Behörden Indonesiens unzufrieden, die in der Hauptsache auf die Förderung des Handels mit England und den USA gerichtet war. Die japanischen Imperialisten begnügten sich nicht damit, eine Änderung der Außenhandelspolitik der holländischen Kolonialbehörden Indonesiens zu fordern; sie drängten auch auf Überlassung eines größeren Anteils des holländischen Frachtraumes zur Warenbeförderung und verlangten eine Reihe von Konzessionen auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Hüttenindustrie sowie das Recht der unbeschränkten Zulassung japanischer Einwanderer. Dieser Fragenkreis bildete auch das Programm der Verhandlungen zwischen Yoshidawa und den holländischen Kolonialbehörden. Die Holländer, die mit der Unterstützung Englands und der USA rechneten, lehnten jedoch die Forderungen der Japaner ab. Die im September 1940 begonnenen Verhandlungen wurden im Juni 1941 abgebrochen und auch später nicht wieder aufgenommen.
Die japanische Expansion nach Süden und die Lage in China Der mißglückten Mission Yoshidawas in Indonesien waren mehrere Ereignisse vorausgegangen, die f ü r die weitere Verschärfung der imperialistischen Gegensätze am Stillen Ozean nicht minder bedeutend waren. Der auf Geheiß des Kriegsministers Ho Jin-tsin und Tschiang Kai-scheks durchgeführte heimtückische Überfall der Kuomintang-Generale auf die von den Kommunisten geführte Neue 4. Volksrevolutionäre Armee beschwor die ernsthafte Gefahr eines ausgedehnten Bürgerkrieges herauf. Dank der festen und entschlossenen Politik der chinesischen Kommunisten gelang es jedoch, diese Gefahr vorübergehend zu beseitigen. Infolge des heldenmütigen Kampfes der 8. Volksrevolutionären Armee und der Entwicklung der von den Kommunisten geleiteten breiten Partisanenbewegung gelang es im Norden Chinas den japanischen Okkupanten nicht, ihre Positionen zu festigen. Ebenso wurde das Hinterland der Japaner in Zentralchina, 403
in dem strategisch wichtigen Küstengebiet, durch die 4. Volksrevolutionäre Armee bedroht. In dem Bestreben, die 8. Volksrevolutionäre Armee zu liquidieren, führten die japanischen Militaristen seit dem Herbst 1940 einen Vernichtungskrieg gegen das chinesische Volk, wobei sie die Taktik der „verbrannten Erde" anwandten. Aber auch das brachte ihnen nicht die gewünschten Erfolge. Der antijapanische Kampf der demokratischen Kräfte Chinas unter der Führung der Kommunistischen Partei hinderte die Okkupanten, das wichtigste Gebiet der nördlichen Provinzen in wirtschaftlicher oder strategischer Hinsicht auszunutzen. Die japanischen Eroberer setzten auf die offene Kapitulation der KuomintangRegierung in Tschungking große Hoffnungen; diese Regierung fürchtete die Aktivität der chinesischen Volksmassen und zog es vor, nicht gegen die Japaner, sondern gegen die von den Kommunisten geführten demokratischen Kräfte Chinas zu kämpfen. Die Regierung Tschiang Kai-schek, die den Weg des nationalen Verrates, des Bürgerkrieges und der faschistischen Reaktion beschritt, leistete in den Jahren 1939 und 1940 durch ihre Politik den Bestrebungen der japanischen Okkupanten Vorschub, den Krieg in China durch eine Kapitulation der Kuomintang sobald wie möglich zu beenden, um die Möglichkeit zu erhalten, eine Aggression im Stillen Ozean und gegen die UdSSR vorzubereiten. Der von der Kuomintang im Jahre 1939 gefaßte geheime Beschluß über „Maßnahmen zur Einschränkung der Tätigkeit fremder Parteien" diente der Vorbereitung des Bürgerkrieges in China. Eine der widerlichsten Formen des Verrates der Kuomintang-Regierung am chinesischen Volk war die Verwirklichung der ungeheuerlichen „Theorie" der „krummen Linie zur Rettung der Heimat" durch die Tschiang Kai-schek-Clique. Mit Genehmigung des Oberstkommandierenden Tschiang Kai-schek traten Kuomintang-Generale mit ihren Armeen auf die Seite der japanischen Imperialisten über, angeblich um die Lebenskraft der chinesischen Truppen zu erhalten und den Widerstand gegen die Japaner „mit anderen Mitteln" fortzusetzen. Im Mai 1939 begann diese „Kampagne" der Übertritte und hielt mehrere Jahre an; sie war eine Form der Zusammenarbeit zwischen den Truppen der japanischen Okkupanten und der Kuomintang-Clique im Krieg gegen die von den Kommunisten geführten Armeen. 33 Der Überfall der Kuomintang-Armeen auf die 4. Volksrevolutionäre Armee im Januar 194' 1. war ein Versuch, die bewaffneten Kräfte der chinesischen Demokratie zu zerschlagen, um den Boden f ü r eine Kapitulation vorzubereiten. Aber die japanischen Imperialisten wie auch die chinesischen Reaktionäre hatten weder mit der hohen Stufe der nationalen Befreiungsbewegung im Leinde, noch mit der engen Verbundenheit der Volksrevolutionären Armeen mit den breiten Volksmassen gerechnet. Deshalb schlug der Plan der japanischen Okkupanten und der Kuomintang-Reaktionäre, die Kräfte der Demokratie zu zertrümmern, vollkommen fehl. 88
«Bonpocn zcropHH», 1950, Nr. 7, S. 25.
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Die Japaner versuchten trotzdem, die unmittelbar nach dem Überfall auf die 4. Armee in der Provinz Anhwei entstandene Situation auszunutzen; sie begannen, ihre Kräfte um Kanton zusammenzuziehen und unternahmen im Norden eine Operation zur Besetzung der ganzen Eisenbahnlinie zwischen Peiping und Hankou, um Lojang und das Südufer des Huangho zu blockieren. Ende Februar 1941 entfalteten die Japaner Aktionen im Süden Chinas. Alles dies zeugte von dem Bestreben Japans, aus den Provokationen der Kuomintang-Reaktion größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Jedoch blieb den japanischen Operationen der Erfolg versagt, da infolge der Anstrengungen der demokratischen Kräfte des chinesischen Volkes der Widerstand gegen den Aggressor bedeutend gewachsen war. Die von der Kommunistischen Partei Chinas bereits im Jahre 1937 geschaffene Front der befreiten Gebiete im Rücken der japanischen Truppen band die Hauptkräfte der japanischen Armee. Ungeachtet der günstigen Bedingungen, die es ermöglicht hätten, Japan wirksamen Widerstand entgegenzusetzen, setzten währenddessen die Regierungen der USA und Englands ihre Politik der „Besänftigung" des Aggressors fort. Obgleich im März 1941 in den USA das „Lend-and-Lease"-Gesetz angenommen worden war, das zu Rüstungslieferungen im Leih- oder Pachtverfahren berechtigte, und obgleich China zu den Ländern gehörte, auf die das Gesetz Anwendung fand, waren die amerikanischen Waffenlieferungen an China äußerst gering. Andererseits erhielt Japan bis zum Herbst 1941 auch weiterhin einen bedeutenden Teil der von ihm benötigten Kriegsmaterialien aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Versuche der herrschenden Kreise der USA und Japans, ein imperialistisches Übereinkommen zu treffen Die amerikanische Diplomatie war bereit, Verhandlungen mit dem imperialistischen Japan zu führen und mit ihm einen Vertrag gegen die Lebensinteressen des chinesischen Volkes zu schließen. Die imperialistischen Kreise der USA hegten den Plan eines „fernöstlichen München", indem sie beabsichtigten, die japanische Aggression gegen die UdSSR zu lenken. Die japanischen Politiker verstanden es gut, die in den regierenden Kreisen der USA herrschenden Stimmungen in Rechnung zu stellen. Sie schickten den Admiral Nomura als japanischen Botschafter nach Washington. Als Nomura am 11. Februar 1941 in den Vereinigten Staaten eintraf, unterstrich die japanische Presse diese japanische „Höflichkeitsgeste" gegenüber Amerika, das einen „sehr freundschaftlich gesinnten" Botschafter erhalte. Nomura kannte mein in den Vereinigten Staaten gut, da er dort längere Zeit als Marine-Attaché geweilt und es verstanden hatte, mit einflußreichen Vertretern der amerikanischen Bourgeoisie ziemlich feste Verbindungen anzuknüpfen. Bei der Begrüßung Nomuras bemerkte Präsident Roosevelt, daß Nomura ein alter persönlicher Freund von ihm sei. Die japanisch-amerikanischen Verhandlungen zwischen Nomura und Hull begannen in Washington im März 1941. 405
Die Japaner versuchten trotzdem, die unmittelbar nach dem Überfall auf die 4. Armee in der Provinz Anhwei entstandene Situation auszunutzen; sie begannen, ihre Kräfte um Kanton zusammenzuziehen und unternahmen im Norden eine Operation zur Besetzung der ganzen Eisenbahnlinie zwischen Peiping und Hankou, um Lojang und das Südufer des Huangho zu blockieren. Ende Februar 1941 entfalteten die Japaner Aktionen im Süden Chinas. Alles dies zeugte von dem Bestreben Japans, aus den Provokationen der Kuomintang-Reaktion größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Jedoch blieb den japanischen Operationen der Erfolg versagt, da infolge der Anstrengungen der demokratischen Kräfte des chinesischen Volkes der Widerstand gegen den Aggressor bedeutend gewachsen war. Die von der Kommunistischen Partei Chinas bereits im Jahre 1937 geschaffene Front der befreiten Gebiete im Rücken der japanischen Truppen band die Hauptkräfte der japanischen Armee. Ungeachtet der günstigen Bedingungen, die es ermöglicht hätten, Japan wirksamen Widerstand entgegenzusetzen, setzten währenddessen die Regierungen der USA und Englands ihre Politik der „Besänftigung" des Aggressors fort. Obgleich im März 1941 in den USA das „Lend-and-Lease"-Gesetz angenommen worden war, das zu Rüstungslieferungen im Leih- oder Pachtverfahren berechtigte, und obgleich China zu den Ländern gehörte, auf die das Gesetz Anwendung fand, waren die amerikanischen Waffenlieferungen an China äußerst gering. Andererseits erhielt Japan bis zum Herbst 1941 auch weiterhin einen bedeutenden Teil der von ihm benötigten Kriegsmaterialien aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Versuche der herrschenden Kreise der USA und Japans, ein imperialistisches Übereinkommen zu treffen Die amerikanische Diplomatie war bereit, Verhandlungen mit dem imperialistischen Japan zu führen und mit ihm einen Vertrag gegen die Lebensinteressen des chinesischen Volkes zu schließen. Die imperialistischen Kreise der USA hegten den Plan eines „fernöstlichen München", indem sie beabsichtigten, die japanische Aggression gegen die UdSSR zu lenken. Die japanischen Politiker verstanden es gut, die in den regierenden Kreisen der USA herrschenden Stimmungen in Rechnung zu stellen. Sie schickten den Admiral Nomura als japanischen Botschafter nach Washington. Als Nomura am 11. Februar 1941 in den Vereinigten Staaten eintraf, unterstrich die japanische Presse diese japanische „Höflichkeitsgeste" gegenüber Amerika, das einen „sehr freundschaftlich gesinnten" Botschafter erhalte. Nomura kannte mein in den Vereinigten Staaten gut, da er dort längere Zeit als Marine-Attaché geweilt und es verstanden hatte, mit einflußreichen Vertretern der amerikanischen Bourgeoisie ziemlich feste Verbindungen anzuknüpfen. Bei der Begrüßung Nomuras bemerkte Präsident Roosevelt, daß Nomura ein alter persönlicher Freund von ihm sei. Die japanisch-amerikanischen Verhandlungen zwischen Nomura und Hull begannen in Washington im März 1941. 405
A m 12. M a i erhielt das Staatsdepartment die japanischen Vorschläge, die von den U S A forderten, Mandschukuo anzuerkennen und von einer Unterstützung der Regierung Tschiang Kai-schek Abstand zu nehmen. Japan schlug vor, zusammen mit den Vereinigten Staaten eine allgemeine Politik des „Kampfes gegen den Kommunismus" auszuarbeiten, wobei Japan i n der Versorgung mit notwendigen Rohstoffen im südwestlichen Teil des Stillen Ozeans unbegrenzte Rechte eingeräumt werden sollten; Japan schlug weiter vor, den gegenseitigen Handel zu entwickeln und den Grundsatz der „Unabhängigkeit" der Philippinen unter der Bedingung ihrer dauernden Neutralität anzuerkennen. 34 Letzteres bedeutete die an die U S A gerichtete Forderung, die PhilippinenInseln nicht zu befestigen. Wie aus einem Dokument aus Tokio vom 12. Mai hervorgeht, schickte sich dabei die japanische Regierung keinesfalls an, mit Deutschland zu brechen. Die Entwicklung des zweiten Weltkrieges zwang die USA, ihr Augenmerk mehr und mehr den Ereignissen in Europa zuzuwenden. I m Atlantischen Ozean brachten die deutschen Unterseeboote der englischen Handelsflotte, deren Verluste die Baukapazität der englischen Schiffswerften u m das Dreifache überschritten, empfindliche Schläge bei. Im Juni 1941 versenkte ein deutsches Unterseeboot ein amerikanisches Schiff. Die USA beantworteten diesen Akt mit einer V e r f ü g u n g Roosevelts, die Guthaben der „Achsenmächte" (Japan ausgenommen) zu sequestrieren und die konsularischen Beziehungen mit Deutschland und Italien abzubrechen (14. J u n i 1941). Die deutsch-amerikanischen Beziehungen erfuhren eine scharfe Zuspitzung. Die japanische Diplomatie rechnete mit der Möglichkeit, aus der Verschlechterung der deutsch-amerikanischen Beziehungen f ü r sich selbst den größten Nutzen ziehen zu können. Die herrschenden Kreise Japans waren überzeugt, daß die USA ein „solides" Kompromiß mit Japan suchen würden. I n der T a t teilte Staatssekretär Hull schon am 16. Mai 1941 dem japanischen Vertreter mit, daß er es f ü r möglich halte, die in der Erklärung Konoyes dargelegten „Prinzipien", die die „gutnachbarliche Freundschaft" zwischen Japan und China, die „gemeinsame Verteidigung gegen den Kommunismus" und die wirtschaftliche Zusammenarbeit beträfen, „mit gewissen Korrekturen" anzunehmen; dabei solle jedoch kein japanisches Monopol errichtet oder die Interessen anderer verletzt werden. Die USA waren geneigt, sich mit einem „zeitweiligen Aufenthalt" japanischer Truppen in China zur D u r c h f ü h r u n g von „polizeilichen antikommunistischen Operationen" einverstanden zu erklären. A m 21. Juni 1941 überreichte USA-Staatssekretär Hull Nomura die offizielle Antwort an die japanische Regierung auf deren Vorschläge vom 12. Mai. Die amerikanische Regierung erhob Einspruch gegen die japanischen Forderungen auf wirtschaftliche Vorrechte in China und im westlichen Teil des Stillen Ozeans und lehnte die Forderungen der japanischen Regierung ab, japanische Truppen 34
Peace and War. United States Foreign policy 1931—1941. United States Government Printing office, Washington 1943, S. 656—659.
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in China zu belassen. Aus der Antwortnote Hulls ging hervor, daß „Friedensverhandlungen" mit der Regierung Tschiang Kai-schek nur in dem Falle stattfinden könnten, wenn vorher die japanische Regierung die allgemeinen Bedingungen eines Friedens mit China erörtert hätte. Jedoch waren in der Antwort der amerikanischen Regierung derartige „Ergänzungen" enthalten, die keine Zweifel daran aufkommen ließen, daß die Amerikaner eine „solide" Vereinbarung mit den Japanern suchten. Die amerikanische Regierung war bereit, mit der japanischen Regierung auch weiterhin über die Frage einer „gemeinsamen Abwehr des Kommunismus in China" zu beraten. Die herrschenden Kreise der USA hielten es für möglich, eine solche Frage, wie die Anwesenheit japanischer Truppen auf chinesischem Territorium, für weitere Verhandlungen offen zu lassen. Fügt man zu alledem hinzu, daß Hull in seiner Antwort an die japanische Regierung die Bereitwilligkeit zum Ausdruck brachte, des weiteren die Frage der Anerkennung Mandschukuos zu erörtern 36 , so wird die allgemeine Richtung der amerikanischen Fernost-Politik klar. Die Antwort Hulls hatte den Abschluß einer japanisch-amerikanischen Abmachung gegen das chinesische Volk zum Ziel. Die amerikanische Diplomatie hatte überhaupt nicht die Absicht, den Grundsatz der territorialen Integrität Chinas zu verteidigen. Ihre Forderungen nach einem Abzug der japanischen Truppen aus China stellten nur ein Feilschobjekt dar. Die amerikanischen Imperialisten boten Japan ihre Variante eines „fernöstlichen München" an, die eine Bedrohung der Interessen der UdSSR, Chinas und aller asiatischen Völker darstellte. Wenn sich die Imperialisten der USA und Japans nicht einig werden konnten, so lag das in der Hauptsache daran, daß jede der beiden Seiten den Appetit der anderen für übermäßig hielt.
Der Überfall Hitler-Deutschlands auf die UdSSR, der Beginn des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion und die sowjetisch-japanischen Beziehungen Unter den Bedingungen der ständig zunehmenden Verschärfung der internationalen Beziehungen am Stillen Ozean und angesichts des Krieges in Europa nahm die japanische Regierung, die die 1938 und 1939 am Chassan-See und am Chalcha-Fluß empfangenen Lehren nicht vergessen hatte, mit der Sowjetunion Verhandlungen über die Bereinigung strittiger Probleme auf. Die Sowjetregierung, die seit 1931 Japan vorgeschlagen hatte, einen Nichtangriffspakt abzuschließen, erklärte sich zum Abschluß eines Neutralitätsvertrages mit Japan bereit. Am 13. April 1941 wurde dieser Vertrag unterzeichnet. Er spielte eine positive Rolle, indem er die Ausweitung des Krieges auf die sowjetischen fernöstlichen Grenzgebiete verzögerte, wenngleich die japanischen Imperialisten den Neutralitätspakt mit der Sowjetunion nur als ein Manöver betrachteten. Als der japanische 36
Dokument Nr. 213, S. 676—683, veröffentlicht in „Papers relating to the Foreign relations of the United States, Japan 1931—1941", Bd. 1, 2, Washington 1943.
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in China zu belassen. Aus der Antwortnote Hulls ging hervor, daß „Friedensverhandlungen" mit der Regierung Tschiang Kai-schek nur in dem Falle stattfinden könnten, wenn vorher die japanische Regierung die allgemeinen Bedingungen eines Friedens mit China erörtert hätte. Jedoch waren in der Antwort der amerikanischen Regierung derartige „Ergänzungen" enthalten, die keine Zweifel daran aufkommen ließen, daß die Amerikaner eine „solide" Vereinbarung mit den Japanern suchten. Die amerikanische Regierung war bereit, mit der japanischen Regierung auch weiterhin über die Frage einer „gemeinsamen Abwehr des Kommunismus in China" zu beraten. Die herrschenden Kreise der USA hielten es für möglich, eine solche Frage, wie die Anwesenheit japanischer Truppen auf chinesischem Territorium, für weitere Verhandlungen offen zu lassen. Fügt man zu alledem hinzu, daß Hull in seiner Antwort an die japanische Regierung die Bereitwilligkeit zum Ausdruck brachte, des weiteren die Frage der Anerkennung Mandschukuos zu erörtern 36 , so wird die allgemeine Richtung der amerikanischen Fernost-Politik klar. Die Antwort Hulls hatte den Abschluß einer japanisch-amerikanischen Abmachung gegen das chinesische Volk zum Ziel. Die amerikanische Diplomatie hatte überhaupt nicht die Absicht, den Grundsatz der territorialen Integrität Chinas zu verteidigen. Ihre Forderungen nach einem Abzug der japanischen Truppen aus China stellten nur ein Feilschobjekt dar. Die amerikanischen Imperialisten boten Japan ihre Variante eines „fernöstlichen München" an, die eine Bedrohung der Interessen der UdSSR, Chinas und aller asiatischen Völker darstellte. Wenn sich die Imperialisten der USA und Japans nicht einig werden konnten, so lag das in der Hauptsache daran, daß jede der beiden Seiten den Appetit der anderen für übermäßig hielt.
Der Überfall Hitler-Deutschlands auf die UdSSR, der Beginn des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion und die sowjetisch-japanischen Beziehungen Unter den Bedingungen der ständig zunehmenden Verschärfung der internationalen Beziehungen am Stillen Ozean und angesichts des Krieges in Europa nahm die japanische Regierung, die die 1938 und 1939 am Chassan-See und am Chalcha-Fluß empfangenen Lehren nicht vergessen hatte, mit der Sowjetunion Verhandlungen über die Bereinigung strittiger Probleme auf. Die Sowjetregierung, die seit 1931 Japan vorgeschlagen hatte, einen Nichtangriffspakt abzuschließen, erklärte sich zum Abschluß eines Neutralitätsvertrages mit Japan bereit. Am 13. April 1941 wurde dieser Vertrag unterzeichnet. Er spielte eine positive Rolle, indem er die Ausweitung des Krieges auf die sowjetischen fernöstlichen Grenzgebiete verzögerte, wenngleich die japanischen Imperialisten den Neutralitätspakt mit der Sowjetunion nur als ein Manöver betrachteten. Als der japanische 36
Dokument Nr. 213, S. 676—683, veröffentlicht in „Papers relating to the Foreign relations of the United States, Japan 1931—1941", Bd. 1, 2, Washington 1943.
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Außenminister Matsuoka, der den Pakt unterschrieben hatte, aus Berlin in Moskau eintraf, hatte er bereits Kenntnis von den Vorbereitungen HitierDeutschlands zum Überfall auf die UdSSR. Die Meldung von der Unterzeichnung des japanisch-sowjetischen Paktes rief äußerste Unzufriedenheit in Washington hervor; dort war man über das Scheitern der Hoffnungen auf einen baldigen bewaffneten Konflikt zwischen Japan und der UdSSR schwer enttäuscht. Der bald darauf folgende verbrecherische Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion änderte jedoch die gesamte Situation von Grund aus. Am 22. Juni erfolgte der wortbrüchige Einfall der Hitler-Horden in das Gebiet der Sowjetunion. Die amerikanisch-englische Reaktion begrüßte den verräterischen Überfall Hitler-Deutschlands auf die UdSSR mit unverhohlenem Frohlocken. Die Milliardäre und Millionäre Amerikas und der anderen Länder setzten sich als Hauptziel die Zertrümmerung der Sowjetunion und die Aufrichtung der Reaktion in der ganzen Welt. In den deutschen und japanischen Faschisten sahen die kapitalistischen Hauptmacher die Avantgarde des Feldzuges gegen die Sowjetunion. Der Senator und spätere Präsident der USA, Truman, brachte die „geheimen Gedanken" des amerikanischen Imperialismus zum Ausdruck: „Wenn wir sehen, daß Deutschland gewinnt, so sollten wir Rußland helfen, und wenn Rußland gewinnt, so sollten wir Deutschland helfen, sollen sie nur auf diese Weise möglichst viele totschlagen." 36 Die Sowjetunion stand vor der größten Prüfung, die während der ganzen Zeit ihres Bestehens an sie herangetreten war. J . W. Stalin charakterisierte dieses historische Moment im Schicksal des Sowjetlandes mit folgenden Worten: „. . . so war dieser Krieg der grausamste und schwerste von allen Kriegen, die es in der Geschichte unseres Heimatlandes je gegeben hat." 37 Die deutschen Faschisten, berauscht von ihren leichten Siegen in Europa, die sie infolge des gemeinen Verrates an den nationalen Interessen seitens der Großbourgeoisie der europäischen Länder errungen hatten, und angespornt von ihren Anhängern unter den einflußreichen Staatsmännern der USA und Englands, rechneten auf rasche Eroberungen an der Ostfront. Aber bereits zu Beginn des Krieges stellte sich heraus, daß ihre Berechnungen fehlschlugen. Die Führer der faschistischen „Achsenmächte", wie auch die Staatsmänner der imperialistischen Mächte, die der antifaschistischen Koalition beigetreten waren, begriffen nicht, warum die Macht der Sowjetunion mit dem fortschreitenden Kampf des Sowjetvolkes um die Ehre und Freiheit seines sozialistischen Vaterlandes unaufhaltsam wuchs. „Sie begriffen nicht die große Bedeutung der Tatsache, daß sich die UdSSR auf solche, in der Vergangenheit unbekannte, tatsächlich jedoch Wunder vollbringende neue gesellschaftliche Faktoren stützt, 39
„Geschichtsfälscher" (Aus Geheimdokumenten über die Vorgeschichte des 2. Weltkrieges),
37
J. W. Stalin, „Reden in Wälllerversammlungen", Kleine Bücherei des Marxismus-Leninis-
Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 60. mus, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 13.
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•wie die unerschütterliche moralische und politische Einheit der sozialistischen Gesellschaft, die brüderliche Freundschaft der Völker des Sowjetstaates und den von T a g zu T a g wachsenden sowjetischen Patriotismus, wozu die Sowjetmenschen unter der F ü h r u n g der Kommunistischen Partei erzogen werden." 3 8 Die von der Sowjetunion in dem ihr aufgezwungenen Krieg verfolgten edlen Ziele •— die Befreiung ihres Gebietes von den hitlerischen Eindringlingen und die Unterstützung der anderen Völker — , sowie der heldenmütige Kampf des Sowjetvolkes gegen die faschistischen Aggressoren, wurden zum wichtigsten Faktor, der die unterjochten Völker zum Befreiungskrieg gegen die Eroberer anspornte. Die Kriegsteilnahme der Sowjetunion verstärkte in Ost und West den Widerstand der Völker gegen die faschistischen Eroberer in unerhörtem Maße. Der Große Vaterländische Krieg der Sowjetunion wirkte sich auch auf den Japanisch-Chinesischen Krieg in entscheidender Weise aus. Die von den Kommunisten geführten fortschrittlichen Kräfte Chinas waren sich darüber im klaren, daß das Schicksal des chinesischen Volkes, seine Freiheit und Unabhängigkeit, eng mit dem Befreiungskrieg in Europa zusammenhingen, in dem die Sowjetunion die entscheidende Rolle spielte. Die von Mao Tse-tung geleitete Kommunistische Partei Chinas rief dazu auf, alle K r ä f t e und Hilfsquellen des Leindes noch mehr f ü r die K r i e g f ü h r u n g gegen die japanischen Aggressoren zu mobilisieren und entlarvte die verräterische Politik der reaktionären Kuomintang-Clique. Was die japanischen Imperialisten betrifft, so waren sie der Ansicht, daß der Überfall Hitler-Deutschlands auf die UdSSR ihnen die Aufgabe der Eroberung des Sowjetischen Fernen Ostens erleichtern werde. Nach dem Überfall HitlerDeutschlands auf die UdSSR im Juni 1941 warteten die japanischen Aggressoren, die eine Armee von fast zwei Millionen M a n n in der Mandschurei konzentriert hatten, n u r den geeigneten Moment ab, um sich auf das sowjetische Küstengebiet und das Amur-Gebiet zu stürzen. Am 2. Juli 1941 endete eine langwierige, unter dem Vorsitz des Kaisers Hirohito durchgeführte Beratung der Staatsmänner u n d Militärs Japans, in der folgender Beschluß gefaßt wurde: „Obgleich unser Verhältnis zum Deutsch-Sowjetischen Krieg durch den Geist der Achse Rom—Berlin—Tokio bestimmt wird, werden wir uns zunächst nicht in ihn einmischen; wir werden aber aus eigener Initiative M a ß n a h m e n treffen und im geheimen zum Krieg gegen die Sowjetunion rüsten . . . Falls sich der Deutsch-Sowjetische Krieg zugunsten Japans entwickelt, werden wir unter Anwendung von Waffengewalt das nördliche Problem lösen und die Stabilität in den nördlichen Gebieten sichern." Nachdem danach der japanische Außenminister Matsuoka dem sowjetischen Botschafter erklärt hatte, daß sich Japan an den Neutralitätspakt halten werde, erläuterte er dem deutschen Botschafter in Tokio den wahren Sinn dieser Erklärung dahingehend, daß die Russen getäuscht oder in 88
B. M .
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MOCKBH, 10. März 1950, S. 15.
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Unkenntnis gehalten werden sollten, weil die Kriegsvorbereitungen noch nicht beendet seien. 39 Japan nahm an, es könne gelingen, die Wachsamkeit der Sowjetunion einzuschläfern, und die UdSSR werde sodann im Vertrauen auf den sowjetischjapanischen Neutralitätspakt ihre Truppen aus dem Fernen Osten nach dem Westen hinüberwerfen. In diesem Fall konnten ganz Ostsibirien und das Küstengebiet eine leichte Beute der japanischen Imperialisten werden. Diese Rechnung der japanischen Imperialisten ging indessen nicht auf. Trotz der überaus schwierigen Lage an den westlichen Fronten während der ersten Monate des Krieges gegen das faschistische Deutschland schwächte die Sowjetunion keinesfalls ihre Verteidigung im Fernen Osten. Alle Berechnungen der japanischen Strategen gingen davon aus, daß es den Hitleristen gelingen werde, die Sowjetarmee binnen kurzer Frist zu zerschlagen und zu vernichten; dann werde Japan ohne Anstrengung die fernöstlichen Gebiete, die es schon lange anlockten, besetzen können. Die Entwicklung der Kampfhandlungen an den Fronten des Vaterländischen Krieges warfen die „Pläne" des hitlerischen Oberkommandos sowie der japanischen Verbündeten Deutschlands über den Haufen. Die deutsch-faschistischen Kriegshorden stießen auf den heldenmütigen Widerstand der sowjetischen Streitkräfte. Zeitweilige territoriale Eroberungen mußten die Hitleristen mit schweren Verlusten bezahlen. Die faschistischen Truppen erlitten bei Odessa und Sewastopol ungeheure Einbußen. Die Versuche der Deutschen, Moskau und Leningrad „im Vorbeigehen" zu nehmen, scheiterten. Im Herbst 1941 begann man auch in Japan bereits zu begreifen, daß man sich mit dem Überfall auf die UdSSR von Osten her „Zeit nehmen" müsse, da der Krieg Deutschlands gegen die UdSSR einen langwierigen Charakter annahm. Die japanischen Imperialisten lenkten ihre Aufmerksamkeit vorübergehend der Entwicklung der Ereignisse am Stillen Ozean zu; dort konnte der japanische Aggressor darauf rechnen, die Früchte der langjährigen „Münchener Politik" der USA und Englands zu ernten; er lief kein Risiko, auf ernsthaften Widerstand von seiten dieser seiner Widersacher zu stoßen.
Die Beziehungen Englands und der USA zu Japan am Vorabend des Krieges am Stillen Ozean Die am 26. Juli 1941, nach der Besetzung des südlichen Teiles von Indochina durch die Japaner erfolgte Verkündung des Gesetzes über die Sequestrierung der japanischen Guthaben in den USA sowie entsprechende Maßnahmen Englands und Hollands eröffneten die Periode des Wirtschaftskrieges am Stillen Ozean. Japan war vom Handel mit den USA in doppelter Hinsicht abhängig: in der E i n f u h r 39
Rede des Anklagevertreters der Sowjetunion in dem Prozeß der japanischen Hauptkriegsverbrecher, «IIpaE^a» vom 11. Oktober 1946.
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Unkenntnis gehalten werden sollten, weil die Kriegsvorbereitungen noch nicht beendet seien. 39 Japan nahm an, es könne gelingen, die Wachsamkeit der Sowjetunion einzuschläfern, und die UdSSR werde sodann im Vertrauen auf den sowjetischjapanischen Neutralitätspakt ihre Truppen aus dem Fernen Osten nach dem Westen hinüberwerfen. In diesem Fall konnten ganz Ostsibirien und das Küstengebiet eine leichte Beute der japanischen Imperialisten werden. Diese Rechnung der japanischen Imperialisten ging indessen nicht auf. Trotz der überaus schwierigen Lage an den westlichen Fronten während der ersten Monate des Krieges gegen das faschistische Deutschland schwächte die Sowjetunion keinesfalls ihre Verteidigung im Fernen Osten. Alle Berechnungen der japanischen Strategen gingen davon aus, daß es den Hitleristen gelingen werde, die Sowjetarmee binnen kurzer Frist zu zerschlagen und zu vernichten; dann werde Japan ohne Anstrengung die fernöstlichen Gebiete, die es schon lange anlockten, besetzen können. Die Entwicklung der Kampfhandlungen an den Fronten des Vaterländischen Krieges warfen die „Pläne" des hitlerischen Oberkommandos sowie der japanischen Verbündeten Deutschlands über den Haufen. Die deutsch-faschistischen Kriegshorden stießen auf den heldenmütigen Widerstand der sowjetischen Streitkräfte. Zeitweilige territoriale Eroberungen mußten die Hitleristen mit schweren Verlusten bezahlen. Die faschistischen Truppen erlitten bei Odessa und Sewastopol ungeheure Einbußen. Die Versuche der Deutschen, Moskau und Leningrad „im Vorbeigehen" zu nehmen, scheiterten. Im Herbst 1941 begann man auch in Japan bereits zu begreifen, daß man sich mit dem Überfall auf die UdSSR von Osten her „Zeit nehmen" müsse, da der Krieg Deutschlands gegen die UdSSR einen langwierigen Charakter annahm. Die japanischen Imperialisten lenkten ihre Aufmerksamkeit vorübergehend der Entwicklung der Ereignisse am Stillen Ozean zu; dort konnte der japanische Aggressor darauf rechnen, die Früchte der langjährigen „Münchener Politik" der USA und Englands zu ernten; er lief kein Risiko, auf ernsthaften Widerstand von seiten dieser seiner Widersacher zu stoßen.
Die Beziehungen Englands und der USA zu Japan am Vorabend des Krieges am Stillen Ozean Die am 26. Juli 1941, nach der Besetzung des südlichen Teiles von Indochina durch die Japaner erfolgte Verkündung des Gesetzes über die Sequestrierung der japanischen Guthaben in den USA sowie entsprechende Maßnahmen Englands und Hollands eröffneten die Periode des Wirtschaftskrieges am Stillen Ozean. Japan war vom Handel mit den USA in doppelter Hinsicht abhängig: in der E i n f u h r 39
Rede des Anklagevertreters der Sowjetunion in dem Prozeß der japanischen Hauptkriegsverbrecher, «IIpaE^a» vom 11. Oktober 1946.
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von Erdöl, Flugbenzin und Eisenschrott und im Absatz seiner Seide, seines Tees und einiger anderer Waren. Die Sequestrierung der japanischen Guthaben traf den Import dieses Landes an strategisch wichtigen Materialien. Im Jahre 1940 importierte Japan aus den USA Waren von strategischer Bedeutung im Wert von 227 Mill. Dollar, von denen 54 Mill. Dollar auf Erdöl und Erdölprodukte entfielen. Trotz eines Teilverbotes für Flugbenzin im ersten Halbjahr 1941 nahm die Einfuhr von Erdöl und Erdölprodukten aus den USA nach Japan sogar zu. Im August 1941 verhängten die USA ein Embargo über die Ausfuhr von Erdöl und als Kraftstoff geeigneten Erdölprodukten nach Japan. Gleichartige Maßnahmen für Erdöl und andere Waren wurden in Malaya und Indonesien gegenüber Japan getroffen. Im Sommer 1941 drohte die japanische Presse, daß die Maßnahmen der angelsächsischen Länder zur Einstellung des Verkaufes von Erdöl an Japan das Land zwingen würden, dieses Produkt in Indonesien zu „suchen". Aber auch in dieser Periode zeigten sich in der Politik Washingtons und Londons die Münchener Traditionen der „Besänftigung" des Aggressors. Während der sogenannten Atlantikkonferenz zwischen den USA und England im August 1941 erklärte Roosevelt mit Nachdruck, daß ein „harter Kurs" gegenüber Japan unerwünscht sei. Er erklärte Churchill, daß man „alle Anstrengungen machen müsse, um dem Ausbruch eines Krieges gegen Japan vorzubeugen." Die im Juli abgebrochenen japanisch-amerikanischen Verhandlungen wurden im August wieder aufgenommen. Die Frage, wie lange japanische Truppen in Nordchina und der Inneren Mongolei verbleiben sollten, um an „antikommunistischen Operationen" teilzunehmen, war der Gegenstand wiederholter langwieriger Diskussionen zwischen den Vertretern der USA.und Japans; das geht aus Aufzeichnungen über die Verhandlungen hervor, die der japanische Botschafter in den USA, Admiral Nomura, seinen Memoiren beigefügt hat. Die Japaner weigerten sich, irgendwelche Termine festzusetzen und lehnten das Projekt, die japanischen Truppen in China durch „internationale Streitkräfte" abzulösen, kategorisch ab. Die zu dieser Frage abgegebene Erklärung wurde am 27. September 1941 dem Berater Valentine zur Weitergabe an Hull überreicht. Am 14. Oktober 1941 teilte der japanische Botschafter in Washington, Nomura, seiner Regierung telegraphisch mit, er hätte aus einer Unterhaltung mit dem amerikanischen Konteradmiral Turner erfahren, daß die USA-Regierung in der Frage der Zurücknahme der Truppen aus China zu bedeutenden Zugeständnissen an Japan bereit sei.10 Der amerikanische Imperialismus hegte bis zum allerletzten Augenblick die Hoffnung, Japan werde sich von der Perspektive eines Überfalls auf die UdSSR verlocken lassen. Dies veranlaßte die amerikanischen Diplomaten zu besonderer Nachgiebigkeit in den Verhandlungen mit Japan; auf diese Weise wurde der Aggressor zu einem Krieg „im Norden" ermuntert. Nichtsdestoweniger führten die langwierigen japanisch-amerikanischen Verhandlungen nicht einmal hinsicht40
„Hearings before the joint Comittee on the Investigation of the Pearl Harbor attack", Bd. II, Washington 1946, S. 5384.
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lieh der internationalen Beziehungen am Stillen Ozean zu einer Verständigung. Im Gegenteil, je länger die Verhandlungen dauerten, desto klarer trat die Unmöglichkeit zutage, die imperialistischen Widersprüche zwischen den USA und Japan zu überwinden. Im Laufe der Verhandlungen wurden von beiden Seiten vier Entwürfe vorgelegt, die als Diskussionsgrundlage dienen sollten. Der erste von den USA vorgeschlagene Plan sah die Erörterung von Fragen vor, die mit dem europäischen und dem Japanisch-Chinesischen Krieg, mit der Politik der beiden Länder zur „Stabilisierung" der Lage am Stillen Ozean und mit der Wirtschaftspolitik dieser Länder im Pazifik-Raum zusammenhingen. Japan brachte am 26. September seinen Gegenvorschlag ein, der, ohne die Vorschläge der USA zurückzuweisen, neue Forderungen einbezog. Bereits Ende August hatte der japanische Premierminister Konoye eine Zusammenkunft mit dem Präsidenten der USA vorgeschlagen, auf der die japanisch-amerikanischen Beziehungen erörtert werden sollten. Aus einzelnen Abschnitten von Konoyes Tagebuch, die nach seinem Tode von der japanischen Zeitung „Asahi" (20.—30. Dezember 1945) veröffentlicht wurden, geht der Grund dieses diplomatischen Schrittes der japanischen Regierung völlig klar hervor. Der Grund war das Bestreben, die Bildung einer Einheitsfront zwischen der UdSSR und den USA gegen die faschistischen Aggressoren zu verhindern. „Es müssen Anstrengungen gemacht werden, um zu verhindern, daß sich die Sowjetunion und Amerika verständigen oder daß diese eine Einheitsfront bilden", heißt es in dem Tagebuch. Die Regierung der USA lehnte jedoch den Vorschlag einer Zusammenkunft ab, da die japanische Regierung nicht die vorherige Zusicherung geben wollte, daß die Begegnung Konoyes mit Roosevelt eine bestimmte Einigung über die „Hauptprinzipien" ermöglichen werde. 41 Die USA-Regierung forderte von der japanischen Regierung die Beantwortung von drei im August 1941 gestellten Fragen, und zwar über den Dreierpakt der „Achsenmächte", über die Anwesenheit japanischer Truppen in China und über „gleiche Möglichkeiten" im internationalen Handel. Diese drei Fragen bildeten bis zum Oktober den Hauptinhalt der Verhandlungen. Mitte Oktober wurde das dritte Kabinett Konoye durch das Kabinett des Generals Tojo abgelöst; dieser führende Vertreter der Militaristen war durch seine antisowjetischen Reden bekannt. Das zeugte von der Entschlossenheit der regierenden Kreise Japans, einen Krieg zu beginnen. Die Ernennung Tojos löste in den herrschenden Kreisen der USA große Befriedigung aus, da in diesen Kreisen die Meinung herrschte, daß Tojo den Krieg gegen die UdSSR beginnen werde. Der heldenmütige Widerstand der Sowjetarmee gegen die Hitler-Armeen hielt jedoch die japanischen Imperialisten von einem sofortigen Eingreifen in den Krieg ab. Das neue Kabinett antwortete auf die oben angeführten drei Fragen der USA dem Sinne nach folgendermaßen: 41
„Far Eastern Survey" vom 1. Dezember 1941.
