Die Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte im internationalen Zivilverfahrensrecht 9783161549465, 9783161546846

Die Kognitionsbefugnis des Gerichts, also die Reichweite seiner Entscheidungsbefugnis, ist im internationalen Zivilverfa

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German Pages 239 [240] Year 2018

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einführung
I. Gegenstand der Arbeit
II. Problemaufriss
III. Gang der Darstellung
Erster Teil: Grundlagen und Stand der Forschung
§ 2 Grundlagen
I. Relevanz von Zurückbehaltungsrechten iminternationalen Zivilprozess
1. Zurückbehaltungsrechte im Synallagma
2. Allgemeine Zurückbehaltungsrechte
a) Zurückbehaltungsrechte des inländischen Rechts
b) Anwendung ausländischen materiellen Rechts
aa) Rein schuldrechtliche Zurückbehaltungsrechte
bb) Besitzgebundene Zurückbehaltungsrechte
3. Zusammenfassung
II. Prozessuale Wirkungen von Zurückbehaltungsrechten
1. Unterschiedliche Rechtsfolgen im In- und Ausland
2. Anknüpfung nach der lex fori oder nach der lex causae?
3. Beschränkung der lex causae durch die Prozessformen der lex fori
4. Ergebnis
III. Die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsquellen
1. Das auf die Kognitionsbefugnis anwendbare Recht
2. Verweis auf das für die Gegenforderung maßgebliche Prozessrecht?
§ 3 Stand der Forschung
I. Stellungnahmen zu Zurückbehaltungsrechten
1. Rechtsprechung
2. Literatur
II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung
1. Rechtsprechung des EuGH
2. Rechtsprechung deutscher Gerichte
3. Literaturansichten
a) Die Aufrechnung als „unterentwickelte Widerklage“
b) Uneingeschränkte Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts
c) Differenzierung nach Art der Gerichtsstände und kollisionsrechtlicheErwägungen
III. Zwischenergebnis
Zweiter Teil: Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte nach der EuGVVO
§ 4 Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden durch die EuGVVO
I. Begrenzter Aussagegehalt der EuGH-Entscheidung in „Danværn“
II. Anwendung der EuGVVO auf Verteidigungsmittel in „GAT/LuK“
III. Abschließende Regelung der Kognitionsbefugnis durch die EuGVVO?
1. Wortlaut und Systematik
2. Entstehungsgeschichte.
3. Telos
IV. Ergebnis
§ 5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses
I. Eröffnung des Widerklagegerichtsstands
1. Der auf Verteidigungsmittel anwendbare Widerklagegerichtsstand
2. Kein Gleichlauf materiellrechtlicher und prozessualer Konnexität
II. Rügelose Einlassung des Klägers auf das Zurückbehaltungsrecht
III. Rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen
IV. Unstreitige Forderungen
1. Unstreitige Gegenforderung
2. Unstreitige Hauptforderung
V. Entschärfung des Problems durch § 23 ZPO?
VI. Ergebnis
§ 6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen
I. Parteiinteressen
1. Einfluss der Grund- und Menschenrechte der Parteien
2. Zurückweisungsinteresse des Klägers
3. Interesse des Beklagten am Zurückbehaltungsrecht
4. Überwiegende Interessen am Erhalt der Einrede
5. Zusammenfassung
II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis
1. Überblick über die Rechtskraftfähigkeit der Gegenforderung im Geltungsbereich der EuGVVO
a) Keine rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung im autonomen deutschen Recht
b) Rechtskraft über Gegenforderungen in Frankreich und England
aa) Rechtskraft über Gegenforderungen im französischen Recht
bb) Rechtskraft über Gegenforderungen im englischen Recht
cc) Zusammenfassung
2. Anerkennung der Rechtskraftwirkung des Entscheidungsstaates
a) Kein verordnungsautonomes Verständnis der Rechtskraft
b) Wirkungserstreckung der Rechtskraft des Ersturteils
3. Koppelung von Rechtskraft und Zuständigkeit nach der EuGVVO?
a) Der Sachverständigenbericht von Jenard zum EuGVÜ
b) Zuständigkeitsbezug der Vorfrage in England
c) Vorfragen und Zuständigkeit in der Rechtsprechung des EuGH
d) Lösungsansatz bei Rechtskrafterstreckung auf die Gegenforderung
aa) Vertrauen in die Justiz anderer Mitgliedstaaten
bb) Kohärenz und Vorhersehbarkeit internationaler Zuständigkeiten
cc) Sonderfall anderweitiger ausschließlicher Zuständigkeiten
4. Ergebnis
III. Internationaler Entscheidungseinklang
1. Fallkonstellationen
a) Erste Konstellation: Der Beklagte unterliegt mit seinem Zurückbehaltungsrecht, klagt jedoch erfolgreich auf die Gegenforderung
b) Zweite Konstellation: Das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten ist erfolgreich, in der Hauptsache wird die Gegenforderung jedoch aberkannt
c) Fragestellungen beider Konstellationen
2. Keine Anhängigkeit der Gegenforderung durch Zurückbehaltung
3. Lösungsansätze
a) Erste Konstellation: Ablehnung des Zurückbehaltungsrechts bei Bestehen der Gegenforderung in der Hauptsache
aa) Zurückbehaltungsrecht durch Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO)?
bb) Aussetzung des Verfahrens über das Zurückbehaltungsrecht
cc) Ergebnis
b) Zweite Konstellation: Annahme des Zurückbehaltungsrechts bei Nichtbestehen der Gegenforderung in der Hauptsache
aa) Verfahrensaussetzung
bb) Nachträgliche Beseitigung des Zug um Zug­Vorbehalts
(1) Analoge Anwendung von § 756 ZPO
(2) Erneute Klage auf vorbehaltlose Leistung
c) Wechselseitige Vereinbarkeit der Lösungsansätze
4. Ergebnis
IV. Sonstige staatliche Ordnungsinteressen
1. Comitas-Aspekte ausschließlicher Zuständigkeiten
a) Dinglicher Gerichtsstand (Art. 24 Nr. 1 EuGVVO)
b) Vollstreckungsgerichtsstand (Art. 24 Nr. 5 EuGVVO)
c) Ergebnis
2. Prozessökonomie
3. Ergebnis
V. Zusammenfassung
§ 7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR
I. Meinungsstand
II. Vergleich mit der Rechtslage nach der EuGVVO
1. Unproblematische Konstellationen
2. Überwiegendes Interesse des Beklagten am Zurückbehaltungsrecht
3. Problem der rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage
4. Entscheidungseinklang und Ordnungsinteressen
III. Ergebnis
§ 8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen auf Zurückbehaltungsrechte
I. Anwendbares Recht
1. Gerichtsstandsvereinbarungen
2. Internationale Schiedsvereinbarungen
II. Einfluss von Gerichtsstandsvereinbarungen
1. Problemkonstellationen
2. Streitstand
3. Stellungnahme
a) Wirkung der Prorogation bei ungleichartigen Forderungen
b) Zurückbehaltungsrecht bei gleichartigen Forderungen
4. Ergebnis
III. Einfluss von Schiedsvereinbarungen
1. Problemkonstellationen
2. Streitstand
3. Stellungnahme
a) Zurückbehaltungsrecht mit nicht schiedsbefangener Forderung vor Schiedsgerichten
aa) Grundsätzliche Zulässigkeit des Zurückbehaltungsrechts
bb) Ausnahmen
b) Zurückbehaltungsrecht mit schiedsbefangener Forderung vor staatlichen Gerichten
4. Ergebnis
IV. Zusammenfassung
Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Die Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte im internationalen Zivilverfahrensrecht
 9783161549465, 9783161546846

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 396 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Wolfgang Junge

Die Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte im internationalen Zivilverfahrensrecht

Mohr Siebeck

Wolfgang Junge, geboren 1982; Studium der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School in Hamburg und der Emory University School of Law, Atlanta/USA; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung an der Bucerius Law School (Professor Dr. Florian Faust, LL.M.); seit 2013 Rechtsanwalt in Hamburg.

e-ISBN PDF 978-3-16-154946-5 ISBN 978-3-16-154684-6 ISSN  0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­g raphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de ab­ rufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi­ kro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­t ronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meinen Eltern und in Erinnerung an Johanna Schur geb. Pütz (1929–2008)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahrstrimester 2016 von der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft – in Hamburg als Disserta­ tion angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 8. März 2016 statt. Für die Veröffentlichung wurde die Arbeit im Hinblick auf die nach Einreichung der Arbeit am 10. Januar 2015 in Kraft getretene Neufassung der EuGVVO aktualisiert. Neue Rechtsprechung und Literatur konnten weitgehend bis Juli 2017 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Karsten Thorn, LL.M (Georgetown). Er hat bereits während des Studiums mein Interesse für das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht geweckt und die Entstehung dieser Arbeit durch seine stetige Bereitschaft zur Diskussion und wertvolle Ratschläge gefördert. Insbesondere sein Doktorandenseminar, auf dem ich einzelne Thesen dieser Arbeit erstmalig diskutieren durfte, hat diese Arbeit maßgeblich vorangebracht. Professor Dr. Matthias Jacobs danke ich für die sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Sehr herzlich danke ich zudem Herrn Professor Dr. Florian Faust, LL.M. (Michigan), an dessen Lehrstuhl ich während der Anfertigung dieser Arbeit tätig sein durfte. Er hat mich nach dem Studium herzlich aufgenommen, mich und diese Arbeit in jeder Hinsicht gefördert und mir seine Begeisterung für juristisch-wissenschaftliches Denken und die Lehre vermittelt. Auf die schönen und lehrreichen Jahre an seinem Lehrstuhl werde ich stets in großer Dankbarkeit zurückblicken. Für die positiven Erinnerungen an die gemeinsame Lehrstuhlzeit danke ich zudem Herrn Professor Dr. Volker Wiese, LL.M. (McGill). Er hat erstmals die Auseinandersetzung mit dem Institut der Zurückbehaltungsrechte angeregt. Zudem hat er im gemeinsamen Büro erheblich zur positiven Grundstimmung beigetragen und stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite. Herrn RiAG Dr. Philipp Kersting danke ich herzlich für die Durchsicht des Manuskripts und seine hilfreichen Anregungen. Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, LL.M. (Harvard) gilt mein Dank für die Aufnahme in die „Studien zum ausländischen und interna­ tio­nalen Privatrecht“.

VIII

Vorwort

Schließlich möchte ich meinen Freunden für die Unterstützung und Aufmunterung während der Dissertations- und Studienzeit danken, insbesondere Herrn Dr. Martin Knaup, der mich (nicht nur) bei der Vorbereitung des Vortrags zur mündlichen Prüfung unterstützt hat. Mein größter Dank gilt meinen Eltern Klaus-Wolfgang und Elisabeth Junge. Ihre liebevolle und bedingungslose Unterstützung hat mir erst die Möglichkeit des Studiums im In- und Ausland eröffnet und die Zuversicht für alle Prüfungen, insbesondere für die Erstellung dieser Doktorarbeit, gegeben. Die Ar­beit ist ihnen und dem Andenken meiner Großmutter, Johanna Schur geb. Pütz, gewidmet. Hamburg, im September 2017

Wolfgang Junge

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

§  1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Erster Teil:  Grundlagen und Stand der Forschung . . . . . . . . 11 §  2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 §  3 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Zweiter Teil:  Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte nach der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 §  4 Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden durch die EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 §  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . 64 §  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . 78 §  7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR . . . . . . . . . . . . . 157 §  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen auf Zurückbehaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . 193 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

§  1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Erster Teil:  Grundlagen und Stand der Forschung . . . . . . . . 11 §  2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Relevanz von Zurückbehaltungsrechten im internationalen ­Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Zurückbehaltungsrechte im Synallagma . . . . . . . . . . . 11 2. Allgemeine Zurückbehaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . 12 a) Zurückbehaltungsrechte des inländischen Rechts . . . . . 12 b) Anwendung ausländischen materiellen Rechts . . . . . . 14 aa) Rein schuldrechtliche Zurückbehaltungsrechte . . . . 15 bb) Besitzgebundene Zurückbehaltungsrechte . . . . . . 18 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Prozessuale Wirkungen von Zurückbehaltungsrechten . . . . . 21 1. Unterschiedliche Rechtsfolgen im In- und Ausland . . . . . 21 2. Anknüpfung nach der lex fori oder nach der lex causae? . . 23 3. Beschränkung der lex causae durch die Prozessformen der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsquellen . . . . . 29 1. Das auf die Kognitionsbefugnis anwendbare Recht . . . . . 29 2. Verweis auf das für die Gegenforderung maßgebliche Prozessrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

XII

Inhaltsverzeichnis

§  3 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Stellungnahmen zu Zurückbehaltungsrechten . . . . . . . . . . 33 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung . . . . . . . . . . 37 1. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Rechtsprechung deutscher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Literaturansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Die Aufrechnung als „unterentwickelte Widerklage“ . . . 48 b) Uneingeschränkte Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Differenzierung nach Art der Gerichtsstände und ­kollisionsrechtliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . 53 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Zweiter Teil:  Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte nach der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 §  4 Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden durch die EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Begrenzter Aussagegehalt der EuGH-Entscheidung in „Danværn“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Anwendung der EuGVVO auf Verteidigungsmittel in „GAT/LuK“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 III. Abschließende Regelung der Kognitionsbefugnis durch die EuGVVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 §  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . 64 I. Eröffnung des Widerklagegerichtsstands . . . . . . . . . . . . . 64 1. Der auf Verteidigungsmittel anwendbare Widerklagegerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Kein Gleichlauf materiellrechtlicher und prozessualer Konnexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Rügelose Einlassung des Klägers auf das Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen . . . . . . . . . . 70 IV. Unstreitige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Inhaltsverzeichnis

XIII

1. Unstreitige Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Unstreitige Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 V. Entschärfung des Problems durch §  23 ZPO? . . . . . . . . . . 76 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 §  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Parteiinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Einfluss der Grund- und Menschenrechte der Parteien . . . 80 2. Zurückweisungsinteresse des Klägers . . . . . . . . . . . . . 82 3. Interesse des Beklagten am Zurückbehaltungsrecht . . . . . 85 4. Überwiegende Interessen am Erhalt der Einrede . . . . . . . 90 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis . 94 1. Überblick über die Rechtskraftfähigkeit der Gegenforderung im Geltungsbereich der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Keine rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung im autonomen deutschen Recht . . . . . 95 b) Rechtskraft über Gegenforderungen in Frankreich und England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Rechtskraft über Gegenforderungen im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Rechtskraft über Gegenforderungen im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Anerkennung der Rechtskraftwirkung des Entscheidungsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Kein verordnungsautonomes Verständnis der Rechtskraft 104 b) Wirkungserstreckung der Rechtskraft des Ersturteils . . 106 3. Koppelung von Rechtskraft und Zuständigkeit nach der EuGVVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Der Sachverständigenbericht von Jenard zum EuGVÜ . . 111 b) Zuständigkeitsbezug der Vorfrage in England . . . . . . . 112 c) Vorfragen und Zuständigkeit in der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 d) Lösungsansatz bei Rechtskrafterstreckung auf die Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Vertrauen in die Justiz anderer Mitgliedstaaten . . . 120 bb) Kohärenz und Vorhersehbarkeit internationaler Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

XIV

Inhaltsverzeichnis

cc) Sonderfall anderweitiger ausschließlicher Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Internationaler Entscheidungseinklang . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Erste Konstellation: Der Beklagte unterliegt mit seinem Zurückbehaltungsrecht, klagt jedoch erfolgreich auf die Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Zweite Konstellation: Das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten ist erfolgreich, in der Hauptsache wird die Gegenforderung jedoch aberkannt . . . . . . . . . . . 128 c) Fragestellungen beider Konstellationen . . . . . . . . . . 128 2. Keine Anhängigkeit der Gegenforderung durch Zurückbehaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Erste Konstellation: Ablehnung des Zurückbehaltungsrechts bei Bestehen der Gegenforderung in der Hauptsache . . . 132 aa) Zurückbehaltungsrecht durch Vollstreckungsabwehrklage (§  767 ZPO)? . . . . . . . 133 bb) Aussetzung des Verfahrens über das Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Zweite Konstellation: Annahme des Zurückbehaltungsrechts bei Nichtbestehen der Gegenforderung in der Hauptsache . . . . . . . . . . 139 aa) Verfahrensaussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Nachträgliche Beseitigung des Zug um Zug-­ Vorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Analoge Anwendung von §  756 ZPO . . . . . . . 142 (2) Erneute Klage auf vorbehaltlose Leistung . . . . . 145 c) Wechselseitige Vereinbarkeit der Lösungsansätze . . . . . 148 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 IV. Sonstige staatliche Ordnungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 150 1. Comitas-Aspekte ausschließlicher Zuständigkeiten . . . . . 150 a) Dinglicher Gerichtsstand (Art.  24 Nr.  1 EuGVVO) . . . . 152 b) Vollstreckungsgerichtsstand (Art.  24 Nr.  5 EuGVVO) . . . 152 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Prozessökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Inhaltsverzeichnis

XV

§  7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR . . . . . . . . . . . . . 157 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Vergleich mit der Rechtslage nach der EuGVVO . . . . . . . . 159 1. Unproblematische Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Überwiegendes Interesse des Beklagten am Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Problem der rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage 161 4. Entscheidungseinklang und Ordnungsinteressen . . . . . . . 164 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 §  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen auf Zurückbehaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Internationale Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 169 II. Einfluss von Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . 171 1. Problemkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Wirkung der Prorogation bei ungleichartigen Forderungen 175 b) Zurückbehaltungsrecht bei gleichartigen Forderungen . . 180 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III. Einfluss von Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Problemkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Zurückbehaltungsrecht mit nicht schiedsbefangener Forderung vor Schiedsgerichten . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Grundsätzliche Zulässigkeit des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Zurückbehaltungsrecht mit schiedsbefangener Forderung vor staatlichen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . 193 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht A.C. Law Reports, Appeal Cases (England) a. F. alte Fassung Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) ABGB abl. ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABl. EG ABl. EU Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Bekanntmachung vom 9.8.2008, ABl. EU Nr. C 115 v. 9.5.2008, S.  47 ff. AGB Allgemeine Geschäftsbedingung(en) All England Reports All E.R. allg. allgemein allgemeine Meinung allg. M. Alt. Alternative Am.J.Comp.L. American Journal of Comparative Law Anh. Anhang Anm. Anmerkung AP Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeits­ gerichts Artikel Art. AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters – Recht der internationalen Wirtschaft BAG Bundesarbeitsgericht BauR Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht BaslerKomm Basler Kommentar Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLG Bd. Band Bearb. Bearbeitung Begr. Begründer Bek. Bekanntmachung Beschl. v. Beschluss vom BG Bundesgericht (Schweiz) BGB Bürgerliches Gesetzbuch

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

BGBl. Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts BGE BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BGHZ BR-Drucks. Drucksache des Bundesrates (Deutschland) Drucksache des Deutschen Bundestages BT-Drucks. Bull. civ. Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambres civiles (Frankreich) BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Burgerlijk Wetboek (Niederlande) BW bzgl. bezüglich Cass. Cour de cassation (Frankreich) Cass. (Ass. Plén.) Assembée Plénière de la Cour de cassation (Frankreich) C. Ex. Court of Exchequer (England) C.A. Court of Appeal (England) C.C. Code civil (Frankreich) C. Ch. High Court of Chancery Ch. Law Reports, Chancery Division, Chapter Ch. Div. Chancery Division chin. chinesisch Chron. Chronique (Frankreich) CISG Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980, BGBl. 1989 I S.  588, 1990 II S.  1699 C.L.C. Commercial Law Cases Clunet Journal du droit international privé, fondé et publié par Edouard Clunet (Frankreich) Cons. const. Conseil constitutionnel (Frankreich) CPO Civilprozessordnung v. 30.1.1877 (Deutschland) Receuil Dalloz (Frankreich) Dalloz ders. derselbe dies. dieselbe(n) DIS-SchO Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schieds­ gerichtsbarkeit e.V. von 1998 Diss. Dissertation DP Recueil périodique et critique mensuel Dalloz (Frankreich) E.R. Exchequer Reports (England) East East’s Term Reports, King’s Bench (England) EG Europäische Gemeinschaften EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EGInsO Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einl. Einleitung Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK i. d. F. v. 17.5.2002, BGBl. II 2002, S.  1054 ff.

Abkürzungsverzeichnis EO EU EUV EuGH

XIX

Exekutionsordnung (Österreich) Europäische Union Vertrag über die Europäische Union vom 7.2.1992, ABl. EU C 191/1 Gerichtshof der Europäischen Union (früher: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften) Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. EG EU-GRCharta Nr. C 364 v. 18.12.2000, S.  1 ff. Brüsseler EWG-Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gericht­ EuGVÜ liche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. III 1998, S.  209 ff. EuGVVO Verordnung Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Voll­ streckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG Nr. L 12 v. 16.1.2001, S.  1 ff.; berichtigt durch ABl. EG Nr. L 307 v. 24.11.2001, S.  28 ff. EuGVVO n. F. Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), ABl. EU Nr. L 351 v. 20.12.2012, S.  1 ff. EuZPR Europäisches Zivilprozessrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht – Kurzkommentare EWiR f./ff. folgende F.S.R. Fleet Street Reports F. Supp. Federal Supplement FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den ­A ngelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fn. Fußnote FRCP Federal Rules of Civil Procedure (USA) frz. französisch FS Festschrift GA Generalanwalt gem. gemäß GG Grundgesetz grds. grundsätzlich GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz H. L. House of Lords (England) h. M. herrschende Meinung Habil. Habilitation Halbbd. Halbband Hare Hare’s Reports in Chancery (England) Hdb. Handbuch Hdb. IZVR Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts HGB Handelsgesetzbuch HGB-RGRK Reichsgerichtsräte-Kommentar

XX

Abkürzungsverzeichnis

HKK Historisch-kritischer Kommentar zum BGB Hamburgisches Hinterlegungsgesetz HmbHintG Hrsg. Herausgeber im Ergebnis i. Erg. I.L.Pr. International Litigation Procedure (England) Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechts­ IntKommEMRK konvention Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht IPG IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRG Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (Schweiz) IPRspr Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts im Sinne i. S. i. V. in Verbindung IZPR Internationales Zivilprozessrecht IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht Jenard-Bericht Bericht von Jenard zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG Nr. C 59 JP Journal du Palais (Frankreich) JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel K.B. King’s Bench Division (England) KG Kammergericht (Berlin, Deutschland) KommSchwIPR Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht krit. kritisch LG Landgericht (Deutschland) LMK Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring LS Leitsatz Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die LugÜ (2007) Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007, ABl. EU Nr. L 147 v. 10.6.2009, S.  5 ff. MüKoBGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum FamFG MüKoFamFG MüKoHGB Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch MüKoZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung m. w. N. mit weiteren Nachweisen MittRhNotK Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer MPI Max Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht N.C.P.C. Nouveau Code de Procedure Civil (Frankreich) niederl. niederländisch NILR Netherlands International Law Review (Niederlande) Neue Juristische Wochenschrift NJW NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

Abkürzungsverzeichnis

XXI

Nr. Nummer Oberster Gerichtshof (Österreich) OGH OLG Oberlandesgericht (Deutschland) OLG-Report Frankfurt, Koblenz, Zweibrücken, Saarbrücken OLGR OR Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Fünfter Teil, Obligationenrecht (Schweiz) P.2d Pacific Reporter, Second Series (USA) Probate Division (England) P. Q.B. Queen’s Bench Division (England) Q.B. Comm. Queen’s Bench Commercial Court (England) R.L.R. Ritsumeikan Law Review (Japan) RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recueil des décisions du Conseil Constitutionnel (Frankreich) Rec. Cons. Const. Rec. gén. Recueil géneral des lois et des arrêts en matière civile, criminelle, commerciale et de droit public (Frankreich) rechtsvgl. rechtsvergleichend Reports Reports of Judgments and Decisions of the European Court of Human Rights Rev. crit. Revue critique de droit international privé (Frankreich) RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rom I-VO Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuld­ verhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. EU Nr. L 177 v. 4.7.2008, S.  6 ff. Rom II-VO Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), ABl. EU Nr. L 199 v. 31.7.2007, S.  40 ff. Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger Rs. Rechtssache Rz. Randziffer Satz / Seite S. S. Ct. Supreme Court of the United States S. Ct. Cal. Supreme Court of California S.D. N.Y. United States District Court for the Southern District of New York Zeitschrift für Schiedsverfahren SchiedsVZ schweiz. schweizerisch SGA Sale of Goods Act 1979 (England) sog. sogenannt SpStr. Spiegelstrich st. Rspr. ständige Rechtsprechung SZ Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in Zivilsachen (Österreich) Term Rep. Term Reports u. a. unter anderem / und anderenorts United States Reports U.S. Übers. d. Verf. Übersetzung des Verfassers

XXII UGB UN-Doc. UNCITRAL-SchO UNÜ

Abkürzungsverzeichnis

Unternehmensgesetzbuch (Österreich) United Nations Document UNCITRAL-Schiedsordnung New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958, BGBl. II, 1961, S.  122 Urt. v. Urteil vom United States Reports U.S. v. versus / vom Var. Variante Verf. Verfasser vgl. vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht VIZ W.L. Westlaw-Nr. Yale L.J. Yale Law Journal YCA Yearbook Commercial Arbitration z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZfRV Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht (Österreich) ZGB Zivilgesetzbuch (Schweiz) zit. zitiert ZürKommIPRG Zürcher Kommentar zum IPRG zugl. zugleich zust. zustimmend ZZP Zeitschrift für Zivilprozess ZZPInt Zeitschrift für Zivilprozess International

§  1 Einführung I. Gegenstand der Arbeit Nicht nur in Frankreich gilt: „Le juge de l’action est le juge de l’exception“ 1. Nach diesem römisch-rechtlichen Prinzip ist der Richter über sämtliche vom Klagebegehren berührte Fragen kognitionsbefugt, mögen sie im Wege des Klagangriffs oder vom Beklagten durch Einrede aufgeworfen werden.2 Zwar ist dieses Prinzip in vielen europäischen Prozessrechtsordnungen für das nationale Recht anerkannt.3 Unklar ist jedoch, wie weit es im internationalen Zivilverfahrensrecht reicht.4 Von Bedeutung ist diese Frage vor allem für Schuldner, denen in Fällen mit Auslandsbezug nach dem anwendbaren Recht ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Denn dieses schützt sie im Ernstfall nur dann vor der vorbehaltlosen Inanspruchnahme durch den jeweiligen Gläubiger, wenn sie es auch in einem etwaigen Prozess erfolgreich einwenden können. Gerade in Prozesskonstellationen mit internationalem Bezug ist jedoch die Zulässigkeit der einredeweisen Geltendmachung von Gegenforderungen problematisch. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der Schuldner vor Gericht ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund einer Gegenforderung einwenden kann, für die den angerufenen Gerichten im Falle ihrer klageweisen Geltendmachung die internationale Zuständigkeit fehlen würde. Die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners hängen also davon ab, ob die Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts über die Gegenforderung durch die Regeln über die internationale Zuständigkeit bestimmt wird. Die Beschränkung der Kognitionsbefugnis über Einreden in grenzüberschreitenden Zivilverfahren wird bisher hauptsächlich im Zusammenhang mit 1 

Cass., 2.2.1832, Rec. gén. 1832 I 133. So bereits Baldus de Ubaldis, Commentaria, lib. 3, tit. de iudiciis, lex III Nr.  1. 3  RG, Urt. v. 2.4.1895, RGZ 35, 380 (380 f.); BG, Urt. v. 17.3.1937, BGE 63 II, 133; Giuliano, Giurisdizione, S.  85 f. 4  Für eine grundsätzliche Anerkennung Gaudemet-Tallon, Rev. crit. 70 (1981), 136 (142); Huet, Clunet 1979, 663 (671); Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  595; Geimer, in: Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung Bd. I/1, §  81 XVII. (S.  541); grds. auch Morelli, Diritto proc. int., S.  124 f. („La giurisdizione può estendersi ad una data lite per effetto del l‘intervento in causa“ = „Die Zuständigkeit kann sich auf eine bestimmte Streitigkeit als Folge einer Vorfrage erstrecken“, Übers. d. Verf.). 2 

2

§  1 Einführung

der Aufrechnung5 und der Einrede der Nichtigkeit ausländischer Immaterial­ güterrechte in inländischen Verletzungsprozessen6 diskutiert. Insbesondere hinsichtlich der Aufrechnung nimmt die deutsche Rechtsprechung7 an, sie sei nur zulässig, wenn das Gericht auch über die klageweise Geltendmachung der Gegenforderung entscheiden dürfe. Das Parallelproblem der Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte wird hingegen kaum erörtert. Die bisherigen Stellungnahmen beschränken sich darauf, Zurückbehaltungsrechte prozessual mit der Aufrechnung gleichzustellen oder auf die Rechtslage bei der Aufrechnung zu verweisen. So fordern nach Meinung des OLG Stuttgart „[…] die deutsche Rechtsprechung und die h. M. in der Literatur – im Gleichlauf mit der Rechtslage bei der Aufrechnung – auch bei Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts einen Gerichtsstand für die Gegenforderung im Inland.“8

In der Tat hat auch der BGH, wenngleich er sich zur Kognitionsbefugnis nicht allgemein geäußert hat, eine solche Tendenz für das allgemeine Zurückbehaltungsrecht des §  273 Abs.  1 BGB erkennen lassen: „Die für die Unzulässigkeit der Aufrechnung maßgebenden Gesichtspunkte gelten in gleichem Maße auch für die vom Beklagten erhobene Einrede des Zurückbehaltungsrechts.“9

Auch in der Literatur wird hinsichtlich der Kognitionsbefugnis für die Gegenforderung – soweit das Problem überhaupt Erwähnung findet – zwischen Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht nicht differenziert: „In der Tat ist beide Male die gleiche Frage, ob dieses Gericht über den Bestand der Gegenforderung entscheiden darf. Es ist daher auf die Ausführungen zur Aufrechnung […] zu verweisen.“10

5  Vgl. nur Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  595 f.; Eickhoff, Aufrechnung, S.  175; Schack, IZVR, Rz.  401 ff. a. E.; v. Hoffmann, AWD 1973, 168 (169); Kannengießer, Aufrechnung, S.  139 ff.; Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (39 ff.); Kropholler/v. Hein, Art.  6 EuGVVO Rz.  45; Stein/Jonas-Althammer, §  145 Rz.  42 ff.; Stein/Jonas-Wagner, Art.  6 EuGVVO Rz.  88 ff. 6  Vgl. dazu Schauwecker, Patentjurisdiktion, S.  206 ff. sowie die Neuregelungen in Art.  22 Nr.  4 LugÜ (2007) und Art.  24 Nr.  4 EuGVVO. 7  BGH, Urt. v. 12.5.1993, NJW 1993, 2753; so auch Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  595 f.; Erman-Hohloch, 12.  Aufl., Art.  32 EGBGB Rz.  13; Eickhoff, Aufrechnung, S.  175; Badelt, Aufrechnung, S.  144 ff.; Schack, IZVR, Rz.  404. 8  OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (437). 9  BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478); anders jedoch für die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach §  320 BGB in BGH, Urt. v. 21.1.2015, NJW 2015, 1118 (1120); insgesamt abl. Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  58. 10  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  62; vgl. auch Geimer, IZPR, Rz.  868a unter Verweis auf die h. M.

I. Gegenstand der Arbeit

3

Die Parallele erscheint auf den ersten Blick naheliegend: Sowohl Aufrechnung als auch Zurückbehaltungsrechte hindern den Kläger an der Durchsetzung seiner Forderung, indem eine Gegenforderung eingewendet wird. Zurückbehaltungsrechte werden daher teilweise auch als „vorläufige, zeitlich befristete Aufrechnung“11 charakterisiert. Ob sich aber Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechte im Hinblick auf international-zivilprozessuale Probleme in jeder Hinsicht gleichsetzen lassen, ist damit noch nicht dargetan. Denn anders als bei der Aufrechnung bewirkt ein Zurückbehaltungsrecht regelmäßig nicht, dass die eingewendete Gegenforderung „vollstreckt“ und die Hauptforderung zum Erlöschen gebracht wird. Wie weit die Kognitionsbefugnis bei Zurückbehaltungsrechten reicht und i­ nwieweit die zur Aufrechnung anzutreffenden Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung tatsächlich auf Zurückbehaltungsrechte übertragbar sind, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Da die Zuständigkeitsordnung der ­EuGVVO innerhalb Europas weiterhin den größten Teil des internationalen Prozessgeschehens erfasst, steht die Kognitionsbefugnis der Gerichte nach i­ hrem Regelungsregime im Mittelpunkt der Untersuchung. Die am 10. Januar 201512 nach Fertigstellung dieser Arbeit in Kraft getretene Neufassung der EuGVVO hat das unionsrechtliche System der internationalen Zuständigkeit grundsätzlich nicht verändert,13 zumal der Wortlaut nahezu sämtlicher Regelungen unverändert geblieben ist. Soweit vereinzelte Änderungen für die Kogni­ tionsbefugnis relevant sind, wird dies an entsprechender Stelle hervorgehoben. Auf die Besonderheiten im autonomen IZVR wird ebenfalls eingegangen, soweit sich hier Unterschiede zur Rechtslage nach europäischem Zivilprozessrecht ergeben. Ausgehend von den Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO muss die Kognitionsbefugnis auch im Gesamtkontext der Frage betrachtet werden, inwieweit überhaupt ein Zusammenhang zwischen internationaler Zuständigkeit und Vorfragenkompetenz existiert. Dies hängt maßgeblich von den Wirkungen einer Entscheidung über die Vorfrage sowie davon ab, ob diese Wirkungen es erfordern, dass sie nur durch die international zuständigen Gerichte herbeigeführt werden dürfen.

11 

Staudinger-Mansel, Art.  43 EGBGB Rz.  778; Staudinger-Stoll, IntSachenR, Bearb. 1996, Rz.  279. Zum Unterschied zwischen Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten im deutschen Recht auch Staudinger-Gursky, vor §§  387 ff. Rz.  100; Staudinger-Bittner, §  273 Rz.  104. 12  Art.  66 Abs.  1 und Art.  81 S.  1 EuGVVO. 13  Statt aller Musielak/Voit-Stadler Art.  4 EuGVVO n. F. Rz.  1.

4

§  1 Einführung

II. Problemaufriss Die Problematik soll an folgendem Beispielsfall verdeutlicht werden, über den das OLG Stuttgart14 am 2. Juni 2008 zu entscheiden hatte: Die Parteien stritten um das Erbe einer deutschen Erblasserin, die in Stuttgart gelebt hatte. Diese war zu Lebzeiten Eigentümerin von mehreren Eigentumswohnungen in Deutschland sowie von zwei auf der italienischen Insel Elba belegenen Grundstücken gewesen. Die italienischen Grundstücke befanden sich im Besitz der in Italien lebenden Kläger, den nächsten Angehörigen der Erb­ lasserin. Die Erblasserin hatte in ihrem Testament die mit ihr gut befreundeten Beklagten, die sie in ihren letzten Lebensjahren betreut hatten, als Erben eingesetzt, während sie die Kläger durch Vermächtnis mit den Eigentumswohnungen in Deutschland bedacht hatte. Nach dem Tod der Erblasserin ließen sich die Kläger von den italienischen Registerbehörden unter Hinweis auf ihr gesetz­ liches Erbrecht als Eigentümer der Grundstücke auf Elba eintragen und verschwiegen das zugunsten der Beklagten errichtete Testament. Zudem verlangten sie von den Beklagten Übergabe und Übereignung der Eigentumswohnungen in Deutschland aus dem Vermächtnis. Die Beklagten verweigerten die Übergabe und Übereignung der deutschen Wohnungen und bestritten die Wirksamkeit des Vermächtnisses. Hilfsweise machten sie geltend, ihnen stehe ein Zurückbehaltungsrecht an den Eigentumswohnungen zu, bis die Kläger die italienischen Grundstücke an sie herausgeben und die Eintragung der Beklagten als deren Eigentümer bewilligen würden. Daraufhin erhoben die Kläger vor dem LG Stuttgart Klage auf Übereignung und Übergabe der Eigentumswohnungen. Sie machten geltend, dass die Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht jedenfalls nicht auf die Herausgabe der italienischen Grundstücke stützen könnten, da es hierfür an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte fehle. Das LG Stuttgart ging in der Vorinstanz von der Unwirksamkeit des Vermächtnisses aus, so dass sich die Frage des Zurückbehaltungsrechts nicht stellte. Auf die Berufung der Kläger wurde dieses Urteil jedoch vom OLG Stuttgart abgeändert.15 Unterstellt man mit dem OLG die Wirksamkeit des Testaments und des Vermächtnisses, so wirft der Fall keine größeren materiellrechtlichen Probleme auf. Die Kläger können von den Beklagten aus dem nach Art.  25 Abs.  1 EGBGB deutschem Recht unterliegenden Vermächtnis (§  2174 BGB) Übergabe und Übereignung der Eigentumswohnungen in Deutschland Zug um Zug gegen Herausgabe der italienischen Grundstücke sowie Abgabe der erforderlichen Erklärungen vor den zuständigen italienischen Behörden zur Eintragung der Beklagten verlangen, denn den Beklagten steht ein Zurückbehaltungs14 

15 

OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434. Zur Prozessgeschichte vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (435).

II. Problemaufriss

5

recht aus §  273 Abs.  1 BGB zu. Da die eingeklagte Hauptforderung nach Art.  25 Abs.  1 EGBGB deutschem Recht untersteht, regelt nach der überwiegenden Auffassung16 das deutsche Recht auch die Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts. Die Voraussetzungen von §  273 Abs.  1 BGB liegen vor. Zwischen den Parteien bestehen gegenseitige Ansprüche. Den Beklagten steht ein Anspruch auf Abgabe der erforderlichen Erklärungen gegenüber den zuständigen italienischen Behörden aus §  2018 BGB zu. Zudem können sie nach dem gem. Art.  43 Abs.  1 EGBGB anwendbaren Art.  948 Codice civile (dinglicher Vindikationsanspruch) Herausgabe der italienischen Grundstücke verlangen, da sie durch den Erbfall Eigentümer dieser Grundstücke geworden sind. Diese Gegenansprüche der Beklagten sind auch fällig und durchsetzbar und beruhen auf derselben Erbauseinandersetzung wie der Vermächtnisanspruch der Kläger,17 so dass sie einem einheitlichen Lebensverhältnis entstammen, das für die erforderliche Konnexität ausreicht.18 Fraglich ist jedoch, ob die Beklagten dieses Zurückbehaltungsrecht auch im Prozess vor dem OLG Stuttgart geltend machen können. Unproblematisch ist dies für die Gegenforderung auf Berichtigung der italienischen Registerein­ tragung aus §  2018 BGB möglich. Denn diese erbrechtlich zu qualifizierende Forderung unterfällt nach §  27 ZPO, ebenso wie der klägerische Vermächtnisanspruch, dem besonderen Gerichtsstand der Erbschaft, der hier in Deutschland liegt. Problematisch ist dagegen, ob die Beklagten die Erfüllung des Vermächtnisanspruches durch das Zurückbehaltungsrecht von der Herausgabe der italienischen Grundstücke abhängig machen können. Anders als die Registerposition hatten die Kläger den Besitz an den Grundstücken nämlich nicht aufgrund eines vermeintlichen Erbrechts, sondern unabhängig vom Erbfall erlangt, so dass die Herausgabe ausschließlich nach Art.  948 des italienischen Codice civile geschuldet ist. Nach dem Zuständigkeitskatalog der EuGVVO sind nach deren Art.  24 Nr.  1 Var.  1 EuGVVO (Art.  22 Nr.  1 Var.  1 EuGVVO a. F.) jedoch für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats international ausschließlich zuständig, in dem die Sache belegen ist – im Beispielsfall also italienische Gerichte. Hierunter fiele auch die klageweise Geltendmachung des Anspruchs auf Herausgabe der italienischen Grundstücke.19 Nun versuchen die Beklagten den Herausgabeanspruch aber nicht im Wege der Widerklage gem. §  33 Abs.  1 ZPO durchzuset16 

Dazu unten §  2 I. 3. b). Vgl. BGH, Urt. v. 25.4.2001, ZEV 2001, 313. 18  Das Konnexitätserfordernis bei §  273 BGB wird nach st. Rspr. sehr weit ausgelegt, vgl. BGH, Urt. v. 27.9.1984, BGHZ 92, 194 (196); BGH, Urt. v. 3.7.1991, BGHZ 115, 99 (103); Looschelders, Schuldrecht AT, Rz.  337; Palandt-Grüneberg, §  273 Rz.  9 f. 19  Vgl. Musielak/Voit-Stadler, Art.  24 EuGVVO n. F. Rz.  3. 17 

6

§  1 Einführung

zen; dies wäre angesichts des ausschließlichen Gerichtsstands des Art.  24 Nr.  1 Var.  1 EuGVVO auch nach §§  33 Abs.  2, 40 Abs.  2 S.  1 ZPO ausgeschlossen. Vielmehr wenden sie ihn einredeweise im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts ein. Fraglich ist, ob bereits diese einredeweise Geltendmachung unzu­ lässig ist, wenn es für die Gegenforderung an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte fehlt. Grundsätzlich wird die Frage der internationalen Zuständigkeit – zumindest nach deutschem Verständnis – entsprechend der eingangs genannten juge de l’exception-Regel nur bezüglich des Streitgegenstands – also des Gegenstandes, der in Rechtskraft erwächst – und nicht bezüglich Vorfragen gestellt.20 Das OLG Stuttgart nahm dennoch – unter Verweis auf die Rechtslage bei der Aufrechnung21 – an, dass die Kognitionsbefugnis der deutschen Gerichte bei Zurückbehaltungsrechten auf jene Gegenforderungen beschränkt sei, für deren klageweise Geltendmachung eine internationale Zuständigkeit bestehe. Diese bei der Aufrechnung überwiegend angenommene Beschränkung22 erscheint auf den ersten Blick auch für die ihr ähnlichen Zurückbehaltungsrechte gut ver­ tretbar. Denn generell kann die Beurteilung der Gegenforderung bei ihrer Einwendung als Zurückbehaltungsrecht eine ebenso intensive Auseinandersetzung erfordern wie bei klageweiser Geltendmachung. Das Gericht hat Bestand und Fälligkeit der Gegenforderung zu untersuchen und gegebenenfalls sogar darüber Beweis zu erheben. Bei Verzicht auf ein Zuständigkeitserfordernis besteht zudem die Gefahr sich inhaltlich widersprechender Urteile. Wandelt man den Beispielsfall dahingehend ab, dass das Gericht die von den Beklagten eingewendete Gegenforderung prüft, ihr Bestehen aber verneint, könnten sich Friktionen mit einem Urteil der ausschließlich zuständigen italienischen Gerichte ergeben, das ihnen die Forderung gegen die Kläger zuspricht. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Wenden die Beklagten ihre Herausgabeforderung vor dem OLG Stuttgart erfolgreich ein, so würden sie nach §  274 Abs.  1 BGB lediglich zur Erfüllung des Vermächtnisanspruchs Zug um Zug gegen Herausgabe der italienischen Grundstücke verurteilt. Verteidigen sich die Kläger nun vor den ausschließlich zuständigen italienischen Gerichten erfolgreich gegen den Anspruch auf die italienischen Grundstücke, können sie nur einen Pyrrhussieg erringen: Aufgrund des widersprechenden deutschen Urteils wären sie gezwungen, die Grundstücke jedenfalls dann herauszugeben, wenn sie ihren Vermächtnisanspruch gegen die 20  Geimer, in: Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung Bd. I/1, §  81 XVII. (S.  541), §  90 VII. (S.  778); Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (41). 21  OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (437), siehe oben §  1 I. 22  Dazu unten §  3 II. 3. a).

II. Problemaufriss

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Beklagten vollstrecken wollen – obwohl das für den Herausgabeanspruch zuständige Gericht den Herausgabeanspruch der Beklagten gerade aberkannt hat. Gerade auf internationalem Terrain ist die Gefahr widersprechender Urteile nicht zu unterschätzen, da sich die zivilprozessualen Vorschriften zu Beweiserhebung und Präklusion zum Teil stark unterscheiden 23. Aufgrund dieser Gefährdung des internationalen Entscheidungseinklangs ist auch zu untersuchen, ob die zurückbehaltungsweise Geltendmachung einer Forderung im Ausland deren Anhängigkeit i. S. von Art.  29 Abs.  1 EuGVVO begründet – und umgekehrt, ob ein Zurückbehaltungsrecht auch auf eine bereits vor einem ausländischen Gericht anhängige Forderung gestützt werden kann.24 Ohne diese zuständigkeitsrechtlichen Belange näher zu erörtern, ist das OLG Stuttgart im oben angeführten Ausgangsfall dem Argument der Kläger gefolgt und hat lediglich einen Zug um Zug-Vorbehalt bezüglich des Anspruchs aus §  2018 BGB, mangels Kognitionsbefugnis aber nicht bezüglich des dinglichen Herausgabeanspruchs aus Art.  948 Codice civile, tenoriert. Freilich ist diese Problematik nicht nur in dem vom OLG Stuttgart entschiedenen erbrechtlichen Kontext von Interesse. Ebenso ist denkbar, dass ein Beklagter eine Mietzinsoder Nebenkostenforderung wegen eines Gebäudes außerhalb des Belegenheits­ staats zurückbehaltungsweise geltend macht, obwohl gem. Art.  24 Nr.  1 Var.  1 EuGVVO nach heute nahezu einhelliger Meinung25 die Gerichte des Belegenheitsstaats für die klageweise Geltendmachung dieser Forderung ausschließlich international zuständig wären. Die internationale Zuständigkeit für eine bestimmte Forderung kann einem Gericht über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus auch durch Parteivereinbarung entzogen sein. Zu klären ist also auch, welche Auswirkungen eine internationale Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung auf die Kognitionsbefugnis über ein Zurückbehaltungsrecht hat. Diesen Fragen soll im Rahmen einer Untersuchung des europäischen sowie des autonomen deutschen Zivilprozessrechts nachgegangen werden. Punktuell wird dabei auch auf Besonderheiten anderer europäischer Prozessrechte einge23 

So kann z. B. nach U.S.-amerikanischem Bundesrecht Präklusion auch hinsichtlich Gegenansprüchen eintreten, wenn der Beklagte es versäumt, diese in dem gegen ihn geführten Prozess geltend zu machen, vgl. Rule 13 (a) FRCP sowie Kent v. Clark, 128 P.2d. 868 (S. Ct. Cal. 1942). 24  Zur Parallelproblematik bei der Aufrechnung vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 6.2.1998, IPRax 1999, 168 (zu Art.  21 LugÜ a. F.) mit Anm. Geimer, 152; Kannengießer, Aufrechnung, S.  188 Fn.  302 (zu Art.  21 EuGVÜ); Bäumer, Rechtshängigkeit, S.  160; Geimer/Schütze-­ Geimer, Art.  27 EuGVVO Rz.  38. 25  EuGH, Urt. v. 15.1.1985, Rs. C-241/83, Slg. 1985, 109 (128), Rz.  29 – Rösler/Rottwinkel; Musielak/Voit-Stadler, Art.  24 EuGVVO n. F. Rz.  4; MüKoZPO-Gottwald, Art.  22 EuGVVO Rz.  14 m.w.N.; anders Jenard-Bericht, S.  35; Leue, NJW 1983, 1242 (1243).

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§  1 Einführung

gangen, soweit dies für eine im Anwendungsbereich der EuGVVO in sämtlichen Mitgliedstaaten umsetzbare Lösung sowie zur Illustration der Probleme angeraten erscheint.

III. Gang der Darstellung Im einleitenden Teil werden zunächst die kollisionsrechtlichen Grundlagen erörtert, um die Relevanz des Problems zuständigkeitsfremder Gegenforderungen zu illustrieren (§  2). Dabei wird sowohl auf die Ermittlung des auf Zurückbehaltungsrechte anwendbaren materiellen Rechts als auch auf die kollisionsrecht­ liche Behandlung ihrer prozessualen Wirkungen eingegangen. Zudem wird der Stand der Forschung aufgearbeitet. Da sich der Meinungsstand bisher weitgehend in Verweisen auf die Rechtslage bei der Aufrechnung erschöpft, ist auch die Diskussion zur Kognitionsbefugnis bei der Aufrechnung zu umreißen (§  3). Der hierauf folgende prozessrechtliche Hauptteil wendet sich zunächst der umstrittenen Frage zu, welchem Regelungsregime die Kognitionsbefugnis über Einreden unterfällt (§  4). Dabei wird aufzuzeigen sein, dass das durch die EuGVVO vereinheitlichte europäische Zivilverfahrensrecht auch die Kognitions­befugnis über Einreden regelt und diese Fragen nicht etwa – wie verbreitet vertreten wird – den nationalen Prozessrechten überlässt. Anschließend sind die­jenigen unproblematischen Fälle aus der Untersuchung auszugrenzen, bei denen es der internationalen Zuständigkeit für die Gegenforderung unstrittig nicht bedarf (§  5). Im Mittelpunkt der Arbeit steht sodann die Analyse der zuständigkeitsrechtlichen Interessen für und wider die Kognitionsbefugnis hinsichtlich zuständigkeitsfremder Gegenforderungen im Anwendungsbereich der EuGVVO (§  6). Dabei wird sich ergeben, dass die zuständigkeitsrechtlichen Interessen bei Zurückbehaltungsrechten zum Teil deutlich von denjenigen bei der Aufrechnung abweichen, so dass der überwiegend anzutreffende Verweis auf die Rechtslage bei der Aufrechnung nur schwer vertretbar ist. Die Analyse der Parteiinteressen sowie der staatlichen Ordnungsinteressen, insbesondere der Rechtskraftwirkungen und des internationalen Entscheidungseinklangs wird zeigen, dass sich bei Zurückbehaltungsrechten zwar dieselben Fragen stellen, diese aber gegenüber der Aufrechnung einer differenzierten Lösung bedürfen, weil die Probleme bei Zurückbehaltungsrechten z. T. unter völlig anderen Vorzeichen stehen. Dies gilt auch nach der seit dem 10. Januar 2015 geltenden Neufassung der EuGVVO. Da sich die hier relevanten Vorschriften nur vereinzelt geändert haben, wird auf diese Änderungen an den entscheidenden Stellen punktuell eingegangen. Ein Exkurs zur Behandlung von Zurückbehaltungsrechten im autonomen deutschen IZVR (§  7) wird die zum europäischen Zivilverfahrensrecht gefundenen Ergebnisse auch für das nationale Recht untermauern.

III. Gang der Darstellung

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Den letzten Teil der Arbeit bildet das Kapitel zum Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen auf die Kognitionsbefugnis über Gegen­ forderungen bei Zurückbehaltungsrechten (§  8). Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse in insgesamt 15 Thesen.

Erster Teil

Grundlagen und Stand der Forschung §  2 Grundlagen I. Relevanz von Zurückbehaltungsrechten im internationalen Zivilprozess Im internationalen Prozessverkehr ist eine Vielzahl von Konstellationen vorstellbar, in denen Gerichte über das Bestehen von Zurückbehaltungsrechten entscheiden müssen. Für die Problematik der Kognitionsbefugnis ist allerdings zwischen Zurückbehaltungsrechten im Rahmen synallagmatischer Leistungspflichten und allgemeinen Zurückbehaltungsrechten, die allenfalls Konnexität der Forderungen voraussetzen, zu unterscheiden. 1. Zurückbehaltungsrechte im Synallagma Als weitgehend unproblematisch können diejenigen Zurückbehaltungsrechte ausgeklammert werden, die die meisten europäischen Rechtsordnungen1 bei synallagmatisch verknüpften Leistungspflichten gewähren. Denn für gegenseitige Ansprüche aus Kauf- oder Dienstleistungsverträgen besteht in Art.  7 Nr.  1 lit.  b) EuGVVO ohnehin ein einheitlicher Gerichtsstand am Liefer- bzw. Erbringungsort,2 so dass sich das Problem zuständigkeitsfremder (Gegen-)Forderungen nicht stellt. Soweit bei synallagmatischen Ansprüchen aus anderen Verträgen nach Art.  7 Nr.  1 lit.  c) und a) EuGVVO der Erfüllungsort und damit der Gerichtsstand für Leistung und Gegenleistung gesondert bestimmt wird,3 ist für die Gegenforderung im Regelfall der Widerklagegerichtsstand nach Art.  8 Nr.  3 EuGVVO bzw. §  33 ZPO eröffnet. Ist die Geltendmachung des Anspruchs auf 1 

Vgl. für Deutschland: §  320 BGB; Österreich: §§  1052 S.  1, 1062 ABGB; Schweiz: Art.  82 OR; England: Art.  28, 39 SGA (für Kaufverträge) sowie als allgemeines Prinzip Kingston v. Preston (1773), 98 E.R. 606 (K.B.); Frankreich: Art.  1651 C.C. (Kaufverträge); Italien: Art.  1460 Codice civile; rechtsvgl. Magnus, RabelsZ 38 (1974), 440 (441). 2  EuGH, Urt. v. 3.5.2007, Rs. C-386/05, Slg. I-3727 (3735, I-3738) – Color Drack, Rz.  26, 39; Saenger-Dörner, Art.  7 EuGVVO n. F. Rz.  12; dazu auch Rauscher, FS Heldrich, S.  933 (945). 3  Musielak/Voit-Stadler, Art.  7 EuGVVO n. F. Rz.  7; MüKoZPO-Gottwald, Art.  5 ­EuGVVO Rz.  31 („gespaltener Erfüllungsort“).

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§  2 Grundlagen

die Gegenleistung aber im Wege der Widerklage zulässig, so ist erst recht ihre einredeweise Geltendmachung von der Kognitionsbefugnis des Gerichts umfasst.4 Die nach Art.  8 Nr.  3 EuGVVO bzw. §  33 ZPO erforderliche Konnexität wird hierbei durch das Synallagma vermittelt. Probleme können sich also bei synallagmatischen Leistungspflichten nur in den seltenen Ausnahmefällen ergeben, in denen die Parteien nur für eine der Leistungspflichten nach Art.  25 EuGVVO isoliert einen Gerichtsstand vereinbaren. Die Auswirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen auf die Kognitionsbefugnis werden jedoch gesondert erörtert,5 so dass für die hier interessierenden Fälle gesetzlicher Zuständigkeiten die synallagmatischen Zurückbehaltungsrechte außer Betracht bleiben können. 2. Allgemeine Zurückbehaltungsrechte Relevant sind damit Konstellationen, in denen das materielle Recht für ein Zurückbehaltungsrecht die Konnexität der Forderungen genügen lässt oder auf einen Zusammenhang vollständig verzichtet. Dabei ist das Problem nicht auf die Beurteilung des deutschen Zurückbehaltungsrechts nach §  273 BGB durch deutsche Gerichte beschränkt. Es kann sich vielmehr jedem mitgliedstaatlichen Gericht bei der Beurteilung eigener oder ausländischer Zurückbehaltungsrechte nach dem durch das IPR zur Anwendung berufenen Recht stellen. a) Zurückbehaltungsrechte des inländischen Rechts Bereits ein kursorischer rechtsvergleichender Überblick6 zeigt, dass die meisten großen europäischen Rechtsordnungen auch außerhalb synallagmatischer Beziehungen Zurückbehaltungsrechte grundsätzlich anerkennen, wobei sich die Ausgestaltung im Einzelnen stark unterscheidet. Ein allgemeines Leistungs­ verweigerungsrecht für konnexe Forderungen gleich welcher Art kennen das deutsche Recht in §  273 Abs.  1 BGB sowie das niederländische Recht in Art.  6:52 BW (opschortingsrecht). So kann sich der aus einem Mietvertrag vor einer niederländischen Rechtbank vorgehende deutsche Kläger mit einem auf gerichtsstandsfremden, konnexen7 Gegenansprüchen gründenden opschortingsrecht nach Art.  6:52 BW des niederländischen Beklagten ausgesetzt sehen, die dieser eigentlich in Deutschland einklagen müsste. Ohne weiteres sind auch Konstella4 

Zum auf die Gegenforderung anwendbaren Widerklagegerichtsstand unten §  5 I.1. Dazu unten §  8. 6  Rechtsvgl. Faust, in: Handwörterbuch EuPR, S.  1811 ff.; HKK-Gröschler, §§  273‑274 Rz.  22 f. 7  Zur Voraussetzung der Konnexität im niederländischen Recht Streefkerk, Opschortings­ rechten, S.  34 ff. 5 

I. Relevanz von Zurückbehaltungsrechten im internationalen Zivilprozess

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tionen denkbar, in denen die Gegenforderung einem ausschließlichen Gerichtsstand zugewiesen ist. So mag ein vor dem LG Hamburg aus einer deutschem Recht unterliegenden Kaufpreisforderung in Anspruch genommener Immobi­ lieneigentümer dem Londoner Kläger nach §  273 Abs.  1 BGB entgegenhalten, er werde die Kaufpreisforderung nur gegen Zahlung rückständiger Miete für die Londoner Geschäftsräume des Klägers begleichen, obwohl die Mietzinsforderung nach Art.  24 Nr.  1 EuGVVO ausschließlich englischen Gerichten zugewiesen ist. Auch in Frankreich erscheinen solche Fälle zumindest dann denkbar, wenn man den im Code civil vereinzelt normierten Retentionsrechten an einer Sache mit einem Teil der Literatur einen allgemeinen Rechtsgrundsatz entnimmt8 und somit materiellrechtlich ebenfalls ein allgemeines Retentionsrecht wie §  273 BGB bejaht.9 Die Gefahr der Einwendung gerichtsstandsfremder Gegenforderungen ist umso höher, je geringer die Anforderungen sind, die das materielle Recht an die Konnexität der Gegenforderungen stellt. Denn sind die sich gegenüberstehenden Forderungen materiell grundverschieden, so sind diese aufgrund unterschiedlicher zuständigkeitsrechtlicher Erwägungen auch häufig unterschiedlichen Gerichtsständen zugewiesen. Dementsprechend groß ist die Wahrscheinlichkeit zuständigkeitsfremder Gegenforderungen bei den handelsrechtlichen Zurückbehaltungsrechten, die auf eine Konnexität vollständig verzichten, so z. B. §  369 Abs.  1 HGB, §  369 UGB (sog. unternehmensrechtliches Zurückbehal­ tungsrecht), das schweizerischen Retentionsrecht unter Kaufleuten nach Art.  895 Abs.  1, 2 ZGB sowie das chinesische Retentionsrecht des Unternehmers nach §  230, 231 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes10. Verklagt beispielsweise ein Kläger aus der Schweiz einen Beklagten nach Art.  4 Abs.  1 EuGVVO in Deutschland auf Rückgabe einer im Rahmen eines Handelsgeschäfts verkauften Maschine, so kann der Beklagte die Maschine – je nach anwendbarem Recht – entweder nach dem schweizerischen Art.  895 Abs.  1, 2 ZGB oder nach dem deutschen §  369 Abs.  1 HGB zurückbehalten, wenn ihm z.B. eine fällige Mietzinsforderung oder ein Grundbuchberichtigungsanspruch (vgl. §  894 BGB) gegen den Kläger zusteht, selbst wenn diese Forderungen keinerlei Verbindung zum Kaufvertrag aufweisen.

8  Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Rz.  879; Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rz.  636; Simler/Delebecque, Sûretés, Rz.  572. 9  Zum Vergleich von §  273 BGB und dem droit de rétention Ferid, Frz. Zivilrecht, Bd. 1, 2 B 183 (S.  477). 10  Eine deutsche und englische Übersetzung der §§  230 ff. des chinesischen Sachenrechtsgesetzes findet sich bei Degen/Liu, RIW-Special zu Heft 11/2007, 1 (17); zum Zurückbehaltungsrecht ferner Bu, Einführung in das Recht Chinas, §  14 Rz.  81.

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§  2 Grundlagen

Weniger Probleme bereiten in dieser Hinsicht Zurückbehaltungsrechte, die – wie in vielen europäischen Rechtsordnungen – an den Sachbesitz gekoppelt sind. So berechtigt im common law das lien den Inhaber einer Sache, diese bis zur Begleichung seiner Ansprüche zurückzubehalten.11 Auch in Frankreich sind vereinzelte, auf die Sache bezogene Zurückbehaltungsrechte normiert, so für die Ersatzansprüche des Verarbeiters (Art.  571 C.C.), des Miterben (Art.  862 C.C.) oder des Verwahrers (Art.  1948 C.C.). Hinzu kommen die in vielen Rechtsordnungen bekannten allgemeinen Zurückbehaltungsrechte für Verwendungen auf eine Sache.12 Bei diesen Zurückbehaltungsrechten besteht im Regelfall ein durch den Widerklagegerichtsstand vermittelter prozessrechtlicher Zusammenhang, da der Anspruch auf Herausgabe der Sache und der eingewendete Ersatz­ anspruch auf demselben Rechtsverhältnis beruhen, so dass häufig der Wider­ klagegerichtsstand des Art.  8 Nr.  3 EuGVVO eröffnet sein wird und sich das Problem zuständigkeitsfremder Gegenforderungen seltener stellt. Auch bei Geltendmachung der im französischen, italienischen und schweizerischen Recht bekannten Lösungsrechte des Alteigentümers,13 die den Erwerber abhanden gekommener Sachen zur Zurückbehaltung gegenüber dem Herausgabeanspruch des Eigentümers bis zur Erstattung des Kaufpreises berechtigen, wird – soweit nicht ausschließliche Gerichtsstände Platz greifen – der Widerklagegerichtsstand eröffnet sein. b) Anwendung ausländischen materiellen Rechts Die Relevanz der Kognitionsbefugnis besteht jedoch nicht nur für Gerichte, deren materielle lex fori allgemeine Zurückbehaltungsrechte kennt. Denn auch wenn nach der lex fori solche Verteidigungsmittel nur als Ausnahmeerscheinung bekannt sind, kann ein Gericht bei der Beurteilung ausländischen Rechts in die Verlegenheit kommen, über das Bestehen von Zurückbehaltungsrechten fremder Rechtsordnungen zu befinden. So kann beispielsweise ein englisches oder französisches Gericht nach seinem internationalen Privatrecht im Einzelfall berufen sein, über ein Zurückbehaltungsrecht nach dem deutschen §  273 Abs.  1 BGB zu entscheiden. Wann dies der Fall ist, hängt davon ab, wie Zurückbehaltungsrechte international-privatrechtlich anzuknüpfen sind. Legg v. Evans and Wheelton (1840), 151 E.R. 311 (312) (C. Ex.); Mulliner v. Florence (1878), [1877–78] 3 Q.B. 484 (488, 491 f., 493) (C.A.); Tappenden v. Artus et al. (1963), [1964] 2 Q.B. 185 (195) (C.A.); allgemein zum lien des common law Jones, Law of Liens, S.  3 ff. 12  Z. B. §  1000 BGB, Art.  471 ABGB sowie das allgemeine Zurückbehaltungsrecht des Verwenders in Frankreich, vgl. Marty/Raynaud, Droit civil, Bd. III, Sûretés, Rz.  37 ff.; Simler/­ Delebecque, Sûretés, Rz.  572; rechtsvgl. Verse, Verwendungen, S.  76. 13  Frankreich: Art.  2277 C.C.; Schweiz: Art.  934 Abs.  2 ZGB; Spanien: Art.  464 Abs.  2 Código civil; dazu rechtsvgl. Thorn, Mobiliarerwerb, S.  245 ff. 11 

I. Relevanz von Zurückbehaltungsrechten im internationalen Zivilprozess

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aa) Rein schuldrechtliche Zurückbehaltungsrechte Die Voraussetzungen rein schuldrechtlicher Zurückbehaltungsrechte unterliegen nach einhelliger Auffassung dem Statut der sich gegenüberstehenden Forderungen.14 Unproblematisch ist dies, soweit für beide Ansprüche dasselbe Recht gilt. Unterliegen die Forderungen dagegen unterschiedlichen Statuten, soll nach ganz h. M. das Recht der Hauptforderung15 über die Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts, d. h. über die Erfordernisse der Gegenseitigkeit, der Fälligkeit der Gegenforderung sowie der Konnexität, bestimmen. Die ganz überwiegende Auffassung behandelt damit Zurückbehaltungsrechte kollisionsrechtlich analog zur Aufrechnung,16 bei der sich die Anknüpfung an das Statut der Hauptforderung bereits unter Geltung der autonomen Vorschriften des EGBGB durchgesetzt hatte17 und die jetzt für die Anknüpfung vertraglicher Schuldverhältnisse in Art.  17 Rom I-VO explizit angeordnet ist. Die Anknüpfung von Zurückbehaltungsrechten an das Recht der Hauptforderung war indes nie völlig unumstritten. So wurde früher die Anknüpfung an den Erfüllungsort der Hauptforderung,18 die Staatsangehörigkeit des Schuldners19 oder seinen Wohnsitz unter Hinweis auf die „Belegenheit“ seiner Schuld 20 vorgeschlagen. Diese Auffassungen werden heute jedoch nicht mehr vertreten. Sie überzeugen auch nicht, da die vom materiellen Recht zu beantwortenden Fragen, ob der Schuldner für eine Forderung eine schuldrechtliche Sicherheit erhalten bzw. die Durchsetzbarkeit der Forderung des Gläubigers beschränkt sein soll, weder einen deutlichen Bezug zum Wohnsitz des Schuldners, noch zu sei14  Palandt-Thorn, Art.  12 Rom I-VO Rz.  7; Sailer, Zurückbehaltungsrecht, S.  151; Kegel/ Schurig, IPR, §  18 VI. (S.  755); Staudinger-Mansel, Art.  43 EGBGB Rz.  214; Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  57; Martiny, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  338; Bamberger/ Roth-Spickhoff, Art.  17 Rom I-VO Rz.  4; IPG 1975 Nr.  5 (LG München II); Nussbaum, IPR, S.  234. 15  OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (437); IPG 1969 Nr.  3 (Hamburg); Bamberger/Roth-Spickhoff, Art.  17 Rom I-VO Rz.  4; MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  62; Staudinger-Mansel, Art.  43 EGBGB Rz.  778; Martiny, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  338; Kegel/Schurig, IPR, §  18 VI. (S.  755); Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  58; C. Ahrens, Zurückbehaltungsrechte, Rz.  289. 16  So ausdrücklich Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  58; Staudinger-Mansel, Art.  43 EGBGB Rz.  778; Kegel/Schurig, IPR, §  18 VI. (S.  755). 17  BGH, Urt. v. 25.11.1993, NJW 1994, 1413 (1416); BGH, Urt. v. 13.7.2006, NJW 2006, 3631 (3632) m. w. N. (st. Rspr.); Palandt-Thorn, 68.  Aufl., Art.  32 EGBGB Rz.  6. 18  HGB-RGRK-Ratz, vor §  369 Anm.  19, Anhang zu §  372 Anm.  9. 19  Frankenstein, IPR, Bd. I, S.  360, Bd. II, S.  232. 20  Für den Wohnsitz des Schuldners als Ort der Belegenheit des zurückbehaltenen Vermögenswertes Eujen, Aufrechnung, S.  130.

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§  2 Grundlagen

ner Staatsangehörigkeit oder zum Erfüllungsort der Hauptforderung aufweisen.21 Nicht durchgesetzt hat sich auch die teilweise22 erwogene Aufspaltung des Zurückbehaltungsstatuts in Grund- und Wirkungsstatut, wonach sich die Voraussetzungen der Zurückbehaltung nach dem Recht der Gegenforderung, die Wirkungen dagegen nach dem Recht der Hauptforderung richten sollen. Denn diese Anknüpfung führte letztlich zu einer Neuschöpfung eines keiner Rechtsordnung bekannten Zurückbehaltungsrechts, bestehend aus Voraussetzungen der einen und Wirkungen der anderen Rechtsordnung, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Ein solches Zurückbehaltungsrecht kann weder dem Gläubiger noch dem Schuldner bekannt sein und muss beide Parteien gleichermaßen überraschen.23 Eine beachtliche Gegenposition zur herrschenden Meinung wird allerdings von Magnus formuliert, der die Sicherungsinteressen des Schuldners betont und daher Voraussetzungen und Wirkungen von Zurückbehaltungsrechten dem Recht der Gegenforderung entnehmen will. Im Gegensatz zur Aufrechnung führe ein Zurückbehaltungsrecht zu keinem Verlust auf der Gläubigerseite, da der Gläubiger seine Hauptforderung nicht einbüße.24 Das Interesse des Schuldners an seiner Sicherung bleibe dagegen nur bei einer Anknüpfung an das Recht der Gegenforderung gewahrt. Umgekehrt sei es aus Gründen des Schuldnerschutzes nicht erforderlich, dass ihm durch das Recht der Hauptforderung ein Zurückbehaltungsrecht zufalle, welches das Recht der zu sichernden Forderung nicht gewähre.25 Diese rein schuldnerfokussierte Betrachtung begegnet jedoch Bedenken.26 Es trifft bereits nicht zu, dass ein Zurückbehaltungsrecht die Forderung des Gläubigers nicht beeinträchtigt. Obwohl keine Tilgung der Hauptforderung herbeiführt wird, kommt es dennoch zu ihrer materiellrechtlichen Beschränkung, da sie nach Erhebung der Einrede – auch in der Zwangsvollstreckung – nur noch Zug um Zug gegen Erfüllung der Gegenforderung durchgesetzt werden kann. Diese Beschränkung wirkt sich unmittelbar auch auf den wirtschaftlichen Wert der Gegenforderung aus und führt jedenfalls im deutschen Zivilprozess zur anteiligen Kostentragung des Gläubigers, soweit er dadurch mit seinem Antrag auf vorbehaltlose Verurteilung des Schuldners teilweise unterliegt (vgl. §  92 Abs.  1 S.  1 ZPO). Wie die Aufrechnung kann auch ein Zurückbehaltungsrecht bewirken, dass eine bereits verjährte Forderung zur Verteidigung gegen die Zutreffend Magnus, RabelsZ 38 (1974), 440 (445 f.). Zitelmann, IPR, Bd. II/1, S.  246 f. 23  Magnus, RabelsZ 38 (1974), 440 (445). 24  Magnus, RabelsZ 38 (1974), 440 (446). 25  Magnus, RabelsZ 38 (1974), 440 (447). 26  Ablehnend auch Martiny, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  338. 21 

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I. Relevanz von Zurückbehaltungsrechten im internationalen Zivilprozess

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Hauptforderung eingewendet wird (§  215 BGB). Je nachdem, wie sehr dem Gläubiger an der Erfüllung seiner Hauptforderung gelegen ist, kann ihn ein Zurückbehaltungsrecht durch Ausübung von wirtschaftlichem Druck zur Erfüllung der Gegenforderung bewegen und damit wirtschaftlich ähnliche Wirkungen haben wie eine Aufrechnung. Zudem muss der Gläubiger anhand des Rechts der Hauptforderung jederzeit verlässlich feststellen können, wie werthaltig seine Forderung ist und nach w ­ elchem Recht sich Beschränkungen (also neben rechtshindernden oder -vernichtenden Einwendungen auch rechtshemmende Einreden) der Hauptforderung ergeben. Denn der Gläubiger hat keinen Einfluss darauf, welche Gegenforderung ein Schuldner einredeweise geltend machen wird, und könnte bei der von Magnus vorgeschlagenen Lösung nicht absehen, auf welche Arten von Einreden er sich überhaupt einstellen muss. Zudem darf sich der vorleistungspflichtige Schuldner seiner aus dem Recht der Hauptforderung folgenden Vorleistungspflicht nicht durch Berufung auf das Recht der Gegenforderung entziehen können.27 Die Anknüpfung an das Recht der Hauptforderung findet sich auch in Art.  12 Abs.  1 lit.  d) Rom I-VO wieder, wonach sich die Arten des Erlöschens der Verpflichtung, die Verjährung und Rechtsverluste nach dem Statut der betreffenden Forderung richten.28 Da die kollisionsrechtliche Interessenlage durch die Zug um Zug-Einschränkung der Hauptforderung jedenfalls insoweit mit der Aufrechnung vergleichbar ist, als es auch hier zu einer Beschränkung der Hauptforderung kommt, spricht nichts dagegen, die Regelung des Art.  17 Rom I-VO auf Zurückbehaltungsrechte analog anzuwenden.29 Wendet also ein Beklagter, der aus einem deutschem Recht unterstehenden Kaufvertrag vor Londoner Gerichten nach Rücktritt auf Rückgewähr einer ­Büroausstattung in Anspruch genommen wird, ein Zurückbehaltungsrecht mit einem englischem Recht unterstehenden Mietzinsanspruch ein, so hat das englische Gericht nach der h. M. das Zurückbehaltungsrecht nach dem deutschen §  273 Abs.  1 BGB zu prüfen und wird dessen Voraussetzungen bei bestehender Mietzinsforderung und laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien bejahen müssen. Ob es aber in die Prüfung der Mietzinsforderung überhaupt einsteigen darf, hängt davon ab, ob das englische Gericht hinsichtlich der ein­ redeweise erhobenen Mietzinsforderung kognitionsbefugt ist. Mithin kann sich 27  Staudinger-Mansel, Art.  43 EGBGB Rz.  778; Staudinger-Stoll, IntSachenR, Bearb 1996, Rz.  280. 28  Vgl. auch MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  66. 29  Bamberger/Roth-Spickhoff, Art.  17 Rom I-VO Rz.  4; zurückhaltend MüKoBGB-­ Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  66, der meint, der Wortlaut des Art.  17 Rom I-VO stehe einer Analogie entgegen. Zur generellen Analogiefähigkeit der Norm Palandt-Thorn, Art.  17 Rom I-VO Rz.  1.

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§  2 Grundlagen

das Problem der Kognitionsbefugnis auch Gerichten stellen, deren eigene lex fori kein allgemeines Zurückbehaltungsrecht kennt. bb) Besitzgebundene Zurückbehaltungsrechte Die Frage der Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte kann sich nicht nur bei den allgemeinen Zurückbehaltungsrechten stellen, sondern auch dann, wenn das Recht den Besitz an einer Sache voraussetzt. Auf ein solches Recht kommt es an, wenn man den eben gebildeten Beispielsfall dahingehend abwandelt, dass der Beklagte an seinem Sitz in Hamburg auf Rückgewähr einer Büroausstattung aus einem deutschem Recht unterstehenden Kaufvertrag in Anspruch genommen wird und er sich mit einem Zurückbehaltungsrecht wegen inkonnexer Mietzinsforderungen für ein englisches Büro verteidigt, die nur in England eingeklagt werden könnten (vgl. Art.  24 Nr.  1 EuGVVO). Die Frage, ob der Beklagte die Büroausstattung zurückbehalten darf, hängt auch hier vom anwendbaren materiellen Recht ab. Der nach dem Recht der Hauptforderung (diese besteht im Rückgewähranspruch aus §  346 Abs.  1 BGB30) anwendbare §  273 Abs.  1 BGB scheitert an der fehlenden Konnexität der Forderungen. Auf ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht wie z. B. §  369 Abs.  1 HGB, das auf die Konnexität verzichtet, kann sich der Beklagte dagegen nur berufen, wenn sich auch das Bestehen dieses Rechts nach dem Statut der Hauptforderung richtet. Der von den kaufmännischen Zurückbehaltungs- oder Retentionsrechten der §  369 Abs.  1 HGB, §  369 UGB, Art.  895 Abs.  1, 2 ZGB vorausgesetzte Sachbesitz führt diese Rechte in die Nähe dinglicher Sicherungsrechte31, wodurch ihre kollisionsrechtliche Qualifikation erschwert wird32. Handelt es sich bei §  369 Abs.  1 HGB um ein rein schuldrechtliches Zurückbehaltungsrecht, folgt es der soeben erörterten Anknüpfung an das Statut der Hauptforderung, so dass im Beispielsfall §  369 Abs.  1 HGB anwendbar ist. Betont man dagegen den pfandrechtsähnlichen Charakter der kaufmännischen Zurückbehaltungsrechte und ordnet sie daher den dinglichen Sicherungsrechten zu 33, bestimmen sich Voraussetzungen und Wirkungen nach der lex rei sitae (vgl. Art.  43 Abs.  1 EGBGB). Dann käme es im Beispielsfall darauf an, ob die Büroausstattung 30  Das Rücktrittsfolgenrecht richtet sich gem. Art.  12 Abs.  1 lit.  c) Rom I-VO nach dem Vertragsstatut, siehe Palandt-Thorn, Art.  12 Rom I-VO Rz.  7. 31  Staudinger-Bittner, §  273 Rz.  4, insbesondere zum Vergleich mit dem historischen Retentionspfand; Magnus, RabelsZ 38 (1974), 440 (447). 32  Falconbridge, Conflict of Laws, S.  451, 469 f., insbesondere zu den Schwierigkeiten der Qualifikation des lien im common law. 33  So zuletzt MüKoBGB-Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Anh. I Rz.  110; wohl auch MüKoBGB-Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rz.  61; für Art.  895 ZGB Reichenbach, Retentionsrecht, S.  140.

I. Relevanz von Zurückbehaltungsrechten im internationalen Zivilprozess

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nach Deutschland oder nach England geliefert wurde, wo ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht in der Form des §  369 HGB nicht bekannt ist. Vor allem in der älteren Rechtsprechung34 und Literatur35 werden kaufmännische Zurückbehaltungsrechte wegen ihrer Nähe zum Pfandrecht häufiger dinglich qualifiziert. Begründet wird dies mit ihrer Bindung an den Sachbesitz und dem damit zu erzielenden Gleichlauf mit der für die Besitzverhältnisse maßgeblichen lex rei sitae,36 den möglichen Drittwirkungen wie z. B. des §  369 Abs.  2 HGB37 sowie etwaigen Verwertungsrechten, z. B. nach §  371 HGB38. Im Rechtsvergleich überrascht dies nicht, werden doch auch in anderen Rechts­ordnungen besitzgebundene Zurückbehaltungsrechte mit Drittwirkung häufig dinglich qualifiziert,39 so z. B. das französische droit de rétention des Pfandgläubigers nach Art.  2286 C.C.40 sowie die bereits erörterten Lösungsrechte des Eigentümers, aus denen ein Zurückbehaltungsrecht des Käufers folgt.41 Für das allgemeine Zurückbehaltungsrecht des französischen Rechts, das teilweise im Wege der Analogie aus den normierten Retentionsrechten hergeleitet wird, ist die Qualifikation umstritten.42 Auch das deutsche Zurückbehaltungsrecht des §  1000 BGB wird, da es ausschließlich auf der dinglichen Beziehung zwischen den Parteien (z.B. einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis) beruht und die Herausgabe der Sache von einem Kausalgeschäft unabhängig ist, dinglich qualifiziert.43 Die Frage der Qualifikation lässt sich für (kaufmännische) Zurückbehaltungsrechte allgemein kaum beantworten, sondern immer nur in Bezug auf das jeweilige Recht. Für eine dingliche Qualifikation des deutschen §  369 Abs.  1 HGB mag der Gleichlauf mit dem Besitzstatut sowie die Möglichkeit eines Verwertungsrechts sprechen. Der Grundsatz der lex rei sitae gründet jedoch maßgeblich auf dem Verkehrsinteresse Dritter, erkennen zu können, ob eine Sache 34  OG Wien, Urt. v. 1.5.1906, SZ 43, 250 (Nr.  3404) für das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht nach österreichischem und deutschem Recht. 35  G. Walker, IPR, S.  352; Zitelmann, IPR, Bd. II/1, S.  565; Lapradelle/Niboyet, Répertoire, Bd. X, S.  442 (Nr.  9); siehe aber auch heute noch MüKoBGB-Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rz.  61. A. A. Frankenstein, IPR, Bd. II, S.  89 Fn.  175; Zaphiriou, Chattels, S.  134 f. 36  Batiffol, Traité, S.  567 (Nr.  521); zur Geltung der lex rei sitae für die Besitzverhältnisse v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  12 Rz.  16; Erman-Hohloch, Art.  43 EGBGB Rz.  15. 37  MüKoBGB-Kreuzer, 3.  Aufl., Art.  38 EGBGB Anh. I Rz.  110; MüKoBGB-Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rz.  61. 38  Diesen Aspekt hebt G. Walker, IPR, S.  352 für Pfand- und Zurückbehaltungsrechte hervor; kritisch dazu Frankenstein, IPR, Bd. II, S.  89 Fn.  175. 39  Zur Anknüpfung dieser Rechte an die lex rei sitae vgl. Nussbaum, IPR, S.  304. 40  Cass., 22.5.1962, Bull. civ. 1962 I, Nr.  258. 41  Lapradelle/Niboyet, Répertoire, Bd. X, S.  4 43 (Nr.  18). 42  Dazu Marty/Raynaud, Droit civil, Bd. III, Sûretés, Rz.  4 4 ff. 43  Magnus, RabelsZ 38 (1974), 440 (448).