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1. Die Amerikaner dürften den Begriff der „Selbstverteidigung" nicht allzu weit fassen. Dies wurde im Zusammenhang mit dem Vorschlag der USA gesagt, mit Japan ein Übereinkommen zu treffen, nach dem das Militärbündnis zwischen Deutschland, Italien und Japan die Japaner nicht verpflichten sollte, gegen die USA vorzugehen, falls die Amerikaner gezwungen wären, „zum Zwecke der Selbstverteidigung" gegen Hitler-Deutschland Krieg zu führen. 2. Nach einem Friedensschluß zwischen Japan und China wolle man die japanischen Truppen aus China abziehen; das beträfe jedoch nicht die Truppenteile, die im Zusammenhang mit dem „chinesischen Zwischenfall" (d. h. in Nordchina) eingerückt waren und die „dort so lange wie erforderlich in bestimmten Bezirken stationiert bleiben sollten". 3. Die japanische Regierung erkenne an, daß das Prinzip gleicher Möglichkeiten in den internationalen Handelsbeziehungen auf den pazifischen Raum, einschließlich Chinas, angewendet werden solle, wenn dieses Prinzip in gleicher Weise auch auf die gesamte Welt angewendet werde.42 Diese Vorschläge bildeten den Gegenstand weiterer Verhandlungen Ende Oktober und Anfang November. Die japanische Regierung stellte gleichzeitig auch die Forderung, daß „die amerikanische Regierung nach Beendigung der japanisch-amerikanischen Verhandlungen alle Anstrengungen machen solle, ähnliche Abkommen zwischen Japan und Großbritannien und anderen Ländern herbeizuführen." 43 In diesem Stadium der Verhandlungen schickte die japanische Regierung am 5. November dem japanischen Botschafter in Washington, Admiral Nomura, den ehemaligen Botschafter Japans in Berlin, Kurusu, „zur Unterstützung". Die Mission Kurusus. Der Beginn des Krieges am Stillen Ozean Als in den USA bekannt wurde, daß Nomura durch den in besonderer Mission entsandten japanischen Diplomaten Kurusu unterstützt werden solle, nahmen die herrschenden Kreise Amerikas diese Mitteilung mit Genugtuung auf. Es wurde erklärt, daß Kurusu als Botschafter Japans in Berlin den Dreierpakt „ohne besonderen Enthusiasmus" unterzeichnet habe, und daß er gezwungen gewesen wäre, dies entgegen seinem eigenen Wunsch zu tun. Wie die amerikanische Presse erklärte, sei in dieser Zeit der Zuspitzung der japanisch-amerikanischen Beziehungen bei der Ernennung eines Sondergesandten Tokios nach Washington die Wahl deshalb auf Kurusu gefallen, weil man ihn „als geeignete Persönlichkeit betrachte, die imstande wäre, den Vereinigten Staaten die wahren Beziehungen Japans zur europäischen Achse zu erklären." Aus einem Resümee des japanischen Außenministeriums, veröffentlicht in der Zeitschrift „Contemporary Japan", Januar 1942. « Ebenda. 42
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1. Die Amerikaner dürften den Begriff der „Selbstverteidigung" nicht allzu weit fassen. Dies wurde im Zusammenhang mit dem Vorschlag der USA gesagt, mit Japan ein Übereinkommen zu treffen, nach dem das Militärbündnis zwischen Deutschland, Italien und Japan die Japaner nicht verpflichten sollte, gegen die USA vorzugehen, falls die Amerikaner gezwungen wären, „zum Zwecke der Selbstverteidigung" gegen Hitler-Deutschland Krieg zu führen. 2. Nach einem Friedensschluß zwischen Japan und China wolle man die japanischen Truppen aus China abziehen; das beträfe jedoch nicht die Truppenteile, die im Zusammenhang mit dem „chinesischen Zwischenfall" (d. h. in Nordchina) eingerückt waren und die „dort so lange wie erforderlich in bestimmten Bezirken stationiert bleiben sollten". 3. Die japanische Regierung erkenne an, daß das Prinzip gleicher Möglichkeiten in den internationalen Handelsbeziehungen auf den pazifischen Raum, einschließlich Chinas, angewendet werden solle, wenn dieses Prinzip in gleicher Weise auch auf die gesamte Welt angewendet werde.42 Diese Vorschläge bildeten den Gegenstand weiterer Verhandlungen Ende Oktober und Anfang November. Die japanische Regierung stellte gleichzeitig auch die Forderung, daß „die amerikanische Regierung nach Beendigung der japanisch-amerikanischen Verhandlungen alle Anstrengungen machen solle, ähnliche Abkommen zwischen Japan und Großbritannien und anderen Ländern herbeizuführen." 43 In diesem Stadium der Verhandlungen schickte die japanische Regierung am 5. November dem japanischen Botschafter in Washington, Admiral Nomura, den ehemaligen Botschafter Japans in Berlin, Kurusu, „zur Unterstützung". Die Mission Kurusus. Der Beginn des Krieges am Stillen Ozean Als in den USA bekannt wurde, daß Nomura durch den in besonderer Mission entsandten japanischen Diplomaten Kurusu unterstützt werden solle, nahmen die herrschenden Kreise Amerikas diese Mitteilung mit Genugtuung auf. Es wurde erklärt, daß Kurusu als Botschafter Japans in Berlin den Dreierpakt „ohne besonderen Enthusiasmus" unterzeichnet habe, und daß er gezwungen gewesen wäre, dies entgegen seinem eigenen Wunsch zu tun. Wie die amerikanische Presse erklärte, sei in dieser Zeit der Zuspitzung der japanisch-amerikanischen Beziehungen bei der Ernennung eines Sondergesandten Tokios nach Washington die Wahl deshalb auf Kurusu gefallen, weil man ihn „als geeignete Persönlichkeit betrachte, die imstande wäre, den Vereinigten Staaten die wahren Beziehungen Japans zur europäischen Achse zu erklären." Aus einem Resümee des japanischen Außenministeriums, veröffentlicht in der Zeitschrift „Contemporary Japan", Januar 1942. « Ebenda. 42
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Die Mission Kurusus WEIT ein „Nebelschleier" Tokios. Das Kabinett Tojo verfolgte n u r das eine Ziel, f ü r den Abschluß der letzten Kriegsvorbereitungen Zeit zu gewinnen und die Überzeugung der amerikanischen Imperialisten, daß Japan seine Geschütze in erster Linie gegen die UdSSR richten werde, bis zuletzt auszunutzen. Am 15. November kam Kurusu in Washington an und traf dort mit Roosevelt im Weißen Haus zusammen. Die offiziellen Verhandlungen im Staatsdepartment begannen am 17. November. I n der Note der japanischen Regierung, die dem USA-Staatssekretär H u l l am 20. November durch Kurusu und Nomura überreicht wurde, waren die neuen japanischen Verhandlungsvorschläge formuliert: 1. Beide Regierungen — die Japans und die der Vereinigten Staaten — verpflichten sich, keine bewaffneten Einfälle in irgendeines der Gebiete Südostasiens oder in die südlichen Gebiete des Pazifik-Raumes zu unternehmen, Französisch-Indochina ausgenommen. 2. Die Regierungen Japans und der USA werden koordiniert vorgehen, u m aus Niederländisch-Indien diejenigen Güter und Materialien zu beschaffen, die beide Länder benötigen. 3. Die Regierungen Japans und der U S A verpflichten sich, die Handelsbeziehungen in dem U m f a n g wiederherzustellen, der vor Verhängung des Sequesters bestand. Die Regierung der U S A wird Japan mit der nötigen Menge Erdöl versorgen. 4. Die Regierung der U S A verpflichtet sich, keine Maßnahmen und H a n d lungen zu dulden, die den Versuchen einer Wiederherstellung des Friedens zwischen Japan und China schaden könnten. 5. Die japanische Regierung verpflichtet sich, nach Wiederherstellung friedlicher Beziehungen mit China oder nach Herstellung eines gerechten Friedens am Stillen Ozean ihre Truppen aus Indochina abzuberufen. 4 4 Die japanische Regierung baute offenbar auf die „Münchener" Einflüsse unter den herrschenden Kreisen der USA. Sie hoffte, durch die Verhandlungen nicht n u r die Aufmerksamkeit von der fieberhaften Vorbereitung eines plötzlichen Überfalls auf die Vereinigten Staaten ablenken zu können, sondern auch unter den herrschenden Kreisen der USA eine Spaltung hervorzurufen. Die japanischen Imperialisten rechneten darauf, daß die f ü r sie unaufschiebbare Frage der notwendigen Versorgung mit strategischen Rohstoffen aus den USA und Südostasien in günstiger Weise zu lösen sei. Indem Japan verhandelte, wollte es auch f ü r die endgültige Vorbereitung seiner militärischen Operationen Zeil gewinnen. Die mißliche „ E r f a h r u n g " der deutschen Verbündeten Japans, die im Herbst 1941 den Zusammenbruch ihrer strategischen Pläne eines „Blitz"-Sieges über die UdSSR erlebt hatten, die schweren Verluste und das Stocken des Vormarsches der deutsch-faschistischen Elitedivisionen, denen durch die Sowjetarmee auf den Zugängen nach Moskau und Leningrad H a l t geboten wurde — all das hinderte 44
Aus dem Resümee des japanischen Außenministeriums.
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den japanischen Aggressor an der Verwirklichung seiner Absicht, die UdSSR zu überfallen; es zwang ihn auch, sich auf die vorläufig nach Süden gerichtete Aggression noch sorgfältiger vorzubereiten. Aus diesem Grunde setzte Japan die Verhandlungen in Washington fort, wobei es den Zeitpunkt des Bruches bis zum Abschluß seiner Kriegsvorbereitungen verschleppen wollte. Die japanischen Vorschläge wurden zum Gegenstand von Erörterungen und Konsultationen zwischen den Regierungen der USA, Englands, Chinas und Hollands. Im Ergebnis dieser Diskussionen ließ sich die amerikanische Regierung erneut zu mehreren Zugeständnissen herbei und legte der japanischen Regierung am 26. November ihren Plan einer „umfassenden Lösung der strittigen Fragen" vor; 48 dieser wurde durch Hull als Entwurf dem japanischen Botschafter überreicht. Der amerikanische Plan umfaßte zwei Teile. Der erste Teil stellte den Entwurf einer gemeinsamen Deklaration über die Grundprinzipien der Politik der vertragschließenden Parteien im Pazifik-Raum dar. Der zweite Teil des Planes der USA bestand aus einer Reihe von Vorschlägen, deren wichtigste die folgenden waren: 1. Abschluß eines mehrseitigen Nichtangriffspaktes; 2. Die japanische Regierung zieht aus China und Indochina alle Land-, See- und Luftstreitkräfte sowie Polizeieinheiten ab; 3. Beide Regierungen werden, außer der Tschungkinger Regierung, keine andere Regierung und kein anderes Regime in China militärisch, politisch oder wirtschaftlich unterstützen; 4. Beide Regierungen treten miteinander in Verhandlungen über den Abschluß eines Handelsvertrages, der auf dem Prinzip der Meistbegünstigung und der beiderseitigen Verminderung der Handelsschranken, unter anderem für Rohseide, beruhen soll; 5. Die beiden Regierungen verpflichten sich, die Blockierung der Guthaben des anderen Landes aufzuheben; 6. Die beiden Regierungen einigen sich über die Stabilisierung des Dollar- und Jen-Kurses; dafür wird der nötige Fonds geschaffen, den die USA und Japan je zur Hälfte einzubringen haben. Dieser in der Art eines Memorandums aufgestellte Plein, hinter dem sich in Wirklichkeit die Anerkennung des Grundsatzes der imperialistischen Herrschaft der USA am Stillen Ozean verbarg, wurde von den japanischen Imperialisten nicht angenommen, weil sie keinesfalls auf Annexionen in China und Indochina verzichten wollten. Die Verhandlungen wurden jedoch fortgesetzt. Angesichts der wachsenden Verschärfung in den Beziehungen zwischen den USA und Japan gab die englische Regierung, die im Fahrwasser der amerikanischen Politik segelte, am 10. November die Erklärung ab, daß „England den Vereinigten Staaten Folge leisten werde, falls diese in einen Krieg gegen Japan hineingezogen werden sollten."46 Zu dieser Zeit tagte das japanische Parlament (vom 15. bis 21. November), vor dem Premierminister Tojo in einer verlogenen, demagogischen Rede die japanische „Plattform" darlegte: 1. Dritte Mächte müssen sich der Einmischung in chinesische Angelegenheiten enthalten; 2. Die ausländischen Mächte sollen sich 45
Aus einer Botschaft F. Roosevelts. Veröffentlicht in der Zeitschrift „Amerasia", Januar 1942.
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nicht nur der direkten militärischen Bedrohung des Japanischen Reiches enthalten, sondern auch derartige Maßnahmen feindseligen Charakters, wie die Wirtschaftsblockade, einstellen und die normalen wirtschaftlichen Beziehungen zu Japan wiederherstellen; 3. Es sind jegliche Anstrengungen zu machen, um eine Ausweitung des europäischen Krieges auf Ostasien zu verhindern. Während derselben Sitzung wurde ein zusätzliches Budget von mehr als vier Milliarden Jen für vorwiegend militärische Zwecke angenommen. In einer gefaßten Resolution forderte die Tagung von der Regierung eine „feste" Außenpolitik, während die faschistische „Gesellschaft zur Unterstützung des Throns" auf die Liquidierung der ausländischen „Interessen" in Ostasien bestand. Die letzte Etappe der Verhandlungen zwischen den USA und Japan vor dem Krieg im Stillen Ozean begann unmittelbar nach der Überreichung des Memorandums Hulls vom 26. November an Japan, als entsprechend einer Erklärung Roosevelts bekannt wurde, daß „neue Kontingente japanischer Streitkräfte und eine große Menge Kriegsmaterial nach Indochina geworfen worden sind" und demzufolge „klar wurde, daß unter dem Deckmantel von Verhandlungen auf die Objekte X Y Z ein Überfall vorbereitet wurde." 47 Es sprachen in jenen Tagen auch andere Anzeichen dafür, daß im Fernen Osten Kriegsgefahr drohte. Dies kam unter anderem dadurch zum Ausdruck, daß Japan eine noch größere Annäherung an die italienisch-deutsche Koalition demonstrierte und den sogenannten „Antikominternpakt" am 25. November in Berlin auf betont feierliche Weise erneuerte; dies geschah unter Beteiligung von 12 Verbündeten und Vasallen HitlerDeutschlands, darunter Japans sowie Mandschukuos und der Nankinger Marionettenregierung Wang Tsching-wei, die telegraphisch ihren Beitritt zu dem Pakt erklärt hatte. Am 1. Dezember 1941 nahm, laut Mitteilung der japanischen Agentur Domei, die japanische Regierung den Bericht des Außenministers Togo über den Verlauf der japanisch-amerikanischen Verhandlungen entgegen. Die Agentur teilte mit, daß „das Kabinett einen großen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Standpunkten Japans und Amerikas feststelle; es habe jedoch im Interesse der Erhaltung des Friedens am Stillen Ozean beschlossen, die geführten Verhandlungen fortzusetzen, wobei es von der Regierung der USA verlange, ihre Haltung zu revidieren." Am 2. Dezember suchten Kurusu und Nomura Hull auf, um die japanisch-amerikanischen Verhandlungen wieder aufzunehmen, obgleich aus Tokio noch keine offizielle Antwort auf das Memorandum der USA vom 26. November eingegangen war. Nomura und Kurusu hatten allerdings am 28. November ein chiffriertes Telegramm erhalten, aus dem hervorging, daß Japan nicht länger verhandeln werde. „Jedoch ist es nicht wünschenswert — so hieß es in dem Telegramm •— daß Sie den Anschein erwecken, als wären die Verhandlungen abgebrochen."48 „Far Eastern Survey" vom 1. Dezember 1941. « „Weißbuch" („Amerasia", Januar 1942). »8 „Hearings . . .", Bd. II, S. 401. 48
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U m bei dem geplanten Überfall auf die USA das Überraschungsmoment zu wahren, wurde den japanischen Diplomaten aufgetragen, ihr Auftreten in jeder möglichen Weise zu maskieren. A m 2. Dezember erklärte N o m u r a in einem Interview den Pressekorrespondenten i n Washington: „Ich kann nicht glauben, daß irgend jemand den Krieg wünscht."* 9 U m dieselbe Zeit erklärte Kurusu in einer Unterredung mit amerikanischen Journalisten, daß seiner Ansicht nach die Presse den Text der Rede Tojos entstelle, wenn sie ihm die Forderung zuschrieb, „die Einmischung der Amerikaner und Engländer im Fernen Osten auszuschalten". Am 6. Dezember 1941 gab der offizielle Vertreter des Informationsrates Hori auf einer Pressekonferenz in Tokio die Erklärung ab, daß „Japan und die USA die Verhandlungen im Geiste der Aufrichtigkeit f ü h r e n werden, u m eine gemeinsame Formel zu finden, auf deren Grundlage es möglich wäre, mit Erfolg eine friedliche Lage am Stillen Ozean zu schaffen." Hori deutete dabei an, daß „ohne diesen Geist gegenseitiger A u f richtigkeit auch keine Notwendigkeit zur Fortsetzung der Verhandlungen vorläge." Auf die Frage der Journalisten antwortend, sagte Hori, daß Japan an Hull noch keine Antwort auf dessen Memorandum vom 26. November abgeschickt habe, er, Hori, glaube jedoch, daß eine Antwort abgesandt werde. Nach E i n g a n g von Informationen über eine forcierte Verstärkung der japanischen Truppen in Indochina und einer Meldung über die Konzentration dieser Truppen an den Grenzen Thailands (Siams) wandte sich Präsident Roosevelt aim 6. Dezember 1941 mit einem Handschreiben an den japanischen Kaiser, in dem er seine Besorgnis über die krasse Verschärfung der japanisch-amerikanischen Beziehungen zum Ausdruck brachte. Faktisch war es jedoch bereits zu spät, zu den üblichen diplomatischen Mitteln Zuflucht zu nehmen, da die japanischen Marine- und Luftstreitkräfte sich bereits den Hawaii-Inseln näherten. Am 7. Dezember f ü h r t e n japanische Streitkräfte einen überraschenden Angriff auf amerikanische und englische Stützpunkte auf den Hawaii-Inseln, in Hongkong, auf den Philippinen und in Malaya durch. Der Überfall Japans und die schwere Niederlage, die der amerikanischen Flotte in Pearl Harbor zugefügt wurde, kamen f ü r die amerikanische Militärclique, einschließlich des Stabschefs der USA-Armee Marshall, sehr überraschend. Das resultierte daraus, daß die führenden Militärs der USA sich von den „Münchener" Illusionen fortreißen und von ihrem H a ß gegen die Völker der Sowjetunion — weil diese in ihrem Land die Ausbeuterordnung vernichtet hatten — verblenden ließen; deshalb bauten sie fest darauf, daß sich der Krieg im Fernen Osten zwischen Japan und der UdSSR abspielen werde und daß ihn die USA f ü r ihre imperialistischen Interessen ausnutzen könnten. Erst eine Stunde nach Beginn des heimtückischen Überfalls auf Pearl Harbor überreichten Kurusu und Nomura dem USA-Außenminister H u l l eine ausführliche Antwort auf die amerikanische Note vom 26. November. Das japanische Memorandum stellte fest, daß es f ü r Japan unmöglich sei, auf dem Wege weiterer 49
«Bonpocii
HCTopHH»,
1948, Nr. 4, S. 98.
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Verhandlungen ein Übereinkommen mit den USA zu erzielen. Nach dem Wortlaut des Memorandums hätten die Vorschläge der amerikanischen Regierung „die Opfer, die Japan während der vierjährigen Ereignisse in China gebracht habe, ignoriert, die nackte Existenz Japans bedroht und Japans Ehre und Prestige" verletzt. Das Memorandum beschuldigte die USA und England der Anwendung wirtschaftlicher Repressalien gegen Japan, der Drohungen gegen Indochina, der „systematischen Hilfeleistung für die Tschunking-Regierung" und des Druckes auf Niederländisch-Indien. Das Memorandum betonte, daß die japanische Regierung diese Lage nicht länger ertragen könne. Es schloß mit dem Satz: „Die japanische Regierung sieht sich zu ihrem Bedauern gezwungen, die amerikanische Regierung hierdurch in Kenntnis zu setzen, daß sie nicht umhin kann anzunehmen, daß die Erreichung einer Übereinkunft auf dem Wege weiterer Verhandlungen unmöglich ist". So erfolgte nicht einmal auf das Handschreiben Roosevelts an den japanischen Kaiser eine direkte Antwort. Am 8. Dezember überreichte der japanische Außenminister dem amerikanischen Botschafter eine Note, in der mitgeteilt wurde, der japanische Kaiser habe verfügt, „den Vereinigten Staaten die Gründe für die Verstärkung der japanischen Truppen in Indochina zu erklären". Schwerlich lag noch irgendwelche Notwendigkeit zu einer solchen „Erklärung" vor. Am Morgen des 8. Dezember wurde eine Deklaratipn des japanischen Kaisers über die Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten und England veröffentlicht. Es begann der Krieg am Stillen Ozean, der durch die Entwicklung und Verschärfung der imperialistischen Widersprüche im Laufe vieler Jahre vorbereitet worden war. Dem aggressiven Japan schien der für den Überfall gewählte Zeitpunkt der günstigste: die USA waren für einen Krieg noch nicht völlig gerüstet; England zwang der Krieg mit Hitler-Deutschland dazu, seine gesamte Kriegsflotte im Atlantischen Ozean und im Mittelmeer zu konzentrieren. Die japanischen Strategen hofften, daß die ersten vernichtenden Schläge, die den Marine- und Luftstützpunkten sowie der Flotte der angelsächsischen Länder überraschend beigebracht worden waren, Japan zum Sieg verhelfen und daß die von den japanischen Imperialisten erwarteten Kriegserfolge Hitler-Deutschlands den Weg zum wortbrüchigen Überfall auf die UdSSR öffnen würden. Ebenso wie ihre Verbündeten — die deutschen Faschisten •—• schritten die von der Gier nach Eroberung fremder Länder und Reichtümer getriebenen japanischen Militaristen ihrer Niederlage entgegen. •
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Der Überfall der japanischen Imperialisten auf China im Juli 1937 hatte eine neue Etappe in der Entwicklung der japanischen Aggression im Fernen Osten eröffnet. Die Hoffnungen der japanischen Aggressoren auf einen „Blitzsieg" in China scheiterten an der Bildung einer nationalen, antijapanischen Einheitsfront in China, die durch die politische, militärische und organisatorische Tätigkeit der Kommunisten trotz des Widerstandes der Kuomintang-Reaktionäre zustande 418
gekommen war. Durch den Abschluß eines Nichtangriffspaktes mit China leistete die UdSSR diesem Land politische und moralische Unterstützung im Kampf gegen die Eroberer. Die Politik der USA und Englands im Fernen Osten, die im Laufe vieler Jahre darauf angelegt war, die UdSSR zu isolieren und die japanischen Imperialisten gegen sie zu hetzen, unterstützte die Japaner in ihrem Eroberungskrieg in China. Durch ihre Politik, die dem chinesischen Volke ungeheure Leiden zufügte, erlitten die englischen und amerikanischen Imperialisten selbst materiellen und politischen Schaden von Japan. Der Abschluß des Schandvertrages zwischen England und Japan auf Kosten Chinas („Arita-Craigie-Abkommen") am Vorabend des zweiten Weltkrieges, der die „juristische Anerkennung" der japanischen Aggression in China durch England bezeugte, sowie das in den USA angenommene ,,Neutralitäts"-Gesetz erleichterten Japan die Kriegführung gegen das chinesische Volk und gleichzeitig damit auch die Verdrängung Englands und der USA aus China. Der Beginn des zweiten Weltkrieges, der durch die Münchener Politik Englands, Frankreichs und der USA möglich wurde, war im Fernen Osten durch neue Zugeständnisse der Westmächte an Japan gekennzeichnet. Nur die unermüdlich f ü r den Frieden kämpfende Sowjetunion erteilte dem japanischen Aggressor eine ernsthafte Abfuhr und spornte die Widerstandskräfte im chinesischen Volk zum Kampf gegen ihn an. In der Zeit vom Beginn des zweiten Weltkrieges bis zur Bildung der PazifikFront leisteten die USA und England dem weiteren Vordringen des Aggressors nach China Vorschub, indem sie fortfuhren, Japan mit strategisch wichtigen Rohstoffen zu beliefern. Die Tschiang Kai-schek-Regierung, die seit Ende 1938 den Weg der Kapitulation vor dem japanischen Aggressor eingeschlagen hatte, erleichterte diesem die Möglichkeit zur Offensive in China. Die Kapitulation der bürgerlichen Regierungen Frankreichs und Hollands vor Hitler-Deutschland lenkte das Augenmerk der japanischen Imperialisten vorübergehend auf Indochina und Indonesien, die als Sprungbrett f ü r den Überfall auf die Besitzungen der USA und Englands am Stillen Ozean dienen sollten. Dennoch unterstützten die herrschenden Kreise der USA und Englands auch weiterhin die aggressive Politik Japans, indem sie es mit kriegswichtigen Rohstoffen versorgten; dabei hofften sie auf die Möglichkeit, Japan zu einem Überfall auf die UdSSR verleiten zu können. Selbst nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die UdSSR fuhren die USA fort, mit Japan zu verhandeln. Das Anwachsen der imperialistischen Widersprüche zwischen Japan und Amerika machte einen Krieg zwischen den USA und Japan um die Gebiete und Kolonien, deren sich beide bemächtigen wollten, unvermeidlich; der japanische Imperialismus begann' jedoch diesen Krieg in einer f ü r ihn günstigeren Situation, indem er die Wachsamkeit seines Gegners täuschte und sich die antisowjetischen Absichten der herrschenden Kreise der USA zunutze machte. Durch die Niederlage der amerikanischen Flotte in Pearl Harbor rächte sich in gewisser Weise die „Münchener" Ausrichtung in der Fernostpolitik der Vereinigten Staaten. 419
1. DIE ERSTE ETAPPE DES KRIEGES AN DER PAZIFIKFRONT (Dezember 1941 bis November 1942) Die japanischen Streitkräfte eröffneten die Rriegshandlungen im Pazifik zu dem gleichen Zeitpunkt, als die Hitlertruppen im Westen nach f ü n f Monaten schwerer Kämpfe mit der Sowjetarmee vor Moskau eine schwere Niederlage erlitten und fast gleichzeitig die zur Entlastung eingesetzten deutschen Stoßverbände bei Rostow und Tichwin vernichtet wurden. Die historische Gegenoffensive der Sowjettruppen bei Moskau, die am 6. Dezember 1941 begann, brachte den deutsch-faschistischen P l a n eines „Blitzkrieges" gegen die UdSSR zum Scheitern. Durch diese Gegenoffensive verloren die Hitlerfaschisten „den militärischen Vorsprung, den sie infolge des wortbrüchigen und überraschenden Überfalls in den ersten Kriegsmonaten hatten."® J. W . Stalin betonte bei der Betrachtung der ersten Ergebnisse der Gegenoffensive der Sowjetarmee: „es brauchte n u r das Moment der Überrumpelung aus dem Arsenal der Deutschen zu verschwinden, damit die faschistische deutsche Armee vor einer Katastrophe stand." 1 0 So empfing Ende 1941, als die japanischen Streitkräfte zur Verwirklichung ihrer großen Pläne der Eroberung Südostasiens übergingen, der wichtigste Achsenpartner Japans, nämlich Hitlerdeutschland, den ersten harten Schlag durch die Sowjetarmee; das m u ß t e sich auf den weiteren Verlauf des zweiten Weltkrieges in seiner Gesamtheit auswirken. Als H a u p t f r o n t des zweiten Weltkrieges bestimmte die sowjetisch-deutsche F r o n t auch die Lage der kriegführenden Parteien auf dem pazifischen Kriegsschauplatz. Dort brachte die erste Etappe des Krieges den Streitkräften Japans große Erfolge ein. A m 7. Dezember drangen japanische Truppen in Thailand ein, ohne auf Widerstand zu stoßen. Die pro japanischen Elemente in der thailändischen Regierung drängten auf Annahme des japanischen Ultimatums, in dem der Durchmarsch der japanischen Truppen durch das Land zum Zweck eines weiteren Überfalls auf Malaya gefordert wurde. Am nächsten T a g e landeten die Japaner im Norden Malayas; am 9. Dezember nahmen sie den Südteil Thailands ein. M i t der Einnahme des Hafens von Bangkok, der thailändischen Hauptstadt, schufen sich die Japaner einen festen Stützpunkt i m Golf von Siam. Unter Ausnutzung des thailändischen Territoriums als Aufmarschbasis f ü r die Entf a l t u n g ihrer Streitkräfte gegen Burma, begannen die Japaner ihre Operationen in Südburma. I n erster Linie stellte sich das japanische Oberkommando die Beherrschung Britisch-Malayas zum Ziel; von hier aus sollte ein Vorstoß nach Süden Singapur im Rücken fassen. Gleichzeitig mit der japanischen Landung in Malaya und den Operationen gegen Singapur begannen die Kämpfe u m die Philippinen. A m 10. Dezember 0
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J. W. Stalin, „Über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion", Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 46. Ebenda.
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führten die Japaner im Nordwestteil der Insel Luzon eine erste Landung durch, die in den folgenden Tagen durch neue Landungen verstärkt wurde. Am 20. Dezember landeten die Japaner auf Mindanao (der südlichen Insel der Philippinen). Hier begannen sie Stützpunkte f ü r den Einfall in Indonesien zu schaffen. In den ersten fünf Monaten des pazifischen Krieges eroberten die japanischen Streitkräfte Malaya und Singapur, die wichtigsten Inseln Indonesiens, einen Teil von Neu-Guinea, Burma, die Philippinen und Hongkong; sie erreichten das Ufer des Indischen Ozeans und besetzten die Inseln Guam, Wake, NeuBritannien, die Salomonen u. a. Von Burma aus drangen sie in die chinesische Provinz Jünnan ein. Während dieser Zeit eroberte Japan die gewaltige Fläche von 3 800 000 qkm mit einer Bevölkerung von rund 150 Millionen Menschen, ungerechnet die bereits früher eroberten chinesischen Gebiete. Die japanischen Imperialisten erlangten ihren Sieg leicht. In der ersten Etappe des Krieges nutzten sie ihre zahlenmäßige Überlegenheit sowie die Plötzlichkeit des Angriffs auf die Gegner aus. Zu Beginn des Krieges begegneten die Japaner keinem wesentlichen Widerstand seitens der USA und Englands, deren Truppen stark befestigte Stellungen oft kampflos preisgaben. Die von den amerikanischen, englischen und französischen Imperialisten ausgeplünderten und unterdrückten Völker Malayas, Burmas, Indonesiens, der Philippinen und Indochinas wurden ein Opfer der japanisch-faschistischen Aggression. Die Völker der Südsee entfalteten bald nach dem Eindringen der japanischen Truppen einen aktiven Kampf gegen die faschistische Aggression und die von den japanischen Imperialisten errichtete „Neue Ordnung". Bis auf die kleine Schicht der feudalen Gutsbesitzer und der Kompradoren-Bourgeoisie erstrebten diese Völker die völlige Befreiung vom Kolonialjoch. Die japanischen Politiker schonten den Hauptteil ihrer Landstreitkräfte in der Hoffnung auf Erfolge der Hitlerfaschisten im Krieg gegen die UdSSR im Westen. Ende 1941 waren etwa eine Million japanischer Soldaten, 1000 Panzer und 1500 Flugzeuge an den sowjetischen Grenzen konzentriert. Das japanische Oberkommando beabsichtigte, im „entscheidenden Augenblick" die beste japanische Armee, die an der sowjetisch-mandschurischen und an der sowjetisch-koreanischen Grenze konzentrierte Kwantung-Armee einzusetzen, um im sowjetischen Fernen Osten einen „vernichtenden Schlag" zu führen. Zu diesem Zweck f u h r das japanische Oberkommando fort, Reserven f ü r einen Krieg gegen die UdSSR anzuhäufen.
Die japanischen Provokationen und die Verletzung des sowjetisch-japanischen Neutralitätspaktes General Tojo, einer der Haupturheber des japanischen Plans einer geheimen Sondermobilmachung gegen die UdSSR, die unter dem Stichwort „Kantokuen" („Besondere Manöver der Kwantung-Armee") chiffriert war, erklärte bald nach 430
dem Eindringen der Hitlerhorden in das Territorium der Sowjetunion, daß der Überfall auf die UdSSR „den japanischen Waffen Ruhm bringen werde", weil Japan in dem Augenblick angreife, da „der Ruhm schon herangereift ist und von selbst auf die Erde fällt." 1 1 Die Tatsachen beweisen, daß die japanischen Imperialisten nicht daran dachten, den Neutralitätspakt mit der UdSSR zu achten. Die herrschenden Kreise Japans stellten sehr wohl in Rechnung, daß die Sowjetunion, kraft ihrer friedliebenden Politik, an normalen, friedlichen Beziehungen zu Japan interessiert war. Das bestätigen japanische Dokumente, darunter auch ein Operationsbefehl an die japanische Flotte vom 1. November 1941, der vom Oberkommandierenden der vereinigten japanischen Flotte, Admiral Yamamoto Isoroku, unterzeichnet ist. In diesem Befehl, der von der Anklagevertretung im Prozeß von Tokio gegen die Hauptkriegsverbrecher vorgebracht wurde, waren Operations-Anweisungen für einen bevorstehenden Angriff auf dieUSAund Großbritannien enthalten, worin es hieß: „Obwohl die Zahl der sowjetischen Streitkräfte an den Grenzen der Sowjetunion und der Mandschurei sehr groß ist, ist dennoch anzunehmen, daß die Sowjetunion keine feindseligen Handlungen beginnnt, wenn Japan die UdSSR nicht angreift". In seiner Rede auf dem Tokioter Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher 1946—1948 führte der Ankläger der Sowjetunion diesen Teil des Befehls an und bemerkte: „Das heißt, die japanische Regierung wußte, daß die Sowjetunion keinen Angriff auf Japan vorhatte; die japanische Regierung hielt eine Millionenarmee an den sowjetischen Grenzen nicht zu Verteidigungszwecken bereit, sondern erstens, um Deutschland zu helfen, und zweitens, um den günstigen Zeitpunkt nicht zu verpassen, wenn es Deutschland dennoch gelingen sollte, die Sowjetunion zu besiegen." 1 2 Japan verstärkte unaufhörlich seine in der Mandschurei stationierte KwantungArmee, die für einen Einfall in das Gebiet des sowjetischen Fernen Ostens vorgesehen war. Infolgedessen mußte die Sowjetunion, so sehr sie der schwere Kampf gegen Hitlerdeutschland beanspruchte, gegen den drohenden japanischen Angriff im Osten bis zu 40 Divisionen an der mandschurischen Grenze in Kampfbereitschaft halten. Im Dezember 1941 beschossen die japanischen Militaristen, trotz klarer Erkennungszeichen und Flaggen, die sowjetischen Handelsschiffe „Kretschet", „Swirstroj", „Sergej Laso" und „Simferopol", die sich im Hafen von Hongkong zur Reparatur befanden. Außerdem versenkten japanische Flugzeuge imDezember 1941 die sowjetischen Dampfer „Perekop" und „Maikop". Im April 1942 hielt ein japanischer Zerstörer den mit Verpflegung beladenen sowjetischen Dampfer „Sergej Kirow" an. 35 T a g e lang hielten die Japaner den sowjetischen Dampfer „ D w i n a " widerrechtlich fest und verhöhnten dabei die Mannschaft in unerhörter Art und Weise. 11
12
Materialien des Prozesses gegen die japanischen Hauptkriegsverbrecher, «IIpaB.ua» vom 2. Jan. 1948. Aus der Rede des Anklägers der UdSSR vor dem Internationalen Militärtribunal in Tokio am 8. Oktober 1946; «HpaB^a» vom 11. Oktober 1946.
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I m Jahre 1942 arbeitete der japanische Generalstab eine neue Planvariante f ü r den Angriff auf die UdSSR aus, deren Verwirklichung er an die von ihm im Westen erwarteten Siege Hitlerdeutschlands knüpfte. Der japanische Premierminister Tojo erklärte auf der Sitzung des Geheimen Rates vom 12. Oktober 1942, die der Frage der Schaffung eines „Groß-OstasienMinisteriums" gewidmet war, daß in die Sphäre „Groß-Ostasiens" nicht n u r die von Japan bereits eroberten Gebiete gehörten, sondern auch jene Territorien, die k ü n f t i g noch durch die japanischen Waffen „erworben" würden. Die japanischen Imperialisten planten 1942 die Einbeziehung ganz Sibiriens und der Gebiete, die nicht von Deutschland „erworben" würden, in die „groß-ostasiatische Sphäre". M a n beabsichtigte, die Sibirische Eisenbahn i n folgender Weise zu teilen: westlich von Omsk an Deutschland und östlich davon an Japan. Die „Strategen" von Tokio beeilten sich, Operationspläne auszuarbeiten, i n denen die Schaffung einer Militärverwaltung in der Zone des „japanisch besetzten Territoriums der UdSSR" vorgesehen war. Außerdem „planten" die japanischen Imperialisten in den Jahren 1941 und 1942 sogar eine Massenumsiedlung von Japanern auf das Territorium, das sie in der Sowjetunion zu erobern gedachten. Sie sahen eine ganze Reihe von M a ß n a h m e n vor, u m in Sibirien eine Konzentration „aus dem Westen verdrängter Slawen" zu verhindern. 1 3 Das japanische Oberkommando sah einen „günstigen Augenblick" f ü r die Verwirklichung seiner Pläne im „unvermeidlichen" Fall Stalingrads durch die Sommer- und Herbstoffensive der Hitlerfaschisten i m Jahre 1942. Diese Pläne lenkten die Aufmerksamkeit der japanischen. Militaristen vom pazifischen Kriegsschauplatz ab und banden bedeutende Kräfte, was sich auf die Aktionen der amerikanischen Streitkräfte günstig auswirkte. Die Amerikaner nutzten den hartnäckigen Kampf der Sowjetarmee an der entscheidenden Front des zweiten Weltkrieges und begannen, Einheiten der Marine-Infanterie in einer Reihe von Abschnitten der pazifischen Front zu konzentrieren. I m August 1942 gingen die amerikanischen Streitkräfte im Gebiet der Salomon-Inseln zum ersten Mal zum Angriff über. Aber das USA-Oberkommando strebte keine großen militärischen Operationen an. Die Landungen von MarineInfanterie auf den Inseln Guadalcanar und Tulagi (Salomon-Inseln) am 7. August 1942 waren unbedeutend. Die amerikanischen Politiker beabsichtigten, den Krieg sowohl in Europa wie auch i m Stillen Ozean „sparsam und berechnend" zu f ü h r e n ; sie zog es vor, die Hauptlast des zweiten Weltkrieges der UdSSR zu überlassen, u m diese zu erschöpfen und zu schwächen. Die amerikanischen Politiker hielten es f ü r günstig, daß auch i m Fernen Osten sowjetische Streitkräfte an den Grenzen der UdSSR durch eine Eliteaxmee der Japaner gebunden blieben. 13
Diese Tatsachen sind in der Rede des Anklägers der UdSSR auf dem Internationalen Militärtribunal in Tokio am 8. Oktober 1946 angeführt worden; «IIpaBja» vom 11. Oktober 1946.
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Die Maßstäbe der Kriegshandlungen im Stillen Ozean waren in keiner Weise mit denen der Schlachten im Großen Vaterländischen Krieg des Sowjetvolkes zu vergleichen. Der Krieg im Stillen Ozean war ein kleiner Krieg. Die PazifikFront war ein zweitrangiger Kriegsschauplatz. Das Schicksal der gesamten Menschheit wurde durch den aufopferungsvollen Kampf der Sowjetunion gegen Hitlerdeutschland entschieden. China und die angelsächsischen Mächte in der ersten Etappe des Pazifik-Krieges Am 9. Dezember 1941, mehr als vier Jahre nach der japanischen Aggression gegen das chinesische Volk, erklärte die Kuomintang-Regierung in Tschungking an Japan offiziell den Krieg. Am 10. Dezember wurde eine Erklärung veröffentlicht, nach der sich China im Kriegszustand mit Deutschland und Italien befand. Die Kriegserklärung an die europäischen „Achsen"-Partner Japans hatte nur „symbolischen Charakter", da die Kuomintang-Regierung durchaus nicht beabsichtigte, die Verbindung zu den deutsch-italienischen Faschisten völlig abzubrechen. Noch in der Periode des deutschen Angriffs auf Moskau neigte die Umgebung des Kriegsministers Ho Jin-tsin zu der Meinung, China müsse einen Kurs der Annäherung an die „Achsen"-Mächte einschlagen. Die Hitlerdiplomatie, unterrichtet über die antisowjetischen Stimmungen der Tschiang Kai-schek-Clique, die sich selbst mit Plänen einer Eroberung von Teilen der UdSSR trug, stachelte die Kuomintang-Regierung zur Unterzeichnung eines Bündnisvertrages mit Deutschland Ein. Damals versuchte die Hitlerdiplomatie, Tschungking davon zu überzeugen, daß der Fall von Moskau unter den „Schlägen" der deutschen Kriegsmaschine die Vorbedingungen für ein schnelles Vordringen der deutschfaschistischen Armee bis ein die chinesische Grenze schaffen werde. Die deutschen Diplomaten in Tschungking behaupteten, daß es für Kuomintang-China sehr wichtig sei, sich der Unterstützung Deutschlands zu versichern, daß Japan es nicht versäumen werde, „unter Ausnutzung günstiger Umstände" den sowjetischen Fernen Osten anzugreifen, und daß Deutschland dann Tokio vor einem weiteren Vordringen in China „warnen" werde. Die Hitlerfaschisten redeten den Kuomintang-Ministern ein, daß deutsch-chinesische Bündnisbeziehungen ein Mittel seien, Japan „aufzuhalten". 14 Diese phantastische „Konzeption" eines deutsch-chinesischen Bündnisses wurde jedoch umgestoßen. Vor den Torender stolzen sowjetischen Hauptstadt Moskau erhielt die deutsch-faschistische Armee einen vernichtenden Schlag und wurde durch die siegreiche sowjetische Gegenoffensive nach Westen zurückgeworfen. Dies trug zur Festigung der AntiHitler-Koalition bei. 14
I. Epstein, The Unfinished Revolution in China, Boston, Little Brown and Company, 1947, S. 156.
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Aber auch nach der Kriegserklärung an Deutschland und Italien behielt die Kuomintang-Regierung ihre wohlwollende Haltung gegenüber den deutschfaschistischen Elementen in China bei, die nicht einmal interniert wurden. Inzwischen begann, mit der Entstehung des Pazifik-Krieges, eine neue Epoche der Beziehungen der Tschungking-Regierung zu den Regierungen der USA und Englands. Die Regierungen der U S A und Englands waren ein einer Aktivierung des chinesischen Kriegsschauplatzes interessiert. Die angelsächsischen Mächte, in erster Linie die USA, rechneten damit, daß die Tschungking-Regierung die Konzentration der japanischen Streitkräfte auf dem pazifischen Kriegsschauplatz ausnutzen und Angriffsoperationen in China unternehmen werde, was nach den Überlegungen der Amerikaner den japanischen Angriff auf die Positionen der USA und Englands in gewissem Grade schwächen sollte. Aber die Tschungking-Politiker hatten ihre eigenen Pläne. Sie beabsichtigten durchaus nicht, große militärische Operationen zu unternehmen. Sie waren nur zu solchen militärischen Teilmaßnahmen bereit, die nicht weiter gingen als die Interessen der führenden Kuomintang-Clique, welche ihre besondere „Taktik" der Kriegführung in China ausgearbeitet hatte. Die innenpolitische Lage in China Ende 1941 Zu Beginn des Pazifik-Krieges täuschte die Kuomintang-Regierung die Taktik eines „passiven Krieges" gegen Japan vor, wobei sie aber gleichzeitig einen Kurs einschlug, der zur Liquidierung aller fortschrittlichen Organisationen im Lande, in erster Linie der Kommunistischen Partei Chinas, des stärksten Bollwerks im antijapanischen Befreiungskampf des Volkes, führen sollte. Auf dem VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (April 1945) wies Mao Tse-tung darauf hin, daß die Kuomintang-Regierung im Jahre 1939 „dem Volk und den antij apanischen Parteien und Gruppen die Rechte entzog, die sie zu Beginn des Krieges erhalten hatten. Seit dieser Zeit trieb die Regierung alle demokratischen Parteien und Gruppen, insbesondere die Kommunistische Partei Chinas, in die Illegalität. Alle Gefängnisse und Konzentrationslager waren mit Kommunisten, mit der patriotischen Jugend und anderen Kämpfern für die Demokratie überfüllt." 1 5 Noch zu Beginn des Jahres 1939 wurde die politische Abteilung des Nationalen Kriegsrats in Tschungking „gesäubert". 1940 wurde eine ebensolche „Säuberung" des Nationalen Politischen Rates durchgeführt und alle Menschen mit demokratischen Anschauungen aus ihm entfernt. Die politische Tätigkeit der fortschrittlichen Studentenorganisationen wurde durch eine strenge Kontrolle seitens der Geheimpolizei gelähmt. Die Familien der Kämpfer der 8. Armee und der Neuen 4. Volksrevolutionären Armee wurden 15
Mao Tze-Tung, The fight for a New China, New York 1945, S. 20.
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verhaftet und in vielen Fällen bestialisch ermordet. Ausländische Journalisten, die in China lebten, bezeugten im Jahre 1940 das Vorhandensein von Konzentrationslagern in Kiangsi, wo die Gefängnisse in Ningtu und Schuikin von gequälten und erschöpften Männern und Frauen überfüllt waren, von denen sich viele schon mehrere Jahre dort befanden, obwohl sie gemäß den Bedingungen der Einheitsfront des Jahres 1937 hätten amnestiert werden müssen. „Im großen Konzentrationslager in Taiho, der Provinzhauptstadt der Kriegszeit, befanden sich neue Strafgefangene, hauptsächlich Studenten." 1 8 Ein amerikanischer Journalist, der die erwähnte Einschätzung der L a g e in Kiangsi veröffentlichte, bemerkte auf Grund persönlicher Beobachtungen: „Die Provinzbeamten, denen wir begegneten, waren fast ohne Ausnahme alte Gutsbesitzer." 17 Bereits seit 1939 gab es keine Verbindung zwischen Tschungking und Jennan, der Hauptstadt des Besonderen Grenzbezirks Schensi — Kansu — Ninghsia, an dessen Spitze die Kommunisten standen. Um diesen Bezirk zu blockieren, wurden die besten Kuomintang-Divisionen an dessen Grenzen geworfen. Entlang dieser Grenzen errichteten die Kuomintang-Truppen Befestigungen. Die KuomintangTruppen, die hinter die japanischen Linien geschleust wurden, hatten die Aufgabe, den Einfluß der 8. und der Neuen 4. Armee in den befreiten Bezirken zu untergraben. Hier hatte das Volk örtliche demokratische Machtorgane gewählt, die an der Spitze des Befreiungskampfes gegen die japanischen Eroberer standen. In Kuomintang-China herrschte die faschistische Diktatur der vier Familien Tschiang Kai-schek, Kung Hsiang-tsi, Sung Tsui-wen sowie der Brüder Tschen Li-fu und Tschen Kuo-fu; sie hatten die gesamte Macht monopolisiert, gewaltige Reichtümer in ihren Händen konzentriert und waren nur um die Festigung ihrer Monopole besorgt. Hinter den japanischen Frontlinien gab es ein anderes China — die befreiten Bezirke, wo das Volk unter den unsagbar schwierigen Bedingungen der Blockade und der ununterbrochenen Angriffe einen heldenhaften Befreiungskampf gegen die japanischen Eindringlinge führte. Die Seele dieses Volkswiderstandes waren die Kommunistische Partei Chinas und die von ihr geführte 8. und Neue 4. Volksrevolutionäre Armee. Während an der „regulären Front" insgesamt 5—6 japanische Divisionen konzentriert waren 1 8 und nach dem Fall von Wuhan im Jahre 1938 faktisch Ruhe herrschte, wurde im Rücken der Japaner, hinter den Frontlinien, ein äußerst angespannter Kampf geführt. Das japanische Oberkommando konzentrierte seine Hauptkräfte gegen die 8. und Neue 4. Armee, weil es die Liquidierung der befreiten Gebiete als seine wichtigste und dringlichste Aufgabe betrachtete. 18
" «
I. Epstein, c. o., S. 130. Ebenda. Ebenda, S. 122.
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Die aktiven. Operationen der japanischen Truppen gegen die befreiten Bezirke und die Ruhe an der „regulären Front" paßten ganz in die Pläne der reaktionären Kuomintang-Kreise, die am Weiterbestehen eines solchen Zustandes interessiert waren, weil sie nicht beabsichtigten, einen ernsthaften Krieg gegen die Japaner zu führen. Die herrschende Kuomintang-Clique wollte aus der entstandenen Situation für sich den größtmöglichen Nutzen ziehen; sie hoffte auf eine Schwächung Japans im Krieg gegen die USA und hielt die Taktik des „passiven Krieges" gegen die japanischen Imperialisten für ein geeignetes Mittel, um Kräfte für den Kampf gegen die chinesische Demokratie zu sammeln. Die herrschenden Kreise Tokios ihrerseits fuhren in ihrer „Friedensoffensive" fort, um Tschungking unter der Losung einer Vereinigung aller Kräfte gegen „die kommunistische Gefahr" zu einem Kompromißfrieden zu bewegen. Obwohl die Kuomintang-Regierung Tschiang Kai-schek aus Angst vor einer nationalen Empörung auf kein offenes Abkommen mit Japan einging, so setzte sie doch ihre ganze Energie für den Kampf gegen die Volksrevolutionären Armeen ein. So bestand zu Beginn des Pazifik-Krieges zwischen Kuomintang-China und Japan ein eigenartiges, inoffizielles Bündnis. Die befreiten Bezirke hinter den japanischen Frontlinien Gegen Ende des Jahres 1941 hielten die japanischen Streitkräfte in China nominell ein gewaltiges Territorium, darunter die wichtigsten, ökonomisch am weitesten entwickelten Provinzen besetzt. Faktisch indessen befanden sich unter der Gewalt der japanischen Armee nur die großen Städte, die Häfen und die Bezirke, die an den großen Eisenbahnlinien lagen. Im Rücken der japanischen Truppen, im Norden, in Zentral- und Südchina, lagen ausgedehnte befreite Bezirke, deren Existenz die KuomintangRegierung sorgsam verschwieg. Gegen Ende des Jahres 1941 gab es hinter den japanischen Frontlinien in Nordchina vier befreite Bezirke: Schansi-Tschachar-Hupei, Schansi-Hupei-Honan, Schansi-Suijüan und den befreiten Bezirk von Schantung. In diesen Gebieten kämpfte die 8. Volksrevolutionäre Armee. Im Rücken der japanischen Truppen in Zentralchina kämpfte die Neue 4. Volksrevolutionäre Armee, die ihre Stützpunkte im Hinterland hatte. Im Süden traten zwei antij apanische Stützpunkte in Tätigkeit: der Kanton-Hongkong- oder Tung-tsiang-Stützpunkt und der Stützpunkt auf der Insel Hainan. An der Spitze aller Widerstandskräfte standen die chinesischen Kommunisten, die Mitglieder der Gesellschaft der nationalen Rettung und andere Patrioten, die im Rücken der japanischen Eroberer verblieben waren, um gegen diese zu kämpfen. Hinter den japanischen Frontlinien war eine wirklich antijapanische Einheitsfront in Aktion, in der die Kommunistische Partei Chinas die führende Rolle inne hatte. Die Territorien der befreiten Bezirke hatten ihre gewählten Machtorgane, die sich auf das bewaffnete Volk stützten. 436
Die großen Opfer, die die Bevölkerung der befreiten Bezirke bringen mußte, vermochten ihre Standhaftigkeit nicht zu erschüttern, denn hier wurde an einem neuen, freien, demokratischen China gebaut. Die anglo-amerikanisch-chinesisclie Militärkonferenz in Tschungking (19. Dezember 1941) Die Kriegshandlungen im Pazifik riefen zunächst rosige Stimmungen in Tschungking hervor. Die Kuomintang-Politiker entschieden sich dafür, daß Kuomintang-China nun überhaupt nicht mehr gegen Japan Krieg zu führen brauche, da das Zentrum der Kriegshandlungen im Fernen Osten sich nach dem Südwestteil des Stillen Ozeans verschoben habe. Die führende reaktionäre Clique in China rechnete ferner mit einem militärischen Zusammenstoß zwischen Japan und der UdSSR. Zu Beginn des Pazifik-Krieges konnte China die Verbindung mit den USA und England über die Burma-China-Straße aufrechterhalten. Aber das Eindringen der japanischen Truppen in Thailand und die Benutzung des thailändischen Territoriums als Aufmarschbasis für Operationen gegen Burma führte dazu, daß ein Teil Südburmas in die Hände der Japaner geriet. Das Eindringen japanischer Truppen in Burma und die Einnahme der Burma-China-Straße konnte China vor die Tatsache einer völligen japanischen Seeblockade stellen. Der amerikanische Imperialismus befürchtete von der Unterbrechung des direkten Kontaktes mit Tschungking eine Schwächung der Positionen der USA in China und den endgültigen Sieg des pro japanischen Einflusses in der Kuomintang-Führung. Die USA drückten deshalb auf Tschiang Kai-schek, er möge England vorschlagen, den in Burma stationierten zwei englischen Divisionen zwei chinesische ArmeeKorps zu Hilfe zu schicken. Unzweifelhaft war die Tschungking-Regierung auch selbst daran interessiert, daß der Verkehr auf der Burma-Straße nicht unterbrochen wurde, denn die Burma-Straße war der einzige Kanal, durch den amerikanische Waffenlieferungen eintrafen, wobei die Regierung Tschiang Kaischek diese Waffen nicht im Krieg gegen Japan, sondern gegen das eigene Volk einzusetzen beabsichtigte. Am 19. Dezember 1941 fand in Tschungking eine Konferenz statt. Daran nahmen der englische General Archibald Wavell, der von der englischen Regierung zum Oberkommandierenden des pazifischen Operationsraumes ernannt worden war, sowie Tschiang Kai-schek und der Generalleutnant der amerikanischen Armee George Brett teil. Wavell lehnte den chinesischen Vorschlag über die Entsendung von chinesischen Divisionen nach Burma ab.18 Die englische 19
®pes Bimpnaat, r H e B B Bnpiie, Unzensierte Aufzeichnungen über General Stilwell und die internationalen Intrigen im Fernen Osten (gekürzte Ubersetzung aus dem Englischen), Wojenisdat, Moskau 1947, S. 31—32, desgleichen The Stilwell Papers by Jozeph W. Stüwell, Arranged and edited by Theodore H. White, New York 1948, S. 31—32.
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Ablehnung der „chinesischen H i l f e " offenbarte das Vorhandensein angloamerikanischer Widersprüche. England lehnte ab, weil es seinen Interessen zuwiderlief, an der Stärkung des amerikanischen Einflusses in Burma,' als dessen Träger die Kuomintang-Divisionen angesehen wurden, mitzuwirken.
Die militärischen Mißerfolge Englands Nach der Einnahme von Singapur (15. Februar 1942) und der Invasion auf der Insel Java (28. Februar 1942) verstärkten die Japaner ihre Operationen in SüdBurma durch einen Angriff auf Rangun. Am 8. März 1942 räumten die Engländer Rangun und gingen hinter den Fluß Irawadi zurück. Der Verlust von Rangun brachte für Indien die unmittelbare Gefahr eines japanischen Einfalls mit sich. Die Straße von Burma nach China war abgeschnitten. Das schnelle Vordringen der Japaner im Südseegebiet zu Beginn des PazifikKrieges nutzte die japanische Propaganda aus, um die „große historische Mission" der Japaner zu proklamieren, die angeblich berufen seien, die „farbigen Völker" von der Herrschaft der „weißen Imperialisten" zu befreien. Die ersten Anzeichen eines Zusammenbruchs des englischen Kolonialreiches in Südostasien riefen Verwirrung und Unruhe in den Kreisen der englischen Kolonialherren hervor. Sogar in der bürgerlichen Presse Englands begann man, die Regierung scharf zu kritisieren. So nannte die Zeitung „Daily Expreß" vom 15. Januar 1942 die englischen Kolonialbeamten und Business-Leute „eine Bande von versoffenen Plantagenbesitzern" und „jämmerlichen Haudegen". Nachdem die hunderttausend Mann starke englische Garnison fast ohne Widerstand schmählich Singapur, dieses alte Bollwerk der englischen Kolonialherrschaft im Gebiet der Südsee, übergeben hatte, gab sogar der Sonderkorrespondent der „Times" in einer seiner Korrespondenzen zu, daß die englische Regierung „bei den Völkern der Kolonialgebiete keinerlei Unterstützung findet". Ein gewisser Teil der besitzenden Klassen Burmas und Malayas unterlag anfangs der Wirkung der japanischen Propaganda. Dazu trug die Rassenpolitik der englischen Imperialisten bei. Die englischen Militärbehörden stellten fest, daß die einheimische Bevölkerung aus ihrem Haß gegen die englische Kolonialverwaltung und gegen das ganze Kolonialsystem keinen Hehl machte. Anstatt gegen den Faschismus Krieg zu führen, unterhielt die englische Regierung in Indien eine größere Truppenmacht als jemals zuvor während der britischen Kolonialherrschaft in diesem von ihr ruinierten und ausgeplünderten Land, aber nicht etwa für den Kampf gegen Japan, sondern zwecks Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung. Die innenpolitische Lage in Indien war äußerst labil. Im Lande wurden Massendemonstrationen gegen den Krieg veranstaltet. Das nutzte die amerikanische Presse aus, um unverzüglich die „Unvollkommenheiten" des englischen Kolonialsystems zu kritisieren. In 438
Washington arbeitete man eiligst Pläne einer „Hilfeleistung f ü r Indien" aus, was nichts anderes als einen Versuch der amerikanischen Bourgeoisie bedeutete, die Schwierigkeiten Englands zur Eroberung des indischen Marktes auszunutzen.
Die amerikanische „Strategie" und China. Die amerikanische „Strategie" zu Beginn des Pazifik-Krieges gründete sich auf die Überzeugung, daß es den Vereinigten Staaten von Amerika gelingen werde, den Krieg gegen ihre Gegner mit Hilfe anderer zu führen. Der Umstand, daß an der sowjetisch-mandschurischen Grenze eine gewaltige japanische Armee konzentriert war, die zum Einfall in das Territorium des Sowjetischen Fernen Ostens bereitstand, wurde in den U S A als eine der wichtigsten Garantien dafür angesehen, daß es den Japanern nicht gelingen werde, starke Kräfte auf den pazifischen Kriegsschauplatz zu werfen. Roosevelt verglich bei einer Einschätzung der damaligen Kriegsschauplätze die Amerikaner mit „Reservespielern", die auf der Bank sitzen und den „Fußballkampf" nur beobachten. „Zur Zeit", sagte Roosevelt, „sind die Russen, Chinesen und, in geringerem Ausmaß, die Engländer die Hauptspieler. Uns ist die Rolle . . . von Spielern bestimmt, die im entscheidenden Augenblick in das Spiel eintreten . . . Noch bevor unsere Stürmer außer Atem geraten sind, werden wir in das Spiel eingreifen, um das entscheidende Tor zu schießen. Wir werden mit frischen Kräften kommen." 21 Das USA-Kriegsministerium war nicht geneigt, amerikanische Truppen nach China zu entsenden. Es rechnete auf dem chinesischen Kriegsschauplatz mit der Durchführung von aktiven Operationen durch die Chinesen selbst; diese sollten hier eine bedeutende Anzahl von japanischen Divisionen binden und damit den auf die amerikanischen Truppen im pazifischen Raum ausgeübten Druck abschwächen. Die herrschenden Kuomintang-Kreise hatten jedoch ihre eigenen Vorstellungen von der Kriegsführung. Sie planten eine Anhäufung der aus den U S A erhaltenen Waffen und bedeutender Reserven, um zum Kampf gegen die Kommunistische Partei Chinas, das Bollwerk der chinesischen Demokratie, aufzumarschieren. Das USA-Staatsdepartment war sehr bereit, die Tschungking-Regierung Tschiang Kai-schek zu rechtfertigen. Der Vertreter des USA-Staatssekretärs, Sumner Welles, behauptete, daß die „Schwierigkeiten" der Tschungking-Regierung durch die chinesischen Kommunisten hervorgerufen würden, die „mit dieser Regierung den Kriegszustand aufrecht erhielten." 21 Die herrschenden USAKreise waren genau davon unterrichtet, daß nur die von Kommunisten geführten 20
9JIIHOT
Py3Bejn>T, Ero raa3aMH, (Übersetzung aus dem Englischen), Staatsverlag für fremd-
sprachige Literatur, Moskau 1947, S. 69. «i Sumner Welles, The Time for decision, New York 1944, S. 283.
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Armeen gegen die Japaner kämpften, daß hingegen die Kuomintang-Regierung die Kämpfer für die Demokratie hart verfolgte und ihre besten Divisionen für die Blockade der befreiten demokratischen Bezirke konzentrierte; dennoch stellten sich diese Kreise blind gegenüber der wirklichen Lage in China und fälschten in gröbster Weise die Tatsachen. Die Vertreter des amerikanischen Staatsdepartments stellten die innenpolitische Lage in China verlogen und verzerrt dar. Die anglo-amerikanischen Verbündeten ignorierten die Tatsache, daß die Kuomintang-Streitkräfte gegenüber den Japanern untätig waren und ernannten Tschiang Kai-schek zum Oberkommandierenden der Alliierten auf dem chinesischen Kriegsschauplatz. Allerdings wurde dem chinesischen Vertreter im vereinigten anglo-amerikanischen Stab in Washington trotzdem kein Sitz gewährt. Die Militärmission Stilwells in China Zu Beginn des Jahres 1942 entsandte die USA-Regierung den General der amerikanischen Armee Stilwell nach China. Aus seiner früheren Tätigkeit als amerikanischer Militärattache in China kannte er die chinesische Sprache und die örtlichen Bedingungen gut. 22 Stilwell wurde die Aufgabe gestellt, nicht nur als Verbindungsmann zwischen dem chinesischen und dem amerikanischen Oberkommando zu dienen, sondern auch unentwegt die chinesische Armee an allen Fronten zu aktivieren. Stilwell wurde als amerikanischer Berater Tschiang Kai-scheks und als amerikanischer Kontrolleur nach China entsandt, der darauf zu achten hatte, daß die nach dem Lend-lease-Abkommen in China eintreffenden Materialien nach Möglichkeit nicht von den Kuomintang-Beamten veruntreut, sondern ihrer direkten Bestimmung, d. h. dem Krieg gegen Japan, zugeführt wurden. So vertrat Stilwell in China die „amerikanische Strategie". Sein Auftrag bestand darin, die japanfreundlichen Einflüsse auf die Spitzen der Kuomintang zu paralysieren und im Verlauf des Krieges die amerikanischen imperialistischen Positionen in China zu festigen. Zweifellos war der unmittelbare Beweggrund für die Entsendung der StilwellMission nach China das zutage tretende Bestreben Tschiang Kai-scheks, sich mit den Japanern zu verständigen. Zu Beginn des Jahres 1942 begannen die Spitzen der Kuomintang im Hinblick auf die schweren Niederlagen der anglo-amerikanischen Streitkräfte im Pazifik, offene Zweifel an der richtigen Wahl ihrer Verbündeten zu äußern. Tschiang Kai-schek neigte zu der Ansicht, daß Kuomintang-China offensichtlich „einen Bock geschossen" und auf das falsche Pferd gesetzt habe. Die „Voreiligkeit", Japan, Deutschland und Italien den 21
The Stilwell Papers by Jozeph W. H. White, New York 1948.
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Stilwell, Arranged
and edited by
Theodore
Krieg erklärt zu haben, m u ß t e der Kuomintang-Außenminister H o Tai-tsi mit seiner Demission b ü ß e n . I m J a n u a r 1942 gab Tschiang Kai-schek i n einem Interview m i t amerikanischen Journalisten zu verstehen, d a ß er beabsichtige, Verhandlungen m i t J a p a n aufzunehmen. E i n i g e Zeit nach dieser E r k l ä r u n g t r a t der Vorsitzende der Provinzialregierung von Kuangsi, H u a n Hsüe-tschui, auf direkte Anweisung von Tschiang Kai-schek in geheime Verhandlungen mit dem Japaner Kurota, der zu diesem Zweck nach Kueilin gekommen war. 2 3 D i e Aufgabe Stilwells bestand darin, die Schwankungen der Tschiang Kaischek-Clique zu beseitigen und sie zu zwingen, den Zielen des amerikanischen Imperialismus zu dienen. A m 10. März wurde i n Tschungking eine E r k l ä r u n g veröffentlicht, wonach Tschiang Kai-schek Stilwell zum amerikanischen Chef des Generalstabes der chinesischen Armee ernannte. Nachdem am 8. M ä r z 1942 R a n g u n gefallen w a r und die Engländer sich i n B u r m a in voller Auflösung nach Norden zurückzogen, bestanden die U S A auf einer Entscheidung über die Entsendung chinesischer T r u p p e n nach Burma. D e r amerikanische General Stilwell wurde zum Befehlshaber der nach B u r m a geworf e n e n 5. und 6. Chinesischen Armee ernannt. D i e militärischen M a ß n a h m e n der Verbündeten in B u r m a erzielten jedoch keine befriedigenden Resultate. Das Fehlen einer Aktionseinheit zwischen dem englischen u n d dem amerikanischen Oberkommando sowie eine gewisse Überlegenheit der Japaner i n bezug auf L u f t waffe, Panzer und Artillerie ermöglichten den japanischen Streitkräften einen erfolgreichen Vormarsch in Burma. D e r politische Berater des amerikanischen Generals Stilwell, der Beamte des USA-Staatsdepartments John Davies, war der M e i n u n g , d a ß die englische Militärverwaltung i n B u r m a gegen die japanische Losung „Asien den Asiaten" eine formale E r k l ä r u n g abgeben müsse, in der sie B u r m a die „Unabhängigkeit" nach Beendigung des Krieges versprach. 24 Dieser Vorschlag entsprang durchaus nicht dem Wunsche der amerikanischen Politiker, die nationale Befreiung der B u r m a n e n zu unterstützen. Der Vorschlag von John Davies stellte ein imperialistisches Manöver dar, u m die Bevölkerung Burmas, insbesondere den von der japanischen Propaganda beeinflußten Teil, zu betrügen; gleichzeitig sollte es die Positionen Englands in Burma schwächen, u m den Amerikanern dort den vorwiegenden E i n f l u ß zu verschaffen. D e r englische Gouverneur von Burma, Dorman-Smith, lehnte den amerikanischen Vorschlag ab. E r erklärte, daß n u r ein bedeutender Sieg imstande sei, der japanischen Propaganda entgegenzuwirken. D e r amerikanische Vorschlag machte die Engländer sehr vorsichtig, denn sie erblickten darin nicht ohne G r u n d ein Bestreben der Amerikaner, sich in Südostasien einzunisten. Jede Seite hatte ihre Strategie des „billigen Krieges" u n d wollte den Krieg von i h r e n Verbündeten 28
st
laHb Bo-^a, ^aH Kaä-nra — Bpar KHTaäeKoro Hapo.ua, Staatsverlag für fremdsprachige
Literatur, Moskau 1950, S. 150. 4>peÄ 9jmj>HÄ3K, c. o., S. 49. 441
führen lassen. Wie der Korrespondent Fred Aldridge (damals beim Stabe des Generals Stilwell) bestätigte, verheimlichte Churchill „nicht seine Absicht, einen ,billigen Krieg' zu führen." Die reaktionäre Regierungs-Clique der Kuomintang „hatte ihre eigene Variante des ,billigen Krieges' ausgedacht, deren Wesen darin bestand, Waffen und Truppenteile für den Kampf gegen die Kommunisten und andere Parteien nach dem Kriege aufzusparen." 25 Die Verlegung amerikanischer Truppenteile nach Indien Mitte Mai 1942 mußten sich die englischen Truppen und die unter dem Befehl Stilwells stehenden chinesischen Divisionen aus Burma zurückziehen; sie überschritten die indische Grenze auf der einzigen, schlecht passierbaren Straße. Burma war nun völlig in den Händen der japanischen Streitkräfte. In dieser komplizierten Situation mußte sich die englische Regierung mit der Stationierung amerikanischer und chinesischer Truppen auf indischem Territorium einverstanden erklären, das nun zur Versorgungsbasis für den indischburmanisch-chinesischen Kriegsschauplatz wurde. Eine amerikanische technische Mission mit Grady an der Spitze wurde nach Indien kommandiert: diese arbeitete einen Bericht aus, der Empfehlungen über die Ausnutzung der Hilfsquellen Indiens für die Herstellung der Hauptarten von Munition und Ausrüstung enthielt.28 Sowohl die Tätigkeit dieser Mission wie auch der Aufenthalt amerikanischer Soldaten auf indischem Boden beunruhigten die englischen Imperialisten. Sie fürchteten eine Verstärkung des amerikanischen Einflusses in den englischen Kolonien. Das Jahr 1942 war das kritische Jahr des zweiten Weltkrieges. Die staatlichen und politischen Repräsentanten der USA und Englands geizten im Jahre 1942 nicht mit heuchlerischen Versprechungen, „die großen Ideale der Demokratie und des Fortschritts" zu verwirklichen und die kolonialen und abhängigen Völker vom alten Kolonialjoch zu „befreien". Am eifrigsten waren in dieser Beziehung die amerikanischen Imperialisten, die ihre Politik auf den Philippinen als ein Muster des „Verständnisses für die Nöte und Bedürfnisse" der kolonialen und abhängigen I.änder darstellten. Die amerikanische Presse kritisierte die englische Politik in China und Indien, stellte sie als rückständig und „altmodisch" hin und forderte das Recht der „Selbstverwaltung" für die Kolonialvölker. „Forderungen" dieser Art hatten einen offensichtlich demagogischen Charakter. Die amerikanischen imperialistischen Politiker beabsichtigten, die Schwächung und die Schwierigkeiten Englands in seinen Kolonien auszunutzen und den Versuch zu machen, das Vertrauen der asiatischen Völker, in erster Linie das Vertrauen des indischen und des 85 28
4>pe;n 9 J I J I J ) H » K , C. O., S. 39. „Documents on American foreign relations", Band 5, Juli 1942 bis Juni Edited by Leland M. Goodrich and Marie J. Carroll, Boston 1944, S. 507—508.
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1943.
chinesischen Volkes, zu erringen. Die amerikanische Bourgeoisie schlug bereits während des Krieges einen scharfen Kurs zur Verdrängung Englands aus allen seinen Positionen in Ostasien ein. Schon im Jahre 1940 schrieb John McCormick in seinem Buche „Amerika und die Weltherrschaft": „ . . . in dem Maße, wie England schwächer wird, müssen die Vereinigten Staaten stärker werden. In dem Maße, wie die Weltmacht Englands schwindet, muß sich die Herrschaft der USA erweitern; dort, wo die Herrschaft Englands aufhört, muß die Macht Amerikas beginnen". Die demagogische Kritik des amerikanischen Imperialismus am englischen Kolonialsystem war eines der Mittel zur Lösung dieser Aufgabe.
Die heuchlerischen Erklärungen der USA und Englands über den Verzicht auf die Exterritorialitätsrechte in China Unter den Bedingungen des Krieges waren die englischen und amerikanischen herrschenden Kreise gezwungen, zu manövrieren. Das Anwachsen des politischen Bewußtseins des chinesischen Volkes bereitete den imperialistischen Politikern der angelsächsischen Mächte große Schwierigkeiten. Das alte System der räuberischen ungleichen Verträge, die China unter Mißachtung des Prinzips der Gleichberechtigung noch im 19. Jahrhundert aufgezwungen worden waren, stand in schreiendem Widerspruch zu den formellen Erklärungen Englands und der USA über ihre „demokratischen Ziele". In der anglo-amerikanischen Deklaration (der Atlantik-Charta) vom 14. August 1941 wurde verkündet, daß die USA und Großbritannien „mit solchen territorialen Veränderungen, die nicht dem frei geäußerten Wunsch der interessierten Völker entsprächen, nicht einverstanden seien", 27 daß sie „das Recht aller Völker achten, sich die Regierungsform zu wählen, unter der sie leben wollen"; daß sie „die Wiederherstellung souveräner Rechte und der Selbstverwaltung f ü r diejenigen Völker anstreben, denen diese Rechte gewaltsam entrissen worden sind." 28 Dieses Dokument mit den heuchlerischen Phrasen der imperialistischen Staatsmänner „über das Recht der Völker auf eine selbständige und unabhängige Existenz" war durchaus kein Zeugnis für die Absicht der USA und Englands, mit der Verletzung der souveränen Rechte der Völker Schluß zu machen. Nichtsdestoweniger bot die Atlantik-Charta einen Anlaß, an England und die USA die Forderung zu stellen, auf ihre Exterritorialitätsrechte in China zu verzichten. Am 9. Oktober 1942 erklärte die USA-Regierung ihre „Bereitschaft", auf die Exterritorialitätsrechte der amerikanischen Bürger in China zu verzichten, um 27
«RBftTTm.ff.fr nojmTHKa CoßeTCKoro Cow3a B nepnofl OieiecrBeHHofl BOÄHLI», Bd. 1, Verlag für politische Literatur, Moskau 1946, S. 167. Ebenda.
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die demagogischen Manöver Japans zu paralysieren, das mit seiner angeblichen Bereitschaft prahlte, f ü r die „völlige Gleichberechtigung" der Völker gelber Rasse zu kämpfen. Am 24. Oktober wurde der Vertragsentwurf zu dieser Frage von Hull dem chinesischen Botschafter in Washington übergeben. D a r a u f h i n begannen Verhandlungen, die am 11. Januar 1943 mit der Unterzeichnung eines amerikanisch-chinesischen Abkommens endeten. Artikel 1 des amerikanisch-chinesischen Abkommens sah die A u f h e b u n g aller Punkte „der zwischen den USA und der Chinesischen Republik gültigen Verträge oder Vereinbarungen vor, die der USA-Regierung oder ihren Vertretern gestatten, auf dem Territorium der Chinesischen Republik die Rechtsprechung über USABürger auszuüben. Letztere werden in Übereinstimmung mit den Prinzipien der internationalen Rechtspraxis der Chinesischen Republik unterstehen." Artikel 2 sicherte den Amerikanern das imperialistische „Recht" zu, i n bestimmten Bezirken Chinas Truppen zu stationieren. Artikel 3 behandelte die Aufhebung der amerikanischen Rechte in bezug auf die internationalen Niederlassungen in Schanghai und Amoy. Artikel 4 betraf den Schutz des amerikanischen Eigentums sin Immobilien. Artikel 5 gewährte den Amerikanern einseitige Rechte des Aufenthalts, des • Handels und des unbehinderten Verkehrs im Lande. 29 Eine analoges Abkommen unterzeichnete auch England. Die Abkommen vom 11. J a n u a r 1943 bezogen sich auf alle Bezirke des Landes, unter anderem auch auf die von den Japanern besetzten. So stellten sie zum Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung Versprechen dar, die erst in der Z u k u n f t erfüllt werden sollten (insbesondere in Schanghai und Amoy, die damals von japanischen Streitkräften besetzt waren). Das amerikanisch-chinesische und das englisch-chinesische Abkommen vom 11. J a n u a r 1943 waren rein formale Propagandagesten Englands u n d der USA gegenüber China. England behielt die Insel Hongkong, die im räuberischen, unter Mißachtung der Gleichberechtigung abgeschlossenen Vertrag von Nanking (1842) erworben worden war, sowie Kaulun (Verträge von 1860 und 1898). Die amerikanische Bourgeoisie verzichtete durchaus nicht auf die U n t e r w e r f u n g des chinesischen Marktes. Sie rechnete mit der weiteren Willfährigkeit der KuomintangRegierung, die bereit war, „sich dem zu verkaufen, der mehr zahlte". Die amerikanischen Monopolkapitalisten wollten nach dem Krieg eine beherrschende Stellung in China einnehmen und das Land wirtschaftlich und politisch den Vereinigten Staaten von Amerika unterwerfen. Durch die Unterzeichnung des Abkommens mit der Tschungking-Regierung über die Aufhebung der Exterritorialitätsrechte in China versuchte die amerikanische Regierung den Prestigeverlust der Kuomintang-Führung wettzumachen; sie nahm an, daß im entgegengesetzten Fall die Tschiang Kai-schek-Regierung ihre Rolle als Werkzeug der USA nicht mehr spielen könne. 20
„Documents on American foreign relations", Band 5, Juli 1942 bis Juni 1943, Boston 1944, S. 489—492.
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2. DER GROSSE SIEG VON STALINGRAD UND SEIN EINFLUSS AUF DEN VERLAUF DES PAZIFIK-KRIEGES (November 1942 bis Ende 1943) Das wichtigste Ereignis in der Geschichte des zweiten Weltkrieges war die große Schlacht von Stalingrad, die im Herbst 1942 begann. Die Streitkräfte der UdSSR versetzten den deutschen Faschisten bei Stalingrad einen Schlag, von dem sich Hitlerdeutschland nie wieder erholen konnte. Josef Wissarionowitsch Stalin charakterisierte die Schlacht bei Stalingrad als die größte Schlacht der Kriegsgeschichte. „Bei Stalingrad ging der Stern der faschistischen deutschen Armee unter." 3 0 Die Offensive der sowjetischen Truppen bei Stalingrad und die darauf folgende Einkesselung und Zerschlagung der Hitlerarmee bei Stalingrad bedeuteten auch den Zusammenbruch der japanischen strategischen Pläne. Von n u n an konnte das japanische Oberkommando nicht mehr auf „entscheidende Erfolge der deutschen W a f f e n " im Kampf gegen die sowjetischen Streitkräfte hoffen. Der historische Sieg der Sowjetarmee bei Stalingrad begrub das japanische Projekt der „Ausn ü t z u n g einer günstigen Situation" ein der sowjetisch-deutschen Front, u m in das Territorium der UdSSR einzudringen. Außerdem m u ß t e Japan, nachdem es i m Pazifik seine strategische Angriffsinitiative infolge der Konzentration der besten japanischen Divisionen, der H ä l f t e der Artillerie und von fast zwei Dritteln der Panzer im Norden, an der sowjetischen Grenze, verloren hatte, schon im November 1942 an der zweitrangigen Südfront zur Verteidigung übergehen. Bereits seit Ende 1942 f ü h r t e n die japanischen Streitkräfte auf dem pazifischen Kriegsschauplatz keine Offensivhandlungen mehr durch. Diese Lage der japanischen Armee ergab sich aus der Rolle, die die Sowjetarmee an der wichtigsten, entscheidenden Front gegen die deutsch-faschistischen Eindringlinge spielte. J. W . Stalin bemerkte in seinem Befehl zum 25. Jahrestag des Bestehens der Roten Armee am 23. Februar 1943: „Da keine zweite Front in Europa besteht, trägt die Rote Armee die ganze Schwere des Krieges allein. Nichtsdestoweniger hat die Rote Armee dem Ansturm der faschistischen deutschen Heerhaufen nicht n u r standgehalten, sondern sie ist im Verlauf des Krieges zum Schrecken der faschistischen Armee geworden." 3 1 I n diesem Befehl betonte J. W . Stalin: „Die Massenvertreibung der Feinde aus dem Sowjetland hat begonnen." 3 2 Der Befehl Stalins zog die Bilanz der Operationen der sowjetischen Streitkräfte seit der Offensive bei Stalingrad. „Allein in den drei Monaten der Offensive der Roten Armee im W i n t e r 1942/43 haben die Deutschen mehr als 7000 Panzer, 4000 Flugzeuge, 17 000 Geschütze und viele andere Waffen eingebüßt." 3 3 Der Gegner verlor dabei 30
J. W. Stalin, „Über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion", Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 128. " Ebenda, S. 99/100. « Ebenda, S. 101. 33 Ebenda, S. 102.
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112 Divisionen. 34 Das waren die Maßstäbe der gigantischen Schlachten, welche die heroische Sowjetarmee lieferte, während die U S A und England in aller Ruhe ihre Kräfte und Reserven sammelten, es ablehnten, diese einzusetzen und danach strebten, ihren Verbündeten, die Sowjetunion, verbluten zu lassen. Nachdem die Berechnungen der japanischen Strategen in bezug auf die Herbstoffensive der deutschen Truppen (1942) bei Stalingrad über den Haufen geworfen worden waren, hatte die japanische Regierung äußerst komplizierte Aufgaben zu bewältigen. D a sie das Schicksal des japanischen Reiches mit den Erfolgen Hitlerdeutschlands verbunden hatte, mußte sie unter den Bedingungen des siegreichen Vordringens der Sowjetarmee nach Westen von nun an noch mehr um die „strategische Koordinierung" der Aktionen Japans und Deutschlands besorgt sein. Der Umstand, daß das anglo-amerikanische Oberkommando auch nach dem großen Sieg bei Stalingrad den Pazifik-Krieg mit geringen Kräften fortsetzte, ermöglichte es dem japanischen Oberkommando, seine besten Reserven in Erwartung eines „zweckmäßigen" Einsatzes der japanischen Stoßarmee auf dem Festland an den sowjetischen Grenzen bereitzuhalten. Gerade das paßte in die Pläne des anglo-amerikanischen Imperialismus, die auf ein Verbluten der Sowjetunion, auf ihre größtmögliche Erschöpfung sowohl an ihren West- wie an ihren Ostgrenzen spekulierten. Das japanische Oberkommando stieß auf dem pazifischen Kriegsschauplatz zu Beginn des Jahres 1943 auf erhebliche Schwierigkeiten. Den Japanern fiel es immer schwerer, ihre ausgedehnten Verbindungslinien aufrechtzuerhalten. Es trat ein Mangel an Transportschiffen ein. Die japanischen Werften waren nicht in der Lage, die steigenden Verluste auf See schnell genug auszugleichen. Trotz der günstigen Situation unternahmen die U S A und England weder auf dem pazifischen Kriegsschauplatz, noch in Europa militärische Operationen größeren Ausmaßes, obwohl im Sommer 1942 die englische und die amerikanische Regierung sich gegenüber der U d S S R verpflichtet hatten, noch im Jahre 1942 die zweite Front im Westen zu errichten. Sowohl in den U S A als auch in England waren sich die fortschrittlich eingestellten Menschen darüber im klaren, daß die Vernichtung Hitlerdeutschlands und seiner Satelliten in Europa zugleich die günstigsten Bedingungen für eine Niederlage Japans im Stillen Ozean schaffen würde. Die Militärmacht der U S A war jedoch nicht für die Vernichtung des Faschismus, sondern für andere Zwecke vorgesehen. Die amerikanischen Monopole, die sich auf die wachsenden militärischen Kräfte der U S A stützten, beabsichtigten diese als Waffe im Kampf u m die amerikanische Weltherrschaft zu benutzen. Es lag im Interesse der amerikanischen Monopolisten, den Krieg sowohl in Europa als auch am Stillen Ozean in die Länge zu ziehen. Diese schlimmsten Ausbeuter und Wucherer erzielten gewaltige Gewinne, indem sie am Blut 34
J. W. Stalin, „Über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion", Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 102.
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von Millionen von Menschen, den Opfern des zweiten Weltkrieges, verdienten. 96 Die Mehrzahl der Kriegsaufträge in den USA wurde an 83 große Industrieverbände erteilt, die märchenhafte Gewinne einstrichen. So erzielten die Monopole im Jahre 1943 insgesamt eine Gewinnsumme, die i m Vergleich zum Jahresdurchschnitt 1936—1939 4 0 6 % betrug. U m die Mitte des Jahres 1943, als die Sowjetarmee ihre gigantische Sommeroffensive bei Kursk begann, die die Hitlerarmee in eine katastrophale Lage brachte, nahmen auf dem pazifischen Kriegsschauplatz n u r etwa 13 amerikanische und 6 australische Divisionen an militärischen Operationen teil. 36 Diese Operationen wurden äußerst träge geführt. Die USA und England setzten die Politik der Nichteinhaltung ihrer Bündnisverpflichtungen fort. „Die offene und geheime Sabotage der Schaffung einer zweiten Front im Westen", bemerkte K. J. Woroschilow, „und die Strategie der kleinen Aktionen des angloamerikanischen Oberkommandos f ü h r t e n zur Konzentration der gesamten Macht der deutschen Armee gegen die Sowjetunion." 3 7 Das unbedeutende Ausmaß der anglo-amerikanischen Operationen im Stillen Ozean ermöglichte es den japanischen Verbündeten Hitlers, eine bedeutende Anzahl von sowjetischen Divisionen an den Grenzen der UdSSR zu binden und unter offener Förderung durch die Kuomintang-Clique große Kräfte an die Front gegen die befreiten Bezirke in China zu werfen. Die amerikanisch-englischen Imperialisten ließen sich dadurch nicht stören und setzten ihr schändliches, provokatorisches Treiben fort, das auf eine Verlängerung des Krieges hinzielte. Erst im Februar 1943 beendeten die amerikanischen Streitkräfte die seit Dezember 1942 auf der Insel Guadalcanar (Salomon-Inseln) geführten Operationen. Erst im September 1943 wurden die Stützpunkte Lae und Salamaua (Neu-Guinea) eingenommen. Inzwischen befreite die Sowjetarmee bis zum November 1943 „ein Territorium von etwa 1 Million Quadratkilometer, das heißt fast zwei Drittel der vorübergehend vom Feind besetzten Sowjetgebiete . . . Dabei wurden die feindlichen Truppen zurückgeworfen von Wladikawkas bis Cherson, von Elista bis Kriwoi Rog, von Stalingrad bis Kiew, von Woronesh bis Gomel, von Wjasma und Rshew bis in das Vorgelände von Orscha und Witebsk." 3 8 Von da an mußten auch die angelsächsischen Politiker ihre Strategie des ^langsamen Tempos" revidieren. Sie mußten sich beeilen, weil sich die Perspektiven einer baldigen Vernichtung Hitlerdeutschlands durch die siegreichen sowjetischen Waffen abzuzeichnen begannen. »» Während des Krieges 1941—45 erzielten die amerikanischen Monopolisten 52 853 Mrd. Dollar Reingewinn. Siehe Erklärung A. J. Wyschinskis vom 26. September 1947, «HsBecma» vom 28. September 1947. 36 37
38
B. AßapHH, Boptßa 3a THXHÜ oKeaH, Verlag für politische Literatur 1947, S. 311. K. BopommioB, reHHajihHMH nojncoBoaen, BemKOH OreieCTBeHHofi BOÖHM, Verlag für politische Literatur 1949, S. 9—10. J. W. Stalin. „Uber den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion", Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 126. 447
Da die amerikanischen Streitkräfte ein bedeutendes Übergewicht über den japanischen Angreifer besaßen, begannen sie mit der Offensive auf dem pazifischen Kriegsschauplatz. I m November 1943 wurde endlich Marine-Infanterie auf einigen der Gilbert-Inseln gelandet, womit sie begannen, im zentralen Abschnitt des Stillen Ozeans in Richtung auf Japan vorzurücken.
Die japanische „Neue Ordnimg" in Ostasien. Die Bildung des Ostasien-Minißteriums in Japan Am 1. September 1942 gab der japanische Premierminister Tojo die Bildung eines neuen „Groß-Ostasien"-Ministeriums bekannt. Die japanischen Imperialisten verstärkten ihre Lügenpropaganda darüber, daß in Ost- und Südostasien, in der sogenannten „Gemeinsamen Wohlstandssphäre", ein „einheitlicher, gleichberechtigter Bund" von Völkern unter Führung Japans geschaffen werde; dieser „Bund" wäre dazu berufen, die „historische Mission" der Befreiung der asiatischen Völker vom Joch der „weißen Imperialisten" zu erfüllen. Die herrschenden Kreise Japans versuchten mit der Bildung des „GroßOstasien-Ministeriums" den Eindruck zu erwecken, als wollten die Japaner in den von ihnen eroberten Gebieten kein Kolonialregime errichten. Das neue Ministerium, das von Anfang an eng mit dem militärischen Oberkommando verbunden war, wurde geschaffen, damit die japanischen Imperialisten die eroberten Territorien schnellstens „eingliedern", d . h . plündern und die dort wohnenden Völker knechten konnten. Das von den Japanern besetzte Territorium der Länder Südostasiens wurde rasch zum Schauplatz einer grausamen Ausplünderung der einheimischen Bevölkerung und der natürlichen Hilfsquellen durch „Konzessionen", die verschiedenen japanischen Konzernen erteilt wurden. 39 Die Japaner bemächtigten sich in Malaya der Zinngruben und der riesigen Kautschukreserven. Der Konzern Mitsubishi erhielt die Phosphatlager von Laokai (Indochina) zu seiner Verfügung. Die Gesellschaft „Mitsubishi Wirehouse" konzentrierte in ihren Händen die Kontrolle über den Schiffsverkehr in Singapur; auch die Werften gingen in die Verwaltung der Mitsubishi über. Auf den Philippinen wurde die MitsuiGesellschaft Besitzerin der Kupferbergwerke in Lepanto. Sie bemächtigte sich auch aller anderen Bodenschätze. Besonders intensiv wurden von den Japanern die Goldgruben sowie die Eisen- und Chrombergwerke ausgebeutet. Die Werften in Hongkong gingen in das Eigentum der Mitsui-Gesellschaft über. In die besetzten Länder drangen rasch japanische Banken ein, die sich die örtlichen Betriebe unterwarfen. Der gesamte Warenaustausch der besetzten Länder untereinander stand unter der Kontrolle der japanischen Konzerne („Dsaibatsu"). 38
A. Roth, Dilemma in Japan, IV eh., „The Zaibatsu Threat to Peace", London 1946, S. 65.
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Japan und Thailand Dem Königreich Thailand gegenüber demonstrierten die Japaner eine Politik der „freundschaftlichen Vermittlung und des gegenseitigen Verständnisses". Am 3. Juli 1943 traf der japanische Premierminister Tojo in der thailändischen Hauptstadt Bangkok ein. Dieser Besuch sollte den Anschein von „freundschaftlichen Gefühlen des japanischen Volkes zum Volk der Thai" erwecken. Am 20. August 1943 wurde eine japanisch-thailändische Vereinbarung unterschrieben, welche die Übergabe der Schan-Fürstentümer Kengtung und Mongpan in Burma sowie der malayischen Fürstentümer Per Iis, Keddah, Kelantan und Trengganu an Thailand beinhaltete.40 Die japanische Geste, das thailändische Territorium auf Kosten seiner Nachbarn zu vergrößern, bedingte eine völlige Unterordnung der thailändischen Regierung unter die japanischen Direktiven. Die Japaner konnten über das thailändische Territorium zu Vorbereitung ihrer Operationen in Burma frei verfügen. Die zwischen Japan und Thailand hergestellten Beziehungen führten zur völligen Unterwerfung der thailändischen Wirtschaft und Politik unter die Interessen Japans. Der thailändische Staatsapparat befand sich in den Händen japanischer „Berater". Japan und Burma In Burma fanden die japanischen Militaristen eine Stütze in den früheren englischen Marionetten Ba Maw und Thakin Mia. Im Jahre 1942 schufen die japanischen Besatzungsmächte ihre Marionettenregierung mit Ba Maw an der Spitze, der zu Beginn des zweiten Weltkrieges Premierminister der burmanischen Regierung war. Ba Maw wurde zum Organisator der proj apanischen „Nationalrevolutionären Partei". Am 1. August 1943 erklärte die burmanische Marionettenregierung mit Ba Maw an der Spitze die „Unabhängigkeit Burmas". Gleichzeitig wurde ein japanisch-burmanischer „Bündnisvertrag" unterzeichnet, der den Kriegseintritt Burmas gegen England und die USA vorsah.*1 Ebenfalls am 1. August 1943 erklärte die burmanische „Regierung" ihren Kriegseintritt an der Seite Japans. Im Jahre 1942 schufen die Japaner eine burmanische „Unabhängigkeitsarmee", deren Ausbildung in Thailand organisiert wurde. An die Spitze dieser Armee wurde Aung San gestellt, ein burmanischer Nationalist, der früher aktiv an der antienglischen nationalen Bewegung teilgenommen hatte und einer der Begründer und Vorsitzender der Studentenvereinigung in Rangun gewesen war. 40
Thailand acquires new territories, announcement by the board of information, August 20, 1945, „Contemporary Japan", September 1943, Bd. XII, Nr. 9; siehe ebenfalls „Contemporary Japan", Bd. XII, Nr. 10, Oktober 1943, S. 1332.