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mit dinglichen Rechten belastet ist.44 Entscheidend für die dingliche Qualifikation ist daher, ob das Zurückbehaltungsrecht erga omnes oder nur inter partes wirkt.45 So kann die Einrede nach §  369 Abs.  1 HGB zwar dem Anspruch eines Verkäufers auf Rückgewähr einer Sache entgegengehalten werden, ohne dass eine Beziehung zum Gegenanspruch des Schuldners bestehen muss. Hat der Verkäufer die Sache jedoch selbst unter Eigentumsvorbehalt gekauft, wäre die Einrede des Schuldners aus §  369 Abs.  1 HGB dem Eigentümer gegenüber wirkungslos, da der Schuldner ihm gegenüber gerade keinen Anspruch hat. Hier hilft dem Schuldner auch §  369 Abs.  2 HGB nicht, es sei denn, dass er seine Gegenforderung gegenüber dem Verkäufer ausnahmsweise auch gegen den Eigentümer einwenden kann. Gegen eine dingliche Qualifikation spricht zudem, dass §  369 Abs.  1 HGB im Verhältnis zu gesetzlichen Pfandrechten meist zurücktritt.46 Schließlich war es auch das erklärte Ziel des Gesetzgebers, §  369 HGB als obligatorisches und gerade nicht als dingliches Recht auszugestalten.47 §  369 HGB sollte der Charakter einer materiellrechtlichen Einrede zukommen, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist.48 Im Verhältnis zu Dritten zeigt sich dies auch daran, dass das Recht – anders als ein Pfandrecht (vgl. §  1253 BGB) – bei unfreiwilligem Besitzverlust sofort erlischt.49 Das Zurück­ behaltungsrecht nach §  369 Abs.  1 HGB ist somit grundsätzlich ein schuldrechtliches, dessen Bestehen sich nach dem Forderungsstatut richtet. Eine Einschränkung der Geltung des Forderungsstatuts durch die lex rei sitae ist nur in den Fällen geboten, in denen sich das Zurückbehaltungsrecht ausnahmsweise auch gegenüber Dritten durchsetzt, so z. B., wenn der ursprüngliche Gläubiger als Nichtberechtigter nach §§  929 S.  1, 933, 934 Alt.  1 BGB über die Sache verfügt und der Schuldner dem neuen Eigentümer das Zurückbehaltungsrecht nach §  369 Abs.  2 HGB entgegenhält.50 Solche Drittwirkungen, die nicht nur die Parteien des Schuldverhältnisses betreffen, müssen sich nach der lex rei sitae richten. In diesem Sinne hat auch der Hoge Raad in jüngerer Zeit die Drittwirkungen eines Zurückbehaltungsrechts nach Art.  3:291 BW der lex rei sitae unterstellt, während er die Voraussetzungen nach dem gemeinsamen Forv. Hoffmann/Thorn, IPR, §  12 Rz.  9; Kegel/Schurig, IPR, §  19 I. (S.  765). Für Zurückbehaltungsrechte Thaller, Faillites, Bd. II, S.  27 (bei Rz.  27); Staudinger-­ Mansel, Art.  43 EGBGB Rz.  777; allgemein v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  12 Rz.  17. 46  Staub-Canaris, §§  369–372 Rz.  79; Schlegelberger-Hefermehl, §  369 Rz.  59. 47  Entwurf eines Handelsgesetzbuchs mit Ausschluss des Seehandelsrechts nebst Denkschrift, Berlin 1896, S.  211. 48  MüKoHGB-Welter, §  369 Rz.  65; Staub-Canaris, §§  369–372 Rz.  60. 49  Frankenstein, IPR, Bd. II, S.  89 Fn.  175; materiellrechtlich Staub-Canaris, §§  369–372 Rz.  3. 50  Für eine Beurteilung beschränkt dinglicher Wirkungen nach der lex rei sitae Rabel, Conflict of Laws, Bd. 4, S.  64 f.; Wolff, P.I.L., Rz.  436. 44  45 

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derungsstatut beurteilt hat.51 Ansonsten ist nach dem oben Gesagten das Recht der Hauptforderung maßgeblich. Im Beispielsfall muss sich das Gericht also mit der Frage seiner Kognitionsbefugnis unabhängig davon auseinandersetzen, ob die Büroausstattung an die englische oder die deutsche Niederlassung des Beklagten geliefert wurde, da der Kaufvertrag deutschem Recht unterliegt und somit ein Zurückbehaltungsrecht nach §  369 Abs.  1 HGB besteht. Die kollisions­ rechtlichen Anknüpfungen von Zurückbehaltungsrechten verdeutlichen also, dass für ein Gericht in vielen Fällen und unabhängig von der lex fori Anlass besteht, über ein Zurückbehaltungsrecht im internationalen Kontext zu entscheiden und die Frage seiner Kognitionsbefugnis bezüglich zuständigkeitsfremder Gegenforderungen zu beantworten. 3. Zusammenfassung Das Problem der Kognitionsbefugnis stellt sich hauptsächlich bei allgemeinen Zurückbehaltungsrechten, die nur einen losen Zusammenhang zwischen den Forderungen voraussetzen oder auf eine Konnexität ganz verzichten. Diese stehen im Folgenden im Mittelpunkt der Untersuchung. Die Beurteilung solcher Zurückbehaltungsrechte ergibt sich nicht nur für Gerichte der Rechtsordnungen, deren materielles Recht derartige Rechte kennt, sondern auch im Rahmen der Anwendung des vom Kollisionsrecht berufenen ausländischen Rechts.

II. Prozessuale Wirkungen von Zurückbehaltungsrechten Wie das angerufene Gericht die Frage seiner Kognitionsbefugnis im Lichte der zuständigkeitsrechtlichen Interessen zu beantworten hat, hängt ferner davon ab, welche Wirkungen das Zurückbehaltungsrecht im Prozess entfaltet. 1. Unterschiedliche Rechtsfolgen im In- und Ausland Im deutschen Recht führt die Einwendung von Zurückbehaltungsrechten dazu, dass der Schuldner zur Leistung Zug um Zug verurteilt wird (§§  274 Abs.  1, 322 Abs.  1 BGB). Gleiches gilt für das österreichische52 sowie das schweizerische53 Hoge Raad, Urt. v. 7.1.2000, NIPR 2000, 177 (178 ff.) (Nr.  106); dazu v. Wechem, NILR 2000, 368 (370 ff.). 52  Vgl. nur Koziol/Bydlinski/Bollenberger-Apathy, ABGB, §  1053 Rz.  3; Schwimann-­ Binder, ABGB, §  1052 Rz.  72. 53  Für die Einrede des nicht ordnungsgemäßen Vertrags nach Art.  82 OR: BG, Urt. v. 4.4.2001, BGE 127 III 199 (200); BG, Urt. v. 2.5.1985, BGE 111 II 195 (197 f.) (st. Rspr.); Schaller, Einreden, S.  185 f.; für das Retentionsrecht nach §  895 ZGB: ders., Einreden, S.  230 f.; BG, Urt. v. 29.10.1968, BGE 94 II 263 (269) (obiter). 51 

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Recht. Ähnlichkeiten finden sich auch im französischen Recht, das die Verpflichtung zur Leistung „trait pour trait“54 kennt, ohne allerdings im Regelfall einen ausdrücklich darauf lautenden Urteilstenor vorzuschreiben. Das französische Recht ermöglicht im Einzelfall, die Durchsetzung der Klage unter die Bedingung der gleichzeitigen Leistung des Klägers zu stellen.55 Jenseits dessen ist die Zug um Zug-Verurteilung meist unbekannt; dies gilt insbesondere für diejenigen Rechtsordnungen, die Zurückbehaltungsrechte nur im Rahmen synallagmatischer Leistungspflichten oder als dingliche Rechte kennen. So führt im italienischen Recht ein Retentionsrecht nicht zur Verurteilung Zug um Zug, sondern zur Klagabweisung als zur Zeit unbegründet.56 Das englische Recht kennt ebenfalls – entsprechend der grundsätzlichen Zurück­ haltung gegenüber einer Verpflichtung zur specific performance – keine Verurteilung Zug um Zug. Zwar ist auch hier seit der Leitentscheidung Kingston v. Preston57 anerkannt, dass es schuldrechtliche Beziehungen gibt, in denen die Leistungen gleichzeitig zu erbringen sind. Für das englische Recht folgt aus dieser Art von „Zug um Zug-Vorbehalt“ jedoch keine entsprechende Tenorierung im Urteil,58 sondern nur, dass der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder das quantum meruit verlangen kann, wenn der Schuldner seine Leistung nicht erbringt. Dies gilt wiederum nur dann, wenn der Gläubiger gezeigt hat, dass er „ready“ war, die ihm obliegende (Gegen-)Leistung zu erbringen, oder der Schuldner von vornherein erkennen lässt, unter keinen Umständen leisten zu wollen.59 Für das Kaufrecht ist dieser Verweis des Gläubigers auf Schadensersatz in Art.  50, 51 SGA kodifiziert. Ob diese unterschiedlichen Rechtsfolgen eines Zurückbehaltungsrechts von der lex causae oder vom Recht des Forumsstaats bestimmt werden, ist für die Bewertung der zuständigkeitsrechtlichen Interessen ganz entscheidend. Denn die Interessen des Klägers wären stärker betroffen, wenn seine Hauptforderung im Rahmen von §  273 BGB vor englischen Gerichten – wie bei der Aufrechnung – zum bloßen Rechnungsposten würde, als wenn die Hauptforderung – Planiol/Ripert/Esmein, Traité pratique, Bd. VI, Rz.  445. Planiol/Ripert/Esmein, Traité pratique, Bd. VI, Rz.  440; rechtsvgl. Ferid, Frz. Zivilrecht, Bd. I, 2 B 193 (S.  479); Witz, FS Schlechtriem, S.  291 (300). 56  Distaso, I contratti, Bd. III, Nr.  4 41 (S.  2188); Realmonte, in: Enc. del diritto., Bd. XIV „Eccezione di inadempimento“, Nr.  9 (S.  236). 57  „Covenants, which are mutual conditions to be performed at the same time“, Kingston v. Preston (1773) per Lord Mansfield, 2 Dougl. 690 (691) (K.B.), zit. in Jones v. Barkley (1781), 2 Dougl. 684 (691) (K.B.). 58  Rechtsvgl. Hüffer, Gläubigerhandeln, S.  173 f. 59  „The party must shew [sic] that he was ready; but, if the other stops him on the ground of an intention not to perform, it is not necessary for the first to go farther, and do a nugatory act“, Jones v. Barkley (1781) per Lord Mansfield, 2 Dougl. 684 (694) (K.B.). 54  55 

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wie nach deutschem Recht – bei Erbringung der Gegenleistung weiterhin durchsetzbar ist. Entscheidet also ein englisches Gericht in einer der oben erörterten Konstellationen über ein deutsches Zurückbehaltungsrecht oder ein deutsches Gericht über ein schweizerisches Retentionsrecht, so ist als Vorfrage der Kognitionsbefugnis zu klären, welche Wirkungen dieses Retentionsrecht hat, d. h. welchem Recht die Rechtsfolgen von Zurückbehaltungsrechten zu entnehmen sind. 2. Anknüpfung nach der lex fori oder nach der lex causae? Welchem Recht die Rechtsfolgen von Zurückbehaltungsrechten zu entnehmen sind, wird bisher – soweit ersichtlich – nicht erörtert. Diskutiert wird nur die ähnlich gelagerte Frage, ob sich die Zulässigkeit der gerichtlichen Anordnung einer nach der lex causae zu gewährenden Naturalerfüllung (specific performance) nach dieser oder nach der lex fori richtet, die möglicherweise eine derartige Verurteilung nicht vorsieht.60 Die überwiegende Auffassung qualifiziert die Rechtsfolge materiellrechtlich.61 Im common law geht man dagegen aufgrund der hoheitlichen Erzwingung der specific performance durch Zwangsgeld z. T. von einer prozessualen Qualifikation aus.62 Entscheidend für die kollisionsrechtliche Behandlung der Rechtsfolgen von Zurückbehaltungsrechten ist die funktionelle Qualifikation63, die sich sowohl an den Zwecken der jeweiligen Kollisionsnorm, hier also am lex fori-Prinzip, wie auch an den Zwecken der Sachnorm,64 also des jeweiligen Zurückbehaltungsrechts, zu orientieren hat.65 Welche Kriterien dabei genau für die Abgrenzung von prozessualen und materiellen Wirkungen herangezogen werden sollen, ist in der Theorie umstritten.66 Einigkeit besteht insoweit, als der äußere 60  Zur kollisionsrechtlichen Abgrenzung von prozessualer und materiellrechtlicher Materie Cook, 42 Yale L.J. (1933), 333 (334); Geimer, IZPR, Rz.  319. 61  Remien, Rechtsverwirklichung, S.  295 m. w. N. Für diese Auffassung lässt sich auch der Verweis auf die lex fori in Art.  28 CISG heranziehen (vgl. allgemein Schlechtriem/Schwenzer-Müller-Chen, Art.  28 CISG Rz.  9 f.), der grundsätzlich eine materiellrechtliche Qualifikation der Frage voraussetzt. 62  Boys v. Chaplin (1971), [1971] A.C. 356 (394) (H. L.) („[The] court can only give its own remedies, having no power to give alien remedies“; anders aber teilweise in den USA, vgl. Copylease Corp. of America v. Memorex Corp. (1976), 408 F. Supp.  758 (S.D. N.Y.) („[The] remedy sought is inextricably interwoven with the substantive right being sued upon.“). 63  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  9; §  6 Rz.  27 ff.; Kegel/Schurig, IPR, §  7 III. 3b) (S.  343 ff.). 64  Neuhaus, Grundbegriffe, S.  129. 65  Für die Berücksichtigung der Zwecke von Sachnorm und Kollisionsnorm BGH, Urt. v. 19.12.1958, BGHZ 29, 137 (139); v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rz.  30. 66  Vgl. dazu Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rz.  84 ff.; Geimer, IZPR, Rz.  325 ff.

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Standort der Norm – da häufig von Zufälligkeiten abhängig – nicht allein maßgeblich sein kann.67 Verbreitet ist die Unterscheidung nach Jacobus Balduinus, der zwischen Regelungen ad decisionem, die unmittelbaren Einfluss auf die Sachentscheidung haben, und Regelungen ad ordinem litis, die nur den Ablauf des Verfahrens regeln, differenziert.68 Es kommt also darauf an, ob die betreffende Norm den Bestand des Rechts selbst betrifft, oder die Modalitäten seiner Durchsetzung. So betreffen z. B. Verjährungsvorschriften unabhängig von ihrer Verortung im nationalen Recht die generelle Klagbarkeit des Anspruchs und sind daher materiellrechtlich zu qualifizieren.69 Für die Anknüpfung der Rechtsfolgen von Zurückbehaltungsrechten ist ebenfalls entscheidend, ob diese den Bestand der Haupt- oder der Gegenforderung betreffen.70 Ergänzend müssen die Interessen der Parteien an der Berechenbarkeit des Rechts, die materiellrechtliche Verflochtenheit von Sachrecht und Verfahrensrecht sowie die Entscheidungseffizienz des Forums berücksichtigt werden.71 Für eine Beurteilung von Zurückbehaltungsrechten nach der lex fori spricht der Gleichlauf mit dem Zwangsvollstreckungsrecht. Die Vollstreckungsrechte derjenigen Rechtsordnungen, die allgemeine Zurückbehaltungsrechte vorsehen, enthalten zumeist eigene Regelungen für die Zwangsvollstreckung, so z. B. das deutsche Recht in §§  756, 765 ZPO, das schweizerische Recht in Art.  342 schweiz. ZPO sowie das österreichische Recht in §§  8, 42 Abs.  1 Nr.  4 EO, in denen u. a. geregelt ist, wie der Gerichtsvollzieher die Leistung des Gläubigers anzubieten hat, um dessen Forderung vollstrecken zu können. In Rechtsordnungen, in denen bereits das materielle Recht die Erzwingung zur Leistung Zug um Zug nur in Ausnahmefällen kennt, fehlt es konsequenterweise an entsprechenden Vollstreckungsvorschriften. Ein englisches Gericht würde also im Falle einer materiellrechtlichen Qualifikation der Rechtsfolgen von Zurückbehaltungsrechten zum einen gezwungen, eine Urteilsformel zu erlassen, die sein eigenes Recht so nicht kennt.72 Zum anderen müsste das englische Gericht klären, wie mit dieser unbekannten Urteilsformel im englischen Zwangsvollstreckungsrecht umzugehen ist, insbesondere, welche Maßnahmen der Gerichtsvollzieher Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rz.  94; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  9; Geimer, IZPR, Rz.  355. 68  Vgl. nur v. Bar/Mankowski, IPR I, §  6 Rz.  9; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  2 Rz.  15 sowie §  3 Rz.  9; Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rz.  98 ff.; sehr weitgehend Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1 (51), der sogar die Prozessfähigkeit materiellrechtlich anknüpfen will. 69  Vgl. RG, Urt. v. 8.6.1930, RGZ 129, 385 (388); BGH, Urt. v. 6.11.1973, IPRspr 1973 Nr.  137, S.  391 (394); sowie Art.  12 Abs.  1 lit.  d) Rom I-VO für die vertraglichen Schuldverhältnisse. 70  Vgl. nur Riezler, IZPR, S.  126. 71  Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rz.  219. 72  Hierzu sogleich unten §  2 II. 3. 67 

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zur Durchsetzung der Forderung zu ergreifen und welche Voraussetzungen er hinsichtlich der Gegenleistung zu prüfen hat. Auf der anderen Seite betrifft die Frage, ob der Kläger mit seiner Klage zumindest teilweise obsiegt und ein Zug um Zug-Urteil erstreitet oder ob er vollständig abgewiesen wird und seine Hauptforderung einbüßt, unmittelbar deren Werthaltigkeit. Erhebt er nämlich seine Klage vor englischen Gerichten, müsste er bei prozessualer Qualifikation der Zurückbehaltungsfolgen mit der Klageabweisung rechnen; seine Einschränkungen gingen also weit über diejenigen hinaus, die ihm das deutsche materielle Recht zumutet. Umgekehrt bekäme der Beklagte vor englischen Gerichten ein stärkeres Sicherungsmittel zugesprochen, als nach der lex causae eigentlich besteht, da es dann die Durchsetzbarkeit der Hauptforderung vollständig hemmt. Sieht die lex causae dagegen ausnahmsweise zugunsten des Schuldners die Klageabweisung vor, könnte der Kläger dies durch forum shopping vermeiden, indem er vor einem Gericht klagt, dessen lex fori für Zurückbehaltungsrechte nur eine Verurteilung Zug um Zug gewährt. Auch aus europarechtlicher Sicht ist eine Anknüpfung nach der lex causae geboten. Denn anderenfalls könnte das von der lex causae gewährte Sicherungsmittel innerhalb der Gemeinschaft nicht in jedem Mitgliedstaat dieselben Wirkungen entfalten, so dass die Freizügigkeit des Klägers hinsichtlich der Wahl seines Gerichtsstands zumindest mittelbar beschränkt würde.73 Darüber hinaus birgt die prozessrechtliche Qualifikation die Gefahr einer Ungleichbehandlung der Parteien. Bei Rechtsbeziehungen zwischen einem Engländer und einem Deutschen nach deutschem Recht könnte der Engländer vor deutschen Gerichten klagen, ohne bei einem Zurückbehaltungsrecht eine vollständige Klagabweisung riskieren zu müssen, während der Deutsche bei einer Klage gegen den Engländer in England seine Hauptforderung im Falle eines begründeten Zurückbehaltungsrechts gar nicht – auch nicht Zug um Zug – durchsetzen könnte. Die besseren Gründe sprechen also dafür – in den Grenzen der Prozessformen der lex fori (dazu sogleich) – die Rechtsfolgen eines Zurückbehaltungsrechts nach der lex causae zu beurteilen. Dadurch erzielt ein Zurückbehaltungsrecht einer bestimmten Rechtsordnung überall dieselbe Wirkung, unabhängig davon, vor welchem Gericht es geltend gemacht wird. 3. Beschränkung der lex causae durch die Prozessformen der lex fori Fraglich ist allerdings, ob einer solchen Zug um Zug-Tenorierung nicht entgegensteht, dass der ausländischen lex fori auch die den §§  756, 765 ZPO, Art.  342 73  Zu dieser europarechtlichen Problematik in Bezug auf dingliche Sicherheiten ­MüKoBGB-Wendehorst, vor Art.  43 EGBGB Rz.  5.

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schweiz. ZPO sowie §§  8, 42 Abs.  1 Nr.  4 EO entsprechenden Vollstreckungsnormen fehlen. Aufgrund der materiellrechtlichen Qualifikation ist der Richter jedenfalls gehalten, dem Zurückbehaltungsrecht weitestgehend diejenigen materiellen Wirkungen zukommen zu lassen, die die lex causae vorsieht. Sieht die eigene lex fori eine Zug um Zug-Verurteilung nicht vor, muss der Richter ähnliche Institute im eigenen Prozessrecht suchen, die den materiellrechtlichen Wertungen des ausländischen Rechts möglichst nahekommen.74 Entscheidet beispielsweise ein französisches Gericht über ein deutsches Zurückbehaltungsrecht, so kann es den Beklagten zwar nach eigenem Recht nicht Zug um Zug verurteilen. Es kennt jedoch den ähnlichen Fall der Verurteilung zur Leistung unter der Bedingung der Erbringung der Gegenleistung75 – die letztlich zum vom deutschen Recht gewollten Ergebnis führt. Schwieriger ist die Situation, wenn dem ausländischen Recht eine solche Urteilsformel gänzlich unbekannt ist. Die Übernahme von der ausländischen lex causae vorgesehener Prozessinstitute, die der lex fori fremd sind, kann ein Gericht dazu veranlassen, seine internationale Zuständigkeit vor dem Hintergrund einer „wesensfremden Tätigkeit“76 aufgrund der Besonderheit des Streitgegenstands zu verneinen. So haben es deutsche Obergerichte abgelehnt, bei der Feststellung einer Erbfolge nach österreichischem Recht den danach erforderlichen Einantwortungsbeschluss zu erlassen.77 Materiellrechtlich erreichen sie dasselbe Ergebnis, indem sie die Erbschaft in diesen Fällen mit dem Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung („Erbserklärung“) gegenüber dem deutschen Nachlassgericht als erworben ansehen.78 Demgegenüber findet nach der Rechtsprechung des BGH die internationale Zuständigkeit des Richters erst dort ihre Grenze, wo das anwendbare auslän­ dische Recht dem deutschen Richter Tätigkeiten abverlangt, die mit seinem h­ erkömmlichen Aufgabenbereich selbst nach einer Anpassung des deutschen 74  Vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1967, BGHZ 47, 324 (332, 338) (zur Trennung von Tisch und Bett); siehe zur Vollstreckung im Vollstreckungsstaat unbekannter Urteilsformen nunmehr Art.  54 Abs.  1 EuGVVO. 75  Planiol/Ripert/Esmein, Traité pratique, Bd. VI, Rz.  4 45; rechtsvgl. Ferid, Frz. Zivilrecht, Bd. I, 2 B 193 (S.  479). 76  MüKoFamFG-Rauscher, §  105 Rz.  42. Die Terminologie für dieses Prinzip ist uneinheitlich, vgl. nur Schack, IZVR, Rz.  570 ff.; Staudinger-Hausmann, Art.  7 EGBGB Rz.  132 („wesenseigene Unzuständigkeit“). 77  BayObLG, Beschl. v. 2.2.1995, MittRhNotK 1995, 105 (106); BayObLG, Beschl. v. 8.5.1967, NJW 1967, 2123 (LS); i. Erg. auch OLG Köln, Beschl. v. 25.3.1997, MittRhNotK 1997, 264 (265); zust. MüKoFamFG-Rauscher, §  105 Rz.  43; kritisch Staudinger-Dörner, Art.  25 EGBGB Rz.  852 ff. 78  BayObLG, Beschl. v. 2.2.1995, MittRhNotK 1995, 105 (106).

II. Prozessuale Wirkungen von Zurückbehaltungsrechten

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Verfahrensrechts gänzlich unvereinbar wären.79 Problemlos möglich war nach Auffassung des BGH daher der gerichtliche Ausspruch der Trennung von Tisch und Bett durch deutsche Gerichte.80 Ebenso unproblematisch müsste auch ein Einantwortungsbeschluss durch deutsche Gerichte möglich sein, da er nicht vollstreckbar ist und sich keine Friktionen mit dem hoheitlichen Vollstreckungssystem ergeben können. Schwieriger ist dies jedoch bei Leistungsurteilen mit Zug um Zug-Vorbehalt, die grundsätzlich der Vollstreckung fähig sind und jedenfalls in Deutschland auch mit einer (vorläufigen) Vollstreckbarerklärung versehen werden. Man könnte zwar erwägen, auch die ausländischen Zwangsvollstreckungsnormen zum Zug um Zug-Vorbehalt als „Annex“ des materiellen Rechts anzuwenden, da sie – trotz ihrer Verortung im Verfahrensrecht keine alleinstehende ver­ fahrensrechtliche Bedeutung haben und sich als „Zubehör“81 des materiellen Rechts oder „sachrechtsbezogene Verfahrensnormen“82 materiellrechtlich qualifizieren ließen. Hiergegen spricht jedoch die beschränkte Kognitionsbefugnis des Vollstreckungsorgans, dessen Vorgehen von jeglichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen jenseits der Überprüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen freigehalten werden soll83. Muss also ein deutsches Gericht über das Bestehen eines schweizerischen Retentionsrechts entscheiden, so kann es in seiner Entscheidung nicht aussprechen, dass sich die Vollstreckung in Deutschland nach den schweizerischen Regelungen für die Zug um Zug-Vollstreckung richtet. Der Tenor wird zwar – insoweit gleichen sich das deutsche und das schweizerische Prozessrecht – auf Leistung Zug um Zug lauten. Die Vollstreckungs­ voraussetzungen richten sich jedoch anschließend nach dem Recht des je­ weiligen Vollstreckungsstaates, da sonst das Vollstreckungsorgan in die Lage versetzt würde, die Vollstreckung nach ausländischem Recht vornehmen zu müssen, dessen Voraussetzungen und Auslegung es nicht kennt und das mög­ licherweise Beweismittel vorsieht, die seinem Recht völlig fremd sind. Dementsprechend wird ein englischer Richter sehr zurückhaltend sein, ein Leistungsurteil zur Leistung Zug um Zug inklusive Vollstreckbarkeitserklärung zu erlassen, wenn ein englischer bailiff oder enforcement officer mit dem Urteilstenor wenig anfangen könnte. Er wird sich also möglicherweise genötigt sehen, von der deutschen Urteilsformel zumindest in Teilen – und sei es nur hinsichtlich des Vollstreckbarkeitsausspruchs – abzuweichen. 79 

BGH, Urt. v. 22.3.1967, BGHZ 47, 324 (331 f.). BGH, Urt. v. 22.3.1967, BGHZ 47, 324 (338 f.); zustimmend v. Bar/Mankowski, IPR I, §  5 Rz.  94. 81  Vgl. Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201 (238). 82  Geimer, IZPR, Rz.  324. 83  MüKoZPO-Götz, §  704 Rz.  8; Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Schneiders,  ZVR, §  767 Rz.  1. 80 

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§  2 Grundlagen

Es zeigt sich daher, dass die Vorgaben der lex causae nicht ohne Rücksicht auf die lex fori übernommen werden können. Grundsätzlich darf die lex fori zwar nicht dazu führen, dass dem Zurückbehaltungsrecht stärkere oder schwächere Wirkungen zukommen als nach der lex causae. Gleichzeitig kann der ausländische Richter aber nach seinem eigenen Recht kein Urteil mit einem Vollstreckungsbefehl erlassen, den die Vollstreckungsorgane im Forumsstaat nicht umsetzen könnten. Hieran hat sich auch für den Geltungsbereich der europäischen Zuständigkeitsnormen nach deren Neufassung nichts geändert. Zwar sieht Art.  54 Abs.  1 EuGVVO nunmehr ausdrücklich vor, dass im Vollstreckungsstaat unbekannte gerichtliche Maßnahmen und Entscheidungen dort – soweit möglich – so anzupassen sind, dass sie vergleichbare Wirkungen zeitigen und ähnliche Ziele und Interessen verfolgen. Die Norm betrifft jedoch ausdrücklich nur die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen eines anderen Mitgliedstaats mit im Vollstreckungsstaat unbekannter Entscheidungsform, nicht aber die Tenorierung des Ausgangsgerichts im Ursprungsstaat. Wie dort der Tenor genau aussehen muss, ist keine Frage des internationalen Privat- oder Zivilprozessrechts, sondern eine Frage des nationalen Rechts. Denkbar erscheint, dass der englische Richter ein nicht vollstreckbares Urteil erlässt, in dem er die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung Zug um Zug lediglich feststellt.84 Ein solches Urteil wäre jedenfalls dann nicht ultra petita, wenn man es gegenüber einem Leistungsurteil als minus und nicht als aliud ansieht. Der Kläger erhielte eine rechtskräftige Feststellung85 seiner Hauptforderung. Das Gericht könnte auch – soweit das englische Prozessrecht dies zulässt – nach deutscher lex causae tenorieren, ohne den Ausspruch in England für vollstreckbar zu erklären, und die Vollstreckbarkeit in den sonstigen Mitgliedstaaten der Entscheidung der dortigen Gerichte anheim stellen. Letztlich sind dies aber Fragen, die sich weder aus der Sicht des deutschen, noch des europäischen Zivilprozessrechts beantworten lassen, sondern die durch das jeweilige nationale Prozessrecht zu klären sind. Der Richter muss aber nach seiner lex fori in jedem Fall sicherstellen, dass ein Zurückbehaltungsrecht eben nur die vom materiellen Recht vorgesehenen Wirkungen zeitigt und nicht aufgrund von Besonderheiten des nationalen Prozessrechts zu einem faktischen Erlöschen der gegenseitigen Forderungen und damit zu aufrechnungsgleichen Wirkungen führt.86 84  So bei fehlender Vollstreckbarkeit von specific performance Remien, Rechtsverwirklichung, S.  297. 85  Zur Reichweite der Rechtskraft bei Zug um Zug-Urteilen eingehend unten §  6 II. 1. 86  Für die Vollstreckung fremder Entscheidungen ist dies nunmehr asudrücklich normiert in Art.  54 Abs.  1 S.  2 EuGVVO.

III. Die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsquellen

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4. Ergebnis Sieht das anwendbare materielle Recht eine Verurteilung Zug um Zug vor, so hat sich auch ein ausländisches Gericht bei der Tenorierung an dieser materiellrechtlichen Vorgabe zu orientieren. Kennt die lex fori keine entsprechende Tenorierung, ist der Richter gehalten, die Rechtsfolge in eine ihm bekannte Tenorierungsform zu übersetzen, die das materiellrechtliche Ergebnis weitestgehend wahrt. Dies gilt unabhängig davon, ob ein solches Urteil im Urteilsstaat selbst vollstreckt werden könnte oder nicht.

III. Die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsquellen Wie ein Gericht zu entscheiden hat, wenn es für die zurückbehaltungsweise geltend gemachte Gegenforderung an der internationalen Zuständigkeit fehlt, hängt zunächst davon ab, welche Rechtsquellen für die Kognitionsbefugnis von Gerichten maßgeblich sind. Geht man von einer prozessualen Qualifikation und damit von der Geltung der lex fori aus, so ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die Kognitionsbefugnis des Gerichts allein durch die lex fori oder auch durch das Recht des Gerichtsstands für die Gegenforderung eingeschränkt werden kann. 1. Das auf die Kognitionsbefugnis anwendbare Recht Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit sowie der Kognitionsbefugnis eines Gerichts gehören klassischerweise zu den Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts.87 Es verwundert daher nicht, dass in Literatur und Rechtsprechung bezüglich der Aufrechnung von der Anwendung der lex fori ausgegangen88 und die Qualifikation nur vereinzelt diskutiert wird89. Dennoch gibt es abweichende Stimmen, die eine materiellrechtliche Qualifikation jedenfalls für „gut vertretbar“90 halten. Insbesondere das OLG Stuttgart ist in seiner im Eingangsbeispiel91 angeführten Entscheidung davon ausgegangen, dass es sich bei v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  1 f. BGH, Urt. v. 20.12.1972, BGHZ 60, 85 (87); BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (124) (st. Rspr.); MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  26; Geimer/Schütze-­Geimer, Art.  6 EuGVVO Rz.  70; ders., NJW 1973, 951 (953); Badelt, Aufrechnung, S.  130; Kannengießer, Aufrechnung, S.  142; für das schweizerische IPR KommSchwIPR-Dasser, Art.  148 Rz.  16; Vischer/Huber/Oser, Int. VertragsR, Rz.  1123. 89  Für diskussionswürdig halten die Frage aber Kannengießer, Aufrechnung, S.  141 ff.; Pittet, Compétence, S.  176 f.; KommSchwIPR-Dasser, Art.  148 Rz.  15. 90  KommSchwIPR-Dasser, Art.  148 Rz.  14. Auch Kannengießer, Aufrechnung, S.  141, hält die Gegenauffassung für schlüssig begründbar. 91  Siehe oben §  1 II. 87 

88 

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§  2 Grundlagen

der Kognitionsbefugnis über ein Zurückbehaltungsrecht um eine Frage von dessen Zulässigkeit handele, die sich „nach dem Statut der Hauptforderung, vorliegend nach deutschem Recht“92 beurteile. Damit wendete das OLG das Zurückbehaltungsstatut an, auch wenn dieses im konkreten Fall mit der lex fori identisch war. Auch in der Schweizer Literatur wird diskutiert, inwieweit die Zuständigkeitsfrage materiellrechtlich zu qualifizieren und damit dem Auf­ rechnungsstatut zu unterstellen ist.93 In der Sache erscheint eine materiellrechtliche Qualifikation – wie sie das OLG Stuttgart vorgenommen hat – zweifelhaft. Bei der Beurteilung des auf die Zuständigkeitsfrage anwendbaren Recht ist sinnvollerweise zwischen fehlender gesetzlicher Zuständigkeit für die Gegenforderung und fehlender Zuständigkeit aufgrund von Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarungen94 zu differenzieren. Bei der gesetzlichen Zuständigkeit sprechen die besseren Argumente für eine prozessuale Qualifikation.95 Das von Kannengießer zur Aufrechnung referierte Gegenargument, das deutsche Recht verstehe die Aufrechnung als materiellrechtliches Institut, so dass das Aufrechnungsstatut die Anwendung eines einheitlichen Rechts auf sämtliche Aufrechnungsfragen sicherstelle, trägt – wie dieser selbst einräumt96 – nicht. Denn entscheidend für das auf die Zuständigkeit für die Gegenforderung anwendbare Recht ist nicht die Verortung des Rechtsinstituts im deutschen Recht.97 Maßgeblich ist auch hier die funktionelle Qualifikation danach, ob die Regeln für die Sachentscheidung erheblich sind oder nur den Ablauf des Verfahrens betreffen.98 Materiellrechtlich wäre die Frage also nur zu qualifizieren, wenn sie den Bestand oder die Klagbarkeit der Haupt- oder der Gegenforderung beeinflusste.99 Die Gegenforderung kann jedoch vor den international zuständigen Gerichten sowohl zurückbehaltungs- als auch klageweise geltend gemacht werden. Die Kognitionsbefugnis betrifft nur die Einwendbarkeit vor bestimmten Gerichten, die für eine auf die Forderung gestützte Klage gerade nicht zuständig wären. Sie ist daher prozessual zu qualifizieren und unterliegt der lex fori.

92 

OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (437). ZürKommIPRG-Keller/Girsberger, Art.  148 Rz.  56; KommSchwIPR-Dasser, Art.  148 Rz.  15. 94  Dazu später unten §  8 I. 95  So auch Pittet, Compétence, S.  176. 96  Kannengießer, Aufrechnung, S.  142. 97  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  9. 98  Dazu bereits oben §  2 II. 2. 99  Vgl. nur Geimer, IZPR, Rz.  343 f. 93 

III. Die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsquellen

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2. Verweis auf das für die Gegenforderung maßgebliche Prozessrecht? Ferner ist zu klären, ob die Zuständigkeitsfrage allein von der lex fori des angerufenen Gerichts beeinflusst wird, oder ob auch die Vorschriften desjenigen Prozessrechts zu berücksichtigen sind, nach denen sich die klageweise Geltendmachung der Gegenforderung vor dem für sie zuständigen Gericht richten würde. Im Eingangsbeispiel100 unterlag die eingeklagte erbrechtlich qualifizierte Hauptforderung dem autonomen deutschen IZVR. Die Gegenforderung dagegen wäre nach der EuGVVO einzuklagen gewesen, und zwar nach Art.  24 Nr.  1 EuGVVO vor italienischen Gerichten. Das OLG Stuttgart ist davon ausgegangen, seine Kognitionsbefugnis beurteile sich nicht nach der EuGVVO, sondern allein nach dem autonomen deutschen Prozessrecht. Dem OLG ist im Grundsatz zuzustimmen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Gericht eine Vorfrage prüfen darf – unter denen also diesbezüglich eine Kognitionsbefugnis besteht –, richten sich grundsätzlich nach der für die Klageforderung maßgeblichen lex fori.101 Einer Berücksichtigung des Prozessrechts der ausländischen Gerichte, nach dem die Gegenforderung einzuklagen wäre, bedarf es grundsätzlich nicht. Das angerufene Gericht entscheidet nach dem international anerkannten lex fori-Prinzip102 über sein Verfahren nur nach dem eigenen Recht, also unabhängig davon, ob nach dem für die Gegenforderung relevanten Prozessrecht die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts zulässig wäre oder nicht. In dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall unterlag die Zuständigkeit für die Gegenforderung jedoch nicht ausländischem Recht, sondern der EuGVVO, die nach Art.  288 AEUV auch in Deutschland unmittelbar gilt. Anders als vom OLG Stuttgart angenommen, muss daher auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des autonomen IZVR nicht nur geprüft werden, ob dieses die Zurückbehaltung mit einer zuständigkeitsfremden Gegenforderung erlaubt. Vielmehr kann sich auch aus dem Zuständigkeitskatalog der EuGVVO, der ebenfalls Teil der lex fori ist, ein Verbot der Beachtung der Gegenforderung ergeben. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn die ausschließlichen Zuständigkeiten der EuGVVO nicht nur eine Klage, sondern auch die aufrechnungsweise oder zurückbehaltungsweise Geltendmachung einer Gegenforderung ausschließlich bestimmten Gerichten zuweisen. Ob dies der Fall ist, wird noch zu erörtern sein.103 Fest steht aber, dass die deutschen Gerichte, die an die EuGVVO gebunden sind, eine solche Zuweisung beachten müssten. 100 

Siehe oben §  1 II. Vgl. Geimer, IZPR, Rz.  868b. 102  Vgl. zum lex fori-Prinzip Radtke, Lex fori, S.  1–20. 103  Zur Anwendbarkeit der EuGVVO auf die Kognitionsbefugnis über Einreden eingehend unten §  4. 101 

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§  3 Stand der Forschung

§  3 Stand der Forschung Innerhalb Europas wird der größte Teil des internationalen Prozessgeschehens durch die Zuständigkeitsordnung der EuGVVO erfasst. Sie hat das EuGVÜ – abgesehen von einigen überseeischen Gebieten (vgl. Art.  68 Abs.  1 EuGVVO) – nahezu vollständig ersetzt. Insoweit ist von besonderem Interesse, ob in ihrem Anwendungsbereich die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts auch bei fehlender internationaler Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die Gegenforderung möglich ist. Wie schon das EuGVÜ enthält die EuGVVO zur Zuständigkeitsfrage bei Einwendungen und Einreden – auch nach der Neufassung – keine allgemeingültige Regelung.104 Zur Rechtslage nach dem EuGVÜ hat sich jedoch zur Aufrechnung eine heftige Kontroverse entwickelt, die auch nach Inkrafttreten der EuGVVO und ihrer Neufassung fortgeführt wird.105 Das Problem der Zurückbehaltungsrechte wird dagegen in Rechtsprechung und Literatur bisher nur spärlich und meist unter Verweis auf die Probleme bei der Aufrechnung behandelt. Um die im Folgenden nachzuzeichnende Diskus­ sion der Zurückbehaltungsrechte aufzunehmen, muss daher auch der Meinungsstand bezüglich der Aufrechnung aufgearbeitet werden. Im zweiten Teil der Arbeit soll sodann aufgezeigt werden, inwieweit Unterschiede zwischen Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten eine unterschiedliche prozessrechtliche Behandlung erfordern. Wie eingangs106 dargelegt, sind die Stellungnahmen, ob das europäische Zivilprozessrecht für die Zulässigkeit eines Zurückbehaltungsrechts die interna­ tionale Zuständigkeit für die Gegenforderung erfordert, bislang vereinzelt. Die bisherigen Entscheidungen sind allesamt zum EuGVÜ ergangen. Da sowohl die am 1. März 2003 in Kraft getretene EuGVVO als auch die am 10. Januar 2015 in Kraft getretene Neufassung in den relevanten Bestimmungen mit dem ­EuGVÜ wortlautgleich sind, hat sich die gemeinschaftsrechtliche Ausgangs­ lage, auf denen die Urteile basieren, jedoch nicht verändert. Auf die zum E ­ uGVÜ ergangenen Urteile kann daher zur Auslegung der EuGVVO unproblematisch zurückgegriffen werden.107

104  Die Neufassung regelt die Beschränkung der Kognitionsbefugnis nur vereinzelt für die Einrede der Nichtigkeit eines Schutzrechts in Art.  24 Nr.  4 EuGVVO n. F., siehe hierzu unten §  4 II. 105  Vgl. die Nachweise unten §  3 II. 3. 106  Siehe oben §  1 I. 107  EuGH, Urt. v. 23.4.2009, Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3369 (3386), Rz.  52 – Falco Privat­ stiftung.

I. Stellungnahmen zu Zurückbehaltungsrechten

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I. Stellungnahmen zu Zurückbehaltungsrechten 1. Rechtsprechung Der Bundesgerichtshof108 hat sich unter Geltung des EuGVÜ bisher erst einmal explizit zur Zuständigkeitsfrage bei Zurückbehaltungsrechten geäußert, wobei die fehlende Zuständigkeit für die Gegenforderung auf einer Gerichtsstandsvereinbarung gründete. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit forderte die in Frankreich ansässige Klägerin von einem in Deutschland ansässigen Fenster­ fabrikanten die Zahlung des Restkaufpreises für vertragsgemäße Isolierglas­ lieferungen. Der zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag legte fest, dass eine Klage aus dem Kaufvertrag von der französischen Klägerin „vor einer deutschen Gerichtsbarkeit“, von der deutschen Beklagten demgegenüber „vor einer französischen Gerichtsbarkeit“ erhoben werden musste.109 Von der Klägerin in Deutschland auf Kaufpreiszahlung in Anspruch genommen, machte die Beklagte geltend, dass es dem klägerischen Kaufpreisanspruch an der Fälligkeit fehle. Hilfsweise rechnete sie mit Schadensersatzansprüchen auf und machte zudem wegen dieser Ansprüche ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Hinsichtlich der in der Berufung zugesprochenen Klageforderung griff die Revision das Urteil des OLG Koblenz nicht an. Streitig war allerdings, ob Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht der Beklagten – wie vom OLG angenommen – prozessual unzulässig waren. Der BGH ging zunächst davon aus, dass die Entscheidung von der Auslegung von Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ abhänge. Er setzte daher das Verfahren aus und legte dem EuGH unter anderem die Frage vor, ob Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung, nach der die Parteien nur vor den Gerichten ihres Heimatstaates verklagt werden können, das vom Kläger angerufenes Gericht am Gerichtsstand des Beklagten zwingend daran hindert, die Aufrechnung mit einer Forderung aus dem der Gerichtsstandsklausel unterfallenden Vertragsverhältnis zu berücksichtigen.110 Der EuGH hat die Frage verneint und ausgeführt, eine Aufrechnung mit einer Forderung, die nicht dem vereinbarten Gerichtsstand unterfalle, sei mit Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ nicht grundsätzlich unvereinbar.111 Den nationalen Gerichten bleibe es aber unbenommen, durch Auslegung einen auf ein prozessuales Auf-

108 

BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477. BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477. 110  Zu den Vorlagefragen vgl. EuGH Urt. v. 9.11.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2133 (2142), Rz.  8 – Meeth. 111  EuGH, Urt. v. 9.11.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2133 (2143 f.) – Meeth, vgl. hierzu unten §  3 II. 1. 109 

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§  3 Stand der Forschung

rechnungsverbot gerichteten Parteiwillen zu ermitteln.112 In seiner abschließenden Sachentscheidung hat der BGH von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Gerichtsstandsklausel dahingehend ausgelegt, dass sie sowohl ein Aufrechnungs- als auch ein Zurückbehaltungsverbot bezwecken sollte.113 Die prozessuale Zulässigkeit der Einwendungen beurteilte der Senat dabei nach der lex fori. Nach dieser könne die Aufrechnung durch Prozessvertrag ausgeschlossen werden. Unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des BGH114 ging der Senat davon aus, die Gerichtsstandsvereinbarung solle im Zweifel sicherstellen, dass sich die Parteien gegen Ansprüche aus dem Kauf­ vertrag nur vor ihren jeweiligen Heimatgerichten verteidigen müssten. Auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Aufrechnung sei daher davon auszugehen, dass die Aufrechnung vor einem Gericht, vor dem die Gegenforderung nicht eingeklagt werden könne, im Zweifel ebenfalls ausgeschlossen sein solle. Dieser Parteiwille erstrecke sich über die Aufrechnung hinaus auch auf die hier vom Beklagten erhobene Einrede des Zurückbehaltungsrechts.115 Denn dieses wirke, da es nur wegen der zur Aufrechnung gestellten Geldforderung geltend gemacht wurde, im Ergebnis wie eine Aufrechnung. Der BGH berief sich ­ zudem auf zwei frühere Entscheidungen zu Inlandssachverhalten, nach denen sowohl aus einem gesetzlichen116 als auch einem vertraglichen117 Aufrechnungsverbot zugleich auf ein Zurückbehaltungsverbot geschlossen wurde. Die Stellungnahme des BGH wird in der Literatur häufig so rezipiert, der BGH habe – wie bei der Aufrechnung – die Geltendmachung eines schuldrechtlichen Zurückbehaltungsrechts generell für den Fall abgelehnt, dass das Gericht für die Gegenforderung nicht international zuständig sei, weil es dann über sie urteilen müsse.118 Auch in der Rechtsprechung wird zur Begründung eines Zuständigkeitserfordernisses zuweilen auf den durch den BGH hervorgehobenen „Gleichlauf“ von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten verwiesen und damit suggeriert, die Frage sei für die Rechtspraxis geklärt.119

112  So auch GA Capotorti, Schlussanträge v. 12.10.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2144 (2146), Rz.  3 – Meeth. 113  BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478). 114  BGH, Urt. v. 20.12.1972, BGHZ 60, 85 (88) m. w. N. (st. Rspr.); dazu später unten §  8 II. 2. 115  BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478); dazu Gottwald, IPRax 1986, 10 (12). 116  Vgl. BGH, Urt. v. 18.12.1954, BGHZ 16, 37 (49) zum Aufrechnungsverbot des §  26 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). 117  BGH, Urt. v. 13.12.1973, NJW 1974, 367 (368). 118  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  67; Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  58 Fn.  120; in diese Richtung auch Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (43 Fn.  35). 119  Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (437).

I. Stellungnahmen zu Zurückbehaltungsrechten

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Diese Deutung übersieht jedoch, dass sich der BGH nur sehr eingeschränkt zur Zuständigkeitsfrage bei Zurückbehaltungsrechten geäußert hat. Zum einen befasst sich das Urteil ausschließlich mit der mangelnden Zuständigkeit für die Gegenforderung kraft einer Gerichtsstandsvereinbarung. Fraglich war allein, ob die Parteien mit ihrer Gerichtsstandsvereinbarung (auch) einen Zurückbehaltungsausschluss beabsichtigt hatten. Der Senat konnte sich daher darauf beschränken, den (hypothetischen) Willen der Parteien an einer Erstreckung der Derogation auf die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten zu ermitteln. Er hat sich jedoch – anders als dies in der Literatur z. T. angeführt wird – folgerichtig nicht mit Wertungen auseinandergesetzt, die sich aus dem System gesetzlicher Zuständigkeiten ergeben. Insbesondere hat er sich nicht dazu ge­ äußert, ob jedwede Auseinandersetzung des Gerichts mit einer Forderung – unabhängig davon, ob sie nun klage- oder einredeweise geltend gemacht wird – die internationale Zuständigkeit dieses Gerichts erfordert. Darüber hinaus hat der BGH den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts maßgeblich darauf gestützt, dass in dem ihm vorliegenden Fall das Zurückbehaltungsrecht nur wegen der zur Aufrechnung gestellten, auf Geldleistung gerichteten Gegenforderung geltend gemacht werde und daher im Ergebnis wie eine Aufrechnung wirke.120 Der Senat schränkt damit seine Stellungnahme zur Auswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf Zurückbehaltungsrechte weiter auf den Fall ein, dass die Einrede auf eine gleichartige Gegenforderung gestützt wird und damit ähnliche Rechtsfolgen zeitigt wie die Aufrechnung. Die vom BGH in dem angeführten Urteil fortgeführte Rechtsprechung, nach der eine Gerichtsstandsvereinbarung im Zweifel auch ein Aufrechnungsverbot mit zuständigkeitsfremden Gegenforderungen enthalte, ist vor allem in der ­Literatur auf breite Ablehnung gestoßen121, worauf an späterer Stelle noch einzugehen ist122. Festzuhalten bleibt jedoch, dass aus Sicht der Praxis weiterhin völlig offen ist, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung oder eine anderweitige Zuständigkeit für die Gegenforderung im Ausland auch ein Zurückbehaltungsrecht mit zuständigkeitsfremden Gegenforderungen ausschließt.123

120 

BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478), dort unter III. 2. c). Kannengießer, Aufrechnung, S.  199; MüKoZPO-Gottwald, Art.  23 EuGVVO Rz.  90; Geimer/Schütze-Geimer, Art.  23 EuGVVO Rz.  194; Schlosser, Art.  23 EuGVVO Rz.  35; Kropholler/v. Hein, Art.  23 EuGVVO Rz.  100; MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  45; Geimer, IZPR, Rz.  1778 f.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  6521; ­Gebauer, IPRax 1998, 79 (83); Rauscher, RIW 1985, 887 (887 f.); Gottwald, IPRax 1986, 10 (12); v. Falkenhausen, RIW 1982, 386 (388 f.); Busse, MDR 2001, 729 (732). 122  Siehe unten §  8 II. 123  Insoweit zu weitgehend die Deutung von Wagner, Prozessverträge, S.  526. 121 

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§  3 Stand der Forschung

2. Literatur Auch in der Literatur steht die Zuständigkeitsfrage bei Zurückbehaltungsrechten – anders als bei der Aufrechnung – bisher nicht im Mittelpunkt des Interesses. Soweit ersichtlich, wird das Problem bisher nur von Spellenberg124 sowie von von Hoffmann125 diskutiert. Spellenberg meint, die oben besprochene Entscheidung des BGH postuliere ein umfassendes Zuständigkeitserfordernis für die Gegenforderung bei Zurückbehaltungsrechten.126 Er stimmt dieser Rechtsprechung jedenfalls insoweit zu, als sich bei Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten dieselbe Frage stelle, nämlich ob das an sich unzuständige Gericht über den Bestand der Gegenforderung entscheiden dürfe. Insoweit könne die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung und bei Zurückbehaltungsrechten nur einheitlich beantwortet werden. Deshalb könne auf die Ausführungen zur Zuständigkeitsfrage verwiesen werden.127 Dort stelle sich das Problem nur bei inkonnexen, streitigen Gegenforderungen.128 Bei konnexen Gegenforderungen sei die Aufrechnung nach einem Erst-Recht-Schluss aus Art.  8 Nr.  3 EuGVVO bzw. §  33 Abs.  1 ZPO unproblematisch zulässig.129 Bei unstreitigen oder gar durch anerkanntes Urteil rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen sei ebenfalls keine internationale Zuständigkeit zu verlangen, da sich das Gericht mit der Gegenforderung sachlich nicht mehr befassen müsse.130 Bei streitigen, inkonnexen Gegenforderungen sei dagegen zu differenzieren. Für ein Zuständigkeitserfordernis sprächen zwar kollisionsrechtliche Erwägungen: Der aufrechnende Beklagte erlange mit der Aufrechnung oder dem Zurückbehaltungsrecht gegebenenfalls Zugang zu einem ihm vorteilhafteren IPR, denn das in der Hauptsache zuständige Gericht würde auf das Zurückbehaltungsrecht unter Umständen ein anderes Recht anwenden, nach dem die Gegenforderung möglicherweise nicht bestehe. Seit der Vereinheitlichung des IPR durch die Rom I und II-Verordnungen sei diesem Argument jedoch jedenfalls im Bereich der Europäischen Union der Boden entzogen. Ein Zuständigkeitserfordernis für Zurückbehaltungsrechte befürwortet Spellenberg daher nur, soweit das sonst zuständige Gericht in einem Drittstaat liegt und zur Bestimmung des auf das Zurückbehaltungsrecht anwendbaren Rechts sein autonomes IPR anwende.131 124 

MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  67. Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  58. 126  Diese Interpretation ist zweifelhaft; siehe dazu oben §  3 I. 1. 127  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  67 a. E. 128  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  41. 129  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  40 130  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  38. 131  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  42; Art.  12 Rom I-VO, Rz.  67 a. E. 125 

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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Demgegenüber hat sich von Hoffmann grundsätzlich gegen ein Zuständigkeitserfordernis für die Gegenforderung bei Zurückbehaltungsrechten ausgesprochen.132 Die von ihm als gegensätzlich gedeutete Rechtsprechung des BGH133 lehnt er ebenfalls mit einem Verweis auf die Rechtslage bei der Aufrechnung ab. Der Kläger sei durch die Geltendmachung der Gegenforderung in der Regel nicht erheblich beschwert, da er den Prozess, in dem die Gegenforderung geltend gemacht werde, selbst angestrengt habe. Das Schutzinteresse einer Partei, vor einem ausländischen Gericht nicht verklagt zu werden, sei ungleich geringer, soweit die Partei ohnehin einen Aktivprozess im Ausland führe.134 Anders sei dies nur, wenn sich das ausländische Gericht nach Stellung und Verfahrensweise grundlegend von einem deutschen Gericht unterscheide.135 Welche Konsequenzen sich in diesem Fall für die im Prozess vorgebrachten Gegenrechte ergeben sollen, konkretisiert von Hoffmann jedoch nicht. Der bisherige Meinungsstand zeigt, dass die Zuständigkeitsfrage bei Zurückbehaltungsrechten bisher nur unter Bezug auf den klassischen Streitstand bei der Aufrechnung beantwortet wird. Da der Streit um die internationale Zuständigkeit bei der Aufrechnung seinen Ausgang genommen hat, soll diese Diskussion im Folgenden aufgearbeitet werden.

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung Zur weiterhin heftig umstrittenen Frage, ob das angerufene Gericht über eine Aufrechnung nur im Falle seiner internationalen Zuständigkeit für die Gegenforderung entscheiden darf, ist seit der ersten eingehenden Erörterung durch Schröder136 in seiner 1971 erschienenen Habilitationsschrift eine Fülle von Abhandlungen erschienen. Dabei wurde die Kontroverse im Bereich des EuGVÜ durch mehrere Stellungnahmen deutscher Gerichte und des EuGH intensiviert, wobei die Rechtsprechung nie eine endgültige Klärung der Fragen herbeiführte. 1. Rechtsprechung des EuGH Unter Geltung des EuGVÜ hat sich der EuGH in Ausübung seiner ihm nach Art.  1 des Luxemburger Protokolls vom 3.6.1971137 obliegenden Auslegungs­ Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  58. Vgl. Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  58 in Fn.  120. 134  Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  52. 135  Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  52. 136  Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  595 ff. 137  Luxemburger Protokoll vom 3.6.1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtli132  133 

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§  3 Stand der Forschung

hoheit über das Übereinkommen in mehreren Vorlageverfahren138 zu verschiedenen Aspekten der Zuständigkeitsfrage geäußert, ohne sie jedoch unmissverständlich zu klären. Der erste Berührungspunkt des Gerichtshofs mit der Zuständigkeitsfrage ergab sich in der bereits im Zusammenhang mit den Zurückbehaltungsrechten diskutierten und vom BGH vorgelegten Rechtssache Meeth/Glacetal.139 Für den Sachverhalt sei auf die vorigen Ausführungen140 verwiesen. Der BGH legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor, und zwar erstens, ob Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ eine Vereinbarung zulasse, derzufolge jede Partei nur vor den Gerichten ihres Heimatstaats verklagt werden könne, und zweitens, ob Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ im Falle einer derartigen Aufrechnung zwingend jede Aufrechnung ausschließe, die eine Partei gegenüber der von der anderen Partei erhobenen Klage geltend machen will.141 Gegenüber der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung hat der EuGH keine Bedenken geäußert.142 Darüber hinaus könne Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ auch nicht entnommen werden, dass eine solche Vereinbarung zwingend ein Aufrechnungsverbot enthalte. Sowohl der Gesichtspunkt der Wahrung der Privatautonomie als auch die Erfordernisse der Prozessökonomie sprächen gegen eine Auslegung von Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ dahingehend, dass die Norm ein Gericht im Falle der durch die Parteien vereinbarten Gerichtsstandsklausel generell daran hindere, eine Aufrechnung zu berücksichtigen.143 Vielmehr soll es auf die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung durch das nationale Gericht im Einzelfall ankommen.144 Diese aufrechnungsfreundliche Entscheidung des EuGH enthielt jedoch noch kein klares Bekenntnis zur Frage, ob eine Aufrechnung auch bei fehlender gesetzlicher Zuständigkeit zulässig ist.145 Nach Beantwortung der Vorlagefrage gelangte der BGH – wie oben dargelegt – durch seine Auslegung zu dem Ergebnis, dass von den Parteien ein konkludentes Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsverbot gewollt war.146 Ebenfalls wenig Klarheit brachte die Entscheidung Spitzley/Sommer Exploi­ tation vom 7. März 1985147, bei der es abermals um eine fehlende Zuständigkeit cher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, BGBl. II 1972, S.  846 (im Folgenden: Luxemburger Protokoll). 138  Vorlagen zur Vorabentscheidung nach Art.  3, 2 des Luxemburger Protokolls. 139  EuGH, Urt. v. 9.11.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2133 – Meeth. 140  Siehe oben §  3 I. 1. 141  Siehe oben bei Fn.  110. 142  EuGH, Urt. v. 9.11.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2133 (2141 f.), Rz.  5 – Meeth. 143  EuGH, Urt. v. 9.11.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2133 (2142), Rz.  8 – Meeth. 144  EuGH, Urt. v. 9.11.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2133 (2142), Rz.  8 – Meeth. 145  Vgl. hierzu auch Kannengießer, Aufrechnung, S.  145 f. 146  BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478). 147  EuGH, Urt. v. 7.3.1985, Rs.  84/84, Slg. 1985, 794 – Spitzley.

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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kraft Prorogation ging. Das OLG Koblenz hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein sich aus der Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung ergebendes Aufrechnungsverbot dadurch beseitigt werden könne, dass sich der Kläger auf eine inkonnexe Aufrechnungsforderung des Beklagten materiell rügelos einlasse.148 Der EuGH hat die Frage bejaht und dem Beklagten analog Art.  18 EuGVÜ die Berufung auf die rügelose Einlassung des Klägers zur Aufrechnungsforderung gestattet. Der Kläger stehe gegenüber der Aufrechnungsforderung nicht anders als ein Beklagter, der sich vor dem vom Kläger angerufenen Gericht ­r ügelos auf das Verfahren einlasse.149 Dies gelte auch für inkonnexe Forderungen.150 Eine grundsätzliche Klärung der Zuständigkeitsfrage bot sich dem EuGH erstmals in dem vom BGH vorgelegten Fall AS Autoteile Service/Malhé 151, dem allerdings eine eher ungewöhnliche Konstellation152 zugrunde lag: Die in Deutsch­land ansässige Klägerin des Ausgangsverfahrens war mit ihrer Zahlungsklage gegen den in Frankreich wohnenden Beklagten vor dem OLG Karlsruhe durch Prozessurteil abgewiesen worden, da es nach Art.  2 EuGVÜ an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte fehlte. Für die Kosten der mangels internationaler Zuständigkeit abgewiesenen Klage erließ das LG Baden-Baden auf Antrag des Beklagten einen vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss gegen die Klägerin. Diese erhob daraufhin vor dem LG Baden-Baden Vollstreckungsabwehrklage nach §  767 ZPO und machte im Rahmen dieses Verfahrens geltend, sie habe gegen den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten mit ihrem im Ausgangsverfahren geltend gemachten Zahlungsanspruch aufgerechnet. Da der Kostenerstattungsanspruch nunmehr erloschen sei, verlangte sie Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss. Das LG Baden-Baden erklärte sich daraufhin für unzuständig, da die Klage mit der mangels Zuständigkeit der deutschen Gerichte bereits vom OLG Karlsruhe abgewiesenen Zahlungsklage im Zusammenhang stehe. Die Klägerin wandte sich daraufhin im Wege der Sprungrevision an den BGH, der dem EuGH daraufhin die Frage vorlegte, ob im Gerichtsstand des Art.  16 Nr.  5 ­EuGVÜ (heute: Art.  24 Nr.  5 EuGVVO), welcher auch die Vollstreckungsabwehr­

148 

OLG Koblenz, Beschl. v. 3.2.1984, RIW 1984, 396. EuGH, Urt. v. 7.3.1985, Rs.  84/84, Slg. 1985, 794 (798), Rz.  19 – Spitzley; allgemein Geimer, in: Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung Bd. I/1, §  97 VI. (S.  950). 150  EuGH, Urt. v. 7.3.1985, Rs.  84/84, Slg. 1985, 794 (799), Rz.  22 – Spitzley; zustimmend Gottwald, IPRax 1986, 10 (13). 151  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 – AS-Autoteile. 152  Zum Sachverhalt vgl. EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2274 ff.), Rz.  1 ff. – AS-Autoteile. 149 

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§  3 Stand der Forschung

klage erfasst,153 gegen den zu vollstreckenden Anspruch mit einer Forderung aufgerechnet werden könne, für deren selbständige Geltendmachung die Gerichte des Vollstreckungsstaats nicht zuständig seien.154 Der EuGH hielt die Aufrechnung für unzulässig. Zur Begründung führte er an, dass die ausschließlichen Zuständigkeiten des Art.  16 EuGVÜ eine besondere Beziehung der Klage zu einem anderen als dem in Art.  2 EuGVÜ bezeichneten allgemeinen Gerichtsstand voraussetzten. Daraus folge, dass sich eine Partei nicht auf die nach Art.  16 Nr.  5 EuGVÜ eingeräumte Zuständigkeit am Vollstreckungsort (hier: Deutschland) berufen könne, um die dortigen Gerichte mit der einredeweise geltend gemachten Forderung zu befassen, deren klageweise Geltendmachung nach Art.  2 EuGVÜ in die Zuständigkeit eines anderen Vertragsstaats falle. Die Benutzung der Vollstreckungsabwehrklage zu diesem Zweck laufe der vom EuGVÜ bezweckten Zuständigkeitsverteilung zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand, der den Beklagten schütze solle,155 und dem ausschließlichen Gerichtsstand des Art.  16 Nr.  5 EuGVÜ zuwider.156 Im Übrigen hätten sich die deutschen Gerichte zur Entscheidung über den zur Aufrechnung gestellten Anspruch bereits für unzuständig erklärt. In der nochmaligen Einwendung des Anspruchs im Wege der Aufrechnung mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung aus einem in demselben Verfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss abzuwehren, liege ein „offenkundiger Verfahrensmissbrauch“157 durch die Klägerin. Diese versuche nämlich, mittelbar eine Entscheidung der deutschen Gerichte über einen Anspruch herbeizuführen, für dessen Beurteilung diese Gerichte nach dem EuGVÜ nicht zuständig seien.158 Mit seiner Entscheidung hat der EuGH den nach Art.  24 Nr.  5 EuGVVO (Art.  22 Nr.  5 EuGVVO a. F.) für die Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich zuständigen Gerichten die Kognitionsbefugnis über eine Aufrechnung mit zuständigkeitsfremden Gegenforderungen entzogen.159 In der Literatur hat diese Entscheidung wegen des durch sie bewirkten Schutzes des Vollstreckungs­ gläubigers teilweise Zustimmung erfahren,160 teilweise wird sie sogar auf sämtliche zuständigkeitsfremden Einreden in ausschließlichen Gerichtsständen erstreckt.161 EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2277), Rz.  12 – AS-Autoteile. BGH, Beschl. v. 9.7.1984, WM 1984, 1342 f. 155  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2277), Rz.  15 – AS-Autoteile. 156  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2278), Rz.  17 – AS-Autoteile. 157  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2278), Rz.  18 – AS-Autoteile. 158  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2278), Rz.  18 – AS-Autoteile. 159  Dauses-Kreuzer/Wagner, EU-WirtschaftsR, Kap.  Q, Rz.  329. 160  Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVVO Rz.  61; Gottwald, IPRax 1986, 10 (12 Fn.  24). 161  Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVVO Rz.  2. 153 

154 

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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Ein generelles Bekenntnis zu einer beschränkten Kognitionsbefugnis von nach Art.  24 EuGVVO international ausschließlich zuständigen Gerichten kann der Entscheidung jedoch nicht entnommen werden.162 Denn der EuGH äußerte sich nicht zur Rechtmäßigkeit der vorherigen Klageabweisung durch die deutschen Gerichte mangels internationaler Zuständigkeit für die Gegenforderung. Seine Entscheidung kann daher nicht für sämtliche Aufrechnungsfälle verallgemeinert werden.163 Das Rechtsmissbrauchsargument, mit dem der EuGH die Kognitionsbefugnis beschränkte, wird vor allem von zwei Aspekten getragen: Erstens ging es hier nicht um den „Normalfall“, in dem eine Aufrechnung in einem bereits anhängigen Verfahren auf eine zuständigkeitsfremde Gegenforderung gestützt wird. Vielmehr war die Aufrechnung der tragende materielle Grund für eine gesonderte (Vollstreckungsabwehr-)Klage der Beklagten des Erstprozesses.164 Zweitens – und dieses Verhalten erschien dem EuGH als besonders missbräuchlich – rechnete die Beklagte mit ihrer Gegenforderung gegen einen Kostenerstattungsanspruch auf, der gerade dadurch entstanden war, dass das erstinstanzliche Gericht ihre auf die Gegenforderung gestützte Klage mangels internationaler Zuständigkeit abgewiesen hatte.165 Ließe man die A ­ ufrechnung hier generell zu – so auch die Befürchtung einiger Literaturstimmen166 –, so würde ein Vollstreckungsversuch in einem Land einen Gerichtsstand für die Gegenforderung auch dann begründen, wenn die klageweise ­Geltendmachung der Gegenforderung in diesem Land mangels internationaler Z ­ uständigkeit rechtskräftig abgewiesen wurde. Fraglich bleibt nach dieser E ­ ntscheidung nicht nur die Zuständigkeitsfrage, sondern auch, inwieweit die Geltend­machung von zuständigkeitsfremden Gegenforderungen im Vollstreckungsverfahren bei neu entstandenen Einwendungen noch zulässig ist.167 Eine – zumindest teilweise – Klärung der Zuständigkeitsfrage führte der EuGH mit der Entscheidung in der Sache Danværn Production/Schuhfabriken Otterbeck168 herbei. Die Klägerin, die deutsche Schuhfabriken Otterbeck GmbH, hatte die für den Alleinverkauf ihrer Schuhe in Dänemark zuständige Beklagte Danværn Production nach Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Handelsvertretervertrags auf Zahlung für gelieferte Sicherheitsschuhe vor dem dänischen Byret Brønderslev in Anspruch genommen. Die Beklagte So auch BGH, Urt. v. 12.5.1993, NJW 1993, 2753 (2754); ihm folgend Leipold, ZZP 107 (1994), 216 (221); Kannengießer, Aufrechnung, S.  147. 163  So auch Kannengießer, Aufrechnung, S.  147. 164  Nelle, Vollstreckung, S.  382. 165  Diesen Aspekt betont auch Kannengießer, Aufrechnung, S.  147. 166  Gottwald, IPRax 1986, 10 (12 Fn.  24). 167  Dazu unten §  6 IV. 1. b). 168  EuGH, Urt. v. 13.7.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2071 – Danværn. 162 

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§  3 Stand der Forschung

ließ sich – trotz einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte – auf das Verfahren ein und erkannte den eingeklagten Anspruch an, erklärte jedoch in Höhe dieses Anspruchs die Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung wegen unberechtigter Kündigung des Handelsvertretervertrags. Den über die eingeklagte Hauptforderung hinausgehenden Schaden machte sie im Wege der Widerklage geltend. Das dänische Byret hielt sowohl die Widerklage als auch die Aufrechnung für unzulässig, da für die Beurteilung des Schadensersatzanspruchs nach der Gerichtsstandsvereinbarung deutsche Gerichte zuständig seien und es an einem Zusammenhang i. S. von Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ zwischen den Forderungen und somit an einer internationalen Zuständigkeit der dänischen Gerichte fehle.169 Im Rechtsmittelverfahren vor dem Vestre Landsret verfolgte die Beklagte die Klageabweisung wegen erfolgreicher Aufrechnung weiter. Das Vestre Landsret legte dem EuGH daraufhin die Frage vor, ob der Widerklagegerichtsstand des Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ auch Gegenforderungen umfasst, die zur Aufrechnung gestellt werden. Der EuGH vertrat die Auffassung, dass Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ für eine zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht gelte.170 Auch in den nationalen Prozessrechten werde gemeinhin zwischen der Geltendmachung einer Forderung als Verteidigungsmittel, welches den Klageanspruch zum Erlöschen bringen solle, und dem Begehren des Beklagten auf gesonderte Verurteilung des Klägers über den geforderten Betrag hinaus unterschieden.171 Die Verteidigung durch Aufrechnung sei im Gegensatz zur Widerklage Bestandteil des vom Kläger in Gang gesetzten Verfahrens, so dass ein neues „Verklagen“ i. S. von Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ gerade nicht vorliege.172 Diese Stellungnahme ließe sich problemlos als Absage an ein gesondertes Zuständigkeitserfordernis für den „Normalfall“ einer Prozessaufrechnung im Erkenntnisverfahren verstehen – hätte der EuGH nicht am Ende seiner Antwort auf die Vorlagefrage einen Satz ergänzt, der bis heute für Zündstoff in der Diskussion um die Kognitionsbefugnis für zuständigkeitsfremde Gegenforderungen sorgt: „Die Verteidigungsmittel, die geltend gemacht werden können, und die Voraussetzungen, unter denen dies geschehen kann, bestimmen sich nach nationalem Recht.“173

Dieser Satz ist das Einfallstor für Spekulationen darüber, ob der EuGH die Zuständigkeitsfrage bei Verteidigungsmitteln als durch das EuGVÜ bzw. die heuZum Sachverhalt vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 17.5.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2055 (2057 ff.), Rz.  10 ff. – Danværn. 170  EuGH, Urt. v. 13.7.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2071 (2077), Rz.  18 – Danværn. 171  EuGH, Urt. v. 13.7.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2071 (2076 f.), Rz.  12, 17 – Danværn. 172  EuGH, Urt. v. 13.7.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2071 (2076), Rz.  15 – Danværn. 173  EuGH, Urt. v. 13.7.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2071 (2077), Rz.  18 – Danværn. 169 

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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tige EuGVVO abschließend geregelt ansieht.174 Jene Stimmen, die seither für ein Zuständigkeitserfordernis für die Aufrechnung mit inkonnexen Gegenforderungen eintreten, wollen die Aussage in der Weise verstanden wissen, die Geltendmachung von Verteidigungsmitteln solle aus dem sachlichen Anwendungsbereich des EuGVÜ ausgenommen und das Aufstellen von Zuständigkeitserfordernissen letztlich in das Belieben der nationalen Prozessrechtsordnungen gestellt werden.175 Die Gegenauffassung176 geht demgegenüber davon aus, die EuGVVO regele innerhalb ihres Anwendungsbereichs alle Fragen der internationalen Zuständigkeit – auch mit Blick auf Verteidigungsmittel – ­einheitlich und abschließend. Für ein nationales Zuständigkeitserfordernis bei der Aufrechnung sei somit kein Raum. Der Verweis auf das nationale Recht wird dementsprechend als Verweis auf die materiellrechtliche Zulässigkeit eines Verteidigungsmittels nach dem nationalen Sachrecht verstanden.177 Andere wiederum sehen in dem Satz lediglich eine Klarstellung, dass sich die ohnehin nicht dem EuGVÜ bzw. der EuGVVO unterliegenden prozessualen Voraussetzungen der Aufrechnung (z. B. Präklusionsvorschriften oder Formerfordernisse) nach nationalem Prozessrecht richten.178 Eindeutig verbindlich geklärt ist durch die Danværn-Entscheidung daher nur, dass das EuGVÜ bzw. die EuGVVO selbst keine gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeitshürde für die Geltend­ machung ­einer Aufrechnung aufstellt. Da die Frage, inwieweit die EuGVVO die Kogni­tionsbefugnis über Einreden (abschließend) regelt, auch für die Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten entscheidungserheblich sein kann, wird auf

174  Vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2001, NJW 2002, 2182 (2183 f.); Bork, FS Beys, S.  119 (135); Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (46); Gruber, IPRax 2002, 285 (286 f.); MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  36; G. Wagner, IPRax 1999, 65 (66 f.); Slonina, IPRax 2009, 399 (401) m. w. N.; vgl. hierzu eingehend unten §  4. 175  So etwa OLG Hamm, Urt. v. 5.11.1997, IPRspr 1997 Nr.  160 A, S.  323 (325 f.); Nelle, Vollstreckung, S.  383; Mansel, ZZP 109 (1996), 61 (75); Jayme/Kohler, IPRax 1995, 343 (349); Gruber, IPRax 2002, 285 (287); H. Roth, RIW 1999, 819 (822 f.); Piekenbrock, RIW 2000, 751 f.; Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (48), die dem BGH aber empfiehlt, das Zuständigkeitserfordernis aufzugeben; Gebauer, IPRax 1998, 79 (85); Geimer/Schütze-Geimer, Art.  6 EuGVVO Rz.  70, 79; anders aber ders., IZPR, Rz.  868c; offengelassen von BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (127 f.). 176  LG Köln, Urt. v. 9.10.1996, RIW 1997, 956; Slonina, IPRax 2009, 399 (401); Bork, FS Beys, S.  119 (135 f.); Mankowski, ZZP 109 (1996), 376 (382); ders., EWiR 1997, 511 (512); Busse, MDR 2001, 729 (731); Stein/Jonas-Althammer, §  145 Rz.  44; Kropholler/v. Hein, Art.  6 EuGVVO Rz.  45; Thomas/Putzo-Hüßtege, Art.  6 EuGVVO Rz.  7; für eine abschließende Regelung durch das EuGVÜ bereits vor der Danværn-Entscheidung OLG München, Urt. v. 25.3.1992, RIW 1992, 672. 177  Busse, MDR 2001, 729 (731). 178  Kannengießer, Aufrechnung, S.  183; Slonina, IPRax 2009, 399 (401).

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§  3 Stand der Forschung

diese allgemeine Frage in diesem Zusammenhang noch gesondert einzugehen sein.179 2. Rechtsprechung deutscher Gerichte Die deutsche Rechtsprechung tendierte bis zur EuGH-Entscheidung in Danværn zu einer restriktiven Zulassung von zuständigkeitsfremden Gegenforderungen. Eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis für die Prozessaufrechnung wurde bereits in den sechziger Jahren vom OLG Frankfurt180 erwogen, war jedoch in dessen Entscheidung zur Vollstreckungsabwehrklage sowie einer späteren instanzgerichtlichen Entscheidung181 nicht ergebnisrelevant. Auch der BGH182 konnte die Frage wegen der rügelosen Einlassung des Klägers auf die Gegenforderung zunächst offenlassen. Die erste Auseinandersetzung mit der auf eine zuständigkeitsfremde Gegenforderung gestützten Aufrechnung ergab sich 1992 durch das OLG München, das die Zulässigkeit verneinte.183 Die Unzulässigkeit der Aufrechnung folge „aus dem System“184 des EuGVÜ. Denn durch die uneingeschränkte Zulässigkeit der Aufrechnung könne mittelbar eine Entscheidung deutscher Gerichte über einen Anspruch herbeigeführt werden, über den zu entscheiden diese Gerichte nicht zuständig seien. Das OLG berief sich darüber hinaus auf die seiner Meinung nach herrschende Literaturauffassung sowie das bereits besprochene EuGH-Urteil AS-Autoteile/Malhé185. Letzterem ist jedoch eine solche generelle Aussage – wie gezeigt186 – gerade nicht zu entnehmen. Auch der BGH stützte sich auf das „im Wortlaut zum Ausdruck kommende, eindeutige Grundkonzept des EuGVÜ“,187 als er 1993 ein Zuständigkeitserfordernis für die Prozessaufrechnung postulierte. Ein italienischer Bekleidungshersteller hatte ein Münchener Einzelhandelsgeschäft vor den dortigen Gerichten auf Kaufpreiszahlung in Anspruch genommen und ein Versäumnisurteil erstritten. Im Einspruchsverfahren verteidigte sich die Beklagte allein mit Gegenforderungen, die ihr von einem früheren Handelsvertreter der Klägerin abgetreten worden waren. Der BGH wies die Aufrechnung zurück und berief sich 179 

Dazu unten §  4. OLG Frankfurt, Urt. v. 27.10.1966, NJW 1967, 501 (502 f.) 181  OLG Koblenz, Urt. v. 27.2.1987, IPRspr 1987 Nr.  123, S.  298 (300) = IPRax 1987, 381 (Zusammenfassung). 182  BGH, Urt. v. 4.2.1993, NJW 1993, 1399. 183  OLG München, Urt. v. 25.3.1992, RIW 1992, 672. 184  OLG München, Urt. v. 25.3.1992, RIW 1992, 672. 185  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 – AS-Autoteile. 186  Siehe oben §  3 II. 1. 187  BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (117). 180 

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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auf die Ähnlichkeit der Aufrechnung und der Widerklage, deren Gerichtsstand nach Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ Konnexität der Gegenforderung voraussetze. Sei für die Geltendmachung von Forderungen im Wege der Widerklage die internationale Zuständigkeit erforderlich, so müsse dies erst recht für die Geltend­machung im Wege der Aufrechnung gelten.188 Denn die Entscheidung über die Aufrechnungsforderung sei nach §  322 Abs.  2 ZPO, wie die Entscheidung über die Widerklage, der Rechtskraft fähig, so dass die deutschen Gerichte darüber nur entscheiden könnten, soweit ihre internationale Zuständigkeit vorliege.189 Obwohl der BGH erkannte, dass dieser Erst-Recht-Schluss Ergebnis der Aus­legung von Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ war, sah er sich nicht zu einer Vorlage an den EuGH veranlasst. Auf eine Vorlage könne verzichtet werden, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offenkundig sei, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibe.190 Ein solcher acte clair lag – obwohl der EuGH zu dieser Grundsatzfrage noch nicht Stellung genommen hatte – nach Auffassung des BGH vor: „Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die gleiche Gewissheit für die Gerichte der übrigen Vertragsstaaten und den EuGH selbst besteht.“191

Diese kühne Prognose, zu der sich der Senat wohl durch die EuGH-Recht­ sprechung vor 1993 hatte hinreißen lassen, sollte sich keine zwei Jahre später aufgrund des EuGH-Urteils in der Rechtssache Danværn192 als Fehlspekulation erweisen. Dementsprechend scharf wurde in der Literatur193 die vorschnelle Annahme des acte clair durch den BGH kritisiert, zumal die Eindeutigkeit der Auslegung von Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ von Anfang an umstritten war.194 In seinem Urteil vom 7. November 2001195 musste der BGH im Anschluss an das EuGH-Urteil in Danværn dann auch von seiner ursprünglichen Position Abstand nehmen, wobei seine neue Stellungnahme auch keine abschließende Klärung des eigentlichen Problems internationaler Prozessaufrechnungen brachte. 188 

BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (117). BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (116). 190  BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (117); zu den Voraussetzungen eines acte clair, bei dem keine Vorlagepflicht besteht, vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs.  283/81, Slg. 1982, 3417 (3430), Rz.  21– C.I.L.F.I.T. 191  BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (117). 192  Siehe oben §  3 II. 1. 193  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  190; Geimer, IPRax 1994, 82 (83 f.); Leipold, ZZP 107 (1994), 216 (220); Kannengießer, Aufrechnung, S.  151; Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (46); anders Otte, EWiR 1993, 877 (878), der meint, ein Verzicht auf die Vorlage unter Hinweis auf „rechtslogische Erwägungen“ sei angezeigt gewesen. 194  Vgl. zum Streit vor der Entscheidung des BGH nur Dageförde, RIW 1990, 873 (876); Geimer, IPRax 1994, 82 (83) m. w. N. 195  BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120. 189 

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§  3 Stand der Forschung

In dem Rechtsstreit hatte die Beklagte gegen die Klägerin, von der sie im Rahmen eines langjährigen Rahmenvertrags Fruchtsaftkonzentrate gekauft hatte, mit mehreren Forderungen aufgerechnet. Die Forderungen hatte sie sich zuvor von einer Lieferantin der Klägerin abtreten lassen, mit der beide Parteien in ständiger Geschäfts- und Lieferbeziehung standen. In der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung räumte der BGH ein, dass nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Danværn an der alten Rechtsprechung zum Zuständigkeitserfordernis nicht mehr uneingeschränkt festgehalten werden könne; diese sei durch das EuGH-Urteil überholt.196 Zugleich wies er darauf hin, dass auch nach der Entscheidung des EuGH Streit über die Frage bestehe, wie dessen Verweis auf das nationale Recht verstanden werden müsse.197 Der BGH verzichtete allerdings auf eine Stellungnahme und ließ die Frage mit dem Hinweis offen, dass jedenfalls der Widerklagegerichtsstand für die Gegenforderung und somit erst recht die internationale Zuständigkeit für die Aufrechnung gegeben sei. Die Gegenforderungen der Beklagten, die die Lieferantin der Klägerin an sie abgetreten hatte, entstammten allesamt dem zwischen den Parteien und der Lieferantin bestehenden Rahmenvertrag. Der Senat wendete §  33 ZPO analog auf die Gegenforderung an und hielt die laufende Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien und der Lieferantin für ausreichend, um eine rechtliche Verbindung i. S. des §  33 ZPO zu begründen.198 Eine Anwendung von Art.  8 Nr.  3 EuGVVO (Art.  6 Nr.  3 EuGVVO a. F.) erwog er nicht.199 In der Literatur wird die fehlende Positionierung des BGH zur Zuständigkeitsfrage verbreitet kritisiert.200 Ob ein Zuständigkeitserfordernis für Vertei­ digungsmittel in den sachlichen Anwendungsbereich des EuGVÜ bzw. der ­EuGVVO fällt, war zwar im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich. In Reaktion auf den offenen Widerspruch der Danværn-Entscheidung zur früheren BGH-Rechtsprechung wäre jedoch ein klärendes Wort im Rahmen eines obiter dictum im Sinne der Rechtsvereinheitlichung wünschenswert gewesen. Denn infolge des EuGH-Urteils ging die Rechtsprechung der Instanzgerichte so stark auseinander, dass sich in der Prozesspraxis bei internationalen Aufrechnungskonstellationen eine große Rechtsunsicherheit entwickelte. So ging bei-

196 

BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (126). BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (126 f.); zu dieser missverständlichen Formulierung des EuGH bereits oben §  3 II. 1. 198  BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (127 f.). 199  Zur Kritik an der Anwendung von §  33 ZPO unten §  5 I. 1. 200  Hess/Müller, JZ 2002, 607 (609); Dörner, JR 2002, 503 (504); höchstrichterlichen Klärungsbedarf sieht auch Vollkommer, MDR 2002, 412 (413). 197 

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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spielsweise das OLG Hamm 201 davon aus, dass der EuGH die alte Rechtsprechung des BGH auch nach Danværn stillschweigend billige, da er in den Entscheidungsgründen die deutsche Rechtsprechung nicht ausdrücklich für obsolet erklärt habe. Auch das LG Duisburg202 und das LG Berlin 203 verlangten für Prozessaufrechnungen weiterhin die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung. Führte man demgegenüber einen Prozess vor dem LG Köln,204 konnte fortan ohne Zuständigkeitsbeschränkung aufgerechnet werden. Das OLG Jena hat sich wiederum in einem jüngeren Urteil für eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis ausgesprochen.205 Über die aktuelle Rechtslage im e­ uropäischen Zivilprozessrecht kann daher auch derzeit für die Praxis keine zuverlässige Auskunft gegeben werden.206 Für die grundsätzlich von der ­EuGVVO erfassten Fälle bleibt weiterhin ungeklärt, ob die Verordnung auf Verteidigungsmittel überhaupt sachlich anwendbar ist.207 Offen ist auch, ob die Aufrechnung mit inkonnexen Gegenforderungen in Fortgeltung der Rechtsprechung des BGH von 1993 nach autonomem deutschen Prozessrecht weiterhin unzulässig ist. Auch für diejenigen, die die hier interessierende Parallelfrage der Zurückbehaltungsrechte analog zur Aufrechnung behandeln wollen,208 besteht also weiterhin erheblicher Klärungsbedarf. Ferner ist – so man ein Zuständigkeitserfordernis bejaht – fraglich, ob als Widerklagegerichtsstand für die Gegenforderung Art.  8 Nr.  3 EuGVVO (Art.  6 Nr.  3 EuGVVO a. F.) oder – wie vom BGH in seinem Urteil 2001 angenommen – der jeweilige nationale Widerklagegerichtsstand entsprechend heranzuziehen ist, der sich (wie §  33 ZPO) in seinen Voraussetzungen durchaus von Art.  8 Nr.  3 EuGVVO unterscheiden kann.209 Klarer lässt sich nur die Zulässigkeit der Prozessaufrechnung außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO einschätzen: Da der BGH seine Rechtsprechung zum EuGVÜ von 1993 nur hinterfragt hat, „soweit es den Geltungs­ bereich des Übereinkommens betrifft“,210 ist davon auszugehen, dass er an seinen damaligen Erwägungen zur Vergleichbarkeit von Aufrechnung und Wider­ klage211 weiterhin festhält. Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert also 201 

OLG Hamm, Urt. v. 5.11.1997, IPRspr 1997 Nr.  160 A, S.  323 (325 f.). LG Duisburg, Urt. v. 17.4.1996, RIW 1996, 774 (775). 203  LG Berlin, Urt. v. 19.3.1996, RIW 1996, 960 (962 f.). 204  LG Köln, Urt. v. 9.10.1996, RIW 1997, 956. 205  OLG Jena, Urt. v. 27.8.2008, EuZW 2009, 231 (232). 206  So bereits Wagner, IPRax 1999, 65 (66). 207  Dazu unten §  4. 208  Siehe oben §  3 I. 2. 209  Siehe unten §  5 I. 1. 210  BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (126). 211  Vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (117). 202 

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§  3 Stand der Forschung

jedenfalls die Aufrechnung außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO weiterhin die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung.212 Fehlt sie, so wird der Beklagte vorbehaltlos zur Leistung verurteilt.213 3. Literaturansichten Schon bevor die Kognitionsbefugnis über Gegenforderungen im Rahmen der Aufrechnung in der Rechtspraxis aktuell wurde, hatte sich die Literatur seit den siebziger Jahren mit diesem Problem auseinandergesetzt. a) Die Aufrechnung als „unterentwickelte Widerklage“ Die erstmals in der Habilitationsschrift von Schröder ausführlich begründete Beschränkung der Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts auf Gegenforderungen, für deren klageweise Geltendmachung die internationale Zuständigkeit gegeben wäre,214 stützt sich maßgeblich auf die Charakterisierung der Aufrechnung als „unterentwickelte Widerklage“215. Sie stehe prozessual zwischen Angriffs- und Verteidigungsmittel,216 da über den Bestand der eingewendeten Gegenforderung nach §  322 Abs.  2 ZPO rechtskräftig entschieden werde.217 Die Rechtskraft der Entscheidung umfasse auch, dass die Klageforderung in Höhe der festgestellten Gegenforderung endgültig aberkannt sei.218 Sie dürfe daher nur ergehen, soweit das angerufene Gericht zur Entscheidung über die Forderung auch international zuständig sei. Ansonsten werde entgegen dem Grundsatz actor sequitur forum rei219 ein Klägergerichtsstand für den Gläubiger der Gegenforderung, also den Beklagten des Hauptsacheprozesses, eröffnet. Der Kläger sei dann gezwungen, über eine Forderung vor einem Forum zu verhandeln, vor dem er sich mit der Forderung nicht befassen müsse. Seine Gerichtspflichtigkeit werde so bei inkonnexen Forderungen weiter gezogen als diejenige 212 

So ausdrücklich auch OLG Jena, Urt. v. 27.8.2008, EuZW 2009, 231 (232); MüKoBGB-­ Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  43 a. E. 213  BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (117). 214  Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  596 f.; so auch Kegel/Schurig, IPR, §  18 V. (S.  754); Soergel-Kronke, Anh. IV zu Art.  38 Rz.  56. 215  Grundlegend Schollmeyer, Compensationseinrede, S.  26 ff.; Sartorius, Widerklage, S.  45; E. Schmidt, ZZP 87 (1974), 29 (37). 216  Wagner, IPRax 1999, 65 (67). 217  MüKoZPO-Fritsche, §  145 ZPO Rz.  37; Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  595; Eickhoff, Aufrechnung, S.  168; Geimer, NJW 1973, 951. 218  Badelt, Aufrechnung, S.  147. 219  Vgl. Codex Iustitianus 3.13.2. (Diocletianus/Maximianus); 3.19.3. (Gratianus/Valentinianus/Theodosius); der Codex ist abrufbar unter (Stand: 31.7.2017).

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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des Beklagten.220 Die Aufrechnung bringe ihn um den Vorteil der Prozessführung nach der ihm geläufigen verfahrensrechtlichen lex fori und enttäusche dadurch auch sein Vertrauen in die Anknüpfungsentscheidungen des sonst auf die Gegenforderung anwendbaren Kollisionsrechts.221 Darüber hinaus sei es für die Prozessführungslast des Klägers unerheblich, ob eine Forderung dem Richter formal per actionem oder per exceptionem unterbreitet werde. Zuständigkeitsbestimmende Gesichtspunkte wie Beweis- und Rechtsnähe würden bei einer Einrede ebenso relevant wie bei Erhebung einer Klage.222 Der Grundsatz „le juge de l’action est le juge de l’exception“223 müsse daher für die Aufrechnung eingeschränkt werden.224 Ferner zeige der Rechtsvergleich, dass anderen europäischen Rechtsordnungen Zuständigkeitsvoraussetzungen bei der Aufrechnung nicht fremd seien. Verwiesen wird unter anderem auf das Erfordernis sachlicher Zuständigkeit im italienischen Recht225, aus dem von manchen Stimmen in der italienischen Literatur auf das Erfordernis internationaler Zuständigkeit geschlossen wird.226 Auch das portugiesische Recht kenne ein Zuständigkeitserfordernis für die Aufrechnung.227 Geimer228 will zudem mit einem Zuständigkeitserfordernis eine europaweite Rechtsvereinheitlichung der Aufrechnungsrechte erreichen. Ist im deutschen Recht die Aufrechnung auch bei inkonnexen und illiquiden Forderungen durch Gestaltungserklärung zulässig, so erlaubt z. B. das englische Recht die defence des right of set-off nur im Prozess und nur bei Gegenforderungen, die entweder liquide (also „readily and without difficulty“229 feststellbar) oder aber konnex 230 sind. Andere Forderungen kann der Beklagte dagegen nur im Wege des counterclaim (ähnlich der deutschen Widerklage) geltend machen,231 der wiederum Konnexität voraussetzt. Auch im französischen Recht 220 

Geimer/Schütze-Geimer, Art.  6 EuGVVO Rz.  77; Stein/Jonas-Wagner, Art.  6 EuGVVO Rz.  93. 221  Wagner, IPRax 1999, 65 (73); MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  42. 222  Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  596. 223  Vgl. die Nachweise in Fn.  1 sowie J. Kohler, ZZP 20 (1894), 1 (47) m. w. N. 224  Geimer, NJW 1973, 951; Badelt, Aufrechnung, S.  162; Wagner, IPRax 1999, 65 (68). 225  Art.  35 Codice di procedura civile; vgl. Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  596. 226  Morelli, Diritto proc. int., S.  125. 227  Dazu Mankowski, ZZP 109 (1996), 376 Fn.  3; Kannengießer, Aufrechnung, S.  178. 228  Geimer, IPRax 1986, 208 (212); ähnlich Schack, IZVR, Rz.  402; Stein/Jonas-Leipold, 21.  Aufl., §  145 Rz.  39 (anders aber in der 22.  Aufl., §  145 Rz.  44 f.); kritisch zur Rechtsvereinheitlichung über das IZVR Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (40). 229  So für das independent set-off Stooke v. Taylor (1880) [1879–1880] L.R. 5 Q.B. 569 (575) (Q.B.); vgl. dazu Kannengießer, Aufrechnung, S.  58 ff. 230  So beim equitable set-off oder abatement, bei denen auf die Liquidität verzichtet wird; vgl. Dole Dried Fruit and Nut Co. v. Trustin Kerwood Ltd. (1990) 1990 W.L. 753384 (C.A.). 231  Winterfield v. Bradnum (1878) (1877–78) L.R. 3 Q.B. 324 (326) (Q.B.).

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§  3 Stand der Forschung

wird für die compensation judiciaire, die bei illiquiden Forderungen 232 eingreift, in Art.  70 N.C.P.C. die Form der Widerklage verlangt.233 Derartige Differenzen will Geimer durch eine konsequente Anwendung der Widerklagevoraussetzungen nach Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ einebnen. Alle Autoren, die die Kognitionsbefugnis für die Gegenforderung beschränken, lassen jedoch Ausnahmen zu. Besteht für den Aufrechnenden im Ausland gar kein Gerichtsstand (im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts) oder steht zu befürchten, dass die Entscheidung des ausländischen Gerichts im Inland nicht anerkannt würde, darf der Beklagte nicht unverschuldet um die Durchsetzbarkeit seiner Forderung gebracht werden. Hier soll eine inländische Notzuständigkeit für die Gegenforderung Platz greifen.234 Darüber hinaus werden Ausnahmen befürwortet, soweit die Gegenforderung unstreitig oder durch ein anerkennungsfähiges Urteil rechtskräftig festgestellt ist.235 Eickhoff unterscheidet insoweit zwischen Verrechnungszuständigkeit und Erkenntniszuständigkeit.236 Die Verrechnungszuständigkeit, d. h. die Kompetenz des Gerichts, eine unbestrittene oder feststehende Gegenforderung mit der Hauptforderung zu verrechnen, liege stets beim angerufenen Gericht. In eine sachliche Prüfung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer streitigen Gegenforderung wie bei der Widerklage dürfe das Gericht dagegen nur bei entsprechender Erkenntniszuständigkeit einsteigen, die die internationaler Zuständigkeit über die Gegenforderung voraussetze.237 Wie das Gericht im Falle des Fehlens der internationalen Zuständigkeit für die Gegenforderung verfahren soll, ist umstritten. Ein Teil der Literatur plädiert für die vorbehaltlose Verurteilung des Beklagten.238 Für diese Auffassung stellt sich die Anschlussfrage, wie das in der Hauptsache zuständige ausländische Gericht mit der Tatsache einer prozessual unzulässigen, nach deutschem Recht aber materiell wirksamen Aufrechnung umzugehen hat, durch die die Gegenforderung (eigentlich) erloschen ist. Der Beklagte darf hier nicht um die Möglichkeit gebracht werden, seine Gegenforderung in einem gesonderten VerfahZu den Anforderungen der liquidité vgl. Cass., 11.3.1986, Bull. civ. 1986 I Nr.  60. Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rz.  1396, 1410; Pittet, Compétence, S.  142. 234  Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  598; Eickhoff, Aufrechnung, S.  175; Geimer, NJW 1973, 951 (952); zur Notzuständigkeit vgl. Neuhaus, Grundbegriffe, S.  427. 235  Schack, IZVR, Rz.  403; Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  597 f. sowie dort bei Fn.  2760; Geimer, IPRax 1994, 82 (84); Wagner, IPRax 1999, 65 (72); Gebauer, IPRax 1998, 79 (82). 236  Vgl. allgemein Eickhoff, Aufrechnung, S.  164. 237  Eickhoff, Aufrechnung, S.  164 ff. (Verrechnungszuständigkeit), S.  168 ff. (Erkenntniszuständigkeit). 238  Geimer, IPRax 1986, 208 (214); Thomas/Putzo-Reichold, §  145 Rz.  23; Schack, IZVR, Rz.  404 im Anschluss an BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (117). 232  233 

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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ren geltend zu machen.239 Rechtskonstruktiv werden hier unterschiedliche Lösungswege vorgeschlagen, je nachdem, ob die Aufrechnung außerprozessual240 oder vor Gericht241 erklärt wird. Nach der Gegenauffassung242 soll analog §§  148, 302 ZPO über die klägerische Hauptforderung im Wege des Vorbehaltsurteils entschieden und nach rechtskräftiger Feststellung der Gegenforderung im Ausland die Aufrechnung in einem neuen inländischen Verfahren berücksichtigt werden, im Zuge dessen das Vorbehaltsurteil gegebenenfalls aufzuheben sei (§  302 Abs.  4 S.  2 ZPO analog). Das von §  148 ZPO eingeräumte Ermessen zur Aussetzung sei dabei – analog zur Problematik bei rechtswegfremden Forderungen 243 – auf Null reduziert.244 Um das Verfahren zu beschleunigen, soll der Kläger dem Beklagten eine Frist setzen können, binnen der er die Gegenforderung selbständig einzuklagen habe.245 b) Uneingeschränkte Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts Schon früh hat von Hoffmann246 die These von der beschränkten Kognitions­ befugnis in Frage gestellt. Dem gewichtigsten Argument der Gegenauffassung, nämlich dass die Entscheidung des an sich für die Forderung nicht zuständigen Gerichts nach §  322 Abs.  2 ZPO in Rechtskraft erwächst, entgegnet er, dass nach h. M.247 die Gegenforderung, anders als bei einer Klage, nicht rechtshängig werde.248 Somit könnten die an sich zuständigen Gerichte weiterhin über die Gegenforderung entscheiden. 239  Zum Parallelproblem bei der Zurückweisung rechtswegfremder Gegenforderungen Schenke/Ruthig, NJW 1992, 2505 (2506). 240  Für den Einwand der Erfüllung im Vollstreckungsverfahren KG, Beschl. v. 23.2.1973, ZZP 86 (1973), 441 (442 f.) mit zust. Anm. Grunsky, ZZP 86 (1973), 443; ders., JZ 1965, 391 (396 f.); für einen Bereicherungsanspruch des Beklagten Habscheid, ZZP 76 (1963), 371 (376 f.). Die ex tunc-Unwirksamkeit der Aufrechnung befürwortet Blomeyer, ZZP 88 (1975), 439 (441); für ein Widerrufsrecht bzgl. der Aufrechnung dagegen Kawano, ZZP 94 (1981), 1 (25). 241  Für die Annahme einer innerprozessualen Bedingung, dass die Prozessaufrechnung zulässig ist, Stein/Jonas-Althammer, §  145 Rz.  60; eine entsprechende Anwendung von §  139 BGB befürworten dagegen Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  103 Rz.  45. 242  Eickhoff, Aufrechnung, S.  172 ff.; Badelt, Aufrechnung, S.  166 ff.; Hess/Müller, JZ 2002, 607 (609); MüKoZPO-Fritsche, §  145 Rz.  37. 243  BGH, Urt. v. 11.1.1955, BGHZ 16, 124. 244  Eickhoff, Aufrechnung, S.  172. 245  Eickhoff, Aufrechnung, S.  172. 246  v. Hoffmann, AWD 1973, 168 (169). 247  EuGH, Urt. v. 8.5.2003, Rs. C-111/01, Slg. 2003 I-4207, Rz.  31 f. – Gantner = IPRax 2003, 443 (für das EuGVÜ); für das nationale IZVR Zöller-Vollkommer, §  322 Rz.  18; Stein/ Jonas-Althammer, §  145 Rz.  49; Wieczorek/Schütze-Smid, §  145 Rz.  27; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, §  103 Rz.  25. A. A. Bettermann, Rechtshängigkeit, S.  84. 248  v. Hoffmann, AWD 1973, 168 (169); so auch Slonina, IPRax 2009, 399 (400 f.).

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§  3 Stand der Forschung

Auch andere249 lehnen eine Kognitionsbeschränkung, die sich auf die Rechtskraft der Aufrechnung stützt, ab. §  322 Abs.  2 ZPO sei allein als klägerschützende Vorschrift zu verstehen, die den Kläger davor bewahren solle, weiterhin durch eine klageweise Geltendmachung der Gegenforderung in Anspruch genommen zu werden. Die Vorschrift bezwecke jedoch nicht, den Beklagten an der Aufrechnung mit bestimmten Forderungen zu hindern. Die Gegenauffassung betont zudem, dass auch in anderen Rechtsordnungen Vorfragen und präjudizielle Rechtsverhältnisse in Rechtskraft erwachsen könnten, ohne dass deshalb ein Zuständigkeitszusammenhang gefordert würde.250 Der rechtsvergleichende Befund, andere nationale Prozessrechte forderten bei der Aufrechnung ein Zuständigkeitserfordernis, führe nicht weiter, da es gerade Ziel des EuGVÜ und der EuGVVO sei, Unterschiede der autonomen Prozessrechte zu nivellieren. Zudem spreche sich die Mehrheit der Rechtsordnungen vielmehr gegen ein Zuständigkeitserfordernis aus.251 Der gesamte romanische Rechtskreis252 lehne ein Zuständigkeitserfordernis ebenso mehrheitlich ab wie der angloamerikanische Rechtskreis253. Insgesamt solle dem Beklagten die zumindest nach deutschem Recht verjährungsfeste und abtretungssichere Vermögensposition der Gegenforderung als Sicherungsmittel erhalten bleiben. Im Falle hochverzinslicher Forderungen erleide der Beklagte bei Unzulässigkeit der Aufrechnung zudem einen Zinsverlust, den er womöglich nach materiellem Recht gar nicht hinnehmen müsse.254 Der Beklagte werde außerdem mit einer doppelten Zwangsvollstreckung belastet.255 Das klägerische Interesse, den Erstprozess nicht durch eine zuständigkeitsfremde Forderung aufgeladen zu s­ ehen, falle demgegenüber weniger ins Gewicht. Der Kläger habe den Aktivprozess angestrengt und ein bestimmtes Forum gewählt, auf dessen lex fori und Verfahrenssprache er sich bereits eingestellt habe. Für ihn sei es daher sogar vorteilhaft, wenn die Aufrechnung zulässig sei und auch er sich Zeit, Kosten und Mühen für ein weiteres Verfahren sparen könne. Denn die Früchte des Obsiegens im Erstprozess können dem Kläger in der Zwangsvollstreckung wieder 249  Ahlt, Aufrechnung, S.  105 f.; Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (42); Kannengießer, Aufrechnung, S.  187 f.; Slonina, IPRax 2009, 399 (400). 250  Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (42); Slonina, IPRax 2009, 399 (400 f.). 251  Kannengießer, Aufrechnung, S.  177. 252  So z. B. Gaudemet-Tallon, Rev. crit. 85 (1996), 146 (149); Gothot/Holleaux, Rz.  118; für das dänische Recht Philip, IPRax 1997, 97. 253  Leman v. Krentler – Arnold Co. (1932), 284 U.S.  4 48 (451) (S. Ct.); Tetley, FS Müller, S.  253 (264 f.). 254  Coster-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (44); v. Hoffmann, AWD 1973, 168 (169); Tetley, FS Müller, S.  253 (364); Kannengießer, Aufrechnung, S.  174 f.; Mankowski, ZZP 109 (1996), 376 (389 f.); Gebauer, IPRax 1998, 79 (83); Slonina, IPRax 2009, 399 (404). 255  Rüßmann, FS Ishikawa, S.  455 (469).

II. Die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung

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aus der Hand geschlagen werden, sofern der Beklagte im Ausland seine Gegenforderung durchsetze.256 Gegen die Zurückweisungs- oder Aussetzungslösung spreche zudem das Ordnungsinteresse an Entscheidungsharmonie, da die Gefahr bestehe, dass das ausländische Gericht bei Unzulässigkeit der Prozessaufrechnung dennoch von einer materiellrechtlich wirksamen Aufrechnung und damit vom Erlöschen der Gegenforderung ausgehe und die Hauptsacheklage des Beklagten abweise.257 c) Differenzierung nach Art der Gerichtsstände und kollisionsrechtliche Erwägungen Einen vermittelnden Ansatz schlägt Dageförde258 vor. Er hält das Fehlen der internationalen Zuständigkeit für die Gegenforderung grundsätzlich für unschädlich, da er die Gerichtsstände des EuGVÜ als gleichwertig erachtet und beiden Parteien einen zusätzlichen Prozess im Ausland ersparen will. Eine ­Ausnahme soll allerdings für die ausschließlichen Gerichtsstände des EuGVÜ gelten. Unklar bleibt dabei, ob er damit meint, dass bei einer Klage in einem ausschließlichen Gerichtsstand die Aufrechnung mit einer zuständigkeitsfremden Forderung unzulässig sein soll (dies legt seine Bezugnahme auf das Urteil des EuGH in der Rs. AS-Autoteile/Malhé259 zur Vollstreckungsabwehrklage nahe) oder ob es darauf ankommen soll, ob die Gegenforderung einem ausschließlichen Gerichtsstand zugewiesen ist. Spellenberg260 betont demgegenüber die kollisionsrechtliche Bedeutung der lex fori für die Ermittlung des Statuts der Gegenforderung. Stärkstes Argument für ein Zuständigkeitserfordernis bei der Aufrechnung ist seiner Ansicht nach das Vertrauen des Klägers in die Anwendung des IPR der lex fori.261 Seit der Vereinheitlichung der Anknüpfungsregeln in der Rom I und II-VO sei dieser Gesichtspunkt aber weitgehend entfallen. Eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis soll daher nur noch bestehen, wenn das für die Gegenforderung in der Hauptsache zuständige Gericht in einem Drittstaat liegt. Teilweise262 wird vertreten, dass sich die Frage nach einem Inlandsgerichtstand für die Gegenforderung theoretisch nicht zufriedenstellend lösen lasKannengießer, Aufrechnung, S.  173, 176; Slonina, IPRax 2009, 399 (403 f.). Ahlt, Aufrechnung, S.  104; Kannengießer, Aufrechnung, S.  173, 176; Slonina, IPRax 2009, 399 (403 f.). 258  Dageförde, RIW 1990, 873 (877). 259  Siehe dazu oben §  3 II. 1. 260  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  42. 261  Siehe dazu bereits oben zu den Zurückbehaltungsrechten §  3 I. 2. Den kollisionsrechtlichen Aspekt betont auch Wagner, IPRax 1999, 65 (73). 262  Piekenbrock, RIW 2000, 751; MüKoZPO-Patzina, §  23 Rz.  24. 256  257 

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§  3 Stand der Forschung

se. Diese Stimmen schlagen vor, das Problem zu umgehen, indem sie es dem Beklagten ermöglichen, sich für die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung stets auf §  23 Abs.  1 S.  1 Var.  1 ZPO analog263 zu berufen. Dem stehe auch nicht entgegen, wenn im Einzelfall eine ausschließliche Zuständigkeit für die Gegenforderung begründet sei, da der Zuständigkeitskatalog des EuGVÜ nach dem EuGH auf die Aufrechnung keine Anwendung finde.264 Dies gelte auch für ausschließliche Gerichtsstände in völkerrechtlichen Abkommen, die dem EuGVÜ vorgingen. Für Zurückbehaltungsrechte stellt sich die Frage, ob sich das Problem nicht über §  23 ZPO umgehen lässt. Auch darauf wird im zweiten Teil der Arbeit einzugehen sein.265

III. Zwischenergebnis Die soeben skizzierte Diskussion zur Aufrechnung markiert zugleich den Stand der Forschung zur Frage eines Zuständigkeitserfordernisses bei Zurückbehaltungsrechten, da diesbezüglich auf die soeben erörterte Rechtsprechung und Literatur verwiesen wird.266 Im folgenden zweiten Teil der Untersuchung wird sich zeigen, ob dieser Verweis so aufrecht erhalten werden kann.

Piekenbrock, RIW 2000, 751 (753). Piekenbrock, RIW 2000, 751 (754). 265  Dazu unten §  5 V. 266  Siehe oben §  3 I. 263 

264 

Zweiter Teil

Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte nach der EuGVVO Bereits ein kursorischer Blick auf die materiellrechtlichen Wirkungen von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten legt nahe, dass sich die prozessuale Si­ tuation bei der Aufrechnung nicht in jeder Hinsicht unmodifiziert auf Zurück­ behaltungsrechte übertragen lässt. So wird sich das Problem des rechtskräftigen Abweisens der Hauptforderung bei Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts seltener stellen, da die Hauptforderung vom Gericht im Regelfall1 nicht abgewiesen, sondern unter den Vorbehalt der Zug um Zug-Erfüllung der Gegenforderung gestellt wird. Auch die im Rahmen von Art.  8 Nr.  3 EuGVVO geführte Diskussion, ob eine Aufrechnung der Widerklage näher steht als den sonstigen Verteidigungsmitteln, ist bei Zurückbehaltungsrechten einfacher zu beantworten. Die Diskussion um die Aufrechnung zeigt jedoch Fragestellungen auf, die bei Zurückbehaltungsrechten in ähnlicher Weise zu klären sind. So bildet die grundlegende Weichenstellung, ob die Kognitionsbefugnis eines Gerichts für Verteidigungsmittel durch die EuGVVO oder das nationale Prozessrecht der jeweiligen lex fori geregelt wird, auch bei Zurückbehaltungsrechten den Ausgangspunkt. Um hier eine allgemeingültige Antwort zu finden, muss man sich von der Auslegung isolierter Gerichtsstände lösen und die Vorfragenkompetenz im Gesamtkontext der EuGVVO betrachten.2 Zudem sind für die Fallpraxis diejenigen Konstellationen zu identifizieren, in denen die Kognitionsbefugnis überhaupt entscheidungserheblich ist. In den ­unproblematischen Fällen3 wird man ohne weiteres von der Zulässigkeit eines Z ­ urückbehaltungsrechts ausgehen können. In den problematischen Konstella­ tionen muss dagegen durch Abwägung der zuständigkeitsrechtlichen Interessen ermittelt werden, ob diese eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis bei Zurückbehaltungsrechten gebieten.4 1  Zu den Ausnahmen im deutschen Recht vgl. MüKoBGB-Krüger, §  274 Rz.  9 sowie zum italienischen Recht Witz, FS Schlechtriem, S.  291 (300 f., 302). 2  Dazu sogleich §  4. 3  Dazu unten §  5. 4  Dazu unten §  6.

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§  4 Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden durch die EuGVVO

§  4 Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden durch die EuGVVO Entscheidend ist auch bei Zurückbehaltungsrechten zunächst, ob sich die Kognitionsbefugnis über Einreden im Anwendungsbereich der EuGVVO nach deren Regelungen oder nach dem autonomen IZVR der lex fori richtet. Wie im Rahmen des Streitstands zur Aufrechnung gezeigt, geht eine verbreitete Meinung5 von der grundsätzlichen sachlichen Unanwendbarkeit des europäischen Zivilverfahrensrechts auf die Zulässigkeit prozessualer Einreden aus. Dem nationalen Gesetzgeber soll es freistehen, Zuständigkeitserfordernisse für Verteidigungsmittel aufzustellen und dadurch die Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts zu beschränken. Die Überantwortung der Vorfragenkompetenz an das nationale Prozessrecht sei Ausdruck der Grundregel, dass das europäische Zivilprozessrecht eben nicht die Vereinheitlichung aller Verfahrensregeln bezwecke. Vielmehr müsse es bei der Anwendbarkeit des autonomen IZVR bleiben, soweit dies die praktische Wirksamkeit des Übereinkommens nicht beeinträchtige.6 Auch der EuGH habe hinreichend deutlich gemacht, dass sich der sachliche Anwendungsbereich des EuGVÜ nicht auf Verteidigungsmittel erstrecke. Dies werde zudem durch die Ausführungen des Generalanwalts Léger in der Sache Danværn gestützt, die zur Auslegung dieses EuGH-Urteils herangezogen werden sollen. 7 Der Generalanwalt begründete die Unanwendbarkeit von Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ auf die Aufrechnung nämlich unter anderem damit, dass das Übereinkommen keine Anwendung finde, soweit eine Gegenforderung nur zum Zweck der Zurückweisung des klägerischen Anspruchs eingewendet werde. Für die Frage, ob ein solches Verteidigungsmittel vorgebracht werden könne, sei auf die Bestimmungen des nationalen Rechts zu verweisen.8 Träfe dies generell auf Einreden zu, so könnte das nationale Prozessrecht die Kognitionsbefugnis eines nach der EuGVVO zuständigen Gerichts beliebig durch eigene Zuständigkeitsregeln einschränken. Dann wäre auch die Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten im räumlichen Anwendungsbereich der EuGVVO allein durch das autonome IZVR geregelt. 5  Vgl. nur OLG Hamm, Urt. v. 5.11.1997, IPRspr 1997 Nr.  160 A, S.  323 (325 f.); Nelle, Vollstreckung, S.  383; Mansel, ZZP 109 (1996), 61 (75); Jayme/Kohler, IPRax 1995, 343 (349); Gruber, IPRax 2002, 285 (287); H. Roth, RIW 1999, 819 (822 f.); Piekenbrock, RIW 2000, 751 f.; Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (48); Geimer/Schütze-Geimer, Art.  6 EuGVVO Rz.  70, 79. Zur Gegenauffassung vgl. die Nachweise in Fn.  176. 6  H. Roth, RIW 1999, 819 (820 f.). 7  Gruber, IPRax 2002, 285 (287); H. Roth, RIW 1999, 819 (822). 8  GA Léger, Schlussanträge v. 17.5.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2055 (2067), Rz.  42 – Danværn.

I. Begrenzter Aussagegehalt der EuGH-Entscheidung in „Danværn“

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I. Begrenzter Aussagegehalt der EuGH-Entscheidung in „Danværn“ Ob der EuGH tatsächlich von der sachlichen Unanwendbarkeit der EuGVVO auf Verteidigungsmittel ausgeht, erscheint zweifelhaft. Einziger Anhaltspunkt hierfür ist die Aussage der Danværn-Entscheidung, Verteidigungsmittel und die Voraussetzungen ihrer Geltendmachung bestimmten sich „nach nationalem Recht“. 9 Die Betonung dieser Aussage allein hat jedoch keinerlei argumentativen Wert, denn der Streit besteht gerade darüber, ob der EuGH mit „nationalem Recht“ das nationale IZPR oder andere nationale Regeln gemeint hat.10 Die Interpretation dieser Aussage als Verweis auf das nationale Prozessrecht erscheint vertretbar, wenn man die Äußerungen des Generalanwalts Léger hinzunimmt, nach denen das Übereinkommen keine Anwendung finden soll, soweit eine Gegenforderung nur zum Zweck der Zurückweisung des klägerischen Anspruchs eingewendet wird.11 Die gegenteilige Lesart, nämlich dass der Generalanwalt auf die nach der lex causae zu beurteilenden materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Verteidigungsmittels hinweisen wollte, ist jedoch genauso plausibel, insbesondere, da der Unterschied zwischen Prozessrecht und materiellem Recht gerade bei Verteidigungsmitteln schwierig zu ziehen ist. Dies zeigt sich bereits daran, dass manche Rechtsordnungen die Aufrechnung generell als prozessrechtliches Institut begreifen12 und, anders als das deutsche Recht, all ihre Voraussetzungen im Prozessrecht verorten. Zudem sind bestimmte Formen der Aufrechnung (z. B. mit inkonnexen oder illiquiden Forderungen) in manchen Rechtsordnungen nur in Form der Widerklage zulässig.13 Dennoch sind diese einschränkenden Voraussetzungen der Aufrechnung, wie z. B. Liquidität oder Konnexität der Forderungen, materiellrechtlich zu qualifizieren, da sie die generelle Durchsetzbarkeit der Forderung betreffen.14 Vor diesem Hintergrund kann man also die Stellungnahme des Generalanwalts auch als berechtigten Hinweis darauf verstehen, dass diese Voraussetzungen trotz teilweiser Verortung in den nationalen Prozessrechten nicht durch die EuGVVO geregelt werden, da es sich bei ihnen nicht um prozessuale Rechtsmaterie handelt. 9  EuGH, Urt. v. 13.7.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2071 (2077), Rz.  18 – Danværn; siehe hierzu bereits das wörtliche Zitat zu Fn.  173. 10  Vgl. die in Fn.  174 – 176 zitierten Auffassungen. 11  GA Léger, Schlussanträge v. 17.5.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2055 (2067), Rz.  42 – Danværn. 12  So im common law, vgl. In re Hiram Maxim Lamp Co. (1902) [1903] 1 Ch. 70 (74 f.) (Ch. Div.). 13  Vgl. hierzu die Verweise zum englischen und französischen Recht oben in Fn.  229 ff. 14  Siehe nur MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  19 m. w. N.

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§  4 Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden durch die EuGVVO

Da es an einer ausdrücklichen Bezugnahme des EuGH auf die Schlussanträge fehlt, wird man diese dem Gerichtshof entgegen der Auffassung Grubers15 aber ohnehin nicht ohne weiteres als eigene Meinung unterstellen können. Die Urteilsbegründung konzentriert sich vielmehr auf die autonome Auslegung von Art.  6 Nr.  3 EuGVÜ sowie die Einordnung der Aufrechnung in die Kategorie der Angriffs- oder der Verteidigungsmittel.16 Letztlich mag man den häufig zitierten Verweis des Urteils auf das nationale Recht und die Schlussanträge in vielerlei Hinsicht deuten – eine belastbare Aussage bezüglich der Anwendbarkeit der EuGVVO auf Verteidigungsmittel lässt sich dem Urteil nicht entnehmen.

II. Anwendung der EuGVVO auf Verteidigungsmittel in „GAT/LuK“ Eindeutig für die sachliche Anwendbarkeit der EuGVVO auf Verteidigungs­ mittel spricht dagegen die Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2006 in der Rechtssache GAT/LuK17. Gegenstand war die Vorlagefrage, ob die ausschließ­ liche Zuständigkeit nach Art.  16 Nr.  4 EuGVÜ der Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Registrierung eines Patents vorgenommen worden war, nur dann besteht, wenn eine Klage auf Nichtigerklärung eines Patents erhoben ist, oder auch dann, wenn in einem Patentverletzungsverfahren der Beklagte die Patentnichtigkeit einredeweise geltend macht. Der EuGH war der Auffassung, dass Art.  16 Nr.  4 EuGVÜ (der spätere Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F.) die Kognitionsbefugnis des mit dem Patentverletzungsverfahren befassten Gerichts auch bezüglich der Entscheidung über die Einrede begrenzt. Selbst die inzidente Prüfung des Bestands eines ausländischen Schutzrechts als reine Vorfrage soll nach Auffassung des Gerichtshofs außerhalb des Gerichtsstands des Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F. unzulässig sein. In der Neufassung der EuGVVO ist dies in Art.  24 Nr.  4 nunmehr ausdrücklich geregelt.18 Sowohl der Gerichtshof als auch der Verordnungsgeber bei der Neufassung haben sich daher sehr deutlich für die sachliche Anwendbarkeit der EuGVVO auf die Kognitionsbefugnis über Verteidigungsmittel ausgesprochen. Die Urteilsbegründung in GAT/LuK stützt sich maßgeblich darauf, dass es bei Zulässigkeit einer einredeweisen Geltendmachung der Schutzrechtsnichtigkeit zu widersprechenden Entscheidungen kommen könne, wenn nämlich das im Verletzungsprozess angerufene Gericht die einredeweise vorgetragene Frage des Schutzrechtsbestands anders beurteilt als das in der Hauptsache für den Gruber, IPRax 2002, 285 (287). Anders Gruber, IPRax 2002, 285 (287). 17  EuGH, Urt. v. 13.7.2006, Rs. C-4/03, Slg. 2006 I-6523 (6533 f.), Rz.  31 – GAT/LuK. 18  So auch die Neufassung von Art.  22 Nr.  4 LugÜ (2007). 15  16 

III. Abschließende Regelung der Kognitionsbefugnis durch die EuGVVO?

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Bestand des Schutzrechts zuständige Gericht.19 Man mag an dem Urteil kritisieren, dass ausschließliche Gerichtsstände generell restriktiv auszulegen sind20 und die Rechte des Beklagten durch eine Anwendung des Art.  22 Nr.  4 ­EuGVVO a. F. auf Einreden erheblich beschnitten wurden. Der EuGH hat jedoch – und zwar grundsätzlich zu Recht21 – sehr deutlich gemacht, dass er die Kognitionsbefugnis über Verteidigungsmittel eindeutig innerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der EuGVVO verortet sieht, und hat dabei auch auf die typischen Zwecke des vereinheitlichten Zuständigkeitsregimes der EuGVVO Bezug genommen, namentlich den internationalen Entscheidungseinklang.22 Von diesem Grundverständnis ist auch der BGH in seiner ersten Entscheidung zur Zu­ ständigkeit bei der Aufrechnung ausgegangen, als er 1993 die Beschränkung der Kognitionsbefugnis für zuständigkeitsfremde Gegenforderungen aus dem Grundkonzept des EuGVÜ hergeleitet hat.23

III. Abschließende Regelung der Kognitionsbefugnis durch die EuGVVO? Weder der EuGH noch der Verordnungsgeber in der Neufassung haben allerdings bisher eindeutig geklärt, ob der sachliche Anwendungsbereich der ­EuGVVO die Zulässigkeit von Verteidigungsmitteln auch abschließend erfasst. Ob der nationale Gesetzgeber neben der EuGVVO die Zulässigkeit von Verteidigungsmitteln ergänzend einschränken darf, ist durch Auslegung der Verordnung nach Wortlaut, Systematik, Historie und Zweck 24 zu ermitteln. 1. Wortlaut und Systematik Ausdrücklich regelt die EuGVVO in ihrer ursprünglichen Fassung die Erhebung von Einreden und die Geltendmachung von Verteidigungsmitteln nicht. Nach dem deutschen Wortlaut der einführenden Art.  4, 5 EuGVVO ist der Zuständigkeitskatalog grundsätzlich darauf zugeschnitten, dass eine Partei von der anderen „verklagt“25 wird. Dem gleichen System folgen auch die meisten besonderen Gerichtsstände der Art.  7 ff. EuGVVO. Nicht alle Gerichtsstände EuGH, Urt. v. 13.7.2006, Rs. C-4/03, Slg. 2006 I-6523 (6533), Rz.  29 – GAT/LuK. Schlosser, vor Art.  22 EuGVVO Rz.  4; Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVVO Rz.  2; MüKoZPO-Gottwald, Art.  22 EuGVVO Rz.  34. 21  Dazu sogleich unter III. 22  Vgl. Erwägungsgrund 21 EuGVVO (Erwägungsgrund 15 EuGVVO a. F.). 23  Dazu oben §  3 II. 2. 24  Zu den Auslegungsmethoden im Gemeinschaftsrecht Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S.  143 ff.; Schack, ZZP 107 (1994), 279 (283 ff.). 25  In der französischen Fassung: „attraite“; in der englischen Fassung: „sued“. 19 

20 

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§  4 Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden durch die EuGVVO

sind jedoch sprachlich eindeutig auf Klageangriffe beschränkt. So verwendeten die englische und französische Fassung des in GAT/LUK entscheidungserheb­ lichen Art.  22 EuGVVO a. F. anstelle von „Klagen“ (heute: „Verfahren“, vgl. Art.  24 EuGVVO) die wesentlich weiteren Begriffe „proceedings, which have as their object …“ oder den Begriff der „matière“. Beim Immaterialgüter­ gerichtsstand des Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F. ist in der englischen Fassung von „proceedings concerned with the […] validity of patents, trademarks, […]“ die Rede. Daraus folgerten englische Gerichte bereits vor der Entscheidung GAT/ LuK, dass die Norm ein Gericht im Patentverletzungsprozess an der Entscheidung über die Nichtigkeitseinrede hindere, da auch die Einrede mit dem Bestand des Patents betroffen („concerned“) sei.26 Demgegenüber räumt der mit den ausschließlichen Gerichtsständen systematisch verbundene Art.  27 EuGVVO einem Gericht nur dann die Möglichkeit ein, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es wegen einer den ausschließlichen Gerichtsständen zugewiesenen Streitigkeit „angerufen“27 wird. Auch die französische Sprachfassung verlangt die ex officio Unzuständigerklärung nur bei Anrufung des Gerichts „à titre principal“, also in der Hauptsache. Ebenso deutet die englische Fassung auf diese Auslegung hin. Nach ihr gelten die ausschließlichen Gerichtsstände für ein Gericht „seised of a claim which is principally concerned with a matter“. Ausdrücklich regelt die Verordnung, insbesondere Art.  27 EuGVVO, jedoch nicht, ob ein Gericht sein Verfahren auf Rüge des Klägers aussetzen muss, soweit ihm gerichtsstandsfremde Forderungen als Vorfragen unterbreitet werden. Mit der Neufassung der Verordnung sind einige sprachliche Ungereimtheiten behoben worden. So ist im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeiten in Art.  24 und 31 EuGVVO nunmehr einheitlich von „Verfahren“ die Rede. Zudem hat der Verordnungsgeber in Art.  24 Nr.  4 EuGVVO die Entscheidung in GAT/ LuK in Gesetzesform gegossen, so dass die Norm unabhängig davon gilt, ob die Frage der Gültigkeit des Schutzrechts „im Wege der Klage oder der Einrede aufgeworfen wird“. Auch die Neufassung verhält sich aber nicht dazu, ob sie die Kognitionsbefugnis über Einreden auch abschließend erfasst. Nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Sprachfassungen können die Wortlautauslegung und das mit ihr verbundene Systemverständnis der Normen – wie bei den meisten Gemeinschaftsrechtsakten – kein annähernd zuverlässiges Auslegungsergebnis für oder wider die sachliche Anwendbarkeit der Ver26  Coin Controls Ltd. v. Suzu International Ltd. et al. (1997) [1997] F.S.R. 660 (676 f.) (Ch. Div.) = GRURInt 1998, 314 (316); Fort Dodge Animal Health v. Akzo Nobel (1997) [1998] F.S.R. 222 (245) (C.A.). 27  Art.  25 EuGVVO a. F. wurde unverändert übernommmen in Art.  27 EuGVVO.

III. Abschließende Regelung der Kognitionsbefugnis durch die EuGVVO?

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ordnung auf die Zuständigkeit für Vorfragen liefern.28 Auch hinsichtlich der Neufassung lässt sich weiterhin vertreten, dass die Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden auf den Sonderfall des Art.  24 Nr.  4 EuGVVO beschränkt ist und die Mitgliedstaaten darüber hinaus eigene Restriktionen vorsehen können. Neben der Entstehungsgeschichte muss daher vor allem der Zweck der vereinheitlichten Zuständigkeitsnormen in den Blick genommen werden. 2. Entstehungsgeschichte Der Sachverständigenbericht von Jenard zur Vorgängernorm des EuGVÜ29 ist wenig ergiebig. Im Zusammenhang mit ausschließlichen Zuständigkeiten weist die deutsche Übersetzung darauf hin, dass sich ein Gericht nach Art.  19 EuGVÜ (dem heutigen Art.  27 EuGVVO) nicht von Amts wegen für unzuständig erklären dürfe, wenn ein zu einem ausschließlichen Gerichtsstand gehörender Streitpunkt lediglich als Vorfrage aufgeworfen werde.30 Auch die französische Fassung deutet die Ausklammerung von (verteidigungsweise eingewendeten) Vorfragen an („n’est soulevée qu’a titre d’exception“). Englische Gerichte haben dagegen aufgrund der englischen Sprachfassung des Jenard-Berichts, die insoweit von „incidental matters“ spricht, Art.  19 EuGVÜ auch auf Verteidigungsmittel angewendet. Denn eine entscheidungserhebliche und den Streit maßgeblich prägende Vorfrage könne eben nicht mehr als rein „incidental“ angesehen werden.31 Auch im Falle des Jenard-Berichts stehen die unterschiedlichen Sprachfassungen somit einer generellen Aussage darüber im Wege, ob sich ausschließliche Gerichtsstände nur auf die Hauptsache oder auch auf Vorfragen auswirken können. Wortlautauslegung und die Begründungen im Jenard-Bericht zum EuGVÜ bezüglich des Anwendungsbereichs der EuGVVO führen daher für sich genommen zu keinem abschließenden Ergebnis.32 Bei der Neufassung der EuGVVO wurde die Vorfragenkompetenz nur isoliert für die Nichtigkeitseinrede in Immaterialgüterrechtsprozessen diskutiert.33 28  Zur Unergiebigkeit des Wortlautkriteriums bei der Auslegung europäischen Sekundär­ rechts Riesenhuber-Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, §  11 Rz.  48. 29  Jenard-Bericht, S.  39. 30  So auch Adolphsen, EuZPR in Patentsachen, S.  146, der sich allerdings auf eine isolierte Betrachtung von Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F. beschränkt. 31  So in Coin Controls Ltd. v. Suzu International Ltd. et al. (1997) [1997] F.S.R. 660 (676) (Ch. Div.) = GRURInt 1998, 314 (316); Fort Dodge Animal Health v. Akzo Nobel (1997) [1998] F.S.R. 222 (245) (C.A.). 32  So auch die Stellungnahme der Kommission, vgl. EuGH, Urt. v. 13.7.2006, Rs. C-4/03, Slg. 2006, I-6523 (6530), Rz.  18 – GAT/LuK. 33  Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des

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§  4 Regelung der Kognitionsbefugnis über Einreden durch die EuGVVO

Auch insoweit ist die historische Auslegung zur Bestimmung der allgemeinen Reichweite der Zuständigkeitsnormen unergiebig. 3. Telos Vergegenwärtigt man sich den Zweck des vereinheitlichten Zuständigkeits­ systems der EuGVVO, so wird deutlich, dass die EuGVVO auch die Kognitions­ befugnis eines Gerichts bezüglich Vorfragen abschließend umfassen muss. Bereits die Erwägungsgründe, die den vom Gesetzgeber verfolgten objektiven Gesetzeszweck überliefern und auch für die teleologische Auslegung durch den EuGH maßgeblich sind,34 zeigen, dass eine abschließende Regelung der Kognitionsbefugnis dem Sinn und Zweck der Verordnung am ehesten entspricht. So ist die Einschränkung der Entscheidungsbefugnis eines Gerichts hinsichtlich bestimmter Einwendungen im Einzelfall geeignet, die in Erwägungsgrund 21 EuGVVO (Erwägungsgrund 15 EuGVVO a. F.) erkannte Gefahr widersprechender Entscheidungen abzumildern. Durch eine europaweit einheitliche Beschränkung der Kognitionsbefugnis eines Gerichts lässt sich vermeiden, dass zwei Gerichte über dieselbe Frage, nämlich im Einredeprozess und im Haupt­ sacheverfahren, entgegengesetzt entscheiden – mit möglicherweise schwer­ wiegenden Folgen für die Parteien. Ob eine solche Beschränkung der Ent­ scheidungsbefugnis im Einzelfall auch geboten ist, ist damit freilich noch nicht dargetan und muss sich letztlich aus einer sorgfältigen Abwägung zuständigkeitsrechtlicher Interessen ergeben. Die Kognitionsbefugnis über Vorfragen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung aber gänzlich auszuklammern, würde den Zielen einer europaweit abgestimmten Rechtspflege35 nicht gerecht. Der EuGH und ihm folgend der Verordnungsgeber in der Neufassung von 2012 h­ aben die Vorfragenkompetenz daher zu Recht dem sachlichen Anwendungsbereich der EuGVVO unterworfen. Das europäische Zivilprozessrecht regelt die Eingriffe in die Kognitionsbefugnis der Gerichte über Verteidigungsmittel auch abschließend. Die nationalen Prozessrechte dürfen darüber hinaus keine ergänzenden Zuständigkeitshürden aufstellen. Dies ergibt sich für die derzeitige und die neue Rechtslage zwar nicht eindeutig aus der Entscheidung GAT/LuK und Art.  24 Nr.  4 EuGVVO. Der Rechtsvereinheitlichungsgedanke der Verordnung spricht jedoch entschieden dagegen, den nationalen Prozessrechten Beschränkungen der Kognitionsbefugnis jenseits derer zu gestatten, die sich aus Systematik und Zweck der EuGVVO Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, KOM (2009) 174 endgültig, S.  7 f. 34  Siehe Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S.  148. 35  Vgl. auch insoweit Erwägungsgrund 21 EuGVVO (Erwägungsgrund 15 EuGVVO a. F.).

III. Abschließende Regelung der Kognitionsbefugnis durch die EuGVVO?

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ergeben. Die in den Erwägungsgründen 4 und 1536 hervorgehobene Schaffung einheitlicher und vorhersehbarer Zuständigkeitsvorschriften würde weitgehend verfehlt, könnte ein Mitgliedstaat die Befugnis eines nach der EuGVVO zuständigen Gerichts für bestimmte Vorfragen – z. B. aufgrund von Friktionen mit seinem nationalen Prozessrecht – nach Belieben einschränken. Die mit der Verordnung beabsichtigte Vorhersehbarkeit von Gerichtsständen wird nur verwirklicht, wenn die Verfahrensbeteiligten mehr als nur den Gerichtsstaat kennen; sie müssen auch vorhersehen können, welcher Streitstoff vor dessen Gerichten letztlich zur Verhandlung gebracht werden darf.37 Stellte ein Mitgliedstaat beispielsweise eine Regel auf, nach der sich ein Beklagter gegen die Klage auf Herausgabe eines Grundstücks mit dem Einwand, er sei dessen Eigentümer, nur im dinglichen Gerichtsstand verteidigen dürfte, so wäre die innerhalb der Gemeinschaft erreichte Harmonisierung der Zuständigkeitsregeln für Klageansprüche wenig wert. Denn für den Kläger wären neben dem Zuständigkeitskatalog der EuGVVO jeweils auch die nationalen Zuständigkeitsvorschriften relevant, denen das letzte Wort darüber zukäme, mit welchen Einwendungen er (nicht) rechnen muss. Die Möglichkeiten des Beklagten, seine materiellen Gegenrechte auch prozessual durchzusetzen, hinge dementsprechend – bei meh­ reren möglichen Gerichtsständen – davon ab, welchen Gerichtsstand der Kläger wählt und welches nationale Zuständigkeitsregime der lex fori durch diese Wahl ergänzend Anwendung findet. Besonders bedeutsam ist dies in Fällen, in denen der Erfolg eines bestimmten Verteidigungsmittels den eigentlichen Kern des Prozesses bildet, z. B. wenn das sonstige Vorbringen des Klägers unstreitig gestellt wird. Gerade in diesen Fällen würde dem forum shopping38 innerhalb der Europäischen Union Vorschub geleistet, da der Kläger zwischen mehreren e­ röffneten Gerichtsständen stets denjenigen wählen würde, dessen lex fori die Kognitionsbefugnis für Einreden des Beklagten am stärksten einschränkt. F ­ orum shopping soll jedoch durch die Harmonisierung gerade vermieden w ­ erden.39 Die differenzierte Abwägung der Interessen der Verfahrensbeteiligten durch die EuGVVO für oder wider bestimmte Zuständigkeiten würde daher konterkariert, könnten die Mitgliedstaaten den Zuständigkeitsvorgaben der Verordnung für einen großen Teil des Streitstoffes durch Zuständigkeitshürden für Einreden die Geltung entziehen. Die verbreitete Auffassung, die Verteidigungsmittel ge36 

Erwägungsgründe 2 und 11 EuGVVO a. F. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 15.11.1983, Rs.  288/82, Slg. 1983, 3663 (3674), Rz.  13 – D ­ uijnstee. 38  Zur Missbilligung von forum shopping bereits Boys v. Chaplin (1969) [1971] A.C. 356 (378); Jasper, Forum Shopping, passim. 39  Siehe oben Fn.  38. 37 

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§  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses

nerell aus dem Anwendungsbereich der vereinheitlichten Zuständigkeitsregeln ausnehmen will, überzeugt daher nicht und ist bereits unter der Geltung des EuGVÜ zurecht als konventionsfeindlich40 bezeichnet worden.

IV. Ergebnis Die Zulässigkeit bestimmter Verteidigungsmittel wird im Anwendungsbereich der EuGVVO allein und abschließend nach deren Regeln bestimmt. Mithin kann auch die Frage, ob ein Zurückbehaltungsrecht die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung erfordert, im Anwendungsbereich der Verordnung nur aus ihrer Systematik und ihren Prinzipien heraus beantwortet werden.

§  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses Wie die Diskussion bei der Aufrechnung gezeigt hat, ist die Kognitionsbefugnis nicht in sämtlichen Konstellationen problematisch. Insbesondere bei Eröffnung des Widerklagegerichtsstands, bei rügeloser Einlassung des Klägers auf das Verteidigungsmittel sowie im Falle unstreitiger und rechtskräftig festgestellter Forderungen wird die Kognitionsbefugnis des Gerichts bei der Aufrechnung als unproblematisch angesehen.41 Auch bei Zurückbehaltungsrechten müssen die unproblematischen von den umstrittenen Fällen abgegrenzt werden.

I. Eröffnung des Widerklagegerichtsstands Es bedarf an sich keiner weiteren Erläuterung, dass ein Zurückbehaltungsrecht ebenso wie die Aufrechnung zulässig sein muss, soweit für die Gegenforderung der Gerichtsstand der Widerklage eröffnet ist. Problematisch ist jedoch, welche Normen für die Eröffnung des Widerklagegerichtsstands bei der Beurteilung einer Gegenforderung heranzuziehen sind. Zudem ist zu klären, ob bei Zurückbehaltungsrechten nicht grundsätzlich von einer Eröffnung des Widerklagegerichtsstands für die Gegenforderung ausgegangen werden kann, da das anwendbare materielle Recht ein Zurückbehaltungsrecht häufig ohnehin nur bei Konnexität der Forderungen gewährt. Insoweit kommt es auf die Unterschiede zwischen materiellrechtlicher und prozessualer Konnexität an.

40  41 

Mankowski, ZZP 109 (1996), 376 (381). Dazu oben §  3 II. 3. a).

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1. Der auf Verteidigungsmittel anwendbare Widerklagegerichtsstand In seinem Urteil vom 7. November 200142 hat sich der BGH einer Stellungnahme zum unklaren Bedeutungsgehalt der Danværn-Entscheidung des EuGH mit der Begründung enthalten, dass im konkreten Fall jedenfalls eine Widerklagezuständigkeit für die Gegenforderung begründet sei. Dabei hat er die Zuständigkeit für das Verteidigungsmittel analog §  33 ZPO beurteilt, obwohl sowohl Haupt- als auch Gegenforderung dem Zuständigkeitsregime der EuGVVO ­unterfielen. Teilweise wird auch in der Literatur43 angenommen, dass sich die Widerklagezuständigkeit im Falle von Einreden immer nach den nationalen Vorschriften – im Fall des BGH also §  33 ZPO – richte. Da eine analoge An­ wendung des Art.  6 Nr.  3 EuGVVO (des heutigen Art.  8 Nr.  3 EuGVVO) auf Verteidigungsmittel ausscheide, müssten sich die Voraussetzungen für Einreden nach §  33 ZPO richten.44 Die Frage ist für Zurückbehaltungsrecht gleichermaßen praktisch relevant,45 zumal §  33 ZPO – wie sogleich noch zu zeigen sein wird46 – nach weit verbreiteter Auffassung wesentlich geringere Anforderungen an den zwischen Klage- und Widerklageforderung erforderlichen Zusammenhang stellt als Art.  8 Nr.  3 EuGVVO.47 Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Auffassung des BGH nicht die soeben aufgestellte These entgegenhalten lässt, nach der sich die Kognitionsbefugnis über Verteidigungsmittel im Anwendungsbereich der EuGVVO ausschließlich nach deren Regelungen richtet.48 Denn bei Widerklagen handelt es sich um Angriffsmittel, deren Ziel eine gesonderte Verurteilung des Widerbeklagten ist, und gerade nicht um prozessuale Einreden. Die Auffassung des BGH sowie die der ihm folgenden Literaturstimmen überzeugt dennoch nicht. Der EuGH hat kein generelles Verbot ausgesprochen, Art.  8 Nr.  3 EuGVVO auf Verteidigungsmittel anzuwenden, sondern klargestellt, dass es einer Zuständigkeit nach Art.  8 Nr.  3 EuGVVO für eine Aufrechnung nicht bedarf. Wenn aber das nationale Recht die Zulässigkeit einer Aufrechnung unter den Vorbehalt eines Gerichtsstands für die Gegenforderung 42 

BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (127 f.). Dörner, JR 2002, 503 (504); H. Roth, RIW 1999, 819 (822); Schlosser, Art.  2 EuGVVO Rz.  15; Slonina, IPRax 2009, 399 (402). 44  Slonina, IPRax 2009, 399 (402); H. Roth, RIW 1999, 819 (822). 45  Zweifelhaft wegen der Unterschiede zwischen §  33 ZPO und Art.  6 EuGVVO Hess/ Müller, JZ 2002, 607 (608) (anwendbarer Widerklagegerichtsstand sei „zweitrangig“). 46  Unten §  5 I. 2. 47  H. Roth, RIW 1999, 819 (822); MüKoZPO-Gottwald, Art.  6 EuGVVO Rz.  23; Musielak/­ Voit-Stadler, Art.  8 EuGVVO n. F. Rz.  7; Kropholler/v. Hein, Art.  6 EuGVVO Rz.  38; für eine enge Auslegung auch Rauscher-Leible, Art.  6 EuGVVO Rz.  8. 48  Siehe oben §  4. 43 

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stellen dürfte, wäre im vom BGH entschiedenen Fall dennoch Art.  8 Nr.  3 ­EuGVVO heranzuziehen gewesen. Denn der – bestrittene – Rechtssatz, dass die Einwendung einer Gegenforderung nur dann zulässig sei, wenn für ihre klageweise Geltendmachung die internationale Zuständigkeit bestehe, enthält eine Verweisung auf eben die Zuständigkeitsnormen, die eine klageweise Geltendmachung der Gegenforderung regeln.49 Da im vom BGH entschiedenen Fall ­beide Forderungen der EuGVVO unterlagen, wäre Art.  8 Nr.  3 EuGVVO einschlägig gewesen. Dies gilt sowohl nach der hier vertretenen Auffassung,50 nach der die EuGVVO die Zulässigkeit von Verteidigungsmitteln abschließend regelt, als auch nach der Gegenauffassung51. Soweit die EuGVVO auf eine klageweise Geltendmachung der Gegenforderung Anwendung findet, ist es nur konsequent, die verteidigungsweise Geltendmachung der Forderung – so man für diese überhaupt die internationale Zuständigkeit fordern will – an denselben Maßstäben zu messen. Mit einer Anwendung von §  33 ZPO lässt sich auch der vom BGH ausdrücklich beabsichtigte Gleichlauf von Aufrechnung und Widerklage gerade nicht erzielen. Zudem ist es wenig prozessökonomisch, den die Hauptforderung übersteigenden Betrag der Gegenforderung gesondert nach einem andern Maßstab zu prüfen als den zur Aufrechnung oder den zurückbehaltungsweise geltend gemachten Teil der Forderung. Eine Gegenforderung kann – unabhängig davon, ob man eine Kognitionsbeschränkung durch die Zuständigkeitsvorschriften annimmt – immer dann zurückbehaltungsweise eingewendet werden, wenn nach den Normen, die ihre klageweise Geltendmachung regeln, eine Zuständigkeit bestünde.52 Auch die Anschlussfrage, nämlich wann die widerklageweise Geltendmachung einer Gegenforderung durch Art.  8 Nr.  3 EuGVVO oder den autonomen Widerklagegerichtsstand erfasst wird, ist umstritten. Insbesondere wird diskutiert, ob für die Anwendbarkeit des Art.  8 Nr.  3 EuGVVO bereits die Klage nach der EuGVVO erhoben sein muss53 oder ob es ausreicht, wenn der Widerbeklagte seinen Sitz in einem Mitgliedstaat hat, auch wenn sich die internationale ­Zuständigkeit für die Hauptklage aus den autonomen Zuständigkeitsregeln ergibt54. Auch für den umgekehrten Fall gehen die Meinungen auseinander, näm49  Anders Piekenbrock, RIW 2000, 751 (752), der meint, eine solche Verweisung enthalte das deutsche Recht „offenkundig“ nicht. 50  Zur Begründung siehe oben §  4. 51  Siehe die Nachweise in Fn.  175. 52  So zutreffend Stein/Jonas-Althammer, §  145 Rz.  4 4; Gruber, IPRax 2002, 285 (288); Schack, IZVR, Rz.  401. 53  Dafür Kropholler, in: Hdb. IZVR, Bd. I, Kap.  I II Rz.  728. 54  Eickhoff, Aufrechnung, S.  101; Musielak/Voit-Stadler Art.  8 EuGVVO n. F. Rz.  7; Schlosser, FamRZ 1973, 424 (430).

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lich ob Art.  8 Nr.  3 EuGVVO über seinen Wortlaut hinaus analog eingreift, wenn die Klage nach der EuGVVO erhoben wurde und der Widerbeklagte (also der ursprüngliche Kläger) seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat.55 Letztlich erscheint es wenig interessengerecht, die Voraussetzungen der Widerklage von der Anwendbarkeit der EuGVVO auf die Hauptsacheklage abhängig zu machen. Denn die Widerklage ist eine selbständige Klage mit eigenem Streitgegenstand, die erhoben wird, damit über sie prozessökonomisch im Prozess der Klage mitentschieden werden kann.56 Maßgeblich sollte daher nur der sachliche und persönliche Anwendungsbereich der EuGVVO im Bezug auf die Widerklage sein. 2. Kein Gleichlauf materiellrechtlicher und prozessualer Konnexität Sowohl das allgemeine Zurückbehaltungsrecht nach dem deutschen §  273 BGB als auch das niederländische opschortingsrecht nach Art.  6:52 BW setzen die Konnexität von Haupt- und Gegenforderung voraus. Insoweit könnte man meinen, dass bei Vorliegen eines Zurückbehaltungsrechts zumindest im deutschen und niederländischen Recht in den allermeisten Fällen ein Widerklagegerichtsstand für die Gegenforderung eröffnet sein wird und sich das Problem eines Zuständigkeitserfordernisses allenfalls selten stellt. Dies mag zutreffen, soweit die Gegenforderung dem autonomen IZVR unterfällt, da das Erfordernis des Zusammenhangs jedenfalls im deutschen Recht in §  33 ZPO sogar häufig in Anlehnung an die materiellrechtliche Konnexität des §  273 BGB definiert wird.57 Ein prozessualer Zusammenhang soll danach bereits dann vorliegen, wenn die Ansprüche einem einheitlichen, innerlich zusammenhängenden Lebens­verhältnis entstammen,58 wobei schon laufende Geschäftsbeziehungen ausreichen.59 Auch das opschortingsrecht verlangt nach Art.  6:52 Abs.  2 BW lediglich, dass sich die Forderungen aus „Geschäften ergeben, die die Parteien regelmäßig miteinander getätigt haben.“60 Das Bestehen eines Zuständigkeitserfordernisses wird bei Zurückbehaltungsrechten im autonomen deutschen Dafür Geimer, NJW 1986, 2291 (2993); MüKoZPO-Gottwald, Art.  6 EuGVVO, Rz.  22. A. A. Eickhoff, Aufrechnung, S.  100; Stein/Jonas-Roth, §  33 Rz.  57. 56  MüKoZPO-Patzina, §  33 Rz.  8 m. w. N. 57  Zöller-Vollkommer, §  33 Rz.  15; Stein/Jonas-Roth, §  33 Rz.  28; Musielak/Voit-Heinrich, §  33 Rz.  2; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  96 Rz.  18; Thomas/Putzo-Hüßtege, §  33 Rz.  4 f.; Busse, MDR 2001, 729 (730); MüKoZPO-Patzina, §  33 Rz.  21 fasst den Zusammenhang i. S. d. §  33 ZPO sogar insgesamt als materiellrechtliche Frage auf. 58  Zöller-Vollkommer, §  33 Rz.  15. 59  Siehe nur BGH, Urt. v. 7.11.2001, NJW 2002, 2182 (2184); Zöller-Vollkommer, §  33 Rz.  15; Busse, MDR 2001, 729 (730). 60  Art.  6:52 Abs.  2 BW: „[…] of uit zaken die partijen regelmatig met elkaar hebben gedaan“. 55 

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§  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses

IZVR also relevant, soweit die isolierte Geltendmachung der Gegenforderung einem ausschließlichen Gerichtsstand vorbehalten und die Widerklage nach §§  33 Abs.  2, 40 Abs.  2 ZPO unzulässig ist. Anders ist die Situation jedoch im Anwendungsbereich der EuGVVO. Nach dem autonom auszulegenden Wortlaut von Art.  8 Nr.  3 EuGVVO muss die Gegenforderung nicht nur einen Zusammenhang mit der Klageforderung aufweisen, sondern sie muss auch „auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst“61 gestützt werden. Dementsprechend fasst die ganz überwiegende Auffassung die Konnexität nach Art.  8 Nr.  3 EuGVVO deutlich enger als diejenige nach §  33 ZPO,62 auch wenn die Anforderungen an den Zusammenhang im Einzelnen umstritten sind.63 Der Jenard-Bericht konkretisiert den Sachzusammenhang zwischen den Forderungen darauf, dass diese ihren Ursprung in dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis oder in dem die Klage begründenden Sachverhalt haben müssen.64 Verklagt beispielsweise ein italienischer Lieferant den in Deutschland ansässigen Beklagten in Deutschland auf Kaufpreiszahlung und hat der Beklagte seinerseits einen Schadensersatzanspruch gegen den Kläger wegen einer früheren mangelhaften ­Möbellieferung, so kann der Beklagte materiellrechtlich ein Zurückbehaltungsrecht nach §  273 BGB einwenden, da beide Ansprüche einer laufenden Geschäftsbeziehung über Möbellieferungen entstammen. Nach deutschem IZVR wäre auch die Widerklage nach §  33 ZPO zulässig. Im Anwendungsbereich von Art.  8 Nr.  3 EuGVVO reichen laufende Geschäftsbeziehungen jedoch nach der ganz h. M. nicht aus. Notwendig ist vielmehr, dass beide Ansprüche aus dem­selben Vertragsverhältnis, beispielsweise einem Rahmen- oder Sukzessivlieferungsvertrag, folgen.65 61  Die englische Version nennt ebenfalls „the same contract or facts on which the original claim was based“, die französische „contrat ou […] fait sur lequel est fondée la demande originaire“ als Kriterien für die Konnexität (so auch bereits Art.  6 Nr.  3 EuGVVO a. F.). 62  MüKoZPO-Gottwald, Art.  6 EuGVVO Rz.  23; Gaudemet-Tallon, Conventions, S.  163; Kropholler/v. Hein, Art.  6 EuGVVO Rz.  38; Thomas/Putzo-Hüßtege, Art.  6 EuGVVO Rz.  5; Rauscher-Leible, Art.  6 EuGVVO Rz.  27; Dauses-Kreuzer/Wagner, EU-WirtschaftsR, Kap.  Q, Rz.  491 (zum Vergleich mit Art.  28 Abs.  3 EuGVVO a. F.); Wagner, IPRax 1999, 65 (71); Rauscher, IPR, Rz.  1814. A. A. M. Stürner, IPRax 2007, 21 (23); Busse, MDR 2001, 729 (730); kritisch auch Hess, EuZPR, §  6 Rz.  91 Fn.  448; Geimer/Schütze-Geimer, Art.  6 E ­ uGVVO Rz.  57; offengelassen von BGH, Urt. v. 7.11.2001, NJW 2002, 2182 (2184). 63  Zum Streitstand vgl. Hess, EuZPR, §  6 Rz.  91 m. w. N. 64  Jenard-Bericht, S.  28. 65  AG Trier, Urt. v. 11.3.2005, IPRax 2007, 41 (42); LG Mainz, Urt. v. 8.11.1983, IPRax 1984, 100 f. (Zusammenfassung); LG Köln, Urt. v. 9.10.1996, RIW 1997, 956; Mankowski, EWiR 1997, 511 (512); Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung, §  2 Rz.  124; Otte, Streit­ entscheidung, S.  644 f.; Musielak/Voit-Heinrich, §  33 Rz.  30; MüKoZPO-Gottwald, Art.  6 EuGVVO Rz.  23; Gruber, IPRax 2002, 285 (289); M. Stürner, IPRax 2007, 21 (23) sowie die in Fn.  62 Genannten.

I. Eröffnung des Widerklagegerichtsstands

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Diese gegenüber §  33 ZPO wesentlich engere Auslegung führt dazu, dass in vielen Fallkonstellationen, in denen materiellrechtlich ein Zurückbehaltungsrecht nach §  273 BGB besteht, der Widerklagegerichtsstand des Art.  8 Nr.  3 EuGVVO nicht eröffnet ist. Folgt man also der herrschenden Auffassung in L ­ iteratur und Rechtsprechung, so darf man nicht bereits aus der materiellrechtlichen Konnexität zweier Ansprüche i. S. von §  273 BGB auf die internationale Zuständigkeit inländischer Gerichte nach Art.  8 Nr.  3 EuGVVO für die Gegenforderung schließen. Ist keine anderweitige Zuständigkeitsnorm einschlägig (im Beispielsfall käme Art.  7 Nr.  1 lit.  b EuGVVO in Betracht, wenn der Erfüllungsort für die Gegenforderung in Deutschland liegt), kommt es entscheidend auf die Kognitionsbefugnis des Gerichts über zuständigkeitsfremde Gegenforderungen an. Jenseits dessen ist die Kognitionsbefugnis ohnehin immer dann fraglich, wenn für die Gegenforderung ein ausschließlicher Gerichtsstand greift und sowohl Art.  8 Nr.  3 EuGVVO als auch §  33 ZPO unanwendbar sind.66 Relevant wird die Zuständigkeitsfrage freilich auch dann, wenn das Zurückbehaltungsrecht materiellrechtlich gar keine Konnexität erfordert, so z. B. beim handelsrechtlichen Zurückbehaltungsrecht des deutschen Rechts nach §  369 Abs.  1 HGB, beim österreichischen unternehmensrechtlichen Zurückbehaltungsrecht nach §  369 UGB, beim schweizerischen Retentionsrecht unter Kaufleuten nach Art.  895 Abs.  1, 2 ZGB sowie beim chinesischen Retentionsrecht des Unternehmers nach §§  230, 231 des chinesischen Sachenrechtsgesetzes. Verklagt beispielsweise der Kläger aus der Schweiz den Beklagten nach Art.  4 Abs.  1 EuGVVO in Deutschland auf Rückgabe einer im Rahmen eines Handelsgeschäfts verkauften Maschine, so kann der Beklagte die Maschine – je nach anwendbarem Recht – entweder nach Art.  895 Abs.  1, 2 ZGB oder nach dem deutschen §  369 Abs.  1 HGB zurückhalten, wenn ihm z.B. eine fällige Mietzins­ forderung gegen den Kläger zusteht, selbst wenn diese mit dem Kaufvertrag keinerlei Verbindung aufweist. Unterstellt man, dass der Erfüllungsort für die Mietzahlung beim Kläger liegt, so ist insoweit nur der allgemeine Gerichtsstand des Klägers in der Schweiz gegeben. Die Möglichkeit zur Zurückbehaltung der Maschine hängt dann ebenfalls von der Kognitionsbefugnis der vom Kläger angerufenen deutschen Gerichte ab. Es verbleibt also sowohl bei den allgemeinen, als auch bei den kaufmännischen Zurückbehaltungsrechten eine Vielzahl von Fällen, in denen zwar materiellrechtlich ein Zurückbehaltungsrecht besteht, für die Gegenforderung am angerufenen Gericht jedoch kein Gerichtsstand eröffnet wäre.

66 

Eickhoff, Aufrechnung, S.  149; Geimer/Schütze-Geimer, Art.  6 EuGVVO Rz.  69.

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§  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses

II. Rügelose Einlassung des Klägers auf das Zurückbehaltungsrecht Keine Probleme bereitet die Zuständigkeitsfrage, wenn sich der Kläger auf ein vom Beklagten geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht materiell einlässt, ohne die internationale Zuständigkeit des Gerichts zu rügen. Wie bereits zur Aufrechnung ausgeführt, befürwortet der EuGH67 eine analoge Anwendung von Art.  26 S.  1 EuGVVO (vormals Art.  18 S.  1 EuGVÜ), wenn sich der Kläger auf eine zur Aufrechnung gestellte inkonnexe Gegenforderung rügelos einlässt. Dies muss erst recht für das für den Kläger weniger einschneidende Verteidigungsmittel des Zurückbehaltungsrechts gelten. Der Kläger steht auch hier gegenüber der Gegenforderung nicht anders als ein Beklagter, der vor dem vom Kläger angerufenen Gericht zur Sache verhandelt.68 Die Frage nach einem Zuständigkeitshindernis bleibt aber relevant, soweit eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art.  24 EuGVVO für die Gegenforderung gegeben ist, die sich nach Art.  26 S.  2 Var.  2 EuGVVO nicht durch eine rügelose Einlassung verdrängen lässt.

III. Rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen Es ist allgemein anerkannt, dass mit einer Gegenforderung immer dann aufgerechnet werden kann, wenn sie in einem Vorprozess vom zuständigen Gericht rechtskräftig festgestellt worden ist.69 Grundsätzlich ist auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts mit einer rechtskräftig festgestellten Forderung immer zulässig. Denn tritt die Hauptfrage des rechtskräftig abgeschlossenen Erstprozesses im Zweitprozess als Vorfrage auf, so ist das Zweitgericht bei der Beurteilung dieser Vorfrage durch die Rechtskraft der Entscheidung des Erstgerichts gebunden70 (sog. Präjudizialität71). Wenn das angerufene Gericht die rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung in einem Erstprozess hinzunehmen hat, ist eine zuständigkeitsrechtliche Abwägung der Verfahrensinteressen zur Verhandlung über die Vorfrage entbehrlich. Der Ausspruch eines Zug um Zug-Vorbehalts ist dem Kläger dann unproblematisch zumutbar. 67  EuGH, Urt. v. 7.3.1985, Rs.  84/84, Slg. 1985, 794 – Spitzley; vgl. hierzu näher oben §  3 I. 1; so auch Gottwald, IPRax 1986, 10 (13); allgemein Geimer, in: Geimer/Schütze, Urteils­ anerkennung Bd. I/1, §  97 VI. (S.  950). 68  EuGH, Urt. v. 7.3.1985, Rs.  84/84, Slg. 1985, 794 (798), Rz.  19 – Spitzley; ihm folgend BGH, Urt. v. 4.2.1993, NJW 1993, 1399. 69  Für die Aufrechnung vgl. Kannengießer, Aufrechnung, S.  157 f.; Rüßmann, FS Ishikawa, S.  455 (467); Wagner, IPRax 1999, 65 (72) sowie die Nachweise im ersten Teil in Fn.  235. 70  BGH, Urt. v. 16.1.2008, NJW 2008, 1227 (1229); BGH, Urt. v. 26.6.2003, NJW 2003, 3058 (3059); Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  194 ff. 71  Schack, IZVR, Rz.  1007; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  151 Rz.  15.

III. Rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen

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Das Zweitgericht muss nur noch die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts klären, namentlich die Konnexität und das Fehlen von Ausschlussgründen. Hierzu ist es unproblematisch berufen, da dieser Prüfung jeglicher Bezug zur Gegenforderung selbst und damit zu den Gesichtspunkten einer anderweitigen internationalen Zuständigkeit fehlt. Für rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen ist zwischen der rechtskräftigen Feststellung durch ausländische und derjenigen durch inländische Gerichte zu unterscheiden. Sofern ein ausländisches Gericht das Bestehen der Gegenforderung rechtskräftig festgestellt hat, kommt es im Anwendungsbereich der EuGVVO darauf an, ob die materielle Rechtskraft dieser Entscheidung nach Art.  36 ff. EuGVVO bzw. den anwendbaren Anerkennungsvorschriften völkerrechtlicher Verträge oder des autonomen deutschen Rechts (vgl. §  328 ZPO, §§  108 f. FamFG) anzuerkennen ist.72 Für die Anerkennung nach autonomem deutschen Recht hat Schröder erwogen, bei der Prüfung einer einredeweise geltend gemachten Gegenforderung auf die Verbürgung der Gegenseitigkeit nach §  328 Abs.  1 Nr.  5 ZPO zu verzichten.73 Begründet hat er diese Einschränkung der Norm nicht. Sie lässt sich wohl nur vor dem Hintergrund der allgemein heftigen Kritik74 an der Sinnhaftigkeit des Gegenseitigkeitserfordernisses und der Forderung seiner Abschaffung de lege ferenda verstehen. Nach dieser Kritik werde zu Lasten der Verfahrensbeteiligten versucht, ausländische Staaten zu einer großzügigeren Anerkennungspraxis zu bewegen.75 Die Rechtsprechung hat die Problematik insgesamt durch einen großzügigen Maßstab bei der Beurteilung der Gegenseitigkeit entschärft. Es genügt, dass für die Anerkennung im Urteilsstaat „im wesentlichen gleichwertige Bedingungen“76 gelten wie im Anerkennungsstaat. Jenseits dieser weiten Auslegung hat der Gesetzgeber jedoch in Kenntnis der allgemeinen Kritik keinen Anlass gesehen, bei der Neufassung des §  328 ZPO durch das IPR-Reformgesetz von 198677 auf das politische Erfordernis der Gegenseitigkeit zu verzichten. Es findet sich auch im relativ neuen §  109 Abs.  4 FamFG – wenn auch auf bestimmte Fälle beschränkt – wieder. Man wird das Kriterium daher innerhalb seiner engen 72  Vgl. zur Anerkennung nach den verschiedenen Regelungsregimen Schack, IZVR, Rz.  887 ff. 73  Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  598 Fn.  2760 (am Beispiel der Aufrechnung). 74  Vgl. nur Stellungnahme des MPI, RabelsZ 47 (1983), 595 (676 ff.); Schack, IZVR, Rz.  964 ff. m. w. N.; Puttfarken, RIW 1976, 149 (150), hält die Vorschrift für willkürlich und damit wegen Verstoßes gegen Art.  3 Abs.  1 GG für verfassungswidrig. 75  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  175. 76  BGH, Urt. v. 30.9.1964, BGHZ 42, 194 (197) = IPRspr 1964/65 Nr.  259, S.  731 (732); vgl. hierzu v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  176. 77  Vgl. hierzu MüKoZPO-Gottwald, §  328 Rz.  129.

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§  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses

Grenzen auch bei der Anerkennung präjudizieller Entscheidungen nicht ignorieren dürfen. Es findet somit auch hinsichtlich der Anerkennung der Rechtskraft eines Ersturteils über eine Gegenforderung Anwendung, die im Zweit­ prozess als Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird. Sofern dagegen ein deutsches Gericht bereits rechtskräftig über den Bestand der Gegenforderung entschieden hat, ist ein Zurückbehaltungsrecht ohne weitere Prüfung zulässig. Dies gilt selbst dann, wenn es für die rechtskräftige Entscheidung eigentlich an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte fehlte. Auch ein solches Fehlurteil hat präjudizielle Wirkung für ein im Zweitprozess eingewendetes Zurückbehaltungsrecht. Nach allgemeiner Ansicht wird der Mangel der internationalen Zuständigkeit durch den Eintritt der Rechtskraft geheilt.78 Denn wird ein solches Urteil im Zweitprozess im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts berücksichtigt, so entsteht dem Kläger des Zweitprozesses hierdurch kein zusätzlicher Nachteil. Da seine Verteidigung gegen die Gegenforderung im Erstprozess erfolglos war, muss er sie ohnehin erfüllen bzw. mit ihrer Vollstreckung rechnen. Erst recht muss er dann das „mildere“ Ergebnis hinnehmen, dass seinem eigenen Klagebegehren nur unter dem Vorbehalt der (Zug um Zug‑)Erfüllung der im Erstprozess festgestellten Gegenforderung stattgegeben wird.

IV. Unstreitige Forderungen 1. Unstreitige Gegenforderung In Aufrechnungskonstellationen soll die Kognitionsbefugnis über die Gegenforderung jedenfalls gegeben sein, soweit der Kläger deren Bestehen nicht bestreitet.79 Dies wird damit begründet, die zuständigkeitsrechtliche Lokalisierung der Verfahrensinteressen sei entbehrlich, soweit sich für die Gegenforderung keine erheblichen Streitfragen stellen. Dieser allgemein anerkannte Grundsatz ist zunächst alles andere als selbstverständlich.80 Denn zuständigkeitsrechtliche Erwägungen hängen grundsätzlich nicht davon ab, ob Ansprüche bestritten oder unbestritten sind. So muss sich ein Gericht auch dann für unzuständig erklären, wenn ein Beklagter die Kropholler, in: Hdb. IZVR, Bd. I, Kap.  III Rz.  245; Geimer, IPRax 1994, 82 (84); ders., IZVR, Rz.  1010 m. w. N.; MüKoZPO-Patzina, §  12 Rz.  72. 79  Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  597 f.; Eickhoff, Aufrechnung, S.  167; Kannengießer, Aufrechnung, S.  158 f.; Geimer, IPRax 1994, 82 (84); Leipold, ZZP 1994, 216 (222); Wieczorek/­ Schütze-Hausmann, 3.  Aufl., Art.  6 EuGVÜ Anh. §  40 Rz.  41; Wagner, IPRax 1999, 65 (72); Mankowski, ZZP 109 (1996), 376 (386). 80  Anders Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  597; wie hier Geimer/Schütze-Geimer, Art.  6 EuGVVO Rz.  82. 78 

IV. Unstreitige Forderungen

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internationale Unzuständigkeit der angerufenen Gerichte rügt, obwohl er die Klageforderung vorprozessual anerkannt hat. Eine solche Rüge wird auch grundsätzlich nicht als treuwidrig angesehen.81 Denkt man diesen Grundsatz weiter, müsste auch ein Kläger, der sich mit einer Aufrechnung oder einem Zurückbehaltungsrecht konfrontiert sieht, die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung – so man sie voraussetzt – mit Verweis auf eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit unabhängig davon rügen dürfen, ob die Gegenforderung streitig ist oder nicht. Bei unbestrittenen Gegenforderungen wird d­ iese Regel für die Aufrechnung jedoch aus prozessökonomischen Gründen modifiziert.82 Man will den Beklagten nicht dazu zwingen, einen für beide Seiten kostspieligen Prozess oder eine Vollstreckung im Ausland anzustrengen, wenn sich der Anspruch im Inland unproblematisch aufrechnen lässt, da er unstreitig ist.83 Geht man davon aus, dass Zurückbehaltungsrechte nicht zu einer Tilgung der Hauptforderung führen können, fallen die Interessen des Klägers gegenüber den prozessökonomischen Interessen des Beklagten hier noch weniger ins Gewicht. Bestreitet der Kläger die Gegenforderung ohnehin nicht, so kann er das Zurückbehaltungsrecht unproblematisch aushebeln, indem er den Anspruch erfüllt oder den Beklagten in Annahmeverzug setzt. Tut er dies nicht, ist kein Grund ersichtlich, dem Beklagten das Zurückbehaltungsrecht mit seiner unstreitigen Forderung abzuschneiden, die das Gericht sachlich ohnehin nicht mehr nachprüfen muss. Ein Zurückbehaltungsrecht ist daher aus prozessökonomischen Gründen ebenso wie eine Aufrechnung immer dann zulässig, wenn die Gegenforderung unstreitig ist. 2. Unstreitige Hauptforderung Schröder will den Rechtssatz der Aufrechenbarkeit unstreitiger Gegenforderungen für unstreitige Hauptforderungen umkehren: Erkennt also der Beklagte die Hauptforderung an und verteidigt sich ausschließlich mit einer Aufrechnung, so soll laut Schröder die unstreitige Hauptforderung in den Gerichtsstand der aufrechnungsweise verfolgten Gegenforderung „überwechseln“.84 Der Gläubiger der unstreitigen Hauptforderung müsse zur Not beim für die Gegenforderung zuständigen Gericht auf negative Feststellung klagen. Hinter dieser These steht

81  OLG Frankfurt, Urt. v. 6.11.1979, IPRspr 1979 Nr.  171, S.  579 (580 f.); Geimer, IZPR, Rz.  1109. 82  Geimer/Schütze-Geimer, Art.  6 EuGVVO Rz.  82. 83  Eickhoff, Aufrechnung, S.  176 f.; Geimer, IPRax 1994, 82 (84). 84  Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  601.

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§  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses

die Überlegung, dass stets diejenigen Belange zuständigkeitseröffnend seien, die bei Würdigung der umstrittenen Forderung berücksichtigt werden müssen.85 Diese These überzeugt jedoch weder für die Aufrechnung noch für Zurückbehaltungsrechte. Im Ausgangspunkt knüpfen die Gerichtsstände des EuGVÜ und der heutigen EuGVVO nur an das Klagevorbringen und nicht an etwaige Verteidigungsmittel des Beklagten an.86 Das versteht sich von selbst, da der Kläger das Ob, Wann und Wie des Klageangriffs bestimmt und vor Prozess­ beginn die Einwendung bestimmter Verteidigungsmittel häufig noch nicht ab­ sehen kann. Für ihn wäre sonst nicht vorhersehbar, welche Gerichte für seine Klage international zuständig sind.87 Die These Schröders ist daher jedenfalls dann nicht sinnvoll umsetzbar, wenn der Beklagte die Aufrechnung erst nach Prozessbeginn erklärt. Darüber hinaus wird die Frage nur virulent, wenn die Klageforderung unstreitig ist und auch kein Gerichtsstand für die Gegenforderung am Klagegerichtsstand besteht. Der Ansatz Schröders betont vor allem das Kriterium der Sachnähe zwischen der internationalen Zuständigkeit und dem streitigen Sachverhalt. Dieses Kriterium ist für die Bestimmung internationaler Zuständigkeiten grundsätzlich sinnvoll, da den Gerichten in dem Staat, in dem sich der streitige Sachverhalt zugetragen hat, regelmäßig die Beweismittel zur Klärung der Tatfragen leichter zugänglich sind.88 Stehen sich zwei Forderungen gegenüber, von denen nur die Gegenforderung streitig ist, so kommt der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs nur hinsichtlich der Gegenforderung zum Tragen. Das Prozessverhältnis ist allein durch die streitige Gegenforderung geprägt. Für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit darf man jedoch nicht bei Überlegungen zur Sachnähe stehen bleiben. Die These Schröders vernachlässigt, dass der Gedanke der Sachnähe zwar ein, jedoch nicht der einzige Grund für eine bestimmte internationale Zuständigkeit ist. Zudem erscheint es wenig sachgerecht, dem Gläubiger einen Gerichtsstand allein aufgrund der Tatsache zu entziehen, dass die Hauptforderung unstreitig ist. Gerade bei unstreitigen Forderungen gewinnt für den Kläger das Interesse an einem vollstreckungsnahen Gerichtsstand89 an Bedeutung. Er kann am allgemeinen Beklagtengerichtsstand den dort ergangenen Titel über seine Hauptforderung unproblematisch vollstrecken, ohne dass es eines (möglicherweise aufwendigen und zeitintensiven) Anerkennungsverfahrens bedarf. Auch sonst können rein praktische Erwägungen aus Sicht des Klägers für eine Klage am Heimatgerichtsstand des BeSchröder, Int. Zuständigkeit, S.  601. Vgl. hierzu bereits oben §  4 I. 87  Zur Vorhersehbarkeit vgl. Erwägungsgrund 15 EuGVVO sowie Schack, IZVR, Rz.  233. 88  Jenard-Bericht, S.  35; Schack, IZVR, Rz.  231; Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  169. 89  Zur Vollstreckungsnähe vgl. Schack, IZVR, Rz.  234, 243. 85 

86 

IV. Unstreitige Forderungen

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klagten sprechen, sei es, dass er noch andere Prozesse an diesem Gerichtsstand führt, sei es, dass die Forderung vorprozessual streitig ist und die maßgeblichen Zeugen in diesem Staat ihren Wohnsitz haben. Sein Vertrauen in das Bestehen dieses Gerichtsstands ist durch die Anordnung des Art.  4 Abs.  1 EuGVVO geschützt. Zudem käme man in Fällen, in denen neben dem allgemeinen Gerichtsstand noch weitere besondere Gerichtsstände zugunsten des Klägers bestehen, mit der These Schröders zu dem paradoxen Ergebnis, dass der Kläger, der eine unstreitige Forderung geltend macht, prozessual schlechter stünde als derjenige, der eine bestrittene Forderung einklagt. Denn der Beklagte könnte ihn in den Gerichtsstand seiner streitigen Gegenforderung zwingen, wenn er die Hauptforderung dem Grunde nach anerkennt und sich nur noch mit seinem Zurückbehaltungsrecht verteidigt. Der Kläger wäre dann – denkt man die These Schröders konsequent weiter – unter an sich mehreren möglichen Wahlgerichtsständen auf den sachnächsten Gerichtsstand der Gegenforderung beschränkt. Eine solche Beschränkung sieht jedoch weder das autonome, noch das europäische Zivil­ verfahrensrecht vor. Umgekehrt kann die These zu einer Benachteiligung des Beklagten führen, der darauf vertraut, sich gemäß dem Grundsatz actor sequitur forum rei90 nur an seinem Heimatgerichtsstand gegen die Hauptforderung verteidigen zu müssen. Nach diesem Grundsatz, der in Art.  4 Abs.  1 der EuGVVO (Art.  2 Abs.  1 EuGVVO a. F.) zum Ausdruck kommt,91 ist eine Klage grundsätzlich am Wohnort des Beklagten zu erheben. Nach Schröder würde sich der Beklagte jedoch dieses Vorteils begeben, wenn er die Hauptforderung anerkennt und sich (nur) mit einer streitigen Gegenforderung verteidigt. Denn der Beklagte liefe Gefahr, aufgrund eines Anerkenntnisses der Hauptforderung am Gerichtsstand der streitigen Gegenforderung gerichtspflichtig zu werden, der häufig am Wohnort oder Sitz des Klägers – also im Ausland – liegt. Zutreffend ist dagegen die Feststellung Schröders, dass der Kläger notfalls am Gerichtsstand der Gegenforderung auf negative Feststellung klagen können muss. Dies gilt allerdings völlig unabhängig davon, ob die Hauptforderung unstreitig ist. Der Gerichtsstand für eine negative Feststellungsklage liegt dort, wo die korrespondierende Leistungsklage zu erheben wäre.92 International zuständig wären also die Gerichte am Gerichtsstand für die Gegenforderung. Die ne90 

Dazu bereits oben Fn.  219. EuGH, Urt. v. 13.7.2000, Rs. C‑412/98, Slg. 2000, I-5940 (5952) Rz.  35 – Group Josi; EuGH, Urt. v. 17.6.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3990 (3994), Rz.  14 – Handte; Jenard-­ Bericht, S.  18; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  217; Musielak/Voit-Stadler, Art.  4 EuGVVO n. F. Rz.  1. 92  Vgl. nur Zöller-Greger, §  256 Rz.  20; Stein/Jonas-Roth, §  256 Rz.  73 m. w. N. 91 

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§  5 Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses

gative Feststellungsklage ist allerdings nur zulässig, wenn ein besonderes Feststellungsinteresse besteht, z. B. wenn der Kläger aufgerechnet hat und sich der Beklagte weiterhin seiner (durchsetzbaren) Gegenforderung berühmt (weil er z. B. die Aufrechnung oder das Zurückbehaltungsrecht für unzulässig hält). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Unstreitigkeit der Hauptforderung bei Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten keine Auswirkungen auf den Gerichtsstand hat. Bei Zurückbehaltungsrechten ist die Maßgeblichkeit der Gegenforderung für den Gerichtsstand noch weniger naheliegend, weil die Gegenforderung hier nicht zum Erlöschen gebracht, sondern nur als Vorbehalt tituliert wird. Der Streit um die Gegenforderung allein vermag daher auch hier keinen Gerichtsstand für die Klage zu vermitteln. Im Ergebnis lässt sich für unstreitige Forderungen festhalten: Die Unstreitigkeit der Gegenforderung führt dazu, dass die internationale Zuständigkeit für sie nicht erforderlich ist. Aus der Unstreitigkeit der Hauptforderung folgt jedoch keine Zuständigkeit für die Klage am Gerichtsstand der Gegenforderung.

V. Entschärfung des Problems durch §  23 ZPO? Piekenbrock93 und Patzina94 wollen bei der Aufrechnung sämtliche Zuständigkeitsprobleme durch eine entsprechende Anwendung von §  23 ZPO vermeiden. Dieser sei in sämtlichen Fällen einer Aufrechnung einschlägig. Träfe dies auch für Zurückbehaltungsrechte zu, würde die Relevanz eines Zuständigkeitserfordernisses deutlich eingeschränkt. §  23 S.  1 ZPO greift im Falle einer Aufrechnung ein, wenn der Schuldner der Gegenforderung (also der Kläger) im Inland keinen Wohnsitz, aber vermögenswerte Gegenstände hat. Als Vermögen des Klägers käme dessen Hauptforderung gegen den Beklagten in Betracht, da diese – anders als bei der Auf­rechnung – auch nicht durch Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts erlischt.95 Diese gilt nach §  23 S.  2 ZPO als am Wohnsitz des Schuldners (also des Beklagten) belegen, so dass der Beklagte an seinem eigenen Wohnsitz seine Gegenforderung einklagen könnte.96 Die besseren Argumente sprechen dennoch gegen eine Anwendbarkeit des exorbitanten Vermögensgerichtsstands auf die verteidigungsweise Geltendmachung von Gegenforderungen. Geht man mit der hier vertretenen Auffassung Piekenbrock, RIW 2000, 751. MüKoZPO-Patzina, §  23 Rz.  24. 95  Kritisch zur Aufrechnung Zöller-Vollkommer, §  23 Rz.  8; vgl. dazu auch Kannengießer, Aufrechnung, S.  190; Wieczorek/Schütze-Smid/Hartmann, §  23 Rz.  30 m. w. N. 96  Missverständlich insoweit Kannengießer, Aufrechnung, S.  190, der den Wohnsitz des Aufrechnungsgegners (also des Klägers) bei §  23 S.  2 ZPO für maßgeblich zu halten scheint. 93 

94 

V. Entschärfung des Problems durch §  23 ZPO?

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davon aus, dass die Frage nach einem Zuständigkeitshindernis für Zurückbehaltungsrechte vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung umfasst ist,97 so verbietet sich der Rückgriff auf §  23 S.  1 ZPO ohnehin. Für Gegenforderungen, deren klageweise Geltendmachung ebenfalls der EuGVVO unterfielen, folgt dies aus Art.  5 Abs.  2 i.V. mit Art.  76 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO.98 Danach kann eine Zuständigkeit gegenüber Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat nicht auf exorbitante Gerichtsstände, insbesondere §  23 ZPO, gestützt werden. Stellte die EuGVVO selbst ein Zuständigkeitshindernis auf, so müsste die Missbilligung gegenüber einer Inländerbevorzugung durch exorbitante Gerichtsstände99 gegenüber Klagen und Verteidigungsmitteln gleichermaßen gelten. Geht man mit der Gegenauffassung von der Anwendbarkeit des nationalen Rechts auf die Kognitionsbefugnis von Verteidigungsmitteln aus100, so ist aus Gründen des Gleichlaufs der Zuständigkeit für die Klage auf die Gegenforderung und der Kognitionsbefugnis für Verteidigungsmittel101 §  23 ZPO ebenfalls grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere, wenn (nur) die klageweise Geltendmachung der Gegenforderung dem Regelungsregime der EuGVVO unterfiele. Hält man §  23 ZPO dessen ungeachtet für anwendbar, erfasst die Norm dennoch nicht sämtliche Konstellationen, in denen Zurückbehaltungsrechte eingewendet werden können. Hat der Beklagte und Schuldner der Hauptforderung seinen Wohnsitz im Ausland, scheidet eine direkte Anwendung von §  23 S.  1 Alt.  1 ZPO aus. Für eine analoge Anwendung von §  23 S.  1 Alt.  1 ZPO102 fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. §  23 ZPO ist grundsätzlich als Ausnahmevorschrift konzipiert und soll nicht dazu dienen, andere Zuständigkeitsvorschriften zu unterlaufen.103 Zudem treffen Gerichtsstände, die Inländer bevorzugen, im Ausland naturgemäß auf wenig Gegenliebe und führen nicht ­selten dazu, dass der Vollstreckungsstaat den auf ihrer Grundlage erlassenen Urteilen die Anerkennung versagt.104 Ausgeschlossen ist die Anwendung von §  23 ZPO darüber hinaus im Anwendungsbereich ausschließlicher Gerichtsstände. Diese sind bei Zurückbehaltungsrechten häufiger einschlägig als bei der 97 

Siehe oben §  4 III. 3.; sowie die Nachweise in Fn.  176. Nach der Neufassung müssten die Mitgliedstaaten der Kommission nach Art.  5 Abs.  2 i.V. mit Art.  76 Abs.  1 lit.  a) EuGVVO die exorbitanten Gerichtsstände mitteilen, nach altem Recht ergab sich die Missbilligung aus Art.  3 Abs.  2 i.V. mit Anhang I Spstr. 2 EuGVVO a. F. 99  Zur Kritik an exorbitanten Gerichtsständen v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  45; BGH, Urt. v. 2.7.1991, BGHZ 115, 90 (95 ff.). 100  Vgl. die Nachweise im ersten Teil in Fn.  175. 101  Vgl. zu diesem Argument bereits zum anwendbaren Widerklagegerichtsstand §  5 I. 1.; anders jedoch Slonina, IPRax 2009, 399 (402). 102  Dafür Piekenbrock, RIW 2000, 751 (753 f.). 103  BGH, Urt. v. 2.7.1991, BGHZ 115, 90 (95 ff.); Kannengießer, Aufrechnung, S.  190. 104  Beispielhaft Rüßmann, FS Ishikawa, S.  455 (463) für die Anerkennung in Japan. 98 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

Aufrechnung, da – anders bei der Aufrechnung – nicht in erster Linie Geld­ forderungen im Vordergrund stehen,105 wobei auch bei Geldforderungen die Anwendbarkeit ausschließlicher Gerichtsstände (z. B. bei Mietzinsforderungen nach Art.  24 Nr.  2 EuGVVO bzw. §  29a ZPO) in Betracht kommt.106

VI. Ergebnis Die Kognitionsbefugnis eines Gerichts über Zurückbehaltungsrechte ist für die Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten und damit für seine Erfolgsaussichten im internationalen Prozess entscheidend. Dies gilt im Anwendungsbereich der EuGVVO insbesondere bei Forderungen, die in laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien gründen und somit in einem §  273 Abs.  1 BGB genügenden Zusammenhang stehen, jedoch nicht auf demselben (Rahmen‑) Vertragsverhältnis oder demselben Sachverhalt beruhen. In der Praxis kann sich der Beklagte auch in diesen Fällen ohne eine Klärung der Kognitionsbefugnis der Gerichtsfestigkeit seines Zurückbehaltungsrechts nicht sicher sein, da die Rechtsprechung an die Konnexität i. S. von Art.  8 Nr.  3 EuGVVO strenge Anforderungen stellt. Auch die Berufung auf den exorbitanten Gerichtsstand nach §  23 ZPO bleibt dem Beklagten im Anwendungsbereich der EuGVVO verwehrt. Das Druck- und Sicherungsmittel des Zurückbehaltungsrechts steht dem Beklagten daher nur dann unbestritten zur Seite, soweit seine Gegenforderung rechtskräftig festgestellt, anerkannt oder der Widerklagegerichtsstand für sie eröffnet ist. Eine grundlegende Untersuchung der Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte ist daher ebenso geboten wie bei der Aufrechnung.

§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen Im Zusammenhang mit der Aufrechnung nähert man sich dem Problem der Kognitionsbefugnis – wohl in Anlehnung an die Vorlagefrage des Vestre Landsret in Danværn107 – häufig durch Auslegung bzw. Rechtsfortbildung des Widerklagegerichtsstands.108 Es wird eingehend erörtert, ob die Aufrechnung eher zu den Angriffs- oder den Verteidigungsmitteln zählt.109 So für die Aufrechnung Piekenbrock, RIW 2000, 751 (754). Dies übersieht Piekenbrock, RIW 2000, 751 (754); vgl. die Nachweise in Fn.  25. 107  EuGH, Urt. v. 13.7.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I‑2071 (2075) – Danværn. 108  Kannengießer, Aufrechnung, S.  162 ff.; v. Falkenhausen, RIW 1982, 386 (387 f.); K ­ ropholler/v. Hein, Art.  6 EuGVVO Rz.  43 f.; Schack, IZVR, Rz.  404. 109  GA Léger, Schlussanträge v. 17.5.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2055 (2058 ff.) – Danværn; so auch Wagner, IPRax 1999, 65 (67 ff.). 105 

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I. Parteiinteressen

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Die Untersuchung der Normen des Widerklagegerichtsstands führt für die Klärung der Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte dagegen nicht weiter. Denn im Gegensatz zur Aufrechnung lassen sich Zurückbehaltungsrechte eindeutiger den Verteidigungsmitteln zuordnen. Da sie eine Gegenforderung nicht schon durch Geltendmachung durchzusetzen vermögen, sondern die vorbehaltlose Durchsetzung der Hauptforderung verhindern, ähneln sie einer Widerklage allenfalls insoweit, als auch hier eine Gegenforderung eingewendet wird. Mit der Bejahung des reinen Verteidigungscharakters ist die Frage eines Zuständigkeitserfordernisses freilich nicht geklärt. Die oben angeführten Argumente in Rechtsprechung und Literatur,110 die jenseits des Widerklagegerichtsstands diskutierten Argumente bei der Aufrechnung111 sowie die Beschränkung der Kognitionsbefugnis durch den EuGH für Verteidigungsmittel in Patentverletzungsprozessen112 zeigen, dass der Verteidigungscharakter allein nichts über das Bestehen der Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts aussagt. Eine Lösung lässt sich vielmehr nur über eine wertende Betrachtung der Parteiinteressen erzielen. Darüber hinaus hängt der Kompetenzbezug einer Vorfrage davon ab, ob eine Entscheidung über sie in Rechtskraft erwachsen kann und, so dies der Fall ist, ob ein Zusammenhang zwischen Kognitionsbefugnis und Rechtskraft besteht. Schließlich sind auch die in den ausschließlichen Zuständigkeiten der EuGVVO verkörperten Hoheitsinteressen sowie das Ordnungsinteresse an internationalem Entscheidungseinklang zu berücksichtigen.

I. Parteiinteressen Der Interessenkonflikt zwischen Kläger und Beklagtem ist offenkundig: Der Beklagte möchte sich in jeder Prozesssituation eines Zurückbehaltungsrechts bedienen können, das ihm das anwendbare materielle Recht gewährt, und zwar unabhängig davon, wo er verklagt wird. Dem Kläger wird hingegen daran gelegen sein, sich gegen Ansprüche nur vor dem Gericht verteidigen zu müssen, dem diese zur Entscheidung zugewiesen sind. Sein Interesse geht dahin, ein Zurückbehaltungsrecht, das den Streitstoff möglicherweise erheblich erweitert und die Erlangung eines vollstreckbaren Titels verkompliziert, nicht zum Gegenstand seines Aktivprozesses werden zu lassen.113 Selbstverständlich ist diese grundsätzliche Beschreibung der Parteiinteressen typisiert. Im Einzelfall können diese anders und sogar umgekehrt liegen. Um das Problem der Kognitions110 

Siehe oben §  3 II. Siehe oben §  4 II. 112  EuGH, Urt. v. 13.7.2006, Rs. C-4/03, Slg. 2006 I-6523 (6533 f.), Rz.  29 ff. – GAT/LuK; vgl. hierzu bereits oben §  4 II. 113  Vgl. für die Aufrechnung Kannengießer, Aufrechnung, S.  171. 111 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

befugnis aber allgemein erörtern zu können, ist eine typisierte Betrachtung der Interessen unerlässlich. Für die Berechtigung einer Kognitionsbeschränkung bei Zurückbehaltungsrechten kommt es vor allem auf die Gewichtung dieser typisierten Interessen zueinander an. 1. Einfluss der Grund- und Menschenrechte der Parteien Die Auflösung des Interessenkonflikts der Parteien wäre stark vorgezeichnet, wenn ihre Rechte auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit aus Art.  6 Abs.  1 EMRK, Art.  47 Abs.  2 EU-GRCharta sowie Art.  103 Abs.  1, 3 Abs.  1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip den Interessen des Klägers oder den­ jenigen des Beklagten einen abstrakten Vorrang einräumten. Die in Art.  6 Abs.  1 EMRK und Art.  47 Abs.  2 EU-GRCharta verkörperten Rechte auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit garantieren dem Beklagten die gleichen Möglichkeiten, die für ihn günstigen rechtlichen und tatsächlichen Aspekte vorzutragen, wie sie der Kläger wahrnehmen kann.114 Diese Rechtspositionen des Beklagten könnten betroffen sein, soweit sein materiellrechtlich begründetes Zurückbehaltungsrecht im Prozess nicht berücksichtigt, der Kläger dagegen mit sämtlichen Angriffsmitteln gehört wird.115 So hat auch Generalanwalt Capotorti im Zusammenhang mit der Aufrechnung in Meeth/Glacetal vor einer möglichen Missachtung des Verteidigungsrechts gewarnt, sollte der Einwand nicht zugelassen werden.116 Die Beschränkung der Kognitionsbefugnis bezüglich eines Zurückbehaltungsrechts begründet jedoch für sich genommen noch keine Missachtung dieser Rechte des Beklagten.117 Zum einen ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art.  6 Abs.  1 EMRK nicht absolut, sondern unterliegt Einschränkungen. Diese können sich aus gegenläufigen berechtigten zuständigkeitsrechtlichen Interessen – u. a. den Interessen des Klägers – ergeben.118 Zum anderen wird dem Beklagten das rechtliche Gehör bezüglich seiner Gegenforderung nicht grundsätzlich verwehrt. Er kann seinen Anspruch weiterhin klageweise vor den international zuständigen Gerichten verfolgen – gegebenenfalls unter Ausset114  EGMR, Urt. v. 22.2.1996, Reports 1996, II-359, Rz.  47 – Bulut/Österreich; Meyer-­ Ladewig, EMRK, Art.  6 Rz.  101, 112; Harris/O’Boyle/Warbrick, Convention on Human Rights, S.  251 ff.; IntKommEMRK-Kühne, Art.  6 Rz.  365, 372. 115  Vgl. zur Aufrechnung Kannengießer, Aufrechnung, S.  172; zurückhaltend hinsichtlich einer Verletzung von EMRK und EU-GRCharta auch Geimer, IPRax 1994, 82 (83). 116  GA Capotorti, Schlussanträge v. 12.10.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2144 (2147 f.), Rz.  4 – Meeth. 117  So bzgl. eines Aufrechnungsausschlusses auch Geimer, IPRax 1994, 82 (83); Kannengießer, Aufrechnung, S.  172. 118  Vgl. IntKommEMRK-Kühne, Art.  6 Rz.  370.

I. Parteiinteressen

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zung des gegen ihn geführten Hauptverfahrens bis zur Entscheidung des zuständigen Gerichts über die Gegenforderung.119 Auch der Grundsatz der Waffengleichheit verbietet nicht generell eine unterschiedliche Behandlung der Verfahrensbeteiligten.120 Hier hängt es ebenfalls von den abzuwägenden Interessen der Beteiligten ab, ob eine Zuständigkeitsschranke durch die Interessen des Klägers gerechtfertigt ist oder umgekehrt der Kläger unangemessen benachteiligt wird, wenn er sich gegen eine Forderung vor einem für die klageweise Geltendmachung unzuständigen Gericht verteidigen muss. Weder die EMRK noch die Grundrechtecharta räumen hinsichtlich der Kognitionsbefugnis über zuständigkeitsfremde Vorfragen den Interessen einer Partei einen abstrakten Vorrang ein. Darüber hinaus muss die Bestimmung der Kognitionsbefugnis die Garantien der nationalen Grundrechte beachten. Diese schützen das rechtliche Gehör und die prozessuale Waffengleichheit im Rahmen der Art.  103 Abs.  1, 3 Abs.  1 GG. Die Wahrung dieser Grundrechte ist auch unabhängig davon geboten, dass das BVerfG die grundrechtliche Überprüfung der Anwendung von Gemeinschaftsrecht auf den unabdingbaren Grundrechtsstandard beschränkt, soweit der EuGH einen wirksamen Schutz gewährleistet.121 Aber auch die nationalen Grundrechte geben weder einer Auflösung des Problems durch uneingeschränkte Zulassung eines Zurückbehaltungsrechts, noch einer Zurückweisungslösung von sich aus den Vorzug. Die Waffengleichheit zwischen Kläger und Beklagtem ist auch nach deutscher Grundrechtsdogmatik nicht verletzt, solange sich entweder eine Zulässigkeitsbeschränkung oder umgekehrt die uneingeschränkte Zulassung von Zurückbehaltungsrechten auf nachvollziehbare zuständigkeitsrechtliche Gründe stützen lassen. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer solchen Schranke wäre unter Zugrundelegung der Willkürformel des BVerfG jedenfalls nicht eindeutig unangemessen und willkürlich.122 Aber auch im Sinne der sog. „neuen Formel“ des BVerfG123, nach der Art und Gewicht der Unter119 

Zur Aussetzungslösung bei der Aufrechnung oben §  3 II. 3. a). IntKommEMRK-Kühne, Art.  6 Rz.  372. 121  Zum Prüfungsmaßstab vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.6.2000, BVerfGE 102, 147 (Bananenmarkt); BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, BVerfGE 89, 155 (175) (Maastricht); BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, BVerfGE 73, 339 (387) (Solange II); BVerfG, Beschl. v. 29.5.1974, BVerfGE 37, 271 (285) (Solange I); zur Grundrechtsüberprüfung von Sekundärrecht durch das BVerfG eingehend Grabitz/Hilf-Mayer, Art.  19 EUV Rz.  78 ff. 122  Zum Verhältnis von Art.  103 Abs.  1 GG zu Art.  3 Abs.  1 GG Maunz/Dürig-Schmid-­ Aßmannn, Art.  103 Rz.  10; zum hier anzuwendenden Willkürmaßstab BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980, BVerfGE 55, 72 (89 f.). 123  BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980, BVerfGE 55, 72 (88); zum umstrittenen Verhältnis von Willkürverbot und der sog. „neuen Formel“ im Rahmen von Art.  3 Abs.  1 GG Maunz/Dürig-­ Herzog, Art.  3 Anhang Rz.  6 f. 120 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

schiedlichkeit von Sachverhalten eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, wäre eine unterschiedliche Behandlung von Kläger und Beklagtem durch zuständigkeitsrechtliche Gründe gedeckt. Insbesondere bleibt dem Beklagten im Hauptsacheprozess weiterhin Gelegenheit, zur Gegenforderung „gehört zu werden“124. Beide Lösungen des Problems sind zudem grundsätzlich mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Gebot, materielle Gerechtigkeit zu verwirklichen,125 vereinbar. Zwar beschränkt die Zurückweisung eines Zurückbehaltungsrechts die Möglichkeit der Rechtsverteidigung und wirkt sich damit nachteilig auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung aus. Aber auch nach deutschem Grundrechtsverständnis obliegt es dem Gesetzgeber, den Widerstreit zwischen effektivem Rechtsschutz des Beklagten und den prozessualen Interessen des Klägers auszugleichen. Geschieht dies ohne Willkür, so kann die gesetzgeberische Entscheidung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht beanstandet werden. Aus den nationalen Grundrechten und den europäischen Grund- und Menschenrechten folgt daher noch kein Übergewicht der Interessen einer Partei für oder gegen ein Zuständigkeitserfordernis. Die Grund- und Menschenrechte setzen vielmehr eine Abwägung der abstrakt gleichgewichtigen Interessen voraus. Offen bleibt daher, welche Interessen im konkreten Fall eines Zurückbehaltungsrechts bei typisierender Betrachtung überwiegen. 2. Zurückweisungsinteresse des Klägers Das klägerische Interesse geht dahin, die materiellrechtlichen Folgen eines Zurückbehaltungsrechts im Prozess weitestgehend abzuwehren. Welche materiellrechtlichen Einwendungen sich der Kläger gefallen lassen muss, entscheidet aber grundsätzlich die über das Kollisionsrecht zur Anwendung berufene lex causae. Deren Entscheidungen sollten durch das Prozessrecht weitestgehend gewahrt bleiben. Besteht materiellrechtlich ein Zurückbehaltungsrecht, so muss der Kläger dies grundsätzlich hinnehmen. Beachtlich sind jedoch die prozessualen Interessen des Klägers, sich gegen ein Zurückbehaltungsrecht nicht vor einem Gericht verteidigen zu müssen, vor das die Gegenforderung eigentlich nicht „gehört“. Der Nachteil für den Kläger liegt – ähnlich wie bei der Aufrechnung126 – darin, dass der Streit um die Gegenforderung nicht vor dem Gericht geführt wird, vor dem er sich im Falle einer Klage gegen diese Forderung verteidigen müsste. Für diese Klage wären im Regelfalle 124 

BVerfG, Beschl. v. 7.4.1976, BVerfGE 42, 128 (130). BVerfG, Beschl. v. 9.8.1978, BVerfGE 49, 148 (164) m. w. N. 126  Kannengießer, Aufrechnung, S.  173 f. 125 

I. Parteiinteressen

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die Gerichte des Heimatstaates des Klägers zuständig gewesen (vgl. Art.  4 Abs.  1 EuGVVO), die für ihn leichter zu erreichen sind, deren Gerichtssprache der Kläger im Zweifel eher beherrscht und für die er problemlos im ­lokalen Pro­ zessrechtssystem kundige Prozessvertreter finden kann.127 Zwar befindet sich der Kläger, der den Aktivprozess angestrengt hat, ohnehin bereits im Ausland vor Gericht, so dass sich die Nachteile der Verteidigung gegen eine zuständigkeitsfremde Gegenforderung in vielen Fällen relativieren.128 Die Gegenforderung mag aber Fragen aufwerfen, deren Klärung deshalb einem an­deren Gericht zugewiesen ist, weil sich bestimmte Beweisfragen dort kostengünstiger und schneller klären lassen. Aufgrund der fehlenden Beweis- und Rechtsnähe des angerufenen Gerichts129 ist die Einwendung der Gegenforderung dann besonders nachteilig, da dieses Gericht den Rechtsstreit unter Umständen nur unter größerem zeitlichen und finanziellen Aufwand erledigen kann, als es das in der Hauptsache zuständige Gericht könnte. Der Kläger wird im Falle einer aufwendigen Beweiserhebung an der zügigen Erlangung eines Titels gehindert. Besonders plastisch wird dies in Fällen, in denen die Hauptforderung des Klägers unstreitig und nur die Gegenforderung streitig ist. Erhebt beispiels­ weise ein französischer Bauunternehmer in Deutschland Klage auf Zahlung des Kaufpreises für gelieferte Baumaschinen, so könnte die deutsche Beklagte, die Anwendbarkeit deutschen Rechts unterstellt, die Zahlung nach §  273 Abs.  1 BGB verweigern, sofern ihr der Kläger beispielsweise die Herausgabe eines Grundstücks in Nizza schuldet, weil das aus derselben Geschäftsbeziehung stammende Mietverhältnis über dieses Grundstück geendet hat. Lässt sich die Forderung des Klägers auf Rückgabe der Baumaschinen leicht feststellen, wird das Prozessverhältnis der Parteien allein vom Anspruch des Beklagten auf ­Herausgabe des französischen Grundstücks geprägt. Dieser ist aber nach Art.  24 Nr.  1 EuGVVO ausschließlich den französischen Gerichten zur Beurteilung zugewiesen. Hinter dieser Zuständigkeitsvorschrift steht nach dem Jenard-­Bericht unter anderem die Erwägung, dass derartige Streitigkeiten häufig Nachprüfungen, Inaugenscheinnahmen und Sachverständigengutachten an Ort und Stelle erforderlich machen,130 so z. B. wenn der Kläger im Beispielsfall seinerseits geltend macht, er schulde die Herausgabe des Grundstücks wiederum nur gegen Ersatz der von ihm gemachten Verwendungen. Die Sach- und Rechtsnähe des Gerichts war für den Gemeinschaftsgesetzgeber beim Erlass dieses ausschließlichen Gerichtsstands also ein leitender Gesichtspunkt. Denn ob Verwendungen überhaupt getätigt wurden und inwieweit diese ersatzfähig sind, ist durch Bev. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  40; Schack, IZVR, Rz.  230. Vgl. Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  169. 129  Dazu Kannengießer, Aufrechnung, S.  176. 130  Jenard-Bericht, S.  35. 127 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

weiserhebung französischer Gerichte vor Ort einfacher und kostengünstiger zu klären. Gleiches gilt, wenn der Beklagte statt eines Herausgabeanspruchs einen Mietzinsanspruch geltend macht, der ebenfalls von Art.  24 Nr.  1 EuGVVO erfasst ist. Denn das der Mietsache nächste Gericht verfügt über die genaueren Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse, wodurch eine bessere Beurteilung etwaiger Einwendungen, wie Minderungsansprüche und Mängeleinreden, möglich ist. Für den Kläger ist die Verhandlung vor einem zuständigkeitsfremden Gericht daher bei unstreitigen Klageforderungen besonders nachteilig, da die fehlende Sach- und Rechtsnähe zum Schwerpunkt des streitigen Lebenssachverhalts zu einem langwierigen und kostenintensiven Prozess führt. Darüber hinaus kann der Beklagte in Konstellationen, in denen der Kläger ein großes Interesse am Erhalt der Leistung des Beklagten hat, die Erfüllung seiner Gegenforderung durch den durch das Zurückbehaltungsrecht ausgeübten wirtschaftlichen Druck faktisch erzwingen.131 Dann stellt sich aber die Frage, ob nicht der in Art.  4 Abs.  1 EuGVVO, §§  12 ff. ZPO zum Ausdruck kommende Grundsatz actor sequitor forum rei132 in sein Gegenteil verkehrt wird, wenn das Prozessrecht dem Beklagten ermöglicht, den Kläger am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten durch Gegenrechte zur Erfüllung einer Forderung zu zwingen, die er dort unter keinen Umständen selbständig einklagen könnte.133 Ein spürbarer Nachteil für den Kläger kann sich bei uneingeschränkter Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten zudem aus kollisionsrechtlichen Gründen ergeben, die schon im Zusammenhang mit der Aufrechnung diskutiert wurden: Durch Geltendmachung der Gegenforderung vor dem vom Kläger angerufenen Gericht verschafft sich der Beklagte möglicherweise Zugang zu einem ihm günstigeren IPR, als wenn er das in der Hauptsache zuständige Gericht mit der Gegenforderung befasst. Denn das mit der Einrede befasste Gericht wird auf das Zurückbehaltungsrecht das Kollisionsrecht seiner lex fori und damit unter Umständen ein anderes IPR als das Gericht in der Hauptsache anwenden.134 Es ist also möglich, dass dadurch ein Recht zur Anwendung gelangt, nach dem die Gegenforderung wirksam ist, wohingegen nach dem Sachrecht, welches nach dem IPR des in der Hauptsache zuständigen Gerichts anzuwenden ist, die Gegenforderung nicht besteht.135 131 

Dazu eingehend unten §  6 I. 3. Jenard-Bericht, S.  18. 133  Vgl. zur Aufrechnung insoweit Wagner, IPRax 1999, 65 (71). 134  Dazu bereits oben §  3 II. 3. c). 135  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO, Rz.  42; Art.  12 Rom I-VO, Rz.  67 a. E.; zum selben Argument bei der Aufrechnung vgl. Wagner, IPRax 1999, 65 (73); Leipold, ZZP 107 (1994), 216 (220); kritisch dazu Kannengießer, Aufrechnung, S.  179; Mankowski, ZZP 109 (1996), 376 (385). 132 

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3. Interesse des Beklagten am Zurückbehaltungsrecht Für den Beklagten ist die Möglichkeit der Verteidigung mit einem Zurückbehaltungsrecht unter vielen Gesichtspunkten von entscheidender Bedeutung und kann im Einzelfall genauso wertvoll sein wie eine Aufrechnungslage. Die Reichweite der Wirkungen des Rechts hängt im Einzelfall von der lex causae ab. Allgemeine Zurückbehaltungsrechte wie §  273 Abs.  1 BGB oder das opschortingsrecht nach Art.  6:52 BW schützen den Beklagten vor einer vorbehaltlosen Verurteilung zur Leistung und geben ihm bei Bestehen einer konnexen Gegenforderung ein wirksames Druckmittel gegen den Kläger an die Hand. Sie ermöglichen dem Beklagten, einen Teil der Kostenlast des Prozesses abzuwenden, falls der Kläger nicht von vornherein nur auf Leistung Zug um Zug geklagt hat.136 Zudem können Zurückbehaltungsrechte den Beklagten vor einer Zinspflicht schützen, da sie – wie im deutschen Recht nach §  286 Abs.  1 BGB – mit ihrer Geltendmachung die Durchsetzbarkeit der Hauptforderung und damit den Verzug ausschließen oder beenden.137 Gegenüber der Aufrechnung sind Zurückbehaltungsrechte im internationalen Zivilprozess insoweit schwächer, als sie dem Beklagten in Höhe der Gegenforderung nicht immer einen mühevollen und kostenträchtigen Prozess im Ausland ersparen,138 da es nicht zu einer privaten „Vollstreckung“139 der Gegenforderung kommt. Eine Verdopplung des Verfahrensaufwandes für den Beklagten können sie also nicht immer vermeiden. Sie geben dem Beklagten lediglich ein Druckund Sicherungsmittel an die Hand.140 Formal betrachtet ist ein Zurückbehaltungsrecht daher in seinen Rechtsfolgen wesentlich weniger einschneidend als die Aufrechnung, so dass sein Verlust für den Beklagten auf den ersten Blick eher hinnehmbar erscheint als der Verlust einer Aufrechnungsmöglichkeit. Die materiellrechtlichen „Schwächen“ von Zurückbehaltungsrechten gegenüber der Aufrechnung dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Zurückbehaltungsrechte nach dem anwendbaren Recht in ihren wirtschaft­ lichen Wirkungen durchaus einer Aufrechnung gleichkommen können. Zwar können Zurückbehaltungsrechte die Leistung des Schuldners rechtlich nicht erzwingen; dem Beklagten mag es aber durch ein Zurückbehaltungsrecht genauso gelingen, einen Prozess im Ausland zu vermeiden, wenn der durch die Vgl. nur Musielak/Voit-Flockenhaus, §  92 Rz.  2; Hensen, NJW 1999, 395 (396). Zur verzugsausschließenden Wirkung von Zurückbehaltungsrechten im deutschen Recht Larenz, Schuldrecht I, §  23 I c (S.  351); zur Auswirkung auf die Fälligkeit auch L ­ ooschelders, Schuldrecht AT, Rz.  489. 138  Zur Aufrechnung im Überblick Schütze, RIW 2007, 801 ff.; Kannengießer, Aufrechnung, S.  173. 139  Zur „Selbstexekution“ durch Aufrechnung Bötticher, FS Schima, S.  95 (97 ff.). 140  K. Schmidt, Handelsrecht, §  22 IV.1. (S.  655); Staudinger-Bittner, §  273 Rz.  104. 136  137 

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einbehaltene Leistung auf den Kläger ausgeübte wirtschaftliche Druck dessen Leistung an den Beklagten herbeiführt. Ob dies gelingt, hängt vom wirtschaftlichen Interesse des Klägers am Erhalt der ihm geschuldeten Leistung ab. Ist dieses Interesse größer als sein Interesse, die dem Beklagten geschuldete Leistung nicht erbringen zu müssen, wird der Kläger die Gegenforderung erfüllen, ohne dass der Beklagte selbst Klage erheben muss. Hat die Erfüllung der Gegenforderung für den Kläger dagegen große Nachteile, wird er möglicherweise auf den zurückbehaltenen Gegenstand verzichten. Dann muss sich der Beklagte für die Durchsetzung seines Anspruchs ins Ausland begeben. Ein Zurückbehaltungsrecht ist jedoch für den Beklagten auch unabhängig davon wertvoll, ob er dadurch einen Prozess im Ausland vermeiden kann. Sofern der Erstprozess in einer Prozessrechtsordnung geführt wird, nach der Vorfragen und präjudizielle Rechtsverhältnisse in Rechtskraft erwachsen (wie z. B. in England),141 kann das Zug um Zug-Urteil des Erstprozesses hinsichtlich des Bestehens der Gegenforderung möglicherweise präjudizielle Wirkung für den Zweitprozess entfalten. Aber auch wenn in einer Jurisdiktion – wie in Deutschland – Vorfragen nicht in Rechtskraft erwachsen, kann der Richter im Zweitprozess vom Beklagten die Akten des Erstprozesses – auch wenn der Erstprozess im Ausland stattgefunden hat – beiziehen.142 Ist über die Gegenforderung schon umfassend Beweis erhoben worden, so kann der Richter im Zweitprozess bei seiner Entscheidungsfindung bezüglich der Gegenforderung den Akteninhalt des Erstprozesses nach Erlass eines entsprechenden Beweisbeschlusses verwerten.143 Andererseits sind Zurückbehaltungsrechte gegenüber der Aufrechnung insoweit schwächer, als für den Gläubiger häufig eine Abwendungsbefugnis durch Sicherheitsleistung besteht, so z. B. nach §  273 Abs.  3 S.  1 BGB, §  369 Abs.  4 S.  1 HGB oder §  369 Abs.  4 S.  1 UGB. Dennoch mindert dies den Wert eines Zurückbehaltungsrechts im grenzüberschreitenden Zivilverfahren kaum. Zum einen stehen nicht alle Zurückbehaltungsrechte unter dem uneingeschränkten Vorbehalt der fehlenden Sicherheitsleistung. Nach dem niederländischen Art.  6:55 BW ist die Abwendung durch Sicherheitsleistung z. B. nur möglich, wenn die Erfüllung der Gegenforderung nicht unangemessen verzögert wird. Denkbar ist in manchen Rechtsordnungen auch, dass die Sicherheitsleistung von der Akzeptanz des Gläubigers abhängt.144 Zudem hat der Beklagte selbst im Falle einer zulässigen Sicherheitsleistung unter Umständen die Möglichkeit, 141 

Siehe dazu unten §  6 II. 1. b) bb). Vgl. §  273 Abs.  2 Nr.  2 ZPO. Zur Möglichkeit der Beiziehung ausländischer Gerichts­ akten MüKoZPO-Prütting, §  273 Rz.  22. 143  MüKoZPO-Prütting, §  273 Rz.  22. 144  Dies legt z. B. der Wortlaut des §  240 des chinesischen Sachenrechtsgesetzbuchs nahe; vgl. Degen/Liu, RIW-Special zu Heft 11/2007, 1 (18). 142 

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ohne einen weiteren Prozess im Ausland Befriedigung aus der Sicherheit zu ziehen. Nach deutschem Recht erhält der Beklagte bei Sachschulden ein Pfand­ recht an der als Sicherheit geleisteten Sache (vgl. §  232 Abs.  1 Var.  3 BGB). Im Falle der Hinterlegung eines Geldbetrags entsteht ein Pfandrecht an der Forderung des Klägers gegen den Fiskus auf Rückerstattung aus dem öffentlich-rechtlichen Hinterlegungsverhältnis (§§  232 Abs.  1 Var.  1, 233 BGB),145 da hinter­ legtes Geld in das Eigentum des Landesfiskus übergeht.146 Soweit die Gegen­ forderung des Beklagten auf Geld gerichtet ist oder er die auf einen anderen Gegenstand gerichtete Forderung in eine Geldforderung überführen kann, kann er sein Pfandrecht auch ohne Erlangung eines ausländischen Titels durch Pfandverkauf verwerten (vgl. §§  1257, 1228 Abs.  1, Abs.  2 S.  2, 1233 Abs.  1 BGB). Im niederländischen Recht kann der Beklagte ebenfalls, soweit der Kläger Sicherheit durch Verpfändung einer Sache leistet, einen Pfandverkauf durchführen (vgl. Art.  3:248 Abs.  1 BW). Soweit der Beklagte ein zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechts als Sicherheit geleistetes Pfand ohne Titel verwerten kann, bleibt ihm also eine Klage im Ausland erspart. Der Kläger, der in diesen Fällen die Sicherheit zurückerlangen und sich gegen eine Verwertung wehren will, muss sich mit dem Beklagten an dessen Heimatgerichtsstand auseinander­ setzen, da der Erfüllungsort für die Rückgabe der Sicherheit i. S. von Art.  7 Nr.  1 lit.  a EuGVVO nach der maßgeblichen lex causae147 im Zweifel dort liegt. Festzuhalten bleibt also, dass selbst im Falle einer Abwendungsbefugnis des Klägers der Beklagte durch eine Sicherheit geschützt ist. Kann er den zurückbehaltenen Gegenstand sogar ohne gesonderte Klage verwerten, ist das Zurückbehaltungsrecht für ihn von ähnlich großem Wert wie eine Aufrechnungsmöglichkeit. Die kaufmännischen Zurückbehaltungsrechte gewähren häufig sogar ein Verwertungsrecht am zurückbehaltenen Gegenstand (so z. B. Art.  898 Abs.  1 ZGB, §  371 Abs.  1 S.  1 HGB/UGB). Zwar ist im deutschen und österreichischen Recht zur Verwertung ein vollstreckbarer Titel erforderlich (vgl. §  371 Abs.  3 S.  1 HGB/UGB), so dass sich eine gesonderte Klage im Ausland nicht vermeiden lässt. Diese erscheint jedoch bei Bestehen eines solchen Zurückbehaltungsrechts deutlich weniger risikoreich, da es im Falle einer erfolgreichen Klage die Gewähr bietet, die Klageforderung oder wenigstens die Prozesskosten zumindest teilweise durch Verwertung des zurückbehaltenen Gegenstands realisieren zu können. Wird dem Beklagten aber das Zurückbehaltungsrecht in einer internationalen Prozesskonstellation abgeschnitten, läuft er Gefahr, dass der Kläger 145 

Staudinger-Repgen, §  233 Rz.  2; Erman-Schmidt-Räntsch, §  233 Rz.  2. Geregelt in den Hinterlegungsgesetzen der Länder, vgl. z.B. §  11 Abs.  1 HmbHintG. 147  EuGH, Urt. v. 6.10.1976, Slg. 1976, 1474 (1486), Rz.  15 – Tessili; BGH, Urt. v. 1.12.2005, BGHZ 165, 172 (178); Musielak/Voit-Stadler, Art.  7 EuGVVO n. F. Rz.  7; MüKoZPO-Gottwald, Art.  5 EuGVVO Rz.  30. 146 

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seinen vorbehaltlosen Titel auf Herausgabe der zurückbehaltenen Sache vollstreckt und er die verwertbare Sicherheit vollständig verliert. Besonders bedeutsam für den Beklagten ist die durch Zurückbehaltungsrechte gewährte Möglichkeit, die Werthaltigkeit der Gegenforderung über den Zeitpunkt der Verjährung hinaus zu perpetuieren, soweit diese zum Zeitpunkt des Entstehens der Hauptforderung noch nicht verjährt war. Für das bürgerlich-­ rechtliche Zurückbehaltungsrecht des §  273 BGB ist dies in §  215 BGB geregelt; für §  369 HGB folgt dies nach heute im Ergebnis einhelliger Auffassung entweder aus §  215 BGB148 oder aus dem Rechtsgedanken des §  216 BGB, soweit man die Pfandrechtsähnlichkeit des §  369 HGB betont.149 Im niederländischen Recht ergibt sich das Fortbestehen des opschortingsrecht bei Verjährung aus Art.  6:56 BW. Stellte man daher für Zurückbehaltungsrechte ein Zuständigkeitshindernis auf, so verlöre der Beklagte im Falle der Verjährung vollständig den nach dem anwendbaren materiellen Recht verbleibenden Wert seiner Gegenforderung. Darüber hinaus zeigt sich die Bedeutung von Zurückbehaltungsrechten in der Klägerinsolvenz, in der eine selbständige Durchsetzung der Gegenforderung mit Hilfe der staatlichen Gerichte scheitern würde. Der Inhaber eines kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts steht nach dem deutschen Insolvenzrecht im Vergleich zu einem Aufrechnungsberechtigten150 nicht wesentlich schlechter. Bei kaufmännischen Zurückbehaltungsrechten verlängert §  51 Nr.  3 InsO die durch Zurückbehaltung gewährte Sicherheit durch Gewährung eines Absonderungsrechts in das Insolvenzverfahren hinein und gestattet es dem Berechtigten, sich an den übrigen Gläubigern vorbei aus der Masse zu befriedigen. Das unternehmerische Zurückbehaltungsrecht des österreichischen Rechts erfasst nach Eröffnung des Exekutionsverfahrens sogar – wie das frühere Notzurückbehaltungsrecht des deutschen Rechts151 – nicht fällige Forderungen (sog. außerordentliches Zurückbehaltungsrecht; vgl. §  370 UGB) und verschafft somit dem Gläubiger der Gegenforderung in der Insolvenz einen noch deutlicheren Vorzug. Derartige Privilegien würden einem Insolvenzgläubiger aus der Hand geschlagen, wenn er sein Zurückbehaltungsrecht nicht im Prozess einwenden und so eine vorbehaltlose rechtskräftige Verurteilung auf Herausgabe der Sache nicht verhindern könnte.

148 

MüKoHGB-Welter, §  369 Rz.  32. Baumbach/Hopt-Hopt, §  369 Rz.  5; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Lettl, §  369 Rz.  14; Schlegelberger-Hefermehl, §  369 Rz.  22; Röhricht/v. Westphalen-Wagner, §  369 Rz.  7; anders noch Düringer-Hachenburg-Hoeniger, 3.  Aufl., 1932, §  369 Anm.  4a. 150  Dazu Wagner, IPRax 1999, 65 (70); Kannengießer, Aufrechnung, S.  173. 151  §  370 Abs.  1 HGB a. F. wurde im Zuge der Insolvenzrechtsreform aufgehoben, vgl. Art.  40 Nr.  18 EGInsO, dazu K. Schmidt, Handelsrecht, §  22 IV2.b) (S.  659). 149 

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Aber auch allgemeine Zurückbehaltungsrechte wie §  273 Abs.  1 BGB oder Art.  6:52 BW können die Interessen des Beklagten in der Insolvenz des Klägers schützen. Zwar sind diese als reine Zwangsmittel zur Durchsetzung persönlicher Forderungen nicht insolvenzfest, da eine Insolvenzfestigkeit mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger im Insolvenzverfahren nicht vereinbar wäre.152 Dennoch können auch diese Rechte die Gegenforderung absichern, soweit sie bereits vor der Insolvenz im Prozess gegen den späteren Insolvenzschuldner erfolgreich eingewendet wurden. Hat der Kläger in einem solchen Prozess nämlich nur ein Zug um Zug-Urteil erstritten, so kann auch der in die Position des Klägers eintretende Insolvenzverwalter153 die Klageforderung nur Zug um Zug gegen Begleichung der Gegenforderung realisieren. In diese vorteilhafte Situation könnte ein Beklagter im internationalen Prozess dagegen gar nicht erst kommen, ließe man ein Zurückbehaltungsrecht aus prozessualen Gründen von vornherein unberücksichtigt. Ferner kann ein Zurückbehaltungsrecht in Abtretungskonstellationen dem Beklagten Aufrechnungsmöglichkeiten erhalten. Nach §  406 BGB kann der Beklagte nämlich gegenüber einem Zessionar nicht mit Gegenforderungen aufrechnen, die nach Erlangung der Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene (Haupt‑)Forderung fällig geworden sind. Steht der abgetretenen Hauptforderung jedoch ein Zurückbehaltungsrecht entgegen, das der Zessionar nach §  404 BGB gegen sich gelten lassen muss, so gilt die Hauptforderung i. S. von §  406 BGB während der Zeit des Bestehens des Zurückbehaltungsrechts als nicht fällig. Dies gilt nach Auffassung des BGH selbst dann, wenn das Zurückbehaltungsrecht nach §  273 BGB nicht geltend gemacht wurde; es schließt bereits kraft seines Bestehens die „Fälligkeit“ im Rahmen von §  406 BGB aus.154 Daher hindert die spätere Fälligkeit der Gegenforderung nach Kenntnis von der Abtretung die Aufrechnung nicht, wenn die Gegenforderung vorher für den Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht begründete.155 So kann ein Zurückbehaltungsrecht die Position des Beklagten verstärken, indem es ihm wertvolle Aufrechnungsmöglichkeiten über §  406 BGB hinaus erhält. Auch dieser Vorteil würde ihm der materiellen Rechtslage zuwider abgeschnitten, wenn das Pro152  BGH, Urt. v. 7.3.2002, BGHZ 150, 138 (144 f.); BGH, Urt. v. 22.1.2009, NJW 2009, 1414 (zu §  273 BGB); K. Schmidt, JuS 2009, 667 (668); Häsemeyer, InsR, Rz.  18.20; Bork, Einf. InsR, Rz.  250; vgl. auch Blaum, ZBR in der Insolvenz, S.  111 ff. 153  Dazu Häsemeyer, InsR, Rz.  15.06; Bork, Einf. InsR, Rz.  68. 154  BGH, Urt. v. 27.4.1972, BGHZ 58, 327 (330). 155  BGH, Urt. v. 27.4.1972, BGHZ 58, 327 (330); BGH, Urt. v. 22.12.1995, NJW 1996, 1056 (1058); BGH, Urt. v. 16.3.1994, NJW-RR 1994, 880 (881); Palandt-Grüneberg, §  406 Rz.  8; Staudinger-Busche, §  406 Rz.  33; Bamberger/Roth-Rohe, §  406 Rz.  11; MüKoBGB-Roth/ Kieninger, §  406 Rz.  17.

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zessgericht das Zurückbehaltungsrecht mangels Kognitionsbefugnis über die Gegenforderung zurückweisen müsste. 4. Überwiegende Interessen am Erhalt der Einrede Die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Parteiinteressen verdeutlicht vor allem den erheblichen Wert, den ein Zurückbehaltungsrecht für den Beklagten bei Verfahren mit Auslandsbezug mit sich bringt. Im Einzelfall ist das Gegenrecht für ihn trotz der gegenüber der Aufrechnung formal schwächeren Aus­ gestaltung genauso wertvoll wie eine Aufrechnungsmöglichkeit. Der Verlust des Rechts durch eine Kognitionsbeschränkung kann sich im Einzelfall auf die Realisierbarkeit und damit den wirtschaftlichen Wert der Gegenforderung auswirken. Viele der genannten Nachteile eines Zuständigkeitserfordernisses für den Beklagten könnte man zwar mildern, indem man – ähnlich wie dies im Rahmen der Aufrechnung teilweise vorgeschlagen wird156 – das Verfahren, in dem das Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird, aussetzt und ein Vorbehaltsurteil über die Hauptforderung erlässt. Fraglich ist aber bereits, wie bei einem Vorbehaltsurteil – und der nachträglichen Einführung eines Zug um Zug-Vorbehalts im Nachverfahren – zu verfahren wäre. Soll der Beklagte vom Kläger bei Aufhebung des Vorbehaltsurteils die Wiedereinräumung der Sicherheit für die Gegenforderung verlangen können, wenn ihm die Gegenforderung im ausländischen Prozess zugesprochen wird? Im Falle einer zwischenzeitlichen Insolvenz des Klägers, vor der kaufmännische Zurückbehaltungsrechte den Beklagten schützen sollen, wäre der Beklagte dann trotzdem nicht geschützt. Auch durch eine Verfahrensaussetzung unter Erlass eines Vorbehaltsurteils würde dem Beklagten trotz aller Erleichterungen zugemutet, das Risiko der vorbehaltlosen Vollstreckung der titulierten Klageforderung zu tragen.157 Er müsste die Sicherheit des materiellrechtlichen Zurückbehaltungsrechts aufgeben, die gerade dann besonders wertvoll ist, wenn sich die gesicherte Forderung nur im Ausland unter möglicherweise schwierigen Bedingungen gerichtlich durchsetzen lässt. Mit einer verpflichtenden Aussetzung eines Prozesses bis zur Klärung in der Hauptsache ist den Parteien daher auch nicht immer gedient.158 Somit wäre auch eine vermeintlich „vermittelnde Lösung“ – von den Schwierigkeiten der praktischen Umsetzung ganz zu schweigen – für den Beklagten mit erheblichen Nachteilen verbunden. 156  Eickhoff, Aufrechnung, S.  172 ff.; Badelt, Aufrechnung, S.  166 ff.; Hess/Müller, JZ 2002, 607 (609); MüKoZPO-Fritsche, §  145 Rz.  37; dazu oben §  3 II. 2 a). 157  So auch zur Aufrechnung Slonina, IPRax 2009, 399 (406). 158  Zu dieser Möglichkeit bei Zurückbehaltungsrechten unten §  6 III. 3. a) bb).

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Demgegenüber ist der Nachteil, der dem Kläger bei unbeschränkter Zulässigkeit eines Zurückbehaltungsrechts entsteht, in vielen Fällen rein prozessökonomischer Natur. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Kläger die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen offensteht. Hier hat es der Kläger in der Hand, im vorgegebenen Rahmen über den Ort der Klageerhebung zu entscheiden.159 Er kann sich also – anders als der Beklagte – aussuchen, in welchem Staat und nach welchem Verfahrensrecht er sich mit dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten auseinandersetzen will. Gewichtiger für die Belange des Klägers erscheint demgegenüber das kolli­ sionsrechtliche Argument, wonach ein Zurückbehaltungsrecht dem Beklagten den Zugang zu einem möglicherweise günstigeren IPR und damit günstigeren Sachrecht für die Gegenforderung eröffnet.160 Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch das klägerische „Vertrauen in die Anknüpfungsentscheidungen des Kollisionsrechts“161 nicht als derart schutzwürdig, dass es für sich genommen ein Zuständigkeitserfordernis rechtfertigen könnte. Wie auch die Befürworter des Klägerschutzes selbst einräumen,162 sind die Unterschiede im Kollisionsrecht innerhalb der Europäischen Union durch die im Rahmen der Verordnungen Rom I und II erfolgte Vereinheitlichung weitgehend eingeebnet. Zudem ergeben sich auch in Fällen, in denen das in der Hauptsache für die Gegenforderung zuständige Gericht in einem Drittstaat liegt und somit die Anwendung anderer Kollisionsnormen als in der Hauptsache in Betracht kommt, für den Kläger keine unbilligen Härten.163 Der Nachteil des Klägers im Falle der Geltendmachung einer Aufrechnung oder eines Zurückbehaltungsrechts besteht aufgrund der allgemeinen Problematik der Anknüpfung kollisionsrechtlicher Vorfragen und ist nicht auf die Anknüpfung von Zurückbehaltungsrechten beschränkt. Der kollisionsrechtliche Begriff der Vorfrage bezeichnet dabei nach h. M. Fragen nach dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses, die von dem durch die Kollisionsnormen zur Anwendung berufenen (ausländischen) Recht aufgeworfen werden.164 Im Falle eines Zurückbehaltungsrechts wäre dies die Prüfung, ob eine fällige Gegenforderung besteht. International-privatrechtliche Vorfragen 159  Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  169; kritisch allerdings Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  90. 160  Siehe dazu oben §  6 I. 2. sowie zur Aufrechnung §  3 II. 2. c). 161  Wagner, IPRax 1999, 65 (73). 162  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  67, Art.  18 Rom I-VO, Rz.  42. 163  Anders wohl MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  67, Art.  18 Rom I-VO, Rz.  42. 164  Zum (umstrittenen) Begriff der Vorfrage eingehend v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rz.  56 ff.; Kropholler, IPR, §  18 II. (S.  134 f.); Rauscher, IPR, Rz.  65, 495, 503 ff.

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stellen sich aber auch bei anderen Einwendungen, so z. B., wenn sich der Beklagte im Rahmen eines gegen ihn erhobenen deliktischen Anspruchs mit dem Bestehen einer vertraglichen Haftungsbeschränkung verteidigt. Auch hier muss es sich der Kläger gefallen lassen, dass das Gericht – sofern es der insoweit herrschenden Auffassung165 folgt – die Vorfrage, ob die Abrede zur Haftungsbeschränkung wirksam zustande gekommen ist, selbständig nach dem IPR der lex fori anknüpft. Mag das so angewendete Kollisionsrecht auch im Einzelfall ein Sachrecht zur Anwendung berufen, nach dem der Haftungsausschluss nichtig ist, während ein vom Beklagten im Rahmen einer negativen Feststellungsklage angerufenes drittstaatliches Gericht über dessen IPR zur Wirksamkeit gelangt wäre,166 könnte auch hier nicht berechtigterweise eingewendet werden, der Richter dürfe nicht über die Wirksamkeit der Haftungsfreizeichnung entscheiden, da dann das Vertrauen des Klägers in die Anknüpfungsentscheidungen des IPR enttäuscht würde. Denn der Kläger darf letztlich nur auf das IPR des von ihm bestimmten Forums vertrauen. Der Beklagte selbst kann sich dagegen nicht aus eigenem Antrieb Zugang zu einem ihm vorteilhaften IPR verschaffen, sondern muss sich mit dem IPR des vom Kläger angerufenen Forums abfinden. Der Kläger, nicht der Beklagte, hat es in der Hand, welches IPR auf die Vorfragen angewendet wird, die sich im Rahmen etwaiger Gegenrechte des Beklagten stellen. Es besteht kein Anlass, dem Beklagten sein Gegenrecht aus kollisionsrechtlichen Gründen abzuschneiden. Dies gilt insbesondere für Zurückbehaltungsrechte. Sämtliche Bedenken gegenüber einem etwaigen unbilligen Vorteil des Beklagten ließen sich freilich ausräumen, wenn man die Vorfrage des Bestehens der Gegenforderung entgegen der h. M.167 unselbständig anknüpft. Zwei Lösungen erscheinen denkbar: Erstens könnte man die Vorfrage im Anschluss an Melchior168 und Wengler169 ausgehend vom IPR der lex causae beantworten.170 Dann würde sich das auf das Bestehen der Gegenforderung anwendbare Recht stets nach dem IPR des Zurückbehaltungsstatuts richten – das freilich wiederum nach dem IPR der lex fori ermittelt wird. Zweitens ließe sich die Vorfrage im speziellen Fall des Bestehens eines ausschließlichen Gerichtsstands für eine 165  BGH, Urt. v. 22.1.1965, BGHZ 43, 213 (218 ff.) = IPRspr 1964/65 Nr.  81 b, S.  267 (268); von Bar/Mankowski, IPR I, §  7 Rz.  194 ff.; Kegel/Schurig, IPR, §  9 II. 1. (S.  376); Kropholler, IPR, §  32 IV. 2. (S.  226 f.); vgl. allgemein zur Vorfragenproblematik v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rz.  60 ff. 166  Siehe oben §  6 I. 2. 167  Siehe die Nachweise in Fn.  165. 168  Melchior, Grundlagen, S.  245 ff. 169  Wengler, RabelsZ 8 (1934), 148 (250 f. und passim). 170  Dafür v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rz.  71 f.; Neuhaus, Grundbegriffe, S.  345 ff.; grds. auch Siehr, SchwIPR, S.  584.

I. Parteiinteressen

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Gegenforderung ausgehend vom IPR des in der Hauptsache zuständigen Gerichts beantworten. Hierdurch würde sichergestellt, dass sowohl das Gericht, das für die Klage zuständig ist, als auch das Gericht, das über die Einrede entscheidet, auf das Bestehen der Gegenforderung ein einheitliches IPR anwendet. Bei einem ausschließlichen Gerichtsstand ist zudem jeweils nur ein Gerichtsstand eröffnet, so dass das IPR bestimmbar bleibt. Welche Regeln bei der Anknüpfung von Vorfragen vorzugswürdig sind, ist jedoch Gegenstand einer gesonderten Diskussion,171 die an dieser Stelle nicht vertieft werden kann. Die aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten verdeutlichen jedoch, dass es aus kolli­ sionsrechtlichen Gründen keiner Beschränkung der Kognitionsbefugnis über Einreden zum Schutze des Klägers bedarf. Eine solche Beschränkung könnte allenfalls in Fällen einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit für die Gegenforderung geboten sein, soweit diese an eine besondere Sach- und Rechtsnähe des in der Hauptsache zuständigen Gerichts anknüpft. Ob diese Belange jedoch den entscheidenden Ausschlag zugunsten der Klägerinteressen geben können, erscheint zweifelhaft. Zwar war die Sachnähe des Prozessstoffs zu einem bestimmten Mitgliedstaat einer der Gründe für den Verordnungsgeber, bestimmte Streitigkeiten ausschließlich den Gerichten dieses Mitgliedstaats zuzuweisen.172 Ausschließliche Zuständigkeiten beruhen jedoch nicht ausschließlich auf der Erwägung der Sachnähe, sondern berücksichtigen u. a. die hoheitlichen Interessen der Mitgliedstaaten sowie vor allem die Vollstreckungsnähe des Gerichtsstands.173 Würde man die Maßgeblichkeit der Sachnähe verabsolutieren, müsste stets eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte desjenigen Staates bestehen, in dem sich sämtliche für einen Prozess erheblichen Beweismittel befinden. Eine solche Zuständigkeitsregel kennt jedoch weder die EuGVVO noch das autonome deutsche IZVR. Die Aufstellung eines ungeschriebenen Sachnähekriteriums käme auch der rechtsstaatlich bedenklichen forum non conveniens-Doktrin174 sehr nahe, deren Anwendung sich jedenfalls innerhalb der festen Zuständigkeitsregeln der ­EuGVVO verbietet.175 Ein Kläger muss es sich also häufig gefallen lassen, den Rechtsstreit vor den nach der EuGVVO berufenen Gerichten eines Staates zu führen, obwohl sich sämtliche Beweismittel in einem anderen Staat befinden. Das Risiko, Dazu eingehend v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rz.  56–72 m. w. N. So Jenard-Bericht, S.  35, vgl. dazu bereits oben bei Fn.  130. 173  So z. B. Art.  22 Nr.  4 und 5 EuGVVO, vgl. Jenard-Bericht, S.  36. 174  Zur Kritik an dieser Lehre vgl. nur Pfeiffer, Int. Zust., S.  412 ff.; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40 ff.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  68. 175  EuGH, Urt. v. 1.3.2005, Rs. C-281/02, Slg. 2005, I-1445 (1459 ff.), Rz.  37 ff. – Owusu; Jasper, Forum Shopping, S.  77. A. A. zum LugÜ aber BG, Urt. v. 13.3.2007, IPRax 2008, 544 (547): Prüfung einer besonderen Sachnähe zum Handlungsort bei Art.  5 Nr.  3 LugÜ (2007). 171 

172 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

dass die Entscheidung eines Rechtsstreits eine Beweiserhebung im Ausland erfordert, trägt der Kläger also ohnehin; es wird durch die Zuständigkeitsregeln, insbesondere diejenigen zur ausschließlichen Zuständigkeit, nur bedingt aufgefangen. Dieses Risiko muss er auch hinsichtlich möglicher Verteidigungsmittel tragen. Bedenkt man zudem, dass die Beweislast hinsichtlich des Bestehens einer Einrede regelmäßig den Beklagten trifft, fällt das Interesse des Klägers an der Beweis- und Rechtsnähe der Gegenforderung und damit an einem Zuständigkeitserfordernis für ein Zurückbehaltungsrecht umso weniger ins Gewicht. Denn das Risiko der Unbeweisbarkeit des Bestehens einer Einrede trägt der Beklagte. Insgesamt ergibt sich daher aus der Abwägung der Parteiinteressen kein Grund, dass ein Beklagter nur aufgrund fehlender Beweisnähe einer Gegenforderung entgegen der materiellen Rechtslage auf ein Zurückbehaltungsrecht verzichten muss. 5. Zusammenfassung Den prozessrechtlichen Interessen des Klägers an der Unzulässigkeit zuständigkeitsfremder Gegenforderungen stehen gewichtige Interessen des Beklagten am Erhalt seiner Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber. Die Analyse der Partei­ interessen zeigt daher, dass die Interessen des Beklagten am Erhalt seiner Einrede zumindest leicht überwiegen. Damit ist das Problem der Kognitionsbefugnis jedoch noch nicht abschließend gelöst. Über die Parteiinteressen hinaus müssen auch die ordnungspolitischen Zuständigkeitsinteressen in den Blick genommen werden.

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis In der oben nachgezeichneten Diskussion um die Aufrechnung wurde als gewichtigstes Argument für ein Zuständigkeitserfordernis die Rechtskraftfähigkeit der Entscheidung über die Gegenforderung nach §  322 Abs.  2 ZPO angeführt. 176 Auch für Zurückbehaltungsrechte ist zu hinterfragen, ob aus einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung über eine Vorfrage zwingend folgt, dass ausschließlich die international zuständigen Gerichte über sie entscheiden dürfen. Dieser Gesichtspunkt ist im Geltungsbereich der EuGVVO jedoch nur dann relevant, wenn eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung bei Zurückbehaltungsrechten innerhalb der Europäischen Union überhaupt möglich ist. Dies soll vorab anhand eines kurzen rechtsvergleichenden Überblicks über die Rechtskraftwirkungen bzgl. Vorfragen im deutschen, französischen und englischen Recht geklärt werden. 176 

Siehe oben §  3 II. 2.

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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Ferner kommt einer rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung im grenzüberschreitenden Zivilprozess nur dann kompetenzrechtliche Bedeutung zu, wenn diese Rechtskraft auch in anderen Mitgliedstaaten wirkt, die Entscheidung über die Gegenforderung durch ein „unzuständiges“ Gericht also Bindungswirkung nicht nur im Entscheidungsstaat, sondern auch für die Gerichte anderer Mitgliedstaaten in einem etwaigen Zweitprozess entfaltet. Ist dies der Fall, muss schließlich – auch vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH – untersucht werden, ob es dem System und den Zielen des europäischen Zivilprozessrechts entspricht, an die Rechtskraftfähigkeit der Entscheidung über die Gegenforderung das Erfordernis der internationalen Zuständigkeit zu knüpfen. 1. Überblick über die Rechtskraftfähigkeit der Gegenforderung im Geltungsbereich der EuGVVO a) Keine rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung im autonomen deutschen Recht Im deutschen Zivilprozessrecht gilt der Grundsatz, dass nur der Entscheidungstenor in Rechtskraft erwächst. Die Entscheidungsgründe einschließlich der Begründungselemente zu Einwendungen und Einreden des Beklagten und sonstigen präjudiziellen Rechtsverhältnissen nehmen dagegen grundsätzlich nicht an der Rechtskraft teil.177 Auch die Rechtskrafterstreckung des §  322 Abs.  2 ZPO ist nach allgemeiner Meinung nicht analogiefähig und gilt daher nicht für Zurückbehaltungsrechte.178 Diese Beschränkung der Rechtskraft auf den Urteilstenor wird aber nicht streng durchgehalten. So wird allgemein die Rechtskraft über den Urteilstenor hinaus auf sein sogenanntes „kontradiktorisches Gegenteil“179 erstreckt. Somit ist nicht nur ein zweiter inhaltsgleicher Rechtsstreit gesperrt, sondern die Entscheidung im Erstprozess ist für den Zweitprozesses auch insoweit präjudiziell, als eine abweichende Entscheidung mit der ersten Entscheidung „unverein177 

Vgl. nur BGH, Urt. v. 27.9.1984, NJW 1985, 189 (190); BGH, Urt. v. 8.2.1965, NJW 1965, 693 (694); BGH, Urt. v. 12.12.1975, NJW 1976, 1095; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  153 Rz.  16; Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  80 ff., 86; Thomas/Putzo-Reichold, §  322 Rz.  30; Schack, IZVR, Rz.  1007; Münch, R.L.R. 2003, 219 (220). 178  BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (3); BGH, Beschl. v. 16.4.1996, NJW-RR 1996, 828 (829); Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  153 Rz.  16; Dieckmann, GS Arens, S.  43 (47 f.); Stein/Jonas-Leipold, §  322 ZPO Rz.  154; Zöller-Vollkommer, §  322 Rz.  15; MüKoZPO-Gottwald, §  322 ZPO Rz.  191; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, §  322 Rz.  26; Doderer, NJW 1991, 878 (880 f.). A. A. nur Rimmelspacher, Streitgegenstandsprobleme, S.  218 ff., 222. 179  Zum Begriff vgl. nur Sepperer, Rechtskraft in der EuGVO, S.  14; MüKoZPO-Gottwald, §  322 Rz.  42 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  154 Rz.  5.