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Alliance between Japan and Birma, „Contemporary Japan", Bd. XII, Nr. 8, August 1943, S. 1086—1088.
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Japan und die Philippinen Nach der Einnahme der Philippinen fanden die japanischen Militaristen hier in einem Großteil der Leitung der alten Partei „Nacionalista", die bereits im Jahre 1907 gegründet worden war, eine Stütze; Diese Partei wurde von der Oberschicht der philippinischen Bourgeoisie und der Gutsbesitzer gebildet, die in enger Verbindung mit dem amerikanischen Markt und den Interessen der amerikanischen Monopole stand, die vor der Einnahme der Inseln durch die japanischen Streitkräfte alle wichtigen Wirtschaftszweige in der Hand hatten. Die japanische Militärverwaltung bestätigte Vargas, den früheren Sekretär des Präsidenten Quezon, als Bürgermeister von Manila. Am 23. Januar 1923 wurde Vargas an die Spitze einer „Zivilverwaltung" gestellt, die unter der Kontrolle der japanischen Militärbehörden arbeiten mußte.42 Im Frühjahr 1943 erklärte der Premierminister Tojo, die japanische Regierung habe das „Bestreben", den Philippinen „völlige Unabhängigkeit" zu gewähren.*3 Am 14. Oktober 1943 wurde die Gründung der sogenannten „Philippinischen Unabhängigen Republik" erklärt und ein japanisch-philippinischer „Bündnisvertrag" unterzeichnet.'" „Parlaments"- und „Präsidentschaftswahlen" wurden unter strenger Kontrolle der japanischen Besatzungsmacht durchgeführt. Mit der „Wahl" der Organe der „unabhängigen Republik" wurde die Militärverwaltung angeblich abgeschafft. Die Japaner machten große Reklame von der Übergabe der gesamten Machtfülle an eine „unabhängige Regierung". An der Spitze dieser „Regierung" stand Präsident Laurel, Mitglied der „Nacionalista"-Partei und, vor der Besetzung der Philippinen durch die Japaner, des Obersten Gerichtshofes. Die Selbständigkeit dieser Regierung war eine reine Fiktion. Auf den Philippinen herrschte nach wie vor unumschränkt die japanische Besatzungsarmee. Im Februar 1944 löste Laurel auf Befehl der Jap Einer das Parlament auf, da es sich trotz der sorgfältigen Auswahl seiner Mitglieder als „widerspenstig" erwiesen hatte. Laurel führte am 25. August 1944 den früheren philippinischen Senatsvorsitzenden Roxas als Minister ohne Portefeuille in die Regierung ein.45 Die japanischen Besatzungs42 43
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„The American year book", Record of the year 1943, S. 238. Premier Tohjo's address to the Filipinos, May 6, 1943, „Contemporary Japan", May 1943, Bd. XII, Nr, 5, S. 645—646. The Philippines Gains independence: 1) Statement by the Japanese Government, October 14,1943; 2) Japanese-Filipino Pact of Alliance, announcement by the board of information, October 14, 1943; „Contemporary Japan", October 1943, Bd. XII, Nr. 10, Seite 1334—1336, sowie Pact of Alliance between Japan and the Philippines, announcement by the Japanese Government, October 20, 1943, „Contemporary Japan", November 1943, Bd. XII, Nr. 11, S. 1522. SpHaH^o X. Aöafia, üpeaaTeitCTBO Ha ferannHHax, (Übersetzung aus dem Englischen), Staatsverlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1948, S. 67.
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behörden, die sich auf eine Gruppe von Kollaborateuren aus der alten philippinisch-amerikanischen Verwaltung stützten, erhielten die Möglichkeit, eine scharfe Kontrolle über Erzeugung und Absatz der gesamten Produktion zu errichten, die den Okkupanten nach streng genormten Preisen abgeliefert werden mußte. Japan und die „Regierung" Wang Tsching-wei Zu Anfang des Jahres 1943 begannen die Japaner den „Neuen Kurs" gegenüber den besetzten Teilen Chinas zu verwirklichen. Am 9. Januar 1943 veröffentlichte die japanische Regierung eine verlogene Erklärung über den „Verzicht" Japans auf seine Exterritorialitätsrechte in China und über die Übergabe aller ausländischen Konzessionen in China an die Marionettenr e g i e r u n g " Wang Tsching-wei.*6 Auf Befehl der Japaner erklärte die „Regierung" Wang Tsching-wei den Krieg an England und an die USA. 47 Gleichzeitig begannen in der japanischen Presse Artikel zu erscheinen, in denen der „Gedanke" zum Ausdruck kam, daß es „zweckmäßig" sei, die „gesamte Machtfülle" in China der „Nationalregierung" in Nanking zu übertragen. Alle diese propagandistischen Gesten der japanischen Imperialisten waren darauf berechnet, das chinesische Volk, das seinen nationalen Befreiungskampf gegen die japanischen Eroberer und ihre Marionetten entfaltet hatte, irrezuführen. Durch betrügerische Manipulationen versuchten die japanischen Politiker, den Widerstand der chinesischen Patrioten zu schwächen, die sich mit der Existenz einer japanischen Marionettenregierung nicht abfinden wollten. Am 30. Oktober 1943 wurde der „Bündnisvertrag" mit der Marionettenr e g i e r u n g " Wang Tsching-wei unterzeichnet,48 wonach sich Japan feierlich „verpflichtete", China als „souveräne Republik" anzuerkennen. Der japanische Imperialismus war bestrebt, mit Hilfe Wang Tsching-weis, zu dem „vertragliche Beziehungen" hergestellt worden waren, seine Kontrolle auf das gesamte chinesische Territorium auszudehnen. * a Retrocession of concessions and relinquishment of extraterritoriality to China, announcement by the board of information, January 9, 1943, „Contemporary Japan", January 1943, Bd. XII, Nr. 1, S. 156—157, sowie Agreement concerning the rendition of exclusive concessions in China, March 14, 1943, „Contemporary Japan", March 1943, Bd. XII, Nr. 3, S. 377. 47
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Text of the Declaration, Domei Despatch, January 9, 1943, „Contemporary Japan", January 1943, Bd. XII, Nr. 1, S. 154—55, 634. Pact of Alliance concluded between the Governments of Japan and the Republic of China, October 30, 1943: 1) the text; 2) Protocol annexed to the Pact; 3) Exchange of Notes; 4) Statement of the Japanese Government; 5) Statement by premier Hideki Tohjo, „Contemporary Japan", November 1943, Bd. XII, Nr. 11, S. 1531—1535.
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Japan und Malaya In Malaya nutzten die Japaner die nationalen, sprachlichen und religiösen Gegensätze der Bevölkerung*9 und deren politische Zersplitterung für ihre Interessen aus. Die japanische Militärverwaltung in Malaya machte sich voll und ganz die englische imperialistische Methode zu eigen, Kämpfe zwischen den verschiedenen religiösen und nationalen Gruppen der Bevölkerung zu entfachen. Die japanischen Eroberer hielten es nicht einmal für nötig, der malayischen Bevölkerung eine solche betrügerische „Freiheit" zu verkünden, wie sie es in Burma und auf den Philippinen getan hatten. Die Japaner nutzten die malayischen Feudalsultane, die ihnen beim Herauspumpen wertvoller strategischer Rohstoffe aus Malaya wichtige Dienste leisteten, für ihre Interessen aus. Die von den japanischen Besatzungsbehörden in Malaya betriebene Terrorpolitik führte zu einer Annäherung der Arbeiter der verschiedenen Nationalitäten im Kampf gegen die japanischen Eroberer und zur Bildung einer malayischen antijapanischen Volksarmee, die von den Kommunisten geführt wurde und bei den malayischen Bauern sehr populär war. Diese Armee wurde aus Partisanenabteilungen gebildet, die 1942 in den malayischen Dschungeln gekämpft hatten.'In den Reihen der malayischen Volksarmee kämpften neben Malaien auch Chinesen und Inder.
Der Kongreß der Vertreter der Marionettenregierungen in Tokio Im November 1943 führten die japanischen Imperialisten im Interesse einer Festigung ihrer unsicheren Positionen im Pazifik und einer maximalen Mobilisierung der Hilfsquellen in den eroberten Territorien in Tokio einen Kongreß der „Völker" Ostasiens durch. Auf diesem Kongreß waren die Marionettenr e g i e r u n g e n " Wang Tsching-wei, Mandschukuos, Thailands, der „Unabhängigen Burmanischen Republik", der „Unabhängigen Republik der Philippinen" und sogar die von den Japanern gegründete „Provisorische Regierung" Indiens vertreten. Der Kongreß, der in einem prunkvollen Rahmen durchgeführt wurde, nahm auf Vorschlag Tojos eine Erklärung an, in der die „Wohltäter"Rolle Japans bei der Schaffung einer „gemeinsamen Wohlstandssphäre" in Ostasien hervorgehoben wurde.60 18
Nach Angaben von 1939 betrug die Bevölkerung Malayas 5 300 000 Menschen, davon nur 2 259 333 Malaien, 2 332 058 Chinesen und 744 283 Inder. Die Imperialisten nutzten den Haß der malayischen Werktätigen gegen die Wucherer, die teilweise chinesischer und indischer Herkunft waren, aus und verhinderten lange Zeit die Entfaltung des gemeinsamen Kampfes der chinesischen und indischen Arbeiter (der stärksten Gruppe in Malaya) und der malayischen Werktätigen gegen das englische und später auch gegen das japanische Kolonialregime.
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R. S. Ward, Asia for the Asiatics? The Techniques of Japanese Occupation, Chicago 1945, S. 187—189.
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Die koloniale Ausbeutung der Völker Ostasiens durch Japan konnte jedoch durch keinerlei Erklärungen verhüllt werden. Diese Völker konnten sich leicht davon überzeugen, daß die japanische „Neue Ordnung" sich in nichts vom alten Kolonialjoch der englischen, amerikanischen, französischen und holländischen Imperialisten unterschied. Das japanische Besatzungsregime brachte die Einführung der Zwangsarbeitsverpflichtung für die Bevölkerung der besetzten Länder mit sich. Die gesamte Ernte mußte an die Besatzungsmächte abgeliefert werden. In den Städten wuchs die Arbeitslosigkeit. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung hun J gerte. Besondere Empörung rief die zwangsweise Einberufung der Bauern zum Militärdienst hervor. In dem Maße, wie das japanische Besatzungsregime immer brutaler wurde, erhob sich das Volk zum Kampf gegen seine Bedrücker, um sich sowohl von den „weißen" als auch von den „gelben" Imperialisten zu befreien. Der bewaffnete Widerstand der Völker Südostasiens gegen die japanischen Imperialisten nahm immer organisiertere Formen an. Die fernöstlichen Fragen auf den anglo-amerikanischen Konferenzen des Jahres 1943 Im Laufe des Jahres 1943 fanden einige anglo-amerikanische Konferenzen statt, auf denen Fragen der Politik Englands und Amerikas im Pazifik-Krieg behandelt wurden. Auf den Konferenzen in Casablanca (Januar 1943), in Quebec (August 1943) und in Kairo (November 1943) wurden unter Teilnahme von Vertretern Kuomintang-Chinas die strategischen Pläne der Verbündeten auf dem pazifischen Kriegsschauplatz besprochen. Auf den Verlauf dieser Konferenz mußte sich die Tatsache auswirken, daß die Sowjetarmee in Europa ihren heroischen Kampf mit den Hitler-Streitkräften allein ausfocht und den Stalinschen Plan der Zerschlagung Hitlerdeutschlands und seiner Satelliten zu verwirklichen begann. Allein in den drei Sommermonaten des Jahres 1943 hatten die sowjetischen Truppen mit erstaunlicher Meisterschaft solche schwierige Flußhindernisse wie den Nördlichen Donez, die Desna, den Sosh und den Dnjepr überwunden. Während des Jahres 1943 verloren die deutsch-faschistischen Truppen an der wichtigsten und entscheidenden Front des Zweiten Weltkrieges, an der sowjetisch-deutschen Front, mehr als 14 000 Flugzeuge, mehr als 25 000 Panzer und nicht weniger als 40 000 Geschütze.51 Die Erfolge der sowjetischen Waffen übten auf die Pazifik-Front des Krieges einen immer größeren Einfluß aus; sie spornten den antifaschistischen Kampf der Völker Europas und Asiens an und stärkten deren Hoffnungen auf eine baldige Befreiung vom faschistischen und kolonialen Joch. 61
J. W. Stalin, „Uber den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion", Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 127.
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Im Januar 1943 trafen sich Churchill und Roosevelt in Casablanca. Churchill brachte einen Plan zur Rettung des englischen Kolonialreiches mit. Er wollte Roosevelt von der Notwendigkeit überzeugen, große alliierte Marinestreitkräfte nach Südostasien zu schicken und Landungsoperationen einzuleiten, um vor edlem die Häfen von Rangun und Singapur zu erobern. Die Besetzung Burmas, Malayas und Singapurs durch die Japaner war ein schwerer Schlag gegen das englische Prestige in Ostasien und komplizierte das „indische Problem" in höchstem Grade. Die „Landungsoperationen" in Südostasien mit dem Ziel, Singapur und Rangun für England zurückzuerobern, sollten nach Ansicht Churchills auf die Kolonialrölker einen „soliden Eindruck" machen und die ins Schwanken geratene Autorität Großbritanniens wiederherstellen. Roosevelt unterstützte den englischen "Vorschlag nicht. Die Besprechungen in Casablanca offenbarten die imperialistischen Widersprüche zwischen England und den USA. Die Amerikaner fuhren fort, das englische Kolonialsystem in demagogischer Weise zu „kritisieren". Der amerikanische Imperialismus rechnete darauf, sich nach Beendigung des zweiten Weltkrieges auf den alten englischen Kolonialmärkten in Südostasien festzusetzen. Die herrschenden Kreise Amerikas beeilten sich, die Tschiang Kai-schekClique endgültig in ihre Hände zu bekommen. Der amerikanische Imperialismus kannte den reaktionären Kurs Tschiang Kai-scheks und war bereit, die Kuomintang-Clique im Kampf gegen die chinesische Demokratie aktiv zu unterstützen. Aber gleichzeitig waren die Amerikaner der Ansicht, daß sich das KuomintangRegime im Lande endgültig diskreditieren werde, wenn es den Kampf gegen Japan völlig sabotiere. Der Prestigeverlust Tschiang Kai-scheks in China erregte bei den herrschenden Kreisen der USA große Beunruhigung, da diese ihre Nachkriegs-Eroberungspläne mit dem Kuomintang-Regime verbunden hatten. Die USA waren bestrebt, ihre Marionette, die Tschiang Kai-schek-Regierung, in steigendem Ausmaß zu unterstützen. Das entsprach jedoch nicht den Interessen des englischen Imperialismus. Auf der Konferenz von Casablanca führte Churchill den Nachweis, daß es nutzlos wäre, China zu helfen, da die Tschungking-Regierung nicht den Willen zum Kampf gegen Japan besitze. Churchill forderte, daß die Kriegsmaterialien, die für China gemäß dem Lend-lease-Abkommen bestimmt waren, für einen „zweckmäßigeren" Einsatz in Südostasien an die Engländer geliefert werden sollten.52 Die englische Forderung, Operationen zur Befreiung von Singapur und Rangun einzuleiten, wurde von amerikanischer Seite jedoch nicht erfüllt. Die Konferenz von Casablanca begnügte sich mit dem Beschluß, die Landung englisch-amerikanischerStreitkräfte aufSizilien vorzubereiten. Im August 1943 trafen sich Roosevelt und Churchill in Quebec. Zur gleichen Zeit versuchte der Chef der amerikanischen Militärmission in China, General Stilwell, den Ausbildungsplan der neuen Kuomintang-Divisionen zu realisieren. Außerdem transportierte er 13 000 chinesische Soldaten auf dem Luftwege nach Indien, wo er sie für einen Vorstoß nach Nord-Burma bereithielt. 58
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S. 8.
Mit der Landung auf den Inseln Tarawa und Makin (Gilbert-Inseln) am 21. November 1943 leiteten die amerikanischen Truppen ihr Vordringen im Zentralteil des Stillen Ozeans in Richtung auf die japanischen Inseln ein. Der amerikanische Plan lief darauf hinaus, im Verlauf der Offensive die wichtigsten strategischen Positionen im Pazifik zu erobern. Die USA wollten sich' diese für die Nachkriegszeit sichern und sich dort Stützpunkte für den Kampf gegen die nationale Befreiungsbewegung der Völker Ost- und Südostasiens schaffen. Mit der Eröffnung der Offensive in der sogenannten zentralen Operationsrichtung im Stillen Ozean verfolgten die Amerikaner nicht das Ziel, jede Insel und jeden auf ihrem Angriffsweg liegenden Stützpunkt schrittweise zu erobern. Die USA-Streitkräfte umgingen sorgfältig die Inseln, auf denen starke japanische Garnisonen lagen. Ihr Plan war darauf berechnet, die vielfache Überlegenheit der amerikanischen See- und Luftstreitkräfte gegenüber den geringfügigeren japanischen Inselgarnisonen auszunutzen und möglichst günstige strategische Positionen auszuwählen. Im Laufe des Jahres 1944 wurden einige Stützpunkte auf den Marshall-Inseln, den Marianen und den Palau-Inseln erobert. Seit dem 15. Juni 1944 wurde auf der 2000 km von Japan entfernten Insel Saipan (Marianen-Inseln) gekämpft. Diese Kämpfe endeten am 15. Juli 1944 mit der Einnahme der Insel durch amerikanische Streitkräfte, die dabei große Verluste erlitten. Erst drei Jahre nach Beginn des Pazifik-Krieges, im Oktober 1944, landeten die Amerikaner, unter Ausnutzung der von den demokratischen Kräften der Philippinen organisierten antijapanischen Partisanenbewegung, auf der Insel Leyte (Philippinen). Ferner besetzten die amerikanischen Streitkräfte die Inseln Luzon und Mindanao (die größten Inseln der Philippinen-Gruppe). Zu Beginn des Jahres 1945 wurden Operationen auf den Vulkan- und den Riukiu-Inseln entfaltet. Die Kämpfe auf der Insel Okinawa (Zentralinsel der Riukiu-Gruppe) zogen sich in die Länge. Die amerikanischen „Strategen" brauchten etwa drei Monate, um diese kleine Insel einzunehmen, wobei sie eine Armee von etwa einer halben Million Menschen gegen Okinawa einsetzten und sich auf starke See- und Luftstreitkräfte stützten.
Die militärische und politische Lage in China im Jahre 1944 Der Zusammenbruch der strategischen Pläne des japanischen Imperialismus im Stillen Ozean im Gefolge der entscheidenden Siege der sowjetischen Streitkräfte an der sowjetisch-deutschen Front bewog im Jahre 1944 die herrschenden Kreise Japans, ihre Anstrengungen auf dem chinesischen Kriegsschauplatz zu verstärken. Die Japaner nahmen an, daß sie das chinesische Territorium für eine Verlängerung des Pazifik-Krieges selbst dann noch ausnutzen könnten, wenn es den anglo-amerikanischen Streitkräften gelänge, auf einzelnen der eigentlichen japanischen Inseln zu landen. Japan mußte davon ausgehen, daß der Krieg in 463
Europa infolge der entscheidenden Erfolge der Sowjetarmee bald mit einer Zerschlagung Hitlerdeutschlands enden könnte. Die herrschenden Kreise Japans spekulierten darauf, auch nach der Niederlage Deutschlands den Krieg i m chinesischen Operationsgebiet fortsetzen zu können. Die japanischen Politiker hielten es in diesem Fall f ü r durchaus möglich, mit den USA und England einen Kompromißfrieden abzuschließen. Die japanischen Imperialisten hofften auf Meinungsverschiedenheiten der verbündeten Mächte untereinander und auf damit verbundene Möglichkeiten, zwischen ihnen zu manövrieren. Die Politik der reaktionären Kuomintang-Kreise verschaffte Japan erhebliche Vorteile bei der Verwirklichung des Planes, den chinesischen Aufmarschraum zur Verlängerung des Krieges auszunutzen. M e h r als 500 000 der besten, gut ausgerüsteten Kuomintang-Soldaten standen nicht im Kampf gegen die Japaner, sondern waren weiterhin im Nordwesten Chinas zur Blockierung des Schensi-Kansu-Ninghsia-Grenzgebietes und anderer befreiter Gebiete Chinas zusammengezogen. I m Jahre 1944 stieß das volksfeindliche Kuomintang-Regime immer m e h r auf die E m p ö r u n g und den Widerstand der Volksmassen Chinas. Die werktätige Bevölkerung ächzte unter der Last der übermäßigen Steuern und der ständigen, unerträglichen Willkür der Kuomintangbeamten und Militärbehörden. I n den Jahren 1942 und 1943 wütete in den Provinzen Honan, Setschuan und Kuangtung eine furchtbare Hungersnot, die Millionen von Menschen das Leben kostete. Trotz der Mißernten der Jahre 1942 u n d 1943 f ü h r t e n die Kuomintang-Truppen in Honan, die unter dem Kommando des reaktionären Generals T a n g En-po standen, Massenrequisitionen durch. Als sich große Massen hungernder und gequälter Menschen aus Honan, Kuangtung und Setschuan in die Nachbarprovinzen ergossen, wurden sie bei dem Versuch, die Provinzgrenzen zu überschreiten, von Kuomintang-Truppenteilen beschossen. 69 Die Willkür der Kuomintang-Behörden rief Aufstände der unglücklichen Bauernschaft hervor. Die Kuomintang-Armee büßte durch die Untätigkeit an den Fronten ihre Kampffähigkeit in hohem Maße ein. Die Zersetzung der Kuomintang-Armee wurde durch die allerorts übliche Ausplünderung der Soldaten seitens der Offiziere verschärft, die sich u m die Verpflegung und Kleidung der Massen der Soldaten überhaupt keine Gedanken mehr machten. I m Jahre 1943 n a h m die Zahl der Todesfälle von Soldaten zu, die vor H u n g e r und infolge mangelnder ärztlicher Betreuung zugrunde gingen. D i e Fahnenflucht nahm immer größere Ausmaße an. Theodore White und Harrison Forman besuchten zu dieser Zeit Honan. Sie beschrieben, was sie mit eigenen Augen gesehen hatten. Ihr Weg war buchstäblich mit Leichen verhungerter Menschen übersät. Die Leute, denen sie begegneten, boten ein erschütterndes Schauspiel — es waren lebende Skelette, die sich kaum bewegen konnten. In Honan waren die Baumrinden bis zur Wurzel abgezogen und aufgegessen. Siehe T. YaHT H 9. ÄateKOÖH, c. o., S. 165—179; I. Epstein, c. o., S. 231—38.
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Ali ruhigen Frontabschnitten trieben die Kuomintang-Generale, die meist Gutsbesitzer waren, mit dem Gegner Handel, wobei sie die Soldaten als Kulis f ü r das Hinübertragen der Schmuggelware benutzten. Offiziersfrauen überschritten die Frontlinien, um f ü r ihre Männer Kleidung, Wein und Zigaretten bei den Japanern zu kaufen. Im Jahre 1943 gingen 42 Kuomintang-Generale mit ihren Truppen zum Feind über und wurden von den Japanern sofort gegen die 8. und die Neue 4. Armee eingesetzt. Im Juli 1943 zog der General Hu Tschung-nan drei Armeen aus ihren Stellungen ab und setzte sie gegen die 8. Armee ein. An einigen Abschnitten in Nordchina wurde die Front von Truppen entblößt. Die blockierte 8. Armee, die sich auf Partisanenkräfte stützte, hielt allein die Front gegen die Japaner. Die von den chinesischen Kommunisten geführten Truppen und Partisanenverbände waren im Nordwesten die einzige Kraft, die den Widerstand gegen die Japaner organisieren konnte. Die japanischen Militaristen konzentrierten im Jahre 1943 eine große Kräftegruppe gegen die von den chinesischen Kommunisten geführte Armee, wobei sie erklärten: „von nun an müsse die Hauptaufgabe der Armee in Nordchina darin bestehen, den Krieg einzig und allein zur Vernichtung der Truppen der chinesischen Kommunisten zu führen." 7 0 Den Japanern gelang es jedoch nicht, im Kampf gegen die 8. Armee Erfolge zu erzielen. Die von den Kommunisten geführten demokratischen Truppen Chinas banden mehr als 500 000 japanische Soldaten. Mao Tse-tung erklärte in seinem Bericht auf dem VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (April 1945): „Im Jahre 1943 wurden 64% der in China stehenden japanischen Armee und 95% der Truppen der Marionettenregierung an der Front gegen die befreiten Gebiete konzentriert; an der Kuomintang-Front blieben nur 36% der japanischen und 5% der Truppen der Marionettenregierung." 71 70
Aus dem Bericht des japanischen Expeditionskorps in Nordchina über den Verlauf der Kampfhandlungen im Jahre 1945, veröffentlicht am 15. Januar 1944 in Tokio in der Zeitung „Asahi Shimbun".
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Mao Tze-Tung, The fight for a New China, New York 1945, S. 21. Ein amerikanischer Journalist, der im Sommer 1944 mit einer Gruppe ausländischer Pressevertreter die Aktionsgebiete der 8. Volksrevolutionären Armee besuchte, schrieb: „Die Japaner führten gegen die Kommunisten einen erbarmungslosen Kampf und verfügten dahei über 500 000 bis 500 000 Menschen . . . außerdem halfen ihnen bis zu 800 000 Mann chinesischer Hilfstruppen, die zu mehr als der Hälfte aus früheren Kuomintang-Truppenteilen bestanden („Foreign Affairs", Oktober 1945, S. 72). Analoge Tatsachen führt ein anderer amerikanischer Journalist an, der im Jahre 1944 mit einer Gruppe von Pressevertretern Jennan besuchte: „Gegen die kommunistischen Truppen sind 49,5% der in China stationierten japanischen Truppen und ungefähr 90% der Marionetten-Truppen in Aktion... In sieben Kriegsjahren führten die Kommunisten mehr als 92 000 Kampfhandlungen durch. Sie töteten bzw. verwundeten 1 100 000 Japaner und Soldaten der Marionettenbehörden und nahmen 150 000 Feinde gefangen" (Harrison Forman, Report from Red China, New York 1945, S. 125).
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Selbst die japanischen Imperialisten mußten erkennen, daß der Hauptgrund ihrer Mißerfolge in China im Widerstand der chinesischen Kommunisten zu suchen war, die es verstanden, bedeutende Volkskräfte zum erfolgreichen Kampf gegen die japanische Armee zu mobilisieren. A m 15. Januar 1944 erschien in der Tokioter Zeitung „Asahi Shimbun" folgendes japanische Eingeständnis: „Analysiert m a n die Ergebnisse der Kampfhandlungen der japanischen kaiserlichen Armee gegen die Tschungking-Armeen und gegen die kommunistischen Truppen seit Dezember 1941, so geht klar hervor, daß nicht die Tschungking-Regierung, sondern die Kommunistische Partei das Haupthindernis auf dem Wege zu einem Friedensschluß darstellt." 72 Die japanische Armee erwies sich als unfähig, den Widerstand der befreiten Gebiete zu zerschlagen. Zu dieser Zeit hatten die 8. und die Neue 4. Armee bereits große E r f a h r u n g e n gesammelt. Ihre Verbindungen mit dem Volk verstärkten sich und die in den befreiten Gebieten durchgeführten demokratischen M a ß n a h m e n schufen edle Voraussetzungen f ü r weitere Erfolge des antijapanischen Befreiungskrieges. Der hartnäckige Kampf der Volksrevolutionären Armee und aller Kräfte des antijapanischen Volkswiderstandes entzog den Operationen i m Stillen Ozean einen bedeutenden Teil der japanischen Divisionen. I n dem Bestreben, ihre Stellung zu stärken und als Vorbereitung f ü r entscheidende Kämpfe gegen die Volksrevolutionäre Armee auf dem Kontinent begannen die japanischen Imperialisten nach einer Reihe von Ruhejahren im Sommer 1944 einen großen Angriff gegen die Kuomintang-Front in H o n a n und längs der Eisenbahnlinie Kanton-Hankou, ein der eine Reihe von Punkten, insbesondere Tschangscha, von den Kuomintangtruppen gehalten wurden. Der japanische Angriff auf die HonanEbene hatte Erfolg, weil die Kuomintang-Divisionen, die unter dem Kommando des bestechlichen Generals T a n g En-po standen, völlig desorganisiert waren. Nachdem die japanischen Streitkräfte die gesamte Provinz H o n a n (einschließlich der Stadt Lojang) eingenommen hatten, weiteten sie, fast ohne auf Widerstand der Kuomintang-Truppen zu stoßen, das in Zentralchina eroberte Territorium aus. Die Stadt Tschangscha wurde besetzt. Danach fiel H e n j a n g . Die Eisenbahnhauptlinie Kanton—Hankou befand sich nun in ihrer ganzen Länge in den Händen der japanischen Truppen. I n Südchina wurden all die kleinen Küstenstützpunkte, die das amerikanische Kommando als mögliche Landungsbasen ansah, vom Kuomintang-Hinterland abgeschnitten. Im Ergebnis der japanischen Offensive von 1944 fielen die amerikanischen Flugplätze in Henjang, Liutschou, Linglin, Schaokuan, Kantschou und in anderen Städten mit wertvoller Ausrüstung und m i t Kriegsmaterialien, die auf 72
„Foreign Affairs", Oktober 1945, S. 72. „Foreign Affairs" zitiert analoge Aussagen der japanischen Presse und der Zeitungen der japanischen „Marionetten" in China und stützt sich dabei auf „Asahi Shimbun", Tokyo, vom 15. Jan. 1944; „Domei Home Service" vom 14. Febr. 1944; „Mainichi Shimbun"; „Tang Chen Monthly", H. 7, Nr. 1; „Hsin Chung Kuo", Schanghai, vom 10. Juli 1944 usw. (ebenda, S. 70).
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dem L u f t w e g nach China geliefert worden waren, in die Hände der Japaner. Japanische Abteilungen drangen in Kueilin ein. Zu Beginn des Jahres 1945 waren der Kuomintang-Regierung n u r noch 100 Meilen Eisenbahnlinien verblieben. Das gesamte rollende Material und die Lokomotiven waren eine Beute der japanischen Eindringlinge geworden. Die japanischen Truppen beendeten ihre Angriffsoperationen gegen die Kuomintang-Streitkräfte, als sie die Provinz Kueitschou erreicht hatten, obwohl sie durchaus die Möglichkeit gehabt hätten, weiter in die Provinz Setschuan — nach Tschungking — zu marschieren, da die Kuomintang-Truppen den Japanern fast keinen Widerstand leisteten. Unzweifelhaft erachteten die japanischen Politiker einen Zusammenbruch des Tschiang Kai-schek-Regimes f ü r sich selbst nicht als vorteilhaft. „Ohne die Tschungking-Regierung wären wir stets wegen der uns umgebenden antijapanischen Atmosphäre besorgt" -— schrieben japanische imperialistische Publizisten im Jahre 1944. D e r Verzicht der Japaner, Tschungking anzugreifen und somit die E r h a l t u n g der Macht Tschiang Kai-scheks in den Kuomintang-Gebieten entsprach völlig den Hauptzielen des japanischen Imperialismus, der sich auf den Entscheidungskampf gegen die Volksrevolutionären Armeen Chinas vorbereitete. Die japanischen Imperialisten gaben Tschiang Kai-schek die Möglichkeit, wie der chinesische Historiker Tschen Bo-da schreibt, „den Kampf gegen die Kommunisten fortzusetzen, die Möglichkeit, die Bevölkerung der Kuomintang-Bezirke weiterhin in Knechtschaft zu halten." Die japanischen Imperialisten „waren u m so mehr gezwungen, zu einer solchen Taktik Zuflucht zu nehmen, als sich die innere und äußere Lage Japans immer mehr verschlechterte." 73 Durch „leichte Schläge" gegen Tschiang Kai-schek erreichte es das japanische Oberkommando, daß ein bedeutender Teil des an die Kuomintang gelieferten amerikanischen Kriegsmaterials in die Hände der Japaner fiel. Vom Norden bis zum Süden Chinas schufen die Japaner eine durchgängige Kommunikationslinie, die über Korea mit den Japanischen Inseln verbunden war. Das gab dem japanischen Oberkommando die Möglichkeit, die Eisenbahnlinien vom Norden nach dem Süden Chinas f ü r den Güter- und Truppentransport nach Südostasien auszunutzen. Die Japaner bezweckten damit eine Entlastung des Seetransports, der infolge der geringen Produktionskapazität der japanischen W e r f t e n sehr angespannt w a r ; sie gewannen so die Möglichkeit, gefahrlosere Wege zu benutzen, die keinen Luftangriffen ausgesetzt waren. Das waren die Folgen der defaitistischen Kuomintang-Politik „der F ü h r u n g eines Scheinkrieges und eines unaufrichtigen Verteidigungskampfes, der ausschließlichen H o f f n u n g auf ausländische Hilfe und der gleichzeitigen Vorbereitung eines Bürgerkrieges." 7 1 73
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H S H L Bo-^a, ^aH Kaft-nm — Bpar KHTaßcKoro Hapo.ua, S. 167—168. Aus einer Erklärung von Tschou En-lai, veröffentlicht am 10. Oktober 1944, am 33. Jahrestag der Gründung der Chinesischen Republik. Zitiert nach dem Buch von Harrison Forman, Report from Red China, New York 1945, S. 181—182.
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Die Gegenoffensive der 8. und der Neuen 4. Armee im Jahre 1944 Die Niederlage der Kuomintang-Truppen im Jahre 1944 untergrub das Vertrauen des Volkes zur Tschiang Kai-schek-Regierung noch mehr. Die mächtigen Schläge der Sowjetarmee an der sowjetisch-deutschen Front und der damit verbundene Zusammenbruch der Hoffnungen der japanischen Strategen auf einen Erfolg der deutsch-faschistischen Truppen im Krieg gegen die UdSSR schufen 'günstige Vorbedingungen für den Übergang der chinesischen Volksrevolutionären Armee zur Gegenoffensive gegen die japanischen Okkupanten. Gleich zu Beginn der japanischen Offensive in Honan im Jahre 1944 wandten sich die Regierung des Grenzgebietes Schensi-Kansu-Ninghsia und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas ein die Kuomintang-Regierung mit dem Vorschlag, eine enge Koordination zwischen der „regulären Front" und den Operationen der 8. und der Neuen 4. Armee herzustellen. Das Oberkommando dieser Armeen beabsichtigte, eine breite Gegenoffensive aller befreiten Gebiete einzuleiten, um die japanische Offensive zum Scheitern zu bringen. Gleichzeitig setzte sich das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas gegenüber der Tschiang Kai-schek-Regierung für ein Abkommen über die Schaffung einer Koalitionsregierung und über die Reorganisation des Kuomintang-Oberkommandos ein, um alle Kräfte zur Vorbereitung einer entscheidenden Gegenoffensive gegen die japanischen Truppen im gesamtchinesischen Maßstabe vereinigen zu können. Die verräterische Tschiang Kai-schek-Clique lehnte nicht nur diese, den Interessen der gesamten Nation entsprechenden Forderungen ab, sondern verlangte ihrerseits von der Kommunistischen Partei Chinas, auf die Führung in den befreiten Gebieten hinter den japanischen Frontlinien zu verzichten, die befreiten Gebiete der Kuomintang-Regierung zu unterstellen und mehr als vier Fünftel der von den Kommunisten geführten Streitkräfte unverzüglich zu liquidieren.78 Wegen dieser verräterischen Politik Tschiang Kai-scheks kam eine Ubereinkunft zwischen der Kommunistischen Partei und der Kuomintang nicht zustande. Nichtsdestoweniger wurde die im Jahre 1944 geplante Offensive der 8. und der Neuen 4. Armee durchgeführt. Sie erwies sich als eine exakt ausgearbeitete 75
Die Forderung Tschiang Kai-scheks an die Kommunistische Partei Chinas bedeutete die Beibehaltung von 10 Divisionen (nicht mehr als 100 000 Kämpfern) unter der Führung der Kommunisten und die unverzügliche „Liquidierung" von 370 000 Bajonetten. Die Agentur Sinhua führte in ihrem Bericht vom 20. September 1944 die Meinung der führenden Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas über die niederträchtigen „Vorschläge" der Kuomintang-Clique an: „Stellen wir uns einmal vor, es ginge nach dem von den Herren der Kuomintang-Regierung zusammengeschusterten Papierchen; dann würden jene Kräfte ,liquidiert' werden, welche die japanischen Banditen, trotz ihrer Schliche und obwohl sie vor den schlimmsten Grausamkeiten nicht zurückschreckten, nicht ,liquidieren' konnten. Verdienten nicht diese Herren die höchste Auszeichnung von ,Seiner Majestät', dem Mikado?"
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Operation, an der alle verfügbaren Kräfte der befreiten Gebiete teilnahmen. Die neue Gegenoffensive der 8. und 4. Armee zielte darauf ab, so viele japanische Divisionen wie nur möglich zu binden und so den Gegner daran zu hindern, seine Erfolge in Zentral- und Südchina auszubauen. Die gut abgestimmte Offensive aller Volksarmeen führte im Jahre 1944 zu einer bedeutenden Vergrößerung des Territoriums der befreiten Gebiete im Rücken der japanischen Truppen und zur Erweiterung der antijapanischen Einheitsfront, an deren Spitze die heldenhafte Kommunistische Partei Chinas stand. Im Januar 1945 veröffentlichte die „Demokratische Liga", die in ihren Reihen hauptsächlich das liberale Mittel- und Kleinbürgertum vereinigte, eine Erklärung, in der gefordert wurde, „unverzüglich mit der Einpartei-Diktatur der Kuomintang Schluß zu machen" und in China „eine Koalitionsregierung zu bilden". Die Miesionen von Henry Waliace, Hurley und Nelson in China (1944) Die militärische Niederlage der Tschungking-Truppen in Honan und in Südchina im Jahre 1944 rief nicht nur in den fortschrittlichen Kreisen der ganzen Welt eine scharfe Verurteilung des Kuomintang-Regimes hervor. Selbst die herrschenden Kreise der USA mußten die letzten, tiefsten Ursachen und Umstände der Niederlage der Tschungking-Truppen begreifen. Der Bankrott der Politik der Kuomintang-Regierung, die keinen wirksamen Krieg gegen die Japaner führen wollte, wurde nun völlig offenkundig. Der einzige Krieg, den die Tschungking-Regierung zu führen bereit war, war der Krieg gegen die chinesische Demokratie. Zur Festigung seiner Herrschaft in China war das amerikanische Monopolkapital an der Erhaltung des reaktionären Kuomintang-Regimes äußerst interessiert, da nur ein solches Regime fähig war, den Interessen des amerikanischen Imperialismus zu dienen. Die herrschenden Kreise Amerikas waren über das Anwachsen der Volksrevolutionären Armeen in China, die ein „starkes, geeintes, demokratisches China" auf ihre Banner geschrieben hatten, überaus besorgt. In ihrer feindseligen Einstellung zu den Volksrevolutionären Armeen Chinas waren sich die reaktionären Kuomintang-Kreise, die japanischen Imperialisten und die amerikanische Reaktion einig. Sie alle waren gleichermaßen daran interessiert, im B'ernen Osten die Entstehung eines wirklich demokratischen China zu verhindern. Die herrschenden Kreise der USA hegten den Plan, ein amerikanisches Weltreich zu schaffen, das auch China mit seiner Bevölkerung von fast einer halben Milliarde einschließen sollte. „Der amerikanische Imperialismus rechnete darauf, China als die Hauptbasis seiner Herrschaft in Asien und im pazifischen Raum, als eines der entscheidenden Kettenglieder bei der Einkreisung der Sowjetunion benutzen zu können. Zu 469
diesem Zwecke beabsichtigten die Imperialisten, China zu einem gewaltigen kolonialen Anhängsel des amerikanischen Weltreiches zu machen." 78 Solange der Krieg noch im Gange war, waren die herrschenden Kreise Amerikas in dem Bestreben, den Krieg auf Kosten anderer zu führen, geneigt, die Volksrevolutionären Armeen im Krieg gegen die Japaner auszunützen; dabei hofften sie auf eine Erschöpfung und Schwächung der demokratischen Kräfte Chinas. In den herrschenden Kreisen der USA hielt man „Verhandlungen" zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei Chinas f ü r unumgänglich, um f ü r die Vorbereitung der Kuomintang-Streitkräfte auf den Krieg gegen die chinesische Demokratie Zeit zu gewinnen. In dem Bestreben, das Kuomintang-Regime zu erhalten und es vor einer endgültigen Entlarvung und vor dem Zusammenbruch zu retten, gaben die amerikanischen Regierungskreise heuchlerisch vor, „Anhänger" von Besprechungen zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei über eine „Reorganisation" der chinesischen Regierung zu sein. Die herrschenden USA-Kreise, die das chinesische Volk unterdrücken und die Volksrevolutionären Armeen Chinas vernichten wollten, tarnten ihre niederträchtige Politik durch Teilnahme ein den Verhandlungen in der Absicht, die öffentliche Unzufriedenheit zu besänftigen und einer sozialen Katastrophe vorzubeugen, die alle amerikanischen imperialistischen Pläne in China über den Haufen werden konnte. Gerade zu diesem Zweck erschien 1944 in China der Vizepräsident der USA, Henry Wallace, der im Neimen Roosevelts Verhandlungen mit Tschiang Kaischek führte und dabei eine „Reorganisation" der chinesischen Regierung empfahl. Während seines Aufenthalts in Tschungking zeigte Wallace für die Entwicklung der chinesischen Nachkriegswirtschaft besonderes Interesse. Er erforschte die konkreten Methoden und Bedingungen der Ausnutzung des gewaltigen chinesischen Marktes im Interesse des amerikanischen Monopolkapitals. Nach seiner Rückkehr in die USA unterstrich Wallace in seiner Rundfunkansprache vom 9. Juli 1944 die ungeheuren Möglichkeiten, die der chinesische Handel den amerikanischen Businessmen bot," die eine völlige Unterwerfung der chinesischen Wirtschaft unter die Herrschaft der amerikanischen Bourgeoisie planten. Im September 1944 trafen im Auftrag Roosevelts der Leiter des amerikanischen Kriegswirtschaftsamtes, Nelson, und der amerikanische General Hurley in Tschungking ein. Im Ergebnis der Tätigkeit dieser Mission, die die Kohlen-, Erdöl- und andere USA-Monopole vertrat, schlössen die amerikanischen Finanzmagnaten 1945 mit der Kuomintang-Regierung eine Reihe von Verträgen ab, die f ü r China äußerst ungünstig waren. Nelson erzielte das Einverständnis der KuomintangRegierung, auf den Plan der Entwicklung einer chinesischen Großindustrie zu 78
77
T. M. MaaemcoB, 32-aa r o a o B m E H a Be.iHKofi Verlag für politische Literatur, 1949, S. 26. L. K. Rosinger, China's wartime politics. 1945, S. 43.