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

bar“180 wäre. Wann aber eine Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen droht und welchen Anteil die Entscheidungsgründe in diesen Fällen an der Rechtskraft haben, darüber lässt sich trefflich streiten. Namentlich Zeuner hat die Diskussion angestoßen, die Rechtskraftwirkung nicht nach dem Urteilstenor, sondern nach teleologischen Sinnzusammenhängen zu bestimmen, also danach, ob der nachfolgende Rechtsstreit „als inhaltliche Fortsetzung des rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozesses“181 erscheint. Dies sei insbesondere anhand der Entscheidungsgründe zu beurteilen.182 Jedenfalls bei sog. Ausgleichszusammenhängen meint Zeuner, dass zu einer Ordnung, die das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs feststelle, dem Grunde nach untrennbar auch das Bestehen oder Nichtbestehen eines dagegen eingewendeten Gegenanspruchs gehöre.183 Ein solcher Ausgleichszusammenhang liege immer vor, wenn eine Rechtsposition nur deshalb bestehe, weil eine andere eröffnet oder genommen werde.184 Dementsprechend erweitert Zeuner die materielle Rechtskraft auf Gegenrechte, soweit sie von einer Partei geltend gemacht wurden185 und der Tenor auf ihnen beruht. Ist beispielsweise ein Kläger mit seiner Herausgabeklage nach §  985 BGB erfolgreich und war der Beklagte mit dem Einwand eines Besitzrechts nach §  986 BGB erfolglos, so soll der Beklagte in einem Folgeprozess einen Gegenanspruch auf Herausgabe auf die ­Sache nicht auf dieses „ab­ erkannte“ Besitzrecht stützen können.186 Damit wäre dem Beklagten bei erfolg­ losem Einwand eines Zurückbehaltungsrechts nach §  369 HGB, das nach Auffassung des BGH ein Recht zum Besitz darstellt,187 eine auf die Gegenforderung gestützte Klage verwehrt. Gleiches soll für die Geltendmachung von Deliktsoder Bereicherungsansprüchen nach vorheriger Zurückweisung des entsprechenden Verteidigungsvorbringens gelten.188 Umgekehrt müsse, wenn die Klage gerade wegen eines zunächst verteidigungsweise erfolgreich vorgebrachten Musielak, FS Nakamura, S.  423 (431 f.). Zeuner, Rechtskraft, S.  44. 182  Zeuner, Rechtskraft, S.  57; Grunsky, Verfahrensrecht, S.  519 ff.; Foerste, ZZP 108 (1995), 167 (190 f.); für eine eingeschränkte Erstreckung der Rechtskraft auf den „Subsum­ tionsschluss“ des Richters auch Schwab, FS Bötticher, S.  321 (340). 183  Zeuner, Rechtskraft, S.  75; Foerste, ZZP 108 (1995), 167 (175); für den Zusammenhang aus §  320 BGB auch Doderer, NJW 1991, 878 (881). 184  Zeuner, Rechtskraft, S.  4 4; Foerste, ZZP 108 (1995), 167 (190). 185  Zeuner, Rechtskraft, S.  109 ff.; so auch Batschari/Durst, NJW 1995, 1650 (1652); ohne diese Einschränkung Doderer, NJW 1991, 878 (881). 186  Zeuner, Rechtskraft, S.  109 f.; für die Feststellung des Fehlens eines Besitzrechts bei erfolgreicher Herausgabeklage auch BGH, Urt. v. 26.7.2005, NJW 2006, 63 f. 187  BGH, Urt. v. 20.12.2001, NJW 2002, 1050 (1052); MüKoHGB-Welter, §  369 Rz.  6 4. A. A. Palandt-Bassenge, §  986 Rz.  5; für das bürgerlich-rechtliche Zurückbehaltungsrecht MüKoBGB-Krüger, §  273 Rz.  92. 188  Zeuner, Rechtskraft, S.  97. 180  181 

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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Rechts abgewiesen werde, das Bestehen dieses Rechts für Folgeprozesse rechtskräftig feststehen.189 Eine Rechtskraftwirkung für die Gegenforderung nimmt Zeuner auch explizit für das Zurückbehaltungsrecht nach §  320 BGB an.190 Obwohl Zeuners Kriterium des Sinnzusammenhangs überwiegend als zu u­ nbestimmt zurückgewiesen wird,191 wird eine weitgehende Rechtskrafter­ streckung z. T. dennoch befürwortet, soweit die Fälle „bei wertender Betrachtung Fällen unstreitiger Bindung gleichstehen“192. So wird vertreten, es werde im Rahmen eines negatorischen Unterlassungsurteils zwischen den Parteien auch für den folgenden Schadensersatzprozess bindend mit entschieden, dass eine Verhaltenspflicht verletzt worden sei.193 Auch die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des dinglichen Rechts eines Klägers erwachse zwischen den Parteien in Rechtskraft, je nachdem, ob der Kläger mit seiner Grundbuchberichtigungsklage aus §  894 BGB scheitert194 oder durchdringt195. Nach all diesen Ausnahmen von der Beschränkung der Rechtskraft auf den Tenor lässt sich auch darüber nachdenken, ob – wie bei §  320 BGB – mit der Entscheidung über ein Zurückbehaltungsrecht nach §  273 BGB oder Art.  6:52 BW rechtskräftig über das Bestehen der Gegenforderung für eine spätere Hauptsacheklage entschieden wird.196 Ist nicht eine Entscheidung, in der der Beklagte mit seinem Zurückbehaltungsrecht abgewiesen und vorbehaltlos verurteilt wird, das kontradiktorische Gegenteil einer Zweitentscheidung, die die Gegenforderung zuspricht? Und muss nicht, wenn der Beklagte mit seinem Zurückbehaltungsrecht durchdringt und der Kläger nur eine Zug um Zug-Verurteilung erstreitet, denknotwendig zugunsten des Beklagten für eine spätere Hauptsacheklage feststehen, dass seine Gegenforderung fällig und einredefrei besteht? 197 Zeuner, Rechtskraft, S.  91, 102. Zeuner, Rechtskraft, S.  75; so auch Koussoulis, Beiträge zur Rechtskraft, S.  232 f. 191  Siehe nur BGH, Urt. v. 26.6.2003, NJW 2003, 3058 (3059); Zöller-Vollkommer, vor §  322 Rz.  36; Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  205; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  154 Rz.  13. 192  MüKoZPO-Gottwald, §  322 Rz.  56; ähnlich Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  207 ff. 193  BGH, Urt. v. 17.3.1964, BGHZ 42, 340 (344 ff.); Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  207; Zeuner, Rechtskraft, S.  59. A. A. aber nunmehr BGH, Urt. v. 2.5.2002, BGHZ 150, 377 (383); Zöller-Vollkommer, vor §  322 Rz.  27; wenig überzeugend Schwab, FS Bötticher, S.  321 (333 f.), der zwischen vertraglichen und gesetzlichen Unterlassungspflichten differenzieren will. 194  RG, Urt. v. 3.7.1936, JW 1936, 3047 (Nr.  5); BGH, Urt. v. 25.11.1977, WM 1978, 194 (195); zustimmend Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  153 Rz.  30. A. A. Musielak, FS Nakamura, S.  423 (431). 195  RG, Urt. v. 16.2.1931, JW 1931, 1805 (1806) (Nr.  14); RG, Urt. v. 21.7.1938, RGZ 158, 40 (43); einschränkend BGH, Urt. v. 12.12.1975, WM 1976, 187 (188). 196  Für die rechtskräftige Feststellung der Gegenforderung durch Zug um Zug-Urteile ­u nter Geltung des §  293 CPO Klöppel, Rechtskraft, S.  45 f. 197  So für §  320 BGB ausdrücklich Klöppel, Rechtskraft, S.  45 f.; Koussoulis, Beiträge zur Rechtskraft, S.  232 f. 189 

190 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

In beiden Konstellationen ist eine Rechtskrafterstreckung auf einen Folgeprozess nach deutschem Prozessrechts jedoch mit Nachdruck zurückzuweisen. Denn wird der Beklagte trotz eingewendeten Zurückbehaltungsrechts vorbehaltlos verurteilt, lässt sich daraus nicht zwingend darauf schließen, die Gegenforderung habe nicht fällig und einredefrei bestanden. So kann ein Zurückbehaltungsrecht an fehlender Konnexität i. S. des §  273 Abs.  1 BGB scheitern oder, wenn die Gegenleistung der Existenzgrundlage des Klägers dient, ausgeschlossen sein198. Umgekehrt setzt eine Zug um Zug-Verurteilung nicht denknotwendig das Bestehen eines klagbaren Gegenanspruchs des Beklagten voraus.199 Bereits aus §  215 BGB folgt, dass auch ein einredebehafteter Anspruch zur Beschränkung eines Hauptanspruches führen kann. Auch sonst existieren Schuldverhältnisse, aus denen zwar kein klagbarer Anspruch folgt, wohl aber das Recht, die geschuldete Leistung nur Zug um Zug gegen eine Gegenleistung erbringen zu müssen. So kann der auf Erfüllung in Anspruch genommene falsus procurator seine Leistung von der Erbringung der Gegenleistung Zug um Zug abhängig machen,200 von sich aus aber nicht auf Erfüllung der Gegenleistung aus §  179 Abs.  1 BGB klagen. Ebenso hat der gutgläubige Erwerber einer abhanden gekommenen Sache im französischen und schweizerischen Recht keinen klagbaren Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises gegen den Alteigentümer, kann jedoch nach Art.  2277 C.C. bzw. Art.  934 Abs.  2 ZGB die Herausgabe an ihn von der Erstattung des Kaufpreises abhängig machen.201 Mithin lässt der Zug um Zug-Vorbehalt ebenso wenig einen logischen Schluss auf das Bestehen der Gegenforderung zu wie eine vorbehaltlose Verurteilung auf deren Nichtbestehen. Mit der Figur des kontradiktorischen Gegenteils lässt sich eine Rechtskraftwirkung in diesen Fällen nicht begründen. In jüngerer Zeit hat sich auch der BGH sehr deutlich der überwiegenden Auffassung202 angeschlossen und tritt seither für eine Beschränkung der materiellen Rechtskraft ein.203 Er hat auch ausdrücklich entschieden, dass das Bestehen der Gegenforderung nicht von der Rechtskraft eines Zug um Zug-Urteils erfasst 198 

BGH, Urt. v. 9.11.1979, NJW 1980, 450; Jauernig-Stadler, §  273 Rz.  14. Gegen eine positive rechtskräftige Feststellung der Gegenforderung zu Recht Doderer, NJW 1991, 878 (880). 200  Allg. M., vgl. nur BGH, Urt. v. 26.4.2001, NJW 2001, 3184 (3185); Staudinger-Schilken, §  179 Rz.  15; Jauernig-Jauernig, §  179 Rz.  7. 201  Zu den sog. Lösungsrechten rechtsvgl. Thorn, Mobiliarerwerb, S.  245 ff. 202  Zöller-Vollkommer, vor §  322 Rz.  34a ff.; Musielak/Voit-Musielak, §  322 Rz.  24; ders., FS Nakamura, S.  423 (431). 203  BGH, Urt. v. 22.10.1999, VIZ 2000, 113 f.; BGH, Urt. v. 30.10.2001, NJW‑RR 2002, 516 (517); BGH, Urt. v. 2.5.2002, BGHZ 150, 377 (383); BGH, Urt. v. 14.3.2008, NJW-RR 2008, 1397 (1398 f.); anders noch BGH, Urt. v. 25.11.1977, WM 1978, 194 (195). 199 

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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wird.204 Diese Auffassung überzeugt. Die Erstreckung der Rechtskraft auf sogenannte Urteilselemente, wie sie im gemeinen Recht von v. Savigny205 und Windscheid206 befürwortet wurde, hat der Gesetzgeber bei der Beratung der CPO von 1877 eindeutig abgelehnt.207 Die gemeinrechtlichen Lehren bergen nämlich die Gefahr, dass die Parteien durch die rechtskräftige Feststellung von Vorfragen überrascht werden, deren Feststellung sie gar nicht abgesehen und schon gar nicht beantragt haben.208 Namentlich der Beklagte würde bei einer rechtskräftigen Entscheidung über Vorfragen häufig nicht absehen können, welche Risiken für Folgeprozesse er mit dem Vorbringen von Verteidigungsmitteln eingeht. Wollen die Parteien eine rechtskräftige Entscheidung über eine Vorfrage herbeiführen, müssen sie sich der Zwischenfeststellungsklage nach §  256 Abs.  2 ZPO bedienen.209 Die Gegenauffassung führt letztlich zu einer rechtskräftigen Entscheidung jenseits der Parteianträge und verstößt damit – streng genommen – gegen den Grundsatz ne ultra petita (vgl. §  307 Abs.  1 ZPO). Mit der herrschenden Meinung ist daher eine Erstreckung der Rechtskraft auf die Gegenforderung im autonomen Prozessrecht abzulehnen. Dies gilt auch für das österreichische Recht, da nach §  411 Abs.  1 S.  1 der österreichischen ZPO nur solche Feststellungen in Rechtskraft erwachsen, hinsichtlich derer nach §  236 oder §  259 der österreichischen ZPO die Feststellung (ähnlich der deutschen Zwischenfeststellungsklage210) auch beantragt wurde. b) Rechtskraft über Gegenforderungen in Frankreich und England Daraus, dass sich das Problem der Rechtskraft über Vorfragen nach deutsch­ rechtlich geprägtem Verständnis nicht stellt, kann man jedoch nicht auf eine Beschränkung der Rechtskraft auf die Entscheidungsgründe in allen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen schließen. Exemplarisch lässt sich dies am französischen und englischen Prozessrecht verdeutlichen.

BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (3); zustimmend Dieckmann, GS Arens, S.  43 (47 f.); Zöller-Vollkommer, vor §  322 Rz.  34a. 205  v. Savigny, System, Bd. VI, S.  358. 206  Windscheid, Pandektenrecht, Bd. I, §  130 5. (S.  388 ff.). 207  Vgl. Hahn, Materialien zur CPO, Bd. II/1, S.  290 f. (Begründung des Entwurfs) sowie S.  607 ff. (Protokolle der Kommission, Erste Lesung); Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  153 Rz.  10. 208  Münch, R.L.R. 2003, 219 (225); Foerste, ZZP 108 (1995), 167 (168); im Grundsatz auch MüKoZPO-Gottwald, §  322 Rz.  55. 209  Vgl. Gaul, FS Flume, Bd. I, S.  4 43 (479); MüKoZPO-Gottwald, §  322 Rz.  57. 210  Siehe rechtsvgl. Ritter, ZZP 87 (1974), 138 (139). 204 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

aa) Rechtskraft über Gegenforderungen im französischen Recht Soweit ersichtlich, ist in Frankreich noch keine Entscheidung zur Rechtskraft über Gegenforderungen im Rahmen eines droit de retention ergangen. Ob sich die Rechtskraft auf solche Gegenforderungen erstrecken würde, lässt sich daher nur aus dem allgemeinen französischen Rechtskraftverständnis heraus beantworten. Diese französische Rechtspraxis hat dabei traditionell eher mit einer weiten Rechtskrafterstreckung in Anlehnung an die gemeinrechtlichen Lehren 211 sympathisiert als das deutsche Prozessrecht. Grundsätzlich folgt die Reichweite der Rechtskraft im französischen Zivilprozessrecht aus Art.  480 N.C.P.C.212 sowie aus Art.  1351 C.C. Art.  480 N.C.P.C. bestimmt: „Le jugement qui tranche dans son dispositif tout ou partie du principal, ou celui qui statue sur une exception de procédure, une fin de non-recevoir ou tout autre incident a, dès son prononcé, l’autorité de la chose jugée relativement à la contestation qu’il tranche.“

Nach dem Wortlaut erwächst das jugement also insoweit in Rechtskraft, als sein dispositif, also sein Tenor, die gesamte Hauptsache oder einen Teil von ihr entscheidet. Den sonstigen Umfang der Rechtskraft bestimmt der im materiellen Recht verortete Art.  1351 C.C.: „L’autorité de la chose jugée n’a lieu qu’à l’égard de ce qui a fait l’objet du jugement. Il faut que la chose demandée soit la même; que la demande soit fondée sur la même cause; que la demande soit entre les mêmes parties, et formée par elles et contre elles en la même qualité.“

Gesperrt ist danach eine erneute Klage mit demselben objet, also demselben Klageziel, aber nur, soweit dieses auch auf dieselbe cause, also denselben Klagegrund, gestützt wird (vgl. Art.  1351 S.  2 C.C.). Im Vergleich zum deutschen Prozessrecht erscheint die französische Rechtskraftwirkung daher zunächst enger,213 da sich die Bindungswirkung nach Art.  1351 C.C. nicht auf den Antrag und den gesamten Lebenssachverhalt,214 sondern auf den Klagegrund, also den konkreten Anspruch, beschränkt. So kann ein Kläger in Frankreich aus mehreren rechtlichen Gesichtspunkten mehrfach klagen, z. B. wenn im Rahmen einer unerlaubten Handlung verschiedene deliktische Anspruchsgrundlagen als unterschiedliche causes angesehen werden.215 211 

Siehe dazu die Nachweise in Fn.  205 f. Cass., 12.2.2004, Bull. civ. 2004 II, Nr.  55. 213  Aus rechtsvergleichender Sicht Zeuner, FS Zweigert, 603 (608); Nelle, Vollstreckung, S.  22; Kössinger, Rechtskraftprobleme, S.  100 ff. sowie S.  146 ff. 214  So der in Deutschland herrschende zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff, vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (5); Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  90 ff.; Zöller-Vollkommer, Einl., Rz.  83. 215  Vgl. Cass., 29.10.1934, DP 1935, 1 (17). 212 

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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Die Rechtskraft kann jedoch nach französischem Verständnis auch deutlich weiter reichen als in Deutschland. Zwar beschränkt der Wortlaut des Art.  480 N.C.P.C. die Rechtskraft – ähnlich der herrschenden Auffassung zu §  322 Abs.  1 ZPO im deutschen Recht – auf den Tenor. In der Vergangenheit wurden von diesem Grundsatz in Literatur und Rechtsprechung jedoch z. T. weitreichende Ausnahmen gemacht. So sollen nach z. T. vertretener Auffassung auch die „motifs qui constituent le soutien nécessaire du dispositif“216 in Rechtskraft erwachsen, also die den Tenor tragenden Entscheidungsgründe und präjudiziellen Feststellungen. Auch die Cour de cassation hat den Umfang der Rechtskraft teil­ weise auf Einwendungen des Beklagten mit dem Argument erstreckt, dass ohne die Entscheidungsgründe nicht verständlich sei, was der Richter im Tenor entschieden habe.217 In der Literatur wurde auch vertreten, dass sich der Tenor auf alle zwischen den Parteien erörterten und vom Gericht entschiedenen Fragen unabhängig davon erstrecke, ob sie vom Kläger oder vom Beklagten vorgebracht worden seien.218 Dies gelte jedoch nur, soweit über die betreffende Frage tatsächlich streitig verhandelt worden sei; ein als verspätet zurückgewiesenes Verteidigungsmittel zeitige daher keine Rechtskraftwirkungen.219 Folgte man dem, so ließe sich argumentierten, dass im Falle eines Zurückbehaltungsrechts, soweit über das Bestehen der Gegenforderung streitig entschieden wurde, der Tenor durch diese Entscheidung maßgeblich beeinflusst wird und sie somit als motif décisif in Rechtskraft erwächst. Diese weite Rechtskrafterstreckung im Sinne v. Savignys220 ist jedoch auch in Frankreich bereits früh auf Widerspruch gestoßen.221 Sie begegnet in der französischen Literatur denselben Bedenken, die bereits im Zusammenhang mit der in Deutschland geäußerten Kritik an den gemeinrechtlichen Lehren v. Savignys und Windscheids erörtert wurden.222 Dennoch hat sich insbesondere die erste Kammer der Cour de cassation auch in jüngerer Zeit noch einem weiten Rechtskraftverständnis zugeneigt gezeigt, das auch die tragenden Entscheidungsgründe, insbesondere mögliche Einwendungen, mit einbezieht.223 216  Cons. const., 6.1.1962, Rec. Cons. Const. 1962, 31; kritisch dazu Guinchard, Droit et pratique, Rz.  4977. 217  Cass., 6.2.1965, Bull. civ. 1965 II, Nr.  109; 21.11.1974, Bull. civ. 1974 III, Nr.  432. 218  So zu den sog. „décisions implicites“ Lacoste, Chose jugée, Rz.  237 ff. 219  Lacoste, Chose jugée, Rz.  240 f. 220  Dazu bereits oben §  6 II. 1. a) sowie aus Sicht des französischen Rechts Dumitresco, Autorité de la chose jugée, S.  212. 221  Kritisch insbesondere Dumitresco, Autorité de la chose jugée, S.  213 ff.; Vincent/ Guinchard, Procédure civile, Rz.  175; Guinchard, Droit et pratique, Rz.  4978. 222  Siehe oben §  6 II. 1. a). 223  Cass., 21.7.2001, Bull. civ. 2001 I, Nr.  216; so auch noch Lacoste, Chose jugée, Rz.  237 ff. m. w. N. zur frühen Rechtsprechung.

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

Klarheit hat insoweit die Entscheidung der Assembée Plénière der Cour de cassation vom 13. März 2009 gebracht, in der sich der Gerichtshof zu einer engen, allein auf den dispositif begrenzten Rechtskrafttheorie bekannt hat. Im konkreten Fall folgerte die Cour de cassation aus diesem Grundsatz, dass mit der Verurteilung zur Zahlung einer bestimmten Summe nicht zugleich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis rechtskräftig festgestellt sei.224 Aufgrund dieser klärenden Plenarentscheidung ist davon auszugehen, dass auch das Bestehen einer Gegenforderung im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts – sofern im Tenor nicht ausdrücklich festgestellt – auch nach französischem Verständnis nicht an der Rechtskraft teilnimmt. bb) Rechtskraft über Gegenforderungen im englischen Recht Die englische Rechtstradition fasst die Rechtskraft von Entscheidungen deutlich weiter als die deutsche und die neuere französische Prozessrechtspraxis. Im Interesse der Endgültigkeit von Entscheidungen bezieht sie seit langem Vorfragen, Entscheidungsgründe einschließlich der Verteidigungsmittel des Beklagten außerhalb des Subsumtionsschlusses und sogar festgestellte Tatsachen in den res judicata-Effekt mit ein. 225 Ein leading case für die Rechtskraft von Entscheidungsgründen ist die Entscheidung Ord v. Ord226 aus dem Jahr 1923. Die Klägerin hatte ihren von ihr getrennt lebenden beklagten Ehemann aus einem deed of separation auf rückständige Zahlungen von Unterhalt in Anspruch genommen. Der Beklagte wehrte sich mit der Behauptung, der deed of separation sei aufgrund eines durch die Klägerin begangenen Ehebruchs nichtig, blieb jedoch im Prozess für den Ehebruch beweisfällig und unterlag. Wenig später wurde der Beklagte erneut wegen weiterer rückständiger Forderungen aus dem deed gerichtlich in Anspruch genommen. Der Beklagte wandte erneut verteidigungsweise ein, der deed of separation sei wegen Ehebruchs nichtig gewesen. Das Gericht ging davon aus, dass über den Einwand der Nichtigkeit des deed bereits im Vorprozess abschließend entschieden worden sei und der Kläger mit dem auf denselben Fakten basierenden Einwand in einem Zweitprozess nicht mehr gehört werden dürfe: „The maxim ‚Nemo debet bis vexari‘ prevents a litigant who has had an opportunity of proving a fact in support of his claim or defence [Hervorhebung d. Verf.] and chosen not to rely 224 

Cass. (Ass. Plén.), 13.3.2009, Bull. civ. 2009 III, Nr.  3. Outram v. Morewood (1803) 3 East 346 (355 f.) (K.B.); Boileau v. Rutlin (1848) 154 E.R. 657 (681) (C. Ex.); Stephen, Law of Evidence, S.  56 ff.; rechtsvgl. aus deutscher Sicht Cohn, FS Nipperdey, Bd. 1, S.  875 (887 f.); Otte, Streitentscheidung, S.  121 ff.; Germelmann, Rechtkraft in der EU, S.  236; Nelle, Vollstreckung, S.  94. 226  Ord v. Ord (1923) 2 K.B. 432 (K.B.). 225 

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on it from afterwards putting it before another tribunal. To do that would be unduly to harass his opponent, and if he endeavoured to do so he would be met by the objection that the judgment in the former action precluded him from raising that contention.“227

Die Rechtskraftwirkung von Entscheidungsgründen stützte sich damals primär auf den Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung. Es wird dabei nicht unmittelbar auf die res judicata-Lehre Bezug genommen, sondern das Institut des estoppel herangezogen,228 das die Rechtsprechung für die Rechtskraft von Entscheidungsgründen zum issue estoppel229 konkretisiert hat. Issue estoppel gilt ausweislich der zitierten Leitentscheidung auch nicht nur für die Rechtsfrage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Einrede, sondern erfasst auch das Vorliegen der sie begründenden Tatsachen. Die englische Lehre geht dabei z. T. sogar so weit, dass sie dem Gegner einen Einwand in einem Zweitprozess sogar dann abschneidet, wenn dieser es sorgfaltswidrig versäumt hat, den Einwand im Erstprozess geltend zu machen.230 Mithin erwachsen grundsätzlich sämtliche Urteilsprämissen und entscheidungserhebliche rechtliche wie tatsächliche Streitfragen des Vorprozesses in Rechtskraft.231 Ausnahmen aus Billigkeitsgründen sind zwar in Einzelfällen denkbar.232 So setzt die Bindung an die Entscheidung im Erstprozess voraus, dass der betroffenen Partei hinreichend rechtliches Gehör gewährt wurde. Sie entfällt z. B., wenn das Gericht zu Unrecht Beweisanträge abgelehnt hat.233 In der Regel wird aber die res judicata-Wirkung wie schon in Ord v. Ord auch in der neuen Rechtsprechung auf vom B ­ eklagten eingewendete Verteidigungsmittel erstreckt.234 Im Rahmen von Z ­ urückbehaltungsrechten hat sich englischen Gerichten die Rechtskraftfrage – soweit ersichtlich – noch nicht gestellt. Dies verwundert auch nicht, da das englische Recht ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht außerhalb synallagmatiOrd v. Ord (1923) 2 K.B. 432 (443) (K.B.). Thoday v. Thoday (1963) [1964] P. 181 (198) (C.A.); dazu rechtsvgl. Cohn, FS Nipperdey, Bd. 1, S.  875 (887 ff.). 229  Vgl. nur Fidelitas Shipping Co. Ltd. v. V/O Exportchleb (1965) [1966] 1 Q.B. 630 (640) (C.A.). Zur Abgrenzung von res judicata und issue estoppel aus deutscher Sicht Spellenberg, FS Henckel, S.  841 (846 f.). 230  Henderson v. Henderson (1843) 3 Hare 100 (115) (C. Ch.); Fidelitas Shipping Co. Ltd. v. V/O Exportchleb (1965) [1966] 1 Q.B. 630 (640) (C.A.). 231  Vgl. zu den einzelnen Unterarten des estoppel-Prinzips Lord Denning in Fidelitas Shipping Co. Ltd. v. V/O Exportchleb (1965) [1966] 1 Q.B. 630 (640) (C.A.). 232  Allgemein: Henderson v. Henderson (1843) 3 Hare 100 (115) (C. Ch.); Johnson v. Gore Wood & Co (2000) [2002] 2 A.C. 1 (31A) (H. L.); für Unanwendbarkeit in Kindschaftssachen: In Re B. (Minors) (Care Proceedings: Issue Estoppel) (1997) Fam. 117 (129). 233  Carl-Zeiss-Stiftung v. Rayner and Keeler (1966) 2 All E.R. 536 (573) (H. L.) (obiter); dazu Spellenberg, FS Henckel, S.  841 (847 f.). 234  Bank of Scotland v. Hussain (2010) WL 4339482 (Ch. Div.); Johnson v. Gore Wood & Co (2000) [2002] 2 A.C. 1 (31A) (H. L.). 227 

228 

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scher Leistungspflichten, die meist demselben Gerichtsstand unterliegen, nicht kennt. Dort aber, wo die Gerichte im Rahmen der Anwendung fremden Rechts Zurückbehaltungsrechte berücksichtigen (so z. B. das schottische right to withhold performance), werden sie nach englischen Prozessrecht klar als Verteidigungsmittel eingestuft.235 Soweit also nach streitiger Verhandlung über eine Gegenforderung im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts entschieden wurde, wäre der Beklagte des Erstprozesses „estopped“, die Forderung – gleichviel, ob in der Hauptsache oder im Wege der Einrede – nochmals geltend zu machen. cc) Zusammenfassung Die Illustration des englischen Prozessrechts zeigt, dass die Beschränkung der Rechtskraft auf den Tenor und die Ausblendung von Vorfragen im deutschen Prozessrechts nicht ohne weiteres einer gemeinschaftsautonomen Lösung des Vorfragenproblems zugrunde gelegt werden kann. Ungeklärt bleibt daher, ob die Möglichkeit einer rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung zu einem Zuständigkeitserfordernis bei Zurückbehaltungsrechten nötigt. 2. Anerkennung der Rechtskraftwirkung des Entscheidungsstaates Im Anschluss an diese Erkenntnisse zu den englischen Rechtskraftwirkungen bleibt zu klären, inwieweit sich diese im Anwendungsbereich der EuGVVO in anderen Mitgliedstaaten auswirken. Ein allgemeines verordnungsautonomes Rechtskraftverständnis hat sich auch durch die jüngere Rechtsprechung des EuGH noch nicht etabliert. Es bleibt also die Frage, inwieweit die Rechtskraftwirkungen des Entscheidungsstaates vom Anerkennungsstaat übernommen werden müssen. a) Kein verordnungsautonomes Verständnis der Rechtskraft Ein eindeutiges „europäisches“ Verständnis der Rechtskraft hat sich bisher nicht etabliert. Die Diskussion um einen verordnungsautonomen Rechtskraftbegriff236 ist allerdings durch die Entscheidung des EuGH in Sachen Gothaer/ Samskip 237 wieder in Bewegung gekommen. Gegenstand des Ausgangsverfahrens war ein Streit um die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung. Der Kläger hatte zunächst in Belgien Klage erhoben, obwohl die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit isländischer Gerichte vereinbart hatten. Daraufhin Bank of East Asia Ltd. v. Scottish Enterprise (1996) [1997] S.L.T. 1213 (H. L.). Koch, Unvereinbare Entscheidungen, S.  161 f.; Gottwald, Symposium für Schwab, S.  85 (95 ff.); dagegen aber Sepperer, Rechtskraft in der EuGVO, S.  160 f. 237  EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 – Gothaer. 235 

236 

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wies der Hof van beroep te Antwerpen die Klage unter Hinweis auf die Gerichts­ standsvereinbarung ab. Der Kläger wandte sich sodann an das LG Bremen, das die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam hielt. Es legte dem EuGH unter anderem die Frage vor, ob es die rechtskräftige Entscheidung des belgischen Gerichts hinsichtlich der (nur in den Entscheidungsgründen festgestellten) Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anzuerkennen habe. Der EuGH hat die Vorlagefrage bejaht. Unter Verweis auf das Verständnis zur Reichweite der Rechtskraft der eigenen Entscheidungen stellte er fest, dass im Unionsrecht der Begriff der Rechtskraft nicht nur „den Tenor der fraglichen gerichtlichen Entscheidung“ umfasst, „sondern auch deren Gründe, die den Tenor tragen und von ihm daher nicht zu trennen sind“.238 Die Entscheidung eines Gerichts, mit der es seine Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung ablehne, binde die Gerichte anderer Mitgliedstaaten daher sowohl hinsichtlich der Entscheidung über die Unzuständigkeit dieses Gerichts im Tenor als auch hinsichtlich der Feststellung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung in den tragenden Entscheidungsgründen.239 Wollte man dieses Rechtskraftverständnis verallgemeinern, müsste also die Entscheidung über das Bestehen einer Gegenforderung im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts von den Gerichten des Anerkennungsstaats immer als rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung anerkannt werden. Ob die Entscheidung des EuGH jedoch eine derart allgemeine Aussage dahin­ gehend enthält, die Rechtskraft eines anzuerkennenden Urteils erfasse künftig stets auch die tragenden Entscheidungsgründe, erscheint mehr als zweifelhaft.240 Dies zeigt bereits die Begründung des EuGH für die Anwendung seines Rechtskraftkonzepts: Der Gerichtshof führt aus, dass die Rechtskraft mit Blick auf die Feststellungen zur Zuständigkeit autonom bestimmt werden müsse, um die Nachprüfung der Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats im Anerkennungsverfahren entgegen Art.  35 Abs.  3 EuGVVO a. F. (nach Entfallen des Exequaturverfahrens normiert in Art.  45 Abs.  3 EuGVVO n. F.) und eine révision au fond (hier hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage) entgegen Art.  36 EuGVVO a. F. (Art.  52 EuGVVO n. F.) zu verhindern.241 Könnte das Gericht des Anerkennungsstaats eine vom Erstgericht für wirksam gehaltene Gerichtsstandsvereinbarung für nichtig befinden, verstieße dies insbesondere dann gegen das Nachprüfungsverbot, wenn das Erstgericht ohne die Gerichtsstandsvereinbarung seine Zuständigkeit hätte bejahen können. Denn eine abweichenEuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 (62), Rz.  40 – Gothaer. EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 (62), Rz.  41 – Gothaer. 240  Unklar zur Reichweite des Urteils Nagel/Gottwald, IZPR, §  12 Rz.  22; wie hier zurückhaltend Bach EuZW 2013, 56; Hau, LMK 2013, 341521. 241  EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 (62), Rz.  41 – Gothaer. 238  239 

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de Entscheidung des Anerkennungsgerichts könne nicht nur die Feststellung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung, sondern auch die Entscheidung dieses Gerichts, seine eigene Zuständigkeit als solche zu verneinen, in Frage stellen.242 Ob das Anerkennungsgericht in seiner Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Erstgerichts beschränkt sei, könne aber nicht von den ­unterschiedlichen nationalen Rechtskrafttheorien, sondern nur vom unionsrechtlichen Verständnis abhängen.243 Man mag dem EuGH vorhalten, dass er mit seiner Entscheidung über das Ziel hinausgeschossen ist, 244 zumal das LG Bremen die Unzuständigkeit bel­ gischer Gerichte (nicht aber die Zuständigkeit isländischer Gerichte) auch nach deutschem Rechtskraftverständnis hätte akzeptieren müssen.245 Deutlich wird jedoch, dass der EuGH kein allgemeines europäisches Rechtskraftverständ­nis etablieren und dem Grundsatz ne ultra petita (vgl. §  308 Abs.  1 ZPO) e­ uropaweit den Boden entziehen wollte.246 Ziel war vielmehr, die Überprüfung von Zuständigkeitsentscheidungen des Erstgerichts durch das Anerkennungsgericht zu verhindern. Die Bindung an die Entscheidungsgründe beschränkt der Gerichtshof daher auch ausdrücklich auf eine Entscheidung, „mit der das Gericht eines anderen Mitgliedstaats seine Zuständigkeit wegen einer Gerichtsstandsvereinbarung verneint hat.“247 Ansonsten bleibt es bei der Wirkungserstreckung der Rechtskraftwirkungen des Erstgerichts auf den Anerkennungsstaat.248 b) Wirkungserstreckung der Rechtskraft des Ersturteils Der Umfang der Rechtskraft eines Urteils und damit die Frage, ob bei einer Entscheidung über ein Zurückbehaltungsrecht die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Gegenforderung in Rechtskraft erwächst, richtet sich im Anwendungsbereich der EuGVVO daher weiterhin nach dem Recht des Entscheidungsstaates.249 Inwieweit die Rechtskraftwirkungen des EntscheiEuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 (62), Rz.  38 – Gothaer. EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 (62), Rz.  39 – Gothaer. 244  Bach, EuZW 2013, 56 (57 f.). 245  Vgl. zur Rechtskraft der Entscheidungsgründe von Prozessurteilen nur BGH, Urt. v. 06.3.1985, NJW 1985, 2353; Musielak/Voit-Musielak, §  322 Rz.  44 m. w. N. 246  So auch Bach, EuZW 2013, 56 (58). 247  EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 (62), Rz.  43 – Gothaer. 248  EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 (61), Rz.  34 – Gothaer mit Verweis auf die Entscheidung Hoffmann/Krieg, hierzu sogleich unten §  6 II. 2. b). 249  OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.12.1957, NJW 1958, 1046; Martiny, in: Hdb. IZVR, Bd. III/­ 2, Kap.  II Rz.  72; Lenenbach, Unvereinbarkeiten, S.  155; Geimer, IZPR, Rz.  27; Adolphsen, EuZPR in Patentsachen, S.  148. 242  243 

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dungsstaats im Wege der Urteilsanerkennung aber durch einen anderen Staat übernommen werden müssen, ist immer noch umstritten.250 Teilweise wird vertreten, dass der ausländischen Entscheidung die gleichen Wirkungen zukommen sollen wie einem Urteil im Anerkennungsstaat (sog. Theorie der Wirkungsgleichstellung).251 Wesentlich weiter geht demgegenüber die Theorie der Wirkungserstreckung, die sowohl im Geltungsbereich der EuGV­VO a. F. als auch der Neufassung252 von der überwiegenden Auffassung253 vertreten wird. Nach ihr soll die ausländische Entscheidung im Inland die gleichen Wirkungen haben wie im Urteilsstaat. Auch der EuGH hat sich in der Rechtssache Hoffmann/Krieg254 einer weitgehenden Übertragung von Rechtskraftwirkungen zugeneigt gezeigt und seine Ausrichtung in der Entscheidung Gothaer/Samskip noch einmal bekräftigt.255 Eine vermittelnde Auffassung schlägt schließlich eine begrenzte Wirkungserstreckung vor, nach der einer ausländischen Entscheidung zumindest keine weitergehenden Wirkungen zukommen dürfen als einer inländischen (sog. Kumulationstheorie256). Diese Anerkennungstheorien wurden in der Literatur bereits ausführlich diskutiert257, so dass für eine detaillierte Auseinandersetzung auf die bereits zahlreich vorhandenen Darstellungen verwiesen werden kann. Für die Zwecke dieser Untersuchung wird von der Wirkungserstreckungstheorie ausgegangen, nach der im Geltungsbereich der EuGVVO die Rechtskraft der Entscheidung über eine GegenfordeVgl. zum Streitstand Nelle, Vollstreckung, S.  240 ff.; Spiecker gen. Döhmann, Rechtskraftwirkungen, S.  61 ff.; E. Mittenzwei, Verfahrenskollisionen, S.  78; Otte, Streitentscheidung, S.  180 ff. m. w. N. 251  Rauscher-Leible, Art.  33 EuGVVO Rz.  3; Geimer, IZPR, Rz.  2779; zum autonomen deutschen Recht: BGH, Urt. v. 6.10.1982, NJW 1983, 514 (515); Urt. v. 1.6.1983, NJW 1983, 1976 (1977); Müller, ZZP 79 (1966), 199 (205 f.); für die Anerkennung nach autonomem ­österreichischem Recht Matscher, FS Schima, S.  265 (277 ff.). 252  Musielak/Voit-Stadler, Art.  36 EuGVO n. F. m. w. N. 253  Geimer, IZPR, Rz.  2784; ders., RIW 1976, 139 (141) (für die EuGVVO/das EuGVÜ); Lenenbach, Unvereinbarkeiten, S.  153; Sepperer, Rechtskraft in der EuGVO, S.  157; G. Fischer, FS Henckel, S.  199 (205 ff.); Bungert, IPRax 1992, 225 (227); Saenger-Dörner, §  328 Rz.  6; MüKoZPO-Gottwald, Art.  33 EuGVVO Rz.  3; Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Mäsch, ZVR, Art.  33 EuGVVO Rz.  2. 254  EuGH, Urt. v. 4.2.1988, Rs.  145/86, Slg. 1988, 662 (666), Rz.  10 f. – Hoffmann/Krieg. A. A. GA Léger, Schlussanträge v. 9.7.1987, Rs.  145/86, Slg. 1988, 654 (657), Rz.  20 – Hoffmann/Krieg; Schack, IZVR, Rz.  886. 255  EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, 60 (61) – Gothaer; siehe oben §  6 II. 2. a). 256  OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.11.1985, IPRax 1986, 297; LG Hamburg, Urt. v. 11.7.1991, IPRax 1992, 251 (254); Schack, IZVR, Rz.  886; Geimer, Anerkennung, S.  27 für das autonome IZVR (anders für die EuGVVO: volle Wirkungserstreckung, IZPR, Rz.  2784); differenzierend MüKOZPO-Gottwald, §  328 Rz.  161 f. 257  Vgl. die Nachweise in Fn.  250 ff. 250 

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rung im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts, soweit sie in einem Mitgliedstaat denkbar ist, in einer anderen Rechtsordnung anzuerkennen wäre. Hierfür sprechen zwei Gründe: Erstens ist eine auch für die Praxis relevante Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen Rechtskraft und Zuständigkeit nur dann zielführend, wenn sie von denselben Prämissen ausgeht, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch der EuGH und damit auch die Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten in Zukunft zugrunde legen wird. Der Gerichtshof hat – wie dargelegt – zumindest eine sehr deutliche Tendenz zugunsten der Wirkungserstreckungstheorie erkennen lassen.258 Zweitens ist die Wirkungserstreckungstheorie unabhängig von der Interpretation der Stellungnahme des EuGH in der Sache überzeugend. Ein Indiz für die Geltung der Wirkungserstreckungstheorie innerhalb der EuGVVO findet sich in Art.  65 Abs.  2 S.  2 EuGVVO, der die Wirkungserstreckung für Interventionsklagen normiert. Daraus allein folgt zwar noch nicht, dass die Theorie der gesamten Verordnung als allgemeiner Grundsatz zugrunde liegt. Für sie sprechen jedoch die Erwägungen des Jenard-Berichts zum EuGVÜ, der ausdrücklich und eindeutig fordert, den Entscheidungen im Anerkennungsstaat die Wirkungen beizulegen, die ihnen im Urteilsstaat zukommen,259 um so weit wie möglich die „Freizügigkeit der Urteile“260 herzustellen. Der Gedanke des freien Verkehrs gerichtlicher Entscheidungen ist nunmehr auch in den Erwägungsgründen 26 und 27 EuGVVO als tragender Gedanke des reformierten europäischen Zivilverfahrensrechts festgeschrieben. Über diesen grundlegenden Freizügigkeitsgedanken hinaus entspricht die Wirkungserstreckung zudem den Interessen der Verfahrensbeteiligten. Denn Parteien, die einen Prozess im Ausland führen und sich auf die dort geltende lex fori einstellen, werden sich darauf verlassen, dass die nach der lex fori geltenden Urteilswirkungen – auch und gerade wenn diese Wirkungen Vorfragen und Entscheidungsgründe einschließen – nicht nur im Urteilsstaat, sondern im gesamten Geltungsbereich der EuGVVO anerkannt werden.261 So existiert beispielsweise im englischen Recht keine Zwischenfeststellungsklage, da die Notwendigkeit angesichts der weiten Rechtskraftwirkungen für diese Klageart nicht besteht. Zur Vermeidung von Entscheidungswidersprüchen hat die englische

258  So auch MüKoZPO-Gottwald, Art.  33 EuGVVO Rz.  3; Schmehl, Parallelverfahren, S.  97 f.; Sepperer, Rechtskraft in der EuGVO, S.  157; Hess, EuZPR, §  3 Rz.  15. Für eine restriktive Interpretation des Urteils Otte, Streitentscheidung, S.  187; E. Mittenzwei, Verfahrenskollisionen, S.  86. 259  Jenard-Bericht, S.  42 f. 260  Jenard-Bericht, S.  42. 261  So auch Nelle, Vollstreckung, S.  242.

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Rechtsprechung demgegenüber die Lehre vom issue estoppel entwickelt.262 Der Unterschied zwischen englischem und deutschem Prozessrecht besteht also darin, dass die Vermeidung von Entscheidungswidersprüchen durch rechtskräftige Feststellungen im deutschen Prozessrecht Sache der Parteien ist, die einen Antrag auf Zwischenfeststellung stellen müssen, während die Rechtskraft von Vorfragen im englischen Prozessrecht nicht zur Disposition der Parteien steht. Würde man den englischen Rechtskraftwirkungen in Deutschland die Anerkennung versagen, nähme man den Parteien im englischen Prozess, deren lex fori einen Zwischenfeststellungsantrag nicht kennt und die mit der generellen rechtskräftigen Feststellung von Vorfragen rechnen, die Möglichkeit, durch eine rechtskräftige Entscheidung über bestimmte Vorfragen Rechtssicherheit für Folgeprozesse im Ausland zu schaffen.263 Den englischen Parteien muss aber ebenfalls ermöglicht werden, eine unionsweit anerkennungsfähige Entscheidung über Vorfragen herbeizuführen, die derjenigen des deutschen Zwischenfeststellungsantrags entspricht. Der Kläger muss sich also darauf verlassen können, dass der nach englischem Prozessrecht mit seinem Gegenrecht abgewiesene oder ausgeschlossene („estopped“)264 Beklagte nicht dieselbe Frage noch einmal in Deutschland anhängig machen kann. Und der Beklagte hat ein Interesse daran, sein nach englischem Recht festgestelltes Rechtsverhältnis nicht noch einmal von einem deutschen Richter hinterfragen zu lassen. Die Parteiinteressen sprechen also für eine möglichst weite Erhaltung der Rechtskraftwirkungen des Urteilsstaats. Ein Nachteil der Wirkungserstreckung besteht darin, dass der Richter im Zweitprozess möglicherweise ihm fremde Rechtskraftwirkungen der Entscheidungen eines fremden Prozessrechts prüfen muss. Dies ist jedoch kein gravierendes Gegenargument gegen die Wirkungserstreckungslehre, da dem Richter eine solche Prüfung auch nach der Gleichstellungstheorie265 nicht erspart bliebe. Denn um die Vergleichbarkeit von Urteilswirkungen im inländischen und ausländischen Prozessrecht beurteilen zu können, muss der Richter ebenfalls zunächst die Reichweite der Wirkungen des Entscheidungsstaats erforschen. Ausnahmen von der Wirkungserstreckung sind aber anzuerkennen, soweit ausländische Entscheidungswirkungen dem deutschen ordre public widersprechen (vgl. Art.  45 Nr.  1 EuGVVO).266 Man wird jedoch nicht annehmen können, dass die Begrenzung der Rechtskraft auf den Urteilstenor – die schon innerhalb 262 

Dazu oben §  6 II. 1. b) bb). Zur Bedeutung rechtskräftiger Zwischenfeststellungen für den internationalen Entscheidungseinklang Schack, IZVR, Rz.  1007. 264  Dazu oben §  6 II. 1. b) bb). 265  Dazu oben §  6 II. 2. 266  Kropholler, IPR, §  60 IV 2 (S.  666 f.); Nagel/Gottwald, IZPR, §  12 Rz.  25. 263 

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der deutschen Rechtswissenschaft umstritten ist267 und in §  322 Abs.  2 ZPO sogar ausdrücklich durchbrochen wird – Bestandteil des deutschen ordre public sei.268 Die Anerkennung der weiten Rechtskraftwirkungen eines englischen Urteils über Vorfragen stellt auch keinen Verstoß gegen das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör dar.269 Denn auch nach englischem Prozessrecht haben die Parteien Gelegenheit, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel umfassend vorzutragen. Auf abweichende Präklusionswirkungen nach der ausländischen lex fori müssen sich die Beteiligten hingegen einstellen, solange diese Präklusionswirkungen nicht willkürlich oder sachfremd und daher mit deutschen Rechtsprinzipien schlechthin unvereinbar sind. Vor dem Hintergrund der Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf einen Zweitprozess in einem anderen Mitgliedstaat stellt sich somit die Frage, ob die Rechtskraftwirkung für die Gegenforderung im Rahmen der Entscheidung über ein Zurückbehaltungsrecht dazu führt, dass darüber nur die für die Gegenforderung international zuständigen Gerichte entscheiden dürfen. 3. Koppelung von Rechtskraft und Zuständigkeit nach der EuGVVO? Geht man mit der in Deutschland herrschenden Auffassung davon aus, dass der Grund für ein Zuständigkeitserfordernis bei der Aufrechnung in der Rechtskraft der Entscheidung über die Gegenforderung liegt,270 so dürfte man hinsichtlich eines Zurückbehaltungsrechts im europäischen Kontext grundsätzlich nicht anders entscheiden. Denn urteilt ein englisches Gericht über ein Zurückbehaltungsrecht, müssen ausländische Gerichte – wie eben gezeigt – nach der vom EuGH befürworteten Theorie der Wirkungserstreckung im Zweitverfahren die Rechtskraftwirkung des englischen Urteils über den Bestand der Gegenforderung anerkennen. Sind aber eigentlich deutsche Gerichte für die Gegenforderung international zuständig, so ergeht letztlich eine abschließende und europaweit anzuerkennende Entscheidung über die Gegenforderung durch das „falsche“ Gericht. Mit dem Rechtskraftargument ließe sich also auch bei Zurückbehaltungsrechten die These vertreten, bei einer potentiell abschließenden rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung sei nach der jeweiligen lex fori eine anderweitige internationale Zuständigkeit zu berücksichtigen, so dass der Beklagte mit seinem Retentionsrecht gegebenenfalls nicht gehört wer267 

268 

Siehe nur Zeuner, Rechtskraft, S.  44 sowie oben §  6 II. 1. b) bb). So i. Erg. auch Gottwald, FS Musielak, S.  183 (189). A. A. Müller, ZZP 79 (1966), 199

(207). 269  So aber Müller, ZZP 79 (1966), 199 (206 f.). 270  BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (116); Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  595; Eickhoff, Aufrechnung, S.  168; Busse, MDR 2001, 729; Geimer, NJW 1973, 951; ­MüKoZPO-Fritsche, §  145 Rz.  37; zur Argumentation bereits oben §  3 II. 3. a).

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den könne. Diese allgemeine Koppelung von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis findet sich auch in der internationalen Diskussion in Ansätzen wieder.271 So hat z. B. der österreichische OGH den Zusammenhang zwischen Kognitions­ befugnis und Rechtskraft bemüht, allerdings um aus der fehlenden Rechtskrafterstreckung auf Vorfragen im österreichischem Recht die Entbehrlichkeit der internationalen Zuständigkeit für ihre Zulässigkeit herzuleiten: „Da die Lösung einer Vorfrage nicht rechtskräftig werden kann, besteht kein Hindernis für das inländische Gericht, auch Vorfragen zu beantworten, über die als Hauptsache eine ausländische Behörde zu entscheiden hätte.“272

Die Frage ist, ob man diese vom OGH aufgestellte Regel umkehren kann, ob also bei rechtskräftiger Entscheidung über eine Vorfrage nur das Gericht entscheidungsbefugt ist, das über die Frage als Hauptsache zu entscheiden hätte. Besonders deutlich tritt dieses Problem bei anderweitigen ausschließlichen Zuständigkeiten für eine Vorfrage zutage, die nach Art.  27 EuGVVO von Amts wegen zu beachten sind. Denn die EuGVVO stellt in Art.  45 Abs.  1 lit.  e) ii) i. V. mit Abschnitt 6 des Kapitels II für Entscheidungen, die eine anderweitige ausschließliche internationale Zuständigkeit missachten, sogar ein Anerkennungshindernis auf.273 Daher ist zu klären, ob eine größtmögliche Erstreckung der Kognitionsbefugnis auf Zurückbehaltungsrechte und andere Vorfragen ungeachtet der Rechtskraft mit dem System der EuGVVO vereinbar oder sogar gefordert ist. Hierzu soll zunächst unter Heranziehung des Jenard-Berichts zum EuGVÜ analysiert werden, inwieweit eine Koppelung von Rechtskraft und Vorfrage­ zuständigkeit bei der Schaffung der einheitlichen Zuständigkeitsvorschriften gewollt war. Angesichts der weiten Rechtskrafterstreckung in England ist auch von Interesse, inwieweit in der englischen Rechtsprechung zum europäischen Zivilverfahrensrecht sowie der Rechtsprechung des EuGH ein solcher Zusammenhang bereits Praxis ist. Daran anknüpfend wird ein eigener Lösungsansatz vorgestellt. a) Der Sachverständigenbericht von Jenard zum EuGVÜ Aus der Entstehungsgeschichte der EuGVVO ist nicht erkennbar, ob das Pro­ blem unterschiedlicher Rechtskraftwirkungen für Vorfragen vom Verordnungsgeber überhaupt gesehen wurde. Der Sachverständigenbericht von Jenard zum Cappelletti, Sentenze straniere, S.  17 ff.; Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  603. OGH, Urt. v. 11.7.1968, ZfRV 1968, 220 (222). 273  Nach dem Wegfall des Exequaturverfahrens durch die Neufassung hat der Vollstreckungsschuldner die Möglichkeit, die Versagung zu beantragen, vgl. Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO. 271 

272 

112

§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

EuGVÜ geht im Rahmen der Erörterung ausschließlicher Zuständigkeiten auf die Möglichkeit der rechtskräftigen Entscheidung über Vorfragen in einem Mitgliedstaat nicht ausdrücklich ein. Deutlich wird aber, dass die ausschließlichen Zuständigkeiten im Rahmen eines Prozesses nicht für jeden im Verfahren aufgeworfenen Streitpunkt greifen sollen, der in den sachlichen Anwendungsbereich einer ausschließlichen Zuständigkeit fällt. Die französische Originalfassung des Jenard-Berichts grenzt insoweit Fälle, in denen nach Art.  27 EuGVVO eine Unzuständigerklärung erfolgt, weil einem Gericht eine Frage „à titre principal“ (vgl. die französische Fassung von Art.  27 EuGVVO) unterbreitet wird, von Fällen ab, in denen sich der Streitpunkt nur „à titre d’exception“ stellt („si la question […] n’est soulevée qu’à titre d’exception“274). In der deutschen Übersetzung ist von Fällen die Rede, in denen der Streitpunkt lediglich als „Vorfrage“ aufgeworfen wird, in der englischen von „incidental matters“275. Was genau damit gemeint ist, bleibt nach den unterschiedlichen Sprachfassungen unklar. Keinesfalls darf das deutschrechtliche Verständnis der zivilprozessualen Vorfrage oder des präjudiziellen Rechtsverhältnisses als eine nicht rechtskraftfähige Inzidentprüfung im Gegensatz zur rechtskraftfähigen „Hauptsache“ unreflektiert übernommen werden, wie dies in Teilen der Literatur erfolgt.276 Denn für die Lösung von Zuständigkeitsproblemen innerhalb der EuGVVO verbietet es sich, einseitig ein nationales Rechtskraftkonzept zugrundezulegen. Der Begriff der Vorfrage, der sich in der EuGVVO selbst nicht wiederfindet, kann daher allenfalls zur Umschreibung des Problems dienen. Ein Lösungsansatz lässt sich aus ihm jedoch nicht entwickeln. b) Zuständigkeitsbezug der Vorfrage in England Ein englischer Richter könnte aufgrund der weiten Rechtskraftwirkungen englischer Urteile eher geneigt sein, die Beurteilung einer Vorfrage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zu verweigern, sofern die Frage in der Hauptsache einem anderen Gericht zugewiesen wäre. Eine ausdrückliche Stellungnahme zu genau dieser Frage existiert jedoch auch in der englischen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bisher nicht. Eine Tendenz zu einer restriktiven Kognitionsbefugnis englischer Gerichte zeigt sich aber in Fällen, in denen die Zulässigkeit der Einrede der Nichtigkeit ausländischer Schutzrechte im Rahmen von Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F. in Rede stand, auf die bereits im ZusamJenard-Bericht (französisch), S.  39. Jenard-Bericht (deutsch/englisch), jeweils auf S.  39. 276  So z. B. bei Schauwecker, Patentjurisdiktion, S.  219; Wieczorek/Schütze-Hausmann, 3.  Aufl., Art.  16 EuGVÜ Rz.  1; MüKoZPO-Gottwald, Art.  22 EuGVVO Rz.  1; in der Tendenz auch Thole, IPRax 2011, 541 (546); Weber, Gesellschaftsrecht im IZVR, S.  212 ff. 274 

275 

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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menhang mit der Anwendbarkeit der EuGVVO auf Einreden eingegangen wurde.277 Die traditionelle englische Auffassung ging zu Art.  22 Nr.  4 ­EuGVVO a. F. davon aus, dass ein Gericht in einem Verfahren, in dem die Nichtigkeit eines ausländischen Patents als Einrede erhoben wurde, nach Art.  19 EuGVÜ (heute: Art.  27 EuGVVO) seine Unzuständigkeit zu erklären hat.278 In der bereits oben zitierten Coin Control-Entscheidung vertrat die Chancery Division des High Court of Justice die Auffassung, „incidental matters“ im Sinne des Jenard-Berichts könnten jedenfalls nicht solche Fragen sein, die gleichsam den eigentlichen Gegenstand des Rechtsstreits ausmachten. 279 Wenn die Frage der Verletzungshandlung allein von der Wirksamkeit des Schutzrechts abhänge, könne diese entscheidende Frage nicht „incidental“ sein, sondern der Prozess sei mit dieser Frage „principally concerned“. Vor allem in der deutschen Literatur280 hat diese Haltung zur Kognitionsbefugnis bei Immaterialgüterverletzungen Kritik erfahren. Vor dem Hintergrund der oben erläuterten englischen Rechtskrafterstreckung erscheint die Entscheidungspraxis jedoch zunächst nachvollziehbar. Denn selbst wenn über den Bestand des Patents nur inter partes entschieden wird, greift nach dem englischen Recht für eine streitig entschiedene Vorfrage die Lehre des issue estoppel ein, wodurch auch ein aus­ ländisches Gericht bei Anerkennung der Rechtskraftwirkung des englischen Urteils an dessen Feststellungen gebunden wäre. So dürften beispielsweise deutsche Gerichte das streitgegenständliche Patent zwischen den Parteien aufgrund der englischen Entscheidung nicht weiter durchsetzen. In diesen Erwägungen könne ein – wenn auch in der Coin Control-Entscheidung unausgesprochener – Grund für die restriktive Haltung der englischen Gerichte gegenüber zuständigkeitsfremden Vorfragen liegen. Man könnte daher erwägen, zuständigkeitsrelevante Streitfragen „a titre principal“ (Art.  27 EuGVVO) von Streitfragen, die sich – in den Worten des Jenard-Berichts – „a titre d’exception“ stellen, danach abzugrenzen, ob die Vorfragen nach dem Prozessrecht des Urteilsstaats in Rechtskraft erwachsen oder nicht. So ließe sich auch die im deutschen Recht zur Aufrechnung vertretene These rechtfertigen, eine rechtskräftige Entscheidung über eine Vorfrage sei mit einer Entscheidung in der Haupt­ sache zuständigkeitsrechtlich gleichzusetzen. 277 

Siehe oben §  4 II. Coin Controls Ltd. v. Suzu International Ltd. et al. (1997) [1997] F.S.R. 660 (Ch. Div.); Fort Dodge Animal Health v. Akzo Nobel (1997) [1998] F.S.R. 222 (C.A.), Sepracor v. Hoechst (1999) [1999] F.S.R. 746 (Patents Court). 279  Coin Controls Ltd. v. Suzu International Ltd. et al. (1997) [1997] F.S.R. 660 (676) ­ (Ch. Div.). 280  Vgl. nur Hye-Knudsen, IP-Rechtsverletzungen im EuZPR, S.  39 ff.; Schauwecker, Patent­jurisdiktion, S.  219. 278 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

Eindeutig klären die englischen Entscheidungen den Zusammenhang zwischen Rechtskraft und Zuständigkeit jedoch nicht auf. Er wird allenfalls durch den Hinweis auf die Vermeidung von Parallelverfahren 281 und die drohende Unvereinbarkeit von Entscheidungen 282 angedeutet. Davon abgesehen sind sämt­ liche Urteilsbegründungen, möglicherweise aufgrund des oben zitierten Passus des Jenard-Berichts zu Art.  16 EuGVÜ, von der Suche nach einer Art Schwerpunkt des Streitverhältnisses („major feature of the ligitation“283) gekennzeichnet, der letztlich darüber entscheiden soll, welcher Zuständigkeit der Rechtsstreit in seiner Gesamtheit zu unterstellen ist.284 Deutlich gegen die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Zuständigkeit und Rechtskraft aus englischer Sicht sprechen die in jüngster Vergangenheit zur Kognitionsbefugnis im gesellschaftsrechtlichen Gerichtsstand des Art.  24 Nr.  2 EuGVVO ergangenen Entscheidungen. In der Sache Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) v. JP Morgan Chase285 hatte die Klägerin (JP Morgan) die Beklagte (die BVG) aus einem sog. credit swap agreement, das eine Gerichtsstandsklausel zugunsten englischer Gerichte enthielt, auf Zahlung in Anspruch genommen. Die Beklagte und Widerklägerin verteidigte sich damit, das swap agreement sei unwirksam, da die Beschlüsse ihrer Organe, die die Wirksamkeit bedingten, nichtig seien und sie somit bei Abschluss des Vertrags ultra vires, d. h. außerhalb ihres Aufgaben- und Wirkungskreises gehandelt habe. Sie vertrat die Auffassung, dass sich die englischen Gerichte nach Art.  25 EuGVVO a. F. (heute Art.  27 EuGVVO) für unzuständig erklären mussten, da die Vorfrage der Wirksamkeit der Organbeschlüsse streitentscheidend sei und Art.  22 Nr.  2 EuGVVO a. F. (heute Art.  24 Nr.  2 EuGVVO) unterfalle. Der Court of Appeal sah jedoch die Vorfrage der Wirksamkeit der Organbeschlüsse als nicht von Art.  22 Nr.  2 EuGVVO umfasst an. Lord Justice Aikens ging zwar – wie die Vorinstanz286 – davon aus, dass der Rechtsstreit auch die Untersuchung der Wirksamkeit der Organbeschlüsse als „important preliminary issue“287 umfasste. Dem Gericht Sepracor v. Hoechst [1999] F.S.R. 746 (752) (Patents Court). Coin Controls Ltd. v. Suzu International Ltd. et al. (1997) [1997] F.S.R. 660 (673) (Ch. Div.). 283  Coin Controls Ltd. v. Suzu International Ltd. et al. (1997) [1997] F.S.R. 660 (676) (Ch. Div.). 284  Vgl. auch Fort Dodge Animal Health v. Akzo Nobel (1997) [1998] F.S.R. 222 (229) (C.A.) („principal issue“); Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Anstalt des Öffentlichen Rechts v. JP Morgan Chase Bank NA & Anor. [2010] 2 C.L.C. 628 (637) (C.A.) („principal subject matter“). 285  Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Anstalt des Öffentlichen Rechts v. JP Morgan Chase Bank NA & Anor. (2010) [2010] 2 C.L.C. 628 (C.A.). 286  [2009] 2 C.L.C 22 (Q.B. Comm.). 287  Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Anstalt des Öffentlichen Rechts v. JP Morgan Chase Bank NA & Anor. (2010) [2010] 2 C.L.C. 628 (638) (C.A.). 281 

282 

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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war damit bewusst, dass nach seinem Prozessrecht288 eine Entscheidung über diese streitige Vorfrage nach der Lehre vom issue estoppel zwischen den Parteien Rechtskraftwirkung für Folgeprozesse entfalten würde. Dennoch war das Gericht der Auffassung, dass es über etwaige Fragen der Wirksamkeit von Organbeschlüssen trotz Art.  22 Nr.  2 EuGVVO a. F. kognitionsbefugt sei. In ausdrücklicher Abgrenzung zur Rechtsprechung zum Einwand der Patentnichtigkeit in der Coin Control-Entscheidung betonte das Gericht, dass dessen ratio nur auf die Wirksamkeit von Patenten anwendbar sei und keine generelle Aussage zur Beschränkung der Kognitionsbefugnis durch ausschließliche Zuständigkeiten enthalte. Zudem sei in Coin Control die Nichtigkeit des Patents die maßgebliche streitige Frage gewesen, während im vorliegenden Fall jenseits der von Art.  22 EuGVVO a. F. erfassten Frage viele weitere (Vor‑)Fragen im Raum stünden, die allesamt nicht Art.  22 EuGVVO a. F. unterfielen.289 Unter Bezugnahme auf die bereits genannten Ausführungen im Jenard-Report zu Art.  19 EuGVÜ (Art.  27 EuGVVO) und die in Erwägungsgrund 14 EuGVVO a. F. (heute Erwägungsgrund 19 EuGVVO) hervorgehobene Rücksicht gegenüber der Parteiautonomie nahm das Gericht eine Schwerpunktbetrachtung vor. Danach überwogen die unter die Gerichtsstandsklausel fallenden Streitpunkte gegenüber den unter Art.  22 Nr.  2 EuGVVO a. F. fallenden Streitpunkten. Der Commercial Court der Queen’s Bench ist dieser vom Court of Appeal aufgestellten Regel zu Art.  22 Nr.  2 EuGVVO a. F. in zwei weiteren Verfahren gefolgt.290 Eine Auseinandersetzung mit der Rechtskraftfrage und der möglichen Bindungswirkung für weitere Verfahren erfolgte auch hier nicht. Für den Zuständigkeitsbezug von Vorfragen bei Zurückbehaltungsrechten lässt sich somit festhalten: Aus Sicht der englischen Gerichte folgt aus der EuGVVO nur aufgrund der Mög­ lichkeit einer rechtskräftigen Entscheidung über eine Vorfrage, die einem ausschließlichen Gerichtsstand unterfällt, nicht zwingend ein Zuständigkeits­ erfordernis. Vielmehr scheint es englischen Gerichten auf das Problem der res iudicata-Wirkung von entschiedenen Vorfragen bei der Beurteilung ihrer Kognitionsbefugnis nach der EuGVVO nicht anzukommen. Der Court of Appeal hat allerdings im Rahmen des noch andauernden Rechtsmittelverfahrens die Frage, ob und nach welchen Kriterien Art.  22 Nr.  2 ­EuGVVO a. F. (Art.  24 Nr.  2 EuGVVO n. F.) seine Kognitionsbefugnis über Ein-

288 

Oben §  6 II. 1. b) aa). Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Anstalt des Öffentlichen Rechts v. JP Morgan Chase Bank NA & Anor. (2010) [2010] 2 C.L.C. 628 (648) (C.A.). 290  Depfa Bank plc v. Provincia di Pisa [2010] 2 C.L.C. 278 (Q.B. Comm.); UBS AG, ­London Branch & Anor. v. Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH (2010) [2010] 2. C.L.C. 499 (Q.B. Comm.). 289 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

reden beschränkt, dem EuGH vorgelegt.291 Über diese Vorlage ist – anders als über die ähnliche Vorlage im Parallelverfahren durch das Kammergericht B ­ erlin 292 – noch nicht entschieden. c) Vorfragen und Zuständigkeit in der Rechtsprechung des EuGH Aus unionsrechtlicher Sicht ist zu klären, ob sich aus den Stellungnahmen des EuGH ein Zusammenhang zwischen Rechtskraft und Kognitionsbefugnis über Vorfragen für die EuGVVO oder sonst ein klares Kriterium zur Abgrenzung der Kognitionsbefugnis ableiten lässt. In der bereits im Rahmen der Diskussion zur Aufrechnung erörterten Entscheidung Danværn293 ist der EuGH auf eine mögliche rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung nicht eingegangen, obwohl sie in vielen Mitgliedstaaten, u. a. in England,294 Österreich (vgl. §  411 Abs.  1 S.  2 der österreichischen ZPO) und der Schweiz,295 ähnlich dem deutschen §  322 Abs.  2 ZPO in Rechtskraft erwächst. Nun ist jedoch, wie zu Beginn dieser Untersuchung gezeigt, gerade umstritten, ob der EuGH die Zuständigkeitsfrage bei der Aufrechnung überhaupt abschließend entscheiden wollte oder ob diese nicht – wie in der deutschen Literatur vielfach vertreten wird 296 – entsprechend den nationalen Besonderheiten der Rechtskraft durch das nationale Prozessrecht beantwortet werden soll.297 Aufgrund dieser zur Zeit der EuGH-Entscheidung ungeklärten Frage lässt sich aus der Entscheidung Danværn hinsichtlich eines generellen Zusammenhangs zwischen Rechtskraft und Zuständigkeit wenig ableiten. Versteht man den EuGH dahingehend, dass er ein Zuständigkeitserfordernis bei der Aufrechnung insgesamt ablehnen wollte, so erschien eine Stellungnahme zum Problem der Rechtskraft aus seiner Sicht vielleicht auch deshalb entbehrlich, weil keine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit für die Gegenforderung im Raum stand, deren Missachtung zu einem Anerkennungshindernis nach Art.  45 EuGVVO hätte führen können.

291  Im Register des EuGH geführt als Rs. C-54/11; die Vorlagefragen sind veröffentlicht im ABl. EU Nr. C 120 v. 16.4.2011, S.  4 f. 292  Dazu sogleich §  6 II. 3. c). 293  EuGH, Urt. v. 13.7.1995, Rs. C-341/93, Slg. 1995, I-2071 – Danværn. 294  A. Martin French v. Kingswood Hill Ltd. [1960] 1 Q.B. 96 (102) (C.A.). 295  Dort nicht explizit geregelt, aber anerkannt, vgl. BaslerKomm-Keller, OR, vor Art.  120–­ 1­ 26 Rz.  4. 296  Vgl. zum Zusammenhang zwischen Zuständigkeitserfordernis und §  322 Abs.  2 ZPO §  3 II. 3. a). 297  Dazu oben §  3 II. 1. sowie §  4 I. und III.

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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Die Kognitionsbefugnis über Einreden war darüber hinaus Gegenstand der Grundsatzentscheidung des EuGH in GAT/LuK298 zur Nichtigkeitseinrede bei Patentverletzungsprozessen, die bereits im Rahmen der Anwendbarkeit der EuGVVO auf Vorfragen angesprochen wurde.299 Der EuGH hatte zur Vorlagefrage des OLG Düsseldorf Stellung zu nehmen, ob Art.  16 Nr.  4 EuGVÜ (Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F.) neben der Nichtigkeitsklage auch die Nichtigkeitseinrede im Rahmen von Verletzungsprozessen erfasst. Der EuGH entschied im Sinne der traditionellen englischen Auffassung, indem er die Beurteilung der Einrede nach Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F. ausschließlich den Gerichten des Schutzrechtsstaates, also französischen Gerichten, zuwies.300 Auf eine Koppelung von Rechtskraft und Zuständigkeit ging er jedoch nicht ein. Hauptmotiv des Gerichtshofs war vielmehr, zu verhindern, dass das im Verletzungsprozess angerufene Gericht die einredeweise vorgetragene Frage des Schutzrechtsbestands anders beurteilt als das in der Hauptsache für den Schutzrechtsbestand zuständige Gericht.301 Da die Entscheidung über die Nichtigkeitseinrede nach der insoweit maßgeblichen deutschen lex fori aber ohnehin nicht in Rechtskraft erwachsen wäre, lässt sich auch aus der Entscheidung GAT/LuK nicht ableiten, dass die Möglichkeit der Rechtskraft von Vorfragen für die Beurteilung der Kognitionsbefugnis aus Sicht des EuGH beachtlich sein soll. Mehr Klarheit bringt insoweit die Entscheidung des EuGH vom 12. Mai 2011 in dem deutschen Parallelverfahren zu der vor den englischen Gerichten anhängigen Sache Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)/JP Morgan Chase.302 Für den Sach­ verhalt kann weitgehend auf die obige Darstellung zum englischen Verfahren verwiesen werden.303 Die im englischen Verfahren Beklagte BVG hatte parallel in Deutschland Klage auf Feststellung erhoben, dass das oben genannte swap agreement unwirksam sei, weil die BVG nach ihrer Satzung ultra vires gehandelt habe. Hilfsweise hatte die BVG die Verurteilung von JP Morgan zu Freistellung und Schadensersatz beantragt. Das örtlich zuständige KG Berlin ging davon aus, dass zwischen dem oben genannten englischen Verfahren und dem deutschen Verfahren Rechtshängigkeit i. S. von Art.  29 Abs.  1 EuGVVO vorliege, da in beiden Verfahren die Wirksamkeit des swap agreement zu klären sei.304 Das KG EuGH, Urt. v. 13.7.2006, Rs. C-4/03, Slg. 2006 I-6523 – GAT/LuK. Siehe dazu oben §  4 II. 300  Oben §  4 II. 301  EuGH, Urt. v. 13.7.2006, Rs. C-4/03, Slg. 2006 I-6523 (6533), Rz.  29 – GAT/LuK. 302  EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-144/10, IPRax 2011, 576 – BVG; zu den daraus für die Vorfragenproblematik zu ziehenden Konsequenzen Thole, IPRax 2011, 541 (546). 303  Dazu oben §  6 II. 3. b). 304  Vgl. zum nichtveröffentlichen Vorlagebeschluss EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-144/10, IPRax 2011, 576 (578) – BVG; ABl. EU Nr. C 120 v. 16.4.2011, S.  4 f. 298 

299 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

legte dem EuGH die Frage vor, ob sich der Anwendungsbereich von Art.  22 Nr.  2 EuGVVO a. F. (heute: Art.  24 Nr.  2 EuGVVO) auch auf Streitigkeiten erstrecke, in denen eine Gesellschaft gegen ihre Inanspruchnahme die Unwirksamkeit von Organbeschlüssen einwendet. Der EuGH hat die Frage verneint. Grundsätzlich seien die ausschließlichen Zuständigkeiten des Art.  22 EuGVVO a. F. eng auszulegen.305 Ratio der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Gesellschaft nach Art.  22 Nr.  2 EuGVVO a. F. sei es, dass diese Gerichte am besten in der Lage seien, über die Gültigkeit von Organbeschlüssen in Streitigkeiten zu entscheiden, in denen es „ausschließlich oder in erster Linie“306 um diese Sachmaterie geht. Stellt die Frage der Gültigkeit eines Organbeschlusses jedoch nicht den Hauptgegenstand dar, sei die Norm nicht einschlägig. Eine andere Auslegung würde dem Ziel der Verordnung, ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften zu erreichen, zuwiderlaufen, da sonst nahezu alle Klagen gegen eine Gesellschaft am ausschließlichen Gerichtsstand des Sitzes zu lokalisieren wären. Dies sei aber für den Ausnahmegerichtsstand gerade nicht gewollt.307 Zudem seien bei der Klärung der Wirksamkeit von Organbeschlüssen einander widersprechende Entscheidungen ausgeschlossen, so dass auch insoweit kein Grund bestehe, Art.  22 Nr.  2 EuGVVO a. F. auf den Einwand der BVG im englischen Verfahren anzuwenden. Diese Entscheidung hat für den wortlautgleichen Art.  24 Nr.  2 EuGVVO weiterhin Gültigkeit. Der EuGH sah sich seinerzeit allerdings zu Recht veranlasst, das Urteil gegen seine Entscheidung in der ähnlich gelagerten Rechtssache GAT/LuK abzugrenzen: Die Rechtsprechung in GAT/LuK sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Gültigkeit eines Patents für den Erfolg der Klage im Verletzungsprozess eine unverzichtbare Voraussetzung sei und es im Interesse einer geordneten Rechtspflege liege, den Gerichten im Schutzstaat allein die Entscheidung über die Wirksamkeit zuzuweisen. Denn diese Gerichte könnten darüber am besten entscheiden.308 Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache BVG überrascht. Denn offenbar hielt das vorlegende Gericht die Frage der Wirksamkeit des Organbeschlusses für entscheidungserheblich, so dass sie – zumindest nach dessen Auffassung zum anwendbaren materiellen Recht – ebenso unverzichtbare Voraussetzung für das Bestehen des Klaganspruchs war, wie das Bestehen eines Patents im Patentverletzungsprozess. Worin der entscheidende Unterschied zwischen beiden Verfahren liegen soll, sagt der EuGH nicht. Es will auch nicht recht einEuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-144/10, IPRax 2011, 576 (579), Rz.  30 – BVG. EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-144/10, IPRax 2011, 576 (579), Rz.  37 – BVG. 307  EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-144/10, IPRax 2011, 576 (579), Rz.  34 – BVG. 308  EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-144/10, IPRax 2011, 576 (579), Rz.  46 – BVG. 305 

306 

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leuchten, weshalb die Entscheidung über die Wirksamkeit eines Gesellschafteroder Organbeschlusses, der ohne weiteres Grundlage für mehrere in verschiedenen Verfahren streitgegenständliche Verträge sein kann, nicht ebenso die Gefahr unvereinbarer Entscheidungen birgt wie die Entscheidung über die Einrede der Patentnichtigkeit. Insbesondere wird ein Widerspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Entscheidung über die Wirksamkeit des Organbeschlus­ ses nur inter partes wirkt.309 Es kann auch zwischen den jeweiligen Parteien dazu kommen, dass das über die Wirksamkeit des jeweiligen Vertrags urteilende Gericht den Gesellschafterbeschluss für wirksam, das nach Art.  24 Nr.  2 EuGVVO ausschließlich zuständige Gericht ihn aber für unwirksam hält. Deutlich wird an der Entscheidung nur, dass die Möglichkeit der rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage durch ein englisches Gericht den EuGH nicht davon abhält, englische Gerichte unabhängig von einer anderweitigen ausschließlichen Zuständigkeit für die Vorfrage für kognitionsbefugt zu halten. Aus Sicht der bisherigen EuGH-Rechtsprechung lässt sich somit – im Einklang mit der Sichtweise englischer Gerichte – selbst für ausschließliche Zuständigkeiten kein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Rechtskraftwirkung und Zuständigkeitserfordernis und keine generelle Kognitionsbeschränkung durch ausschließliche Zuständigkeiten ableiten. Ob man in dem Urteil darüber hinaus einen „Baustein einer Vorfragenlehre in der EuGVVO“310 erblicken kann, erscheint angesichts der wenig konsistenten Rechtsprechung des EuGH zum Zusammenhang zwischen Vorfragen und Kognitionsbefugnis und der weiterhin umstrittenen Rezeption dieser Rechtsprechung im deutschen Recht zweifelhaft.311 Angesichts der sehr umstrittenen Aufrechnungsproblematik sowie des in der Entscheidung BGV nicht infrage ge­ stellten Urteils GAT/LuK kann jedenfalls keine Rede davon sein, es sei „ganz überwiegend anerkannt,“312 dass Vorfragen nicht die Zuständigkeiten determinieren könnten. Die Lösung des Problems sollte daher nicht in den Einzelentscheidungen des EuGH, sondern in den Prinzipien des europäischen Zuständigkeitssystems gesucht werden.

So auch Thole, IPRax 2011, 541 (545), der sich jedoch mit dem besonderen Problem der weiten englischen Rechtskraftwirkungen nicht auseinandersetzt. Anders Weber, Gesellschaftsrecht im IZVR, S.  214. 310  Thole, IPRax 2011, 541 (545). 311  Oben §  3 II 2. und 3. a). 312  Thole, IPRax 2011, 541 (545). 309 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

d) Lösungsansatz bei Rechtskrafterstreckung auf die Gegenforderung Mangels einer Klärung durch die Rechtsprechung ist zu untersuchen, ob sich aus den Prinzipien des europäischen Zuständigkeitssystems eine Antwort auf die Frage des Zusammenhangs zwischen Rechtskraft und Kognitionsbefugnis ergibt. aa) Vertrauen in die Justiz anderer Mitgliedstaaten Das System der EuGVVO ist nach deren Erwägungsgründen durch den Grundsatz gegenseitigen Vertrauens in die Justiz anderer Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union geprägt.313 Dieses Vertrauen gebietet es, den für die Hauptsache international zuständigen Gerichten eines Mitgliedstaats nicht bei jeder Vorfrage, die in der Hauptsache in die Zuständigkeit anderer Gerichte fiele, die Entscheidungsbefugnis abzusprechen. Macht ein am Gerichtsstand des Erfüllungsorts in England in Anspruch genommener Beklagter eine Gegenforderung aus einer in Deutschland gegen ihn begangenen deliktischen Handlung geltend und ist der Widerklagegerichtsstand nicht eröffnet, so ist das englische Gericht grundsätzlich ebenso kompetent wie das deutsche Gericht, über diese Forderung rechtskräftig zu befinden, mag auch im Einzelfall der Zugang zu Beweismitteln für das englische Gericht schwieriger sein. Dies spricht dafür, nicht jede Vorfrage unter den Vorbehalt einer hypothetischen internationalen Hauptsachezuständigkeit zu stellen. bb) Kohärenz und Vorhersehbarkeit internationaler Zuständigkeiten Aufgrund der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen in den Mitgliedstaaten liefe ein Zuständigkeitserfordernis zudem dem Zweck der EuGVVO zuwider, vorhersehbare und einheitliche Zuständigkeitsvorschriften314 zu schaffen. Insbesondere in nationalen Zivilprozessordnungen, die eine Rechtskrafterstreckung auf Vorfragen und präjudizielle Rechtsverhältnisse anerkennen, würde die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeiten nach der EuGVVO erheblich gestört. So müssten z. B. englische Gerichte bei jeder Vorfrage, die nicht auch in den Gerichtsstand der Hauptsache fällt, ihre Unzuständigkeit feststellen. Denn das Problem der Rechtskrafterstreckung stellt sich nicht nur bei Zurückbehaltungsrechten und Immaterialgüterrechten, sondern in jedem Vorfragenzusammenhang. Grundsätzlich kann jede Prüfung einer Anspruchsgrundlage Vorfragen aufwerfen, die sich nicht schematisch einem bestimmten Gerichtsstand zuordnen lassen. Bei einer Klage des Eigentümers auf Herausgabe eines Grundstücks 313  314 

Vgl. Erwägungsgrund 26 EuGVVO. Erwägungsgrund 15 EuGVVO.