470
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1937—1944, Princeton University
Press,
verzichten; f ü r die amerikanischen. Monopole ergaben sich große Möglichkeiten daraus, daß ihnen freigestellt wurde, China technischen „Beistand" zu leisten. 78 So versprach Tschiang Kai-schek seinen amerikanischen Herren, die notwendigen Voraussetzungen f ü r eine koloniale Ausbeutung des chinesischen Volkes zu schaffen. Diese Handlungen der Tschiang Kai-schek-Clique f ü h r t e n dazu, daß sich bedeutende Schichten der nationalen Bourgeoisie (der Handels- und Industriebourgeoisie, die nicht mit dem Auslandskapital verbunden war) von der Kuomintang abzuwenden begannen. D e r Begleiter Nelsons, General Hurley, ein Millionär aus Oklahoma, außerordentlicher persönlicher Vertreter des Präsidenten Roosevelt, h a t t e den A u f t r a g , sich mit der „Regelung" der innerpolitischen Fragen in China zu beschäftigen. I n der Person Hurleys t r a t ein Vertreter jener amerikanischen imperialistischen Kreise auf, die bereits zu jener Zeit offen die Beseitigung der „kommunistischen G e f a h r " in China forderten. Nelson und Hurley forderten i m Neimen Roosevelts von Tschiang Kai-schek, die Vollmachten des amerikanischen Oberkommandos in China zu erweitern, Stilwell zum Oberkommandierenden aller chinesischen Streitkräfte zu ernennen und ihm das Recht zu verleihen, die chinesische Armee nach amerikanischem Muster zu reorganisieren. Tschiang Kai-schek erklärte sich bereit, einen bedeutenden Teil der amerikanischen Forderungen zu bewilligen; er verweigerte jedoch kategorisch sein Einverständnis zur E r n e n n u n g General Stilwells auf den Posten eines Oberkommandierenden mit der Begründung, es sei mit diesem keine Zusammenarbeit möglich. Bekanntlich hatte Stilwell seiner Unzufriedenheit mit der Politik Tschiang Kai-scheks Ausdruck verliehen und auf einer Aktivierung der Kriegshandlungen der Kuomintang-Truppen gegen die Japaner in China beharrt. Z u m Oberkommandierenden der amerikanischen Streitkräfte in China wurde General Wedemeyer ernannt. I m November 1944 f ü h r t e Tschiang Kai-schek auf Anraten der Amerikaner einige Veränderungen in der Zusammensetzung der Tschungking-Regierung durch. Das war aber n u r ein Manöver; die Politik der Regierung blieb unverändert. Z u m Kriegsminister wurde einer der engsten Helfershelfer Tschiang Kai-scheks bei der Organisierung „antikommunistischer Feldzüge", General Tscheng Tschen, ernannt, der enge Verbindung zu den Amerikanern hatte. Den Posten des Innenministers erhielt Tschang Li-schen, einer der F ü h r e r der Faschistenclique,,Hsi H s i " , Eine solche „Reorganisation" der Regierung bedeutete eine noch schnellere Faschisierung der militärisch-politischen F ü h r u n g der Kuomintang, die auf die Entfesselung eines Bürgerkrieges hinzielte. Die herrschende Kuomintang-Clique lehnte die G r ü n d u n g einer Koalitionsregierung, auf die die Kommunistische Partei Chinas und alle fortschrittlichen 78
«Yientie 3anHCKH TraooKeaHCKoro HHCTHiyra ÄKaaeMHH Hayn», Bd. III, Sammelband China, S. 52.
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Organisationen Chinas bestanden, entschieden ab. Auf direkte Anweisung und mit voller Unterstützung der amerikanischen Imperialisten, darunter auch Hurleys, der zum amerikanischen Botschafter in China ernannt worden war, und Wedemeyers, des Oberkommandierenden der amerikanischen Streitkräfte in China, bereitete die Kuomintang-Reaktion die Abrechnung mit den demokratischen Kräften Chinas vor. Hurley forderte in seiner Rede vom 2. April 1945 in Washington energischere bewaffnete Hilfe f ü r die Tschiang Kai-schek-Regierung, indem er besonders betonte, daß n u r diese Regierung imstande sei, mit dem „kommunistischen Problem" in China fertigzuwerden. E i n e direkte Folge der E r k l ä r u n g Hurleys war das Interview, das der Kriegsminister der Kuomintang-Regierung, Tscheng Tschen, am 6. Juni ausländischen Korrespondenten gewährte. I n diesem Interview gab der Helfershelfer Tschiang Kai-scheks den Auslandskorrespondenten unzweideutig zu verstehen, daß die Waffen, die China durch das Lend-leaseAbkommen erhielt, gegen die chinesischen Kommunisten eingesetzt würden. Die F ü h r e r der Kuomintang stellten mit dem Vorsitzenden der Marionetten-,,Regier u n g " von Nanking, Tschen Kung-po, eine geheime Telegraphenverbindung her. I n einem Telegramm an den letzteren hieß es: „ W i r bitten Sie, Liu Tsi-hsiung, Sung Liang-tschen, W u Hua-wen 7 9 und andere inoffiziell davon zu unterrichten, daß sofort rigorose M a ß n a h m e n im gemeinsamen Kampf gegen die Kommunisten zu ergreifen sind". Bald telegraphierte der Chef der „Gestapo" Tschiang Kai-scheks, Tai Li, an Tschen Kung-po: „ I m Falle eines Sieges der Verbündeten über Japan fällt Ihnen die Aufgabe zu, die Provinzen Kiangsu und Tschekiang zu halten". Die japanische Marionette Tschen Kung-po bestätigte unverzüglich den E m p f a n g des Telegramms von Tai I i und wies in seinem Telegramm darauf hin, daß er, Tschen Kung-po, „schon lange eine solche Entscheidung getroffen habe." 8 0 So bereitete sich die Tschiang Kai-schek-Clique, die sich an die Amerikaner verkauft hatte, mit Hilfe der offen im Dienst des japanischen Imperialismus stehenden chinesischen Quislinge und aktiv unterstützt von der amerikanischen Reaktion, auf den nächsten Schlag gegen das chinesische Volk vor, das im antij apanischen Krieg gewaltige Opfer gebracht hatte und danach strebte, die imperialistischen Ketten endgültig abzuwerfen. Im Juli 1945 begannen die Kuomintang-Streitkräfte, ausgerüstet mit modernsten amerikanischen Waffen, einen Angriff auf das Grenzgebiet Schensi-KansuNinghsia mit Stoßrichtung auf Etaischan. „Das w a r n u r die erste Kraftprobe Tschiang Kai-scheks im neuen Bürgerkrieg", bemerkt Professor Tschen Bo-da. n
Liu Tsi-hsiung, Sung liang-tschen und Wu Hua-wen standen an der Spitze der projapanischen Marionetten-„Regierung" von Nanking. Diese Generale waren seinerzeit auf einen Geheimhefehl Tschiang Kai-scheks zu den Japanern übergegangen, um dort eine breite „antikommunistische" Front gegen die befreiten demokratischen Gebiete Chinas zu organisieren.
80
^am, Bo-sa,
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1 a H Kafi-nm — Bpar KHTaftcKoro Hapo.ua,
S. 75.
Das Anwachsen des antijapanischen Volkswiderslandes in Ost- und Südostasien unter dem Einfluß der historischen Siege der Sowjetunion Der heroische Kampf der Sowjetunion gegen die hitlerfaschistischen Eindringlinge, die Heldentaten der sowjetischen Soldaten und die Tapferkeit der Sowjetmenschen übten auf den antifaschistischen Kampf der Völker aller Länder einen großen Einfluß aus. Die Kunde von den Siegen des sozialistischen Staates über die deutsch-faschistischen Horden erfüllte die Herzen aller ehrlichen Kämpfer gegen die faschistische Aggression mit Zuversicht, steigerte ihre Energie, begeisterte Millionen von Menschen. Von ganz besonderer Bedeutung für den Aufschwung und die Entfaltung des anti japanischen nationalen Befreiungskampfes der Massen in den Ländern des zeitweilig von den japanischen Militaristen besetzten Fernen Ostens waren der Einfluß und die Kraft des Beispiels der Sowjetunion. Eine wichtige Eigentümlichkeit dieser antij apanischen Volksbewegung bestand darin, daß die Arbeiterklasse, die die Bauernmassen und andere Schichten der werktätigen Bevölkerüng mit sich riß, an ihr führend beteiligt war. Fast in allen vorübergehend von den Japanern besetzten Ländern erwiesen sich die Kommunisten, die Avantgarde der Arbeiterklasse, als die Seele des Widerstandes gegen die Aggressoren; die Kommunisten traten überall als standhafte und konsequente Kämpfer für die nationale Unabhängigkeit gegen die japanischen Okkupanten auf. Die Kommunistische Partei Chinas erzielte sehr große Erfolge. Im Frühjahr 1945 befand sich ein Territorium mit einer Bevölkerung von 95 Millionen Menschen unter der Kontrolle der Kommunisten; es erstreckte sich „von den Grenzen der Inneren Mongolei bis zur Insel Hainan." 81 Unter Führung der chinesischen Kommunisten wuchsen die reguläre Armee auf 910 000 und die Abteilungen der Volksmiliz auf 2 200 000 Kämpfer an 32 . Die Kommunistische Partei Chinas zählte damals etwa 1 210 000 Mitglieder. Sie besaß ein klares Kampfprogramm, das Mao Tse-tung in seinem Bericht auf dem VII. Parteitag der KPCh im April 1945 dargelegt hat. „Nach der vollständigen Liquidierung der japanischen Aggressoren" — sagte Mao Tse-tung auf dem Parteitag — „muß bei uns ein demokratisches Staatssystem der Einheitsfront geschaffen werden, das die Interessen der absoluten Mehrheit des chinesischen Volkes zum Ausdruck bringt. Ein solches Staatssystem werden wir als Staatssystem der neuen Demokratie bezeichnen. Das wird ein Staatssystem sein, das wahrhaft den Forderungen der Bevölkerung Chinas entspricht, denn es kann und wird die Unterstützung von Millionen von Arbeitern, von Dutzenden von Millionen Handwerkern und Armen genießen; zweitens kann es und wird es von 360 Millionen Bauern, das heißt von vier Fünfteln der chinesischen Bevölkerung, Bericht Mao Tse-tungs auf dem VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas. Mao Tze-Tung, The fight for a New China, New York 1945, S. 22. »2 Ebenda, S. 17.
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unterstützt werden; drittens kann es und wird es von der zahlreichen Klasse der Kleinbourgeoisie, von freien Bürgern, von ehrlichen kleinen und mittleren Gutsbesitzern und von anderen patriotischen Elementen unterstützt werden . . . Unsere Politik der neuen Demokratie bedeutet: Beseitigung der Unterdrückung der Nation durch das Ausland und Liquidierung des feudalen und faschistischen Jochs innerhalb des Landes . . . wir treten ein f ü r die G r ü n d u n g eines einheitlichen politischen Systems, das alle demokratischenKlassen in einer Einheitsfront vereint." 8 3 Über die Beziehungen der Sowjetunion zu China sagte der F ü h r e r des chinesischen Volkes, Mao Tse-tung, auf dem V I I . Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas: „Die Sowjetunion hat als erster Staat auf ungleiche Verträge verzichtet und neue Verträge auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit China abgeschlossen. Z u r Zeit des 1. Kuomintang-Kongresses, der 1924 von Sun Jat-sen persönlich einberufen wurde, und später, zur Zeit der Nordexpedition, war die Sowjetunion der einzige Staat, der den Befreiungskampf Chinas unterstützte. Nach Beendigung des Krieges gegen die japanischen Eroberer am 7. Juli 1937 kam als erste abermals die Sowjetunion China in seinem Kampf gegen die japanischen Eindringlinge zu Hilfe. Das chinesische Volk drückt der Sowjetregierung und dem Sowjetvolk seine Dankbarkeit f ü r diese H i l f e aus. W i r sind der Ansicht, daß ohne Teilnahme der Sowjetunion eine endgültige und vollständige Entscheidung der Pazifik-Fragen unmöglich ist." 8 4 Das von der Kommunistischen Partei Chinas aufgestellte Aktionsprogramm entsprach den Lebensinteressen des chinesischen Volkes. Die Kommunistische Partei Chinas vertrat die ureigensten Interessen der erdrückenden Mehrheit des chinesischen Volkes, während die Kuomintang immer mehr zu einer Partei jener Feinde des Volkes entartete, die im Dienst des amerikanischen und in bedeutendem Maße auch des japanischen Imperialismus standen. Nach Angaben des chinesischen Historikers Tschen Bo-da, der sich auf offiziell veröffentlichte Zahlen stützt, hat die amerikanische Regierung bis Kriegsende der Regierung Tschiang Kai-schek 14 Anleihen in einer Gesamthöhe von über 1 314 500 000 USA-Dollar gewährt, ungerechnet die amerikanischen Mittel anderer Art, die der Kuomintang-Regierung zur V e r f ü g u n g gestellt worden waren. 8 5 Von 1942 bis zur Beendigung des Krieges gegen Japan lieferte die amerikanische Regierung an die Tschiang Kai-schek-Regierung Waffen und militärische Ausrüstung i m Werte von über 1500 Millionen Dollar. Diese Waifen waren eine „Investition der amerikanischen Imperialisten in den Bürgerkrieg in China." 8 6 Dreißig von den Amerikanern ausgebildete Divisionen standen zum Einsatz in diesem Krieg bereit. 83
Bericht Mao Tse-tungs auf dem VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas. Mao Tze-Tung, The fight for a New China, N e w York 1945, S. 34—35.
" 85
Ebenda, S. 67. ^ H B
Bo-aa, xIeTbipc ceMeÄCTBa
KZTEUH,
übersetzt aus dem Chinesischen, Staatsverlag für
fremdsprachige Literatur, Moskau 1948, S. 76. 88
Ebenda, S. 77.
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Die USA und die Philippinen. Daa Anwachsen der Kräfte des Volkswiderstandes auf den Philippinen Eine nicht weniger zugespitzte Lage entstand 1944 auf den Philippinen, wo die Kräfte des antij apanischen Volkswiderstandes mit großem Erfolg tätig waren und einen bedeutenden Teil des Archipels kontrollierten. Seit 1934 waren die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den Philippinen formal durch das Gesetz Tidings-MacDuffy geregelt. Gemäß diesem 1934 vom amerikanischen Kongreß beschlossenen Gesetz war auf den Philippinen ein „autonomes" Regime eingeführt worden. Das Gesetz sah die Errichtung einer „unabhängigen und sich selbst verwaltenden Republik" auf den Philippinen mit Wirkung vom 4. Juli 1946 vor. Eine große Rolle in der Vorbereitung des Gesetzes Tidings-MacDuffy spielten die Besitzer von Zucker-, Molkerei- und Erdölbetrieben in den USA, die die amerikanischen Monopolherren auf den Philippinen bekämpften, weil diese f ü r ihre philippinischen Erzeugnisse zollfreie E i n f u h r in die USA genossen. F ü r diese genannten Industriekreise der USA war die Proklamierung der „Unabhängigkeit der Philippinen" von großem Vorteil, denn sie lief darauf hinaus, die zollfreie E i n f u h r billiger philippinischer Erzeugnisse zu beseitigen. Aber trotz des Versprechens, ihnen eine solche „Unabhängigkeit" zu gewähren, blieben die Philippinen nach wie vor, was sie waren: eine von den amerikanischen Monopolisten unbarmherzig ausgebeutete und unterjochte amerikanische Kolonie. Die Invasion der Japaner auf den Philippinen-Inseln stellte die herrschenden Kreise der USA vor neue Fragen. Ein Großteil der Politiker der „Nacionalista"Partei, die den alten bürokratischen Kolonialapparat auf den Philippinen unter der USA-Herrschaft vertreten hatten, gingen nach der japanischen Besetzung der Inseln in den Dienst der Japaner über und stellten ihnen eine ganze Gruppe von Kollaborateuren zur Verfügung. N u r eine kleine Gruppe der Partei „Nacionalista" lehnte eine Zusammenarbeit mit den Japanern ab. Der Parteiführer und Vorkriegs-,,Präsident" der Philippinen, Quezon, und der Vizepräsident Osmena wurden im April 1942 von den Amerikanern nach den USA gebracht. 87 1942 riefen Quezon und Osmena in Washington eine „Emigrantenregierung" der Philippinen aus, in deren Namen sich Quezon am 4. Juli 1942 an den USA-Senat wandte und die Bereitschaft ausdrückte, eng mit der amerikanischen Regierung zusammenzuarbeiten. 88 Als im F r ü h j a h r 1943 der japanische Premierminister Tojo die demagogische Erklärung abgab, daß die japanische Regierung den Philippinen die „Unabhängigkeit" verleihe, kam man in den USA zu dem Entschluß, der japanischen Aktion eine analoge amerikanische Aktion entgegenzusetzen. Am 13. August 87
88
Sergio Osmena, Queson of the Philippines, „Foreign Affairs", January 1943, Bd. 21, Nr. 2, S. 293—294. „Congressional Record". Proceedings and debates of the 77th Congress, Second Session, Bd. 88, Nr. 106, Washington, Thursday, June 4, 1942, S. 5048.
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1943 erklärte Präsident Roosevelt, daß die USA die Emigranten-Regierung Quezon „genau so vollberechtigt wie die jedes anderen unabhängigen Staates" ansähen. Am 6. Oktober wandte sich Roosevelt an den Senat mit einem Schreiben, in dem er vorschlug, die Unabhängigkeit der Philippinen zu verkünden, sobald dies die Umstände erlaubten. 88 Am 3. November 1943 legte Senator Tidings dem amerikanischen Senat eine Resolution zur Prüfung vor, die mit der Erklärung des Präsidenten Roosevelt übereinstimmte. 90 Am 29. Juni 1944 wurde die Resolution Tidings' vom Kongreß angenommen und damit zum Gesetz erhoben. Das Gesetz über die „Unabhängigkeit" der Philippinen bevollmächtigte den Präsidenten, „entsprechende Abkommen in bezug auf USA-Stützpunkte auf den Philippinen zu schließen, die er f ü r die beiderseitige Verteidigung der Inseln und der USA für notwendig hält." 9 1 So beabsichtigten also die amerikanischen Imperialisten durchaus nicht, auf eine koloniale Ausbeutung der philippinischen Bevölkerung zu verzichten. Durch das Gesetz von 1944 wurde mit der vorgesehenen Schaffung amerikanischer Militärstützpunkte die weitere Beibehaltung der USA-Herrschaft auf den Philippinen vorweggenommen. Als die amerikanischen Truppen im Oktober 1944 mit ihrer Landung auf den Philippinen-Inseln begannen, stießen sie auf einen neuen wichtigen politischen Faktor, die demokratische Befreiungsbewegung, die sich im Verlauf des Kampfes gegen die japanischen Okkupanten gebildet hatte. An der Widerstandsbewegung nahmen die Organisationen „Freie Partisanen von Panay", „Partisanen des blauen Adlers", „Partisanen von Cobit" und andere teil. Den größten Einfluß übte auf den Philippinen jedoch die äußerst bedeutende Partisanenorganisation „Hukbalahap" aus, die sofort nach Beginn des Pazifik-Krieges ihre Tätigkeit in den Zentralprovinzen von Luzon, den Gebieten der alten Bauernbewegung, aufnahm. 92 An der Spitze der „Hukbalahap" standen die Kommunistische Partei, die sich noch vor dem Krieg mit der Sozialistischen Partei vereinigt hatte, die Gewerkschaften, Bauernorganisationen und die Liga f ü r Bürgerrechte. Die antijapanische Volksarmee „Hukbalahap" zählte zu der Zeit, als die amerikanischen Truppen landeten, 20 000 bewaffnete Kämpfer und 50 000 Mann Reserve. Die antijapanische Armee versah sich mit japanischen Waffen, die sie während der Kriegshandlungen erbeutete und verstand es sogar, eine eigene Produktion von Gewehren und Munition in Gang zu bringen. In mehr als 1200 Zusammenstößen fügte sie den japanischen Okkupanten Verluste in Höhe von 25 000 Toten an Soldaten und Offizieren zu. 93 »» „Congressional Record", 6. Oktober 1943, Bd. 89, Nr. 147, S. 8209—8210. 80 „Congressional Record", 3. November 1943, Bd. 89, Nr. 166, S. 9149. 81 Eine ausführliche Darstellung des Gesetzes siehe in „Documents on American foreign relations", Bd. VI, Boston 1945, S. 622—625. BJ Die Bezeichnung „Hukbalahap" ist die Abkürzung von „Hukbong Bayan Laban sa Hapon", was in der tagalischen Sprache „Antijapanische Volksarmee" bedeutet. 83 Kysiap Toman, Hapoj B KonomaX, Staatsverlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1949, S. 233—234. 476
In den Gebieten, die durch die Kampfaktionen der „Hukbalahap" von den Japanern befreit wurden, fanden demokratische Reformen statt. Die Ländereien derjenigen Gutsbesitzer, die als nationale Verräter mit den japanischen Imperialisten kollaboriert hatten, wurden beschlagnahmt und zum Eigentum der Bauern erklärt. Der Landbesitz all der Gutsbesitzer, die nicht mit den Japanern gemeinsame Sache gemacht hatten, wurde von der „Hukbalahap" nicht allgetastet. Die örtlichen demokratischen Selbstverwaltungsorgane, die auf dem von den Japanern befreiten Territorium gewählt wurden, wachten jedoch aufmerksam darüber, daß die Gutsbesitzer f ü r das Land keinen hohen Pachtzins verlangten. Diese Selbstverwaltungsorgane wurden vom Volke stark unterstützt. Die überwiegende Mehrheit der großen Unternehmer und Gutsbesitzer, vor dem Krieg die Hauptstütze der amerikanischen Herrschaft auf den Philippinen, hatte sich durch ihre Verbindungen mit den Japanern vor dem Volke völlig diskreditiert. MacArthur jedoch, der Oberkommandierende der amerikanischen Streitkräfte, einer der mit den Magnaten der Wall-Street eng verbundenen, reaktionärsten amerikanischen Generale und persönlich einer der größten amerikanischen Landbesitzer auf den Philippinen, erstrebte die Wiedererrichtung der amerikanischen Kolonialherrschaft auf den Philippinen; er sah in den reaktionären Schichten der Bourgeoisie und der Gutsbesitzer trotz deren aktiver Zusammenarbeit mit den Japanern während der Besatzungszeit seine Hauptstütze. Der erste Schritt des Stabes MacArthurs nach der Landung amerikanischer Truppen auf der Insel Luzon war die Verhaftung der Leiter der Widerstandsbewegung — des Oberkommandierenden der antijapanischen Armee der „Hukbalahap", des populären Führers der Arbeiterbewegung Louis Taruc, sowie seines Stellvertreters, des Sozialisten Castro Alexandrino. 94 Um die amerikanische Kolonialherrschaft auf den Philippinen aufrechtzuerhalten und die demokratische Bewegung zu liquidieren, begannen die amerikanischen Behörden, den Führern der „Nacionalista"-Partei, d. h. den Quislingen, die mit den japanischen Imperialisten kollaboriert hatten, weitgehende Unterstützung angedeihen zu lassen. Im Sommer 1945 vereinigten sich die Kommunistische Partei, der Nationale Bauernbund, die antij apanische „Hukbalahap"-Armee, das Komitee f ü r Arbeitsorganisation und der Verband f ü r Bürgerrechte zur Demokratischen Liga. Die Demokratische Liga verlangte die Entfernung der Kollaborateure aus dem Staatsapparat, die Ausrufung einer unabhängigen Republik, die Industrialisierung des Landes, die Beseitigung der feudalen Überreste in der Landwirtschaft und die Durchführung einer konsequenten Agrarreform sowie das Recht der Arbeiter, Kollektivverträge abzuschließen. 95 Diese Forderungen bezeugten die hohe Stufe, die von der nationalen Befreiungsbewegung auf den Philippinen erreicht worden war. Ebenso wie in China wurde auch auf den Philippinen der Kampf durch das begeisternde Beispiel der Sowjetunion vorangetrieben; in seinem Verlauf 94
„Political lineup in the Philippines", „Amerasia", Bd. XI, Nr. 2, Februar 1947, S. 37. »« „Amerasia", Bd. XI, Nr. 2, Februar 1947, S. 35—36. 477
wurden gleichfalls soziale Forderungen gestellt, die die Bedürfnisse der breiten Volksmassen zum Ausdruck brachten. Die Bildung einer Antifaschistischen Volksbefreiungs-Iiga in Burma. England und Burma Der bewaffnete antijapanische Kampf erreichte auch in Burma eine große Intensität. Bereits Ende 1942 zeigten sich bei vielen Angehörigen der von den Japanern gegründeten „Burmanischen Nationalarmee" Anzeichen von Empörung gegen die Politik des japanischen Imperialismus. Die anwachsende Unzufriedenheit der Massen mit dem Besatzungsregime führte zur Bildung der Antifaschistischen Volksbefreiungs-Liga im Jahre 1943. Die Antifaschistische VolksbefreiungsLiga vereinigte in ihren Reihen die Kommunistische Partei, die Gewerkschaftsverbände, die Bauernbünde und andere demokratische Organisationen; sie wurde zum Sammelpunkt Edler patriotischen Elemente des Volkes im Kampf gegen die japanischen Okkupanten. Innerhalb sehr kurzer Zeit vereinigte die Antifaschistische Liga 200 000 Menschen. Ein Teil der „Burmanischen Nationalarmee" nahm zur Antifaschistischen Liga Verbindung auf. Bis zum Frühjahr 1944 führten die Engländer in Burma keinerlei aktive Kriegshandlungen gegen die Japaner durch. Die englischen Politiker setzten ihre Taktik des „billigen Krieges" fort. Sie spekulierten auf eine Niederlage der Japaner im Pazifik-Krieg und hofften, daß sie selbst dann früher oder später nach Burma zurückkehren und ihre imperialistische Herrschaft wiederherstellen könnten. Die englischen Imperialisten sahen Burma lieber eine Zeitlang in den Händen der japanischen Militaristen als unter der Herrschaft der nationalen demokratischen Kräfte. Im April 1944 griffen japanische Streitkräfte englische Truppenteile an, die untätig im Sektor von Imphal lagen. Den Japanern gelang es, die englischen Truppen zurückzudrängen und in das Gebiet der indischen Provinz Assam vorzustoßen; damit überschritten sie die indisch-burmanische Grenze, die an jener Stelle durch eine bis zu 4000 Metern ansteigende Gebirgskette gebildet wird. Das englische Oberkommando geriet in Verwirrung. Es mußte der Bewaffnung von 50 000 burmanischen Partisanen zustimmen, die unter der Führung der Antifaschistischen Volksbefreiungs-Liga standen, obwohl die Partisanen gegen die Japaner unter der Losung kämpften: „Burma muß burmanisch werden, nicht britisch!" Nachdem^ im August 1944 die japanischen Truppen aus der Provinz Assam wieder nach Burma zurückgeworfen worden waren, begann das britische Oberkommando, Verbindung mit General Aung San, dem Befehlshaber der „Burmanischen Nationalarmee", zu suchen. Die englischen Pläne, das Kolonialregime der Vorkriegszeit in Burma wiederherzustellen, stießen auf den entschiedenen Widerstand der breiten Volksmassen. 478
Der antijapanische Kampf der Völker Indochinas, Indonesiens und Malayas I n Indochina, Indonesien und Malaya wurde, wie in den anderen unterdrückten Ländern, der bewaffnete Kampf gegen die japanischen Okkupanten von den örtlichen Arbeiter-Organisationen geleitet. Besonders bedeutende Erfolge errang die antijapanische Volksbewegung in Indochina. Sie entstand im Jahre 1940, als Indochina infolge der verräterischen Politik der Vichy-,,Regierung" von den japanischen Imperialisten besetzt wurde. Seit März 1941 stand an der Spitze der Bewegung des antijapanischen Volkswiderstandes in Vietnam 96 (Indochina) die „Vietminh", 9 7 die umfassende Organisation einer einheitlichen, nationalen, demokratischen Front, die von der Kommunistischen Partei Indochinas und ihrem Führer Ho Schi Minh geleitet wurde. Unter der F ü h r u n g der Vietminh entfaltete sich im Lande der Partisanenkampf; sieben Provinzen Vietnams wurden vollständig von den japanischen Eindringlingen befreit und gingen in die Verwaltung eines Provisorischen Komitees über. Nachdem Frankreich im Jahre 1944 von den Hitlerfaschisten befreit worden war, verkündete die Vietminh ihr politisches Programm. Darin hieß es, daß die Demokratische Unabhängigkeitsfront Vietnams nach dem endgültigen Sieg über Japan eine provisorische Regierung der Demokratischen Republik Vietnam bilden werde; diese Regierung solle die Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit verkünden, eine republikanische Armee bilden, alle Verräter und Kollaborateure aburteilen und einen entschiedenen Kampf gegen jede Bedrohung der Freiheit und Unabhängigkeit Vietnams führen. Das Programm der Vietminh sah eine Reihe von Maßnahmen vor; Abschaff u n g der Kopfsteuer, der Fronarbeit und anderer feudaler Überreste; die Beschlagnahme und Nationalisierung des Vermögens der Verräter und Kollaborateure; die Industrialisierung des Landes, mit der eine unabhängige nationale Wirtschaft geschaffen werden sollte; gerechte Aufteilung des Gemeindelandes, Verringerung der Pachtzahlungen, ein strenges Wucherverbot; E i n f ü h r u n g des Achtstundentages und der Sozialversicherung, Zahlung einer Unterstützung an kinderreiche Familien, Greise und Invaliden; endlich Abschaffung des Kolonialsystems im Bildungswesen, E i n f ü h r u n g des unentgeltlichen, obligatorischen Grundschulunterrichts und Erhöhung der Zahl der Schulen. 98 U m dieses Pro98
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„Vietnam" („Land des Südens" oder „Südland") — alte Bezeichnung des einheitlichen Landes der Annamiten, das vor den französischen Eroberungen der fünfziger bis achtziger Jahre des 19. Jahrh. Tongking, Annam und Cochinchina umfaßte. „Vietminh" entstand aus den Abkürzungen der Worte „Vietnam — Dok — Lap — Dong — Minh", was soviel bedeutet wie „Demokratische Front des Kampfes für die Unabhängigkeit Vietnams". CßopHHK CTaTCÜ «IIpaBsa o BteTHaMe», (Übersetzung aus dem Französischen), Staatsverlag fremdsprachige Literatur, Moskau 1949, S. 85—85.
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gramm der Demokratischen Unabhängigkeitsfront Vietnams scharte sich die Mehrheit des indochinesischen Volkes. Erhebliche Erfolge errangen auch die Partisanen von Malaya, die unter der Führung der Kommunisten die Malayische antijapaiiische Volksarmee geschaffen hatten; diese kontrollierte nach der Vertreibung der japanischen Zivilverwaltung bedeutende Gebiete. Die japanischen Verbindungslinien in Malaya wurden systematisch unterbrochen; oft wurden auch japanische Garnisonen in kleineren Orten belagert. Als Japan im Jahre 1945 kapitulierte, hatte die antijapanische Volksarmee bereits mehrere malayische Städte in der Hand und wurde von der absoluten Mehrheit der Bevölkerung unterstützt." Jn Indonesien schuf das japanische Oberkommando aus der einheimischen Bevölkerung auf der Insel Java das „Javanische Freiwilligen-Korps". Um die indonesische Bevölkerung zu täuschen, entließen die Japaner noch im Jahre 1942 die Führer des nationalen Befreiungskampfes aus den Gefängnissen, in die sie von den holländischen Kolonialherren geworfen worden waren. Die indonesischen bürgerlichen Nationalisten Achmed Soekarno und Mohammed Hatta traten in den von den Japanern gegründeten „Nationalrat" ein und arbeiteten mit den japanischen Imperialisten zusammen. Im „Javanischen Freiwilligen-Korps" mehrten sich indessen die antijapanischen Stimmungen. In dieser Armee kam es in der Zeit von 1943 bis 1945 fünfmal zu Meutereien.100 Die illegale Widerstandsbewegung, an deren Spitze die aufopferungsvoll gegen die Okkupanten kämpfenden indonesischen Kommunisten standen, erstarkte. Das gewaltige Ausmaß der nationalen Befreiungsbewegung in China, Indochina, Burma und anderen Ländern Ostasiens war der Ausdruck des allgemeinen Aufschwungs des antifaschistischen Kampfes, der sich, angespornt durch die heldenhaften Siege der Sowjetunion, immer mehr entfaltete. Die Pläne des japanischen Imperialismus Die Entwicklung der militärischen Ereignisse des zweiten Weltkrieges war für die japanischen Imperialisten wenig erfreulich. Die von den Japanern in Ostasien geschaffene „Neue Ordnung" erwies sich als ebenso unbeständig und kurzlebig wie die „Neue Ordnung" Hitlers in Europa. Das Kabinett Tojo, das den Krieg am Stillen Ozean entfacht hatte, mußte bereits am 18. Juli 1944 zurücktreten. Auch das Kabinett Koiso, das Tojo ablöste, konnte sich nicht lange an der Macht halten. Nichtsdestoweniger ließ der japanische Imperialismus in seiner Hartnäckigkeit nicht von seinen verbrecherischen Plänen ab. Die herrschenden Kreise des militaristischen Japan hofften ebenso wie ihre hitlerischen Verbündeten auf einen Zerfall der antifaschistischen Koalition und 8
» Britain faces' a new Malaya, „Amerasia", Bd. XI, Nr. 1, Januar 1947, S. 12. Rise of the Indonesian Republic, „Amerasia", Bd. XI, Nr. 1, Januar 1947, S. 16—17.
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rechneten mit einem Sieg des reaktionären antisowjetischen Kurses in der Politik der herrschenden Kreise der USA und Englands. Aus den Geheimverhandlungen der Vertreter der USA und Englands über einen Separatfrieden mit Hitlerdeutschland schöpften die japanischen Militaristen Hoffnung. Die japanischen herrschenden Kreise glaubten, es könne Japan gelingen, eine militärische Niederlage zu vermeiden, da die reaktionären Kräfte der USA und Englands Japan retten würden, um es als potentielle Bedrohung der Sowjetunion sowie der demokratischen Bewegung in China und in anderen Ländern Asiens zu erhellten. Die USA und England und das künftige Statut Japans Bereits lange vor der Niederlage Deutschlands und Japans zeigten die reaktionären Kräfte in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Großbritannien ihre feindliche Einstellung gegenüber der Herstellung eines demokratischen Friedens am Stillen Ozean. Ende 1944 wurde in den USA eine charakteristische Polemik über die Frage eines zukünftigen Friedensvertrages mit Japan geführt. Am 6. Dezember 1944 veröffentlichte die „Philadelphia Record" einen Artikel, in dem die Aufmerksamkeit auf die Tätigkeit des früheren amerikanischen Botschafters in Tokio, Joseph Grew, gelenkt wurde. Darin heißt es, daß Grew nach seiner Rückkehr in die USA sehr eifrig für die Aufnahme einer Verbindung zum japanischen Kaiser Hirohito eingetreten sei. Grew forderte die „Beibehaltung des Mikado als eines japanischen Symbols, um das eine stabile und friedliebende Regierung gruppiert werden kann." 101 Unzweifelhaft widerspiegelte diese Linie Grews völlig die Absichten der führenden politischen Kreise der USA. Nach seiner Rückkehr aus Japan schrieb Grew zwei Bücher und hielt 250 Reden, in denen er die gesamte vorhergegangene „Münchener" Politik des Staatsdepartments der USA, deren Vertreter in Japan er selbst gewesen war, offen verteidigte. Die fortschrittliche Öffentlichkeit Amerikas überführte Grew zu Recht der Tatsache, daß er ein Vertreter jener reaktionären, projapanischen Kreise des Staatsdepartments war, die die undemokratischen Elemente im NachkriegsJapan fördern und auf diese Weise eine Grundlage für die Wiederherstellung Japans als aggressive Macht schaffen wollten. Die Ernennung Grews zum Stellvertreter des Staatssekretärs rief Proteste seitens der demokratischen Kreise hervor. Die „Beförderung" Grews zeugte davon, daß die herrschenden Kreise der USA nicht daran dachten, mit ihrer Politik der Förderung des Aggressors zu brechen, die schon vordem Schiffbruch erlitten hatte und die das Ziel verfolgte, Japan gegen die UdSSR aufzustacheln und den japanischen Imperialismus als „Gendarmen Asiens" zu erhalten. Am 12. Dezember 1944 erschien Joseph Grew auf der Sitzung der Senatsioi Andrew Roth, Dilemma in Japan, London 1946, S. 29—30. 481
kommission für Auswärtige Angelegenheiten, um seine Ernennung zum Stellvertreter des Staatssekretärs durchzusetzen. In seiner langen Rede versuchte Grew gar nicht, seine Verbundenheit mit der Kaisermacht in Japan, dieser „archaischen Konzeption der Vergangenheit", wie er sagte, zu verhehlen. „Was die bestehende Kaisermacht betrifft", erklärte Grew, „so glaube ich nicht, daß irgend jemand bereits jetzt beurteilen kann, ob sie in der Zukunft ein ,Aktivum' oder ein ,Passivum' bilden wird . . . Es scheint mir, daß diese Frage so lange offen bleiben muß, bis wir Tokio eingenommen haben . . . Die Kaisermacht mag sich unter Umständen als das einzige politische Element erweisen, das fähig sein wird, einen stabilisierenden Einfluß auszuüben." 102 Als Josepf Grew vor der Senatskommission für Auswärtige Angelegenheiten auftrat, wußte er genau, daß seine Worte auf „fruchtbaren" Boden fallen würden. In dieser Kommission saßen nicht wenige, die mit der „archaischen Konzeption der Vergangenheit" zur Erhaltung aller reaktionären Institutionen in Japan sympathisierten; die Monarchie, die an der Spitze dieser Institutionen stand, sollte zum Verbündeten des amerikanischen Imperialismus im Kampf gegen die UdSSR gemacht und der japanische Militarismus gegen die nationale Befreiungsbewegung in Asien eingesetzt werden. Davon, wie man sich in England den Frieden mit Japan dachte, zeugt das Dokument „Japan in der Periode der Niederlage", das von dem inoffiziellen Hilfsorgan des britischen Außenministeriums, dem Königlichen Institut für internationale Angelegenheiten, vorbereitet worden war. Dieses Dokument hatte eine Gruppe von zehn Personen zusammengestellt, die Butler, ein Berater des britischen Außenministeriums, leitete. Zweifellos kam darin die Meinung einflußreicher Kreise Großbritanniens zum Ausdruck. Die Autoren des Dokuments schlugen vor, Japan müsse nach seiner Niederlage zu jenen „Institutionen und Kräften zurückkehren, die sein Gleichgewicht in der Vergangenheit aufrechterhielten". Die Verfasser des Dokuments „Japan in der Periode der Niederlage" warnten vor der „Gefahr politischer Wirren" in Japan. 103 Butler und seine Gruppe leugneten ebenso wie die amerikanischen Reaktionäre entschieden die Notwendigkeit einer demokratischen Entwicklung Japans. Sie bestanden darauf, daß im Interesse der „Stabilität" und des „Gleichgewichts" in Japan wieder die „herrschenden Gruppen der Vorkriegszeit an die Macht kommen sollten, einschließlich der Aristokraten, nur unter Ausschluß der gehässigsten Militaristen." 101 Sie traten unbedingt für die Beibehaltung des reaktionären monarchistischen Regimes in Japan ein. Unzweifelhaft widerspiegelten Erklärungen dieser Art in den USA und in England die aggressivsten Gedanken der monopolistischen Cliquen und wärmten die antisowjetischen Pläne der japanischen Militaristen auf, die von ihren überseeischen Freunden eine regelrechte „Amnestie" erwarteten. „Documents on American foreign relations", Bd. VII, S. 226—228. «3 Andrew Roth, c. o., S. 20. 10 » Ebenda, S. 21. 10>
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Die feindlichen Handlungen des imperialistischen Japan gegenüber der UdSSR Die Verschlechterung der militärischen Lage des imperialistischen Japan führte zu keiner Veränderung des allgemeinen aggressiven antisowjetischen Kurses der japanischen Politik. Während des ganzen Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion erwies Japan Deutschland eine gewaltige Unterstützung, indem es an den fernöstlichen Grenzen der Sowjetunion seine Elite-Armee in Bereitschaft hielt. Ribbentrop erklärte in einem Telegramm, das er am 15. Mai 1942 nach Tokio sandte, daß die Konzentration japanischer Kräfte an der sowjetisch-mandschurischen Grenze eine wesentliche Hilfe für Deutschland sei, „da Rußland in jedem Falle gezwungen ist, in Ostsibirien Streitkräfte zu stationieren, um einem japanisch-russischen Konflikt vorzubeugen."106 Darin erschöpften sich aber die feindseligen Handlungen Japans gegenüber der Sowjetunion noch nicht. Im Laufe der Jahre 1941—1944 hielten die japanischen Streitkräfte 178 sowjetische Handelsschiffe an, wobei sie in einer ganzen Reihe von Fällen Waffengewalt anwandten. Die Sowjetregierung protestierte gegen die systematische Behinderung der normalen sowjetischen Handelsschiffahrt und gegen die grobe Willkür gegenüber sowjetischen Schiffsbesatzungen: sie erhob energisch und beharrlich die Forderung, die japanischen Übergriffe einzustellen. Tatsachen solcher Art häuften sich immer mehr und den japanischen Imperialisten stand die Sühne für ihre Verbrechen bevor. Im Verlaufe der Jahre 1941 bis 1945 benutzte die japanische Regierung ihren diplomatischen Apparat in der UdSSR dazu, den Deutschen über den Zustand der sowjetischen Streitkräfte und der sowjetischen Industrie Spionageberichte zu übermitteln. Auf dem Tokioter Prozeß wurde das Telegramm Ribbentrops an den deutschen Botschafter in Tokio vom 15. Juli 1941 verlesen, worin Hitlers Außenminister schrieb: „Danken Sie dem japanischen Außenministerium für die Übersendung des telegraphischen Berichts des japanischen Botschafters in Moskau. . . Es wäre gut", heißt es weiter im Telegramm, „wenn wir auch in Zukunft auf diesem Wege ständig Nachrichten aus Rußland erhalten würden." 106 Auf dem Tokioter Prozeß wurde der ehemalige Generalmajor der japanischen Armee, Matsumura, der früher Chef der russischen Abteilung im Aufklärungsdienst des japanischen Generalstabes gewesen war, verhört. Matsumura mußte zugeben, daß auf Befehl der Leitung des japanischen Generalstabes „über die Kräfte der Roten Armee, über die Verschiebung von Truppenteilen der Roten Armee im Fernen Osten, über das Kriegspotential der UdSSR systematisch Nachrichten an die deutsche Abteilung für Oberst Kretzschmer (den deutschen Aus der Rede des Anklägers der UdSSR auf dem Tokioter Prozeß gegen die japanischen Hauptkriegsverbrecher, «IIpaB.ua» vom 20. Februar 1948. « 8 Ebenda. 105
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Militärattache) übermittelt wurden . . . " Die Aussagen Matsumuras wurden auf dem Tokioter Prozeß durch den Gehilfen des Obersten Kretzschmer, Oberstleutnant Petersdorf, bestätigt; letzterer erklärte, daß die von den Japanern übermittelten Nachrichten für die Hitlerarmee große Bedeutung hatten und daß sie von den deutschen Faschisten bei ihren militärischen Operationen gegen die Sowjetunion in großem Maße ausgewertet wurden." 107 In den ersten Maitagen des Jahres 1945 wurde in Berlin der Mitarbeiter der japanischen Botschaft, Nohara, verhaftet. In seinem Besitz wurden Dokumente mit geheimen Nachrichten über die Stärke und über Umgruppierungen von Truppenteilen der Sowjetarmee sowie Angaben über den Zustand der Kriegsindustrie der UdSSR gefunden. Nohara sagte aus, daß in den Jahren 1941 bis 1945 Nachrichten dieser Art von den japanischen Botschaftern in Moskau, Tatekawa und Sato, laufend im deutschen Außenministerium eintrafen. 108 In zahlreichen öffentlichen Reden hob der japanische Außenminister Shigemitsu „die Gemeinsamkeit der Ziele" Japans und Deutschlands im zweiten Weltkrieg hervor; den zweiten Weltkrieg in Europa wie in Asien betrachtete er als gemeinsame Abstimmung der Aktionen Deutschlands und Japans, die auf die Erreichung eines einheitlichen Zieles gerichtet waren. So erklärte Shigemitsu am 27. September 1942: „Der Dreimächtepakt strahlt nach wie vor und erleuchtet uns den Weg zum Sieg . . . Der Geist des in Ostasien kämpfenden Japan ist auch der Geist Deutschlands und seiner Verbündeten, die in Europa kämpfen." 109 Die Vorbereitung des bakteriologischen Krieges durch die japanischen Imperialisten Nachdem einige Jahre verstrichen waren, erfuhr die ganze Welt von den ungeheuerlichen Greueltaten der japanischen Faschisten, die sich darauf vorbereiteten, Millionen von Menschen dem bakteriologischen Krieg, einem der unmenschlichsten Aggressionsmittel, auszuliefern. Im Prozeß gegen die früheren Angehörigen der japanischen Armee, die im Dezember 1949 in Chabarowsk unter der Anklage standen, die Anwendung der bakteriologischen Waffe vorbereitet zu haben, wurde unwiderlegbar festgestellt, daß die Vorbereitung dazu bereits kurz nach der Eroberung der Mandschurei durch die japanischen Imperialisten begonnen hatte. Die Leitung des vom japanischen Militär in der Mandschurei gegründeten Laboratoriums zur Herstellung von Bakterien hatte ein gewisser Ishii Shiro, der Versuche an lebenden Menschen vornahm, und zwar an chinesischen Partisanen, die den japanischen Imperialisten in die Hände gefallen 107
„Was die Völker vom Internationalen Militärtribunal in Tokio erwarten", «lIpaBja» vom 2. Juni 1948.