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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nach §  985 BGB, die nach Art.  22 Nr.  1 EuGVVO im Belegenheitsstaat zu erheben ist, kann es beispielsweise überhaupt nicht um das unstreitige dingliche Recht, sondern maßgeblich um ein streitiges vertragliches Recht zum Besitz des Beklagten gehen. In einem deliktischen Haftungsfall, der Art.  7 Nr.  3 EuGVVO unterfällt, kann allein die Wirksamkeit eines vertraglichen Haftungsausschlusses in Streit stehen. Ebenso kann in einem Hauptsacheprozess allein das Bestehen der zuständigkeitsfremden Gegenforderung im Rahmen von §  273 BGB Dreh- und Angelpunkt des Streitverhältnisse sein. Bestimmt man die Zuständigkeit in diesen Fällen jedoch – ähnlich dem Vorgehen englischer Gerichte315 – nach dem Schwerpunkt des Streitverhältnisses und betrachtet letztlich mit Schröder nur die streitige Vorfrage als zuständigkeitsbestimmendes Moment,316 kommt man der Anwendung von forum non conveniens-Grundsätzen sehr nahe, die mit einem kohärenten Zuständigkeitssystem der EuGVVO nur noch wenig gemein haben.317 Um eine Zuständigkeitszersplitterung zu vermeiden, muss also für die EuGVVO – gerade in Bezug auf Zurückbehaltungsrechte – soweit wie möglich am Grundsatz „le juge de l’action est le juge de l’exception“318 festgehalten werden. Ein solcher Verzicht auf ein Zuständigkeitserfordernis bei Gegenforderungen und sonstigen Vorfragen unabhängig von Rechtskraftwirkungen steht auch grundsätzlich mit den Anerkennungsvorschriften der EuGVVO im Einklang, soweit die Gegenforderung keiner Zuständigkeit für Versicherungs- (Art.  10 ff. EuGVVO) oder Verbrauchersachen (Art.  17 ff. EuGVVO) und keiner ausschließlichen Zuständigkeit (Art.  24, 27 EuGVVO) untersteht. Denn jenseits dieser Sonderfälle319 ist es dem Gericht im Anerkennungsstaat bei der Anerkennung ausländischer Urteile nach Art.  45 Abs.  3 EuGVVO versagt, die interna­ tionale Zuständigkeit des Ursprungsstaates nachzuprüfen. Daraus folgt zwar nicht, dass ein Gericht im Erststaat die anderweitige internationale Zuständigkeit eines anderen Staates sehenden Auges missachten darf. Das Fehlen eines Anerkennungshindernisses für diese Fälle zeigt jedoch, dass die allgemeinen und besonderen Zuständigkeiten keine hoheitlichen Belange berühren, die eine Entscheidung über ein diesen Zuständigkeiten unterfallendes Rechtsverhältnis als Eingriff in die Souveränität des in der Hauptsache zuständigen Gerichtsstaates erscheinen lassen. Vielmehr beruhen die besonderen Zuständigkeiten auf Gesichtspunkten der Beweis- und Rechtsnähe bestimmter Verfahren zu einem 315 

Oben §  6 II. 3. b). So ausdrücklich Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  601; 605 f. 317  Dazu bereits bei Fn.  174 sowie EuGH, Urt. v. 1.3.2005, Rs. C-281/02, Slg. 2005, I‑1445 (1459 ff.), Rz.  37 ff. – Owusu; so auch Weber, Gesellschaftsrecht im IZVR, S.  213. 318  Vgl. zu diesem Grundsatz bereits oben §  1. 319  Zu diesen sogeich §  6 II 3. d) cc). 316 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

bestimmten Staat,320 während dem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagtenschutz zugrunde liegt. Diesen Gesichtspunkten der Beweis- und Rechtsnähe ist jedoch das Interesse an einheitlichen und vorhersehbaren Gerichtsständen gegenüberzustellen, das im Falle einer Beschränkung der Kognitionsbefugnis ­gefährdet wäre. Hinzu kommt das Interesse des Beklagten, seine materiellrechtlichen Einreden durchsetzen zu können. Die Interessen der Beweis- und Rechtsnähe müssen daher grundsätzlich zurücktreten, wenn über anderen Gerichtsständen zugewiesene Fragen – wie bei einem Zurückbehaltungsrecht – nur inzident entschieden wird, da sonst eine Vorhersehbarkeit der Zuständigkeiten insgesamt nicht mehr gegeben wäre. Insofern ist die rechtskräftige Entscheidung über eine Gegenforderung, sofern sie inzident erfolgt, im Sinne eines einheitlichen Zuständigkeitskonzepts hinzunehmen. Im Übrigen überzeugt die einzige Alternative zu einem Zuständigkeits­erfor­ der­nis, nämlich entgegen der Tendenz des EuGH321 auf die Wirkungs­erstreckung der Rechtskraft in anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich zu verzichten, – wie oben dargelegt322 – nicht. Sie widerspricht sowohl dem im Jenard-­Bericht zum Ausdruck kommenden Grundkonzept einer möglichst weitgehenden Freizügigkeit der Urteilswirkungen und enttäuschte das Vertrauen der Parteien in den Umfang des Rechtsfriedens, wie er durch die lex fori des Entscheidungsstaats zuerkannt wird. Im Ergebnis muss die uneingeschränkte Kognitions­befugnis bezüglich Gegenforderungen bei Zurückbehaltungsrechten oder son­stigen Vorfragen daher grundsätzlich unabhängig von einer diesbezüglichen Rechtskraftwirkung nach der lex fori eines Mitgliedstaats bestehen. cc) Sonderfall anderweitiger ausschließlicher Zuständigkeiten Problematischer sind Fälle, in denen die lex fori eine rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung vorsieht und die zurückbehaltungsweise eingewendete Gegenforderung einem anderweitigen ausschließlichen Gerichtsstand des Art.  24 EuGVVO oder einem Gerichtsstand der Abschnitte 3, 4 oder 5 (Versicherungs- oder Verbrauchersache sowie individualarbeitsrechtliche Streitigkeiten, soweit der Beklagte in den Schutzbereich fällt) des Kapitels II der ­EuGVVO untersteht. Denn schon nach Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F. war einer Entscheidung, die diese Zuständigkeitsnormen verletzt, die Anerkennung zwingend zu versagen. Nach der Neufassung in Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO ist dies jedenfalls auf Antrag des Berechtigten der Fall. Als Beispiel kommt ein Sachverhalt in Betracht, in dem der vor englischen Gerichten in Anspruch geJenard-Bericht, S.  22. EuGH, Urt. v. 4.2.1988, Rs.  145/86, Slg. 1988, 662 (666), Rz.  10 f. – Hoffmann/Krieg. 322  Dagegen bereits oben §  6 II. 2. 320  321 

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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nommene Beklagte einwendet, er schulde Übergabe und Übereignung des Kaufgegenstands nur Zug um Zug gegen Zahlung der Miete für ein in Hamburg belegenes Bürogebäude oder gegen Herausgabe einer anderen unbeweglichen Sache (Art.  24 Nr.  1 EuGVVO). Auch hier könnte man versucht sein, die Möglichkeit der rechtskräftigen ­Entscheidung über eine zuständigkeitsfremde Gegenforderung damit zu rechtfer­tigen, dass es – im Unterschied zur Aufrechnung – nicht zu einer privaten „Vollstreckung“ der Gegenforderung, sondern lediglich zu einem Zug um Zug-­Vorbehalt kommt. Der Beklagte kann durch Geltendmachung seiner Mietzinsforderung im Wege der Einrede vor den (an sich unzuständigen) englischen Gerichten keinen vollstreckbaren Titel über seine Forderung erlangen. Entsprechend den Überlegungen des Jenard-Berichts323 zur Unanwendbarkeit ausschließlicher Zuständigkeiten auf Vorfragen könnte man erwägen, das Anerkennungshindernis des Art.  45 Abs.  1 lit.  e) ii) EuGVVO ebenfalls nur dann anzuwenden, wenn für die Hauptsacheklage (und nicht nur für eine Vorfrage) eine anderweitige Zuständigkeit der Abschnitte 3–6 des Kapitels II besteht. In anderen Fällen wäre die Entscheidung dann vollständig anzuerkennen. Eine solche Lösung griffe jedoch zu kurz, wie folgende rechtsvergleichende Überlegung zeigt: Während in England von Amts wegen über ein präjudizielles entscheidungserhebliches und streitiges Rechtsverhältnis mit Rechtskraft entschieden wird, geschieht dies in Deutschland nur, wenn eine Partei nach §  256 Abs.  2 ZPO die Feststellung dieses streitigen Rechtsverhältnisses beantragt. Wird also vor englischen Gerichten ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und über die Gegenforderung streitig verhandelt, hat dies dieselbe Wirkung, wie wenn der Beklagte vor deutschen Gerichten einen Zwischenfeststellungsantrag nach §  256 Abs.  2 ZPO auf Feststellung des Bestehens der Gegenforderung stellt oder der Kläger ihr Nichtbestehen festgestellt wissen will. Die Rechtskrafterstreckung nach englischem Prozessrecht über die Vorfrage steht somit dem Tenor des deutschen Urteils, der das Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses feststellt, funktional gleich. Dieses Feststellungsurteil ist nach deutschem Prozessrecht zwar nicht vollstreckbar.324 Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass ein Feststellungsurteil unabhängig von seiner fehlenden Vollstreckbarkeit die internationale Zuständigkeit der erkennenden Gerichte voraussetzt.325 Einem deutschen Feststellungsurteil, das entgegen Art.  24 Nr.  1 Jenard-Bericht, S.  39, vgl. dazu bereits oben §  6 II. 3. a). Vgl. nur Thomas/Putzo-Seiler, §  704 Rz.  1; Zöller-Stöber, §  704 Rz.  2; MüKoZPO-­ Götz, §  704 Rz.  6. 325  Für die Zwischenfeststellungsklage im Rahmen von Art.  22 Nr.  4 EuGVVO a. F. Rauscher-­Mankowski, Art.  22 EuGVVO Rz.  47g; Rauscher-Leible, Art.  5 EuGVVO Rz.  24, 83 (für Art.  5 EuGVVO), Art.  7 EuGVVO Rz.  1. 323 

324 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

EuGVVO das Bestehen einer Mietzinsforderung für ein englisches Gebäude feststellt, müsste daher nach Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO n. F. (bzw. Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F.) in England die Anerkennung versagt werden. Nichts anderes kann dann aber für eine inzidente, rechtskräftige Entscheidung über die Mietzinsforderung durch englische Gerichte im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts gelten, die einem Zwischenfeststellungsurteil gleichsteht. Denn die Anwendung von Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO kann nicht von der Entscheidung des jeweiligen nationalen Prozessrechts abhängen, ob präjudizielle Rechtsverhältnisse (wie in England) von Amts wegen oder (wie in Deutschland) nur auf Antrag im Wege der Zwischenfeststellungsklage rechtskräftig feststellt ­werden. Angesichts des Prozessrechtsvergleichs mit der deutschen Zwischenfeststellungsklage läge es also auf den ersten Blick nahe, in diesen Fällen die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung zu verlangen. Für eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis ließe sich auch die mutmaßlich geringe praktische Relevanz dieser Fälle anführen, in denen die Rechte des Beklagten eingeschränkt würden. Da das englische materielle Recht ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht nicht kennt,326 stellte sich die Frage ohnehin nur, wenn diese über Zurückbehaltungsrechte nach fremdem (z. B. deutschem oder niederländischem) Recht entscheiden müssten.327 Gegen eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis spricht demgegenüber auch hier, dass dem Beklagten auch in Ausnahmefällen keine Verweigerung seiner Verteidigungsrechte drohen darf. Ein Zuständigkeitserfordernis führt aber zu einer solchen Rechtsverweigerung, wenn beispielsweise die Art.  24 Nr.  1 EuGVVO unterfallende Mietzinsforderung des Beklagten verjährt ist und nach §  215 BGB ausschließlich im Wege des Zurückbehaltungsrechts oder aufrechnungshalber geltend gemacht werden kann. Darüber hinaus stellt sich im Falle einer Kognitionsbeschränkung das Problem der Zuständigkeitszersplitterung, da sich auch ein Zuständigkeitsvorbehalt, der sich auf ausschließliche Zuständigkeiten beschränkt, bei jeglicher Art von Vorfragen auswirken kann, soweit diese die Sachmaterie ausschließlicher Zuständigkeiten berühren (so z. B., wenn der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht auf eine Lizenzgebührenforderung für bereitgestellte Musik stützt, der Kläger wiederum die Nichtigkeit des Urheberrechts geltend macht). Als Lösung des Problems bietet sich an, die Wirkungserstreckung der Rechtskraft auf Zweitverfahren in anderen Mitgliedstaaten entsprechend Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F. bzw. Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO n. F. behutsam zu beschränken. Im Sinne vorhersehbarer Zuständigkeiten und der Beklagteninteres326  327 

Dazu bereits oben §  2 I. 2. a). Oben §  2 I. 2. b).

II. Wechselwirkungen von Rechtskraft und Kognitionsbefugnis

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sen muss auch ein englischer Richter über das Zurückbehaltungsrecht entscheiden dürfen, wenn es auf einer Mietforderung über ein deutsches Gebäude beruht, für deren Beurteilung deutsche Gerichte nach Art.  24 Nr.  1 EuGVVO ausschließlich zuständig wären. Allerdings erwächst diese Entscheidung nach dem Rechtsgedanken von Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F. / Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO n. F. nicht in Rechtskraft.328 Deutsche Gerichte sind somit zwar an den Hauptsachetenor, also die vorbehaltlose Verurteilung oder die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug, gebunden. Nicht gebunden sind sie aber – in entsprechender Anwendung von Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F. / Art.  45 Abs.  1 lit.  e) ­EuGVVO – an die Rechtskraft der Entscheidungsgründe des englischen Urteils, soweit diese über Rechtsverhältnisse befinden, die den dort genannten Zuständigkeiten unterfallen. Das deutsche Gericht kann daher im Beispielsfall unabhängig von der englischen Entscheidung über den Mietzinsanspruch die in Deutschland anhängige Hauptsache entscheiden. Mit dieser Lösung wird zum einen das Interesse des Beklagten an seinem materiell bestehenden Zurückbehaltungsrecht gewahrt und eine zwingende Aussetzung vermieden. Zum anderen wird auch für Rechtsordnungen mit weiter Rechtskraftwirkung der Grundsatz iudex actionis est ­iudex exceptionis bei anderweitigen ausschließlichen Zuständigkeiten grundsätzlich aufrecht erhalten, so dass die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeits­ normen gewahrt wird. Schließlich bleibt den ausschließlich für eine Frage zuständigen Gerichten die abschließende rechtskräftige Entscheidung über diese Frage vorbehalten.329 4. Ergebnis Auch soweit nach der lex fori im Rahmen von Zurückbehaltungsrechten über die Gegenforderung rechtskräftig entschieden wird, berührt dies die Kogni­ tionsbefugnis eines für die Gegenforderung international unzuständigen Gerichts nicht. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen die Gegenforderung einem anderweitigen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand unterfällt, als auch in Fällen, in denen ein Gerichtsstand nach den Abschnitten 3–6 des Kapitels II der EuGVVO greifen würde (und der Betroffene in den Schutzbereich dieser Normen fällt). Einer Aushöhlung der ausländischen ausschließlichen Zuständig­ keiten wird dadurch begegnet, dass die Rechtskraft der Entscheidung über die 328  Nach der Neufassung in Art.  45 Abs.  1 EuGVVO lässt sich vertreten, dass die Beschränkung der Wirkungserstreckung in Zukunft nur noch auf Antrag der Gegenpartei berücksichtigt wird. Eine Partei ist also gut beraten, die fehlende Anerkennungsfähigkeit der ihr ungünstigen präjudiziellen Entscheidung im Zweitprozess zu rügen. 329  Zur Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen sogleich unten §  6 III.

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

Gegenforderung entsprechend Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F. / Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO auf den Urteilsstaat beschränkt und nicht im Wege der Wirkungs­ erstreckung auf den Anerkennungsstaat übertragen wird. Der Urteilstenor selbst bleibt aber nach Art.  36 Abs.  1 EuGVVO innerhalb der Gemeinschaft ohne besonderes Verfahren anerkennungsfähig. Die Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit der Zuständigkeitsnormen der EuGVVO gebieten es, die Kognitions­ befugnis des angerufenen Gerichts für Zurückbehaltungsrechte auch bei rechtskräftiger Entscheidung über Vorfragen nicht zu beschränken, und zwar auch im Falle der in Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO genannten Gerichtsstände. Die im Interesse der Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit der europäischen Zuständigkeitsnormen gebotene weite Kognitionsbefugnis der Gerichte setzt allerdings voraus, dass sich Parallelverfahren in den Mitgliedstaaten koordinieren lassen. Es muss vermieden werden, dass es in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu miteinander unvereinbaren Entscheidungen über die Gegenforderung kommt. Welche Unvereinbarkeiten bei unbeschränkter Kognitionsbefugnis für Zurückbehaltungsrechte drohen und ob der internationale Entscheidungseinklang eine internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung erfordert, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.

III. Internationaler Entscheidungseinklang Nach den Erwägungsgründen der EuGVVO sollen Parallelverfahren im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen.330 Friktionen können entstehen, wenn das Gericht eines Staates hinsichtlich des Bestehens der Gegenforderung im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts anders entscheidet als das Gericht eines anderen Staates, vor dem die Gegenforderung in der Hauptsache eingeklagt wird. Für die Parteien nachteilige Verwerfungen können sich zwar – wie oben gezeigt331 – nicht aus dem jeweiligen Entscheidungstenor, wohl aber – wie sogleich anhand einiger Beispielskonstellationen gezeigt wird – aufgrund unterschiedlicher Entscheidungsgründe ergeben. 1. Fallkonstellationen Unvereinbare Entscheidungen sind grundsätzlich in zwei Grundkonstellationen denkbar, von denen jede in zwei Varianten auftreten kann. Diese sollen im Folgenden an Beispielen erörtert werden. 330  331 

Erwägungsgrund 21 EuGVVO. Siehe oben §  6 II. 1. a).

III. Internationaler Entscheidungseinklang

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a) Erste Konstellation: Der Beklagte unterliegt mit seinem Zurückbehaltungsrecht, klagt jedoch erfolgreich auf die Gegenforderung In der ersten Konstellation wendet der in Anspruch genommene Beklagte eine Gegenforderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts vor dem vom Kläger angerufenen Gericht ein. Diesem fehlt für die Entscheidung über die Gegenforderung die internationale Zuständigkeit. Das Gericht verurteilt den Beklagten vorbehaltlos, da es vom Nichtbestehen der Gegenforderung ausgeht. In der Hauptsache macht der Beklagte jedoch seine Gegenforderung (im Wege der Leistungs- oder Feststellungsklage) erfolgreich vor den international zuständigen Gerichten geltend – diese meinen, dass die Gegenforderung besteht. Im Rahmen dieser Konstellation sind aufgrund der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen in den Mitgliedstaaten332 wiederum zwei Unterfälle zu unterscheiden: Im einen Fall findet der Prozess um das Zurückbehaltungsrecht vor dem Gericht eines Staates statt, nach dessen Prozessrecht die Entscheidung über die Gegenforderung (wie in Deutschland333) nicht in Rechtskraft erwächst. Im anderen Fall wird dieser „Zurückbehaltungsprozess“ beispielsweise vor englischen Gerichten ausgetragen, nach deren Prozessrecht über die Gegenforderung auch bei ein­redeweiser Geltendmachung rechtskräftig entschieden wird.334 Beide Konstella­tionen lassen sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Ein englischer Büroausstatter liefert Büromöbel unter Eigentumsvorbehalt an eine deutsche Immobilien-GmbH. Nachdem die deutsche GmbH nicht zahlt, tritt der englische Unternehmer vom Kaufvertrag (gewählt ist deutsches Recht) zurück und klagt vor dem LG Hamburg auf Rückgabe der Möbel. Die Beklagte macht nach §  273 Abs.  1 BGB sowie §  369 Abs.  1 HGB ein Zurückbehaltungsrecht an der Büroausstattung geltend. Sie behauptet, der Kläger habe die von der Beklagten in London an ihn vermieteten Büroräume nach Kündigung des Mietvertrags nicht herausgegeben. Das LG Hamburg gibt der Klage vorbehaltlos statt, da es der Auffassung ist, dass der Beklagten keine Gegenforderung auf Rückgabe der Londoner Mieträume zustehe, da das Mietverhältnis nicht wirksam gekündigt worden sei. Parallel klagt die Beklagte des Erstprozesses vor den zuständigen Londoner Gerichten auf Herausgabe der Räume und obsiegt – das Londoner Gericht hält das Mietverhältnis für beendet. In der abgewandelten Konstellation würde der in Deutschland ansässige Kläger erfolgreich auf Rückgabe der Büroausstattung vor englischen Gerichten gegen die dort ansässige Beklagte vorgehen. Diese stützt ihr Zurückbehaltungsrecht (erfolglos) auf einen Herausgabeanspruch auf in Deutschland belegene 332 

Siehe oben §  6 II. 1. a) sowie b) bb). Siehe oben §  6 II. 1. a). 334  Siehe oben §  6 II. 1. b) bb). 333 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

Mieträume. In der Abwandlung wird also die Forderung einredeweise vor den (für die Gegenforderung unzuständigen) englischen Gerichten geltend gemacht, deren lex fori die Rechtskraft auf Vorfragen erstreckt.335 In der Hauptsache macht die Beklagte ihren Anspruch auf Herausgabe der Büroräume in Hamburg erfolgreich vor den international zuständigen deutschen Gerichten geltend. b) Zweite Konstellation: Das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten ist erfolgreich, in der Hauptsache wird die Gegenforderung jedoch aberkannt Die zweite Konstellation betrifft den umgekehrten Fall: Der Beklagte dringt im Erstprozess mit seinem Zurückbehaltungsrecht durch, weil das vom Kläger angerufene Gericht vom Bestehen der Gegenforderung ausgeht. In der Hauptsache unterliegt der Beklagte jedoch mit seiner Klage auf die Gegenforderung. Der Beispielsfall wäre also so abzuwandeln, dass sich die Beklagte gegen die Inanspruchnahme auf Rückgabe der Möbel im Erstprozess erfolgreich mit einem Zurückbehaltungsrecht verteidigt; sie wird daher nur zur Leistung Zug um Zug gegen Herausgabe der Mieträume verurteilt. In der Hauptsache unterläge sie jedoch mit ihrer Klage auf Herausgabe der Mieträume vor den international zuständigen Gerichten, da diese der Auffassung sind, dass kein solcher Anspruch besteht. Auch diese Konstellation ist aufgrund der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen wieder in beiden geographischen Alternativen denkbar: Zum einen kann der Prozess über das Zurückbehaltungsrecht in Deutschland geführt werden, wo selbst bei erfolgreicher Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts die Gegenforderung nicht rechtskräftig festgestellt wäre. Zum anderen ist vorstellbar, dass der Prozess um das Zurückbehaltungsrecht vor einem englischen Gericht geführt wird, das den Anspruch auf Rückgabe der Mieträume im Rahmen seiner Entscheidung über das Zurückbehaltungsrecht nach seinem Prozess­ recht rechtskräftig zuspricht. c) Fragestellungen beider Konstellationen Beide Problemkonstellationen sind allein ein Phänomen grenzüberschreitender Sachverhalte mit unterschiedlichen internationalen Zuständigkeiten. Im nationalen deutschen Zivilprozessrecht können die Parteien widersprechende Entscheidungen vermeiden, indem sie das Bestehen oder Nichtbestehen der Gegenforderung mit der Zwischenfeststellungsklage (§  256 Abs.  2 ZPO) rechtskräftig klären lassen. Bei den hier interessierenden Fällen ist ihnen diese Möglichkeit genommen, da die Zwischenfeststellungsklage die internationale Zuständigkeit 335 

Siehe oben §  6 II. 1. b) bb).

III. Internationaler Entscheidungseinklang

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über das festzustellende Rechtsverhältnis – also die Gegenforderung – voraussetzt.336 Für beide Grundkonstellationen ist jeweils unter Berücksichtigung der geographischen Abwandlungen zu untersuchen, ob der Gefahr widersprechender Entscheidungen nur durch ein Zuständigkeitserfordernis begegnet werden kann, oder ob andere Lösungsmöglichkeiten existieren. Wird das Zurückbehaltungsrecht – wie in der ersten Konstellation – im Erstprozess wegen Nichtbestehens der Gegenforderung aberkannt, die Gegenforderung in der Hauptsache aber zugesprochen, widersprechen sich die Entscheidungsgründe der beiden Entscheidungen zu Lasten der Beklagten. Dieser Widerspruch ist für die Beklagte insoweit weniger dramatisch, als sie ihre Gegenforderung weiterhin durchsetzen kann. Der Nachteil besteht für sie schlimmstenfalls darin, in Vorleistung treten zu müssen, obwohl ihre Gegenforderung nach Meinung des international zuständigen Gerichts besteht. Für diese Konstellation stellt sich die Frage, ob man den Zug um Zug-Vorbehalt nachträglich ergänzen und die vorbehaltlose Vollstreckung aus dem Ersturteil verhindern kann. Schwerer wiegen die Auswirkungen des Widerspruchs der Entscheidungsgründe in der zweiten Konstellation, in der der Kläger seine Hauptforderung nach dem Urteil im Erstprozess nur Zug um Zug gegen Erfüllung der Gegen­ forderung durchsetzen kann, obwohl der Beklagten die Gegenforderung in der Hauptsache durch die eigentlich international zuständigen Gerichte aberkannt wurde. Der Kläger ist also in der misslichen Lage, die Gegenforderung aufgrund eines Urteils des für ihn eigentlich „unzuständigen“ Gerichts letztlich doch erfüllen zu müssen, will er die von ihm geforderte Leistung erhalten. Selbst wenn also die Entscheidung über die Gegenforderung in dem Verfahren, in dem sie als Zurückbehaltungsrecht eingewendet wird, nach der lex fori keine Rechtskraftwirkung entfaltet, wird der Kläger aufgrund des Urteils faktisch gezwungen, die Leistung der Gegenforderung zu erbringen, will er nicht auf die Vollstreckung seiner Hauptforderung verzichten. Auch hier stellt sich die Frage, ob man den Interessen des Klägers nur durch eine Beschränkung der Geltendmachung von Gegenforderungen vor den jeweils international zuständigen Gerichten Rechnung tragen kann, oder ob andere Möglichkeiten existieren, dem Kläger die vorbehaltlose Durchsetzung seiner Hauptforderung im Zweitprozess zu ermöglichen.

336  Rauscher-Mankowski, Art.  22 EuGVVO Rz.  47g; Rauscher-Leible, Art.  5 EuGVVO Rz.  24, 83; Art.  7 EuGVVO Rz.  1; Thomas/Putzo-Reichold, §  256 Rz.  27; vor §  253 Rz.  18.

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

2. Keine Anhängigkeit der Gegenforderung durch Zurückbehaltung Beide Konstellationen wären unproblematisch lösbar, ließe die Einwendung einer Gegenforderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts diese Forderung i. S. des Art.  29 Abs.  1 EuGVVO: „anhängig“ (in der Terminologie des autonomen §  261 Abs.  3 Nr.  1 ZPO: „rechtshängig“) werden. Sind beide Gerichte für die Klage zuständig, müsste sich das später angerufene Gericht, sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, nach Art.  29 Abs.  3 EuGVVO für unzuständig erklären. Selbiges gälte, wenn die Klage auf die Gegenforderung die parallele Geltendmachung als Zurückbehaltungsrecht sperrte. Aus der Sicht des autonomen deutschen §  261 Abs.  3 Nr.  1 ZPO kommt eine Rechtshängigkeit von vornherein nicht in Betracht. In Deutschland führt selbst die Aufrechnung nicht zur Rechtshängigkeit der Gegenforderung,337 obwohl die Entscheidung über sie nach §  322 Abs.  2 ZPO in Rechtskraft erwächst. Bei Zurückbehaltungsrechten, bei denen es von vornherein nicht zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung kommt, darf dem Gläubiger erst recht nicht die Möglichkeit einer anderweitigen, der Rechtskraft fähigen Geltendmachung dieser Forderung abgeschnitten werden. Im unionsrechtlichen Kontext lässt sich die Anhängigkeit der Forderung ­wegen der zum Teil weiter reichenden Rechtskraftwirkungen in den Mitgliedstaaten dagegen nicht ganz so eindeutig bestimmen. So wird aus deutscher Sicht zumindest für die Aufrechnung die Anwendung von Art.  29 Abs.  1 EuGVVO zum Teil ausdrücklich befürwortet.338 Entscheidend ist letztlich, wie der Begriff der „Klagen wegen desselben Anspruchs“ in Art.  29 Abs.  1 EuGVVO auszu­ legen ist. Der EuGH hat diese Begriffe im Sinne seiner bis heute vertretenen „Kernpunkttheorie“ ausgeprägt. Zweck der autonom auszulegenden Begriffe „desselben Anspruchs“ sei es, Entscheidungen zu verhindern, die wegen Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats nach Art.  45 Abs.  1 337  Ganz h. M., siehe BGH, Urt. v. 8.1.2004, NJW-RR 2004, 1000; BGH, Urt. v. 11.11.1971, BGHZ 57, 242 (243 f.) (st. Rspr.); Musielak, FS Leipold, S.  85 (S.  87 ff.); Zöller-Vollkommer, §  322 Rz.  18; Stein/Jonas-Althammer, §  145 Rz.  49; i. Erg. auch Schlosser, ZPO I, Rz.  326, der für die Einklagung der Gegenforderung in einem gesonderten Hauptverfahren das Rechtsschutzbedürfnis verneint. A. A. Bettermann, Rechtshängigkeit, S.  84; ders., ZZP 85 (1972), 486 ff.; differenzierend I. Mittenzwei, ZZP 85 (1972), 466 (484); Heckelmann, NJW 1972, 1350 (1351). 338  OLG Hamburg, Urt. v. 6.2.1998, IPRax 1999, 168 (zum gleichlautenden Art.  21 LugÜ a. F.) mit Anm. Geimer, 152; Kannengießer, Aufrechnung, S.  188 Fn.  302 (zu Art.  21 ­EuGVÜ); Bäumer, Rechtshängigkeit, S.  160; Geimer/Schütze-Geimer, Art.  27 EuGVVO Rz.  38, hält eine Anwendung von Art.  27 EuGVVO a. F. (Art.  29 EuGVVO n. F.) für denkbar, will die Lösung des Problems aber grds. der lex fori überlassen, vgl. Art.  6 EuGVVO Rz.  86.

III. Internationaler Entscheidungseinklang

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lit.  d) EuGVVO nicht anerkannt werden könnten.339 Anders als nach dem deutschen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff kommt es dem EuGH dabei nicht auf die Identität der Klageanträge an. So schließen sich nach Auffassung des Gerichtshofs eine auf einen Vertrag gestützte Leistungsklage und eine auf das Nichtbestehen desselben Vertrags gerichtete negative Feststellungsklage nach Art.  29 Abs.  1 EuGVVO aus, da die von den Parteien gestellten Ansprüche letztlich auf „derselben Grundlage, nämlich demselben Vertragsverhältnis“340 beruhen. Konsequent ging der EuGH auch in der umgekehrten Konstellation einer auf Feststellung des Nichtbestehens einer deliktischen Haftung gerichteten negativen Feststellungsklage und einer späteren Leistungsklage auf Schadensersatz vom selben „Anspruch“ i. S. des Art.  21 EuGVÜ aus.341 Für den EuGH ist also ein im weiteren Sinne verstandener Lebenssachverhalt342 und nicht – wie nach deutschem Verständnis – zusätzlich die Identität der Anträge entscheidend. Im Lichte dieser Kernpunkttheorie fragt sich daher, ob identische Ansprüche i. S. von Art.  29 Abs.  1 EuGVVO auch dann vorliegen können, wenn durch das Verteidigungsvorbringen des Beklagten in Parallelprozessen identische entscheidungserhebliche Vorfragen aufgeworfen werden. Dieser Überlegung hat der EuGH jedoch in seiner Entscheidung Gantner Electronic,343 in der er sich mit der Anhängigkeit einer zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung befasste, eine Absage erteilt. Art.  21 EuGVÜ stelle ein System zur Verfügung, um zu Beginn eines Rechtsstreits zu ermitteln, welches der angerufenen Gerichte letztlich über den Rechtsstreit zu entscheiden hat. Das später angerufene Gericht sei verpflichtet, das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, bis die Zuständigkeit des Erstgerichts feststehe. Diese Zielsetzung werde verkannt, wenn der Inhalt des Klagebegehrens durch die zwangsläufig später vorgetragenen Anträge des Beklagten verändert werden könne. Für die Feststellung, ob Klagen denselben Anspruch betreffen, könnten somit Einwendungen gleich welcher Art, insbesondere die Aufrechnung, nicht berücksichtigt werden.344 Der EuGH folgt damit – zumindest für die Aufrechnung – der deutschrechtlichen Lösung, die ebenfalls Rechtshängigkeit und Rechtskraft entkoppelt.345 339  EuGH, Urt. v. 8.12.1987, Rs.  144/86, Slg. 1987, 4861 (4874), Rz.  8 – Gubisch/Palumbo; kritisch dazu Isenburg-Epple, Rechtshängigkeit, S.  212 ff. 340  EuGH, Urt. v. 8.12.1987, Rs.  144/86, Slg. 1987, 4871 (4875), Rz.  15 – Gubisch/Palumbo. 341  EuGH, Urt. v. 6.12.1994, Rs. C-406/92, Slg. 1994, I-5439 (5476), Rz.  4 4 – Tatry. 342  Vgl. dazu auch Sepperer, Rechtskraft in der EuGVO, S.  134. 343  EuGH, Urt. v. 8.5.2003, Rs. C-111/01, Slg. 2003, I-4225 – Gantner Electronic. 344  EuGH, Urt. v. 8.5.2003, Rs. C-111/01, Slg. 2003, I-4225 (4237), Rz.  30 f. – Gantner Electronic. 345  Vgl. die Nachweise zur h. M. in Deutschland in Fn.  338.

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

Für Zurückbehaltungsrechte überzeugt diese Auffassung darüber hinaus auch aus anderen als den vom EuGH genannten Gründen: Es liefe auf eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs hinaus, wollte man dem Beklagten, der durch ein Zurückbehaltungsrecht keinen vollstreckbaren Titel und in vielen Rechtsordnungen nicht einmal einen rechtskräftigen Ausspruch über das Bestehen der Gegenforderung erlangen kann, eine parallele Leistungs- oder Feststellungsklage abschneiden. Umgekehrt sind keine Gründe ersichtlich, dem Beklagten, der eine auf die Gegenforderung gestützte Leistungs- oder Feststellungsklage erhebt, die parallele Verteidigung gegen einen Klageangriff durch ein Zurückbehaltungsrecht zu verbieten. Im Ergebnis sperrt somit ein Zurückbehaltungsrecht auch nach dem weiten Rechtshängigkeitsbegriff des EuGH nicht die anderweitige auf die Gegenforderung gestützte Klage, die Klage nicht die anderweitige Geltendmachung eines auf die Gegenforderung gestützten Zurückbehaltungsrechts. 3. Lösungsansätze Widersprüche zwischen Entscheidungen über die Gegenforderung im Zurückbehaltungsprozess und in der Hauptsache lassen sich nur für jede Konstellation gesondert auflösen. Zunächst wird die erste Konstellation in den Blick genommen, in der das (für die Gegenforderung unzuständige) Gericht das Zurückbehaltungsrecht mangels Gegenforderung ablehnt, die Gegenforderung vom zuständigen Gericht in der Hauptsache aber zugesprochen wird. Anschließend wird die zweite Konstellation untersucht, in der der Beklagte mit seinem Zurückbehaltungsrecht durchdringt, das international zuständige Gericht die Gegenforderung in der Hauptsache jedoch aberkennt. a) Erste Konstellation: Ablehnung des Zurückbehaltungsrechts bei Bestehen der Gegenforderung in der Hauptsache Wird die Gegenforderung zuerst im Hauptsacheprozess im Ausland zugesprochen und erst anschließend im Zweitprozess in Deutschland zurückbehaltungsweise geltend gemacht, ist die Entscheidung in der Hauptsache für den Zweitprozess präjudiziell.346 Das Gericht hat die materielle Rechtskraft des Erst­urteils hinsichtlich des Bestehens der Gegenforderung bei der Beurteilung des Zurückbehaltungsrechts von Amts wegen zu berücksichtigen.347 Entscheidet das Ge346  Vgl. BGH, Urt. v. 16.1.2008, NJW 2008, 1227 (1229); BGH, Urt. v. 26.6.2003, NJW 2003, 3058 (3059); Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  40; Schack, IZVR, Rz.  1007; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, §  151 Rz.  15. 347  Allg. anerkannt, vgl. nur BGH, Urt. v. 23.2.2006, BGHZ 166, 253 (258); Stein/Jonas-­ Leipold, §  322 Rz.  211, jeweils m. w. N.

III. Internationaler Entscheidungseinklang

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richt im Rahmen des Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich der Gegen­forderung anders, weil es das Ersturteil nicht kennt oder dessen Rechtskraft­umfang unzutreffend beurteilt, ergeht ein Fehlurteil, gegen das im Rechtsmittel vorgegangen werden kann.348 Der Beklagte kann die fehlende Berücksichtigung des Ersturteils nach h. M. auch noch in der Rechtsmittelinstanz geltend machen, wenn er es in der ersten Instanz oder der Berufungsinstanz versäumt hat, auf die Existenz des Ersturteils hinzuweisen.349 Zwar trägt der Beklagte auch bei von Amts wegen zu prüfenden Fragen, die für ihn günstig sind, die Darlegungslast.350 Der Beklagte ist jedoch mit dem Vortrag der Präjudizialität nicht präkludiert, da die Rechtskraft nicht nur den Parteiinteressen, sondern auch dem öffentlichen Interesse an Rechtsfrieden und Einmaligkeit des Gerichtsschutzes dient.351 Dessen ungeachtet ist der Beklagte natürlich trotzdem gut beraten, das Gericht im Zweitprozess auf die rechtskräftige Entscheidung im Erstprozess möglichst früh hinzuweisen, um das Risiko der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Fehlurteils (vgl. §§  708 f. ZPO) abzuwenden. Eine unangemessene Benachteiligung droht ihm aber durch die Parallelprozesse grundsätzlich nicht. Anders ist die Situation, wenn der Prozess um die Gegenforderung in der Hauptsache noch nicht abgeschlossen, die vorbehaltlose Verurteilung und Ablehnung des Zurückbehaltungsrechts im inländischen Prozess jedoch bereits rechtskräftig ist. Der Beklagte hat dann keine Möglichkeit (mehr), die rechtskräftige Feststellung der Gegenforderung in der Hauptsache im Zurückbehaltungsprozess geltend zu machen. In diesem Fall ist zu erwägen, ob und wie man die nachträgliche Einführung eines Zug um Zug-Vorbehalts zulassen sollte. aa) Zurückbehaltungsrecht durch Vollstreckungsabwehrklage (§  767 ZPO)? Soweit die Vollstreckung aus der vorbehaltlosen Verurteilung im Inland erfolgt, könnte der Beklagte nach Eintritt der Rechtskraft des die Gegenforderung zusprechenden (ausländischen) Urteils nach §  767 Abs.  1 ZPO beantragen, die Zwangsvollstreckung aus dem deutschen Titel nur Zug um Zug gegen Erfüllung der Gegenforderung zuzulassen. Nach Art.  24 Nr.  5 EuGVVO wären deutsche Gerichte für die Vollstreckungsabwehrklage auch international zuständig.352 Probleme einer anderweitigen Zuständigkeit für die Gegenforderung bestehen 348 

BGH, Urt. v. 26.2.1991, NJW 1991, 2014 (2015); Saenger-Saenger, §  322 Rz.  16 m. w. N. BGH, Urt. v. 14.2.1962, BGHZ 36, 365 (367); Stein/Jonas-Kern, vor §  128 Rz.  197; Musielak/Voit-Ball, §  529 Rz.  22; MüKoZPO-Rimmelspacher, §  529 Rz.  14. A. A. Stein/ Jonas­- Grunsky, 21.  Aufl., §  561 Rz.  14 f. 350  Vgl. nur Stein/Jonas-Kern, vor §  128 Rz.  194. m. w. N. 351  Gaul, FS Flume, Bd. I, S.  4 43 (512); Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  151 Rz.  1. 352  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2277), Rz.  12 – AS-Autoteile. 349 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

hier nicht, da diese bereits rechtskräftig festgestellt ist.353 Zurückbehaltungsrechte gehören auch unbestritten zu den materiellrechtlichen Einwendungen i. S. des §  767 Abs.  1 ZPO.354 Fraglich ist allerdings, ob der Beklagte mit der Einwendung eines Zurückbehaltungsrechts nach §  767 Abs.  2 ZPO präkludiert ist, wenn die Einrede im Erstprozess vom Gericht berücksichtigt, jedoch mangels bestehender Gegenforderung zurückgewiesen wurde und nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils die Gegenforderung in der Hauptsache rechtskräftig zugesprochen wird. Grundsätzlich sind Einwendungen nur insoweit zulässig, als die sie tragenden Gründe nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz entstanden sind. Ein Zurückbehaltungsrecht ist „entstanden“, sobald der Schuldner die Leistung verweigern darf.355 Die unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen, aufgrund derer das Gericht die Gegenforderung letztlich verneint hat, haben sich auch seit der letzten mündlichen Verhandlung nicht geändert. Es liegt also lediglich eine abweichende rechtliche Würdigung desselben Lebenssachverhalts durch das in der Hauptsache über die Gegenforderung zuständige, ausländische Gericht vor. Zu beachten ist jedoch, dass das ausländische Hauptsacheurteil – wäre es vor der Rechtskraft des Urteils im Zurückbehaltungsprozess ergangen – für die Entscheidung über die Gegenforderung als Vorfrage präjudiziell gewesen wäre. Insofern könnte man erwägen, im Erlass des zusprechenden rechtskräftigen Hauptsacheurteils über die Gegenforderung durch die international zuständigen Gerichte einen neuen „Grund“ für eine Einwendung des Beklagten i. S. von §  767 Abs.  2 ZPO zu sehen, der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Erstprozess noch nicht vorlag. Vor dem Hintergrund der restriktiven Zulassung von Einwendungen im Rahmen von §  767 Abs.  2 ZPO in Rechtsprechung und Lehre356 ist gegenüber einer Auflösung von Entscheidungswidersprüchen über die Vollstreckungsabwehrklage jedoch Zurückhaltung geboten. Dem Vollstreckungsschuldner sind im Rahmen von §  767 Abs.  2 ZPO jedwede Einwendungen unabhängig davon abgeschnitten, ob er diese kennen musste oder beweisen konnte. Zweck von §  767 ZPO ist es, dem Schuldner nur solche Einwendungen zu ermöglichen, die noch 353 

354 

Zu dieser unproblematischen Konstellation siehe oben §  5 III. RG, Urt. v. 25.8.1938, RGZ 158, 145 (149); BGH, Urt. v. 27.6.1997, NJW‑RR 1997,

1272. 355  Vgl. BGH, Urt. v. 16.2.1961, BGHZ 34, 274 (279 f.) (für sämtliche Einreden); M ­ üKoZPO-­K. Schmidt/Brinkmann, §  767 Rz.  80, 82. 356  BGH, Urt. v. 19.10.2000, BGHZ 145, 352 (354 ff.); Braun, ZZP 117 (2004), 3 (30); Stein/­ ­Jonas-Münzberg, §  767 Rz.  30; MüKoZPO-K. Schmidt/Brinkmann, §  767 Rz.  77; Thomas/­ Putzo-Seiler, §  767 Rz.  22.

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nicht – bekannt oder unbekannt – Teil des von der materiellen Rechtskraft erfassten, abgeurteilten Lebenssachverhalts werden konnten357 und die die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigen können.358 Demgegenüber dient §  767 ZPO gerade nicht dazu, die Entscheidung des Erstgerichts über einzelne Vorfragen auf derselben Tatsachengrundlage zu überprüfen. Wird ein Zurückbehaltungsrecht abgelehnt, ist zwar nicht die Gegenforderung, wohl aber die Vorbehaltlosigkeit der Hauptforderung Gegenstand der Rechtskraft des inländischen Ersturteils geworden. Die nachträgliche rechtskräftige Feststellung irgendeiner für die Vollstreckbarkeit der Hauptforderung relevanten Vorfrage – hier das Bestehen der Gegenforderung – kann daher grundsätzlich keinen im Rahmen von §  767 Abs.  2 ZPO zulässigen Einwand begründen. Anderenfalls könnte der Schuldner die Sperrwirkung des §  767 Abs.  2 ZPO in vielen Fällen leicht unterlaufen, indem er versucht, nach Rechtskraft des Vollstreckungstitels ein Feststellungsurteil über eine für die titulierte Forderung entscheidungserhebliche Vorfrage zu erwirken und im Erfolgsfalle die grundsätzliche Präjudizialität dieses Feststellungsurteils im Wege von §  767 ZPO – unabhängig von einer Änderung der Tatsachengrundlage – einwendet. Zudem stellt das Bestehen der Gegenforderung für sich genommen noch keine „Einwendung“ dar, die die Vollstreckbarkeit des die Hauptforderung zusprechenden Urteils beseitigen könnte. Zur Einwendung wird sie vielmehr erst im Gewand des Zurückbehaltungsrechts. Der Schuldner kann zwar – zumindest nach deutscher Rechtskraftlehre359 – auch nach Ablehnung des Zurückbehaltungsrechts das Bestehen der Gegenforderung feststellen lassen und dabei möglicherweise eine abweichende Entscheidung über die Vorfrage herbeiführen. Ob aber aus der Gegenforderung ein gegenüber der Hauptforderung einwendbarer Zug um Zug-Vorbehalt folgt, entscheidet das die Gegenforderung zusprechende Hauptsacheurteil nicht, da hierfür neben der Gegenforderung – je nach der Natur des Zurückbehaltungsrechts – noch weitere Voraussetzungen, z. B. die Konnexität der Forderungen oder das Fehlen einer Vorleistungspflicht, zu prüfen sind. Folgt daher aus dem ausländischen Urteil lediglich das Bestehen der Gegenforderung, aber kein Zug um Zug-Vorbehalt, ist es ungeeignet, die Vorbehaltlosigkeit der Hauptforderung und damit die vorbehaltlose Vollstreckbarkeit des auf ihr beruhenden Titels in Frage zu stellen. 357  Vgl. MüKoZPO-K. Schmidt/Brinkmann, §  767 Rz.  1; Kindl/Meller-Hannich/Wolf-­ Schneiders, ZVR, §  767 Rz.  48. 358  BGH, Urt. v. 6.3.1987, BGHZ 100, 211 (212); Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Schneiders, ZVR, §  767 Rz.  2; Musielak/Voit-Lackmann, §  767 Rz.  1. 359  Siehe oben §  6 II. 1. a).

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

Die Zulassung der Vollstreckungsabwehrklage ist auch nicht etwa ausnahmsweise aus Gründen des Beklagtenschutzes geboten. Die Belastung für den Beklagten, der nur eine Verteidigungsmöglichkeit verliert, ist weit weniger eklatant als die Belastung eines Klägers in der noch zu diskutierenden zweiten Konstellation,360 in der die Gegenforderung in der Hauptsache abgewiesen wird, der Kläger jedoch seine Hauptforderung nur Zug um Zug vollstrecken kann. In der ersten Konstellation können dagegen beide Forderungen weiterhin unabhängig voneinander durchgesetzt werden. Der bloße Verlust der Zug um Zug-Verknüpfung erscheint nicht so gravierend, als er eine extensive und methodisch unsaubere Ausdehnung der Vollstreckungsabwehrklage erforderte. Zudem lassen sich in Ausnahmefällen etwaige Nachteile für den Beklagten gegebenenfalls über eine Verfahrensaussetzung lösen.361 Keine Besonderheiten ergeben sich in den Fällen, in denen der Prozess über das Zurückbehaltungsrecht vor Gerichten stattfindet, nach deren Prozessrecht das Nichtbestehen der Gegenforderung in Rechtskraft erwächst.362 Entscheidet z. B. zuerst das international zuständige deutsche Gericht in der Hauptsache über die Gegenforderung, muss ein englisches Gericht dieses Urteil nach Art.  36 EuGVVO anerkennen und ist an die Entscheidung über das Bestehen der Gegenforderung im Rahmen der Prüfung des Zurückbehaltungsrechts gebunden (Präjudizialität). Entscheidet dagegen das englische Gericht zuerst über das Zurückbehaltungsrecht und inzident über die Gegenforderung, kommt es nach der hier vertretenen Lösung363 darauf an, ob sich die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts für die Gegenforderung aus den in Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO besonders geschützten Zuständigkeiten ergibt. Ist dies der Fall, wird die englische Rechtskraft insoweit nicht anerkannt, als sie die Entscheidung über die Gegenforderung betrifft. Das englische Urteil über die Vorfrage würde dann im Ergebnis so behandelt, als wäre es nach deutschem Prozessrecht er­ gangen. Beruht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte dagegen auf allgemeinen oder besonderen Zuständigkeitsvorschriften, muss das deutsche Gericht die englische Rechtskraftwirkung über die Gegenforderung nach der herrschenden Wirkungserstreckungslehre anerkennen. Dann wäre die auf die Gegenforderung gestützte Leistungsklage abzuweisen. Eine Missachtung der Rechtskraft des englischen Urteils im deutschen Leistungsprozess könnte wiederum im Rechtsmittel erfolgreich gerügt werden. 360 

Dazu sogleich unten §  6 III. 3. b). Dazu sogleich unten §  6 III. 3. a) bb). 362  Siehe hierzu oben §  6 III. 1. a). 363  Siehe dazu oben §  6 II. 3. d). 361 

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bb) Aussetzung des Verfahrens über das Zurückbehaltungsrecht Die Beispiele zur ersten Konstellation zeigen, dass der Beklagte in den seltensten Fällen schutzwürdig ist. Denn wird ihm im Inland sein Zurückbehaltungsrecht allein mangels wirksamer Gegenforderung aberkannt und klagt er diese parallel im Ausland vor den zuständigen Gerichten ein, so kann er im Zurückbehaltungsprozess Rechtsmittel einlegen, welche die spätere Berücksichtigung einer Entscheidung der international zuständigen Gerichte in der Hauptsache ermöglichen. Da die Gegenforderung durch ihre zurückbehaltungsweise Geltendmachung nicht i. S. von Art.  29 EuGVVO anhängig wird und auch ihre Anhängigkeit in der Hauptsache nicht ihre parallele Geltendmachung im Wege des Zurückbehaltungsrechtes sperrt,364 scheidet auch eine zwingende Aussetzung nach Art.  29 Abs.  1 EuGVVO aus. In Betracht kommt jedoch eine fakultative Aussetzung nach dem wesentlich weiteren Art.  30 Abs.  1 EuGVVO, wenn im Zurückbehaltungsprozess die Rechtskraft einer vorbehaltlosen Verurteilung droht, bevor im Ausland in der Hauptsache rechtskräftig entschieden wird. Zweck der Aussetzung nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO ist die generelle Koordination der Rechtsprechung innerhalb der Union.365 Sie setzt daher nur voraus, dass Klagen vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten „im Zusammenhang“ stehen. Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus der Legaldefinition in Art.  30 Abs.  3 EuGVVO: die Beziehung muss so eng sein, dass eine gemeinsame Entscheidung geboten erscheint, um widersprechende Entscheidungen zu verhindern. Der Begriff des Zusammenhangs ist unionsrechtlich autonom366 und nach Ansicht des EuGH im Sinne einer geordneten Rechtspflege weit auszulegen: Um eine möglichst weitreichende Verfahrenskoordination zu gewährleisten, umfasst er sämtliche Fälle, in denen die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, selbst wenn die Entscheidungen getrennt vollstreckt werden können und sich ihre Rechtsfolgen nicht gegenseitig ausschließen.367 Es genügt also, dass über dieselbe Vorfrage entschieden wird, unabhängig davon, ob diese in Rechtskraft erwächst. Als ausreichend wurde beispielsweise der Zusammenhang zwischen einer Klage auf Schadensersatz wegen eines Schiffsunfalls und einer Klage auf seerechtliche Haftungsbeschränkung wegen derselben Kollision angesehen.368 Ebenso muss ein Zusammenhang nach Art.  30 Abs.  3 364 

Siehe dazu oben §  6 III. 2. Kropholler/v. Hein, Art.  28 EuGVVO Rz.  1. 366  Musielak/Voit-Stadler, Art.  30 EuGVVO n. F. Rz.  2; Kropholler/v. Hein, Art.  28 E ­ uGVVO Rz.  3. 367  EuGH, Urt. v. 6.12.1994, Rs. C-406/92, Slg. I-1994, 5460 (5478) – Tatry; für eine weite Auslegung auch Sarrio v. Kuwait Investment Authority A.C. (1997) [1999] 1 A.C. 32 (39 f.) (H. L.). 368  Blue Nile Shipping Co Ltd. v. Iguana Shipping & Finance Inc. (“The Happy Fellow”) (1997) [1998] I.L.Pr. 440 (448) (C.A.) 365 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

EuGVVO zwischen zwei Verfahren angenommen werden, in denen eine Forderung in einem Staat klageweise, im anderen zurückbehaltungsweise geltend gemacht wird und somit dieselbe Vorfrage entscheidungserheblich ist. Um die mit einer Anerkennungsprognose verbundenen Unsicherheiten zu vermeiden, ist auch nicht erforderlich, dass die Anerkennung des Urteils in der Hauptsache zu erwarten ist. 369 Mithin reicht der Begriff „widersprechend“ in Art.  30 Abs.  3 EuGVVO deutlich weiter als die „Unvereinbarkeit“ in Art.  45 Abs.  1 lit.  c) ­EuGVVO, auch wenn in der englischen Fassung insoweit einheitlich von „irreconcilable“ die Rede ist.370 Ob das Gericht aussetzt, steht nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO („kann […] aussetzen“) in seinem Ermessen. Im Rahmen der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens hat das Gericht insbesondere den Grad des Zusammenhangs, die Prozessökonomie, die Parteiinteressen sowie Stand und Dauer der Verfahren zu berücksichtigen.371 Bei Zurückbehaltungsrechten kommt es dementsprechend darauf an, ob das Verfahren durch den Bestand der Gegenforderung geprägt wird, ob eine Entscheidung über die Gegenforderung vor dem ausländischen Gericht in der Hauptsache in naher Zukunft zu erwarten ist und ob die Aussetzung zur Wahrung der Rechte des Beklagten erforderlich ist. Zudem muss überhaupt eine Wahrscheinlichkeit bestehen, dass über den Bestand der Gegen­ forderung in der Hauptsache entschieden wird. Gibt es gar keinen Hauptsacheprozess, z. B. weil die Gegenforderung aufgrund Verjährung gar nicht (mehr) selbständig klagbar ist, läge in der Aussetzung ein schwerer Verfahrensfehler. Das Gericht ist also nicht in jeder Lage gehalten, eine zukünftige rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung im Ausland abzuwarten. Steht die rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache im Ausland dagegen unmittelbar bevor, kann das Ermessen des Gerichts im Einzelfall sogar auf Null reduziert sein. Unterlässt das Gericht dann ermessensfehlerhaft die Aussetzung, kann dies im Rechtsmittel gerügt werden. Der Wortlaut von Art.  30 Abs.  1 EuGVVO sieht allerdings die Aussetzung nur durch das später angerufene Gericht vor. Dies ist sinnvoll, soweit – wie nach englischem Prozessrecht – im Einredeprozess über die Gegenforderung mit Rechtskraft entschieden wird. Denn dann kann das Urteil im Einredeprozess auch das Urteil in der Hauptsache bedingen und umgekehrt. Dem als zweites angerufenen Gericht fällt dann die Aufgabe der Verfahrenskoordination zu. AnH.M., vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1995, IPRax 1996, 192 (193) (zu Art.  21 EuGVÜ); Krophol­ ler/­v. Hein, Art.  28 EuGVVO Rz.  7; Art.  27 EuGVVO Rz.  18 m.w.N; a. A. nur Schütze, RIW 1975, 543 (545). 370  EuGH, Urt. v. 6.12.1994, Rs. C-406/92, Slg. I-1994, 5460 (5479) – Tatry. 371  Magnus/Mankowski-Fentiman, Art.  28 Rz.  14 ff.; Saenger-Dörner, Art.  30 EuGVVO n. F. Rz.  5; Kropholler/v. Hein, Art.  28 EuGVVO Rz.  10. 369 

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ders ist die Situation aber, wenn über die Gegenforderung im Einredeprozess nicht mit Rechtskraft entschieden wird (so in der Konstellation, in der die Gegenforderung in Deutschland einredeweise und in England klageweise geltend gemacht wird). In diesen Fällen kann nur das Hauptsacheverfahren die Entscheidung im Einredeverfahren bedingen. Es ist daher sinnvoll, dann nur den Prozess um das Zurückbehaltungsrecht nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO auszu­ setzen, um die Entscheidung über die Gegenforderung in der Hauptsache ab­ zuwarten. Unsinnig wäre dagegen eine Aussetzung des Gerichts im Haupt­ sacheverfahren, das durch die Entscheidung über den Zug um Zug-Vorbehalt im Einredeprozess nicht gebunden wird. Wie im autonomen Recht im Rahmen von §  148 ZPO sollte daher nur der Prozess um das „bedingte“, nicht um das „bedingende“ Rechtsverhältnis ausgesetzt werden.372 Art.  30 Abs.  1 EuGVVO muss daher, wenn die Entscheidung über die Gegenforderung bei einredeweiser Geltendmachung nicht in Rechtskraft erwächst, dahingehend teleologisch reduziert werden, dass nur der Einredeprozess ausgesetzt werden darf, unabhängig davon, ob zuerst der Einredeprozess oder die Hauptsache anhängig war. cc) Ergebnis Die Gefahr von sich widersprechenden Entscheidungen, die sich zu Lasten des Beklagten auswirken, rechtfertigt ein Zuständigkeitserfordernis für die Gegenforderung nicht. Es wäre auch wenig sinnvoll, dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht unter Hinweis auf die ohnehin nur für ihn bestehende Gefahr zwischenstaatlicher Urteilswidersprüche zu versagen, die darin besteht, dass er sein Zurückbehaltungsrecht trotz rechtskräftiger Feststellung der Gegenforderung verliert. Diese Gefahr ist zudem – wie gezeigt – auf wenige Einzelfälle beschränkt, denen mit einer im Ermessen des Gerichts stehenden Aussetzung nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO Rechnung getragen werden kann.373 b) Zweite Konstellation: Annahme des Zurückbehaltungsrechts bei Nichtbestehen der Gegenforderung in der Hauptsache Schwieriger ist die Lage in der zweiten Konstellation, wenn also der Kläger im Zurückbehaltungsprozess trotz seines Antrags auf unbedingte Verurteilung nur ein Zug um Zug-Urteil erhält, die Klage des Beklagten auf die Gegenforderung in der Hauptsache von den international zuständigen ausländischen Gerichten aber abgewiesen wird. 372  H. Roth, FS Jayme, Bd. 1, S.  747 (755); für §  148 ZPO weitergehend I. Mittenzwei, Aussetzung, S.  94. 373  Kritisch zur seltenen Anwendung der Aussetzung in der Praxis allgemein Hess, EuZPR, §  6 Rz.  160.

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

Auch in diesen Fällen liegt nicht stets eine unbillige Härte vor. Unterliegt der Beklagte zuerst im Ausland in der Hauptsache mit der Gegenforderung oder erfolgt zuerst die Zug um Zug-Verurteilung des Klägers in einer Jurisdiktion (beispielsweise England), in der die Entscheidung über das Bestehen der Gegenforderung in Rechtskraft erwächst, ist das Ersturteil jeweils für das folgende Urteil präjudiziell. Im ersten Fall ist das Gericht im englischen Zurückbehaltungsprozess an die Präjudizialität der deutschen Hauptsache gebunden; im zweiten Fall wirkt die zusprechende Entscheidung über die Gegenforderung im englischen Zurückbehaltungsprozess nach der dortigen lex fori wie ein Feststellungsurteil und ist für die deutsche Hauptsache grundsätzlich präjudiziell.374 Wird in der zweiten Entscheidung hinsichtlich der Gegenforderung anders entschieden als in der ersten, ist die zweite Entscheidung im Rechtsmittel wegen Missachtung der Rechtskraft des Ersturteils aufzuheben. Zu unvereinbaren Entscheidungen kann es also nur bei Fehlurteilen oder dann kommen, wenn der Kläger die mangelnde Beachtung der Rechtskraft nicht durch Rechtsmittel rügt. Dann aber ist der Kläger nicht schutzwürdig. Problematisch sind damit wiederum die Fälle, in denen das Urteil in der Hauptsache im Ausland erst ergeht, nachdem der Beklagte im Inland bereits rechtskräftig zur Leistung Zug um Zug verurteilt wurde. Auch hier hatte der Kläger im Zurückbehaltungsprozess nicht die Möglichkeit, das Nichtbestehen der Gegenforderung im Wege der Zwischenfeststellungsklage nach §  256 Abs.  2 ZPO geltend zu machen, da es dem Gericht insoweit an der internationalen Zuständigkeit fehlt. Weist also im oben angeführten Beispiel das Gericht in London die Klage der Beklagten auf den Mietzins in London ab, nachdem die Beklagte in Deutschland rechtskräftig nur zur Rückgabe der Büroausstattung Zug um Zug gegen Mietzinszahlung des Klägers verurteilt wurde, kann der Kläger über die Zurückbehaltung seiner Büroausstattung zur Zahlung des Mietzinses gezwungen werden. Der Kläger hat jedoch nur bedingt Einfluss darauf, wie lange das Hauptsacheverfahren in England andauert. Zu seinem Schutz bieten sich verschiedene Lösungsmöglichkeiten an. aa) Verfahrensaussetzung Auch in dieser Situation hat das Gericht die Möglichkeit, bei Entscheidung über dieselbe Vorfrage das Verfahren nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO auszusetzen. Einziger Unterschied zur vorigen Konstellation ist, dass die Aussetzung hier zum Schutz des Klägers erfolgt. Steht beispielsweise die englische Entscheidung im Prozess um die Mietzinsforderung unmittelbar bevor, so kann die Aus374  Zur Ausnahme bei den in Art.  35 Abs.  1 EuGVVO genannten Sonderzuständigkeiten oben §  6 II. 3. d) cc).

III. Internationaler Entscheidungseinklang

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setzung des Prozesses um die Rückgabe der Büroeinrichtung, die der Beklagte wegen der Mietzinsforderung zurückbehält, als einzig ermessensfehlerfreie Handlungsoption des Gerichts erscheinen. Voraussetzung ist auch hier, dass berechtigte Interessen des Beklagten nicht entgegenstehen. Hat der Kläger dagegen die Mietzinsforderung des Beklagten weder im deutschen noch im englischen Prozess substantiiert bestritten, kann sein Aussetzungsersuchen rechtsmissbräuchlich erscheinen, da divergierende Entscheidungen unwahrscheinlich sind. Im Übrigen gilt das zur ersten Konstellation Ausgeführte entsprechend.375 bb) Nachträgliche Beseitigung des Zug um Zug-Vorbehalts Schließlich stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn es trotzdem im Einredeprozess einmal zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung kommt, während später in der Hauptsache (durch Abweisung der Klage des Beklagten auf die Gegenforderung oder auf Feststellungsklage des Klägers) das Nichtbestehen der Gegenforderung festgestellt wird. Das Problem wird bisher nicht diskutiert. Eine Durchbrechung der Rechtskraft, wie sie das autonome Recht in Sonderfällen durch eine auf §  826 BGB gestützte Klage ermöglicht,376 wird dem an der Beseitigung des Zug um ZugVorbehalts interessierten Kläger nicht weiterhelfen. Denn erstens ist ein solcher Anspruch nach herkömmlicher Auffassung auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung sowie Herausgabe des Titels gerichtet377 und schützt dadurch nur den Vollstreckungsschuldner. Zweitens würde ein Anspruch – selbst wenn er auf vorbehaltlose Leistung gerichtet wäre – entsprechend der bisherigen Rechtsprechung nur in den seltenen Sonderfällen gewährt, in denen der Zug um ZugVorbehalt durch den Beklagten arglistig oder sonst sittenwidrig erschlichen wurde.378 Eine Orientierungshilfe können jedoch die bisher entwickelten Ansätze im autonomen Recht zu vergleichbaren Konstellationen bieten, in denen ein Zug um Zug-Urteil ausnahmsweise auch ohne Erbringung der Gegenleistung vollstreckt werden kann. In Betracht kommen einerseits die Berücksichtigung des ausländischen Titels durch den Gerichtsvollzieher im Rahmen der Vollstreckung nach §§  756 Abs.  1, 765 Nr.  1 ZPO sowie andererseits eine vorbehaltlose Vollstreckung aufgrund eines neuen Titels des Klägers. 375 

Siehe oben §  6 III. 3. a). BGH, Urt. v. 24.9.1987, BGHZ 101, 380 (383 ff.); MüKoBGB-Wagner, §  826 Rz.  227 ff.; MüKoZPO-Gottwald, §  322 Rz.  219 ff.; kritisch Staudinger-Oechsler, §  826 Rz.  481 ff. 377  Vgl. nur MüKoBGB-Wagner, §  826 Rz.  228 m. w. N. 378  Zu den Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit der Erlangung des Titels BGH, Urt. v. 3.7.1990, BGHZ 112, 54 (57 ff.) m. w. N. 376 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

(1) Analoge Anwendung von §  756 ZPO Nach §  756 Abs.  1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung erst beginnen, wenn er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in Annahmeverzug begründender Weise angeboten hat. Er darf jedoch ausnahmsweise auch ohne ein solches Angebot vollstrecken, wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt ist oder sich in Annahmeverzug befindet, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt und dem Schuldner eine solche Urkunde zugestellt wird (§  756 Abs.  1 Var.  2 ZPO). Als Nachweisurkunden kommen dabei auch Urteile in Betracht, wenn sich die Befriedigung aus ihnen „liquide“, d. h. ohne schwierige rechtliche Überlegungen, für jeden klar erkennbar ergibt.379 Hier stellt sich die Frage, ob §  756 Abs.  1 Var.  2 ZPO analog anzuwenden ist, wenn sich aus einem ausländischen Urteil das Nichtbestehen der Gegenforderung ergibt. Die Folgen einer rechtskräftigen Feststellung des Nichtbestehens der Gegenforderung durch die international zuständigen Gerichte nach Rechtskraft des Zug um Zug-Urteils sind im Gesetz nicht geregelt. Voraussetzungen für eine Analogie ist, dass diese Regelungslücke planwidrig ist und dass eine dem Anwendungsfall des §  756 Abs.  1 ZPO vergleichbare Interessenlage besteht.380 Eine analoge Anwendung von §  756 Abs.  1 ZPO auf andere Erlöschensgründe der Gegenforderung als durch Erfüllung wurde bisher vor allem in der älteren Literatur für den Fall der unverschuldeten Unmöglichkeit der dem Kläger obliegenden Leistung diskutiert.381 Sie wird dort überwiegend mit dem Argument abgelehnt, die Unmöglichkeit der Gegenleistung des Klägers führe materiellrechtlich regelmäßig auch zur Leistungsbefreiung des Vollstreckungsschuldners (vgl. den heutigen §  326 Abs.  1 S.  1 BGB), während das Fortbestehen von dessen Leistungspflicht die Ausnahme sei.382 Dieses Argument greift jedoch nur in Fällen, in denen der Zug um Zug-Vorbehalt auf einem synallagmatischen Schuldverhältnis gründet, nicht dagegen für allgemeine Zurückbehaltungsrechte, bei denen die unverschuldete Unmöglichkeit der Erfüllung der Gegenforderung keinen Einfluss auf die Erfüllung der Hauptforderung des Klägers hat.383

379  BGH, Urt. v. 9.12.1981, NJW 1982, 1048 (1049); Musielak/Voit-Lackmann, §  756 Rz.  10; Stein/Jonas-Münzberg, §  756 Rz.  12; MüKoZPO-Heßler, §  756 Rz.  47. 380  Zu den Voraussetzungen einer Analogie vgl. Larenz, Methodenlehre, S.  381; Pawlowski, Juristische Methodenlehre, §  6 Rz.  165 ff. 381  Dafür Neumann, JW 1901, 740 (741); H. Schmidt, JurBüro 1964, 415; dagegen aus neuerer Zeit MüKoZPO-Heßler, §  756 Rz.  44; Musielak/Voit-Lackmann, §  756 Rz.  10. 382  Reuter, Verurteilung Zug um Zug, S.  63; Burckhardt, Urteil Zug um Zug, S.  68. 383  Für die Unbedenklichkeit der Analogie bei Fortbestehen der Leistungspflicht des Schuldners Reuter, Verurteilung Zug um Zug, S.  63.

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Gegen eine analoge Anwendung des §  756 ZPO ließe sich zudem anführen, dass der Gesetzgeber eine vorbehaltlose Vollstreckung nur dann ermöglicht, wenn der Vollstreckungsschuldner die Leistung entweder bereits erhalten hat oder noch erhalten kann. §  756 ZPO lässt die vorbehaltlose Vollstreckung da­ gegen nicht zu, wenn der Vollstreckungsgläubiger seine Leistung gar nicht ­erbringt. Allerdings lässt sich der Zweck der Ausnahmeregelungen des §  756 Abs.  1 Var.  1 und 2 ZPO auch anders – weiter – fassen: Die Vollstreckung einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung soll ohne Bewirkung der Gegenleistung möglich sein, soweit der Vollstreckungsgläubiger (Kläger) nicht (mehr) zur Erbringung seiner Zug um Zug geschuldeten Leistung verpflichtet ist und die vorbehaltlose Vollstreckung der Hauptforderung keine berechtigten Interessen des Schuldners (Beklagten) berührt. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht nur vor, wenn der Kläger seine Leistung bewirkt hat, sondern auch dann, wenn er seine Leistung aufgrund rechtskräftigen Urteils des zuständigen Gerichts in der Hauptsache nicht bewirken muss. Denn hätte das rechtskräftige Urteil in der Hauptsache bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im inländischen Zurückbehaltungsprozess vorgelegen, wäre das Gericht an diese Entscheidung gebunden gewesen und hätte nicht auf einen Zug um Zug-Vorbehalt erkennen dürfen. Der Kläger darf nicht dadurch benachteiligt werden, dass die Rechtskraft des ausländischen Hauptsacheurteils erst nach Rechtskraft des Urteils im Einredeprozess eintritt. Eine vergleichbare Interessenlage, der der Gesetzgeber nicht durch eine entsprechende Normierung Rechnung getragen hat, liegt damit grundsätzlich vor, so dass man über den Wortlaut hinaus nicht nur bei Beweis der Befriedigung, sondern bei Beweis des sonstigen Nichtbestehens der Gegenforderung durch eine ausländische öffentliche Urkunde (z. B. ein Hauptsacheurteil) eine vorbehaltlose Vollstreckung zulassen müsste. Zudem ist das ausländische Urteil nach Art.  36 EuGVVO, sofern es sich um ein mitgliedstaatliches Urteil handelt, unproblematisch als öffentliche Urkunde anzuerkennen. Ihre Echtheit hat das Gericht nach §  438 ZPO zu ermessen. Bei einer analogen Anwendung von §  756 Abs.  1 ZPO auf eine rechtskräftige Feststellung des Nichtbestehens der Gegenforderung ist jedoch die beschränkte Kognitionsbefugnis des Vollstreckungsorgans zu beachten. Der Gerichtsvollzieher darf den nach materiellem Recht zu beurteilenden Wegfall der Zug um Zug-Verpflichtung des Klägers nicht selbst prüfen.384 Vielmehr muss sich der Wegfall eindeutig aus der öffentlichen Urkunde („liquide“) ergeben. Wann dies der Fall ist, ist im Einzelnen umstritten. Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung in der Literatur kann sich die Befriedigung des Gläubigers sowohl aus dem Tenor als auch dem Tatbestand und den Entscheidungs384 

Schilken, AcP 181 (1981), 355 (370); Kaiser, NJW 2010, 2330.

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gründen ergeben,385 während die Gegenauffassung nur Feststellungen im Tenor für ausreichend hält.386 Selbst wenn man die großzügigere Auffassung der Rechtsprechung für die Feststellung des Nichtbestehens der Gegenforderung in der Hauptsache zugrunde legt, gestaltet sich das Vorgehen für den Kläger dennoch schwierig. Im oben genannten Beispielsfall müsste der Kläger dafür sorgen, dass er eine amtliche oder öffentlich beglaubigte Übersetzung des englischen Titels erhält, die es dem Gerichtsvollzieher in Deutschland ermöglicht, ohne weitere Schwierigkeiten auf das anfängliche Nichtbestehen der Gegen­ forderung zu schließen. Dies wird in den Fällen gelingen, in denen der Kläger im Ausland selbst erfolgreich auf Feststellung des Nichtbestehens der Gegen­ forderung geklagt hat und sich das Nichtbestehen der Forderung eindeutig aus dem Tenor ergibt. Schwierigkeiten ergeben sich aber, wenn der Beklagte im Ausland auf Leistung auf die Gegenforderung geklagt hat und dort unterlegen ist. Denn sein Unterliegen muss nicht auf dem Nichtbestehen der Gegenforderung beruhen, sondern kann z. B. – wie bereits dargelegt – auch durch Verjährung der Gegenforderung begründet sein, die die zurückbehaltungsweise Geltendmachung in Deutschland aber nicht hindern würde (vgl. §  215 BGB). Das Nichtbestehen der Gegenforderung kann sich bei der in der Hauptsache abgewiesenen Leistungsklage dann allenfalls aus den Entscheidungsgründen ergeben. Gerade bei ausländischen Titeln, deren übersetzte Entscheidungsgründe undurchsichtig sein können, müssen die Rechte des Vollstreckungsschuldners jedoch unbedingt gewahrt bleiben. Unklarheiten in den Entscheidungsgründen müssen daher im Rahmen einer analogen Anwendung von §  756 ZPO zu Lasten des Klägers und Vollstreckungsgläubigers gehen. Der Gerichtsvollzieher sollte also ohne Angebot der Gegenleistung im Zweifel nur vollstrecken, wenn sich bereits aus dem übersetzten ausländischen Tenor eindeutig ergibt, dass die Gegenforderung dem Grunde nach nicht besteht. Das Risiko von Unklarheiten des ausländischen Titels spricht zwar nicht generell gegen eine Analogie zu §  756 Abs.  1 ZPO, da sich der Beklagte und Vollstreckungsschuldner in jedem Falle mit der Vollstreckungserinnerung nach §  766 Abs.  1 S.  1 ZPO gegen eine vorschnelle Annahme des Nichtbestehens der Gegenforderung wehren kann. Die Lösung räumt die Risiken für den Kläger jedoch nicht aus, da viele ausländische Titelformen denkbar sind, deren Inhalt oder Form dem Gerichtsvollzieher das Nichtbestehen der Gegenforderung nicht hinreichend verdeutlichen. Sinnvoll ist ein Vorgehen nach §  756 ZPO analog daher nur, wenn sich das Nichtbestehen der Gegen­ 385  BGH, Urt. v. 9.12.1981, NJW 1982, 1048 (1049); OLG Köln, Beschl. v. 23.11.1990, NJW-RR 1991, 383 f.; Stein/Jonas-Münzberg, §  756 Rz.  12; Musielak/Voit-Lackmann, §  756 Rz.  10; Gernhuber, Schuldverhältnis §  30 VIII. 4. (S.  705 f.) (Tenor und Gründe). 386  Schilken, AcP 181 (1981), 355 (373 f.); Baur/Stürner, ZVR, §  21 Rz.  11.

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forderung für den Gerichtsvollzieher nach der Prognose des Klägers eindeutig und unzweifelhaft aus dem ausländischen Titel ergibt. Verweigert der Gerichtsvollzieher trotz Eindeutigkeit des Titels die vorbehaltlose Vollstreckung, steht auch dem Vollstreckungsgläubiger gegen die Verweigerung der Vollstreckung ohne Angebot der ihm obliegenden Leistung nach §  766 Abs.  2 ZPO die Erinnerung offen.387 (2) Erneute Klage auf vorbehaltlose Leistung Etwaige Unsicherheiten im Rahmen der Vollstreckung nach §  756 ZPO könnte der Kläger vermeiden, wenn man ihm die Möglichkeit einer erneuten Klage auf vorbehaltlose Leistung einräumte. Diese zweistufige Lösung, bei der der Kläger zunächst einen neuen Titel erhält und diesen sodann vorbehaltlos vollstreckt, wird im nationalen Recht für die nachträgliche Unmöglichkeit der vom Kläger Zug um Zug zu erbringenden Leistung diskutiert.388 Dieser Lösungsansatz lässt sich auch für das Problem einer anderweitigen ausländischen Hauptsacheentscheidung durch die international zuständigen Gerichte fruchtbar machen. Wird dem Kläger die Erbringung seiner Leistung unmöglich und erlischt dadurch die Gegenforderung, so soll nach der überwiegenden Auffassung §  756 ZPO nicht analog angewendet, sondern dem Kläger ein erneutes Recht zur Klage gewährt werden.389 Der Klageantrag kann dabei auf Leistung ohne Gegenleistung390 oder aber auf Feststellung gerichtet sein, dass die Zwangsvollstreckung ohne Erbringung der Leistung des Klägers zulässig ist.391 Da im ersten Fall aus dem „neuen“ Titel vollstreckt wird, ist aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, dass der Kläger auf die Vollstreckung aus dem Zug um Zug-Urteil verzichtet.392 Der Bundesgerichtshof hat die Möglichkeit einer erneuten Klage allerdings beschränkt, wenn der Kläger im Erstprozess nicht ­primär die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug, sondern erfolglos die vor­ behaltlose Verurteilung beantragt hatte. Habe der Kläger ursprünglich bereits auf vorbehaltlose Leistung geklagt, so stehe die Rechtskraft der Zug um Zug-­ Zu diesen Rechtsbehelfen im Rahmen von Zug um Zug-Titeln eingehend Kaiser, NJW 2010, 2330. 388  RG, Urt. v. 19.10.1920, RGZ 100, 197; BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1; H. Schmidt, JurBüro 1964, 415; Reuter, Verurteilung Zug um Zug, S.  63. 389  RG, Urt. v. 19.10.1920, RGZ 100, 197 (199); BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (3 f.); Staudinger-Schwarze, §  322 Rz.  20; MüKoZPO-Heßler, §  756 Rz.  44. 390  Dafür MüKoZPO-Heßler, §  756 Rz.  4 4; Reuter, Verurteilung Zug um Zug, S.  63. 391  OLG Koblenz, Urt. v. 3.6.1992, Rpfleger 1993, 28; Zöller-Stöber, §  756 Rz.  9. Der BGH hält beide Anträge gleichermaßen für zulässig, vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (3); MüKoBGB-Emmerich, §  322 Rz.  8. 392  BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (3); Reuter, Verurteilung Zug um Zug, S.  62 Fn.  4. 387 

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Verurteilung einer erneuten Klage auf vorbehaltlose Leistung oder Zulassung der Zwangsvollstreckung ohne Angebot der Gegenleistung entgegen, da aufgrund der gleichgerichteten Anträge die Streitgegenstände beider Klagen identisch seien.393 Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Unmöglichkeit bereits vor Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung im Erstprozess eingetreten sei und vom Kläger hätte geltend gemacht werden können.394 Grundsätzlich sollte man in Fortbildung dieser Grundsätze auch dem Kläger, dessen fehlende Verpflichtung aus der Gegenforderung nach Abschluss des Zurückbehaltungsprozesses im Ausland rechtskräftig festgestellt wird, die Möglichkeit der erneuten Klage auf vorbehaltlose Leistung gewähren. Wie bereits dargelegt, hat der Kläger ein Interesse daran, dass die Entscheidung des international zuständigen Gerichts über das Bestehen der Gegenforderung durch das für die Gegenforderung nicht zuständige Gericht im Zurückbehaltungsprozess respektiert wird. Jedoch müssen auch hier je nach Schutzwürdigkeit des Klägers Einschränkungen gemacht werden. Wie eingangs erläutert, ist die Schutz­ würdigkeit des Klägers nur dann gegeben, wenn das inländische Zug um Zug-­ Urteil in Rechtskraft erwächst, bevor die ausländische Feststellung der fehlenden Verpflichtung des Gläubigers rechtskräftig festgestellt wird.395 Ist die Entscheidung im ausländischen Hauptsacheprozess dagegen bereits vor Ende der mündlichen Verhandlung im deutschen Zurückbehaltungsprozess rechtskräftig geworden und hätte das inländische Gericht die präjudizielle Wirkung dieses ausländischen Urteils missachtet, dann wäre es dem Kläger möglich gewesen, durch Rechtsmittel dagegen vorzugehen. Hat er es aber unterlassen, Rechtsmittel einzulegen, so besteht kein Anlass, ihm zu ermöglichen, sein Versäumnis durch eine erneute Klagemöglichkeit nachzuholen. Für eine erneute Klage fehlt in diesen Fällen jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis, wenn man sie nicht – wie der BGH in Fällen der Unmöglichkeit der Gegenleistung – ohnehin an der Rechtskraft des Zug um Zug-Urteils scheitern lassen will. Ebenso wenig schutzwürdig ist ein Kläger, der es während des Prozesses um das Zurückbehaltungsrecht im Inland versäumt hat, vor den international zuständigen Gerichten im Ausland die Feststellung des Nichtbestehens der Gegenforderung zu beantragen. Die hier vorgeschlagenen Lösungen betreffen Gefährdungen für den internationalen Entscheidungseinklang, die sich daraus ergeben, dass der Kläger im Inland keinen Zwischenfeststellungsantrag nach §  256 Abs.  2 ZPO stellen kann, da den deutschen Gerichten in den hier diskutierten Problemfällen die internationale Zuständigkeit für die Zwischenfeststellungs393  BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (5 f.); kritisch dazu Dieckmann, GS Arens, S.  43 (55 ff.). 394  BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (6 f.). 395  Oben §  6 III. 3. b).

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klage fehlt. Der Kläger muss dann aber jedenfalls zur Wahrung seiner Rechte von der Alternative zu einem Zwischenfeststellungsverfahren – nämlich einer Klage im Ausland – Gebrauch machen. Macht er die Hauptsacheklage nicht vor Eintritt der Rechtskraft des inländischen Zug um Zug-Urteils anhängig, fehlt ihm auch insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, nach rechtskräftigem Abschluss des inländischen Verfahrens neu klagen zu dürfen. Denn dann hat der Kläger selbst nicht alles Erforderliche getan, seine Rechte zu wahren.396 Jenseits dessen sollte man dem Kläger jedoch bei einem die Gegenforderung abweisenden ausländischen Hauptsacheurteil den Antrag auf Feststellung der Zwangsvollstreckung ohne Angebot der Gegenleistung oder auf Verurteilung zur unbedingten Leistung gestatten. Nur so wird er von dem Zwang befreit, die von den international zuständigen Gerichten aberkannte Gegenforderung zum Erhalt der von ihm eingeklagten Leistung dennoch erfüllen zu müssen. Diese Lösung bietet gegenüber einem Vorgehen des Klägers analog §  756 Abs.  1 ZPO den Vorteil, dass das Gericht nun sämtliche Fragen selbst klären kann, insbesondere, ob die Abweisung einer Leistungsklage des Beklagten im Ausland tatsächlich auf dem Nichtbestehen (und nicht nur der Verjährung) der Gegenforderung beruht, und welchen Einfluss der Wegfall der Gegenforderung auf das Bestehen der Hauptforderung hat. Auch die Rechtskraft des Zug um Zug-Urteils steht einem solchen Vorgehen nicht entgegenstehen, wenn der Kläger im Zweitprozess auf Feststellung der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung ohne Anbieten der Gegenleistung klagt, da insoweit verschiedene Anträge vorliegen. Hierin das kontradiktorische Gegenteil zur ursprünglichen Zug um Zug-Verurteilung zu sehen – wie dies die Formulierung der Entscheidung des BGH zur Unmöglichkeit der Gegenleistung nahelegt397 – ist nicht sachgerecht. Denn nach herrschender und zutreffender Auffassung, der im Grundsatz auch der BGH in der besagten Entscheidung folgt,398enthält das Urteil über die Haupt­forderung gerade keine rechtskräftigen Feststellungen über das Bestehen der Gegenforderung. Wird also in der ausländischen Hauptsache rechtskräftig festgestellt, dass die Gegenforderung nicht besteht, so kann der Kläger im Inland auf Feststellung klagen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Zug um Zug-­Titel ohne Bewirkung der Gegenleistung zulässig ist. Für den Beklagten bedeutet dies auch kein erhöhtes Kostenrisiko. Ihm steht es frei, nach Rechtskraft des ausländischen Urteils die Befugnis des Klägers zur unbedingten Vollstreckung zuzugestehen, so dass der Nachweis der ZulässigZum Rechtsschutzbedürfnis allg. Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  89 Rz.  30 ff. BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (5 f.). 398  BGH, Urt. v. 19.12.1991, BGHZ 117, 1 (3); siehe auch BGH, Beschl. v. 16.4.1996, NJWRR 1996, 828 (829); Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  153 Rz.  16; Dieckmann, GS Arens, S.  43 (47 f.); Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  154; Zöller-Vollkommer, §  322 Rz.  15. 396 

397 

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keit unbedingter Vollstreckung gegenüber dem Gerichtsvollzieher nach §§  756, 288 ZPO analog entbehrlich wird und es einer Feststellungsklage nicht bedarf.399 Im Falle einer sofortigen Feststellungsklage des Klägers kann der Beklagte den Kosten dieser erneuten Klage durch ein sofortiges Anerkenntnis nach §  93 ZPO entgehen. c) Wechselseitige Vereinbarkeit der Lösungsansätze Ein gewisser Rechtfertigungsbedarf für die zur zweiten Konstellation vertretene Lösung mag sich im Vergleich zur ersten Konstellation400 ergeben, in der der Beklagte sein Zurückbehaltungsrecht nicht nachträglich im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach §  767 Abs.  2 ZPO einwenden kann, wenn ihm nach Rechtskraft der inländischen vorbehaltlosen Verurteilung Zug um Zug-Forderung seine Gegenforderung im Ausland rechtskräftig zugesprochen wird. Denn nach hier vertretener Ansicht dient §  767 ZPO – wie oben erläutert 401 – nicht dazu, eine nachträgliche rechtliche Überprüfung der vorbehaltlosen Verurteilung des Beklagten zu ermöglichen. Der Rechtfertigungsbedarf ergibt sich also daraus, dass es in beiden diskutierten Konstellationen gleichermaßen um die nachträgliche Berücksichtigung einer Rechtskraft geht, die das Hauptsacheurteil für die Entscheidung über das Zurückbehaltungsrecht entfaltet hätte, wenn es vor Abschluss des inländischen Prozesses ergangen wäre. Dennoch liegt kein Wertungswiderspruch darin, die nachträgliche Berücksichtigung der Rechtskraft dem Beklagten zu versagen, dem Kläger dagegen zu gewähren. Denn für die zweite Konstellation zeichnet das Zwangsvollstreckungsrecht einen Lösungsweg vor: So lässt §  756 Abs.  1 ZPO eine unbedingte Vollstreckung sinnvollerweise zu, wenn der Schuldner befriedigt ist, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger diese Befriedigung bereits im Prozess hätte vorbringen können oder nicht. §  756 Abs.  1 ZPO ermöglicht damit dem Kläger bei der Vollstreckung der Hauptforderung im Gegensatz zu §  767 Abs.  2 ZPO die Berücksichtigung von Tatsachen unabhängig davon, ob sie bereits bei Abschluss der letzten Tatsacheninstanz vorgelegen haben. Dies ist sinnvoll, um dem Vollstreckungsgläubiger auch bei Veränderungen seiner Leistungspflicht hinsichtlich der Gegenforderung die Vollstreckung der Hauptforderung zu ermöglichen. Der Beklagte ist hingegen ohnehin nicht gehindert, seine Gegen­ forderung gesondert durchzusetzen. Insoweit stellt bereits das Gesetz bei der 399  Für eine entsprechende Anwendung von §  288 ZPO im Rahmen des Nachweises der Befriedigung i. S. des §  756 ZPO; Brox/Walker, ZVR, Rz.  173; Stein/Jonas-Münzberg, §  756 Rz.  11. 400  Siehe dazu oben §  6 III. 3. a). 401  §  6 III. 3. a) aa).

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Vollstreckung von Zug um Zug-Urteilen an das Vorbringen des Klägers zur Beseitigung eines Zug um Zug-Vorbehalts weniger strenge Anforderung als an denjenigen Beklagten, der einer vorbehaltlosen Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Titel entgegentritt. Hinzu kommt, dass der Kläger im Falle sich widersprechender Entscheidungen durch zuständigkeitsfremde Zurückbehaltungsrechte schutzbedürftiger ist als der Beklagte: Der Beklagte profitiert von der Geltendmachung zuständigkeitsfremder Gegenforderungen, die sich der Kläger in der Hauptsache vor dem angerufenen Gericht nie anhören müsste. Wird das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten dann zurückgewiesen, weil es das inländische Gericht nicht für unzulässig, sondern für unbegründet hält, kann der Beklagte sich im Rechtsmittel wehren und ggf. Aussetzung nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO verlangen. Darüber hinaus muss der Beklagte den Verlust seines Zurückbehaltungsrechts hinnehmen. Denn er steht im Falle eines Entscheidungswiderspruchs jedenfalls nicht schlechter, als wenn ihm von vornherein das rechtliche Gehör hinsichtlich der zuständigkeitsfremden Gegenforderung verweigert worden wäre. Zudem bleibt es ihm unbenommen, seine Forderung weiterhin im Ausland einzuklagen und zu vollstrecken. Der Kläger wird hingegen bei Zulassung einer zuständigkeitsfremden Gegenforderung zugunsten des Beklagten, die für den Kläger ohnehin nachteilig ist, im Falle widersprechender Entscheidungen obendrein wirtschaftlich zur Erfüllung der Gegenforderung gezwungen, und zwar durch eine Entscheidung der international nicht zuständigen Gerichte. Insoweit erscheint es wertungsmäßig vertretbar, auf eine Ausweitung der in der Praxis zu Recht sehr restriktiv gehandhabten Durchbrechung der Rechtskraft nach §  767 ZPO zugunsten des Beklagten zu verzichten, während man dem Klägers über eine Analogie zu §  756 Abs.  1 ZPO einerseits sowie die Zulassung eines Feststellungsantrags auf Zulässigkeit der unbedingten Vollstreckung andererseits die vorbehaltlose Vollstreckung ermöglicht. 4. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich drohende Entscheidungswidersprüche über die Berücksichtigung der Rechtskraft ausländischer Entscheidungen, eine Aussetzung nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO sowie eine analoge Anwendung von §  756 ZPO und die Feststellung der Zulässigkeit unbedingter Vollstreckung auflösen lassen. Dem Kläger wird im Zweifel zur zweistufigen Lösung, also zur erneuten Feststellungsklage mit anschließender Vollstreckung des ursprünglichen Urteils, zu raten sein, um nicht Gefahr zu laufen, dass der Gerichtsvollzieher die vorbehaltlose Vollstreckung mangels Klarheit des ausländischen Titels ablehnt.

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

In zwei Fällen bedarf der Kläger keines Schutzes: Zum einen, wenn er sich im inländischen Prozess gegen die fehlende Berücksichtigung des ausländischen Präjudizes nicht durch Rechtsmittel gewehrt hat. Zum anderen, wenn er es insgesamt unterlassen hat, für ein ausländisches Präjudiz zu sorgen. In diesen Fällen fehlt für ein erneutes Vorgehen des Klägers das Rechtsschutzbedürfnis. Insgesamt zeigen die Lösungsansätze, dass der Gefahr widersprechender Entscheidungen durch Instrumente des nationalen Prozessrechts begegnet werden kann und es somit keiner internationalen Zuständigkeit für die Gegenforderung zur Sicherung des internationalen Entscheidungseinklangs bei Zurückbehaltungsrechten bedarf.

IV. Sonstige staatliche Ordnungsinteressen Die Zulassung von Zurückbehaltungsrechten kann nicht nur unionsrechtliche, sondern auch staatliche Ordnungsinteressen berühren, soweit diese in den ausschließlichen Zuständigkeiten des Art.  24 EuGVVO verkörpert sind. Zwar wurde bereits dargelegt, dass die mögliche Rechtskraft der Gegenforderung bei ausschließlichen Zuständigkeiten nicht zu einem Zuständigkeitserfordernis führt.402 Möglich ist jedoch, dass sich aus den Zuständigkeitsnormen weitere Gründe ergeben, die – wie beim Einwand der Patentnichtigkeit403 – gegen eine Kognitionsbefugnis für die von den ausschließlichen Zuständigkeiten erfassten Vorfragen sprechen. Zudem ist zu fragen, wie sich die Zulassung von Zurückbehaltungsrechten auf das Ordnungsinteresse an Prozessökonomie auswirkt. 1. Comitas-Aspekte ausschließlicher Zuständigkeiten Inwieweit ein Zusammenhang zwischen staatlichen Hoheitsinteressen und der Kognitionsbefugnis über Einwendungen und Einreden besteht, lässt sich vor allem aus den Zwecken ausschließlicher Zuständigkeiten ersehen. Im Zusammenhang mit der Aufrechnung404 hat vor allem Dageförde einen solchen Zusammenhang bejaht, ohne dabei jedoch eindeutig auf Hoheitsinteressen Bezug zu nehmen.405 Dabei ließ er sich offenbar durch die bereits oben erörterte Entscheidung AS Autoteile406 leiten, in der EuGH die Aufrechnung mit einer zu402 

Dazu oben §  6 II. 3. EuGH, Urt. v. 13.7.2006, Rs. C-4/03, Slg. 2006 I-6523 (6533 f.), Rz.  31 – GAT/LuK. 404  Dazu Ahlt, Aufrechnung, S.  108; Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (42); Slonina, IPRax 2009, 399 (400 Fn.  16). 405  Dageförde, RIW 1990, 873 (877); dazu oben §  3 II. 3. c). 406  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2278), Rz.  17 – AS-Autoteile; vgl. dazu Dageförde, RIW 1990, 873 (876). 403 

IV. Sonstige staatliche Ordnungsinteressen

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ständigkeitsfremden Gegenforderung am Gerichtsstand des Vollstreckungsorts (vgl. Art.  16 Nr.  5 EuGVÜ, heute: Art.  24 Nr.  5 EuGVVO) für unzulässig hielt. Ob aber dem unionsrechtlichen Katalog des Art.  24 EuGVVO in besonderem Maße der Gedanke der freundschaftlichen Rücksichtnahme auf fremde Souveränitätsinteressen, also der Gedanke der comitas407, innewohnt und ob dieser Gedanke auch eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis über Einreden ge­ bietet, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine solche comitas-Dimension sämtlichen internationalen Zuständigkeitsregeln unterstellt.408 Andere bestreiten generell, dass es bei der internationalen Zuständigkeit – anders als bei der Frage der Gerichtsbarkeit 409 – um die Abwehr von Übergriffen des einen Staates in die Jurisdiktionssphäre eines anderen geht.410 Andere wiederum attes­tieren ausschließlichen internationalen Zuständigkeiten jedenfalls eine starke Prägung durch staatliche Hoheitsinteressen.411 Losgelöst vom Telos einzelner Zuständigkeitsnormen lässt sich diese Frage kaum beantworten. Eine Parallele zur Zulässigkeit der Aufrechnung unabhängig von einer anderweitigen örtlichen ausschließlichen Zuständigkeit im deutschen Recht 412 lässt sich nicht ziehen, da bei der örtlichen Zuständigkeit Souveränitätsinteressen von vornherein keine Rolle spielen. Für die ausschließlichen Zuständigkeiten der EuGVVO ist daher zu fragen, ob ihre Auslegung unter Berücksichtigung staatlicher Souveränitätsinteressen – wie im Falle des Immaterialgütergerichtsstands des Art.  24 Nr.  4 EuGVVO413 – eine Kognitionsbeschränkung fordert. Relevant sind von vornherein nur diejenigen Zuständigkeitsnormen, denen typischerweise eine zurückbehaltungsweise einzuwendende Gegenforderung unterliegen kann. Zurückbehaltungsrechte werden hauptsächlich bei Leistungsklagen relevant, da sie nur hier zu einem Zug um Zug-Vorbehalt führen können. So lässt sich einer Klage auf Feststellung der Gültigkeit oder Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses (vgl. Art.  24 Nr.  2 EuGVVO) ein Zurückbehaltungs407  Zum Gedanken der comitas grundlegend v. Savigny, System, Bd. VIII, S.  27–29, 108; Story, Commentaries, §  36 (S.  35 f.) und passim; zu beiden Kegel, FS Universität Köln, S.  65 (78 ff.). 408  Busse, MDR 2001, 729; in diese Richtung auch BGH, Beschl. v. 14.6.1965, BGHZ 44, 46 (51). 409  Differenzierend insoweit auch Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  52. 410  Geimer, IPRax 1986, 208 (211); Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (42). 411  Die Souveränitätsinteressen betonen Audit, FS Lagarde, S.  19 (33); Szászy, Int. Civil Procedure, S.  298; Rauscher-Mankowski, Art.  22 EuGVVO Rz.  2; vgl. auch Kropholler, in: Hdb. IZVR, Bd. I, Kap.  III Rz.  138. 412  RG, Urt. v. 2.4.1895, RGZ 35, 379 (381); Schreiber, ZZP 90 (1977), 395 (408 f.); Stein/ Jonas-Althammer, §  145 Rz.  33; offengelassen von BGH, Urt. v. 20.12.1972, BGHZ 60, 85 (88). 413  Siehe dazu oben §  4 II.

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

recht ebenso wenig entgegenhalten wie bei einem Verfahren um die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register (Art.  24 Nr.  3 EuGVVO) oder der Gültigkeit von Schutzrechten (Art.  24 Nr.  4 EuGVVO). Relevant sind vor allem der dingliche Gerichtsstand des Art.  24 Nr.  1 EuGVVO (z. B. bei Herausgabe, Schadensersatz- und Mietzinsforderungen) sowie der Vollstreckungsgerichtsstand des Art.  24 Nr.  5 EuGVVO, soweit Zurückbehaltungsrechte in der Zwangsvollstreckung als Einreden gegen die titulierte Forderung geltend gemacht werden. a) Dinglicher Gerichtsstand (Art.  24 Nr.  1 EuGVVO) Hinsichtlich des dinglichen Gerichtsstands bezieht sich der Jenard-Bericht zur Begründung der ausschließlichen Zuständigkeiten nicht auf comitas-Gesichtspunkte. Für Art.  16 Nr.  1 EuGVÜ (heute Art.  24 Nr.  1 EuGVVO) wird postuliert, dass der ausschließliche Gerichtsstand für dingliche Rechte sowie Miete und Pacht in Bezug auf unbewegliche Sachen einen Teil des deutschen und italienischen ordre public abbilde.414 Als Normzweck werden jedoch nur die Beweis- und Rechtsnähe und die am Belegenheitsort vorhandenen Register hervorgehoben. Auch der EuGH hat in der Sach- und Rechtsnähe das Hauptmotiv für die ausschließliche Zuständigkeit des Art.  24 Nr.  1 EuGVVO gesehen, und nicht etwa den Schutz der Hoheitssphäre des Belegenheitsstaates.415 Der ding­ liche Gerichtsstand dient damit hauptsächlich den Parteiinteressen an einer einfachen und kostengünstigen Erledigung des Rechtsstreits416 und damit auch dem Allgemeininteresse einer ökonomischen und zügigen Prozessführung. Souveränitätsinteressen des Belegenheitsstaates sind dagegen nicht maßgeblich. b) Vollstreckungsgerichtsstand (Art.  24 Nr.  5 EuGVVO) Fraglich ist, ob der Vollstreckungsgerichtsstand des Art.  24 Nr.  5 EuGVVO nach der Rechtsprechung des EuGH in AS Autoteile/Malhé417 gerichtsstandsfremde Gegenforderungen nicht nur im Falle der Aufrechnung, sondern auch im Falle von Zurückbehaltungsrechten sperrt.418 Der Sachverhalt der Entscheidung wurde bereits im Rahmen des Streitstands bei der Aufrechnung419 ausführlich dargestellt. Zusammengefasst ging es darum, dass die Klägerin des AusgangsJenard-Bericht, S.  35. EuGH, Urt. v. 19.1.1990, Rs. C-115/88, Slg. 1990, I-38 (41), Rz.  10, 11 – Reichert und Kockler. 416  Dazu bereits oben §  6 I. 2. 417  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 – AS-Autoteile. 418  Für eine Unzulässigkeit sämtlicher zuständigkeitsfremder Einreden offenbar Krop­ holler/v. Hein, Art.  22 EuGVVO Rz.  2. 419  Oben §  3 II. 1. 414 

415 

IV. Sonstige staatliche Ordnungsinteressen

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verfahrens mit ihrer Klage mangels internationaler Zuständigkeit durch Prozess­ urteil kostenpflichtig abgewiesen wurde und sodann gegen die Vollstreckung des Kostenfestsetzungsbeschlusses, der aufgrund dieses Prozessurteils gegen sie ergangen war, mit ihrer Klagforderung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage aufrechnete. Es ging also nicht um die Geltendmachung einer Gegenforderung, für die ein anderweitiger ausschließlicher Gerichtsstand gegeben war, sondern darum, ob die ausschließliche Zuständigkeit des Art.  16 Nr.  5 EuGVÜ zuständigkeitsfremde Gegenforderungen ausschließt. Der EuGH hielt die Aufrechnung mit einer Art.  16 Nr.  5 EuGVÜ fremden Gegenforderung für unzu­ lässig und stützte sich maßgeblich darauf, dass sich die Aufrechnung als „offenkundiger Verfahrensmissbrauch“420 durch die Klägerin darstelle, die versuche, eine Entscheidung der deutschen Gerichte über einen Anspruch herbeizuführen, für dessen Beurteilung diese Gerichte nach dem EuGVÜ nicht zuständig seien.421 Der Tenor der Entscheidung schließt hingegen seinem umfassenden Wortlaut nach die Aufrechnung im Gerichtsstand des Art.  24 Nr.  5 EuGVVO mit gerichtsstandsfremden Gegenforderungen generell aus.422 Für die hier gegenständlichen Zurückbehaltungsrechte ist entscheidend, ob in der Entscheidung des EuGH ein genereller Ausschluss von Einwendungen im Vollstreckungsgerichtsstand gesehen werden muss, soweit diese auf zuständigkeitsfremden Gegenforderungen beruhen. Im Lichte der gebotenen restriktiven Auslegung ausschließlicher internationaler Gerichtsstände, von der im Grundsatz auch der EuGH ausgeht,423 ist dies nicht anzunehmen. Zunächst ist bereits fraglich, ob der Tenor in AS-Autoteile/Malhé im Lichte der Entscheidungsgründe und der neueren Rechtsprechung von Danværn als Bekenntnis des EuGH zu einem generellen Einwendungsausschluss im Gerichtsstand des Art.  24 Nr.  5 EuGVVO ausgelegt werden kann.424 Ein genereller Einwendungsausschluss ist schon deshalb fraglich, weil der EuGH sein Urteil maßgeblich auf das seiner Ansicht nach rechtsmissbräuchliche Prozessverhalten der Klägerin und nicht auf allgemeine zuständigkeitsrechtliche Erwägungen stützte. Denn die Passivforderung der Beklagten (der Kostenerstattungsanspruch), gegen die später aufgerechnet wurde, war erst durch das vorherige Unterliegen der Klägerin mit ihrer auf die Gegenforderung gestützten Klage mangels internationaler Zuständigkeit entstanden. Daher lässt sich mit guten Gründen bezweifeln, ob der Gerichtshof dem Vollstreckungsschuldner die Aufrechnung mit zuständigkeitsEuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2278), Rz.  18 – AS-Autoteile. EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2278), Rz.  18 – AS-Autoteile. 422  EuGH, Urt. v. 4.7.1985, Rs.  220/84, Slg. 1985, 2273 (2279), Rz.  21 – AS-Autoteile. 423  EuGH, Urt. v. 14.12.1977, Rs.  73/77, Slg. 1977, 2383 (2390), Rz.  17/18 – Sanders; Musielak/­Voit-Stadler, Art.  24 EuGVVO n. F. Rz.  1. 424  Zum Verhältnis von AS-Autoteile und Danværn vgl. Nelle, Vollstreckung, S.  381 ff. 420  421 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

fremden Gegenforderungen im Rahmen von Art.  24 Nr.  5 EuGVVO generell untersagen wollte.425 Jenseits dessen wäre aber eine Übertragung dieser die Aufrechnung betreffenden Rechtsprechung auf Zurückbehaltungsrechte nicht angezeigt. Die Einwendung der Gegenforderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts führt – anders als die Aufrechnung – nur zu einem Zug um Zug-Vorbehalt, so dass der frühere Kläger und jetzige Vollstreckungsschuldner seine ursprünglich erfolglos eingeklagte Forderung durch Zurückbehaltung nicht im Wege der „Privatvollstreckung“ befriedigen, sondern allenfalls unter einen Zug um Zug-Vor­ behalt stellen kann. Es ist dem Kläger also gar nicht möglich, im Wege des Z ­ urückbehaltungsrechts nach Abweisung seiner Zahlungsklage mangels internationaler Zuständigkeit seine Forderung gegen den aus seiner unzulässigen Klage entstandenen Kostenerstattungsanspruch des Beklagten durchzusetzen. Gegen eine Einwendung seines Anspruchs Zug um Zug bestehen daher keine Bedenken. Denn will der Kläger seinen Anspruch selbst befriedigen und nicht auf Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruch durch den Beklagten warten, so muss er selbst vor den international zuständigen Gerichten Klage ergeben. Auch der Telos des Art.  24 Nr.  5 EuGVVO spricht gegen eine Sperrung von Zurückbehaltungsrechten und sonstigen zuständigkeitsfremden materiellrechtlichen Einwendungen. Die Rechtfertigung für den ausschließlichen Vollstreckungsgerichtsstand liegt darin, dass das Souveränitätsprinzip Vollstreckungshandlungen nur durch inländische Organe zulässt 426 und sich die vom Ge­ richtsstand erfassten Verfahren somit nur gegen Hoheitsakte inländischer Vollstreckungsorgane richten können (wie z. B. die Vollstreckungsabwehrklage oder die Vollstreckungserinnerung). Die Beurteilung der für die inländischen Hoheitsorgane relevanten Vollstreckbarkeit eines Titels darf daher nur durch die Gerichte des Staates erfolgen, der die Vollstreckung vornimmt.427 Dieser Zweck wird jedoch durch die Zulassung von Zurückbehaltungsrechten nicht beührt. Bei auf materiellrechtliche Einwendungen gestützten Vollstreckungsabwehrklagen ist für die Vollstreckbarkeit des angegriffenen Titels nur relevant, ob bestehende materiellrechtliche Einwendungen nach dem Recht des Vollstreckungsstaats die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigen (oder ob der Vollstreckungsschuldner z. B. nach §  767 Abs.  2 ZPO präkludiert ist). Die vorgelagerte Frage, ob materiellrechtliche Einwendungen überhaupt dem Grunde nach bestehen, hat für sich genommen nichts mit der Rechtmäßigkeit der hoheitlichen Vollstreckungshandlung zu tun. Die Prüfung des materiellen Bestehens 425  Für ein restriktives Verständnis der Entscheidung auch Mankowski, ZZP 109 (1996), 376 (379). 426  Siehe nur Mack, IPRax 2005, 553. 427  Rauscher-Mankowski, Art.  22 EuGVVO Rz.  53a.

IV. Sonstige staatliche Ordnungsinteressen

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einer Einrede im Rahmen des Gerichtsstands der Nr.  5 kann mithin keine staatlichen Souveränitätsinteressen betreffen. Daher stellt sich auch bei Art.  24 Nr.  5 EuGVVO nicht das Problem, dass einem anderen international zuständigen Vertragsstaat die Entscheidung über eine Gegenforderung „weggenommen“ wird.428 c) Ergebnis Im Ergebnis gebieten die für Zurückbehaltungsrechte relevanten ausschließlichen Gerichtsstände des Art.  24 Nr.  1 und 5 EuGVVO keinen Ausschluss zuständigkeitsfremder Gegenforderungen. Einzig den Gerichtsständen für territorial begrenzte Eintragungen (Nr.  3) und Immaterialgüterrechte (Nr.  4) lassen sich Souveränitätsinteressen zuordnen, da durch hoheitlichen Akt gewährte Rechte auch nur durch die Gerichte des Erteilungsstaates aberkannt werden dürfen.429 Relevant sind diese Gerichtsstände aber – wie soeben dargelegt – nicht für Zurückbehaltungsrechte, sondern vor allem bei den im Zusammenhang von Rechtskraft und Zuständigkeit vergleichend angesprochenen Parallelproblemen der Nichtigkeitseinrede in Immaterialgüterverletzungsprozessen oder Klagen gegen Gesellschaften.430 Eine Kognitionsbeschränkung für Zurückbehaltungsrechte lässt sich aus den ausschließlichen Gerichtsständen daher nicht ableiten. 2. Prozessökonomie Ein weiterer ordnungsrechtlicher Gesichtspunkt für die Frage der Zulässigkeit von zuständigkeitsfremden Gegenforderungen ist die Prozessökonomie. Auch hier läuft die Interessenlage bei Zurückbehaltungsrechten – anders als dies bisher in der Literatur dargestellt wird – nicht mit der Aufrechnung gleich. Bei der Aufrechnung wird für die Zulässigkeit jeglicher Gegenforderungen vorgebracht, diese gestatte die Entscheidung über zwei Forderungen in einem Prozess und mache damit eine weitere Klage im Ausland überflüssig.431 Wie bereits dargelegt, hängt die Förderung der Prozessökonomie durch Zurückbehaltungsrechte entscheidend vom Interesse des Klägers am Erhalt seiner Gegenleistung ab.432 Überwiegt dieses Interesse gegenüber seinem Interesse, die Forderung des BeVgl. allgemein zur internationalen Zuständigkeit Geimer, IPRax 1986, 202 (211). Jenard-Bericht, S.  36; Ahlt, Aufrechnung, S.  109 f. 430  Siehe dazu oben §  6 II. 3. c). 431  Geimer, EuZW 1995, 640 (641); Gottwald, IPRax 1986, 10 (12); Bacher, NJW 1996, 2140 (2141); Slonina, IPRax 2009, 399 (402); kritisch zu Recht Kannengießer, Aufrechnung, S.  175 f.; v. Falkenhausen, RIW 1982, 386 (388). 432  Siehe oben §  6 I. 3. 428  429 

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§  6 Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen

klagten nicht erfüllen zu müssen, wird ein Zweitprozess vermieden. Dann ist die Zulassung eines Zurückbehaltungsrechts stets prozessökonomisch, da es den Kläger faktisch zur Erfüllung der Gegenforderung zwingt. Ist das Klä­ger­ interesse an der Gegenleistung dagegen begrenzt, ist die Zulassung des Zurückbehaltungsrechts der Prozessökonomie eher abträglich, da der Zweitprozess im Ausland dann ohnehin geführt werden muss, während der Erstprozess um zusätzliche Fragen über den Bestand der Gegenforderung angereichert wird. Dies gilt auch dann, wenn man den Zurückbehaltungsprozess bis zur Entscheidung über die Gegenforderung aussetzt, da das Verfahren bis zur Rechtskraft der ausländischen Entscheidung nicht weitergeführt werden kann. Da die Auswirkungen der Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten auf die Prozessökonomie somit völlig einzelfallabhängig sind, lassen sich aus ihr keine allgemeinen Rückschlüsse für die Zuständigkeitsfrage ziehen. Im Übrigen ist das Interesse an Prozessökonomie nicht derart gewichtig, dass das Recht des Beklagten an der Verteidigung mit materiellrechtlich bestehenden Einwendung ohne weiteres zurückzutreten hätte.433 Aus der Prozessökonomie lässt sich für die Zuständigkeitsfrage daher nichts ableiten. 3. Ergebnis Insgesamt fällt die Abwägung der staatlichen Ordnungsinteressen zugunsten einer generellen Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten aus. Selbst die Zwecke der ausschließlichen Zuständigkeiten, die z. T. Bestandteil des ordre public der Mitgliedstaaten sind, stehen einer Geltendmachung zuständigkeitsfremder Gegenforderungen nicht entgegen. Aus der Prozessökonomie lassen sich ebenfalls keine tragfähigen Argumente gegen die Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten gewinnen.

V. Zusammenfassung Der bei der Frage der Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte bisher in der Literatur anzutreffende Verweis auf die Rechtslage bei der Aufrechnung kann nicht aufrechterhalten werden. Die zuständigkeitsrechtlichen Interessen werden durch den materiellrechtlichen Unterschied, dass die Forderung des Klägers bei Zurückbehaltungsrechten nicht getilgt, sondern nur unter einen Zug um Zug-Vorbehalt gestellt wird, entscheidend beeinflusst. Hierdurch sind die Parteiinteressen, insbesondere das Interesse des Klägers an der Abwendung einer zuständigkeitsfremden Gegenforderung, bei Zurückbehaltungsrechten anders zu gewichten als bei der Aufrechnung. 433 

So zutreffend v. Falkenhausen, RIW 1982, 386 (388).

V. Zusammenfassung

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Geringes Gewicht haben die Interessen des Klägers vor allem, wenn die Entscheidung über die Gegenforderung nach der jeweiligen lex fori nicht in Rechtskraft erwächst. Auch ungeachtet der Rechtskraftüberlegungen überwiegen die Interessen des Beklagten, mit seiner materiellrechtlich bestehenden Einrede Gehör zu finden, gegenüber den Interessen des Klägers, nicht mit einem zuständigkeitsfremden Gegenrecht konfrontiert zu werden. Dieses Ergebnis wird auch durch die Analyse der sonstigen zuständigkeitsrechtlichen Interessen gestützt. Insbesondere die Möglichkeit eines Gerichts, mit Rechtskraft über die Gegenforderung zu entscheiden, – wie sie insbesondere das englische Prozessrecht vorsieht – führt nicht dazu, dass diese Entscheidung den in der Hauptsache international zuständigen Gerichten vorbehalten bleibt. Die Einheitlichkeit des unionsrechtlichen Zuständigkeitssystems erfordert es, an der Regel „le juge de l’action est le juge de l’exception“ ohne Einschränkungen festzuhalten. Die hoheitlichen Interessen einzelner Mitgliedstaaten bleiben hierdurch unberührt, zumal sich aus den für Zurückbehaltungsrechte relevanten ausschließlichen Gerichtsständen derartige hoheitliche Belange nicht ableiten lassen. Gefahren für den internationalen Entscheidungseinklang lassen sich durch eine Aussetzung nach Art.  30 Abs.  1 EuGVVO oder durch eine Berücksichtigung der Entscheidung des in der Hauptsache zuständigen Gerichts im Zwangsvollstreckungsverfahren lösen. Insofern wurden für das deutsche Prozessrecht Mechanismen entwickelt, um potentielle Entscheidungsdivergenzen auszu­ gleichen. Die eingangs gestellte Frage ist daher dahingehend zu beantworten, dass Zurückbehaltungsrechte im internationalen Zivilprozessrecht der ­EuGVVO unabhängig davon zulässig sind, ob für die Gegenforderung ein internationaler Gerichtsstand im Inland besteht.

§  7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR Ist der sachliche und persönliche Anwendungsbereich der EuGVVO nicht eröffnet und greifen keine vorrangigen internationalen Abkommen ein, richtet sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte und ihre Kognitionsbefugnis nach dem autonomen deutschen IZVR. Soweit die internationale Zuständigkeit nicht ausnahmsweise ausdrücklich geregelt ist (so z. B. in §§  98–106 FamFG), werden die Regeln der örtlichen Zuständigkeit zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit (§§  12 ff. ZPO) analog herangezogen.434 Die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts indiziert damit grundsätzlich die internationale Zuständigkeit; die Zuständigkeitsvorschriften sind insoweit doppelfunktional435. Da die Pro­ 434  435 

v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  38; Schack, IZVR, Rz.  266. Allg. M., BGH, Beschl. v. 14.6.1965, BGHZ 44, 46 (47) m. w. N.; Schack, IZVR, Rz.  266.

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§  7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR

blem­lage derjenigen nach der EuGVVO sehr ähnlich ist, wird im Folgenden kurz auf die bisher zum deutschen autonomen Recht geäußerten Auffassungen ein­gegangen; sodann beschränkt sich die Untersuchung auf die Hervorhebung spezifischer Unterschiede, die sich im autonomen deutschen Recht gegenüber der Rechtslage nach der EuGVVO ergeben.

I. Meinungsstand Im Kontext des autonomen IZVR hat sich zur Zuständigkeitsfrage bei Zurückbehaltungsrechten soweit ersichtlich nur das OLG Stuttgart 436 geäußert. In dem bereits im Eingangsbeispiel437 dargestellten Sachverhalt nahmen die Kläger die beklagten Erben einer in Stuttgart lebenden Erblasserin vor dem OLG Stuttgart aus einem Vermächtnis auf Herausgabe von in Deutschland belegenen Eigentumswohnungen in Anspruch. Die Beklagten bestritten ihre Verpflichtung aus dem Vermächtnis und machten hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht an auf Elba in Italien belegenen und zum Erbe gehörenden Eigentumswohnungen geltend, die sich noch im Besitz der Kläger befanden. Während die Hauptforderung der Kläger – der Vermächtnisanspruch nach §  2174 BGB auf Übergabe und Übereignung der deutschen Eigentumswohnungen – dem Gerichtsstand der Erbschaft nach §  27 Abs.  1 ZPO und damit der Zuständigkeit deutscher Gerichte unterfiel, wäre die Gegenforderung der Beklagten – ein auf ihr Eigentum an den italienischen Wohnungen gestützter Herausgabeanspruch nach Art.  948 Codice civile – nach Art.  24 Nr.  1 Var.  1 EuGVVO (Art.  22 Nr.  1 Var.  1 EuGVVO a. F.) vor italienischen Gerichten einzuklagen gewesen. Das OLG, das die Frage der Zulässigkeit materiellrechtlich qualifizierte,438 ging – da eine erb­ rechtliche Klageforderung zu beurteilen war – von der Maßgeblichkeit deutschen Rechts und von der Unanwendbarkeit der EuGVVO gemäß deren Art.  1 Abs.  2 lit.  a) EuGVVO a. F. (Art.  1 Abs.  2 lit.  f ) EuGVVO n. F.) aus. Nach Auffassung des OLG durfte jedoch über das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten, soweit es auf einen dinglichen Herausgabeanspruch an den italienischen Grundstücken gestützt wurde, aufgrund des autonomen deutschen internationalen Zivilpro­zess­rechts nicht entschieden werden. Denn nach der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Auffassung sei – im Gleichlauf mit der Rechtslage bei der Aufrechnung – auch bei Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts ein Gerichtsstand für die Gegenforderung im Inland erforderlich.439 436 

OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434. Für eine ausführliche Darstellung des Sachverhalts siehe oben §  1 II. 438  Kritisch dazu bereits oben §  2 III. 1. 439  OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (437). 437 

II. Vergleich mit der Rechtslage nach der EuGVVO

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Die vom OLG Stuttgart für diese „herrschende Meinung“ angeführten Stellungnahmen beschäftigen sich jedoch teilweise ausschließlich mit der Aufrechnung und gehen auf Zurückbehaltungsrechte gar nicht ein.440 Die für einen generellen Gleichlauf von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten zitierte Rechtsprechung des BGH nimmt zur Zuständigkeitsfrage – wie bereits dargelegt441 – tatsächlich nur sehr eingeschränkt Stellung, nämlich nur hinsichtlich der Wirkung von dem EuGVÜ unterfallenden Gerichtsstandsvereinbarungen auf die Zurückbehaltung mit gleichartigen Forderungen, die sich wie eine Aufrechnung auswirken. Die Rechtsprechung des BGH ist daher – entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart – nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähig. Jenseits der Entscheidung des OLG Stuttgart und den zum EuGVÜ und zur EuGVVO eingangs genannten Stellungnahmen fehlt es, soweit ersichtlich, an einer Analyse, die sich speziell mit der Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte im autonomen Recht befasst. Dies verwundert auch nicht, da die grundsätzliche Frage im autonomen Recht dieselbe ist wie nach der EuGVVO und viele Stellungnahmen aus der deutschen Literatur hinsichtlich der Rechts­ lage nach nationalem und europäischem IZVR zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen.442 Soweit für die Zuständigkeitsfrage allgemein auf den Streitstand bei der Aufrechnung verwiesen wird,443 ist im autonomen Recht zu beachten, dass die deutsche Rechtsprechung bei der Aufrechnung – insoweit unbeeinflusst von der Entscheidung des EuGH in Danværn444 – weiterhin eindeutig an einem Zuständigkeitserfordernis festhält.445

II. Vergleich mit der Rechtslage nach der EuGVVO Im Folgenden werden diejenigen Aspekte hervorgehoben, bei denen sich im autonomen Recht aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeitsvorschriften unterschiedliche rechtliche Wertungen gegenüber der Rechtslage nach der EuGVVO ergeben können. 1. Unproblematische Konstellationen Diejenigen Konstellationen, die nach der EuGVVO keine Zuständigkeitsprobleme aufwerfen, sind auch im autonomen Recht unproblematisch, insbesondere, 440 

So z. B. BGH, Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115. Siehe dazu §  3 I. 1. 442  Z. B. Geimer, IPRax 1994, 82 (84); Kannengießer, Aufrechnung, S.  191. 443  MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  67. 444  Dazu oben §  3 II. 1. 445  BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (126); OLG Jena, Urt. v. 27.8.2008, EuZW 2009, 231 (232); MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO Rz.  43 a. E. 441 

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§  7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR

wenn die Gegenforderung unstreitig oder bereits rechtskräftig festgestellt ist. Bei rechtskräftig festgestellten Forderungen ist auch im autonomen Recht zu beachten, dass die rechtskräftige Entscheidung anerkennungsfähig sein muss.446 Die Anerkennung der ausländischen Entscheidung unterliegt im autonomen Recht der im Vergleich zur EuGVVO strengeren Prüfung des §  328 ZPO. Kann die Gegenforderung im Wege der Widerklage geltend gemacht werden, ist erst recht die zurückbehaltungsweise Einwendung möglich. Praktisch bedeutsam ist insoweit, ob der Widerklagegerichtsstand des Art.  8 Nr.  3 EuGVVO oder §  33 ZPO einschlägig ist. Wie bereits dargelegt, ist dies jedoch keine Frage, die sich durch die für das Klagebegehren relevanten Zuständigkeitsvorschriften beantworten lässt. Der Widerklagegerichtsstand richtet sich nach zutreffender Auffassung vielmehr nach dem Zuständigkeitsregime, dem das Begehren des Beklagten unterläge, wenn er seine Gegenforderung im Wege der Widerklage geltend machte.447 Gelangt man im Einzelfall zu einer Anwendung des autonomen §  33 ZPO, so reduziert sich das Zuständigkeitsproblem auf Fälle, in denen ein Zurückbehaltungsrecht – anders als §  33 ZPO – keine Konnexität voraussetzt (so bei §  369 Abs.  1 HGB) oder die Gegenforderung einem ausschließ­lichen Gerichtsstand unterliegt (vgl. §§  33 Abs.  2, 40 Abs.  2 S.  1 ZPO). In den sonstigen Fällen wird im Rahmen von §  273 Abs.  1 BGB stets auch Konnexität i. S. des §  33 ZPO vorliegen,448 so dass das angerufene Gericht unproblematisch kognitionsbefugt ist. Aus Sicht des autonomen Rechts ist zu klären, ob die Kognitionsbefugnis durch eine großzügige Anwendung des §  23 ZPO449 begründet werden kann. Anknüpfungspunkt für §  23 ZPO ist das Vermögen des Beklagten, das durch das Bestehen der Gegenforderung gegen den Kläger (vgl. §  23 Abs.  2 ZPO) im Inland belegen ist. Bei Zurückbehaltungsrechten stellt sich – anders als bei der Rückwirkung der Aufrechnung (vgl. §  389 S.  1 BGB) – auch nicht das Problem, dass die Gegenforderung durch Aufrechnung erlischt.450 Dennoch ist bei der Anwendbarkeit des exorbitanten Gerichtsstandes grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Zu Recht wird von der Rechtsprechung für die Begründung einer internationalen Inlandszuständigkeit über §  23 ZPO über den Wortlaut hinaus ein Inlandsbezug gefordert.451 Zwar wurde die Einschränkung des Inlandsbezugs nur für die klageweise, und nicht die verteidigungsweise Geltendmachung einer Gegenforderung entwickelt. Die Kognitionsbefugnis für das Verteidigungs446 

Zur Rechtslage nach der EuGVVO §  5 III. Umstritten; vgl. dazu bereits eingehend oben §  5 I. 1. 448  Siehe nur Saenger-Bendtsen, §  33 Rz.  3 sowie die Nachweise in Fn.  57. 449  Ablehnend zur Anwendbarkeit im Rahmen der EuGVVO bereits oben §  5 V. 450  Vgl. Musielak/Voit-Heinrich, §  23 Rz.  8; Wieczorek/Schütze-Smid/Hartmann, §  23 Rz.  30. 451  BGH, Urt. v. 2.7.1991, BGHZ 115, 90 (94 ff.); BGH, Urt. v. 24.4.1996, NJW 1996, 2096; zust. v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  48; MüKoZPO-Patzina, §  23 Rz.  15. 447 

II. Vergleich mit der Rechtslage nach der EuGVVO

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recht ist jedoch nur dann nach allen Auffassungen gegeben, wenn im Falle einer auf die Gegenforderung gestützten hypothetischen (Wider-)Klage des Beklagten ein Gerichtsstand im Inland bestünde. Insofern ist der Inlandsbezug hier für die umgekehrten Parteirollen zu fordern. Ob hierfür bereits genügt, dass die Gegenforderung zur Verteidigung in einem inländischen Prozess eingesetzt wird,452 ist zumindest zweifelhaft. Vielmehr ist auch hier zu fordern, dass der Kläger (und Widerbeklagte bzw. Zurückbehaltungsgegner) den Inlandsbezug selbst geschaffen hat oder sonst schützenswerte inländische Interessen des Beklagten für die Geltendmachung seiner Gegenforderung nach §  23 ZPO bestehen.453 Fehlt es daran, so kann die Kognitionsbefugnis für das Zurückbehaltungsrecht nicht auf §  23 ZPO gestützt werden. 2. Überwiegendes Interesse des Beklagten am Zurückbehaltungsrecht Für die Parteiinteressen gelten die im Zusammenhang mit der EuGVVO ausgeführten Gesichtspunkte entsprechend. Auch im autonomen IZVR überwiegen letztlich die Interessen des Beklagten am Erhalt seines Zurückbehaltungsrechts. Dabei entsprechen die betroffenen Parteiinteressen sowie deren Gewichtung und Bewertung derjenigen in Prozessen nach der EuGVVO.454 Es sind keine Besonderheiten des autonomen IZVR ersichtlich, die im Hinblick auf die Kognitionsbefugnis über Einreden eine gegenüber der Rechtslage nach der ­EuGVVO abweichende Wertung nahelegen. Aus der Warte der Parteiinteressen sollten die für die Klage international zuständigen Gerichte daher grundsätzlich auch für einredeweise erhobene Gegenforderungen kognitionsbefugt sein. 3. Problem der rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage Im Anwendungsbereich der EuGVVO stellte sich die Frage, ob die rechtskräftige Entscheidung über eine Gegenforderung im Wege der Vorfrage – hier also im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts – auch erfordert, dass das Gericht für die Entscheidung in der Hauptsache international zuständig wäre.455 Ausgangspunkt war die im europäischen Anerkennungsrecht von der überwiegenden Auffassung zu Art.  36 EuGVVO vertretene und auch vom EuGH befürwortete Theorie der Wirkungserstreckung,456 nach der die Rechtskraftwirkungen des Urteilsstaates im Anerkennungsstaat übernommen werden. Dies erwägt Kannengießer, Aufrechnung, S.  190. Zu den Voraussetzungen des §  23 ZPO vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  48. 454  Für die Aufrechnung auch Kannengießer, Aufrechnung, S.  190; zu Parteiinteressen oben §  6 I. 455  Dazu eingehend oben §  6 II. 3. 456  Vgl. dazu oben §  6 II. 2. sowie die Nachweise in Fn.  254. 452  453 

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§  7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR

Die im europäischen Anerkennungsrecht im Rahmen von Art.  36 Abs.  1 EuGVVO überwiegend vertretene umfassende Erstreckung ausländischer Rechts­ kraftwirkungen wird im autonomen IZVR dagegen deutlich zurückhaltender vertreten. Die Rechtsprechung des BGH ist undurchsichtig: Er folgt – zumindest terminologisch – der Gleichstellungstheorie, nach der das ausländische Urteil in Deutschland genau (und nur) diejenigen Wirkungen entfaltet, die auch einer entsprechenden deutschen Entscheidung zukämen.457 In anderen Entscheidungen geht er dagegen grundsätzlich von der Wirkungserstreckung aus,458 ohne aber zu konkretisieren, wie weit diese Wirkungserstreckung gehen soll. Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur will grundsätzlich dem deutschen Recht fremde Urteilswirkungen übernehmen, sie aber nur insoweit anerkennen, als sie zumindest ihrer Art nach dem deutschen Recht bekannt sind.459 Ob die Rechtskrafterstreckung auf Vorfragen und präjudizielle Rechtsverhältnisse des englischen Prozessrechts dem deutschen Recht ihrer Art nach bekannt ist, wird wiederum unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird vorgebracht, dem deutschen Recht sei eine rechtskräftige Entscheidung über Vorfragen grundsätzlich bekannt. Dies zeige sich sowohl an §  322 Abs.  2 ZPO als auch an der Lehre Zeuners, so dass keine Bedenken bestünden, die ausländischen Rechtskraftwirkungen bezüglich Vorfragen anzuerkennen.460 Auszuklammern seien insoweit lediglich die Rechtskraftwirkungen für reine Tatsachenfeststellungen.461 Andere meinen, die bewusste Entscheidung des deutschen Gesetz­ gebers gegen die Bindung an Entscheidungen über Vorfragen außerhalb §  256 Abs.  2 ZPO stelle ein wesentliches Verfahrensprinzip des deutschen Zivilprozessrechts dar und müsse bei der Anerkennung auch gegenüber ausländischen Entscheidungen durchsetzt werden.462 Letztlich sprechen die bereits im Rahmen der Rechtslage nach der EuGVVO erörterten Interessen dafür, das Vertrauen der Parteien in die Rechtskraftwirkungen des Urteilsstaats nicht zu enttäuschen und eine möglichst weitgehende 457  Andeutungsweise BGH, Urt. v. 1.6.1983, NJW 1983, 1976 (1977) für eine Gleichstellung auch Matscher, FS Schima, S.  265 (277 ff.); v. Bar/Mankowski, IPR I, §  5 Rz.  114. 458  BGH, Urt. v. 6.11.1985, NJW 1986, 1440 (1441). 459  Schmehl, Parallelverfahren, S.  40 ff.; Geimer, Anerkennung, S.  27 (anders für die E ­ u­GV­VO: ders., IZPR, Rz.  2784); Müller, ZZP 79 (1966), 199 (203); Stein/Jonas-Roth, §  328 Rz.  8. 460  MüKoZPO-Gottwald, §  328 Rz.  168; Saenger-Dörner, §  328 Rz.  7; Musielak/Voit­Stadler, §  328 Rz.  36. 461  Musielak/Voit-Stadler, §  328 Rz.  36; Gottwald, FS Musielak, S.  183 (189 f.); vgl. auch Saenger-Dörner, §  328 Rz.  7; zweifelnd gegenüber dieser Beschränkung der Anerkennung aber G. Fischer, FS Henckel, S.  199 (207 f.). 462  Geimer, IZPR, Rz.  2781 f.; für eine sehr restriktive Anerkennung fremder Rechtskraftwirkungen auch Schack, IZVR, Rz.  885; Müller, ZZP 79 (1966), 199 (206 f.).

II. Vergleich mit der Rechtslage nach der EuGVVO

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Rechtskrafterstreckung auch im autonomen IZVR anzunehmen.463 Die Hin­ nah­me von Rechtskraftwirkungen, wie sie im englischen Recht vertreten wird, wäre – jedenfalls soweit feststellungsfähige Rechtsverhältnisse wie eine Gegenforderung und nicht auch reine Tatsachen betroffen sind – mit dem deutschen ordre public (vgl. §  328 Nr.  4 ZPO) unproblematisch vereinbar.464 Rechtspolitisch gibt es somit gute Gründe, im autonomen Recht nicht anders zu verfahren als nach der EuGVVO. Auf der anderen Seite ließe sich argumentieren, dass der Freizügigkeit der Urteile im autonomen IZVR ein weitaus geringeres Gewicht zukommt als im unionsrechtlichen Kontext. In diese Richtung lässt sich auch die BGH-Rechtsprechung deuten, die im autonomen Recht weiterhin daran festhält, dass eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über eine Vorfrage (im konkreten Fall die Aufrechnungsforderung nach §  322 Abs.  2 ZPO), nur durch die Gerichte ergehen dürfe, die für diese international zuständig seien.465 In der Konsequenz der BGH-Rechtsprechung dürfte für die rechtskräftige Feststellung einer Gegen­ forderung durch ein englisches Gericht im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts nichts anderes gelten. Die Reserviertheit gegenüber der Wirkungserstreckung ausländischer Urteile, die von einem an sich international nicht zuständigen Gericht ausgehen, ist auch vor dem Hintergrund der deutschen Anerkennungsvorschriften nachvollziehbar. Denn bei der Anerkennungsprüfung nach §  328 Nr.  1 ZPO wird – anders als im Rahmen der Prüfung der Versagungsgründe nach Art.  45 Abs.  1 und 3 EuGVVO – die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsstaats bei der Anerkennung vollständig, und nicht nur hinsichtlich eines Verstoßes gegen ausschließliche bzw. Verbraucher oder Versicherungsnehmer schützende Gerichtsstände (vgl. Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO) nachgeprüft. Wenn der inzidenten Feststellung einer Entscheidung hinsichtlich einer Vorfrage aber nach der ausländischen lex fori dieselben Wirkungen zukommen wie einem deutschen Feststellungsurteil, dann muss im autonomen Recht für die Anerkennung dieser Rechtskraft nach §  328 Nr.  1 ZPO jedenfalls die internationale Zuständigkeit der über die Vorfrage entscheidenden Gerichte bestehen. Besteht sie nicht, ist die Rechtskraftwirkung der ausländischen Entscheidung nach autonomem Recht anders als im Rahmen der EuGVVO wegen §  328 Nr.  1 ZPO insoweit nicht anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung zum autonomen IZVR kann somit die Entscheidung eines ausländi463 

Siehe oben §  6 II. 2. Dazu bereits oben §  6 II. 2.; a. A. Müller, ZZP 79 (1966), 199 (207). 465  BGH, Urt. v. 20.12.1972, NJW 1973, 421; BGH Urt. v. 12.5.1993, IPRax 1994, 115 (116); für das autonome Recht bestätigt durch BGH, Urt. v. 7.11.2001, BGHZ 149, 120 (126). Im Grundsatz zustimmend Schröder, Int. Zuständigkeit, S.  595; Eickhoff, Aufrechnung, S.  168; Busse, MDR 2001, 729; Geimer, NJW 1973, 951; MüKoZPO-Fritsche, §  145 ZPO Rz.  37. 464 

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§  7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR

schen Gerichts über ein Zurückbehaltungsrecht, soweit ihm die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung fehlt, in Deutschland keine Rechtskraftwirkung hinsichtlich der Gegenforderung entfalten. Im Ergebnis führt die fehlende Wirkungserstreckung dazu, dass die Interessen des Klägers im autonomen Recht durch die Zulassung einer zuständigkeitsfremden Gegenforderung noch weniger berührt sind als im unionsrechtlichen Zusammenhang. Der Kläger muss eine rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung durch ein ausländisches international unzuständiges Gericht nie fürchten. Von einem Gleichlauf von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten kann daher – entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart466 – noch weniger die Rede sein als im Anwendungsbereich der EuGVVO. Im konkret entschiedenen Fall ist das Urteil des OLG Stuttgart daher bereits deshalb verfehlt, weil die Entscheidung über die zuständigkeitsfremde Gegenforderung nach der deutschen lex fori keinesfalls Rechtskraftwirkungen gezeitigt hätte, die die in der Hauptsache international zuständigen italienischen Gerichte hätten binden können.467 Es wäre den italienischen Gerichten daher auch im Falle einer Entscheidung des OLG Stuttgart über das Zurückbehaltungsrecht weiterhin unproblematisch möglich gewesen, den Anspruch der Beklagten aus Art.  948 Codice civile auf Herausgabe der Eigentumswohnungen auf Elba abweichend zu beurteilen, da das OLG Stuttgart über diesen Anspruch nicht rechtskräftig entschieden hätte. Unter diesem Gesichtspunkt war es daher nicht gerechtfertigt, den Beklagten ihre materiellrechtlich geschützte Sicherheit, die ihnen die Verweigerung der Übereignung deutschen Eigentumswohnungen nach §  273 Abs.  1 BGB bot, unter Hinweis auf prozessuale Bedenken zu verwehren. Denn die Zulassung des Zurückbehaltungsrechts hätte für die Kläger – wie gezeigt – keine unzumutbare Belastung bedeutet. Da einem ausländischen Zug um Zug-Urteil nach autonomem deutschen IZVR jegliche Rechtskraftwirkung hinsichtlich der Gegenforderung fehlt, besteht aus autonomer deutscher Sicht weder ein Bedürfnis, den eigenen Gerichten die Entscheidung über ein Zurückbehaltungsrecht zu versagen, noch bei der Anerkennung nach §  328 ZPO von ausländischen Gerichten zu verlangen, sich für ein zuständigkeitsfremdes Zurückbehaltungsrecht für unzuständig zu erklären. 4. Entscheidungseinklang und Ordnungsinteressen Weder das Streben nach internationaler Entscheidungsharmonie noch die staatlichen Ordnungsinteressen gebieten im autonomen IZVR eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis über die Gegenforderung. Für das Problem des internationalen Entscheidungseinklangs ergeben sich gegenüber dem europäischen Zi466  467 

OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (437). Zur Rechtskraftwirkung von Zug um Zug-Urteilen eingehend oben §  6 II. 1. a).

II. Vergleich mit der Rechtslage nach der EuGVVO

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vilprozessrecht keine Besonderheiten. Die oben entwickelten Lösungen468 greifen zwangsläufig nach Abschluss der (divergierenden) Erkenntnisverfahren im Stadium der Zwangsvollstreckung ein und richten sich somit ohnehin nach autonomem Recht. Es entfällt allerdings das Problem einer rechtskräftigen Entscheidung durch international nicht zuständige Gerichte im Ausland, da eine solche Rechtskraft nach §  328 Nr.  1 ZPO nicht anerkannt würde.469 Die zur EuGVVO entwickelten Lösungen überzeugen ansonsten auch im autonomen Recht, insbesondere für den vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall: Hätte das OLG Stuttgart einen Zug um Zug-Vorbehalt ausgesprochen und wäre die Herausgabeklage der Beklagten in Italien gescheitert, so hätten die Kläger in Deutschland nach §  756 ZPO analog bzw. im Wege der Feststellungsklage 470 vorgehen können, um ihre Ansprüche dennoch vorbehaltlos zu vollstrecken. Hätte das OLG Stuttgart das Zurückbehaltungsrecht dagegen zugelassen, aber mangels bestehender Gegenforderung abgelehnt, so hätten die Beklagten auch nicht schlechter gestanden als bei der Unzulässigkeit des Zurückbehaltungsrechts. Ihre Gegenforderung wäre ihnen nach dem Verständnis der deutschen lex fori aber auch nicht rechtskräftig aberkannt worden, so dass ihnen eine Klage in Italien weiterhin möglich gewesen wäre. Darüber hinaus kann das Gericht auch im deutschen Recht das Verfahren nach seinem Ermessen aussetzen. Es kann sich zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen grundsätzlich §  148 ZPO – der Parallelnorm zu Art.  30 EuGVVO – bedienen. Nach §  148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsver­hältnisses (hier also der Gegenforderung) abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet (z. B. einer im Ausland anhängigen Leistungs- oder Feststellungsklage über die Gegenforderung), das Verfahren aussetzen. Die Vermeidung unvereinbarer Entscheidungen ist dabei ein Hauptzweck des §  148 ZPO.471 Voraussetzung ist, dass die Entscheidung über die Gegenforderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts von der Entscheidung in der Hauptsache abhängig ist. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn die Hauptsache für den Zurückbehaltungsprozess präjudiziell ist, d. h. die relevante Vorfrage für den Zurückbehaltungsprozess beantwortet.472 Präjudizialität liegt vor, sofern die Entscheidung in der Hauptsache in Rechtskraft erwächst und diese nach §  328 ZPO in Deutschland anzuerkennen ist. Problematisch ist demgegenüber die Aussetzung eines Verfahrens, in dem die Gegenforderung den Streitgegenstand bildet, während sie im ausländischen 468 

Oben §  6 III. 3. §  6 II. 2. 470  Siehe oben §  6 III. 3. b) bb). 471  MüKoZPO-Fritsche, §  148 Rz.  1. 472  H. Roth, FS Jayme, Bd. 1, S.  747. 469 

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§  7 Die Kognitionsbefugnis im autonomen IZVR

Verfahren nur im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts (also als Vorfrage) aufgeworfen wird. Denn fehlt dem ausländischen Gericht für die Gegenforderung die internationale Zuständigkeit, würde eine etwaige Rechtskrafterstreckung nach ausländischer lex fori gemäß §  328 ZPO im Inland nicht anerkannt.473 Somit würde es an der Präjudizialität des ausländischen Urteils fehlen. Jedoch sollte §  148 ZPO auch in Fällen, in denen das Parallelverfahren keine Bindungswirkung entfaltet, aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Beweiswürdigung auf den ausgesetzten Prozess angewendet werden.474 Begründen lässt sich dies mit dem weit gefassten Wortlaut und dem Zweck umfassender Verfahrenskoordination.475 Es besteht kein Grund, den Gerichten den Rückgriff auf §  148 ZPO nur dann zu gestatten, wenn eine rechtliche Bindungswirkung zwischen den Parallelverfahren besteht. Denn das Gericht kann einen loseren Zusammenhang zwischen den Verfahren im Rahmen seiner Ermessensausübung berücksichtigen. So wird in der Regel kein Anlass bestehen, ein Hauptsacheverfahren auszu­setzen, wenn die Gegenforderung im Ausland zurückbehaltungsweise geltend gemacht wird, solange sich ein etwaiger Zug um Zug-Vorbehalt nachträglich beseitigen lässt. In anderen Fällen sollte es dem Gericht offen stehen, über eine Analogie zu §  148 ZPO die beiden Parallelverfahren zu koordinieren. Weitere Ordnungsinteressen, die für ein Zuständigkeitserfordernis sprechen, bestehen nicht, da im autonomen deutschen Recht die Entscheidung über die Gegenforderung nicht in Rechtskraft erwachsen kann. Etwaige öffentliche Interessen, soweit sie in ausschließlichen Zuständigkeiten ihren Niederschlag gefunden haben sollten, sind nicht berührt, da die in der Hauptsache zuständigen Gerichte das letzte Wort behalten.

III. Ergebnis Im Rahmen des autonomen IZVR ergeben sich im Vergleich zur Rechtslage nach der EuGVVO kaum Unterschiede. Jedenfalls im Ergebnis gilt auch hier: Ist ein Gericht für eine Klage international zuständig, darf es auch über das Zurückbehaltungsrecht unabhängig von seiner Zuständigkeit für die Gegenforderung entscheiden. 473 

Dazu soeben §  7 II. 3. OLG München, Beschl. v. 11.11.1994, NJW-RR 1995, 779 (780); MüKoZPO-Wagner, 4.  Aufl., §  148 Rz.  10; für eine extensive Anwendung auch Adolphsen, EuZPR in Patent­ sachen, S.  145; restriktiv dagegen H. Roth, FS Jayme, Bd. 1, S.  747 (748); I. Mittenzwei, Aussetzung, S.  31 f.; MüKoZPO-Fritsche, §  148 Rz.  9. 475  MüKoZPO-Wagner, 4.  Aufl., §  148 Rz.  10; anders MüKoZPO-Fritsche, §  148 Rz.  9, in der Folgeauflage. 474 

I. Anwendbares Recht

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§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen auf Zurückbehaltungsrechte Die internationale Zuständigkeit der Gerichte für eine verteidigungsweise eingewendete Gegenforderung kann nicht nur aufgrund gesetzlicher Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch aufgrund Parteivereinbarung fehlen. So kann für die klageweise Geltendmachung der Forderung ein bestimmter Gerichtsstand oder die Geltendmachung der Forderung im Wege des Schiedsverfahrens vereinbart worden sein. Probleme ergeben sich dann, wenn die Gerichtsstandsoder Schiedsvereinbarung darüber schweigt, ob auch die verteidigungsweise Geltendmachung dieser Forderung vor einem anderen als dem prorogierten ­Forum oder Schiedsgericht ausgeschlossen sein soll. Dann ist im Wege der Auslegung476 zu klären, in welchen Konstellationen ein Ausschluss der zurückbehaltungsweisen Geltendmachung einer Gegenforderung im Zweifel den Parteiinteressen entspricht.

I. Anwendbares Recht Zunächst stellt sich die Frage, welches Recht darüber bestimmt, ob sich Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen auf die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten auswirken. In Betracht kommt sowohl eine Anwendbarkeit der lex fori, als auch des Statuts der Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung (sog. Prorogations- bzw. Schiedsvereinbarungsstatut), als auch eine Anwendung des Zurückbehaltungsstatuts. In der deutschen Gerichtspraxis wird dabei häufig nach deutschen Maßstäben ausgelegt, ohne dass die anwendbaren Auslegungsregeln überhaupt bestimmt werden.477 1. Gerichtsstandsvereinbarungen Allgemein wird bei dem auf Gerichtsstandsvereinbarungen anwendbaren Recht zwischen ihrer Zulässigkeit, ihrem Zustandekommen und ihren prozessualen Wirkungen differenziert.478 Während sich Zulässigkeit und prozessuale Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung nach einhelliger Auffassung nach der 476  Vgl. für die Aufrechnung Badelt, Aufrechnung, S.  195; Kannengießer, Aufrechnung, S.  194 f. 477  So wurde in BGH, Urt. v. 18.3.1997, NJW 1997, 2885 (2886) die Gerichtsstandsvereinbarung nach deutschen Grundsätzen ausgelegt, ohne auf das für die Auslegungsgrundsätze anwendbare Recht überhaupt einzugehen; ähnlich LG Berlin, Urt. v. 30.1.1996, IPRax 1998, 97 (99); kritisch dazu Schack, IZVR, Rz.  519; Gebauer, IPRax 1998, 79 (80). 478  Vgl. nur Hausmann, in Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  6356; Geimer, IZPR, Rz.  1677.

168

§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen

lex fori richten,479 unterliegt ihr Zustandekommen ihrem eigenen materiellen Recht (dem sog. Prorogationsstatut)480. Zunächst ist zu bestimmen, wonach sich die prozessualen Wirkungen der Prorogation richten. Entscheidend ist, ob es sich bei der Erstreckung einer Gerichtsstandsklausel auf Zurückbehaltungsrechte um eine der lex fori unterliegende prozessuale Frage oder eine Frage ihres Zustandekommens handelt. Ob eine Gerichtsstandsklausel die prozessuale Geltendmachung einer ihr unterliegenden Gegenforderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts vor einem derogierten Gericht ausschließt, betrifft zunächst die prozessualen Wirkungen der Vereinbarung. Die lex fori bestimmt also darüber, ob ein solcher prozessualer Zurückbehaltungsausschluss möglich ist. Zudem kann das Prozessrecht der lex fori besondere Anforderungen an einen solchen Ausschluss stellen (wie z. B. bestimmte Formerfordernisse), wobei Art.  25 EUGVVO diese im Anwendungsbereich der EuGVVO abschließend regelt.481 Für die Wirkung der Zuständigkeitsvereinbarung ist jedoch entscheidend, ob die Parteien überhaupt einen Zurückbehaltungsausschluss gewollt haben. Zum Teil wird vertreten, die Auslegungsgrundsätze seien dem Recht zu entnehmen, das auch die materiellen Voraussetzungen des Gegenrechts – hier des Zurückbehaltungsrechts – regelt (Zurückbehaltungsstatut).482 Richtig ist, dass das Zurückbehaltungsstatut regelt, inwieweit ein materiellrechtlicher Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts überhaupt zulässig ist. Ob aber ein Verbot der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Prozess gewollt ist, betrifft die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung. 483 Die Ermittlung der Reichweite einer vertraglichen Abrede durch Auslegung ist jedoch eng mit ihrem Zustandekommen verknüpft. Denn die Frage lautet, inwieweit zwischen den Parteien eine Einigung über einen Einredeausschluss vorliegt. 484 Sinn­ vollerweise sind die Auslegungsgrundsätze daher dem Recht zu entnehmen, das 479 

Allg. M., vgl. nur BGH, Urt. v. 18.3.1997, NJW 1997, 2885 (2886) = IPRspr 1997 Nr.  142, S.  278 (279); Kropholler, in: Hdb. IZVR, Bd. I, Kap.  III Rz.  477; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  80; Geimer, IZPR, Rz.  1675 m. w. N. 480  BGH, Urt. v. 29.2.1968, BGHZ 49, 384 (387) = IPRspr 1968/69 Nr.  199, S.  503 (506); BGH, Urt. v. 17.5.1972, BGHZ 59, 23 (26 f.); Kropholler, in: Hdb. IZVR, Bd. I, Kap.  III Rz.  482; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  75; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271 (276); zur Bestimmung des Prorogationsstatuts siehe sogleich unten. 481  BGH, Urt. v. 20.3.1980, NJW 1980, 2022 (2023); Hausmann, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  6361; MüKoBGB-Martiny, vor Art.  1 Rom I-VO, Rz.  43. 482  So für die Aufrechnung ZürKommIPRG-Keller/Girsberger, Art.  148 Rz.  52; Mankowski, ZZP 109 (1996), 376 (378, 394); Gebauer, IPRax 1998, 79 (81). 483  Geimer/Schütze-Geimer, Art.  6 EuGVVO, Rz.  85; ders., IZVR, Rz.  868g; Kannen­ gießer, Aufrechnung, S.  192; Eickhoff, Aufrechnung, S.  178. 484  So zu Recht Schack, IZVR, Rz.  523.

I. Anwendbares Recht

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auch über das Zustandekommen der Prorogation entscheidet (Prorogations­ statut). Während die lex fori also die Zulässigkeit eines Zurückbehaltungsausschlusses regelt, sind die Regeln zur Auslegung, ob ein solcher Ausschluss überhaupt gewollt ist, dem Prorogationsstatut zu entnehmen. Wie dieses Prorogationsstatut zu ermitteln ist, ist wiederum umstritten. Sofern die Parteien für die Gerichtsstandsvereinbarung kein Recht gewählt haben,485 gilt nach Auffassung des BGH486 für eine Gerichtsstandsvereinbarung als „Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen“487 das für den Hauptvertrag maßgebliche Recht (akzessorische Anknüpfung). Hierfür spricht, dass Gerichts­ standsklausel und Hauptvertrag häufig gemeinsam abgeschlossen werden und sich die Parteien nur an einer Rechtsordnung orientieren müssen.488 Die Gegenauffassung489 knüpft an den Schwerpunkt der prozessualen Beziehungen an, so dass das Recht am Ort des prorogierten Gerichts zur Anwendung kommt. Der Vorteil dieser Anknüpfung liegt darin, dass die Ermittlung des Hauptvertragsstatuts im Einzelfall aufwendig sein kann und der Entscheidungseinklang bezüglich der Reichweite der Gerichtsstandsklausel bei Anwendung unterschiedlicher Kollisionsnormen gefährdet wird. Zudem liegt der Schwerpunkt der prozessualen Beziehungen beim prorogierten Gericht, das seine Zuständigkeit bei Anwendung eigenen Rechts schneller feststellen kann. Die Anwendung des Rechts am prorogierten Gericht wird daher am ehesten den Parteiinteressen entsprechen. Insbesondere, wenn sich die Gerichtsstandsklausel auf mehrere Verträge mit unterschiedlichen Statuten bezieht, muss dieses Recht über die Aus­ legung entscheiden.490 2. Internationale Schiedsvereinbarungen Ähnliche Erwägungen wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen gelten für die Prüfung, wie sich Schiedsvereinbarungen auf die Zulässigkeit prozessualer Einreden auswirken. Die Auslegungsregeln richten sich auch hier nach demjenigen 485  Die Rechtswahl ist auch hier allgemein zulässig, vgl. nur Schack, IZVR, Rz.  508; MüKo­ZPO-Gottwald, Art.  23 EuGVVO Rz.  24. 486  BGH, Urt. v. 18.3.1997, IPRspr 1997 Nr.  142, S.  278 (279 f.); BGH, Urt. v. 29.2.1968, IPRspr 1968/69 Nr.  199, S.  503 (506); so auch Kropholler, in: Hdb. IZVR, Bd. I, Kap.  III Rz.  482 m. w. N. in Fn.  1101. 487  BGH, Urt. v. 29.2.1968, BGHZ 49, 384 (387) = IPRspr 1968/69 Nr.  199, S.  503 (506); BGHZ 59, 23 (26 f.); BGH, Urt. v. 18.3.1997, = IPRspr 1997 Nr.  142, S.  278 (279 f.) (st. Rspr.); Gottwald, FS Henckel, S.  295 (308). A. A. (Prozessvertrag) Geimer, IZPR, Rz.  1674a; Hausmann, FS W. Lorenz, S.  359 (361); Stein/Jonas-Bork, §  38 Rz.  50. 488  MüKoBGB-Martiny, vor Art.  1 Rom I-VO Rz.  71. 489  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rz.  79; Geimer, IZPR, Rz.  1679. 490  Hierfür auch Staudinger-Hausmann, Verfahrensrecht für internationale Verträge, Rz.  340.

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§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen

Recht, welchem das Zustandekommen der Schiedsklausel unterliegt (Schiedsvereinbarungsstatut).491 Das Statut der Schiedsvereinbarung bestimmt sich zunächst nach dem von den Parteien gewählten Recht. Eine Rechtswahl ist in entsprechender Anwendung von §  1059 Abs. i Nr.  1a ZPO, Art.  5 (1) a des New Yorker Übereinkommens (UNÜ) jedenfalls bei Schiedsverfahren mit internationalem Bezug zulässig. Ob sich eine etwaige Rechtswahl für den Hauptvertrag auch auf die Schiedsabrede erstreckt, ist durch Auslegung zu ermitteln, die sich nach dem gewählten Recht richtet. Ohne weitere Anhaltspunkte wird man von einer solchen Erstreckung regelmäßig nicht ausgehen können, da die Schiedsabrede v­ öllig andere Zwecke verfolgt als der Hauptvertrag492 und sich die Parteien bei der Rechtswahl für den Hauptvertrag regelmäßig keine Gedanken über die Auswirkungen dieses Rechts auf die Schiedsabrede machen. Fehlt es nach alledem an einer Rechtswahl, so unterliegt das Zustandekommen der Schiedsklausel nach überwiegender Auffassung dem Recht des Schieds­ ortes (lex loci arbitri),493 sofern dieser bereits bestimmt ist.494 Dieses Recht ist für die Überprüfung der Wirksamkeit der Schiedsklausel im Vollstreckungsverfahren in Art.  5 (1) a UNÜ (vgl. auch §  1061 Abs.  1 S.  1 ZPO) sowie Art.  36 Abs.  1a (i) des UNCITRAL-Modellgesetzes495 kodifiziert. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften im schieds- oder zivilrichterlichen Erkenntnisverfahren überzeugt, da nur so eine einheitliche Beurteilung der Schiedsklausel während sämtlicher Verfahrensabschnitte sichergestellt werden kann.496 Die Aus­legungsgrundsätze, ob die Schiedsklausel der zurückbehaltungsweisen G ­ eltendmachung einer ihr nicht unterfallenden Forderung entgegensteht, sind dem Recht am Schiedsort zu entnehmen.

So auch Hausmann, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  6784. Zutreffend Lew/Mistelis/Kröll, Arbitration, Rz.  6 –23; Hausmann, in: Reithmann/­ Martiny, IVR, Rz.  6613. A. A. BGH, Urt. v. 28.11.1963, BGHZ 40, 320 (323) = IPRspr 1962/63 Nr.  213, S.  690 (691); OLG Hamburg, Beschl. v. 24.1.2003, SchiedsVZ 2003, 284 (287); Wagner, Prozessverträge, S.  371 f. 493  BG, Urt. v. 21.3.1995, YCA XXII (1997), 800; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  43 Rz.  7; Weigand-Weigand, Arbitration, Part 1, Rz.  40; Tweeddale/Tweeddale, Arbitration, Rz.  7.14 ff.; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  6615, 6802; Geimer, IZPR, Rz.  3789. 494  Bis der Schiedsort feststeht, gilt das Recht des Hauptvertrags, vgl. Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit, Bd. 1, Rz.  245. 495  UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.6.1985 i. d. F. v. 4.12..2006, abrufbar unter (Stand: 31.7.2017). 496  Lew/Mistelis/Kröll, Arbitration, Rz.  6 –23, 6–58. 491 

492 

II. Einfluss von Gerichtsstandsvereinbarungen

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Geimer will dagegen für die Frage, ob eine Schiedsklausel ein Aufrechnungsverbot enthält, das Schiedsverfahrensstatut heranziehen, da es sich dabei um eine prozessuale Frage handele.497 Das Schiedsverfahrensstatut regelt das maßgebliche zwingende Verfahrensrecht und richtet sich nach dem Prozessrecht am Schiedsort.498 Praktische Unterschiede ergeben sich gegenüber der hier vertretenen Auffassung, nach der auch die Wirksamkeit der Schiedsklausel im Zweifel der lex loci arbitri unterfällt,499 nur dann, wenn die Parteien für die Wirksamkeit der Schiedsklausel eine Rechtswahl getroffen haben. Die Auffassung Geimers überzeugt jedoch im Ergebnis nicht. Denn letztlich hängt die prozessuale Wirkung der Schiedsvereinbarung – ebenso wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen – allein davon ab, welche Fragen die Parteien dem Schiedsgericht zur ausschließlichen Entscheidung übertragen wollten. Die Frage der Reichweite der Vereinbarung und des Zustandekommens sind aber zwei Seiten derselben Medaille, die sich nicht sinnvoll aufspalten lassen. Mithin sind die Auslegungsgrundsätze dem Recht zu entnehmen, das auch das Zustandekommen der Schieds­vereinbarung regelt.