108
«HpaB.ua» vom 2. Juni 1948.
lo» Aus den Materialien des Prozesses gegen die japanischen Hauptkriegsverbrecher, «IIpaBfla» vom 1. März 1948.
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waren. I m Jahre 1936 wurden auf Anweisung des japanischen Kaisers Hirohito in der Mandschurei mächtige Produktionsbasen f ü r bakteriologische Kriegsmittel, ganze Todesfabriken, errichtet. Das Laboratorium Ishiis wurde in ein Institut f ü r bakteriologische K r i e g f ü h r u n g umgewandelt und erhielt die Tarnbezeichn u n g „Amt f ü r Wasserversorgung und Prophylaxe der Kwantung-Armee" u n d später „Mandschurische Abteilung Nr. 731". D e r Personalbestand dieses Instituts u m f a ß t e etwa 3000 wissenschaftliche und technische Mitarbeiter. 1 1 0 Bald tauchte eine zweite bakteriologische Einheit auf, die sich „Abteilung N r . 100" nannte. Diese Einheiten hatten vom japanischen Kaiser den A u f t r a g erhalten, den bakteriologischen Krieg gegen die Völker der UdSSR, der Mongolischen Volksrepublik und Chinas vorzubereiten. Im Prozeß von Chabarowsk wurde festgestellt, daß die japanischen Imperialisten im Jahre 1939 i m Gebiet von Chalkin-Gol die bakteriologische W a f f e gegen die UdSSR und die Mongolische Volksrepublik angewandt hatten. Seit dem Jahre 1940 f ü h r t e n die japanischen Imperialisten systematisch bakteriologische Angriffe in China durch, indem sie Pestflöhe von Flugzeugen absäten, Wasserbehälter, Nahrungsmittel usw. m i t Typhusbakterien verseuchten und dadurch Pest- und Typhusepidemien hervorriefen. So begann die japanische Regierung, das Genfer Protokoll von 1925, das die Anwendung der chemischen und bakteriologischen Waffe verbot, zu verletzen. I m April 1945 gab der Generalstab der japanischen Armee an Ishii die Anweisung, die Herstellung von Bakterien zu verstärken. Auf einer Operationsberatung der führenden Offiziere der „Abteilung Nr. 731" i m April 1945 erklärte Ishii, es sei notwendig, einen Bakterienkrieg gegen die U S A und England zu f ü h r e n und n a n n t e als Anfangstermin eines solches Krieges das J a h r 1945. „Wir müssen die äußersten Mittel anwenden", sagte Ishii, „darunter auch die bakteriologische Waffe, u m einen Umschwung zugunsten Japans zu erzielen." 1 1 1 Dutzende von Russen, die in der Mandschurei wohnten und sich der Forderung des japanischen Nachrichtendienstes, ihm gegen die Sowjetunion zu dienen, nicht f ü g e n wollten, wurden in ein Speziallager f ü r Russen in Charbin, „Chogoin" genannt, geworfen. Aus diesem Lager kamen sie zur „Abteilung Nr. 731", wo sie infolge der an ihnen verübten verbrecherischen „Versuche" umkamen. Die durchgeführten „Versuche" an lebenden, in die H ä n d e der japanischen I m perialisten geratenen Menschen, wie die Injektion von Pest, Milzbrand, verschiedenen Typhusarten usw., verursachten bei den Opfern die furchtbarsten Qualen. Es wurde festgestellt, daß jährlich nicht weniger als 600 Menschen in das innere Gefängnis der „Abteilung Nr. 731" eingeliefert wurden, wo m a n die genannten „Versuche" an lebenden Menschen durchführte. I m Prozeß von Chabarowsk wurde festgestellt, daß im Jahre 1944 die japanische „Abteilung Nr. 100" Wasserreservoire in dem an der Grenze der 110
M a T e p n a j ü i c y a e Ö H O r o n p o n ; e c c a n o flejry ÖMBÜHIX BoeHHOCjryjKamHX smoHCKofi apMHH, O6BHBHeMHX
111
B nojuOTOBKe H npHMGHGHHH ö a i c r e p H O j r o r H ' i e c K o r o o p y a r a a ,
Verlag für politische Li-
teratur, 1950, S. 414. Ebenda, S. 413.
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Sowjetunion gelegenen „Triretsche"-Gebiet verseuchte. Im Jahre 1945 wurde eine Expedition zwecks Vorbereitung des bakteriologischen Krieges gegen die Mongolische Volksrepublik organisiert. Damals trafen die japanischen Räuber die letzten Vorbereitungen, um mit bakteriologischen Angriffen gegen die Sowjetunion in großem Maßstab beginnen zu können. Den japanischen Räubern gelang es nicht, ihre ungeheuerlichen Absichten in die Tat umzusetzen. Die Sowjetarmee zerriß rechtzeitig die verbrecherischen Pläne des räuberischen japanischen Imperialismus.112 Das Krim-Abkommen der drei Mächte bezüglich der Fragen des Fernen Ostens Im Januar 1945 kämpften die sowjetischen Streitkräfte bereits auf deutschem Territorium, an der Oder, gegen die Hitlerfaschisten. Die Sowjetarmee versetzte den deutsch-faschistischen Truppen die letzten Schläge; die Stunde des endgültigen Zusammenbruchs Hitlerdeutschlands rückte heran. Trotz des offensichtlichen Bankrotts des ganzen räuberischen Unternehmens der „Achsen"-Mächte erklärte der japanische Außenminister Shigemitsu auf der 86. Sitzung des japanischen Parlaments erneut, daß die „Verbindungen des Kaiserreiches mit den Verbündeten immer fester werden und daß Japan, gemeinsam mit seinen Verbündeten, diesen Krieg bis zum Schluß führen wird." 113 Die herrschende Clique Japans wollte die Waffen nicht niederlegen. Die Teilnahme Japans am Drei-Mächte-Pakt vom 27. September 1940, der vom ehemaligen japanischen Außenminister Konoye als „hauptsächlich gegen die UdSSR gerichtetes Kriegsbündnis" charakterisiert wurde, sowie die gesamte vorhergegangene Räuberpolitik des japanischen Imperialismus gegenüber dem Sowjetstaat bis 1941 und während des Großen Vaterländischen Krieges des Sowjetvolkes gegen Hitlerdeutschland verpflichtete die Sowjetunion, militärische Maßnahmen zu treffen, um die fernöstlichen Küsten der Sowjetunion vor weiteren Bedrohungen durch den japanischen Aggressor zu schützen. Am 11. Februar 1945 unterschrieben die leitenden Staatsmänner der drei Großmächte, der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens, auf der Konferenz in Jalta ein Abkommen, das den Kriegseintritt der 112
lls
Der Kriegsverbrecher Yamada, ehemaliger Oberbefehlshaber der japanischen KwantungArmee, sagte im Prozeß von Chabarowsk folgendes aus: „Der Kriegseintritt der SowjetUnion gegen Japan und der ungestüme Vormarsch der Sowjetarmee bis ins Innere der Mandschurei nahm uns die Möglichkeit, die bakteriologische Waffe gegen die UdSSR und andere Länder einzusetzen". Siehe MaTepHaJiH ovaeÖHoro npoijecca no J M y CMBIIIHX BoeHHorayacam^x anoncKoä apMHH, oÖBHHaeMux B nOÄroTOBKe H npHMeHCHHH 6aKTepH0Ji0rHHecicoro opyjKHH, Verlag für politische Literatur, 1950, S. 99. Aus der Rede des Anklägers der UdSSR vor dem Internationalen Militärtribunal in Tokio am 8. Oktober 1946; «HpaBfla» vom 11. Oktober 1946.
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UdSSR gegen Japan auf der Seite der Alliierten zwei bis drei Monate nach der Kapitulation Deutschlands unter folgenden Bedingungen vorsah: „1- Aufrechterhaltung des Status quo in der äußeren Mongolei (Mongolische Volksrepublik); 2. Wiederherstellung der Rußland zustehenden Rechte, die durch den hinterhältigen Angriff Japans im Jahre 1904 verletzt worden waren, und zwar: a) Rückgabe des Südteils der Insel Sachalin und ciller ihr benachbarten Inseln an die Sowjetunion; b) Internationalisierung des Handelshafens von Dairen unter Sicherung der vorwiegenden Interessen der Sowjetunion in diesem Hafen und Wiederherstellung der Pacht von Port Arthur als eines Marinestützpunktes der UdSSR; c) gemeinsame Bewirtschaftung der Ostchinesischen Bahn und der Südmandschurischen Bahn, die die Verbindung nach Dairen ermöglicht, auf der Grundlage der Organisation einer gemischten Sowjetisch-Chinesischen Gesellschaft und unter Sicherung der vorwiegenden Interessen der Sowjetunion, wobei beabsichtigt ist, die volle Souveränität Chinas in der Mandschurei zu erhalten. 3. Übergabe der Kurilen-Inseln an die Sowjetunion." 114 Dieses Abkommen sah eine Übereinkunft mit der chinesischen Regierung unter Vermittlung des USA-Präsidenten Franklin Roosevelt in all den Punkten vor, die sich auf die Mongolische Volksrepublik und auf die erwähnten Häfen und Eisenbahnen bezogen. Die Sowjetunion erklärte ihre Bereitschaft, einen „Freundschafts- und Bündnispakt mit China abzuschließen, um letzterem mit ihren Streitkräften bei der Befreiung Chinas vom japanischen Joch Hilfe zu leisten." 115
Die Kündigung des sowjetisch-japanischen Neutralitätsvertragee durch die Sowjetregierung Am 5. April 1945 gab der Volkskommissar f ü r Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, W. M. Molotow, im Namen der Sowjetregierung gemäß Artikel 3 des sowjetisch-japanischen Vertrages vom 13. April 1941 dem japanischen Botschafter Sato eine Erklärung über die Kündigung dieses Vertrages ab, der unterzeichnet worden war „. . . vor dem Überfall Deutschlands auf die UdSSR und vor der Entstehung des Krieges zwischen Japan einerseits und England und den Vereinigten Staaten andererseits. Seit dieser Zeit hat sich die Lage grundlegend geändert. Deutschland überfiel die UdSSR, und Japan, der Verbündete Deutschlands, hilft letzterem im Kriege gegen die UdSSR. Außerdem führt Japan Krieg gegen die USA und England, die Verbündete der Sowjetunion sind. 114
BHenraaa noMTHita CoBeicicoro Coi()3a B nepnoj OxeiecTBeHHofi BOHHH, Bd. III, S. 111.
Iis Ebenda, S. 112.
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I n dieser Situation verliert der Neutralitätsvertrag zwischen Japan und der UdSSR seinen Sinn und die Verlängerung dieses Vertrages ist unmöglich geworden." 118 Die Erklärung der Sowjetregierung war eine ernste Warnung an die japanischen Imperialisten. 117 Die Niederlage Hitlerdeut9chlands und ihr Einfluß auf den Verlauf des Pazifik-Krieges Am 2. Mai 1945 besetzte die siegreiche Sowjetarmee Berlin. Hitlerdeutschland wurde zermalmt. Ruhmlos endete die aggressive faschistische „Achse" Berlin—Tokio. Vor den Augen der Welt begann sich der abenteuerliche Charakter der verbrecherischen Welteroberungspolitik, die die faschistischen Aggressoren im Osten und Westen mit bornierter, aber methodischer Grausamkeit durchzuführen versucht hatten, zu offenbaren. Die zügellose japanische Militärclique und die herrschenden Kreise Japans wollten jedoch ihre Niederlage nicht anerkennen. Sie klammerten sich hartnäckig an die Idee eines Kompromißfriedens mit den USA und England. U m aber die herrschenden Kreise der angelsächsischen Mächte zu einem Übereinkommen mit Japan zu zwingen, trachteten die japanischen Imperialisten danach, den Krieg möglichst in die Länge zu ziehen. Am 15. Mai 1945 erklärte ein Vertreter der japanischen Regierung, daß infolge der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands das am 11. Dezember 1941 zwischen Japan, Deutschland und Italien abgeschlossene Militärbündnis, der am 27. September 1940 abgeschlossene Dreimächtepakt und anderer Abkommen, die eine besondere Zusammenarbeit zwischen Japan, Deutschland und anderen europäischen Mächten vorgesehen hatten, außer Kraft treten. Gleichzeitig wandte sich die Regierung des Admirals Suzuki (der zur reaktionären Hofclique gehörte) inoffiziell mit einem Waffenstillstandsvorschlag an die Vereinigten Staaten von Amerika. In diesen Vorschlägen, die auf dem Wege einer diplomatischen Sondierung vorgetragen wurden, erschienen Punkte wie z. B. die Zustimmung zur Rückführung japanischer Truppen aus Indonesien, Indochina und Malaya. 118 Der japanische Faschismus rechnete darauf, mit den USA ein Kompromiß über die Mandschurei und Nordchina zu erreichen. Die japanischen Imperialisten hofften weiterhin, den Pazifik-Krieg nicht durch eine bedingungslose Kapitulation, sondern durch einen kompromißlerischen imperialistischen Vergleich zu beenden. Die japanische Militärclique glaubte, indem sie 116
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CoBeTCKoro CoM3a B nepnoa OieiecTBeHHoft BOÖHBI, Bd. III, S. 166. Noch am 50. März 1944 hatte die Sowjetregierung die Unterzeichnung eines sowjetischjapanischen Abkommens über die Liquidierung der japanischen Kohle- und Erdölkonzessionen in Nordsachalin und über die Annulierung der am 14. Dezember 1925 abgeschlossenen Konzessionsverträge erzielt. MnpoBoe XO3HHCTBO H MupoBaa nojiHTHKa Nr. 7, Juli 1945, S. 20. BHCIUHHH ITOJIHTHKA
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den Krieg fortsetzte, es wäre noch nicht alles verloren. Große H o f f n u n g e n setzten die japanischen Politiker auf ihre Freunde in den U S A und in England, die gegen die Demokratisierung Japans kämpften. Diese „Freunde" beharrten schon lange auf einem Kompromißfrieden mit dem japanischen Imperialismus, da, wie sie behaupteten, am Stillen Ozean ein sowjetfeindliches Japan nötig wäre. 119 Die herrschenden Kreise Japans, die auf eine Verlängerung des Krieges Kurs nahmen, rechneten damit, daß die Meinungsverschiedenheiten zwischen den a n der AntiHitler-Koalition beteiligten Staaten ihnen die Möglichkeit verschaffen würden, f ü r Japan mehr oder weniger günstige Friedensbedingungen auszuhandeln. D i e japanischen Imperialisten nahmen an, daß es u m so leichter fallen werde, von den USA und von England einen Verzicht auf die bedingungslose Kapitulation zu erreichen, je mehr Hartnäckigkeit die japanischen Streitkräfte an den T a g legten. Diese Erwägungen wurden dadurch verstärkt, daß japanische Militärkreise an die reale Möglichkeit glaubten, den anglo-amerikanischen Streitkräften noch lange widerstehen zu können. Das japanische Oberkommando ging davon aus, daß die E n t f a l t u n g großer militärischer Operationen der Landstreitkräfte in China oder auf den Japanischen Inseln (in Verbindung mit einer Verkürzung der Frontlinie) f ü r die japanische Armee günstigere Bedingungen schaffen werde. Das japanische Oberkommando beabsichtigte, seine Armeen auf dem asiatischen Kontinent und auf dem eigenen japanischen Territorium zu einer einzigen mächtigen Faust zusammenzuballen, da es dann über bessere Verbindungslinien verfügte. D i e japanische Militärclique hatte vor, sich auf dem Territorium Chinas und Koreas, unter maximaler Ausnutzung der Bodenschätze Koreas, der Mandschurei und des Restteils des besetzten China, zu schlagen. Bei ihren Vorbereitungen zum Widerstand gegen die Anglo-Amerikaner auf dem eigentlich japanischen Territorium und auf dem Territorium Chinas zog die japanische Militärclique in Betracht, daß der Transport anglo-amerikanischer Truppen aus Europa nach dem Stillen Ozean viele Monate in Anspruch nehmen müsse. Tatsächlich beabsichtigten die amerikanischen Strategen, den Transport amerikanischer Truppen von Europa nach dem pazifischen Kriegsschauplatz erst Mitte 1946 zu beenden. D i e herrschenden Kreise der Vereinigten Staaten von Amerika glaubten, der Pazifik-Krieg werde sich mindestens bis 1947 hinziehen. Andrew Roth beschreibt in seinem Buch „Dilemma in Japan" die Stimmungen, die anläßlich des Schicksals des imperialistischen Japan 1944 und 1945 in London und Washington herrschten: „ . . . einige britische und amerikanische Konservative", schrieb Roth, „sind der Meinung, daß eine Wiedergeburt Japans dazu beitragen könnte, das weitere Anwachsen der Macht und des Prestiges der Sowjetunion aufzuhalten . . . Am 6. März 1944 erschien in der ,Daily Mail' eine Mitteilung, daß eine Gruppe von ToryFinanzleuten, Industriellen und Parlamentsmitgliedern die Kampagne für einen Kompromißfrieden mit Japan beginne. Sie setzten dabei das alte Gespenst des Kommunismus in Umlauf und erklärten beharrlich, Japan werde ein antikommunistisches Bollwerk in Asien bilden" (Andrew Roth, c. o., S. 26).
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Je mehr sich die militärischen Operationen an der Pazifik-Front den Japanischen Inseln näherten, desto mehr steigerte sich der Widerstand der japanischen Streitkräfte. Die UdSSR und die Potsdamer Deklaration Am 26. Juli 1945 wurde in Potsdam im Namen der USA, Englands und Chinas ein Aufruf veröffentlicht, der Japan zur bedingungslosen Kapitulation aufforderte. In diesem Aufruf wurde Japan vor den in Vorbereitung befindlichen „endgültigen Schlägen", die ihm drohten, gewarnt. Gleichzeitig formulierte die Potsdamer Deklaration die allgemeinen politischen Prinzipien, die auf das besiegte Japan Anwendung finden sollten. Sie bestehen in folgendem: ,, . . . Auf immer sollen Macht und Einfluß derer gebrochen werden, die das Volk Japans betrogen und es irreführten, indem sie es zwangen, den Weg weltweiter Eroberungen zu beschreiten . . . Die neue Weltordnung, die Sicherheit und Gerechtigkeit werden unmöglich sein, solange der verantwortungslose Militarismus nicht aus der Welt verjagt sein wird". „Die Bedingungen der Deklaration von Kairo werden erfüllt und die japanische Souveränität wird auf die Inseln Hondo, Hokkaido, Kyushiu und Shikoku beschränkt werden . . ." „Den Angehörigen der japanischen Streitkräfte soll nach ihrer Entwaffnung erlaubt werden, in ihre Heimat zurückzukehren, wo sie die Möglichkeit haben werden, einem friedlichen und arbeitsamen Leben nachzugehen". „Alle Kriegsverbrecher... müssen streng bestraft werden. Die japanische Regierung soll alles, was einer Wiedergeburt und Stärkung der demokratischen Tendenzen im japanischen Volke im Wege steht, beseitigen. Die Freiheit des Wortes, der Religion und des Denkens soll ebenso wie die Achtung vor den menschlichen Grundrechten wiederhergestellt werden". „Japan wird es gestattet sein, eine Industrie zu besitzen, die es ihm ermöglicht, seine Wirtschaft in Gang zu halten und den gerechten Reparationsforderungen nachzukommen, nicht aber solche Industriezweige, die es ihm erlauben, erneut für die Führung eines Krieges zu rüsten . . .". „Die Besatzungstruppen werden, . . . sobald eine friedlich gesinnte und verantwortungsbewußte Regierung gemäß dem freien Willensausdruck des japanischen Volkes geschaffen sein wird, aus Japan zurückgezogen werden."120 Die Sowjetregierung schloß sich offiziell der Potsdamer Deklaration an. Dennoch lehnte das imperialistische Japan jede Kapitulation ab. Nach Beendigung des Krieges in Europa waren die Sowjetunion und alle friedliebenden Völker an einer baldigen Wiederherstellung des Friedens in der ganzen Welt interessiert. Da das imperialistische Japan seine Aggression fortsetzte, bestand die dringendste Aufgabe darin, diese Aggression so schnell wie möglichst zu zerschlagen. „Die Sowjetunion", sagte W. M. Molotow, „konnte bei der Lösung dieser Aufgabe nicht beiseite stehen, weil gegenseitige Verpflichtungen zwischen der 120
CöopHHK ÄOKyMeHTOB, Außenministerium der U d S S R , 1947, S. 24.
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UdSSR und ihren Verbündeten bestanden und weil es die Interessen unserer Sicherheit im Osten dringend erforderten." 121
4. DIE NIEDERLAGE UND KAPITULATION DES IMPERIALISTISCHEN JAPAN Die Kriegserklärung der Sowjetunion an Japan (8. August 1945) Im Juli 1945 wandte sich die japanische Regierung, nachdem sie den Kapitulationsvorschlag abgelehnt hatte, mit der heuchlerischen Bitte an die Sowjetunion, diese möge in den Verhandlungen die Rolle eines Vermittlers übernehmen. Am 8. August 1945 empfing der Volkskommissar f ü r Auswärtige Angelegenheiten, W. M. Molotow, den japanischen Botschafter Sato und gab ihm im Namen der Sowjetregierung eine Erklärung zur Weiterleitung an die Regierung Japans ab. In dieser Erklärung hieß es: „Nach der Zerschlagung und Kapitulation Hitlerdeutschlands bleibt Japan die einzige Großmacht, die noch f ü r die Fortsetzung des Krieges eintritt. Die Forderung der drei Mächte, der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Chinas vom 26. Juli d. J. auf bedingungslose Kapitulation der Streitkräfte Japans wurde von Japan abgelehnt. Damit entbehrt der Vorschlag der japanischen Regierung an die Regierung der Sowjetunion, im Krieg im Fernen Osten die Mittlerrolle zu übernehmen, jeder Grundlage." 122 In der Erklärung der Sowjetregierung wurde auf den Anschluß der UdSSR an die Potsdamer Deklaration vom 26. Juli 1945 und auf die Annahme des Vorschlags der Alliierten, sich in den Krieg gegen die japanische Aggression einzuschalten, hingewiesen. „Die Sowjetregierung ist der Meinung" — hieß es in der Erklärung W. M. Molotows weiter — „daß diese ihre Politik das einzige Mittel ist, die Herbeiführung des Friedens zu beschleunigen, die Völker von weiteren Opfern und Leiden zu befreien und dem japanischen Volk die Möglichkeit zu geben, sich die Gefahren und Zerstörungen zu ersparen, die Deutschland erlitt, nachdem es eine bedingungslose Kapitulation ablehnte." 123 Die Sowjetregierung erklärte der japanischen Regierung, „daß sie sich vom 9. August an als im Kriegszustand mit Japan befindlich betrachtet." 124 So „trat die Sowjetunion in den Krieg gegen Japan ohne jegliche Verzögerung genau zu dem Zeitpunkt ein, der auf der Konferenz von Jalta vereinbart worden war." 125 121
B.
M . MOJIOTOB,
28-aa roaoBiiuraa Beamcoft
OKTH6PBCKOÄ CONHAMCTINECKOH PEB0JN0I;HH.
Rede
auf der Festsitzung des Moskauer Sowjet am 6. November 1945, Verlag für politische Literatur, 1945, S. 9. 122
BHemHHH nojiHTHKa CoBercKoro Coxwa
123
Ebenda, S. 563.
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Bd. III, S. 562—63.
« « Ebenda. 125
Note der Regierung der UdSSR an die Regierung der USA über den Friedensvertrag mit Japan, «HpaBna» vom 11. Juni 1951. 491
UdSSR und ihren Verbündeten bestanden und weil es die Interessen unserer Sicherheit im Osten dringend erforderten." 121
4. DIE NIEDERLAGE UND KAPITULATION DES IMPERIALISTISCHEN JAPAN Die Kriegserklärung der Sowjetunion an Japan (8. August 1945) Im Juli 1945 wandte sich die japanische Regierung, nachdem sie den Kapitulationsvorschlag abgelehnt hatte, mit der heuchlerischen Bitte an die Sowjetunion, diese möge in den Verhandlungen die Rolle eines Vermittlers übernehmen. Am 8. August 1945 empfing der Volkskommissar f ü r Auswärtige Angelegenheiten, W. M. Molotow, den japanischen Botschafter Sato und gab ihm im Namen der Sowjetregierung eine Erklärung zur Weiterleitung an die Regierung Japans ab. In dieser Erklärung hieß es: „Nach der Zerschlagung und Kapitulation Hitlerdeutschlands bleibt Japan die einzige Großmacht, die noch f ü r die Fortsetzung des Krieges eintritt. Die Forderung der drei Mächte, der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Chinas vom 26. Juli d. J. auf bedingungslose Kapitulation der Streitkräfte Japans wurde von Japan abgelehnt. Damit entbehrt der Vorschlag der japanischen Regierung an die Regierung der Sowjetunion, im Krieg im Fernen Osten die Mittlerrolle zu übernehmen, jeder Grundlage." 122 In der Erklärung der Sowjetregierung wurde auf den Anschluß der UdSSR an die Potsdamer Deklaration vom 26. Juli 1945 und auf die Annahme des Vorschlags der Alliierten, sich in den Krieg gegen die japanische Aggression einzuschalten, hingewiesen. „Die Sowjetregierung ist der Meinung" — hieß es in der Erklärung W. M. Molotows weiter — „daß diese ihre Politik das einzige Mittel ist, die Herbeiführung des Friedens zu beschleunigen, die Völker von weiteren Opfern und Leiden zu befreien und dem japanischen Volk die Möglichkeit zu geben, sich die Gefahren und Zerstörungen zu ersparen, die Deutschland erlitt, nachdem es eine bedingungslose Kapitulation ablehnte." 123 Die Sowjetregierung erklärte der japanischen Regierung, „daß sie sich vom 9. August an als im Kriegszustand mit Japan befindlich betrachtet." 124 So „trat die Sowjetunion in den Krieg gegen Japan ohne jegliche Verzögerung genau zu dem Zeitpunkt ein, der auf der Konferenz von Jalta vereinbart worden war." 125 121
B.
M . MOJIOTOB,
28-aa roaoBiiuraa Beamcoft
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Rede
auf der Festsitzung des Moskauer Sowjet am 6. November 1945, Verlag für politische Literatur, 1945, S. 9. 122
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Bd. III, S. 562—63.
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Note der Regierung der UdSSR an die Regierung der USA über den Friedensvertrag mit Japan, «HpaBna» vom 11. Juni 1951. 491
Die Mongolische Volksrepublik schloß sich der E r k l ä r u n g der Sowjetregierung vom 8. August 1945 an. A m 10. August beschlossen der Kleine H u r a l und der Ministerrat der Mongolischen Volksrepublik auf ihrer gemeinsamen Sitzung einstimmig die Kriegserklärung an Japan. A m 6. August 1945 warfen die Amerikaner eine Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima. Einige Tage später wurde eine zweite Atombombe auf die Stadt Nagasaki abgeworfen. Die Anwendung einer solchen barbarischen W a f f e gegen die friedliche Bevölkerung der beiden Städte konnte den Verlauf der militärischen Operationen keineswegs beeinflussen und sie war auch gar nicht darauf berechnet. Sie verfolgte rein politische Ziele: der amerikanische Imperialismus rasselte mit dem Säbel, u m dadurch Menschen mit schwachen Nerven einzuschüchtern und die eigenen Ansprüche auf die führende Rolle in allen Angelegenheiten der Nachkriegsperiode zu unterstreichen. Die amerikanischen wie auch die englischen Imperialisten, die von den E r f a h rungen des Kampfes gegen Hitlerdeutschland ausgingen, verstanden sehr gut, daß selbst die vernichtendsten Luftangriffe auf die japanischen Industriezentren eine rasche Beendigung des Krieges nicht herbeiführen konnten. Die Rede des f r ü h e r e n britischen Premierministers Winston Churchill vor dem Unterhaus am 16. August 1945 bezeugt, daß selbst nach Anwendung der Atombombe das anglo-amerikanische Oberkommando nicht mit der Kapitulation Japans rechnete. 128 Churchill teilte in seiner Rede mit, daß er in den ersten T a g e n der Potsdamer Konferenz zusammen mit dem Präsidenten der USA, T r u m a n , von den Generalstäben Großbritanniens und der USA gemeinsam ausgearbeitete Pläne über die Vorbereitung großer Landungen und gigantischer Schlachten in Indonesien, Malaya und auf dem eigentlich japanischen Territorium angenommen habe. „Diese Operationen", sagte Churchill, „setzten Anstrengungen voraus, wie sie in diesem Kriege noch nicht gemacht worden waren, und niemand konnte voraussagen, wieviel Menschenleben englischer und amerikanischer Soldaten sie kosten und welche materiellen W e r t e sie erfordern würden. Noch weniger konnte m a n wissen, wie lange es dauern werde, u m den japanischen Widerstand auf den zahlreichen von ihm eroberten Territorien, und insbesondere in Japan selbst, zu brechen." 1 2 7 128
127
Der englische Professor Blackett weist in seinem 1948 erschienenen Buch „Militärische und politische Folgen der Atomenergie" darauf hin, daß die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben „die erste große Operation des kalten Krieges" darstellten, daß sie damals weniger für Kriegszwecke als für die „psychologische Wirkung" auf die ganze Welt berechnet waren. Die herrschenden Kreise Amerikas „sahen in die Zukunft" und wollten durch die Demonstration ihrer „Atomleistungen" im August 1945 die 'ganze Welt davon überzeugen, daß sie in der Nachkriegszeit mit der Macht der amerikanischen Beherrscher der Atombombe rechnen und sich ihrem imperialistischen Diktat unterwerfen müsse. Siehe M. S. Blackett, Military and political consequences of Atomic Energy, London 1948; deutsch: M. S. Blackett, Militärische und politische Folgen der Atomenergie, Berlin 1949. «IIpaBÄa» vom 19. August 1945.
492
Der historische Beschluß der Sowjetregierung über die Kriegserklärung an Japan bestimmte die Niederlage des japanischen Imperialismus binnen kürzester Frist im voraus. Vom 9. August 1945 an ging der Pazifik-Krieg in seine entscheidende Schlußetappe über. Die Kriegshandlungen der Sowjetarmee im Fernen Osten. Der Aufschwung der nationalen Befreiungsbewegung der Völker Ostasiens Die Erklärung der Sowjetregierung vom 8. August 1945 wurde von allen Völkern der Welt mit einem Gefühl tiefer Befriedigung aufgenommen. Das Sowjetvolk stimmte in Massenkundgebungen der weisen Entscheidung seiner Regierung lebhaft zu. Die Stunden des japanischen Imperialismus, des Hauptherdes des Faschismus und der Aggression im Osten, waren gezählt. Die herrschende Clique Japans wollte jedoch noch immer nicht an den Bankrott ihrer räuberischen Tätigkeit im Fernen Osten glauben. Sie hielt nach wie vor die Flüsse Amur und Ussuri f ü r unüberschreitbar, die Gebirgskette des Großen Chingan f ü r unbezwingbar und die von Waffen starrenden Bergkuppen an der mandschurischen Grenze, die rüehrstöckigen „Bunker-Sperren", die sich der Sowjetarmee entgegenstellten, f ü r unüberwindlich. Im Laufe vieler Jahre hatten die japanischen Imperialisten ihre Befestigungen an den Grenzen der Sowjetunion vervollständigt. Hinter den japanischen Befestigungen lag die KwantungArmee, die etwa eine Million Elite-Soldaten zählte. Sie konnte durch Reserven von anderthalb Millionen M a n n verstärkt werden. Die Erklärung der Sowjetregierung vom 8. August wurde von der japanischen Regierung nicht beantwortet. I n den frühen Morgenstunden des 9. August 1945 setzten sich alle drei sowjetischen Armeegruppen, die an der Front vom Baikal bis zum Stillen Ozean lagen, die Transbaikalische, die 1. und die 2. Fernöstliche Armeegruppe, in Bewegung und rückten von drei Seiten auf die Mandschurei vor. Die Pazifik-Flotte der UdSSR lief aus. Die Einheiten der Transbaikalischen Armeegruppe griffen im Zusammenwirken mit der Mongolischen Volksarmee an. Auch das mongolische Volk, das dank der Unterstützung und Hilfe des Sowjetvolkes befreit worden war und seine Volksrepublik geschaffen hatte, leistete seinen Beitrag zur Zerschlagung des japanischen Imperialismus. Schon in den ersten Stunden des Kampfes hatten die Einheiten der Transbaikalischen Armeegruppe, die vom Westen her die feindlichen Stellungen in der Mandschurei angriffen, den Argun-Fluß überschritten und den Kampf um den Bahnhof von Mandschuria eingeleitet. Diese erste Station des Westabschnittes der ostchinesischen Eisenbahn gelangte noch am 9. August in die Hände der sowjetischen Einheiten, die 20 km tief in die japanischen Verteidigungsstellungen eindrangen. Gleichzeitig drangen an anderen Abschnitten der Transbaikalischen Armeegruppe sowjetische motorisierte Einheiten 170 km in Richtung auf die Gebirgskette des Großen Chingan vor. Durch Einheiten der Transbaikalischen Armeegruppe wurden am 10. August die Stadt Chailar und die 493
Station. Argun, die der Gegner zu starken Verteidigungspunkten ausgebaut hatte, genommen. Am 13. August überschritten Einheiten dieser Armeegruppe die Gebirgskette des Großen Chingan. Am 9. August, in den ersten Stunden des Krieges, fügten Flugzeuge der Sowjetischen Pazifikflotte den japanischen Kriegshäfen in Korea •— Rashin, Seishin und Yuki — mächtige, massierte Schläge zu. Torpedokreuzer führten Angriffe auf japanische Seeverbindungen durch. Am 12. August besetzten Landungstruppen der Pazifik-Flotte die koreanischen Städte Yuki und Rashin. Der koreanische Hafen Seishin wurde am 14. August genommen. Die Truppenteile der 1. Fernöstlichen Armeegruppe, die von Osten her die Stellungen des Gegners in der Mandschurei angriffen, nahmen am 10. August die Station Pogranitschnaja ein, wobei sie drei stark befestigte Tunnels, die durch die hohen Berge getrieben worden waren, überwanden. Nachdem die Einheiten der 1. Fernöstlichen Armeegruppe den befestigten Bezirk von Tunnin durchbrochen und den Bahnhof von Tunnin eingenommen hatten, drangen sie in den ersten vier Tagen nach Beginn der Kriegshandlungen über 200 km im Bergtaiga- und Sumpfgelände vor. Nach hartem Kampf besetzten am 14. August diese Einheiten den großen Eisenbahnknotenpunkt Mutankiang. Die Truppen der 2. Fernöstlichen Armeegruppe entfalteten gemeinsam mit den Schiffen der Amur-Flotille bereits in den ersten Tagen der Kriegshandlungen erfolgreiche Operationen. Am 10. August überschritten diese Truppen den Amur im Bezirk von Blagowestschensk und drangen nach Einnahme der Städte Sachaljan und Aigun am Südufer des Flusses 15 km nach Süden vor. Einheiten der 2. Fernöstlichen Armeegruppe, die an beiden Ufern des Flusses Sungari kämpften, bemächtigten sich bereits am 16. August der Stadt Tschiamussu. Zwei Tage zuvor hatten Einheiten der 2. Fernöstlichen Armeegruppe den Grenzverteidigungsstreifen der Japaner auf der Insel Sachalin durchbrochen und waxen 15—20 km nach Süden vorgedrungen. Der Oberste Befehlshaber Generalissimus J . W. Stalin faßte in seinem Befehl vom 23. August 1945 die Ergebnisse der hervorragenden militärischen Operationen der sowjetischen Truppen und der Kriegsmarine von zwei Wochen Kampfestätigkeit im Fernen Osten wie folgt zusammen: „Mit Unterstützung eines mächtigen Artilleriefeuers und der Schläge der Luitwaffe haben unsere Truppen die tief gestaffelten Verteidigungsstellungen des Gegners an den Grenzen der Mandschurei durchbrochen, die Gebirgskette des Großen Chingan sowie die Flüsse Amur und Ussuri überwunden, drangen im ungestümen Angriff 500 bis 950 Kilometer in das Innere der Mandschurei vor und besetzten die ganze Mandschurei, Süd-Sachalin, sowie die Inseln Simusju und Paramuschir der Kurilen-Gruppe. . . . Schiffe und Einheiten der Pazifik-Flotte unter dem Oberbefehl des Admirals Jumaschew besetzten in Nord-Korea die Häfen und Städte Yuki, Rashin, Seishin, Ran an und Gensan." 128 188
«üpaBfla» vom 24. August 1945
494
Am 15. August 1945 brachte die Sowjetarmee dem koreanischen Volk, das mehr als 40 Jahre lang unter das japanische Kolonialjoch gebeugt worden war, die Befreiung. Die koreanischen Partisanen, die in den Berg- und Waldgebieten an der koreanisch-mandschurischen Grenze unter Führung des koreanischen Nationalhelden Kim Ir Sen kämpften, nahmen an der Zerschlagung der japanischen Kwantung-Armee aktiven Anteil. Der Einmarsch sowjetischer Truppen in das Territorium Nordkoreas wurde von den koreanischen Volksmassen mit allgemeinem Jubel begrüßt. Die koreanischen Kommunisten traten aus der Illegalität hervor. Sofort wurden in Nordkorea Gewerkschaften und andere demokratische Massenorganisationen und Parteien gegründet oder wiedererrichtet. Überall begann man Volksausschüsse als Organe der Volksmacht zu bilden. Die Sowjetarmee, die im August 1945 die Kwantung-Armee, die Hauptkraft der japanischen Imperialisten, zerschlug, spielte auch bei der Befreiung des chinesischen Volkes eine entscheidende Rolle. Der Eintritt der Sowjetunion in den Krieg gegen die japanischen Imperialisten löste einen begeisterten Aufschwung unter den chinesischen Demokraten aus. Sobald die sowjetischen Truppen die Grenzen der Mandschurei überschritten hatten, ging die Volksrevolutionäre Armee Chinas auf Befehl ihres Oberkommandierenden Tschu Teh am 10. August 1945 zur Generaloffensive gegen die japanischen Streitkräfte in Nordchina über. Aus Furcht vor einer völligen Einkesselung und Vernichtung ihrer Streitkräfte in China begannen die in der Mandschurei von den sowjetischen Truppen geschlagenen japanischen Imperialisten, sich aus der Inneren Mongolei und Nordchina auf die Großstädte Peking, Tientsin und Tsingtau zurückzuziehen. Das gab der 8. Volksrevolutionären Armee die Möglichkeit, fast das ganze Territorium Nordchinas mit den Großstädten Kaigan, Tschöngteh (Dschehol) und Tschifu rasch von den japanischen Eroberern zu befreien und in die Mandschurei einzudringen. 129 Die Neue 4. Volksrevolutionäre Armee, die in Zentralchina kämpfte, ging ebenfalls zur Offensive über und befreite ein ausgedehntes Gebiet Zentralchinas, wobei sie dicht an Nanking hereinkam und die Kämpfe bis an die Vorstädte von Schanghai vortrug. 130 „Das chinesische Volk und seine Befreiungsarmee", betonte Genosse Stalin, „spielte trotz der Machenschaften der Kuomintang eine große Rolle bei der Vernichtung der japanischen Imperialisten. Der Kampf des chinesischen Volkes und seiner Befreiungsarmee erleichterte ganz entschieden die Zerschlagung der japanischen Aggressionskräfte." 131 128
y i e H t i e 3anHCKH TnxooKeaHCKoro HHCTHTyTa ÄKaneMHH Hayn CCCP, Sammelband
China,
Bd. III, 1949, S. 79. "o Ebenda. 181 «IIpaBja» vom 5. September 1951.