II. Einfluss von Gerichtsstandsvereinbarungen 1. Problemkonstellationen Bei Gerichtsstandsvereinbarungen ist die Kognitionsbefugnis des Gerichts für die Gegenforderung problematisch, wenn für die klageweise Geltendmachung der Gegenforderung des Beklagten ein Gerichtsstand im Ausland vereinbart ist. Wird der Beklagte vom Kläger vor einem inländischen Gericht in Anspruch genommen, fragt sich, ob der Beklagte sein Zurückbehaltungsrecht auf die von der Prorogation erfasste Gegenforderung stützen darf. Keine Besonderheiten ergeben sich dagegen in Fällen, in denen die Haupt­ forderung von einer Gerichtsstandsvereinbarung erfasst wird.500 Denn welche staatlichen Gerichte für die Gegenforderung in Ermangelung einer Abrede zuständig sind, ist keine Frage der Prorogation, sondern der gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften. Die Parteien werden sich bei ihrer Vereinbarung – in Ermangelung einer besonderen Abrede – nicht über jedwedes mögliche Verteidigungsvorbringen Gedanken gemacht haben, so dass sie – in Ermangelung Geimer, IZPR, Rz.  3817. Hausmann, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  6555; Geimer, IZPR, Rz.  3724. 499  A. A. BGH, Urt. v. 28.11.1963, BGHZ 40, 320 (323) = IPRspr 1962/63 Nr.  213, S.  690 (691), der das Recht des Hauptvertrags auf die Schiedsklausel erstreckt. 500  Anders ist dies, wenn die Hauptforderung von einer Schiedsabrede erfasst wird, siehe dazu unten §  8 III. 1.; zu dieser Fallgruppe auch Kannengießer, Aufrechnung, S.  203. 497  498 

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besonderer Umstände – typischerweise keinen Einredeausschluss wollen. Wird also für die Hauptforderung ein Gerichtsstand vereinbart, stellt sich bei einer prorogationsfremden Gegenforderung dasselbe Problem wie bei einer sonstigen anderweitigen gesetzlichen Zuständigkeit. Ein Zurückbehaltungsrecht ist in diesen Fällen stets zulässig.501 Unproblematisch sind auch diejenigen Konstellationen, die bereits im Rahmen der fehlenden gesetzlichen Zuständigkeit für die Gegenforderung herausgearbeitet wurden. So kann die rügelose Einlassung des Klägers ein etwaiges Zuständigkeitshindernis auch für Einreden überwinden;502 die Unstreitigkeit oder rechtskräftige Feststellung der Gegenforderung503 erspart dem Gericht ein entsprechendes Erkenntnisverfahren. Jedenfalls in diesen Fällen bedeutet die Geltendmachung einer Verteidigung keine unzumutbare Belastung des Klägers, da er sich materiell nicht mehr mit dem Bestehen der Gegenforderung auseinandersetzen muss.504 2. Streitstand Die Diskussion konzentriert sich also auf Fälle, in denen für eine bestrittene Gegenforderung die Zuständigkeit anderer als der vom Kläger angerufenen Gerichte vereinbart wurde. Ähnlich wie bei der anderweitigen gesetzlichen Zuständigkeit kreist die Diskussion bisher auch hier hauptsächlich um die Aufrechnung und nicht um Zurückbehaltungsrechte. Der EuGH hat sich im Geltungsbereich des EuGVÜ und der EuGVVO zur Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen auf die Zulässigkeit von Einreden nicht eindeutig positioniert. In der bereits oben angesprochenen Entscheidung Meeth/Glacetal505 verneinte der Gerichtshof die Vorlagefrage des BGH, ob Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ im Falle einer Aufrechnung zwingend jede Aufrechnung ausschließe, die eine Partei gegenüber der von der anderen Partei erhobenen Klage einwende. Art.  17 Abs.  1 EuGVÜ regele den Ausschluss der Aufrechnung nicht; dies sei vielmehr eine Frage der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung durch das nationale Gericht im Einzelfall.506 Auch in der Rechtssache Spitzley/Sommer hat der EuGH lediglich klargestellt, dass der in einer Gerichtsstandsvereinbarung enthaltene Aufrechnungsausschluss, den das nationale Gericht durch Auslegung angenommen hatte, auch bei inkonnexen Forderungen 501 

Dazu eingehend oben §§  4 –7. EuGH, Urt. v. 7.3.1985, Rs.  84/84, Slg. 1985, 794 (799), Rz.  22 – Spitzley; zustimmend Gottwald, IPRax 1986, 10 (13). 503  Hierzu bereits oben §  5 III. und IV. 504  Stein/Jonas-Althammer, §  145 Rz.  48. 505  EuGH, Urt. v. 9.11.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2133 – Meeth. 506  EuGH, Urt. v. 9.11.1978, Rs.  23/78, Slg. 1978, 2133 (2142), Rz.  8 – Meeth. 502 

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durch rügelose Einlassung des Klägers überwunden werden könne.507 Diese Zurückhaltung des Gerichtshofs im Hinblick auf die Reichweite von Proroga­ tionswirkungen ist konsequent, da es im Kontext der Gerichtsstandsvereinbarungen nicht um die Auslegung der Gemeinschafts- oder Unionsrechtsakte, sondern des Prozessvertrages selbst geht. Diese ist Sache der nationalen Ge­ richte. Der EuGH kann insoweit nur vorgeben, inwieweit ein Einredeausschluss nach der EuGVVO überhaupt zulässig ist.508 Der BGH hat nach Beantwortung der Vorlagefrage durch den EuGH in Meeth/ Glacetal die Gerichtsstandsvereinbarung über die Gegenforderung sowohl als Aufrechnungs- als auch als Zurückbehaltungsausschluss ausgelegt.509 In Fortführung der bisherigen Rechtsprechung sei einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Gegenforderung im Zweifel auch ein prozessualer Ausschluss der Aufrechnung zu entnehmen.510 Dieser Ausschluss erfasse auch das Zurückbehaltungsrecht. Denn dieses wirke, wenn es nur wegen der zur Aufrechnung gestellten, gleichartigen Geldforderung geltend gemacht werde, im Ergebnis wie eine Aufrechnung.511 Wie bereits dargelegt, wird der Aussagegehalt dieses Urteils in der Literatur überdehnt.512 Der BGH hat weder entschieden, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung auch bei ungleichartigen Forderungen stets zu einem Ausschluss eines auf die Gegenforderung gestützten Zurückbehaltungsrechts führt, noch, dass ein Zurückbehaltungsrecht bei fehlender internationaler Zuständigkeit stets ausgeschlossen ist.513 Dies hat auch das OLG Schleswig in einer jüngeren Entscheidung verkannt.514 Das OLG nahm unter Verweis auf die Auffassung des BGH an, ein Beklagter könne sich nicht auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages (§  320 Abs.  1 BGB) wegen Mängeln der Kaufsache berufen, wenn er eigene Mängelansprüche nach der Gerichtsstandsvereinbarung am Gerichtsstand des Klägers hätte einklagen müssen.515 EuGH, Urt. v. 7.3.1985, Rs.  84/84, Slg. 1985, 794 (798), Rz.  19, 22 – Spitzley. Dies übersieht Kannengießer, Aufrechnung, S.  193, der zu Unrecht annimmt, in der fehlenden Stellungnahme in Spitzley liege eine implizite Billigung der Auslegung durch das nationale Gericht. 509  BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478); zum Sachverhalt vgl. bereits oben §  3 II. 2. 510  BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478). 511  Bestätigt für das allgemeine Zurückbehaltungsrecht nach §  273 Abs.  1 BGB in BGH, Urt. v. 21.1.2015, NJW 2015, 1118 (1120). 512  Zur Kritik an der Deutung des Urteils in der Literatur bereits oben §  3 I. 1. 513  So aber OLG Stuttgart, Urt. v. 2.6.2008, ZEV 2008, 434 (437); MüKoBGB-Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rz.  67; Soergel-v. Hoffmann, Art.  32 EGBGB Rz.  58 Fn.  120; in diese Richtung auch Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (43 Fn.  35). 514  OLG Schleswig, Urt. v. 1.11.2013, IPRspr 2015 Nr.  191 a), S.  4 40 (441). 515  OLG Schleswig, Urt. v. 1.11.2013, IPRspr 2015 Nr.  191 a), S.  4 40 (441). 507 

508 

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Mit der Entscheidung in Meeth/Glacetal hat der BGH seine Rechtsprechung zur Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarung auf die Aufrechnung zunächst fortgeführt. Auch in zwei weiteren Urteilen vom selben Tag hat er zwei Gerichtsstandsvereinbarungen, in denen die Parteien französische516 bzw. italienische517 Gerichte hinsichtlich aller Streitigkeiten als ausschließlich zuständig vereinbart hatten, ohne ausdrückliche Regelung über die Aufrechnung als prozessuale Aufrechnungsverbote ausgelegt. Der Senat begründet dies damit, dass die Entscheidung über die Gegenforderung nach §  322 Abs.  2 ZPO der Rechtskraft fähig sei und somit der Grundsatz nicht gelte, dass die Prozessvoraus­ setzungen nur hinsichtlich des Streitgegenstands (also der Klageforderung) gegeben sein müssten. Zudem dienten internationale Gerichtsstandsvereinbarungen – anders als Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit – nicht lediglich dem Bequemlichkeitsinteresse, nicht an einem auswärtigen, aber sonst gleichwertigen Gericht klagen zu müssen. Vielmehr stehe bei einer internationalen Prorogation das natürliche Interesse jedes Staatsangehörigen im Vordergrund, dass sich nur sein Staat, dessen Organisation und Funktionsweise er kenne, dessen Sprache er spreche und dem er auf vielfältige Weise verbunden sei, seiner Rechtssache annehme.518 Diese Rechtsprechung hat in der Literatur nur vereinzelt Zustimmung erfahren. Die zustimmenden Stimmen bringen ergänzend vor, dass der Beklagte sonst das berechtigte Vertrauen des Klägers in die Anwendbarkeit des IPR des prorogierten Gerichts auf die Gegenforderung enttäuschen könnte.519 Im Übrigen ist die Auffassung des BGH nicht nur in der Literatur520, sondern teilweise auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung521 auf Ablehnung gestoßen. Die Argumente der Gegenauffassung ähneln denjenigen, die bereits für eine unbeschränkte Zulässigkeit der Aufrechnung bei sonstiger fehlender inter516 

BGH, Urt. v. 20.12.1972, NJW 1973, 421 (422). BGH, Urt. v. 20.12.1972, WM 1973, 174 (175 f.). 518  BGH, Urt. v. 20.12.1972, NJW 1973, 421 (422); BGH, Urt. v. 20.12.1972, WM 1973, 174 (175 f.). 519  Kohler, IPRax 1983, 265 (272), zust. Tendenz auch bei MüKoZPO-Fritsche, §  145 Rz.  37 f. 520  Kannengießer, Aufrechnung, S.  199; MüKoZPO-Gottwald, Art.  23 EuGVVO Rz.  91.; Geimer/Schütze-Geimer, Art.  23 EuGVVO Rz.  194; ders., IZPR, Rz.  1778 f.; Kropholler/­ v. Hein, Art.  23 EuGVVO Rz.  100; MüKoBGB-Spellenberg, Art.  17 Rom I-VO, Rz.  45; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, IVR, Rz.  6521; Gebauer, IPRax 1998, 79 (83); Rauscher, RIW 1985, 887 (888 f.); Gottwald, IPRax 1986, 10 (12); v. Falkenhausen, RIW 1982, 386 (389); zustimmend jedoch Kohler, IPRax 1983, 265 (272), tendenziell auch MüKoZPO-­ Fritsche, §  145 Rz.  37 f. 521  Nach LG Berlin, Urt. v. 30.1.1996, IPRax 1998, 97 (99 f.), schließt daher eine in AGB wirksam vereinbarte Gerichtsstandsklausel die Aufrechnung nicht aus. 517 

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nationaler Zuständigkeit ins Feld geführt wurden.522 Die Grundsätze der Waffengleichheit und der Prozessökonomie sprächen dafür, Gerichtsstandsvereinbarungen im Hinblick auf Verteidigungsmittel eng auszulegen.523 Zudem hätten beide Parteien ein Interesse daran, verschiedene Streitigkeiten in einem Prozess zu erledigen.524 Die zusätzliche Prozessführungslast des Klägers, insbesondere die mangelnde Vertrautheit mit dem derogierten Forum, Sprachschwierigkeiten sowie die Schwierigkeit, einen ausländischen Prozessvertreter zu finden, fielen durch den bereits bestehenden Kontakt mit dem Forum nicht ins Gewicht.525 Ferner sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die Parteien die verteidigungsweise Geltendmachung einer Gegenforderung aufgrund qualitativer Vorzüge der vereinbarten Gerichte ausschließlich diesen zuweisen wollten. Dies gelte jedenfalls im Rahmen des europäischen Zivilprozessrechts, das gerade von der Gleichwertigkeit der Gerichtsstände ausgehe.526 Wegen der Vereinheitlichung der nationalen Kollisionsrechte sei zudem die Gefahr der Anwendung unterschiedlichen Sachrechts auf die Gegenforderung gering.527 Der Beklagte müsse daher eine Beschneidung seiner Verteidigungsrechte nicht hinnehmen. 3. Stellungnahme Entscheidend ist, ob die Parteien den Ausschluss eines auf die Gegenforderung gestützten Zurückbehaltungsrechts vereinbart hätten, wenn ihnen die Regelungslücke bekannt gewesen wäre.528 Dabei kommt es maßgeblich auf die typischen Parteiinteressen an. Auszugehen ist dabei zunächst vom Grundfall, dass das Zurückbehaltungsrecht auf eine ungleichartige Forderung gestützt wird. Schließlich ist auch der vom BGH entschiedene Sonderfall in den Blick zu nehmen, in dem angesichts eines Ausschlusses der Aufrechnung durch die Gerichts­ standsvereinbarung die Geltendmachung einer gleichartigen Gegenforderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts ebenfalls für unzulässig gehalten wurde. a) Wirkung der Prorogation bei ungleichartigen Forderungen Stärkstes Argument für die Annahme eines prozessualen Aufrechnungsverbots durch die Rechtsprechung ist – wie bereits bei den gesetzlichen Zuständigkeiten529 522 

Vgl. dazu oben §  3 II. 3. b). LG Berlin, Urt. v. 30.1.1996, IPRax 1998, 97 (99 f.). 524  Pfaff, ZZP 96 (1983), 334 (353); v. Falkenhausen, RIW 1982, 386 (388). 525  Gebauer, IPRax 1998, 79 (82); Kannengießer, Aufrechnung, S.  196. 526  Gottwald, IPRax 1986, 10 (11); Kannengießer, Aufrechnung, S.  106 f. 527  Vgl. Kannengießer, Aufrechnung, S.  197 sowie oben §  3 II. 3. c) sowie §  6 I. 4. 528  Vgl. zur ergänzenden Vertragsauslegung Faust, BGB AT, §  3 Rz.  26. 529  Siehe oben §  3 II. 2. 523 

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– die rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung nach §  322 Abs.  2 ZPO. Auch wenn die prozessökonomischen Argumente der Gegenauffassung einiges für sich haben, führt die Zulassung der Aufrechnung dazu, dass der Beklagte sogar „mehr“ bekommt als im Falle der Widerklage. Zutreffend ist zwar, dass die Aufrechnung ein Verteidigungsmittel darstellt und damit formal betrachtet im Vergleich zur Widerklage ein „Weniger“ ist.530 Materiell kann jedoch die Aufrechnung für den Kläger gravierendere Konsequenzen haben. Denn im Vergleich zur Widerklage kommt es nicht nur zu einer rechtskräftigen Entscheidung und einem Titel über die Gegenforderung, sondern durch Tilgung der Hauptforderung zu ihrer unmittelbaren Befriedigung.531 Derartige Besonderheiten bestehen jedoch bei Zurückbehaltungsrechten nicht. Jedenfalls im autonomen Recht kommt es weder zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung noch erlischt die Hauptforderung des Klägers. Den Interessen des Klägers an einem prozessualen Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten kommt damit in vielen Fällen ein geringeres Gewicht zu als bei einer drohenden Aufrechnung. Denn unabhängig davon, ob sich der Kläger vom prorogierten Gericht eine qualitativ bessere oder schnellere Entscheidung über die Gegenforderung erhofft, fallen diese Interessen nur dann ins Gewicht, wenn die Entscheidung vereinbarungsfremder Gerichte über den Zug um Zug-Vorbehalt abschließend rechtsgestaltenden Charakter hätte. Keine Probleme ergeben sich also, wenn die Entscheidung in einem Mitgliedstaat ergeht, nach dessen lex fori die Entscheidung über die Gegenforderung nicht in Rechtskraft erwächst (z. B. Deutschland, Österreich oder Schweiz532). In diesen Fällen kann eine rechtskräftige Entscheidung nur im Klagewege und damit nur vor den vereinbarten Gerichten herbeigeführt werden. Zu klären bleibt daher, wie in den Sonderfällen zu verfahren ist, in denen über die Gegenforderung nach der lex fori auch im Rahmen von Zurückbehaltungsrechten mit Rechtskraft entschieden wird533. Anders als im Falle gesetzlicher Zuständigkeiten stünde der Anerkennung dieser Rechtskraft Art.  45 Abs.  1 EuGVVO nicht entgegen. Denn die prorogierten Gerichte sind bei einer Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich der EuGVVO zwar im Zweifel international ausschließlich zuständig (Art.  25 Abs.  1 S.  2 EuGVVO). Anders als bei den gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeiten des Kapitels II Abschnitt 6 (Art.  24) EuGVVO wird die Wahrung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung bei der Anerkennung nach Art.  45 Abs.  1 lit.  e), Abs.  3 Coester-Waltjen, FS Lüke, S.  35 (42). Zutreffend Rüßmann, FS Ishikawa, S.  455 (466). 532  Oben §  6 II. 1 a). 533  So im englischen und nach z. T. vertretener Auffassung auch im französischen Recht, siehe dazu oben §  6 II. 1. b). 530  531 

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EuGVVO jedoch nicht überprüft.534 Die rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung im Rahmen des Zurückbehaltungsrecht wäre also – jedenfalls nach der herrschenden Wirkungserstreckungslehre535 – anerkennungsfähig, auch wenn für die Gegenforderung die Zuständigkeit eines anderen Gerichts vereinbart war. Somit würde sich in diesen Konstellationen die Situation für den Kläger ähnlich darstellen wie bei der Aufrechnung, da die rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung – entgegen der eindeutigen Parteiabrede – nicht durch das prorogierte Gericht erfolgt, so dass die Prorogation unterlaufen werden kann. Dennoch gebieten die Interessen des Klägers auch in diesen Fällen nicht, den Beklagten mit seinem Zurückbehaltungsrecht zurückzuweisen. Es erscheint auch hier – ähnlich wie im Rahmen anderweitiger ausschließlicher Zuständigkeiten für die Gegenforderung536 – sachgerecht, die Erstreckung der Rechtskraftwirkungen des prorogationswidrigen ausländischen Urteils über die Gegenforderung zu begrenzen. Die Gerichtsstandsvereinbarung würde dann eine Wirkungserstreckung der Rechtskraft der Entscheidung über die Gegenforderung auf andere Mitgliedstaaten verhindern. Konsequenz einer solchen beschränkten Wirkungserstreckung wäre beispielsweise, dass der Beklagte bei einer Prorogation zugunsten deutscher Gerichte die Gegenforderung ohne Beeinträchtigung der Interessen des Klägers im Wege des Zurückbehaltungsrechts auch in England geltend machen kann. Denn der Kläger müsste dann nicht befürchten, dass die englischen Gerichte dem prorogierten deutschen Gericht die präjudizielle Entscheidung über die Gegenforderung „entziehen“. Aufgrund der zur Kognitionsbefugnis im Rahmen von gesetzlichen Zuständigkeiten entwickelten Lösungsansätze besteht für den Kläger auch kein Grund zur Sorge, dass seine Interessen durch die fälschliche Annahme eines Zug um Zug-Vorbehalts seitens der englischen oder französischen Gerichte beeinträchtigt werden könnten. Denn ein „falscher“ Zug um Zug-Vorbehalt lässt sich spätestens mittels Feststellungsklage in der Zwangsvollstreckung ausräumen.537 Auf der anderen Seite bleiben die materiellrechtlich bestehenden Verteidigungsrechte des Beklagten auch prozessual gewahrt. Dieser Lösung mag man entgegenhalten, sie laufe auf eine Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit jenseits der in den Abschnitten 3 bis 6 des Kapitels II normierten ausschließlichen Zuständigkeiten im Rahmen der Anerken534 

Allg. M., OLG Koblenz, Beschl. v. 28.11.1975, NJW 1976, 488 = IPRspr 1975 Nr.  171, S.  419 (420); Kropholler/v. Hein, Art.  35 EuGVVO Rz.  14; Rauscher-Leible, Art.  35 ­EuGVVO Rz.  3; Magnus/Mankowski-Mankowski, Art.  35 EuGVVO Rz.  43. 535  Siehe oben §  6 II. 2. 536  Dazu oben §  6 II. 3. d) cc). 537  Siehe oben §  6 III. 3. b) bb).

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nung hinaus und verstoße somit gegen Art.  45 Abs.  3 EuGVVO. Zudem könnte man einwenden, die Lösung ermögliche den Parteien, die von der lex fori vorgegebenen Rechtskraftwirkungen durch Vereinbarung zu beschränken, obwohl die Rechtskraft nicht nur den Parteiinteressen, sondern auch dem Interesse des Staates an Rechtsfrieden diene und daher unabdingbar sei.538 Derartige Bedenken greifen jedoch im Ergebnis nicht durch. Zum einen kommt es gar nicht zu einer echten „Nachprüfung“ der Einhaltung der Gerichtsstandsvereinbarung, da für die Gegenforderung gerade keine Zuständigkeitsprüfung im Prozess erfolgt. Zum anderen wird der Kläger durch die hier vertretene Lösung hinreichend davor geschützt, sich vor anderen als den vereinbarten Gerichten gegen die von der Vereinbarung erfasste Forderung verteidigen zu müssen. Da die rechtskräftige Entscheidung bei den prorogierten Gerichten verbleibt, hat der Kläger weiterhin alle Möglichkeiten, die endgültige Entscheidung über die Gegenforderung vor dem prorogierten Gericht herbeizuführen und diese in den Zurückbehaltungsprozess einzuführen – spätestens im Rahmen der Zwangsvollstreckung.539 Der Beklagte bleibt demgegenüber in seinen bereits oben540 eingehend erörterten Interessen geschützt, die materiellrechtlich gewährte Sicherheit nicht aufgeben und auf einen auch nach Verjährung verbleibenden Restwert der Forderung (vgl. §  215 BGB) nicht aus prozessualen Gründen verzichten zu müssen. In einer aufgrund Parteiabrede beschränkten Wirkungserstreckung der Rechtskraft liegt auch kein Verstoß gegen das Verbot der Zuständigkeitsüberprüfung nach Art.  45 Abs.  3 EuGVVO oder gegen die Unabdingbarkeit von Rechtskraftwirkungen. Denn es geht nicht darum, durch die Parteiabrede die Rechtskraftwirkungen der lex fori generell anzutasten. Im innerstaatlichen Kontext bleiben diese Wirkungen unberührt. Es spricht jedoch nichts dagegen, den Willen der Parteien im Rahmen der Anerkennung ausländischer Rechtskraftwirkungen zu berücksichtigen. Denn in welchem genauen Umfang Rechtskraftwirkungen in anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind, ist in der ­EuGVVO nicht ausdrücklich geregelt. Die Überzeugungskraft der insoweit von Literatur und Rechtsprechung entwickelten Wirkungserstreckungstheorie541 liegt darin, dass sie das Vertrauen der Parteien in die Rechtskraftwirkungen des Entscheidungsstaats unionsweit wahrt. Dieser Vorzug ist jedoch hinfällig, wenn die in einer Gerichtsstandsvereinbarung verkörperten Parteiinteressen dahin gehen, die rechtskräftige Entscheidung über die Vorfrage den prorogierten Ge538  Siehe nur MüKoZPO-Gottwald, §  322 Rz.  59; Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  222; Zöller-Vollkommer, vor §  322 Rz.  20; a. A. Schlosser, Einverständliches Handeln, S.  12 ff. 539  Oben §  6 III. 3. 540  Oben §  6 I. 3. und 4. 541  Oben §  6 II. 2.

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richten vorzubehalten. Hier besteht gerade kein Anlass, die Rechtskraftwirkungen des Entscheidungsstaates aus Gründen der Erwartungsverlässlichkeit für die Parteien auf den Anerkennungsstaat zu erstrecken, da sich die Parteien gerade darauf verlassen haben, dass die rechtskräftige Entscheidung nur durch die prorogierten Gerichte erfolgt. Anders als bei der Aufrechnung ist eine solche Beschränkung der Wirkungserstreckung der Rechtskraft auch mit Blick auf die Interessen des Klägers ohne praktische Probleme durchführbar. Bei der Aufrechnung beruht die Rechtskraft der Entscheidung über die Gegenforderung darauf, dass der Kläger vor einer erneuten isolierten Geltendmachung der Gegenforderung, die bereits zur Tilgung der Hauptforderung „verbraucht“ wurde, geschützt werden soll.542 Ein Verzicht auf die Rechtskraftwirkung würde die Interessen des Aufrechnungsgegners daher massiv beeinflussen. Da Zurückbehaltungsrechte eine Hauptforderung aber niemals tilgen können, bestehen diese Probleme hier nicht. Eine Gerichtsstandsvereinbarung über eine Forderung führt somit im Anerkennungsrecht der EuGVVO dazu, dass auch andere Gerichte über ein auf sie gestütztes Zurückbehaltungsrecht entscheiden dürfen. Diese Entscheidung entfaltet jedoch keine Rechtskraftwirkung, die in anderen Mitgliedstaaten – insbesondere durch die vereinbarten Gerichte – anerkannt werden muss. Keine Probleme ergeben sich nach autonomem Recht. Da §  328 Nr.  1 ZPO ohnehin eine vollständige Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts vorsieht, sind Rechtskraftwirkungen einer Entscheidung über eine Gegenforderung, für die eine andere internationale Zuständigkeit vereinbart war, ohnehin nicht zu beachten.543 Dem hypothetischen Parteiwillen wird somit auch hier durch eine Zulassung von Zurückbehaltungsrechten mit Gegenforderungen ohne Rechtskraftwirkung für die Vorfrage entsprochen, soweit für die Vorfrage ein anderweitiger Gerichtsstand vereinbart wurde. Entscheiden andere als die vereinbarten Gerichte über das Zurückbehaltungsrecht, so bleibt dem Kläger weiterhin die Möglichkeit, die rechtskräftige Entscheidung über die Gegenforderung herbeizuführen, indem er vor dem prorogierten Gericht klagt. Einen vor dem derogierten Gericht zu Unrecht zugesprochenen Zug um Zug-Vorbehalt kann der Kläger dann im Wege der oben entwickelten Lösungen544, namentlich analog §  756 Abs.  1 ZPO oder im Wege der Klage auf Feststellung der Zulässigkeit vorbehaltloser Zwangsvollstreckung, beseitigen lassen. Sämtliche Interessen, die ihn zum Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarungen über die Gegenforderung bewogen haben – seien es 542  Blomeyer, Erkenntnisverfahren, 1.  Aufl., §  89 VI. (S.  464); Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  160; MüKoZPO-Gottwald, §  322 Rz.  192. 543  Siehe oben §  7 II. 3. 544  Dazu eingehend oben §  6 III. 3.

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Sach- und Rechtsnähe oder besondere Kompetenzen des prorogierten Gerichts – bleiben ihm erhalten. Denn er behält die Möglichkeit, die Entscheidung des vereinbarten Gerichts auch als Präjudiz für das Zurückbehaltungsrecht durchzusetzen.545 Es existieren in dieser Konstellation somit keine schutzwürdigen Interessen des Klägers, die eine Einschränkung der Zurückbehaltungsmöglichkeiten des Beklagten im Hinblick auf Gegenforderungen gebieten, für deren klageweise Geltendmachung eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht. b) Zurückbehaltungsrecht bei gleichartigen Forderungen In dem vom BGH entschiedenen Sonderfall hat der Senat eine Gerichtsstandsvereinbarung, die als vertraglich vereinbartes Aufrechnungsverbot ausgelegt wurde, auch auf Zurückbehaltungsrechte erstreckt. Begründet hat er dies damit, dass das Zurückbehaltungsrecht im konkreten Fall nur wegen der zur Aufrechnung gestellten, auf Geldleistung gerichteten Gegenforderung geltend gemacht wurde.546 Selbst wenn man aber der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung des BGH als Aufrechnungsausschluss547 folgt, bleibt zweifelhaft, ob dieser auch auf Zurückbehaltungsrechte erstreckt werden muss. Der vom BGH angenommene Gleichlauf von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten muss vor dem Hintergrund des deutschen materiellen Rechts verstanden werden. Denn dort liegt der wesentliche Unterschied zwischen Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten in der Art der wechselseitigen Ansprüche, nämlich ob sie gleichartig oder ungleichartig sind.548 Konsequenterweise wird bei gleichartigen Ansprüchen die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts regelmäßig als Aufrechnungserklärung ausgelegt549 oder – wo eine Auslegung oder Umdeutung ausscheidet – das Zurückbehaltungsrecht als durch die Aufrechnung verdrängt angesehen, da grundsätzlich kein schützenswertes Interesse des Schuldners an der Zurückbehaltung bestehe.550 Insbesondere 545  Vgl. zur Berücksichtigung der präjudiziellen Wirkung der Hauptsacheentscheidung bereits oben §  6 III. 3. 546  BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478). 547  Kritisch dazu die überwiegende Auffassung in der Literatur, vgl. Fn.  521 f. 548  Vgl. nur Staudinger-Gursky, vor §§  387 ff. Rz.  101; Staudinger-Bittner, §  273 Rz.  104; MüKoBGB-Krüger, §  273 Rz.  75. 549  RG, Urt. v. 31.5.1906, RGZ 83, 138 (140); RG, Urt. v. 26.5.1914, RGZ 85, 108 (112); RG, Urt. v. 6.12.1928, RGZ 123, 6 (8); BGH, Urt. v. 20.6.1962, BGHZ 37, 233 (244); PalandtGrüne­berg, §  388 Rz.  1; Soergel-Wolf, §  273 Rz.  53; Staudinger-Bittner, §  273 Rz.  105. 550  Staudinger-Gursky, §  388 Rz.  14; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  30 IV. 2. (S.  692); Soergel-Wolf, §  273 Rz.  53; MüKoBGB-Krüger, §  273 Rz.  75. A. A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.4.1998, OLGR 1998, 282 (283); Kohler, BauR 1992, 22 (24); differenzierend Staudinger-­ Bittner, §  273 Rz.  106.

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­Gursky meint, der Schuldner wähle „den falschen Rechtsbehelf“551, wenn er eine gleichartige Forderung nicht aufrechnungs- sondern zurückbehaltungsweise einwende. Umgekehrt wird eine Aufrechnung, deren Voraussetzungen nicht vorliegen, in ein Zurückbehaltungsrecht umgedeutet, z. B. wenn der Schuldner seine Gegenforderung zur Sicherheit abgetreten hat, aber berechtigt ist, aus der abgetretenen Forderung auf Leistung an den Zessionar zu klagen.552 Ähnlichkeiten der Wirkung von Zurückbehaltungsrecht und Aufrechnung führen im deutschen Recht auch dazu, dass viele Aufrechnungsverbote auf ­Zurückbehaltungsrechte erstreckt werden.553 So ist es z. B. dem Schuldner bei gleichartigen Leistungen ebenfalls nach §  393 BGB verwehrt, sich gegenüber einem auf vorsätzlicher, unerlaubter Handlung beruhenden Anspruch auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen.554 Daher ist die Schlussfolgerung des BGH, der Beklagte dürfe aufgrund eines vertraglichen Aufrechnungsverbots vor dem angerufenen Gericht auch nicht mit einem wirkungsgleichen Zurückbehaltungsrecht gehört werden, vor dem Hintergrund des materiellen deutschen Rechts verständlich. Ob Zurückbehaltungsrechte von der Aufrechnung allerdings tatsächlich – wie die nahezu einhellige Auffassung im deutschen Recht meint – allein anhand der Gleich- bzw. Ungleichartigkeit der sich gegenüberstehenden Forderungen abgegrenzt werden können, erscheint gerade vor dem Hintergrund der in der bisherigen Analyse gezeigten unterschiedlichen prozessualen Wirkungen der Rechts­ institute zweifelhaft. Diese prozessualen Unterschiede bestehen völlig unabhängig davon, ob die Forderungen gleich- oder ungleichartig sind. Geht man mit dem BGH davon aus, dass die Parteien mit einer Gerichtsstandsvereinbarung den Willen zum Ausdruck bringen, „Ansprüche gegen sich nur vor dem Heimatgericht einklagen zu lassen“555, mag manches für ein Aufrechnungsverbot sprechen. Aus dem bloßen Verweis auf die Gleichartigkeit der Leistungen folgt jedoch nicht automatisch auch der Wille zum Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts, wenn der Kläger bei einer prorogationsfremden zurückbehaltungsweisen Geltendmachung des Anspruchs gerade kein „Urteil“ über die Gegenforderung befürchten muss, da über diese nicht rechtskräftig entschieden 551  Staudinger-Gursky, §  388 Rz.  14; i. Erg. auch Gernhuber, Schuldverhältnis, §  30 IV. 2. (S.  692); MüKoZPO-Rimmelspacher, §  533 Rz.  23. 552  Staudinger-Bittner, §  273 Rz.  107. 553  Staudinger-Gursky, vor §§  387 ff. Rz.  100; ders., §  394 Rz.  13. 554  RG, Urt. v. 6.12.1928, RGZ 123, 6 (8); OLG Koblenz, Urt. v. 30.10.2009, IPRspr 2009 Nr.  30, S.  60 (nur LS, sonst unveröffentlicht); BAG, Urt. v. 16.10.1967, NJW 1986, 565 (566); Bamberger/Roth-Dennhardt, §  393 Rz.  2; Staudinger-Gursky, §  393 Rz.  2 („offensichtliche[r] Versuch der Gesetzesumgehung“); anders Gernhuber, Schuldverhältnis, §  30 V. 2. c) (S.  694), der im Einzelfall §  242 BGB anwenden will. 555  BGH, Urt. v. 20.6.1979, NJW 1979, 2477 (2478).

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§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen

wird.556 Der BGH übersieht, dass diese Situation gerade nicht mit der Situation vergleichbar ist, in der die Gegenforderung „eingeklagt“ wird. Aufgrund dieses nicht unerheblichen prozessualen Unterschieds mag der Beklagte in diesen Fällen aber ein berechtigtes Interesse daran haben, die gleichartige Gegenforderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts anstatt aufrechnungsweise einzuwenden. Dieser prozessuale Unterschied ergibt sich unmittelbar aus den unterschiedlichen materiellrechtlichen Wirkungen von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten. Während die Aufrechnung den Leistungsaustausch erübrigt, sichert das Zurückbehaltungsrecht lediglich die Erbringung der gegenseitigen Leistungen ab.557 Erübrigt sich der Leistungsaustausch, weil die Forderungen gegeneinander aufgehoben werden, so muss der Kläger durch die Rechtskraft der Entscheidung über die Gegenforderung (vgl. §  322 Abs.  2 ZPO) davor geschützt werden, dass er sich der Gegenforderung nochmals ausgesetzt sieht. Sofern aber die Parteiinteressen an einer rechtskräftigen Entscheidung durch das prorogierte Gericht gewahrt bleiben, gibt es keinen Grund, dem Beklagten seine vom materiellen Recht gewährten Verteidigungsrechte zu beschneiden. Insoweit bietet im Falle einer Prorogation über die Gegenforderung das Zurück­ behaltungsrecht, bei dem eine rechtskräftige Entscheidung nicht zu befürchten ist, gegenüber der Aufrechnung das „mildere“ Verteidigungsmittel, mit dem den beiderseitigen Interessen entsprochen werden kann. Dieser prozessrechtliche Befund zeigt, dass an der verbreiteten Auffassung, wonach das Zurückbehaltungsrecht bei gleichartigen Forderungen durch die Aufrechnung „verdrängt“ wird, nicht uneingeschränkt festgehalten werden kann. Denn während grundsätzlich die Aufrechnung vorzugswürdig ist, weil sie einen unnötigen Leistungsaustausch vermeidet, können gerade in den hier interessierenden Fällen schutzwürdige Interessen des Beklagten bestehen, auf seine gleichartige Gegenforderung ein Zurückbehaltungsrecht zu stützen. Damit ist nicht gesagt, dass bestimmte Aufrechnungsverbote ihrem Sinn und Zweck nach nicht auch Zurückbehaltungsrechte erfassen können, soweit diese Verbote im Einzelfall (wie z. B. im Rahmen von §  393 BGB) darauf gerichtet sind, dem Schuldner sämtliche rechtswidrig erlangten Sicherungsmöglichkeiten zu nehmen. Jenseits dessen bestehen jedoch gute Gründe, ein Zurückbehaltungsrecht dann zuzulassen, wenn die Aufrechnung im Einzelfall wegen aufrechnungsspezifischer Besonderheiten (§  322 Abs.  2 ZPO) ausgeschlossen ist, die in dieser Form bei Zurückbehaltungsrechten keine Rolle spielen. So mag der Vgl. zur ganz h. M. die Nachweise in Fn.  178; a. A. nur Rimmelspacher, Streitgegenstandsprobleme, S.  218 ff., 222. 557  Zu den Unterschieden auch Magnus, RabelsZ 38 (1974), 439 (446). 556 

II. Einfluss von Gerichtsstandsvereinbarungen

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Beklagte seine Gegenforderung weiterhin anderweitig (z. B. durch Abtretung) verwerten wollen,558 zumal sich der Kläger ebenso durch Aufrechnung befreien kann559. Zudem besteht ein schützenswertes Interesse des Beklagten an der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts bei gleichartigen Forderungen, wenn er aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung an der Aufrechnung deshalb gehindert wird, weil er sonst eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung herbeiführen würde. Ferner verbleiben dem Kläger bei Zulassung des Zurückbehaltungsrechts sämtliche Möglichkeiten, den Zug um Zug-Vorbehalt nach rechtskräftiger Entscheidung durch das vereinbarte Gericht beseitigen zu lassen, so dass er – sofern nicht ohnehin das vereinbarte Gericht vorher eine präjudizielle Entscheidung über die Vorfrage trifft – die sehr beschränkte rechtsgestaltende Wirkung des Zurückbehaltungsrechts560 rückgängig machen kann. Damit ist auch den Befürwortern eines generellen Gleichlaufs von Aufrechnungs- und Zurück­ behaltungsverboten der Boden entzogen, da das Zurückbehaltungsrecht bei gleichartigen Forderungen eben nicht stets wegen der über die Aufrechnung zu erzielenden wechselseitigen Leistungsvereinfachung entbehrlich ist, sondern ihm auch aufgrund seiner prozessualen Wirkungen eine eigene Bedeutung zukommt. In dem vom BGH entschiedenen Fall wäre daher eine Verurteilung zur Zahlung Zug um Zug gegen Zahlung auf die Gegenforderung interessengerecht gewesen. Ein Zurückbehaltungsrecht ist somit auch dann zulässig, wenn bei gleichartigen Forderungen die Aufrechnung ausnahmsweise wegen eines vertraglichen Aufrechnungsausschlusses ausgeschlossen ist. 4. Ergebnis Soweit für die Gegenforderung eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht, ist im Zweifel nicht davon auszugehen, dass die Parteien auch den Ausschluss eines auf die Gegenforderung gestützten Zurückbehaltungsrechts gewollt haben. Die Inte­ ressen des Klägers werden durch die Gerichtsstandsvereinbarung gewahrt, da der Entscheidung eines vereinbarungsfremden Gerichts hinsichtlich der Gegenforderung keine Rechtskraftwirkung zukommt, die im Ausland anzuerkennen wäre. Die Entscheidung des prorogierten Gerichts kann auch im Zurückbehaltungs­ prozess – notfalls im Zwangsvollstreckungsverfahren – berücksichtigt werden. Zudem führt ein Aufrechnungsausschluss, sofern dieser nach dem Willen der Parteien in einer Gerichtsstandsvereinbarung enthalten ist, nicht dazu, dass ein 558  OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.4.1998, OLGR 1998, 282 (283); Kohler, BauR 1992, 22 (24); MüKoBGB-Krüger, §  273 Rz.  75. 559  Staudinger-Bittner, §  273 Rz.  104. 560  Vgl. Staudinger-Bittner, §  273 Rz.  104; Staudinger-Mansel, Art.  43 EGBGB Rz.  778.

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§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen

auf die gleichartige Gegenforderung gestütztes Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen ist.

III. Einfluss von Schiedsvereinbarungen Ähnliche Fragen wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen können sich im Rahmen internationaler Schiedsvereinbarungen stellen. Auch hier ist die Frage, in welchen Fällen sich Schiedsvereinbarungen auf die prozessuale Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten auswirken. 1. Problemkonstellationen Die Frage der Kognitionsbefugnis über Zurückbehaltungsrechte stellt sich hier in zwei Fällen: Im ersten Fall macht der Beklagte vor einem Schiedsgericht ein Zurückbehaltungsrecht mit einer Forderung geltend, die nicht der Schiedsvereinbarung unterfällt und daher vor staatlichen Gerichten einzuklagen wäre. Im zweiten Fall wendet der Beklagte das Zurückbehaltungsrecht vor einem staatlichen Gericht ein, obwohl die Gegenforderung einer Schiedsvereinbarung unterfällt. Auch hier ist fraglich, ob die Zulässigkeit des Zurückbehaltungsrechts im Zweifel den Parteiinteressen entspricht. 2. Streitstand Anders als bei den bisher untersuchten Konstellationen wird das Problem von Zurückbehaltungsrechten im Rahmen von Schiedsvereinbarungen auch losgelöst von der Aufrechnung diskutiert. Beide der soeben genannten Konstellationen sind umstritten. Ausgangspunkt der ersten Konstellation (Geltendmachung der nicht schiedsbefangenen Forderung vor einem Schiedsgericht) ist, dass sich die Schiedsvereinbarung grundsätzlich nicht nur auf den geltend gemachten Anspruch, sondern alle für dessen rechtliches Schicksal relevanten Umstände, also sein Entstehen und Erlöschen sowie seine Hemmung, erstreckt.561 Während für die Aufrechnung vor einem Schiedsgericht mit einer nicht der Schiedsabrede unterfallenden Forderung verbreitet vertreten wird, die Aufrechnung sei bei Widerspruch der anderen Partei prozessual unzulässig562 , wird bei Zurückbehaltungsrechten differenziert: Zum Teil wird angenommen, die Entscheidung über das 561 

Schütze/Tscherning/Wais-Wais, Schiedsverfahren, Rz.  53. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, §  1046 Rz.  7; Thomas/Putzo-Reichold, §  1029 Rz.  9; Habscheid, ZZP 76 (1963), 371 (372 f.); Schreiber, ZZP 90 (1977), 395 (414 f.); Geimer, IZPR, Rz.  3818; Lionnet/Lionnet, Schiedsgerichtbarkeit, Kap.  5, 2.b)(2) (S.  348). A. A. aber RG, Urt. v. 2.6.1931, RGZ 133, 16 (19); Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  3 Rz.  12; 562 

III. Einfluss von Schiedsvereinbarungen

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Zurückbehaltungsrecht unterliege wegen der gewöhnlich vom Zurückbehaltungsrecht vorausgesetzten Konnexität der Forderungen ebenfalls der Schiedsvereinbarung. In diesen Situationen dürfe das Schiedsgericht nur dann nicht Zug um Zug verurteilen, wenn die Parteien den Gegenanspruch ausdrücklich nicht dem schiedsrichterlichen Verfahren unterworfen haben.563 Soweit das Zurückbehaltungsrecht keine Konnexität voraussetze (so z. B. bei §  369 HGB), soll eine Zug um Zug-Verurteilung jedoch unzulässig sein, und zwar unabhängig davon, ob über den zugrunde liegenden Anspruch durch das Schiedsgericht rechtskräftig entschieden wird oder nicht.564 Betont wird das prozessökonomische Interesse der Parteien einer Schiedsvereinbarung: Die Parteien rechneten im Allgemeinen nicht damit, dass sich das Schiedsgericht mit Gegenansprüchen aus Streitigkeiten befasse, die ihm nicht zur Entscheidung zugewiesen seien.565 Andere halten diese Einschränkung unter Verweis auf den für die Rechtswegzuständigkeit in Deutschland geltenden §  17 Abs.  2 S.  1 GVG für unberechtigt: Wie ein staatliches Gericht habe das Schiedsgericht den Streit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten, einschließlich aller Vorfragen, zu entscheiden.566 Unter den Befürwortern dieser Auffassung wird allein der Aufrechnung wegen ihrer Nähe zur Widerklage und der rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung zum Teil eine Sonderrolle eingeräumt.567 Ebenso umstritten ist die Konstellation, in der das Zurückbehaltungsrecht vor einem staatlichen Gericht eingewendet wird, während die Gegenforderung einer Schiedsvereinbarung unterfällt. Manche gehen auch hier von einem Verbot der Geltendmachung der schiedsbefangenen Forderung vor staatlichen Ge­ richten aus, gleichviel ob sie klage- oder einredeweise erhoben wird. Verwiesen wird insoweit wieder auf die vermeintlich gleiche Interessenlage wie bei der Aufrechnung,568 bei der ganz überwiegend ein Verbot der Aufrechnung mit Kawano, ZZPInt. 4 (1999), 393 (403 f.); grds. auch Kannengießer, Aufrechnung, S.  207 ff.; kritisch auch BGH, Urt. v. 20.12.1956, BGHZ 23, 17 (24 ff.) (i. Erg. offengelassen). 563  So Schütze/Tscherning/Wais-Wais, Schiedsverfahren, Rz.  56; Wieczorek/Schütze-­ Schütze, §  1025 Rz.  69 (zur Rechtslage vor 1998); für die grundsätzliche Kognitionsbefugnis über sämtliche Einreden Wieczorek/Schütze-Schütze, §  1042 Rz.  103. 564  So explizit Lachmann, Hdb. Schiedsgerichtspraxis, Rz.  500; grundsätzlich auch Musielak­/ ­Voit-Voit, §  1029 Rz.  23 (Ausnahme bei unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen); Schütze/Tscherning/Wais-Wais, Schiedsverfahren, Rz.  56. 565  Lachmann, Hdb. Schiedsgerichtspraxis, Rz.  500. 566  Dafür bereits RG, Urt. v. 2.6.1931, RGZ 133, 16 (19); MüKoZPO-Münch, §  1046 Rz.  37; Saenger-Saenger, §  1029 Rz.  15. 567  MüKoZPO-Münch, §  1046 Rz.  37; Saenger-Saenger, §  1029 Rz.  17 ff.; anders aber Wieczorek/Schütze-Schütze, §  1042 Rz.  103. 568  Schütze/Tscherning/Wais-Wais, Schiedsverfahren, Rz.  134, zur Aufrechnung vgl. Rz.  133.

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§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen

schiedsbefangenen Forderungen angenommen wird, sofern sich der Aufrechnungsgegner auf die Schiedsklausel beruft569. Andere wiederum weisen einen konkludenten Zurückbehaltungsausschluss zurück, da über die Gegenforderung nicht rechtskräftig entschieden werde.570 3. Stellungnahme Unproblematisch sind wiederum die Fälle, in denen sich der Kläger auf das Zurückbehaltungsrecht rügelos einlässt571. Erfolgt die rügelose Einlassung vor einem Schiedsgericht, wird man in ihr einen konkludenten Schiedsvertragsschluss für die Gegenforderung sehen müssen, dessen mangelnde Schriftform nach §  1031 Abs.  6 ZPO geheilt wird. Lässt sich der Kläger vor einem staatlichen Gericht rügelos auf die schiedsbefangene Forderung ein, lässt sich das Parteiverhalten jedenfalls als konkludente Aufhebung eines potentiell bestehenden Zurückbehaltungsausschlusses deuten.572 Ferner ergeben sich keine Probleme, wenn der Gegenanspruch rechtskräftig festgestellt oder unstreitig ist.573 In all diesen Fällen besteht kein schutzwürdiges Interesse des Klägers, sich gegen die auf die Gegenforderung gestützte Verteidigung zu verwahren. In den übrigen Fällen ist zwischen der Situation der Zurückbehaltung vor Schiedsgerichten und der Zurückbehaltung vor staatlichen Gerichten mit schiedsbefangenen Forderungen zu differenzieren. a) Zurückbehaltungsrecht mit nicht schiedsbefangener Forderung vor Schiedsgerichten Ist die Frage der Einreden nicht explizit geregelt, so muss auch diese Regelungslücke der Schiedsvereinbarung durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Die Auslegungsregeln sind dem Schiedsklauselstatut zu entnehmen.574 569  BGH, Urt. v. 22.11.1962, BGHZ 38, 254 (256 ff.); so auch bereits das RG, Urt. v. 21.11.1911, JW 1912, 132 (Nr.  3); RG, Urt v. 1.3.1929, RGZ 123, 348 (349 f.); MüKoZPO-Fritsche, §  145 Rz.  35; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  3 Rz.  13; Schütze/Tscherning/ Wais-Wais, Schiedsverfahren, Rz.  55; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  175 Rz.  24; Geimer, IZPR, Rz.  3818; anders noch BGH, Urt. v. 20.12.1956, BGHZ 23, 17 (22 ff.) (Unbeachtlichkeit der Schiedsklausel); differenzierend Kannengießer, Aufrechnung, S.  210 ff. 570  Musielak/Voit-Voit, §  1032 Rz.  6. 571  Schütze/Tscherning/Wais-Wais, Schiedsverfahren, Rz.  134; so auch für die Aufrechnung Reiner, FS Hempel, S.  108 (109); Kannengießer, Aufrechnung, S.  205. 572  Für das Parallelproblem der Aufrechnung Kannengießer, Aufrechnung, S.  205. 573  Schütze/Tscherning/Wais-Wais, Schiedsverfahren, Rz.  55; Musielak/Voit-Voit, §  1029 Rz.  23; zu den Gründen vgl. oben §  5 III. und IV. 574  Umstritten; dazu oben §  8 I. 2.

III. Einfluss von Schiedsvereinbarungen

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aa) Grundsätzliche Zulässigkeit des Zurückbehaltungsrechts Die Interessen des Klägers am Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten sind vor allem prozessökonomischer Natur. Der Kläger ist grundsätzlich bestrebt, das Schiedsverfahren von zusätzlichen Vorfragen freizuhalten und eine möglichst zügige und kostengünstige Entscheidung herbeizuführen. Insbesondere kann sich die Zulässigkeit eines Zurückbehaltungsrechts nur zu seinem Nachteil auswirken, wenn die Vollstreckbarkeit seiner Hauptforderung beschränkt wird. Diese prozessökonomischen Interessen allein können jedoch nicht rechtfertigen, einen von der materiellrechtlichen Rechtslage zu Lasten des Beklagten abweichenden Schiedsspruch zu akzeptieren. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt575, ist das Argument der Prozessökonomie mit Blick auf die prozessuale Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten zweischneidig. Grundsätzlich sind daher auch Schiedsgerichte dazu berufen, einen Anspruch unter allen in Betracht kommenden Aspekten zu würdigen. Anderenfalls drohen die Parteien in ihrem Vertrauen auf die materielle Rechtslage enttäuscht zu werden, so z. B. wenn sich der Beklagte innerhalb des Schiedsverfahrens auf einen Vertrag mit einer Haftungsausschlussklausel beruft, der keinen Hinweis auf die Schiedsvereinbarung enthält. Ebenso mag ein vertraglicher Anspruch des Klägers, der der Schiedsvereinbarung unterfällt, die Klärung seiner Inhaberstellung über ein Grundpfandrecht erfordern, obwohl deren Feststellung nicht ausdrücklich von der Schiedsklausel gedeckt ist. Es müssen mithin gewichtige Gründe vorliegen, dem Schiedsgericht die Entscheidungsbefugnis über eine entscheidungserhebliche Vorfrage zu versagen. Bei der Aufrechnung kann ein solcher Grund in §  322 Abs.  2 ZPO liegen. Hier lässt sich argumentieren, das Schiedsgericht könne durch Berücksichtigung der Aufrechnung und die damit verbundene Feststellung der Gegenforderung ultra vires entscheiden.576 Dieses Problem stellt sich bei Zurückbehaltungsrechten im Rahmen von Schiedsverfahren ebenso wenig wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen577, soweit die lex loci arbitri keine Erstreckung der Rechtskraft auf Vorfragen zulässt. Im deutschen Recht ist die Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs nach §  1055 ZPO mit derjenigen eines deutschen Urteils deckungsgleich. Aber auch soweit die lex loci arbitri eine Rechtskrafterstreckung vorsieht, ergeben sich keine Probleme. Nach ganz überwiegender Auffassung steht die Rechtskraft eines Schiedsspruchs zur Disposition der Parteien, da anders als bei der Rechtskraft von gerichtlichen Urteilen das öffentliche Interesse an der 575 

Oben §  6 IV. 2. Siehe dazu die Nachweise in Fn.  563. 577  Vgl. oben §  8 II. 3. 576 

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§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen

Beschränkung der mehrfachen Inanspruchnahme staatlicher Gerichte nicht ­betroffen ist.578 Wenn aber die Parteien vollständig auf die Rechtskraft verzichten können, ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch ein den Parteiinteressen entsprechender Teilverzicht möglich sein soll. Denn das Schiedsverfahren beruht auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (vgl. für das deutsche Recht §  1029 Abs.  1 ZPO). Dem Schiedsspruch erwächst die bindende Kraft der §§  1055, 322 Abs.  1 ZPO durch den Parteikonsens, eine Streitigkeit der Entscheidung in einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterstellen. Gründet aber die Bindung der Parteien an den Schiedsspruch auf deren vertraglichem Willen, dann ist es ihnen ebenso unbenommen, diese Bindung an bestimmte Modalitäten zu knüpfen.579 Eine solche Beschränkung der Rechtskraft des Schiedsspruchs auf die entschiedene Hauptsache ist insbesondere dann interessengerecht, wenn die Parteien Vorfragen nicht explizit der Schiedsvereinbarung unterstellt haben. Im Interesse eines weitgehenden Gleichlaufs von materieller Rechtslage und Prozess­ ergebnis ist im Zweifel gewollt, dass das Schiedsgericht umfassend und unter Berücksichtigung sämtlicher Verteidigungsrechte entscheidet. Andererseits widerspräche es dem Parteiinteresse, dem Schiedsgericht die rechtskraftfähige Entscheidung über sämtliche Vorfragen zuzuweisen, ohne dass dies explizit vereinbart wurde oder der lex loci arbitri entspricht. Insofern ist im Zweifel davon auszugehen, dass – soweit sich diese Frage nach der lex loci arbitri überhaupt stellt – die Parteien die Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs über die Gegenforderung bei einem Zurückbehaltungsrecht stillschweigend abbedungen haben. Wird über die Gegenforderung nicht rechtskräftig entschieden, so ist der Kläger jedoch grundsätzlich nicht schutzwürdig, da ihm insoweit sämtliche Möglichkeiten verbleiben, durch Klärung der Gegenforderung vor den staatlichen Gerichten letztlich doch einen vorbehaltlosen Schiedsspruch oder zumindest im Ergebnis seine vorbehaltlose Vollstreckung580 zu gewährleisten. Ein auf eine schiedsklauselfremde Forderung gestütztes Zurückbehaltungsrecht ist daher grundsätzlich zulässig.

578  BGH, Beschl. v. 1.3.2007, SchiedsVZ 2007, 160 (162) („unbestritten“); RG, Urt. v. 2.3.1920, JW 1920, 703 (704) (Nr.  1); Lachmann, Hdb. Schiedsgerichtspraxis, Rz.  1790; Stein/Jonas-Leipold, §  322 Rz.  212. A. A. aber unter Berufung auf den Wortlaut von §  1055 ZPO Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  21 Rz.  7. 579  Für eine weitreichende Dispositionsfreiheit der Parteien auch BGH, Beschl. v. 1.3.2007, SchiedsVZ 2007, 160 (162). 580  Zur Lösung dieser Problemfälle eingehend oben §  6 III. 3. b).

III. Einfluss von Schiedsvereinbarungen

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bb) Ausnahmen Ein gewichtiges Interesse des Klägers an der Zurückweisung des Zurückbehaltungsrechts kann sich allerdings dann ergeben, wenn aus der Schiedsabrede oder dem von ihr erfassten Vertrag hervorgeht, dass sie maßgeblich auf einer besonderen Sachkompetenz der Schiedsrichter für die Beurteilung der Hauptforderung beruht.581 Geht diese Spezialisierung z. B. bei bestimmten technischen Sachverhalten so weit, dass sich die Sachkompetenz des Gerichts ausschließlich auf die Hauptforderung beschränkt, während für die Gegenforderung keinerlei Sachkompetenz besteht, mag es im Einzelfall den Parteiinteressen entsprechen, die Gegenforderung im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts auszuschließen. Ein gegenüber den Verteidigungsinteressen des Beklagten überwiegendes Interesse am Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts wird jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen anzunehmen sein, in denen das Schiedsgericht aufgrund mangelnder Fachkompetenz geradezu überfordert wäre, über die schiedsfremde Gegenforderung inzident mitzuentscheiden. Denkbar erscheint eine solche Ausnahme beispielsweise in – praktisch wohl wenig bedeutsamen – Fällen, in denen ein für Lizenzstreitigkeiten aus Naturwissenschaftlern und juristischen Laien bestelltes Schiedsgericht über die Beurteilung der patentrechtlichen und technischen Fragen hinaus durch ein Zurückbehaltungsrecht mit schwierigen gesellschaftsrechtlichen Fragen konfrontiert würde. Jenseits dieser Sonderfälle ist jedoch von der unbeschränkten Zulässigkeit von Zurückbehaltungsrechten vor Schiedsgerichten auszugehen. Die Klägerinteressen recht­fertigen insoweit keine Beschränkung der Kognitionsbefugnis zu Lasten des Beklagten. b) Zurückbehaltungsrecht mit schiedsbefangener Forderung vor staatlichen Gerichten Eine etwas andere Interessenlage ergibt sich bei der Frage, wie zu verfahren ist, wenn vor einem staatlichen Gericht eine schiedsbefangene Gegenforderung zurückbehaltungsweise geltend gemacht wird. Das für die Zulässigkeit der Aufrechnung vorgebrachte Argument, die Verdrängung der staatlichen Gerichte durch Schiedsgerichte sei ein Ausnahmefall,582 überzeugt spätestens seit der Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes583 in die §§  1025 ff. ZPO und der damit bezweckten „Schiedsfreundlichkeit“ des deutschen Zivilprozessrechts584 Vgl. zu diesem Aspekt für die Aufrechnung Kannengießer, Aufrechnung, S.  208 f. Kannengießer, Aufrechnung, S.  211. 583  UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 11.12.1985, UN-Doc. A/RES/40/72. 584  Vgl. nur Berger, SchiedsVZ 2009, 289 (293); Kröll, NJW 2011, 2165 (1271). 581 

582 

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§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen

nicht mehr. Zunächst scheint daher viel dafür zu sprechen, eine auf die schiedsbefangene Gegenforderung gestützte Einrede grundsätzlich auch vor staatlichen Gerichten zuzulassen. Probleme einer potentiellen Rechtskraft lassen sich auch hier ausräumen. Sofern nach der lex fori eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Vorfrage in Betracht kommt, wäre diese jedenfalls im Ausland – entsprechend der zu Gerichtsstandsvereinbarungen entwickelten Grundsätze585 – nicht anzuerkennen. Rechtskräftig kann somit nur das Schiedsgericht über die Gegenforderung entscheiden. Es kommt also nicht dazu, dass die Schiedsvereinbarung durch ein Zurückbehaltungsrecht vor staatlichen Gerichten ausgehebelt586 wird. Auch andere Nachteile, die sich im Rahmen der Aufrechnung mit schieds­ befangenen Gegenforderungen ergeben, entfallen im Rahmen von Zurückbehaltungsrechten. Insbesondere das Prozesskostenargument, nach dem die Kosten vor den staatlichen Gerichten durch die Schiedsabrede vermieden werden sollen587, spielt – jedenfalls im deutschen Prozessrecht – keine Rolle, da sich der Gebührenstreitwert durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts – anders als bei der Aufrechnung (vgl. für das deutsche Recht §  45 Abs.  1 S.  1 GKG) – nicht erhöht, sondern wertmäßig durch die Hauptforderung begrenzt wird.588 Anders als in der ersten Konstellation verhält es sich auch hier mit dem besonderen technischen und juristischen Sachverstand des Schiedsgerichts. Während ein Schiedsgericht möglicherweise daran gehindert sein kann, kompetent über eine schiedsfremde Gegenforderung zu entscheiden, ist bei einem staat­ lichen Gericht grundsätzlich davon auszugehen, dass es zur Beurteilung sämt­ licher Vorfragen in der Lage ist. Die besondere Sachkunde des Schiedsgerichts kommt den Parteien ohnehin zugute, da dem Schiedsgericht das letzte Wort über die Gegenforderung zukommt, dessen Rechtskraft im Ergebnis auch in den staatlichen Zivilprozess – spätestens im Vollstreckungsverfahren – eingeführt werden kann. Ein vertraglich vereinbarter Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts vor staatlichen Gerichten ist allerdings naheliegend, weil es den Parteien bei Abschluss der Schiedsvereinbarung regelmäßig besonders auf die Vertraulichkeit oder zumindest die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens ankommt.589 Dies kann 585 

Dazu oben §  8 II. 3. Vgl. zur Aufrechung Geimer, IZPR, Rz.  3818. 587  Dazu Kannengießer, Aufrechnung, S.  212. 588  BGH, Urt. v. 17.12.1990, NJW-RR 1991, 1083 (1083 f.) (st. Rspr.) m. w. N. 589  Zu diesem Gesichtspunkt bei der Aufrechnung vgl. Reiner, FS Hempel, S.  108 (120) (aus österreichischer Sicht); Kannengießer, Aufrechnung, S.  211; allgemein zur Vertraulichkeit in Schiedsverfahren Sawang, Geheimhaltung, S.  236 ff. 586 

IV. Zusammenfassung

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insbesondere im Rahmen von Streitigkeiten über Unternehmensgeheimnisse (z. B. Know-how-Übertragungsverträge) oder bei Unternehmenskäufen bedeutsam sein. Zwar sind Bedeutung und Reichweite der Verpflichtung der Parteien zur Vertraulichkeit im Einzelnen umstritten.590 Hierauf kommt es im Ergebnis jedoch nicht an, da jedenfalls die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens in den meisten Fällen ein wesentlicher Grund für den Abschluss der Schiedsvereinbarung ist und in den einschlägigen Schiedsordnungen auch gewährleistet wird, sofern nicht die Parteien abweichende Vereinbarungen treffen (vgl. nur §  43.1 DIS-SchO; Art.  25 Nr.  4 UNCITRAL-SchO). Hieraus folgt, dass die einredeweise Geltendmachung der schiedsbefangenen Gegenforderung vor einem staatlichen Gericht im Regelfall ausgeschlossen sein wird. Denn das staatliche Gericht wäre auf das Beklagtenvorbringen hin gezwungen, über die Gegenforderung im Regelfall öffentlich (vgl. für das deutsche Recht §  169 S.  1 GVG) Beweis zu erheben, unabhängig davon, ob sich die Gegenforderung nur als Vorfrage stellt. Dies würde jedoch den typischerweise mit einer Schiedsabrede verbundenen Parteiinteressen zuwiderlaufen. 4. Ergebnis Es können also im Rahmen von Schiedsverfahren besondere Gründe (z. B. die Vertraulichkeit oder die Nichtöffentlichkeit) bestehen, aus denen nach dem hypothetischen Parteiwillen ein Zurückbehaltungsausschluss als mitvereinbart zu unterstellen ist. Bei Geltendmachung einer nicht schiedsbefangenen Gegen­ forderung vor einem Schiedsgericht ist im Zweifel von der Zulässigkeit des Z ­ urückbehaltungsrechts auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise aufgrund besonderer Spezialisierung des Schiedsgerichts für die Hauptsache eine Sach­ kompetenz für die Gegenforderung fehlt. Hingegen ist die Geltendmachung eines auf eine schiedsbefangene Gegenforderung gestützten Zurückbehaltungsrechts vor staatlichen Gerichten aufgrund der Umgehung der schiedsgerichtlichen Nichtöffentlichkeit im Zweifel unzulässig.

IV. Zusammenfassung Fehlt dem angerufenen Gericht die Zuständigkeit aufgrund einer Parteivereinbarung, so ist im Zweifel dennoch von seiner unbeschränkten Kognitionsbefugnis bezüglich Vorfragen auszugehen. Der hypothetische Wille der Parteien geht 590  Eingehend Prütting, FS Böckstiegel, S.  629 (631 ff.); Oldenstam/v. Pachelbel, SchiedsVZ 2006, 31 (32 ff.); gegen eine Vertraulichkeitspflicht ohne ausdrückliche Vereinbarung Lachmann, Hdb. Schiedsgerichtspraxis, Rz.  147; Lionnet/Lionnet, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  7 III.2.c) (S.  458); zum Streitstand Sawang, Geheimhaltung, S.  245 f.

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§  8 Einfluss von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen

bei Gerichtsstands- wie auch bei Schiedsvereinbarungen dahin, dem (Schieds-) Gericht eine möglichst umfassende Kognitionsbefugnis für Vorfragen einzuräumen. Bei Schiedsverfahren kann allerdings im Falle der Zurückbehaltung aufgrund schiedsgerichtsfremder Forderungen vor einem Schiedsgericht bei dessen besonderer Spezialisierung eine andere Auslegung in Betracht kommen. Auf der anderen Seite ist die Einwendung von schiedsbefangenen Gegenforderungen vor staatlichen Gerichten regelmäßig ausgeschlossen, da sich die Parteien mit der Schiedsvereinbarung regelmäßig auf die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung über die Gegenforderung geeinigt haben.

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen Die vorangegangene Analyse hat gezeigt, dass Zurückbehaltungsrechte für die Verteidigungsmöglichkeiten eines Beklagten in grenzüberschreitenden Prozessen von großer Bedeutung sind. Inwieweit Zurückbehaltungsrechte jedoch außerhalb des für die Gegenforderung vorgesehenen internationalen Gerichtsstands geltend gemacht werden können, wurde bisher kaum diskutiert. Das Problem der Kognitionsbefugnis stellt sich hauptsächlich bei allgemeinen Zurückbehaltungsrechten, die nur einen losen Zusammenhang zwischen den Forderungen voraussetzen oder auf Konnexität ganz verzichten, so dass die Gegenforderung vom Gerichtsstand für die Hauptforderung weitgehend entkoppelt sein kann. Bisher existiert weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung eine einheitliche Linie, nach der sich die Kognitionsbefugnis der Gerichte über Zurückbehaltungsrechte verlässlich beurteilen lässt. Insoweit hat die Untersuchung ergeben, dass der bisher vertretene Ansatz – nämlich die prozessrechtliche Gleichsetzung von Zurückbehaltungsrechten mit der Aufrechnung – nicht überzeugt. Die Kognitionsbefugnis hängt vielmehr von den prozessualen Interessen ab, die von den Wirkungen eines Zurückbehaltungsrechts im Prozess betroffen sind. Diese sind wiederum bedingt durch das auf Voraussetzungen und prozessuale Wirkungen von Zurückbehaltungsrechten anwendbare Recht. Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung zu diesen Zusammenhängen werden im Folgenden in 15 Thesen zusammengefasst: 1.  Das auf das Bestehen von Zurückbehaltungsrechten anwendbare Recht bestimmt sich bei schuldrechtlichen Zurückbehaltungsrechten nach dem Recht der Hauptforderung. Dies gilt auch für die besitzgebundenen kaufmännischen Zurückbehaltungsrechte. Sofern diese auch gegenüber Dritten wirken, beurteilt sich diese Drittwirkung nach dem Recht am Belegenheitsort des Gegenstands (lex rei sitae).1 2.  Die Rechtsfolgen von Zurückbehaltungsrechten einschließlich des durch die Geltendmachung gebotenen Urteilsausspruchs richten sich nach der lex causae. 1 

§  2 I. 2. b).

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Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

Sieht das anwendbare materielle Recht eine Verurteilung Zug um Zug vor, so hat sich auch ein ausländisches Gericht bei der Tenorierung an dieser materiellrechtlichen Maßgabe zu orientieren. Kennt die lex fori keine entsprechende Te­ no­rierung, ist der Richter gehalten, die Rechtsfolge in eine ihm bekannte Teno­ rierungsform zu übersetzen, die das materiellrechtliche Ergebnis weitestgehend wahrt. Dies gilt unabhängig davon, ob ein solches Urteil im Urteilsstaat selbst vollstreckt werden könnte.2 3.  Die Kognitionsbefugnis eines Gerichts über Einreden bestimmt sich nach der lex fori.3 4.  Die Zulässigkeit von Verteidigungsmitteln bestimmt sich innerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO allein und abschließend nach deren Regeln. Ob ein Zurückbehaltungsrecht die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung erfordert, lässt sich im Anwendungsbereich der EuGVVO nur aus ihrer Systematik und ihren Prinzipien heraus beantworten.4 5.  Gerichte können über eine im Wege des Zurückbehaltungsrechts geltend gemachte Gegenforderung entscheiden, sofern sie rechtskräftig festgestellt oder unstreitig ist oder eine Widerklagezuständigkeit für sie begründet wäre. Im Anwendungsbereich der EuGVVO kann jedoch aus der materiellrechtlichen Konnexität nach §  273 Abs.  1 BGB nicht automatisch auf die Eröffnung eines Widerklagegerichtsstands geschlossen werden.5 6.  Im Anwendungsbereich der EuGVVO lässt sich eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die Gegenforderung nicht über §  23 ZPO begründen.6 7.  Die Interessen des Beklagten am Erhalt eines Zurückbehaltungsrechts überwiegen gegenüber den Interessen des Klägers, über einredeweise vorgebrachte, zuständigkeitsfremde Gegenforderungen nicht verhandeln zu müssen.7 8.  Anders als bei der Aufrechnung zeitigt die Entscheidung über ein Zurück­ behaltungsrecht nach autonomem deutschen Prozessrecht weder unmittelbare noch mittelbare Rechtskraftwirkungen. Aber auch soweit nach der lex fori über die Gegenforderung rechtskräftig entschieden wird, bleibt die Kognitions­ befugnis eines für die Gegenforderung international unzuständigen Gerichts über das Zurückbehaltungsrecht hiervon unberührt. Aufgrund der besonderen 2 

§  2 II. §  2 III. 1. 4  §  4. 5  §  5. I.–IV. 6  §  5 V. 7  §  6 I. 3 

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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Bedeutung der Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsnormen der EuGVVO gilt dies selbst für die Fälle, in denen ein in Art.  45 Abs.  1 lit.  e) ­EuGVVO genannter Gerichtsstand für die Gegenforderung greifen würde. Einer Aushöhlung der ausländischen ausschließlichen Zuständigkeiten wird dadurch begegnet, dass die Rechtskraft der Entscheidung über die Gegenforderung entsprechend Art.  45 Abs.  1 lit.  e) EuGVVO (Art.  35 Abs.  1 EuGVVO a. F.) auf den Urteilsstaat beschränkt und nicht im Wege der Wirkungserstreckung auf den Anerkennungsstaat übertragen wird.8 9.  Durch Geltendmachung einer Gegenforderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts wird diese nicht nach Art.  29 Abs.  1 EuGVVO anhängig. Daher ist es möglich, dass sich zwei Gerichte parallel mit dem Bestehen der Gegenforderung auseinandersetzen, einmal im Einredeprozess und einmal in der Haupt­ sache. Hierdurch drohende Entscheidungswidersprüche sind unbedenklich, da sie sich im Zwangsvollstreckungsverfahren durch eine analoge Anwendung von §  756 ZPO oder eine Klage auf Feststellung der Zulässigkeit unbedingter Zwangsvollstreckung ausräumen lassen. In besonderen Ausnahmefällen kann das Verfahren um das Zurückbehaltungsrecht auch nach Art.  30 Abs.  1 ­EuGVVO ausgesetzt werden.9 10.  Staatliche Ordnungsinteressen zwingen nicht zu einer Beschränkung der Kognitionsbefugnis. Selbst die Zwecke der ausschließlichen Zuständigkeiten, die z. T. Bestandteil des ordre public der Mitgliedstaaten sind, stehen einer Geltendmachung zuständigkeitsfremder Gegenforderungen nicht entgegen. Zudem spricht die Prozessökonomie nicht gegen die Zulässigkeit zuständigkeitsfremder Zurückbehaltungsrechte.10 11.  Zurückbehaltungsrechte sind im internationalen Zivilprozessrecht der ­EuGVVO unabhängig davon zulässig, ob für die Gegenforderung ein interna­ tionaler Gerichtsstand im Inland besteht. Weder die Parteiinteressen noch die unionsrechtlichen Ordnungsinteressen gebieten eine Einschränkung der Kognitionsbefugnis eines Gerichts über Zurückbehaltungsrechte, die auf zuständigkeitsfremden Gegenforderungen gründen. An der Regel le juge de l’action est le juge de l’exception ist für Zurückbehaltungsrechte daher ohne Einschränkungen festzuhalten.11 Dies gilt auch für das autonome deutsche Recht.12

8 

§  6 II. §  6 III. 10  §  6 IV. 11  §  6 V. 12  §  7. 9 

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Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

12.  Ist für die Geltendmachung einer Forderung ein Gerichtsstand vereinbart, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien keinen Ausschluss eines auf diese Forderung gestützten Zurückbehaltungsrechts vor einem anderen Gericht beabsichtigt haben. Die Interessen des Klägers rechtfertigen nicht, dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht außerhalb des vereinbarten Gerichtsstands abzuschneiden.13 13.  Haben die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen und enthält diese implizit auch das Verbot, mit der betreffenden Forderung aufzurechnen, so kann daraus nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass ein auf die gleichartige Gegenforderung gestütztes Zurückbehaltungsrecht ebenfalls ausgeschlossen ist. Vielmehr ist ein solches Zurückbehaltungsrecht auch bei gleichartigen Forderungen im Zweifel zulässig.14 14.  Vor einem Schiedsgericht kann im Zweifel auch eine nicht schiedsbefangene Forderung im Wege des Zurückbehaltungsrechts geltend gemacht werden. Ausnahmen sind nur in Einzelfällen anzuerkennen.15 15.  Unterliegt eine Forderung einer Schiedsvereinbarung, so kann sie im Zweifel vor einem staatlichen Gericht auch nicht im Wege des Zurückbehaltungsrechts geltend gemacht werden, da die Parteien mit der Schiedsvereinbarung typischerweise bezwecken, die streitige Verhandlung über die Gegenforderung und eine eventuelle Beweisaufnahme unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen. Eine Schiedsvereinbarung über eine Forderung enthält daher im Zweifel ein Verbot, diese vor staatlichen Gerichten einredeweise geltend zu machen.16

13 

§  8 II. §  8 II. 3. b). 15  §  8 III. 3. a). 16  §  8 III. 3. b). 14 

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Sachregister Abtretung  44, 52, 89 f., 181, 183 actor sequitur forum rei  48, 75, 84 allgemeine Zurückbehaltungsrechte  12–21 Alternativanknüpfung  15 f. anwendbares Recht – bei der Aufrechnung  15 – auf Gerichtsstandsvereinbarungen  167–169 – auf die Kognitionsbefugnis  56–64 – auf Schiedsvereinbarungen  169–171 – bei Zurückbehaltungsrechten  14–21 Aussetzung des Verfahrens – bei der Aufrechnung  51 – bei Zurückbehaltungsrechten nach autonomem Recht  165 f. – bei Zurückbehaltungsrechten nach EuGVVO  81, 90, 137–139 autonomes IZVR  157–167 comitas  150–152 Einantwortungsbeschluss  26 f. Entscheidungseinklang  126–150, 164–166 Erfüllung  51, 142 EuGH-Rechtsprechung – AS-Autoteile/Malhé  39–41, 44, 53, 133, 150, 152 f. – BVG/JP Morgan Chase  117–119 – Danværn/Schuhfabriken Otterbeck  41–47, 56–58, 65, 78, 116, 153, 159 – GAT/Luk  58–62, 79, 117–119, 150 – Gothaer/Samskip  104–107 – Hoffmann/Krieg  106 f., 122 – Meeth/Glacetal  33 f., 34, 38, 80, 172–174 – Spitzley/Sommer  38 f., 70, 172 f. EuGVÜ  32 f., 37 f. EuGVVO – Anwendbarkeit auf Verteidigungsmittel  56–64

– autonome Auslegung  58, 68, 104 f., 130, 137 – einheitliche Auslegung  157 – internationale Zuständigkeit für die Widerklage  48 f., 64–70, 160 f. – neue Fassung  3, 8, 28, 32, 58–62, 77, 107, 111, 122, 125 – Regelung der Kognitionsbefugnis  56–64 falsus procurator  98 Feststellungsklage – besonderes Feststellungsinteresse  76 – Gerichtsstand  75 – negative  73, 75, 92, 131 – Rechtskraft  28, 51, 97, 140 – Zwischenfeststellungsklage  99, 108 f., 123 f., 128, 140, 146 f. Freizügigkeit  25, 108, 122, 163 Funktion der Aufrechnung – Sicherungsfunktion  3 – Vollstreckungsfunktion  3, 154 Gegenforderung – konnexe  67–70 – rechtskräftig festgestellte  70–72 – unstreitige  72, 160 Gegenseitigkeit (§ 328 ZPO)  71 Gleichartigkeit  35, 159, 173, 175 f., 180–184, 196 handelsrechtliches Zurückbehaltungsrecht  13, 18–21, 69, 86–88, 96, 127, 160, 185, 193 Hauptforderung – Anknüpfung an die Hauptforderung  15–17, 21 – Relevanz für Kognitionsbefugnis  73 f. issue estoppel  103, 108 f., 113, 115

216

Sachregister

iudex actionis est iudex exceptionis, siehe juge de l’action est le juge de l’exception Jenard-Bericht  7, 61, 68, 74 f., 83 f., 93, 108, 111–115, 122 f., 152, 155 juge de l’action est le juge de l’exception  1, 6, 49, 121, 125, 157, 195 kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht, siehe handelsrechtliches Zurückbehaltungsrecht Konnexität  67–70 kontradiktorisches Gegenteil  95–98, 147 Liquidität der Forderungen  49 f., 57, 142 Luganer Übereinkommen  2, 58, 93 Mietsachen, Forderungen  7, 12 f., 17 f., 69, 78, 83, 123 ff. ne ultra petita  99, 106 opschortingsrecht  12, 67, 85, 88 Ordnungsinteressen, staatliche  150–156, 164–166 Privatvollstreckung  3, 154 Prorogationsstatut  168 f. Prozessökonomie  38, 138, 150, 155 f., 175, 187, 195 Qualifikation – von Zurückbehaltungsrechten  18–21 – der Zuständigkeitsfrage  29–32 Rechtskraft – nach § 322 Abs. 2 ZPO  45, 48, 51 f., 94 f. – Anerkennung  104–110 – Auswirkungen auf Kognitionsbefugnis  94 f., 110–126 – in Deutschland  95–99 – Durchbrechung  141, 149 – in England  102–104 – in Frankreich  100–102 – Kumulationstheorie  107 – im Schiedsverfahren  187 f. – verordnungsautonomes Verständnis  104–106

– Wirkungserstreckung  106–110 – Wirkungsgleichstellung  107 – bei Zurückbehaltungsrechten  94, 95–104, 120–125 rügelose Einlassung  39, 44, 64, 70, 172 f., 186 schiedsbefangene Forderung  184–191 Schiedsvereinbarung – anwendbares Recht  169–171 – Einfluss auf Zurückbehaltungsrechte  184–191 – Zurückbehaltungrechte vor Schiedsgerichten  186–189 – Zurückbehaltungsrechte vor staatlichen Gerichten  189–191 Schutzwürdigkeit des Beklagten  85–90, 161 Sicherungsfunktion von Zurückbehaltungsrechten  16, 18, 25, 52, 78, 90–94, 182 synallagmatische Forderungen  11 trait pour trait 22 unerlaubte Handlung  181 Unmöglichkeit der Erfüllung der Gegenforderung  142, 145–147 verjährte Forderung  16 f., 88, 98, 124, 144, 178 Vermögensgerichtsstand  76–78, 160 f. Vollstreckungsabwehrklage  39, 133–136 Vollstreckungsgerichtsstand  39 f. Vorbehaltsurteil  51, 90 Vorfrage – Präjudizialität  52, 70, 72, 86, 95, 101, 112, 120 – Rechtskraft  94, 95–104, 120–125 Vorhersehbarkeit  63, 74, 118, 120–122– 126, 195 wesensfremde Tätigkeit  26 f. Widerklage – counterclaim  49 – nach EuGVVO 65–69, 160 – Unterschiede zur Aufrechnung  48–51 – Wirkung  64 – nach ZPO  65, 160

Sachregister Zug um Zug-Vorbehalt – Beseitigung bei Unmöglichkeit  142, 145–147 – Tenorierung  25–28 – Vollstreckung  24, 25 f. 141 – Wirkungserstreckung  106–110 Zurückbehaltungsausschluss  35, 71, 181 Zurückbehaltungsstatut – Anknüpfung an die Gegenforderung  16 f. – Anknüpfung an die Hauptforderung  15–17 – einheitliche Anknüpfung  15 – Qualifikation  14, 18–21 – bei dinglichen Zurückbehaltungsrechten  18–21

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– bei schuldrechtlichen Zurückbehaltungsrechten  15–18 Zuständigkeitsfrage – nach § 23 ZPO  76–78, 160 f. – Qualifikation  29–32 – bei rechtskräftiger Vorentscheidung  70–72 – bei rügeloser Einlassung  39, 44, 64, 70, 172 f., 186 – bei unstreitiger Gegenforderung  72, 160 – nach ZPO  157–166 zuständigkeitsrechtliche Interessen – des Beklagten  85–90, 161 – des Klägers  90–94, 161 – staatliche Ordnungsinteressen  150–157, 164–166