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Die Beendigung der Kriegshandlungen im Fernen Ostra Einen Tag nach Beginn der Kampfhandlungen der sowjetischen Truppen im Fernen Osten, am 10. August, wandte sich der japanische Außenminister Togo im Namen seiner Regierung an den sowjetischen Botschafter in Tokio, J . A. Malik, mit einer Erklärung über die Bereitschaft der japanischen Regierung, die Bedingungen der Potsdamer Deklaration vom 26. Juli 1945, der sich die Sowjetunion angeschlossen hatte, anzunehmen.132 Am 11. August forderten die vier Regierungen (der UdSSR, der USA, Englands und Chinas) in ihrer Botschaft an die japanische Regierung die Einstellung der Kriegshandlungen und die Unterzeichnung der Urkunde über die bedingungslose Kapitulation. Am 14. August erklärte der japanische Kaiser Hirohito in Beantwortung dieser Botschaft die bedingungslose Kapitulation. Der japanische Kaiser brachte die Bereitschaft zum Ausdruck, „von sich aus an alle Kommandostellen der Land-, See- und Luftstreitkräfte sowie an alle ihnen unterstellten Streitkräfte, wo sie sich auch befinden mögen, den Befehl zu erlassen, die Kampfhandlungen zu beenden und die Waffen abzugeben, sowie auch alle anderen Befehle zu erteilen, die der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte fordern werde . . ," 133 Nichtsdestoweniger setzte Japan auch nach seiner Erklärung über die bedingungslose Kapitulation die Kriegshandlungen gegen die sowjetischen Truppen fort. Am 16. August gingen die japanischen Truppen an einigen Abschnitten der sowjetisch-j apanischen Front sogar zur Gegenoffensive über. Die sowjetischen Truppen wußten, mit welch hinterlistigem Feind sie es zu tun hatten und ließen in ihren Kampfanstrengungen nicht nach. In der am 16. August veröffentlichten Erklärung des Generalstabs der Roten Armee zur Kapitulation Japans hieß es: „1. Die vom japanischen Kaiser am 14. August abgegebene Erklärung über die Kapitulation Japans ist nur eine allgemeine Deklaration über die bedingungslose Kapitulation. Ein Befehl an die Streitkräfte zur Beendigung der Kampfhandlungen ist noch nicht gegeben worden und die japanischen Streitkräfte setzen ihren Widerstand nach wie vor fort. Infolgedessen gibt es noch keine effektive Kapitulation der Streitkräfte Japans. 2. Die Kapitulation der Streitkräfte Japans kann erst von dem Moment an gelten, da vom japanischen Kaiser der Befehl an seine Streitkräfte gegeben wird, die Kampfhandlungen einzustellen und die Waffen niederzulegen, sofern dieser Befehl dann auch tatsächlich ausgeführt wird. 3. Aus den dargelegten Gründen werden die Streitkräfte der Sowjetunion im Fernen Osten ihre Angriffsoperationen gegen Japan fortsetzen." 134 BnemnaH noJiHTHKa CoBeTCKoro CoM3a «3 Ebenda, S. 380. Ebenda, S. 384. 132
496
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BOHHH,
Bd. III, S. 576.
Der Gegenangriff der Japaner brach unter den entschlossenen Schlägen der sowjetischen Truppen zusammen. Der Stab der Kwantung-Armee war gezwungen, sich durch Funkspruch an die sowjetischen Truppen zu wenden und die Einstellung der Kampfhandlungen vorzuschlagen. Aber selbst in diesem Funkspruch erwähnten die Japaner die Kapitulation ihrer Streitkräfte in der Mandschurei mit keinem Wort. Die bankrotten japanischen Imperialisten rechneten damit, daß die amerikanischen Reaktionäre ihren Eifer in der „Abwehr" der sowjetischen Truppen in der Mandschurei ermutigen würden. Die japanische Oligarchie, in der das Bündnis des Konzernringes „Dsaibatsu" mit den Militaristen ihren Ausdruck fand, erwartete einen Konflikt zwischen der UdSSR und ihren Verbündeten und hoffte, darin ihre Rettung zu finden. Am 17. August schlug der Oberbefehlshaber der sowjetischen Truppen im Fernen Osten dem Befehlshaber der Kwantung-Armee vor, ,,. . . ab 12 Uhr des 20. August alle Kampfhandlungen gegen die sowjetischen Truppen an der gesamten Front einzustellen, die Waffen niederzulegen und sich gefangen zu geben". Immerhin war die Sowjetarmee genötigt, einen Monat lang blutige Kämpfe zu führen, da die Kwantung-Armee ihren Widerstand so lange fortsetzte. Nachdem die Sowjetarmee in der Mandschurei 22 japanische Divisionen zerschlagen hatte, beendete sie gemeinsam mit der Kriegsmarine erfolgreich die Operationen zur Befreiung ganz Süd-Sachalins und der Kurilen-Inseln. I m Gesamtergebnis „gaben sich unseren Truppen mehr als 594 000 japanische Soldaten und Offiziere sowie 148 Generale gefangen, darunter fast 20 000 Verwundete. Die Japaner verloren allein an Toten mehr als 80 000 Soldaten und Offiziere." 135
Der sowjetisch-chinesische Vertrag vom 14. August 1945 I n den ersten Tagen des Krieges der Sowjetunion gegen Japan näherten sich die sowjetisch-chinesischen Besprechungen in Moskau, die bereits am 30. Juni 1945 begonnen hatten, ihrem Ende. Sie führten zur Unterzeichnung des Freundschafts- und Bündnisvertrages vom 14. August 1945 136 und zu einer ganzen Reihe von Abkommen zwischen der Sowjetunion und China. Artikel 1 des Vertrages verpflichtete beide Seiten, sich gegenseitig alle notwendige militärische Hilfe und sonstige Unterstützung während des Krieges zu leisten. Artikel 2 legte die Verpflichtung beider Seiten fest, „nicht in Separatverhandlungen mit Japan einzutreten und ohne gegenseitiges Einverständnis 135 Mitteilung des Sowjetischen Informationsbüros über „Die Verluste der Japaner und die Beute unserer Streitkräfte im Fernen Osten in der Zeit vom 9. August bis 9. September 1945", «IIpaBAa» vom 12. September 1945. 136
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OTGIGCTBGHHOH BOHHH,
Bd. III,
S.
458—461.
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keinen Waffenstillstand oder Friedensvertrag abzuschließen, weder mit der jetzigen japanischen Regierung, noch mit irgendwelchen anderen Regierungen oder Machtorganen, die in Japan errichtet werden könnten, sofern sie nicht eindeutig auf jegliche Aggressionsabsichten verzichten." 137 Artikel 3 bestimmte die Verpflichtung beider Seiten, „nach Beendigung des Krieges gegen Japan gemeinsam alle in ihrer Macht, stehenden Maßnahmen zu treffen, um eine Wiederholung der Aggression und eine Verletzung des Friedens durch Japan unmöglich zu machen", sowie die• gegenseitige Verpflichtung, einander Hilfe zu leisten, falls eine der Seiten „durch einen Angriff Japans in Kampfhandlungen «gegen dieses hineingezogen wird . . ."138 Der sowjetisch-chinesische Vertrag und die Abkommen vom 14. August 1945 wurden von der demokratischen Öffentlichkeit Chinas mit großer Befriedigung begrüßt, da in diesen Dokumenten die selbstlose, edelmütige Rolle der Sowjetunion bei der Herstellung eines dauerhaften Friedens im Fernen Osten zum Ausdruck kam. In jenen Tagen, als die sowjetisch-chinesischen Verhandlungen zu Ende gingen, erinnerte die demokratische Presse Chinas und die der UdSSR an das politische Vermächtnis des chinesischen Demokraten Sun Jat-sen, der sich am 11. März 1925, einige Stunden vor seinem Tode, mit folgenden Worten an das Zentrale Exekutivkomitee der UdSSR gewandt hatte: „Ich bin fest überzeugt, daß Ihr die Unterstützung, die Ihr bislang unserem Lande erwiesen habt, fortsetzen werdet. Indem ich von Euch, liebe Genossen, Abschied nehme, möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß bald der Tag anbricht, an dem die UdSSR ein mächtiges, freies China als seinen Freund und Verbündeten begrüßt und beide Verbündeten im großen Kampf für die Befreiung der unterdrückten Völker der Welt Schulter an Schulter dem Siege entgegenschreiten werden". Die herrschenden Kreise der Kuomintang zeigten jedoch zu diesem Vertrag eine andere Einstellung. Bald nach der Unterzeichnung des sowjetisch-chinesischen Vertrages vom 14. August 1-945 begann die Kuomintang-Regierung die vollkommen klaren und erschöpfenden Punkte des Vertrages völlig sinnentstellend auszulegen und gegen den Geist und den Wortlaut des Vertrages und der Abkommen zu verstoßen. Gleichzeitig mit dem Freundschafts- und Bündnisvertrag vom 14. August 1945 wurde zwischen der UdSSR und China ein Abkommen über die Chinesische Tschangtschun-Eisenbahn unterzeichnet. Im Artikel 1 des Abkommens hieß es: „Nach der Vertreibung der japanischen Streitkräfte aus den drei Ostprovinzen Chinas gehen die Hauptlinien der Ostchinesischen und der Südmandschurischen Eisenbahn, die von der Station Mandschuria bis zur Station Pogranitschnaja sowie von Charbin bis Dalni und Port Arthur verlaufen und die zu einer Eisenbahn unter der Bezeichnung „Chinesische Tschangtschun-Eisenbahn" vereinigt werden, in das gemeinsame Eigentum der UdSSR und der Chinesischen Republik über und werden von ihnen gemeinsam bewirtschaftet". 137
BHenmaa noimTmca CoBeTCKoro Coio3a B nepaoa OieiccTBennoH BOHHH, Bd. III, S. 459.
" 8 Ebenda, S. 459—460.
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Artikel 2 legte fest, daß „das Recht des gemeinschaftlichen Eigentums an den oben genannten Bahn beiden Seiten in gleichem M a ß e gehört und weder gänzlich noch teilweise abgetreten werden darf". Artikel 9 bestimmte die Verantwortung der chinesischen Regierung f ü r den Schutz der Bahnstrecke. Artikel 17 setzte die Gültigkeitsdauer des Abkommens auf 30 Jahre fest, wonach die Bahn mit dem gesamten Inventar entschädigungslos in das Eigent u m Chinas übergeht. 139 I n dem ebenfalls am 14. August 1945 zwischen der UdSSR und China abgeschlossenen Abkommen über Port Arthur 1 4 0 wurde festgelegt: „Um die Sicherheit Chinas und der UdSSR zu stärken und eine erneute Agression von Seiten Japans zu verhüten, willigt die Regierung der Chinesischen Republik in die gemeinsame Benutzung des Hafens Port A r t h u r als Marinestützpunkt durch beide vertragschließende Parteien ein." 1 4 1 Die Verteidigung des Marinestützpunktes vertraute die chinesische Regierung der Regierung der UdSSR an. Es wurde vorgesehen, daß „die Regierung der UdSSR zur Verteidigung des Marinestützpunktes dort die notwendigen Anlagen schafft, wobei die Regierung der UdSSR die Kosten trägt. 1 4 2 Punkt V I I I bestimmte, daß nach Ablauf der Geltungsfrist dieses Abkommens „sämtliche durch die UdSSR im erwähnten Bezirk geschaffenen Anlagen und der gemeinschaftliche Besitz entschädigungslos in das Eigentum der Chinesischen Regierung übergehen." 1 4 3 P u n k t I X legte die Geltungsfrist des Abkommens über Port A r t h u r auf 30 Jahre fest. Das gleichzeitig unterzeichnete Abkommen über den H a f e n Dalni erklärte Dalni zu einem „Freihafen, der f ü r den Handel und die Schiffahrt aller Länder offensteht." 1 4 4 Die chinesische Regierung verpflichtete sich, im H a f e n Dalni „Anlegestellen und Lagerräume zur Verpachtung an die UdSSR auf der Grundlage eines Sonderabkommens zur Verfügung zu stellen." 145 Außerdem wurden am 14. August 1945 eine Reihe anderer Dokumente unterzeichnet und Noten über die Anerkennung der Mongolischen Volksrepublik durch China ausgetauscht. 148 Die sowjetisch-chinesischen Abkommen des Jahres 1945 hatten eine große politische Bedeutung; sie bekundeten den unerschütterlichen Willen der Sowjetunion, 139
BHennma noJiHTHKa CoBeTCKOro CoH>3a
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BOÜHH,
Bd. III, S. 461—466.
"o Ebenda, S. 4 6 7 - ^ 6 8 . « i Ebenda, S. 467. Ebenda, i « Ebenda, S. 468. « * Ebenda, 469—471. « 5 Ebenda, S. 470. « » Ebenda, S. 475—476.
499
die Bande der Freundschaft und der Zusammenarbeit mit dem großen chinesischen Volk zu festigen. Die Kuomintang-Regierung Tschiang Kai-scheks tat jedoch alles, was in ihren Kräften stand, um die Bündnisbeziehungen zwischen China und der UdSSR zu sabotieren. Die Kuomintang-Führer, die das eigene Volk fürchteten, sich an die Macht klammerten und die reaktionärsten Kräfte im Lande unterstützten, hielten die imperialistischen Kreise der USA für die einzige Stütze ihres Regimes. Die Verhandlungen des Bevollmächtigten Tschiang Kai-scheks mit dem Vertreter des Oberbefehlshabers der japanischen Truppen in China (23. August 1945) Die Offensive der Volksrevolutionären Armee Chinas gegen die japanischen Truppen, die am 10. August 1945 auf Befehl Tschu Tehs begann und die die Streitkräfte der Japaner sowie deren Marionetten entwaffnen sollte, stiftete bei der Tschiang Kai-schek-Clique große Verwirrung. Die nach dem 10. August erfolgte Einnahme einer ganzen Reihe von Städten Nordchinas durch die Volksrevolutionäre Armee verstärkte die Positionen der chinesischen Demokratie ganz bedeutend. Da die Kuomintang-Truppen von der Aktionszone der Volksrevolutionären Armee weit entfernt lagen und infolgedessen auch keine Möglichkeit hatten, die Aktionen zur Entwaffnung der japanischen Truppen sowie der Truppen der Marionettenregierung zu hindern, beeilte sich Tschiang Kai-schek, die Verbindung mit dem Oberkommandierenden der japanischen Truppen,General Okamura, herzustellen und schlug diesem vor, die Waffen nicht an die Volksrevolutionäre Armee abzugeben. Am 23. August 1945 trafen sich der Bevollmächtigte Tschiang Kai-scheks und Ho Jin-tsins mit dem Vertreter des japanischen Oberkommandos, Imai. Der Kuomintang-Bevollmächtigte händigte Imai zwei „Zusatzbedingungen" zur japanischen Kapitulation aus, die dieser an den Oberbefehlshaber der japanischen Truppen, General Okamura, weiterleiten sollte: 1. Die japanischen Truppen wurden verpflichtet, bis zur Waffenübergabe an die vom Generalissimus Tschiang Kai-schek oder dem Oberbefehlshaber Ho Jin-tsin bezeichneten nationalen Truppen eine wirksame Verteidigung durchzuführen". Tschiang Kai-schek und Ho Jin-tsin ließen durch ihren Bevollmächtigten ihre Unzufriedenheit über die Handlungsweise der japanischen Garnisonen zum Ausdruck bringen, die bei dem Angriff der Volksrevolutionären Armee auf Kaiföng, Tientsin und Tschöngtschou „nicht Ein der Verteidigung dieser Punkte teilgenommen und gegenüber den damals an diesen Orten befindlichen Truppen Pang Ping-hsiungs,MingTschi-tschungs und anderer eine Haltung der Nichteinmischung eingenommen hatten." 147 147
Chinesische Verrätergenerale, die die projapanischen Truppen der Marionetten-Regierung während der japanischen Besetzung Chinas führten.
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2. Die Kuomintang-Regierung forderte vom japanischen Oberkommando in China wirksame Maßnahmen zum Kampf gegen die Volksrevolutionäre Armee; sie wies darauf hin, daß für die Einnahme beliebiger Punkte durch Nicht-Kuomintang-Truppen „die japanischen Truppen, die verpflichtet sind, diese Punkte zu befreien und sie unseren Truppen zu übergeben, die Verantwortung tragen." 148 Die von der Tschiang Kai-schek-Clique gestellten „zwei Zusatzbedingungen" zur japanischen Kapitulation bedeuteten die Beibehaltung der japanischen Okkupation und die Entfaltung des Krieges gegen die Volksrevolutionäre Armee mit Hilfe japanischer Truppen. Die Tschiang-Kai-schek-Clique war sich jedoch selbst im klaren darüber, daß der dauernde Einsatz japanischer Truppen auf chinesischem Territorium große Komplikationen für die Kuomintang-Führung mit sich bringen mußte. Tschiang Kai-schek und seine Clique erwarteten mit Ungeduld das Eintreffen amerikanischer Truppen in China, nachdem die Kampfhandlungen bereits völlig eingestellt worden waren. Die chinesischen Reaktionäre eigneten sich nicht nur die Früchte des Volkssieges an. Dienstfertig richteten sie ein die Amerikaner die Aufforderung, sich recht bald in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen, womit sie die Knechtung des Landes durch die amerikanischen Monopole vorbereiteten. Die Unterzeichnung der Urkunde über die Kapitulation Japans. Der Aufruf J . W. Stalins an das sowjetische Volk (2. September 1945) Am 28. August 1945 gingen die amerikanischen Truppen mit voller Unterstützung der japanischen Behörden zur Landung auf dem Territorium Japans über. Am 2. September 1945 wurde in Tokio die Urkunde über die bedingungslose Kapitulation Japans unterzeichnet. Diese Urkunde wurde im Namen des Kaisers, der japanischen Regierung und des japanischen kaiserlichen Hauptquartiers von Außenminister Mamoru Shigemitsu unterzeichnet, der nach der Demission der Regierung des Admirals Suzuki vom 15. August 1945 in das Kabinett des Prinzen Higashifeuni eingetreten war. Die zweite Unterschrift unter die Urkunde der bedingungslosen Kapitulation leistete der Chef des japanischen Generalstabes, General Umeju. 1 " Danach erfolgte die Gegenzeichnung der Urkunde durch die Vertreter der UdSSR, der USA, Englands, Chinas, Australiens, Kanadas, Frankreichs, Hollands und Neuseelands. Genosse Stalin sagte in seinem Aufruf an das sowjetische Volk vom 2. September 1945: „Doch hatte die Niederlage der russischen Truppen im Jahre 1904, im 148
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über
die
von
der
Tschiang Kai-schek-Clique
gestellten
zwei
Zusatz-
bedingungen zur japanischen Kapitulation, veröffentlicht im Buche ISHI. Bo-ßa, *IaH Kaft-nm — Bpar KHTaöcKoro Hapo.ua, S. 184. 149
BHonmaa nomTHKa CoBereKoro Co»3a B nepHoj OieiecTBeHHoä BOÄHH, Bd. III, S. 479—483.
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Russisch-Japanischen Krieg, im Bewußtsein des Volkes schwere Erinnerungen zurückgelassen. Diese Niederlage legte sich auf unser Land wie ein schwarzer Fleck. Unser Volk glaubte daran und wartete darauf, daß der Tag kommt, da Japan geschlagen und der Fleck getilgt wird. Vierzig Jahre haben wir, Menschen der alten Generation, auf diesen Tag gewartet. Und nun ist dieser Tag gekommen. Heute hat sich Japan als besiegt bekannt und die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet. Das bedeutet, daß Süd-Sachalin und die Kurilen ein die Sowjetunion fallen und von nun an nicht als Mittel zur Trennung der Sowjetunion vom Ozean und als Stützpunkt eines japanischen Überfalls auf unseren Fernen Osten dienen werden, sondern als Mittel der direkten Verbindung der Sowjetunion mit dem Ozean und als Stützpunkt der Verteidigung unseres Landes gegen die japanische Aggression." 160
150 J -w. Stalin, „Über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion", Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 236.
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Völker Burmas, Malayas, der Philippinen, Indonesiens, ermutigt durch die Vernichtung des Faschismus, durch die Siege der Sowjetunion und durch die Erfolge der demokratischen Kräfte in China, entfalteten einen in solchen Ausmaßen noch nie dagewesenen bewaffneten Kampf gegen ihre Unterdrücker, die Imperialisten. In Japan wuchsen und festigten sich die Kräfte der Demokratie trotz des volksfeindlichen Regimes der amerikanischen Besatzung und des Polizeiterrors der von den Amerikanern ermunterten japanischen Reaktion bedeutend. Das kam im Aufschwung der Arbeiterbewegung und in der steigenden Autorität der Avantgarde der Arbeiterklasse, der Kommunistischen Partei Japans, zum Ausdruck. Die Entwicklung der internationalen Beziehungen im Fernen Osten nach dem zweiten Weltkrieg spiegelt die erhebliche Schwächung der Positionen des Imperialismus wider, der seine kolonialen Reserven unwiederbringlich verliert und sich immer fester in den Netzen heftiger, unlösbarer Widersprüche verstrickt. Die aggressive Politik des amerikanischen Imperialismus trägt einen offensichtlich abenteuerlichen Charakter und drückt nicht Stärke, sondern ohnmächtige Erbitterung der Reaktionäre aus, die sich der Tatsache eines unaufhaltsam erstarkenden Lagers des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus gegenübersehen. Die Friedenspolitik der Sowjetunion, die dem aggressiven Kurs der USA und Englands gegenübersteht, und der das Lenin-Stalinsche Prinzip von der Möglichkeit des friedlichen Nebeneinanderbestehens und des Wettbewerbs der beiden Systeme zugrunde liegt, findet die Unterstützung Hunderter Millionen von Menschen in allen Ländern und Erdteilen. Diese Friedenspolitik entspricht den Lebensinteressen der einfachen Menschen in aller Welt und also auch in den Ländern des Fernen Ostens. Die Niederlage, die die aggressive Politik der USA in China erfuhr, ist eine ernste Warnung an die Liebhaber militärischer Abenteuer. Der Gang der historischen Ereignisse zeigt, daß „die Imperialisten unter den heutigen Verhältnissen, wenn sie den friedlichen Wettbewerb ablehnen und einen neuen Krieg entfesseln, unvermeidlich eine gerechte und entschlossene Empörung der Völker hervorrufen werden, daß der Imperialismus und die Aggression für immer von der Erde hinweggefegt werden." 5 Das Pazifische Problem nach dem zweiten Weltkrieg J. W. Stalin charakterisierte das Wesen des Pazifischen Problems als den Knotenpunkt der imperialistischen Widersprüche, die bedingt sind durch den Kampf um Rohstoffgebiete und Absatzmärkte in den pazifischen Ländern und um den Zutritt zu ihnen. Das Wesen des Pazifischen Problems ist der Kampf der imperialistischen Mächte um die Neuaufteilung der Kolonien und „Einflußsphären" im pazifischen Raum. Eine klassische Definition des Pazifischen Problems prägte Genosse Stalin B
W. M. Molotow, „Rede in der Wählerversammlung am 10. März 1950 in Moskau"; deutsch: „Neue Welt", Jg. 1950, H. 6, S. 15.
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in seinem politischen Rechenschaftsbericht auf dem XV. Parteitag der KPdSU (B) im Jahre 1927. Bei der Charakterisierung der wachsenden Ungleichmäßigkeit in der Entwicklung des Weltkapitalismus wies Genosse Stalin darauf hin, daß diese Entwicklung vor sich gehe „. . . auf dem Wege der Verdrängung und des Niedergangs der einen Länder, auf dem Wege des Vorrückens und Emporkommens der anderen, als ein Kampf auf Leben und Tod, der von den Kontinenten und Ländern um die Vorherrschaft auf dem Markt geführt wird. Das Zentrum der Wirtschaft verlagert sich von Europa nach Amerika, vom Atlantischen nach dem Großen Ozean. Dadurch wächst der relative Anteil Amerikas und Asiens am Welthandelsumsatz auf Kosten Europas." 8 Den Begriff „Pazifikproblem" erläuternd, sagte Genosse Stalin, jetzt sei „. . . die Frage der Neuaufteilung der Welt und der Einflußsphären, die die Basis der Auslandsmärkte bilden, in der Politik des Weltkapitalismus die Hauptfrage. Ich sagte bereits, daß die jetzige Verteilung der Kolonien und Einflußsphären, die im Ergebnis des letzten imperialistischen Krieges festgesetzt wurde, schon wieder veraltet ist. Sie befriedigt jetzt weder Nordamerika, das in Asien (vor allem in China) einzudringen sucht und sich nicht mit Südamerika begnügt, noch England, dessen Händen die Dominions und eine Reihe wichtigster Märkte im Osten entgleiten, noch Japan, das in China dauernd von England und Amerika ,gestört1 wird . . . Daher der .allgemeine' Drang nach einer Neuaufteilung der Märkte und Rohstoffquellen. Es braucht nicht erst bewiesen zu werden, daß die asiatischen Märkte und die Wege dahin die Hauptarena des Kampfes sind. Daher eine Reihe von Schlüsselproblemen, die Herde für neue Zusammenstöße bilden. Daher das sogenannte Pazifikproblem (Antagonismus Amerika—Japan—England) als Ursache des Kampfes um die Vorherrschaft in Asien und auf den Wegen dahin." 7 Der Krieg, den Japan 1941 gegen die Vereinigten Staaten von Amerika und England begann, war in entscheidendem Maße durch die Entwicklung der dem Pazifischen Problem zugrundeliegenden imperialistischen Widersprüche bedingt. Es besteht kein Zweifel, daß die Ergebnisse des zweiten Weltkrieges schwerwiegende Veränderungen des konkreten Inhalts des Pazifikproblems nicht nur in dem Sinne bewirkten, daß sich das Kräfteverhältnis der um die Neuaufteilung der Einflußsphären in diesem Raum kämpfenden Hauptkonkurrenten, der USA, Japans und Englands, veränderte. Die Stärkung der Kräfte der Demokratie und des Sozialismus im internationalen Maßstab, der Kampf der beiden Lager — des Lagers der Demokratie und des Lagers des Imperialismus — komplizierte dermaßen den Kampf zwischen den Imperialisten um „Einflußsphären" und Kolonien, insbesondere im Fernen Osten, daß die ganze Frage in völlig neuem Licht erschien. Die UdSSR, die stärkste pazifische Großmacht, setzte sich jederzeit unbeirrt für Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit der Völker ein; sie zerstörte die • J. W. Stalin, Werke, Bd. 10, S. 238. i Ebenda, S. 239/40.
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Kombinationen der Imperialisten, entlarvte ihre Provokationen u n d Intrigen. Die aktive Rolle der UdSSR als des größten, dem aggressiven Imperialismus entgegenwirkenden Friedensfaktors wuchs u m ein Vielfaches infolge der Zerschlagung der faschistischen Mächte im zweiten Weltkrieg. Die wesentlichste Veränderung, die den Inhalt des Pazifischen Problems beeinflußt, besteht darin, daß die Völker der ostasiatischen Länder, bisher Objekte der Aggression und der Kolonialpolitik der imperialistischen Mächte, bedeutend größere Möglichkeiten gewannen, sich gegen die aggressiven Kräfte erfolgreich zur Wehr zu setzen. Gestützt auf die Sowjetunion, leisten sie unter Ausnutzung der allgemeinen Schwächung des kapitalistischen Systems den imperialistischen Aggressoren einen wirksamen Widerstand. Die Bildung des antiimperialistischen, demokratischen Lagers erschwert den Imperialisten in hohem M a ß e die Verwirklichung ihrer räuberischen Pläne zur Aggression und zur Versklavung der Völker. Gleichzeitig werden jedoch die imperialistischen Widersprüche keinesfalls schwächer. Die Niederlage Japans im Krieg beseitigte keinesfalls die imperialistischen Widersprüche zwischen den am Kampf u m die Herrschaft im pazifischen R a u m Beteiligten, den USA, England und Japan, obwohl Japan vorübergehend aufhörte, eine selbständige Rolle in der internationalen Arena zu spielen. Der Kampf u m die Waren- und Kapitalmärkte flaute nicht ab, sondern verschärfte sich nach dem zweiten Weltkrieg beträchtlich. Es ist natürlich, daß die Zerschlagung Japans in keiner Weise das Pazifische Problem, im Sinne einer Beendigung des Kampfes der Imperialisten u m „Einflußsphären" im Stillen Ozean, aus der Welt geschafft hat. Es begann lediglich eine neue Etappe in der Entwicklung des Pazifischen Problems. Die USA, die als führende Aggressionsmacht, als Gendarm des sterbenden Kapitalismus auftreten, haben i n allem das Erbe des japanischen Imperialismus angetreten; dabei verfolgt ihre Politik noch weitgehendere Eroberungsziele. I m Gefolge des zweiten Weltkrieges gelang es den USA, eine militärische und politische Kontrolle über Japan, Südkorea, die Riukiu-Inseln, T a i w a n und die ehemaligen Mandatsinseln im Pazifik zu errichten. I n Nachahmung Japans versuchten die USA, ihre Herrschaft auf China auszudehnen, erlitten dabei aber einen Mißerfolg. Auf den Philippinen wird von den USA ebenfalls ein Regime kolonialer Unterdrückung aufrechterhalten. Durch Ausnutzung verschiedener Mittel ökonomischen und militärisch-politischen Druckes auf ihre „Bundesgenossen" schalten und walten sie faktisch als Herren in den von den f r a n zösischen Imperialisten besetzten Teilen von Vietnam, Laos und Kambodscha sowie auch in Thailand. Die U S A schlössen ein Bündnis mit den japanischen Reaktionären und bemühten sich, Japan in einen amerikanischen Satellitenstaat, einen amerikanischen Brückenkopf und zugleich Lieferanten von Soldaten f ü r einen dritten Weltkrieg umzuwandeln. Die Positionen des zweiten imperialistischen Staates im pazifischen Raum, Englands, sind nach dem zweiten Weltkrieg sehr ins Wanken geraten. Der eng509
lische Handel mit China ist fast zum Erliegen gekommen. Hongkong ist in den Händen der Engländer geblieben, hat jedoch seine frühere Bedeutung als „Handelstor" nach China verloren. England nahm sich den im Verlauf des Krieges von den Japanern eroberten Kolonialbesitz zurück. Die nationale Befreiungsbewegung in den Kolonien und Halbkolonien hatte jedoch so große Erfolge, daß die Lage der Imperialisten außerordentlich schwankend geworden ist. Bei der Unterdrückung der Befreiungsbewegung der Völker in den Kolonien ist der englische Imperialismus immer häufiger genötigt, die Hilfe der Vereinigten Staaten in Anspruch zu nehmen. Die amerikanischen Monopole nützen dies aus, um die ökonomischen Positionen Englands zu untergraben und in die englischen „Einflußsphären" einzudringen. Der englische Imperialismus befindet sich im Zustand einer besonderen Art von Abhängigkeit vom stärkeren USA-Imperialismus. Zur gleichen Zeit sind die imperialistischen Widersprüche zwischen England und Amerika nicht etwa schwächer geworden, sondern haben sich ihrem Wesen nach verschärft. Der Kampf um die Märkte wurde unter den Bedingungen der allgemeinen Einengung der kapitalistischen Herrschaftssphäre noch erbitterter. Der englische Imperialismus, der sich dem Druck der amerikanischen Monopolisten entgegenstemmt, dabei jedoch seine Schwäche fühlt, wählt als Methode der „Verteidigung" unter anderem den Weg der Angleichung und sogar einer gewissen Unterwerfung unter den amerikanischen Imperialismus. Das zeigte sich bei der Bildung eines aggressiven anglo-amerikanischen Blocks, in dem die U S A die führende Macht darstellen, England dagegen eine untergeordnete Rolle spielt. Die reaktionären Ziele der amerikanischen und englischen Nachkriegspolitik stimmen im Grunde genommen überein: die Aufgabe des amerikanisch-englischen Blocks besteht in der Vorbereitung eines Krieges gegen die UdSSR und die Länder der Volksdemokratie, im Kampf gegen die nationale Befreiungsbewegung der Völker der kolonialen und abhängigen Länder, im Kampf gegen die demokratischen, fortschrittlichen Kräfte in der ganzen Welt, insoweit diese Kräfte für den Frieden eintreten und sich den abenteuerlichen Aggressionsplänen der amerikanischen und englischen Imperialisten widersetzen. Das Bestehen des amerikanisch-englischen Blocks beendet jedoch keineswegs den Kampf zwischen den Mitgliedern des Blocks untereinander. So versuchen z. B. die U S A im Rahmen des Pazifischen Problems, das unter amerikanischer Kontrolle stehende Japan gegen England auszunutzen, indem sie jene Zweige des japanischen Exports beleben und finanzieren, die für die englischen Märkte eine Gefahr schaffen. Der aggressive amerikanische Imperialismus, der in seinem Streben nach der Weltherrschaft nach dem zweiten Weltkrieg ein ganzes System militärisch-politischer Blocks geschaffen hat, die sich gegen die UdSSR, die Länder der Volksdemokratie und gegen den Frieden richten, bemüht sich jetzt, einen sogenannten „Pazifik-Pakt" oder einen Block zustandezubringen, der aus den Kolonialmächten und den ihnen hörigen Marionettenregierungen in den Ländern Ost- und Südostasiens bestehen soll. 510
Die wichtigste Rolle in dem von den Vereinigten Staaten erstrebten aggressiven Pazifik-Pakt ist dem remilitarisierten Japan zugedacht. Gerade Japan ist ausersehen, einer der Hauptlieferanten von Kanonenfutter in dem Aggressionskrieg zu werden, der von den amerikanischen Imperialisten gegen die UdSSR, die Chinesische Volksrepublik und die übrigen demokratischen Kräfte in Europa und Asien vorbereitet wird. Die UdSSR und Nachkriegsjapan Ein wesentliches Moment in der Nachkriegsentwicklung der internationalen Beziehungen im Fernen Osten ist die Enthüllung der imperialistischen Ziele, die von den herrschenden Kreisen der USA und Englands im zweiten Weltkrieg verfolgt wurden. Die USA bekämpften in Japan ihren wichtigsten Nebenbuhler und Konkurrenten in der Auseinandersetzung um die imperialistische Herrschaft im pazifischen Raum. Dem amerikanischen wie auch dem englischen Imperialismus waren fortschrittliche, freiheitliche Ziele im Krieg gegen Hitlerdeutschland, das faschistische Italien und das militaristische Japan wesensfremd. Während sich die Sowjetunion an der Spitze der demokratischen Anti-Hitler-Koalition das Ziel der völligen militärisch-politischen Zerschlagung des Faschismus, der gerechten Bestrafung der Kriegsverbrecher, der Beseitigung der Wurzeln der faschistischen Aggression und der Errichtung eines dauerhaften Friedens auf dem Wege der Entmilitarisierung und Demokratisierung der besiegten aggressiven Staaten stellte, waren die imperialistischen Kreise der USA und Englands lediglich daran interessiert, dem faschistischen Deutschland und dem militaristischen Japan Kolonien und Einflußsphären zu rauben und ihre Stelle als Ausbeuter und Unterdrücker anderer Völker einzunehmen. Der amerikanische und der englische Imperialismus kennen natürlich kein Streben nach Errichtung eines wahrhaft dauerhaften, demokratischen Friedens im Fernen Osten. Schon die ersten Schritte der amerikanischen Besatzungsbehörden zeigten, daß die USA beabsichtigten, die Potsdamer Erklärung zu ignorieren. Das besondere Augenmerk der amerikanischen Besatzungsbehörden war von Anfang an darauf gerichtet, eine demokratische Umgestaltung, die geeignet wäre, Japans Umwandlung in einen friedlichen, demokratischen Staat zu gewährleisten, zu umgehen. Als Hauptziel der amerikanischen Besatzungspolitik gegenüber Japan erwies sich das Streben, die früheren reaktionären Einrichtungen nach geringfügigen Angleichungen an die Forderungen der amerikanischen Okkupanten zu erhalten, die Staatsmacht in den Händen der herrschenden Klassen — der Monopolisten und halbfeudalen Gutsherren — zu belassen, die fortschrittlichen Kräfte des Volkes niederzuhalten und die Herrschaft der amerikanischen Monopole zu errichten. Im Westen wie im Osten kämpft die UdSSR nach wie vor für einen dauerhaften, demokratischen Frieden. 511
Die wichtigste Rolle in dem von den Vereinigten Staaten erstrebten aggressiven Pazifik-Pakt ist dem remilitarisierten Japan zugedacht. Gerade Japan ist ausersehen, einer der Hauptlieferanten von Kanonenfutter in dem Aggressionskrieg zu werden, der von den amerikanischen Imperialisten gegen die UdSSR, die Chinesische Volksrepublik und die übrigen demokratischen Kräfte in Europa und Asien vorbereitet wird. Die UdSSR und Nachkriegsjapan Ein wesentliches Moment in der Nachkriegsentwicklung der internationalen Beziehungen im Fernen Osten ist die Enthüllung der imperialistischen Ziele, die von den herrschenden Kreisen der USA und Englands im zweiten Weltkrieg verfolgt wurden. Die USA bekämpften in Japan ihren wichtigsten Nebenbuhler und Konkurrenten in der Auseinandersetzung um die imperialistische Herrschaft im pazifischen Raum. Dem amerikanischen wie auch dem englischen Imperialismus waren fortschrittliche, freiheitliche Ziele im Krieg gegen Hitlerdeutschland, das faschistische Italien und das militaristische Japan wesensfremd. Während sich die Sowjetunion an der Spitze der demokratischen Anti-Hitler-Koalition das Ziel der völligen militärisch-politischen Zerschlagung des Faschismus, der gerechten Bestrafung der Kriegsverbrecher, der Beseitigung der Wurzeln der faschistischen Aggression und der Errichtung eines dauerhaften Friedens auf dem Wege der Entmilitarisierung und Demokratisierung der besiegten aggressiven Staaten stellte, waren die imperialistischen Kreise der USA und Englands lediglich daran interessiert, dem faschistischen Deutschland und dem militaristischen Japan Kolonien und Einflußsphären zu rauben und ihre Stelle als Ausbeuter und Unterdrücker anderer Völker einzunehmen. Der amerikanische und der englische Imperialismus kennen natürlich kein Streben nach Errichtung eines wahrhaft dauerhaften, demokratischen Friedens im Fernen Osten. Schon die ersten Schritte der amerikanischen Besatzungsbehörden zeigten, daß die USA beabsichtigten, die Potsdamer Erklärung zu ignorieren. Das besondere Augenmerk der amerikanischen Besatzungsbehörden war von Anfang an darauf gerichtet, eine demokratische Umgestaltung, die geeignet wäre, Japans Umwandlung in einen friedlichen, demokratischen Staat zu gewährleisten, zu umgehen. Als Hauptziel der amerikanischen Besatzungspolitik gegenüber Japan erwies sich das Streben, die früheren reaktionären Einrichtungen nach geringfügigen Angleichungen an die Forderungen der amerikanischen Okkupanten zu erhalten, die Staatsmacht in den Händen der herrschenden Klassen — der Monopolisten und halbfeudalen Gutsherren — zu belassen, die fortschrittlichen Kräfte des Volkes niederzuhalten und die Herrschaft der amerikanischen Monopole zu errichten. Im Westen wie im Osten kämpft die UdSSR nach wie vor für einen dauerhaften, demokratischen Frieden. 511
Gegenüber Japan bestand die UdSSR von Anfang an und besteht auch weiterhin auf der Verwirklichung der wichtigsten Bestimmungen der Potsdamer Deklaration vom 26. Juli 1945: über die Entwaffnung Japans und seine Umwandlung in einen nichtaggressiven, friedlichen Staat, über die Demokratisierung Japans, d. h. die Belebung der demokratischen Kräfte und die Machtenthebung und Zügelung jener reaktionären Kräfte, die Ursprung der Aggression nach außen und der Unterdrückung der Volksmassen im Inneren sind, sowie über die Leistung gerechter Reparationszahlungen durch Japan, die wenigstens, zum Teil den Schaden wiedergutzumachen vermögen, der den Völkern des Fernen Ostens und Südostasiens durch die japanische Aggression entstanden ist. Die UdSSR trat unbeirrbar für den baldigen Abschluß eines Friedensvertrages mit Japan ein, wobei sie die Ansicht vertrat, daß seine Vorbereitung, in Übereinstimmung mit den Potsdamer Beschlüssen, von einem dazu geschaffenen Organ, dem Rat der Außenminister der UdSSR, der USA, Englands und Chinas, zu vollziehen sei. Die Sowjetregierung wies wiederholt auf die Unzulässigkeit des Vorgehens der USA hin, die sich das ausschließliche Kontrollrecht über das besiegte Japan anmaßten und aneigneten. Die Entmilitarisierung und Demokratisierung Japans ist Sache aller Mächte, die wirklich am Krieg gegen Japan teilgenommen haben. Ohne die aktive Teilnahme der UdSSR an der Kontrolle über Japan ist die Realisierung der in Potsdam angenommenen fortschrittlichen Beschlüsse unmöglich. In diesem Sinne kommt den Vereinbarungen, die auf der Beratung der Außenminister der UdSSR, der USA und Englands im Dezember 1945 in Moskau erzielt wurden, große Bedeutung zu. Vom 16. bis 26. Dezember 1945 fand in Moskau eine Beratung der Außenminister der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika und Englands statt, auf der eine Reihe wichtiger Beschlüsse über fernöstliche Fragen gefaßt wurden. Diesen Beschlüssen der Außenminister der drei Mächte schloß sich auch China an. Die beharrliche Forderung der sowjetischen Seite, der einseitigen amerikanischen Kontrolle über Japan ein Ende zu bereiten, erzielte auf der Moskauer Beratung der Außenminister der drei Mächte den Beschluß, ein gemeinsames Organ aus Vertretern der drei Verbündeten zu bilden, das bevollmächtigt wurde, die Grundsätze der Japanpolitik zu formulieren, sowie einen alliierten Apparat zu schaffen, der die Kontrolle über Japan an Ort und Stelle ausüben sollte. Als Direktiv-Organ zur Ausarbeitung der politischen Grundlinie f ü r das besiegte Japan wurde die sogenannte Fernost-Kommission mit ständigem Sitz in Washington konstituiert. Die Funktionen der Kommission wurden dahingehend festgelegt, daß sie „die politische Linie, die Prinzipien und allgemeinen Grundlagen formuliert, nach deren Richtschnur Japan seine aus der Kapitulation erwachsenden Verpflichtungen erfüllen kann". Die Fernost-Kommission kann auf Antrag eines ihrer Mitglieder jede Direktive der Besatzungsbehörden und jeden beliebigen Beschluß überprüfen, der sich auf die politische Linie bezieht, die von der Kommission bestimmt wurde. 512
Die Fernost-Kommission setzte sich aus den Vertretern von elf Ländern zusammen: der UdSSR, der USA, Englands, Chinas, Frankreichs, Hollands, Kanadas, Australiens, Neuseelands, Indiens und der Philippinen. Später wurden noch zwei Länder in die Kommission aufgenommen: Burma und Pakistan. Ein sehr wichtiges Moment im Statut der Fernöstlichen Kommission ist die Bestimmung des § 2, Abschnitt V, folgenden Wortlauts: „ F ü r die Annahme eines Beschlusses durch die Kommission ist Einstimmigkeit nicht erforderlich unter der Bedingung, daß mit dem Beschluß zumindest die Mehrheit aller Vertreter einverstanden ist, einschließlich der Vertreter . . . der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreiches, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und Chinas . . . " Die Aufstellung des Prinzips der Einstimmigkeit zwischen den vier Großmächten — der Sowjetunion, der USA, Englands und Chinas — bei der Festlegung des Statuts der Fernost-Kommission war ein nicht unbedeutender Erfolg der sowjetischen Diplomatie. Die Anerkennung des Prinzips der Einstimmigkeit machte die Annahme einseitiger Beschlüsse durch die Fernost-Kommission, die i m Widerspruch zu den staatlichen Interessen der UdSSR stehen, unmöglich; sie bot eine Sicherung gegen die D u r c h f ü h r u n g von Mehrheitsbeschlüssen der Fernost-Kommission, die einem Diktat des anglo-amerikanischen imperialistischen Blocks entspringen mochten. Durch die amerikanische Politik der Abwendung von der internationalen Zusammenarbeit wurde jedoch die Fernost-Kommission faktisch in eine Lage versetzt, die ihr keine Möglichkeit f ü r eine fruchtbare Arbeit hinsichtlich der Demokratisierung und Entmilitarisierung Japans bot. Das zweite Organ, das auf der Moskauer Beratung der Außenminister geschaffen wurde, war der Alliierte R a t f ü r Japan mit Sitz in Tokio. E r war gegründet worden zum Zwecke der Konsultation mit dem Oberkommandierenden der Besatzungstruppen, „zu seiner Beratung in Fragen, die die E r f ü l l u n g der Kapitulationsbedingungen, die Okkupation und die Kontrolle über Japan betreffen, wie auch die E r f ü l l u n g der Direktiven, die diese Bedingungen ergänzen; schließlich, u m die Funktionen einer Kontrollbehörde auszuüben, die hierdurch konstituiert wird." 8 Der Alliierte R a t wurde gebildet aus dem Oberkommandierenden (oder seinem Stellvertreter), der gleichzeitig die U S A vertrat, sowie aus Vertretern der UdSSR, Chinas und des Britischen Empire (der letztere vertritt formell England, Australien, Neuseeland und Indien). I m besonderen wurde vorgesehen, daß, im Falle irgendein Mitglied des Alliiertenrates „nicht einverstanden ist mit dem Oberkommandierenden . . . hinsichtlich der D u r c h f ü h r u n g der politischen Linie der Fernost-Kommission in Fragen, die die Veränderung des Kontrollregimes sowie wesentliche Veränderungen in der Verfassungsstruktur und die Umbildung der japanischen Regier u n g im ganzen betreffen, der Oberkommandierende die Ausgabe von Befehlen 8
«BHenmaa nomimca CoBeTracoro Coio3a. .HoKyiieHTM h MaTepaaJiM», 4. September bis 31. Dezember 1945, Staatsverlag für politische Literatur, Moskau 1949, S. 159.
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bezüglich solcher Fragen solange einstellen wird, bis über sie eine Einigung in der Fernost-Kommission erfolgt."® Hingegen ist der Alliierte Rat nicht befugt, sich in Anordnungen der amerikanischen Militäradministration einzumischen. „ . . . Der Oberkommandierende ist die einzige Exekutivgewalt der alliierten Mächte in Japan. Er wird den Rat konsultieren und sich mit ihm beraten vor der Ausgabe von Befehlen in Fragen, die eine wesentliche Bedeutung haben, soweit die Umstände dies erlauben. Seine Beschlüsse zu diesen Fragen sind endgültig." 10 Die Bildung der Fernost-Kommission und des Alliierten Rates für Japan mußte dennoch als ernsthafter Schritt zur Beseitigung jener anormalen Lage erscheinen, bei der die USA nicht nur die Durchführung der militärischen Okkupation Japans ausschließlich für sich in Anspruch nahmen (kleinere, im Gebiet KureHiroshima stationierte australische Einheiten waren ebenfalls dem amerikanischen Kommando unterstellt), sondern auch die Festlegung der gesamten politischen Linie gegenüber dem besiegten Aggressor. Eine loyale Befolgung der auf der Moskauer Dezembertagung 1945 erzielten Vereinbarungen durch die amerikanische Seite hätte feste Garantien geboten, in Übereinstimmung mit der Potsdamer Erklärung die politischen und ökonomischen Probleme, die im Fernen Osten infolge der Kapitulation Japans entstanden, gemeinsam zu lösen. Die herrschenden Kreise der USA begannen jedoch, nicht nur die Potsdamer Beschlüsse, sondern auch die Beschlüsse der Moskauer Außenministerberatung in gröblichster Weise zu ignorieren. Die Empfehlungen der Fernost-Kommission wurden kaum beachtet; der Alliierte Rat für Japan war faktisch der Möglichkeit beraubt, seine Kontrollfunktionen auszuüben. Alle Macht in Japan lag in den Händen des reaktionären amerikanischen Generals Mac Arthur (er wurde im Frühjahr 1951 durch einen anderen Militaristen, General Ridgway, ersetzt), und die Auslegung der Potsdamer Deklaration erfolgte in völliger Abhängigkeit von der Willkür der reaktionären amerikanischen Militärclique. Mac Arthur gab in demagogischer Absicht, angeblich in Erfüllung der Forderungen der Potsdamer Deklaration und der Kapitulationsbedingungen Japans, eine Reihe von „Direktiven" heraus: Über die Liquidierung der japanischen Monopole, über die Säuberung der Behörden von Kriegsverbrechern, über die Auflösung der reaktionären Organisationen faschistischen Typs usw. In Wirklichkeit waren jedoch die von Mac Arthur diktierten „Reformen" nichts anderes als scheinheilige und fiktive Erklärungen über die „Demokratisierung" Japans. Der Anerkennung des Wortlautes der in der Potsdamer Deklaration dargelegten Prinzipien stand in der Praxis ihre völlige Ablehnung gegenüber. Es ist unmöglich, im Interesse eines langen und dauerhaften Friedens den japanischen Imperialismus zu liquidieren und die Wurzeln der japanischen Aggression auszumerzen, ohne Durchführung grundlegender demokratischer Umgestaltungen in Japan. Dazu gehören in erster Linie: 9
«Bnenrnna nojraTHica CoBeTCKoro CoK>3a. .HpKyMeHTbi H MaTepnajiu», 4. September bis 31. D e -
zember 1945, Staatsverlag für politische Literatur, Moskau 1949, S. 159—160. i» Ebenda, S. 159.
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1. Die Liquidierung des monarchistischen Systems, das den wichtigsten Anziehungspunkt aller reaktionären K r ä f t e in Japan darstellt. Eine wirkliche Demokratisierung des Landes ist unmöglich, solange die japanische Monarchie nicht beseitigt und einer der Hauptkriegsverbrecher, Kaiser Hirohito, vor Gericht gestellt ist, der die unmittelbare Verantwortung nicht n u r f ü r den Krieg trägt, sondern auch f ü r die verbrecherische Anwendung bakteriologischer Waffen durch die japanische Soldateska, die nach kaiserlichem Befehl handelte. 2. Die Beseitigung der großen monopolistischen Konzerne und Finanzcliquen („Dsaibatsu"). Die Konzentration der ökonomischen und politischen Macht in den Händen der Finanz- und Industrieoligarchie, die gleichzeitig auch das führende Zentrum der japanischen Kriegsindustrie ist, war stets eine der hauptsächlichsten Ursachen f ü r die zunehmende imperialistische Aggression Japans. Japan wäre es unmöglich gewesen, Eroberungskriege zu f ü h r e n und sich in koloniale Abenteuer zu stürzen, wenn nicht eine enge Verbindung bestanden hätte zwischen der reaktionären Kriegsmaschine — als dem wichtigsten Teil des japanischen monarchistischen Systems —• und den Trusts der Kriegsindustriellen, den „ H e r r e n " des imperialistischen Japan, den Inspiratoren und Organisatoren der Aggression. N u r unter der Bedingung einer völligen Umgestaltung und Neuorientierung der japanischen Industrie auf die Deckung des Friedensbedarfs der Zivilbevölkerung und der Liquidierung der Monopole und Kartelle kann die Vernichtung des japanischen militärisch-ökonomischen Potentials gewährleistet werden. 3. Die Liquidierung des feudalen Grundbesitzes, die unlösbar mit den allgemeinen Aufgaben der Entmilitarisierung Japans, mit der Umgestaltung seiner Wirtschaft, mit der Schaffung der Voraussetzungen f ü r eine demokratische Entwicklung des Landes verbunden ist. Ein Bollwerk der Reaktion Japans, eine der Quellen der Aggressivität des imperialistischen Japan ist die Klasse der Gutsbesitzer, die in der Regel vorkapitalistische Formen der Ausbeutung anwenden. E i n bedeutender Teil der japanischen Bauernschaft besitzt kein Land und stellt eine Masse von Pächtern oder Halbpächtern dar, die von den Gutsbesitzern ausgebeutet werden. Die japanische Bauernschaft befindet sich ständig unter dem Druck der Schuldknechtschaft gegenüber den Gutsbesitzern, den Hypothekenbanken sowie verschiedenen Spekulanten, die die Rechtlosigkeit der Landbevölkerung ausnutzen. Der feudale Grundbesitz ist ein Hemmschuh f ü r die normale gesellschaftliche Entwicklung des Landes, eines der Haupthindernisse f ü r die H e b u n g des kulturellen und materiellen Niveaus der breiten Massen des japanischen Volkes. Die außergewöhnliche Enge des inneren Marktes ist eine direkte Folge der Vorherrschaft der Gutsbesitzer, der A r m u t der Bauernschaft und der begrenzten K a u f k r a f t der großen Mehrheit der japanischen Bevölkerung. Die amerikanische Besatzungspolitik in Japan stellte sich jedoch von A n f a n g an antidemokratische, reaktionäre Ziele. Sie laufen darauf hinaus, eine u n u m schränkte politische, ökonomische und militärische Kontrolle der USA über Japan 515
zu errichten und es in ein amerikanisches Protektorat und in ein strategisches Aufmarschgelände des amerikanischen Imperialismus im Fernen Osten zu verwandeln, in eine Aggressionsbasis gegen China und andere asiatische Länder. Die amerikanischen Besatzungsbehörden sind bemüht, keinerlei soziale Veränderungen in Japan zuzulassen, die die Verwirklichung der amerikanischen Pläne hindern könnten. Aus diesem Grunde zielt die amerikanische Verwaltung in Japan konsequent auf die Erhaltung des kaiserlichen „Gehorsamkeitssystems" ab. Sie schützt und unterstützt den Kriegsverbrecher Kaiser Hirohito, die kapitalistischen Konzerne und die halbfeudalen Gutsbesitzer. Die amerikanischen Besatzungsbehörden haben die Vernichtung des japanischen Kriegspotentials noch nicht in Angriff genommen; sie betreiben im Gegenteil mit jedem Jahr offener die Wiederherstellung und den Ausbau der verschiedensten militärischen Objekte (Häfen, Flugplätze usw.). Die Säuberung der japanischen Regierungsbehörden von militaristischen und ultrachauvinistischen Elementen hatte formalen Charakter. Die Durchführung oblag den sich gegenseitig ablösenden reaktionären japanischen Regierungen: Shidehara, Joshida, des „Sozialisten" Katayama, Ashida, darauf erneut Joshida. Diese Regierungen taten ihr möglichstes, um viele Personen, die in der Vergangenheit mit den Militaristen Verbindung hatten, und sogar abgefeimte Faschisten auf verantwortlichen Posten zu belassen, darunter in der Polizei, in den örtlichen Machtorganen und im zentralen Regierungsapparat. Die amerikanischen Regierungskreise begannen, auf die beabsichtigte Einstellung der Entmilitarisierung und Demokratisierung Japans hinzuarbeiten. Die Direktiven und Deklarationen, die Dokumente und Befehle des amerikanischen Oberkommandierenden dienten selbst dann, wenn sie formal scheinheilige Hinweise auf die Potsdamer Deklaration enthielten, nur der Aufgabe, die Politik der Ermutigung der Reaktion und der Wiederbelebung des japanischen Militarismus zu verschleiern. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen den Beschlüssen der internationalen Organe über Japan und der amerikanischen Okkupationspraxis zeugen von der groben Verletzung, die sich die USA gegenüber ihren internationalen Verpflichtungen zuschulden kommen ließen. Die Vertreter der Sowjetunion entlarvten in der Fernost-Kommission und im Alliierten Rat für Japan unaufhörlich die Verlogenheit der amerikanischen JapanPolitik; sie legten und legen in ihren Reden wiederholt ein konkretes Programm für die Lösung der Nachkriegsprobleme Japans im Geiste eines echten, konsequenten Demokratismus dar. Ende 1948 brachte die Sowjetregierung in der Fernost-Kommission einen sehr wichtigen Vorschlag über das Ausmaß der industriellen Entwicklung Japans ein, der eine unbeschränkte Entwicklung der japanischen Friedensindustrie und ein Verbot der Kriegsindustrie vorsah. „Demgemäß besteht die Sowjetregierung auch auf dem völligen Verbot der Kriegsindustrie in Japan und auf der Einführung einer entsprechenden internationalen Kontrolle, um dort einen Wiederaufbau der Rüstungsindustrie nicht zuzulassen. Zugleich ist die Sowjetregierung jedoch der Ansicht, daß die Friedens516
industrie weder in Deutschland noch in Japan erdrosselt werden darf. Sowohl dem deutschen als auch dem japanischen Volke m u ß die Möglichkeit geboten werden, sich mit allem zu versorgen, was ihnen ihre eigene, den friedlichen Erfordernissen dienende Industrie liefern kann." 1 1 A m 9. Dezember 1948 lehnte die Fernost-Kommission den sowjetischen Vorschlag über das Ausmaß der industriellen Entwicklung Japans ab ; sie zeigte damit, daß ihre dem amerikanischen Diktat hörige Mehrheit nicht daran interessiertwar, die ökonomischen Schwierigkeiten zu beheben, unter denen das japanische Volk litt. Die amerikanische Politik in Japan geht von einer völlig entgegengesetzten Aufgabe aus: die japanische Kriegsindustrie wiederherzustellen und so die Entwicklung der japanischen Friedenswirtschaft einzuengen, u m sie in Abhängigkeit von den U S A zu bringen. I m November 1948 wurde die über zwei Jahre währende Gerichtsverhandlung gegen die japanischen Hauptkriegsverbrecher in Tokio abgeschlossen. Das internationale Militärgericht f ü r den Fernen Osten, bestehend aus Vertretern der UdSSR, der USA, Chinas, Englands, Australiens, Kanadas, Frankreichs, Hollands, Indiens und der Philippinen, erkannte eine Gruppe ehemaliger militärischer und politischer F ü h r e r des japanischen Imperialismus (Tojo, H i r a n u m a , Hirota, Koiso, Araki, Umeju, Oshima u. a.) der Vorbereitung, Organisierung und D u r c h f ü h r u n g eines Aggressionskrieges und anderer schwerster Verbrechen gegen die Menschlichkeit f ü r schuldig. Einige der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt (Tojo, Hirota u. a.), die übrigen zu Freiheitsstrafen von unterschiedlicher Dauer. Der Gerichtshof zog jedoch bei weitem nicht Edle japanischen Hauptkriegsverbrecher zur Verantwortung. Durch die Intervention der herrschenden Kreise der U S A und Englands entging der japanische Kaiser Hirohito dem Gericht, obwohl die Ergebnisse der Voruntersuchung und später das Prozeßmaterial ihn als aktiven Organisator des Aggressionskrieges völlig entlarvten. Auch einige andere Urheber der imperialistischen Aggression Japans wurden nicht vor Gericht gestellt — nämlich die Vertreter der japanischen Finanz- und Industrieoligarchie, die sogenannten,,Dsaibatsu",die die Politik der militärischen Abenteuer inspiriert und ihr die Richtung gewiesen hatten. Im Verlauf der sich außerordentlich in die Länge ziehenden Gerichtsverhandlung zeigte sich ganz klar, daß die Dienststellen der amerikanischen Militärverwaltung in Japan alle M a ß n a h m e n zu ihrer Behinderung ergriffen und eine Reihe von unzweifelhaft Schuldigen der Verantwortung entzogen. Die Vertreter der amerikanischen Militärclique, die während des Prozesses als offizielle Verteidiger der japanischen Kriegsverbrecher auftraten, benützten oft die Tribüne des Gerichtssaales zu provozierenden antisowjetischen Ausfällen. Ungeachtet dessen, daß der amerikanische Oberkommandierende das verhängte Urteil unverzüglich nach Beendigung des Prozesses bestätigte, erließ er 11
W. M. Molotow, „Der 51. Jahrestag der Großen Sozialistischen
Oktoberrevolution";
deutsch: „Für dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie", 1948, Nr. 22, S. 2.
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nach Ablauf von anderthalb Jahren, im März 1950, ein gesetzwidriges Zirkular, das die vorfristige Entlassung aller japanischen Hauptkriegsverbrecher genehmigte, die ihre H a f t laut Urteilsspruch des internationalen Militärgerichts in Tokio abbüßten. Die Sowjetregierung protestierte gegen dieses „Zirkular" und forderte seine Widerrufung. Die übermütig gewordene amerikanische Militärclique erklärte sich offen solidarisch mit den japanischen Kriegsverbrechern und hoffte, gemeinsam mit ihnen ebensolche internationale Abenteuer vollführen zu können, wie sie letztere auf die Anklagebank gebracht hatten. Die amerikanischen Besatzungsbehörden begünstigen auf jede Weise die Neuaufstellung von Streitkräften, die Erhaltung und Verwendung der Kader der monarchistischen Kriegsmaschine Japans. Am 1. Februar 1950 richtete die Sowjetregierung eine Note an die Regierungen der USA, Englands und Chinas, in der sie mitteilte, daß aus den Unterlagen des Prozesses vor dem Kriegsgericht des Militärbezirks Primorje in der Stadt Chabarowsk vom 25. bis 30. Dezember 1949 hervorgeht, daß japanische Regierungskreise unter Führung des Kaisers Hirohito im Verlauf vieler Jahre insgeheim den bakteriologischen Krieg, eines der unmenschlichsten Aggressionsmittel, vorbereitet haben. 12 Die Note der Sowjetregierung stellte fest, daß die in der Gerichtsverhandlung von Chabarowsk nachgewiesenen Tatsachen und das Urteil des Kriegsgerichts des Militärbezirks Primorje erhärten, daß u. a. auch der japanische Kaiser Hirohito eine führende Rolle bei der Vorbereitung und Durchführung des bakteriologischen Krieges, eines der schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gespielt hat. 13 In Übereinstimmung damit und unter Bezug auf den Beschluß der Fernost-Kommission vom 3. April 1946, daß f ü r die Untersuchung der Kriegsverbrechen im Fernen Osten der Oberkommandierende der alliierten Mächte „besondere internationale Kriegsgerichte ernennen soll", schlug die Regierung der UdSSR vor, in nächster Zeit „ein spezielles Internationales Kriegsgericht einzusetzen und dem genannten Internationalen Gericht folgende Personen als Kriegsverbrecher zu übergeben, die der schwersten Verbrechen gegen die Menschheit überführt sind: Kaiser Hirohito von Japan, die Generale Shiro Ishii, Masazo Kitano, Yujiro Wakamatsu und Yukio Kasahara." 11 Die Note der Sowjetregierung erfuhr einmütige Unterstützung seitens der demokratischen Weltöffentlichkeit, die empört war über die Grausamkeit der japanischen Soldateska und ihrer Inspiratoren. Die Regierung der Chinesischen Volksrepublik erklärte sich solidarisch mit dem Vorschlag der Sowjetregierung über die Bildung eines Sondergerichts f ü r den Kaiser Hirohito und andere Kriegsverbrecher. 12
«üpaBja»
vom 3. Februar
1950; deutsch: Beilage zur „Neuen
8. Februar 1950. 13
Ebenda.
14
«üpaBSa» vom 25. Mai 1950; deutsch: Ebenda, S. 8.
518
Zeit" Nr. 6 vom
Das Beweismaterial des Chabarowsker Prozesses zeigte klar, vor welchen schrecklichen Leiden die Menschheit bewahrt wurde dank des durchschlagenden Angriffs der Sowjetarmee in der Mandschurei im August 1945, der die kannibalischen Vorbereitungen der japanischen Soldateska f ü r den bakteriologischen Krieg zunichte machte. Ungeachtet der Offensichtlichkeit der grausamen Verbrechen, die Hirohito und seine Generale begangen hatten, gewährten die imperialistischen Kreise der USA den Kriegsverbrechern von neuem Schutz. Die Leitung der amerikanischen Militäradministration lehnte es ab, die Personen zu verhaften, die in der sowjetischen Note benannt wurden. Das Staatsdepartment der U S A übergab der Presse eine besondere Erklärung, in der es sich unzweideutig gegen die Auslieferung Hirohitos und der anderen japanischen Kriegsverbrecher an das Gericht aussprach. Dies war ein weiterer Beweis f ü r den erzreaktionären und aggressiven Kurs der amerikanischen Politik. Die Vereinigten Staaten unterstützten offen die japanischen Militaristen und die reaktionäre Monarchie in der Berechnung, sie in einem künftigen Krieg auszunutzen. Die USA, die mit der Vorbereitung eines neuen Krieges begonnen haben, fördern die verbrecherischen Pläne einer Verwendung von atomaren und bakteriologischen Waffen, die zur Massenvernichtung von Menschen bestimmt sind. Die sowjetischen Vertreter wiesen in ihren Erklärungen i n der Fernost Kommission, im Rat der Alliierten und in offiziellen Schreiben an MacArthur wiederholt auf die zahlreichen antidemokratischen M a ß n a h m e n hin, die die amerikanischen Okkupationsbehörden und die ihnen hörige reaktionäre japanische Regierung durchführten. So wurde in einer Erklärung des sowjetischen Mitgliedes im Rat der Alliierten f ü r Japan vom 28. August 1948 und i n der Erklärung des sowjetischen Vertreters in der Fernost-Kommission vom 5. J a n u a r 1950 darauf hingewiesen, daß die Direktive MacArthurs vom 22. Juli 1948 und die entsprechende Anordnung der japanischen Regierung darüber, daß es den Arbeitern und Angestellten staatlicher Einrichtungen und Betriebe verboten ist, an Streiks teilzunehmen und Kollektiwerhandlungen mit der Regierung zu führen, den Beschlüssen der Fernost-Kommission über die politische Grundlinie in bezug auf Japan nach seiner Kapitulation und über die Grundsätze der Organisation von japanischen Gewerkschaften widersprechen. Die oben angeführte, auf die Direktive MacArthurs gegründete Anordnung der japanischen Regierung verbietet den Angestellten und Arbeitern staatlicher Einrichtungen und Betriebe nicht nur, an Streiks teilzunehmen und Kollektiwerhandlungen m i t der Regierung zu führen, sondern beraubt sie auch aller politischen Rechte. Auf Grund dieser Anordnungen ist es allen Werktätigen, die durch den Koordinierungsrat der Gewerkschaften der Arbeiter in den staatlichen und öffentlichen Betrieben und Einrichtungen erfaßt sind, — insgesamt mehr als zwei Millionen Menschen, darunter über 600 000 Eisenbahner, 500 000 Lehrer usw. — verboten, politische Parteien und Organisationen zu unterstützen oder zu kritisieren, sich darin in leitenden Stellungen zu betätigen, das bestehende Kabinett zu kritisieren, die Auflösung irgendwelcher Organisationen oder die Entlassung irgendwelcher 519
Beamten zu fordern, an politischen Kampagnen teilzunehmen, Demonstrationen und Meetings zu organisieren, gedruckte Parteischriften herauszugeben oder zu verbreiten und schriftlich oder mündlich ihre politischen Ansichten darzulegen. I n seiner Erklärung vom 21. Dezember 1949 setzte das sowjetische Mitglied des Rates der Alliierten f ü r Japan den Rat über eine Reihe von Tatsachen in Kenntnis, wie unzählige Repressalien, grobe Gewaltakte der Polizei gegen die Teilnehmer von Meetings und Demonstrationen, Massenverhaftungen von Gewerkschaftsführern und fortschrittlich gesinnten Personen, ja sogar Verbote der gesetzlichen Tätigkeit von Gewerkschaften und gesellschaftlichen Organisationen. Der sowjetische Vertreter f ü h r t e in seiner Erklärung alarmierende Tatsachen über die Verfolgung demokratischer Organisationen an: die Zerschlagung der „Liga koreanischer Staatsangehöriger" und des „Demokratischen Jugendbundes Koreas", die in ihren Reihen 500 000 Menschen vereinigten, durch die Polizei am 9. September 1949; die Auseinanderjagung einer friedlichen Arbeiterdemonstration am 50. M a i 1949 in Tokio, wobei Hunderte von Demonstranten verwundet und verstümmelt wurden; der Willkürakt der Polizei vom 14. Juni 1949 gegen die Arbeiter des Stahlwerkes in Hiroshima, durch den 9 Arbeiter schwer und 325 leicht verletzt wurden u. a. m. I n der sowjetischen Erklärung wurde darauf hingewiesen, daß derartige M a ß n a h m e n der japanischen Regierung und der amerikanischen Okkupationsbehörden das Ziel verfolgen, dem japanischen Volk die elementarsten demokratischen Freiheiten und politischen Rechte vorzuenthalten, was direkt zur Wiedererstehung der faschistischen Zustände f ü h r e , die in Japan vor der Kapitulation geherrscht hatten. Am 6. Juni 1950 gab M a c A r t h u r dem Ministerpräsidenten Japans die unverschämte, provokatorische Anweisung, über 24 leitende Funktionäre der Kommunistischen Partei Japans Verbote und Beschränkungen zu verhängen, die sich aus der Direktive des Oberkommandierenden der Besatzungsstreitkräfte vom 4. Januar 1946 ergäben. Dabei w a r die angegebene Direktive gegen aktive Militaristen und Ultranationalisten gerichtet, die die führenden Organisatoren der japanischen Aggression waren, zur Zeit der Vorbereitung dieser Aggression die demokratischen Organisationen Japans verfolgten und die Tätigkeit der Kommunistischen Partei nicht zuließen. Am 7. Juni 1950 wies M a c A r t h u r die japanischen Behörden an, dieselben Verbote und Beschränkungen auf 17 verantwortliche Mitarbeiter des Zentralorgans der Kommunistischen Partei Japans, der Zeitung „Akahata", auszudehnen. Auf Grund dieser gesetzwidrigen amerikanischen Anweisungen verbot die japanische Regierung sieben vom japanischen Volk gewählten Parlamentsmitgliedern, an der Arbeit des Parlaments teilzunehmen. Ihnen allen wurde verboten, irgendeine politische, gesellschaftliche oder staatliche Tätigkeit auszuüben, Bücher herauszugeben oder neu aufzulegen, f ü r die Presse zu schreiben usw. Die amerikanischen Besatzungsbehörden und die reaktionäre Regierung Joshida bemühten sich, die Arbeiterbewegung Japans zu erdrosseln und die Kommunistische Partei, die einzige politische Partei, die den Kampf gegen Militarismus und Reaktion und f ü r die Verteidigung der demokratischen Rechte des 520
japanischen. Volkes und der nationalen Unabhängigkeit Japans f ü h r t , f ü r „ungesetzlich" zu erklären. A m 24. Juni 1950 richtete der sowjetische Vertreter im R a t der Alliierten f ü r Japan an M a c A r t h u r ein Schreiben, in dem er forderte: 1. Unverzüglich die Direktiven des Oberkommandierenden vom 6. und 7. J u n i 1950 zu widerrufen, desgleichen alle darauf gegründeten Anordnungen der japanischen Regierung, die die leitenden Funktionäre der Kommunistischen Partei Japans des ihnen zustehenden Rechtes berauben, eine politische und gesellschaftliche Tätigkeit auszuüben. Diese Anordnungen stellten eine Verletzung der Potsdamer Deklaration und der Beschlüsse der Fernost-Kommission über die Demokratisierung Japans dar. 2. Die japanische Regierung anzuweisen, unverzüglich mit der Polizeiwillkür Schluß zu machen, die Unterdrückung der Tätigkeit der Gewerkschaften und anderer demokratischer Organisationen nicht zuzulassen und die an der Ausf ü h r u n g polizeilicher Gewaltakte und Massenverhaftungen Schuldigen zu bestrafen. Der sowjetische Vertreter unterstützte die Beschwerde der Kommunistischen Partei Japans über die Willkür der amerikanisch-japanischen Reaktion und verurteilte entschieden die unverfrorene Handlungsweise der amerikanischen Okkupanten. Die sowjetischen Vertreter in der Fernost-Konimission und i m R a t der Alliierten f ü r Japan wiesen wiederholt auf die zahlreichen Beweise f ü r die Remilitarisierung Japans hin, die auf Initiative der amerikanischen Okkupationsbehörden vollzogen wird, insbesondere aber auf die Wiederherstellung der japanischen Armee unter dem Deckmantel eines „Polizeireservekorps". I n voller Ubereinstimmung mit dem Potsdamer Programm über die Entmilitarisierung und Demokratisierung Japans f ü h r t die Sowjetunion m i t aller Energie den Kampf u m den Frieden, gegen die Wiedererstehung des japanischen Militarismus, f ü r ein demokratisches und unabhängiges Japan, gegen die amerikanischen Pläne der Knechtung Japans und seiner Umwandlung in eine Basis der imperialistischen Aggression. Bereits 1947 hatte die Sowjetregierung vorgeschlagen, eine besondere Sitzung des Rates der Außenminister, bestehend aus Vertretern der UdSSR, der USA, Chinas und Englands, einzuberufen, wie dies im Potsdamer Abkommen vorgesehen war, um den Friedensvertrag mit Japan vorzubereiten. Dabei w a r beabsichtigt, alle Staaten, die mit ihren Streitkräften am Krieg gegen Japan teilgenommen hatten, zur Vorbereitung des Friedensvertrages heranzuziehen. Dieser wie auch die anderen Vorschläge der Sowjetunion, die eine beschleunigte Friedensregelung mit Japan bezweckten, blieben ohne positive Folgen, da sie auf den Widerstand der herrschenden Kreise der USA stießen. Diese Kreise beschritten den Weg der Vorbereitung einer ungesetzlichen, separaten „Friedensregelung" mit Japan. A m 29. März 1951 übersandte die Regierung der USA der Regierung der UdSSR das Projekt eines Friedensvertrages mit Japan, das unter Verletzung ihrer 521
internationalen Verpflichtungen von den herrschenden Kreisen der USA separat ausgearbeitet worden war. Am 7. Mai 1951 wurden dem amerikanischen Botschafter in Moskau die „Bemerkungen der Regierung der UdSSR zum USA-Entwurf eines Friedensvertrages mit Japan" überreicht. In diesem Dokument wies die Sowjetregierung vor allem darauf hin, daß „die Vorbereitung des Friedensvertrages mit Japan nicht Angelegenheit irgendeiner einzelnen Regierung sein kann, die ihrerseits die Meinungen anderer interessierter Regierungen einholt, sondern gemeinsame Sache aller dieser Regierungen sein muß, wie dies in den entsprechenden internationalen Abkommen vorgesehen ist"1 vom 12. Juni 1951; deutsch: Beilage zur „Neuen Zeit" Nr. 24 vom 15. Juni 1951, S. 2. Ebenda, S. 5.
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Gegenteil Japan auf den Weg der Aggression treibt, die den japanischen Staat bereits an den Rand des Abgrundes gebracht hatte, und daß dieser Entwurf folglich sowohl den Interessen der Sicherstellung eines dauerhaften Friedens i m Fernen Osten als auch den nationalen Interessen Japans selbst absolut z u w i d e r l ä u f t . " " I n der Note der Sowjetregierung wird darauf hingewiesen, daß die Regierung der USA, da sie es ablehnt, eine Frist f ü r den Abzug der Besatzungstruppen vom japanischen Territorium festzusetzen, offensichtlich bestrebt ist, die Besetzung Japans auch auf die Zeit nach Abschluß des Friedensvertrages auszudehnen, daß sie mit einer „Verlängerung der politischen und ökonomischen Abhängigkeit Japans von den USA . . . " rechnet. Dies kann jedoch n u r die Bemühungen um eine friedliche Regelung mit Japan und um die Festigung des Friedens im Fernen Osten untergraben. Die Sowjetregierung bestätigte in der Note vom 10. J u n i die in den ,.Bemerkungen'" zu dem amerikanischen Projekt eines Friedensvertrages Japans mit den USA enthaltenen Vorschläge über die Notwendigkeit, eine Frist f ü r den Abzug der Besatzungstruppen im Vertrag genau festzusetzen und in den Vertragstext die Bestimmung aufzunehmen, daß kein ausländischer Staat Truppen oder Militärstützpunkte in Japan unterhalten darf. I n der Note wurden auch die anderen Vorschläge der Sowjetregierung bestätigt: Über die Unzulässigkeit der Teilnahme Japans an einer Koalition gegen Staaten, die am Abschluß eines Friedensvertrages mit ihm interessiert sind, über die Aufhebung der Beschränkungen f ü r die Friedenswirtschaft Japans und den Handel Japans mit anderen Ländern, über die Gewährung von demokratischen Rechten an das japanische Volk, über die E r f ü l lung der Deklarationen von Kairo und Potsdam und des Jaltaer Abkommens i n territorialen Fragen. I n der Note der Sowjetregierung wurde den verleumderischen A n w ü r f e n gegen die UdSSR, zu denen sich die amerikanische Regierung in ihrer Note vom 19. M a i verstieg, die gebührende A b f u h r erteilt. Die Note entlarvte die erbärmlichen Anstrengungen der amerikanischen Geschichtsfälscher, die Rolle der Sowjetunion im Krieg gegen Japan zu verkleinern; sie wies darauf hin, daß die UdSSR genau zu dem auf der Konferenz von Jalta bestimmten Zeitpunkt in den Krieg gegen Japan eintrat, und zwar ohne jede Verzögerung; des weiteren wurde in der Note darauf hingewiesen, daß die Sowjetarmee blutige Kämpfe mit den japanischen Truppen g e f ü h r t hat, und zwar nicht nur sechs Tage (wie in dem amerikanischen Memorandum behauptet wird), sondern einen ganzen M o n a t lang, da die Kwantung-Armee trotz der kaiserlichen Kapitulationserklärung noch lange Widerstand leistete; es wurde ausgeführt, daß die Sowjetarmee in der Mandschurei 22 japanische Divisionen — die H a u p t k r ä f t e der japanischen Kwantung-Armee — zerschlug und ungefähr 600 000 japanische Soldaten und Offiziere gefangennahm; daß Japan erst nach dem ersten entscheidenden Schlag der Sowjettruppen gegen die Kwantung-Armee kapitulierte; weiterhin stellt die Note fest, daß schließlich 21
€H3BecTHH» vom 12. Juni 1951; deutsch: Beilage zur „Neuen Zeit" Nr. 24 vom 13. Juni 1951, S. 4.
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noch vor Eintritt der UdSSR in den Krieg gegen Japan in den Jahren 1941 bis 1945 die Sowjetunion an den Grenzen der Mandschurei bis zu 40 Divisionen stationiert hatte, die die ganze Kwantung-Armee banden und eben dadurch die Operationen Chinas und der USA im Krieg gegen die japanischen Militaristen erleichterten. Wie die Sowjetregierung, die in ihrer Note vom 10. Juni 1951 auf die Grundlosigkeit der Vorbehalte der USA gegen die E i n b e r u f u n g des Außenministerrates (der UdSSR, der USA, Englands und Chinas) zur Vorbereitung eines Friedensvertrages mit Japan verwies, feststellte, „will die USA-Regierung Japan keinen Friedensvertrag mit allen Staaten haben lassen, die sich mit ihm im Kriegszustand befanden. Statt f ü r einen multiliteralen Friedensvertrag zu sorgen, wollen die USA Japan einen Separatvertrag mit der Regierung der USA und deren Satelliten aufzwingen." 2 2 Das Bemühen der Regierungskreise der USA, die Sowjetunion und die Chinesische Volksrepublik von der Vorbereitung eines Friedensvertrages mit Japan fernzuhalten, mit H i l f e eines Separatvertrages die Abhängigkeit Japans von den USA f ü r die Folgezeit zu besiegeln und ein Militärabkommen mit Japan abzuschließen, zeugt davon, daß die Politik der USA im Fernen Osten keinesfalls auf friedliche Ziele, sondern auf die Schaffung „einer aggressiven Gruppierung im pazifischen R a u m " gerichtet ist. Die Richtigkeit dieser Einschätzung hat sich völlig bestätigt. Auf der von den Vereinigten Staaten einberufenen Konferenz in San Francisco fand am 8. September 1951 die Unterzeichnung des separaten,,Friedens "-Vertrages mit Japan statt, der mit einer w a h r h a f t friedlichen Regelung nichts gemein hat, sondern die Vorbereitung eines neuen Krieges verfolgt. Die Delegation der Sowjetunion auf dieser Konferenz entlarvte den willkürlichen, rechtswidrigen Charakter des Vorgehens der USA, die nicht einmal die Teilnahme von Vertretern der Chinesischen Volksrepublik zugelassen haben — des Staates, der am stärksten an einer friedlichen Regelung mit Japan interessiert ist. Der Führer der sowjetischen Delegation, A. A. Gromyko, enthüllte den imperialistischen und aggressiven, der Sache des Friedens und der Sicherheit im Fernen Osten feindlichen Charakter des der Konferenz aufgezwungenen amerikanischenglischen Entwurfs eines „Friedens"-Vertrages mit Japan. Wie A. A. Gromyko in seiner Rede vom 5. September 1951 erklärte, sieht der amerikanisch-englische Entwurf keinerlei Garantien gegen die Wiederherstellung des japanischen Militarismus vor und „schafft die Bedingungen f ü r die Wiedererstehung des japanischen Militarismus, die Gefahr einer Wiederholung der japanischen Aggression". D e r Entwurf legalisiert die Anwesenheit amerikanischer Streitkräfte auf japanischem Territorium und zielt auf eine „Teilnahme Japans an einem aggressiven Militärbündnis mit den Vereinigten Staaten" ab. „Der Entwurf ebnet den Weg f ü r die Teilnahme Japans an aggressiven Blocks im Fernen Osten, die unter dem Schutz der USA geschaffen werden." I n dem 22
f ü r Korea räuberisches Abkommen, das der Anwesenheit amerikanischer Militärberater (an 500 Mann) in Südkorea Gesetzeskraft verleiht. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der UdSSR und der Demokratischen Republik Vietnam. Note der UdSSR an die Regierungen der USA, Englands und Chinas anläßlich der Ergebnisse des Chabarowsker
17. Januar 18. Januar
19. Januar 21. Januar
25. Januar 27. Januar
50. Januar 1. Februar
4. Februar 14. Februar
7. März
15.-19. März
19. März
27. März
6. April 16. April
19. April
21. April 25. April
28. April
Prozesses, der außer den auf dem Prozeß Verurteilten noch fünf Personen, einschließlich des japanischen Kaisers Hirohito, als schuldig befand. Die Note fordert, diese Personen einem internationalen Gerichtshof zu übergeben. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der Volksdemokratischen Republik Korea und der Demokratischen Republik Vietnam. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen Rumänien und der Demokratischen Republik Vietnam. Unterzeichnung eines Freundschafts- und Beistandspaktes zwischen der UdSSR und der Chinesischen Volksrepublik auf 30 Jahre und einer Reihe anderer Abkommen. Befehl Mac Arthurs, der der japanischen Regierung rechtswidrig das Recht der vorzeitigen Befreiung aller Kriegsverbrecher einräumt. T a g u n g des Ständigen Komitees des Weltfriedenskongresses in Stockholm. Stockholmer Appell an alle Völker über den Kampf u m den Frieden und über die Ächtung der Atomwaffe. Tausendköpfige Protestdemonstration in Saigon (Indochina) gegen die amerikanische H i l f e f ü r das Marionettenregime Bao Dais. Sowjetisch-chinesisches Abkommen über die G r ü n d u n g einer Sowjetisch-Chinesischen Aktiengesellschaft f ü r den Zivilflugverkehr auf paritätischer Grundlage. Die Regierungen der Niederlande und der Vereinigten Staaten Indonesiens nehmen die diplomatischen Beziehungen zu der Chinesischen Volksrepublik auf. Die Armee der Demokratischen Republik Vietnam beginnt eine neue Offensive im R a u m von Soktranga. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der M V R und der Polnischen Republik, der M V R und der Deutschen Demokratischen Republik. Zwischen der UdSSR und der Chinesischen Volksrepublik wird ein Handelsabkommen und ein Abkommen über den Warenverkehr i m Jahre 1950 unterzeichnet. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der M V R und Bulgarien. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der M V R und der Tschechoslowakei. Die Sowjetisch-Chinesische Gesellschaft der Chinesischen Tschangtschun-Eisenbahn n i m m t ihre Tätigkeit auf. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der M V R und Ungarn.
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30. April 5. Mai 8. Mai 10. Mai 11. Mai
26. Mai
50. Mai
6. Juni 10. Juni
Mitte Juni 24. Juni
25. Juni
27. Juni
Die Truppen der Chinesischen Volksrepublik vollenden die Befreiung Hainans. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der M V R und Rumänien. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der Chinesischen Volksrepublik und Schweden. A u f n a h m e der diplomatischen Beziehungen zwischen der Chinesischen Volksrepublik und Dänemark. Protestnote der UdSSR an die Regierung der U S A wegen der Zirkularnote N r . 5 von Mac Arthur, die den Statuten des Internationalen Militärtribunals widerspricht und die der japanischen Regierung das „Recht" der vorzeitigen Befreiung der Kriegsverbrecher einräumt. Konferenz in Bagui (Philippinen), auf amerikanischen Befehl einberufen mit dem Ziel, einen aggressiven Pazifikblock zu schmieden. Erneute Note der UdSSR an die Regierungen der USA und Großbritanniens, den japanischen Kaiser Hirohito und einige japanische Generäle dem Gericht zu übergeben. Befehl MacArthurs, der 24 Mitglieder des ZK der Kommunistischen Partei Japans als vogelfrei erklärt. A u f r u f des Zentralkomitees der Demokratischen Vaterländischen Einheitsfront Koreas an den Generalsekretär der U N über die Beschleunigung der friedlichen Vereinigung Koreas. Besuch Südkoreas durch den amerikanischen Kriegsbrandstifter J. F. Dulles. Der sowjetische Vertreter im Alliierten Rat f ü r Japan protestiert bei M a c A r t h u r gegen die neuen Repressalien der amerikanischen Okkupationsbehörden und der japanischen Regierung in bezug auf die Gewerkschaften, die Kommunistische Partei und andere demokratische Organisationen. Die Truppen der Marionettenregierung Südkoreas überfallen die Volksdemokratische Republik Korea auf der Linie des 38. Breitengrades, sie werden jedoch abgewehrt und über den 38. Breitengrad nach Süden zurückgedrängt. Beginn der offenen amerikanischen imperialistischen Aggression gegen das koreanische Volk und andere Völker Asiens.
B I B L I O G R A P H I E
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Die Bibliographie ist m i t d e m Original identisch. (Dt. Red.)
Zusammengestellt von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Zentralen Bibliothek für Gesellschaftswissenschaften der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Red. v. K. R. Simon, Leiter der Abteilung Geschichte an der Bibliothek.
Zu Kapitel 1
M a p K C K . M S H r e j i b c . MejKflyHapoflHwe o63opbi. COM. T. VIII, c. 210. M a p K C K . üpyccKaa TOHKa 3peHMH Ha Boirny. COM. T. X I . H. 2, c 175. 3 H r e J I B c . HoBaa 3KCNEFLNT(MH aHrjiMHaH B KMTae. COH. T. X I . H. 1. c. 160. JLEHMH B . M. MMNEPNAJIM3M, KAK Bbicuian CTAFLMH KANNTAJM3MA. COH.
4. T . 22,
c. 243. J l e H M H B . M.
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1 9 2 7 r . COH. T . 10, c . 2 8 6 — 2 8 7 . r o f l O B m n H e OKTHSPH. COH. T .
12,
c . 118, 122, 135. C T a JI M H M . B .
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HSAHOB
II.
AHWio-aMepMKaHCKoe
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Zu Kapitel 8 C T a j i M H M. B. MTOTO nepBOÜ nHTMJieTKM. JIOKJiafl Ha oSte^MHeHHOM nJieHyiae U,K M I1KK B K I I ( 6 ) 7 HHBapn 1933 r. «Bonpocbi jieHMHM3Ma». Ü3«. 11, c. 374. C T a j i M H M. B. OTHeTHbiü flOKJiafl X V I I ci.e3^y napTMM o paôoTe LfK BKII(6). 26 HHBapH 1934 r. «Bonpocbi JieHMHM3Ma». Ü3fl. 11, c. 431—432, 438. C T a j i M H M. B. Becera c npeflce^aTejieM aMepiiKaHCKoro ra3erHoro oSte^MHeHMH «CKpwnnc-roBapfl Hbiocneünepc» T-HOM POM ToBapflOM. M. 1938, c. 1. MCTOpHH BceC0K)3H0M KOMMyHMCTMHeCKOÜ napTMM (SojIblIieBKKOB). K p a T K M M Kypc. nofl pefl. KOMMCCMM I J K BKII(6), C. 288, 316—320. T o p r o B a a 3KcnaHCMH HnoHMM. M. 1936. 220 c. HaynHO-MccJi. MH-T. Bcec0i03H0M aica«eMMM BHeiiiHeü ToproBJiM. I s H b B o - f l a . HaH Kaü-IIIM — Bpar KMTaïïcKoro Hapona. Ilep. c KMTaôcK. M. 1950. 299 c. F r i e d m a n I. S. British relations with China. 1931—1939, N e w York 1940. X I X . 255. S. (Institute of Pacific relations, Inquiry series). S m i t h S. R. The Manchurian crisis 1931—1932. A tragedy in international relations. N e w York 1948. I X . 281 S. Zu Kapitel 9 C T a j i M H M: B. OTHeTHbiü flOKJiafl Ha X V I I I cte3fle napTMM o paôoTe IJK BKII(6). 10 MapTa 1939 r. «Bonpocw JieHMHMSMa». H3fl. 11, c. 567, 568, 570—571. C T a ji M H M . B . M36MPATEJIBHORO
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